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Identität aus Stein

Die Athener Akropolis und ihre Stadt

0516
2022
978-3-7398-8104-1
978-3-7398-3104-6
UVK Verlag 
Ulrich Gotter
Alexandros Papageorgiou-Venetas
Christina Papastamati-von Moock
Christine Redford-Schnurr
Kai Trampedach
Adrian von Buttlar
Elisavet P. Sioumpara
Henning Börm
Charalambos Bouras
Vasiliki Eleutheriou
Wolf-Dieter Heilmeyer
Ralf Krumeich
Korres Manolis
Sylvia Martin
10.24053/9783739881041

Die meisten antiken griechischen Städte hatten, soweit es die Topographie auch nur irgendwie zuließ, eine "Oberstadt". Dass "Akropolis" gleichwohl und oft genug im Singular mit bestimmtem Artikel firmiert und dann unausweichlich nach Athen gehört, ist mehr als ein historischer Zufall. Denn nirgendwo sonst ist eine Akropolis so bewusst ästhetisch überhöht und über so lange Zeit hinweg, von der griechischen Archaik bis ins 21. Jahrhundert n. Chr., im Sinne der städtischen Identität inszeniert worden wie in Athen. Der Band nimmt, ausgehend von einer Begegnung griechischer und deutscher Forscher, die identitären Aspekte der Beziehung zwischen der Stadt Athen und seiner Akropolis transepochal und interdisziplinär in den Blick. Dabei werden die relevanten Disziplinen zusammengeführt, von der Archäologie und der Alten Geschichte über die Bauforschung, Restauration und Museologie bis hin zur Stadtplanung. Die thematischen Schwerpunkte bilden die Antike (Archaik bis Spätantike) sowie die Moderne seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts. Am Ende steht ein mehrstimmiger Ausblick auf die zeitgenössischen konservatorischen und urbanistischen Herausforderungen.

Ulrich Gotter, Elisavet P. Sioumpara (Hg.) Identität aus Stein Die Athener Akropolis und ihre Stadt Konstanzer Althistorische Vorträge und Forschungen Herausgegeben von Wolfgang Schuller Heft 55 Ulrich Gotter / Elisavet P. Sioumpara (Hg.) Identität aus Stein Xenia Konstanzer Althistorische Vorträge und Forschungen Herausgegeben von Wolfgang Schuller Heft 55 Ulrich Gotter / Elisavet P. Sioumpara (Hg.) Identität aus Stein Die Athener Akropolis und ihre Stadt UVK Verlag · München Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783739881041 © UVK Verlag 2022 - ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. 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Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 0936-8663 ISBN 978-3-7398-3104-6 (Print) ISBN 978-3-7398-8104-1 (ePDF) 5 Inhalt Elisavet P. Sioumpara und Ulrich Gotter Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Ulrich Gotter und Elisavet P. Sioumpara Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Charalambos Bouras Die Akropolis und das Stadtbild Athens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Wolfgang Schuller Der Blick hinunter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Akropolis, Agora und weitere Verflechtungen Elisavet P. Sioumpara Die Monumentalisierung der athenischen Akropolis im frühen 6. Jh. v. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Kai Trampedach Stelen vor dem Parthenon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Die Entstehung der besonderen Inschriftenkultur Athens Christine Schnurr-Redford Der Ölbaum der Athena und die Lampe des Kallimachos im Erechtheion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Henning Börm Ein Bollwerk für Tyrannen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Lachares, Charias und die Athener Akropolis im frühen Hellenismus Manolis Korres Alte Fragen und neue Fragmente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Pfeilermonumente auf der Akropolis und in Athen Ulrich Gotter Pergamons Athen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .115 Zur imitatio Athenarum unter den späten Attaliden Sylvia Martin Die Abwesenheit von Beweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Überlegungen zu Podestaufbau und Komposition des Attalischen Weihgeschenks in Athen Ralf Krumeich Zur Repräsentation von Dichtern und anderen ‚Intellektuellen‘ auf der Akropolis von Athen . . . . . . . 155 Christina Papastamati-von Moock Auf der Suche nach dem „Theater der Tragiker“ . . . . . . . . . . . . . . . 171 Von den spärlichen Schriftquellen zu den archäologischen Überresten Adrian von Buttlar Die Akropolis weiterbauen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Schinkel und Klenze inszenieren Athen Wolf-Dieter Heilmeyer Die Musealisierung der Akropolis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Vasiliki Eleftheriou Das Restaurierungsprojekt der Akropolisdenkmäler . . . . . . . . . . . . 225 Jüngere Arbeiten und anstehende Programme Alexander Papageorgiou-Venetas Die Akropolis von Athen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Sinngehalt, Erlebniswert und Ausstrahlungskraft eines städtischen Wahrzeichens 7 Vorwort Alles ist kairos. Und der kairos dieses Buches sollte seine Präsentation am 3. Oktober 2020, dem 85. Geburtstag Wolfgang Schullers, im Neuen Akropolis-Museum in Athen sein. Darauf hatte Wolfgang, als einer der drei Herausgeber, energisch und unermüdlich hingearbeitet. Die griechisch-deutsche Akropolis-Tagung in Konstanz, auf die weite Teile des vorliegenden Bandes zurückgehen, war sein Thema, die Kommunikation mit den Autoren und die Korrektur vieler Beiträge war ihm mehr Vergnügen als Last. Dass dieses rundum schöne Projekt nun kein happy end erlebt hat, macht uns immer noch sehr traurig. Wolfgang Schuller ist am 4. April 2020, bereits ganz zu Anfang der Coronaepidemie in Europa, im Konstanzer Klinikum gestorben. So ist nun aus einem Band von und für ihn ein Band in memoriam geworden, ein Band, mit dem ihn die Freunde, Schüler, Kollegen und wissenschaftlichen Wegbegleiter ein letztes Mal ehren. Über Wolfgang Schullers Verdienste für die deutsche Wissenschaft ist andernorts viel geschrieben worden; 1 das muss hier nicht wiederholt oder variiert werden. Nur so viel, denken wir, ist festzu- 1 S. jetzt etwa K. Trampedach, Wolfgang Schuller (1935-2020), in: HZ 313 (2021), 686-694. halten: Man merkt vielen Beiträgen an, dass sie nicht nur Produkte wissenschaftlicher Professionalität sind, sondern den Autoren auch ein persönliches Anliegen waren. Das demonstriert der Aufsatz von Charalambos Bouras auf besonders anrührende Weise. Er hat ihn noch im Krankenhaus, in dem er schließlich gestorben ist, fertiggestellt, um seinen Teil zum Band beizusteuern. Dafür sind wir ihm sehr dankbar! Schließlich bleibt uns noch der Dank an alle anderen, die das Erscheinen des Bandes in der vorliegenden Form ermöglicht haben: zuallererst an Uta Preimesser vom UVK Verlag, die mit hohem persönlichem Einsatze und größter Flexibilität für die Umsetzung aller Herausgeberwünsche gesorgt hat; sodann an Jonas Haas, der das Vereinheitlichen der Apparate und die Last des Korrekturlesens übernommen hat, und schließlich an Armin Schönfeld und Philipp Revin, die einzelne Texte und Bilder bearbeitet haben. Konstanz und Athen, im November 2021 Elisa P. Sioumpara und Ulrich Gotter 9 Einleitung Ulrich Gotter und Elisavet P. Sioumpara Dass Bauten die Identität der sie finanzierenden Gruppe spiegeln, ist eigentlich selbstverständlich. Denn wer will schon Geld für etwas ausgeben, das keine Bedeutung für ihn oder sie hat? Insofern ist der Zusammenhang zwischen Bauen und Identität im Grunde ein Gemeinplatz. 1 Dass dieser Gedankensplitter gleichwohl das Leitmotiv für den vorliegenden Band bildet, hängt mit der außerordentlichen Dramatik und Persistenz zusammen, mit der die Identität der Stadt Athen in die Baugeschichte der Akropolis eingeschrieben wurde: Zwar hatten die meisten antiken griechischen Städte, soweit es die Topographie auch nur irgendwie zuließ, eine „Oberstadt“. Dass „Akropolis“ gleichwohl oft genug im Singular und mit bestimmtem Artikel auftritt und dann unausweichlich nach Athen gehört, ist mehr als ein historischer Zufall. Denn wohl nirgendwo sonst ist eine Akropolis so bewusst ästhetisch überhöht und über so lange Zeit hinweg im Sinne der städtischen Identität inszeniert worden wie in Athen. Dieser Zusammenhang von Ästhetik und Identität war und ist kein reines Rezeptionsphänomen. Denn bereits sehr früh überlagerten die semantischen Qualitäten des Bauensembles der Akropolis die pragmatischen. So blieb der Festungscharakter der Oberstadt von Athen stets unterdeterminiert und trat im Laufe der Zeit eindeutig hinter ihrer Funktion als Schaukasten der politischen Organisation zurück. In diesem Sinne zielten die Bauten auf der Akropolis immer wieder auf die besondere legitimatorische Qualität, die sie für das jeweilige politische Regime haben sollten. Vielleicht waren die ästhetischen Botschaften auch gerade deshalb so ambitioniert, weil der politische Resonanzkörper, der sie aussendete, jeweils so prekär war. Es ist wohl kein Zufall, dass sich das erste große Bauprogramm auf der Akropolis mit der prekären und von massiven inneren Erschütterungen geschüttelten Stadtgemeinde verbindet und in der Folgezeit unter der strukturell illegitimen Tyrannis des Peisistratos und seiner Söhne offensiv als Bühne genutzt wurde. Und auch die neue Bürgerschaft, die sich schließlich jenseits des Tyrannen - und gegen ihn - formulierte, fand ihren höchsten Ausdruck in der Inszenierung neuer Kultbauten oberhalb der Stadt. Dass die Perser während ihrer vorübergehenden Besetzung Athens 480/ 479 v.-Chr. gerade diese Bauten in einem Racheakt für die Brandschatzung von Sardeis systematisch zerstörten, reflektiert ebenfalls die besondere Beziehung zwischen Akropolis und Stadt. In der nächsten Wendung der politischen Verhältnisse wiederum verwandelte sich die Akropolis der demokratischen Polis des 5. Jahrhunderts v. Chr. nicht nur in ein Monument des Sieges über die Perser, sondern auch in eine steingewordene Manifestation von Macht über andere, insbesondere über andere Griechen. Diese Verschränkung von Ästhetik und Macht wurde dabei in geradezu extremer Weise explizit. In der Leichenrede des Perikles lässt der Zeitgenosse Thukydides seinen Protagonisten folgendes sagen: „Nur [unsere Stadt] erregt im Feind (…) keine Bitterkeit - was für ein Gegner ihm so übel mitspiele - und auch im Untertanen keine Unzufriedenheit, dass er keinen würdigen Herrn hätte. Und mit sichtbaren Zeichen üben wir wahrlich keine unbezeugte Macht, den Heutigen und Künftigen zur Bewunderung“. 2 Hier wird die kollektive Tyrannei des athenischen Imperiums brutal, unverhohlen und affirmativ an seine ästhetische Potenz gebunden. Dass diese ganz spezifische Formulierung von Übermacht nicht (nur) die textuelle Phantasie eines Literaten war, zeigt auch die Inszenierung von Bauten und Kontext auf der Akropolis selbst. Der große neue Tempel der Athena, der Parthenon, hortete die Tribute der unterjochten Bundesgenossen und wurde nicht zuletzt mithilfe der durch die Flottenmacht erworbenen Mittel errichtet. Die Listen der Tributzahlungen stellte man in Gestalt großer marmorner Stelen im Umfeld des Tempels auf, und der Besucher, der neben dem Nike-Tempel - zur Erinnerung an die athenischen Barbarensiege - die neugebauten Propyläen durchschritt, wurde als erstes durch den Anblick der riesigen Statue der Athena Promachos gebannt, die die athenischen Sieghaftigkeit schlechthin verkörperte. Es ist wohl nicht abwegig, in diesem gewaltigen Ensemble auch einen Bewältigungsversuch der durch die imperiale Politik radikal angestiegenen Opferzahlen unter der eigenen Bevölkerung zu sehen. Nachdem die Akropolis derart persuasiv als Schaukasten Athens etabliert worden war, überlebte ihre identitäre Inszenierung sogar das Ende des Traums von der athenischen Großmacht. Der Bezug der Stadt zur Akropolis wurde seit dem 3. Jahrhundert allerdings vielgestaltiger: Zwar blieb diese der Ort einer städtischen Leistungsschau und artikulierte irgendwie immer noch den Appell zum Streben nach früherer Macht. Daneben wurde sie aber auch zur privilegierten Bühne für die globalen Hierarchien in Hellenismus und Kaiserzeit. So verwandelte sich die Oberstadt Athens zu einem bevorzugten Aufstellungsort von Monumenten der jeweils aktuellen Machthaber im Mittelmeerraum - vor den Augen einer augenscheinlich relevanten übernationalen Öffentlichkeit. Sowohl hellenistische Könige als auch römische Feldherren und später principes nutzten den mittlerweile ästhetisch kanonisierten Ort, um sich an prominenter Stelle in dessen glorreiche und aktualisierbare Vergangenheit einzuschreiben. Herausragende Monumente wie die etwa 115 Meter lange Schlachtengruppe, die der pergamenische 10 Ulrich Gotter und Elisavet P. Sioumpara König Attalos II. an der Südmauer der Akropolis aufstellen ließ, zeigen, dass auch vergleichsweise gigantische Investitionen hier offenbar keine sinnlose Verschwendung waren. Der mittlerweile zum Signum von Zivilisation zementierte und durch jede Weihung in seiner Bedeutung aktualisierte Baukomplex „Akropolis“ wurde so geradezu zum blue chip der Transformation Athens von einer machtpolitischen zu einer kulturellen Potenz - ein Prozess, der das Selbstverständnis der Stadt über die römische Kaiserzeit hinweg bis in die ausgehende Spätantike prägte. 3 Die Wiederaufnahme von radikaler und expansiver Identitätsstiftung in Verbindung mit der Athener Akropolis fällt ins 18. Jahrhundert. Den Startschuss für diesen Prozess gab zunächst vielleicht weniger die intensivierte Reisetätigkeit zu den antiken Resten auf griechischem Boden 4 als die Konstruktion des Griechischen als eine distinkte ästhetische Einheit innerhalb eines antiken Tableaus. Erst die Unterscheidungsfähigkeit zwischen griechisch und römisch, die sich mit Namen wie Winckelmann verbindet, sowie der Wille, diese Differenz als relevant zu begreifen, 5 versorgte die historischen Akteure mit den Werkzeugen, die das östliche Mittelmeer in wenigen Jahrzehnten grundlegend transformierten. Die Jagd auf Kunstgüter einerseits und die militärische Expansion der europäischen Mächte auf dem Balkan und im Mittelmeer andererseits rückte die griechische Welt rapide ins Zentrum des westlichen Aufmerksamkeitsregimes. 6 Die Entdeckung Griechenlands als Vorbildkultur und der rasch ausbrechende Konkurrenzkampf um die künstlerischen Manifestationen der griechischen Antike ließen Athen zu einer wichtigen Drehscheibe werden. Die Stadt wurde zunächst zu einem der großen Umschlagplätze von mehr oder weniger regelkonform erlangten Kunstschätzen (vor allem Skulpturen), um etwas später, insbesondere im und nach dem griechischen Unabhängigkeitskrieg, zum Sehnsuchtsort politischer und unpolitischer Philhellenen zu mutieren, die Europa insgesamt als die modernen Erben des antiken Griechenlands konfektionierten. Diese Konstellation war außerordentlich dynamisch und in Sachen Identitätsbildung alles andere als eindimensional. Denn hierbei ging es nicht nur und vielleicht zu diesem Zeitpunkt nicht einmal primär um die Identität der Griechen. Die philhellenische Bewegung, die an vielen Orten Europas und ganz besonders in Deutschland hervortrat 7 und rege Publizistik und Vereinsnetzwerke hervorbrachte, 8 war vielmehr Ausdruck einer radikalen europäischen Selbstbespiegelung, die sich in der Regel in Opposition zu den herrschenden politischen Verhältnissen, insbesondere zur Metternichschen Restauration, sah. Folgerichtig zog der griechische Aufstand von 1821 ein Maß an Aufmerksamkeit auf sich, das noch 30 Jahre zuvor kaum vorstellbar gewesen wäre. Überall und auch in Deutschland kam es zur Mobilisierung von Abenteurern, die als Kämpfer oder Berichterstatter auf den griechischen Schlachtfeldern präsent waren und das Bild der Auseinandersetzung in ihren europäischen Heimatländern erheblich prägten, 9 übrigens keineswegs immer im Dienste der historischen Wahrheit. Ein außerordentlich charismatisches Beispiel, das vieles über die Popularität des Sujets im eigentlich weit entfernten Mitteleuropa aussagt, ist die Produktion einer einschlägigen Panoramatapete von über 16 Metern Breite, die die berühmte Firma Jean Zuber et Cie im elsässischen Rixheim produzierte. Bemerkenswert daran ist nicht nur der enorme Aufwand und Detailreichtum, mit dem hier die verschiedenen Kampfplätze in Griechenland porträtiert wurden, sondern auch der frühe Zeitpunkt, zu dem die Darstellung in Serie ging. Die von französischen Maler Jean-Julien Deltil angefertigten Bildsequenzen wurden wohl schon im Herbst 1828 auf 30 Tapetenbahnen gedruckt 10 und in der Folge an verschiedene Auftraggeber ausgeliefert. Am rechten Rand der Tapete sieht man den (auf der Tapete offensichtlich erfolgreichen) Angriff des Abb.1: Wandtapete Rixheim mit Kampf um Athen 11 Einleitung französischen Colonels Fabvier bei der versuchten Entsetzung Athens im Frühjahr 1827. Bestimmt wird die Szenerie durch die Säulen des Olympieions und, selbstverständlich, die enorm dramatisierte und etwas gewöhnungsbedürftig erscheinende Silhouette der Akropolis (s. Abb. 1). Dabei spielt es aus unserer Perspektive keine Rolle, dass die Ereignisse in der Form, wie sie die Tapete erzählt, eine völlige historische Missrepräsentation darstellten. 11 Entscheidend ist allein, dass Athen und seine Oberstadt bereits im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts als europäische Ikonen in europäische Bürgerhäuser und Statusdomizile Einzug hielten. Dass Deutsche - genauer: erst ein Wittelsbacher und dann Angehörige des Hauses Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg - die neuen griechischen Könige wurden, gab dieser Grunddisposition zusätzliche Dynamik. Berlin, vor allem aber München und Athen wurden im Sinne eines philhellenischen Klassizismus umgebaut und mit den architektonischen Erzeugnissen von Schinkel und Klenze ornamentiert. Dieser Prozess war nicht nur für das deutsche 19. Jahrhundert elementar, für das das alte Griechenland die Referenzkultur schlechthin wurde - die Cambridge Professorin Eliza Butler sprach schließlich 1935, nur wenig übertreibend, von der „Tyranny of Greece over Germany“. Der Re-Import des Klassischen in die neue griechische Hauptstadt hatte auch dort erhebliche Folgen. Das klassische Athen und seine Oberstadt wurden zum stärksten Argument für den Ausstieg Griechenlands aus seinem balkanischen Umfeld und der Ausgangspunkt für eine militante (Re-)Konstruktion der griechischen Identität, die sich nicht zuletzt in einer flächendeckenden Umbenennung von Ortsnamen niederschlug, die slawische, albanische und türkische Spuren binnen etwa 60 Jahren nahezu vollständig von der Landkarte tilgte und auch mit einer spürbaren Distanzierung von der römisch-byzantinischen Vergangenheit einherging. In diesem Zusammenhang kam der Erforschung des vorchristlichen griechischen Altertums insgesamt und deren Repräsentation im Athener Stadtbild im Besonderen eine hohe Bedeutung zu. Die Musealisierung der bereits in der antiken Welt kanonisierten Kunst wurde zu einer mächtigen Anspruchsgrundlage für die Zugehörigkeit zum modernen Europa. Diese mit dem Rückgriff auf die Klassik legitimierte Verhandlungsposition von Gleich zu Gleich schlug sich etwa in den gegenüber anderen Gebieten der Levante außerordentlich „modernen“ Verträgen für die Ausgrabung von Altertümern nieder (etwa Olympia 1874), die die Funde vollständig im Land beließen. 12 Im 20. Jahrhundert war Griechenland im Schatten der Akropolis zweifellos in Europa angekommen. Es nimmt daher nicht wunder, dass der Felsen der Oberstadt nun auch für den Nationalstaat emblematisch, ja von nahezu sakraler Bedeutung wurde. Nachdem die Wehrmacht am 27. April 1941 die Reichskriegsflagge auf der Akropolis gehisst hatte, war das erste Fanal zum Widerstand, dass Apostolos Santas und Manolis Glezos dieses Symbol der Besetzung entfernten und stattdessen die griechische Flagge aufzogen. An diese Tat erinnert eine Bronzetafel mit folgendem Text (s. Abb. 2): „In der Nacht des 30. Mai 1941 rissen die Patrioten Manolis Glezos und Apostolos Santas die Fahne der Nazi-Besatzer vom heiligen Felsen der Akropolis. Angebracht vom ‚Vereinten nationalen Widerstand 1941-1944‘ im Jahre 1982.“ Symptomatisch für die (mittlerweile ganz normale) identitäre Verbindung von Akropolis, Stadt und Staat ist bereits die Tatsache, dass im Zuge der Griechenland-Krise von 2015 das in der Berichterstattung am häufigsten abgebildete Athener Gebäude der Parthenon war. In der Sache folgenreicher ist aber sicherlich, dass die Akropolis immer noch der Publikumsmagnet für einen Großteil der Griechenlandreisen insgesamt ist. Damit werden der Stadt Athen nicht nur Einnahmen und Aufmerksamkeit gesichert, sondern es wird ihr auch Erhebliches für die moderne Planung des Zusammenhangs von Stadt und Monument abverlangt. Das begann mit der Bestandaufnahme, der Konservierung und der Teilrekonstruktion eines durch die Belastungen einer modernen Großstadt geschädigten Baubestandes - ein Unternehmen, das sich über Jahrzehnte hinzog und noch immer nicht abgeschlossen ist. Des Weiteren erwies sich die Erschließung eines innerstädtischen Monuments unter den Gegebenheiten des Massentourismus als eine immense Herausforderung, die in die urbanistische Neuordnung des Akropoliskomplexes und seiner unmittelbaren Umgebung (Plaka) mündete. Schließlich schlugen sich identitäre Fragen in der rezenten Musealisierung von Funden nieder, die eben seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert mehr oder minder unverhohlen auch von anderen Europäern als kulturelles Erbe beansprucht wurden. Das neue Akropolismuseum inszeniert in diesem Sinne nicht zuletzt die Lücke, die 1801 durch den Abtransport der Elgin Marbles gerissen wurde, und dokumentiert so (gewissermaßen subtil) den Anspruch auf Rückgabe. Abb. 2: Gedenktafel für Manols Glezos und Apostolos Santas 12 Ulrich Gotter und Elisavet P. Sioumpara Schon diese knappe Skizze des Themas „Identität - Athen - Akropolis“ macht deutlich, dass es hier einerseits eine elementare inhaltliche Klammer gibt, dass andererseits aber die einzelnen Facetten der identitären Konstellationen jeweils zeittypische Variationen abbilden, deren Sinnhaftigkeit erst in ihren verschiedenen Kontexten sichtbar wird. Es ist daher ein Glücksfall, dass der Band ganz wesentliche Repräsentanten des Themas in Forschung und pragmatischer Umsetzung versammeln kann. Auf diese Weise können die verschiedenen relevanten Disziplinen, von der Archäologie und der Alten Geschichte über die Bauforschung, Restauration und Museologie bis hin zur Stadtplanung, zusammengeführt werden, um eine (hoffentlich sinnstiftende) zeitübergreifende Perspektive herzustellen. Charalambos Bouras (Die Akropolis und das Stadtbild Athens) eröffnet den Band mit einer makroskopischen Analyse der Transformationen Athens über die Zeiten hinweg, vom Neolithikum und den mykenischen Siedlungsresten bis ins 21. Jahrhundert. Sein Angelpunkt dabei ist stets die Akropolis, die er als Kernstück des Siedlungsgefüges sieht. Auf welche Weise sie das allerdings gewesen ist, beschreibt er als epochale Signaturen, die die jeweiligen urbanistischen Konkretionen auf dem Zeitstrahl voneinander abheben. Die forcierte In-Wert- Setzung der Akropolis nach dem griechischen Unabhängigkeitskrieg betrachtet er als elementare Wende, die die moderne Stadt in ihren identitären Bezügen tiefgreifend verwandelt hat. Auch Wolfgang Schuller (Der Blick hinunter. Akropolis, Agora und weitere Verflechtungen) ist es explizit um die Verbindung von Akropolis und Stadt zu tun, allerdings mit einem markanten Schwerpunkt in der klassischen Zeit. Seine Perspektive ist eine der Sichtbarkeit von zentralen Orten, die ein Netzwerk der Institutionen abbildet, das wiederum das Spezifikum des demokratischen Athens ausmachte. In diesem Sinne diskutiert er die Verzahnungen von Akropolis und Agora, von Akropolis und Pnyx und von Akropolis und Dionysos-Theater, indem er repräsentative und ritualisierte Vollzüge der Gemeinschaft in diesen Zwischenräumen verortet. Mit Elisavet Sioumpara (Die Monumentalisierung der athenischen Akropolis im frühen 6. Jh. v. Chr.) beginnt der Reigen der Beiträge zur (politischen) Baugeschichte der Akropolis im Einzelnen. Sie stellt die Frage, was Monumentalisierung als Konzept und architektonische Praxis für einen Platz wie die Akropolis (und indirekt für die damit verbundene Stadt) bedeutet. Ihre Fallstudie dafür ist der am kontroversesten diskutierte Bau auf der archaischen Akropolis, das Hekatompedon. In einer detaillierten Untersuchung der Bauglieder weist sie ihn dem Gelände des heutigen Parthenon zu und verbindet ihn genetisch statt mit der peisistratidischen Tyrannis bereits mit der erstarkten, wenn auch prekären Polis nach den solonischen Reformen. Kai Trampedachs Beitrag (Stelen vor dem Parthenon. Die Entstehung der besonderen Inschriftenkultur Athens) kreist um die Geburt der monumentalen Inschrift als wesentliches Merkmal der Memorialkultur auf der Akropolis. Dabei geht es ihm nicht nur um den athenischen Sonderfall im griechischen epigraphischen Biotop, sondern vor allem um die Dynamik der Monumentalisierung von Texten auf der Akropolis. Entscheidend für sein Argument ist die Verbindung vom Sieg über die Perser am Eurymedon, die darauffolgende Aufstellung der Athena Promachos und die Präsentation des Lapis Primus, der ersten Tributquotenliste, in deren räumlichem Umfeld. Damit entstand ein epigrapisches Biotop, an das sich weitere monumentalisierte Texte anlagern konnten und schließlich einen spezifischen Inschriften-Habitus ausprägten. Christine Schnurr-Redford (Der Ölbaum der Athena und die Lampe des Kallimachos im Erechtheion) rückt zwei hochsemantisierte Erzählsequenzen des Pausanias in den Mittelpunkt ihres Beitrags: zum einen die vom Ölbaum der Athena auf der Akropolis, der unmittelbar nach der persischen Inbrandsetzung der Stadt wieder ausgeschlagen habe, und zum anderen die von der nie verlöschenden Lampe des Kallimachos im Erechtheion. Beide Geschichten verifiziert sie mit naturwissenschaftlichen bzw. technischen Argumenten und weist ihnen ihre Bedeutung für die athenische Identität zu, indem sie sie in ihren jeweiligen historischen Hintergrund einhängt. Wolfram Hoepfner hat bei der Konstanzer Tagung im Mai 2016 über den Peripatos am Hang der Akropolis vorgetragen. Diesen Text hat er bereits in einem größeren Zusammenhang 13 separat veröffentlicht. Gleichwohl sei er hier, wegen der inhaltlichen Verbundenheit zu dem vorliegenden Band, knapp zusammengefasst: In nuce argumentiert Hoepfner dafür, den durch die Peripatos-Inschrift am Wegrand (IG II/ III2 2639) gesicherten Rundweg unterhalb der Akropolis als Peripatos für Aristoteles zu deuten. Belege dafür sind der zeitliche Zusammenhang mit dem Neubau des Dionysos-Theaters und die bei Diogenes Laertius vorkommende Bezeichnung für Aristoteles und seine Schüler als die vom Peripatos. In diesem Sinne versteht Hoepfner die Anlage des Rundweges an einer der wertvollsten Stellen, die die Polis zu bieten hatte, als eine Wertschätzung des damals berühmtesten Gelehrten. Henning Börms Beitrag (Ein Bollwerk für Tyrannen? Lachares, Charias und die Athener Akropolis im frühen Hellenismus) beleuchtet die Semantik der Akropolis in den inneren Auseinandersetzungen im frühhellenistischen Athen. Aus der enigmatischen Überlieferung des Pausanias über die Vertreibung des „Tyrannen“ Lachares durch den makedonischen König Demetrios rekonstruiert er die Konturen eines veritablen Bürgerkrieges um das Jahr 300 v. Chr., in dem bezeichnenderweise die Akropolis von den vermeintlich demokratischen Gegnern der Lachares-Partei besetzt wird. Diese Anatomie einer Stasis macht zum einen deutlich, wie die Sieger eines inneren 13 Einleitung Krieges in der hellenistischen Poliswelt Geschichte schrieben (der unterlegene Gegner ist stets und zwangsläufig der Tyrann), und zum anderen, welche eminente Bedeutung die Akropolis für diese Zuschreibung einnahm. Manolis Korres (Alte Fragen und neue Fragmente: Pfeilermonumente auf der Akropolis und in Athen) rückt, seine früheren Arbeiten wiederaufnehmend und mit neueren Forschungen auf der Akropolis verbindend, eine monumentale Gattung ins Licht, die für das Athen seit dem 2.- vorchristlichen Jahrhundert außerordentlich prägend war: das Pfeilermonument mit Quadriga. Geklärt werden Baugeschichte, Aufstellungsort sowie die ästhetische Gestaltung der einzelnen Pfeiler. Dass hier erstmals alle einschlägigen Objekte dieser Art mit einer detaillierten zeichnerischen und photographischen Dokumentation zusammengeführt wurden, macht diesen Beitrag zur Referenz für jede neue Untersuchung dieser Monumentgattung. Ulrich Gotter (Pergamons Athen. Zur imitatio Athenarum unter den späten Attaliden) untersucht den ästhetischen Zugriff der pergamenischen Könige auf das Stadtbild von Athen und die Akropolis. Im Mittelpunkt stehen zunächst die Morphologie und Dynamik des vergleichsweise überdimensionierten euergetischen Engagements der Attaliden insgesamt sowie ihre besondere Konzentration auf Athen. In der Auseinandersetzung mit dem sogenannten Kleinen Attalidischen Weihgeschenk an der Südostecke der Akropolis, der größten bekannten Statuengruppe der Antike, die Gotter König Attalos II. (159-138 v. Chr.) zuweist, diskutiert er Bedeutung und Funktion der pergamenischen Aufwendungen in der griechischen Kulturhauptstadt. Im Ergebnis sieht er die attalidischen Bauten in Athen im Zusammenhang mit den ebenso markanten Athenbezügen in Pergamon als kompensative Investitionen für die nicht mehr mögliche militärische Expansion der Dynastie unter den Bedingungen der römischen Dominanz. Auch Sylvia Martins Beitrag (Die Abwesenheit von Beweisen. Überlegungen zu Podestaufbau und Komposition des Attalischen Weihgeschenks in Athen) adressiert das Kleine Attalidische Weihgeschenk, allerdings aus einer prononciert technischen Perspektive. Sie überprüft die vorliegende Rekonstruktion des Postaments ebenso wie die These, dass die Standspuren auf den Deckplatten der Basen die Darstellung von Siegern - als Ergänzung zu den bekannten Geschlagenen - zwingend beweisen würden. Sie kommt dabei zu dem Schluss, dass die Podeste des Anathems zum einen niedriger zu rekonstruieren sind und daher eine konventionellere Seitenansicht unterstützen, und dass andererseits die technischen Argumente für die Präsenz von Siegerfiguren auf den Basen nicht zwingend sind. Ralf Krumeich (Zur Repräsentation von Dichtern und anderen „Intellektuellen“ auf der Akropolis von Athen) erweitert und präzisiert unser Bild vom Denkmälerwald der hellenistischen und kaiserzeitlichen Akropolis, indem er eine bisher völlig unterbelichtete Monumentgattung in den Blick nimmt: die Ehrenstatuen für Dichter und Denker. In den Vordergrund rückt Krumeich die Repräsentationen des Tragödiendichters Phanostratos, des Philosophen C. Iulius Nikanor und des Komödiendichters Philemon. Bemerkenswert ist an den diesen Monumenten nicht nur, dass sich an ihnen zeigen lässt, dass Dichter bereits im Frühhellenismus am prestigeträchtigsten Ort der Stadt geehrt wurden, sondern auch, dass für Wortkünstler und Intellektuelle mit der Sitzstatue ein innovativer Statuentyp entwickelt wurde. Der Beitrag von Christina Papastamati-von Moock (Auf der Suche nach dem „Theater der Tragiker“. Von den spärlichen Schriftquellen zu den archäologischen Überresten) bildet das Scharnierkapitel zwischen Antike und Moderne, indem er die komplexe Forschungsgeschichte des (Holz-)Theaters des 5. Jhdts. v. Chr. akribisch nachzeichnet. Grundlage dafür sind ebenso die Reiseberichte, Zeichnungen und Drucke seit der frühen Neuzeit wie auch die modernen Grabungen, die insbesondere das Verhältnis des Dionysos-Theaters des 4. Jhdts. zum Theater der Tragiker zu bestimmen suchten. Papastamati-von Mook argumentiert auf der Basis dieser Befunde, dass es sich bei dem erschließbaren Komplex am Südhang der Akropolis (Theater und Odeion) um eine konzeptionell geschlossene Umgestaltung des perikleischen Zeitalters handelte, die sich womöglich mit dem Namen des Architekten Iktinos verbinden lässt. Adrian von Buttlar (Die Akropolis weiterbauen? Schinkel und Klenze inszenieren Athen) nimmt eine die heutige Gestalt von Griechenland und Athen maßgeblich bestimmende Weichenstellung in den Blick, nämlich die Entscheidung, ausgerechnet Athen nach dem griechischen Unabhängigkeitskrieg zur Hauptstadt zu machen. Da dies auf der pragmatischen Ebene alles andere als zwingend war, bedurfte das Projekt in besonderem Maße der ästhetischen Plausibilisierung. In diesem Sinne sind die verschiedenen hochkarätigen Entwürfe zu verstehen, die für das Neu-Athen des 19. Jahrhunderts angefertigt wurden. Von Buttlar zeichnet allerdings zugleich auch die geradezu aporetischen Problemlagen nach, die das konzeptionelle Bauen in der neuen griechischen Hauptstadt zwischen hochideologisiertem antiken Erbe, denkmalschützerischem Impetus und urbanistischer Pragmatik unweigerlich mit sich brachte. Wolf-Dieter Heilmeyer (Die Musealisierung der Akropolis) setzt diesen Gedanken gewissermaßen fort, indem er sich mit dem Phänomen des denkmalschützerischen Purismus der Moderne auseinandersetzt und mit den Folgen, den dieser für das Verhältnis von Akropolis und Stadt hatte. In diesem Sinne verfolgt Heilmeyer die unterschiedlichen Phasen der neuzeitlichen Aneignung der Antike und deren „Musealisierung“ in verschiedenen Aggregatszuständen (Sammlungstätigkeit und Kunstraub, Museumskonkurrenz sowie Rekonstruktion bzw. historisch-ästhetische Säuberung). Als Ergebnis dieses Prozesses, so resümiert er, stehe die Akropolis der Stadt jetzt 14 Ulrich Gotter und Elisavet P. Sioumpara differenter gegenüber als jemals zuvor in ihrer langen Geschichte. Heilmeyer verbindet diese Zustandsbeschreibung mit zwei Apellen: ‚Wiederbelebung statt Entkleidung‘ und ‚Leihgabennetz statt Restitution‘. Vasiliki Eleftheriou (Das Restaurierungsprojekt der Akropolis-Denkmäler. Jüngere Arbeiten und anstehende Programme) bietet die autoritative Grand Tour durch die Projekte der letzten Jahrzehnte auf der Akropolis, die im Dienste der Erhaltung der Bausubstanz unternommen wurden, und entwickelt Perspektiven für die Zukunft. Ihr Panorama rückt nicht nur die jeweiligen Agenden am Parthenon, an den Propyläen, am Athena Nike-Tempel und am Erechtheion sowie die Arbeiten an den Burgmauern und die Aufnahme der verstreuten Architekturteile ins rechte Licht, sondern verbindet damit auch einen Survey über die sich im Laufe der Zeit gewandelten Methoden in Sachen Restauration. So war ein erheblicher Teil der jüngst durchgeführten Arbeiten die Revision nicht mehr zeitgemäßer früherer Maßnahmen und Materialien, nicht zuletzt die konsequente Ersetzung von Beton durch die entsprechenden Marmore. In diesem Licht erscheint auch das Restaurierungsprogramm auf der Akropolis als ein historisches Projekt. Alexander Papageorgiou-Venetas (Die Akropolis von Athen. Sinngehalt, Erlebniswert und Ausstrahlungskraft eines städtischen Wahrzeichens) kehrt schließlich zur Makroperspektive auf die Akropolis und ihre Stadt zurück. Sein Beitrag kreist um den Zusammenhang von identitärer Aneignung der Akropolis und physischer Annäherung an sie seit der griechischen Nationenbildung des 19. Jahrhunderts. Indem die Akropolis zur nationalen Ikone, zum ‚heiligen Berg‘, geworden sei, wurde sie ein Objekt der säkularen Pilgerfahrt, das man durch ein entsprechendes Zugangsregime städtebaulich in Szene setzte. Der elementare Andrang des modernen Massentourismus stellt, wie Papageorgiou-Venetas zeigt, für diese Integration von Stadt und Oberstadt allerdings eine existenzielle Bedrohung dar, die teilweise erschreckende Lösungsvorschläge hervorbrachte. Hier eine Balance zu erzielen, die eine kontextbewusste moderne Pilgerfahrt zur Akropolis erlaubt, begreift er als die zeitgenössische Herausforderung schlechthin. Anmerkungen 1 Dazu s. etwa Boyer 1994, bes. 33-86. 2 Thuk. 2, 41, 3-4 (Übers. Landmann). 3 Zur Rolle Athens in der Spätantike siehe Vinzent 2000, 55-59. 4 S. etwa Clogg 1998. 5 Zu dieser Dynamik immer noch am besten Marchand 1996. 6 Hoock 2010, 206-242, mit besonderem Bezug auf Großbritannien. 7 Konstantinou - Wiedenmann 1989. 8 S. etwa Sösemann 1994. 9 Vgl. Quack-Eustathiades 1984; Barau 2001. 10 Scheitler 2008, 220-221. 11 Scheitler 2008 230-234. 12 Vgl. Marchand 1996, 83-85. 13 Als Kapitel 8 von W. Hoepfner, Philosophenwege, Konstanz 2018 (Xenia 52). Abbildungsverzeichnis Abb.1: O. Nouvel-Kammerer, French Scenic Wallpaper 1795-1865 (Paris 2000) 291 Abb. 2: Wikimedia commons CC0 1.0 https: / / commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Plaque_ Acropolis_Manolis_Glezos_and_ Apostolos_ Santas_1941_nazi_f lag _ Athens.jpg Literaturverzeichnis Barau 2001 D. Barau, La mobilisation des philhellènes en faveur de la Grèce, 1821-1829, in: L. Cambrézy - V. Lassailly-Jacob (Hrsg.), Populations réfugiées. De l’exil au retour (Marseille 2001) 37-75 Butler 1935 E.-M. Butler, The Tyranny of Greece over Germany. A Study of the Influence Exercised by Greek Art and Poetry over the Great German Writers of the Eighteenth, Nineteenth and Twentieth Centuries (Cambridge 1935) Hoock 2010 H. Hoock, Empires of the Imagination. Politics, War, and the Arts in the British World, 1750-1850 (London 2010) Konstantinou - Wiedenmann 1989 E. Konstantinou - Ursula Wiedenmann (Hrsg.), Europäischer Philhellenismus. Ursachen und Wirkungen (Neuried 1989) Marchand 1994 S.-L. Marchand, Down from Olympus. Archaeology and Philhellenism in Germany, 1750-1970 (Princeton 1994) Quack-Eustathiades 1984 R. Quack-Eustathiades, Der deutsche Philhellenismus während des griechischen Freiheitskampfes 1821-1827 (München 1984) Scheitler 2008 I. Scheitler, Philhellenismus im Elsass. Die Panoramatapete Vues de la Grèce moderne ou Les Combats des Grecs der Firma Jean Zuber et Cie, in: E. Konstantinou (Hrsg.), Das Bild Griechenlands im Spiegel der Völker (Frankfurt a. M. 2008) 219-235 Sösemann 1994 Bernd Sösemann, Annäherungen an Hellas. Philhellenismus und deutsch-griechische Gesellschaften in Berlin, Festschrift zum 75-jährigen Bestehen der „Deutsch-Griechischen Gesellschaft Berlin e.-V.“ (Berlin 1994) Vinzent 2000 M. Vinzent, „Oxbridge“ in der ausgehenden Spätantike, ZAntChr 4, 2000, 49-82 15 Die Akropolis und das Stadtbild Athens Charalambos Bouras* Ein unverrückbares und charakteristisches Merkmal der Stadt Athen ist und bleibt seit Jahrtausenden die Anhöhe der Akropolis. Ihr Bedeutungsgehalt war seit je nicht nur funktional, sondern hauptsächlich ästhetisch bedingt und emblematisch wirksam. Trotz der wesentlichen Veränderung des Erscheinungsbildes sowohl der Stadt als auch ihrer Burg im Laufe der Zeiten, blieb die enge Beziehung zwischen beiden bestehen: Die Akropolis beherrscht die Stadt und krönt das Stadtbild. Dies änderte sich - bis zu einem gewissen Grad - nur im Laufe der zwei letzten Jahrhunderte unter dem Druck der weitreichenden Umwandlungen des Stadtgefüges. Die Entwicklung des Stadtbildes Athens sowie des Erscheinungsbildes der Akropolis über die Zeiten können wir hauptsächlich anhand archäologischer Erkenntnisse sowie der relativ seltenen schriftlichen Quellen - meistens mittelbare Beschreibungen - verfolgen. Unser Wissen wird auch von Abbildungen - anfangs unvollständige und imaginäre, später inhaltsreichere - ergänzt. Für die Entstehung des Stadtbildes war die naturgegebene Umgebung entscheidend. Die geographische Lage des Athener Beckens, das von Bergen umschlossen, eine Kette niedriger Hügel in seiner Mitte aufweist und sich breit zum Meer öffnet, bot von jeher jene Vielfalt und jenes günstige Klima, die die Niederlassung von Menschen erleichterten. Schon im Neolithikum 1 wurde an Stelle des Lykabettus und der anderen niedrigeren Hügel die Akropolis als sicherer Zufluchtsort gewählt; der Felsen bot eine natürlich befestigte Lage, einen Vorteil, den er jahrhundertelang behielt. Die Gestalt des Burgfelsens änderte sich schon zu mykenischer Zeit, 2 als sich daselbst einer der Könige des heroischen Zeitalters niederließ. Die naturgegebene Befestigung wurde durch eine Ringmauer aus gewaltigen Steinen verstärkt; dazu entstand auch ein Palast, 3 dessen Standort, aber nicht sein Aussehen bekannt ist. Dieser Königssitz wurde auf dem obersten Niveau des Burgfelsens errichtet. Der Zugang zur Burg erfolgte von Westen, und eine zweite Mauer, in den antiken Quellen als „Πελαργικόν“ 4 erwähnt, die am Fuße der Akropolis verlief, sicherte zusätzlich diesen Zugang. Wir besitzen keine Indizien über die Höhe der Mauer und des Palastes auf der Akropolis und ebensowenig über die Gestalt der Siedlung, die zur mykenischen Zeit südlich der Burg entstanden ist. 5 Auch können wir, nach heutigem Stand unserer Kenntnisse, uns kein genaues Stadtbild Athens zu dieser Zeit vorstellen. Wichtige Veränderungen, sowohl auf der Akropolis als auch in der Stadt, sind erst viel später, im Laufe des 6.-Jh. v. Chr. zu verzeichnen: Das Heiligtum der Göttin Athena 6 entsteht, Monumentalarchitekturen aus Porosstein 7 werden errichtet sowie eine Vielzahl von Ex Votos aufgestellt. Abb. 1: Ansicht der Akropolis und des oberen Teils der Altstadt „Plaka“, von Nordosten, 2016. 16 Charalambos Bouras Das Weiterbestehen der prähistorischen Befestigungen legt nahe, daß das äußere Erscheinungsbild der Akropolis sich zu dieser Zeit nicht veränderte. 8 Es entstanden jedoch neue Besiedlungen am nördlichen, westlichen und südlichen Vorfeld der Burg. Überreste dieser Behausungen sind uns nicht erhalten geblieben; wir können uns jedoch dieses frühe Siedlungsgefüge als eine Anreihung bescheidener, meistens einstöckiger, zerstreuter Wohnbauten sowie kleiner Heiligtümer und Haine vorstellen. Als Kernstück des Gesamtgefüges ist nach wie vor die Akropolis zu sehen, zu deren Zugang die Hauptstraßen führen. Unbebaut blieben die westlich gelegenen Hügel, sowie eine große Fläche am Nordhang der Akropolis, dort wo sich später die Agora bildete. Die große räumliche Veränderung erfolgte nach den Perserkriegen, durch das eilig durchgeführte Bauprogramm der Themistokleischen Mauern, 9 die die Begrenzung des Asty festlegten und demzufolge das Stadtbild prägten. Die beschädigten prähistorischen Monumente der Akropolis wurden nun abgetragen, und ein neuer Mauerring, zum großen Teil aus Spolien und neu behauenen Steinquadern errichtet, umfaßte den Burgfelsen, dessen Krone durch Aufschüttungen und niedrige Stützmauern planiert wurde. 10 Ein Teil der seitlichen Burgmauern wurden durch Abarbeitung des Felsens geformt. Auf der Ostseite und auf Teilen der Nordseite nutzte man die natürlichen Formationen als Befestigung. Der westliche Zugang gewann eine monumentale Gestaltung durch die Propyläen und eine Zufahrtsrampe, „Aναβάθρα“ 11 genannt. Unklar bleibt die Umgestaltung des „Πελαργικόν“. Die imposanten Baudenkmäler, der Parthenon, das Erechtheion, der Tempel der Nike, verliehen dabei dem Umriß des Burgfelsens seine noch heute vorhandene Gestalt. Im fünften vorchristlichen Jahrhundert sorgte man sich anscheinend besonders um die Ansicht der Akropolis von den nordwestlich gelegenen öffentlichen Plätzen der Stadt. Von hier aus kam das Gesamtbild der Akropolis am Besten zur Geltung, da die Westfront der Baudenkmäler sich klar abzeichnete. Einen vergleichbar starken Eindruck übte die Akropolis auch auf diejenigen aus, die sich von Westen her der Stadt annäherten, durch Abb. 2: Die Akropolis mit Bebauung am Südabhang vor ihrer Befestigung. Zeichnung von Manolis Korres. Abb. 3: Athen mit themistokleischer Stadtmauer in klassischer Zeit. Zeichnung von Joanis Travlos (1908-1985). 17 Die Akropolis und das Stadtbild Athens das Heilige Tor schritten und der Panathenäischen Straße folgten. Es bleibt die wichtige Frage unbeantwortet, inwieweit die Höhe der Ringmauer der Akropolis die Sicht ihrer Baudenkmäler aus der Stadt beeinträchtigte. Die archäologische Forschung und die antiken Beschreibungen der Stadt erlauben gewisse Annahmen über das Stadtbild Athens in klassischer Zeit. Der genaue Verlauf der Stadtmauer 12 sowie ihrer fünfzehn Tore sind bekannt. Das Gefüge der Wohnstadt folgte nicht einem vorgefaßten städtebaulichen Gesamtplan. Die verschiedenen Stadtviertel entwickelten sich allmählich, einer schon bestehenden bzw. sich ständig weiterentwickelnden freien Trassierung des Straßennetzes folgend. Baureste von Wohnhäusern wurden im Stadtteil Koile, an den Hängen des Areopags sowie an der nördlichen Flanke der Akropolis ausgegraben. Man geht jedoch davon aus, daß die Behausungen der Stadt sich auch auf den niederen Ebenen nördlich und südlich des Burgfelsens sowie westlich des Kolonos Agoraios erstreckten. Das Stadtgefüge nahm einen beträchtlichen Raum ein, die Häuser waren jedoch klein, einbis zweigeschossig, 13 in geschlossener Bauweise erbaut und besaßen meistens einen kleinen inneren Hof. Freiräume gliederten die Stadt. Neben der Agora, auf der sich die öffentlichen Bauten drängten, der Terrasse der Pnyx, den Hügeln des Areopags, des Agoraios Kolonos und der Nymphen, werden auch „τα έῆρημα τάς πόλεως“ (d. h. die vernachlässigten, öden Orte der Stadt) sowie verschiedene Heiligtümer mit ihren Bezirken, erwähnt. 14 Haine entstehen außerhalb der Stadtmauern: die Friedhöfe und die Gymnasien, d.- h. die Akademie, das Lyzeum, das Kynosarges. Das Stadtbild Athens ist im Laufe des 5. und 4. Jh. v. Chr. Jahrhunderts von einer gewissen Gleichförmigkeit gekennzeichnet, mit wenigen sichtbaren baulichen Bezugspunkten und einer alles beherrschenden Präsenz der Akropolis, die vor allem als der Athena gewidmetes Stadtheiligtum fungierte. Im Laufe der darauffolgenden hellenistischen Epoche 15 ändert sich das Gesamtbild der Akropolis nur geringfügig; 16 dagegen verändert sich weitgehend das Bild der Stadt. Die Stadtbefestigung wird auf dem Musen- und Nymphenhügel erweitert, es entsteht das sogenannte „Διατείχισμα“, der Stadtteil der Koile wird verlassen. Die Agora selbst verliert ihre ursprüngliche geräumige Gestaltung 17 durch die Errichtung der großen Stoen und eines großen Baus unbekannter Bestimmung auf dem Kolonos Agoraios. Es verändert sich auch das Erscheinungsbild der Akropolis von südlicher und östlicher Seite, durch die Errichtung der Eumenesstoa, des Asklepieions und das sich über Jahrhunderte im Bau befindlichen Olympeions. Die sich nun allgemein verbreitende Tendenz zu einer vorgeplanten Stadtentwicklung setzt sich in Athen nicht durch; die neuerrichteten imposanten öffentlichen Bauten lassen jedoch einen anderen städtebaulichen Maßstab walten. Öffentliche Einzelbauten und Gebäudegruppen verdrängen einen Teil der Wohnbauten im Inneren des Stadtkörpers im Laufe der römischen Epoche. Die Stadt erweitert sich nach Osten, bis an das Ufer des Ilisos, zur Zeit Hadrians. Durch die Errichtung drei wichtiger Gebäudekomplexe im Stadtzentrum (d.-h. Römische Agora, Bibliothek des Hadrian, Pantheon) und südlich der Akropolis des Odeion der Herodes Atticus, sowie der Vollendung des gewaltigen Tempels des Olympischen Zeus, wird das Stadtbild sichtlich bereichert. Diese Bauten entsprechen den neuen Erwartungen der Einwohnerschaft, und ihr Vorhandensein betont die angestrebte kulturelle Vorherrschaft des Asty. Die meisten Großbauten sowie die Vernachlässigung der Stadtbefestigung, die nicht mehr die Ausdehnung der Stadt bestimmt, verleihen dem Stadtbild ein monumentales Gepräge, ganz anders als zur klassischen Blüte der Stadt. Nur die Akropolis bleibt unverändert und beherrscht die sie umgebende Landschaft. Die Verstärkung der Stadtbefestigung unter Valerian, verändert nicht die Gemarkung der Stadt; sie verändert jedoch bis zu einem gewissen Grade die Silhouette der Akropolis, durch die Abschaffung der Zufahrtsrampe Abb. 4: Panorama mit Akropolis, Areopag und dem begrünten Gelände der Agora, vom Nymphenhügel aus gesehen, 2014. 18 Charalambos Bouras aus klassischer Zeit und die Errichtung der zwei die Zufahrt flankierenden Türme (die uns heute als „Beulé-Tor“ bekannt sind) sowie einer zusätzlichen Verteidigungslinie vor den Propyläen. 18 So wird die Akropolis zu einem selbständigen, abgeschlossenen Areal, das als Wehrburg fungieren kann. Die Burg bleibt während des Einbruches der Heruler (267 n. Chr.) verschont, während die öffentlichen Gebäude der Unterstadt zerstört werden. Etwas später verändert die Errichtung der spätrömischen Stadtmauer (Post-Herulian Wall), 19 die einen nur kleinen Teil der Unterstadt umfaßt, grundlegend das Stadtbild. Wir besitzen keine Hinweise für das Aussehen des restlichen zerstörten Stadtareals zwischen postherulischer und valerianischer Mauer. Im Raume der Agora ragte der Hügel des Kolonos Agoraios gekrönt vom Hephaisteion empor; im Hintergrund waren die befestigten westlichen Hügel zu erkennen. Etwa hundert Jahre später besetzten die Goten unter Alarich 20 die zusammengeschrumpfte Stadt nicht, sie verwüsteten jedoch und brandschatzten den Parthenon. Trotz der Zerstörungen, die der Tempel erlitt, blieb sein Gesamtumriß in seinem Bezug zum Burgfelsen unverändert. Obwohl die Stadt im Laufe des 5. Jh. n. Chr. großen Zerstörungen ausgesetzt war, erlebte sie abermals eine Periode des Wohlstandes. Die Stadtmauer wurde repariert und stattliche Privathäuser entstanden südlich der Akropolis und am Hügel des Areopag. Die Veränderungen des Gesamtbildes der Stadt zu dieser Zeit sind nicht nachvollziehbar. Die Reparaturen am Parthenon und seine spätere Umwidmung zur christlichen Bischofskirche änderten nur geringfügig seine äußere Erscheinung. Die bestehende Informationslücke 21 in der griechischen Geschichte, zwischen dem 6. und 10. Jh. n. Chr., gilt auch für die Stadt Athen. Die slawischen Einbrüche, die anscheinend nicht desaströs für Athen waren, führten jedoch zu einer langfristigen Verödung eines großen Teiles der Stadt. 22 Auch ist es denkbar, daß in Gefahrenzeiten die Stadtbewohner Zuflucht auf der Akropolis suchten. Für diese lange Zeit hat man keine Vorstellung über das Stadtbild Athens, da jegliche Kunde fehlt. Die Akropolis beherrschte allerdings weiter das Umfeld und gewann für die Athener eine erhöhte Wichtigkeit als befestigte Burg. Athen scheint in mittelbyzantinischer Zeit, und besonders im 12. Jh. n. Chr., wieder aufzublühen. 23 Es entstehen neue Stadtviertel außerhalb der spätrömischen Mauer, am südlichen Hang der Akropolis, im Raume der Agora und am Olympieion. Das Stadtgebilde, das von den Überresten der valerianischen Mauer umrissen wird, ist locker strukturiert mit bescheidenen Häusern, Klöstern und kuppelbekränzten Kirchen; gelegentlich machen sich Glockentürme bemerkbar. Auch finden sich freie Flächen, die landwirtschaftlich genutzt werden und sogar ein Spielfeld. 24 Die zahlreichen Texte des Bischofs von Athen, Michael Choniates 25 , aus dem Ende des 12. Jh. n. Chr., erwähnen den Parthenon und andere antike Denkmäler, enthalten jedoch keine wesentlichen Informationen über ihren Erhaltungszustand; auch schweigen sie sich aus über die mittelalterliche Stadt. 26 In der Zeit der fränkischen Eroberung (1205-1456) erfolgten schwerwiegende Veränderungen sowohl auf der Akropolis als auch in der Stadt. Ein neues Befestigungswerk namens „Ριζόκαστρο“ 27 umgab die Burg und sicherte um sie eine unbebaute Zone. Die Silhouette der Propyläen änderte sich durch deren Umbau zum Sitz der fränkischen Herzöge und die spätere Errichtung eines hohen Spähturms, der die Akropolis überragte. Zur gleichen Zeit wurden die Burgmauern repariert und ein zweiter Turm am östlichen Rande des Plateaus errichtet. Die Akropolis wurde zu einer quasi uneinnehmbaren Festung. Wir sind nicht im Besitz von Informationen, die die Wandlungen der Stadtgestalt während der Frankenzeit betreffen. Ein spezielles Interesse rufen die mittelalterlichen Abbildungen Athens hervor; 28 sie zeigen zwar meistens imaginäre Bauten, beinhalten jedoch immer die Akropolis als Wahrzeichen der Stadt. Abb. 5: Der Monastiraki-Platz am N-Rand der Altstadt. Im Vordergrund die Pantanassa-Kirche, in der Bildmitte die Tsisdaraki- Moschee, hinten die Altstadt „Plaka“ und die Akropolis, 2017. 19 Die Akropolis und das Stadtbild Athens Während der jahrhundertelangen türkischen Herrschaft (1456-1833) ändert sich das Stadtbild Athens nur wenig. Einen neuen Charakter verliehen ihm jedoch die schlanken Minarette der wenigen Moscheen. Die aus dieser Zeit überlieferten Abbildungen zeigen, daß das „Ριζόκαστρο“ abgetragen wurde und die Wohnstadt sich nun nur auf die nördliche Flanke der Akropolis beschränkt. Die kleine Siedlung (8.000-12.000 Einwohner) behält ihre bekannte Struktur: Dichtes bauliches Gefüge, kleine Häuser, Fehlen von Bäumen. Am Ende des 18. Jhs. n. Chr. umgibt die Unterstadt eine niedrige, schlecht erbaute Mauer aus Spolien und Lehmziegeln (die sogenannte „Hasseki-Mauer“, 1778, in drei Monaten erstellt). Die Akropolis wacht nach wie vor - sowohl auf den älteren als auch den späteren Abbildungen 29 - über die Stadt. Der Parthenon ist nun in halbruiniertem Zustand (nach dem Bombardement von 1687), und die Burgmauer wird durch gewaltige Strebepfeiler gestützt. Während derselben Endphase der Türkenzeit steigt das Interesse der westeuropäischen Besucher für Athen und seine Burg. Es erscheinen vermehrt Bildungsreisende, topografische Bestandsaufnahmen werden gefertigt; 30 es entstehen neue Möglichkeiten der Darstellung von Landschaftsbildern (camera obscura) sowie gelegentliche phantastische bildliche Wiederherstellungsversuche 31 der antiken Stadt. Nach dem Ende des griechischen Unabhängigkeitskrieges zeichnet sich der politische Wille ab, im Kontext des Stadtbildes die Akropolis besonders in Wert zu setzen. Obwohl die nun unternommenen Eingriffe auf dem Burgfelsen beträchtlich sind (Abriß der mittelalterlichen und neueren Bauwerke), wandelt sich das Erscheinungsbild der Akropolis, durch das Abtragen der türkischen und fränkischen Bastionen, nur bedingt. In der Unterstadt erfolgen indessen wesentliche Veränderungen. 32 Zum ersten Mal in ihrer Geschichte wird der Stadt ein städtebauliches Gesamtkonzept auferlegt. Das Stadtbild erhält neue, klassizistische Züge und die Akropolis wird als visuelles Hauptmerkmal Athens hervorgehoben. 33 Große Teile des Stadtkörpers bleiben unbebaut, so die Hügel des Ardettos, der Musen und der Nymphen, die westlichen und teilweise die nördlichen Hänge der Akropolis sowie das Areal des königlichen Gartens. Das von F. Stademann gezeichnete Stadtpanorama 34 gibt einen genauen Eindruck des Stadt- und Landschaftsbildes Athens im Jahre 1836. Bald werden diese nicht bebauten Areale im Laufe des 19. Jh. begrünt. Während derselben Jahrzehnte verändert 35 sich allmählich das Stadtbild durch die Erbauung relativ höherer Bauten, die den Sichtbezug zur Akropolis aus Teilen der Innenstadt beeinträchtigten. Die Akropolis bleibt jedoch unbehindert sichtbar von den um sie gelegenen Stadtvierteln mit niedriger Bebauung und beherrscht weiterhin das Stadtbild, so wie dieses sich von den Anhöhen des Lykabettus und den westlich gelegenen Hügeln darbietet. Der Frankenturm bei den Propyläen wird im Jahre 1875 abgetragen. Tiefgreifende Veränderungen in den Wahrnehmungsmodi der Akropolis erfolgten im Laufe des 20. Jh. und beson- Abb. 6: Topographische Karte von Athen. Kupferstich 19-×-34 cm von Georges Guillet und Jean Gobille. Abb. 7: Südwestliche Ansicht Athens vom Musenhügel aus gesehen. Aquatinta 30,3-×-80-cm. Zeichnung von Joseph Thürmer (1819). 20 Charalambos Bouras ders nach dem zweiten Weltkrieg, als allmählich fast das ganze Athener Becken mit Bauten bedeckt wurde 36 und Athen mit seinen Vororten sowie der Piräus sich in eine Siedlungseinheit zusammenschlossen, dabei aber nur wenige Freiflächen erhalten blieben. Die Akropolis überragt jedoch noch immer das historische Athener Stadtzentrum und bleibt als Wahrzeichen der Stadt aus der Ferne sichtbar, so vom Saronischen Meere, den westlichen Anhöhen bei Daphni und den besiedelten unteren Hängen des Hymettus. Zu den positiven Maßnahmen für die Inwertsetzung der Akropolis im Bilde der Stadt Athen gehören in diesen Jahren die Staffelung der Gebäudehöhen um die Burg, die Schaffung geschützter Stadtbereiche (z. B. Plaka), die Vereinheitlichung der Ausgrabungsareale, die archäologische Erforschung der antiken Agora nach weitgehender Enteignung von neueren Baulichkeiten sowie die Freiraumgestaltung der Zugänge zur Akropolis unter der Leitung von Dimitris Pikionis. 37 In der vorliegenden diachronischen Übersicht wurde immer wieder die enge Verbindung der Akropolis zur Stadt Athen betont. Dabei wurde versucht, gerade diese Wechselbeziehung in ihrer Entwicklung im Laufe der Antike, des Mittelalters sowie der Neuzeit, zu streifen. Das dialogische Verhältnis zwischen der Stadt und ihrem Wahrzeichen verleiht dem historisch gewachsenen Zusammenklang jene besondere Dynamik, die sich im attischen Raum entfalten konnte 38 und der Welt diese einmalige Stadt vermacht hat. Anmerkungen * Der vorgelegte Beitrag ist der letzte, postum veröffentlichte Text des Autors; aus dem Griechischen übersetzt von Alexander Papageorgiou-Venetas 1 Iakovidis 1962, 50; Travlos 1971, 52. 2 Iakovidis 1962, 55 f. 3 Iakovidis 1962, 204 Abb. 38. 4 Travlos 1971, 55 (Bibliographie). 5 Thuk. 2, 46-53. 6 Travlos 1971, 57. 7 Travlos 1971, 52. 8 Zur Darstellung des Burgfelsens vor der klassischen Befestigung siehe Korres 1992, 42-45 Abb. 17. 9 Theocharaki 2015, 37-60. 10 Travlos 1971, 53. 11 Travlos 1971, 482. 12 Theocharaki 2015, 254. 255. 13 Die Baumaterialien waren minderer Qualität, d.-h. Lehmziegel und Holzbalken. Siehe: Travlos 1971, 71. 14 Diese Heiligtümer wurden von den flüchtenden Bauern Attikas während des peloponnesischen Krieges besetzt. Siehe: Thuk. 2, 17-18. 15 Bouras 1988, 267-274. 16 Durch die Errichtung von Ehrenmalen bei den Propyläen und an der nordöstlichen Ecke des Parthenons. 17 Durch die Errichtung der drei Stoen (Attalos-, Mittel- und Südstoa) wird der Versuch unternommen, der Athenischen Agora eine regelmäßige Form zu verleihen. 18 Tanoulas 1997, 287 Abb. 56. 57. 19 Frantz 1988, 125-141. 20 Bouras 2012, 1-6. 21 Zakynthinos 1967-68, 300-327. 22 Diese wurde durch die hohe Zuschüttung der antiken Bauwerke, so im Bereich der antiken Agora bewiesen. 23 Bouras 2010, 21-27. 255-268. 24 Granstrem u. a. 1976, 26. 25 Lambros 1879-80, A; B. 26 Lambros 1879-80, A, 97-105. 27 Theocharaki 2015, 77; a. O. (Anm. 26). 28 So die Abbildung der Stadt um 1670, siehe: Tournikiotis 1994, 153 Abb. 19. 29 So die von J. Carrey von 1674 und später die von S. Fauvel (siehe: Auzépy - Grénois 2001, 159 Abb. 92. 93), die von W. Gell aus dem Jahre 1800 (siehe: Tsigakou 1981, 121 Abb. 27) und von W. Page im gleichen Band. 30 Papageorgiou-Venetas 1994 darin: Topographische Pläne Athens von S. Fauvel (3 Abb. 3), W.-M. Leake (7 Abb. 45) und J. F. Bessan (8 Abb. 5). Abb. 8: Die Aussichtsterrasse auf dem Museion-Hügel mit kunstvoller Pflasterung. Werk (1956) des Architekten Dimitris Pikionis (1887-1968). Im Hintergrund die Akropolis, 2018. 21 Die Akropolis und das Stadtbild Athens 31 So z. B. Athen im Altertum von Ch. Cockerell, siehe: Tournikiotis 1994, 58 Abb. 4 und K. F. Schinkel, Blick in Griechenlands Blüte, 117 Abb. 62. 63. 32 A. von Buttlar, in: Papageorgiou-Venetas 1994, S. XI-XII. 92- 93 (Bibliographie). 33 So entsteht der Straßendurchbruch der Athena-Straße, der einen direkten Sichtbezug zwischen dem geplanten königlichen Schloß und der Akropolis, auf dem Urplan für die neue Stadt Athen (1833) von Kleanthes und Schaubert, sichert. 34 Papageorgiou-Venetas 1994, 8 Anm. 7. 9 Abb. 7; 20 Abb. 21. 35 Diese Veränderungen sind durch ältere photographische Aufnahmen dokumentiert. Siehe: Papageorgiou-Venetas, 2004. Vgl. auch Αττικόν τοπίο και περιβάλλον, Veröffentlichung des Kultusministeriums Athen (Athen 1989); Αθήνα 1839- 1960 Φωτογραφικές μαρτυρίες, Veröffentlichung des Benaki Museums Athen (Athen 1985) Abb. 1-16. 23-74. 254-311. 535-548. 36 Αττικόν τοπίο και περιβάλλον 1989, a. O. (Anm. 35). 37 Pikionis 2000. 38 „Πέρα η Ακρόπολη αγκυροβολημένη, έτοιμη να σαλπάρει“, (Im Hintergrund die Akropolis, verankert, jedoch bereit zur Reise). Seferis 1974, 46. Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Archiv der ESMA/ YSMA. Abb. 2: M. Korres, Vom Penteli zum Parthenon (München 1992), 40 f. Abb. 3: J. Travlos, Πολεοδομική εξέλιξη των ΑΘηνών. Από των προϊστορικών χρόνων μέχρι των αρχών του 19ου αι. (Athen 1960) 51 Abb. 20. Abb. 4: Archiv der ESMA/ YSMA. Abb. 5: Archiv der ESMA/ YSMA. Abb. 6: G. Guillet de Saint-George, Athènes ancienne et nouvelle et l’estat présent de l’empire des Turcs. Contenant la vie du sultan Mahomet IV, le ministère de Coprogli Achmet Pacha, g. vizir, & son campement devant Candie. Avec le plan de la ville d’Athènes (Paris 1675); Chez Estienne Michallet. ©2019 Benaki Museum, Athen, Finopoulos Sammlung, Nr. Φ01283Χ. Abb. 7: J. Thürmer, Ansichten von Athen und seinen Denkmahlen, nach der Natur gezeichnet und radirt (Rom 1823-1826); De Romanis. ©2019 Benaki Museum, Athen, Finopoulos Sammlung, Nr. ΦΧ03834. Abb. 8: Archiv der ESMA/ YSMA. Literaturverzeichnis Auzépy - Grénois 2001 M. F. Auzépy - J.-P. Grélois, Byzance retrouvée: erudits et voyageurs françaises (Paris 2001) Benaki Museum 1985 Veröffentlichung des Benaki Museums Athen, Αθήνα 1839-1960 Φωτογραφικές μαρτυρίες (Athen 1985) Bouras 1988 Ch. Bouras, Hellenistic Athens, in: Deutsches Archäologisches Institut (Hrsg.), Akten des XIII Internationalen Kongresses für klassische Archäologie vom 24.-30. Juni 1988 (Berlin 1988) 267-274 Bouras 2010 Ch. Bouras, Βυζαντινή Αθηνά (Athen 2010) 21-27. 255-268 Bouras 2012 Ch. Bouras, Alaric in Athens, ΔΧΑΕ 33, 2012, 1-6 Frantz 1988 A. Frantz, Late Antiquity A. D. 267-700 (Princeton 1988) Granstrem u. a. 1976 E. Granstrem - I. Medvedev - D. Papachryssanthou, Fragment d’un praktikon de la région d’Athènes, R.E.B. 34, 1976, 5-44 Iakovidis 1962 S. Iakovidis, Η Μυκηναïκή Ακρόπολις των Αθηνών (Athen 1962) Korres 1992 M. Korres, Vom Penteli zum Parthenon (München 1992) Kultusministerium Athen 1989 Veröffentlichung des Kultusministeriums Athen, Αττικόν τοπίο και περιβάλλον (Athen 1989) Lambros 1879-80 S. Lambros (Hrsg.), Μιχαλής Ακομινάτου του Χωνιάτου, τα σωζόμενα (Athen 1879-80) Papageorgiou-Venetas 1994 A. Papageorgiou-Venetas, Hauptstadt Athen. Ein Stadtgedanke des Klassizismus (München 1994) Papageorgiou-Venetas 2004 Α. Papageorgiou-Venetas, Ο Αθηναïκός περίπατος (Athen 2004) Pikionis 2000 D. Pikionis, Έργα Ακροπόλεως (Athen 2000) Schinkel 1946 K. F. 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Wenn man von der Akropolis hinunterblickt, sieht man vom Nordrand des Felsens, breit hingelagert, die Agora, von den Propyläen aus die heute eher unscheinbare Pnyx, und man blickt von dem schmalen Streifen vor der Südfront des Parthenons hinein in das Dionysos-Theater am Fuße des Felsens, ja man sieht, nur über den Peripatos- Gehweg hinweg, das neue Akropolis-Museum. Natürlich stellt man sich das Gesehene lebendig bewegt vor, mit dem quirligen Treiben auf dem Markt und vor den Amtsgebäuden; dort hat Sokrates, 1 aber auch, ein halbes Jahrtausend später, der Apostel Paulus 2 mit den Besuchern diskutiert; man denkt an die hitzigen und häufigen Debatten in der Volksversammlung auf der Pnyx; man denkt an die dramatischen Aufführungen im Theater mit Stücken, die Weltliteratur wurden. Über die archäologische Situation der genannten Plätze sowie über die Struktur und die Tätigkeit der dort jeweils angesiedelten Institutionen weiß man gut Bescheid, 3 genauso über die Akropolis, 4 wozu noch der große Kenntniszuwachs durch die Restaurierungsarbeiten 5 hinzuzurechnen ist. Das geschieht im Allgemeinen jeweils einzeln, während doch die Institutionen und deren Orte in dynamischen Beziehungen zueinander standen: So war das Geschehen auf der Akropolis ohne das auf der Agora nicht denkbar und umgekehrt dieses wiederum nicht ohne das auf der Pnyx, und in besonderer Beziehung gilt Ähnliches für das Geschehen im Dionysos-Theater und schließlich für die Interaktion dieser Institutionen untereinander. Daher wird im Vorliegenden der Versuch unternommen, diese miteinander verflochtenen Beziehungen zu skizzieren, 6 wobei notwendigerweise zwar viel Elementares geschildert wird, 7 es werden aber auch Detailfragen zur Sprache kommen. II. 1. Die Agora a) Der Blick Der Blick von der Akropolis auf die Agora ist schon für das fünfte Jahrhundert, das Jahrhundert der jetzt restaurierten Akropolis-Bauten, äußerst vielgestaltig. Die ganze Fülle des in dieser Zeit Sichtbaren ist durch die Ausgrabungen durch die American School of Classical Studies bedeutend vermehrt worden (Abb. 1; die Ziffern des Textes sind die dieses Planes), so dass sich das Folgende ergibt: Allbeherrschend erhebt sich im Westen der Hephaistos- Tempel (1), der deshalb so gut erhalten ist, weil er in eine christliche St.-Georgs-Kirche umgewandelt worden war; ein letztes Mal wurde er als Kirche verwendet, als im Dezember 1834 König Otto willkommen geheißen wurde. 8 Es gibt weitere Tempel und Heiligtümer, die zwar schlecht erhalten sind, von denen man aber dennoch durch die neuzeitlichen Ausgrabungen eine konkrete Vorstellung gewinnen kann: Am Nordrand der Agora befand sich ein großer, der Aphrodite Urania gewidmeter Altar (36). Ob es auch einen Tempel für sie gegeben hat, ist zweifelhaft. Der weiter südlich gelegene große Tempel und der Altar ihres zeitweiligen Liebhabers, des Kriegsgottes Ares (38, 39), sind dagegen nicht im Zweifel und sehr wohl sichtbar gewesen, ebenso das Heiligtum für die zwölf olympischen Götter etwas weiter nördlich (31). Dieses Heiligtum ist deshalb bemerkenswert, weil es noch von Peisistratos, einem Enkel des Tyrannen, errichtet worden war und weil es als topographischer Ausgangspunkt für die Vermessung Attikas diente. 9 Etwas außerhalb der Agora im Südosten lag das Eleusinion (56), das große Heiligtum für Demeter und Kore in Eleusis, in dem der Rat der 500 einmal im Jahr tagte. 10 Das dem Aias von Salamis geweihte Heiligtum (68) stand für die mythische Geschichte Athens, das Denkmal der Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton für die - wenn auch von den Athenern irrig aufgefasste 11 - reale Geschichte, dessen Standort heute aber unbekannt ist. Äußerlich unspektakulär sind die Zweckbauten am Westrand der Agora, die allerdings nach ihrer Funktion zentrale Bedeutung für die athenischen Politik und Geschichte haben. Um mit der zumeist übergangenen südwestlichen Ecke der Agora zu beginnen: Dort befinden sich Mauerreste (7, 8), die von den Ausgräbern 24 Wolfgang Schuller zu Recht als die Überreste von Amtslokalen der so zahlreichen kleinen und mittleren Beamten erklärt werden, die einen konstitutiven Bestandteil der athenischen demokratischen Verfassung darstellten. Gleich nördlich anschließend dann als besonders wichtig der Rundbau der Tholos 12 (5). Sie war der Amtsraum der Prytanen, also der fünfzig Ratsherren, die als Vertreter der zehn Phylen - Personenverbände, in die das athenische Volk gegliedert war - ein Zehntel des wichtigsten Gremiums bildeten, des Rates der 500. Sie hatten für ein Zehntel des Jahres die Geschäfte zu führen, wozu auch gehörte, dass ein Ausschuss von ihnen sogar Tag und Nacht Dienst tun musste, so dass die Tholos auch für Mahlzeiten und Übernachtungen eingerichtet war. Daher war es sachgerecht, dass gleich das Nachbargebäude der Amtssitz des gesamten Rates war, also das Buleuterion für die Sitzungen der 500 Mitglieder der Bule. Der archäologische Befund ist etwas kompliziert: Ein altes Buleuterion (14) war gegen Ende des 5. Jahrhunderts durch ein anderes, daneben gelegenes neues (13) ersetzt worden, aus politischen oder nur aus Platzgründen. Das alte wurde dann von dem danebenliegenden Heiligtum der Göttermutter überbaut, dem Metroon, dem Mutterheiligtum (14), das ohnehin als Staatsarchiv gedient hatte und nun um das alte Buleuterion erweitert wurde. Dem Metroon gegenüber erhob sich zwar erst seit der Mitte des 4. Jahrhunderts die langgestreckte Plattform, auf der die Standbilder der Phylenheroen der zehn mythischen Helden angebracht waren, die als Schutzgottheiten der Phylen fungierten (19). Jedoch wurden an dieser Plattform amtliche Bekanntmachungen angebracht, als wichtigstes die Tagesordnung der Volksversammlung, und es kann ein derartiger Ort am sachgerechtesten schon vorher, also im 5. Jahrhundert, in der Nähe des Rates angenommen werden. Ein wenig weiter nördlich dann ein größeres, durchaus ins Auge fallendes Gebäude, die Stoa Eleutherios, also die Wandelhalle, die dem Zeus Eleutherios gewidmet war, dem Gott, der für die Befreiung der Griechen von Fremdherrschaft stand (26). Wie alle anderen Stoai auch, diente sie in den hinteren Räumen dem Geschäftsleben, in der vorderen Kolonnade dem städtischen Treiben; Sokrates hat hier viele Gespräche geführt. Der anschließende, über die U-Bahn Athen-Piräus hinweg gelegene und erst 1970 entdeckte und identifizierte Bau ist bedeutend kleiner, der Sache nach aber weit wichtiger. Diese Stoa Abb. 1: Die Monumente auf der Agora 25 Der Blick hinunter Basileios war der Amtssitz des Basileus, 13 also desjenigen der neun Archonten, der die Funktionen des archaischen Königs übernommen und aus Respekt oder Vorsicht vor den Göttern dessen Bezeichnung beibehalten hatte. Dieser Basileus hatte zahlreiche mit dem Kult zusammenhängende Aufgaben, die weiter unten teilweise zur Sprache kommen werden. Hier mag es genügen, zum einen wieder auf Sokrates hinzuweisen. Platons Dialog Euthyphron beginnt so, dass Euthyphron den Sokrates in dieser Stoa Basileios trifft, der ihm mitteilt, er sei hier, weil gegen ihn Anklage wegen Verderbens der Jugend und deshalb erhoben worden sei, weil er neue Götter erfinde und an die alten nicht glaube, und der Theaitet endet damit, dass Sokrates das Gespräch deshalb beendet, weil er sich wegen der Anklage gegen ihn in der Stoa Basileios einfinden müsse. 14 Vor dem Basileus waren also Vorfragen zu klären, der Prozess fand dann vor einem zahlreich besetzten Gericht in einem größeren Raum statt, gewiss in einem auf der Agora gelegenen. Weil nun auch der alte Adelsrat vom Areopag, verkürzt selbst nur Areopag genannt, für verschiedene Funktionen nicht auf dem Areopag-Felsen zusammenkam, sondern, zum anderen, ebenfalls in der Stoa Basileios, könnte das Folgen für den Bericht der Apostelgeschichte des Lukas über den Auftritt des Apostels Paulus vor dem Areopag haben. 15 Wenn es dort heisst, Paulus habe bei seiner Rede - mit der er sehr wenig Erfolg hatte - in der Mitte des Areopag gestanden, 16 gestanden, heißt das nicht notwendigerweise, er habe auf dem Felsen, sondern, dem Sprachgebrauch entsprechend, vor der Institution Areopag gesprochen, wo auch immer sie tagte, also auch in der Stoa Basileios. 17 Östlich des Aphrodite-Altars schließt sich die berühmteste Stoa an, die Bunte Stoa, die Stoa Poikile (35). Sie heißt deshalb so, weil sie mit Wandgemälden geschmückt war, die athenische Siege in Kriegen gegen äußere Feinde darstellten; und besonders berühmt ist sie deshalb, weil in ihr der Philosoph Zenon aus Kition auf Zypern seine Lehre dargestellt hat, die daher abgekürzt Stoa heißt, die stoische Lehre. Zum Schluss Gebäude, die aller Wahrscheinlichkeit nach Gerichtszwecken dienten. Bei den Ausschachtungen für die Attalos-Stoa, die jetzt die American School und das Agora-Museum beherbergen, fand man in einem darunter gelegenen Fundament Gegenstände, die den technischen Zwecken der Zusammensetzung der Gerichte und der geheimen Abstimmung dienten, so dass hier ein Gericht gewesen sein dürfte. Ein ähnlicher Schluss erscheint in Bezug auf ein langgestrecktes Gebäude an der Südseite der Agora geboten, das nüchternarchäologisch Südstoa (64) genannt wird. In einem von diesen beiden Gebäuden war dann wahrscheinlich das Todesurteil gegen Sokrates gefällt worden. Das Gefängnis, in dem Sokrates die Hinrichtung erwartete und in dem Platon seinen Dialog Kriton stattfinden lässt, war daher vielleicht das nahegelegene Gebäude an der südwestlichen Ecke der Agora (72). Dieser hier skizzierte - immer noch sehr unvollständige - Überblick über das, was sich im 5. Jahrhundert dem Blick von der Akropolis auf die Agora dem Blick darbot, gibt eine Grundlage dafür, einer möglichen Verbindung der Akropolis mit dem Geschehen auf der Agora nachzugehen. Schon bei einem ersten Vergleich zeigt sich, dass eine strikte Trennung nach Gebieten nicht möglich ist: Wenn man geneigt sein sollte, die Akropolis für Kultisches und die Agora für Weltlich-Politisches zu reklamieren, zeigt sich sofort Gegenläufiges: Auch auf der Agora befanden sich Heiligtümer, und es konnten Profanbauten einem Gott gewidmet sein; auf der Akropolis andererseits war das Kultische eng mit der athenischen Geschichte und dem politischen Leben verflochten, wofür die spektakuläre Aufstellung zahlreicher Inschriften politischen Inhalts lebendiges Zeugnis ablegt. Weiteres und Intensiveres ergibt sich aus der folgenden Einzelbetrachtung. b) Akropolisbauten Das geschieht am besten durch die Frage danach, wie und durch wen die Bauten und Anlagen der Akropolis vorbereitet, organisiert und ausgeführt worden waren. Diese Vorgänge mussten ja von den Planungsanfängen bis schließlich zu den Abrechnungen der ausgegebenen Gelder bis ins Kleinste durchdacht und schriftlich festgelegt sowie bei einiger Wichtigkeit durch Steininschriften publiziert werden. Hier zeigt sich bereits die zentrale Rolle des Rates der 500 beziehungsweise des geschäftsführenden Ausschussses der Prytanen. Diese organisatorisch-technischen Dinge wurden nach vielen Vorarbeiten zunächst durch die Prytanen in der Tholos, danach vom ganzen Rat nebenan im Buleuterion beraten und vorläufig beschlossen. 18 Nur vorläufig war das deshalb, weil erst die Volksversammkung die letztgültige Zustimmung erteilen konnte, aber damit das Volk überhaupt etwas beschließen konnte, musste vorher die eigentliche Arbeit getan werden, eben durch den Rat und die ihm wiederum zuarbeitenden Instanzen und Personen. Beispielsweise haben wir zwei den Niketempel betreffende Inschriften. In der ersten wird der Architekt Kallikrates beauftragt wird, einen schriftlichen Entwurf für Bauarbeiten zu machen. 19 In der zweiten ist von dem Zustandekommen eines solchen Entwurfs die Rede: Jeder, der wolle, ὁ βουλόμενος, könne innerhalb von zehn Tagen dem Rat schriftliche Vorschläge einreichen. 20 Mit diesem Jedermann ist, nach Mogens Hansen, der Protagonist der athenischen Demokratie 21 an dem Vorbereitungsprozess beteiligt, dessen Initiative für das praktische Funktionieren dieser komplizierten und raffiniert verwirklichten 22 Staatsform unabdingbar war. c) Die Gelder Es gibt eine weitere Fülle von Gegenständen, bei denen das, was auf der Akropolis sichtbar ist oder war beziehungsweise was sich auf ihr abspielte, ohne die Mitwirkung der Institutionen auf der Westseite der Agora nicht 26 Wolfgang Schuller möglich gewesen wäre. Außer dem Großereignis der Panathenäen, das gleich in deren Zusammenhang besprochen wird, ist das vor allen Dingen die Verwaltung der öffentlichen Gelder. Athen hatte verschiedene öffentliche Kassen, die nach dem Eigentum an den Geldern und nach seiner Herkunft zu unterscheiden waren; die Griechen rechneten sehr gerne und gut. Die Übersicht über diese Kassen ist heute auch deshalb nicht einfach, weil ihre Organisationsform wechseln konnte. 23 Es mag an dieser Stelle genügen zu sagen, dass es grundsätzlich vier verschiedene Kassen gab, die aber auch zusammengelegt werden konnten: den athenischen Staatsschatz, den Schatz, in den die Tribute der Bundesgenossen kamen, den Schatz der Göttin Athena sowie den der anderen Götter. Der Auf bewahrungsort war ein im Westteil des Parthenon gelegener Raum, das Opisthodom. Alle diese Gelder waren auf verschiedene Weise berechnet, erhoben, abgeliefert oder eingetrieben worden und für alle diese Vorgänge waren die unterschiedlichsten Institutionen und kleinere Ämterträger tätig und verantwortlich. 24 Hier seien nur diejenigen genannt, die die im Parthenon auf bewahrten Gelder zu verwalten hatten, die Schatzmeister (ταμίαι). Sie wurden vom Rat, also auf der Agora, bestellt, und ebenfalls auf der Agora waren ihre höchst unscheinbaren Amtslokale, in der Südwestecke. 25 Die vorbereitende Tätigkeit des Rates erstreckte sich auf zahlreiche weitere Gegenstände, die durch Beschlüsse des athenischen Volkes in der Volksversammlung auf der Pnyx gebilligt werden mussten und allermeistens gebilligt wurden. Die eigentliche Arbeit insbesondere des Baugeschehens geschah aber durch den Rat, dem seinererseits durch die Hilfe kleinerer Ämter vorgearbeitet wurde, also die finanzielle Kalkulation, die Auftragsvergabe und schließlich die Abrechnungen. Gerade sie sind dann ein eindrucksvoller Teil der Inschriften auf der Akropolis. 26 d) Die Panathenäen Nächst den Großbauten der Akropolis war es das Großereignis der Panathenäen, 27 das nur durch das Zusammenwirken der athenischen Institutionen Wirklichkeit werden konnte, Wirklichkeit einer anderen Dimension als die marmornen Tempel und Tore. Heute als Vorgang nicht mehr sicht- und greif bar, aber durch bildliche und literarische Quellen überwältigend präsent und in der Antike durch ihr Ausmaß und ihre Bedeutung im Bewusstsein der Zeitgenossen fest verankert waren diese Festspiele zu Ehren der Athena. Die jährlichen Kleinen und die alle vier Jahre stattfindenden Großen Panathenäen wirkten weit über Athen hinaus, denn an ihren Wettkämpfen konnte trotz des womöglich irrreführenden Namens ganz Griechenland teilnehmen. Die sportlichen Wettkämpfe fanden hauptsächlich im weiter weg gelegenen Stadion statt, das heute in der Gestalt sichtbar ist, die es für die Olympischen Spiele 1896 bekommen hatte, nur die Apobaten zeigten ihre Kunst des Auf- und Abspringens auf die fahrenden Wagen beim Durchqueren der Agora. Wo die musischen Wettbewerbe stattfanden, ist nicht klar, zunächst vielleicht auch noch auf der Agora, später aber in dem neben dem Theater gelegenen Odeion. Am großen Festzug aber nahmen nur Athener teil, und er macht wie kaum etwas anderes den engen Zusammenhang und Zusammenhalt innerhalb des gesellschaftlichen Lebens und der öffentlichen Institutionen Athens sinnfällig. Vom Dipylon-Tor kommend, betrat der Zug die Agora im Nordwesten, nahe dem Zwölfgötteraltar, er überquerte sie auf der diagonal verlaufenden Panathenäenstraße, an zu diesem Zweck zeitweise errichteten Zuschauertribühnen vorbei, machte an ihrem Ende einen Bogen und führte dann durch die Propyläen auf die Burg zum Altar beim Erechtheion und in dessen Athena-Heiligtum, wo dem uralten Götterbild, dem hölzernen Xoanon, das neu gewebte Gewand, der Peplos, angelegt wurde. Eine besondere Rolle spielten dabei die Arrhephoren. Das waren jeweils nur zwei oder vier Mädchen im Alter um die zehn Jahre, die aus besser gestellten Familien kamen, auf der Burg westlich des Erechtheion für knapp ein Jahr lebten und in religiösen Riten im Zusammenhang mit den Panathenäen unterwiesen wurden. Dazu gehörte das Weben des Peplos, mit dem das Xoanon bekleidet wurde, und dessen Übergabe an einen Priester auf dem Fries dargestellt ist (Abb. 2). Die Etymologie des Namens Arrhephoroi ist unsicher, womöglich bedeutet er, dass sie Gegenstände zu tragen hatten, die man nicht benennen konnte. Den Vorgang beschreibt der kaiserzeitliche Reiseschriftsteller Pausanias so: „Nicht weit vom Tempel der Polias entfernt wohnen zwei Jungfrauen, die die Athener Arrhephoroi nennen. Diese halten sich einige Zeit bei der Göttin auf, und wenn die Zeit des Festes kommt, tun sie in der Nacht folgendes. Sie setzen sich auf den Kopf, was ihnen die Priesterin der Athena zu tragen gibt, und dabei weiß diese nicht, was sie ihnen gibt, und die es tragen, wissen es auch nicht, und nicht weit entfernt ist in der Stadt ein Bezirk der Aphrodite ‚in den Gärten‘, zu dem ein natürlicher unterirdischer Gang führt. Dorthin steigen die Jungfrauen hinab. Unten lassen sie, was sie getragen haben und erhalten dafür anderes und bringen es verdeckt.“ 28 Unbekannt ist zwar, auf welche Weise sie zu dieser Funktion kamen, da sie aber aus bestimmten besonders angesehenen Familien genommen wurden, bestand jedenfalls zwischen der athenischen Gesellschaft und der Akropolis ein besonders enges Band. Die Panathenäen, das Bindeglied zwischen der Akropolis und der Agora, waren noch auf eine weitere institutionelle Weise mit dem Rat auf der Agora verknüpft. Über ihre Organisation schreibt Aristoteles: 29 27 Der Blick hinunter „Man 30 erlost ferner zehn Männer als Athlotheten, einen aus jeder Phyle. Diese amtieren, nachdem sie überprüft sind, vier Jahre lang und organisieren den Festzug der Panathenäen, den musischen und den sportlichen Wettbewerb sowie das Pferderennen; sie lassen auch das Gewand der Athena und zusammen mit dem Rat die Preisamphoren herstellen und übergeben den Athleten das Öl.“ Gerne wüsste man mehr darüber, wie dieses doch hochkomplexe Organisieren 31 vor sich ging, welche Aufgaben die Athlotheten hatten. Es muss die allerdings wichtige Feststellung genügen, dass der Rat der 500 insofern an den Festspielen beteiligt war, als er eine Kompetenz für die Herstellung der Amphoren hatte, die mit Öl gefüllt den Siegern als Preise übergeben wurden und die die Prunkstücke der heutigen Antikensammlungen sind; auch ist unklar, welche Kompetenz das genau war. 32 Immerhin: Neben seiner Funktion in der Bauvorbereitung war der Rat auch an der Organisation der Panthenäen in so wichtiger Weise beteiligt, dass Aristoteles das eigens benennt. Über diese institutionelle und gesellschaftliche Verbindung zwischen Agora, Panathenäen und Akropolis hinaus besitzen wir aber in Gestalt des Parthenon-Frieses 33 eine weitere Quelle für die Darstellung des Panathenäen-Zuges, die paradoxerweise teilweise für uns heute sichtbarer ist als für die Zeitgenossen. Damals war der Fries am oberen Rand der Parthenon-Cella angebracht und trotz einer leichten Neigung nach vorne nicht deutlich sichtbar, während er heute - in seinen erhaltenen Teilen - dargestellt werden kann. An zentraler Stelle über dem Eingang sieht man das Falten des Peplos, von dem Aristoteles spricht (Abb. 3), man sieht zum Opfern bereite Mädchen und Frauen, man sieht überraschend viel Reiterei, die doch im demokratischen Athen hinter das Fußvolk der Hopliten zurücktrat, man sieht Opfertiere, ja, man sieht in überaus lebensvoller Darstellung die sitzend zuschauenden Götter - Aphrodite zeigt ihrem kleinen Sohn Eros mit dem ausgestreckten Zeigefinger den nahenden Festzug (Abb.- 4) -, aber für unser Thema treten all diese Darstellungen hinter denen zurück, die erwachsene Männer zeigen. Wer sind sie? Abb. 2: Parthenonfries: Arrhephoroi Abb. 3: Parthenonfries: Das Falten des Peplos 28 Wolfgang Schuller Zehn sind es, die gleich neben den Göttern stehen, teils bärtig, teils bartlos, in verschiedenen Gruppierungen, manche sind auf einen Stab gestützt, werden also als alt dargestellt (Abb. 5). Ihre Anzahl begrenzt die Identifizierungsmöglichkeit, und ihre Position gleich neben den Göttern misst ihnen große Bedeutung zu. Man denkt wohl vielleicht an die zehn Athlotheten, die Aristoteles gleich nach den ja auch erlosten neun Archonten nennt, die mit ihrem Sekretär zehn ausmachen. Ihre Aufgabe war gewiss von einigem Gewicht, ging vielleicht mit denen der Archonten parallel, jedoch kommt diese Identifizierungsmöglichkeit nicht an diejenige heran, die hier die zehn Phylenheroen vermutet. Diese oben schon genannten Phylenheroen waren die Schutzherren der zehn Phylen, also der Personenverbände, in die sich das attische Volk gliederte. Sie standen in ihrer Bedeutung nahe an den Göttern und hatten fest institutionlisierte Kulte, zum Teil sogar in Kultbezirken auf der Akropolis. 34 Ihre Denkmäler waren nach wechselnden Standorten auf der Agora schließlich, wie oben gesagt, vor dem Metroon in der Nähe des Buleuterions; an ihm wurden die vom Rat beschlossene Tagesordnung der Volksversammlung Abb. 4: Parthenonfries: Aphrodite und Eros Abb. 5: Parthenonfries: Phylenheroen 29 Der Blick hinunter und andere Bekanntmachungen angebracht. Sie waren also weit gewichtigere Persönlichkeiten als die nur für eine begrenzte Amtszeit erlosten Athlotheten, zumal da sich unter diesen durchaus Unwürdige befinden konnten. 35 Nun muss das Problem im vorliegenden Zusammenhang nicht ausgiebig diskutiert werden, denn in jedem Fall sind auf dem Fries zehn Männer dargestellt, die eine enge Beziehung zur Agora hatten, seien es Magistrate, die mit dem Rat zusammenwirkten, seien es, weit wahrscheinlicher, die Phylenheroen, die nicht nur verehrungswürdige Halbgötter waren, sondern die eine wichtige Rolle im Ablauf des öffentlichen Lebens Athens spielten. Damit ist ein dritter enger funktionaler Zusammenhalt zwischen der Akropolis und der Agora gegeben, mit durchaus konkreten, teilweise sogar sichtbaren und nachprüfbaren Belegen. 2. Pnyx a) Der Blick Nach der Agora, dem Ort vielfältigster organisatorischer und privater Betriebsamkeit, nun die Pnyx, der Ort, auf dem die Ekklesia, die Volksversammlung, zusammenkam und die zahllosen politischen Probleme diskutierte und entschied, die die athenische Herrschaft über fast die gesamte Ägäis mit sich brachte; insofern übertrafen die Vorgänge auf der Pnyx an Lebendigkeit - und an Lautstärke - gewiss diejenigen auf der Agora. Sehen konnte man sie von der Agora aus nicht, jedoch lag sie von der Akropolis aus zwar nicht zum Greifen nahe und umgekehrt, wie es bei der Agora der Fall war, sondern lag etwas weiter entfernt im Westen. Jedoch war in besonderer Weise dafür gesorgt, dass ein besonders enger optischer Zusammenhang zwischen Akropolis und Pnyx geschaffen wurde: Die Propyläen waren auf Sicht zur Pnyx gebaut, es gab gegenseitigen Blickkontakt, beide hingen optisch in direkter Linie zusammen, sie hatten einander im Blickfeld, es konnte hinüber und herüber geschaut werden, bis auf den heutigen Tag. b) Die Funktion Die Pnyx war ein Zweckbau mit Zuschauerreihen und einer Rednerbühne oder besser einem großen Pult, nur wenig ist erhalten und bietet kaum archäologische Höhepunkte. 36 Um also eine Vorstellung von dem zu gewinnen, was auf der Pnyx vor sich ging, muss man die zeitgenössische Literatur und die Inschriften heranziehen, dann ändert sich das Bild gewaltig. Es wird einem dann klar, dass es nur wenige Orte in der Geschichte gibt, an denen mit solcher Leidenschaft so weittragende Entscheidungen besprochen, um sie gestritten und sie dann verwirklicht wurden. Das war auch den Athenern bewusst und eben deshalb hatten sie dafür gesorgt, dass man von der Pnyx aus die Akropolis sehen konnte, das kultische Zentrum Athens, und von der Akropolis den Ort, an dem oft genug über das Schicksal Athens entschieden wurde. Neben diesem optischen Zusammenhang bestand der funktionale zwischen der Pnyx und den politischen Institutionen darin, dass die Funktion der Volksversammlung auf der Pnyx gewissermaßen in der Mitte zwischen Agora und Akropolis stand, oder besser noch: über beiden. Beschlossen wurde in der Volksversammlung, vorbereitet wurde vorher auf der Agora, verkündet wurde nachher durch die Inschriften auf der Akropolis. Keine Regelung, die durch den Rat gegangen war, war ohne Zustimmung des Volkes gültig, und das Volk konnte sich mit keinem Gegenstand befassen, der nicht vorher vom Rat beschlossen worden war, wobei anzumerken ist, dass eine Ablehnung durch den Rat nicht bekannt ist. Allerdings gibt es eine Ausnahme, die zeigt, dass die Volksversammlung auf der Pnyx doch das übergeordnete, sozusagen souveräne Organ war: Aus der Volksversammlung heraus konnten Zusatzanträge gestellt werden, die nicht vorher besprochen worden waren. So wurde in einen der den Niketempel betreffenden Volksbeschlüsse der Zusatzantrag eines Hestiaios aufgenommen, nach dem drei Männer dem Architekten Kallikrates zur Seite stehen sollten. 37 Viele der so zustandegekommenen Beschlüsse wurden sorgfältig in Stein gemeißelt - im 5. Jahrhundert weit sorgfältiger und ästhetisch eindrucksvoller geschrieben als in späteren Zeiten - und öffentlich aufgestellt. Dass rechtliche Regelungen überhaupt öffentlich aufgestellt wurden, hatte ursprünglich, in der archaischen Zeit, den Zweck, dass sich jeder Bürger der jeweiligen Stadt über das geltende Recht informieren konnte und nicht Gefahr lief, der Willkür der adeligen Magistrate ausgesetzt zu sein. 38 Daher wäre für athenische Volksbeschlüsse des 5. Jahrhunderts die Agora der geeignete Ort gewesen, und tatsächlich sind dort auch einige derartige Inschriften gefunden worden. 39 Die meisten aber standen auf der weniger zugänglichen, jedoch in ihrer Bedeutung weit gewichtigeren Akropolis. Wenn man nämlich bei den erhaltenen Inschriften dieses 5. Jahrhunderts, die im ersten Band der Inscriptiones Graecae publiziert sind, nachsieht, dann begegnet einem ständig der lateinische Vermerk olim in arce, seinerzeit auf der Burg. 40 In der Tat muss die Hochfläche der Akropolis mit Inschriftenstelen geradezu übersät gewesen sein, wie Kai Trampedach zutreffend feststellt. Abgesehen davon, dass die Akropolis mit ihren vielfältigen Weihungen heiliger Boden war und die Inschriften dadurch ohnehin einen kultischen Zusammenhang erhielten und damit eine besondere Wirkung entfalten konnten, waren die auf diese Weise und an diesem Ort ausgestellten Texte eindrucksvoller als wenn sie auf der betriebsamen Agora zu sehen und im Vorbeigehen zu lesen gewesen wären. Die Inschriften betrafen nun in der Mehrzahl Gegenstände, die sich auf die auswärtige Herrschaft Athens bezogen, und daher wurde insbesondere auswärtigen Besucher auf diese Weise sehr deutlich gemacht, dass Athen eine imperiale Großmacht war. Das 30 Wolfgang Schuller traf dann natürlich in besonderem Maße auf die riesigen und provozierenden Tributquotalisten zu, deren vorläufig noch unbeschriebene Flächen überdeutlich verkündeten, dass Athens Herrschaft von nun an noch lange dauern solle. 3. Dionysos-Theater a) Der Blick Der Blick auf das Dionysos-Theater ist wieder ein Blick hinunter. Man sieht von dem verhältnismäßig schmalen Zwischenraum zwischen der Südfront des Parthenon und dem Steilabhang des Felsens auf diese am Fuße der Akropolis liegende Spielstätte von weltgeschichtlicher Bedeutung (Abb. 6); umgekehrt hatte man von ihr aus nur einen Blick auf den Akropolis-Felsen, ohne auf dessen Bebauung sehen zu können. Östlich neben dem Theater stand das große Odeion, das durch Perikles erbaut worden war. Seinerzeit war es unübersehbar, heute sieht man nur die Stelle, auf der es stand, denn es ist nicht ausgegraben. 41 b) Auswahl und Bewertung der Stücke Das Theater war enger mit den politischen Instanzen auf der Agora und auf der Pnyx verbunden, als man glauben möchte. Zum einen durch die Vorbereitung der Aufführungen: Hier wurden jahraus jahrein zu Ehren des Dionysos an den Lenäen im Januar/ Februar und den Dionysien im März/ April Komödien und Tragödien aufgeführt und, wohlgemerkt, jedesmal neue Stücke, die eigens für die jeweilige Aufführung verfasst wurden. 42 Jedes Jahr wurde eine Fülle von Manuskripten eingereicht, so dass sich die Frage stellt, auf welche Weise die Auswahl für die Aufführung getroffen wurde und wer das tat. Die für die athenische Demokratie überraschende Antwort auf diese Frage führt auf die Agora. Normalerweise bevorzugte man ja das Losverfahren gegenüber einer Wahl, weil die Wahl vermeintlich Gefahr lief, dass populäre Männer zu viel Anhänger und damit Macht gewinnen könnten, die leicht zur Tyrannis werden könne; so die möglicherweise übertriebene Tyrannisfurcht der Athener. Sehr viel anders, ja geradezu konträr war das Verfahren, mit dem die Stücke für die Dionysien und Lenäen bestimmt wurden: 43 Es war jeweils ein einziger Mann, der das tat, für die Tragödien der Archon Eponymos, für die Komödien der Basileus, und es war in dessen Amtslokal, der Stoa Basileios auf der Agora, dass die Auswahl der Komödien stattfand. Sie bestand darin, dass der Basileus nicht nur die drei aufzuführenden Stücke festlegte, die dann miteinander wetteifern Abb. 6: Blick von der Akropolis auf das Dionysos-Theater 31 Der Blick hinunter mussten, sondern dass er zudem bestimmten Athenern die Inszenierung und das Stellen des jeweiligen Chores zuteilte; diese Stellung eines Choregen verschaffte großes Ansehen und war sehr begehrt. Weil nun aber der Basileus wie die anderen acht Archonten ein durch das Los bestimmter Mann war - unter vorher nach Vermögen Qualifizierten - und daher unmöglich immer die Garantie bot, dass er auch hinreichend Kunstsinn besäße, sollte er Beisitzer, πάρεδροι, heranziehen, für die nun natürlich Leute genommen wurden, die das erforderliche künstlerische Urteilsvermögen hatten - und dass sie das hatten wird durch die uns überlieferten Stücke glänzend bestätigt, die alle durch dieses Verfahren ausgewählt und aufgeführt worden waren. Man fragt sich nach den Gründen für diese Regelung, die ja das Gegenteil sämtlicher demokratischer Prinzipien darstellte. Weil die unmittelbaren Quellen schweigen, muss vorbehaltlich etwaiger späterer Forschung gesagt werden, dass dahinter die Erwägung gestanden haben dürfte, weitreichende künstlerische Entscheidungen könnten nicht durch anonyme Gremien mit Mehrheitsbeschlüssen gefällt werden, sondern müssten den Kenntnissen und dem Judiz einzelner überlassen bleiben, hier dem Basileus mit, wohlgemerkt, seinen Beisitzern. Weitaus komplizierter gestaltete sich das Verfahren, mit dem die jeweiligen Sieger bestimmt wurden. Bei den drei aufgeführten Stücken gab es zwar einen ersten Sieger, jedoch gab es auch einen zweiten und dritten Platz. Hier war es wohl der Rat, der die literarisch gebildeten Richter bestimmte, dann aber galt ein kompliziertes Verfahren, in dem mittels versiegelter Urnen und blindlings gezogener Aufzeichnungen verhindert werden sollte, dass erkannt werden konnte, wer wie gestimmt hatte. Auch hier wird man sagen können, dass die Urteile in der Regel das Richtige getroffen haben mögen. c) Tribute Sehr viel anders, man möchte sagen: brutal anders, war dann ein Vorgang im Dionysos-Theater, der nichts mehr mit Theaterstücken zu tun hatte. An den Dionysien eines jeden Jahres wurden die Tribute der Ägäisstädte, bevor sie in der Schatzraum am Parthenon wanderten, dem athenischen Publikum in bar vorgezeigt. Es muß ein besonderer Anblick gewesen sein, wenn dieses viele Geld in Säcken und Krügen herbeigeschleppt und auf der Skene ausgestellt wurde; nicht ohne Grund war der Volksbeschluss, der im Jahre 426/ 425 eine Erhöhung der Tribute vorsah, 44 von einer Darstellung gekrönt, die solche übereinander gestapelte Gefäße 45 in Stein gehauen auch der Nachwelt zeigte (Abb. 7). Wurde durch die Riesenhaftigkeit der großen Stelen auf der Burg und deren endlose Listen Macht demonstriert, so wurde durch die Geldsäcke im Dionysos-Theater die, marxisierend gesagt, wirtschaftliche Basis des athenischen Seereiches ad oculos demonstriert - allen Athenern, vor allem den Bauern, Handwerkern und Seeleuten dürfte bei diesem Anblick das Herz im Leibe gelacht haben. Die Zurschaustellung der Tribute im Dionysos-Theater, gar deren Verewigung auf der mit Bargeld gekrönten Inschrift stellt also ein besonderes und besonders handgreifliches Ergebnis des Zusammenwirkens der athenischen Instanzen dar, das in seiner fast naiven Direktheit doch zu einigem Staunen Veranlassung geben mag. d) Lysistrata Ein weiteres Faszinosum ist die auf einer ganz anderen Ebene gelegene Tatsache, dass im unter der Akropolis liegenden Theater von der oben über dem theatralischen Geschehen thronenden Akropolis selbst die Rede war. An den Lenäen des Jahres 411 nämlich wurde das Stück Lysistrata des Aristophanes aufgeführt, das auf der Akropolis spielt. Dessen Handlung besteht darin, dass auf Initiative und unter der Führung der Athe- Abb. 7: IG I³ 68: Geldsäcke und -krüge 32 Wolfgang Schuller nerin Lysistrata zusammen mit der Spartanerin Lampito sich die Frauen ganz Griechenlands zusammentun und die Akropolis besetzen, um durch die Verweigerung des ehelichen Verkehrs die griechischen Männer zur Beendigung des seit zwanzig Jahren andauernden Krieges zu zwingen, und das mit Erfolg - aber nur in diesem Stück, denn der Krieg dauerte noch sieben Jahre. Da liegt es in der Natur der Sache, dass die Topographie und die Funktion der Akropolis häufig Erwähnung finden. Die Akropolis selbst, akropolis, gelegentlich nur altertümlich polis genannt, wird so oft genannt und ist so selbstverständlich, dass es nicht eigens nachgewiesen werden muss. Immerhin aber wird deutlich gesagt, dass es konkret die Propyläen (τὰ προπύλαια, 265 46 ) sind, allgemeiner Tore (πύλαι, 282. 423. 428) oder eine Tür (θύρα, 353), die durch einen Querbalken (μοχλός, 264) von innen verriegelt wird. Weil die Propyläen der einzige Eingang sind - eine andere Möglichkeit hinaufzugelangen wird nicht genannt - konnten die Frauen die Männer am Betreten der Burg hindern, was diese hart ankommt. Fast alle Bauten und Heiligtümer der Akropolis kommen in dem Stück zur Sprache. Die Gesamtheit der Akropolis erscheint dadurch, dass der Chor der Männer darüber klagt, dass sich jetzt überhaupt die Frauen in großer Zahl auf der Akropolis aufhalten, deren Bereich doch ein Heiligtum sei, das keine Unbefugten betreten dürften (τέμενος und ἄβατον, 482). Im einzelnen rufen sie Nike an, deren kleiner Tempel nahe an den Propyläen stand, und das Erechtheion spielt sogar in zweifacher Weise eine Rolle. Zum einen wird das Heiligtum pandroseion am Erechtheion mittelbar dadurch benannt, dass eine Frau den athenischen Urkönig Pandrosos anruft (439), der dort verehrt wurde. und dann äußert der Chor der Männer die Befürchtung, die Frauen könnten das uralte hölzerne Kultbild der Athena (βρέτας, 262) entführen, das früher im Alten Athenatempel war und jetzt im Erechtheion steht. Weiter erscheint das Heiligtum der Artemis von Brauron, das sich südöstlich der Propyläen auf der Akropolis befand, dadurch, dass eine der Frauen sagt, sie sei ein Zögling in Brauron gewesen, „Bärin“ genannt, Arktos (Ἄρκтоς, 645). Schließlich wird in einer Passage des Chores der Frauen die ganze Pracht der Panathenäen und deren Verankerung in der athenischen Gesellschaft evoziert, indem von dem früheren Dienst als Arrhephore (ἠρρηφόρουν, 641) beziehungsweise als Kanephore (κἀκανεφόρουν) gleichzeitig mit Brauron die Rede ist. Die Stellen lauten im Zusammenhang: „Arrhephore war ich schon, als ich grad sieben Jahr; Als ich zehn, mahlte ich für Athena das Korn; Dient’ im Safrankleid als ‚Bärin‘ Artemis Brauronia; War als schönes Mädchen Kanephore auch für unsre Göttin.“ 47 Das sind alle in der Lysistrata genannten Bauten und Heiligtümer der Akropolis - es fällt also auf, dass der gewaltigste Bau ungenannt bleibt: der Parthenon. Von ihm ist nur mittelbar dadurch die Rede, dass von Geld, das heißt vom athenischen Staats- und Tempelschatz die Rede ist, der sich im Opisthodom des Parthenon befand. Der Name Parthenon fällt aber nicht und der Bau selbst wird nur in wirtschaftlichem, nicht in kultischem Zusammenhang erwähnt. 48 Die Frauen erklären nämlich, sich des auf der Akropolis liegenden Geldes zu bemächtigen und sie als Schatzmeister, tamiai, selbst zu verwalten (ταμιεύσομεν, 495). In der Lysistrata spielen außer der Akropolis zudem auch die Pnyx und dann schließlich noch einmal die Agora eine Rolle. Die Pnyx ist der Ort der demokratischen Institutionen der Volksversammlung (τἠκκλησίᾳ, 390), des Abstimmens (ψηφίσῃ, 698) und der Volksbeschlüsse (ψηφίσματα, 703. 704) sowie des Einmeißelns in eine Stele (ἐν τῇ στήλῃ παραγράψαι, 513). Die Agora wird von Aristophanes den Zuschauern und, wenn auch in geringerem Ausmaß, den Zuschauerinnen 49 in ihrer Eigenschaft als Marktplatz in besonders amüsanter und lebensechter Weise vor Augen geführt. In einer kurzen Szene machen sich Frauen in der Weise über die Männer lustig, indem sie davon sprechen, dass Männer in voller Rüstung auf der Agora herumstolzieren, aber in diesem Aufzug dennoch nicht davor zurückschrecken, bei Marktfrauen äußerst profane Einkäufe zu machen; besonders lächerlich ist der Einwurf des Probulos, der deutlich zeigt, dass dieser hohe Magistrat nichts begriffen hat: „Lysistrata: Jetzt laufen sie auf dem Gemüsemarkt, auf dem Fischmarkt und auf dem Geschirrmarkt mit dem Sarras herum, mit dem Helm auf dem Kopf, Korybanten vermeint man zu schauen! Probulos: Bei Zeus, das ziemt doch dem tapferen Mann! Lysistrate: Potz Tausend, das ist doch zum Lachen, wenn ein Mann da kommt mit dem Gorgoschild und um Heringe feilscht mit dem Marktweib! Eine Frau: Ja, ich sah, wie ein Mann mit wallendem Haar, ein Reiteroberst zu Pferde, von ’ner alten Frau in den ehernen Helm sich schütten ließ gebackene Eier, und ein andrer, ein Thraker, schüttelte wild wie ein Tereus Tartsche und Wurfspieß und der Hökerin macht’ er entsetzliche Angst und verschlang dann die leckersten Feigen! “ 50 33 Der Blick hinunter III. Wenn hier vor allem institutionelle Konnexionen zwischen der Akropolis und den drei Plätzen der Agora, der Pnyx und des Dionysostheaters behandelt wurden, dann ist das nur ein Ausschnitt aus dem, was die gesamten Verbindungen zwischen den kultisch und politisch wichtigen Orten Athens untereinander betrifft. Daneben sind aber auch in dieser ersten Skizze schon andere Kategorien ansatzweise und exemplarisch zur Sprache gekommen, die für ein Gesamtbild systematische Berücksichtigung finden müssen. Das sind vor allem Religion und Kult, wofür hier die Panathenäen standen; die Wirtschaft, greifbar in Staatsschatz, Tributen und Abrechnungen; die nicht zu staatlichen Institutionen gewordenen Strukturen der Gesellschaft; besonders wichtig die an der Lysistrata sichtbare Bedeutung der Mentalitätsgeschichte, für die Aristophanes aber auch die anderen Dramen eine überragende Quelle sind. Jedoch muss all das, dis volentibus, späteren Bemühungen vorbehalten bleiben. Anmerkungen 1 Platon, Apologie des Sokrates 17 c: mit ähnlichen Reden meine Verteidigung führen, wie ich gewohnt bin, auch auf dem Markt zu reden bei den Wechslertischen, wo die meisten unter euch mich gehört haben, und anderwärts (Übersetzung Schleiermacher). 2 Apostelgeschichte 17, 17 f: Und er redete zu den Juden und Gottesfürchtigen in der Synagoge und auf der Agora den ganzen Tag zu denen, die gerade dabei waren. Einige aber von den Philosophen, Epikureer und Stoiker, stritten mit ihm. 3 Thompson - Wycherley 1972; Camp 2010; Forsén 1996; Papastamati-von Moock in diesem Band. 4 Schneider - Höcker 2001. 5 Schuller 2018; Eleftheriou - Lempidaki 2018; Korres - Eleftheriou 2018. 6 Vielleicht hilft die Skizze auch dabei, die Schroffheit des Gegensatzes zwischen heutiger Akropolis und Agora zu mildern, von dem Heilmeyer in diesem Band spricht. 7 Dementsprechend knapp sind die Fußnoten gehalten. 8 Camp 2010, 41. 9 Thuk. 6, 54, 6 f. 10 Camp 2010, 144. 11 Thuk. 6, 54; zur Rezeption Rubel 2010. 12 Das Wort Tholos bedeutet Rundbau schlechthin, dann den jeweils in Rede stehenden. 13 Nicht Archon Basileus. 14 Euthyphron 2 f; Theaitet 210 d. 15 Apostelgeschichte 17, 19-33. 16 Apostelgeschichte 17, 21: σταθεὶς δὲ ὁ Παῦλος ἐν μέσῳ τοῦ Ἀρείου πάγου. 17 Wenn es also die Stoa Basileios gewesen war, dann müsste die Tafel am steilen Felsenaufgang des Areshügels, auf der es heißt, Paulus habe hier gesprochen, auf die Agora verlegt werden. Auch müssten die Namen Apostel-Paulus-Straße und Dionysios-Areopagita-Straße geändert werden. 18 So wie heute die Arbeiten auf der Akropolis von der Polygnot- Straße aus organisiert werden. 19 IG I³ 35, 8 und IG I³-45, 6 f. 20 IG I³ 64, 5-7. 21 Hansen 1995, 73 und öfter. 22 Hansen 1995; Bleicken 1995; Schuller 2015/ 1987; Schuller 2015/ 1995. 23 Rhodes 1993, 391. 549 f. 24 Viele von ihnen sind in der Athenaion Politeia 47 f aufgezählt. Die Athener hatten ihre staatlichen Tätigkeiten und Zuständigkeitsbereiche in viele einzelne Ämter aufgespalten, vor allem deshalb, um sie auch ungeschulten Männern - und das waren ja alle - anvertrauen zu können. 25 Camp 2015, 52. 26 IG I³ 433-497. 27 Neils 1992. 28 Paus. 1, 27, 3, Übersetzung Meyer - Eckstein. 29 Aristot. Ath. pol. 60, 1. 30 Der griechische Text sagt, „sie“ erlosten die Athlotheten, womit wahrscheinlich die Athener in der Volksversammlung gemeint sind (Rhodes 1993 z. St.), Genaues ist jedoch unklar, so dass Martin Dreher in seiner hier wiedergegebenen Übersetzung bei Reclam zu Recht das unpräzise „man“ verwendet. 31 διοικεῖν. 32 Rhodes 1993 schweigt. 33 Neils 2001. 34 Kron 1976. 35 So auch Neils 2001, 158-161 nach Diskussion der bisher vorgebrachten Vorschläge. 36 Forsén 1996, Greco u. a. 2011. 37 IG I³ 35, 15-18. 38 Koerner 1993. 39 Woodhead 1997. 40 Man liest diesen Vermerk nicht ohne Rührung. Er fingiert ja, Latein sei immer noch die lingua franca der Wissenschaft und könne von jedermann verstanden werden. Statt dessen tritt jetzt eine Sprache an dessen Stelle, von der ein englischer Kollege mir gegenüber klagte, das sei nun aus der Sprache Shakespeares und Miltons geworden. 41 Zum Odeion siehe Christina Papastamati-von Moock in diesem Bande. 42 Erst ab 386 konnten auch frühere Stücke aufgeführt werden. 43 Ich folge hier den Ergebnissen von Schuller - Dreher 2015/ 2000; dort dann auch die Behandlung der zahlreichen Zweifelsfragen. 44 IG I³ 68. 45 Also, mit den Worten von David Lewis, dem Herausgeber der Inschrift, hydriae follesque (IG I³ 77). 46 Die Ziffern bezeichnen die Verse. 47 641-644, nach Seeger - Newiger - Rau. 48 Dieses Faktum könnte als Argument für die These dienen, der Parthenon habe überhaupt keine kultische Funktion gehabt, sondern sei ein nur ein Schatzhaus gewesen, siehe nur Preißhofen 1984, 15-18. 361 f, der die Lysistrata nicht erwähnt. 49 Schuller 1985, 51 f. 50 Verse 557-564, Übersetzung Ludwig Seeger - Hans-Joachim Newiger - Peter Rau. 34 Wolfgang Schuller Abbildungsverzeichnis Abb. 1: J. McK. Camp II, The Athenian Agora. Site Guide 5 (Princeton 2010) Abb. 2: J. Neils, The Parthenon Frieze (Cambridge 2001) 168 fig. 127 Abb. 3: J. Neils, The Parthenon Frieze (Cambridge 2001) 69 fig. 53 Abb. 4: F. Brommer, Der Parthenonfries (Mainz 1977) Taf. 179 Abb. 5: F. Brommer, Der Parthenonfries (Mainz 1977) Tafel 171 Abb. 6: HerrAdams; Wikimedia commons CC-SA-4.0 <https: / / commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Athen,_Dionysostheater,_Akropolis-Museum,_von_der_Akropolis_2015-09. jpg> (12.05.2020) Abb. 7: IG I³ 68 (Foto: Kai Trampedach) Literaturverzeichnis Berger 1984 E. Berger (Hrsg.), Parthenon-Kongreß Basel, 2 Bde. (Mainz 1984) Bleicken 1995 J. Bleicken, Die athenische Demokratie, UTB 1330 4 (Paderborn - München - Wien - Zürich 1995) Brommer 1979 F. Brommer, Die Parthenon-Skulpturen. Metopen . Fries . Giebel . Kultbild (Mainz 1979) Camp 1986 J. M. Camp, The Athenian Agora. Excavations in the Heart of Classical Athens (London 1986) Camp 2009 J. M. 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The Decrees, The Athenian Agora 16 (Princeton - Athen 1997) 37 Die Monumentalisierung der athenischen Akropolis im frühen 6. Jh. v. Chr. Elisavet P. Sioumpara Die monumentalisierte Akropolis von Athen wird vornehmlich mit dem 5. Jh. v. Chr. und den Maßnahmen des Perikles verbunden. 1 Allerdings war bereits das spätarchaische Heiligtum mit zwei großen dorischen Peripteroi als Kultbauten für die Athena ausgestattet, dem vollendeten Alten Tempel der Athena Polias im Norden (Abb. 1) und dem unvollendeten Vor-Parthenon als Baustelle im Süden (Abb. 2), die beide von einem Wald aus archaischen Marmor-Statuen umgegeben waren. In diesem Aufsatz werde ich ein neues, differenziertes Bild der Akropolis von Athen entwerfen und versuchen zu zeigen, dass bereits früher, nämlich zu Beginn des 6. Jhs. v. Chr., die Akropolis ein ausdrücklich monumentales Heiligtum war. Dessen Zentrum bildete der dorische Peripteraltempel der Athena, der in den Inschriften als Hekatompedon bezeichnet wird. Bei diesem Bau handelt sich um die erste, schon ab dem zweiten Viertel des 6. Jhs. v. Chr. bewusst angestrebte Monumentalisierung des Heiligtums. Ziel dieses Aufsatzes ist es, nachzuvollziehen, mit welchem Mitteln und aus welchen Gründen diese realisiert wurde und wie das aus ihr ergebende, veränderte Bild zu einem neuen Verständnis der Akropolis und damit der Stadt Athen selbst beitragen kann. Hierfür ist zunächst eine synoptische Einführung in den Begriff ‚Monumentalität‘ notwendig, vornehmlich wie er in verschiedenen akademischen Disziplinen, insbesondere der Archäologie, Architektur und Kunstgeschichte, benutzt wird. 2 In der Fachsprache unserer Disziplin wird etwas Monumentales meistens als etwas Mächtiges hinsichtlich seiner Größe definiert, das historische Bedeutung trägt, Dauerhaftigkeit besitzt und in Erinnerung bleibt. Dies ist allerdings nicht immer der Fall, wie Werke von kleinformatiger Monumentalisierung ausdrücklich zeigen, wie die sogenannte Guenoll Löwin 3 am besten beweist. Das Wort ‚Monumentalität‘ stammt aus dem lateinischen monere, was „an etwas erinnern“, „auf etwas aufmerksam machen“ bedeutet. Insbesondere mit monumentaler Architektur sind vor allem folgende Cha- Abb. 1: Plan der spätarchaischen Akropolis, um 500 v. Chr. 38 Elisavet P. Sioumpara rakteristika oder Eigenschaften zu verbinden: 4 die Größe, die Signifikanz des Errichtungsortes, die Lebensdauer, die Art und der Umfang der investierten Ressourcen, die Komplexität des Projekts bezüglich technologischer Innovation, außerordentlich hohes Niveau von technischen Fähigkeiten und hohes Investment von Geldern und Zeit. Monumentalarchitektur wird nach V. Gordon Childe 5 als das primär auszeichnende Charakteristikum einer Stadt, einer städtischen Zivilisation, angesehen. Sie symbolisiert die Konzentration des sozialen Überschusses und korreliert direkt mit Macht, d.- h. sozialer und politischer Kontrolle durch Eliten. Monumentalarchitektur bildet zusätzlich die Konstruktion einer Erzählung, die die einzelnen Personen erleben müssen. Nach Henri Lefebvre 6 besteht die Monumentalität z.-B. einer Kathedrale darin, wie die Besucher ihre eigene Schritte innerhalb der Kirche erleben, wie sie dem Singen zuhören, wie sie den Weihrauch riechen und die Intensität dieser synästhetischen Eindrücke erleben, kurzgesagt „an experience of a total being in a total space“. Schließlich ist Monumentalität mit dem Erhalt des kollektiven Gedächtnisses verbunden; 7 allerdings könnte sich die ursprüngliche Bedeutung mit den Jahren verlieren. Deshalb werden Monumente auch oft von ihren ersten Aufstellungsort transloziert, wodurch sie eine neue Bedeutung erhalten können, wie Grant Parker 8 exemplarisch für die Obelisken in Rom gezeigt hat. Monumentalität ist, um alle diese Aspekte zusammenzufassen, deutlich mehr als nur Form, Größe, Sichtbarkeit, und Lebensdauer der Materialien, auch wenn diese Charakteristika ihre jeweils eigene Bedeutsamkeit innehaben. Monumentalität liegt vor allem in der Bedeutung, die aus zwei Beziehungsebenen entsteht, einerseits zwischen dem Objekt und der einzelnen Person, und vor allem andererseits zwischen dem Objekt und der umgebenden Konstellation von in einer Kultur verhandelten Werten und Symbolen. Das Projekt der „Membra Disiecta“ des Restaurierungsamtes der Akropolis-Monumente hat erneut und systematisch über tausend erhaltene Architekturfragmente aus Poros vornehmlich der archaischen Epoche untersucht, 9 die zumeist während der großen Grabung der Akropolis zwischen 1885 und 1890 ausgegraben wurden. 10 Sie lassen sich zusammen mit zahlreichen Fragmenten farbig gefasster Giebelfiguren (ebenfalls aus Poros), die heute im neuen Akropolis-Museum ausgestellt sind, insgesamt sieben verschiedenen archaischen Bauten zuweisen. 11 Theodor Wiegand und seine Mitarbeiter 12 haben diese Fragmente 1904 in einer bis heute grundlegenden Monographie vorgelegt. Über die jeweilige Zuweisung der Baufragmente an sechs der sieben Bauten - dem auf dem sog. Dörpfeld-Fundament errichteten spätarchaischen Tempel der Athena Polias 13 und fünf kleineren Porosbauten 14 - besteht in der Forschung heute allgemeiner Konsens. Der siebte und zugleich größte archaische Poros-Bau, das in IG I 3 4 15 bezeugte Hekatompedon (Abb. 3), ist hinsichtlich seiner Lage, Architektur und Bauskulptur bis heute jedoch völlig ungeklärt. In der Bauforschung hat dieser auch als H-Architektur 16 bezeichnete Bau nicht nur Abb. 2: Baustelle direkt östlich des Vorparthenons II Abb. 3: IG I 3 4, © Epigraphisches Museum Athen 39 Die Monumentalisierung der athenischen Akropolis im frühen 6.-Jh. v. Chr. die meisten, sondern auch in sich vollkommen widersprüchliche Rekonstruktionen hervorgebracht. 17 Einig ist man sich allein in der Datierung des dorischen Baus um 570 v. Chr. und der Zuweisung bestimmter Giebelfigurenfragmente: 18 In der Mitte beider Giebel befindet sich jeweils eine Gruppe von zwei prächtigen Löwen, die zwischen sich einen Stier reißen; in den Zwickeln des Westgiebels (Abb. 4) stand die berühmte Gruppe des sog. Dreileibigen sowie der mit Triton ringende Herakles; für die Zwickel des Ostgiebels sind Reste von Schlangen nachgewiesen. Die Kontroverse in der Forschung konzentriert sich vor allem auf zwei Fragenkomplexe, nämlich erstens: Welche Form hatte der zugehörige dorische Tempel und welchem Typus lässt er sich zuordnen? War es ein Tempel in Form eines kleinen Prostylos, eines Amphiprostylos oder eines Peripteros? 19 Die enorme Unsicherheit hinsichtlich der Typologie und der damit verbundenen Größen- und Bauverhältnisse zog entsprechend widersprüchliche Rekonstruktionen in der Anordnung der Giebelfiguren nach sich. Je kleiner der Tempel rekonstruiert wurde, desto weniger Figuren konnten im Giebelfeld untergebracht werden; dies hatte weitreichende Konsequenzen für die Interpretation der jeweils daran angepassten Bilderzählungen. Zweitens: Wo genau ist der Tempel zu lokalisieren? Im Norden als Vorgängerbau des auf dem sog. Dörpfeld-Fundament errichteten „Archaios Naos“ der Athena Polias oder im Süden an der Stelle des späteren Vor-Parthenon und des darüber errichteten klassischen Parthenon? 20 Es liegt auf der Hand, dass die Beantwortung dieser Fragen für die Klärung der Topographie der Athener Akropolis, des Verständnisses der Neugestaltung des Heiligtums und der politisch-religiösen Intentionen der Stadt im früheren 6. Jh. v. Chr. von zentraler Bedeutung ist. Die widersprüchlichen Rekonstruktionen des Baus und seine Transformation zu einem „Wandertempel“, der beliebig zwischen Nord- und Südseite ‚hin- und herwanderte‘, hatten zur Folge, dass das Hekatompedon selbst bisher so gut wie keine Rolle in der Auseinandersetzung mit der frühen Stadtgeschichte Athens gespielt hat. Weder als exzeptioneller Sakralbau noch als Initialbau des Beginns der Monumentalisierung von Athen, wie im Folgenden gezeigt wird, weder in der antiken Architekturgeschichte noch in den Handbüchern der Klassischen Archäologie wird der Bau an sich ausführlich thematisiert. Das Hekatompedon wurde eigentlich nur als der notwendige Träger der berühmten Giebelfiguren wahrgenommen und dies hatte bis heute spürbare Folgen. Um diese Fragestellungen möglichst genau zu beantworten, war eine systematische Aufnahme aller zugehörigen Architekturteile unabdingbar, sowohl um eine plausibel nachprüfbare Rekonstruktion des Tempels zu ermöglichen als auch die entscheidende Frage nach seiner ursprünglichen Lokalisierung auf der Akropolis zu klären. 21 Aus methodischen Gründen habe ich mich für die Rekonstruktion des Baus zuerst mit den Fragmenten der Gebälkteile auseinandergesetzt, d.- h. den Architraven, Friesblöcken und Geisa, um vor allem die genauen Jochweiten des Hekatompedon ermitteln zu können: Sie sind ausschlaggebend für die Rekonstruktion des dorischen Baus und damit zugleich auch für seine Lokalisierung. Denn nur wenn sich die Jochweiten genau bestimmen lassen, können wir sie mit den bekannten und unstrittigen Jochweiten des Tempels der Athena Polias vergleichen. Sollten beide Jochweiten übereinstimmen, dann wäre das Hekatompedon als Peripteraltempel auf dem sog. Dörpfeld-Fundament errichtet worden; wenn nicht, dann ließe sich das Hekatompedon im Ausschlussverfahren allein unter den Fundamenten des auf dem Vor-Parthenon errichteten klassischen Parthenon lokalisieren, weil kein anderer Platz auf der Akropolis für einen solch großen Bau existiert. Daher wurden zunächst die rund 120 Fragmente, die sicher der Gebälkzone zuzuordnen sind, genauestens dokumentiert und analysiert, was den Nachweis markanter Differenzen zwischen gleichartigen Bauteilen erbrachte. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden bereits an anderer Stelle ausführlich publiziert, 22 weshalb sie hier nur summarisch zusammengefasst werden. Als Ergebnis dieser Analyse lassen sich die Architrave jeweils drei, die Triglyphen und die Metopen jeweils vier sowie die Geisa- Abb. 4: Westgiebel des archaischen Parthenon, © Acropolis Museum Athen 40 Elisavet P. Sioumpara blöcke wiederum jeweils drei kongruenten Baugliedergruppen zuordnen. Entscheidend für die Zuweisung der Gebälk-Fragmente an den dorischen Baukörper sind allein die Geisablöcke, da sie allein von der Peristase, nicht jedoch von der Cella stammen können. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Architrave, Triglyphen und Metopen, die sich sicher mit den erhalten Geisablöcken verbinden lassen, von der Peristase stammen müssen. In meiner Untersuchung der wenigen erhaltenen Geisablockfragmente konnte ich zudem nachweisen, dass das besterhaltene Geison (Inv.-Nr. 21430, vgl. Abb.-6) 23 hauptsächlich wegen seiner schrägen Oberseite ein Trauf-, nicht jedoch ein Horizontalgeison sein muss - während es die Forschung bis heute in Nachfolge von Theodor Wiegand falsch als Horizontalgeison erklärt hat. 24 Damit ist zuverlässig geklärt, dass dieser Geisonblock einer der Trauf-, d.-h. Langseiten der Peristase zuzuweisen ist, nicht aber nach der communis opinio einer der Frontseiten. Dieser Geisonblock ist der Schlüssel für die neue Rekonstruktion, weil er einerseits die Langseiten-Joche und anderseits sowohl die Frontseiten-Joche der Peristase als auch der Frontseiten der Cella differenziert zu rekonstruieren erlaubt. 25 Die neue Rekonstruktion des Tempels, die in einem weiteren Schritt auf der Untersuchung aller Gebälkteile und aller weiteren Bauteilgruppen (Säulentrommeln; Giebel- und Dachfragmente) gründet, wurde ohne die Giebelfiguren (s.-u.) in einem 3D-Modell mithilfe eines CAD-Programms graphisch realisiert (Abb. 5). Basierend auf der neuen Rekonstruktion des Hekatompedon wurde der Versuch unternommen, das zweite grundsätzliche Problem dieses Baus zu klären, d.-h. wo genau er auf der Akropolis errichtet worden war. Da ich für ihn - im Vergleich zu denen des Athena Polias-Tempels - größere Langseiten- und Frontjoche (Abb. 6) an der Peristase nachweisen konnte, ist die bis heute oftmals postulierte Verbindung des Hekatompedon mit dem Dörpfeld-Fundament definitiv auszuschließen. 26 Damit lässt sich der „Hundertfüßler“ allein unter den Gründungsmauern des Vor-Parthenon und heutigen Parthenon lokalisieren und zugleich als archaischer Parthenon identifizieren, auch wenn sein Fundament bisher unzugänglich bleibt, da wir die Zusammengehörigkeit von Unter- Abb. 5: Neue Rekonstruktion des archaischen Parthenon (ohne die dazugehörigen Bauskulpturen), © Elisavet P. Sioumpara. Abb. 6: Neu rekonstruierte Joche der Langseiten des archaischen Parthenon, © Elisavet P. Sioumpara. 41 Die Monumentalisierung der athenischen Akropolis im frühen 6.-Jh. v. Chr. und Oberbau in situ ohne problematische Neugrabungen nicht überprüfen können. Scharfsichtige Beobachtungen von Manolis Korres 27 sprechen dafür, die Lage des Hekatompedon im südwestlichen Bereich des Stereobats des Parthenon anzunehmen (Abb. 7), nicht jedoch in dessen nordöstlichen Bereich, wofür bereits W. B. Dinsmoor 28 plädiert hatte. Jüngste Versuche, 29 die Lage des Hekatompedon auf dem Dörpfeld-Fundament über die kaum mögliche Datierung der Einführung des Zahneisens zu rehabilitieren, sind jedoch weder methodisch noch chronologisch plausibel begründbar. 30 Die neue Rekonstruktion der Architektur des früharchaischen Parthenon, mit einer Breite von ca. 24 m, einer Länge von ca. 47 m und eine Höhe von etwa 14 m, lässt ein völlig neues Bild sowohl des Tempels selbst als auch der Athener Akropolis im frühen 6. Jh. v. Chr. entstehen (Abb. 8). Der archaische Parthenon von etwa 570 v. Chr. ist noch größer und damit noch monumentaler und imposanter als bisher angenommen 31 und vergleichbar mit dem etwas älteren Heraion aus Olympia mit Abmessungen von etwa 18,75 × 50 m. Als der erste komplett aus Stein gebaute dorische Tempel in Athen und Attika ragt der archaische Parthenon neben den bereits bestehenden Bauten im Heiligtum ‒ dem ersten, spätgeometrischen oder früharchaischen Oikos der Athena Polias im Norden 32 und dem vermuteten spätgeometrischen Tempel unter dem Naiskos im Nordpteron des späteren Parthenon 33 ‒ exzeptionell heraus: nicht nur wegen seiner Größe, sondern durch die Wahl des teuren, unvergänglichen Materials (Poros), 34 eine bis ins Detail genau durchdachte Konstruktion mit diversen technologischen Innovationen, 35 die klare Formgebung seiner Bauglieder, 36 die reiche Bauornamentik, 37 die farbige Fassung seiner Architektur 38 und der narrativen Giebelfiguren. 39 Die Kombination dieser Charakteristika erzeugt in der Gesamtheit neue, ins Monumentale gesteigerte Formen architektonischer und bildlicher Interaktion. Das Hekatompedon, der archaische Parthenon, markiert mit allen gerade genannten Eigenschaften den ersten Schritt hin zu einer Monumentalisierung der Akropolis in einem veränderten Maßstab. Diese Monumentalisierung betraf nicht nur das Heiligtum selbst, sondern die Stadt Athen insgesamt, wie ich hier exemplarisch zu zeigen versuchen werde. Obwohl der früharchaische Parthenon aufgrund seiner Größendimension neue Formen der Repräsentation Abb. 7: Plan mit der Aufeinanderfolge des archaischen Parthenon, des Vor-Parthenon I und II und des klassischen Parthenon. Felsabarbeitungen entlang der Westseite des Parthenon und Schrägenverlauf (ca. 3,5° nach links) von Blöcken der 18. Lage des Stereobats im Westen und am westlichen Ende der Südseite. Abb. 8: Neue Rekonstruktion des archaischen Parthenon (ohne die dazugehörigen Bauskulpturen), © Elisavet P. Sioumpara. 42 Elisavet P. Sioumpara auf der Akropolis und somit einen neuen unübersehbaren Referenzpunkt für Stadt Athen schuf, 40 wurde diese historische Qualität des Baus in der Forschung bis heute nicht gewürdigt. Mir geht es darum, die Sakralarchitektur als die „öffentlichste aller Künste“ und die vielfältigen visuellen Erscheinungsformen weiterer zeitgenössischer Bauten im weiteren Kontext politischer, ökonomischer und sozialer Strukturen und Prozesse zu interpretieren. Entscheidend ist hier die Definition und Analyse aller Elemente bereits bestehender und neuer, darauf reagierender Bauwerke, wie im Folgenden zu untersuchen ist. Zuerst war die kyklopische, hoch aufragende, mykenische Ringmauer bis zum Anfang des 6. Jhs. v. Chr. das einzige monumentale Bauwerk auf der Akropolis, welches das Erscheinungsbild des Heiligtums entscheidend prägte. 41 Ihre symbolische Bedeutung 42 war wesentlich für alle späteren Perioden, 43 und sogar die klassischen Propyläen als Teil des perikleischen Bauprogramms wurden modifiziert, um ein Segment der mykenischen Mauer, zu präsentieren (Abb. 9), das sehr deutlich an der südöstlichen Ecke der Propyläen zu erkennen ist und damals noch bis zu einer Höhe von knapp 10 m stand. 44 Dieses Phänomen, dass die Vergangenheit als Bezugspunkt neuer Formen sozialer Kommunikation benutzt wurde, ist bis ins Detail erforscht. Athen ist natürlich nicht der einzige Ort, wo eine mykenische Zitadelle zum Bauplatz für frühe Kultbauten der spätgeometrischen oder archaischen Zeit wurde. Um nur im Mutterland zu bleiben, reicht es, Mykene 45 und Tiryns 46 zu erwähnen. Dieses Phänomen, dass die Vergangenheit als Bezugspunkt neuer Formen sozialer Kommunikation benutzt wurde, beispielsweise welche Rolle etwa die Bronzeit in der kultischen Topographie des frühen Griechenlands spielte, ist die schon beispielhaft dargestellt worden. 47 Im athenischen Modell symbolisiert die Vereinnahmung des mykenischen Zentrums auf der Akropolis durch den städtischen Kult die Übertragung der Macht von der Monarchie 48 auf die Polis und ihre Götter. Diese neue Organisation des Raums formte, nach François de Polignac, 49 eine wichtige Verbindung und bewirkte eine konzentrische Anordnung des Territoriums um den städtischen Kern mit der Akropolis in der Mitte, die mit ihren Tempeln die neue religiöse und politische Einheit der Polis verkörperte. Die Athener machten sich so ein im Griechenland des 8. Jhs. v. Chr. verbreitetes Phänomen zu Nutze, indem sie sich ihre heroisch-mykenische Vergangenheit neu aneigneten. Des Weiteren sind die aufwendigen Maßnahmen wie die großen Aufschüttungen und Terrassierungsmauern anzuführen, ohne die der früharchaische Parthenon an der für ihn gewählten Stelle im Südbereich der Akropolis nicht hätte errichtet werden können. Aus der geologischen Karte der Akropolis 50 ist ersichtlich, dass im Süden, wo der Fels deutlich stärker als im Norden abfällt und zwar ab dem Punkt, wo die Achse entlang des perikleischen Parthenons läuft, die mykenische Mauer wei- Abb. 9: Segment der mykenischen Mauer südöstlich der Propyläen von Westen, © Elisavet P. Sioumpara. 43 ter nördlich der späteren kimonischen Mauer liegt. Ohne beweisen zu können, wie hoch das Terrain in archaischer Zeit nördlich der südlichen mykenischen Mauer ursprünglich war, müssen wir solche Aufschüttungen und Terrassierungsmauern sicher für die Errichtung des archaischen Parthenons in einem großen Umfang annehmen. Sowohl im Süden als auch im Norden des Berges waren künstliche Anschüttungen und Terrassierungen notwendig, um überhaupt größere Bebauungsflächen zu ermöglichen, die wiederum für die Errichtung des archaischen Parthenon extensive Baumaßnahmen bezeugen. Solche Terrassierungen sind schon für die mykenische Zeit im Nordosten des Erechtheion 51 belegt, nämlich in Kombination mit der Existenz des Nordabschnittes der mykenischen Mauer dort, der fast den gleichen Verlauf wie die spätere themistokleische Mauer hatte. 52 Das Phänomen ist hauptsächlich für den Stereobat des Vor-Parthenon erforscht 53 und teilweise dargelegt. Als drittes kommt die Neugestaltung des seit mykenischer Zeit offenbar wenig veränderten Hauptzugangs der Akropolis im Westen hinzu. Durch einen neuen Weg bzw. Rampe 54 von nunmehr fast 7 m Breite und 20 m Länge (Abb. 10) konnten die riesigen Bauteile des Tempels, etwa der Architrave von rund 4 m Länge und der Kapitelle mit einer Abakusbreite von fast 2 m, 55 bereits annähernd so groß wie die des klassischen Parthenon, transportiert werden. Die Neugestaltung des Westeingangs geschah durch die Errichtung einer polygonalen Terrassierungsmauer als nördliche Grenze der neuerrichteten Rampe, 56 die sich fast in der Achse der späteren Propyläen befindet 57 und die aus dem zweiten Viertel des 6. Jhs. v. Chr. stammt. 58 Damit wurde ausdrücklich ein Weg, der den sicheren Transport aller Bauteile des neuen Großbauprojektes garantierte, 59 als unabdingbare Voraussetzung des Projekts errichtet, der zusätzlich danach ideal als Pilgerweg für die Pompe der Panathenäen fungieren konnte. 60 Der Westeingang bekam dadurch nach Abschluss des Projekts einen repräsentativen Charakter, der durch die Neugestaltung des Nike-Heiligtums auf der mykenischen Bastion mit seinem beschrifteten Altar aus der Mitte des 6. Jhs. v. Chr. 61 weiter hervorgehoben wurde. Neue Formen von Monumentalität lassen sich auch in anderen Kunstgattungen beobachten, etwa bei den großen, mindestens 1,8 m hohen Inschriftenblöcken aus Poros aus dem zweiten Viertel des 6. Jhs. v. Chr. (Abb. 11), die sich mit der Einführung der großen Panathenäen im Jahr 566/ 65 v. Chr. nach der Festreform und dem Dromos verbinden lassen und zu den frühesten öffentlichen Textdokumenten Athens überhaupt gehören (IG I 3 507, 508 und 509). 62 Die Inschriften in boustrophedon mit großen Buchstaben von bis zu 7,5 cm Höhe 63 sind Weihungen offizieller Gremien, höchstwahrscheinlich der Hieropoioi, wie schon A. E. Raubitscheck bemerkt hat. „They are not public decrees, but they are apparently public inscriptions.“ 64 Die Blöcke lassen sich als repräsentative Schriftträger einer Stadt interpretieren, die im Zuge der Initiierung ihrer neuen panhellenischen Spiele auch auf dem Gebiet der öffentlichen Schriftkunst ihr neues kulturelles Könnens- und politisches Selbstbewusstsein zur Schau stellt. Analoge Bestrebungen wurden durch enorme Größe und „Magnitude“ 65 am Lapis Primus und Secundus der Tributquotenlisten während des Athenischen Bundes ein Jahrhundert später demonstriert 66, und ein solches Anlie- Die Monumentalisierung der athenischen Akropolis im frühen 6.-Jh. v. Chr. Abb. 10: Rampe im Westen der archaischen Akropolis, hier für den Transport der Bauteile des Vorparthenon. Abb. 11: IG I 3 508, © Epigraphisches Museum Athen. 44 Elisavet P. Sioumpara gen war den Athenern der archaischen Zeit, wie man an den oben genannten Inschriften sieht, gar nicht fremd, den Gegebenheiten entsprechend. Gleichzeitig mit der monumentalen Neugestaltung der Akropolis, ebenfalls aus dem zweiten Viertel des 6. Jhs. v. Chr. (nicht jedoch früher wie etwa in Sounion und in attischen Nekropolen) setzen die ersten Marmorweihungen auf der Akropolis ein. Neben einigen lebensgroßen Figuren wie Koren und dem Kalbträger (Abb. 12) (nicht jedoch überlebensgroße Statuen bis zu 3 m Höhe, wie etwa in Sounion und im Kerameikos) sind vorrangig solche von unterlebensgroßem Format belegt: 67 eine aristokratische Votivpraxis, bei welcher der oder die Stifter durch kostspielige Prestigeweihungen vor allem materielle und soziale Überlegenheit demonstrieren und den Wettstreit mit ihresgleichen herausfordern. 68 Die Monumentalisierung der Architektur und die geradezu demonstrative Gegenposition der Unterlebensgröße der meisten Marmorbilder von Korai und Kouroi weisen auf konzeptionelle, bisher noch kaum verstandene Unterschiede hin. Die Monumentalisierung gewinnt erst durch ein Gegenüber wie diese tendenziell eher kleinformatigen Korai und Kouroi an Bedeutung und ein scharfes historisches Profil. Diese und weitere Akzente der Monumentalisierung des Heiligtums als religiöses und nicht zuletzt politisches Zentrum 69 der attischen Bürgerschaft herauszuarbeiten ist umso wichtiger, weil von der architektonischen Gestaltung der gleichzeitigen Stadt Athen selbst, etwa von der immer noch nicht sicher lokalisierten archaischen Agora 70 oder einer möglichen aber bis heute gesuchten archaischen Befestigung, 71 kaum etwas bekannt ist. Welche gesellschaftlichen Kräfte standen hinter dieser Monumentalisierung, die einen hohen logistischen Aufwand, außerordentliches technisches Können und Koordination, gleichzeitig aber auch gesellschaftlichen Konsens erforderte, und warum begann sie gerade zu diesem spezifischen Zeitpunkt? In der modernen Forschung wird das Hekatompedon zumeist mit der Tyrannenherrschaft des Peisistratos verknüpft, hauptsächlich wegen der angenommenen historischen Korrelation zwischen dem Neubau des Hekatompedon und der Reorganisation der Panathenäen. 72 Diese Annahme gründet sich auf einen späten Text, in dem der Rhetor Aelius Aristides im 2. Jh. n. Chr. im Kontext der Athen glorifizierenden ‚Zweiten Sophistik‘ die Reorganisation der Panathenäen, „probably of mere confusion“, um Antony Andrewes 73 zu zitieren, dem Peisistratos selbst zugeschrieben hat, 74 und darauf, dass große ‚Bauprogramme‘ traditionell mit den archaischen Tyrannen zu verbinden sind, wie etwa in Korinth, Naxos und Samos. 75 Der Baustil und -befund des Hekatompedon sprechen aber dafür, dass er bereits vor der endgültigen Rückkehr des Peisistratos nach Athen im Jahre 546 v. Chr. 76 vollendet war, was gegen Peisistratos als Initiatoren eines solchen Projekts spricht, dessen politische Stellung in Athen bis dahin ausgesprochen fragil war. 77 Diese Klärung schließt eine mittelbare Verbindung der ersten Monumentalisierung der Akropolis mit der Einführung der Panathenäen, höchstwahrscheinlich im Archontenjahr des Hippokleides in 566/ 5 v. Chr., 78 jedoch nicht aus. Das extensive Bauprogramm des Hekatompedon, das sicherlich im besten Fall mehrere Jahren andauerte, zeigt, dass nach einer langen Krisenzeit und politischer Instabilität, die dem Putsch Kylons folgte und die letztendlich zu den Reformen Solons ab 594/ 3 geführt hatte, Athen ein neues Kapitel seiner Geschichte schrieb, 79 das auch archäologisch fassbar ist. Die Neugestaltung der Akropolis wurde zu einem grandiosen Schauplatz erster Ordnung. Welche gesellschaftlichen Kräfte aber könnten stattdessen eine solche umfassende Neugestaltung der Stadt initiiert und finanziert haben? Ist von individuellen Aristokraten, wie dem lydischen König Kroisos, der die Säulen des Artemision von Ephesos gestiftet hat, 80 oder athenischen Aristokraten wie den Alkmeoniden, die die Ostfassade des spätarchaischen Apollon-Tempels in Delphi gestiftet haben, 81 auszugehen? Oder sollte man an ein Gremium von Beamten und/ oder Priestern denken, die im Namen Athens fungierten? Was wissen wir über diese Institutionen in dieser Zeit? Zwei Gremien mit religiöser Funktion sind für diese Zeit überliefert; die Kolakretai 82 und die ungleich wich- Abb. 12: Der Kalbträger, © Acropolis Museum Athen. 45 tigeren Naukraroi 83 , die später als Tamiai 84 (Schatzmeister) die heiligen Gelder der Athena verwalteten. Die sog. Kolakretai werden in der pseudo-aristotelischen Athenaion Politeia (47-48) und in Inschriften bis zum Ende des 5. Jhs. genannt. 85 Sie erhielten ihren Namen von ihrer Funktion des Sammelns von Opfertieranteilen und waren zuständig für verschiedene Finanzangelegenheiten, inklusiv der Zahlungen für die Konstruktion der Statue der Athena Promachos. Noch wichtiger waren die Naukraroi, 86 die später die Tamiai, also die Schatzmeister der heiligen Gelder der Athena wurden. Sie hatten ihren Sitz auf der Akropolis und waren zuständig für die Einnahme der Eisphora. 87 Nach der Verfassungsreform des Solon wurde dieses Gremium aus den Mitgliedern der höchsten Steuerklasse (Pentakosiomedimnoi) gewählt und damit der Elite Athens. Diese waren damals nicht nur die Schatzmeister (Tamiai) der Athena, sondern auch der Stadt selbst. Sie erhoben sowohl die auf Landeigentum und Ernteerträgen liegenden Steuern in Form von Silber oder Goldobjekten (ein monetäres System existierte damals noch nicht) als auch das Öl von den Moriai für die Panathenäen. Die Schatzmeister sind zum ersten Mal in der um 550 v. Chr. datierten Inschrift auf einer Bronzetafel von der Akropolis (IG I 3 510, Abb. 13) belegt, 88 die die Weihung verschiedenen Bronzeobjekte an Athena dokumentiert, und auch in der berühmten Hekatompedon-Inschrift aus dem Jahr 485 v. Chr., die die Kopie eines Original des 6. Jhs. v. Chr. darstellt. 89 Der politische Konnex von Religion 90 und Ökonomie war in dieser Zeit bereits fest etabliert, wie das Beispiel des Gremiums der Tamiai für die Heiligen Gelder der Athena im 6. Jh. v. Chr. zeigt. Das erste echte Signal der Vereinigung der Gemeinschaft liegt in der gemeinsamen Finanzierung von Opfer und Kult. 91 Die Mischung aus Religiösem und Profanem wurde in dieser frühen Zeit vervollständigt, wobei die beiden Begriffe untrennbar voneinander waren. Dies ist sehr offensichtlich im Fall des Gremiums der Tamiai der Heiligen Gelder der Athena im 6. Jh. v. Chr. 92 Die Übernahme der hohen Kosten für die Errichtung des archaischen Parthenon und der damit verbundenen Maßnahmen, wie sie oben skizziert wurden, mussten dementsprechend von den oben genannten Gremien im Heiligtum der Athena auf der Akropolis übernommen werden. 93 Die soeben umrissenen gesellschaftlichen Prozesse hätten sich ohne das umfassende gesellschaftliche Ordnungsbestreben Solons (ca. 640-560 v. Chr.), das alle Bürger einer schriftlich fixierten und auf das Gemeinwohl der Gemeinschaft hin ausgerichteten Verfassung unterwarf, kaum entwickeln können. 94 Davor hatten zahlreiche innergesellschaftliche Konflikte zwischen Aristokraten, die oft mit Gewalt ausgetragen wurden, das Gemeinwesen der Stadt tief erschüttert. Die Athener versuchten diese mit verschiedenen Mitteln zu lösen, zunächst etwa mit den Gesetzen des Drakon und später dann vor allem des Solon 95 (Abb. 14). Am deutlichsten zeigen sich die dadurch ausgelösten Veränderungen in der zunehmenden Verfestigung der Polis, die sich gerade in den archäologischen Zeugnissen immer klarer greifen lässt. 96 Das zentrale Heiligtum der Stadt, die Akropolis, wurde der Aufstellungsort der auf drehbaren Holztafeln (axones) niedergeschriebenen Gesetze Solons, 97 die dadurch als verbindliches Verfahren zur Beilegung von gesellschaftlichen Konflikten im öffentlichen Raum für jedermann sichtbar etabliert waren. Diese Maßnahme und die dadurch bedingten politischen und sozialen Veränderungen haben im Rückblick das kollektive Gedächtnis und damit das Die Monumentalisierung der athenischen Akropolis im frühen 6.-Jh. v. Chr. Abb. 13: IG I 3 510, © Acropolis Museum Athen. Abb. 14: Büste des Solon, Inv. Nr. 6143, National Archeological Museum, Naples. © Wikimedia Commons. 46 Elisavet P. Sioumpara kollektive Bewusstsein der Bürgergemeinschaft in Athen nachhaltig gestärkt. Solon wurde später, ab Ende des 5. Jhs. v. Chr., sogar als Heros Ktistes der athenischen Demokratie angesehen. 98 Die erste Monumentalisierung des zentralen Heiligtums der Athena auf der Akropolis und damit der Stadt Athen ist, meiner Ansicht nach, die materielle Manifestation dieser neuen Polis. Solon als eine der eminentesten Persönlichkeiten des archaischen Griechenland erfand die athenische Polis praktisch neu, seine kurzfristigen Maßnahmen und Gesetze, die auf einer langfristigen Vision beruhten, formierten das „grand design“ für eine umfassende, neue kommunale Ordnung. Die Eunomia im Sinne Solons ist die Verkörperung eines durch die Tätigkeit der Bürger gespeisten Prozesses mit dem Ziel, die Verhältnisse im eigenen Gemeinwesen in Ordnung zu bringen und bestmöglich zu entwickeln. Ihre Widerspiegelung sind die neue, monumentalisierte Akropolis und die dadurch elementar geprägte Stadt. Anmerkungen 1 Dem Geehrten, Professor Wolfgang Schuller, bleibe ich in tiefster Dankbarkeit verbunden, nicht zuletzt für seine Einladung zu diesem Kolloquium und seine unvergessliche Gastfreundschaft in Konstanz. Mein Aufsatz ist ein mikroskopikón aντίδωρο meiner Hochachtung vor diesem großen Menschen und Gelehrten. Eine englischsprachige Version dieses Beitrags erschien in Graml-Doronzio-Capazzoli 2019, 149-166. 2 Dazu vgl. Osborne 2014, 1-19. 3 Am 5. Dezember 2007 hat das Auktionshaus Sotheby die „Guennol Lioness“, eine antike Statuette aus Mesopotamien, für die bis dahin beispiellose Summe von 57,2 Millionen-$ verkauft. Dieser astronomische Preis macht diese Statue bzw. Statuette von nur 8,4 cm Höhe zum teuersten Artefakt der Antike, vgl. Osborne 2014, 1-3 und 14 mit Anmerkung 1, wo vergleichbare andere Objekte aus der Antike und aus jüngeren Epochen angegeben werden. 4 Zur Forschung zu monumentalen Strukturen in der antiken Architektur, s. zuletzt Brunke u.-a. 2016, 250-299. 5 Childe 1950, 12. Vgl. auch Smith 2009, 3; Osborne 2014, 4-5. 6 Lefebvre 1991, 221. 7 Osborne 2017, 163-187. 8 Parker 2003, 193-215. 9 Sioumpara 2008, 19-21; Sioumpara 2013, 12-21; Sioumpara 2018, 751-775. 10 Kavvadias - Kawerau 1907. 11 Über die archaischen Giebelskulpturen von der Akropolis vgl. zuletzt Santi 2010 108-146. 172-219 und 293-330 mit der älteren Literatur dazu. 12 Wiegand 1904. 13 Bis heute ist die Publikation der Architektur des Athena Polias- Tempels von Dörpfeld gültig, s. Dörpfeld 1885, 275-277; Wiegand 1904, 115-147. Neues zu den Metopen und den Schräggeisa von Kissas 2008, 39-62. Beitrag zur Diskussion der angeblichen zwei Phasen der Krepis des Tempels bei Sioumpara 2017, 52-53. 14 Die fünf kleineren Poros-Bauten der Akropolis werden von Nancy Klein neu bearbeitet, s. Klein 2015, 137-163. 15 Zur Hekatompedon-Inschrift IG I 3 4 s. Butz 2010 mit der älteren Literatur. 16 Die Terminologie der H-Architektur stammt aus Heberdey 1919, 136, der der Terminologie von Wiegend 1904 bezüglich der fünf kleinen Poros-Bauten der Akropolis (A, B, C, D und E) folgt, während er Buchstabe F für den archaischen Tempel des Dionysos im Südabhang, Buchstabe G für den Alten Tempel der Athena Polias und Buchstabe H für das Hekatompedon als achten archaischen Poros-Bau auf der Akropolis verwendet. 17 S. unten im Aufsatz. 18 Zu den Giebelfiguren des Hekatompedon vgl. Santi 2010, 108- 150; Meyer 2017, 119-125. 19 Über die Forschungsgeschichte bezüglich Form und Typus des Tempels Korres 1996, 84-89 und Korres 1997, 218-225. Vgl. auch Sioumpara 2015, 250-252; Meyer 2017, 115-118. 20 Über die unterschiedlichen Theorien zur Lokalisierung des Tempels auf der Akropolis vgl. Korres 1997, 221 mit Abb. 1. Dazu zuletzt Sioumpara 2015, 250-252; Meyer 2017, 113-118. Nachdem Dinsmoor 1947, 140-145 wegen der Verwendung des Zahneisens das sogenannte „Dörpfeld-Fundament“ dem Alten Athena-Polias-Tempel zugewiesen hat, wurde die Frage nach der Lokalisierung des Hekatompedons, leider, oft mit der Frage nach der Datierung des Zahneisens gleichgesetzt (vgl. zuletzt Paga 2014). Damit wurde aber praktisch eines der größten Probleme der Topographie der Akropolis allein mit der Geschichte eines einzigen Werkzeugs gleichgesetzt. Gleichzeitig wurde das reichlich erhaltene Material dieses Tempels praktisch nicht mehr in die Diskussion eingebracht, was wiederum die mühselige Arbeit erspart hat, sich mit den hunderten von Poros-Fragmenten auseinanderzusetzen; vgl. dazu Sioumpara 2017, 42-43. Über eine andere Interpretation der relativ jungen Daten zur Verwendung des Zahneisens Sioumpara 2017, 44-53 mit kritischem Kommentar zur früheren Literatur. 21 Erste Ergebnisse der neuen Forschungen schon bei Sioumpara 2015, 252-266; Sioumpara 2017, 53-60 mit vorläufigen Rekonstruktionszeichnungen. 22 S. oben Anm. 21. 23 Sioumpara 2017, 57 mit Abb. 17. 24 Wiegand 1904, 14. Es handelt sich um Nr. 9 in seinem Katalog mit den „Horizontalgeisa“, Aufnahme folgt auf S. 15 mit Abb. 16c und diejenige der Oberseite auf S. 56 mit Abb. 75a. Vgl. auch Sioumpara 2017, 57 Anm. 114 mit weiteren Kommentaren dazu und wie dieser Fehler die weiteren Studien beeinflusst hat. 25 Die Frontjoche des Tempels werden mit mindestens 4,06 m rekonstruiert, die Joche der Seiten hingegen mit 3,95 m, analytisch dazu Sioumpara 2015, 258-262; Sioumpara 2017, 57-60. 26 Sioumpara 2017, 59-60. 27 Korres 1997, 225-227, nachdem er feststellen konnte, dass das Parthenon-Fundament massiv ist, positioniert das Hekatompedon im südwestlichen Bereich des Stereobats des Vor-Parthenon I, erstens anhand bestimmter Felsabarbeitungen entlang der Westseite des Parthenon und zweitens aufgrund des schrägen Verlaufes (ca. 3,5° nach links) von Blöcken der 18. Lage des Stereobats im Westen und am westlichen Ende der Südseite, die auf eine ältere innere Konstruktion hinweisen. 28 Dinsmoor 1947, 109-151. 29 Kissas 2008, 99-110, plädiert für die Lokalisierung des Hekatompedons auf dem sog. Dörpfeld-Fundament u.-a. auch wegen seiner hohen Datierung des Zahneisens, aber gleichzeitig lässt er diese Frage auch relativ offen bis zu einer neuen Erforschung der dem Tempel zugehörigen Bauteile. Paga 2012/ 13, 169-203 47 Die Monumentalisierung der athenischen Akropolis im frühen 6.-Jh. v. Chr. folgt Kissas bezüglich der frühen Datierung des Zahneisens und plädiert erneut für eine Lokalisierung des Hekatompedons auf dem sog. Dörpfeld-Fundament. Ausführlicher Kommentar dazu folgt an anderer Stelle. 30 Sioumpara 2017, 41-52 mit ausführlicher Argumentation. 31 Zuletzt Korres 2000, 7-8. 32 Über die Akropolis vor 566 v. Chr. s. Glowacki 1998 und zu den Weihgaben Scholl 2006. Zum spätgeometrischen Tempel s. zuletzt Meyer 2017, 95-96 und Doronzio 2018, 44-49, die die Funde der marmornen Lampen in diesem frühen Heiligtum ausdrücklich betont. 33 Korres 1994, 56; Mayer 2017, 125-126. 34 Der Poros des Hekatompedon stammt aus den Steinbrüchen an den Piräus-Küsten (Ακτίτης Λίθος / Aktites Lithos) und zwar von denen der Westküste, wo das Gestein qualitätvoller ist als bei denen der östlichen Küste, woher das Material für die Errichtung des Alten Athena Polias Temples stammt, vgl. Bouras- Korres 1983, 57. Beide Sorten von Poros-Gestein finden sich am Stereobat des Vor-Parthenon. Zu Ακτίτης Λίθος, wie er auch in Inschriften überliefert ist, vgl. Wycherley 1978, 271. 35 Beispielsweise über die früheste Anwendung von Verfeinerungen an der griechischen Architektur, festgestellt zuerst an den Triglyphen des Gebälks des archaischen Parthenon, vgl. Sioumpara 2018, 395-396. Zur engen Beziehung zwischen den Kykladen und Athen in dieser Zeit und die Übernahme vieler technologischer Innovationen aus den Kykladen in Skulptur und Architektur von Seiten Athens, Sturgeon 2006, 33-75. 36 Vgl. beispielsweise die unterschiedlichen Profile der dorischen Kapitelle an der Peristasis, Korres 1997, 230-232 mit Abb. 5 und 6. 37 Vgl. die Bauornamentik im Bereich des Giebels, allein durch die farbigen Kymatien über den Orthostaten, die eingravierten Giebelgeisa mit Lotusblumen und Darstellungen unterschiedlicher Vögel, die sich nie mehr in der griechischen Architektur wiederholen, oder die reich verzierte Giebelsima aus hymettischem Marmor. 38 Zur Farbigkeit des Tempels vgl. Wiegand 1904, Taf. 1 und Sioumpara - Sotiropoulou (forthcoming). 39 Zuletzt dazu Meyer 2017, 119-125 mit der älteren Literatur. 40 Insbesondere weil die mykenische Mauer zu dieser Zeit nicht so hoch gestanden haben muss wie die spätere klassische Mauer der Akropolis. Deshalb muss der archaische Parthenon von der Unterstadt, insbesondere von Süden, gut sichtbar gewesen sein. 41 Zur mykenischen Ringmauer auf der Akropolis bleibt bis heute die Monographie von Spyridon Iakovidis 1962 gültig (englische Übersetzung Iakovidis 2006); vgl. auch Iakovidis 1983, 73-90. Zum westlichen Eingang der mykenischen Mauer s. Wright 1996 und Mylonas-Shear 1999. Mark 1993, 12-19 und Giraud 1994, 32-34 haben erneut nach Balanos 1956, 785- 800 die mykenische Bastion innerhalb des späteren Turmes des Athena Nike Tempels untersucht. Zuletzt die neue Untersuchung der mykenischen Burgmauer, vgl. Brysbaert u.-a. 2018; Sioumpara 2018, 141-167. 42 Zur symbolischen Bedeutung der mykenischen Zitadellen in der Spätbronzezeit und danach vgl. Maran 2006, 75-91; Maran 2011, 169-178; Cosmopoulos 2016, 251-278. 43 Zu Orten, die als Bewahrung, Tradierung und deutenden Verwaltung von monumentalen steinernen „Zeugen der Vergangenheit“ fungierten, vgl. Stein-Hölkeskamp - Hölkeskamp 2010. Insbesondere über die memoria der prähistorischen Orte in historischen Griechenland vgl. Ulf 2010, 18-38. 44 Vgl. Dörpfeld 1885, Taf. V; Judeich 1931, 115; Iakovidis 2006, 178-179; Tanoulas 1997, Zeichnung 39 und 41. 45 Klein 1997, 247-322. 46 Schwandner 1991, 216-223. 47 S. besonders Antonaccio 1994, 79-104; Antonaccio 2016, 102-123 mit der älteren Literatur. 48 Vgl. Schmitt 2009. 49 de Polignac 1995, 75-101; de Polignac 2005, 45-69. 50 Andronopoulos - Koukis 1976, Abb. 4 und 5. 51 Iakovidis 2006, 76-87. 52 Zu themistokleischen Nordmauer: Korres 2002; Korres 2015, 177-196. 53 Zum Stereobat des Vor-Parthenon: Korres 1994, 53-120 mit der älteren Literatur. 54 Zu dieser Rampe s. Vanderpool 1974, 156-160 und zuletzt Santi 2010, 49-53 mit der älteren Literatur. Es bleibt unsicher, ob die nach Vanderpool 1974, Abb. 1 (eine Zeichnung von Travlos) westlichen Abschnitte der nördlichen Terrassierungsmauer der Rampe aus unterschiedlichen Gründen (z. B. unterschiedliche Orientierung zwischen Ost- und Westabschnitte) zur gleichen Konstruktion gehören, deshalb werden hier die Abmessungen der Rampe mit 7 × 20 m angegeben, was ihren sicheren östlichen Teil betrifft, und nicht mit 12 × 80 m, wie in der Literatur oft angegeben ist und den westlichen Teil miteinbezieht. Zum westlichen Mauerabschnitt kommt M. Korres noch einmal zurück, wie er bei seinem Vortrag am internationalen Kongress „From Hippias zu Kallias“, organisiert von O. Palagia und E. P. Sioumpara im Akropolis Museum am 19.- 20. Mai 2017, angekündigt hat. Korres 2000, 7, impliziert, dass es schon eine ältere Rampe gab. 55 Über die Länge der Peristasis-Architrave des archaischen Parthenon, die identisch mit den Jochen ist, vgl. oben und Sioumpara 2017, 57-60. Über die Maße der Kapitelle des archaischen Parthenon vgl. Korres 1997, 229-232. 56 Ob diese Rampe eine mögliche ältere Rampe ersetzt, wie es Eiteljog 1995, 9 für möglich hält, wird die Publikation der neuen Forschungen von Korres (s. Anm. 54) zeigen. 57 Die Mauer wurde zuerst von Beulé ausgegraben und aufgenommen, Beulé 1853, Taf. II, Plan mit der Mauer AA΄ und Taf. III mit nördlicher Ansicht der Mauer. 58 Über die Chronologie dieser Terrassierungsmauer im zweiten Viertel des 6. Jhs. vgl. Vanderpool 1974, 156-160; Eiteljorg 1995, 9-11 übernimmt die Datierung ins 6. Jh., ohne am zweiten Viertel des 6. Jhs. festzuhalten. 59 Die ausführlichen Gespräche darüber mit Charalambos Bouras bleiben immer in meiner Erinnerung. 60 Zum Panathenäischen Weg: Travlos 1971, 422-427. 61 Mark 1993, 20-30; Giraud 1994, 34-38; Giraud 2002, 343- 344; Lempidaki 2013, 372-375. 62 Raubitschek 1949, 350-358 Nr. 326, 327 und 328 mit der älteren Literatur; Stroud 1978, 28. 63 Allein die Buchstaben bei IG I 3 507 betragen 0,05-0,06 m Höhe, bei IG I 3 508 0,06-0,075 m Höhe. 64 Raubitscheck 1949, 347. Stroud 1978, 28 betont zurecht in diesem Zusammenhang, dass, sofern diese Inschriften Namen und Titel von in ihrer offiziellen Funktion handelnden Staatsbeamten beinhalten, solche Stelen in der Antike wertvolle Informationen zur Stadtadministration geben konnten. 65 Dass die Tributquotenlisten für Athen einen Einschnitt in der Geschichte des öffentlichen Schreibens bedeuteten, ist mehrfach unterstrichen worden, u.-a. vgl. Hedrick 1999, 400. 66 Zuletzt zu den athenischen Tributlisten an Lapis Primus und Secundus vgl. Tracy 2016, 41-54 mit der älteren Literatur. Zum athenischen Bund bleibt Schuller 1974 gültig und unübertroffen. Über die ursprüngliche Lokalisierung dieser Inschriften s. Trampedach in diesem Band und Sioumpara 2019, 40-51. 67 Aus den zahllosen Arbeiten zur archaischen Plastik von der Akropolis zitiere ich nur die letzte umfassende und sehr detaillierte Monographie zum Thema mit der gesammelten älteren Literatur und sehr ausführlichem Katalog: Franssen 2011, 48 Elisavet P. Sioumpara 139-309. Zu den zehn Koren (B1-10 in seinem Katalog) sowie dem Moschophoros (B 169), dem Kopf B 177 und den drei Sphingen (B 202, 205, 206) aus dem zweiten Viertel des 6. Jhs. s. Franssen 2011, Katalog. Für die frühen, überlebensgroßen Marmorweihungen aus Sounion und dem Kerameikos, aus der Zeit um 600 vgl. Franssen 2011, 332-338; Kaltsas 2002, 38 Kat.-Nr. 13. 68 Zu Stiftern der archaischen Statuen und der Votivpraxis auf der Akropolis s. Keesling 2003, 63-96; Franssen 2011, 205- 242. Vgl. auch in diesem Zusammenhang Schneider 2010, 221-243. 69 Dass die Akropolis als politisches Zentrum Athens im 6 Jh. und auch später im 5. und 4. Jh. v. Chr. fungierte, zeigt sehr demonstrativ vor allem die Praxis der Aufstellung der athenischen Volksbeschlüsse innerhalb des Athena-Heiligtums und erst viel später auf der Agora, s. Liddel 2003, 79-93. Über staatliche Dokumente auf der archaischen Akropolis s. auch Stroud 1978, 20-24. Nach der Tradition waren die Gesetze von Solon auf den axones zuerst auch auf der Akropolis aufgestellt, s. Stroud 1979, 12-13. Zum politischen Charakter der Akropolis im 6. Jh. v. Chr. s. auch Rosivach 2008, 125-133, dessen These über die Lokalisierung des Prytaneions der Akropolis sehr gewagt und eigentlich unmöglich ist. 70 Die Frage nach der Lokalisierung der archaischen Agora in Athen ist sehr alt, stammt aus Leakes Zeiten und bleibt bis heute offen. Zur Forschungsgeschichte s. zusammenfassend Hitzl 2003, 101-103. Eine Zäsur in der langen Forschungsgeschichte bildet der Fund der Stele mit der Ehreninschrift für die Priesterin Timokrite des Aglauros-Heiligtum (SEG 33.115) am Ostabhang der Akropolis zu Anfang der 1980er Jahre, dazu s. Dontas 1983, 48-63. Zwei Theorien bilden sich hauptsächlich seither, sofern sich das Aglaureion mit anderen Heiligtümern in der Nähe der Agora der archaischen Stadt (nach Pausanias 1, 18, 2-3) befand: einerseits die Anhänger der These, dass die archaische Agora an demselben Ort lag, wo sich später die klassische Agora befand, dazu s. zuletzt Doronzio 2018, 201-211 mit der älteren Literatur, und anderseits die Anhänger der Lokalisierung der archaischen Agora östlich bzw. nordöstlich der Akropolis, dazu zuletzt s. Schmalz 2006, 33-81 mit der älteren Literatur. Dickenson 2015, 723-770, gegen die zweite o.-g. These, setzt die von Pausanias genannte „agora“ mit der römischen Agora Athens gleich. 71 Zur Überlieferung von antiken Quellen zur archaischen Befestigung von Athen, deren Spuren bis heute immer noch gesucht werden, s. Capozzoli 2004, 5-22 und zuletzt Capozzoli 2012, 93-99. 72 Vgl. beispielsweise Shear Jr., 1978, 3-4. Gegen eine Verbindung der H-Architektur mit Peisistratos schon Boersma 1970, 13-14. 73 Andrewes 1982, 411. 74 Schol. Aelius Aristides, 13, 189, 4-5 (III 323 ed. Dindorf ). 75 Zu Bauprogrammen von Tyrannen in archaischer Zeit bleiben immer noch gültig Boersma 1970 und Young 1995. Zur Politik der Tyrannen innerhalb der Polis vgl. Salmon 1997, 60-73. 76 Zur Chronologie des Peisistratos und die damit verbundene Problematik bleibt Rhodes 1981, 191-199 unersetzlich. Zuletzt dazu mit neuen Ansätzen Lavelle 2005, 210-218. 77 Die erste Tyrannis von Peisistratos dauerte etwa ein Jahr und ist höchstwahrscheinlich um 561/ 60 v. Chr. zu setzen. Für die zweite Tyrannis konnte ein genaueres Datum in der Forschung nicht gewonnen werden. 78 Dazu Parker 1996, 89 und Neils 2007, 41-51. 79 Zuletzt zu Solon und der Stadt Athen s. Block - Lardinois 2006; Owens 2010. 80 Herodots Bericht, dass Kroisos Säulen zum Tempel stiftete, wird durch seine erhaltene Weihinschrift am Fuß einer Säule bestätigt. Zum Tempel insgesamt s. Gruben 2001, 380-395. 81 Zum Apollo-Tempel in Delphi summarisch Gruben 2001, 75- 76. 82 Zu den Kolakretai s. Ferguson 1932, 4 und zuletzt Samons 2000, 54-70 mit der älteren Literatur. 83 Zu den Naukraroi s. zuletzt van Wees 2013, 44-61 mit der älteren Literatur. 84 Zu den Tamiai s. zuletzt Bubelis 2016, 118-146. Zur Schatzkammer des Hauptheiligtums von Athen s. Samons 2000, 28-50. Ferguson 1932 bleibt immer noch von unschätzbarem Wert. Zu den breiteren Aufgaben der Tamiai als die finanzielle Administration des Heiligtums s. Jordan 1979, 56-63. Zu den von den Tamiai ausgegeben Inventaren s. Harris 1995. 85 Vgl. Matthaiou 1989, 13-16; Matthaiou 1990, 184-189. 86 Zu den Naukraroi vgl. auch Wallinga 2000, 131-146. Zur Diskussion über die Naukraroi und Landbesitz vgl. Papazarkadas 2011, 148-149. 212-213. 87 Harris 1995, 14. 88 Ferguson 1932, 4-6; Harris 1995, 14-15. 89 Zur Hekatompedon-Inschrift s. Jordan 1979, 19-55; Butz 2010 mit der älteren Literatur. 90 Zu archaischen Priesterschaft in Athen s. Parker 1996, 56-66. 91 Parker 1997, 127-160. 92 Ferguson 1932. Zu den viel breiteren Aufgaben der Tamiai, abgesehen von der rein finanziellen Administration des Heiligtums s. auch Jordan 1979, 56-63. 93 Zur Finanzierung des perikleischen Parthenon konnte Kallet- Marx 1989, 252-266 und Kallet-Marx 1998, 48-52, gegen das gängige Missverständnis, überzeugend nachweisen, dass der Bau hauptsächlich von Geldern der Göttin Athena finanziert wurde und nicht von der imperialistischen Reserve, wie bekannter Weise Plut. Per. 12-4 behauptet. Wenn dies für die klassische Zeit zutrifft, ist auch die Annahme einer städtischen Finanzierung des archaischen Parthenons wahrscheinlicher als andere Hypothesen. 94 Zuletzt zu Solon und der Stadt Athen Block - Lardinois 2006; Owens 2010. 95 Rhodes 2006, 248-260; Gehrke 2006, 276-289; Harris 2006, 290-320. 96 Bintliff 2006, 321-333; Ober 2006, 441-456. 97 Die Forschung schuldet dem Beitrag von Stroud 1979 zu axones und kyrbeis von Drakon und Solon immer noch viel, der bis heute eigentlich unersetzlich bleibt. 98 Hignett 1952, 2-8; Rhodes 2006, 249. 49 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: J. Travlos, Bildlexikon zur Topographie des Antiken Athen (Tübingen 1971), Abb.71 Abb. 2: M. Korres, The Architecture of the Parthenon, in: P. Tournikiotis (Hrsg.), The Parthenon and its Impact in Modern Times (Athen 1994), Abb. 19 Abb. 3: © Epigraphisches Museum Athen Abb. 4: © Acropolis Museum Athen Abb. 5: © Elisavet P. Sioumpara Abb. 6: © Elisavet P. Sioumpara Abb. 7: M. Korres, Die Athena-Tempel auf der Akropolis, in: W. Hoepfner (Hrsg.), Kult und Kultbauten auf der Akropolis. Internationales Symposion vom 7. bis 9. Juli 1995 in Berlin (Berlin 1997) 218-243, Abb. 2 Abb. 8: © Elisavet P. Sioumpara Abb. 9: © Elisavet P. Sioumpara Abb. 10: Korres, The Architecture of the Parthenon, in: P. Tournikiotis (Hrsg.), The Parthenon and its Impact in Modern Times (Athen 1994), Abb. 18 Abb. 11: © Epigraphisches Museum Athen Abb. 12: © Acropolis Museum Athen Abb. 13: © Acropolis Museum Athen Abb. 14: Naples Museum Literaturverzeichnis Andrewes 1982 A. Andrewes, The Tyranny of Pisistratus, in: J. Boardman - I. E. S. Edwards - N. G. L. Hammond - E. Sollberger (Hrsg.), The Cambridge Ancient History III 1. The Prehistory of the Balkans, the Middle East and the Aegean World, Tenth to Eighth Centuries BC, 2nd edition (Cambridge 1982) 392-416 Andronopoulos - Koukis 1976 B. Andronopoulos - G. Koukis, Γεωλογική - γεωτεχνική μελέτη της περιοχής Ακροπόλεως Αθηνών. 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Jahrhunderts ließen die Athener mit zunehmender Intensität Steine unterschiedlicher Größe in zunehmend standardisierten Formaten auf eine bestimmte Weise durch professionelle Buchstabenhauer (cutter) beschreiben. 2 Die einzigartige „Inschriftenkultur“, die vor allem auf der Akropolis zu besichtigen war, entstand in Athen gleichzeitig mit der Vollendung der Demokratie und dem Ausbau des Seereiches. Was die Athener seit der Mitte des 5. Jahrhunderts dazu veranlaßte, Inschriften auf der Akropolis in großer Zahl und beinahe serienmäßig aufzustellen, läßt sich nur verstehen, wenn man sie auch und vor allem als Monumente (und nicht nur als Texte) versteht 3 und wenn man neben den epigraphischen auch die historischen und archäologischen Forschungshorizonte in die Überlegungen mit einbezieht. Sichere Ergebnisse sind dadurch nicht zu erzielen; eher scheinen sich die Datierungsprobleme, die sowohl die athenische Epigraphik des 5. Jahrhunderts als auch die historische Überlieferung der Pentekontaëtie als auch die baugeschichtliche Entwicklung der Akropolis vom Persersturm bis zum Beginn der mit dem Namen des Perikles verbundenen Erneuerung betreffen, zu vervielfältigen. Daher müssen meine Überlegungen in ihren Schlußfolgerungen hypothetisch bleiben. Im Folgenden werde ich nach einer Einführung (I) begründen, warum der sogenannte lapis primus als Ausgangspunkt der besonderen Inschriftenkultur Athens (II) gelten kann. Sodann werde ich nacheinander den archäologischen und historischen Kontext (III) sowie die Semantik und Funktion der Tributquotenlisten (IV) erörtern, bevor ich mit einem kurzen Fazit (V), in dem ich die Eingangsfrage wieder aufnehme, schließe. I. Einführung: Inschriften auf der Akropolis Dem heutigen Besucher präsentiert sich die Akropolis als inschriftenfreier Raum. Zwischen den antiken Umfassungsmauern und den Ruinen der einstigen Großbauten dehnen sich leere Flächen. Auch Pläne und sowohl plastische als auch zeichnerische Rekonstruktionen lassen meistens nicht erkennen, daß auf der Akropolis einst Tausende von beschrifteten Pfeilern und Stelen (und Weihgeschenke) standen. 4 Nach jüngsten Schätzungen sind gegenwärtig über 20.000 attische Inschriften bekannt. An keinem anderen Ort Griechenlands wird diese Zahl auch nur annähernd erreicht; in Delphi sind etwa 2.000, in Delos knapp 3.000, in Ephesos weniger als 4.000 Inschriften erhalten. Die großen Unterschiede sind nicht nur Abb. 1: Rekonstruiertes Modell der Athener Akropolis in der Mitte des 2. Jh.s n. Chr. von G.-P. Stevens und J. Travlos, Laval-Universität, Quebec. 54 Kai Trampedach dem Zufall der Überlieferung geschuldet; sie deuten vielmehr darauf hin, daß Athen viel mehr Inschriften hervorbrachte als andere griechische Poleis. 5 Dies gilt verstärkt für das 5. und 4. Jahrhundert, denn in den meisten Städten und Heiligtümern (wie in den genannten Beispielen Delphi, Delos und Ephesos) beginnt eine intensivere Inschriftenproduktion erst im Zeitalter des Hellenismus. Die Athener publizierten ihre Inschriften in der Regel auf die Akropolis. Ob Volksbeschlüsse, Verträge, Abrechnungen, Bestandslisten, Darlehen oder Übergabeprotokolle der Kassenbeamten - auf der Akropolis wurden alle möglichen Arten von öffentlichen Inschriften aufgestellt. In der Zeit von der Mitte des 5. bis zum Ende des 4. Jahrhunderts sind etwa 1.000 Volksbeschlüsse erhalten, von denen über 90 % auf der Akropolis aufgestellt wurden. 6 Daß vom 3. Jahrhundert v. Chr. an die Agora in dieser Hinsicht gleichwertig neben die Akropolis trat, führt Peter Lidell, der sich eingehend mit diesem Thema beschäftigt hat, vermutungsweise auf die Überfüllung der Akropolis zurück. 7 Die Inschriftenplatzierung wies die Akropolis als das ursprüngliche Herz Athens aus, was auch darin zum Ausdruck kam, daß Inschriften des 5. Jahrhunderts gegebenenfalls den Publikationsort als ἐμ πόλει benennen. 8 Genauere Hinweise auf den Aufstellungsort kommen vor, sind aber selten. In einem grob in die Mitte des 5. Jahrhunderts zu datierenden Volksbeschluß über das priesterliche Geschlecht der Praxiergiden heißt es: ἐμ πόλει ὄπισθεν τô νεὸ τô ἀρχαίο. 9 Zwei Volksbeschlüsse aus dem ersten Viertel des 4. Jahrhunderts haben eine Publikationsklausel, die eine Statue erwähnt: πρόσθεν τοῦ ἀγάλματος. 10 Eine andere Inschrift aus dem Jahr 353/ 2 listet Objekte auf, die sich in der Chalkothek befinden, und hat die dazu passende Publikationsklausel: ἔμπροσθεν τῆς χαλκοθήκης. 11 Wir können konstatieren, daß in diesen wenigen Fällen offenbar der Inhalt der Inschrift den genauen Aufstellungsort auf der Akropolis bestimmte. Im Übrigen dürften sich die Inschriften an den Hauptwegen und in Höfen der verschiedenen Baukomplexe gehäuft haben. Archäologische Beobachtungen, insbesondere reihenartige Abarbeitungen im Akropolis-Fels, die zur Aufstellung von Inschriftenstelen dienten, bestätigen diese Vermutung. 12 II. Der lapis primus als Ausgangspunkt der besonderen Inschriftenkultur Athens Doch schauen wir jetzt nach dem Besonderen des Vorgangs: Wann, aus welchem Grund und unter welchen Umständen begannen die Athener, politische Inschriften en masse auf der Akropolis zu platzieren? Der erste erhaltene Volksbeschluß, der Angelegenheiten einer Klerurchie in Salamis regelte und wohl in die letzten Jahre des 6. Jahrhunderts datiert, schlägt hier nicht zu Buche, sondern steht sowohl in ästhetischer Hinsicht für sich als auch inhaltlich, insofern das Beschlußformular etwa noch keinen Rat erwähnt. 13 Selbst wenn man natürlich in Rechnung stellen muß, daß auch Inschriften bei dem Persersturm 480 zugrunde gingen, deutet doch nichts darauf, daß uns dabei besonders auffälliges, politisch relevantes Material verloren gegangen wäre. Wie in einem Heiligtum nicht anders zu erwarten, sind auf Weihgeschenke bezogene Inschriften überliefert, sei es auf Basen oder auf den Weihgaben selbst, aus der Zeit vor wie nach 480. Wirklich bemerkenswert ist dagegen ein anderer Befund, nämlich daß sich zwischen 480 und der Mitte der fünfziger Jahre des 5. Jahrhunderts, also immerhin über ein Zeitraum von ca. 25 Jahren, überhaupt keine Polisinschriften auf der Akropolis erhalten haben. 14 Benjamin Meritt führte dies auf die angebliche Vorherrschaft des Areopags und eine damit verbundene aristokratische, der Inschriftenproduktion nicht günstige Art der Regierung zurück. Diese Annahme wäre jedoch überhaupt nur dann in Erwägung zu ziehen, wenn sich mit den Reformen des Ephialtes im Jahre 462 die Lage schlagartig geändert hätte. Dies war jedoch - nach allem, was wir wissen - nicht der Fall. Meritt konnte die demokratische Inschriftenkultur Athens daher erst mit dem Jahr 454/ 53 beginnen lassen, also dem Jahr, in dem die Athener Tributquotenlisten auf der Akropolis ausstellten, aus denen mittelbar hervorging, wieviele Einnahmen Athen jährlich aus seinem Reich bezog. 15 Daß die Tributquotenlisten für Athen eine Zäsur in der Geschichte öffentlichen Schreibens bedeuteten, ist auch von anderen betont worden, in jüngerer Zeit etwa von Charles Hedrick. 16 Ich möchte mich dieser Auffassung anschließen: Vor 454/ 3 unterscheidet sich die Inschriftenkultur Athens nicht sehr von der anderer griechischer Städte. Im Vergleich mit anderen zentralen Polisheiligtümern fallen dementsprechend Art und Häufigkeit von Inschriften auf der Akropolis zu diesem Zeitpunkt nicht aus dem Rahmen. Das ändert sich mit der Aufstellung des lapis primus grundlegend. Vor allem drei Argumente sprechen für diese Behauptung: 1. die Entwicklung der athenischen Epigraphik, 2. die Monumentalität und 3.-die Serialität. 1. Vor 453, vor der Aufstellung des lapis primus, hat es - wie erwähnt - auf der von den Persern zerstörten Akropolis anscheinend keine Polisinschriften gegeben, abgesehen vielleicht von vereinzelten Exemplaren, die sich auf Weihgaben oder Kultfragen bezogen; jedenfalls ist bis jetzt keine Polisinschrift gefunden worden, die vor 453 datiert werden müßte. Nach 453 wurden dagegen nach und nach immer mehr Inschriften auf der Akropolis aufgestellt. Dabei handelte es sich zunächst ebenfalls um Abrechnungen, die sich auf andere Kassen oder auf Bauten und Statuen auf der Akropolis bezogen. In den dreißiger Jahren des 5. Jahrhunderts, nach der Fertigstellung des Parthenon, begann dann auch die Zahl der inschriftlich fixierten Volksbeschlüsse, rapide zuzunehmen: die Proxeniedekrete, die Bündnisverträge, die Regelungen für abgefallene Bundesgenossen oder für die Aussendung von Kolonisten. Wann genau diese Inschrif- 55 Stelen vor dem Parthenon ten aufgestellt wurden, ist in den meisten Fällen nach wie vor umstritten, auch wenn sich die auf Mattingly zurückgehende Tendenz zur Spätdatierung inzwischen durchgesetzt hat; 17 jedenfalls dürfen wir mit großer Sicherheit davon ausgehen, daß keine dieser Inschriften vor der ersten Tributquotenliste aufgestellt worden ist. 2. Nie zuvor und nie wieder haben die Athener einen so großen Stein beschrieben. Der lapis primus war ursprünglich etwa 4 m hoch, 1,15 m breit und hatte eine Tiefe von 0,40 m. 18 Von diesem Stein, der auf allen vier Seiten mit insgesamt 13 Jahreslisten beschriftet wurde und daher korrekterweise eher als Pfeiler denn als Stele angesprochen werden sollte, 19 sind die meisten der insgesamt 183 Fragmente bereits im 19. Jahrhundert auf der Akropolis gefunden und aufgenommen worden. Auch der lapis secundus, der die Einträge für die Jahre von 439 bis 431 trägt, besaß noch monumentale Ausmaße: Bei einer Breite von 1,50 m und einer Tiefe von 0,35 m war er 2,20 m hoch. Von 430/ 29 an erhielt dann jede Jahresliste ihre eigene Stele. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die rechteckige, dünne (höchstens 20 cm tiefe), aufrecht stehende, nur noch vorderseitig stoichedon von links nach rechts beschriebene Stele als die Standardform für Inschriften bereits durchgesetzt. 20 Nach Margaret Miles waren die beiden lapides ursprünglich als Architekturteile gedacht: So sei speziell der lapis primus für den Gebrauch als Architravblock des Vorparthenon gebrochen und daher vor dem Persersturm auf die Akropolis geschafft worden - eine interessante These, auf die ich noch zurückkommen werde. Im übrigen läßt die Größe des Steines keinen Zweifel daran, daß die Athener von Anfang an vorhatten, diese Liste Jahr für Jahr auf unbestimmte Zeit fortzuführen. 21 Und damit bin ich bereits bei meinem dritten Grund: der Serialität. 3. Auf den lapides befinden sich - ich erwähnte es bereits - jährliche Listen, welche die der Athena zugedachten Erstlingsgaben (aparchai) aus dem Seebundtribut (phóros) verzeichnen, eine Mine vom Talent, also ein Sechzigstel. Der Form nach handelte es sich um Rechenschaftsablegungen der Schatzmeister (Hellenotamiai) vor den dreißig Rechnungsprüfern; dokumentiert wurden dabei Höhe und Herkunft der Aparchaí, welche die Hellenotamiai aus der Kasse des Seebundes nehmen und in den Athena-Schatz überführen. 22 Diese Listen machten, wie Stephen Tracy gezeigt hat, das Buchstabenhauen zu einem spezialisierten Beruf in Athen. „Die ersten professionellen Buchstabenhauer schufen also zunächst vor allem Abrechnungen und Quotenlisten. Ein Blick auf die beiden Steine zeigt, daß ein beträchtliches Ausmaß an Planung mit dem Anfertigen der Listen verbunden gewesen sein muß: „Indeed, the modest size of the letters in the lists (0.01 m. on the first stele, 0.01- 0.012 on the second) proves that from the beginning many annual records of tribute quotas were envisioned. Remarkably, just six inscribers engraved the 22 lists preserved on these two large stelai.“ 23 Die Vorliebe für Abb. 2: Lapis primus (IG I 3 259-272), Rückseite. Abb. 3: Lapis secundus (IG I 3 273-280), Vorderseite. 56 Kai Trampedach lange Listen wurde zu einem qualitativen Merkmal der athenischen Inschriftenkultur. 24 Ähnlich aufgebaute, wenn auch deutlich weniger monumental ausgestaltete Listen mit jährlichen Abrechnungen über die Ausgaben für nicht sicher identifizierte Bronzearbeiten (IG I 3 435), für die Statue der Athena Parthenos (IG I 3 453-460: 446-438) sowie für den Parthenon (IG I 3 436-451: 447/ 46-433/ 32), die ungefähr gleichzeitig ausgeführt wurden oder etwas später begannen, bezeugen den Einfluß des Formats. Das gleiche gilt für die Darlehen, die die Polis aus dem Athena-Schatz entnahm, zuerst für den Krieg gegen Samos (IG-I 3 363: 441-439), dann mit Ausbruch des Peloponnesischen Krieges auf jährlicher Basis (IG I 3 365-382). Auch die inventories, die seit 434/ 3 Jahr für Jahr den Objektbestand der einzelnen Räume des Parthenon in Form von Übergabeprotokollen dokumentieren (IG I 3 292-363), folgen der Tradition, die durch die Tributquotenlisten begonnen wurde. 25 III. Der archäologische und historische Kontext Ich habe zu begründen versucht, daß die Tributquotenlisten als Anfang der speziellen Inschriftenkultur Athens gelten können. Jetzt komme ich auf die Frage zurück, warum die Athener vor 453, abgesehen von vielleicht vereinzelten Weihinschriften und leges sacrae, keine Inschriften auf der Akropolis aufstellten. Die Stelen mit den Gefallenenlisten, die sie seit dem Jahr 465 oder 464 serienmäßig Jahr für Jahr auf dem demosion sema errichteten (IG I 3 1144 ff.), belegen, daß es keine „Schreibprobleme“ waren, die die Athener vor 453 davon abhielten, Vorgänge von öffentlichem Interesse auf der Akropolis zu publizieren; vielmehr müssen die Gründe für die Abstinenz m. E. in dem räumlichen Kontext, eben auf der Akropolis, gesucht werden. Als die Athener nach den glanzvollen Siegen des Hellenenbundes gegen den persischen Großkönig Xerxes und seine Generäle wieder in ihre zerstörte Stadt einzogen, begannen sie mit dem Wiederauf bau und dem Neubau ihrer Häuser und der Stadtmauer. Auf der Akropolis, die von den Persern geplündert und niedergebrannt worden war, 26 richteten sie zunächst die Kultplätze wieder her. Der alte Athena-Tempel war trotz der eingestürzten Ringhalle nicht vollkommen zerstört, denn die Cella stand wohl noch aufrecht und konnte mit einem neuen Dach versehen werden, um das uralte Kultbild der Athena Polias sowie den Staatsschatz wieder aufzunehmen. 27 Die Gegend des späteren Erechtheion samt den dort befindlichen Kultmalen (Kekropion, Pandroseion, heiliger Ölbaum, Salzsee, Erechtheus-Grab) muß ebenfalls vom Schutt befreit worden sein; außerdem muß der große Altar, das Ziel des Panathenäenzuges, aber auch der Ort der „alltäglichen“ Opfer, wieder aufgebaut und neu geweiht worden sein. 28 Doch im Übrigen verzichteten die Athener hier auf Wiederauf bau oder gar Erneuerung. Auch nachdem der Schutt beiseite geräumt war und Kapazitäten für öffentliche Bauten frei wurden, blieben die zerstörten Tempel auf der Akropolis als Ruinen bestehen. Die auf Dauer gestellte Ruinenlandschaft hatte Appellcharakter und sollte fortwährend zur Rache an den Persern auffordern. 29 Irgendwo zwischen den Ruinen, vermutlich am Weg zum Altar, präsentierten die Athener die Trophäen der persischen Invasion 480/ 79: die Seile und ein Schiff von der legendären persischen Pontonbrücke über den Hellespont, den Thron des Xerxes, die Waffen und Rüstungen persischer Generäle. 30 Private Weihungen in Form von Bronzestatuetten, Marmorskulpturen (wie der berühmte Kritios-Knabe und der blonde Kopf ) und Marmorreliefs (wie die „trauernde Athena“), die aus der Zeit kurz nach dem Persersturm stammen müssen, 31 deuten an, daß das ruinöse Erscheinungsbild die Funktion der Akropolis als Stadtheiligtum nicht beeinträchtigte. Die Reparatur der älteren Propyläen sowie den Aufbau eines neuen Mauerrings um die Akropolis läßt sich als Fortsetzung des beschriebenen Ansatzes verstehen. Anders als bei der Stadtmauer ließen sich die Athener mit der Akropolis-Mauer Zeit; als sie die Aufgabe schließlich angingen, höchstwahrscheinlich in den sechziger Jahren des 5. Jahrhunderts, folgten sie dabei einem sehr bewußten, ästhetisch ausgefeilten Konzept. Der neue Mauerring der Akropolis schaute nach außen: Als ein Mahnmal (μνημείον) der Perserkriege verwies er auf die Erinnerungslandschaft, die er umschloß. 32 Besonders die Nordseite, auf der die heute immer noch gut sichtbaren Gebälkteile vom alten Athena-Tempel sowie die Säulentrommeln vom Vorparthenon integriert sind, korrespondierte mit der Musealisierung der Ruinen im Inneren. Nicht erst der Gang auf die Akropolis erinnerte die Athener nunmehr an ihre Rachepflicht - dafür reichte fortan schon der Blick von der neuen Agora, 33 die viele von ihnen alltäglich bei ihren politischen und privaten Geschäften aufsuchten. In diesem Konzept, das häufig mit dem Namen des Kimon verbunden wird, 34 war jedenfalls kein Platz für monumentale Inschriften. Der erste Akt, der nach dem Persersturm auf der Akropolis über die Reinigung und Herrichtung der Kultplätze sowie über das Umarrangieren von Ruinenteilen hinausging, bestand wahrscheinlich im Entwurf und der Aufstellung der großen bronzenen Athena, die seit der römischen Kaiserzeit auch Athena Promachos genannt wurde, durch den Bildhauer und Architekten Pheidias. 35 Das Monument stand vor der mykenischen Mauer, welche die Terrasse des alten Athena-Tempels abstützte. Die Athena Promachos war, wenn man den Sockel mitrechnet, über 10 m hoch, und Pausanias (1, 28, 2) berichtet, daß man den Helmbusch und die Spitze der Lanze sehen konnte, wenn man sich mit dem Schiff von Sounion aus dem Hafen von Piräus näherte. Die ikonographische Überlieferung ist dünn, denn nur kaiserzeitliche Münzen, auf denen die ganze Akropolis wiedergegeben ist, 57 Stelen vor dem Parthenon können in dieser Hinsicht als gesicherte Zeugnisse gelten. Auf ihnen erscheint zwischen Erechtheion und Propyläen - winzig klein, aber deutlich zu erkennen - eine Athena Promachos-Statue, die in Haltung und Auftritt der Athena Parthenos ähnelt. 36 Ihr Schild, den getriebene Reliefs mit der Darstellung einer Kentauromachie schmückten, steht zur ihrer Linken auf der Basis. Die gesenkte linke Hand liegt auf seinem Rand und erfaßt zugleich die gegen die Schulter gelegte Lanze. Die vorgestreckte Rechte hält anscheinend eine Nike. 37 Dieser Befund wird von byzantinischen Autoren bestätigt, die die Statue beschrieben, nachdem sie im späteren 5. oder frühen 6. Jahrhundert nach Konstantinopel transferiert worden war. Niketas Choniatis berichtet, daß sie von der abergläubischen konstantinopolitanischen plebs während der Belagerung durch die Kreuzfahrer 1203 zerstört wurde, weil man an ihr eine einladende Geste wahrnahm, die man als böses Omen deutete. 38 Diese Nachricht paßt gut zu der aus dem Münzbild abgeleiteten Interpretation, die einen noch vorn ausgestreckten Arm und eine leicht gekrümmte Handfläche, auf der einst die Nike gestanden haben könnte, annehmen läßt. 39 Jedenfalls präsentierte sich Athena, wie ja auch schon der spätere Beiname Promachos andeutet, wehrhaft, im Waffenschmuck, mit schwerer Rüstung, den Blick fest in Richtung Salamis gerichtet. 40 Der Zeitpunkt der monumentalen Weihung ist in der Forschung umstritten. Ein jüngerer Ansatz sieht das Werk als Teil des perikleischen Bauprogramms und betrachtet die Athena Promachos gleichsam als Outdoor-Variante der Athena Parthenos. 41 Als bestes Argument für diese These dienen die Fragmente einer Inschriftenstele (IG I 3 435) mit Abrechnungen über Material, Werkzeuge, Löhne und Gehälter, die sich auf die mindestens neun Jahre dauernde Herstellung einer monumentalen Bronzearbeit beziehen. Diese Inschrift, die von den Herausgebern der IG I 3 auf ca. 450 datiert wurde, ist nach den Forschungen von Stephen Tracy über die athenischen Buchstabenhauer des 5. Jahrhunderts vermutlich später, ungefähr zwischen 445 und 425, anzusetzen. 42 An dieser Stelle hilft es, die fragmentarisch erhaltenen Abrechnungen über die Statue der Athena Parthenos des Pheidias (IG I 3 453-460), die sicher in die Jahre 445 bis 438 datieren, zum Vergleich heranzuziehen, denn demgegenüber repräsentiert die Art und Weise, die Abrechnung graphisch zu gestalten, in IG I 3 435 ein früheres Stadium. 43 Welchen Beitrag leistet die Inschrift für die Frage der Datierung der Athena Promachos? 1. Der Bezug von IG I 3 435 auf die Athena Promachos ist keineswegs sicher. 44 2. Die Inschrift wurde aufgestellt, nachdem das Werk, auf das sie sich bezieht und das sich mindestens über neun Jahre erstreckte, vollendet war. 3. Der Vergleich mit den Abrechnungen der Parthenos legt einen Zeitpunkt vor 445 für die Aufstellung von IG I 3 435 nahe; die Forschungen von Stephen Tracy über Athenian Lettering of the Fifth Century B.C. widersprechen diesem Ansatz nicht. 4. Die Arbeit an der Athena Promachos könnte demzufolge zwischen 465 und 455 begonnen worden sein. Pausanias nennt das Götterbild (ἄγαλμα) ein Weihgeschenk aus der Kriegsbeute der bei Marathon gelandeten Meder und charakterisiert die Weihung auf der Akropolis einmal als δεκάτη, ein anderes Mal als ἀπαρχή. 45 Seine Aussage verdient nicht nur wegen der widersprüchlichen Klassifizierung keine Glaubwürdigkeit; der zeitliche Abstand zur Schlacht von Marathon und die unwahrscheinliche Häufung der Marathon-Weihungen bei Pausanias sprechen ebenfalls gegen diese Angabe. 46 Plausibler ist die Behauptung des Demosthenes in seiner Rede über die Truggesandtschaft, daß die Polis die große bronzene Athena-Statue nicht aus der Beute einer Abb. 4: Rekonstruktion der bronzenen Athena, Zeichnung von D. Scavera. 58 Kai Trampedach einzelnen Schlacht stiftete, sondern als ἀριστεῖον für den Krieg gegen die Barbaren weihte und dafür Beiträge der Hellenen benutzte. 47 Demosthenes verstand die Weihung, wie sich unmittelbar aus dem Kontext ergibt, als Anerkennung für Athen(a), und zwar in seiner (ihrer) Rolle als Vorkämpfer(in) für Griechenland. Die Inschrift, die rechts der Statue stand, enthielt ein Dekret, das Arthmios von Zeleia und sein Geschlecht zu Feinden des athenischen Volkes und seiner Bundesgenossen erklärte, weil er Bestechungsgelder des Großkönigs auf der Peloponnes verteilt hatte. 48 Aus der Beschreibung des Demosthenes geht klar hervor, daß die monumentale bronzene Athena-Statue bereits stand, als das Arthmios- Dekret aus ideologisch-symbolischen Gründen zu ihrer Rechten aufgestellt wurde. 49 Diese Aufstellung aber muß vor dem sog. „Kallias-Frieden“ 448 erfolgt sein, ja sogar vor der Abreise Kimons zu seiner letzten Unternehmung im Frühjahr 450, die eineinhalb Jahre später mit seinem Tod vor Kition auf Zypern endete, denn nach Krateros, der im späten 4. oder frühen 3. Jahrhundert eine Sammlung von Volksbeschlüssen zusammenstellte, war Kimon der Antragsteller des Arthmios-Dekrets. 50 Der terminus post quem, die Rückkehr aus dem Exil, in dem sich Kimon seit dem Ostrakismos von 461 aufhielt, läßt sich leider wiederum nicht sicher datieren, denn manche Quellen deuten seine außergewöhnliche Rückberufung nach Athen in den Jahren nach 457 an. 51 Nach zehn Jahren war der Zeitraum der Verbannung für Kimon jedenfalls abgelaufen, und es ist vielleicht kein Zufall, daß er erst 451 in unseren Quellen wieder als ein führender Politiker Athens in Erscheinung tritt; zu diesem Zeitpunkt kann er daher ohne weiteres, wie auch schon Karl Julius Beloch annahm, den Volksbeschluß über die Atimie des Arthmios beantragt haben. 52 Demnach muß die Athena Promachos spätestens 451 bereits auf ihrem Sockel vor der Terasse des alten Athena-Tempels gestanden haben. Bei einer angenommenen Bauzeit von zehn Jahren liegt es daher nahe, das Monument mit der Schlacht am Eurymedon (ca. 466) zu verbinden. Für diese Hypothese, die bekanntlich schon oft vertreten wurde, sprechen vor allem historische Gründe. 53 Nachdem es den Athenern gelungen war, die Perser aus der Ägäis zu vertreiben, ließen sie ihre Athena zugleich schützend und triumphierend über die Ruinenlandschaft der Akropolis hinauswachsen. Der Ort, wahrhaftig ein epiphanéstatos tópos, konnte nicht prominenter gewählt werden, denn der auf einer dreieckigen Terrasse leicht oberhalb der Propyläen gelegene Bronzekoloß mußte sich dem Blick jedes Besuchers unmittelbar aufdrängen. 54 Wäre dies nicht auch ein überaus passender Platz für unsere monumentalen Tributquotenlisten? Tatsächlich spricht einiges für diese Lokalisierung. So wurden die meisten Fragmente der Listen in der Nähe gefunden, nämlich bei der Demontage der Verteidigungsbastionen des 14. Jahrhunderts auf der Nordseite der Propyläen (knapp 140 der 183 Fragmente des lapis primus und 56 der 73 Fragmente des lapis secundus). 55 Schauen wir also genauer hin! In einem vielzitierten Aufsatz aus dem Jahre 1936 hat der amerikanische Architekt Gorham Stevens die Felsabarbeitungen in der Umgebung der Athena Promachos dokumentiert (Abb. 5). 56 Auf die Statuenbasis (1) laufen reihenweise Felsbettungen für Waffenweihungen (3-5) sowie - in gleicher Ausrichtung - für Basen oder Stelen (7-9; 14-15) zu; weitere Felsspuren, die auf Inschriftenstelen hindeuten (2; 11; 13; 17), befinden sich in der Nähe der großen Statuenbasis. Als ich diesen Plan zum ersten Mal genauer betrachtet und Stevens’ Bericht gelesen habe, fragte ich mich, ob man nicht die Einträge 14 und 15 mit unseren Tributquotenlisten verbinden könnte. Wie ich später feststellte, ist diese Idee schon von Maria Chiara Monaco überzeugend, wie mir scheint, vertreten worden. 57 Hier hätten die monumentalen Inschriftenpfeiler den Raum gefunden, um von allen Seiten betrachtet zu werden. Doch nicht nur topologische, sondern auch semantische Gründe sprechen dafür, daß die Aparchaí-Listen in den Schatten der bronzenen Athena gestellt wurden: Der Verweis auf die Perserkriege, die Überlegenheit der athenischen Stadtgöttin sowie die finanziellen Beiträge der Hellenen sind Motive, die die Inschriften mit der Statue verbinden. In diesen Zusammenhang passen auch die Siegestrophäen von den Persern und die anderen Inschriften, die wahrscheinlich nach und nach zu Füßen der bronzenen Athena Platz fanden, der lapis secundus und die folgenden Stelen, die die einzelnen Jahre abbildeten, sowie die Modalitäten der Tributeinziehung oder -verwaltung regelten. Zuvor hatte bereits, wie erwähnt, das im 4. Jahrhundert vielzitierte Atimie-Dekret für den Verräter Arthmios von Zeleia rechts von der bronzenen Athena Aufstellung gefunden. 58 Eine zu diesem Ort pas- Abb. 5: Die Umgebung der Athena „Promachos“. Zeichnung von G. P. Stevens 59 Stelen vor dem Parthenon sende Semantik eignete auch den beiden Inschriftenstelen, die dort ihren Publikationsformeln entsprechend errichtet wurden; sie enthalten ein Ehrendekret für Euagoras von Salamis aus dem Jahre 394/ 3 und ein Bündnis zwischen Athen und Chios von 384/ 3, das Athens Vorkämpferrolle für die Freiheit der Griechen akzentuierte. 59 Nehmen wir also an, der Auftrag, die große bronzene Athena herzustellen, sei 465 oder 464 an Phidias ergangen, dann wäre die Statue Mitte der fünfziger Jahre, also kurz vor dem lapis primus, aufgestellt worden. Kurz zuvor hatten die Athener entschieden, die im Persersturm zerstörte Quadriga, die an den ersten Sieg der athenischen Demokratie 507 gegen die Boioter und Chalkidier erinnerte, wieder neu zu weihen. 60 Anscheinend um 450 folgten in dieser Reihe, ebenfalls im Bereich der (alten) Propyläen, die Aufstellung des Hermes Propylaios und der Athena Lemnia sowie weiterer Denkmäler. 61 Gleichzeitig begannen die Athener, Inschriften mit Seebundsthemen am Bronzestandbild der Athena aufzustellen. Unübersehbar veränderte sich also seit der Mitte der fünfziger Jahre das Erscheinungsbild der Akropolis: Das Konzept der Ruinenlandschaft wurde durch große Siegesmonumente ergänzt; in den Zusammenhang dieses Neuansatzes gehört m. E. die Errichtung des lapis primus. Sollte es sich bei dem Stein um einen wiederverwendeten Architravblock vom Vorparthenon gehandelt haben, würde dies nicht nur die ungewöhnliche Ausmaße desselben erklären, sondern auch bedeuten, daß die Athener sich vom Ruinenschema innerhalb der Akropolismauern abzukehren begannen und erste Schritte auf dem Weg zum perikleischen Bauprogramm unternahmen, das die Akropolis zum symbolischen und repräsentativen Zentrum eines Reiches machte. 62 Wahrscheinlich schuf die Schlacht am Eurymedon die Voraussetzung zur Weihung der Athena Promachos; ebenso könnte der Sieg der Athener in der Schlacht von Oinophyta 457 den Anstoß zur Wiedererrichtung der Boioter- und Chalkidier-Weihung gegeben haben. 63 Was war der konkrete Anlaß für die monumentale Publikation der Tributquotenlisten im Jahre 453? Die Antwort scheint auf der Hand zu liegen: die Überführung der Kasse des attisch-delischen Seebundes von Delos nach Athen. Doch ist dieser Zusammenhang keineswegs sicher; selbst wenn die Kasse 454 überführt worden wäre und selbst wenn es schon auf Delos Tributlisten auf vergänglichem Material gegeben haben sollte, ist die Monumentalisierung der aparchaí erklärungsbedürftig. Daher müssen wir weiter ausholen, um die Bedeutung des Vorgangs richtig einschätzen zu können. Die fünfziger Jahre des 5. Jahrhunderts müssen in Athen von einer besonderen Intensität und Dynamik gewesen sein. 64 Gigantische Bauprojekte, nämlich die langen Mauern nach Phaleron und zum Piräus, die stoa poikile und der Hephaistos-Tempel auf kolonos agoraios, wurden in Angriff genommen. Die radikale Demokratie, der nach der Entmachtung des Areopags durch Ephialtes 462 nichts mehr im Wege stand, nahm feste, praktikable Formen an: die Zeugiten - in aristotelischen Kategorien: die μέσοι - wurden zum Archontat zugelassen; Prytanien wurden eingerichtet, um den Rat der 500 handlungsfähig zu machen; Diäten wurden eingeführt, und zwar zunächst für die Dikasterien und den Rat, um allen Bürgern die politische Teilhabe zu ermöglichen. Noch turbulenter entwickelte sich die Außenpolitik: 460 steigerte sich der Dualismus mit Sparta zum ersten Mal seit den Perserkriegen zum offenen Konflikt; im 1. Peloponnesischen Krieg kämpften die Athener, durch Bündnisse mit Argos, Thessalien und Megara unterstützt, nicht nur gegen Sparta, sondern auch gegen Korinth und Theben. Es gelang den Athenern, Schlachten in Boiotien siegreich zu bestehen (458), den alten Rivalen Ägina endgültig zu unterwerfen (457), und sogar eine erfolgreiche Flottenexpedition um die Peloponnes zu unternehmen (455). Die Athener führten aber nicht nur vor der Haustür Krieg gegen die meisten Peloponnesier und Boioter, sondern sie operierten gleichzeitig auch auf weit entfernten Schauplätzen, auf Zypern, in Phönikien und in Ägypten, gegen die Perser. Dabei kam es zu einer Überspannung der Kräfte. Das Fiasko ereignete sich 454 in Ägypten: Die Flotte, sowohl die bereits einige Zeit auf der Nilinsel Prosopitis belagerte als auch die zum Entsatz geschickte, insgesamt 250 Schiffe, wurde vernichtet. Anscheinend bildete sich eine großangelegte Abfallbewegung von Athen, vor allem auch auf den ägäischen Inseln. In dieser Situation entschloßen sich die Athener, die Bundeskasse von Delos nach Athen zu verlagern, angeblich um sie in Sicherheit zu bringen. 65 Mindestens genauso bedeutsam dürfte der psychologische Effekt gewesen sein, der Versuch, die ägyptische Katastrophe, die erste große Niederlage seit langer Zeit, zu kompensieren. Athen hatte in Ägypten mehr Bürger verloren als jemals zuvor in einem Feldzug seit den Perserkriegen. 66 In dieser Situation mußte den verantwortlichen Politikern, also dem Kreis um Perikles, besonders daran gelegen sein, sowohl der Schutzgöttin als auch dem Volk von Athen auf möglichst anschauliche Weise den Vorteil der imperialen Politik vor Augen zu führen. IV. Die Semantik und Funktion der athenischen Tributquotenlisten Abrechnungen auf Stein wie die Tributquotenlisten hatten wegen ihrer Unhandlichkeit und Unvollständigkeit keinen praktischen, sondern allein symbolischen Wert. Sie taugten nicht, um einen Überblick über die Finanzen der Stadt zu gewinnen. Wer wissen wollte, wieviel Geld beispielsweise Samos, Byzantion oder Abdera in diesem oder jenem Jahr zum Athenaschatz beisteuerten, tat dies sicher nicht durch Konsultation der Tributquotenlisten auf der Akropolis. Denn diese Listen wollten nicht so sehr gelesen als vielmehr bloß angeschaut werden, wie 60 Kai Trampedach Stephen Tracy treffend hervorgehoben hat: „Even when the letters were painted, an observer, even one with very sharp eyes, will scarcely have been able to read such small lettering from any distance. It hardly mattered; the cumulative visual affect of this vast list on the viewer will have been overwhelming.“ 67 Unabhängig von der Frage der Lesbarkeit führten die Abrechnungs- und Bestandslisten auf der Akropolis die verschiedenen Quellen des Reichtums der Stadt vor Augen. 68 Insbesondere durch die schiere Fülle der Einträge veranschaulichten insbesondere der lapis primus und der lapis secundus den Reichtum der Polis und die Ausdehnung ihrer Herrschaft. Die Botschaft der finanziellen Potenz diente dazu, das Selbstbewußtsein der Athener, zumal nach dem Desaster in Ägypten, zu stärken. Insofern können die Tributquotenlisten als monumentales Pendant zu einer rituellen Aufführung verstanden werden, die sich jedes Jahr an den Dionysien wiederholte, als nämlich Tagelöhner die phoroi in der Gestalt von mit Gold und Silber befüllten Hydrien und Säcken in die Orchestra des vollbesetzten Theaters trugen und dort aufstapelten, um den Athenern und den auswärtigen Gästen so konkret wie möglich vor Augen zu stellen, welchen Reichtum Athen aus der Herrschaft im Seebund bezog. 69 Leider wissen wir nicht, ob die Athener dieses Ritual von Anfang an, also seit 453, praktizierten oder wann sie damit begannen. Die Tributquotenlisten stellten jedoch nicht nur den Reichtum Athens aus, sondern verherrlichten vor allem Athens Größe und Macht und waren in diesem Gestus auch über Athen hinaus an die griechische Öffentlichkeit adressiert. Darauf deutet schon der normalerweise überflüssige und daher ungewöhnliche lokative Dativ Ἀ[θεν]αίοις im Präskript hin; 70 außerdem zogen die Monumentalität und Position der Inschriftenpfeiler zu Füßen der Athena Promachos die Aufmerksamkeit jedes Akropolis-Besuchers geradezu zwangsläufig auf sich. Auswärtige Besucher kamen in großer Zahl zu den Dionysien und Panathenäen nach Athen; bei dem letzteren Fest konnten sie auch im Rahmen des Panathenäen- Zuges in Blickkontakt mit Tributquotenlisten kommen. Sie sollten zweifellos den Eindruck gewinnen, daß sie nicht von Unwürdigen beherrscht oder ggf. bekämpft werden. 71 Dafür mußten sie die Inschriften nicht genau lesen. Vielmehr kam es auf die „kumulative Wirkung“ an, die darin bestand, daß alle Betrachter auf einen Blick die Herrschaft Athens über viele griechische Städte und die sowohl zeitliche als auch räumliche Ausdehnung des Reiches erfassen konnten. Den ersten Betrachtern, die auf die großen, noch unbeschriebenen Flächen des lapis primus schauten, vermittelte sich überdies der Anspruch der Athener, ihre Herrschaft auf unbestimmte Zeit ausüben zu wollen. Als die Athener fünf Jahre nach dem Beginn der Tributquotenlisten Frieden mit dem Perserreich schlossen, hofften vermutlich viele Mitglieder auf die Auflösung des Seebundes - eine Illusion, die nicht hegen konnte, wer den lapis primus gesehen hatte. 72 Doch nicht die Menschen, sondern die Götter waren die ersten Adressaten der Inschriften. Wäre es andersherum gewesen, hätte es sich angeboten, die Inschriftensteine an einen alltäglich zugänglichen und vielbesuchten Ort wie etwa die Agora oder die Stadttore zu stellen. Stattdessen bestimmte man zu diesem Zweck das wichtigste Heiligtum über der Stadt - einen öffentlichen Raum zwar, aber „a location for religious rites and no ordinary thoroughfare“, wie Stephen Lambert formuliert. Aristophanes drückt den gleichen Sachverhalt mit folgenden Worten aus: μεγαλόπετραν ἄβατον ἀκρόπολιν, ἱερὸν τέμενος. 73 Die Lokalität macht deutlich, daß sich die Rechenschaftspflicht, von der die steinernen Übergabe- und Inventarlisten zeugen, zunächst an die Götter richtet. Erst in zweiter Linie lassen sich die Inschriften, die auf den Vorgang der Rechenschaftsablegung verweisen, vermut- Abb. 6: Hydrien und Geldsäcke am Kleonymos-Dekret (IG I 3 68), 426/ 425 v. Chr. 61 Stelen vor dem Parthenon lich auch als Zeichen der athenischen Mentalität und ihres demokratischen Selbstverständnisses verstehen. Denn von den regulären Verfahrensformen zur Sicherung der athenischen Demokratie (wie Losung, Cheirotonie, Dokimasie, Euthynie und Diäten) ist keine gerade in frühen Texten so prominent wie die Euthynie. Schon in den Persern des Aischylos wird hervorgehoben, daß Xerxes οὐκ ὑπεύθυνος ist, also im Gegensatz zu jedem Athener Amtsinhaber niemandem Rechenschaft schuldet; auch in der Verfassungsdebatte bei Herodot wird neben der Losung die Rechenschaftspflicht der Ämter als besonders heilsame Leistung der Demokratie gerühmt. 74 Mit den Tributquotenlisten zeigten die Athener Frömmigkeit gegenüber ihrer Stadtgöttin Athena. Wie erwähnt, verzeichneten die Listen nicht den phóros als solchen, sondern die aparché an die Göttin im Wert von einer Mine pro Talent. Die beschrifteten Pfeiler und Stelen, zumal die beiden monumentalen lapides, mit denen die Serie beginnt, sind daher vor allem anderen Weihgeschenke für die Göttin, Zeugnisse der Verehrung zu ihrem Ruhme 75 - genauso wie die Athena Promachos oder die Athena Lemnia. V. Fazit Als die Athener gut zwanzig Jahre nach der Zerstörung der Akropolis zwischen Propyläen und altem Athena- Tempel die kolossale Bronze-Athena des Pheidias aufstellten, taten sie einen ersten Schritt über das dort seit der Xerxes-Invasion geltende Ruinenschema hinaus. Die Statue blieb nicht allein, sondern zog schon bald weitere Monumente an, die zu ihren Füßen errichtet wurden, darunter Beuteweihungen und Inschriftenpfeiler. So schufen die Athener Mitte der fünfziger Jahre des 5. Jahrhunderts einen geeigneten Ort, um regelmäßig von Amts wegen beschriftete Steine zu publizieren. Die Inschriften waren wie die Gebäude und die plastischen Objekte auf der Akropolis Weihgeschenke, anathémata, und verliehen als Weihgeschenke der Gottesverehrung Ausdruck. Zugleich verherrlichten sie die Größe, die Macht, das Ansehen und den Reichtums Athens. 76 Das erste und für immer größte Textmonument dieser Art, der lapis primus, repräsentierte diesen Zusammenhang besonders ausgeprägt durch die räumliche Nähe zur Athena Promachos, die ihrerseits für den Sieg in den Perserkriegen und für die imperiale Herrschaft stand. Die Tributquotenlisten begründeten außerdem ein Genre, das sich als besonders charakteristisch für die athenische Inschriftenkultur erweisen sollte: Listen, die die Rechenschaftspflicht der Beamten vor Göttern und Menschen bezeugten. Den nächsten entscheidenen Impuls hat die athenische Inschriftenkultur, wie zuletzt Stephen Lambert herausgestellt hat, durch das perikleische Bauprogramm erhalten. Die mit Volksbeschlüssen beschrifteten Stelen, die, angelehnt an Gebäude oder Mauern, als integraler Bestandteil des Wiederaufbaus die Wege auf der Akropolis seit den 430er Jahren zunehmend säumten, waren ästhetische Objekte eigener Art und Wirkung; sie ergänzten die großen Strukturen und trugen nicht weniger als diese zum Schmuck des Heiligtums bei. Tempel, Statuen und Inschriften zusammengenommen bezeugen, daß die Athener ihre Stadt als einen kulturellen Ort der Bauten, der Bilder und der Worte inszenierten. 77 Sie taten dies nirgendwo wirkungsvoller als auf der Akropolis. Anmerkungen 1 Ich widme diesen Aufsatz meinem Lehrer Wolfgang Schuller - in dankbarer Erinnerung an unsere (wiederholt auch athenische Seebundsfragen thematisierenden) Diskussionen im Rahmen des Konstanzer althistorischen „Vertiefungskurses“ 1997- 2003. Für wertvolle Hinweise danke ich Stephen Lambert. 2 In den beiden letzten Jahrzehnten haben Forschungen zum athenischen „epigraphic habit“ einen erfreulichen Aufschwung genommen: vgl. insbesondere Hedrick 1999; Osborne 2010 (1999); Lidell 2003; Meyer 2013. 2016 und 2017; Moroo 2016; Tracy 2016; Lambert 2018. 3 Lambert 2018, 3 unterscheidet zwei Aspekte der Monumentalität: „location, and physicality, including features such as form, shape, size, sculpture, moulded decoration, paint and physical aspects of the writing (e.- g. letter size, use of headings, stoichedon style).“ Beide Aspekte werden in den folgenden Überlegungen eine wichtige Rolle spielen. 4 Abgesehen von Abb. 1 seien beispielhaft genannt: das Modell der klassischen Akropolis, das im Royal Ontario Museum in Toronto gezeigt wird (s. Schneider - Höcker 2001, 112 Abb. 125); eine berühmte Zeichnung von Manolis Korres (s. Hurwit 1999, 153 Abb. 124); die Zeichnung von Jean-Claude Golvin „Die Akropolis von Athen im 5. Jahrhundert“ (s. Golvin 2006, 56 f.). Die Aussage ist natürlich nicht als Vorwurf zu verstehen, denn mangels präziser Angabe zu Position, Zahl und Aussehen von Inschriften und Weihgaben würde ihre Berücksichtigung jedes Modell oder jede Rekonstruktion als reines Phantasieprodukt erscheinen lassen. 5 Hedrick 1999, 289-395. Der Autor (ebd. 391) schätzt die Zahl der publizierten griechischen Inschriften auf ca. 100.000, so daß die attischen Inschriften heute ungefähr ein Fünftel des Gesamtbestandes ausmachen - ein bemerkenswert hoher Anteil. 6 Vgl. Lambert 2018, 72 (= 2011, 194). 7 Liddel 2003, 82. 84 („perhaps owing to the crowdedness of the Akropolis“). Umgekehrt könnte nach Lambert 2018, 29, die Aufstellung von Inschriften auf der Agora auch „with an increasing literateness of the public culture from the late fourth century BC“ zu tun haben: „that location would facilitate the reading of the inscriptions by a larger number of people than their placement on the Acropolis“. 8 Liddel 2003, 80. Erst seit dem ersten Viertel des 4. Jahrhunderts findet sich auch die Angabe ἐν ἀκροπόλει: vgl. Liddel 2003, 86 Anm. 54. 9 IG I 3 7, Z. 5-6. 10 SEG 29, 86 (RO 11), Z. 21; IG II 2 34, Z. 20-22 (RO 20, Z. 24-26). Beide Inschriften beziehen sich vermutlich (gegen RO 11, P. 54, wonach die erste Inschrift das Kultbild des Zeus Eleutherios auf der Agora meint) auf die sog. Athena Promachos auf der Akropolis (s.-u.). 62 Kai Trampedach 11 IG II 2 120, Z. 19. 12 Kawerau - Kavvadias 1906, 82. 126. 148 f. (Taf. Γ’. Ζ’. Η’); Stevens 1936, 475 f.; Hurwit 2004, 196-198 mit Abb. 129; Travlos 1971, 125 Abb. 169; Travlos 1988, 37 Abb. 33. Auf alten Photographien aus der Zeit, da der Parthenon zwar von späteren An- und Einbauten „befreit“, aber die Akropolisfläche noch nicht gereinigt worden war, scheinen fragmentierte Stelen entlang des Weges von den Propyläen zum Altar der Athena Polias sichtbar zu sein (vgl. z.-B. das 1870 entstandene Photo von Petros Moraites bei Martin-McAuliffe - Papadopoulos 2012, fig. 1; Schneider - Höcker 2001, 12 Abb. 4: „Die Akropolis um 1910“). Vgl. Meyer 2017, 223: „the cuttings for stēlai in the bedrock of the Acropolis (cuttings that could date to any period, to be sure) indicate that at least some stēlai were lined up in rows, one side backing on a building or wall and the other side facing a putative path, while others were lined up on the rock-cut steps to the west of the Parthenon“. 13 IG I 3 1: ἔδοχσεν τôι δέμοι; vgl. Meiggs - Lewis 1969, 25-27 (no. 14). Zur Ästhetik s. Kirchner 1948, Taf. 6, Nr. 13. 14 Hedrick 1999, 398: „From the period between the late 480s and the mid-450s, then, virtually no state documents have survived. It is not only public inscriptions that are conspicuous by their absence. In the second quarter of the 5th century there is a steep decline in the general number of preserved inscriptions.“ Vgl. Lambert 2018, 24. Eine Ausnahme könnten allenfalls vereinzelte Kultregelungen dargestellt haben: vgl. IG I 3 234 mit AIO z. St. 15 Meritt 1940, 89-94, bes. 92; vgl. Pébarthe 2005, 169 f. 16 Hedrick 1999, 400: Die beiden großen Stelen (s.- u.) „provide the benchmark for the character and development of the official script of the Athenian state in the mid-5th century“. 17 Mattingly 1996; vgl. Papazarkadas 2009; Moroo 2016. Dagegen hält Rhodes 2008 an der Frühdatierung einiger Inschriften fest. 18 Zu den Ausmaßen des Blocks vgl. Miles 2011, 660-662 (mit exzellenten Photos). Stroud 2006, 12, nennt den lapis primus auch den lapis maximus, „for it is by far the largest single block of marble used for an inscription throughout the history of ancient Athens. In size, mass, and weight it is in fact one of the most gigantic blocks of marble ever quarried in Attica, probably on Mount Pentele. Only few building blocks of the Parthenon can rival it in size and weight.“ 19 Zu dieser Unterscheidung: Meyer 2017, 222-224. 20 Vgl. Davies 2005, bes. 291; Meyer 2016, bes. 363-374. 21 Miles 2011, passim und 669. 673 (zur metaphorischen Bedeutung des Blocks). 22 Vgl. das ergänzte Präskript der ersten Tributquotenliste (IG I 3 259 Z. 1-4): „Folgende Aparchai, Stadt für Stadt allesamt, angewiesen von den Hellenotamiai, für die […] Schriftführer war, waren die ersten, über die den Triakonta (dreißig Rechnungsprüfern) Rechenschaft abgelegt wurde, für die Göttin vom Bündner-Tribut im Amtsjahr des Archon Ariston, für die Athener je eine Mine von jedem Talent.“ Daher vermeide ich den konventionellen Begriff „Tributlisten“ und spreche lieber von „Tributquotenlisten“. Vgl. Paarmann 2007, 7-12. 23 Tracy 2016, 43. 196. 24 Vgl. Davies 1994; Meyer 2017. 25 Vgl. Moroo 2016, 40-42. Im Unterschied zu den lapides wurden die genannten Listen allerdings auf für jedes Jahr separaten Pfeilern oder Stelen ausgeführt - IG I 3 435 stellt in dieser Hinsicht eine Ausnahme dar (s.- u.). Die Generalabrechnung über die Statue der Athena Parthenos des Pheidias (IG I 3 460; OR 135) ragt wegen ihrer ungewöhnlich großen, schönen und gut erhaltenen Buchstaben (in den Worten des IG-Herausgebers: litterae Atticae magnificae) heraus; da sie keine Witterungsspuren aufweist, stand der Pfeiler vielleicht sogar im Parthenon. Vgl. Marginesu 2010, 135-137. 26 Hdt. 8, 53, 2: τὸ ἱρὸν συλήσαντες (οἱ Πέρσαι) ἐνέπρησαν πᾶσαν τὴν ἀκρόπολιν. Auf anschauliche Weise werden die Zerstörungen beschrieben von: Hurwit 1999, 136; ders. 2004, 52. 27 Schneider - Höcker 2001, 104; vgl. Hurwit 1999, 141-145 (der ebd. 142 annimmt, daß auch einige alte οἰκήματα repariert und neue erbaut wurden). Ferrari 2002, bes. 14-16, hat die alte, auf Wilhelm Dörpfeld zurückgehende These neu zu begründen versucht, daß der alte Athena-Tempel bis in die römische Zeit seine kultische Funktion erfüllte - als ostentative Ruine: „after the Persian sack the temple was left standing and made into a monument to barbarian sacriledge and Athenian righteousness. Far from being unsightly rubble, the ruin at the heart of the Acropolis functioned as the point of relay to which other buildings responded“ (14). 28 Vgl. Di Cesare 2015, 136-140. 29 Hurwit 1999, 142: „the sight of fallen architecture and broken statues littering their Acropolis would (…) have had a powerful moral and political effect upon the Athenians in the 470s and after, inciting them against the impious barbarians who had ravaged their sanctuary. The rubble left exposed fed Athenian grievances and was thus its own kind of war memorial.“ Im 4. Jahrhundert wird diese symbolische Praxis in Athen auf einen sogenannten „Eid von Plataiai“ zurückgeführt: vgl. Vannicelli 2014, bes. 84-88; Lippolis 2014, bes. 100-104. 30 Hdt. 5, 77. 9, 121; Paus. 1, 27, 1. Gauer 1968, 37. 72 f.; Miller 1997, 43-62; Schneider - Höcker 2001, 105. Es könnte freilich auch sein, daß die Trophäen erst später, etwa zusammen mit und neben der Athena Promachos, auf der Akropolis ausgestellt wurden. 31 Stewart 2008; Hurwitt 1999, 146-150. 32 Di Caesare 2015, 122-136, hier 133 (vgl. auch den Plan in Di Cesare 2015, 326 fig. 14). 33 Nach der treffenden Formulierung von Rhodes 1995, 32 f. repräsentierte die Akropolis-Nordmauer „a specific monument conciously constructed from the ruins of the Persian sack to commemorate that specific event, to warn of the general Persian threat, to kindle the anger of the Athenians against them, and, probably, to symbolize the Athenians’ selfless sacrifice of their city to the general defense of the Greek mainland. The rebuilt north wall of Akropolis is a unique monument in the history of Greece, and is truly remarkable in its understanding of the potential power of ruins upon the emotions and imagination of people.“ 34 Vgl. Corn. Nep. Cim. 2, 5; Plut. Kimon 13, 5. Comp. Cim. Luc. 1, 5; Paus. 1, 28, 3. Di Caesare 2015 spricht im Untertitel seines Buches und passim von der „politica edilizia cimoniana“. 35 Vgl. DNO II 146-164 (Zusammenstellung und Diskussion aller Schriftquellen); Harrison 1996, 28-34, bes. 32 f.; Miller 1997, 39 f. 36 Vielleicht ist diese Ähnlichkeit ein Grund für die dünne Überlieferung: vgl. Lundgreen 1997, 197. 37 Gauer 1968, 105; vgl. Lundgreen 1997, 190-197, bes. 191 f. 38 DNO II, nr. 878-880; vgl. Frantz 1988, 76 f. 39 Jedenfalls kann die verbreitete Rekonstruktionszeichnung von Gorham Stevens, auf der Athena mit der rechten Hand die Lanze hielt (Raubitschek - Stevens 1946, 107), nicht stimmen. Eine plausiblere Rekonstruktion ist Abb. 4; vgl. Schneider - Höcker 2001, 156 Abb. 165. 40 Martin-McAuliffe - Papadopoulos 2012, 345 f. 41 Gill 2001; Palagia 2013; contra: Monaco 2009, 276-281. 42 Nach Tracy 2016, 96, hat der cutter, der für die letzte Liste des lapis primus (440/ 39) und die meisten Listen des lapis secundus verantwortlich ist, auch die Inschriften IG I 3 435 und IG I 3 35 ausgeführt: „The hand of the cutter, however, does not provide much help for dating these inscriptions, since he could have 63 Stelen vor dem Parthenon been active a decade or more before or after the year 435, or both before and after, if the year 435 came near the middle of his working career. Concerning the very fragmentary I 3 435, until we have a better understanding of the accounts that it contains, it is not possible to say more of a worthwhile nature about its date.“ Auch zur Datierung von IG I 3 35 werden in der Forschung sehr unterschiedliche Auffassungen vertreten: vgl. z.-B. Mattingly 2007, 109 f. (424/ 3); Rhodes 2008, 504 (448); Lambert, AIO z. St. (450 oder 438). 43 Vgl. Marginesu 2010, 29-32; Di Cesare 2015, 145-147. 44 Zweifel äußerte insbesondere Stroud 2006, 26-34. 45 Paus. 1, 28, 2. 9, 4, 1; vgl. auch Schol. in Demosth., adv. Androtion 13 (597.5). 46 Pausanias beschreibt, abgesehen vom Tropaion in Marathon selbst, in Delphi drei und in Athen zwei Marathon-Weihungen: vgl. Palagia 2013, 117 f. 47 Demosth. 19, 272 nennt die bronzene Athena ein ἀριστεῖον ἡ πόλις τοῦ πρὸς τοὺς βαρβάρους πολέμου, δόντων τῶν Ἑλλήνων τὰ χρήματα ταῦτα, ἀνέθηκεν. Di Cesare 2015, 143 betont, daß sich die Aussagen von Demosthenes und Pausanias miteinander vereinbaren lassen. Vermutlich ist die Gußgrube, die am Südhang der Akropolis entdeckt wurde, diejenige, in der das Bild zusammengeschmiedet wurde: DNO II 162. 48 Demosth. 19, 271. In 9, 42 zitiert Demosthenes Teile des Dekrets wörtlich: Ἄρθμιος Πυθώνακτος Ζελείτης ἄτιμος (ἔστω) καὶ πολεμίος τοῦ δήμου τοῦ Ἀθηναίων καὶ τῶν συμμάχων αὐτὸς καὶ γένος, ὅτι τὸν χρυσὸν τὸν ἐκ Μήδων εἰς Πελοπόννησον ἤγαγεν. Auch Aischin. 3, 258 und Deinarch. 2, 24 f. erwähnen den Volksbeschluß. Die Argumente von Habicht 1961, bes. 23-25, gegen die Echtheit des Beschlusses erscheinen mir nicht überzeugend. 49 Vgl. Monaco 2009, 282 f. 50 FGrHist 342 F 14. 51 And. 3, 3; Theopompos FGrHist 115 F 88; Plut. Kimon 17, 4-9; Plut. Perikles 10, 1-5. Immer noch berechtigte Skepsis gegenüber dieser Überlieferung: Beloch 1927 (2), 210 f. 52 Beloch 1927 (1), 175 mit Anm. 1. 53 Außerdem hatten die Athener am Eurymedon sehr reiche Beute gemacht: vgl. Miller 1997, 38-40; Di Cesare 2015, 121. 54 Monaco 2009, 300: „Evidente, se solo si riflette sulla sua posizione all’interno della rocca, la valenza dell’area intorno alla Promachos: un epiphanestatos topos terrazzato, leggermente più alto rispetto all’accesso garantito dai Propilei, di immediata e forte visibilità. Fattore questo tanto più relevante, se solo si considera che lo sguardo di chi, giunto sul plateau seguiva la via processionale in direzione del grande altare e della facciata orientale del Partenone, non poteva correre libero, ma per conto era bloccato della presenza di una serie di muri. (…) La terrazza triangolare intorno al colosso quindi era l’unico spazio che, vercati i Propilei, si poteva abbracciare con lo sguardo.“ Vgl. auch Di Cesare 2015, 151: „La grande Atena si stagliava, in fondo, a protezione dell’Acropoli, ma anche in asse con l’Opisthodomos del Tempio Dörpfeld, la cui funzione di tesoro sembra altamente probabile.“ 55 Monaco 2009, 292; vgl. Meyer 2013, 468: „between the Propylaia and the Parthenon“; Miles 2011, 670: „near the location of the treasury of Athena. In 454, this might have been in the west of the remains of the Old Temple of Athena Polias“; Paarmann 2007, 43-46: „between the Propylaia and the statue of Athena Promachos“; Pritchett 1967, 115-117: „near the Propylaia“. 56 Stevens 1936, 491-510, bes. fig. 42. 57 Monaco 2009, 293. Stevens 1936, 510 hielt seine Markierungen 7-9 für eine Stützmauer sowie 14 und 15 für Basen, auf denen sich die von Paus. 1, 27, 8-10 genannten Statuengruppen mit Theseus befanden - unwahrscheinliche Annahmen, wie Monaco 2009, 288 f. 299 f., jeweils mit guten Gründen gezeigt hat. 58 Vgl. Monaco 2009, 300 f. Die beiden Volksbeschlüsse, die rechtliche Vereinbarungen mit Phaselis (IG I 3 10) und Regelungen über Erythrai (IG I 3 14) enthielten, gehören möglicherweise in den gleichen Zusammenhang (zur Datierung in die späteren fünfziger Jahre des 5. Jahrhunderts vgl. OR 120 und 121; Lambert, AIO z. St.) und könnten daher ebenfalls bei der Athena Promachos aufgestellt worden sein. 59 SEG 29, 86 (RO 11), Z. 21: [πρόσθ]εν τοῦ ἀγάλμα[τος]; IG II 2 34, 20-22 (= RO 20, 24-26): στῆσαι δὲ στήλην ἐν ἀκροπόλει [πρ ̣ ̣ ]όσθεν τô ἀγάλματος. Vgl. Monaco 2009, 287-289. 293 f. 60 Die Quadriga stand allerdings noch nicht neben der Athena Promachos wie zu Zeiten des Pausanias (1, 28, 2), sondern, wie Hdt. 5, 77, 4 bemerkt, „gleich links, wenn man die Propyläen der Akropolis betritt“. Vgl. DAA no. 168 (191-194). 173 (201- 205); Hurwit 1999, 146; Jünger 2006, 225-249, bes. 241-244. 61 Vgl. Hölscher 1998, 169-171; Hölscher 2017, 120-125. Hölscher 2011, passim und bes. 59-68, hat für die Akropolis um 450 eine sitzende Penelope als Argument für die Beendigung des Perserkrieges rekonstruiert und in den Kontext von früheren und gleichzeitigen Denkmälern gestellt. 62 Dazu paßt die Annahme von Schuller 2015, 70, „daß die Planung des (sc. Parthenon-)Baues, bevor er der Volksversammlung zur Billigung vorgelegt wurde, sehr weit fortgeschritten war. Das bedeutet, daß die Vorbereitungszeit intensiv und daher auch nicht ganz kurz war.“ 63 Berti 2010 macht den Zusammenhang der Weihung mit der Schlacht von Oinophyta plausibel und zeigt, daß die Niederschlagung der euböischen Revolte 446, die hier zuweilen auch angeführt wurde, keinen überzeugenden Anlaß darstellt. 64 Die programmatische Aussage von Hölscher 1999, 183: „the background to Athenian art of the fifth century“ - und dazu gehört sicher auch die ‚Inschriftenkunst‘ - „was not so much democracy or empire as such but the intense and risky character of Athenian politics in this age of unprecedented opportunity, accomplishment, and challenge“ - scheint mir die Lage in den fünfziger Jahren besonders gut zu treffen. Die folgenden Überlegungen wollen in diesem Sinne verstanden werden. 65 Plut. Perikles 12, 1; vgl. Heuß 1962, 254-258; Schuller 1974, 169-177; Bleicken 1995, 80-82; Welwei 1999, 99-102. 66 Welwei 1999, 101 rechnet „mit etwa 15.000 bis 20.000 Gefallenen, Vermißten und Gefangenen“. Auch wenn athenische Bürger nur einen kleineren Teil dieser Verluste ausmachten, handelte es sich um eine schlimme Niederlage, die die Athener, die erst kurz zuvor ein Ersatzgeschwader nach Ägypten entsandt hatten, zudem völlig unerwartet traf. 67 Tracy 2016, 209; vgl. Pébarthe 2005, 177-181; Davies 1994, 212: „how many people before the 20th century do we suppose ever brought a step-ladder in order to consult the top lines of the First Stele of the Tribut Quota lists? “ Paarmann 2007, 41, ist dagegen der Meinung, daß der Text auch in den oberen Partien des Steines sichtbar und lesbar war. 68 Vgl. Davies 1994; Moroo 2003/ 04. 69 Isokr. 8, 82 f.; vgl. Trampedach 2006, 19 f. 70 IG I 3 259, 3; vgl. Lambert, AIO z. St., Anm. 5: „indicative of a Panhellenic perspective“. 71 Vgl. die Bemerkung des Perikles bei Thuk. 2, 41, 3: „Unsere Stadt (...) ist die einzige, die im Feind nicht Unwillen erregt, welche Art von Leuten ihm Leid zufüge, und im Untertan nicht Ärger, er werde von Unwürdigen beherrscht“ (übers. v. H. Vretska); vgl. auch Thuk. 1, 76, 2; 2, 64, 3-5. 72 Vgl. Stroud 2006, 13: „Clearly when they erected this massive monument on the Acropolis, the Athenians saw the collection of tribute and the annual quotas paid to Athena as a very long-term project indeed. Conversely, from the point of view of one of Athens’ subject allies, say the people of Miletos, all that empty surface of white marble in 453 B.C. might well have conveyed a different, more discouraging message.“ 64 Kai Trampedach 73 Lambert 2018, 22-33, hier 28; Aristophanes, Lysistrate 482 (es singt der Chor der alten Männer); vgl. den Kommentar von Henderson 1987, 131: „The whole acropolis was a sacred enclosure where only sacerdotal personnel (mostly priestesses) would normally have business.“ 74 Aischyl. Pers. 211-214; Hdt. 3, 80, 6; vgl. Bleicken 1995, 326. 75 Osborne 2010 (1999), 70; Paarmann 2007, 42 f. 46-52; Meyer 2013, bes. 468-470. 493 f. 76 Vgl. Meyer 2013, 473: „The power and glory of Athens are those, also, of Athens’ gods, and the Athenians lay tokens of this power and glory at their feet.“ 77 Lambert 2018, 3 f. 29. 81; vgl. Moroo 2016. Abkürzungen AIO: Attic Inscriptions Online, created and edited by Stephen Lambert (https: / / www.atticinscriptions.com) DAA: A. E. 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Stevens, The Periclean Entrance Court of the Acropolis of Athens, Hesperia 5, 1936, 492 fig. 42 Abb. 6: V. Brinkmann, Zurück zur Klassik. Ein neuer Blick auf das Alte Griechenland (Frankfurt a. M. 2013) 151 Abb. 140 Literaturverzeichnis Beloch 1927 K. J. Beloch, Griechische Geschichte. Zweiter Band in zwei Abteilungen 2 (Berlin - Leipzig 1927) Berti 2010 S. Berti, La dedica degli Ateniesi per vittoria su Beoti e Calcidesi del 506 A.C. (IG I 3 501) e la data del suo ripristino, Aevum 84, 2010, 7-40 Bleicken 1995 J. Bleicken, Die athenische Demokratie 4 (Paderborn 1995) Davies 1994 J. Davies, Accounts and Accountability in Classical Athens, in: R. Osborne - S. Hornblower (Hrsg.), Ritual, Finance, Politics. Athenian Democratic Accounts presented to David Lewis (Oxford 1994) 201-212 Davies 2005 J. Davies, The Origins of the Inscribed Greek Stela, in: P. Bienkowski, - C. Mee - E. Slater (Hrsg.), Writing and ancient Near Eastern Society. Papers in honour of Alan R. 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Chr. als der bedeutendste Baukomplex der Polis sowie als zentraler Erinnerungsort angesehen. 2 Bei diesem Rundgang konfrontiert er seine Leser mit zwei oftmals als Wundergeschichten belächelte Passagen, deren Überprüfung durch die einschlägigen althistorisch-archäologischen Kommentare bislang unbefriedigend bleibt. Die vorliegende Arbeit zielt daher darauf ab, einen Nachweis für Pausanias’ Glaubwürdigkeit in diesen beiden Fällen - Paus. 1, 27, 2 und Paus. 1, 26, 6-7 - zu führen, indem aktuelle botanische Studien die Fragen zum Olivenbaum der Athena klären sollen, nämlich inwieweit ein durch Brand geschädigter Olivenbaum nicht nur überleben, sondern nach kurzer Regenerationszeit nachsprießen kann. Neuere Ergebnisse der Lychnologie 3 sollen die technischen Voraussetzungen bezüglich der Lampe des Kallimachos näher beleuchten und überprüfen, ob und wie sie ein ganzes Jahr am Brennen gehalten wurde. I. Dem Parthenon widmet Pausanias einen Abschnitt (1, 24, 5-7), dem Erechtheion hingegen genau doppelt so viel Platz (1, 26, 5-1, 27, 2). Aufgrund der Tatsache, daß das Erechtheion 4 der wichtigere, vor allem der die älteren Kulte beherbergende Tempel war, ist es kein Zufall, daß er wesentlich mehr zu berichten weiß. 5 Pausanias beendet seinen Besuch mit einer Geschichte. Hier nun, an der Westseite des Tempels, im offenen Bezirk der Pandrosos befand sich der heilige Ölbaum: 6 „Über den Ölbaum weiß man nichts weiter zu erzählen, als daß dieser von der Göttin als Zeichen geschaffen sei für ihren Kampf um das Land. Man erzählt auch das, daß der Ölbaum verbrannt sei, als die Perser die Stadt Athen einäscherten, aber am selben Tag wieder zwei Ellen hoch aufgeschossen sei.“ 7 Dieser Vorgang wurde schon früher, nämlich bei Hdt. 8, 55 berichtet: „Als aber am Tag nach dem Brand die Athener, die der König opfern geheißen, in das Heiligtum kamen, sahen sie, daß aus dem Baumstumpf ein neuer Schoß, fast eine Elle lang, getrieben war. Das haben diese Athener weitererzählt“ 8 . Dion. Hal. 14, 2 bestätigt (im Zusammenhang mit der heiligen Hütte des Mars auf dem Palatin), das Wunder auf der Athener Akropolis habe sich einen Tag nach dem Brand zugetragen, und der Schößling sei ungefähr eine Elle lang gewesen. Pausanias präsentiert dann die Geschichte vom Austrei- Abb. 1: Erechtheion. Rekonstruktion des Kekropion von M. Korres. 68 Christine Schnurr-Redford ben des heiligen Ölbaumes mit abweichenden Angaben zum Zeitraum, αὐθημερόν, am selben Tag, und zur Größe des jungen Sprosses, nämlich zwei Ellen. Aber auch er verzichtet grundsätzlich darauf, Zweifel bezüglich dieses Vorgangs zu äußern oder gar eine ablehnende Haltung gegenüber der Erzählung einzunehmen 9 und nennt keine zusätzlichen Argumente oder parallelen Fälle. 10 Die symbolische Kraft und Bedeutung dieser Geschichte scheint ebenfalls seit Herodot unangefochten zu sein: Das Aussprossen des heiligen Baumes der Athena, ja seine Unverwüstlichkeit wird als göttliches Eingreifen zugunsten der Widerstandskraft und des Überlebenswillens der Athener gesehen, die in der extremen Situation des Perserangriffs auf solch ein emotional erhebendes Zeichen des Wohlwollens hofften. Mit seinen Zweifeln an der Wahrheit dieser Geschichte vom wunderbaren Überleben des verbrannten Ölbaums steht der moderne Leser also zunächst alleine da, 11 da auch die wissenschaftlichen Kommentare nur an der Oberfläche des Problems kratzen. 12 Daher werden im Folgenden die Aussagen des Biologen Thomas Raus 13 herangezogen, um die antiken Quellen zu überprüfen, inwieweit es realistisch ist, daß ein Olivenbaum nach einem Brand in relativ kurzer Zeit wieder austreibt. Dieser Vorgang des Nachsprießens sei aus „botanischer Sicht unzweifelhaft und nicht weiter aufregend.“ Auch die Frage, ob man davon ausgehen könne, daß es sich bei dem antiken Ölbaum um die Pflanze Olea europaea, so wie wir sie heute kennen, handle, ist, so Raus, aus biologischer Sicht klar zu beantworten, da beide als Europäischer Ölbaum Olea europaea L. subsp. europaea (Ölbaumgewächse Oleaceae) bezeichnet werden. 14 Man könne auch der Angabe „ohne Einschränkung“ trauen, daß in Athen ein Olivenbaum einen heftigen Brand übersteht, danach wieder austreibt und weiterlebt. Die Fähigkeit, erneut auszutreiben, hänge von mehreren Faktoren ab, wie etwa dem Alter des Baumes, der Tiefe der Wurzeln, der Gesundheit des Baumes: Das Austreiben sei physiologisch immer möglich, soweit ausreichend lebendes Kambium (also undifferenziertes, omnipotentes Bildungsgewebe) in der lebenden Rinde (im Stammquerschnitt innerhalb des Bastringes) eines durch Feuer beeinträchtigten Stammes vorhanden ist (d.-h. den Brand im Schutz der äußeren Borke des Stammes unbeschadet überstanden hat). Diese Grundvoraussetzung des Wiederaustriebs sei bei älteren Bäumen mit großem Stammumfang (und daher viel Bildungsgewebe mit vielen „schlafenden“ Knospen) eher gegeben als bei jungen Exemplaren, die noch keine dicke Borkenbildung als äußeren Feuerschutz aufweisen. „Das Austreiben ist aber nicht linear abhängig von der Wurzeltiefe des Individuums, welches jedoch ‚gesund‘ sein muss (d.-h. nicht letal krank sein darf )“. Ein Baum im mediterranen sommertrockenen Klima strecke seine Wurzeln stets und nur so weit aus, dass er Anschluss an das örtliche Grundwasser habe, etwa in einem unterirdischen Felsspaltenvolumen eines örtlichen Muttergesteins, unabhängig von der „Wüstenhaftigkeit“ und „Dürre“ des sichtbaren Oberbodens. „Das können Wurzeltiefen von wenigen bis vielen Metern sein. Für ein Feuer an der Oberfläche ist die absolute Wurzeltiefe daher unerheblich, die funktionale bis zum permanenten Bodenwasserkontakt dagegen entscheidend.“ 15 Um Pausanias’ Angaben vollständig zu verifizieren, bleibt noch der Frage nachzugehen, ob denn dieses Austreiben innerhalb eines Tages bzw. zweier Tage stattfinden könne oder anders gefragt, was denn als erwartbarer Zeitraum für einen verbrannten Baum, einen Sprössling hervorzubringen, gelten würde: Ein „normaler“ Zeitraum sei nicht zu benennen, aber der Wiederaustrieb (d.-h. das Erscheinen der neuen grünen Knospen) könne durchaus nach wenigen Tagen sichtbar sein, wenn der Wurzelkontakt des regenerierenden Baumindividuums zu einer ungestörten unterirdischen Wasserversorgung gegeben sei und sogenannte „schlafende“ Knospen im Rindengewebe bereits vor dem Brand angelegt wären und nicht erst gebildet werden müßten. Dieses potentielle Regenerationsverhalten hängt also insofern vom Wetter ab, als man sagen könnte, daß es wahrscheinlicher ist, daß ein gestreßter Baum schneller nach einem Regen (im Herbst) austreibt als in der Hitze des Sommers. Raus bestätigt, daß es ohne Wasser nicht gehe. Das komme auch in der australischen Studie zum Ausdruck: „Wassernachschub über das Wurzelwerk ist der Minimumfaktor, der erfüllt sein muss.“ 16 Es ist unmöglich, Aussagen zur tatsächlichen biologischen Fitness des heiligen Ölbaums zum Zeitpunkt des Brandes zu machen, um dessen Überlebenschance abzuschätzen. Jedoch ist die Katastrophe auf der Akropolis chronologisch eingrenzbar: Die Schlacht bei den Thermopylen wird gemeinhin an den Anfang des Monats August des Jahres 480 gelegt, die Schlacht von Salamis an das Ende des Monats September 480. Die Eroberung der Akropolis, die komplette Zerstörung der Tempel und das Verbrennen des Ölbaumes müssen also dazwischen stattgefunden haben. August und September sind wegen der Sommerhitze freilich nicht die günstigsten Monate für eine Regeneration, vielleicht mögen jedoch Gewittergüsse 17 dem Ölbaum geholfen haben zu überleben. Oder aber, stand er in einem günstigen Alter und verfügte über intaktes Wurzelwerk, konnte er aus großer Tiefe Wasser ziehen und dadurch die Erneuerung ermöglichen. 18 Damit wird also klar, daß Pausanias nicht seiner Gutgläubigkeit aufgesessen ist, sondern er kann damit Recht haben, wenn er die seit Herodot weitergetragene Geschichte wiederholt und davon überzeugt ist, daß der Ölbaum nach dem Angriff der Perser im Frühherbst 480 zwar bis auf die Wurzeln abgebrannt sei, seine regenerativen Kräfte jedoch eindrücklich und zum Segen der demoralisierten Athener gezeigt habe. 69 Der Ölbaum der Athena und die Lampe des Kallimachos im Erechtheion II. Im Gegensatz zur Geschichte von Athenas Ölbaum bettet Pausanias die Beschreibung der Lampe des Kallimachos in einen größeren Kontext ein, indem er die Vielfalt der Schätze im Inneren des Erechtheions beschreibt. Gleichzeitig vermittelt die Passage einen lebendigen Einblick in seine Arbeit als Autor, genauer in die Art und Weise, wie er mit den angebotenen Informationen umgeht: „In dem Tempel der Polias steht ein hölzener Hermes, angeblich ein Weihgeschenk des Kekrops, ganz verdeckt durch Myrtenzweige. Von bemerkenswerten Weihgeschenken sind unter den alten ein Klappstuhl, Werk des Daidalos, und aus der Perserbeute der Panzer des Masistios, der bei Plataiai die Reiterei befehligt, und der angebliche Dolch des Mardonios. Bei Masistios weiß ich, daß er von den athenischen Reitern getötet wurde; da aber Mardonios gegen die Lakedaimonier kämpfte und durch einen Lakedaimonier fiel, könnten die Athener ihn weder ursprünglich erbeutet haben, noch hätten die Lakedaimonier wohl die Athener den Dolch mitnehmen lassen.“ 19 Zuvor hatte Pausanias das „heiligste gemeinsame Kultobjekt“ beschrieben, ein „Athenabild auf der jetzigen Akropolis …, von dem die Sage geht, es sei vom Himmel gefallen. Darüber rede ich nicht weiter, ob es nun so oder anders sich verhält, Kallimachos aber hat der Göttin eine goldene Lampe gemacht. Und diese Lampe füllen sie mit Öl und warten dann bis zum gleichen Tage des nächsten Jahres, und jenes Öl reicht für die Lampe in der Zwischenzeit aus, obwohl sie Tag und Nacht hindurch brennt. Es ist ein Docht darin aus karpasischem Leinen, das als einziges Leinen nicht verbrennt. Und eine Bronzepalme über dem Leuchter, die bis ans Dach reicht, zieht den Rauch empor. Kallimachos, der diesen Leuchter gemacht hat, steht zwar an Kunstfertigkeit den ersten nach, ist aber an Erfindungsgabe so sehr der beste, daß er zuerst Steine durchbohrte und sich entweder selbst den Namen des Katatexitechnos beilegte oder ihn auf sich anwandte, nachdem andere den Namen gegeben hatten.“ 20 Im Gegensatz zur Geschichte um den Ölbaum setzt sich Pausanias also hier gleich in vier Passagen selbstbewußt und die Zweifel offen benennend mit seinen Vorlagen auseinander. Zum einen sind es die beiden bedeutsamen Votivgaben, die er kritisch einzuordnen weiß, indem er bezüglich des hölzernen Hermes, vor allem aber im Hinblick auf Mardonios’ Dolch seine historischen Kenntnisse heranzieht und in einen größeren Kontext setzt. Er distanziert sich von den gehörten Informationen, indem er zweimal gewissermaßen ein Textsignal einfügt, Κέκροπος εἶναι λεγόμενον ἀνάθημα, und nochmals, ἀκινάκης Μαρδονίου λεγόμενος εἶναι. Zum anderen legt Pausanias eine noch ausgeprägtere Skepsis an den Tag, wenn er über das Athenabild schreibt und gewissermaßen offen läßt, ob er die Geschichte vom Ursprung des ξοάνον überhaupt für wahr hält: φήμη δὲ ἐς αὐτὸ ἔχει πεσεῖν ἐκ τοῦ οὐρανοῦ καὶ τοῦτο μὲ οὐκ ἐπέξειμι εἴτε οὕτως εἴτε ἄλλως ἔχει. Diese Vorsicht heischende Aussage bezieht sich eindeutig auf das Xoanon. 21 Davon klar abgesetzt durch die Partikel δὲ, stellt Pausanias die Information λύχνον δὲ τῇ θεῷ χρυσοῦν Καλλίμαχος ἐποίησεν und das Folgende bezüglich Docht und Kamin als überprüfbar und damit als solides Wissen dar. Erst als er den Ursprung des Beinamens des Kallimachos erörtert, zeigt er sich wiederum sehr kritisch und distanziert sich von seinen Vorlagen. Vor diesem Hintergrund ist es umso erstaunlicher, daß er nicht auch Vorsicht gegenüber der Information walten läßt, diese Lampe könne ein ganzes Jahr ohne Nachfüllen brennen, und keinerlei Details anfügt, wie dies bewerkstelligt werde. In der althistorisch-archäologischen Forschung rief die Geschichte von der ewig brennenden Lampe wesentlich mehr Beachtung als der Ölbaum hervor. Die Lampe hat, abgesehen von ihrem Asbestdocht, der von Karpasia auf Zypern stammte, 22 sehr kontroverse Diskussionen hervorgerufen. Die Arbeit von Palagia (1984) versucht, der Lampe und dem auffallend gestalteten Kamin eine Nische an der Westseite zuzuweisen, wo sie von allen Pilgern hätte gut gesehen werden können. Oftmals in kritischer Auseinandersetzung mit deren Thesen hat Parisinou (2000) die Lampe einer genaueren Betrachtung unterzogen. 23 Des Weiteren hat sich Stupperich (2012) dieser Lampe angenommen, wobei es ihm um die chronologische Einordnung von Kallimachos zu tun ist. 24 Plinius, NH 34, 92 charakterisiert dessen Perfektionismus: „Unter allen Künstlern ist aber Kallimachos am meisten durch seinen Beinamen berühmt: immer sich bekrittelnd und mit seiner Gewissenhaftigkeit kein Ende findend, wurde er deshalb der „Tüftler“ (catatexitechnus) genannt, ein denkwürdiges Beispiel, daß man auch in der Sorgfalt Mäßigung üben solle. Von ihm stammen tanzende Lakedaimonierinnen, ein fehlerfreies Werk, bei dem aber alle Anmut durch Genauigkeit verlorenging.“ 25 Zur Aussage, man habe diese Lampe nur einmal im Jahr mit neuem Öl befüllen müssen, meint der Kommentar von Hitzig - Blümner nur lapidar: „so muss der Oelbehälter von sehr beträchtlicher Grösse gewesen sein“ mit weiteren Belegen für die ewige Lampe (ἄσβεστος λύχνος). 26 Auch moderne Textausgaben, so etwa Beschi - Musti: „Si ricorda poi una delle realizzazioni più celebrate del manierista Callimaco: la grande lampada con fiamma perenne che termina in alto, per lo sfogo del fumo, a palma bronzea“ 27 , oder Eckstein - Bol begnügen sich damit zu sagen: „Das Staunenswerte an der Lampe, ihr nicht brennbarer Docht aus Asbest und ziemliches Volumen für den Ölvorrat für ein Jahr, werden erwähnt (…).“ Der Rauchabzug in Form einer bronzenen Palme sei als Anspielung auf ähnliche Weihgeschenke oder bestimmte historische Ereignisse zu sehen. 28 70 Christine Schnurr-Redford Da sich die Kommentare als nicht sonderlich hilfreich erweisen, werden im Folgenden die technischen Voraussetzungen der Lampe anhand folgender Parameter genauer betrachtet: Ölverbrauch, Anzahl der Schnauzen, Technik und Personenkreis, der für die Wartung in Frage kommt. Der Ölverbrauch einer Öllampe hängt vom Material, von der Größe und der Anzahl der Dochte ab. 29 Nach Radt benötigt eine Lampe mit kleinem Docht 0,028 l Öl, also der Inhalt eines Schnapsglases, um 3 Stunden zu brennen (ca. 0,009 l/ Std.), während ein dicker Docht dieselbe Menge in der halben Zeit auf brauche. 30 Broisch hat die Brenndauer von Leinöl, Walnußöl und Olivenöl miteinander verglichen, um die Brenndauer von Öllampen in Orten auch jenseits der Alpen zu bestimmen. Für die Lampe des Kallimachos ist jedoch getrost davon auszugehen, daß sie mit Olivenöl befeuert wurde. Jede Ölsorte wurde in drei Versuchsreihen getestet, bei denen jeweils eine unterschiedliche Menge Öl verbrannt wurde, nämlich 12 ml, 20 ml, und 30 ml. Dabei kam es zu beträchtlichen Schwankungen, wobei das Ergebnis von Bedeutung ist, daß die Brenndauer von der Größe der Flamme abhängt. 31 Broisch meint abschließend, daß der Unterschied zwischen den Ölen nicht so gravierend sei, da 930 ml Leinöl insgesamt 121 Stunden und 33 Minuten, Walnussöl 125 Stunden und 50 Minuten und Olivenöl 115 Stunden und 9 Minuten brennen würden. 32 Die Größe der Flamme ist regulierbar durch die Beschaffenheit des Dochtes, und wie weit dieser aus dem Öl herausragt. Je größer der Abstand zwischen Öloberfläche und Ende des Dochtes, umso größer war auch die Flamme. 33 Wenn man die Ölmenge (Radt ca. 0,009 l/ Std. vs. Broisch ca. 0,008 l/ Std.) auf 24 Stunden hochrechnet, kommt man auf einen Tagesverbrauch von ca. 0,216- l (Radt) vs. ca. 0,192- l (Broisch); der Jahresverbrauch liegt dann für 365 Tage bei ca. 78,84 l (Radt) bzw. ca. 70,08- l (Broisch), vorgesetzt man übernimmt die Versuchsanordnung von Radt/ Broisch, die von einem Docht ausgehen. Die Studie von Melko beschreibt Verluste an Öl durch poröses Material bei Terrakotta-Lampen; diese Art von materialbedingten Verlusten kann man bei Kallimachos’ Lampe jedoch ausschließen, da es sich bei dem Lampenkörper um einen Behälter aus (vergoldetem) Metall gehandelt haben wird, welches das Öl vom ‚Kriechen‘ abhielt. 34 Noch einen weiteren Parameter gilt es zu berücksichtigen. Radt gibt an, eine einflammige Öllampe erzeuge Abb. 2: Darstellung der Lampe des Kallimachos im Erechtheion nach J. Dell. 71 Der Ölbaum der Athena und die Lampe des Kallimachos im Erechtheion etwa so viel Licht wie eine moderne Haushaltskerze. 35 Wollte man mehr Helligkeit haben, mußte man die Anzahl der Brenner, Schnauzen genannt, erhöhen. Um den tatsächlichen Verbrauch einer Lampe abzuschätzen, muß man also wissen, wie sie aussah. Denn die oben postulierte Menge von ca. 70-80 l Öl bezieht sich ja auf nur einen Docht, der das (technisch bedingte) Mindestmaß für eine Lampe darstellt. Bei der Aussage von Hug, 36 es hätten sich „Kronleuchter bis zu sechzehn Schnauzen erhalten“, handelt es sich um einen etruskischen Bronzekronleuchter, 37 der zum Aufhängen an der Decke bestimmt war. 38 Radt sitzt wohl einer kuriosen Verdrehung auf, wenn er behauptet, die Lampe habe 20 Dochte besessen. Da hat wohl die Namensgleichheit mit Kallimachos, dem hellenistischen Dichter, für Verwirrung gesorgt. 39 Trotz vielfältiger Rekonstruktionsversuche bleibt es mißlicherweise unklar, wie Kallimachos’ Lampe aussah. Dells Arbeit unternimmt den Versuch, sich in minutiös gezeichneten Rekonstruktionen der Ausstattung der Innenräume anzunähern. Er hat die Lampe mit einem relativ weit entfernten, kleinen Schirm (Abb. 2) 40 als von der Decke hängend dargestellt, was durch Plinius NH 34, 14 gestützt wird. 41 Palagia führt ein wichtiges Argument gegen Dell an, wenn sie zu bedenken gibt, daß die Palme als Kamin fungierte, das heißt, daß die Lampe darunter befestigt worden sein muß, was auch Pausanias deutlich macht: φοῖνιξ δὲ ὑπὲρ τοῦ λύχνου. Delische Häuser wiesen hoch angebrachte Nischen in Wänden auf, um Lampen darin unterzubringen. 42 Allerdings wendet Parisinou dagegen ein, daß es sich um Funde aus hellenistischer Zeit handle 43 . Der Ausdruck φοῖνιξ deute darauf hin, daß es sich bei diesem Kamin um eine bronzene Nachbildung einer kompletten Palme handelte, die sich dicht an die Flamme anschloß. Dies sollte die Rußentwicklung minimieren und sei nicht reine Dekoration gewesen, sondern eine funktionelle, direkt zum Gebäude gehörende Vorrichtung: „It does not sound like a later addition, really.“ 44 Diese hauptsächliche Funktion der Palme als Kamin berücksichtigend, ist die Vorstellung von Parisinou, die Palme sei von außen sichtbar gewesen, so daß die Schwaden aus ihrer Mitte hätten aufsteigen können, 45 nicht nachvollziehbar. 46 Durch den dadurch weithin sichtbaren Rauch hätten Lampe und Kamin den direkten Beweis selbst erbracht, vorhanden zu sein, und seien deswegen nicht in den Inventarlisten des Erechtheions erschienen. 47 Wenn der Kamin wirklich einen kompletten Baum mit Blättern, 48 φοῖνιξ, dargestellt hätte, dann liegt nun die Annahme sehr nahe, daß es sich bei der Lampe nicht um ein einzelnes Flämmchen, sondern um eine Vorrichtung mit mehreren Flammen gehandelt haben muß, die einen aus Bronze gefertigten Rauchabzug benötigte. Für diese Annahme gibt es einen deutlichen Hinweis im Text, wenn Pausanias 1, 26, 7 sagt: φοῖνιξ δὲ ὑπὲρ τοῦ λύχνου χαλκοῦς ἀνήκων ἐς τὸν ὄροφον ἀνασπᾷ τὴν ἀτμίδα, das heißt, daß dieser Abzug in diesem Raum bis an das Dach reichte. Damit ist freilich keine Angabe zur genauen Position der Lampe im Tempel bzw. zur Lokalisierung der vielfältigen Kulte gegeben. 49 Die anderen, von Pausanias beschriebenen Weihegaben standen wohl auf dem Boden oder hingen an den Wänden, bezüglich der Lampe und des Kamins sei es jedoch schwierig „to visualize a palm tree, however stylized, extending to the full height of the temple interior“ 50 ; Palagia schlägt daher vor, den Aufstellungsort mit der Nische (und erschließbaren Plattform) (Abb. 3) in der Südwestecke 51 an der westlichen Kolonnade des Erechtheions zu identifizieren (Abb. 4), was den massiven Kamin auf maximal 5,5 m Höhe reduziere, welcher wahrscheinlich mit Klammern in den nicht erhaltenen oberen Schichten der Rückwand der Nische und eines Pilasters gesichert worden sei. 52 Hätten Kamin und Lampe in der Nische ihren Platz gehabt, dann wären sie bei Tag und Nacht für alle Vorbeigehenden sichtbar gewesen, durch die südlichste Öffnung in der Westmauer, „the only one not closed by a grille“, eine attraktive Anordnung, die überdies eine direkte Sichtachse zum heiligen Olivenbaum draußen (Abb. 1) etabliert hätte. 53 Sollte dieser Vorschlag von Palagia zutreffen, dann hätten Lampe und Kamin durch ihre schiere Größe sowie durch ihre visuelle Einbindung 54 beeindruckt. Abb. 3: Erechtheion: rekonstruierte Innenansicht der West-Kolonnade mit Nische in der Südwestecke (Zeichnung W.B. Dinsmoor) 72 Christine Schnurr-Redford Schließt man sich hingegen einem Vorschlag von Dell an - seine Rekonstruktion (Abb. 2) suggeriert, er stelle sich die Lampe als relativ klein und damit auch leicht vor, deren Ölzufuhr über eine Rohrleitung vom Dach herabkommend garantiert werde -, dann gewänne die Diskussion die Freiheit, die Nische als potenziellen Aufstellungsplatz aufgeben zu können. Die Nische durch ihre unmittelbare Nähe zum offenen Interkolumnium weist einen deutlichen Nachteil auf, da die seitliche Luftzufuhr das ruhige Brennen der Flammen empfindlich gestört hätte. Aus diesem Einwand folgt nun nicht, daß man sich auch Dells weitere Thesen zu eigen machen müsse, der ja in der Nische einen Brutplatz und eine Sitzgelegenheit für die heiligen Eulen 55 hat erkennen wollen und meinte, das fehlende Gitter bzw. das offene Interkolumnium sei als Einflugschneise für ihre nächtlichen Flugrunden aufzufassen. 56 Denn dies würde die Frage aufwerfen, inwieweit die Vögel von diesem beträchtlichen architektonischen Aufwand - Nische mit Plattform - tatsächlich profitiert hätten. Wichtig an Dells Vorschlag bleibt indessen die Überlegung, ob eine in der Mitte des Raumes 57 aufgehängte Lampe kleineren Formats mit einem zierlicheren Kamin letztlich nicht effektvoller war als eine größere, in einer Ecknische aufgestellte, deren Kamin eine stabile Wand für die Verklammerung benötigte. Eine zweifelsfreie Funktionszuweisung der Nische und eine Benennung der Stelle, an der die Lampe tatsächlich aufgehängt oder aufgestellt gewesen war, müssen derzeit abgelehnt werden. Wenn diese Lampe über mehrere Dochte verfügte, so war sie darauf ausgelegt, den gesamten Innenraum mit seinen ehrwürdigen Votivgaben zu erhellen und zu verzaubern. Zusätzlich bestand das Erstaunliche in der wundersamen Geschichte, daß sie ein gesamtes Jahr angeblich ohne Nachfüllen am Brennen gehalten werden konnte, wobei jeder antike Tempelbesucher aus seinem Alltag genau wußte, wie lange eine normale Öllampe brannte. In diesem Zusammenhang wird immer wieder diskutiert, 58 ob es der heilige Olivenbaum alleine vermochte, die Lampe mit Öl zu versorgen. Ein Olivenbaum trägt abhängig von physiologischen Gegebenheiten (Alternanz), Wetter, Wasserangebot, Alter und Größe bis zu 300- kg Oliven. Im langjährigen Durchschnitt könne mit einem Ertrag zwischen 20 und 30-kg Oliven gerechnet werden. Für die Produktion von Olivenöl gelte, dass 5 kg Oliven bis zu einem Liter Öl ergeben. 59 Wenn man die Frage, inwieweit die Effizienz antiker Ölpressen mit modernen vergleichbar ist, einmal vorläufig vernachlässigt, dann kann man diese Frage klar beantworten, nämlich, daß man für den Betrieb der Lampe zusätzlich Olivenöl beibringen mußte, selbst wenn sie nur über einen einzigen Docht verfügt haben sollte und damit ca. 70-80 l Öl im Jahr verbrauchte. Bei Plutarch findet sich der wichtige Hinweis, daß die Lampe der Athena auch einmal erlosch, nämlich während der Belagerung durch Sulla (Plut. Sulla 13, 3). Sullas Abb. 4: Erechtheion: Westhälfte des Innenraums mit Nische neben dem südlichsten Interkolumnium in der Westmauer 73 Der Ölbaum der Athena und die Lampe des Kallimachos im Erechtheion Belagerung begann wohl im Sommer 87 60 und fand am 1. März 86 61 ihr katastrophales Ende. Die Vorräte an Lebensmitteln und Öl wurden in dieser Zeit so knapp, daß die Lampe der Göttin Athena unversorgt blieb. Daher soll der Frage genauer nachgegangen werden, wie man denn die Lampe im Normalfall ein komplettes Jahr am Brennen hielt. Der Platz für einen möglichen Vorratsbehälter wird bei Dell erörtert, bei Stupperich nur kurz gestreift. 62 Man solle eher versuchen, sich den Mechanismus vorzustellen, der die Flamme permanent am Brennen hielt. Einen Docht auf Öl schwimmen zu lassen, sei die einfachste Methode. 63 Eine offen brennende Lampe mit einem Jahresvorrat an Öl in einem Tempel zu installieren, der voller Weihegaben war, die wohl zu einem großen Teil aus leicht entzündlichen Holz bestanden, wie etwa das kostbare Xoanon oder der Klappstuhl des Daidalos, hätte hingegen eine große Gefahr dargestellt. Stupperich legt nahe, daß Kallimachos’ Lampe über einen komplexeren Mechanismus verfügte, dergestalt, wie er bei Philon von Byzanz in frühhellenistischer Zeit beschrieben und später, in der Renaissance, von Girolamo Cardano wieder aufgegriffen wurde. Dabei wird die Ölzufuhr der Versorgungsröhre aus einem höherliegenden Reservoir 64 durch Luft reguliert. Die Luft kann durch eine zweite Röhre in das Vorratsbehältnis eindringen. Sobald das Öl unter einen bestimmten Pegel absinkt, reißt die Luftsäule in der zweiten Röhre ab, verdrängt das Öl aus dem Reservoir, das durch die Versorgungsröhre dann in die Lampe läuft. Nach genügender Erhöhung des Ölpegels stellt sich die Luftsäule wieder her, wodurch der Zufluß gestoppt wird. Stupperich hält es für denkbar, daß es eine nach dem kardanischen Prinzip konstruierte Lampe schon in klassischer, nicht erst in hellenistischer Zeit geben konnte und daß die von Kallimachos gefertigte zur ursprünglichen Ausstattung des neugebauten Erechtheions 65 gehört habe. Für beide Fälle bleibt es jedoch offen, woher das Öl kam, das die Lampe am Brennen hielt. Bei der ersten Option - eine Lampe mit einem oder mehreren schwimmenden Dochten, deren Jahresvorrat an Öl den Tempelschatz bedroht hätte -, sollten künftige Studien ihr Augenmerk auf die Möglichkeit legen, ob der Vorrat nicht außerhalb des Tempels, z. B. in einem (unterirdischen) Behältnis in sicherer Entfernung gelagert wurde. Denn die Befürchtung, es könne einen Tempelbrand geben, ist nicht aus der Luft gegriffen, hatte sich ein solcher in Argos im Jahre 423 zugetragen: Thukydides unterbricht sein streng strukturiertes Werk für diese Nachricht von ‚panhellenischem‘ Interesse. Das Unglück der eingeschlafenen Herapriesterin Chrysis/ Chryseis, die 56½ Jahre 66 ihren Dienst versehen hatte und der eine abenteuerliche Flucht ins Tempelasyl der Athena Alea gelang, hinterließ einen so bleibenden Eindruck, daß Pausanias mehr als 600 Jahre später noch Details berichtet (2, 17, 7; 3, 5, 6). Nach Thukydides löste also „ein angezündetes Licht, zu nahe an die Binden gestellt“ 67 den verheerenden Brand aus; bei Pausanias kam es dazu, „weil der Leuchter vor den Bekränzungen in Brand geriet“ 68 . Geht man von der zweiten, meines Erachtens zutreffenden Option aus, Kallimachos habe eine kardanische Lampe angefertigt, dann könnte dies bedeuten, daß er sich seinen Beinamen κατατηξίτεχνοs durch die Erfindung eben dieses Mechanismus der tropfenweise regulierbaren Ölzufuhr redlich verdient hat. Die Vorrichtung ermöglichte, das Brandrisiko zu verringern, da sie nur dann nachfüllte, wenn es notwendig war. Einhergehend damit könnte die aufwendige, technisch überhaupt nicht erforderliche, auffällige Verkleidung des Kamins mit Palmornamenten vor allem der Kaschierung dieser raffinierten Ölzufuhr gedient 69 und sich das dafür nötige, höhergelegene Vorratsbehältnis auf dem Dach des Erechtheions, im Dachgeschoß 70 oder an einem oberen Abschnitt des Kamins befunden haben, um das notwendige Gefälle zu garantieren. Die Nachricht, daß in der Zeit von Sulla die Lampe erlosch, mag die These einer nach kardanischem Prinzip funktionierenden Lampe unterstützen, sonst hätte ein Jahresvorrat möglicherweise über diese Krise hinweg gereicht; es sei denn, sie wäre gerade zufällig mit dem Ende des Lampenjahres zusammengefallen. Pausanias 1, 26, 7 gibt dazu nur eine allgemeine Auskunft: „Und diese Lampe füllen sie mit Öl und warten dann bis zum gleichen Tage des nächsten Jahres, und jenes Öl reicht für die Lampe in der Zwischenzeit aus, obwohl sie Tag und Nacht hindurch brennt.“ Er macht keine Angabe zu den Verantwortlichen, die die Lampe befüllen und bleibt im Unbestimmten, welcher Tag oder welches Götterfest Anlaß zu dieser öffentlich vorgenommenen, religiösen Zeremonie bieten würde. Aus Plutarch und Pausanias läßt sich überdies erschließen, daß das Nachfüllen der kardanischen Lampe einer gewissen Sorgfalt und Wartung unterlag. Dies wiederum führt zu der Überlegung, wer im Tempelbezirk solche Aufgaben erfüllen würde, und in einem letzten Schritt, woher Pausanias sein Wissen bezüglich der Lampe bezog. Er hat sich sicherlich durch eigene Studien in Bibliotheken vorbereitet, aber überdies vor Ort von Reiseführern, Priestern und Einheimischen informieren lassen. Eine der eindrucksvollsten Schilderungen in dieser Hinsicht sind seine hartnäckigen Nachforschungen zu der zertrümmerten Demeterstatue von Phigaleia (Paus. 8, 42, 12-13). Einheimische und Priester waren oftmals mit der Geschichte des von ihnen gepflegten Heiligtums bestens vertraut, dem letztere unter Umständen viele Jahre ihres Lebens durch ihr Amt und auf emotionaler Ebene verbunden waren. Diese tiefe Beziehung ist sicherlich auch dafür verantwortlich, daß sie sich mit dem Ruhm und den jeweiligen Besonderheiten ihres Tempels identifizierten. Für Athen kann man die beiden Familienzweige der Eteoboutadai nachweisen, die jeweils die Priesterinnen für Athena Polias und Priester für Poseidon-Erechtheus 71 stellten; die Frauen der Praxiergidai waren für die Ritu- 74 Christine Schnurr-Redford ale bei den Plynteria, möglicherweise auch bei den Kallynteria zuständig und die Euenoridai scheinen ebenfalls mit der Pflege von Athenas Statue und Kleidung betraut gewesen zu sein. 72 Sourvinou-Inwood meint, die Frauen der Praxiergidai hätten anläßlich der Kallynteria den Tempel gereinigt, möglicherweise unter der Aufsicht der Priesterin der Aglauros. Am 28. Thargelion habe der religiöse Ausnahmezustand ein Ende gefunden: Der Tempel wurde geöffnet, 73 die zuvor in Phaleron gebadete Statue zog in den gereinigten Tempel ein, die Praxiergidai gaben den Schlüssel dem Archon zurück, der ihn seinerseits der Athenapriesterin übergab. 74 Hinsichtlich des Problems der zeitlichen Einordnung der beiden Feste Kallynteria und Plynteria, die beide im Thargelion (April/ Mai) stattfanden, hat sich Meyer 75 dafür entschieden, der Ansicht von Sourvinou-Inwood zu folgen, wonach die Kallynteria nach den Plynteria 76 anzusetzen seien. Für die Kallynteria sind Reinigungsriten, so etwa das Auskehren des Tempels (καλλύειν) 77 , das Lampebefüllen und Wiederanzünden der Flamme belegbar, 78 das heißt, daß anläßlich dieses Festes wohl das offizielle Jahr der Lampe begann. 79 Der Beginn des neuen Lampenjahres an den Kallynteria, visualisiert durch das zeremonielle Befüllen der Lampe, wurde für jeden sichtbar - daher von Pausanias als nicht erklärungsbedürftig eingestuft - von den Praxiergidai als öffentliches Ritual 80 inszeniert. 81 Die Quelle Paus. 1, 26, 6 betont, daß Kallimachos die goldene Lampe für die Göttin, τῇ θεῷ, gemacht habe, doch wird keine konkrete Funktion im Kult benannt. 82 Selbst wenn die Ölzufuhr durch die Anwendung des kardanischen Prinzips kontrolliert erfolgte und somit die Brandgefahr verringert war, bleibt eine gewisse Verwunderung darüber, daß eine offen brennende, wohl mehrflammige Lampe ausgerechnet in einem mit kostbaren Weihegaben angefüllten Tempel installiert wurde. Daher müssen folgende Aussagen von Untermann differenziert werden: Der altgriechische Kult habe nur die Fackel gekannt, kennzeichnend etwa für die Mysterien der Demeter. Im klassischen Griechenland seien Öllampen zwar als Weihegeschenke bezeugt, in den Riten habe man aber an der Fackel festgehalten. Erst gegen Ende der hellenistischen Zeit erscheine die Lampe auch als Kultgerät, vor allem in fremden und neuen Kulten, so auch im Kaiserkult. 83 Pausanias nennt zwar bronzene Lampen im achäischen Pharai, die von denjenigen, die dem Gott eine Frage ins Ohr flüstern, um damit ein Orakel zu erbitten, zuerst mit Öl gefüllt und dann angezündet werden (7, 22, 3), jedoch scheint dies eine lokale Besonderheit zu sein. Die älteste Nennung einer Lampe (λύχνος 84 ) in der griechischen Literatur ist bei Hom. Od. 19, 33 f. zu finden, „voran ging Pallas Athene/ mit der goldenen Lamp’, und verbreitete leuchtenden Schimmer“ (χρύσεον λύχνον ἔχουσα), woraufhin auch die Wände des Saales erglänzen 85 . Die Frage nach möglichen Interpolationen und die Zweifel antiker Scholiasten führten dazu, daß spätere Autoren etwa Eustathios und Athenaios in den Deipnosophistai (15, 700F) meinten: „Der Leuchter (lýchnon) ist keine frühe Erfindung; die Alten benutzten die Flamme sowohl des Kienspans als auch der übrigen Holzarten.“ 86 In der modernen wissenschaftlichen Diskussion versuchte man, diese Lampe als Teil einer postulierten Kultkontinuität seit mykenischer Zeit auf der Akropolis zu deuten. 87 In der Tat ist diese singuläre Nennung der Lampe von Bedeutung, da für das 11. bis 8. Jahrhundert „the apparent lack of archaeological evidence for the use of lamps“ zu beobachten sei, während jedoch andere Formen der Beleuchtung wie Fackeln, Herdstellen und Leuchtbecken nachweislich in Fülle eingesetzt wurden. 88 Erst im 7. Jh. sei es zu einer Veränderung gekommen, wobei „the level of investment, required for the contact with the gods“ sich darin zeige, daß Lichtträger aus Bronze, Marmor und anderen Steinsorten hergestellt wurden, 89 um dem sich offenbar damals ausprägenden Bedürfnis nach Licht im Tempel, wahrscheinlich zur Beleuchtung eines Kultbildes, Rechnung zu tragen. 90 Das Anliegen, eine direkte Brücke zwischen den beiden goldenen Lampen schlagen zu wollen, 91 birgt mehrere Probleme. Zum einen erscheint die homerische Lampe in mobilem Einsatz - die Göttin trägt sie mit sich herum -, während die von Kallimachos angefertigte zweifellos mit einem Gebäudeteil im Erechtheion fest verbunden war. Zum anderen kann, mit einer kultischen Verehrung der Athena auf der Akropolis erst ab dem späten 7. Jh., wenn nicht gar noch später gerechnet werden. 92 Damit drängt sich nun die Frage auf, seit wann es überhaupt ein Licht, eine Lampe oder gar eine ewige Flamme zu Ehren der Göttin auf der Akropolis gegeben haben könnte, wobei genaue begriffliche Abgrenzungen zwischen λύχνος, also Leuchte, Lampe, Fackel und δᾷς, δαΐς, δετή, Fackel, nicht immer gewährleistet sind, während mit λαμπτήρ ein Leuchtbecken bezeichnet wurde. 93 Die Angaben in den Deipnosophistai (15, 699D-15, 701B) vermitteln einen lebhaften Eindruck von der tatsächlichen Vielfalt an antiken Lichtträgern und ihrer Bezeichnungen und sollten zur Vorsicht mahnen. Auffällig ist auch das Schweigen der Quellen darüber, ob eine Lampe oder eine ewige Flamme bei dem gewaltigen Brand auf der Akropolis im Jahre 480 erloschen sei - dazu wird nur die Geschichte des unverwüstlichen Ölbaums erzählt -, was wirklich überrascht, da Parisinou aufzeigt, daß es mehrere Lampen schon in archaischer Zeit auf der Akropolis gab, so etwa Steinlampen, 94 die mit menschlichen Köpfen oder Tieren im dädalischen Stil geschmückt waren (7. Jh.). 95 Wichtig für die vorliegende Fragestellung könnte auch der Fund im Erechtheion aus dem Jahre 1862 sein: Eine bronzene Hängelampe in Form eines Schiffs (vgl. Abb. 5). Die Datierung ist jedoch kompliziert, da die schiffsförmige Lampe und die eingekratzte Inschrift (IG I 3 549 bis) chronologisch nicht übereinstimmen, sodaß keine Sicherheit darüber besteht, ob sie als Vorläufer zur Lampe des Kallimachos gelten 75 Der Ölbaum der Athena und die Lampe des Kallimachos im Erechtheion darf und ob sie jemals im Erechtheion benutzt wurde. 96 Pausanias nennt dieses Schiff weder in seiner Funktion als Lampe noch in seiner Aufzählung wichtiger Anathemata aus alter Zeit (1, 27, 1). Wenn also Lampen aus kostbaren Materialien, aus Bronze oder Marmor, schon in der archaischen und klassischen Zeit „popular dedications to Athena“ waren, 97 warum wird dann erst der Lampe des Kallimachos solch eine Aufmerksamkeit zuteil? Denn auch das Konzept eines ewigen Lichts war per se keine außerordentliche Idee: Im Apollontempel von Delphi und Delos, im Heratempel in Argos brannten Feuer, im Tempel der Athena Itonia wurde das Feuer täglich auf den Altar gelegt (Paus. 9, 34, 2). Auch in Prytaneien, etwa in Taras und Athen, wurden ewige Flammen gehütet. 98 Es muß also andere Gründe geben: So war es sicherlich das kostbare Gold des Lampenkörpers, das die Tempelbesucher in den Bann schlug, da es das Licht besonders schön und weich reflektierte. Vielleicht hatte der zum Perfektionismus neigende Erfinder Kallimachos nicht nur den Mut bewiesen, sich von den traditionellen Materialien zu lösen, indem er Gold verwendete, sondern auch von den altbekannten Formen der Hängelampe, 99 indem er nämlich seine anders geformte Lampe durch die Verbindung mit einem massiven, verklammerten Kamin zum festen Baubestandteil des Tempels machte. Oder aber: Kallimachos hätte zwar eine Hängelampe konstruiert, deren raffiniert dekorierter Kamin jedoch mitten im Raum der Decke zustrebte und die Blicke aller auf sich zog. In beiden Fällen war es letztlich die neue Technologie, das kardanische Prinzip, die es erlaubte, eine beeindruckend helle Lampe ohne offensichtliches Nachfüllen am Brennen zu halten. In seltener Eintracht nimmt die Forschung an, daß Kallimachos als Künstler sein Floruit im letzten Viertel des 5. Jhs. hatte. 100 Daher liegt die Vermutung nahe, daß er die argivische Brandkatastrophe vom Jahre 423 zum Anlaß genommen hatte, die traditionellen Tempelleuchten bzw. ewigen Flammen zu optimieren, um den Athenern das schmeichelhafte Angebot zu machen, für ihre Stadtgöttin im neuen Tempel eine sichere Lampe gemäß modernster Technologie anzufertigen. Als Auftraggeber des Kallimachos und als möglicher privater Stifter wird Nikias, der gemäßigte Politiker und Namensgeber des Friedens von 421, genannt, da er 417 eine Bronzepalme nach Delos weihte. 101 Als innere Klammer in dieser eher aporetisch geführten Diskussion müssen die Palmenornamente des Kamins herhalten. Obwohl Pausanias von φοῖνιξ spricht, sollte man andere vegetabile Formen, i. e. Akanthusblätter nicht komplett ausschließen. 102 Palagia und Parisinou 103 sehen hier einen Zusammenhang mit der Verlegung der Bundeskasse des Attischen Seebundes im Jahre 454, wobei dann das vereinnahmte apollinische Palmenmotiv als symbolischer Transfer von Delos nach Athen fungiert hätte, da Apollon der ursprüngliche Schutzgott des Seebundes war. Als Auftraggeber des Kallimachos hätte dann wohl nicht ein Privatmann, sondern der athenische Staat gezeichnet, wobei man sich bei der Dimension des Auftrags - Goldlampe verbunden mit Bronzekamin - über die finanziellen Details Gedanken machen müßte. Dieses Argument leuchtet jedoch nicht wirklich ein, da es doch dem Parthenon zukam, den machtpolitischen Anspruch Athens zu inkarnieren. 104 Schlußendlich ist dem historischen Zeitpunkt Rechnung zu tragen, an dem das Erechtheion und die Lampe fertig gestellt wurden. 105 Der Tempel wurde wohl um 435 begonnen, um 406 beendet, in einer Zeit extremer Belastung durch den Peloponnesischen Krieg. Spätestens nach der Schlacht bei den Aigospotamoi im September 405 war an einen Sieg Athens nicht mehr zu glauben. Schon im Frühjahr 405 wird die politisch-militärische Sackgasse in den Fröschen mehr als deutlich auf der Theaterbühne thematisiert. In dieser ausweglosen Atmosphäre wurde es daher wichtig, alle psychischen und religiösen Energien zu bündeln und sich eines starken Symbols zu vergewissern, um es dem geschützten Haus der Athena Polias anzuvertrauen. Dreher urteilt über den Zeitpunkt der Fertigstellung, daß gegen Kriegsende der Bau des Erechtheions den bedrohten Athenern die Hilfe der altathenischen Götter sichern sollte. 106 In diesem Tempel verband sich Athena mit den Figuren der attischen ‚Urzeit‘ und zelebrierte ihre Funktion als Stadtgöttin. 107 Das architektonische Gegengewicht zum Erechtheion stellte der Parthenon dar, das Riesengehäuse, wo nur eine Göttin, 108 Athena Parthenos, verehrt wurde in Form ihrer monumentalen, starr dreinblickenden, übermenschlich großen Goldelfenbeinstatue, als strahlender Machtmittelpunkt der Akropolis erdacht; als solcher sollte er Bürger wie Bündner des Attischen Seebundes gleichermaßen beeindrucken. 109 Der Parthenon war ein modern konzipierter Tempel und hatte ein ebensolches Lichtkonzept, das mit seinen beiden großen Fenstern, der Türe und einer Orientierung nach Osten sicherstellte, „that the image of the goddess received the right amount of natural light“ 110 . Der Parthenon taugte nicht als Ort für eine Wunderlampe. Das Herz des traditionellen Athen schlug jedoch in dem komplex angelegten Erechtheion, mit dem altertümlichen, wahrscheinlich eher schäbig aussehenden Xoanon aus Olivenholz, der Salzquelle und dem unverwüstlichen, ja unsterblichen Olivenbaum, in einem Bau, der unter seinem Dach nicht weniger als 13 Kulte beherbergte, der den anmutigen Karyatiden einen Abb. 5: Bronzelampe in Schiffsform vom Erechtheion 76 Christine Schnurr-Redford erlesenen Platz zuwies und dessen Fundamente auf mykenischen Terrassen ruhte. Der geniale Handwerker Kallimachos wurde in der Krise des Krieges beauftragt, der über die Stadt wachende Göttin Athena Polias eine goldene Lampe mit einem zauberhaften, nie verlöschenden Licht 111 zum Geschenk zu machen, auf daß ihr Haus als Hoffnung für die Menschen in ewigem Glanze erstrahlen möge. 112 Anmerkungen 1 Im Folgenden werden alle Textstellen von Pausanias nach der Übersetzung von Eckstein - Bol 2001 zitiert. 2 Krumeich - Witschel 2010; Sioumpara 2017 rollt Datierungsfragen neu auf. 3 Der Begriff wurde von G. F. Creuzer im 19. Jh. geprägt, vgl. Hensen 2012, 137-139. - Ich möchte N. Melko danken, die mich im SS 2009 in Heidelberg auf das Thema aufmerksam machte. 4 Zur Datierung Meyer 2014, 214, Anm. 11 (Diskussion); 227. 5 Auch Strabon 9, p. 396 grenzt die beiden Tempel deutlich voneinander ab und hebt hervor: „der alte Tempel der Polias, in dem sich die ewig brennende Lampe befindet“ Ü: Radt 2004. 6 Meyer 2014, 221 f.; Eckstein - Bol 2001, 455, Anm. 50; Parisinou 2000, 21 mit Verweis auf Bundgaards Thesen. Vgl. Bötticher 1856, 107-109; 108 zur Gorgomaske als Baumschmuck. 7 Paus. 1, 27, 2: περὶ δὲ τῆς ἐλαίας οὐδὲν ἔχουσιν ἄλλο εἰπεῖν ἢ τῇ θεῷ μαρτύριον γενέσθαι τοῦτο ἐς τὸν ἀγῶνα τὸν ἐπὶ τῇ χώρᾳ: λέγουσι δὲ καὶ τάδε, κατακαυθῆναι μὲν τὴν ἐλαίαν, ἡνίκα ὁ Μῆδος τὴν πόλιν ἐνέπρησεν Ἀθηναίοις, κατακαυθεῖσαν δὲ αὐθημερὸν ὅσον τε ἐπὶ δύο βλαστῆσαι πήχεις. 8 Ü: Marg 1983. 9 Beschi - Musti 1982, Bd. 1, 363 meinen, er sei einfach der langen literarischen Tradition mit Hdt. beginnend und Dion. Hal. gefolgt. Hitzig - Blümner 1896, Bd. 1, 293. 10 So findet sich etwa bei Thukydides der wertvolle Hinweis, daß Bäume nachsprießen (3, 26, 3 f.): Die Spartaner „verwüsteten von Attika die früher kahlgeschlagenen Teile, wenn etwas nachgesprosst war, und was bei früheren Einfällen verschont geblieben war“. Allerdings geht es hier um die bewußte Schädigung der Bäume im Krieg durch reines Abschlagen ohne Feuer, wie Kontext nahelegt: „… holzten die Peloponnesier die weitesten Strecken gründlich ab“ (Ü: Landmann 1991). Weeber 2000, 49-52. 11 Vgl. jedoch: Der immergrüne Kampferlorbeer sei bekannt für seine ausladende Krone und seine Widerstandsfähigkeit. In Nagasaki stellten diese Bäume ihre Robustheit beim Atombombenabwurf am 9.8.1945 unter Beweis. „Obwohl sie nur 900 Meter vom Zentrum der Explosion entfernt standen und ihre Blätter und Äste versengt wurden, erholten sie sich mit der Zeit wieder.“ Spiegel online 12.12.2017: Diane Cook und Len Jenshel: Das Wissen der Bäume (München 2017). Kaurifichten, Zitterpappeln und Kampferlorbeer: Beeindruckende Bäume, Abb. 3 von 11. 12 Vgl. Anm. 9. Allein Palagia (1984, 516: im Kontext mit Nische im Erechtheion) diskutiert die naheliegende Vermutung, daß der Ölbaum das Feuer nicht überlebt habe. 13 Ich bin Herrn Dr. Thomas Raus, Oberkustos, Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem, für seine Unterstützung per E-Mail zu außerordentlichem Dank verpflichtet. Den Kontakt zu ihm hat Herr Dr. Andreas Franzke, Wissenschaftlicher Leiter/ Curator, Botanischer Garten Heidelberg, vermittelt, für dessen Engagement ich mich hiermit ebenfalls sehr herzlich bedanken möchte. Franzke verwies auf die australische Studie: „Recovery of olive groves after fire“, Agriculture Victoria, Note Number: AG 1377, ©Department of Environment and Primary Industries, 03/ 2009, rev. 05/ 2013 (letzter Zugriff 6.1.2020): http: / / agriculture.vic.gov.au/ agriculture/ horticulture/ fruit-and-nuts/ orchard-management/ recovery-ofolive-groves-after-fire. Sie erhält durch die Brände 2019/ 20 auf dem ‚Feuerkontinent der Erde‘ eine traurige Aktualität. 14 Daher sei das Regenerationsverhalten der Ölbäume in Australien (vgl. Anm. 13) „uneingeschränkt auf Athen“ übertragbar. Die australischen Olivenanbaugebiete liegen „ebenfalls in einer Zone mediterranen Winterregenklimas (wie in Attika) und veredelt wird dort mit vermarktbaren europäisch-mediterranen Olivensorten. Die Wildunterlage der Veredlungen kann dort die afrikanisch-südasiatische Unterart Olea europaea subsp. cuspidata (Wall. & G. Don) Cif. sein (…), die aber zu derselben Art Olea europaea L. gehört und sich daher nicht spezifisch in ihrem Regenerationsverhalten unterscheidet“. Raus mit Hinweis auf WCSP (2018). World Checklist of Selected Plant Families. Facilitated by the Royal Botanic Gardens, Kew. http: / / wcsp.science.kew.org bzw. auf: http: / / wcsp.science.kew.org/ namedetail.do? name_id=355603 und http: / / wcsp.science.kew. org/ synonomy.do; jsessionid=67695F9E03C9E7B910E1BBC8 045F12A3.kppapp05-wcsp? name_id=355603 - Auch die europäisch-mediterrane Unterart Olea europaea L. subsp. europaea sei morphologisch recht variabel, was sich in der Vielfalt ihrer wissenschaftlichen Synonyme widerspiegele. Hinweis auf: The Euro+Med PlantBase Project - the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity, ©Botanical Garden and Botanical Museum Berlin-Dahlem 2006 (letzter Zugriff 22.3.2018). http: / / ww2.bgbm.org/ EuroPlusMed/ PTaxonDetail.asp? NameId=128414&PTRef Fk=8000000 15 Raus (per E-Mail, vgl. Anm. 13). 16 Raus (per E-Mail, vgl. Anm. 13) mit Verweis auf die australische Studie (ibid.): Dünger ist nicht so wichtig. 17 Zum Abfließen des Niederschlagswassers auf der Akropolis, Dell 1934, 13 f. 18 Den antiken Bauern waren diese biologischen Bedingungen durch ihre jahrhundertelange Erfahrung mit der Pflege von Ölbäumen sicherlich vertraut, vgl. Weeber 2000, 17-38. 19 Paus. (1, 27, 1): κεῖται δὲ ἐν τῷ ναῷ τῆς Πολιάδος Ἑρμῆς ξύλου, Κέκροπος εἶναι λεγόμενον ἀνάθημα, ὑπὸ κλάδων μυρσίνης οὐ σύνοπτον. ἀναθήματα δὲ ὁπόσα ἄξια λόγου, τῶν μὲν ἀρχαίων δίφρος ὀκλαδίας ἐστὶ Δαιδάλου ποίημα, λάφυρα δὲ ἀπὸ Μήδων Μασιστίου θώραξ, ὃς εἶχεν ἐν Πλαταιαῖς τὴν ἡγεμονίαν τῆς ἵππου, καὶ ἀκινάκης Μαρδονίου λεγόμενος εἶναι. Μασίστιον μὲν δὴ τελευτήσαντα ὑπὸ τῶν Ἀθηναίων οἶδα ἱππέων: Μαρδονίου δὲ μαχεσαμένου Λακεδαιμονίοις ἐναντία καὶ ὑπὸ ἀνδρὸς Σπαρτιάτου πεσόντος οὐδ᾽ ἂν ὑπεδέξαντο ἀρχὴν οὐδὲ ἴσως Ἀθηναίοις παρῆκαν φέρεσθαι Λακεδαιμόνιοι τὸν ἀκινάκην; Kursive S-R. Zu Xoana, Kendrick Pritchett 1998, 204 f., zu Myrtenzweige Bd. 1, 263, zu Daidalos und „camp-stool“ Bd. 1, 200 f. 20 Paus. 1, 26, 6-7: τὸ δὲ ἁγιώτατον ἐν κοινῷ πολλοῖς πρότερον νομισθὲν ἔτεσιν ἢ συνῆλθον ἀπὸ τῶν δήμων ἐστὶν Ἀθηνᾶς ἄγαλμα ἐν τῇ νῦν ἀκροπόλει, τότε δὲ ὀνομαζομένῃ πόλει: φήμη δὲ ἐς αὐτὸ ἔχει πεσεῖν ἐκ τοῦ οὐρανοῦ. καὶ τοῦτο μὲν οὐκ ἐπέξειμι εἴτε οὕτως εἴτε ἄλλως ἔχει, λύχνον δὲ τῇ θεῷ χρυσοῦν Καλλίμαχος ἐποίησεν: ἐμπλήσαντες δὲ ἐλαίου τὸν λύχνον τὴν αὐτὴν τοῦ μέλλοντος ἔτους ἀναμένουσιν ἡμέραν, ἔλαιον δὲ ἐκεῖνο τὸν μεταξὺ ἐπαρκεῖ χρόνον τῷ 77 Der Ölbaum der Athena und die Lampe des Kallimachos im Erechtheion λύχνῳ κατὰ τὰ αὐτὰ ἐν ἡμέρᾳ καὶ νυκτὶ φαίνοντι. καί οἱ λίνου Καρπασίου θρυαλλὶς ἔνεστιν, ὃ δὴ πυρὶ λίνων μόνον οὐκ ἔστιν ἁλώσιμον: φοῖνιξ δὲ ὑπὲρ τοῦ λύχνου χαλκοῦς ἀνήκων ἐς τὸν ὄροφον ἀνασπᾷ τὴν ἀτμίδα. ὁ δὲ Καλλίμαχος ὁ τὸν λύχνον ποιήσας, ἀποδέων τῶν πρώτων ἐς αὐτὴν τὴν τέχνην, οὕτω σοφίᾳ πάντων ἐστὶν ἄριστος ὥστε καὶ λίθους πρῶτος ἐτρύπησε καὶ ὄνομα ἔθετο κατατηξίτεχνον, ἢ θεμένων ἄλλων κατέστησεν ἐφ᾽ αὑτῷ; Kursive S-R. 21 Zur Frage, woher das Olivenholz für das Xoanon stammte, vgl. Parisinou 2000, 21. 22 Hitzig - Blümner 1896, Bd. 1, 291; Stupperich 2012, 338. Bei Karystos/ Euboia gab es weitere Asbestvorkommen (Strab. 10, p. 446); Jacoby 1924, 136-138; Christopoulos 1996, 61-67. 23 Meyer 2017, 49, Anm. 331; 332: weitere Literatur. 24 Stupperich 2012, 337: „extremely ingenious and inventious technician“. 25 Ü: König - Bayer 1989; „semper calumniator sui nec finem habentis diligentiae ob id catatexitechnus appellatus“. - Stupperich 2012, 337: catatexitechnus = melting down art; der Spitzname ist dreimal belegt, Stupperich 2012, 338; Eckstein - Bol 2001, Bd. 1, 455: catatexitechnus = der, der die Kunstfertigkeit schmilzt, auflöst. Zu Kallimachos: Hitzig - Blümner 1896, Bd.-1, 291 f. 26 Hitzig - Blümner 1896, Bd. 1, 291. Ähnlich vage: Dell 1934, 22. 27 Beschi - Musti 1982, Bd. 1, 362. 28 Eckstein - Bol 2001, Bd. 1, 455; vgl. auch Hitzig - Blümner 1896, Bd. 1, 291 zur Symbolik der Palme. 29 Palagia 1984, 519, Anm. 16 mit Hinweis auf Bailey 1972, 10. 30 Radt 1986, 42. 31 Broisch 2012, 49-50. 32 Broisch 2012, 51. Bei Rußentwicklung deutliche Unterschiede: Olivenöl rußt im Allgemeinen kaum, Broisch 2012, 50. 33 Broisch 2012, 51. 34 Melko 2012, 237. 35 Radt 1986, 42. 36 RE XIII, 2 (1927) 1566-1613; 1571 s.-v. Lucerna (A. Hug). 37 Blümner 1885, 179 f.; Abb. 117-119 (Museum von Cortona). 38 Parisinou 2000, 28 f. bringt Gründe vor, sich dieser Rekonstruktion anzuschließen. 39 „Dem Gott von Kanopos hat Kallistion mich, eine Lampe reich durch zwanzig Dochte, die Tochter des Kritias, geweiht, weil sie sie für ihre Tochter Apellis gelobt hatte: sobald du auf meine Flammen blickst, wirst du sagen: ‚Hesperos, wie bist du gefallen‘? “ Kallimachos ep. 16 G.-P. = ep. 55 Pf.; Köhnken 2006, 230 f. 40 Dell 1934, 21-22. 41 „Placuere et lychnuchi pensiles in delubris aut arborum mala“ - „Man hatte auch Gefallen an den Kronleuchtern, die in den Tempeln herabhängen oder gleich apfeltragenden Bäumen leuchten“ (Ü: König - Bayer 1989). 42 Palagia 1984, 517 f. 43 Parisinou 2000, 22. 44 Stupperich 2012, 338; 339. 45 Parisinou 2000, 28, Anm. 36. 46 Eine breite, die rußigen Schwaden sammelnde Haube des Kamins, mit Palmblättern dekoriert und daher dem Schopfe einer Palme ähnelnd, ist wohl in ein Rohr übergegangen, das strukturiert war wie der Stamm einer Palme, welches dann die Abgase durch eine Dachöffnung nach draußen schickte. Das Prinzip „form follows function“ wäre damit verwirklicht und gleichzeitig die perfekte Kaschierung der technischen Vorrichtungen. 47 Parisinou 2000, 28 mit Anm. 37. Es bleibt noch zu klären, inwieweit Inventarlisten fest verbaute Votivgaben aufführen. 48 Stupperich 2012, 338; Palagia 1984, 519. 49 Ausführliche Diskussion: Palagia 1984, 518 f. Parisinou 2000, 21-27. 50 Palagia 1984, 517. 51 Palagia 1984, 519 postuliert Nähe zum Kekropion, da Nonnus, Dion. 33, 124 von „Lampe des Kekrops“ spricht. 52 Palagia 1984, 518. Parisinous Gegenargumente 22-23. 53 Palagia 1984, 519. Kritisch: Parisinou 2000, 23. 54 So auch schon Dell 1934, Abb. 7. 55 Der deutsche Name „Steinkauz“ verweise darauf, dass diese Eulenart nicht nur in Baumhöhlen, sondern auch in Scheunen, Kapellen und Weinkellern aus Stein brütet, Wikipedia s. v. Steinkauz, letzter Zugriff 25.3.2018. 56 Dell 1934, 25, Abb. 2.N und 10.N; Palagia 1984, 519; Palagia 1984, 516, Anm. 6. 57 Vgl. Dell 1934, Abb. 9. 58 Parisinou 2000, 21; Palagia 1984, 519, Anm. 17. 59 Wikipedia s. v. Olivenöl, letzter Zugriff 7.1.2020. 60 Letzner 2000, 160 mit Anm. 56. 61 Eckert 2016, 86. 62 Dell 1934, 22, meint, die „Ölkammer“ sei im Dachgeschoß gewesen, mit Abb. 14, 15. Stupperich 2012, 338. 63 Stupperich 2012, 338. 64 Untermann 2009, 28. 65 Stupperich 2012, 339. 66 Gomme 1966, 25. 67 Thuk. 4, 133: χρυσίδος τῆς ἱερείας λύχνον τινὰ θείσης ἡμμένον πρὸς τὰ στέμματα; Ü: Landmann 1991, vgl. jedoch: „having placed a lighted torch near the garlands“ (Ü: Smith 1965). 68 Paus. 2, 17, 7: ὁ λύχνος πρὸ τῶν στεφανωμάτων ἥπτετο. 69 Die Dauerlampe im Erechtheion habe die Techniken des Schwimmers auf einer Ölschicht über Wasser mit einem Asbestdocht, dem Nachfluss durch kommunizierende Röhren und einem Rauchabzug sowie einem großen Tank kombiniert - „alles versteckt hinter einer hochkünstlerischen Verkleidung“, Stupperich 2015, 138. 70 Vgl. Anm. 62. 71 Connelly 2007, 45; Burkert 1997, 162. 72 IG I 3 7, Attic Inscriptions online, 3.9.2017; Lambert - Osborne, Anm. 1 mit Verweis auf SEG 58 (2008) 145. Vgl. jedoch Sourvinou-Inwood 2011, 220 gegenüber Lamberts Auffassung. 73 Entgegen Sourvinou-Inwood 2011, 205: Deubner 1966, 22 betont, daß nicht das Erechtheion versiegelt, sondern die anderen Tempel umseilt worden seien, welche aufgrund des durch die Reinigungszeremonie im Erechtheion losgelösten, umherfliegenden Schmutzes potenziell bedroht waren. 74 Sourvinou-Inwood 2011, 205. 75 Meyer 2017, 154 mit Anm. 1200: Die Kallynteria seien das Fest, an dem das agalma wieder mit seinem kosmos versehen werde. 76 Deubner 1966, 21 zu den Plynteria: Es habe ohne Zweifel die Vorstellung bestanden, „daß die segensspendende Kraft des heiligen Bildes nachlassen müsse, wenn nicht eine solche Reinigung erfolge: materieller Unrat und immaterieller Unsegen sind auf der primitiven Stufe des religiösen Denkens nicht zu trennen.“ 77 Deubner 1966, 20. 78 Zum Verfahren des Flammelöschens, Dell 1934, 22; Sourvinou-Inwood 2011, 204 f.; 216; 219; Meyer 2017, 154, Anm. 1201. Wahrscheinlich Tippfehler: Meyer 2017, 49, Anm. 331: Sourvinou-Inwood bringt zweifellos die Kallynteria, nicht die Plynteria, mit dem Lampebefüllen in Verbindung. 79 Zur Möglichkeit, daß die Panathenäen den Beginn des Lampenjahres markierten, also im Hekatombaion (Juni/ Juli), vgl. Sourvinou-Inwood 2011, 204, Anm. 216 gegen Burkert, strukturelle Unterschiede der Feste betonend. 78 Christine Schnurr-Redford 80 Dies schließt jedoch nicht die Möglichkeit aus, daß die Praxiergidai (da sie an den Kallynteria diesen Dienst schon öffentlich verrichtet hatten) oder die Priesterin der Athena Polias (da privilegiert durch ihren freien Zugang zu allen Teilen des Tempels; Dell 1934, 22 geht von einer Stiege zum Dach aus, vgl. ebd. Abb. 15) während des Jahres unbemerkt von den Tempelbesuchern das Ölreservoir in diskreter Weise (in der Nacht? ) nachfüllten, weil ein für jedermann sichtbares großes Vorratsgefäß (in der Nähe des Erechtheions oder auf dessen Dach) solche kritischen Köpfe zum Hinterfragen des Wunders veranlaßt hätten. 81 Die Hausreinigung, das Auffüllen der Lampe, das Waschen und Herstellen von Textilien stellen idealtypische, rollenkonforme Arbeiten der Frau für ihren eigenen o ἶ kos dar. Der religiöse Ritus transzendiert diese Tätigkeiten insofern als es die Göttin Athena ist, der die Pflege zuteil wird. Diese hausfraulichen Verrichtungen erlangen dadurch eine öffentliche Dimension und werden für das Wohlergehen des Gesamtstaates als höchste Priorität eingestuft. Die Stellung der Frau im Kult ist kaum zu überschätzen, Schnurr-Redford 2000, 132 f.; 144. 82 Palagia 1984, 518 mit Anm. 13; Stupperich 2012, 338. 83 Untermann 2009, 21. 84 Monro 1901, 149, Anm. 34: „lukhnos is posthomeric, both word and thing“. 85 Ü: Voss 1781. Ü: Bernays 2010: „Voraus ging Pallas Athene, um auf der Treppe ihnen zu leuchten mit goldenem Leuchter“. Ü: Hampe 1979: „mit einem goldenen Leuchter, der Licht gab“. Ü: Weiher 2007: „mit goldener Fackel“. Parisinou 2000, 7 betont zurecht die abstrakte Idee von Licht, als Symbol göttlicher Hilfe, da die Lampe als solche nicht näher beschrieben wird. 86 Ü: Friedrich 2001. 87 Parisinou 2000, 5−8 zeichnet die Argumente nach. 88 Parisinou 2000, 8. 89 Parisinou 2000, 13. 90 Parisinou 2000, 17; vgl. jedoch die äußerst kritische Besprechung von Parisinou durch E. Kadletz, BMCR 2001.10.6. 91 Vgl. Interpolation im Schiffskatalog 2,557 f. zum Ruhme Athens, zur erstrebten Anbindung an die als heldenhafte, als ideal postulierte Vergangenheit, Eder 2003, 308 mit Anm. 42. 92 Parisinou 2000, 6 mit ausführlicher Diskussion in Anm. 7. 93 Vgl. Parisinou 2000, 6. Schriftliche Zeugnisse für den Kultbetrieb erst aus dem 6. Jh., Meyer 2014, 212, Anm. 2. 94 Parisinou 2000, 32 f.: Diese Lampen, zu schwer zum Herumtragen, weisen Vorrichtungen zum Aufhängen auf, sind jedoch älter als der früheste permanente Kultbau. Zu optimistisch: Deubner 1966, 20 mit Anm. 13: Es ist „gewiß von jeher eine solche ewige Lampe in dem Tempel vorhanden gewesen“. 95 Parisinou 2000, 13; 14. Es ist nun die Frage, ob diese Lampen (wie in anderen Heiligtümern auch) als Votivgaben Einzelner auf die Akropolis kamen oder als Teil der Ausstattung des Tempels zu verstehen sind. Vgl. Anm. 47. 96 Parisinou 2000, 32. Datierungsvorschläge: Mitte 5. Jh. bis 3. Jh. Meyer 2017, 49, im 2. Teil der Anm. 327. 97 Parisinou 2000, 31 mit Anm. 54. 98 Plut. Numa 9, 5-6; Palagia 1984, 519; Parisinou 2000, 30 mit Anm. 50. Heiligtum der Hestia in Athen, Goette - Hammerstaedt 2004, 95. 99 Entgegen Parisinou 2000, 28, die für religiösen Konservatismus plädiert. 100 Stupperich 2012, 338 f.; Parisinou 2000, 30 mit Anm. 48. 101 Palagia 1984, 520; Hitzig - Blümner 1896, Bd. 1, 291 zur Palme, etwa als Symbol des bezwungenen Orients (Furtwängler); Parisinou 2000, 29 mit Anm. 47. 102 Robertson 1975, 406-407; Palagia 1984, 519 f. - Kamin im Hephaisteion, vgl. Stupperich 2012, 338; Parisinou 2000, 27, Anm. 32. 103 Palagia 1984, 521; Parisinou 2000, 29. 104 Niketempel und Erechtheion seien als konservative Antwort auf den von den Radikaldemokraten errichteten Parthenon und die Propyläen zu verstehen. Der Gegensatz könne kaum größer sein: „Parthenon und Propyläen in ihrer dorischen Grundkonzeption schlicht, monumental und symmetrisch - das Erechtheion dagegen ein vielgliedriger Götterpalast, unregelmäßig in seiner Anlage, ionisch in der Bauordnung, von verhältnismäßig kleinem Format, zierlich in der Form und wie ein Schrein an der Außenseite ornament- und farbenreich geschmückt“, Schneider - Höcker 2001, 171. 105 Vgl. Anm. 44. 106 Dreher 2012, 117. 107 Meyer 2014, 230. 108 Ein archaischer Naiskos der Athene Ergane scheint in den Säulenumgang des Parthenon aus baulicher Notlage heraus geschickt integriert worden zu sein, Goette - Hammerstaedt 2004, 80; 79 mit Abb. 16; Meyer 2014, 228. 109 Die Bauten auf der Akropolis „dienten also der Herrschaftsrepräsentation, ja der Herrschaftslegitimation“, Schuller 2008, 44 f. 110 Parisinou 2000, 35 mit Anm. 77. 111 Parisinou 2000, 6 f. zur Idee, die göttliche Präsenz hätte sich gerade durch strahlendes Licht manifestiert. 112 Ein ewiges Licht findet sich auch in der christlichen Kirche. Es ließe sich also darüber spekulieren, ob die Lampe des Kallimachos in einer Kirche, in Konstantinopel etwa, weiterverwendet wurde, so wie die Schlangensäule im Hippodrom. Literaturverzeichnis Bailey 1972 D. M. Bailey, Greek and Roman Pottery Lamps, London 1972 Beschi - Musti 1982 L. Beschi - D. Musti (Hrsg.), Pausania. Guida della Grecia I (Mailand 1982) Blümner 1885 H. 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Palagia, A Niche for Kallimachos’ Lamp? , AJA 88, 4, 1984, 515-521, 518, III. 3 Abb. 4: O. Palagia, A Niche for Kallimachos’ Lamp? , AJA 88, 4, 1984, 515-521, Plate 66, fig. 1C Abb. 5: E. Parisinou, The Light of the Gods. The Role of Light in Archaic and Classical Greek Cult (London 2000), 32, fig. 9 81 Ein Bollwerk für Tyrannen? Lachares, Charias und die Athener Akropolis im frühen Hellenismus Henning Börm Folgt man den dürren Angaben kaiserzeitlicher Autoren, so wurde in Athen im frühen Hellenismus, um das Jahr 300 v. Chr., eine furchtbare Tyrannis errichtet, unter der auch die Heiligtümer auf der Akropolis zu leiden hatten. Besonders prägnant zusammengefasst findet sich diese Lesart der Ereignisse dabei bei Pausanias: Κάσσανδρος δὲ - δεινὸν γάρ τι ὑπῆν οἱ μῖσος ἐς τοὺς Ἀθηναίους -, ὁ δὲ αὖθις Λαχάρην προεστηκότα ἐς ἐκεῖνο τοῦ δήμου, τοῦτον τὸν ἄνδρα οἰκειωσάμενος τυραννίδα ἔπεισε βουλεῦσαι, τυράννων ὧν ἴσμεν τά τε ἐς ἀνθρώπους μάλιστα ἀνήμερον καὶ ἐς τὸ θεῖον ἀφειδέστατον. Δημητρίῳ δὲ τῷ Ἀντιγόνου διαφορὰ μὲν ἦν ἐς τὸν δῆμον ἤδη τῶν Ἀθηναίων, καθεῖλε δὲ ὅμως καὶ τὴν Λαχάρους τυραννίδα: ἁλισκομένου δὲ τοῦ τείχους ἐκδιδράσκει Λαχάρης ἐς Βοιωτούς, ἅτε δὲ ἀσπίδας ἐξ ἀκροπόλεως καθελὼν χρυσᾶς καὶ αὐτὸ τῆς Ἀθηνᾶς τὸ ἄγαλμα τὸν περιαιρετὸν ἀποδύσας κόσμον ὑπωπτεύετο εὐπορεῖν μεγάλως χρημάτων. Λαχάρην μὲν οὖν τούτων ἕνεκα κτείνουσιν ἄνδρες Κορωναῖοι. „Kassandros aber - er hegte nämlich einen tiefen Hass auf die Athener - gewann den Lachares für sich, der bis dahin ein Streiter für den Demos gewesen war, und bewog ihn dazu, eine Tyrannis zu errichten; einen Mann, der unter allen Tyrannen, von denen wir wissen, am grausamsten gegenüber den Menschen und am ruchlosesten gegenüber den Göttern war. Zwar waren zwischen Demetrios, dem Sohn des Antigonos, und den Athenern Streitigkeiten vorgefallen, doch er befreite sie dennoch von der Tyrannis des Lachares, der, als die Mauern erstürmt waren, zu den Boiotern entkam. Da er zuvor die goldenen Schilde von der Akropolis geraubt und selbst das Agalma der Athena seiner abnehmbarer Zierde entkleidet hatte, hielt man ihn für einen reichen Mann. Lachares wurde daher von Männern aus Koroneia erschlagen.“ Neben Pausanias 1 berichten auch Polyainos 2 und Plutarch, 3 Lachares habe damals in Attika gewaltsam die Macht ergriffen; 4 die verbliebenen Demokraten hätten sich in den Piräus zurückgezogen, wo sie belagert worden seien, bis sechs Jahre später Demetrios Poliorketes vor der Stadt erschien. Dieser habe Lachares vertrieben und in Athen die Herrschaft des Demos wiederhergestellt, während der gestürzte Tyrann schließlich einen gewaltsamen Tod gefunden habe. Diese Lesart dominiert die literarische Tradition zum frühhellenistischen Athen ebenso wie die moderne Forschung. 5 Die geschilderten Vorgänge sind dabei weniger ungewöhnlich, als man vielleicht glauben könnte. Betrachtet man die Überlieferung zu den drei Jahrhunderten der griechischen Geschichte zwischen Alexander III. und Kleopatra VII., so gewinnt man vielmehr den Eindruck, dass Lachares kein Einzelfall war: Hinweise auf Tyrannen sind für diese Zeit sogar derart häufig, dass es geradezu den Anschein hat, als habe man es insbesondere beim frühen Hellenismus mit der eigentlichen Blütezeit der griechischen Tyrannis zu tun, 6 mit einem Phänomen also, das man zumindest im Ägäisraum eigentlich vor allem mit der Archaik in Verbindung bringt. 7 Erwähnt seien hier nur die prominentesten Beispiele: 317 v. Chr. machte sich Agathokles in Syrakus nach einem Massaker an seinen Feinden zum Herrn über die Stadt, 8 und 279 kam es laut Diodor und Plutarch im erst wenige Jahrzehnte zuvor gegründeten Kassandreia zur Tyrannis des Apollodoros, hinter dem sich anscheinend insbesondere Handwerker geschart hatten. 9 Um Aristotimos, der um 271 einige Monate lang Elis beherrscht haben soll, rankten sich früh Legenden aufgrund seiner angeblichen Grausamkeit, 10 und laut Plutarch soll Nikokles, der 251 gestürzt wurde, 11 nur der letzte in einer langen Reihe von Tyrannen gewesen sein, die Sikyon seit der Schlacht von Ipsos nacheinander beherrscht hatten. 12 234 soll sich zunächst Aristippos und anschließend sein Bruder Aristomachos zum Herrn über Argos aufgeschwungen haben; 13 wenig später hört man von einer Tyrannis des Aristomelidas über Orchomenos. 14 Diese Liste ließe sich zumindest für den frühen Hellenismus leicht fortsetzen. Für das zweite Jahrhundert geht die Zahl der überlieferten Fälle dann zwar signifikant zurück, doch für das erste Jahrhundert hören wir wieder von mehreren Tyrannen, unter denen Athenion und Aristion, die während des Ersten Mithridateskrieges nacheinander Athen beherrscht haben sollen, 15 Leandros, der kurz zuvor eine Tyrannis über Kyrene innegehabt haben soll, 16 Nikias, der nach der Schlacht von Philippi mit Antonius’ Hilfe Tyrann von Kos geworden sein soll, 17 und Eurykles, der mit Billigung des ersten princeps Sparta dominierte, 18 herausragen. War also der Hellenismus eine späte Blütezeit der griechischen Tyrannis? Es sind zumindest Vorbehalte angebracht. Dass etwa Lachares tatsächlich eine unbestimmte Zeit lang über Athen herrschte, ist nicht auszuschließen; letzte Gewissheit wird sich hier schwerlich je erreichen lassen. 19 Es gibt allerdings Grund zur Vorsicht: Nichts in 82 Henning Börm den erhaltenen Quellen deutet darauf hin, dass Lachares nicht nur eine prominente Gestalt war, die offenbar ein Exponent der ‚Kassandrosfreunde‘ in Athen war, sondern dass er tatsächlich eine regelrechte Alleinherrschaft errichtet hatte. 20 Das einzige Indiz hierfür ist seine nachträgliche Etikettierung als Tyrann, und für eine solche lassen sich auch andere Ursachen denken als eine Monokratie in Athen - vor allem natürlich der schließliche Triumph der Piräuspartei, denn es sind bekanntlich die Sieger, die die Geschichte schreiben. Das ist keine Hyperkritik. Denn es gibt tatsächlich einen konkreten Beleg, der zumindest stutzig machen sollte, da er darauf hindeutet, dass Pausanias, Plutarch und Polyainos auf eine manipulierte Tradition zurückgriffen: Bereits 1927 wurden drei stark beschädigte Papyri mit Fragmenten eines anonymen, wohl kaiserzeitlichen Geschichtswerkes publiziert; soweit man sieht, handelt es sich um eine nüchterne Olympiadenchronik ohne erkennbare Tendenz, aber von durchaus hoher Relevanz. 21 Denn den wenigen erhaltenen Zeilen lässt sich entnehmen, dass es in Athen im Jahr 301 oder 300 zu einer Stasis zwischen zwei Gruppen gekommen war, 22 als deren Anführer sich Lachares und ein gewisser Charias gegenüberstanden, die damals beide als Strategen fungierten. 23 Die genaue Chronologie der Ereignisse ist ebenso unklar wie ihr Verlauf. Den Hintergrund des Geschehens dürfte aber die Schlacht von Ipsos im Jahr 301 gebildet haben, nach der man in Athen anscheinend hoffte, sich endlich von der Dominanz der ‚antigonidischen‘ Partei, als deren Exponent Plutarch zufolge insbesondere Stratokles gegolten hatte, 24 befreien zu können. Ob Charias zur Parteiung um Stratokles gehört hatte, liegt im Dunkeln; 25 wahrscheinlicher ist wohl, dass er und seine Mitstreiter vergeblich versuchten, das nach Ipsos entstandene Machtvakuum auszunutzen. Offenkundig stand aber die Mehrheit der Bürgerschaft zumindest im Jahr 300 nicht hinter ihnen, sondern hinter Lachares; und so gelang es, Charias und seine Anhänger, die offenbar die Versorgung des Demos mit Lebensmitteln nicht gewährleisten konnten, 26 nach Kämpfen zur Aufgabe zu zwingen und in der Volksversammlung auf Antrag eines gewissen Apollodoros Todesurteile für die vier στασίαρχοι - neben Charias werden Lysandros, Ameinias 27 und Kalliphon genannt - zu erwirken, die im Athenaheiligtum Zuflucht gesucht hatten. 28 Anscheinend wurde das Urteil dabei rechtswidrig kollektiv verhängt. Ob dies, wie William Ferguson annahm, bedeutet, dass Lachares hierdurch eindeutig als „a tyrant, in the full sense of this term“ gekennzeichnet wurde, 29 kann man allerdings bezweifeln: Es bedurfte keiner Tyrannis, um in der Ekklesia irreguläre Urteile zu fällen. 30 Die verbliebenen Anhänger des Charias, denen man freies Geleit gewährt hatte, besetzten jedenfalls den Piräus, wo man sie vergeblich belagerte. 31 Diese sind es, die in den übrigen Quellen als „Demokraten“ firmieren; sie leisteten jahrelang Widerstand und riefen schließlich Demetrios herbei. Lachares hatte sich unterdessen, folgt man Pausanias, an Kassandros angelehnt. 32 Er erscheint, wie gesehen, in der späteren Überlieferung als ein nachgerade typischer Tyrann - grausam und habgierig -, 33 musste schließlich 294 vor dem übermächtigen Demetrios flüchten und begab sich offenbar auf eine Odyssee durch Hellas, 34 bis er schließlich ermordet wurde. 35 Seine Angehörigen wurden verbannt, und der Sieg der Antigoniden und ihrer athenischen Anhänger wurde als Wiederherstellung der Demokratie gefeiert. 36 Für die historische Bewertung dieser durchaus enigmatischen Ereignisse spielt nun die Athener Akropolis eine zentrale Rolle. Denn die Fragmente der Olympiadenchronik bezeugen ausdrücklich, dass Charias, also der Stasiarch jener Gruppierung, die später als „Demokraten“ in die Überlieferung einging, versucht hatte, die Akropolis zu besetzen (Χαρίας μὲν τὴν ἀκρόπολιν κατελάβετο). Diese dürre Information rückt die Vorgänge des Jahres 300 in ein ganz anderes Licht, denn die Rolle, die die Anhöhe im Rahmen von Staseis spielte, lässt sich gut greifen: Der erste, von dem berichtet wird, er habe die Athener Akropolis besetzt, um sich zum Tyrannen über die Polis aufzuschwingen, ist Kylon, dessen traditionell auf 632 datiertes Unterfangen offensichtlich tiefen Eindruck hinterließ. 37 Auch bei der erfolgreichen Machtergreifung des Peisistratos scheint die Akropolis eine wichtige Rolle gespielt zu haben, 38 und sein Sohn Hippias zog sich 510 auf die befestigte Anhöhe zurück und wurde dort zusammen mit seinen Anhängern ausgehungert. 39 507 besetzte laut Herodot die von den Spartanern unterstützte Parteiung um Isagoras bei dem Versuch, Athen unter ihre Kontrolle zu bringen, die Akropolis und wurde dort zwei Tage lang vom Demos belagert. 40 Ihr Abzug machte den Weg frei für die Reformen des Kleisthenes, die dieser bereits vor der Episode eingeleitet haben soll, was die Besetzung der Akropolis rückblickend als Angriff auf die Demokratie erscheinen ließ, deren Anfänge man mit Kleisthenes verband. 41 Obwohl im Laufe der klassischen Zeit die Munychia und der Piräus die militärisch wichtigeren Festungen in Attika wurden, verlor die Akropolis ihre Bedeutung im Zusammenhang innerer Konflikte offensichtlich dennoch nicht ganz. 42 Noch von dem bereits erwähnten Aristion wird berichtet, er habe 86 v. Chr. die Anhöhe okkupiert und sei dort von römischen Truppen belagert worden. 43 Vor allem aber blieb die Semantik einer Besetzung der Akropolis (καταλαβεῖν τὴν ἀκρόπολιν) über den Hellenismus hinaus eindeutig: der Hügel galt als das Bollwerk für Despoten. Für Epiktet bestand laut Arrian ein derart natürlicher Zusammenhang zwischen der Akropolis und einer Tyrannis, dass er dieses Bild wie selbstverständlich wählte, um einen seinen Leidenschaften unterworfenen Menschen mit einer Polis zu vergleichen, die von der Akropolis aus durch einen Tyrannen beherrscht werde, 44 und noch in der spätantiken Rhetorik galt die Besetzung der Akropolis als charakteristisch für eine Tyrannis. 45 83 Ein Bollwerk für Tyrannen? Vor dem Hintergrund dieser Diskurse wäre daher eigentlich zu erwarten, dass nicht etwa Lachares, sondern vielmehr Charias als derjenige, der nach Ausweis der anonymen Chronik mit seinen Anhängern die Akropolis besetzt hatte, als Tyrann in die Überlieferung hätte eingehen müssen. 46 Ob er tatsächlich versucht hat, eine Monokratie zu errichten, lässt sich zwar nicht klären, ist aber auch von nachrangiger Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, dass seine Parteiung, nicht die Gruppierung um Lachares, eine Handlung verantwortete, die als nachgerade stereotyp tyrannisch und antidemokratisch galt. Man darf daher vermuten, dass man gegen Charias, Lysandros, Ameinias und Kalliphon entsprechende Anklagen vor der Volksversammlung vorbrachte und sie aus diesem Grund hinrichten ließ, selbst wenn das Eukratesgesetz, das gut dreißig Jahre zuvor die Todesstrafe für alle, die die Demokratie in Athen umstürzen sollten, festgelegt oder bekräftigt hatte, 47 zu diesem Zeitpunkt mutmaßlich nicht mehr an seinem Aufstellungsort stand. 48 Trotzdem ging später nicht Charias als τύραννος in die Überlieferung ein; vielmehr scheint man sich, wie man gesehen hat, einige Mühe gegeben zu haben, stattdessen Lachares mit der Akropolis in Verbindung zu bringen. 49 Offensichtlich erschien es im Rückblick nicht als opportun, Charias und seine Anhänger tyrannischer Ambitionen zu bezichtigen. Der Umstand, dass die Stasis von 301/ 300 v. Chr. - ebenso wie Charias und sein Griff nach der Akropolis - in der Überlieferung abseits der Olympiadenchronik mit keiner Silbe erwähnt wird und so ein scheinbar widerspruchsfreies Bild vom „Tyrannen Lachares“ geschaffen wird, 50 stützt daher auf anschauliche Weise den Verdacht, dass sich hinter dem, was in den Quellen als Tyrannenherrschaft erscheint, in Wahrheit oftmals, wenngleich nicht immer, eine Denunziation der Verlierer durch die Sieger verbergen dürfte. 51 Polybios konstatiert ausdrücklich, kein Vorwurf gegen den politischen Gegner sei gravierender - und mithin wirkungsvoller - als der, ein Tyrann zu sein. 52 Wie subjektiv diese Einschätzung sein konnte, liegt auf der Hand, denn nicht immer setzte sich diese Etikettierung durch. Teils wurden ermordete „Tyrannen“ sogar verehrt: Einen anschaulichen Fall aus spätklassischer Zeit diskutiert bereits Xenophon, der feststellt, Euphron von Sikyon habe seinen Feinden als Tyrann gegolten, während ihn seine Anhänger nach seiner Ermordung auf der Agora bestattet und als Archegeten verehrt hätten. 53 Und im dritten Jahrhundert geschah Ähnliches zum Beispiel in Megalopolis, wo Aristodemos zunächst als angeblicher Tyrann ermordet, anschließend aber als Heros und χρηστός verehrt wurde 54 und ein prächtiges Grabmal erhielt. 55 Tyranny is in the eye of the beholder. Was nun Lachares betrifft, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass er, wie etwa Boris Dreyer vermutet hat, zwar nicht bereits im Jahr 300, wohl aber 294, kurz vor dem Eintreffen der antigonidischen Truppen vor Athen, tatsächlich eine ephemere Alleinherrschaft errichtet hat, die keine Spuren im epigraphischen Material hinterließ. 56 Wahrscheinlicher ist aber wohl die mit weniger Zusatzannahmen auskommende Interpretation, dass Lachares nach seiner Flucht zum Sündenbock gemacht wurde, um zum einen seinen verbliebenen Anhängern eine Reintegration in die Bürgerschaft zu erleichtern und zum anderen gegenüber Demetrios den Jahre zuvor erfolgten Abfall der Polis von den Antigoniden zu entschuldigen. Derartiges wäre, wie Nino Luraghi jüngst am Beispiel des Umgangs mit der makedonischen Hegemonie über die Stadt gezeigt hat, für das frühhellenistische Athen kein ganz beispielloser Vorgang gewesen. 57 Die Art, wie man sich in der Polis an den Tyrannen Lachares erinnerte und zugleich Charias und seine Besetzung der Akropolis, mit Schweigen übergingen, prägte, so meine Hypothese, den Hauptstrang auch der literarischen Tradition, wie wir sie bei Pausanias, Plutarch und Polyainos greifen können. Zwar soll die Existenz hellenistischer Tyrannen keineswegs grundsätzlich bestritten werden; dass etwa Agathokles tatsächlich eine Alleinherrschaft über Syrakus errichtet hat, scheint außer Zweifel zu stehen und wird schon durch die schließliche Übernahme des Königstitels bezeugt. 58 Vermutlich ist es aber geraten, die Beweislast umzukehren: Sofern keine starken Indizien für eine tatsächliche Autokratie sprechen, sollte der Tyrannisvorwurf eher als Polemik, mindestens aber als subjektive Zuschreibung aufgefasst werden. Grund dafür ist, dass man es - ähnlich wie bei „Oligarchen“ 59 - ausschließlich mit Fremdbezeichnungen zu tun hat, weshalb in vielen Fällen völlig unklar ist, wie viele Berührungspunkte mit der Realität diese Diskurse jeweils besaßen. 60 Dabei geht es nicht um Kategorien wie „Lüge“ und „Wahrheit“, sondern um die eigentlich selbstverständliche Beobachtung, dass gerade Quellen, die im Kontext interner Auseinandersetzungen entstanden, grundsätzlich unter dem Verdacht stehen sollten, ein sehr subjektives Bild der zumeist traumatischen Ereignisse zu zeichnen. 61 Stasis war auch im Hellenismus eines der größten Übel, die eine griechische Polis treffen konnten, 62 und die Beteiligten hatten allen Grund, post factum eine bestimmte Lesart der Vorgänge in das kollektive Gedächtnis der Bürgerschaft einzuschreiben, 63 sei es eine Amnesie, um eine Versöhnung und Befriedung zu ermöglichen, 64 sei es, dass man die Unterlegenen als Feinde der Demokratie zeichnete. Der Stasis- und Tyrannendiskurs, der sich in der an ein panhellenisches Publikum gerichteten literarischen Tradition greifen lässt, 65 war dabei durchaus verwoben mit der Art und Weise, wie die unmittelbar betroffenen Akteure vor Ort ihre Konflikte konzeptualisierten. So belegt etwa der berühmte hellenistische Bürgereid von Itanos, 66 dass Schlagworte wie Schuldenerlass (χρεῶν ἀποκοπή) und Bodenreform (γῆς ἀναδασμός), 67 die vielfach im Kontext von Staseis und angeblichen Tyrannen begegnen, 68 tatsächlich ihren Platz im öffentlichen Diskurs dieser Polis hatten. 69 Am augenfälligsten aber ist die Verzahnung mit der literarischen Tradition sicherlich in Hinblick auf die Etikettierung der verfeindeten Parteiungen. Dabei sticht 84 Henning Börm ins Auge, dass der Vorwurf, bei der Gegenseite handle es sich um Oligarchen oder Tyrannen, sowohl in literarischen als auch in epigraphischen Quellen gerade für den frühen Hellenismus sehr verbreitet ist. 70 Ein wichtiges weiteres Argument für die Annahme, dass man es in diesem Zusammenhang vielfach weniger mit Tatsachenbeschreibungen als mit Polemik zu tun haben dürfte, ist dabei das, soweit ich sehe, vollständige Fehlen von Aussagen, in denen sich jemand selbst als Oligarch oder gar als Tyrann bezeichnet. 71 Im Verlauf des vierten Jahrhunderts v. Chr. hatte sich nicht nur in Athen im öffentlichen Diskurs die Position durchgesetzt, eine Demokratie - was immer man darunter auch konkret verstehen mochte - sei die einzig legitime und einer griechischen Polis angemessene Regierungsform. 72 Und so beanspruchte offenbar jeder, für die Demokratie zu kämpfen, denn ungefähr gleichzeitig war es auch zu einer diskursiven Verwischung der ohnehin problematischen Unterscheidung zwischen Oligarchie und Tyrannis gekommen, 73 die schließlich zu dem Ergebnis führte, dass beides als gleichermaßen illegitim galt - und mithin als todeswürdig. 74 Dass sich daher auch ein Regime, das nicht nur aus heutiger Sicht deutliche oligarchische Züge trug, selbst durchaus als demokratisch bezeichnen konnte, illustriert gerade das Beispiel des frühhellenistischen Athen. 75 Umgekehrt wiederum schützte auch die Beachtung demokratischer Verfahren nicht unbedingt vor dem Vorwurf, in Wahrheit ein Despot oder Oligarch zu sein; so heißt es im „Tyrannengesetz“ von Ilion aus der Zeit um 280 v. Chr., 76 auch jeder, der auf scheinbar korrekte Weise, aber unter Beugung der Gesetze (κακοτεχνῶν περὶ τοὺς νόμους) Wahlen zu einer Magistratur oder zur Boule durchführe und damit den Anschein erwecke, man lebe in einer Demokratie (ὡς ἐν δημοκρατίᾳ), solle als der Anführer einer Oligarchie betrachtet und bekämpft werden. 77 Bereits das im späten vierten Jahrhundert aufgezeichnete „Tyrannendossier“ von Eresos auf Lesbos bezeichnet nicht einzelne Personen, sondern ganze Gruppen schlicht als τυράννους und nährt damit den Verdacht, dass auch die literarischen Quellen über diese Zeit dieser Praxis folgen. 78 Im Verlauf des dritten Jahrhunderts scheint der Oligarchievorwurf dann an Durchschlagskraft verloren zu haben und im Tyrannisvorwurf aufgegangen zu sein, 79 und bemerkenswerterweise sind für den späteren Hellenismus auch keine Tyrannengesetze mehr überliefert. 80 Damit ist, um es nochmals zu betonen, keineswegs gesagt, dass es sich bei einem derartigen Tyrannisvorwurf um eine bewusste Verleumdung gehandelt haben muss; im Gegenteil, aller Wahrscheinlichkeit nach nahm man die jeweilige Gegenseite oft tatsächlich in dieser Weise wahr. Die charakteristische Neigung griechischer Aristokraten, einander misstrauisch zu beäugen und nicht zuletzt deshalb nach Dominanz zu streben, weil man die Dominanz der eigenen peers fürchtete, bestand im Hellenismus ungebrochen fort. 81 Und so blieb es offensichtlich ein wichtiges und wirksames Instrument der inneren Auseinandersetzungen, sich selbst als Vorkämpfer der Rechte des Demos zu geben und die jeweiligen Rivalen als Oligarchen und Tyrannen darzustellen. Diese Vorwürfe wurden dabei sicherlich nicht nur rein funktional gebraucht, etwa um Gewalt und andere Tabubrüche zu rechtfertigen, sondern dürften die aufrichtige Furcht manch eines Politikers vor einer Übermacht seiner Feinde oftmals durchaus authentisch widerspiegeln. 82 Damit aber besaß der Vorwurf, jemand strebe nach unumschränkter Macht, grundsätzlich eine besonders hohe Plausibilität. 83 Dies betraf im Hellenismus naturgemäß insbesondere Männer wie Lachares, der anscheinend zu den φίλοι des Kassandros gezählt wurde: Gerade weil es den makedonischen Monarchen in ihrem Streben nach einer Kontrolle der griechischen Städte um eine möglichst hohe Stabilität gehen musste, kollidierte die demokratische Polisideologie mit den Machtverhältnissen. Es war schon anspruchsvoll genug, die faktische Hegemonie der Könige über eine Stadt in eine äußerlich akzeptable Form zu überführen, 84 die mit dem Anspruch auf ἐλευθερία und αὐτονομία vereinbar schien. 85 Für die innere Herrschaft der Parteigänger der jeweiligen Monarchen, als die Männer wie Lachares zumindest glaubhaft dargestellt werden konnten, galt dies noch viel mehr, da ihre Präsenz im Alltag weitaus sicht- und spürbarer war als ein ferner König, dessen Existenz man die meiste Zeit ignorieren konnte. 86 Wenn Lachares, wie Pausanias berichtet, die Rückendeckung eines mächtigen Königs besaß, war der Tyrannisvorwurf daher auch dann plausibel und naheliegend, wenn er sich gar nicht zum Herrn über die Polis aufgeschwungen haben sollte. Wer Macht besaß, von dem wurde Machtmissbrauch geradezu erwartet. 87 Aus diesem Grund darf man fast mit Sicherheit annehmen, dass für Lachares und seine Mitstreiter Charias und seine Parteiung diejenigen gewesen waren, die nach der Herrschaft über Athen gestrebt hatten. In diesem Zusammenhang wird man sicherlich regelmäßig auf die Besetzung der Akropolis verwiesen haben, durch die sich Charias und seine Leute in der Tat zumindest sehr verdächtig gemacht hatten, während sich Lachares damals wohl als Vorkämpfer des Demos profilieren konnte, wie es Pausanias ja auch bezeugt. Nach 294 aber scheint es der schließlich siegreichen Partei im Piräus gelungen zu sein, ihre Perspektive als Hauptstrang der Erinnerung durchzusetzen und Lachares als τύραννος, sich selbst hingegen als Demokraten in die Überlieferung einzuschreiben. Dass die Rolle, die Charias in der Stasis von 301/ 300 gespielt hatte, dabei offensichtlich unter den Tisch fiel, war nur folgerichtig: Augenscheinlich waren Charias, Lysandros, Ameinias und Kalliphon durch die Besetzung der Athener Akropolis in den Augen des Demos derart rettungslos kompromittiert, dass sie auch Jahre später nicht als heroische Märtyrer der Demokratie dargestellt werden konnten und daher dem Vergessen preisgegeben wurden. Wer von der Tyrannis des Lachares sprechen wollte, der musste von Charias schweigen. 85 Ein Bollwerk für Tyrannen? Anmerkungen 1 Paus. 1, 25, 7 f. An anderer Stelle (1, 29, 10) erwähnt Pausanias beiläufig die Grabstätten von Männern, die vergeblich versucht hätten, den „Tyrannen Lachares“ zu töten (τοῖς μὲν ἐπιθεμένοις τυραννοῦντι Λαχάρει). 2 Polyain. 3, 7, 1-3. 3 Plut. Demetr. 33. Zu Demetrios’ Agieren nach Ipsos vgl. Anson 2014, 173-186. 4 Hinzu kommt ein kaiserzeitliches Papyrusfragment (Pap. Oxy. X 1235), das erwähnt, eine Komödie Menanders habe während des Archontats des Nikokles (302/ 301) διὰ Λαχάρην τὸν τυραννή ̣ σαντα nicht aufgeführt werden können. Vgl. O’Sullivan 2009, die mit bedenkenswerten Argumenten zu der Hypothese gelangt, es handle sich keineswegs um belastbare historische Informationen, sondern um einen auf eine Fehlinterpretation der Dramen Menanders zurückgehenden späteren Irrtum. 5 Sehr einflussreich war de Sanctis 1928, der bereits bezweifelte, dass Lachares als Vertreter der ‚oligarchischen Partei‘ anzusprechen sei; vgl. auch Osborne 1982, 144-153, Habicht 1995, 88-94 und Grieb 2008, 73-77. Eine sehr gründliche Diskussion bietet Dreyer 1999, 17-110. Vgl. zu Demetrios und Athen zuletzt Wheatley - Dunn 2020, 301-320. 6 Vgl. nur den Überblick bei Berve 1967, 386-475. Vgl. daneben nun auch die Beobachtungen bei Chaniotis 2018, 143-147. 7 Verwiesen sei auf den konzisen Überblick Luraghi 2013a (bes. 135-139) sowie Schmitz 2014, 69-84, Stein-Hölkeskamp 2015, 221-255 und Dreher 2017. 8 Diod. 19, 2-9. Eine erhellende Analyse der Gewaltdarstellungen (nicht nur innerer Gewalt) und der entsprechenden Diskurse in der hellenistischen Literatur bietet Zimmermann 2013, 165-218 (bes. 187-197). Die schillernde Gestalt des Agathokles hat in der Forschung vielfach Beachtung gefunden; vgl. Consolo Langher 2000, Lewis 2006 und Simonetti Agostinetti 2008. 9 Diod. 22, 5, 2; Plut. Mor. 555b. Fuks 1984, 71 listet weitere Quellen auf und konstruiert ausgehend von diesem Beispiel eine neue, „sozialrevolutionäre“ Form der Tyrannis, die im 4./ 3. Jahrhundert aufgekommen sei. 10 Den ausführlichsten Bericht bietet Plutarch (Mor. 250f-253e); ergänzende Details liefern Pausanias (5,-5,-1) und Justin (26,-1). Vgl. zu Aristotimos Muret 1880 und Gómez Espelosín 1991. 11 Plut. Arat. 3,-3 und 9,-3. 12 Ἡ Σικυωνίων πόλις, ἐπεὶ τὸ πρῶτον ἐκ τῆς ἀκράτου καὶ Δωρικῆς ἀριστοκρατίας ὥσπερ ἁρμονίας συγχυθείσης εἰς στάσεις ἐνέπεσε καὶ φιλοτιμίας δημαγωγῶν, οὐκ ἐπαύσατο νοσοῦσα καὶ ταραττομένη καὶ τύραννον ἐκ τυράννου μεταβάλλουσα, μέχρι οὗ Κλέωνος ἀναιρεθέντος εἵλοντο Τιμοκλείδαν ἄρχοντα καὶ Κλεινίαν, ἄνδρας ἐνδόξους τὰ μάλιστα καὶ ἐν δυνάμει τῶν πολιτῶν ὄντας, ἤδη δέ τινα τῆς πολιτείας κατάστασιν ἔχειν δοκούσης Τιμοκλείδας μὲν ἀπέθανεν, Ἀβαντίδας δὲ ὁ Πασέου τυραννίδα πράττων ἑαυτῷ τὸν Κλεινίαν ἀπέκτεινε καὶ τῶν φίλων καὶ οἰκείων τοὺς μὲν ἐξέβαλε, τοὺς δὲ ἀνεῖλεν; Plut. Arat. 2,-1f. Errington 2008 interpretiert dies als „longstanding strife among the ruling families“ (93). 13 Pol. 2, 59, 5f. Vgl. zu dieser Familie aus angeblichen Tyrannen Mandel 1979. 14 Paus. 8, 47, 6. 15 Athenion wird nur bei Athenaios erwähnt (5,-47-53 = FGrHist 87 F 36); Aristion dafür bei Appian (Mithr. 28), Plutarch (Sull. 12,-1) und Pausanias (1,-20,-5). Noch immer lesenswert hierzu sind Niese 1887 und Accame 1946, 163-171. Die grundlegende Untersuchung ist Bugh 1992; wichtige Überlegungen bietet auch Antela-Bernárdez 2015. 16 Plut. Mor. 257a-e. 17 Strab. 14,-2,-19; Ael. Hist. 1,-29; Cass. Dio 51,-8,-2-f.; Val. Max. 1,-1,-19. Grundlegend zu Nikias ist Buraselis 2000, 25-65. 18 Die grundlegende Untersuchung hierzu ist nach wie vor Bowersock 1961. 19 Vgl. pointiert Cartledge 2016: „There occurred an obscure ‚tyranny of Lachares‘; whatever it meant in practice, it symbolised the erosion of the old, largely stasis-free Classical democracy“ (243). 20 Dass damals die demokratischen Institutionen Athens zumindest äußerlich regulär weiterarbeiteten, betont mit Recht unter anderem Habicht 1995, 91; vgl. auch Dreyer 1999, 78-109. Dies alleine muss keineswegs bedeuten, dass keine Tyrannis vorlag, denn eine solche ‚unsichtbare‘ Monarchie oder Oligarchie ist fraglos möglich; sie stellt den modernen Historiker allerdings vor enorme Probleme, wenn er zwischen Polemik und Realität unterscheiden möchte. Dass es sich bei den in IG II 2 1956 genannten Personen um die Leibgarde des Lachares gehandelt hat (Habicht 1995, 92), ist möglich, aber letztlich unbeweisbar. Dass er Söldner kommandierte, ist gut belegt, macht ihn aber nicht automatisch zum Tyrannen. 21 FGrHist 257 F 1-3 (= Pap. Oxy. XVII 2082). Vgl. Ferguson 1929 und Post 1930 sowie nun die Edition und den Kommentar bei Rzepka 2011. 22 Eine sehr dichte Zusammenfassung zum Phänomen „Stasis“ bietet Hansen 2004. Vgl. zur Stasis im Hellenismus nun Börm 2019, 273-311. 23 [ἐσ]τασίασαν δὲ καὶ οἱ τῶν ᾽Αθ ̣ η ̣ [να]ίων στρατηγοί, ὅ τε ἐπὶ τῶν ὅπλων τεταγμένος Χαρίας καὶ [Λ]αχάρης ὁ τῶν ξένων ἡγούμενος· καὶ Χαρίας μὲν τὴν ἀκρόπολιν κατελάβετο; FGrHist 257a F 1. 24 Vgl. Plut. Demetr. 11 und 24,-11. 25 Dreyer 1999, 70 f. hält es für wahrscheinlich, dass bereits Charias mit Demetrios kooperiert und damit die Grundlage für die spätere antigonidische Unterstützung der Piräuspartei gelegt habe. 26 Vgl. Ferguson 1929, 2-4, der als Ursache hierfür vermutet, dass Charias die Kontrolle über den Piräus verloren habe, und überdies annimmt, die Männer, die den Hafen besetzten, seien zu einem späteren Zeitpunkt von Lachares abgefallen. 27 Ein Verwandter des Ameinas hatte 304/ 5 offenbar als Proedros fungiert; IG II 2 796. 28 Die entscheidende Passage muss zwar in weiten Teilen ergänzt werden, doch ist Χαρίου eindeutig lesbar, und auch zu τὴν ἀκρόπολιν ist keine sinnvolle Alternative erkennbar: καὶ τοὺς κα[ταλαβόν]τας μετὰ Χαρίου τὴ[ν ἀκρόπο]λιν καταγωνισάμενος [ὑποσπό]νδους ἀφῆκεν, Χα[ρ]ί[αν δὲ κα] ὶ Πει ̣ θ ̣ ίαν καὶ Λύσανδρον [τὸν Κα]λ ̣ λιφῶντος καὶ ᾽Αμεινίαν [εἰς τὸν] ναὸν καταφυγόντας τῆς [᾽Αθήνη]ς ἐκκλησίαν ποιήσαντ[τες μιᾶι] ψήφωι πάντας ἀπέκτει[ναν… ᾽Α] πολλοδώρ[ου τὸ ψήφι]σμα [γράψαν]τος; FGrHist 257 F 2. 29 Ferguson 1929, 5. 30 Vielmehr erinnert das Vorgehen gegen Charias und die drei anderen an das Schicksal, das einige Jahre zuvor Phokion und seinen Mitstreitern widerfahren war; Plut. Phok. 35, 2. Xenophon berichtet, bereits Sokrates habe im Arginusenprozess (Xen. Hell. 1, 7, 8-35) dagegen protestiert, die sechs Angeklagten gemeinsam zu verurteilen; Xen. Mem. 4,-4,-2. 31 Vgl. Habicht 1995, 92 f. Möglicherweise wurden sie nun von Olympiodoros angeführt, von dem Pausanias berichtet, er habe zu einem unklaren Zeitpunkt den Piräus und die Munychia eingenommen; Paus. 1,-26,-3. 32 Paus. 1,- 25,- 7. Grundlegend zu Kassandros ist nach wie vor Fortina 1965. 86 Henning Börm 33 Thonemann 2005 nennt den Lachares der Quellen treffend einen „implausible stage tyrant“ (64). Vgl. zum griechischen Tyrannendiskurs zuletzt Luraghi 2015. 34 Polyain. 3,- 7,- 1-3. Polyainos schildert, wie Lachares zunächst nach Theben, dann nach Delphi und schließlich nach Lysimacheia geflohen sei; die Listen, mit denen ihm dies jeweils gelungen sein sollen - das Verstreuen von Gold, um Verfolger abzulenken, oder das Verkleiden als Frau -, klingen dabei allerdings eher nach Tyrannentopik als nach realen Ereignissen. 35 Paus. 1,-25,-8. 36 Plut. Demetr. 34. Vgl. hierzu Ferguson 1929 und Shipley 2000: 123. Bemerkenswerterweise erscheinen weder Lachares noch eine Tyrannis in einem Volksbeschluss vom April 294 (IG II 2 646), in dem der Demos Demetrios’ Höfling Herodoros dafür dankt, die Freundschaft mit dem König vermittelt zu haben. Die Inschrift erwähnt zwar δημοκρατία, doch aufgrund einer Lücke im Text ist unklar, ob von einer Beibehaltung oder (wahrscheinlicher) einer Wiederherstellung die Rede ist. 37 Ἦν Κύλων τῶν Ἀθηναίων ἀνὴρ Ὀλυμπιονίκης: οὗτος ἐπὶ τυραννίδι ἐκόμησε, προσποιησάμενος δὲ ἑταιρηίην τῶν ἡλικιωτέων καταλαβεῖν τὴν ἀκρόπολιν ἐπειρήθη, οὐ δυνάμενος δὲ ἐπικρατῆσαι ἱκέτης ἵζετο πρὸς τὸ ἄγαλμα; Hdt. 5,- 71. Vgl. auch Thuk. 1,- 126. Ob die Massenhinrichtungen junger Männer, deren sterbliche Überreste 2016 bei Ausgrabungen in Athen entdeckt wurden, tatsächlich in diesen Zusammenhang gehörten, sei dahingestellt. Vgl. zu Kylon Harris-Cline 1999. 38 Ath. Pol. 15,-4. 39 Hdt. 5,-64; Ath. Pol. 19,-5. 40 Ἀντισταθείσης δὲ τῆς βουλῆς καὶ οὐ βουλομένης πείθεσθαι, ὅ τε Κλεομένης καὶ ὁ Ἰσαγόρης καὶ οἱ στασιῶται αὐτοῦ καταλαμβάνουσι τὴν ἀκρόπολιν. Ἀθηναίων δὲ οἱ λοιποὶ τὰ αὐτὰ φρονήσαντες ἐπολιόρκεον αὐτοὺς ἡμέρας δύο; Hdt. 5,-72. Die Maßnahmen, die Herodot Isagoras zuschreibt - die Verbannung von 700 Bürgern und der Versuch, die Boule aufzulösen -, rücken ihn in die Nähe eines Tyrannen, auch wenn das Wort in der Quelle in diesem Zusammenhang nicht fällt: Es ist eindeutig, dass Isagoras versucht haben soll, mit spartanischer Hilfe die Herrschaft über Athen zu erringen. 41 Vgl. zu Kleisthenes Bleicken 1988, 33-39, Welwei 1999, 1-21 und Stein-Hölkeskamp 2015, 269-274. 42 Die militärische Rolle einer Akropolis im Kontext von Staseis ist im Hellenismus nicht nur für Athen bezeugt. So berichtet beispielsweise Polybios von einer Stasis in Gortyn auf Kreta um das Jahr 220 v. Chr., bei der der Parteiung der „Älteren“ (οἱ πρεσβύτεροι), die sich an Knossos angelehnt hätten, die Besetzung der Akropolis gelungen sei; anschließend seien viele der „Jüngeren“ erschlagen oder verbannt worden; Pol. 4,- 53,- 7-9. Und auch im westgriechischen Kroton kam es 215 zu einer Stasis, von der Livius berichtet, die optimates hätten die Akropolis besetzt, wo sie im Anschluss von ihren Mitbürgern und den mit diesen verbündeten Bruttiern gemeinsam belagert worden seien; Liv. 24,-3,-8f. Eine frühhellenistische Inschrift aus Sagalassos schließlich nennt das Verbot, die ἄκρα zu besetzen, in einem Atemzug mit dem, Verbannungen vorzunehmen oder Parteiungen zu bilden (στασιάζειν); SEG 57, 1409. Vgl. Vandorpe 2007. Vgl. auch StV III 545. 43 Plut. Sull. 14,-7. 44 Epikt. Dialog. 4,-86-88. 45 Liban. loc. comm. 4,-11; 4,-19; 5,-13. 46 Wie wenig in der Forschung das Verdikt der Quellen, Lachares sei ein Tyrann gewesen, bislang in der Regel hinterfragt worden ist (vgl. auch Berve 1967, 387-389, Shipley 2000, 122 f., O’Sullivan 2009, 54 und Anson 2014, 176), zeigt exemplarisch Habicht 1995, der die Nachricht, es sei Charias gewesen, der die Akropolis besetzte, schlicht damit erklärt, dieser habe „offenbar zu seinem Schutz“ gehandelt (91). Auch Dreyer 1999, 73 nimmt an, Charias habe sich wohl erst, nachdem Lachares seine Parteiung aus dem Museion vertrieben habe, zurückgezogen. Skeptischer ist Grieb 2008, 76f. Vgl. nun auch Börm 2019, 54-57. 47 SEG 12,87. Maßgeblich ist nun die Edition IG II/ III³ 1,-320. 48 Engels 1988, 197 weist darauf hin, dass die Stele mit dem Eukratesgesetz bereits 330 offenbar nicht mehr gestanden habe, da Lykurg in diesem Jahr stattdessen auf das Demophantosgesetz verwies; Lyk. Leokrat. 124-127. 49 Ein weiteres Fragment von Pap. Oxy. XVII 2082 erwähnt die Entlohnung fremder Söldner durch eingeschmolzenes Gold vom ἄγαλμα der Athena: κ ̣ α ̣ ὶ ̣ τ ̣ ὸ ̣ [τ]ῆς ᾽Αθ[ηνᾶς ἄγαλμα τὸ] χρυσοῦν, κ ̣ αὶ ἀπ ̣ [ὸ τούτων τοῖς] ξ ̣ έ ̣ νοις ἐμισθοδ ̣ ό ̣ [τει]; FGrHist 257a F4. Die Quelle legt mithin nahe, dass sich Lachares in einer Notlage gezwungen sah, diese zweifellos höchst unpopuläre Maßnahme zu ergreifen, um kampfkräftige Soldaten bezahlen zu können. - Von einer Plünderung der Akropolis durch Lachares - offenbar ließ er die goldenen Schilde, die Alexander nach der Schlacht am Granikos dem Parthenon gestiftet hatte, entfernen - und der Beraubung der Athena (Promachos? ) berichtet ja auch Pausanias, allerdings ohne den Kontext der Maßnahme, die Entlohnung von Soldaten, zu erwähnen; vielmehr scheint Lachares bei ihm - stereotyp tyrannisch - den Frevel aus blanker Habgier begangen zu haben: Er habe auf diese Weise großen Reichtum erlangt; Paus. 1,-25,-7 f. Vgl. auch Plut. Mor. 379d. 50 Dies wirkt bis heute nach. Errington 2008 erwähnt Charias nicht, sondern spricht davon, Lachares habe unter Ausnutzung einer Hungersnot durch einen „putsch that formally left the organs of democracy intact“ (53) die Kontrolle über Athen erlangt. Bayliss 2011 führt aus, Lachares habe einer „military junta led by Charias“ die Macht entrissen und so eine Tyrannis errichtet (64). 51 Ähnliches konstatiert Gauger 2005, 1093 für Demetrios von Phaleron, der bei Pausanias (1,- 25,- 5- f.) als Tyrann firmiert. Bereits Helmut Berve hat das Problem grundsätzlich erkannt, indem er feststellte, dass „der Begriff der Tyrannis seit dem 4. Jahrhundert vorwiegend moralisch gefaßt und weniger zur Kennzeichnung der politischen Situation als zur Charakterisierung der Herrschaftsausübung verwendet wurde“ (Berve 1967, 476). „Noch weniger als in den voraufgehenden Zeiten läßt sich daher aus der bloßen Bezeichnung ‚Tyrann‘ auf eine wirkliche Tyrannis schließen“ (Berve 1967, 383). 52 Καὶ μὴν τό γε τοὺς πολίτας ἀποκτεινύναι μέγιστον ἀσέβημα τίθεται καὶ μεγίστων ἄξιον προστίμων: καίτοι γε προφανῶς ὁ μὲν τὸν κλέπτην ἢ μοιχὸν ἀποκτείνας ἀθῷός ἐστιν, ὁ δὲ τὸν προδότην ἢ τύραννον τιμῶν καὶ προεδρείας τυγχάνει παρὰ πᾶσιν; Pol. 2,-56,-15. Vgl. auch Lévy 1996. 53 Xen. Hell. 7,-3,-12. Vgl. zu diesem Fall auch Lewis 2004: „Viewed from the right perspective, almost any ruler or regime could be claimed as a tyranny, and the judgment we make on any given regime depends to a large extent on the ideology of the historian who described it“ (74). 54 Paus. 8,-27,-11. Vgl. Plut. Philop. 1; Diog. Laert. 4,-31. 55 Paus. 8,-36,-5. Vgl. zuletzt Paradiso 2016. 56 Vgl. Dreyer 1999, 44-47. Dreyer konstatiert zwar, dass Lachares auch 294 noch weite Teile des Demos hinter sich gehabt zu haben scheint (44), schreckt aber augenscheinlich davor zurück, die Kennzeichnung als „Tyrann“ als Polemik aufzufassen. Vielmehr nimmt er an, Lachares habe sich spät und schrittweise in einen Tyrannen verwandelt und seine Gegner hätten ihn möglicherweise rückblickend bereits zu einem Zeitpunkt als solchen geschildert, als dies objektiv noch nicht zugetroffen habe (47). Beachtung verdient dabei auch, dass Dreyer einräumt, der von ihm postulierte „Staatsstreich“ des Lachares sei von 87 Ein Bollwerk für Tyrannen? den Zeitgenossen offenbar nicht als Zäsur verstanden worden (44). 57 Vgl. Luraghi 2018, „The only option available in order to express discontinuity according to the rules of Athenian political ideology required retrospectively to label as oligarchy periods of time when the assembly in its official pronouncements was in fact speaking the language of democracy“ (220f.). Luraghi warnt allerdings zugleich mit Recht davor, allzu vereinfachend von Verzerrung zu sprechen: „This however would be a reductive and unhelpful conclusion, because at a closer scrutiny there is a clear and consistent logic to their distortions. This logic, in turn, is motivated by what I have called the political ideology of the Athenian democracy“ (224). 58 Diod. 20,-54,-1. 59 Vgl. zum Problem der Oligarchie im Hellenismus jüngst Müller 2018. 60 Vgl. zum griechischen Tyrannendiskurs zusammenfassend Luraghi 2015. 61 Vgl. zu dieser transepochal gültigen Beobachtung Veit - Schlichte 2011, 160-162. 62 Dies beklagt Dexippos noch im 3. Jahrhundert n. Chr.: ὅτι ἰσχυρότατον στάσις ταράξαι εὐεξίαν καὶ εὐταξίαν φθεῖραι πόλεώς τε καὶ στρατοπέδων; BNJ 100 F 32f. Dabei bezeugt gerade die fortbestehende Neigung zur sozialen Desintegration (vgl. Börm 2016a, 15-17) die grundsätzliche Vitalität der Polis und ihre Bedeutung für die Lebenswirklichkeit vieler Hellenen in den Jahrhunderten nach Alexander. 63 Vgl. auch Ma 2009, „In the polis, memory remained open to constant reworking“ (252). Vgl. ferner die grundlegenden Überlegungen bei Luraghi 2010. 64 Vgl. zu Versöhnungsversuchen Dössel 2003, Rubinstein 2013 und Gray 2016. 65 Vgl. zum hellenistischen Stasisdiskurs Börm 2018. 66 I.-Cret. III iv 8 (vgl. Syll. 3 526). 67 Grundlegend zum γῆς ἀναδασμός ist Orth 1986, der annimmt, das Phänomen sei „weniger in der realen sozialen Entwicklung, als vielmehr im Bereich der politischen Schlagworte angesiedelt“ (739). Bereits Passerini 1930 verwies darauf, dass von Enteignungen lediglich die unterlegenen Antagonisten betroffen gewesen seien: „La distribuzione di beni fu limitata ai beni di vinti“ (277). Kritik an dieser Argumentation äußert Eich 2006, 543-555, der dafür plädiert, die Aussagen der Quellen ernster zu nehmen. 68 Vgl. auch Gehrke 1985, demzufolge „man bei ‚Bodenreform‘ und ‚Schuldentilgung‘ in erster Linie an Maßnahmen spezifisch tyrannischer Natur“ (325) dachte; ähnlich Orth 1986, 726f. 69 Oὐ[δὲ γᾶς] ἀναδασμὸν οὐδὲ οἰκιᾶν [οὐδὲ] ο ̣ ἰκοπέδων, οὐδὲ χρεῶν ἀ[ποκ]ο ̣ π ̣ ὰν ποιησέω; I.-Cret. III iv 8, Z. 21-24. 70 Mehrere einschlägige epigraphische Zeugnisse diskutiert Teegarden 2014, dessen Interpretation, die die Selbstaussagen der Quellen zumeist für bare Münze nimmt, ich mich allerdings vielfach nicht anschließen kann. Vgl. hierzu prägnant Luraghi 2018: „Very many Hellenistic documents pose a special challenge precisely to interpreters who approach them in order to extract facts from them - facts of the who-did-what-to-whomwhen kind. The ideological constraints presiding over the formulation of these texts often generate statements and narratives that stand in a complex and somewhat oblique relationship to the events they refer to or comment upon“ (210). 71 Laut Aristoteles soll es zu seiner Zeit in einigen oligarchisch regierten Poleis üblich gewesen sein, einen Eid abzulegen, ein Feind des Demos zu sein und diesem nach Kräften zu schaden: νῦν μὲν γὰρ ἐν ἐνίαις ὀμνύουσι: καὶ τῷ δήμῳ κακόνους ἔσομαι καὶ βουλεύσω ὅ τι ἂν ἔχω κακόν; Arist. Pol. 5,-9,-3 (= 1310a). Doch da sich meines Wissens kein einziges derartiges Zeugnis erhalten hat, ist anzunehmen, dass der Philosoph hier Gerüchten und Polemik aufgesessen ist. 72 Vgl. Quaß 1979, 40f., Billows 2003, 209 und Hansen 2006, 112. 73 Vgl. Leppin 2013: „There is no clear mark on the spectrum from oligarchy to democracy which might serve as the boundary between the two“ (147). 74 Vgl. Ober 2003: „Those who seek to replace the democracy with any other form of government are tyrannical. Democracy and tyranny thus define a bipolar political universe. There is no legitimate ‚third way‘ between the rule of the demos and the rule of the tyrant […]. Oligarchs, as nondemocrats, are by democratic ideological definition tyrants. Killers of tyrants are defenders of democracy and therefore deserve immunity, honors, and celebration“ (224f.). Vgl. auch den bei Demosthenes überlieferten Heliasteneid, der Tyrannis und Oligarchie ebenfalls in einem Atemzug nennt; Demosth. or. 24,-149. 75 Laut Strabon behauptete Demetrios von Phaleron in seinen Hypomnemata, er habe die Demokratie in Athen nicht nur nicht abgeschafft, sondern sie sogar gestärkt (οὐ μόνον οὐ κατέλυσε τὴν δημοκρατίαν ἀλλὰ καὶ ἐπηνώρθωσε; Strab. 9,- 1,- 20) - und das, obwohl die Verfassung von 317, die die aktiven Bürgerrechte an einen Mindestzensus band, eigentlich als offen oligarchisch gelten müsste; vgl. Grieb 2008, 66f. Vgl. zu Demetrios zuletzt Faraguna 2016. 76 I.-Ilion 25 (vgl. OGIS 218; IMT Skam/ NebTäler 128). 77 I.- Ilion 25, Z. 111-116. Die Inschrift setzt einen ἡγεμών τῆς ὀλιγαρχίας dabei wiederholt mit einem Tyrannen gleich. 78 IG XII,-2,-526 (vgl. OGIS 8). Vgl. nun die kommentierte Edition bei Ellis-Evans 2012. 79 Vgl. zum Tyrannisvorwurf nun Dreher 2017: „Dennoch muss man sowohl antiken als auch modernen Autoren ein erstaunlich zuverlässiges Gefühl für die Einordnung einer Herrschaft als Tyrannis attestieren. Denn darüber bestehen, trotz der Differenzen in der Begrifflichkeit, schon in der Antike selten Meinungsverschiedenheiten […]; nur bei wenigen Monarchen gehen die Meinungen darüber auseinander, ob sie als Tyrannen gelten oder nicht“ (186). Drehers Bemerkung ist vollkommen zutreffend. Allerdings sind meines Erachtens zwei Einschränkungen zu machen: Zum einen ist die Quellenlage in den meisten Fällen - auch bei Lachares - so dürftig, dass es schlicht unmöglich ist, etwaige „Meinungsverschiedenheiten“ zuverlässig zu greifen; umgekehrt ist sehr gut denkbar, dass viele herausragende Politiker als Tyrannen bezeichnet wurden, ohne dass die entsprechenden Zeugnisse auf uns gekommen sind. Und zum anderen ist zumindest für den Hellenismus bereits die Frage, ob es sich bei bestimmten Personen tatsächlich um Alleinherrscher gehandelt hat, vielfach - wie bereits erwähnt - unmöglich zu beantworten. 80 Auch die Zahl der in den literarischen Quellen als Tyrannen bezeichneten Personen ist für den frühen Hellenismus am größten, im 2. Jahrhundert nimmt sie signifikant ab: Vielleicht schienen damals andere Vorwürfe - insbesondere der, ein ‚Romfreund‘ bzw. ‚Romfeind‘ zu sein - wirksamer zu sein? Für das 1. Jahrhundert jedenfalls sind tatsächliche oder angebliche Tyrannen dann, wie eingangs erwähnt, wieder häufiger bezeugt. 81 Vgl. Scholz 2008, 73 und Gotter 2008a, 196. 82 Vgl. auch die Überlegungen bei Finley 1986: Da Macht nicht „auf einem Amt oder einer anderen formalen Grundlage“ beruht habe, sei es erforderlich gewesen, Rivalen „durch moralische Schmähung, finanzielle Bestrafung und, am besten, physische Entfernung aus der Bürgerschaft durch Exilierung oder Hinrichtung“ persönlich auszuschalten (152f.). 88 Henning Börm 83 Vgl. zu den dahinter stehenden Denkmustern auch Gotter 2008a: „The basic assumption still is that all groups who share in power try to attain ‚absolute power‘, i. e. tyranny“ (196). 84 Hierbei ist wohl mit Bickerman 1939 zu unterscheiden zwischen „freien“ Städten und solchen, die offen der Herrschaft eines Königs unterstanden; vgl. Wiemer 2013, 62-64. 85 Vgl. Chaniotis 2003, 439-443. Vgl. zum grundsätzlich ‚sekundären‘ Charakter der meisten monokratischen Ordnungen in Hellas und Rom - sie operierten in einem diskursiven Umfeld, das eine legitime Alleinherrschaft eigentlich nicht vorsah - die Überlegungen bei Gotter 2008b: 185f. Vgl. auch Luraghi 2013a, 139-144 und Börm 2015, 13-15. 86 Vgl. Savalli-Lestrade 1998 und Strootman 2011, 143-146. Vgl. daneben auch Shipley 2000, 381 und Scholz 2015, 183-186. 87 Vgl. Gotter 2008a, 183-199: „Power was understood as the ability to assert supremacy, if necessary through the application of physical violence; and it rested on the basic premise that whoever had access to power would wield it“ (198). Literaturverzeichnis Accame 1946 S. Accame, Il dominio romano in Grecia dalla guerra acaica ad Augusto (Rom 1946) Anson 2014 E. Anson, Alexander’s Heirs. The Age of Successors (Malden 2014) Antela-Bernárdez 2015 B. Antela-Bernárdez, Athenion of Athens Revisited, Klio 97, 2015, 59-80. Armitage 2017 D. Armitage, Civil Wars. 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Die dunkle Seite der Antike (München 2013) 91 Alte Fragen und neue Fragmente Pfeilermonumente auf der Akropolis und in Athen Manolis Korres Was für ein mächtiger Baukörper und Bildträger ein Pfeilermonument ist, versteht jeder, der vor dem sogenannten Agrippa-Pfeiler an den Propyläen steht. Noch dramatischer wird die ästhetische Botschaft dieses Bautyps allerdings, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass noch weitere Pfeilermonumente, von denen heute nur noch Fragmenten erhalten sind, auf der und um die Akropolis herum sowie an einigen anderen Stellen im Athener Stadtgebiet aufgestellt waren. Im folgenden Beitrag werden die prominentesten Vertreter dieser Gattung, die besonders die Akropolis prägten, detailliert in ihren baulichen und dekorativen Befunden vorgestellt: Der Survey führt vom Agrippa-Monument über den Pfeiler vor der Attalos- Stoa zum Pfeiler an der Nordostecke des Parthenon ( Π 1) und setzt schließlich einen Schwerpunkt auf einen weiteren, dem Agrippa-Monument sehr ähnlichen Pfeiler ( Π 2), der entweder vor der Eumenes-Stoa oder ebenfalls auf der Akropolis zu lokalisieren ist. In der analytischen Betrachtung dieser Monumente fließen Forschungen, die vom Verfasser bereits im Jahr 2000 auf Griechisch veröffentlicht wurden, 1 und neuere Untersuchungen, die hier erstmals vorgelegt werden, ineinander. Daraus soll ein Gesamtbild der Pfeilermonumente in Athen entstehen. Zur Erleichterung der Ausführungen werden die jeweils besprochenen Schrittformen des Pferdes in der Abb. 1, die Befestigungsarten der bronzenen menschlichen Bronzen in der Abb. 2 und die speziellen Arten der Verklammerung, Verdübelung und des entsprechenden Bleivergusses in der Abb. 3 dargestellt. 1. Der Agrippa-Pfeiler Aufgrund der Beobachtungen Dinsmoors 2 ist allgemein akzeptiert worden, dass mit diesem bedeutenden Monument ursprünglich Eumenes II. und Attalos II., die 178 v. Chr. bei den panathenäischen Wagenrennen 3 gesiegt hatten und danach für einen kurzen Zeitraum M. Antonius und Kleopatra geehrt wurden. Schließlich wurde nach der Rasur der älteren Inschrift die Ehreninschrift für Agrippa 4 eingemeißelt. Man geht auch davon aus, dass bei der neuen Widmung nicht nur die Inschrift, sondern auch die zentrale Figur der Komposition ersetzt wurde. Diese Position dürfte die Agrippa-Statue eingenommen haben. Von der Plinthe der Quadriga, die nur aus einer einfachen Steinlage bestand, ist der größte Teil noch erhalten 5 (Abb. 4). Bemerkenswert ist, dass diese Plinthe die gleiche Breite aufweist wie die Plinthe (d.h. die oberste Stufe der Krepis) der Quadriga des Pronapes. 6 Zumindest annähernd gleich sind auch die Längen beider Plinthen 7 . Nach der Anzahl, der Vielfalt und der Anordnung der Zapfenlöcher in der Oberfläche der Plinthe des Agrippa- Abb. 1: Seitliche und diagonale Gangart des Pferdes. Abb. 2: Beispiel nackter oder bekleideter Fußsohlen von Bronzestatuen (mit gestrichelter Linie ist der Bereich angegeben, in dem der ebene Boden berührt wurde): 1. und 4. ohne Stütze; 2. mit dünner Stütze (Wagenlenker in Delphi); 3. mit flacher fortlaufender Stütze (Konon und Timotheos); 5. mit zwei ungleichen Stützen; 6. mit doppelter abgestufter Stütze (Weihung der Kinder des Neson, von Kritios und Nesiotes); 7. mit einfacher hinterer Stütze; 8. mit einfacher vorderer Stütze; 9. mit einfacher hinterer und länglicher vorderer Stütze. 92 Manolis Korres Pfeilers ist es sicher, dass das Monument aufeinander folgende historische Phasen aufweist. Eine sorgfältige Untersuchung dieser Phasen führt zu der Feststellung, dass die Pferde zweimal und der Wagen zumindest einmal ausgetauscht wurden. Eine Unterscheidung der chronologischen Reihenfolge der zahlreichen Zapfenlöcher für die Befestigung der Pferde ist sehr schwierig, aber nicht unmöglich. 8 Zunächst sind schmalere und breitere Zapfenlöcher zu erkennen. Durch die Position der schmalen Zapfenlöcher ist die Möglichkeit auszuschließen, dass sie zu irgendwelchen hypothetischen Hilfsstützen gehörten. Diese Zapfenlöcher haben, auch wenn sie schmal sind, eine Tiefe von 6 bis 6,5 cm, ebenso wie diejenigen für die Pferde des Pronapes. Ihre Breite, wenn auch etwas geringer, ist in jedem Fall ausreichend, um Pferde daran zu befesti- Abb. 3: Das bei den hier zu untersuchenden Monumente angewandte Bausystem, einschließlich der Art der Verklammerung, der Verdübelung und des entsprechenden Bleivergusses. I. Querschnitt. Außenblöcke im pseudoisodomen Verbund (horizontale Α, vertikale Β). Innenblöcke in horizontalen Lagen (a hinter Α, b+c hinter Β). Verdübelungen werden nur bei den Außenblöcken angewendet und folgen zwei Arten: „γα“ = offene (zu einer Fuge „Kantendübel“) und „γκ“ geschlossene („Blinde Dübel“, s. ΙΙ und ΙΙΙ. Erstere wurden von dem offenen Bereich her vor der Anbringung des anschließenden Blockes mit Blei vergossen. Die zweiten über einen Gußkanal (μα). Der Gusskanal setzt in der Regel von außen an. Er kann ferner auch von innen ansetzen, sofern die folgenden beiden Fälle zusammentreffen: der verdübelte Block überdeckt nicht den darunter liegenden Block (dies gilt für die Blöcke B) und sofern seine Innenseite ergonomisch zugänglich ist (d.h. bevor die Innenblöcke versetzt werden). Demzufolge beweisen die Kanäle für den Bleiverguss von innen, sofern er vorliegt, die folgende Reihenfolge des Versatzes: zuerst die Außenblöcke zweier fortlaufender Seiten, danach die Innenblöcke und zum Schluss die Außenblöcke auf den beiden anderen Seiten. ΙΙ. Ansicht des Steinbaus aus Blöcken, die nach dem System „γα-γκ“ verdübelt sind, d. h. mit Kantendübeln und blinden Dübeln. Letztere sind mit eigenen Kanälen verbunden, deren Existenz und Position kleine dreieckige Öffnungen verraten, die an verschiedenen Stellen entlang der Horizontalfugen sichtbar sind. ΙΙΙ. Ansicht des Steinbaus aus Blöcken, die nach dem System „γκ-γκ“ verdübelt sind, d. h. pro Block zwei blinde Verdübelungen, deren Existenz und Position kleine dreieckige Eingangsöffnungen für den Bleiverguss verraten, die (mitunter mühsam) an verschiedenen Stellen entlang der Horizontalfugen erkennbar sind. 93 Alte Fragen und neue Fragmente: Pfeilermonumente auf der Akropolis und in Athen gen. An der Position des rechten äußeren Pferdes sind drei derartige Zapfenlöcher erhalten: zwei für die Hinterbeine (Stein 3, Nr. 2 und 6) und eins für ein Vorderbein (Stein 1, Nr. 3). Aber für das rechte oder das linke? Wenn es dem linken zugewiesen würde, müsste das rechte, für das kein entsprechendes Zapfenloch vorhanden ist, erhoben gewesen sein, was für die zu untersuchenden Monumenten unüblich wäre. Das Pferd wäre schräger ausgerichtet als gewöhnlich und der Abstand zum zweiten Pferd wäre größer als der zwischen dem zweiten und dem dritten. Würde das Zapfenloch dem rechten Bein zugewiesen, ist die Annahme, dass das linke Bein angehoben war, aufgrund der Gangart noch unwahrscheinlicher. Aber warum gibt es kein kleines rundes Zapfenloch auch für dieses Bein? Am wahrscheinlichsten ist, dass auch dieses Bein in einem kleinen runden Zapfenloch befestigt war, das sich jedoch an der Stelle befand, an der später das jüngere, viel breitere Zapfenloch Nr. 4 in denselben Stein eingelassen wurde. (Das kleine rechteckige Zapfenloch Nr. 11 kann nicht als Position für das diskutierte Bein gedeutet werden, da sein Abstand von dem Zapfenloch Nr. 3 viel größer ist als der normale für die Vorderbeine des diskutierten Pferdes.) Ähnlich muss das Zapfenloch Nr. 7 dem rechten Vorderbein des zweiten Pferdes zugewiesen werden. Das Zapfenloch des linken Beines dieses Pferdes muss sich in dem Bereich befunden haben, der später repariert wurde, indem der ursprüngliche Stein abgeschlagen und eine Ergänzung an derselben Stelle (Nr. 1a) eingefügt wurde. Ähnlich ist das Zapfenloch Nr. 2 des Steins 2 dem linken Vorderbein des dritten Pferdes und das Zapfenloch Nr. 4 dem rechten Vorderbein des vierten Pferdes zuzuweisen. Die entsprechenden fehlenden Zapfenlöcher müssen sich an denselben Stellen befunden haben wie die jüngeren breiteren Zapfenlöcher 1 und 6 (des Steins 2). Die breiteren Zapfenlöcher bilden aufgrund ihrer Anzahl und Anordnung zwei Komplexe. Welcher der beiden der jüngere ist, lässt sich an einem Detail des Einschnitts für den Einsatz 1a erkennen. Die einzige Verbindung zur Befestigung dieser Einfügung fällt mit dem Zapfenloch Nr. 5 zusammen. Wenn die Verbindung vor dem Zapfenloch bestand, wäre für die erforderliche Ausarbeitung des Zapfenloches an derselben Stelle nicht nur die Beseitigung der Verbindung notwendig gewesen, sondern auch deren Verlegung an eine benachbarte Stelle. Offenbar war also das Zapfenloch bereits überflüssig geworden, als die Einfügung (Flickstück) angebracht wurde (Abb. 5, 3). Der kleine Teil, der am ursprünglichen Stein des unbrauchbar gewordenen Zapfenlochs verblieb, wurde durch das Anbringen und den Bleiverguss der Verbindung an derselben Stelle verborgen. Demzufolge sind die Zapfenlöcher Nr. 1 und 4 des Steins 1 jünger als die Zapfenlöcher Nr. 2 und 5. Durch diese Differenzierung können mit diesen Detailbeschreibungen der Zapfenlöcher auch die übrigen Zapfenlöcher unterschieden werden, die den vorderen Extremitäten der übrigen Pferde entsprechen. Auf diese Weise lässt sich feststellen, dass die Zapfenlöcher Nr. 8 und 9 in Stein 1 älter sind als das Zapfenloch Nr. 6. Ein weiteres Zapfenloch, das der Nr. 6 entsprach und zeitgleich war, muss sich vor der Abarbeitung für die Einfügung 1a an der Position 10 befunden haben. An Stein 2 wurden die Zapfenlöcher 1 und 3 der zweiten Phase nicht ersetzt. Demzufolge ist nicht vollkommen klar, ob das dritte Pferd aus der zweiten Phase auch noch in der dritten Phase bestand oder durch ein ähnliches ersetzt wurde. An Stein 2 schließlich sind die Zapfenlöcher Nr. 6 und 7 jünger als 5 und 8. Die Ergebnisse der Beobachtungen, die mit den Zapfenlöchern in Zusammenhang stehen, lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: - Die Quadriga war in allen Phasen lebensgroß (Abb. 6). - Die Pferde standen in allen Phasen auf vier Beinen. - Während der ersten Phase (Abb. 5, 1) war die Gangart der Pferde seitlich, Typus II (eher Typus IIa, vgl. oben Abb. 1), also ebenso wie auch die der Pferde des Pronapes. Die mittleren Pferde gingen jedoch weiter voran als die seitlichen, bei der Pronapes-Weihung war hingegen das Gegenteil der Fall. Entgegengesetzt war dementsprechend auch die Synchronisierung der Gangart: das Voranstellen des linken-rechten - rechten-linken Beins bei den Pferden des Pronapes, des rechten-linken - linken-rechten Beins bei den Pferden des pergamenischen Königs. Die beiden Kompositionen sind ähnlich, aber spiegelsymmetrisch. 9 - In der zweiten Phase befanden sich die Pferde nahezu auf einer Linie und ihre Gangart war diagonal, Typus I (wahrscheinlich Ia, s. o. Abb. 1). Die Gangart der beiden mittleren war symmetrisch synchronisiert, die äußeren, die mit dem linken Bein vortraten, waren synchron mit dem zweiten Pferd (Abb. 5, 2). - In der dritten Phase befanden sich alle Pferde auf einer Linie und ihre Gangart war diagonal. Alle traten mit dem rechten Bein vor (Abb. 5, 3). Aber da sich die chronologische Reihenfolge der Zapfenlöcher Nr. 6 und 7 sowie 5 und 8 nicht aus sich selbst ergibt, könnte man sich auch vorstellen, dass die dritte Phase nicht autonom ist, sondern lediglich im Austausch nur eines Pferdes, des ersten, und der Umsetzung des zweiten und vierten Pferdes der zweiten Phase bestand. Aber dies erweist sich letztendlich als unmöglich: Der erhaltene Stein 3 weist keine Befestigungsstelle für das zweite Pferd auf. Unter dieser Voraussetzung ergibt sich ein bestimmter Mindestwinkel hinsichtlich der bekannten Stellen der Vorderhufe dieses Pferdes, innerhalb dessen seine Körperachse denkbar wäre. Wenn derselbe Winkel auch das vierte Pferd kennzeichnen sollte, wäre die Position dieses Pferdes völlig ungewöhnlich, denn dieses stünde in nicht akzeptabler Weise asymmetrisch zum ersten Pferd (Abb. 7). - Unter dem Wagen war auf dem erhaltenen nordöstlichen Stein eine kräftige Stütze angebracht. Das entsprechende Zapfenloch ist noch sehr gut erhalten (Abb. 4, Stein 4 Nr. 5). 94 Manolis Korres Abb. 4: Aufnahme der Oberseite des Agrippa-Pfeilers Abb. 5: Die aufeinander folgenden Phasen der Pferde auf der Oberseite des Agrippa-Pfeilers, Maßstab 1: 40. Abb. 6: Vergleich der Anordnung, der Größe und der Abstände der Zapfenlöcher von fünf Pferden: A. Erstes und zweites Pferd des Pronapes; B. Erstes Pferd des Agrippa-Pfeilers in der ersten Phase; Γ. Erstes Pferd des Agrippa-Pfeilers in der zweiten Phase; Δ. Erstes Pferd des Agrippa-Pfeilers in der dritten Phase. Gangart A und B seitlich, Γ und Δ diagonal. Die kleinen Zahlen geben die Tiefe der Zapfenlöcher an, die großen den mittleren Abstand der vorderen zu den hinteren Hufen (diesem Abstand entspricht die Höhe des Bugs von 1,45 bis 1,50 m und die Höhe bis zum oberen Teil des Kopfes von 1,90 bis 2,00 m). Abb. 7: Agrippa-Pfeiler. Überprüfung einer Hypothese zur dritten Phase: die Unmöglichkeit, das zweite Pferd an der Stelle des vierten aufzustellen. 95 Alte Fragen und neue Fragmente: Pfeilermonumente auf der Akropolis und in Athen - Die Räder berührten den Boden. Nach der Berechnung, die sich auf die aufeinander folgenden Spuren des rechten Rades stützt (Abb. 4, Stein 4 Nr. 3 und 4), 10 betrug der Abstand der Räder mal 1,55 m und mal 1,46 m. - Auf dem erhaltenen nordöstlichen Stein, der die nördliche Hälfte des Wagens trug, befindet sich unmittelbar hinter der Linie der Radachse ein Paar rechteckiger Zapfenlöcher (Abb. 4, Stein 4 Nr. 1, 2), die sicher der Befestigung einer menschlichen Gestalt dienten. Sie entsprechen dem Fall 7 auf der Abb. 2. Eine ähnliche Figur muss auch auf der Südseite (der Hauptseite) angenommen werden. Diese Gestalten dürften die Wagendiener oder Pferdeburschen gewesen sein. Es ist einleuchtend, dass auf dem Wagen von Anfang an nicht bloß ein Wagenlenker stand, sondern der Geehrte oder die Geehrten; in der letzten Phase also Agrippa. Die stark dezentrale Position des erhaltenen Zapfenlochs für die Stütze des Diphros macht es wahrscheinlich, dass sich symmetrisch zu dieser Position eine weitere solche Stütze befand, und begründet folglich die Rekonstruktion entweder zweier Geehrter auf dem Wagen (Eumenes, Attalos) oder eines Geehrten (Eumenes) und einer weiteren Figur, einer Nike oder eines Wagenlenkers. 2. Der Pfeiler der Stifter der Attalos-Stoa Der Pfeiler stand vor der Attalos-Stoa 11 und glich dem Agrippa-Pfeiler; der einzige Unterschied bestand darin, dass auf dem Hypotrachelion der Bekrönung die Rosetten fertig und die darüber folgenden Kymatia plastisch ausgeführt waren. Am Agrippa-Monument ist hingegen das Hypotrachelion als dickes Werkstück 12 stehengeblieben und die Kymatia sind flach ausgeführt. Dieser Pfeiler trug, wie auch die anderen, eine Bronzequadriga, wie die sechs erhaltenen Steinblöcke ihrer Plinthe aus neun Blöcken klar erkennen lassen. Die Geschichte dieses Monuments ähnelt der des Agrippa-Monuments: Zunächst zu Ehren Attalos’ II. aufgestellt, wurde es später auf Tiberius umgeweiht. Die ursprüngliche Inschrift wurde rasiert und eine neue Inschrift 13 zu Ehren des Kaisers eingemeißelt. Es wird allgemein angenommen, dass im Verlauf der neuen Weihung außer der Inschrift auch die zentrale Figur der Komposition ersetzt wurde: Die Position des Attalos muss Tiberius eingenommen haben. Allein aus der einfachen Betrachtung der Quadrigaplinthe lässt sich Folgendes schließen: - Sie war größer als die des Pronapes oder des Agrippa. 14 Ihre Breite entsprach etwa der Länge der anderen. In Analogie dazu war auch die Höhe der Bekrönung größer. Die Schaftsteine weisen in ihrem unteren Bereich T-förmige Einarbeitungen auf, für die besondere Werkzeuge bei der Erprobung der Aufstellung verwendet wurden. 15 - Die Quadriga war überlebensgroß. - Die Pferde traten mit ihren vier Hufen auf. - Zur besseren Stützung der Pferde waren von unten, wahrscheinlich im Nachhinein, zusätzliche Stützen angebracht worden. - Auf dem erhaltenen Stein, der das linke Rad des Wagens trug, befindet sich unmittelbar hinter der Linie der Radachse ein großes Zapfenloch. Da es sich an der Stelle befindet, wo auf anderen Pfeilern menschliche Figuren standen, ist die Annahme einleuchtend, dass dieses Zapfenloch, auch wenn es einzeln ist, ebenfalls eine menschliche Figur getragen haben dürfte (Pferdeknecht). 3. Der Pfeiler an der Nordostecke des Parthenon (Pfeiler Π 1) Auf der bekannten großen rechteckigen Abarbeitung an der Nordostecke des Parthenon (Abb. 8) stand der hohe Pfeiler einer Quadriga, ähnlich jenem des Agrippa. Einzelne Felsabschläge, Dübellöcher, Stemmlöcher und Gusskanäle markieren die Begrenzungen und Ausrichtungen der zehn äußeren Marmorblöcke der unmittelbar darüber liegenden ersten Lage, von denen einer, der zweite der Südseite, aufgrund seiner perfekten Übereinstimmung mit den Begrenzungen im Fels und dem vollkommenen Zusammentreffen zweier Dübellöcher im Fels identifiziert werden konnte (Abb. 9). An den technischen Merkmalen seiner Oberfläche ist festzustellen, dass die zweite Lage, die mit demselben System (γα-γκ, [offener Dübel, sog. Kantendübel - geschlossener Dübel, sog. blinder Dübel] Abb.3) wie die erste verdübelt war, um 16,5 cm weiter nach innen versetzt war und folglich die erste und zweite Lage Teil einer Stufenkrepis waren. Da die Abmessungen der ersten Lage 4,44 × 4,91 m betrugen, dürften die der zweiten Lage 4,11 × 4,58 m betragen haben und, sofern die Krepis dreistufig war, die der dritten Lage 3,78 × 4,25 m. Die recht gute Übereinstimmung dieser Maße mit denen des Agrippa-Pfeilers (3,81 × 4,30 m in der Höhe der dritten Stufe) wie auch die übereinstimmende Höhe des identifizierten Stufenblocks mit denen der Stufen dieser Krepis und schließlich die Ähnlichkeit des Materials (bläulicher Hymettosmarmor), der Bearbeitung und der Bauweise zeigen die enge Verwandtschaft der beiden Monumente. Diese Feststellung wird noch durch die meisten Bruchstücke der ionischen Basis (Abb. 10) des Pfeilerschaftes bestätigt, die mit der des Agrippa-Monuments übereinstimmte, nicht nur hinsichtlich des Materials (weißer pentelischer Marmor), sondern auch hinsichtlich der genauen Form des Querschnitts (Abb. 11). 96 Manolis Korres Besonders interessant sind die zusammengetragenen und bereits sehr zahlreichen Fragmente der Pfeilerbekrönung (Abb. 12). Diese Bekrönung stimmt mit der des Agrippa-Pfeilers überein, nicht nur hinsichtlich des Materials (weißer pentelischer Marmor), sondern auch bezüglich der Gesamthöhe (59 cm) und der Komposition (von unten nach oben): Hypotrachelion, Astragal, lesbisches Kyma, Astragal, ionisches Kyma, Hohlkehle (Abb.-13); sie unterscheidet sich aber darin, dass die Formen, die sie enthält, nicht wie am Agrippa-Pfeiler einfach rau belassen, sondern wie am Pfeiler der Stifter der Attalos-Stoa plastisch ausgeführt sind: Rosetten am Hypotrachelion, Herzblätter am lesbischen Kyma, Eier am ionischen und Wechsel von Palmetten und Lotosblättern an der Hohlkehle. Aber ein so hohes Monument wie das des Agrippa, aufgestellt an dieser Stelle, verdeckte aus bestimmten Blickwinkeln einen großen Teil der Nordostecke des Parthenon und aufgrund der Perspektive auch des Epistyls (Abb. 14). Dass dies tatsächlich der Fall gewesen ist, lässt sich an einer Anomalie feststellen, die ungedeutet, wenn auch nicht völlig unkommentiert geblieben ist: Wie die entsprechenden Stiftlöcher zeigen, war die große Inschrift 16 auf dem Epistyl des Tempels nicht symmetrisch zur Gebäudeachse angebracht, sondern ließ rechts eine große Fläche des Epistyls ungenutzt. 17 Die Anomalie lässt sich jetzt als Anpassung der Inschrift an die damals begrenzte Sichtbarkeit des rechten Teils der Parthenonfront interpretieren. Die Suche nach Steinblöcken, die zum Pfeilerschaft gehören konnten, war durchaus erfolgreich: Bislang wurden 30 Steinblöcke entdeckt, einige über 2 m lang (Abb.- 15), von denen man mit Sicherheit hätte annehmen können, dass sie vom Agrippa-Pfeiler stammten, wenn dieser nicht unversehrt erhalten geblieben wäre. Sie sind aus demselben bläulichen Hymettosmarmor und in niedrigen (Typ A, siehe Abb. 3.I) und hohen Lagen (Typ B) von gleicher Höhe wie die nach pseudoisodomem System gefügten entsprechenden Lagen des Agrippa-Pfeilers. Eine sehr bedeutende Folge des Kollationierens der Fragmente war auch die Identifizierung der Inschrift des Monuments, die, in vier dieser Steinblöcke eingemeißelt, keine andere ist als die bekannte IG II 2 3272. Diese Inschrift (Abb. 16a) nimmt, wie auch diejenige des Agrippa-Monuments (Abb. 16b), die Stelle einer rasierten älteren Inschrift ein, deren Spuren die Lesung einiger Buchstaben einschließlich des gesamten letzten Wortes: αὐτῶν ermöglichen. 18 Die Feststellung, dass die Inschrift IG II 2 3272 von dem zu untersuchenden Monument stammt, führte zwangsläufig zur vollständigen Revision der älteren Ergänzung, 19 aber auch zu einigen epigraphischen Schwierigkeiten, die darauf zurückzuführen sind, dass die Berechnung der Breite des Pfeilers vor dem Parthenon durch die Rekonstruktion seiner Krepis bedingt wird. 20 4. Pfeiler ähnlich dem Agrippa-Pfeiler ( Π 2) Dass noch ein weiterer Pfeiler der vorangegangenen Art existierte, wurde zunächst durch zwei Bekrönungsfragmente offenbar (Abb. 17), 21 deren Merkmale in den Abmessungen, in der Bearbeitungstechnik und sonstigem identisch sind mit denjenigen der Bekrönung des Agrippa-Pfeilers. Beide überschreiten in den Abmessungen das größte der fehlenden Fragmente der Bekrönung des Agrippa-Monuments (der Südwestecke), und die Verwitterung ist nahezu die gleiche wie die am bestehenden Monument. Folglich gehören sie auch nicht zu einem älteren Teil dieses Monuments, das bei einer antiken Reparatur ersetzt worden sein könnte. Aber während die genannten Fragmente einen sehr geringen, aber doch erkennbaren Teil des Monuments repräsentieren, gibt es auf der Akropolis einige verstreute voluminöse Steine, deren Zusammenhang mit diesem Monument trotz ihrer Größe nicht erkannt werden konnte, da ihre jetzige Form das Ergebnis einer fast vollständigen Umarbeitung aufgrund einer neueren Verwendung ist. Da die meisten von diesen im Bereich des Brauronion liegen, vermischt mit Baugliedern vorwiegend des Südwestflügels der Propyläen, ist es einleuchtend, dass auch diese im mittelalterlichen Turm wiederverwendet worden waren, der bis 1875, dem Zeitpunkt seiner systematischen Zerlegung, an der Stelle des zuvor erwähnten Flügels der Propyläen stand. Bislang hat der Verfasser (außer den kleinen Fragmenten) nur drei Steinblöcke identifiziert, die von der Bekrönung des Monuments stammen (Abb. 18-20 und 13.2), und fünf - einer von ihnen in der Terrasse der Chalkothek, einer an der Ostmauer -, die von seiner Basis stammen (Abb. 21, 22 und Abb. 11. Π 2). Da sich in dem Steinhaufen, in dem die kleinen Fragmente gefunden wurden, auch sehr viele befinden, die von Monumenten außerhalb der Akropolis stammen, und da in nicht wenigen Fällen 22 in verschiedenen nachantiken Epochen schwere Marmorblöcke auf die Akropolis transportiert wurden, wäre es allerdings auch möglich, dass die voluminösen Blöcke des Pfeilers trotz ihrer Größe nicht von der Akropolis stammen. 23 Es ist jedoch prinzipiell wahrscheinlicher, dass das unbekannte Monument ebenfalls auf der Akropolis gestanden hat. In diesem Fall wäre es folgerichtig, dass zu diesem auch die zuvor erwähnten (Blöcke aus hymettischem Marmor) eines im pseudoisodomen Verbund errichteten Schaftes gehören. Dieser Befund auf der Akropolis ist nun allerdings mit einem zweiten zusammenzuführen: Im Bereich hinter der Eumenes-Stoa, in der Nähe des Herodes Atticus- Odeions, sind bereits vor langer Zeit etwa hundert blau- 97 Alte Fragen und neue Fragmente: Pfeilermonumente auf der Akropolis und in Athen Abb. 8: Abarbeitungen, Verdübelungen und Stemmlöcher im Fels an der Nordostecke des Parthenon. Im Maßstab 1: 50 gedruckt (88,5 mm = 4425 mm). Abb. 9: Block der ersten Stufe der Krepis des Pfeilers Π 1. 98 Manolis Korres Abb. 10: Fragmente der ionischen Basis des Pfeilers Π 1 (a, b) (10b mit Inv. Nr. 1282, ESMA Archiv). Abb. 11: Zeichnerischer Schnitt der Basis des Agrippa-Pfeilers, der Basis des Pfeilers Π 1 und der Basis des Pfeilers Π 2: vergleichende Gegenüberstellung. 99 Alte Fragen und neue Fragmente: Pfeilermonumente auf der Akropolis und in Athen Abb. 12: Fragmente der ionischen Bekrönung des Pfeilers Π 1 (a, b, c, d) (12a mit Inv. Nr. 3156, 12b mit Inv. Nr. 1657, 12c mit Inv. Nr. 1924 und 12d mit Inv. Nr. 3063, ESMA Archiv). Abb. 13: Vergleichende Gegenüberstellung der Schnitte der Bekrönung des Agrippa-Pfeilers (1), des Pfeilers Π 1 (2) und des Pfeilers Π 2 (3), Maßstab 1: 4. 100 Manolis Korres Abb. 14: Das Monument an der Nordostecke des Parthenon, Rekonstruktion. Abb. 15: Steinblock einer der Hohen Lagen (Typ. B) aus hymettischem Marmor, später als Türschwelle (mit mehreren Phasen) wiederverwendet. 101 Alte Fragen und neue Fragmente: Pfeilermonumente auf der Akropolis und in Athen Abb. 16a: Die Inschrift (IG II 2 4122) des Agrippa-Pfeilers Abb. 17 (a, b): Fragmente der ionischen Bekrönung des Pfeilers, ähnlich dem Agrippa-Pfeiler (Inv. Nr. 24001 a: Vorderseite, b: Oberseite, c: Inv. Nr. α1767, ESMA Archiv). Abb. 16b: Steinblöcke mit den erhaltenen Teilen der Inschrift IG II 2 3272 und Spuren der Rasur einer älteren Inschrift. 102 Manolis Korres Abb. 18 (a, b): Umgearbeiteter Steinblock (Inv. Nr. 24003 a: Vorderseite, b: Oberseite, ESMA Archiv) des Pfeilers, ähnlich dem Agrippa- Pfeiler. Abb. 19 (a,b): Umgearbeiteter Steinblock (Inv. Nr. 24002, ESMA Archiv) und Fragmente der Bekrönung des Pfeilers, ähnlich dem Agrippa-Pfeiler. Abb.-19b: Detail mit dem Kymation Abb. 20: Umgearbeitete Steinblöcke der Bekrönung des Pfeilers Π 2 in ihrer ursprünglichen Form und Einrichtung. Die Auffindung der Anordnung gründet sich auf: a) die Kriterien der Versatzrichtung, b) auf die Annahme kanonischer Anordnung der Plinthenblöcke (wie bei der Pronapes-Quadriga und jener vor der Attalos-Stoa - nicht aber der des Agrippa! ) und c) der je nach Ausrichtung unterschiedlichen Erosion der ursprünglichen Oberflächen, die sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausrichtung bei der Wiederverwendung von derjenigen der neuen Oberflächen unterscheidet (Block Nr. 1 mit Inv. Nr. 24002, Block Nr. 2 mit Inv. Nr. 24001, Block Nr. 3 mit Inv. Nr. 24003, ESMA Archiv). 103 Alte Fragen und neue Fragmente: Pfeilermonumente auf der Akropolis und in Athen Abb. 21 (a, b): Umgearbeitete Steinblöcke (a: Inv. Nr. 23682-23773 und b: 23683+23771, ESMA Archiv) der ionischen Basis des Pfeilers Π 2 (ähnlich dem Agrippa-Pfeiler). Abb. 22: Umgearbeitete Steinblöcke der ionischen Basis des Pfeilers Π 2 (ähnlich dem Agrippa-Pfeiler) in ihrer ursprünglichen Form und Einrichtung. Maßstab 1: 20. Die Auffindung der Anordnung gründet sich auf die Gesamtheit der Kriterien der Versatzrichtung der Blöcke selbst und der Versatzrichtung sowie der Art der Verdübelung mit Bleiverguss von außen oder von innen der darüber liegenden Blöcke (s. Abb. 3) (Block Nr. 2 oben mit Inv. Nr. 24004, Block 2 links mit Inv. Nr. 23682-23773, Block Nr. 3 oben an der rechten Ecke mit Inv. Nr. 23937, Block Nr. 5 mit Inv. Nr. 23683-23771, Block 8 mit Inv. Nr. 24005, ES- MA Archiv). 104 Manolis Korres graue Marmorblöcke mit geringen Mörtelresten aufgetaucht, der bei ihrer Wiederverwendung in einem mittelalterlichen Mauerwerk angebracht worden war. Nach dessen Abriss hatte man die Steine hinter der Eumenes- Stoa gelagert. Im Jahre 2003 ordnete V. Anastasias diese Marmorblöcke einigen anderen ähnlichen zu, die er in der Umgebung entdeckte. Nach Auffassung des Verfassers dürften die genannten Steine zu einem hohen Pfeiler gehört haben, ähnlich demjenigen vor den Propyläen (bekannt als Agrippa-Monument) und jenem, der einstmals vor der Nordostecke des Parthenon (Pfeiler Π 1) stand. Dieser unbekannte Pfeiler könnte daher durchaus Π 2 gewesen sein, dessen Existenz aufgrund der bereits erwähnten Basis- und Bekrönungsfragmente aus weißem Marmor, die nicht zum Agrippa-Pfeiler oder zu Π 1 gehören, zu erschließen ist. Die Existenz eines Monuments dieser Art vor der Attalos-Stoa (s. o. Nr. 4.) kann natürlich leicht zu der Annahme führen, dass ein ähnliches, also vielleicht Π 2, vor der Eumenes-Stoa gestanden hatte, selbst wenn noch unbekannt ist, ob vor der Stoa in dem zum Teil nicht ausgegrabenen Boden ein entsprechendes Fundament oder eine Fundamentaushebung vorhanden war oder nicht. Die Wiederverwendung der blaugrauen Marmorblöcke in einem Werk, das von der Mitte der Stoafront 170- m entfernt ist und einen großen Höhenunterschied aufweist, spricht auch nicht grundsätzlich gegen die Annahme, dass sie von einem Monument vor der Stoa stammen könnten: Der mittelalterliche Turm des Parthenon wurde im 13. Jahrhundert mit Steinen erbaut, die größtenteils aus der Auflösung der Ostmauer des Philopappos-Monuments herrührten (ein Abstand von 750 m mit 60 m Höhenunterschied). Unabhängig davon sind auch andere Stellen auf der Akropolis möglich, wie z. B. eine Position am Nordende der großen Treppe westlich des Parthenon (mehr zu dieser Problematik s.u. ***). Trotz der oben genannten Unsicherheiten folgte der Antikendienst dem, was der Verfasser für das Wahrscheinlichste hielt, und V. Anastasias sorgte dafür, dass die bedeutendsten Marmorblöcke, etwa 70 vollständige oder fragmentierte, die den Außenlagen des Monuments angehören, verlagert und auf dem Fassadenfundament der Stoa, etwa in der Mitte der Langseite, zusammengetragen wurden (Abb. 23a); andere hingegen, ein paar Dutzend weniger bedeutende, die zum Innenauf bau gehörten, blieben im Bereich zwischen Stoa und Peripatos in der Nähe des Herodes Atticus-Odeions (Abb. 23b). Die dem Pfeiler Π 1 und Π 2 zugewiesenen äußeren blaugrauen Steinblöcke unterscheiden sich, wie auch die Steinblöcke des Agrippa-Monuments, in flache A (Abb. 13, 16, 24, 31) und hohe Β (Abb. 15, 16, 25-27, 32), sind aber hinsichtlich ihrer Höhe perfekt standardisiert: bei allen drei Monumenten beträgt die Höhe A 23 cm (= 13 Daktyloi) und die Höhe Β 64,5 cm (= 2 Fuß und 3 Daktyloi). Aufgrund dieser Gleichheit und angesichts der Tatsache, dass die Gesamtzahl der erhaltenen äußeren blaugrauen Steinblöcke des Typus A und des Typus B der Pfeiler Π 1 und Π 2 erheblich geringer ist als die Menge der entsprechenden Steinblöcke des Agrippa-Monuments (70A und 74B), könnte man in Zweifel ziehen, dass die blaugrauen Steinblöcke danach zu unterscheiden sind, ob sie zu Π 1 oder zu Π 2 gehören und sich fragen, ob nicht alle tatsächlich nur einem der beiden Monumente zuzuweisen sind. Glücklicherweise besteht eine solche Unsicherheit nicht, da die obige Unterscheidung unterschiedlichen Details in der Steinbearbeitung und vor allem Unterschieden im System der Verdübelung entspricht. Die Steinblöcke auf der Akropolis, die Π 1 zugewiesen werden, haben das Verdübelungssystem γα-γκ (siehe Abb. 3.II), die Steinblöcke bei der Eumenes-Stoa, die Π 2 zugewiesen werden können, das Verdübelungssystem γκ-γκ (siehe Abb. 3.IIΙ). 24 Die horizontalen Verbindungen der Steinblöcke, sowohl der flach gesetzten (Α) als auch der vertikal gesetzten (Β), zeigen die gewöhnlichen Klammern in Form eines Π an den Enden, aber auch andere im hinteren Teil zur Verbindung dieser Steinblöcke mit den inneren Blöcken. Im vorliegenden Fall besteht der innere Aufbau (Abb. 3.I, Abb. 28), anstatt wie gewöhnlich aus einer Zusammensetzung aus geringerwertigem Material, z. B. Porosstein oder Konglomeratstein, gleichermaßen aus länglichen blaugrauen flachgesetzten Marmorblöcken, die aber nur grob mit dem Spitzmeißel bearbeitet sind, der lediglich die im Steinbruch mit grobem Schlageisen gestaltete Oberfläche ebnet. Randstreifen fehlen vollständig, und nur an sehr wenigen Stellen ist die mit dem Spitzmeißel gestaltete Oberfläche mit einem etwas feineren Spitzmeißel oder einem Zahneisen, wahrscheinlich einem Fäustel, weiter geglättet. Dennoch waren die Auflagerflächen trotz der rauen Bearbeitung hinreichend eben, und in jedem Fall konnten, wo es nötig war, noch einige Scheiben aus Blei oder sehr feine Schichten aus Lehm vermischt mit Sand, die für die Aufnahme hohen Drucks völlig ausreichten, zwischengeschoben werden. Aufgrund der Querverbindung sowohl mit den Steinblöcken A als auch mit den Steinblöcken B entsprechen die Blöcke des inneren Aufbaus den äußeren wie folgt: eine Lage (a) von 23 cm Dicke hinter den Blöcken A und zwei aufeinander folgende Lagen aus Steinen (b, c) von ca. 32 cm Dicke hinter den Blöcken B. Angesichts der Tatsache, dass bei den Steinen von a sehr wenige Klammerlöcher für Verbindungen zu beobachten sind und noch weniger bei den Steinblöcken von 32 cm Höhe (denn nur die Steine c hatten eine gemeinsame Oberfläche mit den Blöcken B), ist zu folgern, dass die Steine des inneren Aufbaus zahlreich waren, die gesamte Fläche einnahmen und es zwischen ihnen keine eisernen Verklammerungen gab. Wie überdies auch ihre längliche Form zeigt, müssen sie über Kreuz verlegt gewesen sein (Abb. 3.I, Abb. 28), in einer Weise, die dem Aufbau ohne die Notwendigkeit eiserner Verklammerungen eine sehr große Stabilität verlieh. 105 Alte Fragen und neue Fragmente: Pfeilermonumente auf der Akropolis und in Athen Die Verwendung von Marmor auch im Inneren scheint, auch wenn es einen Luxus darstellt, keine große Kostensteigerung hervorgerufen zu haben: Die weitere Bearbeitung der im Steinbruch hergestellten Form war fast zu vernachlässigen und die Entsprechung der Formen zu jenen des äußeren Auf baus ist offenbar auf eine einheitliche Routine des Herausbrechens zurückzuführen, die einen großen Spielraum in der Auswahl zuließ, wobei die besseren Stücke für den äußeren Aufbau ausgewählt wurden. Dies erlaubte eine vollständige Abnahme der gebrochenen Marmorblöcke, unabhängig von Mängeln aufgrund von Erosion, die häufig an diesen Blöcken breite Eintiefungen oder manchmal auch Aushöhlungen verursachte. Aber dieses Phänomen war so gewöhnlich, dass, obwohl solche Marmorblöcke intentional nur für den inneren Auf bau ausgewählt wurden, einige der mit Mängeln behafteten Marmorblöcke auch für den äußeren Auf bau verwendet wurden, sogar für die Hauptansichtsseite, an der sich die Weihinschrift befand. Persönlich neigt der Verfasser eher zu der Auffassung, dass auf den Oberflächen des Monuments einige natürliche Höhlungen der Steine exponiert blieben (Abb. 16b Inschrift IG II 2 3272, 25, 29) - die aber jederzeit mit eingefügten Flickungen verdeckt oder mit geeignetem Kalkmörtel ausgefüllt werden konnten. Die äußeren Steine weisen eine nicht mehr als notwendige Bearbeitung der statisch anspruchsvollen Oberflächen auf: Die Auflager sind nur der Länge nach an den Außenkanten mit einem fein bzw. einem grob gezahnten Werkzeug geglättet, hingegen auf der übrigen Fläche hauptsächlich mit einem feinen Spitzmeißel und zum Teil nur mit einem grob gezahnten Werkzeug geebnet (Abb. 29, 30). Die Randstreifen bei den Anathyrosen sind von sehr mäßiger Qualität. Die Außenflächen wurden mit fein gezahnten Werkzeugen bearbeitet, deren Spuren erkennen lassen, dass der Strich von unten nach oben erfolgte. Dies beweist eine Vorbereitung vor der Versetzung, ohne Absicht auf eine einheitliche Abnahme des Werkzolls nach der Versetzung. Dennoch zeigen die gezahnten Werkzeuge eine Vielfalt im Abstand der Zähne, und es gab, wie es scheint, zumindest in dieser Phase kein ausgeprägtes Interesse daran, dass die einzelnen Steinblöcke sehr homogen waren. Abgesehen davon scheint, zumindest im Ausnahmefall, eine intensive Bearbeitung nach der Versetzung möglich gewesen zu sein. Dies erfolgte bei einem Stein (Abb. 24) des Typus A, dessen ursprünglich vorbereitete Ansichtsseite nicht in die Gesamtfläche integriert wurde, sondern weiter außen und zudem schräg versetzt wurde, wobei vorgesehen war, dass er erneut in Übereinstimmung mit der Gesamtfläche bearbeitet werde. Diese Prognose zeigt sich in einer Lehre unten, die sich merkwürdig nach rechts verringert, und einer Zwischenlinie, die zur vorherigen senkrecht verläuft. Wo aber das Halbfertige klar zum Ausdruck kommt, ist die ionische Basis vom attischen Typus (Abb. 21-22) aus pentelischem Marmor auf der Akropolis, wie auch die gleichfalls aus pentelischem Marmor gearbeitete Bekrönung, ebenfalls auf der Akropolis (Abb. 13.2, 18-20), die, wie auch der Pfeiler des Agrippa, in der Zone unter den Kymatien einen Werkzoll von mindestens 3 cm Dicke aufweist. Dieser Werkzoll war geeignet, um aus ihm reliefierte Rosetten zu bilden, entsprechend denen des Pfeilers Π 1 und jenen des Pfeilers vor der Attalos-Stoa. Insbesondere für die ionische Basis (Abb. 21, 22) gilt, was bei bedeutenden Monumenten (Didyma, Sardeis), aber auch bei den meisten anderen (östliches Propylon der Römischen Agora in Athen) zu beobachten ist, wo im Moment der Versetzung des Bauteils nur ein sehr geringer Teil der Skulpturarbeit vorbereitet ist: die untere Hälfte der unteren Spira, wohingegen der Rest bis zur oberen Spira und Schaftausladung erst nach der Versetzung oder sogar nach Fertigstellung des ganzen darauffolgenden Aufbaus bearbeitet werden sollte. Diese Maßnahme sorgte für den schnelleren Fortschritt bei der Errichtung (umso mehr, wenn auch politische Umstände es verlangten), aber auch für eine nicht zu unterschätzenden Einsparung von Geldern, und zugleich bot sie absolute Sicherheit am Baukörper für die zukünftig auszuarbeitende Form gegenüber etwaigen Bestoßungen. Der Zustand der blaugrauen Steinblöcke, die Π 2 zugewiesen werden, unterscheidet sich sehr von jenem der Steinblöcke der Basis und seiner Bekrönung, und demzufolge ist die oben genannte Hypothese, dass alle gemeinsam aus der Auflösung ein und desselben Monuments stammen, nicht frei von Zweifeln. Aber bevor wir uns von solchen Zweifeln mitreißen lassen, sollte man sich in Erinnerung rufen, dass die Wiederverwendung der Steine des Stifter-Baus gewöhnlich nicht generell, sondern selektiv oder nach einer speziellen Auswahl erfolgte. 25 Die blaugrauen Steinblöcke, die, als sie wiederverwendet wurden, noch zum größten Teil unversehrt gewesen sein müssen, 26 stammen alle aus Lagen des Typus A oder B, aber keiner aus der ersten Lage, die eine Höhe von drei Fuß (=-~Α+Β) gehabt haben muss. Steinblöcke dieser Lage müssen ausgewählt worden sein, um an anderer Stelle des Baus oder in einem anderen Bau wiederverwendet worden zu sein, vielleicht zusammen mit den Steinblöcken ähnlicher Größe von der Plinthe der Quadriga, sofern diese noch verfügbar waren. In ähnlicher Weise müssen auch die Steinblöcke aus weißem Marmor von der Basis und der Bekrönung ausgesondert worden sein, um sie an irgendeiner anderen Stelle wiederzuverwenden. Die vorliegende Gestalt der letzteren ist folglich das Ergebnis einer weiteren Wiederverwendung (mittelalterlicher Turm der Propyläen). Daraus ergibt sich eine Frage, die entscheidend für die exakte Rekonstruktion ist und gleichzeitig hilft, die Absicht sowie die Art der Demontage des Monuments zu erkennen: Angesichts der Tatsache, dass die verfügbaren äußeren Steinblöcke des Typus A und des Typus B jeweils nur 20- % und 25- % der ursprünglichen Menge entsprechen, wie groß ist dann die Wahrscheinlichkeit, 106 Manolis Korres dass diese Steinblöcke aneinander angrenzten? Dies wäre zudem die plausible Grundvoraussetzung, ihre ursprüngliche Position zu erschließen, da die Positionen der Einlassungen für die Verklammerungen nicht so verschieden sind, als dass sie ein brauchbares positives oder negatives Kriterium für ein Aneinandergrenzen böten. Um die Höhe der Position eines jeden Steinblocks ausfindig zu machen, erweist sich mit gewissen Vorbehalten vorläufig als brauchbarstes Kriterium die unterschiedliche Dicke, die zwischen den Steinblöcken des Typus B gemessenen wurde (max. 35 cm, min. 22 cm) und die der Verjüngung der Breite des Monuments nach oben zu folgen scheint (beim Agrippa-Monument erreicht die Verjüngung der Breite nach oben fast 25 cm). Es stellt sich zudem die Frage nach der Breite der zu untersuchenden Monumente, denn sie ist entscheidend für die richtige Relation der Basis, des Schaftes, der Bekrönung, der Inschrift und ihrer Position. Die Rekonstruktion der Inschrift IG II 2 3272 (Abb. 16b) zeigt, dass der Pfeiler, auf dem diese eingemeißelt war, etwa um einen halben Fuß breiter war als jener des Agrippa. Folglich wäre die die Zuweisung der Inschrift IG II 2 3272 dem besprochenen Pfeiler vor der Nordostecke des Parthenon nur möglich, wenn die Krepis zwei und nicht drei Stufen hätte oder wenn die dritte Stufe nur wenig zurückgesprungen wäre. Das wäre zwar ungewöhnlich, aber doch möglich wegen der großen baulichen Gedrängtheit am konkreten Ort. Es gibt aber, wie bereits erwähnt, noch die folgende Möglichkeit: der Pfeiler Π 1 war an anderer Stelle errichtet, wahrscheinlich westlich des Parthenon, und an der Nordostecke des Parthenon stand ein anderer Pfeiler, ein exakt gleicher wie der des Agrippa. Aber für die Position des Pfeilers Π 1 an der Nordostecke des Parthenon spricht das System der Verdübelung (System γα-γκ, siehe Abb. 3.II), das sowohl dem der Steine mit der Inschrift als auch dem auf der Oberfläche des Felsens entspricht. Angesichts der Tatsache, dass wenigstens zwei Pfeiler (außer dem des Agrippa) existierten, ist die Verbindung der verfügbaren Fragmente der Bekrönung mit einem der beiden nicht selbstverständlich. Da an diesen Steinblöcken nicht ausreichende Dübellöcher erhalten sind, die für eine Einteilung nach dem System der Verdübelung (nach Abb. 3.II oder III) derselben oder der darüber folgenden Steinblöcke der Plinthe der Quadriga geeignet wären, muss man weitere Kriterien berücksichtigen und folgende Schlüsse ziehen: 1) Die gemeinsame Verwendung der Blöcke der Bekrönung und der ionischen Basis (drastische Wiederbearbeitung und Einverleibung in den mittelalterlichen Turm) stellt einen ernstzunehmenden Hinweis auf die gemeinsame Herkunft aus ein und demselben Pfeiler dar. 2) Die ionische Basis, von der die genannten wiederbearbeiteten Blöcke stammen, war unvollendet. Dies gilt für mindestens drei ihrer vier Seiten (s. Abb. 22 und die auf Abb. 3 ausgeführten Kriterien). 3) Die ionische Basis, von der die kleinen Fragmente stammen (Abb. 10), war auf zumindest zwei ihrer Seiten vollständig bearbeitet (eines der Fragmente ist von einem Eckstück). 4) Die Fragmente der Reliefbekrönung (die Π 1 zugewiesen werden) können nicht mit den Blöcken der nicht reliefierten Bekrönung zusammengehören (im hypothetischen Fall einer unterschiedlichen Ausarbeitung der Seiten ein und derselben Bekrönung c), denn die einzelnen Höhen der Kymatien stimmen nicht überein (Abb. 13). 5) Die erhaltenen Blöcke der Krepis von Π 1, einer der untersten Stufe (Abb. 8) und der Eckblock der obersten, sind vollständig bearbeitet. Beim Agrippa-Pfeiler sind nur die Blöcke der dritten Stufe vollständig bearbeitet - sodass sie mit der auf dieser Stufe befindlichen vollständig bearbeiteten ionischen Basis übereinstimmen. 6) Bei allen oben genannten Blöcken folgt die Verdübelung dem System γα-γκ (Kantendübel-blinder Dübel). 7) Merkwürdigerweise waren die vor der Eumenes- Stoa gelagerten Blöcke nach dem System γκ-γκ (blinder Dübel-blinder Dübel) verdübelt (Abb. 25-27). Dies könnte auf noch eine unterschiedliche Herkunft verweisen (von einem hypothetischen Pfeiler Π 3), oder dass an dem Pfeiler Π 2 außer dem System γα-γκ (an der Basis und der Bekrönung) auch noch das System γκ-γκ (am Schaft) zur Anwendung gekommen war. Diese Technik (zwei Systeme an demselben Bauwerk) wäre nicht ungebräuchlich, denn etwas Ähnliches (unregelmäßig, aber nicht systematisch) ist am Agrippa-Pfeiler festzustellen (wenn man den Rhythmus der ganz kleinen dreieckigen Öffnungen an den Eingangsstellen des Bleivergusses beobachtet). 8) Die Feststellung, dass die Quadriga auf dem Agrippa-Pfeiler (2. Jh. v. Chr.) auf einer Plinthe desselben Formats wie die Plinthe der Quadriga des Pronapes (Mitte des 5. Jhs. v. Chr.) stand, macht es wahrscheinlich, dass dieses Format in Athen die diachrone Norm für eine lebensgroße Quadriga dieser Art darstellte. 9) Auf der Oberfläche der großen Blöcke der nicht reliefierten Bekrönung, aber auch an Fragmenten der reliefierten Bekrönung kennzeichnen aus Erosion entstandene Spuren die Grenze der Marmorplinthe, auf der die Quadriga stand. Daraus ergibt sich, dass diese Plinthe auf dem Pfeiler mit der reliefierten Bekrönung um einen halben Fuß breiter war als der Schaft; dagegen war sie bei dem Pfeiler mit der nicht reliefierten Bekrönung um einen halben Fuß schmaler. Wenn diese Plinthe der oben angenommenen Norm folgte, muss die Breite des Schafts bei dem einen Pfeiler ( Π 1) um einen halben Fuß schmaler als bei dem des Agrippa-Monuments gewesen sein, hingegen bei dem anderen ( Π 2) um einen halben Fuß breiter. Diese Hypothese ist mit der Rekonstruktion der Krepis von Π 1 als kanonisch dreistufig vereinbar, zieht aber gleichzeitig die Zuweisung von IG II 2 3272 an Π 2 und nicht an Π 1 nach sich. Dies ist aber nicht frei von Schwierigkeiten, da hinsichtlich der Ausarbeitung und 107 Alte Fragen und neue Fragmente: Pfeilermonumente auf der Akropolis und in Athen Glättung der Frontseite die Blöcke dieser Inschrift nur den Blöcken des Typus A und B auf der Akropolis ähneln und nicht denen vor der Eumenes-Stoa. So taucht über die gesicherten Pfeiler Π 1 und Π 2 hinaus wieder die (bislang) schwer zu überprüfende Möglichkeit eines Pfeilers Π 3 auf, für den die Zuweisung der Blöcke vor der Eumenes-Stoa passender wäre. Die Zuweisung aller Funde nur an die beiden Pfeiler Π 1 und Π 2 hat eine zweistufige Krepis nur für Π 1 zur Folge und dementsprechend eine um einen Fuß (auf jeder Seite) breitere Quadrigaplinthe als die vermutete Norm. Dies ist nicht unbedingt unüblich: die Plinthe der Quadriga des Pfeilers vor der Attalos-Stoa übersteigt die genannte Norm um 1½ Fuß (ähnlich übersteigt die Höhe der eigenen Bekrönung um fünf Daktylen die für andere Pfeiler reguläre Höhe von zwei Fuß). In jedem Fall (mit zweistufiger oder dreistufiger Krepis) scheint der Pfeiler Π 1 schmaler als die Quadrigaplinthe geplant gewesen zu sein, in einer (unzureichenden) Bemühung, die optische Beeinträchtigung des Parthenon zu mildern. 27 Um diese kurze Bezugnahme auf Π 2 (oder Π 3? ) abzurunden, sei schließlich noch auf die Inschrift eingegangen, deren Existenz und wiederholte Rasur folgendermaßen festzustellen ist: Die Bearbeitung der Front einiger Steine weicht vom Standard ab. Sie erfolgte mit einem gezahnten Werkzeug, dessen Spuren, genau wie beim entsprechenden Teil des Agrippa-Pfeilers, viel schärfer sind als die der regulären Bearbeitung. Davon abgesehen ist sie von oben nach unten gerichtet. Eine aufmerksame Betrachtung am Stein vom Typus A mit dieser Bearbeitung (Abb. 31) offenbart die Erhaltung sehr geringer Reste der Enden einiger ehemals sehr monumentaler Buchstaben, deren Serifen mit tieferer Gravur als gewöhnlich an den tieferen Stellen der Rasur der Inschrift entkamen. Dasselbe ist auch an einem Stein vom Typus B (Abb.-32) zu beobachten, mit dem Unterschied, dass die sehr schlecht zu erkennenden Reste der Serifen ebenfalls einige große Buchstaben angeben, die von der Größe her jedoch auffällig hinter den vorangegangenen zurückstehen. Der Verdacht, dass dies vielleicht eine Herkunft der beiden Steine von verschiedenen Monumenten belegt, ist leicht zu widerlegen. Eine genauere Dokumentation der Rasurspuren mit detailliertem Nachweis auch noch der geringen Unterschiede im Abstand der Zähne des Zahneisens beweist, dass diese an beiden Steinen mit demselben Werkzeug erfolgte. Ein weiterer Stein vom Typus B ist durch die Spuren des Werkzeugs, das für die Rasur verwendet wurde, zu erkennen, aber auf seiner Oberfläche sind nicht die geringsten Spuren von Buchstaben, die diese einst bedeckten, erhalten. Aus diesem Grund scheint ein Kommentar zur Art und Ausdehnung der an den untersuchten Monumenten erfolgten Rasur und Ersetzung der ursprünglichen Inschriften angebracht: Die Rasur einer Inschrift kann folgendermaßen beschaffen sein: a) gering und lokal, lediglich zur Korrektur eines z. B. orthographischen Fehlers, b) etwas größer, zur inhaltlichen Anpassung oder Ausweitung des Textes, c) lokal, lediglich für die, mitunter auffällige, Auslöschung eines Namens (damnatio memoriae), ohne Beschädigung des übrigen Inhalts, d) vollständig für die gesamte Auslöschung des Inhalts und eines unerwünschten Namens (vollständige damnatio memoriae), e) vollständig aus praktischen Gründen, z. B. zur Wiederverwendung der Steinblöcke. Dazu noch f ) im Fall der ergänzenden Widmung eines Monuments können die ursprüngliche und die neuere Inschrift gemeinsam bestehen. Im Fall einer Umwidmung ohne Feindseligkeit gegenüber der ursprünglichen Widmung kann dasselbe erfolgen, nur hat die neuere Inschrift viel größere Buchstaben (g) oder die neue Inschrift wird an derselben Stelle eingemeißelt (h), nachdem zuvor die ursprüngliche rasiert wurde, oder die neue Inschrift wird an anderer Stelle eingemeißelt (i) und die ursprüngliche wird rasiert, wiederum nicht aus Feindseligkeit, sondern um Verwechslungen zu vermeiden. Hinsichtlich der Tiefe mag die Rasur gerade ausreichend sein, damit die frühere Existenz einer Inschrift nicht mehr wahrnehmbar ist, aber nicht tiefer, und stellenweise sind sogar noch geringe Reste sichtbar, wie im Fall der erwähnten Steinblöcke vor der Eumenesstoa (Abb. 31 und 32). Eine möglichst flache Rasur nimmt man nicht nur aus Gründen der Arbeitseinsparung vor, sondern hauptsächlich, um eine intensivere Veränderung der geometrischen Perfektion der Oberfläche zu vermeiden. Dies erfordert eine Rasur, die die Oberflächenränder nicht berührt, d. h., dass sie auch an den Graten keine Anomalien hervorrufen darf, sondern zu diesen hin fortschreitend weniger tief wird. Dies ist der Grund, weshalb im Fall der Inschrift IG II 2 3272 (Abb. 16a), im unteren Bereich des äußeren Steinblocks nach rechts, die zum Bereich des Grates reduzierte Rasur die meisten der tiefsten Punkte der ursprünglichen unberührt gelassen hat. Da auf diese Weise hinreichende Reste der rasierten Inschrift erhalten sind, ist die folgende Schlussfolgerung möglich: Die Buchstaben der ursprünglichen und der neueren Inschrift waren einander sehr ähnlich, trotz des zeitlichen Abstands von fünf oder sechs Generationen zwischen ihnen. Dieselbe Schlussfolgerung ist auch aufgrund der wenigen Buchstabenreste auf den Steinen vor der Eumenesstoa zu ziehen: Sie waren denen der Inschrift IG II 2 3272 (Abb. 16a) ähnlich. Insbesondere für die beiden senkrechten Linien (Abb. 31) hat ihr geringer Unterschied (die rechte endet an einem höheren Punkt als die linke) Ähnlichkeit mit dem Buchstaben Π in IG II 2 3272 (Abb. 16b). Da der folgende Buchstabe ein Λ oder ein A ist, ist eine Ergänzung zu [υ]πα[τον] mindestens möglich. In diesem Fall dürfte die Rasur der römischen Inschrift gegolten haben und nicht der ursprünglichen. Da die Beziehung der ursprünglichen Inschrift zur neueren zum Fall [h] zählt, wie es darüber hinaus auch bei IG II 2 3272 (Abb. 16b) der Fall ist, müsste die neue Rasur, die an derselben Stelle wie die ursprüngliche durchgeführt wurde, angesichts der sehr 108 Manolis Korres Abb. 23a: Außenblöcke des Pfeilerschaftes Π 2 (oder Π 3? ), jetzt bei der Eumenes-Stoa. Abb. 23b: Innenblöcke des Pfeilerschaftes Π 2 (oder Π 3? ), jetzt hinter der Eumenes-Stoa. Abb. 24: Block des Typus A (jetzt in der Eumenes-Stoa). Er bildet den Sonderfall einer doppelten Korrektur, zuerst die unfertige Wiederbearbeitung der Ansichtsseite und danach die Wiederbearbeitung der Lagerfläche. Nach dem Versatz wurde der Werkzoll, ein Rest der ursprünglichen Ansicht, in Erwartung der allgemeinen Fertigstellung der Außenflächen nicht abgearbeitet. Diese Fertigstellung ist aber nie erfolgt. 109 Alte Fragen und neue Fragmente: Pfeilermonumente auf der Akropolis und in Athen Abb. 25: Blöcke des Typus B (jetzt bei der Eumenes-Stoa). Abb. 26: Blöcke des Typus B (jetzt bei der Eumenes-Stoa). Abb. 27: Blöcke des Typus B (jetzt bei der Eumenes-Stoa). 110 Manolis Korres Abb. 28: Graphische Rekonstruktion des Pfeilers Π 2. (Anatomische Trimetrie, 30ο,1: 20 / 45 ο,1: 25 / 90 ο,1: 27,7…). Legende siehe oben rechts 111 Alte Fragen und neue Fragmente: Pfeilermonumente auf der Akropolis und in Athen Abb. 29: Erosion durch Verkarstung Abb. 30: Beispiel der Oberflächenbearbeitung ÄUSSERER AUFBAU Θ1, θ2, … = Fundament (hypothetische Gestalt und Aufbau) Κ1, Κ2, Κ3 = Krepis, Stufen 1, 2, 3. (man nimmt an, dass sie in Form und Material denen des Agrippa-Pfeilers ähnlich sind) Β = Ionische Basis. Weißer pentelischer Marmor. 1-8 = Schaft. Blaugrauer Hymettos-Marmor: 1 = Lage 1, oder Orthostat (die Steine sind fehlerhaft oder nicht erhalten) 2Α, 3Α, 4Α… = horizontale Steinblöcke (ursprüngliche Menge 84, erhalten sind ungefähr dreißig große Fragmente), 2Β, 3Β, 4Β… senkrechte Steinblöcke (ursprüngliche Menge ~60, erhalten sind ungefähr dreißig Steinblöcke und große Fragmente). Ε Π = Kapitell. Weißer pentelischer Marmor (erhalten sind ein wiederbehauener Steinblock und zwei Fragmente). Π = Plinthe einer Quadriga (die Steinblöcke sind fehlerhaft oder nicht erhalten). INNERER AUFBAU (erhalten sind ungefähr dreißig Steinblöcke) Ββ1, Ββ2 = inneres Mauerwerk der ionischen Basis (hypothetische Anordnung) 1β1, 1β2, 1β3(; ) = inneres Mauerwerk des Orthostaten (nicht abgebildet) 2α, 3α, 4α… = inneres Mauerwerk der horizontalen Steinblöcke (ursprüngliche Menge 56) 2β1, 3β1, 4β1… = inneres Mauerwerk der senkrechten Steinblöcke, untere Schicht (ursprüngliche Menge 56). 2β2, 3β2, 4β2… = inneres Mauerwerk der senkrechten Steinblöcke, obere Schicht (ursprüngliche Menge 70). ΕΣβ1, ΕΣβ2(; ) = inneres Mauerwerk der Bekrönung (nicht abgebildet) 112 Manolis Korres Abb. 31: Reste einer rasierten Inschrift auf einem Block des Typus A, jetzt bei der Eumenes-Stoa. Abb. 32: Reste einer rasierten Inschrift auf einem Block des Typus B, jetzt bei der Eumenes-Stoa. tiefen Einmeißelung der Buchstaben eine ungewöhnlich große Verringerung der Dicke der Inschriftenblöcke hervorgerufen haben. Dafür spricht auch eine Anomalie, für die eine bessere Erklärung schwer zu finden ist: Das Dübelloch auf Stein 14 (Abb. 27) ist von der Frontseite gerade einmal 14 mm entfernt! Es ist offensichtlich, dass das Spitzeisen, das für das Ausheben des Dübellochs verwendet wurde, sehr leicht den Marmor nach außen zerstört hätte, wäre der Abstand zur Frontseite von Anfang an so gering gewesen. Aber die Annahme zweier aufeinander folgender Rasuren produziert einen marginal akzeptablen ursprünglichen Abstand des Dübelloches zur Frontseite in der Größenordnung von 4 cm. Angesichts der Tatsache, dass an den anderen Monumenten dieser Gattung die Rasur aufgrund der neuen Widmung einmal erfolgte (Fall [h] für Pfeiler Π 1 und jenen des Agrippa, der Fall [i] für den Pfeiler vor der Attalos-Stoa), dürfte die zweite Rasur an den Blöcken vor der Eumenesstoa wohl aus den Gründen [d] oder [e] erfolgt sein. Von diesen lässt sich [e] nicht mit der Wiederverwendung der Steine in Einklang bringen und folglich muss der Grund der neuen vollständigen Rasur die damnatio memoriae gewesen sein. Demnach scheint es sehr wahrscheinlich, dass der Römer, auf den Π 2 umgewidmet wurde, Nero gewesen ist. 5. Weitere Athener Pfeilermonumente Außer den bereits beschriebenen Pfeilern, für die gesichert ist, dass sie Quadrigen trugen, gibt es in Athen noch Reste zweier weiterer Pfeiler, für die vermutet wurde, dass auch sie Quadrigen trugen. Der eine stand am Westende der Mittleren Stoa auf der Agora, 28 der andere am Dipylon. 29 Von diesen beiden Monumenten ist jeweils der untere Teil erhalten. Die Form ihres Schaftes ist uns nicht bekannt. Steinblöcke aus der oberen Lage konnten nicht identifiziert werden. Aus den erhaltenen Teilen wird allerdings deutlich, dass sich der Typus dieser Pfeiler stark von dem des Agrippa-Pfeilers unterschied. 113 Alte Fragen und neue Fragmente: Pfeilermonumente auf der Akropolis und in Athen Anmerkungen 1 Korres 2000; Übersetzung: Klaus-Valtin von Eickstedt. 2 Dinsmoor 1920, 83. Eine etwas abweichende Auffassung vertritt Hafner 1938, 100 Nr. 25. 3 Hansen 1971, 105. Nach Travlos 1960, 86 dürfte das Monument zu Ehren Eumenes II. aufgestellt worden sein. 4 IG II 2 4122. 5 Bohn 1882, 39 Taf. 21. 6 3,095 m gegenüber 3,10 m (zur Quadriga des Pronapes s. Korres 2000). 7 3,62 m gegenüber 3,55 m. Nach Bohn (s. o.) betrug die Länge der Basis 3,58 m. 8 Im Folgenden werden die Pferde (bzw. ihre Beine) jeweils als rechtes oder linkes bezeichnet, je nachdem wie sie vom Wagen aus gesehen werden. Zudem werden sie vom rechten äußeren zum linken äußeren gezählt (in Frontalanasicht als von links nach rechts). 9 Der Unterschied kann, sofern er nicht die Folge einer indifferenten künstlerischen Vorliebe ist, auch optischen Gründen geschuldet sein: Der Hauptbetrachtungswinkel des Agrippa- Pfeilers ist der rechte, hingegen der des Pronapes-Monuments der linke (aufgrund der Position der größeren männlichen Figur [Pronapes]). 10 Die Berechnung stützt sich auf die Annahme, dass sich der Wagen in der Achse des Pfeilers befand. 11 Thompson 1950, 317; Vanderpool 1959, 86-90; Thompson - Wycherley 1972, 107; Schalles 1982, 101. 106. 12 Bohn 1882, 39: „Unter dem Hauptgesims läuft ein rauher, also offenbar unvollendeter Hals herum …“. 13 IG II 2 4209. 14 Goette 1990, 274. 15 Hansen 1991, 73-77. Solche Bearbeitungen gibt es an zahlreichen Steinen des Gymnasions in Epidauros, s. Kyriaki 1988, 71. 89. 127-130. 139f. 142f. 145. S. ferner Roux 1961, 211 und Korres 1994a, 67 Abb. 28. Dasselbe System fand auch an den Epistylia der Ostseite des Olympieion Anwendung. 16 IG II 2 3277. 17 Carroll 1982, 20, der die Anomalie kommentiert, ihr aber eine Zufallsursache zuschreibt. 18 Die Buchstaben der rasierten Inschrift (Höhe 10 cm) sind etwas kleiner als die der neueren Inschrift IG II 2 3272 (Höhe 11 cm). 19 Graindor 1927, 260. Mittlerweile ist es nun sicher, dass ihre Länge wesentlich geringer war, als Graindor angenommen hatte, und folglich muss auch die Zahl der fehlenden Worte, d. h. der Titel des Geehrten, viel kleiner sein als die, welche die publizierte Ergänzung hat. 20 Auf dem Pfeiler vor dem Parthenon hätte die Inschrift nur unter den folgenden Bedingungen Platz gefunden: Er müsste breiter sein, d.h. seine Krepis müsste nicht dreistufig, sondern lediglich zweistufig sein (der Grundriss der untersten Stufe ist gegeben) oder die Inschrift müsste auf der Seitenfläche und nicht auf der Frontfläche eingemeißelt worden sein. Letzteres ist jedoch nicht wahrscheinlich. 21 Erste Erwähnung der Entdeckung: Goette 1990, Anm. 17. 22 Hier die wichtigsten Fälle: Steinblöcke des Nikias-Monuments in dem spätrömischen Tor vor den Propyläen, Marmorblöcke klassischer und späterer Monumente aus der römischen Zeit am Aufgang zu den Propyläen, Marmorblöcke von der Parthenon-Reparatur (4. Jh.), einige große Fragmente des Olympieions und des Stadions, zahlreiche Steinblöcke des Philopappos- Monuments im mittelalterlichen Turm des Parthenon, s. Korres 1994a, 40 Taf. 7. 23 Ein Monument dieser Art, das vor der Eumenes-Stoa stand, war früher wohl einfach in Analogie zu dem entsprechenden vor der Attalos-Stoa angenommen worden, Oikonomidis-Gouvousis 1976, Anm. 21 Taf. 2. Zur gegensätzlichen Auffassung s. Travlos 1960, 86. 24 Dies lässt sich nachweisen, auch wenn der Teil, in dem sich die Einlassung befand, nicht erhalten ist, weil es an Stoßfugen oder Stemmlöchern keine Dübellöcher gibt. 25 So waren z. B. am Nordwestturm an der Attalos-Stoa der spätrömischen Mauer bis in unsere Zeit Steinblöcke aus dem Schaft des hohen Pfeilers vor der Stoa erhalten, nicht nur von seiner Basis oder seiner Bekrönung. In dem spätrömischen Tor waren Steinblöcke aus dem Nikias-Monument verwendet worden, die zu den Wänden und dem Gebälk gehörten, aber nicht zu den Säulen oder dem Giebel. In der Ostwand der römischen Agora sind Steine verwendet worden, die aus der Krepis eines Hexastylos dorischer Ordnung stammen, aber nicht von seinen Wänden. Bei der spätrömischen Reparatur der Osthalle des Asklepieion waren Säulen von der dorischen Halle östlich des Horologion verwendet worden, aber nicht ihre Architrave, die als neue Laibungen der Osttür im Parthenon Verwendung fanden; in den Wänden der Gorgoepikoos wurden Steinblöcke eines antiken Baus verwendet, ausgenommen die Orthostaten und der Toichobat, und in vielen monumentalen Steinlagen wurden Säulentrommeln verwendet, ohne dass sie zurechtgemeißelt wurden, mit den runden Standflächen zur Frontseite der Steinlagen (spätrömische Mauer bei der Pantainos-Bibliothek, Festung von Patras, Kastro auf Paros, Panagia Skripou u. a.). In dem mittelalterlichen Turm der Propyläen wurden Säulentrommeln des Südflügels des antiken Baus benutzt, allerdings zurecht gemeißelt, sodass sie vier ebene Auflager aufweisen. 26 Die jetzige Menge an Steinblöcken des Typus B entspricht fast einem Viertel der ursprünglichen. Fünf von ihnen sind vollständig und weitere 27 sind große Stücke, zwölf linke und fünfzehn rechte. Von diesen wurden sechs rechte vom Verfasser zeichnerisch zusammengefügt mit fünf linken und einem mittleren (aufgrund der jetzigen Art der Lagerung der Steine schließt der Verfasser, dass diese Zusammenfügungen größtenteils bereits V. Anastasias wahrgenommen hatte). Angesichts der Wiederverwendung in der spätrömischen und mittelalterlichen Mauer sowie im fränkischen Turm, spricht dieser Befund stark gegen die Ausraubung eines aus fragmentierten Blöcken des ursprünglichen Baus zusammengewürfelten Gebäudekomplexes. 27 An dieser Stelle passen am Beispiel des Agrippa-Pfeilers auch die folgenden metrologischen Beobachtungen zusammen: Höhe der Krepis ~98 cm = 3‘5‘‘, Höhe der (ionischen) Basis des Schaftes 2‘, Höhe des Orthostaten 3‘, Höhe A+B=3‘, Höhe des Schaftes 3‘+7 (A+B) = 24‘, Höhe der Bekrönung 2‘, Höhe der Plinthe der Quadriga (~19‘‘), Gesamthöhe 32½ Fuß. 28 Thompson - Wycherley 1972, 67 Abb. 23. 29 Goette 1990, 269-278. Letzterem ähnlich ist in Delphi der Pfeiler, der sich westlich des Tempels befindet. 114 Manolis Korres Literaturverzeichnis Bohn 1882 R. Bohn, Die Propylaeen der Akropolis zu Athen (Berlin 1882) Carroll 1982 K. K. Carroll, The Parthenon Inscription, GRBM 9, 1982, 20 Dinsmoor 1920 W. B. Dinsmoor, The Monument of Agrippa at Athens. Abstract of a Paper Read at General Meeting, 1919, AJA 24, 1920, 83 Goette 1990 H. R. Goette, Eine große Basis vor dem Dipylon in Athen, AM 105, 1990, 269-278 Graindor 1927 P. Graindor, Inscriptions attiques d’époque romaine, BCH 51, 1927, 245-328 Hafner 1938 G. Hafner, Viergespanne in Vorderansicht. Die repräsentative Darstellung der Quadriga in der griechischen und der späteren Kunst (Berlin 1938) Hansen 1971 E. V. Hansen, The Attalids of Pergamon. Cornell Studies in Classical Philology 36 (Cornell 1971) Hansen 1991 E. Hansen, Versetzen von Baugliedern am griechischen Tempel, in A. Hoffmann - E.-L. Schwandner - W. Hoepfner - G. Brands (Hrsg.), Bautechnik der Antike. Internationales Kolloquium in Berlin vom 15.-17. Februar 1990 veranstaltet vom Architekturreferat des DAI in Zusammenarbeit mit dem Seminar für Klassische Archäologie der Freien Universität Berlin (Mainz am Rhein 1991) 72-79 Korres 1994a M. 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Ausdruck von Rationalität oder Entpolitisierung, Hephaistos 4, 1982, 97-116 Thompson - Wycherley 1972 H. A. Thompson - R. E. Wycherley, The Agora of Athens. The History, Shape and Uses of an Ancient City Center (Princeton 1972) Thompson 1950 H. A. Thompson, Excavations in the Athenian Agora: 1949, Hesperia 19, 1950, 313-337 Travlos 1960 J. Travlos, Πολεοδομική εξέλιξις των Αθηνών. Από των προϊστορικών χρόνων μέχρι των αρχών του 19ου αιώνος (Athen 1960) Vanderpool 1959 E. Vanderpool, Athens Honors the Emperor Tiberius, Hesperia 28, 1959, 86-90 115 Pergamons Athen Zur imitatio Athenarum unter den späten Attaliden Ulrich Gotter Es gibt keine andere Herrscherdynastie, die sich in die athenische Topographie so obsessiv eingeschrieben hat wie die pergamenische. Und das ist nicht nur eine Angelegenheit der bloßen Anzahl der von ihnen oder für sie errichteten Monumente, sondern auch eine der Dimension dieser Bauten sowie von deren Lage. Neben den beiden Großbauten der Eumenes-Stoa an der Südseite der Akropolis und der Attalos-Stoa auf der Agora mit jeweils einem vor die Front gestellten Pfeilermonument für den Stifter handelt es sich dabei um die beiden bzw. drei weiteren Pfeilermonumente bei den Propyläen und an der Nordostecke des Parthenon sowie um die monumentalste aller antiken Kampfgruppen, das sogenannte Kleine Attalidische Weihgeschenk, mit zwei weiteren königlichen Kolossalstatuen. Dazu kommen noch Anatheme und Agalmata, die in unseren Quellen nicht im Einzelnen aufgeführt sind. Kurzum: Um das Jahr 150 v. Chr. gab es schlichtweg kaum mehr einen prominenten Blick auf das Zentrum der Stadt, der nicht von einem Attaliden-Monument dominiert worden wäre. Das gilt insbesondere für die Akropolis: Sie war von den Repräsentationen der pergamenischen Herrscher vollständig eingefasst. Dieser offensichtliche Befund ist in mehreren Aspekten erklärungsbedürftig: Da ist zunächst die Dimension der euergetischen Leistungen der pergamenischen Herrscher insgesamt und über die Generationen hinweg (I), sodann das exemplarisch massive Athen-Engagement insbesondere von Eumenes II. und Attalos II. (II) und schließlich das ebenso merkwürdige wie aufschlussreiche Kleine Attalidische Weihgeschenk im Konzert der hellenistischen Siegesmonumente (III). Aus der Kombination dieser Mosaiksteine sollen sowohl die Kulturpolitik der Attaliden als semantisches System als auch die Bedeutung Athens darin schärfere Konturen gewinnen. I. Euergesiepolitik der pergamenischen Herrscher Betrachten wir zunächst die Stiftungspolitik der Attaliden insgesamt: Blickt man auf die attalidischen Schenkungen aus der Vogelperspektive, fallen zunächst die Intensität und Konstanz ins Auge, mit der die pergamenischen Herrscher eine euergetische Außenpolitik betrieben haben. 1 Sie waren zweifellos die potentesten Stifter, die die griechische Welt des 3. und 2. vorchristlichen Jahrhunderts gekannt hat. So übertreffen bereits die bloßen Zahlen der bekannten attalidischen Schenkungen diejenigen aller anderen hellenistischer Herrscherdynastien, inklusive der Seleukiden und Ptolemäer. 2 Berücksichtigt man zudem die vergleichsweise geringe Größe des von den Attaliden kontrollierten Herrschaftsgebiets, erscheinen ihre Aufwendungen für Stiftungen geradezu unverhältnismäßig; und so wurden sie von Zeitgenossen und Nachwelt auch wahrgenommen. Dies begann bereits mit Philetairos, über den Strabon schreibt, dass er „durch Dienstleistungen immer den Mächtigen und in seiner Nähe Weilenden für sich zu gewinnen wusste“. 3 Und mit Philetairos zeigt sich auch schon das Muster, das für die euergetische Politik der Attaliden stets charakteristisch bleiben sollte (s. Abb. 1). Ihre Stiftungen zerfallen gewissermaßen in zwei Aktionsfelder: Zum einen sind da die ‚Glacis-Euergesien‘, wie man sie nennen könnte, Geschenke und Stiftungen also, Abb. 1: Gesicherte Euergesien des Philhetairos 116 Ulrich Gotter die die Ränder des jeweiligen pergamenischen Herrschaftsbereichs bespielten. 4 Damit sollten offensichtlich Stabilisierungsleistungen jenseits des für die Attaliden immer prekären, weil äußerst riskanten militärischen Engagements erreicht werden. 5 Zum anderen gibt es den Zug zu publikumswirksamer Munifizenz auf den großen griechischen Bühnen. Bei Philetairos ist das nur Thespiai mit den Musen, 6 bei Attalos I. aber bereits Delphi, 7 Delos, 8 Kos, 9 Sikyon 10 und Athen 11 (s. Abb. 2). Eumenes II. und Attalos II. schließlich wurden in Sachen Stiftungen und Ehrungen von keinem anderen Herrscher erreicht, geschweige denn übertroffen. Unter ihnen weitete sich die traditionelle euergetische Politik Pergamons noch einmal erheblich aus. Eumenes II. sei, so Polybios, im höchsten Maße ruhmliebend gewesen und habe daher mehr griechischen Städten Wohltaten erwiesen, mehr Privatleuten Unterstützung gewährt als die anderen gleichzeitigen Herrscher. 12 Stellt man die Belege zusammen, sieht man, dass auch bei den späten Attaliden das Grundmuster der Zweigleisigkeit in der Schenkungspolitik zu erkennen ist. Für Eumenes bildet sich hier sehr sichtbar der massiv gewachsene Horizont des pergamenischen Einflussgebiets ab, wobei der umfassende kleinasiatische Komplex den Löwenanteil der Glacis-Euergesien darstellt (s. Abb. 3). Für Attalos II. gilt das ebenfalls, wobei in seinem Fall allerdings die expansiven Optionen von Schenkungspolitik im regionalen Raum weniger prominent gewesen zu sein scheinen (s. Abb. 4). So beschenkten die späteren Attaliden einerseits Kyzikos, 13 Milet, 14 , Apamea in Phrygien, 15 Apollonis, 16 Apollonia am Rhyndakos, 17 Ephesos, 18 Keos, 19 Termessos, 20 und Ilion. 21 Andererseits - und für die letzten beiden Attaliden wohl in der Hauptsa- Abb. 2: Gesicherte Euergesien von Attalos I. Abb. 3: Gesicherte Euergesien von Eumenes II. Abb. 4: Gesicherte Euergesien von Attalos II. 117 Pergamons Athen: Zur imitatio Athenarum unter den späten Attaliden che - wurde in die überregionalen Zentren der griechischen Welt investiert: so in Delphi 22 , Theben 23 , Oropos 24 und Kalaureia, 25 auf Andros, 26 Delos, 27 Kos 28 , Samos 29 und Rhodos. 30 In der Zusammenschau der pergamenischen Evidenzen für Euergesien bietet sich ein Gesamtbild, das einige markante Schwerpunkte produziert (s.-Abb. 5). Ins Auge fällt sofort die Konzentration der Schenkungen in Delphi und auf Delos, die allerdings von einem Fokus pergamenischer Munifizenz noch erheblich übertroffen wurden: den auf Athen. Dessen öffentlichen Raum kolonisierten die Attaliden ästhetisch, Stück für Stück. II. Pergamon in Athen Um die Dynamik dieses Prozesses zu verstehen, lohnt der Versuch einer zeitlichen Ausdifferenzierung, selbst wenn die eindeutigen Belege dafür rar sind. Für Attalos I. sind unspezifische Wohltaten (vor 200) bezeugt, vielleicht Stiftungen mit vergänglichem Gehalt, 31 und noch einmal explizit Geld und Getreide während der schwierigen Zeit, als die Feinde (wohl makedonische Truppen) das athenische Umland besetzt hielten. In diesem Zusammenhang, die Inschrift ist hier fragmentarisch, mag auch ein Kontingent Soldaten im Geschenkkorb gewesen sein. 32 Diese Hilfeleistung gehört sicherlich in die Zeit um und nach 200, als Athen sich unter dem Einfluss Attalos’ I. gegen Philipp V. stellte. Ob eines der Pfeilermonumente an der Rückseite des Parthenon eine Weihung von oder für Attalos I. war (oder für Eumenes II. oder für Attalos II.), wird weiterhin diskutiert. 33 Für Eumenes II. (197-158) sind zahlenmäßig vergleichsweise wenig Objekte in Athen gesichert; beeindruckend ist allerdings bereits die Positionierung und Dimension des Pfeilermonuments an den Propyläen der Akropolis (das sog. Agrippamonument), das einen mächtigen Kontrapost zum Pfeilermonument an der Nordostecke des Parthenon bildete. 34 Darüber hinaus ist ein nur schwer mit den üblichen Stiftungsmonumenten vergleichbarer Großbau verbürgt, der in erheblichem Maße in die städtische Textur Athens eingriff: die Eumenes- Stoa westlich des Dionysos-Theaters. Der zweistöckige Bau, der über 160 m lang und über 17 m tief war 35 und von einem weiteren Pfeilermonument vor seiner Front markiert wurde, wird gemeinhin in seiner Datierung nicht weiter eingegrenzt als auf die Regierungszeit des Eumenes. 36 Das leuchtet mir nicht ein, selbst wenn alles, was man für eine Eingrenzung dieser Datierung anführen kann, nur vom historischen Kontext abgeleitete Indizien sind. Gleichwohl ist es legitim, für einen Großbau dieser Dimension kontextuelle Erwägungen stärker zu belasten, als man dies für eine einfache Statuenweihung tun würde. Akzeptiert man diese methodische Prämisse, ist eine Erbauung der Stoa bis zum Jahr 179 außerordentlich unwahrscheinlich. Denn unmittelbar nach seiner Übernahme der Regierung von seinem Vater Attalos befand sich Eumenes an der Seite der Römer in der Endphase eines Krieges gegen Philipp V. von Makedonien, der hart und wenig ertragreich war. 37 Nach 196 mussten nicht nur die erheblichen Kriegsschäden behoben werden, die Philipp im pergamenischen Territorium im Jahre 201 angerichtet hatte; 38 der pergamenischen Mittelmacht stand das Wasser politisch auch weiterhin bis zum Hals, vielleicht sogar mehr als je zuvor. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Eumenes in einer Bedrohungssituation durch Antiochos III., in der die Existenz des pergamenischen Reiches ungeschminkt debattiert wurde, ein ambitioniertes Bauprojekt dieser Art in Angriff genommen haben soll - fernab seiner Reichsgrenzen, die es eher heute als morgen zu verteidigen galt. Denn zwischen 195 und 192 sah es in der Tat so, aus als müsse sich der pergamenische Herrscher ohne römische Hilfe gegen seleukidische Truppen verteidigen. 39 Der Krieg Roms gegen Antiochos, der in den Frieden von Apameia (188) mündete, erledigte zwar diese Gefahr und machte Pergamon selbst zur Großmacht in Kleinasien. Die neue Rolle der Attaliden in Kleinasien führte aber nahezu sofort zu Folgekriegen, in denen sich die Attaliden einer Koalition aus Bithyniern, Pontiern und Galatern gegenüber sahen. Abb. 5: Gesamtbild der attalidischen Munifizenz (schwarz: ein Stifter; grün: zwei Stifter; rot: drei und mehr Stifter) 118 Ulrich Gotter Erst 183 gelang, nicht zuletzt durch römische Intervention, die Beruhigung der Lage, die Eumenes II. durch die Neuschöpfung der Nikephorien publikumswirksam feierte, 40 und 179 siegten die pergamenischen und kappadokischen Truppen entscheidend über Pharnakes von Pontos. 41 Erst ab diesem Zeitpunkt sehe ich eine realistische Chance für die Planung und Errichtung des athenischen Großbaus. Damit läge man für die Eumenes-Stoa allerdings bereits in den letzten 20 Jahren von Eumenes’ Herrschaft. Einen Baustein zu diesen Überlegungen kann auch ein Befund beisteuern, den Manolis Korres bereits in den 1980er Jahren dokumentiert hat. Bei seiner Untersuchung der Eumenes-Stoa hat er sehr wahrscheinlich machen können, dass die marmorne Bauornamentik für das Gebäude vorgefertigt aus Pergamon gekommen ist. Seine Erklärung dafür, der König habe hier die finanziellen Aufwendungen in seinem eigenen Land halten wollen, 42 halte ich allerdings für weniger plausibel. Diese Idee klingt mehr nach den wirtschaftspolitischen Maximen Ludwigs XIV. als nach denen eines hellenistischen Herrschers. Eine wesentlich plausiblere Erklärung für das direkte pergamenische Engagement in Sachen Material und Bauhütte scheint mir zu sein, dass der König mit der Vorfertigung der Werkstücke - ganz ähnlich übrigens wie Attalos II. mit der Entsendung seiner Steinmetze für die Errichtung seiner Stoa an der Athener Agora 43 - dadurch die Hand auf dem Bauprozess halten wollte und den Baufortschritt viel effizienter kontrollieren konnte, als wenn man die Arbeiten bei athenischen Werkstätten kommissioniert hätte. Der Großbau sollte offenbar rasch vollendet und gegen jede Form von innerstädtischer Obstruktion immunisiert werden. Auch diese Erwägungen deuten allerdings eindeutig auf eine spätere Datierung der Stoa hin, denn sie setzten Kapazitäten und entsprechende Routinen bei den pergamenischen Werkstätten voraus, die am ehesten in den Bauschüben des Eumenes in Kleinasien erworben worden sind. 44 Die Ähnlichkeiten mit der von Attalos II. errichteten Stoa an der athenischen Agora, die bereits vielen Archäologen ins Auge gefallen sind, 45 kann einen natürlich auch in Versuchung bringen, für eine noch spätere Datierung zu votieren. Ein weiteres Argument dafür wäre, dass man für ein Projekt wie das des Eumenes einen erheblichen Grad der Zustimmung in Athen benötigte. Sich derart massiv in eine selbstbewusste Stadt wie Athen einzuschreiben war sicherlich noch um einiges komplexer als eine große Weihung in einem der überregionalen Heiligtümer wie Delphi, Olympia oder Delos zu realisieren. Nun waren die pergamenischen Herrscher aber ausgerechnet in den 180er und 170er Jahren des 2. Jahrhunderts v. Chr. als die engsten römischen Verbündeten die vielleicht unbeliebtesten Dynasten der griechischen Welt. Dies änderte sich im Grunde erst wieder mit dem sichtbaren Zerbrechen des Einvernehmens zwischen Eumenes II. und Rom nach dem Ende des Perseus-Krieges 167 v. Chr. 46 Dieser Vorschlag einer sehr späten Datierung kann sich kontextuell freilich auf nicht mehr als Indizien stützen. 47 Womöglich allerdings war diese Stoa auch nicht die einzige Säulenhalle, die Eumenes in Athen stiftete. 48 Die Attalos-Stoa an der Agora ist die etwas kompaktere (111,96-m × 19,52-m) Schwester der Eumenes-Stoa. Der Beginn der Bauarbeiten lässt durch in den Baugruben gefundene Amphorenstempel in den Anfang der Regierungszeit von Attalos II. (etwa 158-148) datieren. 49 Anders als bei der Eumenes-Stoa stammt der für die Attalos-Stoa verwendete Marmor aus dem Hymettos und dem Pentelikon; 50 es wird allerdings allgemein mit pergamenischen Werkstätten gerechnet, die die Arbeiten an der Bauornamentik ausgeführt haben. 51 Auch vor der Attalos-Stoa ließ der pergamenische König ein Pfeilermonument platzieren. 52 Die Datierung des Kleinen Attalidischen Weihgeschenks ist von allen zeitlichen Einordnungen pergamenischer Monumente in Athen am umstrittensten. Nach vielen Jahrzehnten der verbissenen Datierungen, Umdatierungen und argumentativen Wiederholungsschleifen hat Brunilde Ridgway in ihrer Rezension zu Andrew Stewarts Buch „Attalos, Athens, and the Akropolis“, dem letzten großen monographischen Werk zum Kleinen Attalidischen Weihgeschenk, angemerkt, dass sie nicht sehe, wie man in dieser Sache noch zu einer belastbaren und einvernehmlichen Lösung kommen könne. Daher begnügt sie sich damit, einmal mehr die tiefe Kluft zwischen den gewissermaßen nationalen Wissenschaftskulturen zu konstatieren, auf deren einer Seite die Mehrzahl der deutschen Archäologen mit ihrer Spätdatierung des Monuments stehe und auf deren anderer ein erheblicher Teil der angelsächsischen und französischen Forscher, die eine ca. 50 Jahre frühere Entstehungszeit (um 200 v. Chr.) favorisieren. 53 Insbesondere aus althistorischer Perspektive glaube ich allerdings, anders als Ridgway, nicht, dass die Lage so hoffnungslos ist, und gebe gleich vorab zu Protokoll, dass ich Stewarts Verbindung des Monuments mit Attalos I. 54 für schlichtweg ausgeschlossen halte. Dafür gibt es ein ganzes Bündel von Argumenten, von denen ich nur die wichtigsten zwei in aller gebotenen Kürze skizzieren will. Zunächst einmal muss der Ausgangspunkt für jede Diskussion die kurze Beschreibung des Monuments durch Pausanias sein: „An der Südmauer hat Attalos den Kampf gegen die Giganten, die einst in Thrakien und auf der Halbinsel Pallene wohnten, und den Kampf der Athener gegen die Amazonen und die Schlacht bei Marathon gegen die Perser und die Vernichtung der Gallier in Mysien aufgestellt, jede Figur zwei Ellen hoch.“ 55 In der Tat ist mit diesem Text die Zuordnung des Monuments an Attalos I. (Herrscher 241-197) oder an Attalos 119 Pergamons Athen: Zur imitatio Athenarum unter den späten Attaliden II. (König 159-138) nicht klar zu treffen. Es helfen allerdings zwei Passagen von Plutarch und Cassius Dio: „Folgende Vorzeichen sollen dem Kriege vorausgegangen sein. Pisaura, eine von Antonius angelegte Kolonie an der Adria, wurde infolge eines Erdbebens vom Meer verschlungen. An einer der Marmorstatuen des Antonius bei Alba brach viele Tage lang Schweiß aus, ohne nachzulassen, obschon man ihn abwischte. Während er sich in Patrai aufhielt, brannte des Heraklesheiligtum infolge eines Blitzschlages ab, und aus der Statuenreihe der Gigantomachie zu Athen wurde die des Dionysos von einem Sturmwind herausgerissen und stürzte in das Theater hinab; Antonius aber fühlte sich mit Herakles durch Abstammung und mit Dionysos durch seinen Lebensstil verbunden, wie schon gesagt wurde, ließ sich auch „neuer Dionysos“ nennen. Dieselbe einfallende Sturmböe warf auch die Kolossalstatuen des Eumenes und des Attalos in Athen, welche inschriftlich den Namen des Antonius trugen, um, und zwar als einzige von vielen.“ 56 „Sie [Kleopatra] war zu dieser Ansicht [Rückzug nach Ägypten] unter dem Eindruck erschreckender Vorzeichen gekommen: Schwalben bauten um ihr Zelt und auf dem Flaggschiff, auf dem sie fuhr, Nester; Milch und Blut tropften aus Bienenwachs; auch ihrer beider Gestalten in Göttergestalt, welche die Athener auf der Akropolis aufgerichtet hatten, wurden durch Blitzschläge in das Theater hinuntergeschleudert.“ 57 Beide Stellen zusammengenommen machen klar, dass an der Südmauer der Akropolis und daher genau neben dem kleinen attalidischen Weihgeschenk die Kolossalstatuen von zwei pergamenischen Königen errichtet worden waren, die man später, in ihrer bequemen Paarung, zu Antonius und Kleopatra umgearbeitet hatte. Sie befanden sich unmittelbar oberhalb des Dionysos-Theaters (s. Abb. 6). Angesichts dieser räumlichen Situation, die die Kolossalstatuen unmittelbar neben dem Kleinen Attalidischen Weihgeschenk verortet, sehe ich keinen Sinn darin, diese beiden Herrscherstatuen entstehungstechnisch vom Anathem abzulösen, wie Andrew Stewart vorschlägt. 58 Und gleichzeitig kann - wiederum pace Stewart 59 - eigentlich kein Zweifel daran bestehen, um welche Könige es sich bei den beiden weit überlebensgroßen Gestalten gehandelt haben muss. Denn wenn die Herrscher auch nicht durch das Patronymikon identifiziert werden können, ist doch ihre (chronologische) Reihung bei Pausanias entscheidend. Plutarch benennt die Kolosse als „Eumenes und Attalos“ und nicht „Attalos und Eumenes“. Daher können es schlichtweg nicht Attalos I. und Eumenes II. gewesen sein, die neben dem Kleinen Attalidischen Weihgeschenk dargestellt waren, sondern es waren mit Sicherheit Eumenes II. und Attalos II. Dass diese rigide Lesart von Plutarch nicht nur eine bloße Spekulation meinerseits ist, lässt sich durch vergleichbare Aufzählungen zeigen. Für unseren Kontext lohnt sich beispielhaft der rasche Seitenblick auf eine thematisch naheliegende Pliniusstelle über pergamenische Künstler: „Mehrere Künstler haben die Kämpfe des Attalos und Eumenes gegen die Gallier dargestellt: Isigonos, Pyromachos, Stratonikos und Antigonos, der Bücher über seine Kunstfertigkeit verfaßt hat.“ 60 Hier sind, genau wie es die Reihenfolge der Aufzählung nahelegt, natürlich Attalos I. und Eumenes II. gemeint, denn Attalos II. hat unter eigener Regie nie gegen die Galater gekämpft. 61 Wenn nun aber die Kolosse als Eumenes II. und Attalos II. zu identifizieren sind, ist es meines Erachtens völlig unplausibel, dass diese dort erst ca. 50 Jahre nach einer präsumtiven Weihung des Monuments durch Attalos I. aufgestellt worden sein sollen. Im Gegenteil: Die Kolosse auf der Akropolis datieren das Monument insgesamt. Darüber hinaus spricht noch mindestens 62 ein zweites schwerwiegendes Argument gegen Stewards Datierung. Denn gerade der zeitliche Kontext, den er für seine Zuweisung an Attalos I. argumentativ stark belastet, 63 trägt, wenn man genauer hinschaut, ganz klar seine Interpretation nicht. Denn der Besuch Attalos’ I. in Athen im Abb. 6: Das Kleine Attalidische Weihgeschenk an der Südostecke der Akropolis 120 Ulrich Gotter Jahre 200 bildet keineswegs das plausiblere Umfeld für ein solches Monument als die Regierungszeit Attalos’ II. Das Kleine Attalidische Weihgeschenk wäre in seinen Dimensionen eine ganz andere Sache gewesen als die übrigen Stiftungen, die wir vom ersten pergamenischen König kennen. Die größten von ihnen waren noch das Langbathron im Athenaheiligtum von Pergamon (also womöglich die sogenannten Großen Gallier), von etwa 20-m Länge, 64 sowie die einstöckige Stoa in Delphi von etwa 40-m Länge. 65 Und selbst für diese beiden wesentlich weniger aufwendigen Bauten als das Athener Monument muss man berücksichtigen, dass sie in Zeiten vergleichsweise geringer auswärtiger bzw. militärischer Belastungen errichtet wurden: wohl vor 209/ 208 die Terrasse mit Stoa und vorgelagertem Anathem in Delphi 66 und nach 213 das Pergamener Langbathron. 67 Zur Zeit seines Athenbesuches allerdings kämpfte Attalos I. seit einem Jahr um die bloße Existenz seines Reiches. 201 hatte Philipp Pergamon selbst belagert und die Umgebung inklusiver der vor pergamenischen Burg gelegenen Heiligtümer bis auf die Fundamente verwüstet. 68 Seit 200 führte Attalos dann in jedem Jahr gemeinsam mit den Römern in Griechenland Krieg, und zwar einen Krieg, der sich außerordentlich zäh anließ. 69 Und noch vor dem finalen Sieg über Philipp V. starb der pergamenische König. Unter diesen Umständen sehe ich weder das finanzielle noch das künstlerische Biotop, in dem ein Großprojekt wie das kleine Attalidische Weihgeschenk geplant, konfektioniert, auf Bauhütten aufgeteilt und in der Sache umgesetzt worden sein konnte, ganz davon abgesehen, dass Attalos I. seine Fertigstellung bei einem Baubeginn gegen 200 unmöglich hätte erlebt haben können. Wenn aber nicht, wäre nicht er als Weihender in Erscheinung getreten, sondern sein Nachfolger. Und dies würde dann sowohl mit dem Pausanias-Zeugnis als auch mit der Plutarchstelle kollidieren. Betrachtet man hingegen das Athen-Engagement unter Attalos II., bestehen weder an der Leistungsfähigkeit der pergamenischen Bildhauerwerkstätten noch an der finanziellen Kapazität des pergamenischen Staates irgendwelche Zweifel. 70 In der Zusammenschau der von den pergamenischen Herrschern in Athen geweihten Stiftungen ergibt sich also eine klare Tendenz: die späten Attaliden, namentlich also Eumenes II. und Attalos II., haben Aufwendungen in Athen beispiellos massiert. Soweit der Befund: Aber welche Ratio stand dahinter? III. Eine Sinngeschichte des pergamenischen Athen-Engagements Für eine zumindest tentative Beantwortung dieser Frage werde ich zunächst erneut das Kleine Attalidische Weihgeschenk in den Blick nehmen, weil ich meine, dass dessen Semantik die explizitesten Hinweise gibt. Dabei handelt es sich in der Tat um ein merkwürdiges, ja einzigartiges Monument, und das nicht nur wegen seiner enormen Dimension. Noch einmal: was ist eigentlich dargestellt? Pausanias berichtet, dass das Monument vier Szenen der Mythologie und Geschichte zusammenband: erstens den Kampf der olympischen Götter gegen die Giganten, zweitens den Sieg des Athener Lokalheros Theseus gegen die Amazonen, drittens die persische Niederlage bei Marathon und viertens die Vernichtung der Galater durch den ersten pergamenischen König an den Quellen des Kaikos. Trotz der seriellen Siegesdarstellung sind die vier Kampfgruppen, wie bereits Ralf von den Hoff in seiner Rezension zu Stewarts Buch festgestellt hat, kein normales Siegesmonument. Von den Hoff hat zurecht auf den auf den retrospektiven Charakter des Kleinen Attalidischen Weihgeschenks hingewiesen. 71 Dieser Punkt lohnt sich zu elaborieren, um noch präziser zu verstehen, was für ein Bild von Vergangenheit und Gegenwart das Monument vermittelt. In der Tat verstößt die Kampfgruppe gegen die üblichen Darstellungsregeln von Sieg. Ein Siegesmonument im griechischen Kontext bildete entweder zeitgenössische Horizonte ab (etwa im Stile der großen Gallier) oder es stellt einen der großen mythischen Kämpfe dar und überlässt dem Betrachter, der im griechischen Kontext und insbesondere in Athen kodierungs- und dekodierungsgeschult ist, den Aktualitätsbezug. Dass die Abbildung einer Gigantomachie nach einem zeitgenössischen Kampf gegen die Galater eben den Kampf gegen die Galater ausdrückte, war aus dieser Perspektive geradezu augenfällig. 72 Dass hingegen beides, Mythos und Geschichte, am selben Monument vorkommt, war nicht üblich (prominente Ausnahmen sind, soweit ich sehe, lediglich das Heroon von Trysa, 73 der Athena Nike-Tempel 74 sowie - und hier wird es spannender - die Marathon-Darstellung in der Stoa Poikile 75 ). In seiner Vierer-Reihung wirkt die Botschaft des Kleinen Attalidischen Weihgeschenks allerdings gerade gegenüber diesem Monument tumb und unelegant. Denn zumindest auf den ersten Blick scheint hier eine recht einfache Aussage nur überdeutlich vorgetragen worden zu sein: Damit auf der Deutungsebene auch keiner etwas missverstehen könnte, hätte man die pergamenische Variante vom Kampf gegen das Barbarische mit gleich drei anderen kanonische Manifestationen derselben Sache gerahmt. 76 Auf den zweiten Blick stellt sich die Semantik des Monuments allerdings anders dar, denn wiederum: es ging hier nicht um einen aktuellen Sieg und dessen Mythisierung. Die Schlacht am Kaikos lag zum Aufstellungszeitpunkt des Monuments bereits 80-90 Jahre zurück, 77 der temporale Fluchtpunkt der Mythenserie war also gerade nicht die zeitgenössische Epoche. Unter diesen Auspizien kann es sich bei der Abfolge der Kampfszenen nicht um die Wiederholung des immer Gleichen gehandelt haben. Ertragreicher erscheint mir 121 Pergamons Athen: Zur imitatio Athenarum unter den späten Attaliden dagegen der Blick auf die spezifische serielle Dynamik, mit der das Monument eine mehrstufige Transformation der jüngsten Geschichte vornahm. Die Ur-Konstellation des Kampfes zwischen Ordnung und Chaos, den der Götter gegen die Giganten, findet im zweiten Bild eine erste, ganz rein mythische, aber lokalgeschichtlich relevante Parallele in Theseus und den Amazonen. Mit der Abbildung von Marathon wird dann, übrigens durch die athenische Propaganda der letzten Jahrhunderte gut vorbereitet, die lokale Identitätsgeschichte in mythischen Rang erhoben. Der Übergang von der Amazonomachie zur Schlacht von Marathon ist somit der archimedische Punkt des Monuments. Denn an diesen Übergang knüpft wiederum die Bearbeitung des Kaikos-Sieges von Attalos an und versucht dieses weit weniger präsente Exempel des Barbarenkampfes auf ein ähnliches Niveau wie Marathon zu heben. Nicht um eine mythische Deutungs- Parallele für die pergamenische Gegenwart also ging es, sondern um die Kanonisierung, man könnte auch sagen: Musealisierung der jüngeren pergamenischen Vergangenheit im gesamtgriechischen Deutungsrahmen. So wie es die Marathon-Schlacht geschafft hatte, eine überhistorisch-mythische Qualität zu erlangen, beanspruchte auch die attalidische Kaikos-Schlacht eine überzeitliche Relevanz (im griechischen mythischen Biotop). Die Logik für eine solche Formatierung ergibt sich wohl nur aus dem spezifischen Kontext der Geschichte der späten Attaliden und war die Kehrseite des Friedens von Apameia (188 v. Chr.), der für Pergamon auf den ersten Blick so profitabel gewesen war. Mit der unübersehbaren römischen Übermacht waren allerdings danach militärische Siege, die von der griechischen Öffentlichkeit als völlig eigenständig begriffen werden konnten, für die pergamenischen Herrscher immer schwieriger zu modellieren. 78 Während des Perseuskrieges kam es zudem zur schlimmsten Katastrophe der pergamenischen Außenpolitik insgesamt. Als Eumenes 168/ 167 an der Seite Roms in Griechenland gegen den Makedonenkönig kämpfte, nutzten die Galater in Kleinasien die Abwesenheit von König und Heer zum Aufstand. Nur mit Mühe gelang es Eumenes in zwei harten Kampagnen, sie abzuwehren und erneut niederzuwerfen. Doch auf den militärischen Sieg folgte das politische Desaster: Der römische Senat dekretierte ohne weiteres, dass Galatien vom pergamenischen Reich unabhängig sein solle. 79 In der Konsequenz dieser Vorgänge beschlossen Attalos und sein Kronrat schließlich, vor jeder wesentlichen außenpolitischen Entscheidung in Rom um Einwilligung nachzufragen. 80 Dieses Verfahren mochte im Lichte kühler Logik funktional sein - für das Image eines hellenistischen König aber war es fatal: Es bedeutet das ungeschminkte Eingeständnis politischer Ohnmacht und den Verlust der Möglichkeit, sich eigenständig militärisch zu beweisen. 81 Man versteht meines Erachtens die charakteristischen Züge der pergamenischen Öffentlichkeitsarbeit und Repräsentationskunst in der Zeit der späten Attaliden am besten, wenn man danach fragt, was sie an die Stelle des verbotenen Sieges setzten. Programmatische Hinweise dafür gab Eumenes II. bezeichnender Weise selbst. Unmittelbar nach der dem galatischen Desaster unterstreicht er in einem offenen Brief an den wichtigsten Städtebund im westlichen Kleinasien, wie er sich und die pergamenische Dynastie von Untertanen und griechischer Öffentlichkeit gesehen wünscht. „Der König Eumenes grüßt den Ionischen Bund: Von Euren Gesandten trafen mich Irenias und Archelaos in Delos und überreichten mir ein schönes und wohlwollendes Dekret, an dessen Beginn Ihr feststellt, daß ich von Anfang an nach den schönsten Taten gestrebt und mich als der Wohltäter aller Griechen gezeigt habe, daß ich große Schlachten gegen die Barbaren geschlagen habe, um mit aller Anstrengung dafür zu sorgen, daß die Einwohner der griechischen Städte immer in Frieden und Wohlstand leben können, und für die damit verbundenen Gefahren und Mühen Ruhm erworben habe (…).“ 82 Dieser als Inschrift monumentalisierte Brief definiert ziemlich genau die Pfeiler der pergamenischen Selbstdarstellung nach dem galatischen Desaster: die Zuwendungen gegenüber griechischen Städten 83 und die Beschwörung des Barbarenkampfes. Entsprechend erreichten die pergamenischen Stiftungen unter Eumenes II. und Attalos II., wie wir gesehen haben, eine neue Dimension, und für den Barbarenkampf entwickelten die Pergamener sogar einen wiedererkennbaren Stil, der ihn zum spezifisch pergamenischen Thema stilisierte. 84 Der Athen-Bezug, der sich in den exzessiven Weihungen in Athen und der an Athen angelehnten Musealisierung der Vergangenheit zeigt, eröffnet den Blick aber noch auf einen anderen Zusammenhang. Denn er tritt nicht nur in der griechischen Metropole selbst zu Tage, sondern auch, und dort ebenso markant, in den Bauten und Inszenierungen der letzten Attaliden-Herrscher auf dem Pergamener Burgberg. Natürlich war Athena dort schon immer präsent gewesen. Bereits Eumenes (I.) hatte wohl in Pergamon die Panathenäen eingeführt. 85 Im Laufe des zweiten Jahrhunderts v. Chr. und insbesondere unter der fortgeschrittenen Herrschaft von Eumenes II. und unter dem Regiment Attalos’ II. wurden die Athen- Bezüge allerdings ungleich dichter und bedeutungsvoller. Programmatisch dafür war bereits die bauliche Ausgestaltung des Burgbergs. Obwohl Eumenes die Wälle der Stadt beträchtlich verstärkte, 86 verlor die pergamenische Akropolis allmählich ihren Festungscharakter. Unter wesentlich ungünstigeren geographischen Bedingungen als in Athen entstand auf der felsigen Kuppe des 250-m hohen Kegels ein architektonisches Schmuckstück nach dem anderen. 87 Der Aufwand dafür war freilich enorm. Für die Gestaltung des kontinuierlich erweiterten Palastkomplexes beschäftigten die Attaliden offenbar 122 Ulrich Gotter die besten Künstler (vor allem Maler und Mosaizisten) der griechischen Welt. 88 Man investierte ostentativ in Bildung, die als athenisch galt, in Philosophie und Literatur. Die an das Athenaheiligtum angrenzende Bibliothek soll rund 200.000 Schriftrollen enthalten haben. 89 Der Bezug des Baus auf Athen wurde in diesem Fall so explizit wie möglich hergestellt: Eine Kopie von Phidias’ Athena Parthenos beherrschte den Lesesaal. 90 Die Referenzen des Großen Altars, dessen Spätdatierung (also nach 166 v. Chr.) 91 kaum mehr in Frage steht, zur athenischen Kunstvergangenheit sind längst Gemeingut der Forschung: Die Zeus-Athena-Gruppe auf der Ostseite des Frieses bietet in der Figurenkonstellation ein geradezu unübersehbares Zitat zum Westgiebel des Parthenon; 92 die szenisch und stilistisch ganz andere Gestaltung des Telephosfrieses verweist ebenso markant auf attische Grab- und Votivreliefs. 93 Mit Zitaten durchsetzte Großprojekte dieser Art wurden die Aushängeschilder des attalidischen Musenhofs, der nahezu alle Elemente von Kultur auf breiter Front beförderte. Dass auch die Zeitgenossen offenbar sehr wohl verstanden, welchem Vorbild die Attaliden nacheiferten, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass eine der attalidischen Stadtgründungen, das lydische Philadelpheia, Klein-Athen genannt wurde. 94 Betrachtet man die politische Großwetterlage des östlichen Mittelmeerraums im 2. Jhdt., liegt es nahe, in diesen kompakten Bemühungen mehr zu sehen als die persönliche Wertschätzung der Könige für Kultur 95 oder die unspezifische Repräsentation eines politischen Gebildes mit den Mitteln ästhetischer Demonstration. Ich habe bereits an anderer Stelle argumentiert, dass sich im kulturellen Engagement der pergamenischen Herrscher eine besonders profilierte Kompensation für die prekäre Sieghaftigkeit der pergamenischen Dynastie im 3. und 2. Jhdt. erkennen lässt; 96 mustert man die Athen-Refenzen durch, lässt sich die These noch zuspitzen und den Athen-Bezügen eine pointiertere Deutung zuweisen. Athens virtuose und vielleicht auch überraschende Leistung der eineinhalb Jahrhunderte zuvor war die Demonstration gewesen, dass Investitionen in Kultur für Ansehen abseits der aktuellen Machtverhältnisse sorgen konnten. Natürlich blieb Athen selbst nach dem Chremonideischen Krieg eine Stadt mit (macht)politischen Ansprüchen; dass man allerdings nicht mehr in der ersten Liga zu spielen vermochte, wurde immer unübersehbarer. Gleichwohl immunisierte sich der Geltungsanspruch Athens gegen den unbestreitbaren Verlust primärer (militärischer) Macht. Könige und Dynasten investierten in der Stadt, und seit dem 2. Jhdt. kamen die neuen Machthaber im östlichen Mittelmeer, die römischen Aristokraten, gern und regelmäßig, um den vermeintlichen Mittelpunkt der griechischen Welt zu besuchen. Die Stadt selbst reagierte darauf und ging mit dem eigenen kulturellen Kapital wesentlich offensiver um als noch im 4. Jhdt. 97 Die Erwartung, wegen der vergangenen Leistungen und der anerkannten kulturellen Potenz eine Sonderbehandlung beanspruchen zu können, lässt sich etwa im athenischen Habitus erkennen, als man mit dem die Stadt belagernden L. Sulla verhandelte. Dass der die Rechtfertigungssuada der Athener Intellektuellen mit dem Dictum abbrach, er sei von den Römern nicht hierher geschickt worden, um Geschichte zu studieren, sondern um Rebellen zu bestrafen, 98 ist ja gewiss nicht wegen der Selbstverständlichkeit dieser Haltung überliefert. Der Verweis auf die kulturellen Kapazitäten Athens mochte jenseits der spezifisch sullanischen Hartleibigkeit durchaus erfolgversprechend sein. Das zumindest scheint schon die Grundidee der Philosophengesandtschaft von 155 gewesen zu sein. Wenn wir nun, in der Konsequenz der ebenfalls unübersehbaren pergamenischen Bedeutungsverlustgeschichte, forcierte Investitionen in Kunst, Philosophie und sonstige Kulturleistungen wahrnehmen und ganz konkret sowohl die Athenisierung Pergamons als die Pergamenisierung Athens konstatieren müssen, liegt es m.- E. nahe, die Athen-Imitation als ganz bewusstes Kalkül zu sehen. Eine Kapitalumwandlung hin zu einer Kulturhauptstadt der griechischen Welt in Angriff zu nehmen und so die eigene Bedeutung zu zementieren, mochte für die Attaliden in ihrer machtpolitischen Misere nicht die schlechteste Option gewesen sein. Und eigene Handwerker nach Athen zu schicken und ausgerechnet dieser Stadt die größte Statuengruppe der bekannten Welt zu schenken, konnte diesen Anspruch wahrhaftig mit besonderem Nachdruck dokumentieren. 123 Pergamons Athen: Zur imitatio Athenarum unter den späten Attaliden Anmerkungen 1 Zur Persistenz und Bedeutung der pergamenischen „Kulturpolitik“ bereits im 3. Jhdt. vgl. Schalles 1985; eine Vogelperspektive auf die attalidische Kulturpolitik (mit besonderer Markierung der mythischen Inventionen) bietet zudem Gruen 2000, obwohl die Präzision seines Arguments unter der unrichtigen Kontextualisierung des Kleinen Attalidischen Weihgeschenks (s. dazu weiter u.) leidet. 2 Eine Aufstellung der attalidischen Schenkungen findet sich (unter den jeweiligen Stiftern) bei Bringmann - Steuben 1995; um einen Eindruck der schieren Gesamtzahl zu geben, finden sich in der folgenden Auflistung die Schenkungen aller Familienangehörigen von Philetairos bis Attalos III. Berücksichtigt werden dabei auch Königinnen und Söhne, die nie selbst Herrscher wurden: Nr. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 39. 49. 68. 76. 77. 80. 84. 86. 87. 88. 89. 91. 92. 93. 94. 95. 103. 172. 173. 174. 175. 176. 177. 178. 179. 180. 181. 182. 212. 213. 226. 227. 228. 230. 231. 232. 241. 242. 249. 250. 251. 252. 253. 254. 255. 256. 257. 261. 262. 266. 267. 272. 284. 285. 286. 287. 303. 313. 314. 315. *324. *353. *355. *357. *370. **374. **375. **376. **377. **378. **379.**380. **381. **394. **398. **415. **416. **417. **424. **425. **426. **427. **434. **435. **436. **438. **439. **440. **441. **442. **443**. 445. **459 (Sterne und Doppelsterne markieren den Grad der Unsicherheit in der Zuweisung; Legende bei Bringmann - Steuben 1995). Zum Vergleich s. die allesamt weniger reichhaltigen Auflistungen der bekannten Stiftungen der Antigoniden (Bringmann - Steuben 1995, 550-551), der Ptolemäer (Bringmann - Steuben 1995, 551) und der Seleukiden (Bringmann - Steuben 1995, 551- 552). Entsprechend reichhaltig war auch die Liste der den pergamenischen Herrschern und ihren Familienangehörigen zuteil gewordenen Ehrungen; s. Kotsidou 2000, Nr. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 51. 55. 73. 78. 81. 90. 91. 92. 93. 94. 95. 96. 97. 98. 105. 108. 109. 142. 143. 163. 164. 165. 169. 193. 200. 204. 213. 217. 218. 220. 221. 222. 225. 229. 230. 234. 240. 249. 253. 274. 275. 276. 277. 278. 292. *303. *346. *354. *360. *361. *359. *362; zum Vergleich für die Antigonioden, Ptolemäer und Seleukiden s. Kotsidou 2000, 631-633. 3 Strab. 13, 4, 1: καὶ πολιτευόμενος δι᾽ ὑποσχέσεων καὶ τῆς ἄλλης θεραπείας ἀεὶ πρὸς τὸν ἰσχύοντα καὶ ἐγγὺς παρόντα (Übers. S. Radt). 4 Für Philetairos: Kyzikos (Bringmann - Steuben 1995, Nr. 241), Aigai (Mysien: Bringmann - Steuben 1995, Nr. 251; 252), Pitane (Bringmann - Steuben 1995, Nr. 257); für Attalos I: Chios (Bringmann - Steuben 1995, Nr. 231), Teos (Bringmann - Steuben 1995, Nr. 262), Ephesos (Bringmann - Steuben 1995, Nr. 266), Magnesia am Mäander (Bringmann - Steuben 1995, Nr. 272), Aizanoi (Bringmann - Steuben 1995, Nr. 253). 5 Zur grundsätzlichen Prekarität des pergamenischen Herrschaftsgebildes s. a. Gotter 2013, 209-219. 6 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 86-88. 7 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 91. 92. 8 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 172-175. 9 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 226. 10 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 76. 11 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 26. 27. 12 Polyb. 32, 8, 5: δεύτερον φιλοδοξóτατος ἐγενήϑη καὶ πλείστας μὲν τῶν κaϑ‘ αὑτὸν βασιλέων πóλεις Ἑλληνίδας εὐεργέτησε, πλείστους δὲ κατ’ ἰδίαν ἀνϑρώπους ἐσωματοποίησε. 13 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 355. 14 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 284-287. 15 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 254. 16 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 255. 17 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 242. 18 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 267. 19 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 353. 20 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 303. 21 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 249. 250. 22 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 93-95. 23 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 84. 24 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 80. 25 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 49. 26 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 230. 27 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 176-182. 28 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 227. 228. 29 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 232. 30 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 212-213. 31 Polyb. 16, 26, 5. 32 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 27; zur Einordnung s. Habicht 1990, 567. 33 Die Zuordnung der pergamenischen Pfeiler auf der Akropolis an die einzelnen attalidischen Monarchen ist im Befund und in der Forschung unübersichtlich. Deshalb muß dabei derzeit der Konjunktiv dominieren. Konkret geht es um den Pfeiler an den Propyläen (das sog. Agrippa-Monument), zwei Pfeiler an der Nordseite des Parthenons sowie die beiden Pfeiler neben dem Kleinen Attalidischen Weihgeschenk. Während das Agrippa-Monument aller Wahrscheinlichkeit Eumenes II. zuzuweisen ist (s. Anm. 34), ist die Debatte für die beiden Pfeiler am Parthenon komplexer (hierfür ist die sorgfältige Aufarbeitung des Befundes durch Korres 2000, 314-327 einschlägig). Zum besser erhaltenen Monument, das eine Quadriga trug und möglicherweise einen Wagensieg des pergamenischen Königs kommemorierte, vgl. Kotsidou 2000, Nr. 35; Korres 2000, 320-325; Gans 2006, 138-139; Krumeich - Witschel 2009, 184 Anm. 38. Hurwit 1999, 271-272 votiert für Attalos II., weist aber das Kleine Attalidische Weihgeschenk Attalos I. zu. Genau hier liegt eigentlich das Problem. Denn wenn der Agrippa-Pfeiler und die Monumente am Parthenon Eumenes II. zuzuweisen sind und die Pfeiler neben dem Kleinen Attalidischen Weihgeschenk (in unmittelbarer Nähe an der Südmauer der Akropolis) zwangsläufig der Regierungszeit Attalos’ II. (s. u.), würde ausgerechnet für den pergamenischen Herrscher, der erstens das positive Verhältnis Pergamons zu Athen begründet hat und zweitens den Reigen der attalidischen Pfeilermonumente mit dem Pfeiler in Delphi begonnen hat (s. dazu Kotsidou 2000, Nr. 91 mit weiterer Literatur; Jordan-Ruwe 1995, 38-39), ein solches Monument in Athen fehlen. Das aber wäre keine wirklich befriedigende Lösung angesichts der attalidischen Pfeilerflut auf der Akropolis (s. dazu jetzt Korres in diesem Band). So spricht m.-E. einiges für die Zuweisung eines der Parthenon-Pfeiler an Attalos I. Der beste Kandidat dafür wäre wohl der Pfeiler an der Nordostecke des Parthenons (P 1), insbesondere weil, wie Korres’ Profilzeichnung zeigt (Korres 2000, 327), der andere Pfeiler nahe dem Parthenon (P 2) in der Tat dem Agrippa-Monument sehr ähnlich ist, der Pfeiler P 1 sich hingegen in seinem Profil markant von beiden abhebt. Korres selbst weist auch P 1 tendentiell Eumenes II. zu; da er allerdings das Kleine Attalidische Weihgeschenk für eine Weihung Attalos’ I. hält, stellt sich für ihn das eingangs geschilderte Problem (kein Pfeiler von Attalos I.) nicht. 34 Hurwit 1999, 271; Kotsidou 2000, Nr 32; Korres 2000, 314- 319; Gans 2006, 138-139; zur Umarbeitung für Agrippa zuletzt Johr 2016, 55-56. 35 S. dafür (mit weiteren Hinweisen), Schaaf 1992, 86. 36 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 28 mit dem Zeugnis des Vitruv; Korres 1983: 180-160 v. Chr., Hesberg 1980, 27 (zweite Hälfte von Eumenes’ Regierungszeit: Palmblattkapitell); ähn- 124 Ulrich Gotter lich Coulton 1976, 68-69. 37 Hansen 1971, 59-67; Allen 1983, 72-75. 38 Polybios spricht in diesem Zusammenhang explizit von geradezu radikalen Zerstörungen: Pol. 16, 1, 5-6; s.-a. Hansen 1971, 55-56. 39 Vgl. Chrubasik 2013, 103-104; Gotter 2013, 216-217; s.- a. Hansen 1971, 74-77. 40 Vgl. Hopp 1977, 41-42. 41 Hopp 1977, 46-48. 42 Korres 1983, 204-206: „Die Halle, d.-h. das Baumaterial, kam nach Athen, der Hauptbetrag des Bauetats zirkulierte jedoch in Pergamon und trug so zum Wohlergehen der Untertanen des Eumenes bei“ (206); ablehnend dazu bereits Schaaf 1992, 90. 43 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 29; für eine Entsendung pergamenischer Handwerker/ Künstler lassen sich auch die Evidenzen von Delphi (Bringmann - Steuben 1995, Nr. 93. 95) anführen. 44 Zum Ausbau der Residenzstadt Pergamon s. Radt 1999; Hansen 1971. 45 Coulton 1976, 56. 69; Schalles Hephaistos 4 (1982); Korres 1983, 201 (Säulenhöhe! ). 46 Pol. 29, 5. 30, 1-3. 30, 20. 31, 6, 6. Für das in der Folge rasant verbesserte Verhältnis der pergamenischen Herrscher zur griechischen Welt s. etwa die Ehrung des Eumenes durch das ionische Koinon (dazu Welles 1966, 212-219; Gotter 2013, 211). 47 Schaaf 1992, 110 argumentiert, ausgehend von den Ähnlichkeiten zur Attalosstoa, in eine ganz ähnliche Richtung: „Von entscheidender Bedeutung scheint mir die von der gesamten Forschung akzeptierte Auffassung zu sein, daß es sich bei den beiden athenischen Hallen des Eumenes II. und des Attalos II. um ‚Zwillingsbauten‘ handelte. Diese Ähnlichkeit kann nicht nur dem pergamenischen Charakter der Bauten zugeschrieben werden, sondern ist mit der Verantwortlichkeit desselben Architekten und der Beteiligung pergamenischer Werkleute einleuchtend zu erklären. Dies spräche für eine besonders enge zeitliche Abfolge der Bauten, zumal die Eumenes-Stoa nahezu vorgefertigt aus Pergamon angeliefert wurde. Es liegt nahe, an ein Verbleiben der zur Überwachung der Bauarbeiten an der Eumenes-Stoa mitgesandten Fachleute in Athen zu denken und eine unmittelbare Aufeinanderfolge der Bauten anzunehmen.“ 48 Vgl. Schaaf 1992, 92-93 mit weiteren Belegen. 49 Vgl. Hesberg 1980, 30. 50 Vgl. Bernard - Pike 2014. 51 Vgl. Schaaf 1992, 99. 52 S. Schaaf 1992, 97-98 mit weiteren Hinweisen; zur Bauinschrift der Stoa s. jetzt Kaye 2016. 53 Ridgway 2005; s. a. Queyrel 2005, 133-135. 54 Stewart 2004, 218-220; Gans 2006, 131 folgt Stewart in der Datierung, s. dagegen aber von den Hoff 2006. 55 Paus. 1, 25, 2: πρὸς δὲ τῷ τείχει τῷ Νοτίῳ γιγάντων, οἳ περὶ Θρᾴκην ποτὲ καὶ τὸν ἰσθμὸν τῆς Παλλήνης ᾤκησαν, τούτων τὸν λεγόμενον πόλεμον καὶ μάχην πρὸς Ἀμαζόνας Ἀθηναίων καὶ τὸ Μαραθῶνι πρὸς Μήδους ἔργον καὶ Γαλατῶν τὴν ἐν Μυσίᾳ φθορὰν ἀνέθηκεν Ἄτταλος, ὅσον τε δύο πηχῶν ἕκαστον (Übers. E. Meyer). 56 Plut. Ant. 60, 2-3: σημεῖα δὲ πρὸ τοῦ πολέμου τάδε γενέσθαι λέγεται. Πείσαυρα μέν, Ἀντωνίου πόλις κληρουχία, ᾠκισμένη παρὰ τὸν Ἀδρίαν, χασμάτων ὑπορραγέντων κατεπόθη. τῶν δὲ περὶ Ἄλβαν Ἀντωνίου λιθίνων ἀνδριάντων ἑνὸς ἱδρὼς ἀνεπίδυεν ἡμέρας πολλάς, ἀποματτόντων τινῶν οὐ παυόμενος. ἐν δὲ Πάτραις διατρίβοντος αὐτοῦ κεραυνοῖς ἐνεπρήσθη τὸ Ἡράκλειον: καὶ τῆς Ἀθήνησι γιγαντομαχίας ὑπὸ πνευμάτων ὁ Διόνυσος ἐκσεισθεὶς εἰς τὸ θέατρον κατηνέχθη: προσῳκείου δὲ ἑαυτὸν Ἀντώνιος Ἡρακλεῖ κατὰ γένος καὶ Διονύσῳ κατὰ τὸν τοῦ βίου ζῆλον, ὥσπερ εἴρηται, Διόνυσος νέος προσαγορευόμενος. ἡ δὲ αὐτὴ θύελλα καὶ τοὺς Εὐμενοῦς καὶ Ἀττάλου κολοσσοὺς ἐπιγεγραμμένους Ἀντωνείους Ἀθήνησιν ἐμπεσοῦσα μόνους ἐκ πολλῶν ἀνέτρεψε (Übers. K. Ziegler). 57 Dio 50, 15, 1-3: εἰπόντων δὲ ἄλλων ἄλλα ἐνίκησεν ἡ Κλεοπάτρα, τά τε ἐπικαιρότατα τῶν χωρίων φρουραῖς παραδοθῆναι καὶ τοὺς λοιποὺς ἐς τὴν Αἴγυπτον μεθ᾽ ἑαυτῶν ἀπᾶραι συμβουλεύσασα. ταύτην γὰρ τὴν γνώμην ἔσχεν, ἐπειδὴ ὑπὸ σημείων ἐταράχθη. χελιδόνες τε γὰρ περί τε τὴν σκηνὴν αὐτῆς καὶ ἐν τῇ νηὶ τῇ στρατηγίδι, ἐφ᾽ ἧς ἐπέπλει, ἐνεόττευσαν, καὶ γάλα αἷμά τε ἐκ κηροῦ ἐρρύη: τάς τε εἰκόνας αὐτῶν, ἃς οἱ Ἀθηναῖοι ἐν τῇ ἀκροπόλει τὸ τῶν θεῶν σχῆμα ἐχούσας ἔστησαν, κεραυνοὶ ἐς τὸ θέατρον κατήραξαν (Übers. O. Veh). 58 Stewart 2004, 198-200. 59 Stewart 2004, 223. 60 Plin. Nat. hist. 34, 84: Plures artifices fecere Attali et Eumenis adversus Gallos proelia: Isigonus, Pyromachus, Stratonicus, Antigonus, qui volumina condidit de sua arte (Übers. R. König). 61 Den Feldzug von 166 v. Chr. hat er gemeinsam mit seinem Bruder, und damit technisch unter dessen Oberbefehl, geführt (vgl. Hopp 1977, 52-53). Die Planungen zu einer weiteren Intervention in Galatien setzte er selbst nach intensiven Diskussion mit seinem Kronrat nicht mehr um (vgl. Hopp 1977, 69-70; s.-u.). 62 Ich habe hier mit Vorsatz die ästhetischen Aspekte der Datierungsschlacht um das Monument außer Acht gelassen. Hier gäbe es in der Tat viel zu sagen, und insbesondere der weitaus überwiegende Teil der deutschen Archäologie wäre mit einer Datierung um die Jahrhundertmitte aus stilistischen Gründen weitaus glücklicher als mit einer Datierung um 200 (zur Forschungsgeschichte s. Stewart 2004, 12-75; dazu allerdings insbesondere die detaillierte Rezension von von den Hoff 2006, 336-338). Nun bin ich aber, erstens, kein Archäologe und nehme, zweitens, zumindest in diesem Aufsatz, die problematischen Aspekte einer Datierung von Großplastik im 2. Jhdt. (s. Steward 2004, 43-75) so ernst, daß ich mich nicht darauf einlassen möchte. 63 Stewart 2004, 213-214. 64 Vgl. dazu Schalles 1985, 69. 76-80. 65 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 91. 66 Bringmann - Steuben 1995, Nr. 91 und Schalles 1985, 104- 106. 67 Zur Datierung gegen die archäologische communis opinio vgl. Gotter 2013, 216-217. 68 Pol. 16, 1, 5-6; s. dazu Hansen 1971, 55-57. 69 Vgl. Hansen 1971, 57-69; zu den militärischen Aspekten der Attalidengeschichte jetzt Ma 2013. 70 Zur Baugeschichte der pergamenischen Residenz vgl. Radt 1999, 66-74. 79-81; Zimmer 2011; Vorster 2011. 71 Vgl. von den Hoff 2006, 337. 72 So funktioniert nicht zuletzt noch die communis opino zur Deutung (und Datierung) des Großen Altars in Pergamon: s. etwa: Stewart 2000, 40; Michels 2004; Stewart 2014, 105-113. 73 S. dazu die Dokumentation, wenn auch nicht eben luzide Interpretation des Monuments bei Oberleitner 1994; s. jetzt eine neue Gesamtvorlage des Monuments bei Landskron 2015. 74 S. dazu Harrison 1997. 75 S. dazu etwa Flashar 1996, 73-74; Jung 2006, 109-122. 76 Kistler 2009, 79-97 bemüht sich langatmig, diese im Grunde monumentale Banalität philologisch-archäologisch zu untermauern. Seine Deutung vermag allerdings nicht zu überzeugen; zwar entscheidet er sich schließlich, nachdem er die Datierung des Monuments bis zuletzt in der Schwebe gehalten hat, ebenfalls für Attalos II. als Stifter, allerdings aus den falschen 125 Pergamons Athen: Zur imitatio Athenarum unter den späten Attaliden Gründen. Mit Rückgriff auf Marcadé - Queyrel 2003, 53, argumentiert er, dass es sich bei dem auf der Athener Akropolis dargestellten Galliersieg „in Mysien“ um den Sieg Attalos’ II. von 166 gehandelt habe. Diese Interpretation ist allerdings aus mehreren Gründen völlig unmöglich: 1. 166 v. Chr. war eben nicht Attalos der Sieger, sondern Eumenes (s.- o.). 2. Pausanias behandelt den entscheidenden Sieg gegen die Gallier („Vernichtung“) als bestens eingeführtes Produkt der Erinnerung. Das trifft aber aus der kaiserzeitlichen Perspektive nur auf den Sieg Attalos’ I. am Kaikos zu (s. etwa Pol. 18, 41, 7-8 sowie insbesondere Strab. 13, 4, 2 im Rahmen seines historischen Abrisses der pergamenischen Monarchie). Bei diesem Sieg handelt es sich immerhin um den Gründungsakt der attalidischen Monarchie, denn erst danach nahm der pergamenische Dynast den Königstitel an. Entsprechend präsent war die Memoria daran auch in Pergamon; neben dem großen Rundbathron trägt auch das Langbathron im Athenabezirk die Referenz auf diese Schlacht. Dagegen wurde der Sieg von 166 v. Chr. durch die folgende diplomatische Katastrophe (s.- u.) radikal entwertet und taugte schon deswegen nur sehr schlecht als Zielpunkt einer Geschichte attalidischen Heroentums, das sich mit Marathon parallelisieren ließe. 3. Kistler entgeht die pergamenische Tradition der rückwärtsgewandt-ideologisierten Kommemmoration von Siegen bereits auf dem Langbathron in Pergamon (s. dazu Gotter 2013, 216-217). 77 Vgl. Allen 1983, 34: 238-235 v. Chr. 78 Zu den bithynischen, pontischen und galatischen Kriegen der 180er Jahre s. Hopp 1977, 40-48. 51-53. In allen diesen Auseinandersetzungen bemühte sich Pergamon, statt eine selbstbestimmte unbedenktliche imperiale Politik zu fahren, zunächst und stets um eine Absicherung in Rom. Erst als diese konsequent scheiterte, führen die Pergamener in Eigenregie militärische Erfolge herbei. 79 Vgl. Hopp 1977, 52. 80 S. Welles 1966, Nr. 61. 81 Zur Bedeutung dieser Vorgänge für das pergamenische Königtum s. Gotter 2013, 209-211. 82 Welles 1966 (Nr. 52), 210: „Βα ̣ σ ̣ ι ̣ λεὺς Ε ̣ ὐ ̣ [μένης Ἰώνων τῶι κοινῶι χαίρειν.] τῶν παρ’ ὑμῶν πρεσβευτῶν Μενεκλῆς [μὲ]|ν οὐ συνέμειξέ μοι, Εἰρηνίας δὲ καὶ Ἀρχέλαο ̣ |ς ἀπαντήσαντες ἐν Δήλωι ἀπέδωκαν ψήφισμα καλὸν καὶ φιλάνθρωπον, ἐν ὧι καταρξάμενοι διότι τὰς καλλίστας ἀπὸ τῆ ̣ |ς ἀρχῆς ἑλόμενος πράξεις καὶ κοινὸν ἀναδείξας ̣ ἐμαυτὸν εὐεργέτην τῶν Ἑλλήνων πολλοὺς μ|ὲν καὶ μεγάλους ἀγῶνας ὑπέστην πρὸς τοὺ[ς] βαρβάρους, ἅπασαν σπουδὴν καὶ πρόνοιαν ποιού[με-] νος ὅπω ̣ ς οἱ τὰς Ἑλληνίδας κατοικοῦντες πόλε ̣ [ις] διὰ παντὸς ̣ ἐν εἰρήνηι καὶ τῆι βελτίστηι καταστάσ ̣ [ει] ὑπάρχωσιν, ἀντικαταλλασόμενός [τε πρὸς] τ[ὸν] ἐπ ̣ [α] κ ̣ [ολουθ]ο ̣ ῦ ̣ ντα κίνδυνον κα ̣ [ὶ [πόνον τὴν εὔκλειαν, (…).“ 83 S. dazu auch Thonemann 2013, 37-38. 84 Vgl. etwa Hansen 1971, 299-314; Marszal 2000; Cain 2006a; Cain 2006b. 85 S. Hansen 1971, 448. 86 Vgl. Radt 1999, 57-58. 87 Vgl. Pirson 2011 mit weiterer Literatur. 88 S. Hansen 1971, 365-374; Salzmann 2011; Vorster 2011; für den Einfluß der pergamenischen Kunst über die Grenzen Pergamons hinaus vgl. de Grummond - Ridgway 2000; Grüßinger 2015 mit weiteren Hinweisen. 89 So Plut. Ant. 58. 90 Vgl. Brehme 2011, 195. 91 Vgl Kunze 1990; Schmidt 1990. 92 Queyrel 2005, 157-158. 93 S. detailliert schon von Salis 1912, 106-126; Queyrel 2005, 158-160; für weitere Verweise des Pergamonaltars nach Athen s.-a. Scholl 2011. 94 Joh. Lyd. 4, 58. 95 S. etwa Schneider 1967, 631. 633. 637. 96 Vgl. Gotter 2013, 219. 97 Diese Entwicklung hat Matthias Haake (Haake 2007) in seinem großen Längsschnitt für den Bereich der Philosophie eindrucksvoll skizziert. 98 Plut. Sull. 13. Abbildungsverzeichnis Abb. 1-5: Armin Schönfeld für diesen Aufsatz Abb. 6: Stewart 2004, fig. 228 Literaturverzeichnis Allen 1983 R. E. Allen, The Attalid Kingdom. A Constitutional History, Oxford 1983 Bernard - Pike 2014 S. G. Bernard - S. 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Stewart entwickelte anhand der Einlassspuren von Bronzefiguren auf den Deckplatten eine neue Interpretation der personellen Ausstattung der Gruppen, die weitreichende Folgen für die Beantwortung der Frage nach der Darstellung von Siegerfiguren auf dem Podest nach sich zog. Tonio Hölscher hatte bereits vor der Identifikation der mutmaßlich zum Kleinen Attalischen Anathem gehörenden Basisblöcke aufgrund einer fundierten Analyse der Figuren die These entwickelt, dass die Basis nicht hoch gewesen sein könne und weder die am ‚Boden‘ liegenden noch einige der aktiv im Kampf gezeigten Skulpturen der Besiegten auf sie bezogene Sieger zuließen. 2 Mit der Rekonstruktion Korres’ und den darauf gründenden Deutungen Stewarts stellt sich die Frage, ob die communis opinio, mithin die Argumente von Hölscher für die Abwesenheit von Siegerfiguren auf den Podesten, obsolet sei. Rita Amedick hält Hölschers Ausführungen in Bezug auf die in Rom gefundenen Figuren von Unterlegenen zwar für wichtig, bezweifelt jedoch deren Identifizierung als Kopien von ursprünglichen Bronzefiguren des attalischen Weihgeschenks und damit deren direkte Verbindung mit den von Korres identifizierten Podestblöcken in Athen. 3 Gleichzeitig akzeptiert Amedick Korres’ Vorschlag, dass aus den Einlassungen auf den Podestblöcken auf Kampfgruppen zu schließen sei. 4 Die folgenden Ausführungen berühren allerdings nicht das Thema ‚Kopie oder römisches Original‘. 5 In den Reaktionen auf Stewarts Publikation wurden verschiedene Fragen gestellt, jedoch nur in einem Fall die Rekonstruktion des Podestes als unbefriedigend beurteilt. 6 Sie scheint damit weitgehend als gesicherter Aufbau der Basen akzeptiert zu werden, obwohl Figuren von am Boden liegenden, sterbenden oder toten Kämpfern auf einem Podest mit etwa 1,80-1,85 m Höhe kaum mehr erkennbar gewesen wären. In gleicher Weise werden einzelne Einlassspuren als Ausschnitte für die Verankerung von Bauchstützen von Pferden in der Levade interpretiert, als willkommene Bestätigung für Reiterdarstellungen akzeptiert und in einem nächsten Schritt als Ausweis von Siegerfiguren betrachtet. Zwar wird der vorläufige Charakter der Rekonstruktion und der Interpretation der Einlasspuren in mehreren Rezensionen 7 betont, doch scheint jener erste Vorschlag zunehmend als gesicherte Erkenntnis in die Forschungsliteratur Eingang zu finden. 8 Wegen der Wichtigkeit des Themas und der Auswirkungen auf weitere Studien werden im Folgenden sowohl die Rekonstruktion der Podeste als auch die Interpretation der Standspuren auf den Deckplatten überprüft und alternative Rekonstruktionen vorgestellt, die dem gängigen Aufbau von hellenistischen Orthostatenbasen eher entsprechen und zudem die Sicht auf liegende Figuren ermöglichten. 2. Die Statuenbasen 2.1 Die in die Analyse eingehenden Steinblöcke Der Rekonstruktionsvorschlag von Korres stützt sich auf verschiedenartige Typen von Steinblöcken, je nach ihrer Funktion im Gefüge eines Podestes: Sockelblöcke, Längs- und Querorthostaten oder Deckplatten. Durch die teilweise nur fragmentarisch erhaltenen Kranzgesimse und Einlassspuren von Bronzeskulpturen auf der Oberseite ließen sich dreizehn Steinblöcke eindeutig als Deckplatten von Podesten interpretieren. Davon sind neun Platten annähernd komplett erhalten, zwei zur Hälfte und zwei fragmentarisch. 9 Vier der fast vollständigen Blöcke sind in mittelalterlichen und späteren Teilen der Südmauer der Akropolis wiederverwendet, 10 so dass diese nur teilweise sichtbar sind und zur Auswertung lediglich begrenzt herangezogen werden können. 11 Die nur zur Hälfte erhaltene Platte Γ13 12 (Tab. 1) ist gleichfalls derzeit nicht umfassend zugänglich. Daher können nur 130 Sylvia Martin vier Blöcke (Tab. 1 - Γ1; 3; 4; 11) und mit Einschränkung ein weiterer Block (Γ2) umfängliche Daten für eine Rekonstruktion der Podeste liefern. Die von Korres in seine Untersuchung einbezogenen Deckplatten wurden ausnahmslos in einem begrenzten Radius im Bereich der Südmauer der Akropolis gefunden, so dass die Fundorte nicht gegen eine Herkunft der Blöcke aus dem Attalischen Monument sprechen. Ein Block wurde im Dionysostheater aufgefunden, das unterhalb der Akropolis unmittelbar an die Südmauer angrenzt. Die Kranzprofile zeigen, dass sie alle aus hellenistischer Zeit stammen. 13 Acht Blöcke aus hymettischem Marmor wurden dem Sockel des Schlachtenanathems zugewiesen. Primäre Kriterien waren außer Material, Länge (122,5 - 135 cm), Breite (88 cm) und Höhe (24 cm, ein Block 24,5 cm) auch Korrespondenzen mit mutmaßlichen anderen Bestandteilen der Podeste, vor allem mit den Deckplatten. Nur zwei Sockelblöcke sind so weit erhalten und zugänglich, dass ihre aussagefähigste Seite, die Oberseite, analysiert werden konnte (Tab. 2, Taf. 3). 14 Nr. Länge Anteil erhalten Γ 1 Endblock 145,0 etwa 90% / Plattform 85% alle Seiten sichtbar Γ2 Endblock 137,5 etwa 75% / Plattform 65% stark beschädigt alle Seiten sichtbar Γ3 Innenblock 122,5 etwa 90% alle Seiten sichtbar Γ4 Innenblock ~133 etwa 98% alle Seiten sichtbar Γ5 Endblock etwa 20% / Plattform 30% stark beschädigt alle Seiten sichtbar Γ6 Innenblock 121,7 etwa 50% / Plattform 40% stark beschädigt alle Seiten sichtbar Γ7 ? etwa 17% / Plattform 10% stark beschädigt alle Seiten sichtbar Γ8 Innenblock 124,0 etwa 98% eingebaut in Südmauer nur Oberseite (Plattform) sichtbar Γ9 Innenblock 129,2 etwa 90% / Plattform 80% eingebaut in Südmauer Oberseite, eine Längs- und eine Querseitenfläche sichtbar Γ10 Innenblock ~134 mutmaßlich fast komplett eingebaut in Südmauer eine Längs- und eine Querseitenfläche sichtbar, von Oberseite nur ein kleiner Teil Γ11 Innenblock 129,2 etwa 95% alle Seiten sichtbar Γ12 Innenblock ~134 mutmaßlich fast komplett eingebaut in Südmauer Statuenplattform nicht sichtbar Γ13 Innenblock 122,3 etwa 50% Statuenplattform nicht sichtbar Nr. Länge Breite Höhe A1 ? 133,5 88,0 24,0 Oberseite nicht zugänglich A2 Innenblock 123,5 88,0 24,0 A3 - 122,5 88,0 24,0 Oberseite nicht zugänglich A4 - ~135 88,0 24,0 Oberseite nicht zugänglich A5 Innenblock ~125 88,0 24,5 A6 ? ? - 24,0 A7 ? ? - 24,0 A8 ? ? - 24,0 Nr. Höhe Breite Dicke Dübel an Unterseite Klammern B1 ~97 ~79 ~25 ? ? B2 ~97 ~79 ? ? ? B3 ~97 ~79 ? ? ? Tab. 1 Deckplatten nach Erhaltungszustand und Zugänglichkeit 15 Tab. 2 Sockelplatten nach Erhaltungszustand und Zugänglichkeit 17 Tab. 3 Querorthostaten 18 Unter mehreren meist fragmentarischen Blöcken desselben Marmortyps, gefunden im Umkreis der Südmauer auf der Akropolis, wurden von Korres drei als Querorthostaten eingestuft. 16 Länge und Höhe dieser Blöcke sind nahezu gleich, das dritte Maß, die Stärke oder Dicke, ist nur an einem Block messbar (Tab. 3, Taf. 2.2). Weitere fünf Marmorblöcke, einer davon heute in der Südmauer verbaut, wurden von Korres als Längsorthostaten erkannt. Sie haben dieselbe Höhe wie die Querorthostaten und sind etwa 35 cm dick (Tab. 4, Taf. 2.3). 131 Die Abwesenheit von Beweisen Tab. 4 Längsorthostaten 19 Die Blöcke B9 bis B14 (Taf. 2.3) wurden als mögliche Längsorthostaten gedeutet 20 und die Höhenabweichung zu B4 bis B8 (Tab. 4) um etwa 2 cm mit möglichen Höhendifferenzen der Deckplatten oder der Südmauer erklärt. Da sie jedoch keine zusätzlichen Faktoren zur Rekonstruktion der Podeste beitragen, wurden sie von Korres nicht in die weitere Betrachtung einbezogen. Der Block B9 muss allerdings aufgrund seiner Dicke von 42 cm aus der von Korres vorgeschlagenen Rekonstruktion der Podeste ausscheiden. Selbst ohne Leerraum zwischen den parallel laufenden Längsorthostaten ergäbe sich eine Gesamttiefe von 84 cm für die Skulpturenbasis, was sich mit den Querorthostaten von 79 cm Länge nicht vereinbaren ließe. Sockel und Orthostaten der Basen waren demnach aus hymettischem Marmor, die Deckplatten aus pentelischem Marmor gearbeitet. 21 Obgleich die geschätzte Größe des Monuments derzeit ausschließlich auf ikonographischen Annahmen beruht, 22 kann für eine Schlachtendarstellung der variable Grundtypus einer Orthostatenbasis sicher vorausgesetzt werden. 23 2.2 Standort des Monuments Korres plädierte aus Gründen der Konstruktion aus Längs- und Querorthostaten für eine Aufstellung mit Abstand zur Südmauer und zugunsten der Rundumansichtigkeit eines freistehenden Monuments. 24 Ein Eindruck aus der Ferne hätte flach auf dem Rücken liegende Figuren aus dem künstlerischen Konzept ausgeschlossen. 25 Stewart argumentierte mit den umlaufenden Kranzprofilen, die zeigten, dass die Podeste frei im Raum standen, 26 zusätzlich indirekt mit den Figuren selbst, d.h. mit den in Rom gefundenen mutmaßlichen Marmorkopien der ‚Kleinen Barbaren‘. Einige zeigen Wunden im Rücken, 27 was für eine freie allansichtige Aufstellung spreche und dafür, dass für den Betrachter auch die ‚Rückseite‘ aus der Nähe zu sehen möglich war. Die Schwierigkeit, welche die von Korres rekonstruierte Podesthöhe von etwa 1,80 m für die Wahrnehmung speziell von liegenden Figuren bedeutete, möchte dieser mit dem Hinweis auf das ansteigende Gelände zum Parthenon hin entkräften - ein Betrachter habe diese schiefe Ebene nutzen können, um aus nicht allzu großer Entfernung (etwa 3 bis 4 m) doch noch die liegenden Gestalten detailliert zu erfassen. 28 Auf der zur Mauer hin gewandten Seite gab es jedoch keine Möglichkeit, von einem erhöhten Standpunkt aus die liegenden Skulpturen zu betrachten. Ein naheliegendes Gegenargument wäre, dass die Bildwerke eventuell ausschließlich für die einseitige Betrachtung konzipiert waren: in diesem Fall wäre allerdings eine unmittelbare Anlehnung an die Brüstung der Südmauer naheliegend gewesen. Die von Korres postulierte Podesthöhe, auf die später noch eingegangen wird, spräche gegen eine intendierte Nahansichtigkeit. Doch unterstützt ein weiteres sich aus untersuchten hellenistischen Statuenbasen 29 ableitbares Argument die freistehende Platzierung. Bei Basen, die in Architektur einbanden oder an Architektur angrenzten, wurden die betreffenden Werkseiten nicht als sichtbare Schauseite ausgearbeitet. Alle von Korres identifizierten Deckplatten zeigen nicht nur Spuren einer ursprünglich an beiden Längsseiten existenten, sondern an den Endblöcken eine dreiseitig umlaufende Profilierung. 30 2.3 Rekonstruktion der Statuenbasen Eine Orthostatenbasis hat einen definierten Auf bau in Form je einer waagerecht liegenden Sockel- und Deckplattenlage und einer dazwischen orthostatenartig hochkant stehenden Plattenschicht. 31 Varianten sind stufenartige Sockelschichten - zur Erhöhung eines Standbildes. Der sich zwischen den Orthostaten ergebende Hohlraum wurde entweder leer belassen, ausgemauert oder schlicht mit Bruchsteinen aufgefüllt. 32 Die Deckplatten dienten als Standfläche für Statuen und weisen bei Bronzestatuen, für deren Aufstellung mittels Bleiverguss, Vertiefungen auf. 33 Eine umfassende Untersuchung der Reiterstandbilder aus hellenistischer Zeit zeigt ein einheitliches Konstruktionsprinzip für Basen dieses Typs: bei einstufiger Krepis misst die Gesamtbasishöhe etwa 1,50 m über Bodenniveau und die Größe der Statuen im Durchschnitt zwischen zwei Drittel und voller Lebensgröße. 34 Da Stewart auf dem Denkmal auch Reiter positionierte, 35 können die Basen von Reiterstandbildern als Referenz dienen, an der sich eine Rekonstruktion der Basis des Kleinen Attalischen Schlachtenanathems messen lässt. Wenn bei der nachfolgenden Prüfung des von Korres vorgeschlagenen Podestaufbaus von der ‚Länge der Deckplatten‘ die Rede ist, ist durchweg die Länge der Plattformfläche gemeint, da die Kranzprofile im doppelten Sinn keinen konstruktiven Beitrag zur Analyse des Aufbaus leisten können - sie dienen der Rekonstruktion lediglich durch die sichere Identifizierung einer Enddeckplatte. Die Oberseite der Sockelblöcke (Taf. 3) gibt Aufschluss über die Struktur der darauf aufgesetzten Schicht, also des Basisschafts. Die Sockelplatten waren jeweils mit zwei Klammern an den Enden miteinander verbunden. Weitere Eintiefungen, als Stemmlöcher oder Dübellöcher erkannt, dienten der Errichtung des Podests oder der Standfestigkeit der aufgesetzten Orthostatenplatten. 36 Aufgrund der Ausschnitte und der teilweise Nr. Höhe Länge Dicke B4 ~97 > 95 ? B5 ~97 108 32 B6 ~97 ? B7 ~97 ~100 B8 ~97 ~101 132 Sylvia Martin vorhandenen Gusskanäle für Dübel rekonstruierte Korres ein überzeugendes Bild des Basisschafts: Entlang der Längsseiten waren Orthostatenplatten geführt und mittig Einlassungen, die einen Querorthostaten nahelegten. Wenn die beiden analysierbaren Blöcke als repräsentativ für das Gesamtmonument angenommen werden, dann folgt daraus, dass sich zwei Längsorthostaten mit einem Querorthostat abwechselten. Der Basisschaft setzte sich zusammen aus zwei parallel verlaufenden Längsorthostatenreihen, jeweils 35 cm dick, und Querorthostaten, je 25 cm stark (vgl. Abb. 1 und 2). Die Gesamttiefe dieser Steinlage betrug 79 cm (= Länge der Querorthostaten 37 ), was einen Hohlraum zwischen den Orthostaten von 9 cm implizierte. 38 Dieser Leerraum hatte gravierende Konsequenzen auf die von Korres rekonstruierte weitere Aufbaufolge. Gemäß den o.g. Bauprinzipien waren bei allen bisher untersuchten Orthostatenbasen die Deckplatten unmittelbar auf die Orthostaten gelegt. 39 Korres entwarf einen von dieser Regel abweichenden Auf bau. Er begründete dies mit einem an einigen Deckplatten vorhandenen Detail: Fünf der dreizehn Platten (Taf. 1, Spalte 14) weisen an der Unterseite mittig ein Dübelloch auf! 40 Diese Verdübelung konnte freilich nicht im leeren Raum stattfinden, was Korres veranlasste, eine Zwischenschicht zu postulieren: Eine geschlossene, horizontal die Orthostatenschicht abdeckende Steinlage, mit der die eigentlichen Deckplatten verdübelt gewesen sein müssten (Taf. 4.1). 41 Bisher wurde allerdings noch kein Block identifiziert, der zu jener Zwischenlage passen könnte - Korres wies ihr hypothetisch eine Höhe von 16-24 cm zu. 42 Gleichwohl gibt es eine Alternative, die unter Beibehaltung der traditionellen Struktur einer Orthostatenbasis die ‚unpassenden‘ mittigen Dübellöcher an einigen Unterseiten der Deckplatten erklären kann. Es gibt Blöcke im Steingefüge, die den Raum zwischen den Längsorthostaten in der für eine Verdübelung passenden Höhe füllen: die Querorthostaten. Die Daten zu den Blöcken, die diese Funktion im Gefüge haben konnten, sind überaus lückenhaft. Korres hatte nur drei passende Steine (Tab. 3) und diese sind nach wie vor in der Südmauer verbaut, sodass nur wenige Daten wie Länge, Höhe und in einem Fall die Stärke messbar sind. Über Dübellöcher kann keine Aussage getroffen werden. 43 Daraus ergeben sich zwei mögliche Alternativen: Wenn auch nur einer der drei Blöcke ein mittiges Dübelloch an einer Oberseite aufwiese, könnte dieser Auf bau (vgl. Abb. 2) bestätigt werden. Wenn kein mittiges Dübelloch existiert, könnten die drei Blöcke zu einem Podest, oder Podestabschnitt gehören, in dem die Deckplatten nicht in dieser Weise befestigt waren (Taf. 5 unten). 44 Denn für sieben der dreizehn verfügbaren Deckplatten sind nicht nur keine mittigen Dübellöcher nachweisbar, für fünf dieser Blöcke steht sogar fest, dass sie niemals über solche verfügten. 45 Dies belegt, dass die Fixierung der Steine innerhalb eines Podestes oder von Podest zu Podest unterschiedlich gewesen sein muss. Denkbar ist auch, dass nur an vereinzelten Stellen, an denen ein Querorthostat kreuzte, eine Verdübelung mit diesem vorgenommen wurde. Die an den Deckplatten feststellbaren Varianten gehen von recht unterschiedlichen Vorkehrungen zur Fixierung aus: von vier Klammern und zwei Dübeln an einer Platte bis zu Platten, die keinerlei Befestigungsvorrichtung aufweisen (Taf. 1). Die Podestkonstruktion, die sich aus der Verdübelung der Deckplatten mit Querorthostaten ergäbe, hätte zwei positive Konsequenzen: Die Höhe der Podeste reduzierte sich auf das in hellenistischer Zeit übliche Niveau von etwa 1,60 m und überstieg damit nicht die Augenhöhe eines durchschnittlichen Atheners, und der Gesamtaufbau entspräche der typisch hellenistischen Orthostatenbasis. 46 Bei einer Höhe von 1,60 m konnten auch Skulpturen liegender, toter oder sterbender Gegner aus der Nähe betrachtet werden - ohne den Umstand, sich auf eine schräg nach oben verlaufende Ebene begeben zu müssen und die Figuren bestenfalls aus einigen Metern Entfernung betrachten zu können. Vorausgesetzt, die Podeste waren mit einer Höhe von 1,80 m konzipiert, hätte es im Rahmen des traditionellen Aufbaus zwei Möglichkeiten gegeben, diese Höhe zu erreichen, ohne eine neue Lagenabfolge zu erfinden: die Orthostaten höher zu wählen oder diese auf einen zwei- oder dreistufigen Sockel zu setzen. 47 Im Sinne des Ockhamschen Grundsatzes, 48 dass bei Vorliegen konkurrierender Annahmen zur Erklärung desselben Sachverhalts stets die einfachere Vorrang habe, wäre eine plausible Deutung des Befundes, dass die Skulpturenbasen des Attalischen Weihgeschenks in Athen dem üblichen Grundaufbau einer hellenistischen Orthostatenbasis entsprachen - zumal die archäologischen Funde diese Annahme nicht nur zulassen, sondern eine andere auch nicht nahelegen. Gleichwohl sind bei sechs von elf Längsorthostaten Dübellöcher in der Mitte der Länge an den Oberseiten nachgewiesen, die also unmittelbar für die Befestigung der darüber liegenden Steinlage gedient haben müssen. Bisher wurde keine Deckplatte gefunden, die korrespondierende Dübellöcher (zwei Löcher je etwa 17 cm von den Längskanten nach innen gesetzt) aufweist. Darüber hinaus ist kein Faktum bekannt, die dieser Verankerung von Deckplatten widersprächen. Die Varianten, die selbst die verhältnismäßig geringe Anzahl identifizierter Deckplatten umfassen (mittige Dübel beidseitig, einseitig oder gar keine Dübel), indizieren eine uneinheitliche Struktur der Podestaufbauten. Im Hinblick auf die Podestgefüge, werden nun mögliche Aufbauten unter Einbeziehung der Maße der Blöcke und der Verankerung der Lagen miteinander genauer betrachtet. 2.4 Podestvarianten Korres ordnete die Deckplatten genau vier separaten Podesten zu und sah somit die Hypothese, dass jedes Thema des Monuments auf jeweils einem Podest vertreten 133 Die Abwesenheit von Beweisen war, bestätigt. 49 Die primären Selektionskriterien für die Podestzuweisung sind Länge und Höhe eines Blocks; untergeordnet werden weitere Einzelmaße einbezogen (Taf. 1.2). 50 In keinem einzigen Fall liegen für einen Block alle Maße für eine Klassifizierung vor. Die Zuordnung auf drei Podeste aufgrund der gegebenen Maße hat insofern eine gewisse Berechtigung, als die Maßstreuung der Längenmaße innerhalb einer Reihe maximal 2,3 cm, der Maßsprung zu einer weiteren Reihe dagegen um 4 bzw. 5 cm liegt, was für einen maßhaltigen Auf bau eines Einzelpodests eine intolerable Abweichung bedeutet hätte. Bezüglich der Höhenmaße ist eine eindeutige Zuordnung fraglich, da die Streuung der Maße innerhalb eines Podestes in einem Fall größer ist als der Maßsprung zum nächsten, 51 und in einem Fall ist sie so geringfügig, dass eine Zuordnung willkürlich erscheint. Es ist jedoch derzeit nicht abschließend zu klären, ob zwei Podeste mit gleichen Grundmaßen konzipiert waren, so dass die vier inneren Blöcke der Reihe 1 auch zwei verschiedenen Podesten mit gleichen Maßen zugeordnet werden könnten. Bei den Endblöcken wird eine Klassifizierung problematisch. Deren Differenzen im Höhenmaß lassen keine eindeutige Zuweisung zu, und ohne einen zumindest hypothetischen Aufbauplan kann die Blocklänge hier kein Kriterium sein. Ein Endblock muss um ein definiertes Maß länger (vgl. Abb. 1 und 2) oder, alternativ, sehr viel kürzer sein (vgl. Abb. 5 und 6) als jede der inneren Deckplatten desselben Podests. Die identifizierten Endblöcke der Statuenplattformen könnten zwar zu den vorliegenden Innenblöcken passen, nicht aber zu der von Korres vorgeschlagenen Lösung (Taf. 1.2). Der Block Γ2 (Tab. 1) ist als Endblock den Innenblöcken des Podestes 2 nach Korres zuzuordnen (Abb. 1 und 2). Zu diesem Aufbauvorschlag passen die Längsorthostaten von etwa 100 cm Länge (Tab. 4). Der Endblock Γ1 dagegen passt bezüglich seiner Länge zu den Innenblöcken des Podestes 1 nach Korres (Abb. 3 und 4). In die Rekonstruktion dieses Podestes fügt sich der Längsorthostat mit der Länge von 108 cm ein. Dennoch passt der Endblock Γ1, wie auch abgeschwächt der Innenblock Γ13, wegen seiner Höhe nicht zu den übrigen Blockhöhen des hypothetischen Podestes; daher ist Korres zu folgen, der diesen Block als derzeit alleiniges Indiz für ein viertes Podest angesetzt hat (vgl. Taf. 1.2). Abb. 2: Variante 1 - Verdübelung zwischen Deckplatte und Querorthostat Abb. 1: Variante 1 - Endblock (Γ2) 137 5 cm, passende Innenblöcke Γ3, 6, 8, 13 - zw. 121 7 und 124 cm 134 Sylvia Martin Abb. 3: Variante 2 - Endblock (Γ1) 145 cm, bezüglich Längenmaß passende Innenblöcke Γ4, 10, 12 (Tab. 1), Sockelblöcke A1 und A4 (Tab. 2), sowie der Längsorthostat B5 (Tab. 4). Nr. Länge Höhe Klammern an Oberseite Dübel mittig an Unterseite Γ2 Endblock 137,5 ~40,2 (2) 1 + 0 Γ3 Innenblock 122,5 ~41,8 0 + 0 0 + 0 Γ6 Innenblock 121,7 ~41,7 (0) + (0) 0 + ? Γ8 Innenblock 124,0 ~41,3 0 + 0 ? + ? Γ13 Innenblock 122,3 ~42,2 0 + 0 0 + 0 Γ1 Endblock 145,0 ~44,3 (2) 0 Γ4 Innenblock ~133 ~40,3 2 + 2 1 + 1 Γ10 Innenblock ~134 40,3 2 + (2) 1 + ? Γ12 Innenblock ~134 ? ? 1 + 1 Γ5 Endblock - ~42,8 ? ? Γ7 ? - 40,5 (2) + ? ? Γ9 Innenblock 129,2 ~42,4 2 + (2) 1 + ? Γ11 Innenblock 129,2 ~43 2 + (2) 0 + ? Tab. 6: Zuordnung der Deckplatten zu Podesten: Podest 1 - grün unterlegt / Podest 2 - blau unterlegt / Podest 3 - grau unterlegt / Podest 4 - rot unterlegt / Blöcke 5 und 7 aufgrund der fehlenden Länge nicht zuweisbar. Sofern vorausgesetzt wird, dass die Platten pro Podest in gleicher Länge geplant waren, gilt sowohl für die Varianten 1 und 2 als auch für die Rekonstruktion von Korres (Taf. 4.1), dass die Endblöcke jeweils um eine halbe Plattenstärke der Querorthostaten länger sein müssten als die Mittelplatten: länge Enddeckplatte = länge Deckplatte innen + dicke- Querorthostat / 2 (vgl. Tab. 6). Deshalb ist die Podesteinteilung nach Korres nicht schlüssig (Taf. 1.2) - die Länge der Innendeckplatten des Podestes mit der Enddeckplatte Γ1 von 145 cm kann auch nicht, wie von Korres angenommen, 141 cm sein (vgl. Abb. 3). 52 Die Maße jedes einzelnen Blocks im Podestgefüge lassen sich errechnen aus der Oberseite eines Sockelblocks (zur Klärung der Anordnung) und der Länge des Sockelblocks, sowie den Verbindungsstellen zwischen den Platten. Die Länge einer inneren Deckplatte der Variante 1 (Abb. 1 und 2) entspricht der Länge einer inneren Sockelplatte. Die Länge eines Längsorthostats desselben Aufbaus folgt der Beziehung l Längsorthostat = l Deckplatte innen - d Querorthostat , 53 die Maße jedes Bauteils eines Podestes sind demzufolge ableitbar. 135 Die Abwesenheit von Beweisen Eine weitere Rekonstruktion eines Podests bezieht zwei Längsorthostaten (B5 und B8, Tab. 4) ein, die oberseitige Dübellöcher in der Mitte der Länge der Blöcke aufweisen. 54 Die Längen passender Enddeckplatten ergeben sich aus der Struktur. Die beiden Endblöcke, deren Längenmaße ermittelt werden können (145 cm für Γ1, 137,5 cm für Γ2) passen maßlich nicht in diesen Auf bau, Block Γ2 weist zudem ein Dübelloch in der Mitte seiner Bodenfläche auf, was ihn zusätzlich für diese Variante untauglich erscheinen lässt. Allerdings ist Block Γ5 (Taf. 7) auf seine Eignung für diesen Rekonstruktionsversuch genauer zu betrachten. Er ist mit seiner Profilierung an drei Seiten eindeutig ein Endblock, ist aber in der Länge von etwa 80 cm in einer schräg verlaufenden Kante abgebrochen, sodass auch die untere Auflagekante fehlt. Korres verlängerte den Stein fiktiv auf etwa das Maß der beiden anderen Endblöcke von etwa 137 oder 145 cm. Bei dem in Abb. 5 und 6 gezeigten Auf bau, der die Verankerung von Deckplatten auf den o.g. Längsorthostaten einbezieht, könnte Endblock Γ5 jedoch mit einer ursprünglichen Länge von 80 cm passend gewesen sein. Die von Korres vorgeschlagene, hypothetische Zwischenlage zwischen Orthostaten und Deckplatten gibt keine Antwort auf die wenig homogene Ausprägung der Befestigungspunkte, nicht nur an den unterschiedlichen Plattentypen, sondern auch innerhalb eines Plattentyps. Für die einzige Aufgabe, die mittige Verdübelung von einigen Deckplatten zu ermöglichen, würde sie nicht benötigt. Hingegen darf aus der Vielfalt auch innerhalb eines Plattentyps vermutet werden, dass die Podeste nicht nur ungleiche Maße, sondern möglicherweise auch voneinander abweichende Aufbauprinzipien hatten. Abb. 4: Schematische Zeichnung Längenverhältnis Endblock zu Innenblock. Abb. 5: Rekonstruktion Podest mit Längsorthostaten mit oberseitig mittigen Verdübelungsspuren. Abb. 6: Aufsicht und Ansicht des Podestes Abb. 5 - mit Darstellung des kurzen Endblocks. 136 Sylvia Martin 3. Die Skulpturen des Kleinen Schlachtenanathems - Sieger und Besiegte ? Sowohl Stewart als auch Korres sahen die Anwesenheit von Siegerfiguren auf dem Monument auf der Akropolis Athens als gesichert. 55 Es geht im Folgenden nicht um die generelle Frage, ob Sieger dargestellt sein konnten, sondern darum, ob Korres die Existenz von Siegerfiguren nachgewiesen hat. 56 Die vielfältigen Argumente Stewarts 57 werden hier nicht erörtert, sondern es werden ausschließlich die von Korres vorgelegten und von Stewart interpretierten Indizien, 58 die auf den archäologischen Funden und den identifizierten Podestkomponenten basieren, auf ihre Stichhaltigkeit hin untersucht. 3.1 Standspuren von Reiterstatuen? Bei den Einlassspuren für die Statuen auf den Deckplatten lassen sich fünf Haupttypen klar unterscheiden: länglich-oval gebogene Form, kreisförmig, oval, ein dreieckiger Ausschnitt und zusätzlich einige quadratische Vertiefungen. 59 Mit einiger Sicherheit verankerten die länglich-oval gebogenen Aussparungen einst die vollflächig aufgesetzten Füße von Figuren von etwa zwei Drittel Lebensgröße. 60 Welche Gliedmaßen oder Attribute der Bronzefiguren mit den runden oder ovalen Einarbeitungen zu verbinden sind, muss offen bleiben: Sie könnten zur Sicherung von Zapfen an Ballen oder Fersen von stehenden Kämpfern oder Knien, Ellbogen oder Händen von stürzenden, knienden oder liegenden Figuren, Pferdehufen oder von Attributen, wie herunter gefallene Waffen, gedient haben. 61 Stewart interpretierte die quadratischen Ausschnitte als Verankerung der Bauchstütze von sich auf bäumenden Pferden, räumte jedoch ein, es könne sich ebenso gut um Fixierungen gefallener Waffen handeln. 62 Ein sich auf bäumendes Pferd, stabilisiert mit einer Bauchstütze, hinterlässt ein charakteristisches Muster von Einlassspuren auf der steinernen Deckplatte einer Basis: Zwei runde bis ovale Vertiefungen für die Hufe der Hinterbeine und eine quadratische, rechteckige oder runde für die Bauchstütze. Diese Spuren liegen zudem in einem unverkennbaren, ein Dreieck bildendes Verhältnis zueinander. 63 Dieser Darstellungstypus bedingt, dass eine Bauchstütze entweder etwa in der Mitte zwischen den seitlichen Kanten der Deckplatte platziert wird oder zumindest in einem geeigneten Abstand von einer Seitenkante, um die Hinterhufe noch auf der Basis aufsetzen zu können (vgl. Beispiele Taf. 8). Stewart wies Einlassspuren auf fünf Deckplatten sich aufbäumenden Pferden zu. Es handelt sich in drei Fällen um quadratische Vertiefungen, in einem Fall um einen näherungsweise dreieckigen Ausschnitt. 64 Bei der Deckplatte Γ1 schloss Stewart aus dem Fehlen von Standspuren auf einer Länge von etwa 80 cm, dass hier nur der vordere Teil des Rumpfes eines sich auf bäumenden Pferdes die kompositorische Lücke überbrücken könne. 65 Die dreieckige Vertiefung wurde von Stewart und Korres als mögliche Verankerung eines Pferdehufes interpretiert. 66 Als solche ist diese Form jedoch auf weiteren hellenistischen Reiterdenkmälern nicht belegt. 67 Falls es sich um einen Pferdehuf handeln sollte, wäre es ein rechter Vorderhuf gewesen, was dem Typus ‚ruhig schreitendes Pferd‘ 68 entspräche und für eine Schlachtszene unpassend erschiene - denkbar wäre auch eine berittene Amazone, deren Pferd unter einem Angriff strauchelt (vgl. Taf. 9.2). 69 Die Positionen der quadratischen bzw. der dreieckigen Vertiefungen sind im Hinblick auf ihre eventuelle Bauchstützenfunktion für Pferdeskulpturen wert, genauer betrachtet zu werden. Auf Deckplatte Γ2 beginnt der dreieckige Ausschnitt etwa 5 cm von einer seitlichen Kante des Blocks entfernt, die quadratische Vertiefung auf Platte Γ3 etwa 18 cm, auf Platte Γ7 sind es 12-14 cm. 70 Da die Stütze ihre stabilisierende Wirkung etwa in der seitlichen Bauchmitte des Pferdes entfaltete, muss davon ausgegangen werden, dass die Hinterhufe und der Körper des Pferdes zu beiden Seiten der Stütze noch Platz beanspruchten. Als schematisches Modell könnte man den Punkt der Bauchstützenposition als Rotationsachsenzentrum sehen für zwei Dreiecke, die sich mit einer Spitze in diesem Punkt treffen und, durch mögliche Drehungen eines Pferdekörpers um die senkrechte Rotationsachse, nur begrenzte Positionen annehmen können (Abb. 7). Die seitliche Ausladung des Darstellungstypus ‚aufbäumendes Pferd mit Reiter’ wird zusätzlich durch die Beine und gegebenenfalls durch Gestik und/ oder Waffen des Reiters verstärkt. 71 Wenn vorausgesetzt wird, dass ein solches Monument es aus ästhetischen Erwägungen oder aber statischen Gründen nicht zuließ, dass die Figuren seitlich über die Podeste auskragten, ist die Deutung der Vertiefungen der Deckplatten Γ2, Γ3 und Γ7 als Einlassspuren für Bauchstützen nicht haltbar (Abb. 7-9). Abb. 7: Deckplatte Γ2 mit Einlassspur, unten mit schematischem Pferd, dessen rechter Vorderhuf auf die Einlassspur gesetzt ist 72 137 Die Abwesenheit von Beweisen Selbst wenn angenommen wird, dass einer der Hinterhufe entlang der seitlichen Kante des Podestes in etwa auf einer geraden Linie mit der Bauchstütze gelegen haben könnte, bedeutete dies, dass die vordere Hälfte des Rumpfes und der Kopf über die Kante geragt hätten. Einzig die Deckplatte Γ9 73 (Abb. 10) erfüllt die Anforderung an die Position einer Bauchstütze. Hier liegt eine quadratische Vertiefung nahezu mittig zwischen den Seitenkanten des Bathrons. Sicherheit könnten hier Einlassungen für die Hinterhufe geben, die gemäß dem Muster dieses Bildtyps auf einer angrenzenden, noch nicht gefundenen Platte liegen müssten und für keine der in Frage kommenden Pferdestandspuren vorhanden sind. Nun impliziert Reiter nicht ‚Sieger‘, eine vereinzelte Reiterfigur könnte auch einer unterlegenen Amazone oder einem besiegten Perser zugeordnet werden; gemäß ikonographischer Tradition wäre dies sogar zu erwarten. 74 Amazonen oder Perser konnten jedoch allenfalls auf einem der vier Teilpodeste auftreten - erst eine auf jedem Podest nachgewiesene Reiterfigur wäre ein starkes Indiz für Siegerdarstellungen auf dem Kleinen Attalischen Monument. 75 Nur wenn man Korres in der Zuordnung der Deckplatten zu den einzelnen Podesten folgte 76 und der Identifizierung der rechteckigen Ausschnitte in den Platten als Bauchstützenverankerung von sich auf bäumenden Pferden bzw. eines rechten Vorderhufs bei der annähernd dreieckigen Einlassspur zustimmte, könnte sich das ideale Bild von Pferdespuren auf jedem Podest und Schlachtenthema ergeben (Tab. 7). Doch ist eine solche Rekonstruktion, wie oben gezeigt, unwahrscheinlich. Insgesamt sind über die Deckplatten verteilt neun Sohlenbettungen für in ganzer Länge auftretende Füße erkennbar. Genau eine der Platten zeigt zwei Fußspuren (Tab. 7: Γ4) 77 und diese sind von deutlich unterschiedlicher Länge, eine 18 cm, die zweite 14 cm. Stewart mutmaßte, die Verankerungszapfen seien teilweise über das übliche, technisch bedingte Maß hinaus kleiner gewesen als die Füße, die sie fixierten, oder die kleinere Fußspur könne zu einer Amazone Abb. 8: Deckplatte Γ3 mit Einlassspuren, unten mit schematischem Pferd, dessen Bauchstütze auf die Einlassspur gesetzt ist Abb. 9: Deckplatte Γ7 mit Einlassspur, unten mit schematischem Pferd, dessen Bauchstütze auf die Einlassspur gesetzt ist. Abb. 10: Deckplatte Γ9 mit quadratischer Einlassspur etwa in der Mitte des Blocks - geeignet für Bauchstütze. 138 Sylvia Martin gehört haben. 78 Die kurze Standspur war jedoch die überwiegend eingesetzte, da sechs der insgesamt acht messbaren Fußspuren eine Länge von 12-14 cm zeigen und über alle von Korres rekonstruierten Themenpodeste verteilt sind. Dies schließt die Amazonenfigur als Erklärung aus, da Amazonen nur auf einem Podest präsent waren. Nr. Länge Höhe Γ2 Endblock 137,5 ~40,2 Reiter ? Fußabdruck 17 cm Γ4 Innenblock ~133 ~40,3 Fußabdruck 14 cm; 18 cm Γ7 ? - 40,5 Reiter ? ? Γ10 Innenblock ~134 40,3 Fußabdruck 12 cm Γ12 Innenblock ~134 ? Γ3 Innenblock 122,5 ~41,8 Reiter ? Fußabdruck 12 cm Γ6 Innenblock 121,7 ~41,7 Fußabdruck 14,5 cm Γ8 Innenblock 124,0 ~41,3 Fußabdruck ? cm Γ13 Innenblock 122,3 ~42,2 Γ5 Endblock - ~42,8 Γ9 Innenblock 129,2 ~42,4 Reiter ? Fußabdruck 14 cm Γ11 Innenblock 129,2 ~43 Γ1 Endblock 145,0 ~44,3 Reiter ? Fußabdruck 13 cm Nr. Länge Γ2 Endblock 137,5 ~40,2 Fußabdruck 17 cm Γ3 Innenblock 122,5 ~41,8 Fußabdruck 12 cm Γ6 Innenblock 121,7 ~41,7 Fußabdruck 14,5 cm Γ8 Innenblock 124,0 ~41,3 Fußabdruck ? cm Γ13 Innenblock 122,3 ~42,2 Γ1 Endblock 145,0 ~44,3 Reiter ? Fußabdruck 13 cm Γ4 Innenblock ~133 ~40,3 Fußabdruck 14 cm; 18 cm Γ10 Innenblock ~134 40,3 Fußabdruck 12 cm Γ12 Innenblock ~134 ? Γ7 ? - 40,5 Γ5 Endblock - ~42,8 Γ9 Innenblock 129,2 ~42,4 Reiter ? Fußabdruck 14 cm Γ11 Innenblock 129,2 ~43 Bei den vorliegenden Deckplatten ist ein großer Fuß die Ausnahme, und beide 17 bzw. 18 cm langen ‚Füße‘ finden sich auf genau einem Podest (gemäß Podesteinteilung nach Korres). Falls diesem Umstand eine Bedeutung zugeschrieben werden kann, so wäre vielleicht an eine Paarung Gott - Gigant zu denken. 79 Die Länge der Einlassspuren von Statuenfüßen muss jedoch nicht mit der Fußlänge der Skulptur korrespondieren. 80 Bei frei auf zwei Beinen stehenden Figuren erforderte die Standfestigkeit eine stärkere Verankerung als für kniende oder fallende Figuren, weil diese weitere Berührungspunkte mit der Basis hatten (Knie, Hand) und damit drei oder mehr Fixierungen zuließen. 81 Bei Reiterstandbildern ist die wirkungsvolle statische Verankerung durch größere und besonders tief gearbeitete Dübellöcher nachweisbar, auf diese Weise konnte selbst ein Pferd in der Levade ohne Bauchstütze aufgestellt werden (Taf. 9.1). 82 Die Standspuren des Kleinen Schlachtenanathems weisen nicht nur deutliche Unterschiede in der Länge auf (vgl. Tab. 7 und 8), sondern auch eine Streuung in der Lochtiefe, von etwa fünf bis neun Zentimetern - beides könnte statische Gründe haben, ohne Rückschlüsse auf die tatsächliche Fußlänge der verankerten Figur zuzulassen. Tab. 7: Zuordnung der Deckplatten zu einzelnen Podesten (nach Korres) mit Angabe der rechteckigen und länglich-ovalen Einlassspuren. Tab. 8: Hypothetische Podesteinteilung mit Angabe von Standspuren für Füße von Kämpfern und rechteckigen Einlassspuren, die für Reiterfiguren in Frage kommen. 139 Die Abwesenheit von Beweisen Die Deckplatte Γ1 (Taf. 6), ein Endblock, zeigt im ersten Drittel drei runde Einlassspuren und eine Fußspur - der Rest der Platte weist, soweit erkennbar, keine Standspuren auf (das letzte Drittel ist beschädigt). Aus dem Fehlen naher Standspuren eines potentiellen Gegners schloss Stewart auf einen Reiter, dessen sich auf bäumendes Pferd den Leerraum erklären könne. 83 Sofern die Kampfgruppen des Monuments vereinzelt positionierte Figuren zeigten, wäre diese Mutmaßung bedingt zulässig - es gibt keine Spur auf der Platte, die diese Annahme falsifizieren könnte. Allerdings käme alternativ eine liegende Figur in Frage, die gleichfalls mit ihren Verankerungen bis zu einem Meter Raum überbrücken konnte. 84 Der Fries des Artemisions in Magnesia am Mäander könnte eine solch isolierte Aufstellung von Skulpturen innerhalb einer Gruppe exemplarisch unterstreichen. 85 Beispiele aus hellenistischer Zeit zeigen jedoch, dass Kampfszenen mit Pferden sehr stark ineinander ‚verflochtene‘ Gegner präsentieren konnten. 86 In diesem Zusammenhang müssen die liegenden/ sterbenden Figuren besonders beachtet werden. Sie sind, sofern in die Komposition einbezogen, in Schlachtendarstellungen häufig unter die Leiber der Pferde gelegt - ein Kämpfer reitet über sie hinweg - oder unmittelbar zwischen die Beine von zwei Kämpfern. 87 Bei den überlieferten möglichen römischen Kopien der Unterlegenen 88 sind vier von zehn Skulpturen liegende, d.-h. sterbende oder tote Gegner. 89 Diese Figuren sind als vereinzelt platzierte im Rahmen einer Kampfszene nicht denkbar. Sofern Sieger auf dem Monument kämpften, waren diese Sterbenden nur Staffage, da sie keine aktive Rolle im Kampf spielten und sich damit als Gegner für einen Sieger nicht eigneten. 90 Liegende Figuren legten die Annahme einer verdichteten Komposition für das Bildwerk nahe. Die Deckplatten Γ4 und Γ11 ließen mit zehn bzw. sechs Eintiefungen den Schluss zu, dass es verdichtete Szenen gegeben haben könnte. 3.2 Vergleich der postulierten Einlassspuren für Reiterstatuen mit denen der Aristainos-Basis Die Aristainos-Basis in Delphi stellt ein geeignetes Vergleichsobjekt für das Podest des Kleinen Schlachtenanathems dar. 91 Sie ist auf die Zeit 186/ 185 v. Chr. datiert, trug eine etwa zwei Drittel lebensgroße Reiterstatue mit einem sich auf bäumenden Pferd und ist mit einer Deckplatte von 172 × 86 cm nur unwesentlich tiefer als das Vergleichsmonument des Kleinen Schlachtenanathems. 92 Die Höhe des Orthostatenschafts betrug 73,5 cm, die der Deckplatte 30 cm. Obgleich Stewart die Aristainos-Basis als ‚precise parallel‘ zu den Podesten des Kleinen Attalischen Weihgeschenks anführte, ist der Unterschied in einem entscheidenden Punkt entgegen der Argumentation Stewarts gravierend: Die Einlassung für die Bauchstütze des Pferdes ist kreisförmig (Abb. 11). Da in den Deckplatten des Kleinen Schlachtenanathems in keinem Fall das typische Dreiecksmuster für die Verankerung eines sich aufbäumenden Pferdes nachweisbar ist, war die quadratische Form des Dübellochs das primäre Kriterium für Stewart, darin jeweils eine Bauchstützenverankerung zu erkennen. Dieses Spezifikum wird durch die ‚exakte Parallele‘ allerdings nicht bestätigt. Aus der Position der Dübellöcher für die Hinterhufe und der Bauchstütze auf der Deckplatte des Aristainos- Monuments lässt sich hinlänglich genau der Bereich eingrenzen, den die Reiterstatue eingenommen hat. Um die Glaubwürdigkeit der Deckplatten Γ3 und Γ7 als Träger von Einlassspuren für Bauchstützen zu prüfen, ist in den nachfolgenden Abbildungen der Raum für ein Pferd auf die jeweiligen Platten maßgenau übertragen. Die Deckplatte Γ9 zeigt eine überzeugende Position für das Dübelloch einer Bauchstütze - zum Nachweis einer Reiterskulptur fehlt jedoch die angrenzende Platte mit den dann zugehörigen Hufspuren. Da die quadratischen Ausschnitte auf den Platten Γ3 und Γ7 offenbar keine Bauchstützen verankerten, reicht die Form dieses Verankerungslochs allein nicht aus, die damit verbundene Figur und ihr Bewegungsmotiv zu bestimmen. Abb. 11: Aristainos-Basis, in: Siedentopf (1968) 59 Abb. 15, ergänzt mit rotem Dreieck und blauem Rechteck (= Raum der Skulptur) von Verf. Abb. 12: Deckplatte Γ3 mit projiziertem Raum der Pferdeskulptur von Aristainos-Basis. Dreiecksmuster der Einlassspuren von Aristainos-Basis maßstabsgetreu übertragen auf das von Stewart postulierte Bauchstützenloch. Abb. 13: Deckplatte Γ7 mit projiziertem Raum der Pferdeskulptur von Aristainos-Basis und Dreiecksmuster. 140 Sylvia Martin Die Annahme, auf der Deckplatte Γ1 spreche der leere Bereich vor der letzten Fußspur für eine Reiterskulptur, ist nicht unbegründet - obgleich nicht zweifelsfrei nachweisbar. Eine Reiterskulptur könnte auf derselben Platte im abgebrochenen Bereich des Steins verankert (Position 1) oder mit den Vorderhufen auf einer Kämpferfigur zu Fuß aufgestützt gewesen sein (Position 2). 4. Schlussbemerkung Bei der geschätzten Gesamtlänge der vier Einzelpodeste von etwa 106 m 93 umfasste das Monument etwa 80 Sockelblöcke, 160 Längsorthostaten, 84 Querorthostaten und 80 Deckplatten - in der Summe mehr als 400 Einzelblöcke (ohne hypothetische Zwischenschicht). Korres konnte davon etwa 9 %, nämlich 35 Blöcke, als mutmaßlich zum Kleinen Attalischen Weihgeschenk gehörend identifizieren. Die Wahrscheinlichkeit, aus diesem lückenhaften Fund ein eindeutiges Podestgefüge rekonstruieren zu können, war gering. Daraus resultierte der Versuch, möglichst eine Struktur zu entwickeln, in die sich alle an den Blöcken erkennbaren Verbindungsformen einfügen ließen. Die Blöcke sind indes auch innerhalb eines Funktionstypus, wie etwa den Deckplatten, im Detail so unterschiedlich, dass sie innerhalb eines einzigen Podestes nicht konstruktiv verbunden werden können - und auch nicht müssen. Denn gleichzeitig legt die Verschiedenheit der Einzelelemente den Schluss nahe, dass nicht alle Podeste, oder auch Podestteile, demselben konstruktiven Aufbau folgten. Die von Korres postulierte Zwischenschicht ist für eine stimmige Rekonstruktion der Podeste weder notwendig noch hinreichend belegt, derzeit mit keinem einzigen exemplarischen Steinblock. Die zusätzliche Steinlage führte zudem zu einer bisher singulären Konstruktion einer hellenistischen Statuenbasis und zu einer ebenso außergewöhnlichen, der Betrachtung hinderlichen Podesthöhe von etwa 1,80 m. Das Monument wüchse auf ein Niveau, das unmittelbar auf der Deckplatte liegende Figuren von Besiegten aus der Nähe nahezu unsichtbar gemacht hätte. Die Annahme, ein Betrachter habe durch Besteigen der Anhöhe zum Parthenon-Tempel aus etwa 3 bis 4 Metern Entfernung die Figuren sehen können, ist wenig überzeugend, da entsprechende Voraussetzungen auf der Rückseite des Podestes nicht gegeben waren. Stewart wies auf die intendierte Allansichtigkeit der Figuren hin. 94 Mit den vorgestellten Aufbauvarianten hingegen lassen sich alle vorliegenden Blockausprägungen zu konstruktiv plausiblen Podesten zusammensetzen; sie genügen überdies dem bisher archäologisch gut belegten Auf bau einer hellenistischen Orthostatenbasis, bestehend aus Sockel, Orthostat, Deckplatte und der Höhe einer Statuenbasis, die die Größe eines durchschnittlichen Atheners der Zeit nicht überschreiten sollte. Die Höhe der Podeste kann anhand der von Korres vorgelegten Funde widerspruchsfrei mit etwa 1,60 m rekonstruiert werden. Die Einlassspuren auf den Deckplatten der Skulpturenbasen schließen die Anwesenheit von Siegern, die zu Fuß oder als Reiter dargestellt sein konnten, nicht aus. Gleichwohl sind die vorhandenen Spuren keine zwingenden Hinweise auf deren Präsenz. Sie bestätigen nur auf den Basen stehende Bronzefiguren, deren Bewegungsmotive allerdings nicht eindeutig erschlossen werden können. Nur eine der von Korres als für Bauchstützenverankerung identifizierten Vertiefungen könnte ihrer Positionierung nach tatsächlich von einer Reiterfigur stammen. Jedoch fehlt für den schlüssigen Nachweis einer solchen wenigstens ein vollständiges Spurenmuster, das prägnante Dreieck eines Bauchstützenlochs zuzüglich der Hufeinlässe der Hinterhufe eines Pferdes - bei allen vorliegenden Platten scheinen diese Hinterhufspuren auf jeweils angrenzenden Blöcken gelegen zu haben, die bislang nicht gefunden wurden. Zudem belegen untersuchte Basen von Reiterstatuen, 95 dass die Einlassspur einer Bauchstütze nicht auf eine quadratische Form festgelegt ist: sie kann rund, oval, rechteckig oder eben quadratisch sein. Ein Pferd in der Levade konnte außerdem ausschließlich mit seinen beiden Hinterhufen oder zusätzlich mit der Schwanzspitze verankert werden. Da das Quadrat nicht an die genannte Funktion gebunden ist, kann auch nicht vom Quadrat auf die Funktion geschlossen werden. Aufgrund der vorhandenen Einlassspuren könnte man nur in einem Fall eine Reiterfigur hypothetisch, wenn auch nicht zwingend ergänzen. Schließlich belegte auch die Anwesenheit von Reitern noch keine Siegerdarstellung, da, wie Stewart aufzeigte, sowohl im Amazonenkampf als auch in der Schlacht Abb. 14: Deckplatte Γ9 mit projiziertem Raum der Pferdeskulptur von Aristainos-Basis und Dreiecksmuster. Abb. 15: Deckplatte Γ1 mit projiziertem Raum der Pferdeskulptur von Aristainos-Basis und Dreiecksmuster. 141 Die Abwesenheit von Beweisen gegen die Perser die unterlegenen Parteien auf Pferden dargestellt sein konnten. 96 Erst mit der Möglichkeit einer unzweifelhaften Zuordnung der Deckplatten auf vier Podeste, verbunden mit dem Nachweis von jeweils wenigstens einem Einlassspurenmuster für eine Pferdeskulptur, könnte ein materieller Nachweis dafür erbracht werden, dass Sieger auf den Podesten dargestellt waren. Die von Stewart und Korres vorgelegten, hier kritisch diskutierten Deutungen der an den erhaltenen Blöcken des Kleinen Attalischen Weihgeschenks ablesbaren Indizien sind keine ‚Beweise‘ und liefern mangels eines überzeugenden Spurenmusters keine zwingenden Anhaltspunkte für die Rekonstruktion der auf den Basen vorhandenen Bronzeskulpturen. 97 Bis jetzt zeigen Vergleiche mit bekannten Statuenbasen nur, dass der Umfang der Überreste der Bathren zu fragmentarisch ist. Vorläufig können nur neue Steinblöcke mit weiteren Indizien Gewissheit schaffen. Erst weitere Plattenfunde und/ oder die uneingeschränkte allseitige Dokumentation der bereits identifizierten Blöcke könnten die hypothetischen Podestkonstruktionen oder die ursprüngliche Anwesenheit von Siegerfiguren bestätigen oder falsifizieren. So muss bis auf weiteres gelten: Die Abwesenheit eines Beweisstücks beweist nicht dessen Nicht-Existenz. 98 Anmerkungen 1 Stewart 2004 mit der Erstpublikation der zugehörigen Basisblöcke: Korres, ebenda 242-285. 2 Hölscher 1985, 126 Anm. 39. 127. 3 Amedick 2014, 95. 97. 4 Amedick 2014, 93. 5 Dazu zuletzt Martin 2017, 39-47. 6 Ridgway, Bryn Mawr Classical Review 2005.07.16. 7 Krumeich, Sehepunkte 7 (2007) Nr.1; von den Hoff, BJb 206 (2006) 335-338; Miranda Marvin, ClR 56 (2006) 203-205; Kosmetatou, AJA 110 (2006) 181-183. 8 Zustimmend Picón - Hemingway 2016, 180; Papini 2016, 43; Queyrel 2016, 225. 229. 231; Winkler - Horacek 2011, 142- 143, Kistler 2009, 67: „Die These, dass im ‚Kleinen Attalischen Anathem‘ keine Siegerfiguren, sondern nur Geschlagene und Unterlegene dargestellt gewesen seien, ist aufgrund dieses neuen archäologischen Befundes unhaltbar geworden. Angesichts dieser neuen Ausgangslage muss wohl auch im Rahmen der Keltomachie sogar von der Darstellung eines Triumphators hoch zu Ross ausgegangen werden“; von den Hoff 2008, 335; Strocka 2007, 378 und Cain 2006, 9-11. 9 Korres 2004, 242. 282f. 10 Korres 2004, 242. 11 Korres 2004, 244. 12 Die Benennung der Platten erfolgt nach Korres 2004, 242- 285. 13 Stewart 2004, 186; Schmidt 1995, 83. 14 Korres 2004, 282-283, Abb. 286 15 Korres 2004, 268 mit Tab. 9. 16 Korres 2004, 283, 282 Tab. 14. 17 Korres 2004, 282 mit Tab. 13. 18 Korres 2004, 282 Tab. 14. 19 Korres 2004, 283 Tab. 15. 20 Korres 2004, 284. Die Blöcke wurden südlich des Tempels der Roma und des Augustus gefunden. 21 Korres 2004, 284; Jacob-Felsch 1969, 53: Für den Typ der Orthostatenbasis ist seit seinem frühen Entstehen in der zweiten Hälfte des 5. Jh. der Einsatz von Farbkontrasten nachgewiesen, generiert durch die Verwendung von dunklem hymettischem Marmor für den Basisschaft, also die Orthostaten, und weißem pentelischem Marmor für die Deckplatten und die Standschicht. Davon abweichend scheint im Fall des Kleinen Attalischen Weihgeschenks hymettischer Marmor für die Sockelschicht genutzt worden. 22 Korres 2004, 271-272. 23 Schmidt 1995, 83, 87-88. Exemplarisch sind die größten, bisher gefundenen Statuenbasen in hellenistischer Zeit genannt: eine Basis für die Progonoi des Antigonos Gonatas auf Delos, annähernd 21 m breit (Bruneau 2005, 196), und die Basis für das große Schlachtenanathem im Athenaheiligtum in Pergamon, etwa 19 m breit (Radt 2011, 164). 24 Korres 2004, 270, 282. 25 Stähler 1996, 20. 26 Stewart 2004, 186. 27 Stewart 2004, 144. 28 Korres 2004, 284. 29 Schmidt 1995, 93-94. 96. Siedentopf 1968, 58: Bei der Aristainos-Basis in Delphi war die Deckplatte an der Rückseite unbearbeitet. 30 Stewart 2004, 186. 31 Jacob-Felsch 1969, 53; Schmidt 1995, 83. 32 Jacob-Felsch 1969, 80; Schmidt 1995, 83. 33 Jacob-Felsch 1969, 57; Schmidt 1995, 83; Bol 1978, 85. 86 Abb. 9; Bol 1985, 160-163; Krumeich 2010, 368: Zur näherungsweisen Ermittlung der Größe der nicht erhaltenen Bronzestatuen kann i.-d.-R. die Länge der erhaltenen Sohlenbettung mit dem Faktor 8-9 multipliziert werden. 34 Siedentopf 1968, 60; Stewart 2004, 186. Stewart bezeichnet die 2/ 3 Lebensgröße als unüblich - für hellenistische Reiterstandbilder handelt es sich allerdings um übliche Größenverhältnisse (vgl. Siedentopf ). 35 Stewart 2004, 188. 36 Hansen 1991, 72ff. 37 Vgl. Tab. 3; Korres 2004, 282 Tab. 14. 38 Korres 2004, 282; vgl. auch 285 Abb. 287 . 39 Siedentopf 1968; Jacob - Felsch 1969; Schmidt 1995. 40 Krumeich 2010, 330ff: Da spätestens in der frühen Kaiserzeit zahlreiche vorhandene Basen auf der Akropolis von Athen das Steinmaterial für neue Bathren lieferten, also vorhandene Steinblöcke in neu errichteten Statuenbasen Wiederverwendung fanden, ist zudem nicht auszuschließen, dass die ‚unpassenden‘ Dübellöcher aus einer Zweitverwendung stammen; Krumeich 2014, 71ff. 41 Korres 2004, 284. 42 Korres 2004, 284. 43 Korres 2004, 282, Tab. 14; 283. 44 Korres 2004, 243 Abb. 265 unten: Rekonstruktion ohne mittige Dübel an Unterseite der Deckplatten. 45 Korres 2004, 269, Tab. 10. 46 Korres 2004, 284: Als Größe eines durchschnittlichen zeitgenössischen Atheners setzt er 1,72 m an; Siedentopf 1968, 60. 47 Siedentopf 1968, 56f. 48 Ockham’s razor: Pluralitas non est ponenda sine necessitate, Cloeren 1984, 1094. 49 Korres 2004, 268f. 142 Sylvia Martin 50 Korres 2004, 269, Tab. 10. 51 Korres 2004, 269, Tab. 10: von Podest 1 zu 2 beträgt die Höhendifferenz 0,8 cm, die Höhe der Blöcke des Podestes 2 differieren um 0,9 cm; der niedrigste Block des Podests 3 ist um nur 0,2 cm höher als der höchste Block von Podest 3. In diesen Fällen wird die Blocklänge zum maßgeblichen Kriterium. 52 Korres 2004, 269: Die Differenz von 4 cm wird von Korres nicht erklärt und widerspricht zudem seiner zeichnerischen Rekonstruktion (S. 185 Abb. 287). Diese zeigt, dass die Endplatte genau um eine halbe Stärke eines Querorthostaten länger sein müsste, da sie den Frontorthostaten in dessen kompletter Stärke überdecken muss. Bei dem vorliegenden Maß von 25 cm Dicke für einen Querorthostat entspricht dies 12,5 cm Differenz zwischen Endplatte und Innenplatte (vgl. Taf. 4.2). 53 l = Länge, d = Dicke. 54 Die Längsorthostaten B9 bis B14 weichen in den Einzelmaßen so stark ab, dass sie in weitere vier Einzelpodeste aufgeteilt werden müssten: ein Podest mit einer Tiefe von mind. 84 cm (B9, ohne Leerraum zwischen den Längsorthostaten), ein Podest mit einer Schafthöhe von 99 cm und Längsorthostaten von 124,5 cm (B10 und B1; setzte mit Querorthostaten eine Innendeckplattenlänge von etwa 1,50 voraus), ein Podest mit der Schafthöhe 99 cm - ansonsten etwa der Variante 2 (Abb. 3) entsprechend, und ein weiteres Podest mit Schafthöhe 99 cm und Längsorthostaten von 92 cm. Mit den o. g. beiden Varianten lägen dann, statt der erwarteten vier, sechs unterschiedliche Podeste vor. 55 Plutarch Ant. 60, 2: Plutarch berichtet von einer Dionysosfigur, also eines ‚Siegers‘, die während eines Sturms über die Südmauer in das Dionysos-Theater gefallen sei, was als negatives Vorzeichen für die Schlacht bei Actium gewertet worden sei; vgl. dazu Hölscher 1985, 124ff und Krumeich - Witschel 2010, 21 Anm. 117. 56 Korres 2004, 242-285. 271: “So with some reservations, the data do not allow us to fit any of the eight selected copies to any of the blocks examined. They merely indicate some possibilities and show that figures like those … perhaps stood on some of the blocks.” 57 Stewart 2004, 136-241. 58 Korres 2004, 242-285; Stewart 2004, 188: ‘strong evidence for riders’. 59 Korres 2004, 186. 60 Korres 2004, 242: Sohlenbettungen 12-18 cm lang; Bol 1978, 85. 86 Abb. 9; Bol 1985, 160-163; Hölscher 1985: Die Größe der römischen Marmorfiguren beträgt etwa 1 m; zur näherungsweisen Ermittlung der Statuengröße anhand der Länge der Sohlenbettung bei Bronzestatuen vgl. Krumeich 2010, 368. Sohlenbettungen von 12 bis 14 cm entsprächen noch den Größen der Marmorfiguren, ein 18 cm langer Bleiverguss für einen Statuenfuß setzte jedoch eine mindestens 1,44 m große Figur voraus. 61 Stewart 2004, 186; Korres 2004, 271 Abb. 280. 62 Siedentopf 1968, 65, 58f mit Abb. 15: Es ist kein vorrangiger Einsatz von quadratischen Einlassspuren für Bauchstützen erkennbar, es sind in gleichem Maß rillenförmige und runde Einlassungen nachgewiesen, wie z. B. beim Aristainos-Denkmal. Siedentopf verweist auf das prägnante Muster der Vertiefungen, das auf eine Pferdeskulptur hinweise, 67 und 66 Abb. 17d: Ein sich auf bäumendes Pferd konnte, wie in einigen Fällen nachgewiesen, auch ohne Bauchstütze verankert werden. In diesen Fällen sind die Einlassungen größer und besonders tief gearbeitet; Stewart 2004, 186. 188 Abb. 220: Stewart sieht im Rahmen der Analyse der quadratisch-rechteckigen Einlassspuren der Deckplatten des Kleinen Schlachtenanathems ausgerechnet im Aristainos-Denkmal eine ‚precise parallel‘, obwohl die Plattform des Aristainos-Denkmals eine kreisförmige Vertiefung für die Bauchstütze zeigt. 63 Siedentopf 1968, 53 Abb. 10; 59 Abb. 15; 66 Abb. 17a-c. 64 Stewart 2004, 186; Korres 2004, 248-249. 65 Korres 2004, 247. 66 Stewart 2004, 186; Korres 2004, 249. 67 Siedentopf 1968, 65-72: Huflöcher sind durchweg von rundovaler Form. 68 Siedentopf 1968, 68ff. 69 Bielefeld 1951, Klapptafel Motiv c: Schematische Zeichnungen der wichtigsten Motive Amazonenschlachtdarstellungen. 70 Korres 2004, 248 Abb. 269; 250 Abb. 270; 258 Abb. 274. 71 Vgl. Calcani 1988, 265: Reiterfigur aus Bronze Abb. 1; 2; 7; Finn 1983, 87: Bronzepferd mit Knabenjockey. 72 Toniato 1982, 93: Die Maße des Pferdes sind abgeleitet aus der Länge der Pferde von San Marco (Venedig), die 2,53 m beträgt, und deren Breite von etwa 75 cm. Auf zwei Drittel Lebensgröße reduziert, errechnen sich etwa 1,60 m Länge und 50 cm Breite für eine Pferdefigur auf dem Kleinen Attalischen Weihgeschenk (grüne Maßlinien beziehen sich auf die Größe des Pferdes). Die Körperlänge kann sich bei einem Pferd in der Levade in der Aufsicht zwar etwas verkürzen, was aber durch die dann vorgestreckten Vorderhufe wieder in etwa ausgeglichen wird. Die Bauchstütze ist ungefähr im Schwerpunkt des Pferdeleibes eingebracht; Bergemann 1990, 10: Die San- Marco-Pferde gehen auf Modelle des 4. Jh. v. Chr. zurück. 73 Korres 2004, 262 Abb. 276. 74 Stewart 2004, 189. 75 Nur die Giganten als Gegner der Götter wären als reitende unterlegene Partei ikonographisch nicht zu erwarten. In einer Gigantomachie käme nur einer der Götter als Reiter in Betracht und würde somit einen wirklich starken Anhaltspunkt für Siegerdarstellungen implizieren. 76 Korres 2004, 269 Tab.10. 77 Korres 2004, 252 Abb. 271. 78 Stewart 2004, 186; Willers 1996, 353ff: Der fest aufstehende Fuß wurde maximal mit einer über die ganze Sohle reichenden, länglich-ovalen Einlassung befestigt, da die Zehen jedoch darüber hinausragten, sind die Sohlenbettungen technisch bedingt kleiner als die Fußlänge der Figur, die darin verankert wurde; vgl. Krumeich 1997, 20 Anm. 48: Die Fußlänge konnte die Länge der Einlassungen auch um bis zu 50 % übersteigen. 79 Deckplatte Γ2 ist ein Endblock (17 cm lange Fußspur) und ist m. E. nicht zu demselben Podest gehörend wie Platte Γ4 (Fußspur 18 cm lang) - vgl. Tab. 8. 80 Bol 1985, 168; Haynes 1992, 100-101 Abb. 8; Willer 1994, 972 Abb. 1; 978 Abb. 16; 17; 980 Abb. 21; Krumeich 2010, 368. 81 Vgl. die knienden Perserfiguren im Vatikan und in Aix: Beide hatten je einen Fuß auf ganzer Länge aufgesetzt. 82 Siedentopf 1968, 66 Abb. 17d, 67, 141: Flachbasis in Priene. 83 Stewart 2004, 188; Korres 2004, 247. 84 Vgl. Stewart 2004, 271 Abb. 280: hypothetische Verankerungspunkte liegender Figuren. 85 Vgl. Yaylali 1976, Tafel 2, Abb. 1; Tafel 30, Abb. 1; 3; Tafel 31, Abb. 2; Tafel 32, 4; Tafel 33, Abb. 1; 4: zur Datierung zwei Ansätze in der Forschungsliteratur: 206 v. Chr. oder 130/ 29 v. Chr. 86 Vgl. Yaylali 1976, Tafel 31, Abb. 3; Tafel 32, 1. 87 Vgl. Schefold 1968, Abb. 48: Der Alexandersarkophag zeigt anschaulich die Platzierung von Besiegten. 88 Stewart 2004, 11-80. 89 Stewart 2004, 19. 24. 27. 44: Figuren eines Giganten, einer Amazone, eines Persers und eines toten Galliers. 90 vgl. Yaylali 1976, am Fries des Artemisions von Magnesia am Mäander: Tafel 7 Abb. 3; Tafel 32, Abb. 1: eine besiegte Amazone liegt unter dem sich auf bäumenden Pferd eines Siegers, der sich aktiv mit einem aufrecht stehenden Gegner befasst. 143 Die Abwesenheit von Beweisen Die Amazone zeigt ikonographische Verwandtschaft mit der Amazonenskulptur aus Neapel, die als Kopie einer Figur des Kleinen Attalischen Weihgeschenks betrachtet wird (Stewart 2004, 8 Abb. 18). 91 Stewart 2004, 186-187; Siedentopf 1968 Kat. II Nr. 76; Fouilles de Delphes III.3 (Paris 1932, 88-89 Abb. 10. 92 Siedentopf 1968, 58-59 mit Abb. 15; 114. 93 Stewart 2004, 195. 94 Stewart 2004, 144. 95 Siedentopf 1968, 52-68. 96 Stewart 2004, 189 Tab. 5. 97 Die Ausführungen zur Abwesenheit von Siegerfiguren im Anathem gemäß Hölscher 1985, 126 Anm. 39; 127 sind nicht widerlegt. 98 Stewart 2004, 22: “But absence of evidence is not evidence of absence, and any argument e silentio can both be countered by comparanda and always refuted by new evidence.” 5. Anlagen Liste der Abbildungen Tafel 1 1.1: Deckplatten der Podeste nach Korres 2004, 268 Tab. 9. 1.2: Podesteinteilung anhand der Deckplatten nach Korres 2004, 268 Tab. 10. Tafel 2 2.1: Sockelblöcke nach Korres 2004, 282 Tab. 13. 2.2: Querorthostaten nach Korres 2004, 282 Tab. 14. 2.3: Längsorthostaten nach Korres 2004, 283 Tab. 15. Tafel 3 Zeichnung der Oberfläche eines Sockelblocks nach Korres 2004, 283 Abb. 286. Tafel 4 4.1: Rekonstruktion eines Podestes nach Korres 2004, 285 Abb. 287. 4.2: Rekonstruktion eines Podestes nach Korres 2004, 285 Abb. 287, ergänzt mit Maßlinien von Verf. Tafel 5 Rekonstruktion der Verbindungstechniken der Deckplatten nach Korres 2004, 243 Abb. 265. Tafel 6 Zeichnung Deckplatte Γ1. Korres 2004, 246 Abb. 268. Tafel 7 Zeichnung Deckplatte Γ5. Korres 2004, 254 Abb. 272. Tafel 8 Basen von hellenistischen Reiterdenkmälern für bewegte Standmotive (galoppierende oder sich aus dem Stand aufbäumende Pferde) mit charakteristischem, ein Dreieck bildendem Spurenmuster; Abbildungen in: Siedentopf 1968, 53 Abb. 10; 59 Abb. 15; 66 Abb. 17a-c. Tafel 9 9.1: Priene: Flachbasis, sich auf bäumendes Pferd ohne Bauchstütze, Abbildung in: Siedentopf 1968, 66 Abb. 17d. 9.2: Motiv aus Darstellungen in Amazonenschlachten, in: Bielefeld 1951, Klapptafel Motiv c. 144 Sylvia Martin 1.1: Deckplatten der Podeste nach Korres 2004, 268 Tab. 9. 1.2: Podesteinteilung anhand der Deckplatten nach Korres 2004, 268 Tab. 10. Tafel 1 145 Die Abwesenheit von Beweisen 2.1: Sockelblöcke nach Korres 2004, 282 Tab. 13. 2.2: Querorthostaten nach Korres 2004, 282 Tab. 14. 2.3: Längsorthostaten nach Korres 2004, 283 Tab. 15. Tafel 2 146 Sylvia Martin Zeichnung der Oberfläche eines Sockelblocks nach Korres 2004, 283 Abb. 286. Tafel 3 147 Die Abwesenheit von Beweisen 4.1: Rekonstruktion eines Podestes nach Korres 2004, 285 Abb. 287. 4.2: Rekonstruktion eines Podestes nach Korres 2004, 285 Abb. 287, ergänzt mit Maßlinien von Verf. Tafel 4 148 Sylvia Martin Rekonstruktion der Verbindungstechniken der Deckplatten nach Korres 2004, 243 Abb. 265. Tafel 5 149 Die Abwesenheit von Beweisen Zeichnung Deckplatte Γ1. Korres 2004, 246 Abb. 268. Tafel 6 150 Sylvia Martin Zeichnung Deckplatte Γ5. Korres 2004, 254 Abb. 272. Tafel 7 151 Die Abwesenheit von Beweisen Basen von hellenistischen Reiterdenkmälern für bewegte Standmotive (galoppierende oder sich aus dem Stand aufbäumende Pferde) mit charakteristischem, ein Dreieck bildendem Spurenmuster; Abbildungen in: Siedentopf 1968, 53 Abb. 10; 59 Abb. 15; 66 Abb. 17a-c. Olympia, Sophokles-Basis Delphi, Aristainos-Basis Tafel 8 Delphi, Aemilius-Paullus-Pfeiler Olympia, Kallikrates-Basis Delos, Masinissa-Basis 152 Sylvia Martin 9.1 Priene: Flachbasis, sich aufbäumendes Pferd ohne Bauchstütze, Abbildung in: Siedentopf 1968, 66 Abb. 17d. 9.2 Motiv aus Darstellungen in Amazonenschlachten, in: Bielefeld 1951, Klapptafel Motiv c. Tafel 9 153 Die Abwesenheit von Beweisen 6. Literaturverzeichnis Amedick 2014 R. Amedick, Gallier und Orientalen, Kleinasien und Rom. 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Zum Fortbestehen kollektiver und individueller Erinnerung bei wiederverwendeten Statuen auf der Athener Akropolis, in: C. Leypold - M. Mohr - C. Russenberger (Hrsg.), Weiter- und Wiederverwendung von Weihestatuen in griechischen Heiligtümern (Rahden 2014) 71-86 Krumeich-Witschel 2010 R. Krumeich - C. Witschel, Die Akropolis als zentrales Heiligtum und Ort athenischer Identitätsbildung, in: R. Krumeich - C. Witschel (Hrsg.), Die Akropolis von Athen im Hellenismus und in der römischen Kaiserzeit (Wiesbaden 2010) 1-53 Martin 2017 S. Martin, Die ‚Kleinen Barbaren‘. Das Attalische Weihgeschenk in Athen und ihm zugeordnete römische Skulpturen, in: J.-A. Dickmann - R. von den Hoff (Hrsg.), Ansichtssache, Antike Skulpturengruppen im Raum (Freiburg i. Br. 2017) 39-47 Papini 2016 M. Papini, Commemorations of Victory: Attalid Monuments to the Defeat of the Attalids, in: C. A. Picón - S. 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Chr. entwickelte sich die Akropolis zum zentralen Polis-Heiligtum Athens, dessen Tempel und marmorne Anatheme eindrucksvoll auf die Bedeutung und wirtschaftliche Prosperität der Stadt in der archaischen Zeit verwiesen. 1 Nach seiner partiellen Zerstörung in den Perserkriegen gewann das Heiligtum seit der perikleischen Zeit bis zum Ende des 5.-Jhs. mit Parthenon, Tempel der Athena Nike, Propyläen und Erechtheion diejenige architektonische Form, deren zügige Fertigstellung, Pracht und „immerwährende Jugend“ von Plutarch in seiner Perikles-Biographie gerühmt werden und in der es zahlreiche Besucher wie Pausanias noch in der römischen Kaiserzeit kennenlernten. 2 Während der architektonische Ausbau der Akropolis bereits um 400 v. Chr. fast vollständig abgeschlossen war und an repräsentativen Gebäuden allein der vermutlich im östlichen Bereich des Temenos zu Ehren Romas und des vergöttlichten Augustus um 20 v. Chr. errichtete Monopteros hinzutrat, 3 füllte sich das Heiligtum seit der frühklassischen Zeit (und bis zur Spätantike) kontinuierlich mit statuarischen Weihungen, die nun zunehmend aus Bronze bestanden und sich in der Kaiserzeit in dichten Reihen am Panathenäischen Weg und im Bereich des Hauptaltares gedrängt haben müssen. 4 Prächtige Figuren der Athena, mythologische Gruppen, aber auch in persönlichem Auftrag vermögender Stifter errichtete Porträtstatuen wie diejenige des Perikles sowie anderer Athener und ganzer athenischer Familien prägten den öffentlichen Raum des Heiligtums und definierten ähnlich wie die Bauten der perikleischen Zeit wesentlich die Rolle der Akropolis als bedeutendes Zentrum athenischer Repräsentation und generell als Erinnerungsort. 5 Für das Verständnis der seit etwa 120 v. Chr. hier belegten Ehrenstatuen für Römer, die nicht allein nach römischer Auffassung nun in einem der wesentlichen Zentren des „wahren und unverfälschten Griechenland“ repräsentiert waren, bilden die Bauten des 5. Jhs. v. Chr. ebenso wie die Statuen der klassischen und hellenistischen Zeit in mehrfacher Hinsicht einen wesentlichen Hintergrund. 6 Das gleiche gilt für einige Weihgeschenke bedeutender auswärtiger Könige auf der Akropolis. Unverkennbar nahmen etwa die mit bronzenen Viergespannen bekrönten Pfeilermonumente zweier Attaliden (vielleicht Eumenes II. und Attalos II.) vor den Propyläen bzw. an der Nordostseite des Parthenon Bezug auf die Bauwerke der perikleischen Zeit und generell auf die bedeutende Vergangenheit Athens. 7 Die beiden Attaliden-Pfeiler wurden später im Rahmen der staatlichen athenischen Ehrung des Agrippa bzw. eines römischen Kaisers (wohl des Augustus) wiederverwendet, wobei auf dem ‚Agrippamonument‘ und wahrscheinlich auch auf dem Pfeiler in der Nähe des Parthenon ein vollständig neues Viergespann installiert wurde - weitergenutzt für die Repräsentation bedeutender Mitglieder des iulisch-claudischen Kaiserhauses wurden in diesem Fall also allein die mächtigen Pfeilerbasen der hochhellenistischen Zeit. 8 Und mit dem sogenannten ‚Kleinen Attalischen Weihgeschenk‘ ließ ein pergamenischer König namens Attalos - wahrscheinlich Attalos II. im mittleren 2. Jh. v. Chr. - nahe der Akropolis-Südmauer eine der umfangreichsten Statuengruppen der hellenistischen Zeit und der Antike überhaupt errichten: Vier Schlachtengruppen auf separaten Sockeln zeigten die siegreichen Kämpfe der olympischen Götter gegen die Giganten, der Athener gegen die Amazonen bzw. gegen die Perser bei Marathon und schließlich den Sieg der Attaliden und Pergamener über die kleinasiatischen Galater. 9 Der pergamenische König repräsentierte sich hier als bedeutender, mit Großtaten mythischer und historischer Zeit wetteifernder Retter der griechischen Zivilisation. Als Nebeneffekt ergab sich hier darüber hinaus aber auch eine weitere dauerhafte Memorierung der Schlacht von Marathon, die für das athenische Selbstbewußtsein bekanntlich von größter Bedeutung war; 10 auf diese Weise trug das Kleine Attalische Weihgeschenk zugleich zur Pflege der Akropolis als athenischer Erinnerungsort bei. 11 Im Folgenden wird es jedoch nicht um diese prächtigen Anatheme gehen, sondern um einige hellenistische und kaiserzeitliche Bildnisse athenischer und auswärtiger ‚Intellektueller‘, bei denen es sich zum größten Teil um Sitzstatuen und damit um einen auf der nacharchaischen Akropolis bisher kaum erwarteten Denkmaltypus handelt. Da die archäologische Auswertung der meisten Statuenbasen auf und von der Akropolis erst recht spät einsetzte, waren die entsprechenden Denkmäler hinsichtlich ihrer Typologie und Ikonographie bisher weitgehend unbekannt. 12 Nach einem kurzen Überblick über die Überlieferung der statuarischen Denkmäler auf der Akropolis und die einschlägige Forschungsgeschichte stehen im Zentrum des folgenden Beitrages die Vorstellung, Diskussion und Kontextualisierung der genannten Sitzstatuen, die erst im Laufe der letzten Jahre als solche erkannt worden sind. In diesem Zusammenhang wird ferner auch eine Neubewertung der (als Standfigur zu rekonstruierenden) retrospektiven Ehrenstatue des Komödiendichters Philemon und der zugehörigen Basis vorgeschlagen. 156 Ralf Krumeich I. Porträtstatuen auf der Athener Akropolis im Hellenismus und in der römischen Kaiserzeit Sieht man von der durch eine römische Kopfkopie überlieferten Ehrenstatue des Strategen Olympiodoros und den aufwendigen Pfeilermonumenten der Attaliden ab, so war von den nachklassischen Porträtstatuen auf der Akropolis bis vor einigen Jahren nur wenig bekannt. 13 Dabei verdeutlicht bereits die um 160 n. Chr. angefertigte Beschreibung des Pausanias, der ausdrücklich die „weniger bedeutenden Statuen“ übergeht, wie umfangreich der Statuenbestand der Akropolis in der Kaiserzeit gewesen sein muß; in die gleiche Richtung weisen auch die auf dem Felsboden des Heiligtums noch heute sichtbaren Bettungen für Statuenbasen entlang des Panathenäischen Weges. 14 Hinzu kommen schließlich zahlreiche, mit Inschriften versehene Basisblöcke als wertvolle Dokumente für die statuarische Ausstattung der nacharchaischen Akropolis; nach Ausweis dieser Steine war das Heiligtum bereits bald nach den Perserkriegen wieder mit einigen (nun in der Regel bronzenen) Porträtstatuen ausgestattet, deren Anzahl insbesondere in der späthellenistischen Zeit deutlich zunahm; seit dem späten 2. Jh. v. Chr. gehörte das Heiligtum zudem zu den bevorzugten Aufstellungsorten für Ehrenstatuen römischer und eng mit Rom verbundener Honoranden. 15 Das Material ist grundsätzlich bereits seit den 1830er Jahren bekannt, als die griechisch-deutschen Ausgrabungen auf der Akropolis begannen und hier unter anderem auch Hunderte von Statuenbasen gefunden wurden, die als Streufunde im Heiligtum lagen oder sekundär in den Mauern nachantiker Bauwerke verbaut waren. 16 Für die Zeit zwischen etwa 400 v. Chr. und der Spätantike sind hier mehr als 300 Basen überliefert, deren Inschriften zu einem großen Teil bereits früh durch Kyriakos Pittakis, Ludwig Ross und später vor allem in den Bänden der Inscriptiones Graecae vorbildlich publiziert wurden. 17 Sieht man von Manolis Korres’ Publikation der Statuenbasen ab, die in der spätantiken Opisthodomtür des Parthenon als Baumaterial wiederverwendet wurden, so fehlte eine angemessene archäologische Untersuchung der Basen sowie der zugehörigen Standspuren der fast durchweg bronzenen und daher spätestens in spät- oder nachantiker Zeit eingeschmolzenen Statuen bis vor kurzem nahezu vollständig. 18 Dieser in Bezug auf die archäologische Erschließung des Materials sehr defizitäre Forschungsstand war bis vor wenigen Jahren charakteristisch für das Material von der Akropolis und aus den meisten anderen Heiligtümern. Erst seit den 1990er Jahren wurden größere Forschungsprojekte ins Leben gerufen, welche die Statuenbasen in einigen griechischen Städten und Heiligtümern nun auch archäologisch und hinsichtlich der Standspuren systematisch erschließen und im Falle der Athener Akropolis maßgeblich durch die Gerda Henkel Stiftung und die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert wurden und werden. 19 Im Rahmen des im Jahr 2004 begonnenen Akropolisprojektes wurden bisher insbesondere Basen von Ehrenstatuen römischer Honoranden publiziert, die auf der Akropolis durch neu angefertigte oder wiederverwendete Denkmäler klassischer und hellenistischer Zeit repräsentiert waren. 20 Auch die im Folgenden als Fallbeispiel diskutierten ‚Intellektuellen‘-Bildnisse wurden erst durch die Autopsie der zugehörigen Basen im Rahmen dieses Projektes auch als archäologische Denkmäler erschlossen. II. Hellenistische und kaiserzeitliche Sitzstatuen von ‚Intellektuellen‘ auf der Akropolis Griechische Bildnisse in der Form von Sitzstatuen waren für die Athener Akropolis bisher kaum bekannt und beschränkten sich auf drei spätarchaische Statuetten sitzender ‚Schreiber‘, in denen Schatzmeister der Athena oder andere athenische Beamte in vorbildlicher Ausübung ihrer Dienstpflichten für die Polis zu erkennen sind. 21 Athenische Sitzstatuen nacharchaischer Zeit setzen nach unserer Überlieferung mit der im Jahr 340/ 339 v. Chr. auf dem westlichen Analemma des Dionysostheaters errichteten Ehrenstatue des Tragödiendichters Astydamas ein und dienten seit dem frühen Hellenismus zumeist der Repräsentation von Dichtern und Philosophen. 22 Bedeutende Beispiele im Dionysostheater sind (außer der bereits erwähnten Astydamas-Statue) die Bildnisse des Menander und mehrerer anderer Dichter der Neuen Komödie; im 2. Jh. n. Chr. kommen überlebensgroße retrospektive Sitzstatuen des Thespis und des Aischylos hinzu. 23 Auf der Agora erlangten die später von einer Reiterstatue verdeckte Sitzstatue des Stoikers Chrysippos an der Straße zwischen Dipylon und Agora sowie diejenige des Karneades vor der Attalosstoa große Bekanntheit; 24 die frühhellenistischen Sitzstatuen einiger Epikureer schließlich dürften sich im privaten Garten (Kepos) des Epikur bzw. dieser Philosophenschule befunden haben. 25 In der mittleren römischen Kaiserzeit wurde diese Tradition in der Form marmorner Sitzstatuen fortgeführt, die ursprünglich vermutlich in unmittelbarer Nähe des Odeion des Agrippa plaziert waren. 26 Dagegen gab es bisher kaum Hinweise auf nacharchaische Sitzstatuen auf und von der Akropolis. Nach dem archäologischen Befund der Basen handelte es sich bei den zahlreichen Porträtstatuen in diesem Heiligtum zumeist um ruhig stehende oder leicht bewegte Figuren sowie um zwei- oder mehrfigurige Gruppen zur Reprä- 157 Zur Repräsentation von Dichtern und anderen ‚Intellektuellen‘ auf der Akropolis von Athen sentation athenischer Familien. 27 Als Einzelstatuen und gelegentlich auch als Bestandteile statuarischer Gruppen sind darüber hinaus auch einige dynamisch bewegte Figuren in starker Ausfallstellung belegt. 28 Durch die Forschungen von Manolis Korres zur spätantiken Westtür des Parthenon und zu den hier als Spolien verbauten Steinblöcken wurde jedoch deutlich, daß es im Hellenismus und in der römischen Kaiserzeit auch auf der Akropolis einige Bildnisse in Form von Sitzstatuen gegeben haben muß: So war der in der frühen Kaiserzeit aktive neuplatonische Philosoph Ofellius Laitos aus Athen oder Ephesos durch eine etwa lebensgroße und wahrscheinlich bronzene Sitzstatue repräsentiert (Abb. 1.-2). 29 Hochinteressant ist das zugehörige Epigramm, durch das der Dargestellte geradezu als Reinkarnation des vorbildhaften Platon gefeiert wird. 30 Im Rahmen des Akropolisprojektes wurden einige weitere, bisher nicht als solche bekannte Basen von Sitzstatuen aufgenommen, die den Blick auf die Repräsentation von Dichtern und anderen ‚Intellektuellen‘ auf der nachklassischen Akropolis lenken und damit auf eine bisher kaum bekannte Facette der Ausstattung dieses Heiligtums im Hellenismus und in der römischen Kaiserzeit. Das am besten erhaltene Beispiel ist die Basis der frühkaiserzeitlichen Ehrenstatue eines sonst nicht bekannten Dichters(? ) namens Sokrates aus dem Demos Thorikos (Abb. 3.-4); aufgrund ihrer guten Erhaltung soll sie hier vorangestellt werden. Erhalten ist von diesem Denkmal allein die tiefrechteckige und unprofilierte Quaderbasis aus hymettischem Marmor, 31 an deren Vorderseite sich die mit einem geradezu panegyrischen Epigramm kombinierte Ehreninschrift befindet: Abb. 1: Basis einer Sitzstatue des neuplatonischen Philosophen Ofellius Laitos. Athen, Altes Akropolismuseum Inv. Akr. 13160. Abb. 2: Wie Abb. 1. Rekonstruktion der zusammengesetzten Basis. Abb. 3: Basis einer Sitzstatue des Dichters(? ) Sokrates aus dem Demos Thorikos. Athen, Altes Akropolismuseum Inv. Akr. 13184. Abb. 4: Wie Abb. 3. Zeichnung der Basisoberseite mit den Versatzspuren der Sitzstatue. ὁ δῆμος [Σωκρ]άτη Σωκράτους Θορίκιο[ν]. [ἦ μάλα σ]ᾶς ἐδάησαν ἀπὸ φρενὸς ἄξια Μοισᾶ[ν], [Σώκρατ]ες, ᾽Ωγυγίων υἷες ᾽Εριχθονιδᾶν [ἀνθ᾽ὧν σοι] σοφίας ἔδοσαν γέρας αἱ γὰρ ᾽Αθ[ᾶ]ν[αι] [μέμνηται] τοιῶνδ᾽ ἀνδρὶ τεκεῖν χάριτα. „Der Demos (hat) [Sokr]ates, Sohn des Sokrates, aus Thoriko[s] (mit einer Statue geehrt). [Wahrlich, von d]einem Verstand, [Sokrat]es, haben die Söhne der ogygischen Erichthonios-Söhne (d.-h. der uralten Athener) Dinge gelernt, die der Musen würdig sind. [Aus diesem Grunde] gaben sie [dir] ein Ehrengeschenk für (deine) Weisheit; denn Athen [ist darauf bedacht], dem Mann eine Belohnung hierfür zu gewähren.“ 158 Ralf Krumeich Auf der bisher unpublizierten Basisoberseite sind Bettungen zur Befestigung einer etwa lebens- oder leicht überlebensgroßen bronzenen Sitzfigur erhalten, die eine gute Vorstellung von dieser Ehrenstatue geben können. Sokrates aus Thorikos saß vermutlich auf einem block- oder bankförmigen Sitz und setzte den rechten Fuß leicht nach vorne; seine Statue ähnelte hierin denjenigen einiger hellenistischer Philosophen (Abb. 5.- 6). 32 In typologischer Hinsicht bestehen enge Verbindungen zur späthellenistischen Sitzstatue des Karneades, deren Basis im Bereich der Attaloshalle an der Agora gefunden wurde und die den bekannten Akademiker mit nach vorne gesetztem linken Fuß zeigte (Abb. 7.-8). 33 Über die Ikonographie der Statue auf der Akropolis sind nur wenige Mutmaßungen möglich: Mit einiger Wahrscheinlichkeit war Sokrates aus Thorikos wie beispielsweise Karneades (Abb. 9) oder andere athenische Bürger mit Chiton, Himation und Sandalen repräsentiert; hinsichtlich des Porträtkopfes dürfte er gemäß der frühkaiserzeitlichen Mode bartlos und mit recht kurzen Haaren, eventuell sogar in Angleichung an Frisuren des iulisch-claudischen Kaiserhauses repräsentiert gewesen sein. 34 Abb. 5 (links): Sitzstatue des Hermarch (um 250 v. Chr.). Römische Kopie. Florenz, Museo Archeologico Nazionale Inv. 70989. Abb. 6 (rechts): Sitzstatue des Chrysippos (210/ 200 v. Chr.). Römische Kopie (Kopf ergänzt). Paris, Louvre Ma 80 (Abguss München, Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke). Abb. 7 (oben): Basis einer Sitzstatue des Karneades (spätes 2. Jh. v. Chr.). Athen, Agoramuseum. Abb. 8 (unten): Wie Abb. 7. Zeichnung der Basis mit den Versatzspuren der Sitzstatue. 159 Zur Repräsentation von Dichtern und anderen ‚Intellektuellen‘ auf der Akropolis von Athen Von den frühkaiserzeitlichen Denkmälern des Ofellius Laitos und insbesondere des Sokrates aus Thorikos läßt sich aufgrund der weitgehend erhaltenen Basen (Abb. 1-4) eine recht gute Vorstellung gewinnen. Die Tradition der Stiftung bronzener Sitzstatuen reicht auf der Athener Akropolis jedoch bis in die frühhellenistische Zeit zurück. Das früheste Beispiel für ein solches Denkmal in diesem Heiligtum ist die Ehrenstatue des Tragödiendichters Phanostratos aus Halikarnassos, der an den Lenäen oder Großen Dionysien des Jahres 307/ 306 v.- Chr. zusammen mit Philemon aus Syrakus in Athen zur Zeit des Agonotheten Xenokles erfolgreich in einem dramatischen Agon war und daher auf dem Architrav des torförmigen Xenokles-Monuments im Dionysostheater memoriert wurde; 35 der Dichter erhielt außerdem einige Jahre später von den Deliern die Proxenie sowie weitere Ehren und gehörte noch in späthellenistischer Zeit zu den berühmtesten Repräsentanten des karischen Halikarnassos. 36 Kurz nach seinem athenischen Sieg wurde Phanostratos von seiner Heimatstadt auf der Athener Akropolis durch eine Ehrenstatue in Form einer sitzenden Figur geehrt. Erhalten ist der vordere Teil einer unprofilierten tiefrechteckigen Quaderbasis aus bläulichem hymettischen Marmor (Abb. 10.- 11), deren Abmessungen etwa denjenigen der Karneades-Basis von der Agora (Abb. 7.-8) entsprechen. 37 Auf der Basisoberseite sind zwei Zapfenbettungen für die Füße der Figur zu erkennen, von denen der rechte leicht nach vorne gesetzt war; eine querrechteckige Bettung mag zum Sitz der Figur gehören oder aber zu einer Stütze unter deren Beinen. 38 Gut erhaltene Spitz- und Zahneisenspuren zwischen und hinter den Fußbettungen dokumentieren denjenigen Bereich, der durch die sitzende Figur bis zu deren Demontage weitgehend vor der Witterung geschützt war. Insgesamt ergibt sich das Bild einer lebens- oder leicht überlebensgroßen Sitzstatue, die eben- Abb. 9: Karneades (spätes 2. Jh. v. Chr.). Römische Kopie. Verschollen; ehemals Rom, Piccolo Palazzo Farnese (Abguss Kopenhagen, Statens Museum for Kunst). Abb. 10: Basis einer Sitzstatue des Tragödiendichters Phanostratos aus Halikarnassos. Athen, Altes Akropolismuseum Inv. Akr. 20246. Abb. 11 (rechts): Wie Abb. 10. Zeichnung der Basisoberseite mit den Versatzspuren der Sitzstatue. 160 Ralf Krumeich falls als Figur mit Mantel und Sandalen zu rekonstruieren sein dürfte. 39 Zu den bekanntesten ‚Wohltätern‘ des frühkaiserzeitlichen Athen gehört der aus Syrien stammende C. Iulius Nikanor, der im frühen oder mittleren 1. Jh. n. Chr. von den Athenern als „Neuer Homer“ und “Neuer Themistokles“ geehrt wurde. 40 Auf der Akropolis haben sich zwei Basen erhalten, die auf eine stehende und eine sitzende Figur dieses Honoranden verweisen; zwei weitere Ehrenstatuen erhielt Nikanor in Piräus (Standfigur) und Eleusis (Sitzstatue). 41 Nach den Einlassungen auf der Sitzstatuenbasis von der Akropolis (Abb. 12.-13) war Iulius Nikanor hier durch eine zumindest lebensgroße bronzene Figur mit vorgesetztem rechten Fuß repräsentiert. Vereinzelte Zahneisenspuren sind im Bereich der ehemals hier befestigten Statue erhalten. 42 Die allein durch ihre Basis als solche nachweisbare Sitzstatue des C. Iulius Nikanor dokumentiert, daß die Athener diesen Euergeten nicht allein durch mehrere Ehrenstatuen und panegyrische Ehrennamen hofierten, wie dies im Athen der frühen Kaiserzeit auch sonst gelegentlich bezeugt ist. 43 Deutlich wird darüber hinaus, daß die politische Ehrung des Nikanor unter anderem mit der Verleihung von zwei Ehrenstatuen in Form sitzender Figuren (auf der Akropolis und in Eleusis) kombiniert war; viel spricht dafür, daß die angeblichen dichterischen Qualitäten des nicht zuletzt als „Neuer Homer“ Geehrten auf diese Weise in besonderer Weise visualisiert wurden. Denkbar, jedoch nicht zu sichern ist, daß die stehende Figur des C. Iulius Nikanor auf der Akropolis in unmittelbarer Nähe zur Sitzstatue des gleichen Honoranden aufgestellt war. III. Zur retrospektiven Ehrenstatue des Komödiendichters Philemon auf der Akropolis Eine außergewöhnliche, eher im Bereich des Dionysostheaters erwartete postume Ehrung erhielt schließlich der um 300 v. Chr. aktive und ebenso wie Phanostratos aus Halikarnassos im Jahr 307/ 306 v. Chr. siegreiche und auf dem Monument des Agonotheten Xenokles im Dionysostheater genannte Komödiendichter Philemon aus Syrakus, der in dieser Zeit bereits zugleich auch das athenische Bürgerrecht hatte. 44 Im 2. Jh. n. Chr. wurde für diesen bedeutenden Repräsentanten der Neuen Komödie eine etwa lebensgroße bronzene Ehrenstatue auf der Akropolis errichtet, die zusammen mit der zugehörigen Inschrift an seine Erfolge als Komödiendichter erinnerte. 45 Vor einigen Jahren habe ich diese Statue kurz vorgestellt, ohne allerdings näher auf die erhaltene Basis und ihre Standspuren (Abb. 14.-15) einzugehen. 46 Da es sich um eine bedeutende retrospektive Ehrenstatue im zentralen Polisheiligtum Athens handelte, soll an dieser Stelle eine differenziertere Bewertung des Befundes zur Diskussion gestellt werden. Für die Sockelung der Statue wurde offenbar ein älterer Basisblock aus pentelischem Marmor wiederverwendet, zu dessen primärer Verwendungsphase die an linker Nebenseite und Rückseite des Blocks noch gut zu erkennenden Zahneisenspuren gehören; Material und Bearbei- Abb. 12 (oben): Basis einer Sitzstatue des C. Iulius Nikanor. Athen, Altes Akropolismuseum Inv. Akr. 20248. Abb. 13 (unten): Wie Abb. 12. Zeichnung der Basisoberseite mit Versatzspuren der Sitzstatue. 161 Zur Repräsentation von Dichtern und anderen ‚Intellektuellen‘ auf der Akropolis von Athen tung des Steines weisen in die klassische Zeit. Die nahe der (sekundären) Vorderseite eingemeißelte Bettung einer Doppel-T-Klammer zeigt zudem, daß es sich ursprünglich um ein größeres, aus mehreren Blöcken bestehendes Bathron gehandelt haben muß. Nach der Beschädigung oder Aufgabe des entsprechenden Anathems löste man den Stein aus seinem originalen Verband. Für seine erneute Nutzung im 2. Jh. n. Chr. wurde die ursprüngliche Anschlußseite geglättet und mit der Ehreninschrift für Philemon versehen. Die Standspuren auf der Basisoberseite lassen sich entgegen meiner früheren Auffassung kaum mit einer kaiserzeitlichen, zu ihrer Linken gedrehten Statue des Dichters Philemon verbinden, deren zurückgesetztes Spielbein in der kleinen kreisförmigen Bettung befestigt gewesen sei; 47 unklar wäre außer der starken Drehung der Figur auch, wie man die unregelmäßige, am Boden gespitzte Bettung neben der soeben genannten runden Einlassung erklären sollte. Mit einiger Wahrscheinlichkeit gehören die Standspuren dagegen zu einer weiblichen Gewandfigur der originalen Nutzungsphase des wiederverwendeten Steins, die zu dessen linker Nebenseite - vermutlich seiner primären Vorderseite - ausgerichtet war und neben der ursprünglich weitere bronzene Figuren des 5. oder 4.- Jhs. v.-Chr. standen. 48 Die Statue dürfte mit leicht vorgesetztem linken Fuß zu rekonstruieren sein, vor dem sich Teile eines bodenlangen Chitons auf dem Stein abzeichnen; die länglichen, in einem Fall wahrscheinlich von einer tiefen späteren Dübelbettung überlagerten Einarbeitungen weiter hinten dürften zu zwei Zapfen gehören, durch welche die Statue in Analogie zu anderen weiblichen Gewandfiguren (Abb. 16) an der Peripherie ihres langen Chitons auf dem Stein befestigt war. 49 Die flache kreisförmige Einlassung zur Linken der Figur schließlich mag zu einem Rundaltar oder einem anderen Attribut der originalen Gruppe gehört haben. 50 Abb. 14: Basis einer retrospektiven Ehrenstatue des Komödiendichters Philemon aus Syrakus (und Athen). Athen, Altes Akropolismuseum Inv. Akr. 13256. Abb. 15: Wie Abb. 14. Zeichnung der Basis mit den Standspuren einer weiblichen Gewandfigur klassischer Zeit (primäre Nutzungsphase des Basisblocks). Abb. 16: Basis einer Ehrenstatue der Sulpicia, Tochter des Servius Sulpicius Galba (augusteisch). Athen, Altes Akropolismuseum Inv. Akr. 13266. Zeichnung der Basis mit den zugehörigen Standspuren. 162 Ralf Krumeich Sollte diese Interpretation von Befund und Standspuren grundsätzlich zutreffen, so hätte die (nachmalige) Philemon-Basis zunächst den integralen Bestandteil einer statuarischen Gruppe klassischer Zeit gebildet; es könnte sich hier sowohl um eine mythologische Gruppe als auch um die Repräsentation mehrerer Mitglieder einer athenischen Familie (Abb. 17) gehandelt haben. 51 Die entsprechende Weihinschrift dürfte sich auf den rechts (an die Seite mit der späteren Philemon-Inschrift) anschließenden, heute nicht mehr erhaltenen bzw. noch nicht identifizierten Steinen oder aber - im Falle einer Stufenbasis - auf der darunter liegenden Steinlage befunden haben. 52 Die Einlassungen für die hier postulierte klassische Gewandstatue werden lediglich nahe der Bruchkante durch ein tiefes rechteckiges Dübelloch überlagert, 53 das nicht als Standspur der kaiserzeitlichen Philemon-Statue interpretiert werden kann; vielmehr handelt es sich offenbar um ein Dübelloch zur Befestigung einer weiteren Steinlage aus pentelischem Marmor oder anderem Material, auf der die Ehrenstatue des Philemon montiert war. 54 Nach den Abmessungen des erhaltenen Inschriftenblocks und in Analogie zu anderen Ehrenstatuen auf der Akropolis ist die kaiserzeitliche Philemon-Statue mit großer Wahrscheinlichkeit als eine lebens- oder leicht überlebensgroße und ruhig stehende bronzene Ehrenstatue zu rekonstruieren. 55 Dabei wird es sich vermutlich um ein neu angefertigtes retrospektives Bildnis gehandelt haben; nicht ganz ausgeschlossen ist aber auch, daß zur Ehrung des Dichters eine ältere Statue wiederverwendet wurde, die man nun allein mit einem Porträtkopf des Philemon versah. 56 Die Position der Philemon-Inschrift an der Vorderseite eines breitrechteckigen Blocks spricht in jedem Fall gegen die - aufgrund des rechts gebrochenen Steines grundsätzlich denkbare - Annahme, daß der Komödiendichter durch eine nach links oder rechts ausgerichtete Sitzstatue repräsentiert war; denn die Anbringung der Inschrift unterhalb der Langseite einer solchen Statue wäre ganz ungewöhnlich und auch kaum durch eine spezifische Position des Denkmals im Heiligtum zu erklären. 57 Stehende Figuren sind für Dichter seit dem 5. Jh. v.- Chr. gut bezeugt: Dies gilt vermutlich bereits für die Statuen des Homer und des Hesiod im frühklassischen Mikythosanathem in Olympia, mit Sicherheit aber für die im 2. Jh. n. Chr. auf der Akropolis noch zu sehende Statue des Anakreon (450/ 440 v. Chr.) sowie eine durch eine kopflose Statuette überlieferte Pindarstatue. 58 Besonders bedeutende Beispiele sind die retrospektiven Statuen der drei ‚großen‘ Tragiker Aischylos, Sophokles und Euripides im Dionysostheater (‚lykurgische Tragikerweihung‘, 338-326/ 325 v. Chr.). 59 Die retrospektive Ehrenstatue des Philemon stellte aufgrund ihrer für Bildnisse von Dramendichtern recht ungewöhnlichen Plazierung im zentralen Polis-Heiligtum, aber auch aufgrund ihrer heraushebenden Präsentation auf einer mehrstufigen, offenbar aus zumindest zwei Steinlagen bestehenden Basis und der explizit auf den ‚Dichterberuf ‘ des Dargestellten verweisenden Inschrift eine außergewöhnliche und auffällige Ehrung dar. Interessant für uns ist darüber hinaus die Möglichkeit, durch einen für die Sockelung dieses Denkmals verwendeten älteren Basisblocks eine bisher unbekannte statuarische Gruppe klassischer Zeit erschließen zu können. 60 Abb. 17: Basisblöcke einer athenischen Familiengruppe der Stifter Pandaites und Pasikles (2. Hälfte des 4. Jhs. v. Chr.). Ehemals im Bereich der Chalkothek. Athen, Altes Akropolismuseum Inv. Akr. 13219-13222. 163 Zur Repräsentation von Dichtern und anderen ‚Intellektuellen‘ auf der Akropolis von Athen Zusammenfassung Nach den Perserkriegen wurde die Athener Akropolis bald wieder zu einem zentralen Ort der staatlichen und persönlichen Repräsentation; letztere ist bereits für die Zeit kurz nach 480 v. Chr. in der Form von Stiftungen lebens- und leicht überlebensgroßer Porträtstatuen gut dokumentiert. Zu den frühesten staatlichen Ehrenstatuen gehörte neben derjenigen des Strategen Olympiodoros (um 280 v. Chr.) auch die Sitzstatue des Tragödiendichters Phanostratos aus Halikarnassos. Diese wurde bereits um 300 v. Chr. von seiner Heimatstadt zu Ehren ihres überregional erfolgreichen Dichters gestiftet, der noch lange nach seinem Tod als einer der bedeutendsten Vertreter der Stadt galt. Deutlich wird, wie beliebt die Akropolis von Athen als Ort der Repräsentation auch nichtathenischer Bürger bereits in der frühhellenistischen Zeit gewesen ist. Die auf der Grundlage der erhaltenen Basis hier zum ersten Mal rekonstruierte Ehrenstatue des Phanostratos dokumentiert darüber hinaus, daß Dichter in Einzelfällen bereits seit der frühhellenistischen Zeit im zentralen Heiligtum der Polis Athen durch Sitzstatuen geehrt wurden, die man bisher allein aus dem Bereich des Dionysostheaters und -heiligtums sowie von der Agora kannte. Darüber hinaus handelt es sich hier um einen der frühesten Belege überhaupt für die Verwendung sitzender Figuren zur Repräsentation von Dichtern und anderen ‚Intellektuellen‘. Für die frühe Kaiserzeit sind bisher drei weitere Sitzstatuen nachzuweisen, die jeweils als athenische Ehrenstatuen für zeitgenössische Philosophen, Dichter und generell ‚Intellektuelle‘ gestiftet wurden. Zu diesen Beispielen gehört auch eine Sitzstatue des C. Iulius Nikanor, die nun zum ersten Mal eine Vorstellung der Ehrenstatuen des in Athen und Attika durch mehrere Ehrenstatuen repräsentierten Syrers darstellt. Durch die sitzende Figur scheint man hier (ebenso wie in Eleusis) auf dichterische Qualitäten des Honoranden angespielt haben, die auch durch den panegyrischen Ehrennamen „Neuer Homer“ gerühmt wurden. Einen Sonderfall bietet die retrospektive Statue des Komödiendichters Philemon, die offenbar als stehende Figur auf einer stufenförmigen Basis plaziert wurde; zumindest in der unteren Lage wurde hier der Block einer älteren Basis wiederverwendet, die ursprünglich eine mehrfigurige (Familien? -) Gruppe des 5. oder 4. Jhs. v. Chr. getragen hatte. Die im Original erhaltenen Statuenbasen bieten zunächst eine klare Vorstellung von den zumeist als niedrige unprofilierte Quaderbasen oder aber als Stufenbasen zu rekonstruierenden, typologisch eindeutig an die archaische und klassische Epoche anknüpfenden Statuenbasen auf der nacharchaischen Akropolis. Darüber hinaus stellen sie faszinierende Dokumente für die typologische und ikonographische Vielfalt der zugehörigen Porträtstatuen in diesem Heiligtum sowie für die Biographie antiker Bildnisse und Statuengruppen dar, die seit den Perserkriegen auf der Athener Akropolis errichtet wurden. Als im wörtlichen Sinne grundlegendes Arbeitsmaterial ist ihre potentielle Aussagekraft noch bei weitem nicht erschöpft. Basen athenischer Sitzstatuen, tabellarische Übersicht Name Datierung IG II/ III 2 Aufstellungsort Höhe Breite Tiefe 01 Astydamas 340/ 339 v. Chr. 3775 Dionysostheater *95 cm 70 cm (r.) 125 cm (r.) 02 Phanostratos aus Halikarnassos kurz nach 307/ 306 v. Chr. 2794 Akropolis 23 cm 75,5 cm > 87 cm 03 Menander um 290 v. Chr. 3777 Dionysostheater *108 cm *65,5 cm *125 cm 04 Karneades spätes 2. Jh. v. Chr. 3781 Agora 33,3 cm 71,4 cm > 82 cm 05 C. Iulius Nikanor frühes bis mittleres 1.-Jh. n. Chr. 3787 Akropolis 33 cm > 66 cm 112,2 cm 06 C. Iulius Nikanor frühes bis mittleres 1.-Jh. n. Chr. 3789 Eleusis 38 cm 56 cm 132 cm 07 Sokrates aus Thorikos frühkaiserzeitlich 3790 Akropolis 35 cm 55,7 cm 123,4 cm 08 Ofellius Laitos frühkaiserzeitlich 3816 Akropolis *61 cm *55 cm *108 cm 09 Thespis 2. Jh. n. Chr. 4264 Dionysostheater 24,5 cm 75 cm 160 cm (r.) Die Maße sind am Original gemessen oder plausibel rekonstruiert (r.) Maße mit Asteriskus (*) beziehen sich allein auf den Basisschaft (ohne Deckplatte) 164 Ralf Krumeich Anmerkungen * Für Diskussionen und wichtige Anregungen zur Basis des Philemon danke ich Nadja Mertens; Jaime Curbera sei für die Übersendung einiger schwer zu beschaffender epigraphischer Artikel gedankt. 1 Hurwit 1999, 85-137; Schneider - Höcker 2001, 71-109; Holtzmann 2003, 37-91. M. Ch. Monaco in: Greco 2010, 56-61. Zur Frühzeit des Heiligtums vgl. insbesondere Gauß - Ruppenstein 1998, bes. 38-41; Holtzmann 2003, 37-42; Scholl 2006; Scholl 2010. 2 Plut. Per. 13, 3. 3 IG II/ III 2 3173; Baldassarri 1998, 45-63; Dally 2008, 43- 47; Stefanidou-Tiveriou 2008, 21-23; Krumeich - Witschel, 2010b, 9-f. (mit weiterer Literatur). Der Roma-Augustus-Tempel wird seit Kavvadias - Kawerau 1906, 102 Taf. 1. 5 zumeist auf einem quadratischen Quaderfeld vor der Eingangsseite des Parthenon lokalisiert; jedoch kann dieses aufgrund seiner Lage oberhalb einer spätkaiserzeitlichen oder byzantinischen Zisterne frühestens in der späten römischen Kaiserzeit hier angelegt worden sein: Binder 1969, 28-33; vgl. jetzt auch Fouquet 2012, 66-77. Sicherheit über den Standort des Monopteros ist heute kaum noch zu erlangen; nach der Fundlage der zugehörigen Architekturfragmente (Binder 1969, Taf. 1) dürfte er immerhin im östlichen Bereich der Akropolis gestanden haben. 4 Stevens 1936; Stevens 1940, bes. 1-57; Stevens 1946 (jeweils mit eindrucksvollen, gelegentlich auch fantasievollen Rekonstruktionszeichnungen); Keesling 2003; Hurwit 2005, 10-22; Brouskari 2006, 227-245; Krumeich - Witschel 2010b, 16- 28. 5 Krumeich - Witschel 2010b, 16-19. - Perikles: Krumeich 1997, 114-125; Schefold 1997, 100 f. Abb. 33; Himmelmann 2001, 54-56 Taf. 2. 3; Krumeich 2002a, 215 f. 219 Abb. 7; 232-f. Nr. 127; Bol 2004, 98-103 Abb. 70. 71 - Familiengruppe der Athener Pandaites und Pasikles: s. u. Anm. 51. - Zur Funktion der Akropolis als zentraler Erinnerungsort Athens und generell zu der auf M. Halbwachs zurückgehenden und seit den 1980er Jahren durch P. Nora intensivierten Diskussion zu den „lieux de mémoire“ in verschiedenen Bereichen und Epochen vgl. Hölscher 2010, bes. 143-147; Schade 2011, bes. 112-f. 6 Krumeich - Witschel 2010b, 25-28. Eine enge Verbindung bedeutender Römer mit der klassischen und hellenistischen Epoche Athens resultierte nicht zuletzt aus der Weiterverwendung originaler Statuen und Basen des 5.-2. Jhs. v. Chr.; vgl. etwa Krumeich 2014. Zur Charakterisierung Athens als bedeutende Stätte der vera et mera Graecia s. Plin. epist. 8, 24, 2-4. 7 Jordan-Ruwe 1995, 38-41; Korres 2000, 314-325; Schollmeyer 2001, 107-109; Queyrel 2003, 300-304; Jünger 2006, 318- 324. 332-357; Krumeich - Witschel 2010b, 21-f. Abb. 14. 15. Da die originalen Inschriften heute fehlen, läßt sich kaum entscheiden, ob es sich um königliche Weihungen nach Siegen in Wagenrennen an den Panathenäen oder aber um athenische Ehrendenkmäler für die beiden auswärtigen Wohltäter handelte. 8 IG II/ III 2 4122. 3272; vgl. Dinsmoor 1920; Korres 2000, 320- 325; Boschung 2002b, 138; Krumeich - Witschel 2010b, 22. 9 Paus. 1, 25, 2; Stewart 2004 (mit der Erstpublikation der zugehörigen Basisblöcke durch M. Korres: ebenda S. 242-285); vgl. Krumeich - Witschel 2010b, 20-f. und den Beitrag von Sylvia Martin, in diesem Band. 10 Vgl. nur das Marathongemälde in der Stoa Poikile: Paus. 1, 15, 3; Hölscher 1973, 50-68; De Angelis 1996; Krumeich 1997, 102-109. 11 S. o. Anm. 5. 12 Raubitschek 1949 enthält ausschließlich Basen von Weihgeschenken archaischer Zeit und des 5. Jhs. v. Chr. Für nachklassische statuarische Anatheme vgl. außer Anm. 9 (Kleines Attalisches Weihgeschenk) Korres 1994 (Spolien in der spätantiken Parthenon-Westtür); Korres 2000 (Pfeilermonumente) sowie Keesling 2007; Keesling 2010; Krumeich 2010b; Krumeich 2014 (jeweils zu wiederverwendeten Statuen); Krumeich - Witschel 2010b, 20-28. Zur Statue des Philemon: Krumeich 2008b, 169-f. 13 Olympiodoros: Paus. 1, 25, 2; 1, 26, 3; Richter 1965, II 162 Abb. 894−896; Schefold 1997, 198- f. Abb. 99. 100; von den Hoff 2003, 175-178 mit Abb. 1-3; Krumeich 2007, 394 f. - Pfeilermonumente: s.- o. Anm. 7. Vgl. hier auch die literarisch überlieferten Kolossalstatuen zweier Attaliden (Eumenes II. und Attalos II.? ), die später auf Marcus Antonius umgeschrieben wurden: Plut. Antonius 60, 6; Queyrel 2003, 302-306; Gans 2006, 131-f. - Nicht gesichert ist die von G. Despinis vorgeschlagene These, wonach im Athen der frühantoninischen Zeit (eventuell auf der Akropolis) marmorne Kopien der Athena und des Miltiades des durch Paus. 10, 10, 1-2 überlieferten delphischen Marathonmonuments aufgestellt worden seien: Despinis 2001, bes. 111 f. 14 „Weniger bedeutende Statuen“: Paus. 1, 23, 4; vgl. hier auch Keesling 2007, 141- f. - Felsbettungen: Kavvadias - Kawerau 1906, Taf. 1; Travlos 1988, 37 Abb. 33; Korres 1996, 11; Krumeich - Witschel 2010b, 16 Abb. 6 Taf. 81. 15 Für einen knappen Überblick s. Krumeich - Witschel 2010b, 16-28; Krumeich - Witschel 2013. 16 Krumeich - Witschel 2010b, 30-33; vgl. auch Kokkou 2009, 164-f. Abb. 66 (Basen als Spolien in den Mauern einer unmittelbar westlich des Parthenon gelegenen türkischen Zisterne). 17 IG III 1, ed. W. Dittenberger (Berlin 1878); IG II 3. 5, ed. U. Köhler (Berlin 1888/ 1895); IG II/ III 2 3, 1, ed. J. Kirchner (Berlin 1935); Jahn - Michaelis 1901, bes. 113-118. 129-137. Für frühe Publikationen einiger dieser Basen s. die Beiträge von K.- S. Pittakis in den frühen, seit 1837 erschienenen Bänden der Archaiologike Ephemeris und Ross 1855, 158-185 (nach Künstlern geordnet); vgl. Krumeich - Witschel 2010b, 3. 31. 18 Korres 1994. Die Pittakis-Einträge in der Archaiologike Ephemeris sind gelegentlich von kursorischen, zum Teil allerdings recht fehlerhaften Zeichnungen begleitet; s. etwa K.- S. Pittakis, AEphem 25, 1842, 474 Nr. 728 (Basis einer Ehrenstatue des L. Domitius Ahenobarbus; IG II/ III 2 4144). Auch Raubitschek 1949 bietet keine systematische Analyse der Standspuren der von ihm behandelten Basen des 6. und 5. Jhs. v. Chr. Die Bedeutung der Standspuren für eine angemessene Beurteilung und Publikation von Statuenbasen ist evident; vgl. auch Ma 2013, 3. 19 S. insbesondere Petrakos 1997 (Amphiareion von Oropos); für das Akropolisprojekt vgl. Krumeich - Witschel 2010b, 30-33; Krumeich - Witschel 2013. Weitere ähnlich ausgerichtete Projekte existieren für die Basen von Delos, Olympia und Pergamon: Herbin 2014; Leypold 2014; Mathys 2014. Für die Bedeutung von Basen als bedeutendes Material archäologischer und historischer Forschung vgl. Dally 2007, 255; Ma 2013, passim. 20 Krumeich 2008; Krumeich - Witschel 2009; Krumeich 2010; Krumeich 2014. Ein Gesamtkatalog der Basen statuarischer Weihungen auf der Athener Akropolis (vom 5. Jh. v. Chr. bis zur Spätantike) ist in Vorbereitung und wird voraussichtlich im Jahr 2021 in den Druck gehen. 21 Krumeich 1997, 22- f. Abb. 1-4; Trianti 1998; C. Maderna- Lauter in: Bol 2002, 251 f. Abb. 325. 326; Franssen 2011, 173. 282-285 Taf. 12; Keesling 2017, 121-124 Abb. 37. Nicht hin- 165 Zur Repräsentation von Dichtern und anderen ‚Intellektuellen‘ auf der Akropolis von Athen reichend begründet ist der Vorschlag von Williams 2009, 312- 314, wonach es sich bei einer dieser Statuen um das Bildnis eines bedeutenden Vasenmalers (mit dem Attribut eines Kraters oder eines anderen Gefäßes) handele. 22 Vgl. Dontas 1960, bes. 104-108; von den Hoff 1994, 32. 44. 80-82. 105. 191; Papastamati-von Moock 2007, 294-298; zur Astydamas-Statue s. u. Anm. 23. Ebenfalls im mittleren 4. Jh. v. Chr., eventuell aber auch erst in hellenistischer Zeit entstand die Sitzstatue des Pindar vor der Stoa Basileios an der Agora: [Aischin.] epist. 4, 2-3; Paus. 1, 8, 4; vgl. Richter 1965, I 142-f; Ch. Witschel in: Stemmer 1995, 304-306 Nr. C-7. In anderen Medien wurden Dichter bereits seit dem späten 5. Jh. v. Chr. gelegentlich als sitzende Figuren gezeigt. So erscheint Demetrios auf der Pronomosvase (410/ 400 v. Chr.) als idealisierter und jugendlicher athenischer Tragödiendichter: Neapel, Museo Archeologico Nazionale H 3240 (81673). ARV2 1336, 1; Beazley Archive Nr. 217500; E. Buschor in: FR 3, 132-150 Taf. 143-145; Simon - Hirmer 1981, 153 f. Abb. 228. 229; O. Taplin - R. Wyles (Hrsg.), The Pronomos Vase and its Context (Oxford 2010). Vgl. hier auch das Grabrelief eines Dichters der Mittleren Komödie in Lyme Park (360/ 350 v. Chr.): Himmelmann 1994, 142-144 Abb. 73-77; Schefold 1997, 122- f. Abb. 50; A. Scholl in: Scholl 1995a, 86-89 Nr. L-3 Taf. 71-73; Scholl 1995b mit Abb. 1-6. - Darüber hinaus gab es freilich auch mehrere stehende Figuren von Dichtern (s. u. Anm. 58) oder Philosophen; vgl. nur von den Hoff 1994, 44. 118-121 Abb. 115. 116; Zanker 1995, 127-131 Abb. 72; Schefold 1997, 248-f. Abb. 135 (‚Kyniker im Kapitol’); Zanker 1995, 171-173 Abb. 94; Schefold 1997, 129-135 Abb. 127-130. 137 (Diogenes). Auch die im mittleren 4. Jh. v. Chr. entstandene Platonstatue in der Akademie ist wahrscheinlich als stehende Figur zu rekonstruieren: Zanker 1995, 74; Krumeich 2002a, 235-f. Nr. 130; Vorster 2004, 401. 23 Überblick: Schwingenstein 1977, 64-69; Fittschen 1995, 65- 69; Di Napoli 2013, 175-178; vgl. auch Paus. 1, 21, 1. - Sitzstatue des Astydamas (340/ 339 v. Chr.): IG II/ III 2 3775; Fittschen 1995, 65; Goette 1999; Papastamati-von Moock 2014, 23-33 Abb. 1.5-14. - Menander (um 290 v. Chr.) und weitere Komödiendichter: Fittschen 1991; Fittschen 1995, 66-69; Zanker 1995, 80-85; Papastamati-von Moock 2007, 276-312; Di Napoli 2013, 176-f.; Papastamati-von Moock 2014, 47-52 (zur Neuaufstellung der ‚lykurgischen Tragikerweihung’ und der Menanderstatue in augusteischer Zeit). - Thespis und Aischylos: Richter 1965, I 73-f. Nr. 2 mit Zeichnung und Abb. 266. 267; S. 121-f. Abb. 610; Krumeich 2008b, 167-169 Abb. 3; 4; Di Napoli 2013, 175 Taf. 1, 4; 3, 1. 24 Chrysippos (210/ 200 v. Chr.): Cic. fin. 1, 39; Diog. Laert. 7, 182 (aufgrund der Verdeckung seines Bildnisses sei der Stoiker von Karneades „Krypsippos“ genannt worden); Richter 1965, II 190-194 Abb. 1111-1144. 1146. 1147; von den Hoff 1994, 96-115; Zanker 1995, 98-102. - Karneades (spätes 2.- Jh. v.- Chr.): Richter 1965, II 248-251 Abb. 1681-1696; Stähli 1991; von den Hoff 1994, 193-f.; Zanker 1995, 174-177. 25 Von den Hoff 1994, 83-f. 26 Zwei antoninische Sitzstatuen sind (mit Ausnahme des Oberkörpers bzw. des Einsatzkopfes) recht gut erhalten: Thompson 1950, 124-f. Taf. 78. 79; Frantz 1988, 65. 27 Krumeich - Witschel 2020b, 16-28. 28 Vgl. Krumeich 2010, 336-f. 341-343 Abb. 7. 14. 17-19; Krumeich 2018. 29 IG II/ III 2 3816; Athen, Altes Akropolismuseum Inv. Akr. 13160 (Maße ohne Deckplatte: H 0,61 m; B 0,55 m; T 1,08 m). Die tiefrechteckige Form der Basis mit der an der Vorderseite eingemeißelten Inschrift zeigt, daß es sich mit Sicherheit um eine Sitzstatue handelte. Vgl. Korres 1994, 73 Kat. MB 3 Abb. 33; Krumeich 2008b, 163-f. Zur Person des Ofellius Laitos s. Nollé 1981; Bowersock 1982; Hahn 1989, 128 f.; Traill, PAA 600750; Byrne 2003, 388 f. Nr. 7. Generell zu den im Zuge der Balanos-Restaurierung aus der Parthenon-Westtür extrahierten Steinen vgl. Kyparissis 1927/ 28; Korres 1994. 30 IG II/ III 2 3816, Z. 3-4: εἰ κατὰ Πυθαγόραν ψυχὴ μεταβαίνει ἐς ἄλλον, / ἐν σοί, Λαῖτε, Πλάτων ζῇ πάλι φαινόμενος - „Wenn, wie Pythagoras lehrt, die Seele in einen anderen (Menschen) übergeht, dann lebt in dir, Laitos, der wiedererschienene Platon.“ 31 IG II/ III 2 3790; Athen, Altes Akropolismuseum Inv. Akr. 13184 (H 35 cm; B 55,7 cm; T 123,4 cm). Der Stein war bis 1875 im fränkischen Turm im Südflügel der Propyläen verbaut; vgl. S. Koumanoudis, Athenaion 4, 1875, 208-f. Im Folgenden wird der von Peek 1980, 21-f. Nr. 17 ergänzte Text zugrunde gelegt. Sokrates aus Thorikos ist ausschließlich aus dieser Inschrift bekannt: Traill, PAA 856700. 32 Der Sitz war auf der Basis mit einem Zapfen befestigt, zu dem ein Gusskanal führte. Es mag sich hier um einen einfachen Quader oder um eine profilierte Bank gehandelt haben; beide Sitzgelegenheiten sind seit der frühhellenistischen Zeit mehrfach bezeugt: Richter 1965, II 205 Nr. 1 Abb. 1319. 1320; von den Hoff 1994, 81- f. Abb. 55. 56; Schefold 1997, 224- f. Abb. 117 (Hermarch auf profilierter Bank); Richter 1965, II 193 Nr. 17 Abb. 1144; von den Hoff 1994, 105 Abb. 95-102; Schefold 1997, 254-f. Abb. 140 (Chrysipp auf einfachem Quadersitz). 33 IG II/ III 2 3781; Athen, Agoramuseum (H 33,3 cm; B 71,4 cm; T [82] cm; T ursprünglich ca. 95 cm). Vgl. Richter 1965, II 250 Nr. 8 mit Zeichnung und Abb. 1681; Thompson - Wycherley 1972, 107 Taf. 55-c; Stähli 1991, 221-f. Abb. 1. 2; S.-224-232. Zu dem in acht römischen Kopfkopien überlieferten Bildnis des Karneades s. o. Anm. 24. Hinsichtlich der Basismaße läßt sich die Basis des Sokrates aus Thorikos auch mit derjenigen des Astydamas im Dionysostheater vergleichen, deren Deckplatte etwa folgende Maße gehabt haben dürfte: B 70 cm; T 125 cm; vgl. Papastamati-von Moock 2014, 28 Anm. 55. 34 Zur Ikonographie späthellenistischer Philosophenstatuen vgl. von den Hoff 1994, 193-f. Eine ikonographische Angleichung des Sokrates aus Thorikos an berühmte athenische Dichter oder andere ‚Intellektuelle‘ der Vergangenheit ist prinzipiell denkbar. Eine solche Angleichung ist für das 2. und 3. Jh. n. Chr. etwa bei einigen Porträthermen der athenischen Kosmeten gut belegt (vgl. Lattanzi 1968; Krumeich 2004; Schröder 2011), jedoch fehlen Beispiele für die frühe Kaiserzeit. Schließlich enthält die Ehreninschrift für Sokrates auch keine Indizien für eine Orientierung an klassischen oder hellenistischen Vorbildern. 35 IG II/ III 2 3073, Z. 3 (= TrGF 1, DID B 7); vgl. Wilson 2000, 273-f.; Goette 2007, 141-f. Abb. 13; Agelidis 2009, 277 Nr. 170 Taf. 17. 18. Zur Person des Phanostratos aus Halikarnassos s. RE Suppl. 8 (1956) 468-f. s. v. Phanostratos (4) (H. Riemann); TrGF 1, 94 T 1-3; Traill, PAA 917290. 36 IG XI 4, 528 (Ehren der Delier; frühes 3. Jh. v. Chr.); SEG 48, 1998, 1330, col. II Z. 51-f. (Phanostratos als bedeutender Repräsentant der Stadt Halikarnassos in einer ausführlichen Inschrift mit dem Rufnamen „The Pride of Halikarnassos“, 150- 100 v. Chr.). Vgl. Isager 1998, 9. 18- f.; Merkelbach - Stauber 1998, 40-f. 44; Lloyd-Jones 1999, 2-f. 11. 37 IG II/ III 2 2794; Athen, Altes Akropolismuseum Inv. Akr. 20246 (H 23 cm; B 75,5 cm; T [87] cm). Das in archäologischer Hinsicht bisher unpublizierte Basisfragment wurde einige Jahre vor 1877 oberhalb des Odeion des Herodes Atticus gefunden; vgl. S. Koumanoudis, Athenaion 6, 1877, 367-f.; RE Suppl. 8 (1956) 469 s. v. Phanostratos (4) (H. Riemann). Zur Sitzstatue des Karneades und ihrer Basis s. o. Anm. 24. 33. 166 Ralf Krumeich 38 Sitzstatuen waren seit dem frühen Hellenismus gelegentlich mit einfachen Quadersitzen oder profilierten Bänken verbunden; s. o. Anm. 32. 39 S. o. Anm. 34. 40 Zu Person und Datierung des Geehrten vgl. PIR 2 I 440; PAA 709165; Habicht 1995, 111 f.; Habicht 1996; Byrne 2003, 321 f. Nr. 94; Follet 2004; Jones 2005; Schmalz 2009, 162 f. Nr. 199-202. Für deutliche Kritik an dessen Ehrung als „Neuer Homer“ und „Neuer Themistokles“ s. Dion Chrys. 31, 116; diese rühmenden Beinamen wurden später zumeist wieder getilgt: IG II/ III 2 3786. 3787. 3789. Vergleichbare Ehrennamen sind in anderen Städten Griechenlands und Kleinasiens dagegen noch bis in die mittlere Kaiserzeit belegt; vgl. Robert 1981, 352-361; Heller 2011, 309 f. 41 IG II/ III 2 3786; Athen, Altes Akropolismuseum Inv. Akr. 13174 (H 60 cm; B 45 cm; T 44,5 cm; ruhig stehende Figur). - IG II/ III 2 3787; Athen, Altes Akropolismuseum Inv. Akr. 20248 (H 33 cm; B [66] cm; T 112,2 cm; Sitzstatue); vgl. Krumeich 2010, 360-f. Abb. 37. 38. - Ehrenstatuen in Piräus und Eleusis: IG II/ III 2 3788 (Piräus) und 3789 (= Clinton 2005, 328 Nr. 362; Eleusis: H 38 cm; B 56 cm; T 132 cm). Die Sitzstatue in Eleusis war bisher ebenfalls nicht als solche bekannt. 42 Verdübelungsspuren für den Sitz sind heute nicht mehr zu erkennen; er mag eventuell im bestoßenen Bereich des Blockes verklammert gewesen sein. 43 So wurde beispielsweise Paullus Fabius Maximus in der augusteischen Zeit durch mehrere Ehrenstatuen auf der Akropolis geehrt: IG II/ III 2 4128. 4129. 4131. - Für Analogien zu rühmenden Beinamen s. o. Anm. 40. 44 Zu Philemon und seiner Wertschätzung noch in der römischen Kaiserzeit vgl. PCG VII 221 T 2; 226 T 23. 27; DNP 9 (2000) 784 f. s. v. Philemon (2) (H.-G. Nesselrath); Traill, PAA 925890. Sieg im Jahr 307/ 306 v. Chr. und Xenokles-Monument: IG II/ III 2 3073 (= PCG VII 224 T 15); s. o. Anm. 35. Zumindest ein Philemon-Bildnis ist durch zwei heute verschollene römische Kopien überliefert: IG XIV 1221; Huelsen 1901, 172 Nr. 42. 43; Bernoulli 1901, II 103; Richter 1965, II 237 Nr. 1. 2; Palma Venetucci 1992, 84-f. Nr. 9. Mit zu Recht großer Zurückhaltung bringt Fittschen 1992, 261 f. den Namen des Philemon für eine potentielle Benennung des sogenannten Ps.-Menander ins Spiel; für diese Sitzstatue vgl. Fittschen 1992, Taf. 77. 87. 45 IG II/ III 2 4266 (Φιλήμων Δάμωνο[ς] / Διομαιεὺς / κωμικὸς ποιητής); gefunden im Norden der Propyläen. Athen, Altes Akropolismuseum Inv. Akr. 13256 (H 24,5 cm; B [93,4] cm; T 76 cm). Vgl. Fittschen 1995, 68; Krumeich 2008b, 169-f. Abb. 5; 6. Die ursprüngliche Breite des erhaltenen Steinblocks dürfte etwa 1,12 m betragen haben; s. u. Anm. 54. 46 Krumeich 2008b, 169-f. Abb. 5. 6. 47 Krumeich 2008b, 169 f. mit Anm. 44. Nach meiner damaligen Überzeugung handelte es sich um eine nach links gedrehte Figur, vor der sich ein Scrinium als berufsspezifisches Attribut des Dichters befunden habe. 48 Zu dieser Annahme stimmt auch die Beobachtung, daß sich auf der Steinoberseite unterschiedliche Bearbeitungsspuren erkennen lassen: Während nahe den Steinkanten das gleiche Zahneisen wie an den Basisnebenseiten verwendet wurde, blieben im Bereich der (hohlen) bronzenen Figur einfachere und etwas gröbere Spitzeisenspuren erhalten. 49 Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn sich im Bereich der tiefen Zapfenbettung keine zweite Einlassung der primären Phase befunden haben sollte. Für Standspuren einer weiblichen Bronzestatue und eine ähnliche Befestigungstechnik vgl. etwa die Basis einer in augusteischer Zeit errichteten Ehrenstatue der Sulpicia: IG II/ III 2 4237; Krumeich 2014, 145 Abb. 4; 5. Eine gute Vorstellung von der Ikonographie hellenistischer und frühkaiserzeitlicher Gewandstatuen können die in zahlreichen römischen Kopien überlieferten Herkulanerinnen geben; vgl. Daehner 2008. 50 Dm 15 cm; T 1,2 cm. 51 Für mehrfigurige Familiengruppen auf der Akropolis vgl. beispielsweise das im späteren 4. Jh. v. Chr. entstandene Anathem des Pandaites und des Pasikles: IG II/ III 2 3829; Löhr 2000, 139-142 Nr. 161; Keesling 2007, 143-145 Abb. 108; Krumeich - Witschel 2010b, 22 f. Abb. 18. 19; Keesling 2017, 136-f. 52 Dies ist der Fall z. B. bei der Pandaites-Pasikles-Basis, bei der heute wiederum die oberste Steinlage mit den Standspuren fehlt (s. o. Anm. 51). Die beschrifteten Steine wurden zur Montage des langgestreckten Bathrons eines dynastischen Denkmals der augusteischen Zeit weiterverwendet; vgl. Boschung 2002a, 106-108. 53 Nicht eindeutig zu erkennen ist, ob sich im Bereich dieser Zapfenbettung (L 10,5 cm; B 4,5 cm; T 9 cm) eine Einlassung der originalen Nutzungsphase befindet; s.-o. Anm. 49. 54 So weist bereits die im frühen 4. Jh. v. Chr. entstandene gebogene Basis des Konon und des Timotheos eine Kombination von pentelischem Marmor und eleusinischem Kalkstein (für die oberste Lage) auf: IG II/ III 2 3774; SEG 36, 1986, 246; Löhr 2000, 76 f. Nr. 86. Da sich die Verdübelung der Philemon-Basis mit der hier postulierten oberen Lage in der Mitte zwischen Vorder- und Rückseite des erhaltenen Steinblocks befindet und mit großer Wahrscheinlichkeit genau in dessen Zentrum eingetieft wurde, ergibt sich für die ursprüngliche Steinbreite ein Maß von etwa 1,12 m (der Abstand des 4,5 cm breiten Dübellochs von der linken Seite beträgt 53,5 cm). 55 Es handelte sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um eine bronzene Statue, da marmorne Porträtstatuen auf der nacharchaischen Akropolis nur sehr selten bezeugt sind. Eine der wenigen Ausnahmen von dieser Regel bietet die spätklassische Zweifigurengruppe des Archippos und der Aristokrateia (IG II/ III 2 3834; mittleres 4. Jh. v. Chr.). Trotz der hier vorgeschlagenen Rekonstruktion der kaiserzeitlichen Philemon-Statue als stehende Figur könnte der Dichter natürlich zudem (an einem uns nicht bekannten Ort) auch durch eine Sitzstatue repräsentiert gewesen sein; für einen in diese Richtung gehenden Vorschlag von K. Fittschen s. o. Anm. 44. 56 Weniger wahrscheinlich ist die theoretisch denkbare Annahme, daß eine ältere Philemon-Statue nun lediglich neu gesockelt wurde. 57 Inschriften von Sitzstatuen befinden sich in der Regel an der schmalen Basis- oder Plinthenvorderseite. Vgl. außer den hier diskutierten Statuenbasen und den Basen hellenistischer Sitzstatuen aus dem Dionysostheater (s. o. Anm. 23) auch Richter 1965, II 225- f. Nr. 1. 2 Abb. 1518-1521 (Menander in Athen und Eretria); 238-f. Abb. 1647; Zanker 1995, 133-137 Abb. 75; Schefold 1997, 244-f. Abb. 133 (Poseidippos); Richter 1965, II 242 Nr. 1 Abb. 1666; Schefold 1997, 222-f. Abb. 115 (Moschion); Richter 1965, II 250 Nr. 8 mit Zeichnung und Abb. 1681 (Karneades). 58 Mikythosanathem (467-460 v. Chr.): Paus. 5, 26, 2-5; Dittenberger - Purgold 1896, Nr. 267-269. 316. 357; Eckstein 1969, 33-42; Löhr 2000, 42-44 Nr. 45; DNO I (2014) Nr. 473. 474 (K. Hallof - R. Krumeich - L. Lehmann); Keesling 2017, 70-73. - Anakreon: Richter 1965, I 76 Nr. 5 Abb. 279. 283; Zanker 1995, 29-38; Schefold 1997, 102-f. Abb. 34; Bol 2004, 104- f. Abb. 73; R. Krumeich in: Scholl 2016, 3- f. Nr. 1; Keesling 2017, 155-157 Abb. 48. - Pindarstatuette (typologisch nicht mit dem im mittleren 5. Jh. v. Chr. entstandenen Bildnis des Dichters zusammenhängend): Richter 1965, I 143 Nr. 2 mit Zeichnung; Bergemann 1991, 183-f.; Krumeich 2002a, 214 Abb. 6; S. 232. - Für weitere stehende bzw. schreitende Figuren von Dichtern vgl. auch den Münchner Kalathos 167 Zur Repräsentation von Dichtern und anderen ‚Intellektuellen‘ auf der Akropolis von Athen des Brygosmalers mit der Darstellung von Alkaios und Sappho (um 480 v. Chr.) sowie den in mehreren römischen Kopien überlieferten ‚Wandernden Dichter‘ des mittleren 5. Jhs. v. Chr.: Richter 1965, I 69-71 Abb. 243-246. 252; Schefold 1997, 84-f. Abb. 19; 94-f. Abb. 29. 59 Richter 1965, I 128-130 Abb. 678-689; Zanker 1995, 49-61; Schefold 1997, 180- f. Abb. 86 (jeweils zum Sophokles-Porträt im Typus Lateran); Krumeich 2002b; Papastamati-von Moock 2007, bes. 312-326; Di Napoli 2013, 174- f.; Papastamati-von Moock 2014, 47-52. 60 Für einen vergleichbaren Fall der Weiterverwendung älterer Basisblöcke in der Basis eines neu errichteten Denkmals s.- o. Anm. 51 (Familiengruppe der Athener Pandaites und Pasikles). Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Foto Ralf Krumeich Abb. 2: M. Korres, Study for the Restoration of the Parthenon 4. The West Wall of the Parthenon and Other Monuments (Athen 1994) 73 Abb. 33 Abb. 3: Foto Ralf Krumeich Abb. 4: Zeichnung Antonia Brauchle und Zoe Spyranti Abb. 5: © Museo Archeologico Nazionale di Firenze (Direzione Regionale Musei della Toscana) Abb. 6: Foto Heide Glöckler Abb. 7: © American School of Classical Studies, Image Archive Number 2008.01.0072 (87-520) Abb. 8: G.-M.-A. Richter, The Portraits of the Greeks (London 1965) II 250 Abb. 9: Fotothek des Archäologischen Instituts der LMU München Abb. 10: Foto Ralf Krumeich Abb. 11: Zeichnung Antonia Brauchle Abb. 12: Foto Ralf Krumeich Abb. 13: Zeichnung Antonia Brauchle Abb. 14: Foto Ralf Krumeich Abb. 15: Zeichnung Antonia Brauchle Abb. 16: Zeichnung Antonia Brauchle und Zoe Spyranti Abb. 17: Foto Ralf Krumeich Literaturverzeichnis Agelidis 2009 S. 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Das Jahr 405 v. Chr., in dem Aristophanes wenige Monate nach dem Tod des Euripides, des letzten der drei Tragiker, mit seinen „Fröschen“ den Sieg erringt, wird in der Forschung häufig als das Todesjahr der Tragödie angesehen, während heute eine beständig wachsende Zahl von Erforschern des antiken Theaters in dieser Bewertung eher eine klassizistische Betrachtungsweise erkennt, die auf das 4. Jh. v. Chr. zurückgeht. 2 Durch die offiziellen Wiederaufführungen der Werke der drei inzwischen anerkannten großen tragischen Dichter seit 386 v. Chr., aber auch durch die Einstudierung neuer Tragödien anlässlich der Theateragone in Athen und in der Folge in der gesamten griechischsprachigen Welt während des gesamten 4. Jhs. 3 etablierte sich die athenische Tragödie als die dramatische Gattung schlechthin, die mit dem Grundbegriff des antiken griechischen Theaters und seinem kulturellen Einfluss verbunden ist. Im Rahmen der entscheidenden Veränderungen, die das Theater in Athen im 4. Jh. erlebt, emanzipiert sich das Satyrspiel zu einer eigenständigen Gattung, während das komische Theater, das erhebliche Veränderungen erfährt, in der gesamten griechischen Welt besonders populär wird. Vor allem die Neue Komödie mit ihren die Allgemeinheit berührenden Themen, wie den Parodien der Mythen, den romantischen Verwicklungen und den Angelegenheiten des täglichen Lebens, trägt dazu bei, dass es sich als die populärste Ausdrucksform der griechischen Kultur über die gesamte griechisch-römische Welt ausbreitete. 4 In der Tat blieben die klassischen Theatertexte und vor allem diejenigen der Tragödie, die jeweils an die Form der Aufführung angepasst und von den römischen Theaterschriftstellern als Vorlagen für Übersetzungen und Imitationen verwandt wurden, innerhalb des Erziehungssystems auch nach dem Ende der paganen Antike weiterhin wichtige Bestandteile des ausgewählten Repertoires 5 . Bezeichnend ist die vieldeutige Haltung der Kirchenväter hinsichtlich der Entfernung der großen klassischen Theatertexte aus der zeitgenössischen Theaterproduktion und den paraliterarischen Schriften: Einerseits verteufeln sie die „Bühne“, weil sie vom „niederen“ Volk der Mimen und Pantomimen beherrscht würde und weil sie das Theater als den letzten Tummelplatz der Einflüsse des heidnischen Geistes betrachteten, doch spiegelt sich in der Begrifflichkeit ihrer eigenen Texte andererseits die tiefgehende Kenntnis und der Einfluss der großen klassischen Dichter wider. 6 Diese Werke übten auch weiterhin einen großen Einfluss aus und der dichterische und sprachliche Rang vor allem der antiken Tragödien trafen bei den Gelehrten sowohl der frühals auch der mittelbyzantinischen Zeit auf eine hohe Wertschätzung, obwohl die Regelungen der „Trullanischen Synode“ von 691 n. Chr. unter Justinian II. auf das Ende der Theaterproduktion abzielten. 7 In die Zeit des „byzantinischen Humanismus“, wie das 10. Jh. bezeichnet worden ist, die die Wiederbelebung der klassischen Schriften und die geistige Strömung des Enzyklopädismus erlebt, fällt auch die Abfassung des umfangreichen enzyklopädischen Lexikons der „Suda“ oder „Suida“, das nach der Einführung der mikrographischen Schrift im 9. Jh. entstanden ist und eine wichtige Quelle darstellt, weil es Elemente von Quellen von der Klassik bis zu seiner eigenen Zeit überliefert. 8 Unter den entsprechenden Lemmata sind zum ersten Mal die spärlichen Überlieferungen zum Athener Holztheater der Klassik zusammengestellt, dessen Statik offenbar problematisch war, da vom Einsturz der berühmten Holzgerüste (ἴκρια) berichtet wird, weshalb es später unter Lykurg in Stein neu erbaut wurde. 9 Diese, wie wir in der Folge sehen werden, kurzen und sehr lückenhaften Nachrichten sind es, die über Jahrhunderte hinweg von den Gelehrten und Erforschern des antiken griechischen Theaters wiederholt werden, wenn es um Probleme der Einrichtung, der Gestalt und der Veränderungen des „Theaters der Tragiker“ geht, in dem deren Werke und diejenigen des Aristophanes uraufgeführt worden sind. Im Übrigen wird dem Beitrag der byzantinischen Gelehrten, die nach dem Fall Konstantinopels in die Länder Westeuropas und vor allem auch in die blühenden Städte Italiens strömen, in Verbindung mit der Erfindung der Typographie in hohem Maße deren Entwicklung zu be- 172 Christina Papastamati-von Moock deutenden Zentren der griechischen Erziehung sowie die Wiederbelebung der griechischen Literatur und des griechischen Geistes während der italienischen Renaissance verdankt. 10 So wird die wertvolle Enzyklopädie „Suda“ in Europa durch die erste 1499 in Mailand von dem Gelehrten Dimitrios Chalkokondylis gedruckte Ausgabe bekannt, der aus Konstantinopel stammte und vor den Florentiner Herzögen Acciajuoli, die Athen besetzt hatten, nach Italien geflohen war, wo er in verschiedenen Städten (Rom, Perugia, Padua, Florenz, Mailand) den Lehrstuhl für griechische Literatur bekleidete und eine entscheidende Rolle bei der Ausbreitung der Bewegung des Humanismus spielte. 11 In den Geist des Humanismus der Renaissance und Suche nach Erkenntnis vermittels der antiken Originaltexte integriert sich zur selben Zeit auch die Neuentdeckung der griechischen Tragödie entweder in der Originalfassung oder in lateinischer Übersetzung, die seitdem einen wesentlichen Bestandteil der Studien der traditionellen klassischen Philologie in Europa bildet. 12 Im Allgemeinen beginnt die „Wiederentdeckung“ des antiken griechischen Theaters durch die europäischen Gelehrten, Archäologen und Architekten im Wesentlichen mit der Renaissance im 15. Jh. und hängt unmittelbar ebenso mit dem Studium der bedeutenden Werke des Theaters und den erhaltenen Ruinen der römischen Theater in Italien 13 wie auch mit der Veröffentlichung der einzigen erhaltenen Schrift über die antike Architektur, der De architectura des Vitruv, zusammen, die zunächst im Jahre 1485 oder 1486 von Giovanni Sulpizio da Veroli, einem Archäologen an der Akademie von Papst Innocenz, und dann 1511 von Fra Giocondo, einem Franziskanermönch, Gelehrten, Archäologen und Architekt, erstmals in illustrierter Fassung herausgegeben wurde. 14 Dieses Werk sollte die Architektur der Renaissance entscheidend beeinflussen und einen Bezugspunkt für Wiedergewinnung des Bildes der antiken Architektur im Allgemeinen und des antiken griechischen und römischen Theaters im Speziellen bilden. Der große Renaissancegelehrte und -architekt Leon Battista Alberti (1402-1472) studiert Vitruv und die Ruinen der römischen Theater und hebt in seiner Schrift über die Architektur (De Re Aedificatoria) die Rolle der Theater hervor und verleiht seiner Ansicht Ausdruck, dass die Kirche zu Unrecht nicht nur die Unterhaltung, sondern auch die Zivilisierung der dort versammelten Zuschauer verboten hätte. 15 Zu den Nebeneffekten des Studiums des Vitruv und der humanistischen Neubelebung des antiken Theaters zählt auch der Entwurf und die Errichtung des Teatro Olimpico in Vicenza durch Palladio (1580), 16 dem einzigartigen Fall einer exakten Annäherung an das antike Theater, und zwar mit der römischen Begrifflichkeit des Werks des Vitruv 17 und mit zahlreichen Missdeutungen. Zur Eröffnung am 3. März 1585 wurde der Oidipus Tyrannos des Sophokles in italienischer Übersetzung aufgeführt. Diese Aufführung einer antiken Tragödie vor einem breiten Publikum blieb allerdings bis zur Mitte des 19. Jhs. eine Ausnahme. Während der folgenden drei Jahrhunderte sollte die Inszenierung originaler Tragödien auf den engen Rahmen der Schulen und der Universitätstheater im Rahmen der klassischen Studien in Deutschland und England beschränkt bleiben. 18 Das philologische Studium der Werke der antiken griechisch-römischen und byzantinischen Literatur, wie z. B. des Pausanias, des Platon, des Aristoteles und des Vitruv, oder auch der enzyklopädischen Lexika des Photios und der Suda, befruchtete das aufkeimende archäologische Interesse der europäischen Gelehrten für die Stadt Athen und regte sie vor allem seit dem 15. Jh. zur Suche nach Überresten ihrer ruhmreichen Vergangenheit an. Mit dem Beginn der kurzen venezianischen Besatzung von Athen (1395- 1403) begegnen die ersten Erwähnungen sichtbarer Monumente im östlichen Bereich des Südabhangs des Ak- Abb. 1: Ansicht von Athen nach Jacques-Paul Babin (1672) mit den choregischen Säulen und der Katatome des Dionysos-Theaters. 173 Auf der Suche nach dem „Theater der Tragiker“ ropolisfelsens in der Reisebeschreibung des italienischen Notars Nicolò da Martoni, der bei seinem Besuch in der Stadt im Februar des Jahres 1395 darum gebeten hatte, durch die verstreuten antiken Überreste geführt zu werden. Er beschreibt die beiden aufrecht stehenden (choregischen) Säulen an der südöstlichen Seite der Akropolis, während die schlichte, kommentarlose Erwähnung des berühmten Gorgoneions 19 offensichtlich auf dem entsprechenden Text des Pausanias beruht, 20 der sozusagen das Evangelium aller neuzeitlichen europäischen Antikenliebhaber und Reisenden in Athen darstellte, und nicht auf Autopsie und Feststellung des Erhaltungszustands dieses Monuments, das an einer nicht näher bekannten Stelle des Felsens in diesem Bereich aufgehängt gewesen war. Eine Verbindung mit dem Theater des Dionysos wird nicht hergestellt, dessen Lage erst sehr viel später, nach der Mitte des 18. Jhs., identifiziert werden sollte. 21 Im Übrigen dienten die erhaltenen Monumente oberhalb der verschütteten und noch nicht identifizierten Überresten des Theaters, wie das Thrasyllos-Monument mit seinen Inschriften 22 und der darauf befindlichen kopflosen Sitzstatue, die choregischen Säulen (Abb. 1; 2) oder die Sonnenuhr östlich des Thrasyllos-Monuments, den europäischen Periegeten bei ihren topographischen Beschreibungen dieses östlichen Abschnitts des Südabhangs der Akropolis als feste Bezugspunkte. Aufgrund der deutlichen Bezugnahme der italienischen Renaissance auf die klassische Antike weckt Athen das Interesse des „ersten systematischen Archäologen“ der Neuzeit, Cyriacus von Ancona, der während seiner beiden Besuche der Stadt in den Jahren 1436 und 1444 neben den oben genannten Monumenten 23 auch Inschriften dokumentiert, die später von Forschern des 19. Jhs. im Bereich des Dionysos-Theaters identifiziert wurden, 24 während einige sichtbare Ruinen von ihm mit einem Gymnasion verbunden werden. 25 Die Charakterisierung des Gebiets des Dionysos-Theaters als petria wird mit der eindrucksvollen Felswand (Katatome) oberhalb des Theaters zusammenhängen, da sie auch bei Pausanias zu finden ist. 26 Bei allen Widersprüchlichkeiten und Inkorrektheiten, die die Berichte der westlichen Besucher Athens während des gesamten 15., 16. und des größten Teiles des 17. Jhs. charakterisieren und die anscheinend auf lokalen Erfindungen und dem eng gefassten philologischen Studium beruhten, werden die topographischen Beschreibungen der erhaltenen Monumente des östlichen Abschnitts des Südabhangs durch Beschreibungen und unzutreffende Charakterisierungen der sichtbaren Bögen des Odeions des Herodes Atticus und der Stoa des Eumenes ergänzt. In der in griechischer Sprache abgefassten Schrift Τα Θέατρα και τα Διδασκαλεία των Αθηνών des „Anonymus von Wien“ (1460) werden diese Überreste, offensichtlich auf der Basis lokaler Erfindungen, mit dem Palast des Kleomedes und des Miltiades bzw. mit der Schule des Aristoteles in Verbindung gebracht, 27 unzutreffende Identifikationen, die über einen langen Zeitraum hinweg wiederholt werden. Seit der 2. Hälfte des 17. Jhs., in der Attika zu einem festen Ziel für Besuche der europäischen Gelehrten wird, die stets Pausanias als ständigen Begleiter mit sich führen, erweckt die Zusammenstellung topographischer Informationen über die Denkmäler Athens akademisches Interesse und gewinnt einen zunehmend systematischen Charakter, während parallel hierzu die Texte der westlichen Gelehrten das Interesse an der Identifizierung der erhaltenen Überreste mit den von den antiken Quellen überlieferten Namen befördern. 28 Der erste topographische Plan Athens, der von den Kapuzinermönchen ausgearbeitet worden war, die sich seit 1658 in dem Gebäude eingerichtet hatten, das das choregische Monument des Lysikrates in sich einschloss, zeigt 1670 in einer eigenartigen Mischung aus Grundrissen und Ansichten Abb. 2: Ansicht der Akropolis von Athen mit dem Südabhang - Zeichnung aus dem Kreis des Marquis de Nointel (ca. 1670) mit den choregischen Säulen und dem Thrasyllos-Monument 174 Christina Papastamati-von Moock ein realistisches Bild Athens. 29 Dieser Plan verzeichnet auch die Überreste des Thrasyllos-Monuments mit der dieses bekrönenden Statue, die choregischen Säulen sowie die Überreste des Odeions des Herodes Atticus und der Stoa des Eumenes, ohne diese zu benennen. Die erste Erwähnung des Dionysos-Theaters, der Statuen der (großen) Dichter und des Odeions des Perikles, und zwar bezüglich des topographischen Verhältnisses zu einem Monument am Akropolishügel, wo eine Darstellung des Niobidenmordes eingemeißelt war, wodurch das Monument des Thrasyllos mit eingeschlossen wird, ohne dass es genannt würde, begegnet im Reisebericht des französischen Jesuitenmönchs Jacques-Paul Babin 30 (Abb. 1), der Athen zwischen 1669 und 1671 in Vorbereitung der Reise des Marquis de Nointel, des Botschafters Ludwigs XIV. an der Hohen Pforte, besucht hatte. 31 Die Anführung nicht mehr sichtbarer Monumente des Südabhangs enthüllt allerdings die literaturtopographische Herangehensweise Babins auf der Grundlage der Beschreibung des Pausanias 32 und kann somit nicht als Hinweis darauf gewertet werden, dass diese von ihm konkret mit dem östlichen Abschnitt der Südseite der Akropolis verbunden worden wären. Die irrige Verbindung der sichtbaren Überreste der Stoa des Eumenes und des Odeions des Herodes Atticus mit der Schule des Aristoteles und der Peripatetiker 33 schließt an die Reiseberichte des 15. Jhs. an. In der in bis dahin ungekanntem Maß analytischen und theoretischen Darstellung der Topographie Athens durch den französischen Antikenliebhaber André-Georges Guillet de la Guilletière (1675) im Wesentlichen auf der Grundlage der Quellen - er selbst hat die Stadt offenbar nie besucht - mit der Wiederholung zahlreicher irriger Identifikationen, die eine Karte mit Nummerierung der Monumente enthält 34 (Abb. 3), findet sich eine ausführliche Diskussion der Ansichten Vitruvs zum griechischen und römischen Theater, 35 wobei auf die Widersprüche innerhalb der diesbezüglichen Informationen in den antiken Quellen hingewiesen wird, deren Korrektheit aufgrund des Fehlens eindeutiger archäologischer Hinweise nicht überprüft werden könne. Sowohl aufgrund seiner Beschreibung als auch aufgrund der fantastischen zeichnerischen Rekonstruktion eines antiken Theaters mit Dichterstatuen, die seinem Buch beigefügt ist 36 (Abb. 4) und sich einerseits auf entsprechende Rekonstruktionen des römischen Amphitheaters von Verona, die etwa zur selben Zeit publiziert werden, 37 und andererseits auf die Informationen des Pausanias zum Athener The- Abb. 3: Plan der Stadt Athen nach A. G. Guillet, um 1670. Abb. 4: Das Athener Theater mit den Dichterstatuen nach A. G. Guillet, wahrscheinlich das Odeion des Herodes Atticus inspiriert vom römischen Theater von Verona. 175 Auf der Suche nach dem „Theater der Tragiker“ ater mit den Dichterstatuen stützt, 38 kann man hier eine wahrscheinlich korrekte Einschätzung der Überreste des Odeions des Herodes Atticus als Theater erkennen. 39 Aus seinen Beschreibungen und der in weiten Teilen fantastischen Rekonstruktion des antiken griechischen Theaters wahrscheinlich auf der Grundlage der noch sichtbaren Überreste des Odeions des Herodes Atticus wird deutlich, dass sich in seinen undeutlichen Ansichten die verfehlte Deutung der sichtbaren Überreste mit dem Theater des Bacchus (Dionysos) ankündigt, 40 die dann ein Jahr später von seinem Landsmann Jacob Spon klar ausgesprochen werden wird. Der Reisebericht des französischen Arztes und Gräzisten Jacques Spon, der im Februar 1676 in Begleitung des englischen Aristokraten George Wheler nach Athen gereist war, 41 bildet einen Einschnitt innerhalb der Entwicklung der Reiseliteratur, indem nunmehr die wissenschaftliche Betrachtungsweise vermittels der kritischen Herangehensweise an die Quellen und der Autopsie vor Ort eingeführt werden, für die Cyriacus von Ancona im Prinzip die Grundlage gelegt hatte. Die erste unzutreffende Verbindung der weitgehend verschütteten Überreste des Odeions des Herodes Atticus mit dem Theater des Bacchus, also des Dionysos (Nr. 28 auf seinem Plan), 42 folgt der topographisch unklaren Deutung dieser Überreste als Theatergebäude durch Guillet; außerdem wird versucht, diese Ansicht durch die Verbindung einer angenommenen kleinen Höhle oberhalb 43 desselben mit derjenigen zusätzlich zu stützen, für die Pausanias die Niobidendarstellung überliefert (also das Thrasylleion) 44 . Hinsichtlich der Höhle oberhalb der tatsächlichen Position des Theaters des Dionysos zieht er die bis dahin vorherrschende Verbindung mit der Panshöhle in Zweifel, die er zutreffend am Nordabhang lokalisiert. 45 Ihm wird auch die erste korrekte Identifikation der Bögen östlich des angenommenen Theaters des Bacchus mit der Stoa des Eumenes (Nr. 29) verdankt, wozu ihn offensichtlich die bei Vitruv (5, 9, 1) erwähnte Nachbarschaft der beiden Monumente (Abb. 2) veranlasst hat. 46 Die falsche Identifizierung des Odeions des Herodes Atticus als Theater des Bacchus wird danach in der europäischen Reiseliteratur bis zur Mitte des 18. Jhs. weiter getragen, wofür m. E. die folgenden Gründe ausschlaggebend waren: a) Die Überreste des römischen Odeions waren gegenüber den nahezu vollständig verschütteten Überresten des Dionysos-Theaters die einzig sichtbaren, die eindeutig auf eine Theateranlage hinwiesen. b) Die Tatsache, dass Pausanias im Buch Attika, der Bibel für diejenigen, die Attika bereisten, nur ein Theater überliefert, nämlich dasjenige des Dionysos; der Grund hierfür bestand darin, dass das Odeion des Herodes Atticus erst nach seinem Besuch in Athen errichtet worden war, wie dessen Erwähnung im erst nach 173 n. Chr. verfassten Buch Achaia bezeugt. 47 Offensichtlich hatten die Reisenden diese Informationen des Pausanias noch nicht miteinander verbunden und daher nicht auf die Existenz von zwei Theateranlagen am Südabhang der Akropolis geschlossen. c) Obwohl die Diskussion über die unterschiedlichen Entwurfsprinzipien des griechischen und des römischen Theatertypus bereits zur Zeit der Renaissance mit der Herausgabe des Buches von Vitruv eingesetzt hatte, 48 hatte der Umstand, dass das Odeion des Herodes Atticus bis zur Mitte des 19. Jhs. verschüttet gewesen war, 49 die Feststellung zunächst unmöglich gemacht, dass nur eine einzige Bauphase des nach Vitruv römischen Theatertypus vorlag. d) Die andauernde Verwechslung der Höhle oberhalb des Dionysos-Theaters (choregisches Monument des Thrasyllos) mit Höhlen am Nordabhang verschob alle topographischen Korrelationen nach Westen, also in Richtung auf das Herodeion, dessen Umrisse trotz aller Veränderungen auf ein Theater hinwiesen; eine Öffnung im Norden 50 wurde fälschlich auf die von Pausanias erwähnte Höhle mit den Niobidendarstellungen (also das Thrasylleion) oberhalb des Athener Theaters bezogen, und e) Das Odeion des Herodes Atticus selbst wurde von einigen Gelehrten im Bereich der Pnyx 51 und nicht am Südabhang der Akropolis lokalisiert. So wurden die Fehlinterpretationen des 17. Jhs. und die unzutreffende Identifizierung des Herodeions als Theater des Bacchus (Dionysos) sowie der vermeintlichen von Pausanias erwähnten Höhle mit den Darstellungen der Niobiden oberhalb desselben weiter getragen und charakterisieren alle Pläne des venezianischen Feldzugs. Diese schließen sich an den Plan von G. Verneda (1687) 52 an, des Ingenieurs Morosinis, der 1707 von Françesco Fanelli wieder veröffentlicht wurde, 53 und wurden bis nach der Mitte des 18. Jhs. immer wieder nachgedruckt. 54 Das mit Schutt bedeckte Gebiet des Dionysos-Theaters wird als „Abhang“ bezeichnet und dort wird die aus Anlass des Feldzugs von Morosini neu errichtete, als „Serpentze“ bezeichnete Befestigungsmauer (1687) mit ihren Pforten dargestellt, von denen eine als der Zugang zum Theater des Bacchus, 55 d. h. zum Odeion des Herodes Atticus von Osten her, charakterisiert wird. Die Reisen nach Athen erhalten während des 18. Jhs. einen systematischeren Charakter, und die Ankunft und der Aufenthalt von Gelehrten, Künstlern und Architekten, die durch die Gründung der Society of Dilettanti im Jahre 1734/ 5 neuen Auftrieb erhalten, markieren mit der detaillierten Untersuchung, der Dokumentation und der Veröffentlichung von Publikationen von hohem ästhetischem Anspruch zu den Monumenten Athens und Attikas einen neuen Einschnitt für die Reiseliteratur. 56 Englischen Reisenden des Jahrzehnts 1730-1740 werden exaktere Beschreibungen der Monumente oberhalb des Dionysos-Theaters und hier vor allem des „Monuments mit den drei dorischen Pfeilern“ (Thrasylleion) sowie die Aufzeichnung von Inschriften verdankt, die mit Wettkampfsiegern zu verbinden sind und wahrscheinlich mit dem Theater zu tun hatten, doch wird weiterhin die fälschliche Identifizierung des „Theaters des Bacchus“ mit dem Odeion des Herodes Atticus wiederholt. 57 Ein we- 176 Christina Papastamati-von Moock sentlicher Impuls für das Studium der athenischen Monumente ging von den detaillierten Dokumentationen und den während der Jahre 1751 und 1753 angestellten topographischen Beobachtungen der englischen Architekten James Stuart und Nicholas Revett aus, 58 aus denen das wichtige Werk „The Antiquities of Athens“ hervorging, 59 das durch seine hoch ästhetischen zeichnerischen Dokumentationen und exakten Vermessungen der Antiken 60 die Vollkommenheit der antiken Architektur und Kunst im Bewusstsein der europäischen Kreise verankerte und damit zur Bereicherung der klassizistischen Architektur in Europa beitrug. 61 Die lange Publikationsdauer der Bände und des Supplements von 1762 bis 1830 62 ermöglichte es, Revisionen ursprünglicher Irrtümer der Autoren bei der Identifizierung der Monumente durch die späteren Herausgeber aller Bände mit Ausnahme des ersten, der bereits von Stuart und Revett publiziert worden war, einzubeziehen. Im zweiten, von William Newton (1789) herausgegebenen Band wird auf dem topographischen Plan Athens das Odeion des Herodes Atticus weiterhin als Theater des Bacchus bezeichnet 63 (Abb. 5 mit dem Buchstaben H), während der Bereich unterhalb des nun korrekt benannten Monuments des Thrasyllos 64 mit dem Odeion des Perikles 65 (mit dem Buchstaben K auf dem Plan) verbunden wird, da laut Pausanias ein von Osten Kommender zunächst auf dieses und erst danach auf das Theater des Dionysos traf, 66 das damals mit dem erheblich weiter westlich gelegenen Odeion des Herodes Atticus identifiziert wurde. Diese gewichtigen Missverständnisse der athenischen Topographie wurden schließlich durch den englischen Gelehrten Richard Chandler korrigiert, 67 der ebenfalls mit Finanzierung der Society of Dilettanti 1765/ 66 neue topographische Forschungen in Athen durchgeführt hatte. Chandler gelingt es durch seine Belesenheit und seine neuartige kombinatorische altertumskundliche Herangehensweise (Auswertung der Bibliographie, Autopsie, Prüfung der antiken und nachantiken Reiseschriftsteller), schwere Fehler der älteren Forscher (Spon, Wheler, Guillet, Stuart) zu revidieren und sogar Pausanias zu ergänzen. 68 Er identifiziert korrekt sowohl das Odeion der Regilla (Odeion des Herodes Atticus) als auch das Theater des Bacchus (Dionysos), von dem er Überreste der äußeren Stützmauern erkennt 69 (Abb. 6), und das Monument des Thrasyllos und des Thrasykles mit seinen choregischen Inschriften. Zudem datiert er die beiden Phasen des Monuments aufgrund der in den Inschriften genannten Namen der eponymen Archonten 70 und der Olympiaden korrekt, und zwar offensichtlich aufgrund deren kombinatorischer Bewertung im Verhältnis zu den entsprechenden Informationen des Historikers Diodorus Siculus (1. Jh. v. Chr.). 71 Auf der Grundlage des Plans von Fanelli (1707) bildet er zum ersten Mal in Umrissen Grundrisse der beiden Theater am Südabhang ab und gibt vor allem die so lange gesuchte korrekte Lage des Dionysos-Theaters an. 72 Abb. 5: Plan der Akropolis und der Abhänge nach Stuart - Revett (1753), H: „Theater des Bacchus“ an der Stelle des Odeions des Herodes Atticus, K: Odeion des Perikles. Abb. 6: Plan von Athen nach R. Chandler (1776), N: Odeion des Herodes Atticus, M: Theater des Bacchus 177 Auf der Suche nach dem „Theater der Tragiker“ Diese Identifikation wird von den französischen Gräzisten Abbé Jean-Jacques Barthélemy weiter gestützt, der im Geiste der französischen Romantik auf der Grundlage eingehender Studien der antiken Texte in Kombination mit den Erkenntnissen der zeitgenössischen, vor Ort betriebenen geographischen Forschungen und ohne jemals selbst Athen besucht zu haben, das romantische Werk „Voyage du Jeune Anacharsis en Grèce“ (1757 begonnen und 1788 veröffentlicht) in der Form eines historischen Romans verfasst. 73 Sein Werk findet in Europa so große Resonanz, dass es bald in zahlreiche Sprachen übersetzt wird, darunter durch den Kreis um Rhigas Velestinlis auch ins Griechische, wodurch mit der Erinnerung an die ruhmreiche Vergangenheit die historische Selbsterkenntnis der griechischsprachigen Intellektuellen gestärkt und das Nationalbewusstsein für die Vereinigung der Griechen zum Freiheitskampf gefestigt werden. 74 Der Atlas, der dem Buch beigegeben ist, stützt sich auf die topographischen Erkenntnisse der Forschergruppe um Choiseul-Gouffier (französischer Botschafter in Konstantinopel und Schüler des Abbé) und war 1784 von der größten Autorität der Zeit in Sachen der historischen Geographie Griechenlands, Barbie du Bocage, zusammengestellt worden. 75 Dort wird unter Nr. 22 zum ersten Mal die Lage des Tempels des Bacchus (d. h. des Heiligtums des Dionysos) unmittelbar südlich des Theaters angegeben (Abb. 7), was offensichtlich durch die neue korrekte Lokalisierung des Dionysos-Theaters und die Beschreibung des Heiligtums durch Pausanias ermöglicht wurde. Der Atlas folgt der neuen richtigen Lokalisierung des Theaters des Bacchus durch Chandler 76 und gibt die Lage des Odeions (offensichtlich desjenigen des Perikles nach der Beschreibung von Pausanias) östlich des Theaters zutreffend an, 77 wohingegen das Odeion der Regilla im westlichen Abschnitt des Südabhangs fehlt, 78 und dies offensichtlich deshalb, weil das Odeion früher auf der Pnyx gesucht worden war 79 und Barthélemy die Autopsie fehlte. Barthélemy stützt die korrekte Lokalisierung Chandlers durch den Hinweis auf die Nachbarschaft des Theaters mit der Tripoden-Straße, die an seiner Ostseite endete, und mit dem Odeion (des Perikles) und rekonstruiert so korrekt den Weg, den Pausanias einschlägt, der die einzelnen Monumente des östlichen Abschnitts des Südabhangs beschreibt. Die korrekte Lokalisierung der beiden Theaterbauten am Südabhang findet man auf dem Plan des französischen Vizekonsuls in Athen Louis François Sébastien Fauvel, der um 1787 entstanden ist und einen hohen kartographischen Wert besitzt; auf ihm sind die Häuserblocks und der Straßenverlauf innerhalb der Stadt Athen sowie die erst wenige Jahre zuvor errichtete Stadtmauer des Ali Haseke (1778) angegeben. 80 In den Plan von Thomas Hope von 1799 sind ebenfalls die oberhalb des Theaters befindlichen Monumente eingetragen (das Thrasylleion, die choregischen Säulen und die Sonnenuhr); mit dem Buchstaben K ist die Stelle eines Theaters bezeichnet, die er als Odeion charakterisiert, 81 womit er der älteren Ansicht von Stuart und Revett folgt, die das Odeion (des Perikles) im Bereich der Einsenkung der verschütteten Ruinen des Theaters des Dionysos lokalisiert hatten. 82 Das beginnende 19. Jh. wird von einer tief greifenden Wende in der Erforschung der Topographie der Stadt Athen bestimmt, nämlich 1) vom verbreiteten klassizistischen Interesse Europas an Griechenland und vor allem an Athen, 2) von den ständig zunehmenden wissenschaftlichen Bemühungen der europäischen Gelehrten um die Lösung der über einen langen Zeitraum hinweg kontrovers diskutierten Probleme, 3) von der neuen Politik, die sich nach der französischen Revolution in Europa Bahn bricht, und der Rivalität vor allem der französischen und englischen Intellektuellen dieser Zeit, 83 die sich in dem ständigen Bemühen äußert, die Führungsrolle der Kulturpolitik ihres jeweiligen Landes auszubauen, und 4) von der Tatsache, dass die archäologischen Missionen häufig das krankhafte Bemühen um den Raub von Antiken und die Bereicherung von privaten und fürstlichen Sammlungen in Westeuropa im Namen und im Geiste der Usurpation der antiken griechischen Vergangenheit und der Verankerung des klassischen Ideals als neuem philosophischen Modell der westlichen Welt verbergen. 84 Die Stadt Athen steigt in dieser Zeit sowohl auf symbolischer als auch auf praktischer Ebene zu einem archäologischen Ziel ersten Ranges auf, was sich daran zeigt, dass sich dort zu keinem anderen Zeitpunkt mehr Künstler, Gelehrte, Architekten und Antikenliebhaber eingefunden haben als vor allem während des 1. Viertels des 19. Jhs. Diese begnügten sich häufig nicht mit dem Studium der bekannten Quellen, der Autopsie, der detaillierten Dokumentation und der getreuen Wiedergabe der sichtbaren Monumente; vielmehr bildete nun die Durchführung von „Ausgrabungen“ 85 ein Mittel zur wissenschaftlichen Forschung vor Ort und zur Lösung topographischer Probleme, zur genaueren zeichnerischen Wiedergabe der Monumente, zugleich aber auch zur Befriedigung der Abb. 7: Plan von Athen und der Akropolis, Ausschnitt des Plans von Athen nach Jean-Jacques Barthélemy, gezeichnet von Du Bocage, 1788. 178 Christina Papastamati-von Moock Antikenversessenheit und ihres auf die Antikenjagd gerichteten Verlangens. Die führende Stelle bei der Jagd nach Antiken nahm Lord Elgin ein, der, einem Usus der Reisenden dieser Zeit folgend, während seines Aufenthalts in Italien eine Gruppe hervorragender europäischer Künstler mit dem erklärten ursprünglichen Ziel zusammenstellte, Gipsabgüsse anzufertigen, die Monumente Athens exakt zu dokumentieren und hierdurch die Schönen Künste in Großbritannien zu befördern. 86 Zu dieser Gruppe zählten die italienische Maler und Topograph am Königshof in Neapel Giovanni Battista Lusieri, der Architekt Vincenzo Balestra als Führer, der russischdeutsche Künstler Feodor Ivanovitch, der polenstämmige sizilianische Architekt und Balestra-Schüler Sebastiano Ittar, der Archäologe und Künstler Stefano Piale sowie die Künstler, Gelehrten und Gipsformer Vincenzo Rosati und Bernardino Ledus. 87 Die Gruppe traf am 22. Juli 1800 in Athen ein. 88 Die Existenz ausgearbeiteter Zeichnungen der Überreste des Dionysos-Theaters, des Thrasyllos-Monuments und der choregischen Säulen darüber von der Hand des Architekten der Gruppe, Sebastiano Ittar, von 1800/ 1 wird zum ersten Mal im 1861 vom British Museum allerdings ohne Abbildungen veröffentlichten Katalog der Zeichnungen aus der Sammlung Lord Elgins erwähnt. 89 Diese Zeichnungen waren offensichtlich weder der Archäologischen Gesellschaft zu Athen, die 1838-40 die ersten erfolglosen Ausgrabungen im Theater des Dionysos durchführte, 90 noch dem deutschen Architekt Heinrich Strack bekannt, der sich mit den Problemen des antiken Theaters befasste und 1862 dessen Lokalisierung und die Freilegung der erhaltenen Überreste übernahm. 91 Die Unkenntnis der Zeichnungen Ittars innerhalb der Forschung bis in die jüngere Vergangenheit hatte die Forschung zu der Ansicht geführt, dass die erste Entdeckung von Überresten des Athener Theaters im Jahre 1862 erfolgt und mit der Arbeit von Heinrich Strack verbunden war. 92 Durch die jüngst von Luciana Gallo vorgelegte Publikation des Elgin-Archivs im British Museum mit den Zeichnungen der Mitglieder von Elgins Reisegruppe (2009) 93 wurden nun die wichtigen Zeichnungen Ittars des Theaters (Abb. 8), des Thrasyllos-Monuments, der choregischen Säulen darüber und des Odeions des Herodes Atticus (1800/ 1801) 94 bekannt, wodurch der entscheidende Beitrag des sizilianischen Architekten zur topographischen Erforschung des Südabhangs deutlich wurde. 95 Einer handschriftlichen Notiz des leitenden Architekten der Gruppe um Elgin in Athen, Vincenzo Balestra, sind Informationen über die Durchführung der ersten Ausgrabungen im Theater des Dionysos mit sechs Arbeitern zwischen dem 1. November 1800 und dem 15. März 1801 zu entnehmen, die, wie gesagt wird, darauf abzielten, die Überreste des Theaters zu untersuchen und seinen Grundriss zu klären. 96 Die Suchschnitte können durch das Studium der Zeichnungen Ittars und der dokumentierten Überreste im Epitheatron (großer Schnitt in der Nordsüd-Achse des Monuments), bei der westlichen seitlichen Stützmauer, im Bereich der Stützmauern der Parodoi, beim östlichen Abschnitt des Mauer zwischen der Skene und der Stoa des Dionysosheiligtums sowie beim Abflusskanal westlich des Theaters und des Dionysosheiligtums lokalisiert werden. 97 Obwohl diese erste Wiedergabe des Plans des Athener Theaters durch Ittar die aufgrund der sehr bruchstückhaften zur Verfügung stehenden Hinweise zu erwartenden Missverständnisse und hypothetischen Ergänzungen enthält, stellt er doch ein wertvolles Zeugnis für die Geschichte der Erforschung des Theaters, aber auch anderer zu dieser Zeit sichtbarer Monumente des Südabhangs dar (des choregischen Monuments des Thrasyllos, der beiden choregischen Säulen darüber und zum ersten Mal der Einlassung für eine dritte). 98 Der große, in Nord- Abb. 8: Plan der erhaltenen und durch die Gruppe von Elgin entdeckten Teile der Ruine des Dionysos-Theaters, Zeichnung: Sebastiano Ittar, 1800-01 (nach Gallo 2009, 115). 179 Auf der Suche nach dem „Theater der Tragiker“ Süd-Richtung durch das Epitheatron gelegte Schnitt zielte auf die Entdeckung erhaltener Sitzreihen ab, während die zeichnerische Wiedergabe der entdeckten Abschnitte der Stützmauern bei den Parodoi 99 zusätzliche Belege für das Interesse Ittars an den Charakteristika des Bauwerks und an baulichen Problemen seiner Architektur bieten. Wenn man den ausgearbeiteten Generalplan der Akropolismonumente von 1800/ 1801, 100 der eine vereinfachte Wiedergabe der Überreste der beiden Theaterbauten am Südabhang enthält (des Dionysos-Theaters und des Odeions des Herodes Atticus), seiner später entstandenen Zeichnung (um 1820-1830) mit der schematischen Rekonstruktion des Plans der Akropolismonumente und der beiden Theaterbauten im Museo Civico di Castello Ursino in Catania (Abb. 9) gegenüberstellt, 101 die unlängst veröffentlicht worden ist (2008), 102 wird darüber hinaus seine Beschäftigung mit den typologischen Unterschieden dieser beiden Athener Theater gemäß den Entwurfsprinzipien des griechischen und des römischen Theaters nach Vitruv offensichtlich. Entsprechende Probleme hatten ihn ohnehin bereits nach seiner Rückkehr aus Athen nach Catania im Jahre 1804 und während der Ausgrabungen des Theaters von Catania beschäftigt, 103 die zum Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen mit dem befreundeten ausgezeichneten französischen Architekten und Erforscher der antiken Architektur aus Köln, Jacques Ignace Hittorff, wurden, der Monumente auf Sizilien und in Attika erforscht und zu dieser Zeit moderne Theaterbauten in Frankreich und Deutschland errichtet hatte. 104 Mit der Hinwendung des noch nicht geeinigten Deutschlands und seiner Geisteshaltung in der 2. Hälfte des 18. und vor allem zu Beginn des 19. Jhs. zum Neuhumanismus, der Gründung der Berliner Universität (1810) unter Mitwirkung von Wilhelm von Humboldt, der als Begründer der akademischen Universität und der unmittelbaren Verknüpfung von Forschung und Lehre gilt, 105 den Reformen der mittleren Bildungsstufe, in der sich die Lehre an der Vermittlung der klassischen Sprachen (Altgriechisch und Latein) orientiert, der Verbreitung der humanistischen Werte und der Heranbildung des Nationalbewusstseins kommt der antiken griechisch-römischen Tradition ein hoher Stellenwert zu. Während der 1. Hälfte des 19. Jhs. ist im Rahmen der Bewusstwerdung des pädagogischen und ideologischen Wertes des antiken Dramas und Theaters, der klassizistischen Ideale und der Bedeutung der umfassenden humanistischen Bildung, 106 aber auch der erheblichen Zunahme der Informationen über die antiken Theaterbauten durch die Beschreibungen der englischen und französischen Periegeten der Theater in Italien, Sizilien, Griechenland und Kleinasien im 18. Jh. ein steigendes wissenschaftliches Interesse deutscher Gelehrter (Architekten, Philologen, Archäologen) für die Probleme des antiken Theaters zu beobachten, die unmittelbar die athenischen Gegebenheiten der dramatischen Produktion des 5. Jhs. v. Chr. berühren. Eine Serie bedeutender Abhandlungen wird in dieser Zeit von Christian Ludwig Stieglitz (1801), 107 August Wilhelm Schlegel (1809-11), D. Peter F. Kanngieser (1817), Hans Christian Genelli (1818), 108 Gottlieb C. W. Schneider (1835), 109 Carl Eduard Geppert (1843), 110 Johann Heinrich Strack (1843), 111 August Witzschel (1847), 112 Julius Sommerbrodt (1848) 113 und Friedrich Wieseler (1851) 114 vorgelegt, die die allgemeine Forschungsdynamik der deutschen Intelligenzia in dieser Zeit widerspiegelt und die zentrale Position charakterisiert, die die Probleme des antiken Theaters und hier vor allem desjenigen der drei Tragiker einnahmen. In Ermangelung persönlichen Augenscheins - die ersten deutschen Gelehrten 115 bereisen Griechenland erst seit der Zeit der Regentschaft von König Otto von Bayern (1833-1862) 116 - sowie in Unkenntnis der Forschungen der Gruppe um Lord Elgin und der Zeichnungen Ittars behandelt die überwiegende Zahl dieser Untersuchungen das Thema des antiken Theaters und speziell des attischen „Theaters der Tragiker“ auf der Grundlage der literarischen Quellen und vor allem Vitruvs, 117 während einige anfängliche Versuche der hypothetischen Rekonstruktion des „unbekannten“ Abb. 9: Rekonstruierter Plan der Akropolis mit dem Odeion des Herodes Atticus und dem Theater des Dionysos nach Sebastiano Ittar (ca. 1820-30) - Museo Civico di Castello Ursino/ Catania. 180 Christina Papastamati-von Moock Athener Theaters (Stieglitz, Genelli) zumeist Charakteristika wiederholen, die von den damals bekannten römischen Theatern entliehen sind. 118 Eine besser belegte Behandlung des Themas der architektonischen Form des griechischen Theaters, wenn auch noch mit zahlreichen hypothetischen Elementen, vor allem was den Aufriss des Bühnengebäudes anbelangt, bietet die Monographie von Johann Heinrich Strack (1843), 119 einem Schüler Karl Friedrich Schinkels, Architekt, Architekturprofessor an der Berliner Kunstakademie, Hof bauinspektor des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. und späteren Erforscher des Athener Theaters. Sein Vorschlag auf der Grundlage der von Vitruv genannten Elemente, aber auch zum ersten Mal unter Berücksichtigung der damals bekannten Theater griechischen Typs (wie in Epidauros, Dramessi [Dodona], Sikyon, aber auch Kleinasien, Sizilien, Pompeji usw.), fasst die damaligen Kenntnisse überzeugender als alle seine Vorgänger zusammen, zumindest was den Grundriss des griechischen Theatertyps anbelangt, doch vermischen seine schönen Rekonstruktionszeichnungen Elemente des hellenistisch-kleinasiatischen und des römischen Theaters. 120 Bezeichnenderweise fehlt jeder Hinweis auf das Athener Theater. 121 Ein zentrales und zugleich heikles Problem, das unmittelbar mit der Entwicklung der dramatischen Gattungen und den Aufführungspraktiken verknüpft ist, bleibt in allen diesen Untersuchungen die Form und die Funktionsweise des Bühnengebäudes, das der klassischen Dramaturgie in Athen diente, ein Thema, das die Forschung auch aufgrund des fragmentierten Erhaltungszustands der Überreste bis heute beschäftigt. Was alle diese Studien anbelangt, an deren Beginn die ersten Abhandlungen zu diesem Thema von französischen Gelehrten stehen, wie Jules César Boulenger oder Bulengerus (1603), 122 Claude de Saumaise oder Dalmasius (1629) und Nicolas Boindin (1753), 123 so muss natürlich unterstrichen werden, dass die altertumskundliche Bandbreite und die große Menge der dort zusammengestellten und kommentierten Quellen Bewunderung verdienen, und dasselbe gilt auch für den Versuch einer umfassenden Würdigung des Untersuchungsgegenstands auf der Grundlage der zu ihrer Zeit bekannten Fakten. Mangels der notwendigen, durch Ausgrabungen gewonnenen Fakten und anderer archäologischer Hinweise auf das Athener Theater wurden diese Untersuchungen durch den Versuch bestimmt, die Techniken der Realisierung des klassischen Dramas zu rekonstruieren, wobei asynchrone Informationen miteinander verbunden wurden, d. h. solche, die den dramatischen Werken des 5. Jhs. selbst zu entnehmen sind, mit den erheblich später entstandenen vitruvianischen Beschreibungen des Typus des griechischen Steintheaters und speziell des Bühnengebäudes, von dem man annahm, dass dasjenige des klassischen athenische Theaters als Vorbild gedient hatte. 124 Ein zusätzliches Problem, das zahlreiche Forscher beschäftigte, stellte der Zeitpunkt des Übergangs des athenischen Theaters von der Holzzur Steinbauweise dar, da die wenn auch spärlich erhaltenen Quellen von Einstürzen der ἴκρια sowohl zu Beginn des 5. Jhs. als auch später während einer Aufführung des Aischylos berichten, was zur Errichtung des steinernen Neubaus unter Lykurg geführt hatte. 125 Bereits in der ersten Abhandlung des Architekten und Gelehrten Genelli (1818) über das Athener Theater, in der alle einschlägigen Quellen zusammengestellt sind (Suda, Polydeukes, Vitruv usw.), wird der Versuch einer eingehenden Behandlung der Geburt und der Evolution des Dramas, aber auch einer Kritik der Quellen unternommen, was die möglichen Teilphasen bei der Entwicklung des Theaterbaus und den Übergang von der Holzzur Steinbauweise anbelangt. 126 Aufgrund des überlieferten Einsturzes der Holzstützen datiert er diesen Übergang in die Zeit des Aischylos, wobei er anmerkt, dass dieser Übergang möglicherweise schrittweise erfolgt sein könnte und das Theatergebäude sich entsprechend der Entwicklung des Dramas und vor allem der Tragödie verändert haben könnte, bis es dann unter Lykurg seine endgültige steinerne Form erhalten habe, die dann das Vorbild für Vitruvs Beschreibung des griechischen Theaters abgegeben hätte. 127 Aus diesen allgemein gehaltenen Beobachtungen in den ältesten Untersuchungen geht deutlich hervor, dass die Existenz eines festen Bühnengebäudes im Athener Theater seit etwa der Mitte des 5. Jhs. als sicher angenommen wurde. Der wahrscheinliche Beginn der Errichtung des Steintheaters wird ebenfalls ins 5. Jh., aber bereits vor Lykurg datiert, mit dem die Quellen die Vollendung des Bauwerks verbinden. So lagen alle grundlegenden Fragen, welche die Forschungen zum athenischen Theater sowie zur Geburt und Entwicklung des Dramas während der folgenden Jahrhunderte bestimmen sollten, bereits zu diesem Zeitpunkt auf dem Tisch. Der große Unbekannte war und blieb weiterhin das Monument selbst, das Schlüsselmonument für das Verständnis der Realisierung der Höhepunkte der dramatischen Dichtung und Symbol der klassischen Erziehung, das unmittelbar mit den Abläufen der athenischen Demokratie verbunden war. Die Antwort auf die Grundfrage, ob nämlich das vitruvianische Entwurfsprinzip des griechischen Theaters und vor allem das von ihm bezeugte Bühnengebäude mit dem hohen Proskenion das „Theater der Tragiker“ oder andere Theater des griechischen Typs zum Vorbild hatte, die zur Zeit Vitruvs in Betrieb waren, war ebenfalls noch nicht gefunden. Nachdem es vermittels der Schnitte, die 1800-01 von der Gruppe um Elgin und später von der Archäologischen Gesellschaft (1838-1840) 128 durch das Epitheatron gelegt worden waren, nicht möglich gewesen war, Abschnitte der Sitzreihen des athenischen Theaters sicher zu identifizieren, kam der Architekturprofessor und Erforscher der Architektur der antiken Theater Strack 1862 als Mitglied einer größeren „Gruppe deutscher Wissenschaftler“ und mit dem Ziel in Athen, das Athener Theater freizulegen, wobei er den Beginn der Arbeiten, die von der Archäo- 181 Auf der Suche nach dem „Theater der Tragiker“ logischen Gesellschaft zu Athen unterstützt wurden, zunächst aus eigenen Mitteln finanzierte. 129 Die Entfernung der Meter hohen Aufschüttungen wurde mit wenigen Arbeitern in Angriff genommen und begann im unteren Bereich des konkaven „Abhangs“ des Zuschauerraums; am Abend des 22. März (10 März) 1862 brachte der Spaten die ersten Sitze der 17. Stufenreihe der VI. Kerkis und danach ein aus einem Block gearbeitetes Thronpaar (ΣΡΤΡΑΤΗΓΟΥ und ΚΗΡΥΚΟΣ) in der 3. Reihe der VII. Kerkis 130 ans Licht. Die Beschleunigung der Freilegung des Monuments mit Hilfe von nun etwa 40 Arbeitern wurde direkt von der Archäologischen Gesellschaft und vom Preußenkönig Wilhelm I. finanziert. 131 Die Komplikationen beim Fortgang der Ausgrabung aufgrund von Eigentumsproblemen mit der Familie des berühmten Kämpfers des griechischen Freiheitskriegs Ioannis Makrygiannis, zu deren Immobilienbesitz die bewirtschafteten Felder in diesem Bereich des Theaters gehörten, hatten eine vorübergehende Unterbrechung zur Folge, während derweil die westliche Stützmauer entdeckt wurde. 132 Der Widerstand von Makrygianni hatte offensichtlich nicht nur persönliche Gründe, sondern basierte sicherlich auch auf seinen ernsten Auseinandersetzungen mit der Regentschaft König Ottos (1833-1862) und fügte sich in das allgemeinere oppositionelle Klima gegen das Regime ein, das im Aufstand von Nafplion 1862 gipfelte, aber auch auf der Einstellung des stolzen Rumelioten gegenüber den Antikenplünderungen durch die Westeuropäer, die in seinem berühmten Ausspruch gipfelte: „dafür haben wir gekämpft“, womit er die Überreste der ruhmreichen antiken Vergangenheit meinte. 133 Strack blieb bis zum Juni des Jahres, und danach übernahm die Archäologische Gesellschaft allein die weitere Freilegung des Monuments. Die Leitung der Arbeiten lag in den Händen von A. Rousopoulos, der in Deutschland studiert hatte und von dem Architekten Ernst Ziller uneigennützig unterstützt wurde, 134 der 1861 zusammen mit Theophil von Hansen nach Athen gekommen war. 135 Ihm werden der erste wichtige Plan und eine Serie anderer Zeichnungen der erhaltenen Reste des Theaters (Schnitt, Befundaufnahme, axonometrische Zeichnungen der freigelegten Überreste des Theaters) verdankt, von denen später einige unglücklicherweise verschwanden und nur auf seinem Grundrissplan dokumentiert sind. 136 Die ausgedehnten Freilegungen im Bereich des Monuments und die große Zahl der Funde weckten bei der Bevölkerung und den Gelehrten sowohl in Griechenland als auch im europäischen Ausland Begeisterung und Emotionen, wovon die zahlreichen Berichte in athenischen und europäischen Zeitungen und Zeitschriften Zeugnis ablegen. 137 Die Untersuchungen, die bis zum Jahr 1878 vom Philologen und Archäologen St. Koumanoudis fortgeführt wurden, der ebenfalls in Berlin studiert hatte, brachten die Gesamtheit der Überreste des Theaters und des Heiligtums des Dionysos sowie eine Fülle bedeutender beweglicher Fundobjekte (Inschriften und Bildwerke) ans Licht. 138 Ziel dieser Arbeiten, die noch nicht als systematische Ausgrabungen bezeichnet werden können, war die Freilegung des „klassischen“ Theaters, was die Beseitigung von Überreste späterer historischer Phasen zur Folge hatte, wie der Ruinen der mittelbyzantinischen Siedlung, Teilen des mittelalterlichen Stadtviertels (Rizokastro), einer frühchristlichen Basilika sowie anderer, die für mittelalterlich gehalten wurden. 139 Die erste analytische und außerordentlich informative Darstellung der Ausgrabung in der Archaioliki Ephimeris des Jahres 1862 verlangt dem Leser für das Bemühen, die Funde umgehend und mit allen Belegen vorzulegen, in der Tat Bewunderung ab. Es war natürlich noch nicht möglich, eine Gesamtbewertung der Überreste zu geben, doch finden sich dort erste Überlegungen über die Zuweisung von Bauelementen und Inschriften an die „antike“ erste und die späteren römischen Phasen des Theaters sowie die wertvollen Zeichnungen von Ziller. Abb. 10: Skizze der in 1862 entdeckten Ruine des Theaters des Dionysos in Athen nach J. H. Strack (1862). 182 Christina Papastamati-von Moock Aus der Zusammenarbeit von Strack mit dem Schweizer Klassischen Philologen, Archäologen und Epigraphiker Wilhelm Vischer im Theater im Jahre 1862 entsprang eine erste kurze zusammenfassende Darstellung der Befunde, 140 die den Zweck verfolgte, die deutschsprachige und westeuropäische Intelligenz über ein Thema zu informieren, über das während der gesamten 1. Hälfte des 19. Jhs. viel Tinte vergossen worden war; die abschließende Publikation durch Strack (Abb. 10) 141 und die griechischen Ausgräber sollte folgen. Diese Abhandlung, die in der Bibliographie sehr selten angeführt wird, wird von einem ersten schematisierten und rekonstruierten Grundriss des Theaters begleitet, in den die Fundorte der einzelnen beschrifteten Objekte (Throne, Basen) eingetragen sind. Außerdem enthält sie die erste umfassendere Bewertung der Ruinen und der Fundobjekte - vor allem der beschrifteten -, aber auch die korrekte chronologische Zuweisung vieler von ihnen an einzelne Phasen des Monuments. Aus den interessanten Beobachtungen Vischers greife ich seine Bemerkungen zu den lange bekannten fragmentarischen Quellen zum klassischen Holztheater und zu den Einstürzen der ἴκρια heraus, die zur Errichtung des steinernen Theaters und dessen Vollendung durch Lykurg geführt hatten, 142 sowie seine zutreffenden Beobachtungen zu den konstruktiven und morphologischen Charakteristika des steinernen Koilons (sein östliches Ende war archäologisch noch nicht festgestellt worden) und seine Ansicht über die Existenz nur eines Umgangs, 143 vor allem aber seine Zuweisung des steinernen Koilons mit den Thronen der Prohedrie an die lykurgische Phase mit dem Veränderungen der Inschriften während der römischen Phasen (unter Augustus, Hadrian und später) 144 und seine erste Gliederung der komplizierten und fragmentierten Überreste der Skene in zumindest drei Phasen (Ursprungsphase/ lykurgisch, hadrianisch und Zeit des Phaidros), wobei auch die zahlreichen Veränderungen des Theaters seit den Jahren der Ausbreitung des Christentums nicht unerwähnt bleiben. Mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Vollendung der Ausgrabung, der Dokumentationen und der Fortsetzung der analytischen Forschungen im Zusammenhang mit dem wichtigen fragmentierten Material beschließt er diese erste internationale Präsentation des neu entdeckten athenischen Theaters. Nach der Vollendung des Gesamtplans des Theaters und des Heiligtums des Dionysos durch Ziller (Abb. 11) und seine Zusammenarbeit mit dem Archäologen Leopold Julius, der sich auf die Geschichte der Architektur spezialisiert hatte, erschien die erste Abhandlung über die Architektur und die Bauphasen des Monuments (1877) mit zahlreichen wichtigen Beobachtungen, 145 aber auch mit einer von Vischer abwei- Abb. 11: Plan des Theaters und des Heiligtums des Dionysos nach Ernst Ziller (1863-1870). 183 Auf der Suche nach dem „Theater der Tragiker“ chenden Chronologie, da die Autoren das steinerne Theater (Koilon und erste Phase der Skene) mit dem Theater der Tragiker aus der 2. Hälfte des 5. Jhs. v. Chr. verbanden. 146 Die großen Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Chronologie der freigelegten Überreste des Theaters 147 sowie der Form und des Betriebs des klassischen Theaters machten die Bereitstellung einer besser belegten und abgesicherten architektonischen und archäologischen Bewertung des Monuments unabdingbar. Der Stab für die Fortsetzung der in Zusammenarbeit mit der Archäologischen Gesellschaft zwischen 1882 und 1895 vor Ort vorgenommenen Untersuchungen wurde an einen der anerkanntesten Ausgräber der klassischen und prähistorischen Archäologie, den Architekt und Archäologen, technischen Leiter der Ausgrabungen in Olympia (1878-1881) und Direktor des neu gegründeten Deutschen Archäologischen Instituts Wilhelm Dörpfeld weitergereicht. 148 Er war es, der den methodischen Rahmen der deutschen „baugeschichtlichen Forschung“, 149 auch als „Dörpfeld-Schule“ bezeichnet, geschaffen hat, der die detaillierte fachmännische Aufnahme, Dokumentation und Erforschung der baulichen Charakteristika vor allem der klassischen Monumente und die aktive Teilnahme des Architekten an den deutschen Ausgrabungen einschloss. Gestützt auf seinen wissenschaftlichen Hintergrund, seine Geisteskraft und Methodik und seinen unermüdlichen Fleiß hat er durch die Einführung neuartiger Grabungsmethoden, wie der Untersuchung der Stratigraphie, 150 und von Unterscheidungskriterien für die Erkennung unterschiedlicher architektonischer Phasen entscheidend zur wissenschaftlichen Fundamentierung der archäologischen Wissenschaft an der Wende vom 19. zum 20. Jh. beigetragen. Als Mitarbeiter der Archäologischen Gesellschaft und ausgezeichneter Kenner der attischen Topographie fiel ihm bei der Erforschung der athenischen Monumente eine zentrale Rolle zu. 151 Das neue Forschungsprogramm am Südabhang umfasste die detaillierte Bauaufnahme und chronologische Bewertung der Überreste des Theaters und des Heiligtums des Dionysos in Verbindung mit der Suche nach Zeugnissen innerhalb des verstreuten Materials sowie die Anlage bestimmter Ausgrabungsschnitte, in denen die Auffüllungen im Koilon zur Erkennung historischer Phasen zum ersten Mal stratigraphisch untersucht wurden, doch sind diese Grabungen nicht endgültig publiziert worden. 152 In einer umfassenden Behandlung der architektonischen, literarischen und der ersten archäologischen Fakten veröffentlicht er in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Professor für Philologie und Archäologie Emil Reisch die erste wissenschaftliche Behandlung der Fragen des Betriebs und der historischen Phasen des athenischen Theaters, 153 die er in einem auch für die heutige Forschung noch wertvollen Grundriss 154 und in Teilrekonstruktionen darstellt. Durch seine Forschungen trennt er das erhaltene steinerne Theater von demjenigen, in dem einer großen Zahl von Forschern zufolge die Werke der großen Tragiker des 5. Jhs. uraufgeführt worden waren, und weist es, wie bereits Vischer, der so genannten lykurgischen Phase zu (3. Viertel des 4. Jhs.). 155 Den Abschnitt einer gebogenen Stützmauer im Bereich der Skene verbindet er zusammen mit anderen Elementen mit der archaischen Orchestra, die er kreisförmig und mit einem Durchmesser von 24 m rekonstruiert; er siedelt sie etwas südöstlicher an als diejenige des späteren Steintheaters und versucht damit, die literarischen und archäologischen Hinweise miteinander in Einklang zu bringen, was die Geburt und die Herkunft des Dramas von den dithyrambischen Kreistänzen und die sich anschließende Entwicklung des baulichen Rahmens anbelangt, der diesen diente. 156 Diese Einschätzung hat die Forschung über einen langen Zeitraum beeinflusst, obwohl bereits in der Zeit zwischen den Weltkriegen erste Hinweise ans Licht kamen, die für ein differenzierteres Bild der frühen Theateranlage sprachen. 157 Was das hölzerne Theater der Tragiker anbelangt, so nimmt er auf der Basis der Quellen an, dass es ursprünglich parallel zu demjenigen betrieben worden ist, das für die antike Agora überliefert ist. Die überlieferten Einstürze der ἴκρια werden in die 1. Hälfte des 5. Jhs. datiert, 158 während er schwer erklärbare Überreste, wie ein schmales Fundament aus Konglomeratgestein (mit aA bezeichnet) in der westlichen Parodos mit dem Koilon des 5. Jhs. und der ältesten von ihm erkannten Anschüttungsschicht verbindet. 159 Ihm wird die erste weitgehend zutreffende Zuweisung der komplizierten und dislozierten Überreste der Skene an unterschiedliche historische Phasen seit der lykurgischen verdankt, während er für die klassische Skene annimmt, dass es sich um eine einfache rechteckige Anlage aus Holz gehandelt hat. Was das von der älteren altertumskundlichen Forschung viel diskutierte Problem der Form des klassischen Bühnengebäudes anbelangt, so spricht sich Dörpfeld auf der Grundlage der neuerlichen Untersuchung der Dramen durch Reisch und der Anhaltspunkte der lykurgischen Skene dafür aus, dass es Vitruvs Skene mit dem erhöhten Proskenion bei den griechischen Theatern weder im 5. noch im 4. Jh. gegeben hat, dass die Schauspieler und der Chor auf der Ebene der Orchestra aufgetreten waren und dass Vitruv die entsprechenden Angaben zur griechischen Skene unzutreffend überliefert, 160 was über Jahrzehnte hinweg intensive wissenschaftliche Debatten nach sich gezogen hatte - wie sie kürzlich M. Kreeb referiert hat 161 -, da die Forschungen in Theatern Kleinasiens, aber auch in solchen im übrigen griechischsprachigen Raum gezeigt hatten, dass die ursprüngliche Ansicht Dörpfelds zur erhöhten Skene keine Allgemeingültigkeit für das Theater griechischen Typs besessen haben konnte und dass das Vorbild der vitruvianischen Skene des griechischen Theaters bei hellenistischen Beispielen außerhalb Athens, und zwar bei solchen aus späthellenistischer Zeit in Kleinasien, gesucht werden musste. 162 Im Übrigen hatte sich Dörpfeld selbst korrigiert und ei- 184 Christina Papastamati-von Moock ne Verbindung der vitruvianischen Skene mit kleinasiatischen Beispielen vorgeschlagen. 163 Obwohl Dörpfelds Ergebnisse aufgrund von zahlreichen wichtigen Beobachtungen das erste tragfähige Fundament für die Erforschung des antiken und speziell des athenischen Theaters gelegt hatten, 164 überzeugten die Zuweisung sämtlicher aus Konglomeratgestein bestehenden Bühnenfundamente an die spätklassische Phase, die Rekonstruktion des Proskenions vor einer Wand und seine Ansichten zur Funktionsweise der klassischen Skene nicht alle Forscher, da gesichertere Ausgrabungsbefunde fehlten. Zahlreiche Forscher beharrten jedoch weiterhin auf der Verbindung eines Teiles der Fundamente mit der wahrscheinlichen Existenz einer steinernen Skene des athenischen Theaters bereits seit dem 5. Jh. v. Chr. 165 Zu diesen bedeutenden deutschsprachigen Abhandlungen, die die Forschungen zum athenischen Theater geradezu monopolisiert hatten, traten in diesen Jahren zwei sehr bedeutende englischsprachige Monographien hinzu, die auf eine umfassende Information der anglophonen Forschergemeinde abzielten. Der Philologe und Archäologe und spätere Direktor der American School of Classical Studies in Athen James Rignall Wheeler (1882-83) 166 präsentiert nach einer vor Ort am Monument vorgenommenen Überprüfung der Ansichten von L. Julius (1877) eine wissenschaftstheoretisch komplexere Darstellung der Entwicklung, die neue bedeutsame Beobachtungen zur Architektur des Theaters enthält und an den Fundamenten Elemente aufzeigt, die der Skene des 5. Jhs. zugewiesen werden könnten. 167 Der englische Philologe Arthur Elam Haigh, der sich in der zweiten, verbesserten Auflage seiner gehaltvollen Abhandlung zum athenischen Theater und der Theaterproduktion (1898) 168 im Wesentlichen den Ansichten Dörpfelds anschließt, hebt zwar das Problem der klassischen Bühne hervor, dem das Hauptinteresse zukommt, räumt aber ein, dass die archäologischen Hinweise spärlich und unsicher blieben. 169 Mit dem zu Beginn des 20. Jhs. in der Archäologie einsetzenden wissenschaftstheoretischen Richtungswandel hin zu einer kulturhistorischen Herangehensweise, bei der die Architekturforschung zusammen mit der Stratigraphie und der Auswertung der Funde der exakteren Interpretation der Überreste und der Eingliederung eines Bauwerks in seinen historischen Rahmen dient, geht auch ein Wandel in der Erforschung des athenischen Theaters einher. Die Konzentration auf die architektonische Bewertung der Überreste des Theaters und hier speziell der Skene war in eine wissenschaftliche Sackgasse geraten, und es wurde offensichtlich immer deutlicher, dass die zentrale Frage nach der Form und der Funktion des klassischen Skene nicht ohne die Einbeziehung der Ausgrabungsbefunde beantwortet werden konnte und der Stab folglich an einen Archäologen weitergereicht werden musste. Dass die Wahl für die Durchführung neuer Forschungen an der Skene des Theaters im Jahre 1923 auf eine interdisziplinäre Gruppe von Archäologen und Architekturhistorikern unter der Leitung des Münchner Archäologieprofessors Heinrich Bulle fiel, 170 der sich durch seine vorbildliche Ausgrabung (1903, 1905), Dokumentation und Publikation des prähistorischen Orchomenos (1907) 171 ausgezeichnet hatte, war eine Folge dieses wissenschaftstheoretischen Wandels und der Emanzipation der archäologischen Forschung gegenüber dem Schwergewicht, das unter dem Einfluss Dörpfelds bislang der architektonischen Beobachtung und Dokumentation zugefallen war. Die nur drei Monate währenden intensiven Forschungen beinhalteten neben der Anlage kleinerer Suchschnitte die vollständige zeichnerische Erfassung der in situ angetroffenen Überreste der Skene sowie der Grabungsschnitte sowie der zugewiesenen verstreuten Bauglieder und führten zu einer tief gehenden, wenn auch - wie er selbst schreibt - nicht erschöpfenden neuen Bewertung der Bauphasen des Bühnengebäudes und des Theaters im Allgemeinen. 172 Ohne an dieser Stelle jede einzelne Einschätzung kommentieren zu wollen, möchte ich darauf hinweisen, dass seinen Forschungen die ersten archäologischen Anhaltspunkte für die Datierung der Bühnenrückwand und wahrscheinlich auch der Fundamente der Paraskenien in die 2. Hälfte des 5. Jhs. verdankt werden; 173 außerdem kam er zum Ergebnis, dass nur das frühklassische Bühnengebäude auf einem steinernen Unterbau aus Holz errichtet gewesen war. 174 Mit dieser Phase verbindet er Überreste eines schmalen Fundaments (aA) in der westlichen Parodos, das einer Stützmauer des hölzernen Theaters zugewiesen worden war, 175 und weist die neu entdeckten beschrifteten Blöcke der klassischen Prohedrie der Erneuerung des Holztheaters aus der 2. Hälfte des 5. Jhs. zu. In die Zeit des Nikias (um 420 v. Chr.) datiert er die Errichtung der ersten vollständig aus Stein erbauten Skene, den unteren Abschnitt des steinernen Koilons mit der Stützmauer der westlichen Parodos, die äußere seitliche Stützmauer im Westen, die Orchestra mit dem unterirdischen Abzugskanal sowie den jüngeren Tempel des Dionysos, die Stoa und das Propylon des Heiligtums. 176 Nach Bulle vollendet Lykurg dieses halbfertige Steintheater bis hinauf zu den Abarbeitungen über dem Epitheatron (κατατομή) und erneuert die Fassade der Steinskene in Marmor. Die Entdeckung und Untersuchung der rechteckigen Steinblöcke der klassischen Prohedrie veranlassen seinen Mitarbeiter K. Lehmann-Hartleben zu ersten Überlegungen hinsichtlich einer trapezförmigen Gestaltung des hölzernen Theaters samt einer steinernen Prohedrie und damit zur Ablehnung einer runden Orchestra. 177 Die neuen archäologischen Belege für die Datierung der aus Konglomeratgestein errichteten Rückwand der Skene in die 2. Hälfte des 5. Jhs. v. Chr. sowie Bulles außergewöhnlich hohe Datierung der ersten vollständig aus Stein erbauten Skene ins 5. Jh. waren wohl die Gründe, die den im Alter von 71 Jahren immer noch aktiven Dörpfeld 1924 zu einer begrenzten Nachuntersuchung im südwestlichen Bereich der Stützmauern des Koilons veranlasst hatten. Be- 185 Auf der Suche nach dem „Theater der Tragiker“ obachtungen zur Konstruktion veranlassen ihn zu einer vorübergehenden Revision seiner älteren Ansichten zur Zuweisung aller aus Konglomeratgestein bestehenden Elemente des Theaters an die lykurgische Phase. Er vertritt nun die Ansicht, dass die innere westliche Stützmauer und die Rückwand der Skene einem nicht vollständig ausgeführten „perikleischen“ Bauvorhaben zugewiesen werden könnten, 178 kehrt aber später wieder zur lykurgischen Datierung des Steintheaters zurück. Die kurze, aber intensive Erforschung eines großen Teiles der noch undokumentierten Überreste des Dionysos-Theaters durch den Professor für Architektur an der TU Stuttgart Ernst Robert Fiechter zwischen 1927 und 1929, kann als Fortsetzung der Arbeit der „Dörpfeld- Schule“ angesehen werden. Mit einer kleinen Gruppe von Forschern dokumentiert er den überwiegenden Teil der Überreste des Monuments, führt begrenzte Nachforschungen in der Orchestra durch und untersucht die römischen Überreste der Skene sowie die unteren Sitzreihen des Koilons. Seine umfangreiche dreibändige Publikation (1935/ 6), 179 der ein von Reinhard Herbig verfasster Beitrag zu den Skulpturen, die im Bereich der Bühne des Theaters gefunden worden waren, 180 beigefügt ist, stellt bis heute eine der bedeutendsten Quellen für die Neuuntersuchung unbeantworteter Fragen und das Verständnis des Monuments dar. Die Beobachtungen Fiechters münden in die erste kritische Überprüfung der runden Form der Stützmauer der archaischen Orchestra und der von Dörpfeld vorgeschlagenen Lokalisierung. 181 Er verbindet die Rückwand der Skene mit der Stoa des Heiligtums, datiert diese ins späte 6. Jh. und hält es für möglich, dass die Stoa als Lager für das Material der ἴκρια und zugleich als Skenothek mit einem großen Durchgang zur Ebene der Orchestra im Bereich des mächtigen zentralen Fundaments T gedient haben könnte. 182 Dieser eigenwillige Vorschlag Fiechters, eine steinerne Skene bereits im späten 6. Jh. v. Chr. anzunehmen, die er sich als einfache Wand mit einem großen Eingang zur Orchestra in der Mitte vorstellt, hat die Forschung über viele Jahrzehnte mit dem Ergebnis beeinflusst, dass immer wieder neue unorthodoxe Rekonstruktionen für die frühklassische athenische Skene diskutiert wurden, die sowohl morphologisch als auch in funktionaler Hinsicht dem Typus des Bühnengebäudes zuwider laufen, 183 wie wir ihn von anderen Theatern, aber auch vom athenischen Theater selbst kennen, der mit den erforderlichen technischen Vorrichtungen (Bühnenmaschine usw.) den Neuaufführungen der klassischen Tragödien seit dem mittleren 4. Jh. gedient hat. Er vertritt die Ansicht, dass zu dieser Wand im 5. Jh. die von Pfosten getragene hölzerne Bühne der Tragiker hinzugekommen war, und schließt nicht aus, dass diese zweigeschossig gewesen sein könnte und eine hölzerne Paraskenia besessen hätte. 184 In den folgenden schwierigen Jahren wird auf der Grundlage der oben referierten Untersuchungen eine intensive wissenschaftliche Diskussion vor allem zu den Problemen des Theaters geführt, wobei in den Artikeln von Archäologen, Architekten und Philologen, aber auch in bedeutenden umfassenderen Monographien, wie denjenigen von M. Bieber (1939) oder A. W. Pickard-Cambridge (1948), 185 zahlreiche sich widersprechende Meinungen vorgetragen werden. Wenn das Thema der gradlinigen Gestaltung des Holztheaters bereits von Lehmann-Hartleben (1928) angesprochen worden war und Fiechter die Argumente Dörpfelds hinsichtlich der Maße und der abweichenden Lokalisierung der archaischen Orchestra in Zweifel gezogen hatte (1935/ 6), markiert die Studie des italienischen Archäologen Carlo Anti (1947) innerhalb der Forschungen zu den Theatern des 5. Jhs. v. Chr. einen Wendepunkt, indem er mit zusätzlichen Argumenten eine trapez- oder Π-förmige Gestaltung des athenischen Holztheaters vorschlägt, 186 ein Vorschlag, der durch die Studien von E. Gebhard (1974), vor allem aber von E. Pöhlmann (1981) 187 unterstützt und sanktioniert wurde. Bis in die jüngste Vergangenheit fehlten jedoch auch Forscher nicht, die nur ungern Dörpfelds Ansicht von der runden Form der archaischen Orchestra in Zweifel ziehen wollten. 188 Auf der Grundlage einer beständig anwachsenden Zahl von Vergleichshinweisen von anderen klassischen Theaterbauten vor allem aus Attika und von der Peloponnes gehen heute die meisten Forscher von einem gradlinigen Π- oder trapezförmigen Grundriss des athenischen Holztheaters aus. 189 Wenn auch in den Jahren zwischen den Weltkriegen mit den Forschungen Bulles eine Diskussion über eine mögliche Zuweisung der aus Konglomeratgestein bestehenden Grundmauern der Skene an das Erneuerungsprogramm des Holztheaters während des 5. Jhs. mit zahlreichen Abweichungen von den vorgeschlagenen Interpretationen begonnen hatte, so war bei der Erforschung des athenischen Theaters nach den 1960er Jahren ein schwerwiegender „Rückschritt“ festzustellen. Hinsichtlich der Konstatierung wahrscheinlicher Veränderungen oder Umformungen des hölzernen Theaters blieb das Problem der Datierung der ersten Verwendung von Konglomeratgestein, das bei den nicht sichtbaren Elementen des Theaters wie des Heiligtums systematisch verwendet worden war, von zentraler Bedeutung. Die jüngere Forschung, die nach eindeutigeren Hinweisen für die Datierung der klassischen Phasen des Theaters und des Dionysosheiligtums suchte, stützte sich auf die problematische Datierung des jüngeren, unter Verwendung von Konglomeratblöcken errichteten Dionysostempels durch P. Kalligas in die Zeit Lykurgs und auf den Vorschlag, dass sich das goldelfenbeinerne Kultbild zuvor wahrscheinlich an einer anderen Stelle befunden hatte, da es in den Quellen als Werk des Alkamenes, also des späten 5. Jhs. v. Chr. bezeichnet wird. 190 Die vorgeschlagene Datierung der Fundamente des Tempels in die lykurgische Phase veranlasste in der Folge zahlreiche Forscher dazu, diese Datierung auf alle aus demselben Material errichteten Bauteile des Theaters zu übertragen, was eine Rückkehr zu 186 Christina Papastamati-von Moock den ursprünglichen Ansichten Dörpfelds bedeutete, dass also das gesamte klassische Theater bis zur Erneuerung in Stein im 4. Jh. mit Ausnahme einiger Verbesserungen der klassischen Prohedrie aus Holz bestanden hätte. 191 In der Forschung ist häufig vom provisorischen Charakter und der geringen Größe des Holztheaters die Rede, das zusammen mit der schlichten hölzernen Skene jeweils nach dem Ende der Agone demontiert worden wäre. 192 Zu den wenigen Forschern, die in dieser Zeit auf der Ansicht beharrten, dass Teile des Steintheaters auf die klassische Phase des 5. Jhs. zurückgehen könnten, zählt auch der Architekt Wolfgang Wurster, der zwischen 1978 und 1980 eine analytische zeichnerische Dokumentation des Koilons und unter der Aufsicht der Altertümerverwaltung und in Zusammenarbeit mit der Archäologischen Gesellschaft erste Konservierungsmaßnahmen am Monument durchführte. 193 Die oben skizzierte Chronik der Suche nach dem athenischen Theater und seiner Erforschung mag mit Mängeln behaftet sein, zeigt aber die wissenschaftstheoretischen Probleme auf, die sich bei der Behandlung eines Monuments ergeben hatten, für das zahlreiche analytische architektonische Dokumentationen angefertigt worden waren, die aber nicht mit einer systematischeren archäologischen Erforschung mit dem Ziel der Bewertung der Abfolge der Architekturelemente und der zuverlässigeren Lösung dramaturgischer Probleme der Aufführungspraxis, schließlich aber auch der korrekteren Einbindung der Charakteristika des athenischen Theaters in die topographischen und gesellschaftshistorischen Gegebenheiten verbunden gewesen waren. Der Mangel, dass das Monument auch von griechischer Seite nicht systematisch ergraben worden ist, ist offenbar auch der irrigen Ansicht der Forscher geschuldet, dass aufgrund des „mobilen“ Charakters des hölzernen Theaters 194 wohl keine archäologisch nachweisbaren Überreste desselben zu erwarten seien. Die Teilnahme der Verf. an den Programmen zur Konservierung, Restaurierung, Erforschung und Erhaltung der Monumente am Südabhang und hier vor allem der Überreste des Theaters und des Heiligtums des Dionysos unter der Leitung der zuständigen wissenschaftlichen Kommission, die bis 2013 von Alexandros Mantis 195 und danach unter der Aufsicht der Athener Altertumsbehörde von Eleni Banou als Direktorin angeführt wurde, bot Gelegenheit zu kleineren archäologischen Untersuchungen, die der Lösung von Rekonstruktionsproblemen und der archäologischen Dokumentation der Arbeiten dienten. Die archäologischen Befunde dieser begrenzten Ausgrabungen wurden mit der neuerlichen Untersuchung der Überreste des Monuments verbunden und erbrachten wichtige neue Ergebnisse zu seiner Geschichte und vor allem zum archäologisch nahezu unbekannten klassischen „Theater der Tragiker“, die von der Verf. im Einzelnen in anderen Veröffentlichungen vorgestellt worden sind. 196 Zusammenfassend ist zu sagen, dass die archäologischen Untersuchungen zum ersten Mal die zu erwartenden, wenn auch aufgrund des kleinen Umfangs der Ausgrabungen geringen sicheren Zeugnisse der viel diskutierten, in den Quellen genannten ἴκρια des klassischen Theaters ans Licht gebracht haben 197 (Abb. 12-14), wodurch unsere von Beginn an feste Überzeugung bestätigt wurde, dass die erhaltenen Anschüttungen des athenischen Theaters zahlreiche Zeugnisse für die historische Erforschung des Monuments bewahrt haben und dass jeder konservatorischen Maßnahme und Untersuchung der Architektur des Monuments eine analytische und kombinatorische archäologische Dokumentation und Auswertung vorangehen müsse. 198 Die Auswertung der Grabungsergebnisse in Verbindung mit neuen an den Überresten angestellten Beobachtungen, den Quellen und den Befunden älterer Forschungen ermöglichten Schlussfolgerungen hinsichtlich der Lokalisierung, der Größe, der Form und wahrscheinlicher Umgestaltungen des hölzernen Theaters ebenso wie zu entscheidenden Problemen der „Bühne der Tragiker“. Zwar muss das Problem des exakten Zeitpunkts der Einrichtung des hölzernen Theaters am Südabhang vorläufig noch offen bleiben, und dies vor allem deshalb, weil die bisherigen Ausgrabungen nicht zu den tieferen Schichten der Anschüttung vorgedrungen sind, doch geben die Angaben in den Quellen zu den Einstürzen der ἴκρια und den Reformen der Großen Dionysien gegen Ende des 6. Jhs. v. Chr. zu der Annahme Anlass, dass dieses Holztheater zumindest seit dem späten 6. Jh. unter Kleisthenes, sehr wahrscheinlich aber sogar noch früher bereits unter Peisistratos bestanden hat. Die Tatsache der Existenz einer älteren Einrichtung zur optischen und akustischen Teilnahme an dionysischen und anderen öffentlichen Veranstaltungen auf der Agora der Stadt sowie von Darstellungen einfacher Kerkides auf Gefäßen bereits aus der Zeit um 580/ 70 v. Chr. belegen, 199 dass die Technik für den Aufbau statisch anspruchsvoller Holzkonstruktionen in Athen schon vor dem Zeitpunkt der Gründung des Heiligtums des Dionysos Eleuthereus am Südabhang (540-30 v. Chr.) beherrscht wurde. Aus diesem Grund glauben wir, dass die Wahl des neuen Platzes am Südabhang nicht nur mit der Gründung des Heiligtums, sondern auch mit der Einrichtung des neuen Zuschauerbereichs für die dionysischen Veranstaltungen, also des Holztheaters am darüber gelegenen Hang in Zusammenhang gestanden hat, ermöglichte diese vorhandene Böschung im Vergleich mit dem Theater auf der Agora doch eine bessere Lösung der statischen Probleme mit Hilfe weniger hoher ἴκρια, das Erreichen einer größeren Neigung, eine Steigerung des Fassungsvermögens und eine bessere Sicht auf die Veranstaltungen, die auf der Fläche der Orchestra stattfanden. 200 Die endgültige Abschaffung des hölzernen Theaters muss nach Ausweis der neuen Befunde zum Baubeginn des steinernen Theaters um die Mitte des 4. Jhs. v. Chr. angesetzt werden. 201 Die Stellen nahe bei den 187 Auf der Suche nach dem „Theater der Tragiker“ Stützmauern des Steintheaters (Abb. 12; 14), an denen die Leeren für die Aufnahme der ἴκρια lokalisiert worden sind, zeigen, dass sich der Entwurf für das spätere Steintheater weitgehend an der Lage des ersten Holztheaters orientiert hat, das seinerseits wiederum den Verlauf und die Funktion uralter Wege in diesem Bereich der Akropolis zu respektieren hatte. Seine Ausdehnung wurde durch den Verlauf des im Westen anschließenden ansteigenden Weges eingeschränkt, da Löcher für die ἴκρια unmittelbar neben der seitlichen Stützmauer im Westen lokalisiert worden sind, und im Osten durch den Platz, an dem das klassische Odeion des Perikles errichtet wurde, der seinerseits wiederum durch das bereits vorhandene archaisch-frühklassische Holztheater im Westen und die Rücksichtnahme auf die Funktion eines uralten, im Osten ansteigenden Weges determiniert wurde. 202 Diese neuen Beobachtungen zur zeitlichen Abfolge der topographischen Lage der beiden klassischen Monumente im angesprochenen Bereich zwischen den beiden ansteigenden Wegen westlich des Theaters und östlich des Odeions erklären auch die Gründe für den eigenartigen Entwurf des östlichen Abschlusses des späteren steinernen Theaters mit der unmittelbaren Nachbarschaft der beiden Monumente und dem Eingreifen des nordwestlichen Abschnitts des Odeions in den Zuschauerraum. Folglich wird die topographische Achse des Monuments sowie die Lage der Parodoi und der Orchestra, die im Norden von den Π- oder trapezförmig angeordneten Sitzreihen begrenzt wurde, von Anfang an mit derjenigen des Steintheaters identisch gewesen sein. Die neu identifizierten Einsatzlöcher für die ἴκρια und die Abdrücke der Holzstrukturen, die bei den „chirurgischen“ Ausgrabungen an ihren Seitenflächen in der massiven Aufschüttung wiedererkannt werden konnten (Abb. 12), belegen, dass es sich bei dem hölzernen Theater nicht um ein nur vorübergehend errichtetes, sondern Abb. 12: Dionysos-Theater in Athen, Pfostenloch der ἴκρια- Konstruktion des Holztheaters, Grabungsschnitt in der inneren SW-Ecke der Cavea (Photo: Verf.). Abb. 13: Dionysos-Theater in Athen - Cavea - Kerkis VIII - Grabungsschnitt oberhalb der 18. Sitzreihe, teils im Fels erhaltenen Einsatzlöcher für die ἴκρια (Zeichnung: Kl. Aslanidis). 188 Christina Papastamati-von Moock um ein festes Bauwerk gehandelt hat. Zusätzlich konnte an der inneren südwestlichen Ecke, wo die unter den ἴκρια liegende Aufschüttung bis zu einer Höhe von etwa 2 m erhalten geblieben ist, festgestellt werden, dass diese von einer Stützmauer gehalten wurde, die offensichtlich aus demselben Polygonalmauerwerk bestand wie diejenige der archaischen Orchestra. Auf Grund stratigraphischer Beobachtungen in Bereichen, die mit der inneren seitlichen, aus Konglomeratblöcken errichteten Stützmauer des Koilons in Kontakt stehen, neuer Feststellungen zu ihren Charakteristika und einer vorläufigen Untersuchung der Fundkeramik konnte nachgewiesen werden, dass das Bauprogramm für das Steintheater während der spätperikleischen Phase geplant und dass mit der Niederlegung der älteren seitlichen Stützmauern begonnen worden war. Die Erneuerung der Prohedrie des Holztheaters mit beschrifteten rechteckigen Blöcken aus dem späten 5.-Jh. bezeugt, dass dieses Programm unvollendet geblieben ist, was offensichtlich auf die aufgrund der umfangreichen Baumaßnahmen auf der Akropolis angespannte finanzielle Situation Athens zurückzuführen ist, vor allem aber auch mit dem Ausbruch des Peloponnesischen Krieges (431-404 v. Chr.) zu tun hat; im Endergebnis wurde die Prohedrie des Holztheaters erneuert und, wie neuere Beobachtungen gezeigt haben, das Koilon nach Norden erweitert. 203 Die Datierungshinweise für die inneren Stützmauern gehen mit der Datierung überein, die H. Bulle für die Rückwand der Skene vorgeschlagen hatte, 204 mit deren Hilfe nun eine klare symbolische und funktionale Trennung des religiösen Bereichs von demjenigen des Theaters vollzogen wurde. Auch auf der Grundlage von Vasenbildern mit Darstellungen von „Skenographien“ mit Bühnenfassaden, wie auf dem bekannten Beispiel in Würzburg (um 350 v. Chr.), 205 die sicherlich von der berühmten Bühne des klassischen athenischen Theaters oder anderen morphologisch entsprechenden Holztheatern inspiriert sind, können wir mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sich die klassische Skene des Holztheaters in der Form und in den Abmessungen nicht erheblich von der spätklassischen unterschieden hat, mit der Einschränkung allerdings, dass diese offenbar auf steinernen Unterbauten errichtete Wände aus Lehmziegeln mit Holzverstärkungen besessen hat. 206 Hierfür spricht auch die geringe Breite der Rückwand mit den Ausnehmungen für die hölzernen Pfosten, während archäologisch noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden konnte, ob die steinernen Unterbauten der anderen Seiten der Skene mit denjenigen der insgesamt aus Stein errichteten lykurgischen Skene identisch sind oder ursprünglich schmaler waren und für den Bau der letztgenannten abgetragen worden sind. Dass die „Skene der Tragiker“ bezüglich der Abmessungen, der Morphologie und der Funktion mit der in der 2. Hälfte des 4. Jhs. ganz aus Stein errichteten weitgehend übereingestimmt hat, wird auch durch die kürzlich geklärte Funktion des mächtigen Fundaments T mit den beiden großen rechteckigen Öffnungen in den beiden hinteren Ecken - Elementen der klassischen Skene - bestätigt, in die die Verankerungen einer zweigliedrigen (dikolos) Bühnenmaschine eingelassen waren, während sich auf der Oberseite der scherzhaft so bezeichnete δάκτυλος befand, der sich auf dem Flachdach bewegte. 207 Zur möglichen Rekonstruktion der Abmessungen der klassischen Skene und zur Lösung der Probleme, die die älteren Deutungen des schmalen Fundaments aA innerhalb der westlichen Parodos in unmittelbarer Nähe zur Skene als Überrest der Stützmauern des Holztheaters aufgeworfen hatten, mögen unsere neuen Beobachtungen, die für seine Zuweisung an die Verbreiterung des Fundaments der „lykurgischen“ Stützmauer des Koilons und seine Datierung in das Jahrzehnt 350-340 v. Chr. sprechen, 208 beigetragen haben. Das aus Pfosten und Lehmziegeln errichtete Gebäude der „Skene der Tragiker“ wird außen verputzt und an der Fassade mit bemalten Holz- und Terrakottaelementen verkleidet gewesen sein, wie die „Skenographie“ von Würzburg mit den stilistisch altertümlichen Charakteristika der hölzernen Fassade und die Paraskenia lehrt. Gut vergleichbare bauliche Charakteristika sind im Übrigen auch für andere öffentliche Gebäude im Athen des 5. Jhs. v. Chr. bezeugt, wie z. B. für das benachbarte Asklepieion, 209 während eine Inschrift mit Angaben zur Erneuerung der Skene des Theaters von Munychia im Piräus, das sogar im späteren 4. Jh. noch aus Holz bestand, m. E. auf dieselben baulichen Charakteristika verweist. 210 Die Bemerkung des Xenophon von 360-356 v. Chr. zur bewundernswerten Größe der Holzgerüste der „tragischen Skene“ stellen einen Beleg für deren Dauerhaftigkeit und Monumentalität sowie für ihre Benutzung bis in die Mitte des 4. Jhs. v. Chr. dar. 211 Die offensichtliche Bewahrung der berühmten Bühnenmaschine in der hellenistischen Steinskene für die Dramaturgie der Wiederaufführungen der Tragödien und hier vor allem derjenigen des Euripides mit seiner Vorliebe für den „deus ex machina“ vermittelt bis zu einem gewissen Grad Hinweise auf die Größe und den Typus der klassischen Skene, die zumindest über dem mittleren Abschnitt ein Flachdach besessen haben wird, um die Bewegung des „δάκτυλος“ zu ermöglichen, also eingeschossig gewesen ist, und außerdem Innentreppen für die Benutzung des Flachdachs als Theologeion, drei Türen, bemalte Tafeln und mit hoher Wahrscheinlichkeit Paraskenia, die die Spielfläche des Chores und der Schauspieler in der Orchestra flankierten, 212 wie dies bereits Dörpfeld - Reisch 1896 vermutet hatten. 213 Alle oben zusammengestellten Hinweise und Beobachtungen führen zu der Schlussfolgerung, dass die geplante Gesamterneuerung des spätarchaisch-frühklassischen Theaters in jedem Fall Bestandteil eines größeren Erneuerungsprogramms des religiösen und kulturellen Zentrums am Südabhang unter Perikles gewesen ist, das neben dem Theater und dem Heiligtum auch den inno- 189 Auf der Suche nach dem „Theater der Tragiker“ vativen Entwurf und die Errichtung des monumentalen Odeions eingeschlossen hat. 214 Elemente des gemeinsamen architektonischen Entwurfs für das Theater und das Odeion und die Verwandtschaft des letztgenannten mit dem Telesterion von Eleusis, als dessen Architekt der berühmte Iktinos genannt wird, verführen zu der Annahme, dass der perikleische, nicht vollständig umgesetzte Erneuerungsentwurf für das religiöse und kulturelle Zentrum am Südabhang das Werk eines der bedeutendsten Architekten der perikleischen Akropolisprojekte gewesen ist, nämlich des Iktinos. 215 Wenn schließlich die seitliche Stützmauer im Westen mit ihrem geschwungenen nördlichen Abschnitt (Abb. 14) ein integrierter Bestandteil des perikleischen Entwurfs gewesen ist, so würde dies bedeuten, dass das Konzept der architektonischen Verbindung der gewohnten Gestalt des antiken Theaters mit dem aus der runden Form der Orchestra folgenden geometrischen Entwurfs des halbkreisförmigen Koilons mit seinen besseren optisch-akustischen Eigenschaften seinen Ursprung in der produktivsten Periode der athenischen Architektur hatte, nämlich in der perikleischen. Im Übrigen deutet die Suche nach dem neuen städtebaulichen Entwurf für die utopische Stadt der Vögel durch den Geometer und Freund des Perikles Meton durch die Verwirklichung der „Quadratur des Kreises“ und die sternförmige Anlage des Straßennetzes in den „Vögeln“ des Aristophanes, die 414 v. Chr. im athenischen Theater uraufgeführt wurden, auf Überlegungen dieser Art zur Zeit des Perikles hin. 216 Die Abb. 14: Topographischer Plan des Heiligtums und des Theaters des Dionysos und des Odeions des Perikles. Mit den Stellen Nr. 1. 2. 3., an denen Überreste der ἴκρια-Positionen identifiziert wurden (Zeichnung nach W. Dörpfeld, W. Wurster, M. Korres ergänzt durch E. Makri, A. Samara/ D. Kouliadis, Kl. Aslanidis). - Rechts oben, kaiserzeitliche attische Münze des 2. Jhs. n. Chr., aufgrund derer die Lage des Theaters bestätigt wurde. 190 Christina Papastamati-von Moock Vollendung dieses ehrgeizigen Programms und vor allem der Errichtung des monumentalen Steintheaters auf der Grundlage eines neuen einheitlichen Konzepts, das sowohl auf dem älteren perikleischen Entwurf als auch auf der neuen halbkreisförmigen Gestaltung des Koilons in Anlehnung an die Kreisform der neuen Orchestra beruhte, erfolgte erst viele Jahrzehnte später, nämlich zwischen 350-320 v. Chr. durch Eubulos und vor allem durch Lykurg (336-324 v. Chr.), einem Bewunderer des Perikles und der Idee des klassischen Theaters. Dies geschah in einer Phase, in der Athen wiederum durch umfangreiche Bauprogramme und vor allem vermittels der gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Strahlkraft des Theaters versuchte, die inneren und äußeren Probleme ins Gleichgewicht zu bringen. 217 Die Chronik der langwierigen und noch keineswegs abgeschlossenen Erforschung des „Theaters der Tragiker“ bildet ein bezeichnendes wissenschaftstheoretisches Beispiel für den sich hinziehenden Vorgang der Geburt und der schließlichen Emanzipation der archäologischen Wissenschaft. Zugleich zeigt sie, dass sich die Erforschung und die Interpretation der Probleme der baulichen Entwicklung und der historischen Phasen sowie der Wiederherstellung der ursprünglichen Gestalt eines Theaters, und hier umso mehr des athenischen, aufgrund seiner entscheidenden Wechselbeziehung mit der Entwicklung des Dramas und der Vielseitigkeit des Charakters der Theaterproduktion im Allgemeinen, zusätzlich zu den übrigen verfügbaren Quellen (archäologischen, literarischen, epigraphischen u. a.) auf gesicherte ausgräberische und archäologische Fakten sowie auf die interdisziplinäre produktive Zusammenarbeit des Archäologen und des Architekten stützen muss. Christina Papastamati-von Moock Ephorie für Altertümer der Stadt Athen Thrassylou 20, 10558 Athen Email: papastamati@vonmoock.com Anmerkungen * Der vorliegende Aufsatz ist dem verstorbenen Professor Charalambos Bouras gewidmet, dem als dem langjährigsten Mitglied der Wissenschaftlichen Südabhang-Kommission der Hauptverdienst an der bestmöglichen Lösung der wissenschaftlichen und restauratorischen Probleme der Monumente zukommt. Dank gebührt der Wissenschaftlichen Kommission zur Erforschung und Restaurierung der Monumente am Südabhang der Akropolis (die von 2002 bis 2013 vom ehem. Direktor der 1. Ephorie Dr. Alexandros Mantis geleitet worden ist), der seit 2014 amtierenden Direktorin der Vereinigten Direktion der Altertümer von Athen Dr. Eleni Banou für ihre wissenschaftliche Begleitung und Unterstützung sowie meinen Kollegen und Kolleginnen für ihren praktischen und moralischen Beistand. Besonderer Dank gilt darüber hinaus Prof. Wolfgang Schuller für die ehrenvolle Einladung, einen Beitrag zu diesem Band beizusteuern. Für die Überlassung der Zeichnung (Abb. 9) danke ich Dr. Francesca Buscemi und für die Übersetzung meines Textes aus dem Griechischen dem Freund Dr. Wolfgang Schürmann sehr herzlich. Mein herzlicher Dank gilt auch der Bibliotheksangestellten des DAI Athen Christina Zioga und Katharina Brandt für ihre große Hilfe. 1 Die erste Edition von Vitruvs Schrift De architectura fällt in die Zeit der Frührenaissance des 8. Jhs. unter Karl d. Gr., s. Lefas 1997 (Vitruvii, De Architectura (Übersetzung, Kommentar) 20-25 [Einleitung A. Corso]). Nach ihrer Entdeckung in der Bibliothek des Klosters St. Gallen in der Schweiz übte die Verbreitung der Vitruv-Handschrift in Italien seit der Zeit des Humanismus im 15. Jh. eine große Wirkung aus, s. Schuller 1999. 2 Für eine Diskussion der Meinungen s. Csapo u. a. 2014, 1-12; Petridis 2018, 1-22. 3 Bereits seit der Zeit des Aischylos wurden die klassischen Tragödien auch außerhalb Athens aufgeführt, s. Dearden 1990, 231-242; Dearden 1999, 222-248; Bosher 2012. 4 Todisco 2002; Bosher 2012; Hartwig 2014, 207-227; Green 2014, 333-369; Fountoulakis 2017, 75-118; Konstantakos 2005-06, 47-101. 5 S. Webb 2018 (im Druck), Kap. 10. 6 Vivilakis 1996, 309-312; Mullett 2010, 227-229; Vakonakis 2011, 6-50. 7 S. Puchner 2017, 52-111, bes. 63. 8 Hunger 1991, 137-153. 9 Die entsprechenden Lemmata (Αἰσχύλος, ἴκρια und Πρατίνας) informieren darüber, dass das Athener Theater der Klassik mit gewaltigen ἴκρια, also hohen Holzstützen, errichtet war, die statische Probleme aufwiesen, die zum Einsturz geführt hatten, und zwar ein Mal zu Beginn des 5. Jhs. während der 70. Olympiade, als der dramatische Agon zwischen Aischylos, Pratinas und Choirilos stattfand, und ein weiteres Mal um die Mitte des 5. Jhs. vor der Abreise des Aischylos nach Sizilien, dass die ἴκρια in den Thesmophoriazusai des Aristophanes erwähnt werden, die 411 v. Chr. bei den Großen Dionysien uraufgeführt worden sind, und dass die festgestellten statischen Probleme zum Neubau des Athener Theaters geführt hatten. Diese Nachrichten bezeugen also den Betrieb des hölzernen Theaters zumindest vom späten 6. Jh. v. Chr. bis zur Errichtung des Steintheaters, d. h. desjenigen der sog. lykurgischen Phase (um 350-320 v. Chr.). Außerdem wird über die technischen Charakteristika des Bauwerks berichtet, also über den Einsatz von vertikalen Holzbalken, die die aus Brettern gezimmerten Sitze der Zuschauer stützten, aber auch über statische Probleme der Konstruktion, d. h. über die Einstürze der ἴκρια. Parallel zu diesen Informationen der Suda fügen andere mittelbyzantinische Quellen wie das Lexikon des Photios (Λέξεων Συναγωγή, 9. Jh. n. Chr.), das offensichtlich vom Autor der Suda benutzt worden ist, eine andere Variante für die Lage der ἴκρια hinzu, indem sie von der Existenz einer Art hölzernen Theaters auf der Athener Agora sprechen, das aus der Zeit vor der Errichtung des Athener Theaters stammte, eine Information, die anscheinend auf verschiedene Quellen der alexandrinischen Literatur zurückgreift, wie Polydeukes (2. Jh. n. Chr.) und Hesychios (5. Jh. n. Chr.), während sich die Berichte der Suda über die Einstürze auf die Deipnosophistai des Athenaios (2./ 3. Jh. n. Chr.) und die hellenistischen Überlieferungen zu den Biographien der Dichter beziehen (vgl. Leben des Diogenes Laërtios, 3. Jh. n. Chr.), die bereits um die Mitte des 4. Jhs. v.-Chr. einsetzen. s. Graziosi 2009, 141-145. 10 Lampakis 2004, 31-51; Staikos 1989; Wilson 1994. 191 Auf der Suche nach dem „Theater der Tragiker“ 11 Lambros 1902, 159-218; Cammelli 1954; Reynolds - Wilson 1981, 175-179. 12 Schironi 2016, 133-153; van Zyl Smit 2016, 304-322. 13 Beachtung aufgrund ihres guten Erhaltungszustands fanden bei den Architekten die Theater von Gubbio und Pola sowie das „teatro Berga“ in Vicenza auch aufgrund der Herkunft von Andrea Palladio aus Vicenza, s. zuletzt Kreeb 2010, 627-648 mit der einschlägigen Lit. 14 Thoenes 1998, 77; Ciapponi 1984, 72-90. 15 Leon Battista Alberti, L’architettura - De Re Aedificatoria VIII 7, s. Alberti [1667] 1966 (Orlandi - Portoghesi 1966). Wulfram 2001; Kreeb 2010, 636-648. 16 Es wurde nach dem Tod Palladios von Vincenzo Scamozzi vollendet und am 3. März 1585 eröffnet, s. Magagnato 1951, 209- 220; Magagnato 1992. 17 Magagnato 1992, 136-138; Sear 1983, 249-258; Sanvito 2016, 176-189. 18 Macintosh [1997 englisch] 2010, 430-431 (Übersetzung ins Griechische, hrsg. von L. Rosi - K. Valakas). 19 Paton 1951, 34. 20 Paus. 1, 21, 3. 21 S. weiter unten. 22 Vgl. Welter 1938; Boletis 2016. 23 Bodnar 1960, 39; Beschi 1998, 83-94. 99. Er bezieht sich auf die Fassade des Thrasyllos-Monuments und kopiert zum ersten Mal auch dessen Inschriften, s. Cyriacus („Anconitanus“), Epigrammata reperta per Illyricum a Cyriaco Anconitano (Rom [1747]), IX Nr. 69-71; vgl. Wachsmuth 1874, I 727. 24 Zu Inschriften aus dem Bereich des Theaters s. Cyriacus a. O. Χ Nr. 77 (IG II 2 3052); XV Nr. 111 (IG II 2 3250 = Inv. Nr. ΝΚ 314) ad petriam; s. auch Bodnar 1960, 37 f. 40 und Bodnar 1970, 196 f. 25 Bodnar 1960, 37 f. 40. 26 Paus. 1, 21, 3: »’ Εν δὲ τῆ κορυφῆ του θεάτρου σπήλαιόν ἐστιν ἐν ταῖς πέτραις ὑπὸ τὴν ἀκρόπολιν«. 27 Setton 2 1975, 236; Laborde 1854, I, 15 f. Anm. 1. 15-27. bes. 18. 27; Wachsmuth 1874, I 733 f. 28 Zu diesen zählen die Schriften des Holländers Ioannis Meursius, Atticarum Lectionum, Lugduni Batavorum 1617 und des Engländers Francis Rous, Archaeologiae Atticae libri septem, Oxford 1658. 29 S. Omont 1902, Taf. XL. 30 Babin [1674] 1854, 46 f. 74. 31 Collignon 1913, 395. 425; s auch Theocharaki 2015, 86. 88 Abb. 9. 32 Wie der Dichterstatuen, s. Paus. 1, 20. 21, 1-3. 33 Babin [1674] 1854, 21 f. Die Beibehaltung des Namens des Peripatos wird durch Michail Choniatis (12. Jh.) bezeugt (Lambros 1879-80, I 97 f. 160), was anscheinend zu Missverständnissen und zur Verbindung mit der Schule des Aristoteles geführt hat. 34 Guillet [1675] 3 1776, 345-352 mit einem Verzeichnis der Nummerierungen der Monumente auf der Athenkarte am Ende des Buches. 35 Guillet [1675] 3 1776, 310-325. 36 Guillet [1675] 3 1776, 309. 333 mit einem Kommentar zu den Bestandteilen des Theaters; Zeichnung am Ende des Buches. Zu dieser Rekonstruktion und zu Guillet s. Constantine 1989, 1-8. 37 Eine Rekonstruktionszeichnung des Amphitheaters von Verona war 1672 bei Hieronymi Mercurialis, De Arte Gymnastica, Amsterdam 1672 publiziert worden und basierte offensichtlich auf einer Zeichnung des französischen Kupferstechers und Geographen in Rom Antoine du Pérac Lafréry (ca. 1512-1577) von 1560. 38 Paus. 1, 20. 21, 1-3. Vgl. Papastamati-von Moock 2007. 39 Guillet [1675] 3 1776, vermischt verschiedene Informationen: 349 Nr. 75 (Odeion auf der Agora, zu dem er Angaben mitteilt, die sich auf das Odeion des Perikles am Südabhang beziehen), 352 Nr. 147 (Theater der Regilla, das er im Nordosten der Stadt in der Nähe des Dipylon lokalisiert) und 309-334. 349 Nr. 82 (Theater des Bacchus wahrscheinlich für die Ruinen des Odeion des Herodes Atticus, das er allerdings nordwestlich der Akropolis ansiedelt). 40 Guillet [1675] 3 1776, 309-334. 349. Er sucht die Höhle mit den Darstellungen der Niobiden (Thrasylleion) im südwestlichen Bereich des Südabhangs, also in der Nähe des Odeions des Herodes Atticus (306. 349 mit Nr. 85 auf seinem Plan). 41 Spon - Wheler [1678] 1724. 42 Spon - Wheler [1678] 1724, 93-96 (257-258 Legende zu den nummerierten Monumenten auf dem Plan). Zum kommentierten Plan s. <http: / / el.travelogues.gr/ item.php? view=53735>. 43 Vgl. die Zeichnung der Akropolis aus dem Kreis um Nointel (wahrscheinlich 1674), s. Tanoulas 1997, ΙΙ Abb. 4. Außerdem [Guillet, André Georges 1675] 3 1776, 306. 349 mit Nr. 85 auf seinem Plan; Spon - Wheler [1678] 1724, II 93-97. 44 Paus. 1, 21, 3. 45 Spon - Wheler [1678] 1724, II 97. 46 Spon - Wheler [1678] 1724, II 96. 47 Paus. 7, 20, 6, was bedeutet, dass es zur Zeit seines Besuchs 150 n. Chr. noch nicht existiert hat. 48 S. zuletzt Gros 2015, 305-333; McConachie 2 2010, 173-174; Krautheimer 1963, II 42-52; L. Alberti, De re aedificatoria (Amsterdam [1667]) 225-234. 49 Stuart - Revett erwähnen Ausgrabungen; die Freilegung des Monuments begann 1857 nach einem ersten Schnitt 1847/ 8, s. Wieseler 1851, 8 f. (zur Geschichte der Erforschung des Odeions des Herodes Atticus) und Pittakis 1858, 1707-1709; vgl. Malouchou-Dailiana 1998, 181-187. 50 Offensichtlich ein Element des Unterbaus des Monuments, das auch bei Stuart - Revett 1762, Taf. XXXV erscheint; im Text von Stuart wird angemerkt, dass Revett die Überreste des Odeions („Theater des Bacchus“) vom Eingang dieser Höhle aus gezeichnet habe. 51 Guillet [1675] 3 1776, 309-334. 349. 52 Veröffentlicht bei Omont 1898, 18-20 Taf. XLV c-d. 53 Der Abschnitt des Plans mit der Umgebung der Akropolis wurde mit geringfügigen Veränderungen von Franscesco Fanelli, Atene Attica (Venice 1707) 308 f. erneut veröffentlicht. Der Plan wurde von B. Ebhardt im Jahre 1910 in der Bibliothek von San Marco entdeckt und ist der bedeutendste dieser Zeit, s. Michaelis 1910, 278-281; Tanoulas 1997, I 54-57; II Taf. 11-12; Omont 1898, 18-20. 54 S. Stuart - Revett 1787 (Bd. 2, Hrsg. W. Newton) Taf. II. 55 Auf dem Plan des venezianischen Feldzugs, der Père Coronelli zugeschrieben wird, s. Michaelis 1910, 282; Omont 1898, Taf. XLV d. 56 Redford 2008, 44-82; Cust - Colvin 1914; Crook 1972, 6-62. 57 Vergleichbare Informationen enthalten auch die Pläne des venezianischen Feldzugs, s. Tanoulas 1997, Ι 54-57; Lord Sandwich (1738) in: Montague 1799, 58 f. 66; Pococke 1743-1745, ΙΙ Teil II 160. 164 Nr. 2 Taf. LXX (1740 in Athen) mit der bis dahin getreuesten Wiedergabe des Thrasyllos-Monuments, dort als „A Grotto at Athens“ bezeichnet, und der benachbarten Überreste sowie Grundrissen der Monumente (Odeion des Herodes Atticus noch als Theater des Bacchus, Thrasylleion). 58 Redford 2008, 9-11. 52-72. Ludwig Ross (Ross 1841, 29) bemerkt, dass hiermit die dritte Phase der Entwicklung der Archäologie, nämlich die wissenschaftliche, begonnen hatte (1750-1840). 59 Stuart - Revett 1762 (Bd. 1); Stuart - Revett 1787 (Bd. 2, Hrsg. W. Newton); Stuart - Revett 1794 (Bd. 3, Hrsg. W. Re- 192 Christina Papastamati-von Moock veley); Stuart - Revett 1816 (Bd. 4, Hrsg. J. Woods); Cockerell u. a. 1830 (Bd. 5. Antiquities of Athens, and other places in Greece, Sicily, etc., Supplementary to the Antiquities of Athens by James Stuart - Nicholas Revett, delineated and illustrated by C. R. Cockerell, W. Kinnard, T. L. Donaldson, W. Jenkins, W. Railton, London 1830). 60 Redford 2008, 52-72; Vigopoulou 2005, XXII-XXIII. 61 Salmon 2006, 103-145; Hunter 1989; Stafford 1984. 62 Stuart starb unerwartet im Jahre 1788, während er die Herausgabe von Bd. 2 vorbereitete. Revett setzte seine archäologischen Missionen - immer als Mitglied der Dilettanti - fort, errichtete aber auch Gebäude im klassizistischen Stil. Er starb im Alter von 84 Jahren. Die Herausgabe des 4. Bandes besorgten bis 1816 andere herausragende Mitglieder der Society of Dilettanti. 63 Zum Theater des Bacchus an der Stelle des Herodeions: Stuart - Revett 1787 (Hrsg. W. Newton) 2, 77-84 Taf. II. XXXV- XXXVI und Stuart - Revett 1794 (Hrsg. W. Reveley) 3, iv. 22 Taf. I. Das Odeion der Regilla, also das Odeion des Herodes Atticus, wird auf der Pnyx lokalisiert: Stuart - Revett 1794 (Hrsg. W. Reveley) 3, 107-109 Taf. I. XXXVIII. 64 Stuart - Revett 1794 (Hrsg. W. Reveley) 3, iv. 21 Taf. I. Die korrekte Benennung wird Chandler 1762 verdankt, s. u. Anm. 67. 65 Stuart - Revett 1787 (Hrsg. W. Newton) 2, v-vi. 29 „Plan of the Acropolis“ mit dem Buchstaben K und Stuart - Revett 1794 (Hrsg. W. Reveley) 3, iv. 21 Taf. I. 66 Paus. 1, 21, 3. 67 Chandler 1776. Zu Richard Chandler s. Constantine 1989, 18-22; Redford 2008, 72-82. 68 Wie im Fall des choregischen Monuments des Thrasyllos, das Pausanias nicht benennt, vgl. Paus. 1, 21, 3. Zu Chandler s. Constantine 1984, 188-209. Vgl. Leake 1821, CIV-CV. 69 Chandler 1776, ch. XII, 61 f. Auf dem Plan an der richtigen Stelle mit dem Buchstaben „M“, auch das Odeion (des Herodes Atticus) mit dem Buchstaben „N“: 64-66 (er glaubt, dass dort zunächst das Odeion des Perikles erbaut wurde); auch Chandler [1776] 1777 (im Deutsch) 3 f. mit dem Plan von Athen. 70 Chandler 1776, 62-64. Auf dem Plan an der richtigen Stelle mit dem Buchstaben „n“ das choregische Monument des Thrasyllos und des Thrasykles auf der Grundlage der Inschriften; die Dionysos-Statue wird als weiblich bezeichnet. Darüber hinaus stellt er fest, dass das Monument Dreifüße als Preise der Agone anlässlich der Dionysien getragen hätte. 71 Glücklicherweise besitzen wir in den Büchern 11-20 der Historischen Bibliothek des Diodorus Siculus für den Zeitraum 480/ 79-302/ 1 v. Chr. eine Liste mit den Namen der eponymen Archonten Athens, die alle vier Jahre mit der Zahl der jeweiligen Olympiade geglichen wird, s. Green 2010, 4-7; Errington 1977, 478-504 (Ν. Papazarkadas gebührt herzlicher Dank für Diskussionen und Informationen zu diesem Thema). Zum besonderen Interesse Chandlers für das Inschriftenmaterial s. Chandler 1774. 72 Chandler 1776, ch. VI 24 f.: Plan of Athens (mit dem Titel: „A plan taken from Atene Attica, an account of that city when under Venetians, published in 1707 by Fanelli, improved and adapted to this work“). „M“ = Theatre of Bacchus und „N“ = Odeum Plan of Athens. 73 Barthélemy 1788. 74 Koutsogiannis 2015, 112. Ρήγα Βελεστινλή, Νέος Ανάχαρσις, Wien 1797 (Übersetzung der „Voyage du jeune Anacharsis en Grèce“ des Abbé J. Barthélemy, Bd. 4, zusammen mit Giorgos Sakellarios und Giorgos Ventotis), Herausgabe und Einleitung von D. Karaberopoulos, Επιστημονική Εταιρεία Μελέτης Φερών Βελεστίνου Ρήγα, Athen 2006, 11-19; s. auch Tambaki 2000 (Pήγα Bελεστινλή, Nέος Aνάχαρσις). 75 Barthélemy 1788, Nr. 8 [Du Bocage]. 76 Barthélemy 1788, I 403 f. 77 Barthélemy 1788, I 416. 78 Offensichtlich in der Annahme, dass sich die Quellen zu einem Odeion am Südabhang der Akropolis auf dasjenige des Perikles bezögen. 79 Vgl. Le Roy 1758, XII 22-4. 80 S. Tanoulas 1997, ΙΙ Abb. 21 (Zeichnung von Fauvel mit Einsenkungen von Theateranlagen am Südabhang), Abb. 22 (Zeichnung von Coubault auf der Grundlage der Zeichnung von Fauvel mit der Befestigungsmauer des Haseke). 81 S. den Plan von Thomas Hope mit Legenden bei Tsigkakou 1985, Abb. 23. 82 S. o. 83 Diese Rivalität fügt sich auch in den Rahmen der damaligen internationalen politischen Gegebenheiten, des Verhältnisses des jeweiligen Landes zum Osmanischen Reich und der ausgezeichneten Beziehungen Englands zur Hohen Pforte ein (zu Lord Elgin s. Korka 2015, 2-9; Wiebenson 1969, 13-17; außerdem Angelomatis-Tsougarakis 1990). 84 S. Vigopoulou 2005, XVIII-ΧΧ; Blundell 2012, 649-666. 85 Fauvel schreibt in einem Brief von 1811 an Barbie du Bocage, dass er in Athen Ausgrabungen durchgeführt hätte und dass es noch wichtigere von Seiten der Engländer gegeben hätte, womit er diejenigen der Gruppe um Elgin unter der Leitung von Lusieri meint, s. Theocharaki 2015, 106 Anm. 155; vgl. Gallo 2009, 188. 245. 86 Korka 2015, 2-9 und s. o. 87 Connor 1989, 187-236; Buscemi 2008, 10-13. 88 Smith 1916, 177; Gallo 2009, 59. 89 S. Madden 1861, III 79: Er nennt die für Lord Elgin angefertigten Zeichnungen von S. Ittar; Führer der Gruppe um Elgin waren Giovanni Battista (Don Tita) Lusieri und Signor Vincenzo Balestra. Zu den topographischen Zeichnungen des Dionysos-Theaters und des Thrasyllos-Monuments von S. Ittar, s. Madden 1861, III 91-92. 90 Wie die Gruppe um Elgin ausgehend vom Epitheatron, wo keine steinernen Sitzstufen erhalten waren. Bewegliche Funde (z.-B. die Statue eines Silens aus pentelischem Marmor mit einem Kind auf der Schulter, das eine Maske hält, beschriftete Basisblöcke etc.) kommen zwischen den Jahren 1838-1860 aus dem Bereich, der mit Sicherheit das Dionysos-Theater lokalisiert wird; vgl. zusammenfassend Malouchou-Dailiana 1998, 59 f. 177-180. Die ersten Suchschnitte wurden Ende des Jahres 1840 angelegt, s. Neroulos 1840, 66-68 und Ragkavis 1841, 120-122. Ein Graffiti mit dem Name ITTAR erwähnt Rousopoulos (Rousopoulos 1862, 149) auf einer Säule eines „römischen Gebäudes“ in der Nähe des Südabhangs; wie er schreibt, ohne Kenntnis der Verbindung von Sebastiano Ittar mit Athen, wahrscheinlich ein „Franke = Westeuropäer“. Das Graffiti wurde noch nicht von der Verf. identifiziert. 91 S. u. 92 S. Rousopoulos 1862, 64; Papastamati-von Moock 2014, 15 f. Anm. 1; Vizyinou 2015, 31-33. 93 Gallo 2009, auf der Grundlage ihrer Dissertation: Gallo 1999. 94 Gallo 2009, 69 Abb. 64. 106-108; 115 Abb. 115; 46 Abb. 35; 113 Abb. 111; 114 Abb. 113. Die Zeichnungen des choregischen Monuments des Thrasyllos und der Säulen oberhalb von diesem stammen von ihm und Feodor Ivanovitch: Gallo 2009, 46 Abb. 35; 113 Abb; 111; 114 Abb. 113. (Darüber hinaus ist die Statue oberhalb des Monuments zum ersten Mal richtig als Dionysos erkannt worden, Gallo 2009, 107. Vgl. Boletis 2016). Alle wurden in den Gesamtplan von Athen aufgenommen, den der leitende Architekt Vincenzo Balestra zusammen mit seinem Schüler Sebastiano Ittar anfertigte, s. Gallo 2009, 69 Abb.-64. 193 Auf der Suche nach dem „Theater der Tragiker“ 95 Gallo 1999, 91-97; Buscemi 2008, 14 f. 60. 67 f. 96 S. Gallo 2009, 60. 67. 188. 245. 292. 97 Gallo 2009, 115 Abb. 115. Aufnahmen von Abschnitten der Parodos-Stützmauern, s. Gallo 1999, Abb. 110. 98 Die erste Erwähnung des Platzes einer dritten Säule stammt aus der Zeit des Besuchs des französischen Botschafters Marquis de Nointel in Athen in der Zeit zwischen 1674 und 1685, s. Collignon 1897, 64 f. 99 Gallo 1999, 95. 129 Abb. 109-110. 100 Verbunden mit den Namen von Ittar und Balestra. 101 Zu den beiden Zeichnungsserien von Ittar und den Veränderungen in der Ausführung s. Buscemi 2008, 43-56. 59-83 Taf. 3. 4; Buscemi 2006, 63-90. Zur zweiten Zeichnungsserie der Akropolis, die er für die geplante Publikation seiner Zeichnungen vorgesehen hatte, vgl. auch Gallo 1999, 245 Abb. 109- 110 (Theatre of Dionysus, 3: 10; 5: 31r left); Gallo 2009, 69 Abb. 64. 102 Buscemi 2008, offensichtlich für die geplante Publikation seiner Zeichnungen vorgesehen, s. auch Gallo 1999, 128-132. 103 Seine Beobachtungen führten ihn zur Datierung des Theaters von Catania, das über einem älteren Theater des griechischen Typs errichtet worden war, in römische Zeit, s. Report on the last Excavations in the ancient Theatre of Catania, made by S. Ittar, Architect of the Commune and Honorary Member of Royal Institute of British Architects (read at an Ordinary Meeting, July 24, 1837), in: Loudon’s Architectural Magazine: And Journal of Improvement in Architecture, Building, and Furnishing 4 (London 1837) 456. Vgl. Gallo 1999, 167-172 Abb. 200-203. 104 Gallo 1999, 131. 170. 190. 195; Buscemi 2008, 38-40; Schneider 1977; Hittorff, [1830-1831] 1836, I 169-182; Hittorff 1858, 280 f. 105 Trabant 2009, 25-44 und passim; Passias 2016, 15-20. 106 S. von Humboldt 1793; Wolf 1807; Witschel 1847, III-VI; Kokkinos 1996, 158-180. 107 Stieglitz 1801, bes. 125-131 (deutscher Jurist, Bauforscher, Ratsherr in Leipzig und Dompropst in Wurzen). 108 Schlegel 1809-1811; Kanngiesser 1817; Genelli 1818. 109 Schneider 1835. 110 Geppert 1843. 111 Strack 1843. 112 Witzschel 1847. 113 Sommerbrodt, 1848 (lateinisch). 114 Wieseler 1851. Besonders wichtig, mit einer bewundernswerten Zusammenstellung der Quellen zur Entwicklung des athenischen Dramas und Theaters. Vgl. auch Müller 1886, eine Monographie, die auf den Forschungen von Sommerbrodt und Wieseler basiert. 115 Als erster Deutscher gelangte 1674 der preussische Offizier Johann Georg Transfeldt nach Athen, s. Constantine 1984, 19 Anm. 12, S. 1 f. zur Abwesenheit deutscher Reisenden in Griechenland. 116 Fittschen 1999, 133. 143. 117 S. Schneider 1835, 3-18. 29-31; 46 Nr. 42; 60-62 Nr. 71; Wieseler 1851, 1 Taf. 1; Witschel 1847, 132-140. 118 Stieglitz 1801, II. Teil, 1. Abteilung, 2. Abschnitt 126-221: Erörterung der Charakteristika der Theater auf der Grundlage der Quellen, vor allem Vitruvs. Genelli 1818, 28-31 Taf. 1-4. Für einen Kommentar zu den einschlägigen Arbeiten s. auch Wheeler 1882-83, 121-179. 119 Zu Strack, s. Feist u. a. 1987, 77 f.; Strack 1843. Zu den Forschungen von Strack zum athenischen Theater sehr wichtig die Anhandlung des Mitarbeiters des Schweizer Philologen, Archäologen und Epigraphikers W. Vischer, vgl. Vischer 1863, 5-59. 120 Strack 1843, 1-6 Taf. 2-3. 8. 121 Obwohl W. Martin Leake bereits in seiner Publikation von 1821 (Leake 1821, 53-60) die Lage des Theaters diskutiert und auf der Grundlage der geringen Überreste folgert, dass der Gesamtdurchmesser von 400-500 Fuß (= 120-150 m) kleiner zu sein schiene als derjenige anderer Theater in Griechenland. Er erwähnt die Forschungen der Gruppe um Elgin und die Zeichnungen Ittars nicht, kommentiert aber bezüglich der korrekten Identifizierung Chandlers die römische Münze in der Sammlung von Mr. Payne Knight in London (Leake 1821, 57 f.) mit der Wiedergabe des athenischen Theaters an der Südseite der Akropolis; vgl. Rousopoulos 1862, 64. s. hier Abb. 14. 122 Boulenger (oder Bulengerus) 1603. Vgl. Stieglitz 1801, 125; Cockerell u. a. 1830, 34 Anm. b (spezieller Verweis auf diese erste Publikation im Kapitel zum antiken griechischen Theater von T. L. Donaldson). 123 C. L. Salmasii, Pliniae exercitationes in Caii Julii Solini Polyhistora, Paris 1629. Vgl. Boindin 1753. 124 Auf diese Widersprüchlichkeit der Quellen macht bereits 1856/ 7 August Schönborn (Schönborn 1858) aufmerksam; s. den diesbezüglichen Kommentar von Μüller 1866, 286. 125 Stuart - Revett 1787 (Hrsg. W. Newton), 2, 81 (Kap. III 77- 84 zu den Überresten des Odeions des Herodes Atticus, die er auch das Theater des Bacchus bezieht). Chandler 1776, 24 f. (Plan von Athen, M: Theater of Bacchus). 61 f.; Genelli 1818, 17 f. 28; Witzschel 1847, 132-140; Sommerbrodt 1848; s. den ausführlichen Kommmentar bei Müller 1866, 282 (mit der Ansicht, dass die dramaturgischen Konzepte des Aischylos eine steinerne Skene erforderten, deren Errichtung nach dem Einsturz des Holztheaters begonnen und unter Lykurg vollendet worden sei). 126 Genelli 1818, 8-27. 127 Genelli 1818, 6. 17 f. 28-35. 44-80 Taf. 1-4. Er weist auf die falsche ältere Verbindung der Überreste des Odeions des Herodes Atticus mit dem Bacchus-Theater durch Stuart hin, zu dem er anmerkt, dass von ihm nur „geringe Spuren“ erhalten seien, und bringt in Unkenntnis der Zeichnungen Ittars klar zum Ausdruck, dass das Verhältnis zwischen Bühne und Orchestra eindeutig auf den römischen Typus des Odeions verwiese. 128 Bis in die jüngste Vergangenheit war die Forschung davon ausgegangen, dass die erste erfolglose Suche nach erhaltenen Überresten des Koilons gegen Ende der 1840er Jahre unternommen worden war, s. Neroulos 1840, 66-68; Ragkavis 1841, 120-122. Die Forschungen der Gruppe um Elgin und die Aufnahmen von Ittar waren nicht bekannt. 129 Rousopoulos 1862, 64. 94. 135, mit sehr wichtigen Hinweisen auf die Forschungen von Strack in der Schrift seines Mitarbeiters Wilhelm Vischer, s. Vischer 1863, 1 f. 10 f. 130 Rousopoulos 1862, 94; Vischer 1863, 10 f. 131 Vischer 1863, 11. 132 Zur Geschichte dieser Auseinandersetzungen im Detail Vischer 1863, 8-10. 133 Christou 2007, 43; Skiadas (βλ. http: / / mikros-romios.gr/ makrygiannis/ 11.11.2017). Zum Misstrauen bzw. Widerstand der Einheimischen gegenüber den europäischen Reisenden, s. Hamilakis 2011, 49-55. 134 Rousopoulos 1862, 278 Taf. M΄-MΒ΄; s. Vizyinou 2015, 31-53. 135 S. Panetsos 2010, 41. 136 Zu den Basen der Tragiker-Statuen, der Menander-Basis und anderen Monumenten in den Eingangsbereichen, die unglücklicherweise 1878 entfernt wurden, s. Papastamati-von Moock 2007, 298-305 Abb. 3-4; Papastamati-von Moock 2018. 137 S. hierzu Vischer 1863, 5. Er selbst schrieb in der Augsburger Allgemeinen Zeitung. Auch in der athenischen Zeitung ΑΙΩΝ (Blatt Nr. 2018, ΚΔ΄, 29 März 1862: Αρχαιολογικά εκ της εφημερίδος των Φιλομαθών). s. auch Koumanoudis 1862, 362-365; Koumanoudis 1863, 85-96; Bardani-Malouchou 194 Christina Papastamati-von Moock 1992, 185-188. Diese Ausgrabung, die mit Unterbrechungen bis 1878 andauerte, hat schrittweise den größten Teil der Überreste des Theaters und des Heiligtums freigelegt, wobei hohe Verschüttungen, bis zu 6,80 m im Bereich der Orchestra, abgetragen wurden. vgl. Vizyinou 2015, 31-53. 138 Rousopoulos 1862, 37 f. 64. 94-102. 114-120. 128-147. 154- 184. 209-220. 224. 278-294; Julius 1878 (mit Zeichnungen von E. Ziller, dem die ersten wertvollen Zeichnungen der während der Ausgrabungen von 1862-1870 freigelegten Überreste des Dionysos-Theaters verdankt werden). Koumanoudis 1878- 79, 8-16. 139 s. Papastamati-von Moock 2007, 299 f.; Bouras 2010, 85 f. 140 Vischer 1863, 5-59. Vischer bemerkt, dass Strack in Athen durch den bedeutenden Architekten Georg Theodor Schirrmacher (1933-1864) unterstützt worden war. Zum geringen zeichnerischen Material von Strack s. Curtius - Kaupert 1878, 33 Blatt X; Hoepfner - Schwandner 1979, 357 f. Kat. Nr. 769. 141 Die nicht zustande kam. Nur die Skizze der Ruine von ihm, s. Curtius - Kaupert 1878, 33 Blatt X (hier Abb. 10). 142 Vischer 1863, 6 f. 143 Vischer 1863, 14; er schließt sich der Meinung von Leake an, der auf der Grundlage römischer Münzen glaubte, dass das athenische Theater ein Diazoma besessen hatte, vgl. Leake 1821, 57 f. 160; s. o. und hier Abb. 14. 144 Vischer 1863, 15-42, zur Datierung 26 f. 44. 145 Julius 1878, 193-204. 236-242. 146 Julius 1878, 202. 240. 147 Als Beispiele für die deutsche und englische Biobliographie mit den sich widersprechenden Ansichten darüber, was ins 5. und was ins 4. Jh. zu datieren sei und ob die Skene aus Holz oder aus Stein errichtet war usw. s. Julius 1878, mit Zeichnungen von Ziller; Wheeler 1882-83, 8-21. 148 Dörpfeld - Reisch 1896, 2-3; vgl. Bulle 1928, 15 mit der Erwähnung zusätzlicher Ausgrabungen durch Dörpfeld von 1886, 1889 und 1895; eine letzte Grabung wurde 1924 durchgeführt, s. Dörpfeld 1925, 25-32. 149 Hellmann 1993, 65-66; Hellmann 2003; Vavouranakis 2015, 131-138. 188 f. 150 Zum epistimologischen Hintergrund der Grabungsmethodik während der 2. Hälfte des 19. Jhs. in Deutschland und zur Anwendung der stratigraphischen Methode bei prähistorischen Ausgrabungen vgl. Jäne 2001, 330-337; Eberhardt 2008, 92- 93. 151 Dörpfeld war der Ansicht, dass die Untersuchung der antiken Monumente vor allem deren exakte Vermessung und Beschreibung erforderte, während er der historischen und soziologischen Erforschung keine besondere Aufmerksamkeit schenkte. Gegen Ende seiner Lauf bahn fühlte er sich besonders zur homerischen Archäologie hingezogen und versuchte, die archäologischen Funde mit entsprechenden Texten der Epen zu verbinden, s. Borbein 2002, 163-176. 152 Außer der Publikation vereinzelter keramischer Funde, s. Schneider 1889, 329-348 Taf. 13-14. 153 Dörpfeld - Reisch 1896. 154 Dörpfeld - Reisch 1896, Taf. 1. 155 Dörpfeld - Reisch 1896, 36-73. 156 Dörpfeld - Reisch 1896, 25-28. 176-77. Vgl. Pöhlmann 1981, 133-135; Papastamati-von Moock 2015, 49 f. 157 S. u. zu den Forschungen der Gruppe um H. Bulle. 158 Dörpfeld - Reisch 1896, 28-33. 35 f. 159 Dörpfeld - Reisch 1896, 28. 160 Dörpfeld - Reisch 1896, 341-365, bes. 363. 161 Das Thema „Die Bühnenfrage“, dem Dörpfeld - Reisch (1896) 341-365 ein eigenes ausführliches Kapitel widmen, wird von M. Kreeb 2016, 659-670 eingehend diskutiert. 162 Aufgrund der heftigen Einwände, die unmittelbar im Anschluss an die Publikation im Jahre 1896 laut werden, revidiert er seine ursprüngliche Ansicht und sieht die Vorbilder der vitruvianischen Skene nun in Kleinasien, s. Bethe 1898, 313-323. Zur diesbezüglichen Diskussion s. Fiechter 1914, 59-65; Isler 1989, 141-149; Moretti 1997, 13-39. 163 Dörpfeld - Reisch 1896, 352. 359. Vgl. Dörpfeld 1897, 444. 453. 462 f. 164 Auch die sehr wichtige englischsprachige Monographie von Arthur Elam Haigh, 1898 basiert, wie der Autor selbst schreibt, auf den Ergebnissen Dörpfelds. 165 Zur Diskussion der damaligen Ansichten zur Zuweisung der Konglomeratfundamente an die Skene des 5. Jhs. v. Chr. s. Fiechter 1914, 11 f. 65 Abb. 14. 166 Wheeler 1882-83, 121-179 mit einer Neupublikation der vollständigen Zeichnung Zillers, die dieser 1870 vollendet und zusammen mit Julius 1877, 119 Fig. 3 veröffentlicht hatte. 167 Wheeler 1882-83, 131 zur Rückwand der Skene. 168 Haigh 1898. 169 Haigh 1898, 111-114. 146-150. 170 Diese Gruppe bestand aus dem Archäologen K. Lehmann- Hartleben, dem Architekten Werner Wirsing sowie dem Archäologen und Bauhistoriker Walter Wrede; die Zeichnungen wurden von Werner Wirsing, Paul Gaubatz und Walter Wrede angefertigt. Bulle 1928, 15 f. 171 Bulle 1907. 172 Bulle 1928, bes. 16. Für eine umfassende Behandlung der Fragen des Theaters hält er die Zusammenarbeit von Archäologen und Vertretern anderer Disziplinen für unerlässlich. 173 Bulle 1928, 53-55. 73. 79; Papastamati-von Moock 2015, 47. 174 Bulle 1928, 64 f. 69. 71 Taf. 4. 175 Bulle 1928, 65-68. Vgl. Froning 2002, 47; Papastamati-von Moock 2014, 52-68 Abb. 1.30-1.33; Papastamati-von Moock 2015, 68 f. 176 Bulle 1928, 79 f. Taf. 4 Plan 3. 177 Lehmann - Hartleben in: Bulle 1928, 63. 178 Dörpfeld 1925, 26 Abb. 1 (J1, J2); 29-32. 179 Fiechter 1935; Fiechter 1936. 180 Herbig 1935. 181 Fiechter 1936, 67 f. Taf. 16 Abb. 29. 182 Fiechter 1936, 68-71 Abb. 30-34 (spätes 6.-mittleres 5. Jh. v. Chr.), vgl. Papastamati-von Moock 2015, 58-63, Vergleich Abb 18-19. Bis heute ist die Forschung im Wesentlichen den Meinungen Dörpfelds zur anderen Lage der ersten Orchestra gefolgt (Dörpfeld - Reisch 1896, 25-28 Taf. 1. 183 Anti 1947, 65-82; Polacco 1990, 160-174 Abb. 39 f.; Wurster 1993, 25-27; Korres 2009, 80 Abb. 4-5. 184 Fiechter 1935, 38-41 zu Dörpfelds „Alter Orchestra“; Fiechter 1936, 69-71 Taf. 17-18. 185 Bieber 1939; Pickard-Cambridge 1946. 186 Anti 1947, 55-84; als Supplement erschien Anti - Polacco 1969. Vgl. die Rezension von Fensterbusch 1949, 299 f.; Junker 2004, 15. 187 Gebhard 1974; Pöhlmann 1981. 188 Bulle 1928, 70 Taf. 4 Plan II; Fiechter 1936,72 Taf. 18-19; Dinsmoor 1951-53, 328-330 Abb. 2; Travlos 1971, 537 Abb. 677; Wiles 1997, 44-46. 49-52; Knell 2000, 127 f. Abb. 91; Gogos 2005, 94-99 Abb. 30; Junker 2004, 17 Anm. 14; vgl. Valavanis 2009, 90-99. 189 S. Froning 2002, 38-43; Moretti 2000; Junker 2004; Korres 2009, 78-80 tendiert gegenüber älteren (fig. 4.3) zu den neueren Ansichten hinsichtlich der rechteckigen Form des Holztheaters (fig. 4.5); Valavanis 2009, 99; diesbezügliche Diskussion bei Papastamati-von Moock 2015, 49 f. 190 Kalligas 1963, 14 f.; Dontas 1960, 53 Anm. 1 Abb. 3. Die Ausgrabungsergebnisse und stratigraphischen Befunde sind nicht 195 Auf der Suche nach dem „Theater der Tragiker“ abschließend publiziert. Zu dieser Problematik und den diesbezüglichen Meinungen s. Papastamati-von Moock 2015, 45- 49. 191 Goette 2007, 117 Abb. 1 Nr. 11; Moretti 2000, 296 f.; Froning 2002, 41. 46 Abb. 44-45. 50. 192 Fiechter 1936, 70; Goette 1995, 40 f.; Gogos 2005, 68; Csapo 2007, 104 f. mit der einschlägigen Literatur. 193 Wurster 1993, 37-42. 194 Häufig ist der „provisorische“ Charakter des hölzernen Theaters hervorgehoben worden, einer Konstruktion also, die anlässlich der Dionysien jeweils auf- und wieder abgebaut wurde, s. Wilamowitz-Moellendorff 1886, 602; Gogos 2005, 68; Csapo 2007, 104-108. 112; Erörterung dieses Themas bei Papastamati-von Moock 2015, 40 f. Anm. 5. 195 Mantis 2007. 196 S. u. a. Papastamati-von Moock 2014; Papastamati-von Moock 2015. 197 Papastamati-von Moock 2015, 49-55 Abb. 6-10; 64-66 Abb. 15-16. Die hier skizzierten Schlussfolgerungen basieren auf dieser ersten vorläufigen Publikation. 198 In diesem Sinne bereits Bulle 1928, 16. 199 Froning 2002, 35 Abb. 27-28; Papastamati-von Moock 2015, 43 Abb. 2. 200 Papastamati-von Moock 2015, 40-45. 201 Papastamati-von Moock 2014, 23-35. 202 Papastamati-von Moock 2015, 55-62 Abb. 18-19. 203 Papastamati-von Moock 2015, 62-67 Abb. 19. 204 Bulle 1928, 53-55. 73. 79; s. o. 205 Schörner 2002, 67 Abb. 77; Papastamati-von Moock 2015, 67- 71 Abb. 17. 206 Papastamati-von Moock 2015, 67-71 Abb. 17; zur Form und zu den Maßen der lykurgischen Skene vgl. Papastamatti-von Moock 2014, 60-72 Abb. 1.34-43. 207 Vgl. Papastamati-von Moock 2014, 64-72 Abb. 1.34; 1.37-43 mit Erörterung der älteren Meinungen vor allem zur Interpretation des viel diskutierten Fundaments T. 208 Papastamati-von Moock 2014, 52-60 Abb. 1.30-33; vgl. Papastamati-von Moock 2015, 48. 209 Papastamati-von Moock 2015, 69. 210 Es handelt sich um die Inschrift IG II2 1176; SEG 19.117; 21.521 (324/ 3 v. Chr.). Verf. schließt sich der von Stroud 1974, 290-298 vorgeschlagenen Ergänzung (Fragmente a und b Z. 6-8) an: Das Verb περιαλείψωσιν deutet auf einen mit einem Überzug versehenen Putz bei der Skene des Holztheaters hin. Die Korrektheit der Ergänzung wird durch die vergleichbare Begrifflichkeit für die Renovierung eines Gebäudes in der Inschrift IG II 2 2499 Z. 7-11 (306/ 5 v. Chr.) und durch die entsprechenden archäologischen Beobachtungen im Fall der „perikleischen“ Skene des athenischen Holztheaters gestützt, s. Papastamati-von Moock 2015, 67-71. Anders ergänzt und deutet die Inschrift Eric Csapo (Csapo 2007, 91-92). Ich danke R. Stroud für die „elektronische“ Diskussion der Inschrift und seiner Ansichten. 211 Xen. Cyr. 6, 1, 54, Vgl. Froning 2002, 52. 212 Zum Thema der klassischen Skene, dem Platz und dem Aussehen der Bühnenmaschine sowie einer Diskussion der älteren Meinungen s. Papastamati-von Moock 2014, 60-72 Abb. 1.42-43; Papastamati-von Moock 2015, 67-71. 213 Dörpfeld - Reisch 1896, 191. 349. 214 Die teilweise Weiterführung dieses Programms auch noch nach dem Tod des Perikles belegt auch die Verbindung der Herstellung der goldelfenbeinernen Sitzstatue des Dionysos für den jüngeren Tempel des Gottes mit dem berühmten Bildhauer Alkamenes (spätes 5. Jh. v. Chr.), deren Ausarbeitung in Analogie zum Tempel des Hephaistos und der Athena auf der Agora der Aufstellung der Statue vorhergegangen sein muss. Für eine Diskussion dieses wichtigen Themas, der älteren Ansichten und der Datierung der älteren Verwendung des Konglomeratgesteins s. Papastamati-von Moock 2015, 45-49. 215 Für eine detailliertere Diskussion auf der Grundlage neuer archäologischer Hinweise s. Papastamiti-von Moock 2015, 71- 73. 216 Papastamati-von Moock 2015, 71-73 Abb. 19. 217 Csapo - Wilson 2014; Papastamati-von Moock 2014. Abbildungsverzeichnis Abb. 1: T. Tanoulas, Τὰ Προπύλαια τῆς Ἀθηναϊκῆς Ἀκρόπολης κατὰ τὸν Μεσαίωνα I-II (Athen 1997), II Abb. 3 Abb. 2: T. Tanoulas, Τὰ Προπύλαια τῆς Ἀθηναϊκῆς Ἀκρόπολης κατὰ τὸν Μεσαίωνα I-II (Athen 1997), II Abb. 4 Abb. 3: A. G. Guillet, Athènes ancienne et nouvelle, et l’estat présent de l’empire des Turcs, contenant la vie du Sultan Mahomet IV, le ministere de Coprogli Achmet Pacha, G. Vizir, & son campement devant Candie, avec le plan de la ville d’Athènes [Paris 1675] 3 1776 Abb. 4: A. G. Guillet, Athènes ancienne et nouvelle, et l’estat présent de l’empire des Turcs, contenant la vie du Sultan Mahomet IV, le ministere de Coprogli Achmet Pacha, G. Vizir, & son campement devant Candie, avec le plan de la ville d’Athènes [Paris 1675] 3 1776 Abb. 5: T. Tanoulas, Τὰ Προπύλαια τῆς Ἀθηναϊκῆς Ἀκρόπολης κατὰ τὸν Μεσαίωνα I-II (Athen 1997), II Abb. 15 Abb. 6: R. Chandler, Reisen in Griechenland unternommen auf Kosten der Gesellschaft der Dilettanti ([1776] Leipzig 1777) 3-4 Abb. 7: B. Du Bocage, Recueil de Cartes Geographiques, Plans, Vues et Medailles de l’Ancienne Grece, relatifs au Voyage de Jeune Anacharsis (Paris 1788), Abb. 8 Abb. 8: L. Gallo, Lord Elgin and the Ancient Architecture. The Elgin Drawings at the British Museum (Cambridge 2009), 115 Abb. 115 Abb. 9: F. Buscemi, Plan d’Athènes avec ses monuments restaurés. Un inedito di Sebastiano Ittar, in ASAtene 84, 2006, 138 Abb. 6 Abb. 10: E. Curtius - J. A. Kaupert (Hrsg.), Atlas von Athen (Berlin 1878), Taf. X Abb. 11: J. Wheeler, The Theatre of Dionysos. Papers of the American School of Classical Studies at Athens, 1, 1882-83 Abb. 12: Photo: Verf. Abb. 13: Chr. Papastamati-von Moock, The Wooden Theatre of Dionysos Eleuthereus in Athens: Old Issue, New Research, in: R. Frederiksen, E. Gebhard, A. Sokolicek (Hrsg.), The Architecture of the Ancient Greek Theatre, Acts of an International Conference at the Danish Institute at Athens, 27-30 January 2012, Monographs of the Danish Institute, 17 (Aarhus 2015), 65 Abb. 16 196 Christina Papastamati-von Moock Abb. 14: Chr. Papastamati-von Moock, The Wooden Theatre of Dionysos Eleuthereus in Athens: Old Issue, New Research, in: R. Frederiksen, E. Gebhard, A. Sokolicek (Hrsg.), The Architecture of the Ancient Greek Theatre, Acts of an International Conference at the Danish Institute at Athens, 27-30 January 2012, Monographs of the Danish Institute, 17 (Aarhus 2015), 73 Abb. 19; - W. M. Leake, The Topography of Athens with Some Remarks on its Antiquities (London 1821) Literaturverzeichnis Alberti [1667] 1966 L. B. 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Von beklemmender Aktualität erscheint heute aus dieser Perspektive der umgekehrte Prozess des von den westlichen Alliierten und Russland mit Hilfe zahlreicher Philhellenen gelenkten und unterstützen griechischen Befreiungskampfes vor knapp 200 Jahren: die Aufrüstung, Finanzierung und Ermutigung der (je nach Deutungshoheit so genannten) Freischärler / Freiheitskämpfer / Rebellen / Warlords in den 1820er Jahren sowie der Beschluss auf der Londoner Konferenz 1830, die muslimisch-türkische Fremdherrschaft über Griechenland mit aller Macht zu brechen und stattdessen ein neues Hellas als christliche und prowestlich-abendländische Monarchie zu konstruieren. 2 Die keineswegs selbstverständliche Wahl Athens zur Hauptstadt, ihre auf die Akropolis ausgerichtete städtebauliche Konzeption nach einem neuen Generalbebauungsplan, die Repräsentation des jungen Staates durch neoklassizistische Architektur, die Einführung traditioneller mediterraner bzw. malerischer Aspekte im Städtebau und insbesondere die Freilegung, Anastylose und wirkmächtige Inszenierung der antiken Stätten und klassischen Ruinen in den drei Jahrzehnten der Regierung König Ottos waren Ausdruck einer bis heute identitätsstiftenden Bau- und Erinnerungspolitik, wie ich im Folgenden mit Blick auf das Wirken der beiden bedeutendsten deutschen Architekten dieser Epoche in und für Athen, Karl Friedrich Schinkel und Leo von Klenze, detaillierter rekapitulieren möchte. 3 Wie der Doyen der Athenforschung, Alexander Papageorgiou-Venetas, in zahlreichen Beiträgen und seinem großartigen Buch „Hauptstadt Athen - ein Stadtgedanke des Klassizismus“ 1994 gezeigt hat, waren insbesondere die Hafenstädte Korinth, Nauplia und Piräus ernsthafte, aus wirtschaftlicher Sicht sogar vorzuziehende Konkurrenten um die Hauptstadtfunktion. Das seinerzeit mit nur etwa 6.000 Einwohnern viel kleinere, im Krieg stark zerstörte Athen verdankte seine Nominierung 1833 ausschließlich seiner mythischen und historischen Bedeutung, die in erster Linie von den elitären und romantischen Bildungseliten Westeuropas propagiert wurde: „Der Name Athens allein baut Athen wieder auf und gibt ihm seine vierte Epoche; Athen würde der Welt Griechenlands Hauptstadt bleiben, wenn man auch eine andere dafür erklären wollte…“, schrieb Klenze in seinem Bericht an die Regentschaft vom 9. September 1834 4 und wischte damit Gegenargumente wie die seines ehemaligen Mitarbeiters und jungen Rivalen Johann Gottfried Gutensohn vom Tisch, der im Mai 1833 König Otto für Piräus begeistern wollte und die nostalgische Überfrachtung des Neustarts mit der verklärten antiken Vergangenheit kritisierte: „Nach dem Sinn und Willen jener gelehrten Fanatiker sollte alles blos in dem contemplativen Staunen über die Denkmäler des Alterthums und ihre Gründer versinken, und in ein ewiges Halleluja darüber einstimmen […] Was […] der königliche Gründer entstehen lässt, wird in ihren Augen in Athen keine Beachtung finden.“ 5 Und noch im August 1834 hatte es heftigen Widerstand gegen die Aufgabe der provisorischen Hauptstadt Nauplia zugunsten Athens aus militärischen, sicherheitspolitischen und finanziellen Gründen gegeben. 6 Die griechische Hauptstadtgründung zeigt übrigens einige verblüffende Parallelen zur deutschen Hauptstadt-Diskussion und zur knappen Wahl Berlins nach der deutschen Wiedervereinigung 1991. 7 Den Mythos Athen bedienend wurden schon von Anbeginn die tatsächlichen historischen „events“ vor der Kulisse des Theseustempels und der Akropolis inszeniert, etwa der Empfang König Ottos in Athen am 23. Mai 1833, der in dem eindrucksvollen, schon vierzehn Tage später in Auftrag gegebenen monumentalen Staatsgemälde von Peter von Hess propagandistisch überhöht wurde (Abb. 1). 8 Die Weichen für Neu-Athen wurden inoffiziell schon während der Provisorischen Regierung unter Agostinos Kapodistrias gestellt, als diese 1832 die beiden jungen Architekten Eduard Schaubert (einen Schlesier, der bis 1846 als Stadtbaumeister von Athen wirkte) und Stamatios Kleanthes (einen aus dem deutschen Exil zurückgekehrten griechischen Freiheitskämpfer und späteren Marmorsteinbruch-Unternehmer) offiziell mit einem Stadtentwicklungsplan beauftragte. Ihr im Juli 1833 von König Otto genehmigter Plan (Abb. 2) 9 löste nach dem Abstecken der neuen Straßen unverzüglich Grundstücksspekulationen aus und setzte eine vorzeitige Bautätigkeit in Gang, die in der Hauptstadtdiskussion 204 Adrian von Buttlar als fait accompli wirkte. Beide Architekten hatten in der zweiten Hälfte der 1820er Jahre als Schüler Karl Friedrich Schinkels an der Berliner Bauakademie studiert, und so steht die Frage im Raum, wieviel preußische Stadtbaukunst in ihrem Stadtentwicklungsplan steckt: Schaubert und Kleanthes umgürten die Altstadt und die Akropolis im Norden mit einer regelmäßig angelegten, im Grundriss als Dreieck konzipierten Neustadt, die durch ein überwiegend orthogonales Staßennetz im Sinne des Hippodamischen Systems strukturiert wird. An den Rändern und im Anschluss an die Kreisplätze und öffentlichen Bauten auf beiden Seiten wird das Raster in die Diagonale gedreht. Die mittlere der drei, im Scheitelpunkt eines Neuen Schlossbaus kulminierenden Hauptachsen (die spätere Athenastraße) ist auf die Akropolis ausgerichtet, die gleichsam zum point-de-vue bzw. zur Hauptvedute der Neustadt erhoben wird. Diese Leserichtung wird durch die ungewöhnliche Südung des Plans veranschaulicht. Die westliche Diagonalachse (die Piräus Tsaldari) führt nach Piräus, die östliche (Stadiou) zum Stadion. Die Bauten für Militär und Handel liegen entsprechend im Westen, für Kultur und Bildung (die später von Theophil und Christian Hansen sowie Abb. 2: Eduard Schaubert / Stamatios Kleanthes: Stadtentwicklungsplan für Athen 1833. Abb. 1: Peter von Hess: Empfang König Ottos in Athen am 23. Mai 1833. 205 Die Akropolis weiterbauen? Schinkel und Klenze inszenieren Athen Ernst Ziller errichtete so genannte „Athener Trilogie“ aus Akademie, Bibliothek und Universität) im Osten. Die Hypotenuse des Neustadtdreiecks bildet die spätere Hermesstraße (Hermou), die den Südrand der Plaka durchschneidet und die Grenze zum antiken Grabungsareal am Fuß der Akropolis bildet, das nach umfänglichem Abriss der dort stehenden Häuser von jeder Neubebauung freigehalten werden sollte. Die Nordspitze wird durch einen öffentlichen Stadtpark gebildet, der bemerkenswerterweise zugleich als Schlosspark fungieren sollte. Südlich des Schlosses erstreckt sich ein langgestreckter begrünter Platzraum, gerahmt von den freistehenden Ministerien und dem Bazar, der in den mit Bäumen bepflanzten Boulevard der Athenastraße einmündet. Trotz dieser klaren schematischen Ordnung war kein starre Symmetrie angestrebt: Schaubert und Kleanthes wollten vielmehr die überkommene griechische Sozial- und Siedlungsstruktur durch eine offene Bebauungsweise im Sinne einer Gartenstadt aufgreifen: So waren pro Block innerhalb des Rasters etwa zehn bis fünfzehn einbis zweistöckige Häuser mit Höfen und Gärten vorgesehen - also eine niedrige Bebauungsdichte, die einer Einwohnerzahl von etwa vierzigbis fünfzigtausend Menschen entsprochen hätte. Zwar gibt es einige vergleichbare Dreiecksvarianten im spätabsolutistischen Städtebau, aber naheliegender erscheint eine Anregung von Schinkels Lehrer Friedrich Gilly, der um 1798 den Grundriss einer „griechischen“ Idealstadt am Meer skizzierte, der viele Parallelen zum Schaubert-Kleanthes-Plan aufweist (Abb. 3). 10 Für diese Quelle spricht auch, dass Schaubert und Kleanthes 1833 bei einem Kurzbesuch in Berlin die heute in der Potsdamer Plankammer befindliche Fassung ihres Planes Schinkel zur Begutachtung vorgelegt haben sollen. 11 Immerhin ein gutes halbes Jahr war seit der Genehmigung des Schaubert-Kleanthes-Planes vergangen, doch hielten zahlreiche Hindernisse, darunter Proteste gegen den Erlass zur Verstaatlichung und gegen den Abriss der Privathäuser in der zukünftigen Grabungszone sowie Streit über die fälligen Entschädigungssummen in Millionenhöhe die Planungen schnell auf und schließlich setzte Regentschaftsrat Georg Ludwig von Maurer im Frühjahr 1834 den weiteren Vollzug des Planes ganz aus. König Ludwig I. inspizierte den Plan in München im Mai und missbilligte ihn: „Eine so wichtige Sache wie die Anlage einer neuen Residenzstadt an der Stelle des ehemaligen Athen kann Ich umso weniger mit Gleichgültigkeit ansehen, als hier das Interesse meines Sohnes und meiner Dynastie mit dem allgemeinen Interesse für eine Kunstschöpfung im Vaterlande der Kunst und alles Schönen in den engsten Verein tritt […] Wenn auch mit Talent für das einzelne begabt, scheinen die Verfasser dieses Stadtplanes junge Leute zu seyn, die der Umsicht und Erfahrung entbehren, welche nur eine lange und practische Ausübung der Architektur geben kann […] Es ist ein ganz lebhafter Wunsch von mir, dass Klenze heuer nach Hellas komme“, schrieb König Ludwig Anfang Juni an die Regentschaft. 12 Allerdings musste der Eindruck einer allzu direkten Einmischung aus Bayern vermieden werden, indem der Wunsch einer „Beratung“ durch den Münchner Hofbauintendanten von der griechischen Regierung ausgehen sollte, die auch Klenzes Honorar- und Reisekosten zu tragen hatte. Die offizielle Einladung von Außenminister Rizos-Neroulos vom 7. Juli erreichte Klenze erst, als er am 23. Juli in Korfu griechischen Boden betrat. Drei zentrale Aufgaben hatte Klenze während seines dreimonatigen Aufenthaltes in Griechenland zu lösen: Die erste war die geheime diplomatische Mission der Ablösung der Regentschaftsratsmitglieder Georg Abb. 3: Friedrich Gilly, Skizze einer Idealstadt am Meer, um 1798 (ehemals TH Berlin, verschollen). 206 Adrian von Buttlar Ludwig von Maurer und Karl von Abel, die sich von den politischen Leitlinien Ludwigs entfernt und mit dem präsidierenden Regentschaftsrat, Josef Ludwig Graf von Armansperg, heftig zerstritten hatten. Die zweite war die Revision des Athener Stadtplanes und die dritte, dem jungen König Otto den Entwurf Karl Friedrich Schinkels für ein Königsschloss auf der Akropolis (den Klenze in seinem Reisegepäck mit sich führte) zu präsentieren und zugleich auszureden. Stattdessen sollte Otto vom Rückbau der Akropolis zu einer authentischen Denkmalstätte überzeugt werden. Schließlich ging es viertens um einen praktikablen Gegenvorschlag für die Errichtung der königlichen Residenz und ihren angemessenen Platz im neuen Stadtgefüge. Was unterscheidet Klenzes 1834 in Athen entwickelte Planrevision (Abb. 4) 13 vom Konzept seiner Vorgänger? Zum einen fällt ins Auge, dass die Plaka nicht mehr in relativ große und gleichmäßige Blöcke unterteilt ist, sondern in viel größerem Maße als verwinkelte und gewachsene Altstadt erhalten werden sollte und auch tatsächlich erhalten wurde, weshalb man Klenze durchaus als deren „Retter“ bezeichnen kann. Zwar waren wohl in erster Linie ökonomische Zwänge ausschlaggebend (die Entschädigungssumme reduzierte sich von 1,4 Millionen Drachmen auf etwa ein Zehntel). 14 Andererseits „entdeckte“ Klenze zu dieser Zeit gerade die Reize der gewachsenen mediterranen Stadt, wie sie Schinkel zu Beginn des Jahres 1833 gegenüber dem bayerischen Kronprinzen Maximilian in seinem Plädoyer für eine regionalspezifische, malerische Bauweise in Griechenland propagiert und in seinem Idealentwurf für das Schloss auf der Akropolis umgesetzt hatte. Schinkel polemisierte in seinem Schreiben gegen die akademische geregelte „Städtelangeweile“ des Nordens, 15 und sein junger Kollege, Preußens erster Denkmalschützer Ferdinand von Quast, veröffentlichte 1834 in der Zeitschrift „Museum“ unter dem Titel „Mitteilungen aus Alt- und Neuathen. Neubau der Stadt Athen und des Kgl. Schlosses auf seiner Burg“ den entsprechenden städtebaulichen Entwurf einer Hügelstadt. Quast schlug neben der Erhaltung der Plaka im Norden einen neuen, sich den südlichen Hügeln anschmiegenden, der mediterranen Bauweise angepassten Neustadtgürtel vor. Dieser Anpassungsprozess signalisiert den Versuch, eine klimatisch und ästhetisch verwurzelte landeseigene Tradition aufzugreifen und somit zu einer eigenständigen griechischen Identitätsbildung beizutragen. 16 Das von Klenze vorformulierte Abschlussdekret der griechischen Regierung vom 30. September 1834 bestätigt diesen Paradigmenwechsel, wenn es heißt: „Denn es ist unsere Absicht, dass die neue Stadt Athen sich hierdurch von den Städten nördlicher Länder auszeichne […] Die Baucomission […] hat wohl zu bedenken, dass durch den zweckmäßigen und klimatischen schönen Styl der Gebäude die Schönheit einer südlichen Stadtanlage weit mehr, als durch eine geometrische Regelmäßigkeit des Stadtplanes befördert und begründet wird […] Wir wollen, dass diesem Stadtteile der allen älteren Städten Europas eigenthümliche malerische Charakter nicht gewaltsam genommen werde“. 17 Rückblickend behauptet Klenze sogar, es sei eigentlich sein „innigster Wunsch“ gewesen, „den neuen Stadtanlagen die Höhen am westlichen und südlichen Theile der Akropolis, sowie die höher gelegene Gegend anzuweisen, welche sich vom Museion bis zur Kallirhoe und von dort zum Lykabettos hindehnt. Aber leider war ich hierin nicht mehr frei“. 18 Die Grundlinien von Schaubert und Kleanthes waren in der Tat irreversibel. In der Binnengestaltung des Schemas hat Klenze jedoch die zahlreichen als unzweckmäßig und hässlich Abb. 4: Leo von Klenze, Revidierter Stadtentwicklungsplan für Athen 1834, Lithographie (König- Otto-von-Griechenland-Museum Ottobrunn). 207 Die Akropolis weiterbauen? Schinkel und Klenze inszenieren Athen bemängelten „spitzen Winkel“ und rhomboiden Plätze im Straßennetz zugunsten einer beruhigteren und klareren Ausbildung der Textur der Neustadt aufgegeben, die sich nun in ihrer rationalen Geometrie deutlicher gegen den Altstadtkern abhebt. Durch eine Bebauung auch mit dreistöckigen Wohnhäusern, eine Verringerung der Straßenbreite und Verdichtung der Baumassen wird die Gesamtflächenausdehnung verringert und die Rentabilität erhöht. Klenze rechnete nur noch mit etwa 25.000 Einwohnern. Vor allem aber hat ein wichtiger Wechsel in der Hierarchie der Symbolbauten stattgefunden. Der spätabsolutistische Habitus des Schlosses als Anfangs- und Endpunkt des Achsensystems wird zugunsten der geplanten Erlöser-Kathedrale (heute Omonia-Platz) aufgegeben, die von der Macht des Christentums als Gegenpol zum antiken Tempelberg - also von den beiden Grundsteinen abendländischer Kultur - künden sollte. Das Schloss selbst ist bereits im Zuge dieser Planrevision in Richtung der Nymphenhügel seitlich des Aereopag an die südwestliche Peripherie gerückt worden, wo es im Rahmen eines geschlossenen Regierungsviertels zwar eine erhöhte und herausgehobene Position einnimmt, aber letztlich in der Wertehierarchie den Manifestationen von Religion und Geschichte untergeordnet bleibt. Mit Recht stellte Klenze in seinen „Aphoristischen Bemerkungen gesammelt auf seiner Reise nach Griechenland“ (1838) als Fazit seiner Planung fest: „Eine Anlage in Athen ist eine europäische Kunstangelegenheit, und man ist dafür gewissermaßen ganz Europa Rechenschaft schuldig“. 19 Auch wenn nur Bruchteile der Klenze’schen Vorschläge realisiert wurden und das Schloss schlussendlich nach einem Entwurf seines Rivalen Friedrich von Gärtner auf der gegenüberliegenden nordöstlichen Seite der Akropolis am Syntagmaplatz errichtet worden ist, lässt sich die Konzeption Klenzes noch heute im Stadtgrundriss ablesen. Die Regierung verabschiedete seine Planung in dem 22 Artikel umfassenden Erlass vom 30. September 1834. 20 Eine besonders schwierige Hürde für diesen Erfolg Klenzes war der Umgang mit Schinkels berühmter Planung für das Schlossprojekt auf der Akropolis, die damals noch aus türkischer Zeit dicht mit Häusern und Befestigungsanlagen bebaut war (Abb. 5). 21 Die außergewöhnliche Idee, die als prominentestes Zeugnis des alten Griechenland verehrte Akropolis „weiterzubauen“, geht auf den preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm [IV.] zurück, der schon 1829, als noch Prinz Johann von Sachsen als Griechenlands Thronkandidat diskutiert wurde, neben die Grundrisse des Potsdamer Marmorpalais und des zukünftigen Schlösschens Lindstedt einen „akropolischen Palast für Athen - an den Prinzen Johann von Sachsen“ kritzelte. 22 Klenze bestätigt in seinen Geheimen Tagebüchern die Rolle des preußischen Kronprinzen als Initiator, der ihm im Dezember 1833 in München mitgeteilt habe, „dass er einen Entwurf gemacht habe, der König Otto solle sich auf der Höhe der Acropolis von Athen einen Palast bauen und wenn er nach Berlin zurückkomme, würde er Schinkel bitten, diese seine Skizze Abb. 5: Edward Dodwell, Die Akropolis 1805 208 Adrian von Buttlar auszuarbeiten“. 23 Demnach entstanden Schinkels am 9. Juni an den bayerischen Kronprinzen Maximilian nach München abgesandten Pläne im Frühjahr 1834. 24 Schon zu Beginn des Jahres 1833 hatte Maximilian, gleichsam als Berater seines jüngeren Bruders Otto, Schinkel über das Ideal in der Baukunst, namentlich bezüglich Griechenlands, konsultiert. Schinkels berühmt gewordene Antwort umschreibt prägnant sein Streben nach einer freien organischen, individuell auf Funktion, Zeit und Ort abgestimmten Entwurfsentwicklung: „Es folgt hieraus schon von selbst, dass das Streben nach dem Ideal in jeder Zeit sich nach den neu eintretenden Anforderungen modifizieren wird, dass das schöne Material, welches die verschiedenen Zeiten für die Kunst bereits niedergelegt haben, den neuesten Anforderungen theils näher, theils ferner liegt und deshalb in der Anwendung für diese mannigfach modifiziert werden muss, dass auch ganz neue Erfindungen nothwendig werden, um zum Ziele zu gelangen, und dass, um ein wahrhaft historisches Werk hervorzubringen, nicht abgeschlossenes Historisches zu wiederholen ist, wodurch keine Geschichte erzeugt wird, sondern ein solches Neues geschaffen werden muss, welches imstande ist, eine wirkliche Fortsetzung der Geschichte zuzulassen. Hierzu gehört freilich neben der Kenntnis des gesamten historisch Vorhandenen eine Phantasie und das Divinationsvermögen, das rechte und gerade der Kunst nothwendige Mehr wenigstens für die nächste Zukunft zu finden.“ Und zur anstehenden Athener Schlossbaufrage äußert er sich - ohne schon konkret auf einen Bauplatz einzugehen - mit einer auch heute noch aktuell anmutenden Definition des Weiterbauens im historischen Bestand: „Könnte man altgriechische Baukunst, in ihrem Prinzip festhaltend, sie auf die Bedingungen unserer neuen Weltperiode erweitern, worin zugleich die harmonische Verschmelzung des Besten aus allen Zwischenperioden liegt, so möchte man für die Aufgabe vielleicht das Geeignetste gefunden haben“. Insbesondere fordert Schinkel für Athen zunächst das Konzept „einer auf die Sitte und das Bedürfnis des Landes basierten Lebensweise des Fürsten und dann die Auswahl einer recht charakteristischen und schönen Lokalität für einen Bau dieser Art […] Schwerlich dürfte dann ein Werk nach den lange abgenutzten neuitalienischen und neufranzösischen Maximen hervorgehen, worin besonders ein Mißverstand von Symmetrie so viel Heuchelei und Langeweile erzeugt hat und eine ertötende Herrschaft errang“. 25 In der Tat war Schinkels Entwurf eine durch und durch innovative architektonische Sensation und ist seit jeher als ein Hauptwerk des romantischen Klassizismus und Wegbereiter der Moderne gewürdigt worden (Abb.- 6) 26 : Dazu gehört die freie, den repräsentativen und privaten Funktionen des Hofes angepasste Disposition des Grundrisses, der ohne Symmetrie-Zwänge und in variierender Höhenentwicklung die antiken Baudenkmäler im Süden und Osten umspielt. Die pittoreske Silhouette der malerischen Baugruppe präsentiert sich - in Weiterentwicklung des einige Jahre zuvor entstandenen kronprinzlichen Schlosses Charlottenhof in Potsdam - in einer klassischen, gleichsam neuhellenischen For- Abb. 6: Karl Friedrich Schinkel: Grundriss des königlichen Palastes auf der Akropolis 1834 (SGS München 25071). 209 Die Akropolis weiterbauen? Schinkel und Klenze inszenieren Athen mensprache und nicht mehr im Stil der englischen Castle-Gothic wie in Schloss Babelsberg für Prinz Wilhelm von Preußen. Im Geiste der „griechischen Tektonik“ ist das durch Peristylhöfe und Gartenanlagen aufgelockerte Gebäude-Ensemble auf der Akropolis unter Verzicht auf jedwede (römische) Wölbungsform konzipiert. In seinem erläuternden Begleitbrief an Kronprinz Maximilian vom 9. Juni 1834 geht Schinkel sowohl auf die Vorzüge des einzigartigen Bauplatzes als auch auf die außergewöhnlichen Schwierigkeiten ein, die mit der Realisierung verbunden wären (der mühsame Aufstieg, die exponierte Wetterlage, Wassermangel und immense Kosten). Neben der Verteidigungsfähigkeit des Burgberges hebt er dagegen vor allem die historisch-symbolische Bedeutung des Bauplatzes hervor, dessen Wahl die Wiedergeburt Griechenlands signalisieren würde: „Die Acropolis bildet einen der leuchtendsten Punkte in der Weltgeschichte, an welche sich unendliche Gedankenreihen knüpfen, die dem ganzen Geschlechte fortwährend wichtig und teuer bleiben müssen“. 27 Ferdinand von Quast unterstreicht in seinem genau in dieser entscheidenden Phase lancierten Aufsatz über „Alt- und Neuathen“, dass sich nach Jahrtausenden der geschichtliche Kreis schlösse, wenn König Otto wieder die alte Burg des Kekrops beziehen würde. 28 In welcher Weise Schinkels Architektur als solche auf eine neugriechische Identitätsbildung zielte, ist nicht ganz leicht zu definieren. Das Schloss konnte nicht einfach in ein traditionelles historisches Gewand schlüpfen wie König Otto, von dem zahlreiche Bilder in griechischer Nationaltracht überliefert sind - eine Verkleidung, die natürlich keineswegs einen Bayern in einen Griechen verwandelte. Vielmehr suchte Schinkel seinen theoretischen Erläuterungen zufolge die altgriechische Architektursprache in eine zeitgemäße neugriechische zu transformieren, die auf eine fürstliche Lebensweise zugeschnitten war, welche auf der (allerdings aus der westlichen Ferne) imaginierten „Sitte und dem Bedürfnis des Landes“ basieren sollte: Er plante Regierungs- und Wohnpalast in einem lockeren Gefüge repräsentativer und privater Funktionen. Die zwischen Innen und Außen changierende, dem heissen Klima entsprechende Konzeption der aufgelockerten Baukörper und ineinanderfließenden Räumlichkeiten und Höfe, die heitere Anmutung der gerade wiederentdeckten antiken Polychromie, 29 die die Verschmelzung von Bauwerk landschaftlichen Raum in einem malerischen Gesamtbild beförderte, der Kontrast der stolzen Würdeformen von Tempelportikus und Pergola zum wohnlichen Charme der leichten und eleganten Markisen und Sonnensegel und nicht zuletzt die üppige Ausstattung der Peristyle und des Tempelplateaus mit kunstvollen Gärten und Brunnenanlagen hätten die idealisierte Atmosphäre einer exotischen, von den westlichen Repräsentationsformen weit entfernten Hofhaltung geschaffen. Es war seine Absicht, dass die verschiedenen Teile „mit Gartenanlagen mannigfaltig gemischt, sich mehr in malerischer Gruppierung den antiken Anlagen und unregelmäßigen Formen der alten Burg an[schließen], als dass die ganze neue Anlage mit der alten in einem modern prätentiösen Contrast“ auftrete (Abb. 7). 30 Schinkel hatte sich zwar auf dem Papier aus „Pietät gegen die vorhandenen Altertümer des Ortes“ in der Höhenentwicklung seines Akropolispalastes bewusst unterhalb der Maße des Parthenon und der übrigen antiken Denkmäler bewegt: Nie habe er auch nur Abb. 7: Karl Friedrich Schinkel, Ansichten des Akropolispalastes von Westen und Süden 1834 (SGS München 25072). 210 Adrian von Buttlar einen Quadratzentimeter heiligen antiken Bodens preisgeben wollen (und in diesem Sinne verteidigt ihn später auch Franz Kugler). 31 Aus der Ferne Berlins aber hatte er nicht bedacht, dass aus dem gut 60-80 Meter tiefer liegenden Blickwinkel der Stadt Athen alle seine am Rand des Akropolisplateaus platzierten einstöckigen Neubauten die antiken Ruinen dominieren und weitestgehend verdecken würden. Zwar hielt er Abstand von den Monumenten, doch hätte die künstliche Nivellierung und die Anlage von Terrassen, Rampen, Gärten und Brunnen unwiderrufliche Eingriffe in die historische Topographie mit sich gebracht. Das Medium des schönen Bildes, das seinem Entwurf von Anbeginn anhaftete, überdeckte diese Schwächen seiner denkmalpflegerischen Strategie. Für die üppige Begrünung der Akropolis dürfte die Alhambra in Granada Pate gestanden haben, die in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts durch die Erzählungen von Washington Irving und die entsprechenden malerischen Veduten von Alexandre Laborde, John Frederick Lewis, Joseph-Philibert Girault de Prangey und Owen Jones große Popularität gewann, auch wenn - wie die neuere Forschung nachgewiesen hat - die dort gezeigten Gartenpartien keineswegs authentisch, sondern weitestgehend Projektionen des 19. Jahrhunderts waren. Schon Schinkels Biograph Franz Kugler hat die Alhambra 1838/ 1842 vergleichsweise ins Feld geführt, um zu beweisen, dass auch auf der Akropolis eine solche exotische Oase möglich gewesen wäre, zumal mit den Mitteln der modernen Technik. 32 Denn Schinkel hatte in seinen Erläuterungen zu den Plänen gerade die „natürlichen“ Hindernisse durch moderne Wissenschaft und Technik für überwindbar erklärt: beispielsweise durch den Bau einer bequemen Fahrstraße, durch Tiefbohrungen für Quellen, unterirdische Druckwasserleitungen und von Dampfmaschinen getriebene Pumpen. Eine solche Adaption neuer Technik im historischen Kontext hatte er übrigens bereits 1825 unauffällig in seinem Gemälde „Blick in Griechenlands Blüte“ eingebracht, wo er den Tempelbau im Vordergrund mit der Darstellung einer maschinellen Hebebühne mit eisernen Zahnrädern moderner Bauart verband. 33 Bedenkt man, dass die Akropolis seit dem Mittelalter als Residenz, Burg und Festung auch nach dem Abzug der türkischen Garnison (31. März 1833) noch vom Bayerischen Militär genutzt wurde und somit kontinuierlich bewohnt war (vgl. Abb. 5), so erscheint Schinkels aus dem fernen Berlin erdachte Vision keineswegs mehr so weltfremd wie auf den ersten Blick, zumal er auch angesichts der finanziellen Nöte der jungen Monarchie einen interessanten Vorschlag unterbreitete, wie Franz Kugler und Otto Friedrich Gruppe 1842 anmerkten: Seine neuartige malerische Disposition des Schlosses erlaube nämlich den Status sukzessiver Realisierung je nach Konsolidierung der Staatsfinanzen - ein Argument, das Schinkel gleichzeitig auch auf die malerische, alle finanziellen Vorgaben überschreitende Komposition von Schloss Babelsberg bei Potsdam anwendete und das dann auch Klenze für eigene Planungen von Museen in Athen und London aufgriff. 34 Über alle diese pragmatischen Hindernisse hinaus gab es zwei weitere schwerwiegende Gründe, den Schinkelplan zu Fall zu bringen: Zum einen das von Ludwig I. verfochtene konservatorische Argument der Freihaltung der Akropolis als reine Denkmalzone, das Klenze - falls er es nicht selbst dem König suggeriert hatte - mit voller Überzeugung vertrat und unverzüglich durch denkmalpflegerische Maßnahmen umzusetzen begann. Zum anderen bot sich für Klenze unter Hinweis auf die Sachzwänge die einmalige Chance, das Prestigeprojekt des Königsschlosses an sich zu ziehen. Klenze, der den Plansatz Schinkels in seinem Reisegepäck mit nach Athen genommen und König Otto auf der Akropolis erläutert hatte, bekundet in seinen Memorabilien für die Nachwelt seine durchaus glaubwürdige Begeisterung über die künstlerischen Qualitäten des Schinkelentwurfes, was auch Kronprinz Maximilian in einem Brief an seinen Onkel Friedrich Wilhelm bestätigt: Klenze sei ganz entzückt gewesen, habe aber „einige Skrupel was die Localität betrifft“ geäußert. 35 Klenze resümmiert rückblickend: „Schinkel selbst hatte mir mehrere male darüber geschrieben und mich gebeten, ihm meine Meinung über den Entwurf […] mitzuteilen […] Ich erkannte darin die große Genialität des trefflichen Architekten, allein von vornherein die Unmöglichkeit einer Verwirklichung und Ausführung […] Der Styl, die Einzelheiten, die malerische höchst geschmackvolle Disposition waren der reinsten Antike würdig und unübertrefflich schön“. Dann folgt das große Aber im Namen der Realitäten: Klenze setzt mit seiner Kritik bei der technischen Unmöglichkeit an, auf der Akropolis das Leben eines modernen Hofstaates anzusiedeln, etwa hinsichtlich der Wasserversorgung, des unerträglich heißen Klimas, des steilen Aufstiegs und mühseligen Güter- und Materialtransports. Vor allem aber hält er den Versuch Schinkels für missglückt, über diese Architektur eine neue, nationale Traditionen vermittelnde Identität für Griechenland zu definieren: Der Entwurf sei „völlig unpasslich für die europäischen Sitten des Königs und seines Hofes“. 36 Schließlich pflichtete Schinkel resigniert den Argumenten Klenzes bei und beteuerte, es habe sich nur um „eine Gefälligkeitssache für unseren Kronprinzen“ gehandelt und sei nichts weiter als „ein schöner Traum“ gewesen. 37 Von Ludwig Ross, dem Konservator der Altertümer, erfahren wir allerdings, dass König Otto lange den Wunsch hegte „die reizenden und durch harmonische Farbgebung noch anmutigeren Bilder wirklich ausgeführt zu sehen“. 38 Gerade in der bis heute aktuellen Frage einer Identitätskonstruktion durch Architektur stellt Klenzes vor Ort entwickelter eigener Entwurf, den ihm Ludwig schon vor der Abreise in Aussicht gestellt hatte und mit dem ihn dann der Regentschaftsrat am 12. August 1834 offiziell beauftragte, einen interessanten Kompromiss dar: Klen- 211 Die Akropolis weiterbauen? Schinkel und Klenze inszenieren Athen ze wählte in seinem Generalplan den so genannten Athanasioshügel nahe des Kerameikos als Bauplatz für das Regierungsviertel und stellte die monumentale, allansichtige Vierflügelanlage des Schlosses, die durch einen Querflügel geteilt wird und drei Höfe ausbildet, auf eine hohe Terrasse. Trotz der orthogonalen und symmetrischen Disposition hat er sich jedoch in vieler Hinsicht an Schinkels Akropolisprojekt angelehnt, indem er den Baukörper seines Solitärs durch erhöhte Eckpavillions, umlaufende Kolonnaden mit Durchblicken in die Höfe und durch eine sparsame, aber heitere Polychromie aufbrach und das Gesamtensemble durch eine aus der scena per angolo gleichfalls „malerisch“ wirkende Komposition der Baukörper, Höfe, Gärten und Rampen aufzulockern suchte (Abb. 8). 39 Der nach seiner Rückkehr nach München noch 1834 entstandene Aufriss zeigt, dass Klenze an der südwestlichen Peripherie gleichsam eine kleine künstliche „Hügelstadt“ plante und auch Schinkels auflockernde Alhambra-Gärten zu integrieren suchte. Das strahlend weisse Schloss schwebt gleichsam wie eine Stadtkrone über den aufgestaffelten Nebenbauten und Grünanalagen. Das neugriechische Vokabular ist mit der Schinkelschen Tektonik durchaus verwandt. Die Gliederung des Hauptbaukörpers, insbesondere der Mittelrisalite sowie die dorischen Kolonnaden hatten wenig später Einfluss auf Friedrich von Gärtners am Syntagmaplatz realisierten Schlossentwurf (heute Parlament) sowie auf Friedrich August Stülers Neues Museum in Berlin. 40 Klenze reagierte mit diesen Adaptionen auf die Drohung des preußischen Kronprinzen gegenüber König Otto, das schöne Schinkel-Projekt werde auf jeden Fall veröffentlicht und somit in Zukunft stets gegen ihn zeugen, sollte er sich „irgendeinen nordischen Kasten […] als Wohnung aufdrängen lassen“. 41 Im folgenden Jahr 1835, als Klenze das perspektivische Gemälde seiner Anlage als „preview“ für seine Auftraggeber anfertigte (Abb. 9) 42 , verteidigte er seine Synthese aus mediterraner Anmutung und westlichem Monumentalbau gegenüber Kronprinz Friedrich Wilhelm: Ein „ganz unbegreifliches Mißverständnis hat in Eurer königlichen Hoheit die Meinung erzeugt, ich solle oder wolle in Athen einen Palast im Style Ludwigs XIV. oder Ludwigs XV. [gemeint war damit ein geschlossener „nordischer Kasten“] bauen. Es ist dies aber ein so empörender Verdacht, daß ich mich vor Eurer königlichen Hoheit davon reinigen muss“. 43 Besonders aufschlussreich ist das später in den „Aphoristischen Bemerkungen“ (1838) dargestellte ikonographische Programm des Komplexes: So sollten die von den Ställen und Remisen zur Hauptterrasse führenden Freitreppen mit Reiterstatuen der alliierten Monarchen von Bayern, Frankreich, England und Russland (der Garantiemächte der neugriechischen Monarchie) geschmückt werden, während die zu den Ministerialgebäuden am Schlossplatz herabführenden Rampen von Statuen griechischer Freiheitskämpfer flankiert würden. Abb. 8: Leo von Klenze, Aufriss von Schloss und Regierungsviertel 1834 (SGS München 25050). Abb. 9: Leo von Klenze, Ansicht des geplanten Athener Schlosses 1835 (Eremitage St. Petersburg). 212 Adrian von Buttlar Der Vorschlag zeigt Klenzes philhellenische Einstellung. Zwar erwähnt er unter den griechischen Kämpfern namentlich nur Unumstrittene wie General Costa Bozzaris und Admiral Andreas Vokos Miaulis, die 1832 der Huldigungsdelegation Ottos in München angehört hatten, doch reichten seine diesbezüglichen Sympathien weiter als die der Regierung, die mittlerweile einen Disziplinierungskampf gegen verschiedene Freischärlergruppen wie die Klephten, Palikaren und die Clans der Maniaten führte. Klenze, der die Bavarisierung Griechenlands skeptisch kommentierte und mit erstaunlicher Offenheit und Sympathie für nationalgriechische Traditionen Partei ergriff, sah gerade in den als Räuberbanden verschrienen Klephten das „Fortleben der eigentlichen Kraft und Würde der griechischen Nation“. 44 Schinkel hatte vor seinem Palast auf der Akropolis die antike Monumentalstatue der Athena Promachos rekonstruiert. Klenze damals gerade mit der Bayerischen Ruhmeshalle und der Kolossalstatue der Bavaria (der ersten nachantiken Großbronze) befasst - hat sie in seinem Projekt zur Staatsallegorie einer siegreichen christlichen Hellas umgedeutet, die in der Rechten das erhobene Schwert und in der Linken das Kreuz hält. Während Schinkel in erster Linie die historische Bedeutung des Ortes veranschaulichen wollte, hält Klenze der besiegten islamischen Osmanenherrschaft demonstrativ den Triumph und die Wehrhaftigkeit des neuen christlichen Staates entgegen. Vielleicht geht diese Idee auf den bayerischen Kronprinzen Maximilian zurück, der sich auf Schinkels Akropolis anstelle der heidnischen Athena lieber den kolossalen Christus Thorvaldsens gewünscht hätte. 45 Schließlich scheiterte Schinkels Akropolisentwurf am Dilemma zwischen „Weiterbauen im Bestand“ - wie man es heute ausdrücken würde - und Denkmalpflege. Schon im April 1834, als er die Idee eines Akropolisschlosses nur vom Hörensagen kannte, hatte Ludwig I. seinem Sohn geschrieben: „Nicht auf der Akropolis baue Deinen Palast, auf ihr soll meines Dafürhaltens nichts Neues gebaut werden“. Die Vermischung der altehrwürdigen Denkmale mit Neubauten müsse für beide nachteilig sein. 46 Klenze eröffnete dann der Regentschaft nach seiner Ankunft unmissverständlich: „…unumgänglich notwendig erscheint mir die Erhaltung der antiken Denkmale auf und um die Akropolis und ihre Befreiung von modernen Umgebungen und [jüngeren] Ruinen“. 47 Als im Sommer 1834 vor Ort für alle Maßnahmen Verantwortlicher ebnete er - und darin liegt zweifellos eines seiner größten Verdienste dem Denkmalschutz den Weg. Seine diesbezüglichen Aktivitäten erfolgten in rasantem Tempo: Zwar hatte die Regentschaft bereits im Mai 1834 unter Federführung von Maurers eines der ersten und detailliertesten Denkmalschutzgesetze erlassen, doch war es noch nicht zu Umsetzungsmaßnahmen gekommen. Als erstes setzte Klenze die Ablösung des von der Regentschaft ernannten, in seinen Augen wenig engagierten Generalkonservators Anton Weissenborn durch den Kieler Archäologen Ludwig Ross durch, der bis dato als „Ephoros“ der Peloponnes amtiert hatte. 48 Zielte das Denkmalschutzgesetz in erster Linie auf die Unterbindung weiterer Zerstörungen der antiken Monumente durch Vandalismus, Raubgrabungen und Antikenhandel, so ging es Klenze bei der Wiederherstellung der Akropolis und anderer Grabungsstätten darüber hinaus um einen Akt politischer Identitätsstiftung. Als erstes ließ er mit einer Hundertschaft von Arbeitern und Soldaten das zugemauerte mittlere Interkolumnium der Propyläen durchbrechen: „Ich hatte geglaubt den feierlichen Beginn dieser Restauration des Parthenon damit beginnen zu müssen, dass der junge Monarch selbst den ersten der Säulentambours […] wieder auf ihren Platz setzen und […] seinen Weg zum ersten Mal wieder nach so vielen Jahrhunderten der Barbarei durch die Säulen der Propyläen nehmen sollte.“ Deshalb begann Klenze „an der nördlichen Seite des Parthenon […] den Schutt und die Trümmer von dem Stufenbaue hinwegzuräumen und die Säulentrommeln freizumachen, welche hier fast unversehrt und in der Ordnung, wie die Gewalt der Pulverexplosion von 1684 die Säulen umgestürzt hatte, lagen“. 49 Die Inszenierung der ersten Anastylose am Parthenon, der bald - bis hin zu der des Niketempels 1839 - weitere (noch keineswegs rekonstruktive) Maßnahmen folgten, musste im historisch-politischen Kontext jener Monate als Metapher für die Wiedergeburt der griechischen Nation verstanden werden. Klenze inszenierte den Einzug König Ottos auf die Akropolis am 10. September 1834 als ein Fest, an dem fast ganz Athen beteiligt war. Seine Festrede war ein rhetorisches Meisterstück, getragen von einem Pathos, das geschickt Geschichte, Kunst und Politik verband: „Eurer Majestät Fuß hat heute nach vielen Jahrhunderten der Barbarei zum erstenmale wieder diese hohe Burg auf dem Wege der Civilisation und des Ruhms, auf dem Wege des Themistokles, Aristeides, Kimon und Perikles betreten, und dieses muß in den Augen der Welt ein Symbol der gesegneten Regierungs-Periode Eurer Majestät [...] sein. Die Spuren einer barbarischen Zeit, Schutt und formlose Trümmer werden, wie überall in Hellas, auch hier verschwinden, und die Überreste der glorreichen Vorzeit werden als die sichersten Stützpunkte einer glorreichen Gegenwart und Zukunft zu neuem Glanze erstehen...“. 50 Doch war sein Pathos verbunden mit einem methodisch überraschend fortschrittlichen Denkmalethos. Wie aus der Denkmalpflege-Charta von Venedig (1964) liest sich Klenzes Forderung, notwendige Ergänzungen am wieder freigelegten Parthenon-Tempel durchzuführen, „jedoch ohne diese Restaurationen zu verstecken und unkenntlich machen zu wollen“. Auch sein Postulat, dass „der antike Boden, so wie man ihn findet, mit allen Absätzen, Terrassen, Piedestalen und Substruktionsresten vollkommen erhalten werden muß“, orientiert sich strikt am historischen Bestand. Klaus Fittschen hat jedoch zu Recht in Erinnerung gerufen, dass die nun einsetzende Purifizierung, der Abriss der Häu- 213 Die Akropolis weiterbauen? Schinkel und Klenze inszenieren Athen ser und der Moschee auf der Akropolis und im Inneren des Parthenon sowie des Frankenturmes [1875], d.-h. die Rückführung der Akropolis auf ihre „klassische“ Periode keinen authentischen historischen Zustand abbildete, sondern ein Konstrukt bleiben musste, das zwar der Archäologie neue Forschungsperspektiven und breite denkmalpolitische Wirkmächtigkeit erschloss, allerdings zu Lasten der nachantiken Zeugnisse der Geschichte. 51 Die auf drei bis vier Jahre kalkulierte Freilegung und Wiederherstellung der antiken Akropolis beschränkte sich im Wesentlichen auf Aufräumarbeiten und zurückhaltende Reparaturen. Bruchstücke architektonischer „Formen, Profile, Gesimse, Ornamente, die nicht zur Restaurierung verwendet werden“, sollten auf zweckmäßige Art um die Ruinen herum in Freilichtaufstellung gruppiert werden. Kostbare plastische Fragmente hingegen würden im Theseion, das anfänglich als Museum diente, später dann in einem Museumsneubau (Nationale Glyptothek) gezeigt werden, den Klenze bereits als Grundriss in seinem Stadtplan von 1834 an der Südostecke des Akropolisplateaus einzeichnete (an dieser Stelle entstand ab 1864-1874 das Akropolismuseum). Daraus entwickelte Klenze 1838 sein Projekt eines Pantechnions auf dem Bauplatz seines gescheiterten Schlossprojektes, das Museum und Akademie unter einem Dach vereinen und durch Spenden der europäischen Philhellenen (und auch von ihm persönlich! ) finanziert werden sollte 52 - auch dies ein Thema von heute wieder höchster Aktualität: Klenze, der 1821 in seinem Aufsatz „Über das Hinwegführen plastischer Bildwerke aus Griechenland“ 53 angesichts des auf brechenden griechischen Befreiungskampfes noch für die „Rettung“ der antiken Kunstwerke durch ihre Überführung in westliche Museen plädiert hatte, wo sie (wie etwa die neu erworbenen Ägineten in der zukünftigen Glyptothek) in Sicherheit als kultureller Besitz ganz Europas wirksam werden könnten, will sie nun (übrigens dem gerade erlassenen Denkmalschutzgesetz entsprechend) im Zuge der Konsolidierung des griechischen Staates im Lande halten. Mehr noch als die zeitgenössische Architektur schien Klenze das antike Denkmalerbe die Doppelfunktion zu erfüllen, einerseits die nationale hellenische Identität zu stärken, andererseits im Geiste des Neuhumanismus das einst in Griechenland entwickelte Menschenbild und Kunstideal von Athen ausstrahlend gleichsam als Kitt einer durchaus modern gedachten Leitkultur Europas zu verstehen. Über die Gefährdung, ja das drohende Scheitern dieser noch für meine Nachkriegsgeneration selbstverständlichen humanistischen Vision eines gesamteuropäischen „Abendlandes“ reflektierte der Architekt Aristide Antonas 2017 anlässlich der documenta 14 in Athen mit unverhohlener Schadenfreude: Er diagnostizierte mit Blick auf die Globalisierung und die aktuelle Griechenlandkrise einen doppelten Identitätsverlust aufgrund des unauflösbaren Konfliktes zwischen der seit 1830 von außen implantierten und vermeintlich rückwärtsgewandten Identitätskonstruktion und der gleichermaßen entwurzelten, aber zukunftsentscheidenden technischen und digitalen Infrastruktur der Metropole Athen: forcierte materielle Spurensicherung der Archäologie und forcierte Aufrüstung der virtuellen Energie-, Daten- und Finanzströme liefern sich nach Antonas gleichsam eine „Schlacht“ im Untergrund: „Wenn die Gegenwart des neuzeitlichen Athen im Bezug auf eine untergegangene Vergangenheit etabliert wurde, so zeichnet sich die sogenannte Unmittelbarkeit der Gegenwart durch die Auflösung dieser Beziehung aus, die einst als Referenz zwischen der Neuzeit und dem idealisierten Erbe der Antike in Erscheinung trat […] Während Spengler die Entwurzelung des westlichen Menschen in der Ablehnung jeglicher Tradition begründet sieht, ist die Entwurzelung der heutigen Griechen auf die Tatsache zurückzuführen, dass ihr Land als amateurhafte Reinszenierung der antiken Tradition in die Neuzeit eingeführt wurde. Es ist eine Reinszenierung, die die Vielfalt der bestehenden lokalen Traditionen leugnet und mit Eifer darauf bedacht ist, sie durch eine einzige Tradition, und zwar eine klassisch-europäische, zu ersetzen […] Wie die Überreste vergangener Epochen nicht mehr zu uns sprechen - sie stellen sich uns dar als eine Anhäufung unentzifferbarer Buchstaben -, so erfahren die neuen Athener durch die Deterritorialisierung der multiplen Datenreservoirs, durch die multiple Regelung der Automatismen ihrer Stadt neue Abhängigkeiten von einem Betriebssystem aus codierten Hieroglyphen und unlesbaren Scripts, auf dem ihre Leben ausgeführt werden“. 54 Antonas umschreibt auf aktueller Ebene letztlich den gleichen ambivalenten Modernitätsdiskurs, der schon die Gründung Neuathens begleitete. Es liegt an uns, ob wir uns mit seiner kritisch-pessimistischen Diagnose abfinden oder ihren Ursachen entgegenarbeiten wollen. 214 Adrian von Buttlar Anmerkungen 1 Flüchtlinge vor Lesbos in: Der Spiegel 14, 2016, 17 (Foto: Sergey Ponomarev, New York Times, LAIF). 2 Die wichtigsten historischen und kulturpolitischen Aspekte zusammenfassend: Baumstark 1999; Papageorgiou-Venetas 2002. 3 Auf der Basis der umfangreichen Forschungen der letzten Jahrzehnte sowie eigener Beiträge zu diesem Thema: insbesondere Papageorgiou-Venetas u.- a. 1994; 1997; 1999; 2000; 2001; Buttlar 1999a; 1999b sowie 1991; 2002; 2006; 2010; 2016. 4 Bericht zu seinem neuen Stadtentwicklungsplan an die Regentschaft vom 3.9.1934, in: Klenze 1838, 189-191. 5 Gutensohn an König Otto, Nauplia 12.5.1833, GrStA Athen, Ottonisches Archiv, Min. d. Inn. Mappe 221. Zit. nach Papageorgiou-Venetas 1994, Dok. 30, 337 f. 6 Marginal-Plota des Herrn Generalmajor von Heideck zu dem Concept des Rescripts vom 11./ 23. August 1834 die Wiederherstellung der Stadt Athen und die Verlegung des Regierungssitzes dahin, München GHA 85/ 3/ 16; Baumstark 1999, 472. 7 Geleitwort von Adrian von Buttlar in Papageorgiou-Venetas 1994. 8 Peter von Hess: Empfang König Ottos in Athen am 23. Mai 1833 (1839), [Bayerische Staatsgemälde-sammlungen, Neue Pinakothek München Inv.Nr. WAF 353]. 9 E. Schaubert - S. Kleanthes, Stadtentwicklungsplan für Athen 1833 (SGSM München 27119). Mehrere Vorfassungen, 2 Lithographien. 10 Grundrissskizze und fragmentarische Ansichten, ehemals Gilly-Nachlass TH Berlin (verschollen). Rietdorf 1943, 127 ff; Buttlar 1999, 338 f. 11 Kühn 1979, 510; Plankammer SPSG Potsdam Inv. K XIX 1574; Papageorgiou-Venetas 1994, 35 und 2001, 114. 12 Ludwig an die Regentschaft, 4.6.1834, GrStA Athen, Ottonisches Archiv, Min. d. Inn., Mappe 221. Papageorgiou-Venetas 1994, 135 und Dok. 32, 430 f. Vgl. auch Hamdorf (1985). 13 Urplan: Nationalhistorisches Museum Athen, Genehmigungsplan: Stadtplanungsamt Athen (verschollen), Vorzeichnung zur Lithographie (Münchner Stadtmuseum), Lithographie in Klenze 1838, Tafelatlas, Erläuterungen edt., 441-446; Papageorgiou-Venetas 1994, 183-189 (Dok. C und D). 14 Klenze 1838, 424-434; Papageorgiou-Venetas 1994, 152 ff. 15 Schinkel über ein Ideal in der Baukunst an Kronprinz Maximilian von Bayern, 24.1.1833, zit. nach Kühn 1989, 4. 16 Quast 1834a, ausführliche Analyse in Papageorgiou-Venetas 1994, 103-134. 17 Klenze 1838, 746 f. (Beilage X, Art. 13). 18 Klenze 1838, 419. 19 Klenze 1838, 429. 20 Klenze 1838, Beilage X, 739-749. 21 Vgl. z. B. E. Dodwell, Die Akropolis 1805, aus: Views in Greece, in: Drawings from Edward Dodwell Esq. (London 1819). 22 SPSG Kupferstichkabinett Potsdam FW IV/ II-I-CB-I; u.- a. Kühn 1989, 3-45, hier: 78. Zum Folgenden u.- a. Buttlar 1999a, 342-352; Buttlar 1999b. 23 Leo von Klenze, BStB Handschriftenabteilung, Klenzeana, Memorabilien II, 47 ff. 24 Ein aquarellierter Plansatz befand sich in Berlin im Schinkelmuseum, heute Kunstbibliothek SM 35b.41-44 (z.-T. Kriegsverlust), der zweite ging über München nach Athen und kam aus dem Nachlass König Ottos an die Staatliche Graphische Sammlung München SGSM 25071-25073 (nicht vollständig) - veröffentlicht in Schinkels „Werke der höheren Baukunst“, (Potsdam 1840-1843). 25 Schinkel an Kronprinz Maximilian 24.1.1833, GHA Nachlass König Maximilians II., 72/ 5/ II Nr. 40. Vgl. Kühn 1989, 4. 26 Börsch-Supan 1981; Bergdoll 1994; Buttlar 1999, 358 f. 27 Schinkel an Kronprinz Maximilian, 9. 6. 1834, GHA Nachlass Königs Maximilians II,72/ 5/ 11 Nr. 50 in: Kühn 1989, 5 f. 28 Quast 1834b. 29 Vgl. Semper 1834, dazu Buttlar 1985; 1998. 30 Schinkel an Kronprinz Maximilian a. O. (Anm. 27). 31 Schinkel an Klenze, 20.11.1834, Bay.StB München, Klenzeana XV., vgl. Buttlar 2010. 32 Kugler 1838, 1578; Buttlar 2010. 33 Schinkel an Kronprinz Maximilian a. O. (Anm. 27); Kühn 1989, 5 f; Buttlar 2012 - Bestätigung durch den Technikhistoriker Wolfgang König. 34 Schinkel an Kronprinz Maximilian a. O. (Anm. 27); Kugler 1838, 1578 f; Gruppe 1842, 279; Buttlar 1999a, 357. 366. 35 Kronprinz Maximilian an Kronprinz Friedrich Wilhelm, 8. August 1834, Berlin HStA PK / BPH Rep 50 J Nr. 79, fol. 5 (frdl. Hinweis von Rolf H. Johannsen). 36 Leo von Klenze, Memorabilien, Klenzeana I/ 2, fol.59r und v., Bayerische Staatsbibliothek München/ Handschriftenabteilung. 37 Schinkel an Klenze. 20.11.1834, Klenzeana XV, Bayerische Staatsbibliothek München/ Handschriftenabteilung. 38 Ludwig Ross, Reisen des Königs Otto und der Königin Amalia I, (Halle 1848) 6. 39 Klenzes reproduzierte Schlosspläne im Tafelatlas Klenze (1838), ferner: Aufriss 1834 (Staatl. Grafische Sammlung München SGS 25050 und das Gemälde in der Eremitage St. Petersburg 1836. 40 Buttlar 2009, 15-17. 41 Kronprinz Maximilian an König Otto, 11. Juli 1834, Begleitschreiben zu den Schinkel-Plänen am Vorabend vor Klenzes Abreise, Bayer.HStA, GHA, Nachlass König Ottos 44/ I/ 29a; Kühn 1989, 33. 42 Es gelangte später über einen russischen Privatsammler in die Petersburger Eremitage. 43 Klenze an Kronprinz Friedrich Wilhelm, 22.2.1835, GStAPK/ BPH Rep 50J657, 6 f; Buttlar 1991, 312. 44 Vgl. Leo von Klenze 1838, 85-139 (Anmerkungen zur Zeitgeschichte). 45 Kronprinz Maximilian an König Otto, 11. Juli 1834 a. O. (Anm. 41). 46 Ludwig I. an König Otto, 3. April 1834, Bay.HStA. GHA, Nachlass König Ottos 43/ I/ 29a; Kühn 1989, 86 f. 47 Klenze, Promemoria vom 5.8.1834, in: Klenze 1838, 721 (Beilage VI). 48 Im Folgenden neben Papageorgiou-Venetas 1994 auch Fittschen 1999 und als Quellensammlung Klenzes Korrespondenz mit Ross = Papageorgiou-Venetas 2006. 49 Klenze 1838, 306 ff. 50 Klenze 1838, 384-387. 51 Fittschen 2002, 214 ff. 52 Buttlar 1999a, 357 f. 53 Klenze 1821. 54 A. Antonas, Die Konstruktion der Ruinen des Südens: Eine Anleitung zum Umgang mit Schulden, <http: / / www.documenta14.de/ de/ south/ 49_die_konstruktion_der_ruinen_ des_suedens_eine_anleitung_zum_umgang_mit_schulden> (24.10.2017). 215 Die Akropolis weiterbauen? Schinkel und Klenze inszenieren Athen Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek München, Inv. Nr. WAF 353 Abb. 2: E. Schaubert - S. Kleanthes, Stadtentwicklungsplan für Athen 1833 (SGSM München 27119). Mehrere Vorfassungen, 2 Lithographien Abb. 3: A. Rietdorf, Gilly. Wiedergeburt der Architektur, ²(Berlin 1943), 127 (Bearbeitung durch den Autor) Abb. 4: Leo von Klenze, Revidierter Stadtentwicklungsplan für Athen 1834, Lithographie (König-Otto-von Griechenland-Museum Ottobrunn) Abb. 5: E Edward Dodwell, Die Akropolis 1805, aus: Views in Greece. in Drawings from Edward Doswell Esq., London 1819 <http: / / eng.travelogues.gr/ item. php? view=54217> (20.11.2019) Abb. 6: Karl Friedrich Schinkel, Grundriss des königlichen Palastes auf der Akropolis 1834 (SGS München 25071) Abb. 7: Karl Friedrich Schinkel, Ansichten des Akropolispalastes von Westen und Süden 1834 (SGS München 25072) Abb. 8: Leo von Klenze, Aufriss von Schloss und Regierungsviertel 1834 (SGS München 25050) Abb. 9: Leo von Klenze, Ansicht des geplanten Athener Schlosses 1835 (Eremitage St. Petersburg) Literaturverzeichnis Baumstark 1999 R. Baumstark (Hrsg.), Ausst.Kat. 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Kühn (Hrsg.), Karl Friedrich Schinkel - Lebenswerk: Ausland - Bauten und Entwürfe (München 1989) Kugler 1838/ 1842 F. Kugler, Karl Friedrich Schinkel. Eine Charakteristik, in: Hallische Jahrbücher für deutsche Wissenschaft und Kunst 197, 1838, 1569-1575; 198, 1577-1583; 199, 1585-1592; 200, 1593-1597; 201, 1601-1604; 202, 1609-1616; 205, 1633-1640; 206, 1644-1648; 207, 1655-1656; ders. als Separatschrift und Nachruf: Karl Friedrich Schinkel. Eine Charakteristik seiner künstlerischen Wirksamkeit (Berlin 1842) Papageorgiou-Venetas 1994 A. Papageorgiou-Venetas, Hauptstadt Athen. Ein Stadtgedanke des Klassizismus (München 1994) Papageorgiou-Venetas 1997 A. Papageorgiou-Venetas, Bauen in Athen: Neue Wege des Klassizismus. Gestaltungsprinzipien deutscher Baumeister am Beispiel der Entwürfe für die Athener Residenz (1833-1836), Thetis 4, 1997, 165-191 Papageorgiou-Venetas 1999 A. Papageorgiou-Venetas, „Ottonopolis“ oder das Neue Athen. Zur Planungsgeschichte der Neugründung der Stadt im 19. 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Wiedergeburt der Architektur, ²(Berlin 1943) 217 Die Musealisierung der Akropolis Wolf-Dieter Heilmeyer Dieser Vortrag kann weiterhin als ein Versuch bezeichnet werden.* Er wird auch hier nicht von Fotos begleitet, da er die Bilder in unser aller Köpfe aufrufen soll, die wir uns - jeder für sich, aber wahrscheinlich doch sehr vergleichbar - von der Athener Akropolis machen. Als eine Art Zusammenfassung über das Verhältnis der Akropolis zur Stadt Athen möchte ich vor allem den harten Gegensatz herausstellen, den wir alle kennen: oben den nackten Felsen mit den wenigen darauf herausgestellten Marmorbauten und unten die vielen Funde im Akropolis-Museum, im Athener Nationalmuseum und in aller Welt. Beides geht auf Vorgänge zurück, die ich unter dem Begriff der „Musealisierung“ zusammenfassen möchte, auf griechisch noch schöner: „Μουσειοποίησης“. Und beides hängt, auch wenn die Zielsetzungen der Vorgänge verschieden waren, auf das Engste zusammen. Seit man Kunstwerke zu sammeln begonnen hat, war der damit über die Zeitläufe aufgefüllte, hoch gelegene Ort der Akropolis über der Stadt Athen ein gesuchter, wenn auch zunächst nur schwer erreichbarer Fundplatz. Aber vieles bestand da oben ja ursprünglich aus bestem attischem Marmor oder Kalkstein und konnte daher auch Wiederverwendungen finden, zunächst in der mittelalterlichen und neuzeitlichen Burg auf der Höhe, aber nachweislich auch unten in der Stadt. Das wird üblicherweise nicht so merkwürdig gewesen sein wie ein Fall von „Recycling“, den Giorgos Despinis kurz vor seinem Tod noch aufgedeckt hat: die sehr zeittypische Büste des Altertumskundlers Heinrich Brunn im Deutschen Archäologischen Institut in Rom, 1893 von Wilhelm von Rümann aus München in pentelischem Marmor gestaltet, ist aus einem wiederverwendeten Block von der Athener Akropolis gemacht, den die damalige griechische Regierung zu Ehren Brunns offiziell freigegeben hat. Da Brunn selbst nie auf der Akropolis gewesen ist, schreibt Despinis: „die Akropolis ist zu ihm gekommen“. 1 Der in bestimmten Maßen benötigte Block könnte, so Despinis, nur von den Wänden des Parthenon oder des Erechtheion stammen; vielleicht berechnet man das noch einmal genauer … Die Entfernung vieler einzelner Objekte von da oben, die sich dort im Boden oder auf ihm befanden, wenn sie nur irgendwie beweglich waren, kann als eine langsame „Entkleidung“ der Akropolis beschrieben werden: Die noch vorhandenen, unter ständiger, heute sehr sorgfältiger Restaurierung herauspräparierten Monumente sind als Einzelne auf dem nackten Felsen freigestellt worden und zwar von allen Seiten, und jetzt bis auf den Mittelgang der Propyläen auch nicht mehr betretbar. Der Vorgang dieser Isolierung lässt sich nur kulturgeschichtlich beschreiben und deuten, und zwar wieder in doppelter Hinsicht: Die oben freigelegten und restaurierten Architekturen stehen wie die Objekte in einem Freilichtmuseum für die klassische Antike, sogar ganz eng nur für das 5. Jh. v. Chr.: Lambert Schneider und Christoph Höcker haben das 1990 „ein modernes archäologisches Konstrukt“, Dimitri Pandermalis und seine Mitarbeiter haben es im neuen Führer durch das Akropolismuseum 2015 „Purismus“ genannt, 2 man könnte mit Blick auf entsprechende politische Vorgänge unserer Zeit auch von „kulturellen Säuberungen“ sprechen. Und die von der Akropolis entfernten Votive, Skulpturen, Inschriften und weiteren Fundstücke stehen jetzt in nahen oder fernen Museen in ganz anderen architektonischen und geschichtlichen Zusammenhängen. Aber was ist mit den vielen, nicht den klassischen Bauten zuordenbaren Bauteilen dort oben geschehen? Ganz weniges liegt noch nahe am Fundort, einige Bruchstücke finden sich in versteckten Lagern am alten Museum. Über anderes hat Adolf Michaelis von den ersten Ausgrabungen an den Propyläen 1834 berichtet: Die aus den dort abgerissenen nachantiken Mauern gekommenen „Bausteine wurden dabei verkauft, der Schutt an der Südseite hinabgestürzt“ 3 . Frühe Fotos belegen die dreieckigen Schutthalden an den südlichen und westlichen Akropolishängen, 4 die später - sicher mit mancher kleinformatigen Antike darin - weiter verteilt worden sind. Und die beiden Archäologen, die die großen Ausgrabungen von 1885-1891 geleitet haben, Panaiotis Kavvadias und Georg Kawerau, legten fest: „alle Steine, die nicht zu einem dieser (das heißt der vier klassischen) Gebäude gehören, sind zu entfernen“ 5 : wohin, ist nicht gesagt. Man kann natürlich einwenden, dass Aufbauen und Zerstören, Aufstellen und Entfernen die geschichtlichen Vorgänge auf der Akropolis in der Stadt Athen schon seit dem 2. Jahrtausend v. Chr. bezeichnen. Mir geht es darum, die Resultate eines immer bewussteren Umgangs mit den Architekturen da oben und all dem, was einmal neben und an ihnen zu sehen war, in der Neuzeit herauszustellen. Denn das macht unser sehr an unsere Zeit gebundenes Bild davon aus: die Säuberung der Akropolis selbst aus einer sehr engen Geschichtsvorstellung des 19. und 20. Jhs. n. Chr. und die etwas längere und ebenfalls zeitgebundene Sammlungsgeschichte der Akropolisobjekte weltweit, also die doppelte „Musealisierung der Akropolis“. So interessant es wäre, diese Vorgänge direkt aus der Antike 6 herzuleiten, muss ich mich auf die Neuzeit beschränken. Wir beginnen mit den beweglichen Objekten. Hier kann man in Griechenland wie im westlichen Europa drei Epochen unterscheiden: 1. die Zeit des ersten Sammelns interessant gefundener Objekte, meist durch Reisende seit dem 17. Jh., 2. die Zeit des Aufbaus großer öf- 218 Wolf-Dieter Heilmeyer fentlicher Museumssammlungen seit um 1800 und 3. die Zeit des Archivierens von Ausgrabungsgegenständen seit der Mitte des 19. Jhs. Die genauen Fundumstände der Objekte sind in der ersten Zeit des Entstehens von kleinen oder größeren Privatsammlungen, anfangs vor allem in Italien und England, meist nicht zu belegen. 7 Sie interessierten ja auch in der Folgezeit bis heute beim Mitnehmen von „Reiseandenken“, also der „Souvenirs“, über die bloße Benennung des Fundorts hinaus nur dann, wenn diese Stücke aus größeren Zusammenhängen heraus gebrochen wurden. Und das konnte im Grunde nur bei oder nach kriegerischen Auseinandersetzungen geschehen wie bei den für die Athener Akropolis so verheerenden venetianisch-türkischen Kämpfen mit der Explosion des Parthenon am 26.9.1687. 8 Diese beendete die venetianische Belagerung des türkisch besetzten Athen vier Jahre nach der für ganz Europa bedeutungsvollen Beendigung der türkischen Belagerung von Wien mit der Wende in den Balkankriegen. Die zeitgenössischen Zeichnungen der Explosion des Parthenon sind damals sicher in diesem Zusammenhang gesehen worden, auch wenn Francesco Morosini und Otto Wilhelm von Königsmarck nach einem halben Jahr Athen wieder dem osmanischen Reich überlassen mussten. Die Zersplitterung der Parthenon-Langseiten hat uns Manolis Korres eindrucksvoll vor Augen geführt: Den Explosionsschutt haben die Eroberer bald weggeräumt, kleine Marmorstücke wurden sicher zu Kalk verbrannt. Das scheint auch mit Teilen der Figuren von Athena und Poseidon inklusive ihrer Pferde in der Mitte des Westgiebels geschehen zu sein, die Morosini eigentlich als Siegesmonument für Venedig nach dem viel früheren Beispiel der Pferde von San Marco entführen wollte, die aber beim Ablösen aus dem Giebel gestürzt und zersplittert sind; 9 auf den einen Pferdekopf komme ich noch zurück. Kleinere Fragmente fanden durch die Gebildeten unter den Eroberern aber durchaus den Weg nach Mitteleuropa, wo sie später in die heute bekannten Museen gelangten, von Palermo bis Paris, vom Vatikan - dort unter anderem der Pferdekopf, auf den wir noch eingehen werden - über Würzburg bis Kopenhagen. In Kassel landeten 1688 ein paar Bronzestatuetten, darunter ein Athenaköpfchen, das für die archaischen Bronzefunde von der Akropolis stehen kann; marmorne Weihreliefs desselben Sammlers, etwas schwerer zu transportieren, hat er dagegen vermutlich aus den Heiligtümern am Südhang der Akropolis genommen. 10 Dass man sich im Zentrum des klassischen Athen befand, war den Belagerern ja bekannt. Um 1740 kam im fernen Schlesien eine weitere attische Kleinbronze in die Privatsammlung von Friedrich Tux, die 1798 von dessen Sohn der Universität Tübingen vermacht wurde und dort erst 1827 von Friedrich Thiersch im Vergleich mit den gerade für München erworbenen Giebelfiguren aus Aigina als kunstgeschichtlich wertvoll erkannt worden ist. 11 Wenn tatsächlich ein Offizier der Morosini-Truppen, wie angegeben wird, die heute im Kunsthistorischen Museum in Wien auf bewahrten Fragmente vom Nordfries des Parthenon 1688 mitgenommen hat, darunter die zwei schönen Männerköpfe der Platte Nord 9, kann man sich seine Erzählungen über das in Athen Erlebte bei der Heimkehr vorstellen. Viel ging damals und in der Folgezeit aber auch verloren: 1870 wurde der Kopf von einer der Südmetopen des Parthenon aus einem Schiffswrack bei Piräus gezogen, der dann über den Kunsthandel 1880 in den Pariser Louvre kam. 12 Das vereinzelte Sammeln von Fundstücken ging natürlich weiter, obwohl die wenigen Reisenden, die Athen im 18. Jh. erreichten, von den türkischen Behörden streng kontrolliert wurden. Für das 19. Jh. ist es noch überliefert, dass man um Erlaubnis bitten musste, ob man Antiken mitnehmen dürfe; auch darauf werden wir zurückkommen. Das 18. Jh. sieht in Europa die Gründung beispielgebender Museen - der Begriff „Museum“ wird entsprechend dem antiken „Mouseion“ vom Kapitol in Rom bis Oxford in England für Einrichtungen eingesetzt, die vor allem Sammlungen von Kunstwerken archivieren und eine Auswahl davon öffentlich zugänglich machen sollten. Das hat schnell dazu geführt, dass beides, das Sammeln und das Präsentieren, mit aktuellen Themen verknüpft und politisch eingesetzt wurde. Damit kommen wir zur zweiten Epoche der Musealisierung von Objekten der Akropolis. Wesentlich für die Geschichte der großen Zentralmuseen in Europa war der kulturpolitische Wettstreit zwischen Großbritannien und Frankreich am Ende des 18. Jhs., der deren kriegspolitische Auseinandersetzungen begleitete: als Ägypten nach Napoleon Bonapartes Einmarsch dort 1801 durch die mit den Türken verbündeten Engländer wieder zum osmanischen Reich gekommen war, mussten große Teile der von Napoleons wissenschaftlichem „Elitekorps“ unter Dominique-Vivant Denon dort gesammelten ägyptischen Antiken an die Engländer unter Admiral Horatio Nelson übergeben werden und kamen dann ins Britische Museum in London, 13 dabei zum Beispiel der bald Berühmtheit erlangende „Stein von Rosette“. Die seit 1798 unter der französischen Besatzung in Italien konfiszierten und in Paris im Musée Napoléon ausgestellten Antiken, darunter - wie bekannt - der Laokoon oder die Venus Medici, wurden 1807 durch den aus Berlin und Potsdam in unendlichen Beutekisten nach Paris überführten preußischen Kunstbesitz, darunter etwa der Betende Knabe, zu einer einmaligen Übersicht erstklassiger Kunstwerke erweitert: Das Musée Napoléon wurde in gewisser Weise auch nach seiner Auflösung mit dem Ende der napoleonischen Epoche zum Vorbild für alle nun an verschiedenen Stellen in Europa neu entstehenden Zentralmuseen. 14 In diesem Zusammenhang wurden Akropolis und Parthenon erneut zum Ort historischer Beutenahmen: Noch im äußeren Anschein eines privaten Sammlerinteresses, aber doch eindeutig nur möglich geworden zur Zeit der britisch-türkischen, antifranzösischen Allianz 219 Die Musealisierung der Akropolis der Jahre um 1800 konnte Thomas Lord Elgin 1802- 1806 fast hundert Teile der klassischen Bauten auf der Akropolis von dort entfernen und schließlich wiederum ins „British Museum“ überführen. Elgin schrieb selbst in einem Brief 1801: „Bonaparte has not got such a thing from all his thefts in Italy“ 15 . Der Vorteil, in einem entsprechenden Zentralmuseum Elemente verschiedener Kulturen nebeneinander sehen zu können, also jetzt etwa der ägyptischen und der klassisch-griechischen, ist dem imperialistisch geprägten „British Museum“ geblieben. Die Verlagerungen der Aigina-Giebel 1812 und der Bassai-Friese 1813 beziehungsweise die weitgehende kulturpolitische Akzeptanz dieser Verlagerungen stehen im selben Zusammenhang. Unmittelbar nach den griechischen Befreiungskriegen und der Übernahme der Akropolis durch die neue Regierung 1833 begannen mit den Aufräumungen, der Wiederherstellung und Herausstellung der klassischen Bauten die ersten Ausgrabungen dort oben. Damit kommen wir zur dritten Phase der Musealisierung beweglicher Objekte von der Akropolis und zugleich zur weitgehenden Säuberung des Felsens von nicht zuweisbaren Steinen, von Schutt und Erde sowie eben von Fundstücken. Obwohl es schon unter Ludwig Ross seit 1834 in einem Gebäude aus der Türkenzeit östlich des Erechtheions ein kleines Museum gab, dann seit 1874 ein erstes und seit 1888 ein größeres Museum am Südostende des Akropolisfelsens, das 1964 grundlegend erneuert und erweitert wurde, hat man dort - und wir Älteren haben das ja in dem 1964 renovierten Gebäude noch erlebt - vor allem Skulpturen ausgestellt: 16 Manche unter uns haben die im Rund geschlossene Korenreihe dort noch vor Augen. Aber die vielen Kleinfunde an Bronzen und Vasen aus den archaischen Schichten und dem sogenannten „Perserschutt“ kamen bald, da das Akropolismuseum für sie zu klein wurde, ins ebenfalls 1834 gegründete, 1866 verlegte und 1891 im heutigen Gebäude eröffnete zentrale Athener Nationalmuseum. 17 Tiefere Grabungen hatte schon Ross begonnen, sie führten aber erst in den 80er Jahren zu größeren Fundmengen; noch erweckten Schichtbeobachtungen, wie damals in Olympia mit Erfolg durchgeführt, also präzisere Fundangaben, kaum Interesse. 18 Die ersten, für eine Datierung nötigen Aufzeichnungen von Wolters, Graef und anderen zu den Keramikfunden wurden als „freiwilliger Dienst“ in den Ausgrabungen von Kavvadias und Kawerau geleistet, und die wissenschaftliche Bearbeitung aus Platzgründen dann bereits im Nationalmuseum durchgeführt. 19 Dagegen wurden die Bronzen, außer bei den mykenischen Funden aus den tiefsten Schichten östlich des Parthenon, von de Ridder fast ausschließlich ohne Fundangaben publiziert; nur bei zwei größeren Bronzeskulpturen, dem Jünglingskopf (Inv. NM 6590) und dem spätarchaischen Kriegerkopf (Inv. NM 6446) sind wenigstens summarisch Daten und Ortsangaben gegeben, der erste 1866 bei Ausschachtungen zum Bau des älteren Museums östlich des Parthenon gefunden, der zweite 1886 bei den Propyläen. 20 Wann kamen die vielen Inschriftsteine von der Akropolis ins Epigraphische Museum von Athen? War es ein bloßer Zufall, dass die Terrakotten im Museum auf der Akropolis blieben? 21 Jedenfalls sind die Funde nicht nur nach Gattungen getrennt in verschiedene Museen gekommen, sondern dann dort auch nach Gattungen getrennt aufgestellt und ebenso publiziert worden, also die Bronzen, die Vasen, die Terrakotten und die Skulpturen getrennt, und bei diesen etwa die Parthenon-Skulpturen in den Publikationen von Arthur H. Smith 1910 bis Frank Brommer 1977 auch getrennt von ihrer Architektur. 22 Waren die Akropolisfunde in der ersten Zeit des Sammelns der Leute um Morosini und in der zweiten Zeit der großen Verlagerungen um Elgin noch „Schätze“ gewesen, so wurden sie jetzt Zeugnisse einer international erforschten Kunstgeschichte, also im Sinn des 19. Jhs. der Geschichte einzelner Gattungen. Damit traten die spätarchaischen Koren nach ihrer Auffindung im alten Museum auf der Akropolis noch neben die klassischen Bauten dort oben, aber die archaischen Kleinbronzen der Akropolis unten in der Stadt im griechischen Nationalmuseum neben entsprechende Funde aus Dodona, Olympia oder Arkadien. Die Vasen der Akropolis waren in der Nachkriegsaufstellung des Nationalmuseums von Semni Karouzou sogar noch stärker in den allgemein griechischen Entwicklungsgang eingeordnet, sie hießen dann einfach „von der Akropolis“. 23 Ein besonderes Beispiel ist der Dinos, dessen Maler mit der Nationalmuseumsnummer 606 benannt und so im heutigen neuen Akropolismuseum ausgestellt ist. Es wäre sicher eine lohnende Aufgabe, die Geschichte der archäologischen Grabungsfunde in Athen und ihrer Aufbewahrung und Bearbeitung seit dem 19. Jh. zusammenzustellen. 24 Das bald nach der Neugründung des griechischen Staats 1834 erlassene Kulturgutgesetz sah noch Privatbesitz von Antiken vor. So konnten sich auch weiterhin Akropolisfunde verstreuen. Hermann Fürst von Pückler- Muskau berichtet in seinem schönen, heute noch sehr lesenswerten Buch „Südöstlicher Bildersaal. Griechische Leiden“ von 1840, dass der junge König Otto I. ihm 1836 erlaubt habe, „ein Andenken von der Akropolis mit mir zu nehmen“. Trotz der „allzu genauen Gewissenhaftigkeit“ des Antikendirektors Ludwig Ross bekam er „einen noch mit lebhaften Farben prangenden, gebrannten Stirnziegel, der älter als das Parthenon ist und neben ihm in einer tiefen Grube gefunden wurde, einen ebenfalls gemalten kleinen Kopf aus derselben Tonmasse, eine antike Bleifeder, einen kleinen Hund von Bronze, das abgebrochene Stück einer bemalten Vase mit der Eule der Minerva und ein Stück penthelischen Marmor des Parthenons“ 25 . Auf unsere kürzliche Nachfrage ergab sich, dass zumindest das mit einem Rundstab versehene Fragment aus pentelischem Marmor und der archaische Stirnziegel im Fürst-Pückler-Museum, Schloß Branitz bei Cottbus, heute noch vorhanden sind. 26 Der Stirnziegel gehört zu 220 Wolf-Dieter Heilmeyer einem bereits von Ernst Buschor 1933 als bedeutend herausgestellten Dach eines der „von den Persern verbrannten“ Vorgängerbauten des Parthenon; Buschor kannte damals Bruchstücke nur in Paris und New York. Um 1900, als das entsprechende griechische Gesetz verschärft wurde, 27 dürften solche Funde auf der Akropolis nicht mehr häufig zu finden gewesen sein, aber sicher noch an den Abhängen und in den umgelagerten Schuttmassen von oben. 28 Ob sich auch davon noch manches identifizieren lässt? 1921 wurde für die Berliner Antikensammlung aus Privatbesitz mit der Bemerkung „in Athen im Schutt der Akropolis gefunden“ das kleine Relieffragment eines Frauenköpfchens erworben, das von einem der Architekturreliefs da oben stammen könnte. 29 Inzwischen hatte aber die Geschichte der Akropolismuseen eingesetzt. Wir blicken beispielhaft auf das 2009 zu Füßen des Akropolisfelsens eröffnete neue Akropolismuseum der Architekten Bernard Tschumi und Michael Fotiadis. Es kann als Resümee der dritten Phase der Musealisierung der Akropolis gelten, die mit den Ausgrabungen im 19. Jh. begonnen hat. Und wie in den beiden ersten Phasen hatte der Parthenon dabei die wichtigste Rolle, denn er steht inzwischen unangefochten als nationales Symbol des klassischen Griechenland bei Hellenen und Philhellenen an vorderster Stelle. 30 Nach den ersten bei den Parthenon-Restaurierungen wegen ihrer Verwitterungsschäden als notwendig eingesehenen Verlagerungen von Skulpturen aus seinem Westgiebel 1976 und dann der Erechtheion-Koren 1980 ins alte Museum auf der Akropolis erwies sich dieses für solche auch zukünftig anstehenden Aufgaben erneut als zu klein. Da durch die viel weiter reichenden Verlagerungen seit Morosini und Elgin viele Anpassungen an auf der Akropolis noch vorhandene Parthenon-Fragmente nur im Abguss überprüft werden konnten, sei es an den Athener Originalen oder gleich in einem Abgussmuseum wie in Basel, mehrten sich die Archäologenstimmen, die eine Rückkehr der anderswo musealisierten Stücke forderten: 31 Das konnte nur in einem neuen, viel größeren Museum erfolgen, wie es auf der Akropolis neben den dort freigestellten antiken Bauten keinen Platz mehr finden konnte. Auf die griechische Klassik orientierte hellenophile und vor allem politische, auch nationalistische Stimmen mündeten in die breite Diskussion über die Restitution der „Elgin marbles“. 32 Diese half jedenfalls, die Neubaupläne für das Akropolismuseum zu befördern, über dessen lange Bewilligungs- und Baugeschichte sein Schöpfer Dimitri Pandermalis viel berichten kann. Wie wir aus anderen Restitutionsdebatten bei illegal verlagerten Kunstwerken wissen, führen solche Fragen über die Klärung der Provenienzen von Museumsstücken zu deren Stellung in der neuzeitlichen Geschichte, sei es zunächst der betreffenden Museen, dann aber auch der diese tragenden Gesellschaft. Jedes Objekt im Museum kann von seiner ursprünglichen Entstehung und seinem darauf folgenden Gebrauch bis zu seinem möglichen Untergang erzählen, kann aber, entsprechend dokumentiert, auch Zeugnis von seiner neueren Sammlungsgeschichte geben. Das interessiert erst seit neuestem: in den drei Katalogen, mit denen Frank Brommer 1963-1977 alle ihm bekannten Skulpturen und Skulpturenfragmente vom Parthenon festgehalten hat, 33 muss man deren derzeitige Aufbewahrung mühsam zusammensuchen - eine „Objektbiografie“ ist bei keinem der vielen dort zusammengestellten Stücke gegeben. Mit diesem Begriff benennen wir neuerdings die Geschichte der Museumsstücke seit ihrer Wiederentdeckung. Ein in diesem Zusammenhang besonders ergiebiges Fundstück von der Akropolis ist der schon erwähnte klassische Pferdekopf im Vatikan, den Hermine Speier nach dem 2. Weltkrieg im Hof des Vatikanpalasts in Rom unter den dort aufgehäuften Magazinbeständen entdeckt hat: von ihr den mit den Elginmarbles berühmt gewordenen „Pferden des Pheidias“, also dem Parthenon zugeordnet, konnte er ja kaum anders als aus der Morosini-Beute stammen. Hermine Speier hat in ihm eines der Pferde der Athena aus dem Westgiebel erkannt, demnach tatsächlich ein Stück der durch Morosini dort herabgestürzten und nur noch in Bruchstücken erhaltenen Mittelfiguren: wenigstens einer der Pferdeköpfe der von Morosini geplanten Siegestrophäe ist also doch nach Venedig und von dort in die vatikanischen Sammlungen gekommen, aber anscheinend zuerst zu einer Brunnenfigur umgearbeitet worden. Und aus dieser Entdeckung ist wiederum ein Kapitel der Biografie von Hermine Speier geworden, wie es Gudrun Sailer in ihrem spannenden Buch unter dem Titel „Monsignorina“ 2015 wiedererzählt hat, 34 also eine mit Rom verbundene Objektbiografie dieses klassischen Werks. Unsere archäologischen Forderungen nach Anpassungen und nach Zusammenstellung verlagerter Objekte in ihrem Fundkontext sollten daher nicht zur Auflösung der großen Zentralmuseen führen. 35 Der im internationalen Museumsverbund bei Ausstellungen längst übliche Leihgabenverkehr könnte in Zukunft auch bei solchen Problemen helfen. Das neue Akropolismuseum hat dazu bereits bedeutende Schritte unternommen, unter anderem durch die Übernahme wichtiger Akropolisfunde aus dem Athener Nationalmuseum: niemand wird das als „Repatriierung“ oder „Restitution“, also „Rückkehr“ bezeichnen, zumal das neue Museum ja auch nicht oben auf der Akropolis steht. Diese Funde können hier nur eines der vielen Heiligtümer in Griechenland illustrieren und im Wesentlichen nur eine der antiken griechischen Kunstlandschaften. Der Vorzug des Athener Nationalmuseums ist dagegen, dass es weltweit die beste Übersicht über die gesamte griechische Kunstgeschichte bietet, von der Vorgeschichte bis in die Römerzeit. Daher kann es unmöglich seine Bestände wieder an die entsprechenden Herkunftsorte zurückgeben, die in diesem Fall ja alle irgendwo in Griechenland liegen. Aber beiderseitige Leihgaben, die von Zeit zu Zeit in der einen oder der anderen Richtung wechseln, könnten die Attraktivität hier 221 Die Musealisierung der Akropolis wie da erhöhen und die Zusammenarbeit vielleicht auf ganz neue Fragen lenken, etwa solche der Anpassungen fragmentierter Werke. Möge das Akropolismuseum mit seinen Funden von der Akropolis dabei eine führende Rolle übernehmen, vielleicht eines Tages auch in Richtung England. Die Ausstellung der im großen Rundgang durch das neue Akropolismuseum versammelten Kunstwerke bietet nicht nur überzeugende Einblicke in deren Kontexte, sondern auch in die zu diesen Einblicken nötigen Methoden, so auch im neuen Museumsführer von 2015. 36 Aber oben auf der Akropolis vermisst man entsprechende Anregungen zwischen den dort allein gelassenen Bauten; das noch vorhandene Gebäude des älteren Akropolismuseums wäre ein guter Ort für Informationen über die Geschichte der Ausgrabungen und die Entfernung der Funde, auch der Architekturskulpturen, also über die „Musealisierung“ des Felsens, wie ich das genannt habe. Denn wenn wir uns abschließend noch einmal dem Burgberg zuwenden, so möchte ich vor allem darauf hinweisen, dass das Herauspräparieren der vier klassischen Bauten zwischen den Burgmauern seit dem 19. Jh. bis hin zu ihrer sorgfältigen Restaurierung und der Entfernung der letzten Skulpturen im 20. Jh. nicht ohne den mehrfach erwähnten ideologischen Hintergrund erfolgen konnte. Zu Beginn des 19. Jhs. hatten dort oben noch etwa 100 neuzeitliche Häuser gestanden, 37 von den Resten der Kirchen und Moscheen abgesehen. Der Gegensatz von Stadt und „Heiligem Felsen“ war sicher nicht einmal im 5. Jh. v.Chr. so stark wie heute, wenn man jetzt von den Felsen dort oben auf die antike Agora und die moderne Stadt schaut. Wieviel das 20. Jh. dazu beigetragen hat, kann man etwa den Worten Gerhard Rodenwaldts in seinem Buch „Die Akropolis“ von 1930 entnehmen: Nach den Propyläen sei man in der Antike „in einem Heiligtum“ gewesen, „das von der profanen Welt abgeschnitten war“. Und heute? „Die Bauwerke allein sind geblieben“, „deren freie, lichte Größe im Glanz des attischen Himmels zum beseligenden Erlebnis wird“; das wird von den mit Sonnenlicht erfüllten Schwarz-Weiß-Fotos Walter Heges zeittypisch unterstrichen. 38 Auf ihnen sieht man wenige Skulpturen immerhin noch in situ und nicht wie jetzt als Verdoppelungen der inzwischen ins Museum verbrachten Originale. Eine Belebung der Felsen zwischen den klassischen Bauten geschieht heute nur noch durch die darüber laufenden Touristenmassen, dies ist dadurch aber zu normalen Tageszeiten kein angenehmer Aufenthaltsort mehr. Man macht es den Touristen freilich auch nicht leicht: die Akropolis ist oben ein kaum erläutertes Freilicht-Museum geworden. Dabei könnte es ein klassisches Architekturmuseum werden, leichter begehbar durch Aufschüttungen mit kleinen Plätzen und schattigen Winkeln in sparsamer, sorgfältiger Bepflanzung unter Wiederaufstellung einiger der Inschriftsteine. Ob man das in Zukunft nach Abschluss der Gebäude-Restaurierungen im Blick auf die Besucher wird anstreben können? Wiederbelebung statt Entkleidung! Ich fasse zusammen: die „Musealisierung“ hat auf der Akropolis beides erfasst, die Felsoberfläche selbst, auf der man die 4 klassischen Bauten frei geräumt und als einen Moment der Geschichte im Freilichtmuseum herauspräpariert hat, sowie die vielen Funde, die zunächst in alle Welt gegangen sind, dann aber auch in Athen verstreut und erst neuerdings zu guten Teilen wieder im neuen Akropolismuseum zu Füßen der Akropolis versammelt worden sind. Wenn man die Objektbiografien der in London, Rom, Kopenhagen oder Wien aufbewahrten Parthenon-Skulpturen ernst nimmt oder diejenigen der bis Kassel verstreuten Bronzen, könnte man gerade mit ihnen Geschichte als Prozess sichtbar machen, und zwar an den Orten ihrer Aufbewahrung wie auch im Akropolismuseum, nicht als Restitutionen - geschichtliche Ereignisse lassen sich dadurch nicht auflösen - sondern durch den Aufbau eines Museumsnetzwerks von Leihgaben unter Einschluss des Athener Nationalmuseums. Dass dazu eine Menge bürokratischer Hemmnisse gemeinsam beseitigt werden müssten, ist mir klar. 39 Aber auch das wäre ein gutes Programm für die Zukunft. Im neuen Akopolismuseum gibt es oben im Parthenonsaal einen phantastischen Blick aus den großen Fenstern hinauf zum Parthenon, der quasi wiedererrichtet, aber - wie man gerade beim Gang durch das Museum gelernt hat - in langen historischen Prozessen, die eigentlich noch heute laufen, seiner Skulpturen beraubt worden ist. Wenn man der Akropolis nun zurufen möchte „Wiederbelebung statt weiterer Entkleidung“, so mag man sich zu den Museumssälen umdrehen und sagen: „Leihgabennetz statt Restitutionen“. 222 Wolf-Dieter Heilmeyer Anmerkungen * Er hat hier den Charakter des Vortrags am 15.5.2016 auf der Akropoliskonferenz in Konstanz beibehalten. Die anschließende lebhafte Diskussion hat mögliche Ansätze einer auf die Besucher orientierten Präsentation der Bauten (und Inschriften? ) oben im „Freilichtmuseum“ der Akropolis hervorgehoben sowie vor allem der Funde unten in den Museen von Athen und an verschiedenen Orten Europas: das Herausstellen der „Objektbiographien“ der älteren verlagerten Funde könnte die Bedeutung der Akropolis über Griechenland hinaus für ganz Europa stärken. Bei der Wiederholung des etwas veränderten Vortrags am 20.10.2017 im Akropolismuseum Athen wurde der Wert von langfristigen Leihgaben für die Zusammenarbeit der Museen mit Akropolisfunden betont. Vgl. generell schon die Texte von S. Karousou, ΙΣΟΤΙΜΙΑ Η ΥΠΟΤΕΛΕΙΑ, Nea Hestia 1./ 15.5.1941, in: Karousou 1997, und jetzt von Mantis 2016 (erweitert von C. Vlassopoulou). 1 Despinis 2014, 377-380 Abb. 1-3. 2 Schneider - Höcker 1990, 48; Pandermalis 2015, 306. Vgl. auch Muss - Schubert 1988, 215-220. 229-231. 3 Zitiert bei Schneider - Höcker 1990, 52; vgl. Pantou - Kreeb 2005, 73-83; Palagia 2005, 22-f. 4 Yiakoumis 2000, 66-79; vgl. 109. 113. 118 f. 205. 235. 5 Zitiert bei Schneider - Höcker 1990, 54. 6 S. etwa Krumeich - Witschel 2010. 7 Z. B. Haynes 1975, 7. 19-22, u.-a. pl. 5. 10. 13 b. 21; oder Oehler 1980, 47 Nr. 2. 8 Dazu und zum Weiteren Hadziaslani 1990, 6-16. Gute Beschreibung auch in Baelen 1956, 115-121. 9 Antikenmuseum 1990, darin v.- a.: Hadziaslani 1990, 14 f.; Kondaratos 1994, 35. Die Splitter der Figuren u.-a. bei Brommer 1963 38; zu zusammengehörigen Resten der Figuren heute in Athen und London s. u. a. Delivorrias 1994, 114-116. 10 Die Bronzen: Höckmann 1972, 5. 20 Nr. 20; die Reliefs: Bieber, 36 Nr. 74, vgl. Nr. 75-78. 11 Heilmeyer, Tübingen 1977, 5-21. 12 Brommer 1977, 32 unter Nord 9; vgl. 51 bei N 30; Brommer 1967, 86 unter Süd 7. 13 S. u. a. Vercoutter 1991; Strasburg 1991, 40 f. 14 Rosenberg - Dupuy 1999; vgl. Heilmeyer 2004, 14 f. und Heilmeyer 2013, 60-62. 15 Hitchens 1987, 44. 16 Vgl. in dem schönen Bildband von Trianti 1998, 15-19 und 92-f. 17 Karouzou 1979, 7-10; vgl. etwa zu den Bronzen 138 und zu den Vasen 170. 18 Lindenlauf 1997, 46-115; Scholl 2006, 3-10. 167-172 ausführliche Literaturliste. 19 Graef - Langlotz 1925, S. XV. S. XXXI; vgl. Bd. II, Berlin 1933, S. VIII. Wieviel unbearbeitet blieb, deutet Scholl an: Scholl 2006, 70 Anm. 319. 20 De Ridder 1896, S. IV und 288-292 Nr. 767 f.; jetzt bei Pandermalis 2015, 184 f. 21 Brooke 1921, 317-433. 22 S. Scholl 2006, 167-172 unter AMDA, Casson 1921; Graef - Langlotz 1925; de Ridder 1896; dazu Smith 1910 und Brommer 1963; Brommer 1967; Brommer 1977; jetzt Borbein 2016; vgl. unten bei Anm. 32. 23 Vgl. Karouzou 1979, 135-143. 170 f. 174. 176. 24 Vgl. dazu etwa Scholl 2006, 47 mit dem Hinweis auf die Funde der amerikanischen Grabungen „on the north slope of the Acropolis“, Broneer u. a. 1935, 110-302: Die Inschriften kamen lt. Inv.-Nummern größtenteils ins Athener Epigraphische Museum, die Terrakotten blieben ohne Angaben, die Keramik kam wohl ins Nationalmuseum, so jedenfalls Broneer u. a. 1935 214 Anm. 3. 25 Fürst von Pückler-Muskau 1981, 193. 26 Schloss Branitz, Nachlass Fürst Pückler, Architekturfrgt. aus pentel. Marmor V 5801, Br. 15,2 cm; Vorderteil eines rotfigurigen Stirnziegels V 5803: H. 25,5 cm; dazu vgl. Buschor 1933, 45 f. (Stirnziegel XII, Gruppe 1) Taf. 7; vgl. Bd. I, Berlin 1929, 20-24. Dazu Vlassopoulou 1989, 8. 20 f. Nr. 46-49. - Aus dem Nachlass Pücklers weitere Objekte aus Griechenland im Depot von Schloss Branitz (frdl. Hilfe von Beate Schneider- Gohrenz und Gert Streidt): s. jetzt Gohrenz - Kreibich - Neuhäuser 2018, 81 f. 94 f.; Neupublikation der Akropolis-Funde durch den Verf. in Vorbereitung; dazu vgl. Kokkou 2005, 67 Anm. 16. 27 S. Voudouri 2008, 125-139; Mouliou 2008, 83-109. 28 S. Scholl 2006, 47 Anm. 199. 29 Berlin, Antikensammlung Inv. Sk 1768: Blümel 1928, 19 Nr. K 16 Taf. 24 (H. 9 cm); Rohde 1968, 150 (vom Erechtheion- Fries? ). 30 S. dazu vor allem Plantsos 2008, 11-30, besonders mit dem Begriff der „Hellenikoteta“ in den 30er Jahren des 20. Jhs. 31 Ein Beispiel von vielen: Delivorrias 1994, 114-116; zur Kore von Lyon und zum Reiterkopf Louvre u. a. Karouzou 1997, 39-42. 48. 32 Vgl. Hitchens 1987. 33 Brommer 1963; Brommer 1967; Brommer 1977, vgl. oben Anm. 12. 34 Speier 1950, 103-116 Abb. 25-29; Brommer 1954-55, 63; Brommer 1958, 106; Brommer 1963 I, 38. 84. 98. 167; II, X-f. Tf. 94 f.; W. Fuchs, Pferdekopffragment aus dem Westgiebel des Parthenon, Helbig 1963, 636 f. Nr. 874; vgl. Nr. 871-73; Sailer 2015, 282-286. 35 Hierzu und zum Folgenden Heilmeyer 2013, vor allem 19- f. und 39-42. 36 S. Pandermalis 2015. 37 Korres 1990, 38. 38 Hege - Rodenwaldt 1930. 39 Heilmeyer 2015a, 33-39; vgl. Heilmeyer 2015b, 65-f. Literaturverzeichnis Antikenmuseum Berlin 1990 Antikenmuseum Berlin (Hrsg.), Die Explosion des Parthenon, Ausstellungskatalog Berlin (Berlin 1990) Baelen 1956 J. Baelen, La chronique du Parthénon (Paris 1956) Bieber 1915 M. Bieber, Die antiken Skulpturen und Bronzen des königlichen Museum Fridericianum in Cassel (Marburg 1915) Blümel 1928 C. Blümel, Katalog der griechischen Skulpturen des fünften und vierten Jahrhunderts III (Berlin 1928) Borbein 2016 A. H. Borbein, Die Skulpturen des Parthenon. Wie vollzieht sich Stilentwicklung? JdI 131, 2016, 93-147 Brommer 1954-55 F. Brommer, Parthenon Studien I, AM 69/ 70, 1954-55, 49-66 223 Die Musealisierung der Akropolis Brommer 1958 F. Brommer, Studien zu den Parthenongiebeln IV, AM 73, 1958, 106-116 Brommer 1963 F. Brommer, Die Skulpturen der Parthenon-Giebel (Mainz 1963) Brommer 1967 F. Brommer, Die Metopen des Parthenon (Mainz 1967) Brommer 1977 F. Brommer, Der Parthenonfries (Mainz 1977) Broneer 1935 O. Broneer, Excavations on the North Slope of the Acropolis in Athens 1933-34, Hesperia 4, 1935, 110-302 Brooke 1921 D. Brooke, Terracottas, in: S. Casson (Hrsg.), Catalogue of the Acropolis Museum II. Sculpture and Architectural Fragments (Cambridge 1921) 317-433 Buschor 1933 E. Buschor, Die Tondächer der Akropolis II (Berlin 1933) Casson 1921 S. Casson (Hrsg.), Catalogue of the Acropolis Museum II. Sculpture and Architectural Fragments (Cambridge 1921) Damaskos - Plantsos 2008 D. Damaskos - D. Plantsos (Hrsg.), A Singular Antiquity. 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Es war die Zeit, als sich am Denkmal viele schwere Schäden durch Auswirkungen verfehlter älterer Restaurierungseingriffe und der starken Umweltverschmutzung bemerkbar machten. 2 Damals brach eine neue Ära der Denkmalrestaurierung im modernen Griechenland an, man ließ den Empirismus der früheren Jahre hinter sich und stützte sich nunmehr auf wissenschaftliche Methoden im Rahmen des international geltenden Verhaltenskodexes. 3 Nach intensiven Überlegungen, endlosen Diskussionen und zwei internationalen Konferenzen 4 wurden Entscheidungen zu den meisten offenen Fragen getroffen, die den zukünftigen Zustand der Denkmäler bestimmen sollten. 1987 war die Restaurierung des Erechtheion abgeschlossen, 5 die Arbeiten am Parthenon (Abb. 1) und den Propyläen im Gange, und die Akropolis war als Ensemble in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen worden. Nach dieser positiven Beurteilung der ersten Restaurierung und in Anbetracht des immensen Umfangs der angestrebten weiteren Arbeiten, wurde 2000 der Acropolis Restoration Service (YSMA) eingerichtet. Das ist eine Sonderabteilung des Hellenischen Kulturministeriums, die sich unter der allgemeinen Aufsicht der interdisziplinären Kommission für die Planung, Leitung und Überwachung der Eingriffe an der Akropolis verantwortlich zeichnet. Die durchgeführten Eingriffe sind das Ergebnis harter kollektiver Arbeit, deren Motor der verstorbene Professor Charalambos Bouras war, der der ESMA dreißig Jahre vorstand. 6 Die Belegschaft des Acropolis Restoration Service zählt zwischen 120 und 160 qualifizierte Mitarbeiter 7 mit Erfahrung in der Restaurierung und Konservierung von Denkmälern, die entweder eine entsprechende Berufsausbildung oder -praxis aufweisen. Die Co-Finanzierung der Arbeiten durch den griechischen Staat und die Europäische Union stellt eine ununterbrochene Unterstützung von 1999 bis heute sicher (Abb. 2). Problematik und Ziele des Projekts Die Schäden eines Monuments lassen sich einteilen in mechanische, 8 chemische und biologische. 9 Weiterhin können wir mechanische Schäden in solche unterscheiden, die sich aus Naturkatastrophen wie Erdbeben ableiten, und solchen, die auf menschliche Eingriffe zurückzuführen sind, wie die Umwidmung von Gebäuden seit ihrer ersten Nutzung durch die Jahrhunderte oder durch die Auswirkung früherer Restaurierungsarbeiten. 10 Auf der Akropolis wurden bei früheren Restaurierungen nicht nur ungeeignete Materialien wie Zement oder Eisen eingesetzt (Abb. 3), sondern auch eingestürzte Bereiche des Monuments ohne wissenschaftliche Grundlage wiederaufgebaut. 11 Abb. 1: Beginn der Abbauarbeiten an der nordöstlichen Ecke des Parthenon (1986). In der Hocke Professor M. Korres. 226 Vasiliki Eleftheriou Abb. 2: Grundriss der Akropolis. Die abgeschlossenen Arbeiten sind grün markiert, die noch nicht fertiggestellten rot (Zeichnung: I. Travlos, Bearbeitung: P. Konstantopoulos). Abb. 3a und 3b: Geborstene Marmorblöcke am Parthenon, verursacht durch die Korrosion von Eisenelementen früherer Eingriffe. Links: Bausteine an der NW-Ecke (2011), rechts: am Westgiebel (2017). 227 Das Restaurierungsprojekt der Akropolisdenkmäler Das heutige Hauptziel ist es, die Probleme der strukturellen Stabilität der Monumente zu bewältigen. Für Sanierungsmaßnahmen wurden die Bereiche mit den schwersten Schäden ausgesucht. 12 Der Eingriff ist insbesondere bei der rasanten Verschlechterung der Oberflächen von Skulpturen und Reliefs aufgrund von Umweltbedingungen angebracht. Originale werden zu ihrem Schutz in das Akropolismuseum verbracht und auf den Monumenten durch Kunststeinkopien ersetzt. 13 Materialien und Eingriffsmethoden Alle Restaurierungsmaßnahmen auf der Akropolis richten sich nach der international anerkannten theoretischen Richtlinie „Charta von Venedig“ 14 . Dabei werden die Eingriffe nur auf die unbedingt notwendigen beschränkt. Berücksichtigt werden: das ursprüngliche Material, die strukturelle Eigenständigkeit der architektonischen Elemente und ihre ursprüngliche Funktion. Verwendet werden Materialien, die mit denen des ursprünglichen Bauwerks kompatibel sind, und alle Eingriffe werden systematisch dokumentiert. 15 Für die Denkmäler der antiken griechischen Architektur wurden zusätzliche Grundsätze eingeführt, wie z. B. das Prinzip der Reversibilität von Eingriffen. 16 Aus pentelischem Marmor werden die erforderlichen Ergänzungen hergestellt, aber auch die architektonischen Elemente, die für die Stabilität der restaurierten Bereiche notwendig sind. Für die nötigen Verbindungen wird korrosionsbeständiges Titan 17 benutzt, für die Verbindung der Bauteile und das Abdichten von Rissen Mörtel unterschiedlicher Zusammensetzung. 18 Folgende Arbeitsschritte werden ausgeführt: Die Eingriffe beschränken sich auf die Teile der Monumente, die bei früheren Restaurierungen beschädigt wurden oder die strukturelle Mängel aufweisen. Schwer beschädigte Bereiche werden abgetragen (Abb. 4). Beim Abtragen werden das Füllmaterial und verrostete Stützen und Verbindungen entfernt. Sind die architektonischen Teile von Zusatzmaterialien befreit, werden sie im Labor strukturell restauriert. Wo Ergänzungen angebracht sind, wird zuerst eine Gipsform des fehlenden Teils hergestellt. Danach werden mit einem Messzirkel die markierten Punkte von der Gipsform auf das neue Marmorwerkstück übertragen. 19 Nach der Fertigstellung wird die Ergänzung mit Titanverstärkungen und weißem Zementmörtel mit dem antiken Bauteil verbunden. Neben den abgebauten Baublöcken werden auch verstreute antike Fragmente, die als Bestandteile der Monumente identifiziert worden sind, in ihre ursprüngliche oder in eine entsprechende Position eingebaut. In einigen Fällen ist aus Gründen der Strukturstabilität vorzuziehen, vollständig neue marmorne Bauglieder einzusetzen. Nach ihrer Restaurierung werden die Architekturelemente in ihre ursprüngliche Position zurückgesetzt und mit Titanklemmen und -dübeln verbunden. Am Ende dieses Prozesses sind die strukturellen Probleme vollständig behoben und in erheblichem Maße auch die Probleme von Verschiebungen und geometrischen Verformungen. 20 Abb. 4: Der Abbau an der Westseite des Parthenon offenbarte die Struktur des Gebälks. Die Schäden an Oberflächen und Verbindungen sind offensichtlich (2012). 228 Vasiliki Eleftheriou Abgeschlossene Restaurierungsprogramme an den klassischen Monumenten der Akropolis 21 Der Parthenon Wegen der Größe des Monuments 22 sind die Restaurierungsarbeiten am Parthenon in 12 Programme, also Einheiten, unterteilt worden. Die Arbeiten begannen 1983 mit der Restaurierung der östlichen Seite, die 1992 fertiggestellt wurde. Es folgte der östliche Bereich der Nord- und Südseite. Darüber hinaus hatten bis zum Jahr 2000 die Arbeiten an den Langseiten des Tempels, dem Pronaos und dem Opisthodom angefangen. Im Pronaos (östliche Vorhalle) des Parthenon hatte nur eine Säule die Zeit unbeschadet überstanden. Nach der Identifizierung vieler verstreuter Fragmente 23 genehmigte der Zentrale Archäologische Rat die Restaurierung der drei südlichen Säulen in vollständiger Höhe und die Ergänzung der drei anderen. Uneinigkeit herrschte über die Gestaltung der Kanneluren bei den Ergänzungen. Die Entscheidung zu dem Zeitpunkt war, keine Kanneluren Abb. 6: Von den Propyläen aus gesehen: Der Parthenon und das Erechtheion nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten an der Nordseite und vor dem Eingriff im Westbereich (2010). Abb. 5: Restaurierungsarbeiten an der Nordseite des Parthenon (2009). 229 Das Restaurierungsprojekt der Akropolisdenkmäler zu gestalten. Die Ergänzungen bekamen eine künstliche Patina, um den Kontrast zwischen altem und neuem Marmor zu verringern. Diese Arbeiten wurden 2004 abgeschlossen. Aber das Ergebnis führte zu einer weiteren Diskussion, die eine erneute Überprüfung des Themas durch den Zentralen Archäologischen Rat erlaubten. Schlussendlich wurde entschieden, die Säulenergänzungen in der ursprünglichen Säulenform zu gestalten. So ist seit 2012 die Gestaltung der Kanneluren angelaufen. Die Arbeiten an den zwei nördlichen Säulen sind abgeschlossen. Die Wiederherstellung des Opisthonaos (westliche Vorhalle) wurde in zwei Phasen (1991-1993 und 2001- 2004) ausgeführt. Die erste umfasste die Abnahme der Dachbalken des Säulengangs, der Abschlussblöcke und des Westfrieses, die 1993 in das Akropolismuseum gebracht wurden. 24 Die zweite Phase startete 2001 mit dem Abbau des verbleibenden Gebälks und einer Reihe von Säulenkapitellen und obersten Säulentrommeln. Schließlich waren alle abgebauten Teile restauriert, einige davon aus alten Fragmenten wieder zusammengesetzt. 25 Die Konservierung der zuvor nie abgebauten Säulen erfolgte in situ mit speziellem Fugenmörtel, um ihre ursprüngliche Struktur zu bewahren. Die Blöcke des Westfrieses, die vom Gebäude entfernt worden waren, wurden durch Kopien aus Kunststein ersetzt. 26 Die Konservierung und Reinigung der gestalteten Oberfläche des westlichen Frieses war eine der bedeutendsten Arbeiten am Parthenon. Vor kurzem wurde auf diese Weise auch die Kassettendecke der Korenhalle des Erechtheion behandelt. Durch die Anwendung von Lasertechnik wurde eine völlig kontrollierte Entfernung von losen Ablagerungen, der homogenen kompakten und der dendritischen schwarzen Kruste erreicht, ohne das Marmorsubstrat anzugreifen. 27 Die Restaurierung der Kassettendecke im westlichen Säulengang (Pterom) war Bestandteil des aktuellen Programms, inklusive der Rückführung der Balken und der Füllblöcke dazwischen. In Übereinstimmung mit der Studie wurden sechs der sieben Balken restauriert. Die beiden südlichsten wurden bereits an ihren alten Platz gesetzt. 28 Voraussetzung hierfür war die Verstärkung der Abschlusssteine, der Gesimsblöcke und der ersten Baublockreihe der Tympanonrückwand, was alles in situ umgesetzt wurde. Das Programm ist im Gange. Die Wiederherstellung der Nordseite des Tempels war das umfangreichste Restaurierungsprogramm des Parthenon, denn hier ging es um die strukturelle Wiederherstellung von acht Säulen (von der vierten bis zur elften Säule von Osten aus) und der entsprechenden Teile des Gebälks darüber (Abb. 5; 6). 29 Dieses Programm wurde zwischen den Jahren 2001 und 2009 durchgeführt. In der genehmigten Studie wurde der Abbau der acht Säulen und der dazugehörigen Gebälkblöcke festgelegt sowie das Ersetzen der Betonergänzungen früherer Eingriffe durch neue marmorne Ergänzungen, die Eingliederung aller identifizierbaren antiken Stücke, der Ersatz bestehender Klammern und Dübel mit solchen aus Titan und die Anastylose der Architekturelemente in ihrer ursprünglichen Position, um frühere Versetzungen und Umstellungen zu korrigieren. Die Kanneluren der Säulenergänzungen der acht restaurierten Säulen der Nordseite wurden 2014 vollendet. Mitte der 90er Jahre startete das Programm zur Restaurierung der Längsmauern der Cella. Die enorme Zerstörung, die das Feuer auf ihrer Innenseite verursacht hatte, hat bei den Marmorblöcken zu einem sehr hohen Verlust an Masse geführt. Laut der Untersuchungen von N. Toganidis und K. Paraschi erfordert die Wiederherstellung des antiken Gemäuers eine große Anzahl neuer Marmorblöcke. Das sind für die Nordwand etwa 100 Stück oder 25 % der insgesamt 380 Blöcke und für die Südwand 40 % der insgesamt 570 Blöcke. 30 Diese Ergänzungen sind um 50 % umfangreicher als bei der vorangegangenen Restaurierung. Nach der jüngsten Studie, 31 die im Mai 2019 vom Zentralen Archäologischen Rat genehmigt wurde, wird zwischen dem westlichen und dem östlichen Teil der Nordwand unterschieden (Abb. 7). Abb. 7: Restaurierungsvorschlag für die Nordseite (Außenansicht) der Nordwand der Parthenon-Cella. Die antiken Bausteine sind farbig markiert. Die fette Linie grenzt drei Abschnitte ein: rechts den In-Situ-Bereich, in der Mitte die Zone, die vor dem Krieg restauriert wurde, abgetragen worden ist und jetzt restauriert werden soll, und links den Bereich, der mit antiken Steinen aufgebaut werden kann, die vom Denkmal entfernt worden sind. Zeichnung von K. Skaris, 2015. 230 Vasiliki Eleftheriou Die westliche Nordwand soll in voller Höhe (17 Schichten) mit identifiziertem antikem Material und mehreren Ergänzungen aus neuen Marmorblöcken restauriert werden. Im östlichen Teil wird von der Nordwand stammendes antikes Material hinzugefügt, dessen ursprüngliche Position jedoch nicht bekannt ist. In diesem Bereich werden sich die Ergänzungen auf ein notwendiges Minimum beschränken und die sechste Höhenschicht nicht überschreiten. 32 Für die statische Prüfung dieses Vorschlags wurde ein dreidimensionales Modell aus 1330 Steinen und ca. 2800 Verbindungselementen erstellt. Es wurde einer Reihe von Erdbebenszenarien unterzogen, die in Zusammenarbeit mit der Werkstatt für Erdbebentechnologie der Nationalen Technischen Universität Athen modelliert wurden. Die Restaurierung der Mauer begann Anfang 2011 und umfasste Arbeiten am Toichobat, die strukturelle Wiederherstellung von 18 antiken Blöcken des Orthostat (15 an der Außen- und 3 an der Innenseite), die Herstellung von 17 neuen Orthostatenblöcken (2 an der Außen- und 15 an der Innenseite) und ähnliche Arbeiten an 25 Blöcken der ersten Bausteinreihe. Die Arbeiten werden an der zweiten Bausteinreihe fortgesetzt. Der Eingriff auf der Westseite des Parthenon (Abb. 6) war ein äußerst wichtiges Anliegen, diese Arbeiten wurden im Zeitraum 2011-2015 durchgeführt. Die Westseite war von N. Balanos 1900-1902 restauriert worden. Nach hundert Jahren wiesen die meisten externen Metallverbindungen Korrosion und Brüche an den Architraven auf, es gab Verschiebungen und Auskragungen von Architekturelementen, offene Fugen und nicht zu Ende gebrachte Bettungen. Die akutesten Strukturprobleme befanden sich im Bereich der beiden Ecken; folglich konzentrierte sich das Programm von 2011-2015 auf diese Abschnitte. 33 Die Abbauarbeiten reichten bis zur Ebene der Säulenkapitelle (Abb.-8a; 8b). Insgesamt wurden 63 Architekturelemente von der nordwestlichen Ecke und 50 aus der südwestlichen abgenommen. Die Hälfte des abgenommenen Marmormaterials wies strukturelle Probleme auf. Die größte Schwierigkeit stellten die mit bis zu 8,5 Tonnen extrem schweren Architrave dar. Von den zwölf, die abgebaut wurden, waren fünf schon gebrochen, drei weitere hatten in ihrer Struktur weniger gravierende Probleme. Neben der Rückführung der 113 Marmorblöcke waren Restaurierungsarbeiten in ihrer nächsten Umgebung notwendig, die dann in situ durchgeführt wurden. Die Blöcke wurden Stück für Stück abwechselnd in die beiden Ecken zurückgestellt (Abb. 8c). Sieben Metopen, vier von der Nordwest- und drei von der Südwestecke, wurden demontiert und ins Akropolismuseum gebracht. Zehn antike Metopen blieben am Parthenon, wo sie vor Ort konserviert werden. Ebenso wurden die Kopien der beiden Skulpturen von Kekrops und Kallirrhoe am Westgiebel ausgetauscht. Die Originale waren bereits 1976 entfernt worden. Metopen und Statuen wurden durch Kunststeinkopien ersetzt. Der Nutzen des Eingriffs bestand - neben der Entfernung der verrosteten Eisenteile - in der Stärkung des Bauwerks gegen Erdbeben durch Behandlung der offenen Risse, im Verbringen architektonischer Elemente in ihre ursprüngliche Position und in der Verringerung der horizontalen Deformation in Höhe der Architrave. Abb. 8a: Abbauarbeiten am SW-Geison des Parthenon (2012). Abb. 8b: Abbau der 32. Metope an der Nordseite des Parthenon (2011). Die Metope wurde ins Museum verbracht und am Tempel durch eine Kopie ersetzt. 231 Das Restaurierungsprojekt der Akropolisdenkmäler Die Propyläen Die Probleme an den Propyläen ähnelten denen des Parthenon. Das größte strukturelle Problem wurde durch die Korrosion der Eisenträger verursacht, die in die Marmorbalken der restaurierten Kassettendecken des Hauptgebäudes eingebaut worden waren. 34 Die Arbeiten am mittleren und östlichen Bereich dauerten fast 20 Jahre und umfassten - zusätzlich zum Deckenbereich des Hauptgebäudes - den Abbau und die Rückführung des Überbaus der Südwand (38 Blöcke, 1998- 2001), des Überbaus des Hauptgebäudes (2002- 2009), der Nordwand (55 Blöcke, 2002-2004) und des östlichen Säulengangs (35 Blöcke) (Abb. 9). 35 Meiner Meinung nach gab es bei dieser Restauration zwei wichtige Errungenschaften. Die erste war die Bestimmung von zahlreichen verstreuten Fragmenten, die zur Kassettendecke der Propyläen gehörten. Ein großes Betätigungsfeld ist das Zusammenfügen von antiken, von den Bauwerken entfernten oder auf dem Felsen verstreuten Fragmenten und das Zusammensetzen von Bauteilen aus zusammengehörenden Teilen. Ein gutes Beispiel für gelungene Arbeit ist die Wiederherstellung der Propyläendecke. Die Restaurierungsarbeiten ermöglichten die systematische Untersuchung von über 1.000 Kassettenfragmenten. Sie wurden mit kleinen Marmorergänzungen zu Architekturelementen der Decke zusammengeführt (Kassetten und Balken), die so restauriert Abb. 8c: Neuplatzierung des Eckarchitravs an der NW-Ecke des Parthenon, nachdem das Bauglied in der Werkstatt zusammengesetzt worden war (2014). Abb. 9: Gesamtansicht der Propyläen und des Tempels der Athena Nike vom Parthenon aus gesehen. Rechts im Hintergrund die Antike Agora, links der Musenhügel und die Pnyx (2017). 232 Vasiliki Eleftheriou werden konnte. Die Fläche der rekonstruierten Marmordecken des Ostportikus und der Westhalle war fast doppelt so groß wie die der vorhergehenden Anastylose (Abb.-10). Der zweite Punkt ist die Wiederherstellung von zwei ionischen Säulenkapitellen vollständig aus neuem Marmor, die eine besondere Leistung darstellt. Bei der vorangegangenen Restaurierung wurde auf die nordöstliche Säule der Westhalle ein Kapitell gesetzt, das aus Fragmenten verschiedener antiker Kapitelle zusammengefügt war. Um die originalen Bruchstücke der Kapitelle zu konservieren, ist man auf die Herstellung von neuen Kapitellen ausgewichen, exakten Kopien der antiken. Zwei solche wurden auf die nordöstliche und die südöstliche Säule der Westhalle gesetzt. Im Zeitraum 2011-2015 wurden an den Propyläen zwei weitere Programme abgeschlossen, die Restaurierung des Südflügels 36 und der NW-Ecke des Hauptgebäudes. 37 60 Fragmente, die aus 43 Blöcken des Südflügels der Propyläen stammten, wurden in ihre ursprüngliche Position verbracht. Diese Fragmente gehörten zu den Architekturelementen, die nach dem Abriss des Frankenturms 1875 38 verstreut auf dem Felsen der Akropolis herumlagen. Darüber hinaus wurden 15 antike Blöcke, die für den Bau des fränkischen Turms verwendet worden waren, an ihre ursprüngliche Position gebracht. Dieses Restaurierungsprogramm, bei dem neues Material nur begrenzt eingesetzt wurde (weniger als 10 %), schützt nicht nur die Bauglieder selbst, sondern macht auch den Südflügel der Propyläen für die breite Öffentlichkeit anschaulicher (Abb. 11). Der Eingriff an der NW-Ecke der Propyläen zielte auf die Behebung der strukturellen Probleme wie Frakturierung, Verschiebung und Fragmentierung der Bauelemente. Darüber hinaus boten die vorgenommenen Arbeiten die Möglichkeit, antike Blöcke in die Nordwand und in den Säulengang der Westfassade des Hauptgebäudes in ihre ursprüngliche Lage einzubauen. Auch wurde dadurch das starre Bild der Westsicht der Propyläen, wie es sich zwei Jahrhunderte lang präsentierte, in einer Weise verändert, die das künstlerische Format des Baus hervorhebt und seine historische Bedeutung berücksichtigt. Abb. 10a und 10b: Die Propyläen nach der Wiederherstellung der Decke des Hauptgebäudes. Erkennbar sind die neuen Marmorergänzungen und zwei neue ionischen Kapitelle (2018). 233 Das Restaurierungsprojekt der Akropolisdenkmäler Der Tempel der Athena Nike Die Konservierung und Restaurierung des Tempels der Athena Nike wurden 2010 abgeschlossen. 39 Der Tempel war zuvor zweimal restauriert worden, in der Mitte des 18. und des 19. Jahrhunderts. Gravierende Schäden und strukturelle Probleme, die nach den früheren Restaurierungsmaßnahmen offensichtlich geworden waren, erforderten eine komplette Wiederherstellung mit Demontage, Restaurierung und Wiederaufbau der 319 Marmorblöcke des Tempels. Gleichzeitig wurden ebenfalls die Restaurierung und Konservierung der Bauteile des kleinen Vorgängerbaus aus Porosgestein, die sich unterhalb des heutigen Tempels befinden, durchgeführt. Die Stahlbetonplatte, auf die das Gebäude während der Restaurierungsarbeiten 1935-1940 aufgesetzt worden war, wurde durch ein speziell angefertigtes Metallgitter aus rostfreiem Stahl ersetzt. Der Krepis des Denkmals folgend, wurden die Wandblöcke der Cella in neuer Anordnung aufgebaut, und somit frühere Falschplatzierungen korrigiert. Die Anastylose des Tempels der Athena Nike wurde durch Friesteile (die im Museum als Originale ausgestellt sind), dem Gesims und Blöcken des Ostgiebels des Tempels vervollständigt. Im September 2014 wurde vom Zentralen Archäologischen Rat eine Studie zur Rückverfüllung der Fundamente und zur Verlegung eines neuen Bodens im Inneren des Erechtheion genehmigt. 40 Es geht nicht nur darum, die Fundamente und den natürlichen, gewachsenen Felsen selbst zu schützen, sondern auch die Spur der frühchristlichen Basilika zu markieren, die auf der Akropolis für eine bestimmte Zeit von großer Bedeutung war. Arbeiten von begrenztem Umfang, wie die Stützkonstruktion in Säulenform (um den Stylobaten des frühchristlichen Templums zu unterstützen) und die Entfernung von verstreuten architektonischen Elementen, wurden vorrangig abgeschlossen, um eine Dokumentation der vorhandenen geometrischen Raumstruktur zu erreichen. Die Rückverfüllung der Fundamente umfasst laut Studie auch den Einsatz von Drainagefiltern aus als natürlich eingestuftem Material (Abb. 12). Abb. 11: (oben) Ansicht der Propyläen und des Tempels der Athena Nike von Westen (2018). Abb. 12a und 12b: (darunter) Innenansicht des Erechtheion nach dem Hervorheben der frühchristlichen Basilika (2015). 234 Vasiliki Eleftheriou Die Restaurierung des Bodens des Westteils des Erechtheion wurde für den Zugang zum Innenraum des Tempels von der Nordhalle aus als notwendig erachtet. Die Studie fordert einen Boden aus Marmorplatten mit antiken Abmessungen, der von einem Metallrost unterstützt wird. Diese Pläne werden in einer der nächsten Programmperioden umgesetzt. Arbeiten am Felsen und an der umlaufenden Burgmauer Sowohl die Burgmauer als auch der Fels, auf dem die Bauten der Akropolis errichtet wurden, bilden eine Einheit, die zusammen mit den klassischen Denkmälern seit Gründung der ESMA im Fokus liegen (Abb. 13). Im Zeitraum 1977-1993 wurden die Bereiche der östlichen und westlichen Felsenhänge stabilisiert. Die größeren Probleme des Felsens wurden in den 1990er Jahren angegangen. In bestimmten Bereichen der Mauern gab es Anlass zur Sorge, wie beispielsweise an der Südostecke und an der Nordwand im Bereich des Arrephorion. Dort wurden im Zeitraum 2001-2009 erst mechanische und mit der Zeit auch digitale Überwachungssysteme installiert. 41 Zwanzig Jahre nach den ersten stabilisierenden Eingriffen des Acropolis Restoration Service wird in Anbetracht des Klimawandels offensichtlich, dass ein neues Programm erforderlich ist, um nicht nur in anderen Bereichen des Felsens einzugreifen, sondern auch an der umlaufenden Burgmauer. 42 2015 führte der Acropolis Restoration Service kleine Befestigungen durch. Die wichtigste davon war die Restaurierung der Südwand der Akropolis zwischen dem 6. und 7. Stützpfeiler. 43 Das Projekt umfasste die archäologische Reinigung, die den Erhaltungszustand des oberen Mauerbereichs auf einer gesamten Länge von 6 m enthüllte. Es wurde Bitumen eingesetzt und ein Entwässerungssystem installiert, um das Regenwasser in den angrenzenden Kanal abzuleiten. Bröckelndes Baumaterial wurde ausgetauscht, Lücken mit Porosgestein aufgefüllt und Baumörtel konserviert. 44 Diese Arbeiten gelten als Pilotprojekt. Die Probleme, die sowohl an den Bauwerken selbst als auch beim Stabilisierungsprozess auftraten, lieferten wertvolle Informationen zur besseren Bewältigung der Aufgaben kommender Eingriffe. 2016 wurden Studien zu zwei Bereichen an der Nordmauer der Akropolis durchgeführt, 45 in denen schwerwiegende strukturelle Probleme erkannt wurden. Die Arbeiten im Bereich über der Höhle des Zeus haben bereits angefangen (Abb. 14). Abb. 13: Die Mauer der Akropolis, gesehen von der Römischen Agora. Am rechten Rand befindet sich der Interventionsbereich B17 und etwa in der Mitte des Bildes die Bereiche B12-B13 (2017). 235 Das Restaurierungsprojekt der Akropolisdenkmäler Die verstreuten Architekturelemente Inventarisierung, Aufnahme, Dokumentation und Zuordnung der verstreuten Architekturelemente stammen aus einem unabhängigen Programm, das parallel zu den Restaurierungen ausgeführt wird. Abgesehen von der Bestimmung der verstreuten Fragmente, die zu den großen Bauwerken gehören, fand im Zeitraum 2000-2010 die erneute Untersuchung aller auf der Akropolis übriggebliebenen Marmorblöcke statt. 46 Seit 2008 ist Ziel des Projekts die vollständige Dokumentation und Darstellung aller Poros-Sandsteinblöcke, die von archaischen Akropolisbauten stammen. 47 Der Acropolis Restoration Service unterstützte auch die Ephorie für Prähistorische und Klassische Altertümer dabei, fast alle in Stein gemeißelten Inschriften zum besseren Schutz ins alte Akropolismuseum zu bringen. Dokumentation und Anwendung neuer Technologien Eines der grundlegenden Merkmale der Restaurierung ist die systematische und detaillierte Dokumentation aller Arbeitsschritte. Sie besteht aus einer großen Anzahl von Aufzeichnungen wie Tagebucheinträgen, Zeichnungen, Fotoaufnahmen und Videos. Um Speicherung, Verwaltung, Bearbeitung und gemeinsame Nutzung aller Dokumentationsdaten sicherzustellen, wurde eine digitale Datenbankanwendung entwickelt, in die das am jeweiligen Arbeitsplatz produzierte Material täglich eingegeben wird. 48 In den letzten Jahren wurde besonderer Wert darauf gelegt, neue Technologien für den Survey und die grafische Kartierung der Akropolismonumente, der Burgmauer und des gewachsenen Felsens zu nutzen. Die Entwicklung der digitalen photogrammetrischen Techniken hat in den letzten Jahren ermöglicht, Orthofotomosaike und dreidimensionale Modelle von hoher Qualität und Präzision zu erzeugen. Diese können beim Planungsprozess der Restaurationsarbeiten sehr informativ sein, da sie die geometrische Genauigkeit einer Surveyzeichnung mit den visuellen Informationen einer Fotoaufnahme kombinieren. An Teilen des Parthenon wurden photogrammetrische Aufnahmen in großem Maßstab (M- 1- : - 10 und 1- : - 20) durchgeführt, um die laufenden Projekte zu unterstützen (Abb. 15). 49 Abb. 14: Der Interventionsbereich B17 an der Nordmauer. Ausschnitt aus dem Orthophotomosaik (links) und Schnitt (rechts). Zeichnung von K. Mamalougas, 2016. Abb. 15: Grundriss der Nordwestecke des Parthenon auf der Höhe der Architrave, Orthophotomosaik. Die deutlich erkennbaren Brüche und Verschiebungen kamen nach dem Entfernen der obersten Steinschicht zum Vorschein (2012). 236 Vasiliki Eleftheriou Eines der Hauptziele der Akropolis-Kommission war die Aufnahme und Dokumentation der Burgmauer der Akropolis. Nach einem internationalen Wettbewerb wurde das Projekt „Entwicklung geographischer Informationssysteme auf der Athener Akropolis“ von einem Spezialistenkonsortium durchgeführt und 2009 abgeschlossen. 50 Hauptziele des Projektes waren die Ausarbeitung des Grundrisses der Akropolis mit einer Genauigkeit von ca. 3 cm, die Reliefkartierung der Mauer mit einer Genauigkeit von ca. 1 cm sowie das 3D-Scannen des Erechtheions und der Burgmauer. Es sei darauf hingewiesen, dass dieses Projekt zu seiner Zeit aufgrund der Größe und der Morphologie des Projekts international wegweisend war. Projektförderungsmaßnahmen und Öffentlichkeitsarbeit Die Kommission für die Erhaltung der Akropolis-Denkmäler zielt seit Beginn ihrer Tätigkeit darauf ab, die Meinung international renommierter Wissenschaftler über die verschiedenen Möglichkeiten der Denkmalpflege einzuholen und zu diskutieren. Die letzte Konferenz fand im Oktober 2013 im Neuen Akropolismuseum statt, wichtig war jedoch auch die Präsentation der Arbeit zuvor im British Museum im Jahr 2010. 51 Im Rahmen dieser Konferenzen werden regelmäßig Berichte zur Restaurierung der Denkmäler sowie über die bis dahin geleisteten Arbeiten veröffentlicht. 52 Der Acropolis Restoration Service verfügt über eine umfangreiche Erfahrung in Bildungsprogrammen, die seit 2009 in Zusammenarbeit mit dem Akropolismuseum organisiert werden. Die Bildungsmaßnahmen richten sich sowohl an Schüler als auch an Lehrer, die ein Bildungsprogramm für die Klassen ihrer Schule auf die Beine stellen wollen. 53 In den letzten Jahren wurde der Schwerpunkt auf digitale Anwendungen mit den wichtigsten digitalen Inhaltedatenbanken (Content Repositories) gelegt. 54 Zukünftige Restaurierungsprogramme 2015 könnte als Wendepunkt für die Restaurierung der Akropolis-Denkmäler betrachtet werden. Nach Abschluss der Arbeiten an den Propyläen und dem Tempel der Athena Nike wurde der Bereich des zentralen Zugangs zur archäologischen Stätte der Öffentlichkeit übergeben, von dem aus die Einzigartigkeit der Monumente des klassischen Athen zu bewundern ist (Abb. 16). 55 Trotzdem müssen noch mehrere Probleme am Parthenon gelöst werden, die in den kommenden Jahren angegangen werden sollen. Die strukturellen Probleme am zentralen Bereich des westlichen Giebels, am Sturz der Westmauer und am westlichen Teil des südlichen Säulengangs sollen ebenfalls behoben werden. Natürlich gibt es neben dem Parthenon auch noch andere Bereiche, an denen weiterhin gearbeitet werden soll, wie beispielsweise an der Burgmauer. Ein großes Projekt ist zudem die Wiederherstellung der Flächen rund um und auf der Akropolis. 56 Im Rahmen der Planung zukünftiger Programme wurde die Optik der archäologischen Stätte verbessert. Das geschah durch die - so weit möglich - Beschränkung der Gerüste, die jedoch zu den notwendigen Einrichtungen zur Realisierung der Projekte gehören. So begann 2016, während der Wartezeit auf die Genehmigung des folgenden Restaurierungsprogramms, die Umgestaltung der Baustelle am Parthenon: Der Kran, der be- Abb. 16: Gesamtansicht der Akropolis von Westen. Die Arbeiten werden an der Festungsmauer fortgesetzt (links im Bild ist im Bereich B17 das Gerüst erkennbar) und auch am Parthenon: Die zentralen Orthostaten des Tympanon sind abgebaut, so dass sich der gewohnte Umriss des Tempels verändert hat (2018). 237 Das Restaurierungsprojekt der Akropolisdenkmäler reits 1983 in der Cella aufgestellt worden war, wurde entfernt, und an seiner Stelle ein anderer Kran platziert, 57 der seit 2001 außerhalb des Gebäudes in Betrieb war. Werkstätten wurden aus der Cella entfernt und verschiedene Marmorverarbeitungsmaschinen überarbeitet. Dadurch wurde das Umfeld des Monuments stark aufgewertet. Der einzige Bereich, in dem das Gerüst in den kommenden Jahren noch sichtbar sein wird, ist der zentrale Bereich der Parthenon-Westseite. Trotzdem werden beim zeitlichen Fortschritt der Arbeiten keine Abstriche gemacht. Aus Mitteln der Europäischen Union in Höhe von 5.000.000 Euro 58 sollen bis 2020 die Restaurierungsarbeiten am Westgiebel, an den Deckenbalken des Westflügels und am unteren Bereich der Cellanordwand sowie die Gestaltung der Kanneluren der Säulenstellung des Pronaos abgeschlossen sein. Zwei Bereiche an der Nordmauer der Akropolis sollen ebenfalls restauriert werden. Gleichzeitig laufen Dokumentations- und Dokumentenmanagementarbeiten, während weitere Förderprojektmaßnahmen geplant und Studien für zukünftige Programme vorbereitet werden. Der Acropolis Restoration Service unterstützt auch die Ephorie für Prähistorische und Klassische Altertümer bei der Errichtung von archäologischen Depots im alten Akropolismuseum, in denen empfindliche Fragmente geschützt werden sollen. Die Restaurierung der Akropolis-Denkmäler wird mit der gleichen hohen Qualität fortgeführt, wie seit Beginn des Programms angestrebt - dank des spezialisierten Personals und der engen und freundschaftlichen Zusammenarbeit von YSMA und ESMA. Unser Ziel ist es, ohne Verzögerungen die Arbeit fortzusetzen, der sich unsere Lehrer Ch. Bouras und M. Korres verschrieben hatten, um die Denkmäler der Weltgemeinschaft in abgesichertem Zustand zu übergeben. Alle Abbildungen stammen aus dem ESMA-YSMA Archiv. Herzlichen Dank an meinen lieben Freund und Kollegen Ath. Tsingas für die Übertragung des Textes ins Deutsche. Anmerkungen 1 Die Verfasserin bedankt sich herzlich bei den Professoren W. Schuller, U. Gotter und W. Hoepfner für die Einladung zur Teilnahme an der wissenschaftlichen Konferenz des Lehrstuhls Alte Geschichte der Universität Konstanz im Mai 2016 zu Ehren von W. Schuller, dem sie diesen Artikel widmet. Diese Widmung geht einher mit Dankbarkeit für den richtungsgebenden Beitrag von Charalambos Bouras, emeritiertem Professor der Nationalen Technischen Universität Athen und Vorsitzenden des Committee for the Conservation of the Acropolis Monuments, zum Umgang mit den heiklen Aufgaben des Denkmalschutzes. Trotz seiner ursprünglichen Absicht, an dieser Konferenz teilzunehmen, haben ihn ernsthafte gesundheitliche Probleme daran gehindert und ihn schließlich, nur wenige Monate später, niedergerungen. 2 Bouras 1977. Ausführliche Anmerkungen zu den Umwelteinflüssen dieser Zeit in Papanikolaou 2012, 17-50. 3 Die Charta von Venedig war erst zehn Jahre zuvor verfasst worden. Von griechischer Seite aus sollte jedoch die Restaurierung der Stoa von Brauron erwähnt werden, die 1962 nach den Grundprinzipien restauriert wurde, die später von der YSMA übernommen wurden. Bouras 1967, 171-178. 4 Die Internationale Konferenz zum Erechtheion, Athen 1977 und die 2. Internationale Parthenonkonferenz, Athen 1983. 5 Das Projekt wurde von Europa Nostra ausgezeichnet und war die erste von insgesamt vier Auszeichnungen, mit denen die Restaurierungsarbeiten auf der Akropolis geehrt wurden. 6 Die erste Generation von Ingenieuren setzte sich zusammen aus Prof. M. Korres, dem derzeitigen Präsidenten der ESMA, K. Zambas und N. Toganidis, die am Parthenon-Projekt beteiligt waren, und Dr. T. Tanoulas und M. Ioannidou, die im Propyläen-Projekt arbeiteten. Heute führen jüngere Kollegen die Projekte fort. Leiterinnen der Baustellen sind R. Christodoulopoulou (Parthenon), D. Michalopoulou (umlaufende Burgmauer), E. Aggelakopoulou (Oberflächenkonservierung), und E. Sioumpara (verstreute Architekturelemente). E. Lembidaki führt das Dokumentationsbüro und I. Kaimara leitet die Abteilung Information & Bildung. Siehe auch den einleitenden Beitrag im vorliegenden Band. 7 Die Anzahl der Mitarbeiter ist dem jeweils aktuellen Objekt angepasst und erreichte um 2004, dem Austragungsjahr der Olympischen Spiele in Athen, die Höchstzahl von 220 Personen. 8 Zambas 1994, 8-26; Ioannidou 2007, 376-381. 9 Skoulikidis u. a. 1994, 78-86. 10 Balanos 1938; Mallouchou-Tufano 1998, 230-233. 11 Exemplarisch sei hier die nördliche Säulenstellung des Parthenon erwähnt, Zambas 2002, 50-63. 12 Insbesondere die, an denen geborstenes Baumaterial und gravierende Verschiebungen festgestellt wurden. Bouras 1994, 311-339; Economakis 1994. 13 Koufopoulos 1994, 90-101. 2013 wurden die letzten Relieffragmente, sieben Metopen des Parthenon, ins Museum gebracht. 14 ICOMOS, International Charter for the Conservation and Restoration of Monuments and Sites. 2nd International Congress of Architects and Technicians of Historic Monuments, Venedig 1964. 15 Der Bau der griechischen antiken Tempel basiert auf perfekt bearbeiteten Steinen, die mörtellos durch Metallelemente verbunden sind. 16 Charalambos Bouras war der erste, der die Umkehrbarkeit benannte, als er die Restaurierung der Stoa in Brauron studierte. 17 Skoulikidis in Mallouchou-Tufano 1985, 56-59, Zambas u. a. 1986. 18 Der anfangs verwendete Mörtel hatte als Bindemittel weißen Zement und als Zusatzstoff Quarzsand von geeigneter Körnung. Beim Versuch, die Verwendung von Zement einzuschränken, ist die Forschung in den letzten Jahren auf Mörtel aus hydratisiertem, künstlichem Puzzolan und Karbonatsand gekommen. Aggelakopoulou 2015; 2018. 19 Diese in der Bildhauerei bekannten Verfahren zur Herstellung von Kopien werden auf der Akropolis noch immer manuell angewendet. Die Baustelle ist jedoch auch mit geeigneten Maschinen (Pantographen) ausgestattet. Eine begrenzte Anzahl von Bauteilen mit speziellen Anforderungen wird mit CNC- Technologie von externen Partnern hergestellt. 238 Vasiliki Eleftheriou 20 Es ist offensichtlich, dass eine vollständige Beseitigung der Verformungen nur durch eine vollständige Demontage erreicht werden kann, was jedoch den Prinzipien der Eingriffe widerspricht. 21 Im Folgenden wird der Schwerpunkt auf die abgeschlossenen Arbeiten der letzten zehn Jahre gelegt und nicht auf frühere, die bereits in der Vergangenheit ausführlich vorgestellt wurden. 22 Korres - Bouras 1983, 423-497. 23 Nach der Bestimmung von mehr als 50 verstreuten Fragmenten machte Professor M. Korres vier alternative Restaurierungsvorschläge für die Säulenstellung des Pronaos, von denen die zweite realisiert wurde, Korres 1989, 11-111. 24 Koufopoulos 1994, 24-101. 25 Christodoulopoulou 2013b. 26 Toumbakari 2013. 27 Panou u. a. 2013. 28 Skaris u. a. 2015, 15-19. 29 Das Programm begann mit der Restaurierung der acht aufgerichteten Säulen und ihrer Architrave, an denen es strukturelle Probleme und Fehlplatzierungen der architektonischen Elemente gab. Zambas 2002, 64-70. 125-131. Während der Arbeiten wurden neue Erkenntnisse über den Zustand der Säulen und der Architrave gewonnen, Lambrinou 2013. Die Restaurierung des darüber liegenden dorischen Frieses wurde auf die gesamte Nordseite erweitert, um die ursprünglichen Metopen zu entfernen, die durch Kopien ersetzt wurden. Christodoulopoulou 2013a. 30 Toganidis 1994, 69-84; Toganidis - Matala 2002, 4-16; Paraschis - Toganidis 2002, 48-100. 31 Zum Vorschlag, der auf der 6. Internationalen Tagung zur Restaurierung der Akropolis-Denkmäler vorgestellt wurde, s. Bouras 2015, 114-118. Zur Studie, die dem Zentralen Archäologischen Rat zur endgültigen Genehmigung vorgelegt wurde, s. Skaris - Vrouva 2016 und Vrouva 2018. 32 Diese Unterscheidung leitet sich aus dem verfügbaren antiken Material ab. Der östliche Teil der Wand wurde durch die Explosion von 1687 zerstört, während der westliche Teil bis 1822 erhalten blieb. Dann wurde er im Laufe des griechischen Unabhängigkeitskrieg gegen die Herrschaft der Osmanen abgebaut. Die Bausteine blieben jedoch vor Ort, wo sie aufgelesen und untersucht wurden. 33 Eleftheriou u. a. 2015. 34 Tanoulas u. a. 1994, 40-51. 35 Tanoulas - Ioannidou 2002; Ioannidou 2015, 41-45. 36 Tanoulas 2015. 37 Karanasos 2015. 38 Koutselidis - Petropoulou 2015, 24-28. 39 Gemäß der ursprünglichen Studie, Giraud 1994, und der folgenden ergänzenden, Michalopoulou - Mamalougas 2013. 40 Mamalougas - Michalopoulou 2018. 41 Egglezos 2010. 42 Korres 2015, 179-214. 43 Eleftheriou 2015b. 44 Hatzipapa 2018. 45 Michalopoulou u. a. 2016. 46 Sioumpara 2013. 47 Sioumpara 2015, 249-269. 48 Mallouch u. a. 2007. Lempidaki 2015. 49 Mavromati 2015, 232-248. 50 Mavromati 2013. 51 Bouras u. a. 2012. 52 Zur wissenschaftlichen Ausführung der Arbeiten am Erechtheion s. Papanikolaou 2012. Für die Projekte des Zeitraums 2000-2010 s. Ioannidou 2015, mit Literaturverzeichnis. Für die Projekte des Zeitraums 2010-2015 s. Eleftheriou 2015a. Zusammenfassende Berichte werden im jährlichen Newsletter in griechischer und englischer Sprache veröffentlicht. 53 Hadziaslani u. a. 2013. 54 Kaimara 2015. In Zusammenarbeit mit dem Nationalen Dokumentationszentrum wurde die digitale Bildungsinhaltedatenbank entworfen und betrieben (http: / / repository.acropoliseducation.gr) wie auch das Dokumentationsarchiv der Restaurierungen des Erechtheion (http: / / repository-ysma.ekt.gr). 55 Eleftheriou 2018, 427-444. 56 Korres 2002, 413-424. 57 Christodoulopoulou - Manidaki 2016. 58 Das Projekt „Conservation and Restoration of the Monuments of the Acropolis“ wurde im April 2017 in das Unternehmerprogramm des Nationalen Strategischen Referenzrahmens (NS- RF) „Competition, Entrepreneurship and Innovation 2014- 2020“ aufgenommen. Literaturverzeichnis Aggelakopoulou 2015 E. Aggelakopoulou, Conservation Interventions on the Surface of the Acropolis Monuments. Conservation Research Issues, in Ch. Bouras - V. 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Eleftheriou (Hrsg.), Proceedings, of the 6th International Meeting for the Restoration of the Acropolis Monuments (Athen 2015) Christodoulopoulou 2013a R. Christodoulopoulou, Study of the Upper Layers of the Entablature of the North Side Including the Western Part, in: Ch. Bouras - V. Eleftheriou (Hrsg.), Interventions on the Acropolis Monuments 2000-2012 Completed Projects (Athen 2013) Kapitel 4.3.1.3 (CD-ROM auf Griechisch, Abstract auf Englisch) Christodoulopoulou 2013b R. Christodoulopoulou, The Restoration of the Opisthonaos of the Parthenon. History of Interventions. New Observations and Studies, in: Ch. Bouras - V. Eleftheriou (Hrsg.), Interventions on the Acropolis Monuments 2000-2012 Completed Projects (Athen 2013) Kapitel 4.4.1 (CD-ROM auf Griechisch, Abstract auf Englisch) Christodoulopoulou - Manidaki 2016 R. Christodoulopoulou - V. 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Anticipating the Future of the Cultural Past, Zappeion Megaron, Athens 01-06 October 2007 (Athen 2007) 376-381 Ioannidou 2015 M. Ioannidou, Restoration Work on the Acropolis 2000-2010, in Ch. Bouras - V. Eleftheriou (Hrsg.), Proceedings of the 6th International Meeting for the Restoration of the Acropolis Monuments (Athen 2015) 33-59 (Griechisch, Abstract auf Englisch) Ioannidou - Lebidaki 2011 M. Ioannidou - E. Lebidaki (Hrsg.), The Restoration of the Monuments of the Athenian Acropolis 2 (Athen 2011) Kaimara 2015 I. Kaimara, Acropolis Restoration for Kids on Site and Online, in Ch. Bouras - V. Eleftheriou (Hrsg.), Proceedings of the 6th International Meeting for the Restoration of the Acropolis Monuments (Athen 2015) 270-281 (Griechisch, Abstract auf Englisch) Karanasos 2015 K. Karanasos, Study for the Restoration of the NW Corner of the Central Building and the West Façade of the Propylaia III (Athen 2015) 145-188 (Griechisch, Abstract auf Englisch). Korres - Bouras 1983 M. 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Anticipating the Future of the Cultural Past, Zappeion Megaron, Athens 01-06 October 2007 (Athen 2007) 475-479 Mamalougas - Michalopoulou 2018 K. Mamalougas - D. Michalopoulou, Interventions for the Presentation of the Erechtheion’s Interior, in: M. Korres - V. Eleftheriou (Hrsg.), Proceedings, of a Two-Day Conference, Specialised Research and Implementation Issues in the Acropolis Restoration Works Carried out during the Period of 2010-2015, 18-19 November 2016 (Athen 2018) 195-208 (Griechisch, Abstrakt auf Englisch) Mavromati 2013 D. Mavromati, Topographic and Photogrammetric Documentation at the Acropolis of Athens 2007-2012, in: Ch. Bouras - V. Eleftheriou (Hrsg.), Interventions on the Acropolis Monuments 2000-2012 Completed Projects (Athen 2013) Kapitel 9 (CD-ROM auf Griechisch, Abstract auf Englisch) Mavromati 2015 D. Mavromati, Topographic and Photogrammetric Documentation at the Acropolis of Athens, in: Ch. Bouras - V. Eleftheriou (Hrsg.), Proceedings of the 6th International Meeting for the Restoration of the Acropolis Monuments (Athen 2015) 232- 248 (Griechisch, Abstract auf Englisch) Michalopoulou - Mamalougas 2013 D. Michalopoulou - K. Mamalougas, The Restoration Programme of the Temple of Athena Nike, in: Ch. Bouras - V. Eleftheriou (Hrsg.), Interventions on the Acropolis Monuments 2000- 2012 Completed Projects (Athen 2013) Kapitel 6 (CD-ROM auf Griechisch, Abstract auf Englisch) Michalopoulou u. a. 2016 D. Michalopoulou - K. Mamalougas - A. Hatzipapa, Επεμβάσεις αποκατάστασης στα τείχη της Ακρόπολης των Αθηνών, Athen (Unpublished Study, Archive ESMA-YSMA n.M2248) Panou u. a. 2013 A. Panou - K. Frantzikinaki - E. Papakonstantinou. Conservation and Cleaning of the West Frieze of the Parthenon, in: Ch. Bouras - V. Eleftheriou (Hrsg.), Interventions on the Acropolis Monuments 2000-2012 Completed Projects (Athen 2013) Kapitel 7.2 (CD-ROM auf Griechisch, Abstract auf Englisch) Papanikolaou 2012 A. 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Zambas, Study for the Restoration of the North Colonnade of the Parthenon (Athen 2002) (Griechisch). 243 Die Akropolis von Athen Sinngehalt, Erlebniswert und Ausstrahlungskraft eines städtischen Wahrzeichens Alexander Papageorgiou-Venetas Das „veilchengekrönte“ und heutzutage von Umweltbelastungen heimgesuchte Athen nimmt seine Bewohner, aber auch alle Besucher seiner Kulturstätten nicht nur wohlwollend auf, sondern erlaubt zugleich ein facettenreiches tägliches Dasein mit seinen Bestrebungen, Ansprüchen und Interessen, die leider oft ins „Sündhafte“ geraten. Im Schutze der mütterlichen Umarmung der Stadt, die aber wie jegliche Mutter ihre Kinder auch entschieden vereinnahmt, sind wir Suchende, Getriebene, ja Irregeführte. Hin- und hergerissen durch die Wogen der Alltäglichkeit wie in jeder anderen Großstadt, geknechtet von den Notwendigkeiten, schauen wir selten auf nach einem sinngebenden Zeichen. Und doch ragt ein immerwährender Anziehungspol über unsere vergängliche Vielgeschäftigkeit empor, ein ruhender Bezugspunkt, der die verlorene Einheit der Gemeinschaft beschwört. Mit der Wahrnehmung der Sinne, aber auch mit der inneren Schau erleben wir, teilweise bewußt, jedoch auch unbewußt, die Akropolis von Athen als die Stadtkrone, den identitätsstiftenden Ort, Quelle der Selbsterkenntnis, aber auch einer permanenten geistigen Herausforderung. Es sind viele historisch gewachsene und durch Erlebnisse gefestigte Stränge, die uns mit diesem Gesamtkunstwerk verbinden. Sein Vorhandensein stützt uns auf eine geheime, ja unerforschbare Art. Die sich stets wandelnde Geistesverfassung in der Gesellschaft, aber auch große Unterschiede in der individuellen Empfänglichkeit und Empathie der einzelnen Menschen ließen einen breit gefächerten Sinngehalt in Bezug auf die Akropolis im Laufe der Jahrhunderte entstehen. Der Erlebniswert des Monuments ist vielschichtig und verleiht ihm in gleichem Maße wie seine künstlerische Vollendung seine seltene Ausstrahlungskraft. Ein Ort im Spannungsfeld unterschiedlichster menschlicher Handlungen ist die Akropolis im Laufe ihrer langen Geschichte gewesen: befestigter Zufluchtsort und Sitz der Königsmacht in mykenischer Zeit; dazu kultischer Bezirk zur Anbetung der chthonischen Gottheiten dieser Erde und zur Ehrung ihrer mythischen Heroen, eines Kekrops, eines Erechtheus. Staatsheiligtum der Athena und Schatzhaus des Attischen Seebundes im klassischen Zeitalter; ehrwürdiges Denkmal, Gegenstand der Bewunderung und Mittelpunkt der griechischen Kultur, zu dem man pilgerte (hier zeichnet sich zum erstem Mal die Bedeutung der „Sehenswürdigkeit“ ab) in hellenistischer und römischer Zeit. Bischofssitz unter den Byzantinern und Wehrburg mit dem Palast der fränkischen, katalanischen und florentinischen Herrscher im Spätmittelalter; befestigte Oberstadt für die türkische Einwohnerschaft und Sitz des Disdars (Militärbefehlshabers) während der ottomanischen Herrschaft. Kein Hauch der Ausschließlichkeit in der Wahl der Nutzungen im Laufe der Zeiten zeichnet sich ab. Die geschichtliche Entwicklung bereicherte vielmehr die Akropolis abwechselnd mit der Präsenz fast aller menschlichen Tätigkeiten, mit einer Ausnahme wohlgemerkt, der des Handels. Ein Ort des aktiven Lebens ist also die Akropolis für mehr als zwei Jahrtausende geblieben. Dies sollten wir Heutige, die wir mit einem zum Freilichtmuseum ver- Abb. 1: Luftaufnahme des südlichen Teils des Athener Beckens von Nordosten. Im Vordergrund die Altstadt (Plaka) und die Akropolis. Dahinter der Mouseionhügel. Im Hintergrund der Stadtteil Kallithea. Abb. 2: Die Akropolis von Athen in hellenistischer Zeit. Rekonstruktionsversuch. Perspektivische Ansicht von Nordwesten. Zeichnung von M. Korres (1972). 244 Alexander Papageorgiou-Venetas klärten Bild des Bezirks zu leben gewohnt sind, nie vergessen. Ein letzter Versuch, der Akropolis eine nutzungsbezogene Rolle zu verleihen, ist im gewagten Vorschlag Karl Friedrich Schinkels aus dem Jahre 1833 zu erkennen. Er sah die zu errichtende Residenz für König Otto auf dem Burgplateau vor. „Die Akropolis in Athen bildet einen der leuchtendsten Punkte in der Weltgeschichte, an welchem sich unendliche Gedankenreihen knüpfen, die dem ganzen Geschlechte fortwährend wichtig und theuer bleiben müssen; schon deshalb verdient dieser Ort die Wiederbelebung für die Geschichte der folgenden Zeit“, schreibt Schinkel. Die Zeiten der lebenseingebundenen Nutzung des Burgfelsens waren jedoch endgültig vorbei. Einer der anmutigsten und genialsten Entwürfe des europäischen Klassizismus war bestimmt, als „herrlicher und reizender Sommernachtstraum eines großen Architekten“ (so der Kommentar Leo von Klenzes) unverwirklicht in die Geschichte einzugehen. Das Ideelle, ja museale Überleben des Wahrzeichens setzte nun ein. Nach dem erfolgten siegreichen Abschluß eines siebenjährigen Unabhängigkeitskrieges und der Gründung des griechischen Staates wird die Athener Burg zum Hauptgegenstand des künstlerischen Interesses auf europäischer Ebene. Programmatisch erklärt Leo von Klenze im September des Jahres 1834 in seiner Ansprache an König Otto anläßlich des feierlichen Beginns der Restaurierungsarbeiten am Parthenon den Inhalt und die Zielsetzung der neuen Geistesauffassung: „Die Spuren einer barbarischen Zeit, Schutt und formlose Trümmer werden, wie überall in Hellas, auch hier verschwinden und die Überreste der glorreichem Vorzeiten werden als die sichersten Stützpunkte einer glorreichen Gegenwart und Zukunft zu neuem Glanze erstehen.“ Von der „Barbarei“ also zur Zivilisation und neuem Ruhm, mittels der zum „neuem Glanze“ wiederaufzurichtenden antiken Denkmäler! Eine Aufforderung, die zum kulturpolitischen Credo erhoben, bald auch von offizieller griechischer Seite verkündet wird: „Und wir wollen heute, als feierlichen Protest gegen die schändliche Zerstörung des Parthenon, diesen nunmehr aus seinen Trümmern wiedererstehen lassen, so wie wir auch das alte freie Griechenland zum Leben wiedererweckt haben“, beteuert mit dem Pathos der Archäomanie und der Vaterlandsliebe der Generalsekretär der Archäologischen Gesellschaft zu Athen, Alexander Rizos-Rangavis, schon im Jahre 1842. So wird das politische Hauptanliegen, das befreite Land der Griechen in die westliche Zivilisation zurückzuführen, weitgehend mit der In-Wert-Setzung des antiken Erbes verbunden. Antikenverehrung und Antikenforschung blühen auf. Nachdem die Zeugnisse der hehren perikleischen Kunst für lange Jahrhunderte in Vergessenheit geraten und höchstens Gegenstand der Neugier der seltenen Reisenden aus dem Westen gewesen waren, erlebten sie eine erste „Wiedergeburt“ durch die Arbeiten der Gesellschaft der Dilettanti und die genauen Bauaufnahmen von Stuart und Revett in der zweiten Hälfte des 18. Jh. Es waren aber die Entfernung der Skulpturen des Parthenons und die Verwirklichung der griechischen Unabhängigkeit, die die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Monumenten der Akropolis einleiteten. Die bewußte ästhetische Wertschätzung, aber auch die bautechnische Erkundung der Akropolisbauten beruhten auf einer Neuorientierung des westeuropäischen Geistes im Sinne einer neu entfachten Altertumsbegeisterung im Zeitalter des Klassizismus. Über das Studium der antiken Texte hinaus widmete man sich nun den baulichen Überresten des alten Griechenland. Ihre Abb. 3: Grundriss und westliche Ansicht des Akropolisprojektes von K. F. Schinkel zur Erbauung eines Königspalastes auf der Burg (1834). Abb. 4: Der Parthenon von Osten im Jahre 1751. Stich nach einem Aquarell von Stuart and Revett aus dem Werke „Antiquities of Athens“. Um die klassische Ruine, die Türkenhäuser der Oberstadt. 245 Die Akropolis von Athen Ausstrahlung befeuerte eine neohumanistische Weltanschauung. Der Versuch der Wiederbelebung des altgriechischen Geistes setzte sich als Ziel, die getreue, wenn auch oft sterile Nachahmung der künstlerischen Errungenschaften der klassischen Baukunst. So gewinnt auch seit der relativ jüngeren Zeit der nationalen Unabhängigkeit die Athener Akropolis einen völlig neuen Erlebniswert. Der Burghügel wird nun zum „heiligen Felsen“ (ἱερός βράχος) erklärt; „heilig“ allerdings nicht im religiösen, sondern im ethnozentrischen Sinn. Befreit - oder entblößt? - von jeglicher praktischen lebensnahen Nutzung wird nunmehr die Akropolis zu einem symbolträchtigen Ort entrückt und verklärt; zu einem Pol der nationalen Identifikation und zum Gegenstand des Nationalstolzes katexochen. Wir haben es eigentlich mit einem neuen kulturellen „Schrein“, einer „Arche des Hellenismus“ zu tun; ein steinernes Flaggschiff der Neugriechen, auf dem die weißblaue Fahne gehißt wird. Eng mit diesem neuen Sinngehalt eines neugriechischen Identifikationsträgers ist auch die Ausrichtung der Erhaltungs- und Restaurierungsmaßnahmen auf der Akropolis seit 1833 verbunden: Gedanken der weitestgehenden Wiederherstellung des Bauensembles in seiner klassischen, sozusagen „vollkommensten“ Phase nehmen schon früh die Oberhand. Diese restaurative Grundhaltung, von deutschen Altertumsforschern wie Klenze und Ross zur Zeit König Ottos eingeführt, wurde bald von der griechischen Gesellschaft übernommen und konsequent weitergetragen. So ist seit mehr als 180 Jahren mit puristischem Eifer ein eigentümlicher Zielzustand angestrebt worden: die von allen späteren Bauten befreite, eine quasi „ahistorische“ Akropolis. Die Wiedergewinnung der „antiken Schönheit“ (ἀρχαῖον κάλλος) bleibt unter Mißachtung aller historischen Zeugnisse späterer Zeiten das erklärte Ziel der griechischen Anastylose auf der Akropolis. Dies entspricht zwar nicht den international anerkannten Prinzipien der Denkmalpflege, die den erhaltungswürdigen Wert der angehäuften Bauschichten eines Monuments als unantastbares geschichtliches Zeugnis betrachtet, ist aber im Falle der Athener Akropolis als direkte Folge der Abb. 5: Die Akropolis und die Stadt Athen im 2. Jh. n. Chr. Zeichnung von M. Korres. Abb. 6: Die Akropolis von Athen am Ende des 18. Jh. Grundriss. Versuch einer Darstellung der Befestigungsanlagen und der bebauten Areale (Wohnbauten der Oberstadt). Zeichnung von I. Travlos (1958). 246 Alexander Papageorgiou-Venetas patriotisch-archäomanischen Geisteshaltung der Neugriechen zu verstehen. Jeglicher praktischer Nutzung enthoben, Gegenstand künstlerischer Bewunderung und wissenschaftlicher Neugier, „geheiligter“ Ort der Nation und sozusagen geistiges Schatzhaus des Griechentums, erhebt sich heute die Akropolis nicht - wie man meinen könnte - unnahbar und weltfremd über der modernen Großstadt, sondern stellt im Gegenteil einen Anziehungspol als „Sehenswürdigkeit“ des Weltkulturerbes dar. Stadt und Akropolisburg finden sich im ständigen stillen Gespräch. Die Verbindung ist weniger praktischer, sondern hauptsächlich ideeller Natur. Der „heilige Felsen“ wird von den Einheimischen nicht oft betreten, sein Vorhandensein ist jedoch ständig im Bewußtsein der Städter präsent. Dabei ist die Akropolis keineswegs ein aus der Ferne wahrnehmbares Wahrzeichen für das gesamte Athener Becken. Dazu ist ihre Erhebung zu bescheiden. Sie wirkt aber umso mehr als Bezugs- und Orientierungselement für die in der modernen Innenstadt sich abspielenden Bewegungsabläufe. Die Wahrnehmung der Stadtkrone verläuft auf drei Ebenen: Aus der Entfernung besteht schon die Gewißheit ihres Vorhandenseins in angemessener Höhe und geringer Entfernung von der Innenstadt. Präsent, jedoch entrückt wirkt die Akropolis ohne dramatisches Emporragen eher als eine schützende Hand über der Stadt. Es folgt der Zugang von östlicher und westlicher Seite. Die Annäherung ist nicht nur ein physisch-räumliches Heranrücken, sondern auch ein emotional geladenes Erlebnis. Die Sequenz der aufeinanderfolgenden perspektivischen Ansichten bietet ein spannungsreiches Spiel der alternierenden Verhüllungen und Neuentdeckungen des monumentalen Zielobjektes. Abschließend das Zwiegespräch mit der antiken Welt aus erster Nähe: Die Bauten der Akropolis bilden ein einzigartiges Freilichtmuseum in situ auf einem drei Hektar großen Plateau. Hier walten ausschließlich Geschichte und Kunst. In weiter Ferne die Umrisse der Berge und die Spiegelung des Meeres. Den eher seltenen Reisenden früherer Jahrhunderte - unter osmanischer Herrschaft - glich der Akropolis- Abb. 7: Die Akropolis von Nordosten. Aquarell des Autors (2000). Abb. 8: Blick auf die nördliche Vorhalle des Erechteions und der Burgmauer mit den eingebauten archaischen Säulentrommeln, aus einem Gässchen der Plaka gesehen. 247 Die Akropolis von Athen besuch der Entdeckung einer Kuriosität und entsprach einer Annäherung an ein quasi-mystisches, verlorenes Kulturgut. Mit dem allmählichen Einsetzen der Besichtigungsreisen im 19. Jh. näherten sich sowohl Altertumsforscher wie auch Repräsentanten des Bildungsbürgertums mit einer besonderen Ehrfurcht den Akropolis-Denkmälern. Es ist die Zeit der Pilgerschaft zu der sogenannten „Wiege der westlichen Kultur“. Im Laufe des 20. Jh. setzt der Massentourismus ein. Nach einem schönen Wort von Stefan Zweig „reist man nicht mehr, sondern man wird gereist“. Für Ernst Buschor war der Ort noch heilig, der Besuch der Akropolis eine Pilgerschaft: „Obwohl die Kultbilder gestürzt, die Mythen verklungen, die Riten ausgestorben sind, halten die Götter noch, wenn auch in transponierter Gestalt, an ihren alten Sitzen.“ Die echten Akropolispilger werden jedoch allmählich selten. Für die rapide steigende Zahl der Besucher ist das Akropoliserlebnis nunmehr weit davon entfernt, eine ehrfürchtig-kontemplative Wahrnehmung eines historisch geprägten Raumes zu sein. Was jetzt praktiziert wird, ist eine passive Unterwerfung unter das konventionelle Diktat der oberflächlichsten Bildungsbeflissenheit, das jeden anfeuert, mindestens einmal im Leben - und auch wenn nur durch die Linse seines Photoapparates - alle „Wunder“ des Weltkulturerbes betrachtet zu haben. Hierin erkennen wir also die eigentliche Sinngebung, die die großen Besucherströme heutzutage mit der Athener Akropolis verbinden. Es handelt sich offensichtlich dabei um das sehr fragwürdige Attribut der „Sehenswürdigkeit“. Nun ist die Aneignung einer Sehenswürdigkeit durch viele Menschen deshalb ein fragwürdiger Prozeß, weil die ihn in Gang bringende Motivation weder von praktischem Nutzen noch von religiöser Ehrfurcht oder künstlerischer Hochschätzung getragen wird, sondern schiere Neugier darstellt. Und diese Neugier wird durch ein mechanisch in Gang gesetztes Ritual, der Bestrebung „dabei gewesen zu sein“, befriedigt. Wirtschaftliche Zweckmäßigkeiten und stumpfsinnige Verhaltensweisen der sogenannten „offenen Gesellschaft“ fördern solche zweifelhafte Rituale. Dabei sollte nicht verschwiegen werden, daß in jüngster Zeit, als entschiedene Gegensteuerung zum trivialisierten Massenbesuch der Akropolis, wohlkonzipierte didaktische Annäherungsversuche unternommen werden, die sich als Ziel gesetzt haben, der Schuljugend das monumentale Bauensemble inhaltlich zu erschließen. Die leeren Pflichtübungen älterer Tage - kommentarlose Besichtigungen der Altertümer in Begleitung schlecht informierter Schullehrer - werden allmählich durch neu entwickelte didaktische Methoden des handwerklichtaktilen Experimentierens mit den Materialien und Baumethoden der Antike sowie der kreativen Aneignung - durch Messen und Zeichnen - der Kunstformen, ersetzt. Auch geschichtliche Ereignisse und politische und religiöse Abläufe des antiken Lebens werden spielerisch dargestellt und auf diese Weise nachvollzogen. Speziell ausgebildete Mitarbeiter des Denkmalschutzamtes versuchen so, die Monumente im Bewußtsein der Jugend existenziell zu verankern. Vor etwa fünfzig Jahren, als mein verehrter Lehrer, Demetrius Pikionis, das Umfeld und die direkten Zugänge der Akropolis auf hoch empfindsame Art neu gestaltete, entwarf er mit Naturstein gepflasterte Wanderwege und plädierte mit Nachdruck für den nicht motorisierten Zugang zur Akropolis. Den Argumenten seiner Gegner, die die Beibehaltung der Fahrstraßen bis vor die Propyläen vertraten, setzte er scherzhaft die ironische Bemerkung entgegen, daß die allzu faulen modernen Besucher es gegebenenfalls wie ihre verweichlichten Vorläufer zur römischen Zeit versuchen könnten und sich auf Sänften die letzten paar hundert Meter bis zur Akropolis hochtragen lassen sollten. Abb. 9: Die Akropolis von Westen. Eine der zehn Tafeln des Stadtpanoramas Athens von F. Stademann (1836). 248 Alexander Papageorgiou-Venetas Pikionis’ Wunsch nach einer verkehrsfreien Umgebung der Akropolis setzte sich in der Folgezeit glücklicherweise immer mehr durch und wird bis zum heutigen Tag konsequent befolgt. So wurde auch durch die Umgestaltung - um die Jahrtausendwende - der Zufahrtsstraßen von der Innenstadt zur Akropolis in eine stark begrünte Fußgängerpromenade, das Umfeld der Akropolis als historische Stadtlandschaft hervorgehoben. Trotz der Pflege, Verschönerung und Verkehrsberuhigung des Areals spitzt sich jedoch die Lage auf der Akropolis selbst und besonders bei den Propyläen gefährlich zu; der Zugang zum Akropolisplateau ist zu Spitzenzeiten des Besucherstroms schon heute problematisch. Aufgrund der Besichtigungen durch die Menschenmassen wird der schiere physische Aufenthalt der Besucher, geschweige denn die ungestörte Betrachtung und geistige Aneignung der Denkmäler, beträchtlich erschwert. Der historisch geprägte Raum empfängt etwa drei Millionen Besucher im Jahr. Auf der Akropolis sind es am Spitzentag zwanzigtausend, sogar während einer Spitzenstunde des Monats August dreitausend Menschen und dies auf einer Fläche von weniger als drei Hektar, mit einem einzigen Zugang (bei den Propyläen) und äußerst begrenzten Wegeführungen auf dem Plateau. Extreme Dichte der Besucherströme und sackgassenartige Konfiguration des Raumes stellen ernsthaft die Zugänglichkeit des „geweihten“ Ortes in Frage. Seit gut dreißig Jahren ist das Betreten der Innenräume der Denkmäler wegen der Restaurierungsarbeiten untersagt. Und schon macht man sich Gedanken über eine zweckdienliche Verteilung der Besucher im begrenz- Abb. 11: Der Athener Kulturpark: Rekonstruktionszeichnung von Stadion, Olympeion, Akropolis, Pnyx, Diateichisma, Agora und (Theseus) Hephaistus-Tempel in Römischer Zeit. Blau: Führung der Hauptwege in der Antike. Rot: Der Athenische „Peripatos“ heute. Abb, 10: Die „Pilgerwege“ zur Akropolis und dem Mouseionhügel: Das Werk (1954-1958) von Demetrius Pikionis . Hier das Muster der Natursteinpflaster. 249 Die Akropolis von Athen ten Raum der Akropolis. Als Ausweg zeichnet sich die Möglichkeit der zeitlichen Staffelung der Reisegruppen nach einem vorkonzipierten Zeitplan ab. Um die Menschenflut zu kanalisieren, werden höchstwahrscheinlich die Reiseleiter in Zukunft von einer „Acropole sur Rendez-vous“ reden. Und was folgt darauf ? Weitere Maßnahmen, die wie Tücken einer negativen Utopie erscheinen, sind denkbar. Hier eine beängstigende Auflistung möglicher künftiger Schritte: - Schließung der Akropolis für das breite Publikum und Beschränkung der Besichtigung nur für Fachleute und Bauforscher mit spezieller Genehmigung; - Betrachtung und „Vorstellung“ der Akropolis für die große Mehrzahl der Besucher aus eigens dafür eingerichteten Aussichtsterrassen auf den innerstädtischen Hügeln des Lykabettus, des Ardettus und des Mouseion; - spektakuläre Zurschaustellung der Akropolis aus der Luft, mit der Hilfe von Fernrohren aus der Kabine von Luftschiffen, die mit niedriger Geschwindigkeit die Denkmäler überfliegen sollen; - Aufstellen von didaktischen Hologrammen, die vor den entzückten Augen der Touristen dreidimensionale, körperlose Gebilde, luftige genaue Nachahmungen von Architekturmodellen der Akropolis in geeignetem Maßstab, diesen eine „wirklichkeitsnahe“ Wahrnehmung vorgaukeln; - als Letztes und Abwegigstes: die Schaffung auf der grünen Wiese in der Nähe Athens eines archäologischen Disneylandes, in dem die Akropolis in Naturgröße - aus Gips, Kunststoff oder, warum auch nicht, in echtem pentelischen Marmor - als genaue Kopie zur Erbauung und zum Gaudium angeblicher „Antikenbegeisterter“ nachgebildet wird. Sicher darf man heute diese Gedanken noch belächeln, so abwegig sind sie aber wohl doch nicht. Vielleicht sollte man dabei nicht aus dem Auge verlieren, daß schon heute das einmalige Erlebnis des Parthenonbesuches bei Mondschein, so wie es uns der Dichter Georg Seferis in seinen „sechs Nächten auf der Akropolis“ vor zwei Generationen geschildert hat, nicht mehr erlaubt ist. Und noch eine Tatsache darf nicht verschwiegen werden: In einer von Menschen immer mehr ausgenutzten Welt, in der elementare Lebensvoraussetzungen wie die Verfügbarkeit von Trinkwasser, reiner Luft und angemessenem Bewegungsraum notwendige, aber knappe Güter sind, werden auch die sogenannten „Kulturgüter“, wie die Athener Akropolis, unvermeidlicherweise in Mitleidenschaft gezogen. Zwar glauben wir noch, daß diese nach wie vor allen frei zugänglich seien, in Wahrheit wird aber ihre Erlebbarkeit immer mehr eingeschränkt. Sie laufen Gefahr, nicht nur geistig, sondern letztlich auch physisch unerreichbar zu werden. Lebhaft ist mir in Erinnerung, was sich im Jahre 1976, zu Beginn der Restaurierungsarbeiten auf der Akropolis zugetragen hat. Eine Gruppe junger Schweizer Architekten, geblendet durch die Perspektiven des bautechnisch Machbaren, präsentierte öffentlich in der Athener Akademie ihre Pläne für einen „radikalen“ Schutz des antiken Bauensembles, der in Wahrheit seinen Tod bedeutet hätte: Es schwebte ihnen die Errichtung eines riesigen, durchsichtigen geodätischen Domes mit einem Durchmesser von 500 Metern vor, der auf den Hängen des Burgfelsens beruhend, diesen in seiner Ganzheit von den Umweltbelastungen endgültig hätte befreien sollen. Daß dabei alle geschichtlichen Zeugnisse um die Akropolis zerstört und die historische Topographie für immer vernichtet würde, wurde leichtfertig in Kauf genommen. Auch die wichtigste Folge, die Isolierung des Denkmals und seine Herauslösung aus seiner natürlichen Umgebung sowie dessen Ummantelung und Verschleierung war offenbar den Entwerfern nicht bewußt. Angesichts dieser Pläne sah sich Professor Nikolaus Platon veranlaßt, mit bitterer Ironie zu bemerken, daß es nur selbstverständlich sei, wenn die Altertümer Athens das Abb. 12: Luftaufnahme der Akropolis von Osten (1960). Im Vordergrund: Das alte Akropolis-Museum. Abb. 13: Entwurf eines geodätischen Domes zum Schutze der Akropolis (1976). Grundriss und Simulation. 250 Alexander Papageorgiou-Venetas Schicksal der Bevölkerung zu teilen hätten. Sollte es nämlich nicht gelingen, zu einer effizienteren Reduzierung der Umweltbelastungen im Athener Becken zu gelangen, würde eine Bevölkerung von fünf Millionen einer permanenten Gesundheits- und Lebensgefahr ausgesetzt sein. Und wenn dem so wäre, dann sollten wir uns auch mit dem Gedanken des allmählichen Verfalls der Denkmäler befreunden, anstatt die Hybris ihrer Verunstaltung zu planen. Denn wie das Menschengeschlecht, so sind auch seine Werke vergänglich … Dies waren wohlgemerkt die Worte eines leidenschaftlichen Archäologen und eines Gelehrten, der sein Leben der Antike voll gewidmet hatte. Mit dieser eher resignierenden Betrachtungsweise möchte ich allerdings doch nicht enden. Lassen Sie mich also hoffnungsvoller daran erinnern, daß nicht nur die Umweltbedingungen inzwischen verbessert und die antiken Baulichkeiten mit Umsicht und Augenmaß restauriert werden; auch den Modalitäten der Aneignung der Monumente wird immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Was aber als Wichtigstes zu sichern wäre, ist die Zugänglichkeit des Ortes, im doppelten Sinne der Erleichterung der physischen Präsenz der Besucher sowie der ungehinderten geistigen Aneignung des antiken Erbes. Eine derartige Aufgabe ist keine leichte: Angemessene zivilisierte Verhaltensweise der Besucher und eine neu zu gewinnende Ehrfurcht vor der Hinterlassenschaft der Antike müßte die Sucht nach Spektakulärem ablösen. Einfallsreiche Besichtigungsrouten, räumlich geplant und zeitlich abgestimmt, sowie ein behutsames Einführen in die kulturhistorischen Zusammenhänge müßte gefördert werden. Dann wäre es auch wieder angebracht, von einer Pilgerschaft zu sprechen. Denn überall, wie auch hier, überleben die Denkmäler nicht nur dank bautechnischer Erhaltungsmaßnahmen. Sie bleiben bestehen und erblühen neu nur solange, als die Menschen die geistige Beziehung zu ihnen aufrechterhalten und das stumme Gespräch über die Jahrhunderte weiterführen. Abbildungsverzeichnis Alle Abbildungen aus dem Archiv des Autors Abb. 1: Luftaufnahme des südlichen Teils des Athener Beckens von Nordosten. Im Vordergrund die Altstadt (Plaka) und die Akropolis. Dahinter der Mouseionhügel. Im Hintergrund der Stadtteil Kallithea Abb. 2: Zeichnung von M. Korres (1972) Abb. 3: SGS München 25701. 25702 Abb. 4: J. Stuart - N. Revett, The Antiquities of Athens II (London 1825) Taf. 4, 1 Abb. 5: Zeichnung von M. Korres Abb. 6: J. Travlos, Πολεοδομική εξέλιξη των ΑΘηνών. Από των προϊστορικών χρόνων μέχρι των αρχών του 19ου αι. (Athen 1960) Abb. 138 Abb. 7: Aquarell des Autors (2000) Abb. 8: Blick auf die nördliche Vorhalle des Erechteions und der Burgmauer mit den eingebauten archaischen Säulentrommeln, aus einem Gässchen der Plaka gesehen. Abb. 9: A. F. Stademann, Panoramablatt Nr. 1, 1843. Abb. 10: Die „Pilgerwege“ zur Akropolis und dem Mouseionhügel: Das Werk (1954-1958) von Demetrius Pikionis . Hier das Muster der Natursteinpflaster. Abb. 11: Der Athener Kulturpark: Rekonstruktionszeichnung von Stadion, Olympeion, Akropolis, Pnyx, Diateichisma, Agora und (Theseion) Hephaistus-Tempel in Römischer Zeit. Blau: Führung der Hauptwege in der Antike. Rot: Der Athenische „Peripatos“ heute. Abb. 12: Luftaufnahme der Akropolis von Osten (1960). Im Vordergrund: Das alte Akropolis-Museum. Abb. 13: Entwurf eines geodätischen Domes zum Schutze der Akropolis (1976). Grundriss und Simulation. Abb. 14: Die Akropolis und ihr Südhang (1970). Abb. 14: Die Akropolis und ihr Südhang (1970). BUCHTIPP Wolfram Hoepfner Philosophenwege XENIA 1. Auflage 2018, 114 Seiten €[D] 79,00 ISBN 978-3-86764-861-5 eISBN 978-3-7398-0566-5 Über die Methoden der Lehre und die Lehrstätten der Philosophen der spätklassischen Zeit kursieren abenteuerliche Vorstellungen. Trotz einseitiger Quellenlage lassen sich die Wege von Sokrates in Athen, Platons Reisen nach Syrakus und Aristoteles Aufenthalte in Makedonien aber erstaunlich genau nachvollziehen. Philosophen nutzten für ihre Lehre bestimmte schattige Rundwege, um sich bei gleichmäßiger Bewegung mit einem oder zwei Schülern auf einen dialogos zu konzentrieren. Schon für die Historiker der späten Antike wie Diogenes Laertius war dieses Verhalten zum Rätsel geworden. Das Phänomen lässt sich dennoch erklären und sogar topographisch festlegen. Das Hauptaugenmerk gilt den Schulen der Philosophen. In vielen Fällen war damit der Peripatos gemeint, ein Bau-Typus, den Platon in der Akademie kreiert hatte. Wie er aussah, welche Räumlichkeiten vertreten waren und wie lange solche Lehrstätten Bestand hatten, ist Thema dieses Buches. UVK Verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de BUCHTIPPS Beatrice Gavazza Agatone e la tragedia attica di fine V sec. a.C. Studio delle testimonianze e dei frammenti 1. Auflage 2021, 312 Seiten €[D] 78,00 ISBN 978-3-8233-8475-5 eISBN 978-3-8233-9475-4 Mattia de Poli, Pietro Vesentin (eds.) Il mostro dagli occhi verdi Studi sulla gelosia nel teatro antico (e moderno) 1. Auflage 2022, ca. 365 Seiten €[D] 78,00 ISBN 978-3-8233-8548-6 eISBN 978-3-8233-9548-5 Bastian Reitze Der Chor in den Tragödien des Sophokles Person, Reflexion, Dramaturgie 1. Auflage 2017, 796 Seiten €[D] 98,00 ISBN 978-3-8233-8095-5 eISBN 978-3-8233-9095-4 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de DRAMA - Studien zum antiken Drama und zu seiner Rezeption Herausgegeben von: Prof. Dr. Bernhard Zimmermann (Freiburg/ Br.) In der Reihe erscheinen Monographien, Kommentare und Sammelbände, die sich mit dem griechisch-römischen Drama in all seinen Formen und der Rezeption der dramatischen Gattungen nicht nur in der Literatur, sondern auch in Musik, F ilm und auf der Bühne befassen. DRAMA wendet sich in gleicher Weise an Klassische Philolog: innen wie an Literatur- und Kulturwissenschaftler : innen. BUCHTIPP Kordula Schnegg Antike Geschlechterdebatten Die soziale Verortung der Frauen und Männer in der griechisch-römischen Antike 1. Auflage 2021, 91 Seiten €[D] 14,99 ISBN 978-3-89308-459-3 eISBN 978-3-89308-659-7 Geschlecht ist ein zentrales Kriterium für die Ordnung des sozialen Raumes. Das gilt nicht nur für gegenwärtige, sondern auch für vergangene Gesellschaften. In der griechisch-römischen Antike waren Verhaltensregeln und Handlungsmöglichkeiten durchweg geschlechtlich markiert. Den Frauen und den Männern wurden klare Rollen in ihrer Gemeinschaft zugewiesen. Dass die daraus resultierende Geschlechterordnung ein mächtiges Instrument war, um die Gemeinschaft zu regulieren, lässt sich aus antiken Quellen erschließen. Der Band skizziert antike Geschlechterverhältnisse anhand von drei historischen Beispielen: Er diskutiert die Position der Ehefrau im griechischen Haushalt, geht der Frage nach der „idealen“ Männlichkeit in Rom nach und beleuchtet das öffentliche Auftreten einer Römerin in einer politischen Ausnahmesituation. Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de www.uvk.de Die meisten antiken griechischen Städte hatten, soweit es die Topographie auch nur irgendwie zuließ, eine „Oberstadt“. Dass „Akropolis“ gleichwohl und oft genug im Singular mit bestimmtem Artikel firmiert und dann unausweichlich nach Athen gehört, ist mehr als ein historischer Zufall. Denn nirgendwo sonst ist eine Akropolis so bewusst ästhetisch überhöht und über so lange Zeit hinweg, von der griechischen Archaik bis ins 21. Jahrhundert n. Chr., im Sinne der städtischen Identität inszeniert worden wie in Athen. Der Band nimmt, ausgehend von einer Begegnung griechischer und deutscher Forscher: innen, die identitären Aspekte der Beziehung zwischen der Stadt Athen und ihrer Akropolis transepochal und interdisziplinär in den Blick. Dabei werden die relevanten Disziplinen zusammengeführt, von der Archäologie und der Alten Geschichte über die Bauforschung, Restauration und Museologie bis hin zur Stadtplanung. Die thematischen Schwerpunkte bilden die Antike (Archaik bis Spätantike) sowie die Moderne seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts. Am Ende steht ein mehrstimmiger Ausblick auf die zeitgenössischen konservatorischen und urbanistischen Herausforderungen. Prof. Dr. Ulrich Gotter ist Inhaber des Lehrstuhls für Alte Geschichte an der Universität Konstanz. Dr. Elisavet P. Sioumpara ist Leiterin des Projekts „Membra Disiecta“ beim Acropolis Restoration Service im griechischen Kultusministerium und Alexander-von-Humboldt-Stipendiatin am Institut für Klassische Archäologie der LMU München. ISBN 978-3-7398-3104-6