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Wettbewerb und Unternehmensstrategie

für Management und Consulting

1017
2022
978-3-7398-8192-8
978-3-7398-3192-3
UVK Verlag 
Markus Thomas Münter
10.24053/9783739881928

Wettbewerb richtig analysieren und überlegene Strategien entwickeln! Der immer rasantere Wettbewerb bestimmt Marktanteile und letztlich auch den Erfolg eines jeden Unternehmens. Doch wie wirkt sich dies auf die Strategie von Unternehmen aus? Markus Thomas Münter zeigt, wie sich Markstrukturen durch Wettbewerb konkret verändern und wie Unternehmen ihre spezifischen Fähigkeiten erfolgreich einsetzen können, um im Wettbewerb zu bestehen. Auf Besonderheiten digitaler Geschäftsmodelle geht er ein. Auch spieltheoretische Ansätze zieht er zur Erklärung heran. Ein spannender Einstieg für alle, die ökonomische Zusammenhänge in Management, Consulting und Studium schnell und anwendungsorientiert verstehen wollen.

<?page no="0"?> Markus Thomas Münter Wettbewerb und Unternehmensstrategie für Management und Consulting <?page no="1"?> Wettbewerb und Unternehmensstrategie <?page no="2"?> Markus Thomas Münter war 15 Jahre Unternehmensberater und im Management von Finanzdienstleistern. Seit 2014 ist er Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Mikroökonomie, an der htw saar. <?page no="3"?> Markus Thomas Münter Wettbewerb und Unternehmensstrategie für Management und Consulting UVK Verlag · München <?page no="4"?> Umschlagabbildung: © merovingian | iStockphoto Autorenbild: © privat Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783739881928 © UVK Verlag 2022 ‒ ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISBN 978-3-7398-3192-3 (Print) ISBN 978-3-7398-8192-8 (ePDF) ISBN 978-3-7398-0581-8 (ePub) <?page no="5"?> Vorwort Warum scheitern Unternehmen? Sie haben entweder keine Strategie - oder die Strategie ist schlecht. Ist es so einfach? Ja und nein. Natürlich gibt es neben der Strategie noch viele weitere Einflussfaktoren für den Erfolg und die Überlebensfähigkeit von Unternehmen, aber die richtige Strategie ist von diesen Einflussfaktoren mitbestimmt und kann dann auch beitragen, dass das eigene Unternehmen überlebt. Ich habe, bevor ich an die Hochschule zurückgekommen bin, 15 Jahre lang - davon etwa die Hälfte als Unternehmensberater, die andere Hälfte als Manager - teils unfreiwillig Feldforschung betrieben und beobachtet, wie ‚Strategie gemacht‘ wird, im Wesentlichen für und in Banken und Finanzdienstleistern, aber auch in der Telekommunikationsindustrie, bei Versicherungen und Technologie-Plattformen. Einige der Strategien haben sehr gut funktioniert, andere überhaupt nicht. Ich habe natürlich nicht nur zugesehen, manchmal habe ich auch geholfen, Strategien zu entwickeln und umzusetzen - auch hier hat natürlich nicht alles funktioniert. Eines hatten aber zumindest alle ‚meine Strategien‘ gemeinsam - sie haben den Markt berücksichtigt, das Verhalten und die möglichen Reaktionen der Wettbewerber, und sie waren quantitativ hinterlegt. Was sind die häufigsten Defekte von Strategien in Unternehmen? Aus meiner Sicht sind es zwei wesentliche Treiber, die oft - obwohl in sich widersprüchlich - zusammenwirken: ■ Monopolartiges Verhalten - Vorstände und Geschäftsführer und Entscheidungsgremien wie Management Boards denken und handeln, als wäre das Unternehmen ein Monopolist. Damit sind meist zwei Probleme verbunden: zum einen wird der Wettbewerb nicht berücksichtigt, zum anderen erliegt man nach Innen und Außen einer Gestaltungsillusion, bis hin zu einer Hybris von aktuellen Vorständen und Managern. Oft endet dann sowohl die Strategie <?page no="6"?> 6 Vorwort wie auch der Vertrag des Managers, weil der Markt oder die Wettbewerber ‚überraschend‘ auch eine Rolle spielen. Zudem geht mit dem monopolartigen Verhalten, welches kaum Fokus und Energie auf den Markt verwendet, eine zu starke Innenorientierung einher - Unternehmen beschäftigen sich im Rahmen von übergroßen Meetings und Reorganisationen mit sich selbst, statt mit den Wettbewerbern. ■ Veränderungsresistenz - die Trägheit der Organisation und Pfadabhängigkeiten dominieren Entscheidungen. Damit geht zum einen ein Status Quo-Bias (‚haben wir schon immer so gemacht‘ versus ‚so wie Sie das vorschlagen, hat das noch nie funktioniert‘) einher, anderseits eine oft erstaunliche Energie, nicht zu entscheiden. In vielen Unternehmen werden zahlreiche strategische Optionen entwickelt, aber nicht umgesetzt. Gründe sind im Wesentlichen in der Governance der Unternehmen (‚das gehört nicht zu unserem Auftrag‘, ‚das müssen wir aber nochmal abstimmen‘ oder ‚das kriegen wir beim Aufsichtsrat nie durch‘) zu sehen und in falschen oder fehlenden wirklichen Anreizstrukturen für Entscheider versteckt. Zudem scheinen in vielen Unternehmen sehr viele Menschen erklären zu können, warum irgendwas gerade jetzt oder überhaupt nicht geht. Strategie ist also nicht ‚Everybody’s Darling‘ . Viele - auch erfolgreiche - Unternehmen vertrauen auf ihre gelebten Routinen oder unternehmerischen Mut, statt sich mit analytischem Herangehen neue Chancen zu erschließen. Insbesondere werden - der Politik nicht unähnlich - oft mit viel taktischem Bauchgefühl Trends und Mehrheitsmeinungen in der Organisation erspürt und aufgegriffen, um dann mit viel Konsens, aber konfliktfrei eine Strategie festzulegen, die insbesondere den Besitzstand wahrt und innerhalb der Organisation den Führungsprozess erleichtert. Viele Unternehmen scheitern aber, weil sich die Organisation selbst keine langfristige Strategie zutraut, da Strategie häufig Veränderung bedeutet und erfordert und über taktische und kurzfristige Initiativen hinausgeht. Vor diesem Hintergrund ist dieses Buch entstanden. Erstens ist das Ziel, den Mehrwert von klarer quantitativer Wettbewerbsanalyse und dem <?page no="7"?> Vorwort 7 Durchspielen strategischer Entscheidungen aufzuzeigen, zweitens sollen typische Muster von unzureichender Strategieentwicklung deutlich werden, drittens sollen Hinweise für den richtigen Einsatz im ‚richtigen Leben‘ eine Anwendbarkeit ermöglichen. Hier sind aber zwei Sicherheitshinweise notwendig: ■ Strategie ist immer industrie- und unternehmensspezifisch, jede Industrie hat ihre eigene Logik und Pfadabhängigkeit, jedes Unternehmen besteht aus Menschen und hat seine eigene Identität und Kultur. Bspw. haben Telekommunikationsindustrie und Finanzdienstleistungsindustrie je ihre eigene Industrielogik und Wettbewerbsdynamik, genauso unterscheiden sich unternehmensspezifische Fähigkeiten und Strategien innerhalb der Finanzdienstleisterindustrie, bspw. von Deutscher Bank und Commerzbank . Mit anderen Worten: dieses Buch liefert keine kochbuchartigen Anweisungen für eine erfolgreiche Unternehmensstrategie, die in jedem Unternehmen und in jeder Industrie gilt. ■ Eine der häufigsten Fragen in Unternehmen ist: ‚Rechnet sich das? ‘ Damit ist klar, dass Strategie nicht auf Leadership oder den Geistesblitzen von Vorständen basiert, sondern auch eine quantitative Dimension hat - jedes (wenn jemand ein Gegenbeispiel kennt, bitte Info an mich) erfolgreiche kapitalmarktorientierte Unternehmen sichert strategische Entscheidungen über Business Cases ab, die im Wesentlichen dazu dienen, eine Strategie quantitativ abzubilden (und dann natürlich in die Planung und Budgetierung zu überführen). Zudem lässt sich Strategie nicht in PowerPoint und Templates entwickeln, sondern basiert - gerade die Zukunft betreffend - immer auf quantitativen Szenarien und Analysen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf einer Ableitung von marktorientierten und unternehmensspezifischen Wettbewerbsvorteilen der Unternehmen und dem Zusammenspiel der Strategien im Wettbewerb; nicht im Mittelpunkt stehen dagegen die Implementierung von Strategien und deren Controlling innerhalb einer Organisation, ebenso wenig Change Management und Leadership. Gerade vor dem Hintergrund immer brei- <?page no="8"?> 8 Vorwort ter und tiefer verfügbarer Daten (gerade auch über Märkte und Wettbewerber) werden an entsprechenden Stellen analytische und ökonometrische Verfahren zumindest skizziert. Mein Dank gilt allen, die in den letzten zwanzig Jahren mit mir Unternehmensstrategien entwickelt und umgesetzt haben - ich habe viel von und mit Euch gelernt. Mein besonderer Dank gilt Georg Sobbe vom Bundesverband Musikindustrie für die Daten zu Umsätzen in der deutschen Musikindustrie, John Weche von der Monopolkommission für die Daten zur Rangstabilität der größten 100 Unternehmen in Deutschland, Jessica Dobry für das Stichwortverzeichnis sowie Rainer Berger für wiederum tolle verlegerische Unterstützung und Betreuung. Saarbrücken und Karlsruhe, im Sommer 2022 Markus Thomas Münter <?page no="9"?> Inhalt Vorwort............................................................................................................................... 5 1 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld ................................ 11 Perspektiven auf Strategie............................................................................................. 16 Evolutorisches Wettbewerbsverhalten und Behavioral Strategy ....................... 26 Unternehmensziele und Unternehmensorganisation ............................................ 41 Unsicherheit als Rahmen für Wettbewerb und Strategie ..................................... 53 Zusammenfassung........................................................................................................... 63 Literaturtipps .................................................................................................................... 64 Kontrollfragen .................................................................................................................. 64 Literatur.............................................................................................................................. 65 2 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie ............................... 74 Market-based View als Erklärung für Wettbewerbsvorteile ............................... 76 Resource-based View als Erklärung für Wettbewerbsvorteile............................ 87 Wettbewerbsvorteile aus Differenzierung und Kostenführerschaft.................. 98 Wettbewerbsvorteile in digitalen Geschäftsmodellen ......................................... 118 Zusammenfassung......................................................................................................... 129 Literaturtipps .................................................................................................................. 130 Kontrollfragen ................................................................................................................ 130 Literatur............................................................................................................................ 131 3 Dynamik im Wettbewerb .................................................................................139 Marktdynamik und Produktlebenszyklen............................................................... 143 Wettbewerber, Industrielebenszyklen und Unternehmenswachstum ............ 159 Marktstruktur und Wettbewerbsintensität............................................................. 175 Zusammenfassung......................................................................................................... 188 Literaturtipps .................................................................................................................. 189 <?page no="10"?> 10 Inhalt 4 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie ......................................196 Nash-Gleichgewichte in simultanen Spielen.......................................................... 201 Risikoaversion und gemischte Strategien ............................................................... 219 Sequentielle Entscheidungen und Commitment................................................... 229 Zusammenfassung......................................................................................................... 238 Literaturtipps .................................................................................................................. 240 Kontrollfragen ................................................................................................................ 240 Literatur............................................................................................................................ 242 5 Strategischer Wettbewerb im Oligopol .....................................................246 Kapazitätsentscheidungen und Strategien beim Cournot-Wettbewerb ......... 250 Sequentielle Entscheidungen und Strategien bei Stackelberg-Wettbewerb .. 269 Preisentscheidungen und Strategien bei Bertrand-Wettbewerb....................... 275 Relevanz für Unternehmensstrategien..................................................................... 288 Zusammenfassung......................................................................................................... 295 Literaturtipps .................................................................................................................. 296 Kontrollfragen ................................................................................................................ 297 Literatur............................................................................................................................ 299 Stichwörter....................................................................................................................303 <?page no="11"?> 1 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld Apple stand 1997 kurz vor dem Bankrott. Im Herbst 1997 kehrte Steve Jobs als CEO zu dem von ihm 1976 gegründeten Unternehmen Apple zurück. Im ersten Jahr nach seiner Rückkehr hat Steve Jobs im Wesentlichen das Produktportfolio bereinigt und Kosten reduziert. Als er im Sommer 1998 nach der Strategie von Apple gefragt wird, antwortete er: ‚I am waiting for the next big thing‘ (Rumelt 2011a, S. 14). Auch die Commerzbank stand 1998 vor einer strategischen Neuausrichtung - statt wie die Deutsche Bank die Zukunft im internationalen Investmentbanking zu suchen und zu sehen, hat die Commerzbank den Weg zu einer europäischen Privat- und Geschäftskundenbank durch Übernahmen eingeschlagen: seit 2000 hat die Commerzbank in 2003 die BRE Bank in Polen übernommen, in 2004 Teile der Schmidt Bank gekauft, in 2005 die Eurohypo vollständig integriert, in 2007 Teile der Bank Forum in der Ukraine und in 2008 schließlich die Dresdner Bank übernommen. Im Oktober 2001 brachte Apple den ersten iPod, im Februar 2007 das erste iPhone auf den Markt. Am 15. September 2008 - etwa zwei Wochen nach der Ankündigung der Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank - hat Lehman Brothers als Folge der US-Immobilien- und Subprime-Krise Insolvenz angemeldet. In der Folge haben sich zahlreiche Finanzdienstleister in existenzbedrohenden Krisen wiedergefunden. In → Abbildung 1.1 sind die Aktienkursentwicklungen von Commerzbank und Apple für den Zeitraum von Januar 1997 bis November 2021 zu sehen - der Aktienkurs von Apple ist um 116.954,71% gestiegen, der Aktienkurs der zwischenzeitlich teilverstaatlichten Commerzbank ist um 94,21% gefallen. Ist also Abwarten eine bessere Strategie als M&A? Tatsächlich kann spieltheoretisch gezeigt werden, das Abwarten als Second Mover Advantage oftmals eine plausible Strategie sein kann (weiterführend → Kapitel 4), und empirische Studien zeigen, dass M&A-Vorhaben häufig nicht den erwarteten Erfolg bringen (weiterführend → Kapitel 2). <?page no="12"?> 12 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld Abbildung 1.1: Aktienkursentwicklung Commerzbank AG und Apple Inc. von 1. Januar 1997 bis 24. November 2021 (bereinigt um Aktiensplits und Neuemissionen). Logarithmische Skala, Index zum 1. Januar 1997 gleich 100, eigene Berechnungen l Datenquelle comdirect.de. Ist der Anstieg des Aktienkurses von Apple auf eine überlegene Strategie zurückzuführen, hat umgekehrt die Strategie der Commerzbank nicht funktioniert - oder war Apple nur im richtigen Markt unterwegs, und die Commerzbank im falschen? Der Erfolg einer Strategie und damit auch der Unternehmensgewinn wird von zahlreichen Einflüssen bestimmt: Wie verändern sich der Markt und die Erwartungen der Kunden, welche Strategien wählen die Wettbewerber, wie verändern sich das technologische oder rechtliche Umfeld, wie entwickelt sich die Konjunktur, wie verändern sich wirtschaftspolitische und regulatorische Rahmenbedingungen - und, nicht zuletzt natürlich, wie gut ist die eigene Strategie, passen die eigenen unternehmensspezifischen Fähigkeiten zu dieser Strategie und ist das Unternehmen in einem attraktiven Markt aktiv. 1 10 100 1000 10000 100000 1000000 Apple Commerzbank <?page no="13"?> Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld 13 Fragen │ Bringt denn Strategie überhaupt etwas? Auf den ersten Blick scheint offensichtlich, dass natürlich Strategie für den Unternehmenserfolg entscheidend ist. Es könnte aber auch am Genie des Vorstands, an simplem Glück oder an einer unangreifbaren Marktposition liegen - so dass selbst eine schlechte oder nicht vorhandene Strategie keinen Einfluss auf den Unternehmenserfolg hat. In zahlreichen empirischen Studien wurde versucht, diese Frage zu beantworten (weiterführend Bowman und Helfat 2001, Helfat und Martin 2015, Esho und Verhoef 2020 sowie die dort zitierten Studien und → Kapitel 2) - was sind die wesentlichen Ergebnisse? Tatsächlich kommen als zentrale Erfolgs- und Profitabilitätstreiber von Unternehmen zwei Ursachengruppen in Frage: Industriespezifische Effekte und unternehmensspezifische Fähigkeiten, und innerhalb dieser Fähigkeiten dann die Strategie eines Unternehmens (sogenannte ‚Corporate Effects‘) - und alle überlagert von Zufällen, Glück und Pech. Aus empirischer Perspektive wird dann versucht, die Varianz der Unternehmensgewinne durch diese Größen zu erklären, und insbesondere die über dem Mittelwert liegende Profitabilität einzelner Unternehmen auf eindeutige Ursachen zurückzuführen. Strategie eines Unternehmens erstreckt sich hier auf Management-Fähigkeiten, Leadership-Fähigkeiten (bspw. außergewöhnlich innovativer oder führungsstarker CEOs) sowie die strategischen Planungs- und Steuerungsprozesse eines Unternehmens. In vielen Studien wird identifiziert, dass Strategie (als Teil der dynamischen unternehmensspezifischen Fähigkeiten) einen positiven Beitrag zum Unternehmenserfolg leistet - allerdings ist der Anteil der Strategie am Erfolg mit zwischen 7% und bis zu 18% nicht dominant: wichtiger scheint in der (a) richtigen Industrie oder dem richtigen Markt aktiv zu sein und (b) die richtigen unternehmensspezifischen Fähigkeiten zu besitzen. Anderseits zeigt sich aber, dass (c) Strategie in einigen Industrien wichtiger und erfolgskritischer und (d) gerade in Transformationsphasen (konjunktureller Abschwung, technologische Veränderungen etc.) Strategie überlebensnotwendig werden kann.  <?page no="14"?> 14 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld Betrachtet man zudem die Untersuchungen zu tatsächlichem Entscheidungsverhalten in strategischen Situationen, dann wird klar: Strategie ist wichtiger als Leadership oder eine herausgestellte Führungspersönlichkeit (March 1994, Hannan und Freemann 1984, Miller und Cardinal 1994, Weber et al. 2001, Kahneman 2003 und Newark 2018). Gute und schlechte Manager profitieren in etwa gleich stark von Strategie, ohne Strategie entscheiden beide in etwa auf dem Niveau von Münzwürfen - was in Anbetracht von C-Level-Gehältern bei fehlender Strategie eine ernsthafte Alternative darstellt. Strategie hat mindestens zwei Perspektiven. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive liegt der Schwerpunkt auf strategischem Management, d.h. im Kern auf der Umsetzung einer Strategie innerhalb einer Organisation - den Einsatz der richtigen Ressourcen, den Aufbau eines Zielsystems und der Gestaltung einer organisatorischen Struktur und geeigneter Prozesse, um den Unternehmenserfolg zu gewährleisten (Macharzina und Wolf 2018). Aus mikroökonomischer und industrieökonomischer Perspektive steht die Interaktion der Strategien im Wettbewerb mit anderen Unternehmen im Mittelpunkt - die Wahl der richtigen Strategien, ein Verständnis der Dynamik von Märkten und strategischem Verhalten der Wettbewerber sowie Veränderungen im Umfeld eines Unternehmens (Münter 2021). Strategie hat damit einmal eine Orientierung nach innen und strukturiert eine Organisation und richtet sie auf Ziele aus, zum anderen eine Orientierung nach außen und versucht die Überlebensfähigkeit der Organisation im Wettbewerb zu erhöhen. In gleicher Weise können Unternehmensstrategien entlang dieser zwei Dimensionen scheitern - entweder gelingt intern die Umsetzung nicht, oder die Strategie scheitert im Wettbewerb. In einer Studie von McKinsey mit 1.139 Entscheidern aus verschiedenen Industrien zeigt sich, dass erfolgreiche Strategien zahlreiche interne wie auch externe Erfolgsfaktoren aufweisen - in erster Linie klar formulierte und verankerte Ziele, eine gute Datenbasis der Entscheidung, integrative Share- und Stakeholder-Beteiligung, präzise Abschätzung <?page no="15"?> Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld 15 der Marktdynamik sowie die explizite Berücksichtigung des Wettbewerberverhaltens (Dye et al. 2009). Ziel und Aufbau dieses Buches Ziel dieses Buches ist es, die mikroökonomischen Grundlagen für erfolgreiche Unternehmensstrategien aufzuzeigen. Schwerpunkte sind die Dynamik der Strategien im Markt und die Ableitung von Wettbewerbsvorteilen aus Marktstruktur und unternehmensspezifischen Fähigkeiten als Treiber von Unternehmenserfolg und Profitabilität. In → Kapitel 1 liegt der Schwerpunkt auf grundlegenden Fragen zu Existenz und Wirksamkeit von Unternehmensstrategie, geeigneten Unternehmenszielen im Spannungsfeld von Shareholder- und Stakeholder-Interessen sowie begrenzter Rationalität, sowie auf den externen Einflussfaktoren auf den Unternehmenserfolg. Wettbewerbsvorteile in → Kapitel 2 können aus Market-based View und Resourcebased View erklärt werden, daneben stehen Produktdifferenzierung, Kostenführerschaft und Netzwerkeffekt als wesentliche Treiber für die Profitabilität von Unternehmen. In → Kapitel 3 stehen empirisch beobachtbare Muster im dynamischen Wettbewerb im Mittelpunkt: Verschiebung von Markt- und Industriegrenzen, Produkt- und Industrielebenszyklen, Unternehmenswachstum und Marktanteilsdynamik sowie horizontale Konzentration und Wettbewerbsintensität. → Kapitel 4 zeigt wesentliche Konzepte der Spieltheorie auf, um Aktionen und Reaktionen der Wettbewerber zu antizipieren und besser damit umgehen zu können: dominante Strategien, beste Antworten oder Committment - aber insbesondere auch den Umgang mit begrenzt rationalen Wettbewerbern, die Vorteilhaftigkeit zufälliger Entscheidungen oder wann First-Mover-Strategien funktionieren. Im abschließenden → Kapitel 5 werden Modelle zu Wettbewerb im Oligopol entwickelt und auf typische strategische Herausforderungen wie Markteintritte, Kapazitätsaufbau, Preiswettbewerb oder den Aufbau von Produktdifferenzierung angewendet. <?page no="16"?> 16 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld Überblick | Dieses Kapitel beschäftigt sich mit ■ Strategie aus betriebswirtschaftlicher und mikroökonomischer Perspektive, ■ Wettbewerb zwischen Evolution und Strategie, ■ begrenzt rationalen Entscheidungen und Behavioral Strategy, sowie ■ Rahmenbedingungen strategischer Entscheidungen aufgrund der Unternehmensorganisation (Corporate Governance) und Unternehmensumwelt. Perspektiven auf Strategie „What is strategy and how do you know if you have one? “ (Markides 2004, S. 5). Die Antwort auf diese Frage ist tatsächlich schwierig. In zahlreichen Studien hat sich gezeigt, dass Unternehmen und Führungskräfte oft keine Unternehmensstrategie verfolgen oder diese nicht präzise und konsistent benennen können (Rukstad und Collis 2008, Leinwand und Mainardi 2016 sowie Newark 2018). Vor diesem Hintergrund ist zunächst hilfreich, den Begriff der Unternehmensstrategie zu definieren und dann mit der tatsächlichen beobachteten Strategie oder Verhaltensweise eines Unternehmens im Wettbewerb zu vergleichen. Strategie kann allgemein (Büchler 2014, Johnson et al. 2017, Grant 2018 oder Pidun 2019 zu alternativen und ergänzenden Definitionen) beschrieben werden als ■ die langfristige Ausrichtung eines Unternehmens und die Leitplanken aller Entscheidungen und Stoßrichtung aller Aktivitäten, ■ unter Berücksichtigung der Marktstruktur und möglicher Strategien aller Wettbewerber, ■ um Wettbewerbsvorteile auf Basis und durch Gestaltung der unternehmensspezifischen Fähigkeiten in einem dynamischen Wettbewerbsumfeld auszunutzen oder zu realisieren,  <?page no="17"?> Perspektiven auf Strategie 17 ■ mit dem übergeordneten Ziel, robuste Profitabilität und die Überlebensfähigkeit des Unternehmens zu sichern. Strategie stellt in diesem Sinn immer eine auf die Zukunft gerichtete Hypothese dar, die sich in künftiger Entwicklung als richtig oder falsch herausstellt (Porter 1996, Rumelt und Lamb 1997 sowie Rumelt 2011b) - allerdings nicht sofort, sondern entsprechend des langfristigen Charakters von Strategie erst nach drei bis fünf Jahren. Eine McKinsey - Umfrage von 2009 unter 2.207 Entscheidern hat ergeben, dass nur 28% die Qualität der strategischen Entscheidungen in ihren Unternehmen als gut oder sehr gut ansehen. 60% antworteten, dass schlechte Entscheidungen genauso häufig vorkommen wie gute Entscheidungen - die restlichen 12% gaben an, dass gute Entscheidungen selten getroffen werden (Dye et al. 2009 sowie Lovallo und Sibony 2010). Die Ausprägungen von Unternehmensstrategien kann zunächst in drei (nicht überschneidungsfreie) Dimensionen gegliedert werden: ■ Als generische Strategien werden Kostenführerschaft und Produktdifferenzierung bezeichnet - beide können, wenn sie kostenlos umsetzbar sind, immer die Profitabilität steigern. Bei Kostenführerschaft steigt die Preis-Kosten-Marge bei gleichbleibendem Preis, bei Produktdifferenzierung wird ein USP (Unique Selling Proposition, d.h. ein Alleinstellungsmerkmal) für einzelne Marktsegmente aufgebaut, der Preiserhöhungen ermöglicht. Generell gilt aber: Weder Kostenführerschaft noch Produktdifferenzierung sind ohne zusätzliche Kosten umsetzbar - bspw. sind Investitionen in Effizienzsteigerung (Prozessinnovationen) oder Marketing notwendig (weiterführend → Kapitel 2). ■ Wettbewerbsstrategien analysieren die strategische Interaktion von Wettbewerbern in Märkten, bspw. Kapazitätswettbewerb, Preiskämpfe oder First-Mover-Strategien. Die Analyse erfolgt über spieltheoretische Modelle, die über das Zusammenspiel der Strategien eine Bewertung der Wirksamkeit einzelner Strategien und des zu erwartenden Marktergebnisses (Effekte auf Unternehmensgröße, Preisniveau, Gewinne etc.) ermöglichen. Herausforderung <?page no="18"?> 18 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld ist hier, das strategische Verhalten und Reaktionen der Wettbewerber richtig zu antizipieren und in die eigene strategische Entscheidung einfließen zu lassen (weiterführend → Kapitel 4 und → Kapitel 5). ■ Innovationen im Sinne Schumpeters (1911 und 1942) als Durchsetzung neuer Kombinationen ermöglichen eine Veränderung des Wettbewerbsprozesses, bspw. weg vom Verkauf von zehn Songs auf einer CD hin zu einem (werbefinanzierten oder bezahlten) Abonnement für Musik-Streaming, oder die Etablierung einer Plattform wie Amazon Marketplaces unter Einbindung der Wettbewerber. Ein Teil der Strategien der Unternehmen ist damit nicht gegen Konkurrenten gerichtet, sondern auf eine Veränderung der Marktstrukturen und der Logik des Wettbewerbsprozesses - bis hin zu Disruption bestehender Märkte, bestehender Kundenbeziehungen und bestehender Unternehmen durch neue Geschäftsmodelle. Ob derartige Wettbewerbswirkungen von Innovationen ausgehen können, hängt einerseits von technologischen Möglichkeiten und andererseits vom Verhalten etablierter Unternehmen ab (weiterführend Münter 2021a und 2021b). Überlagert werden diese drei Ausprägungen von Unternehmensstrategie natürlich von Trends, Moden und Strategie-Buzzwords - so zeigt eine Studie von BCG mehr als 300 Strategie-Frameworks im Zeitraum von 1950 bis 2014, die teilweise nur eine kurze Lebensdauer hatten (Reeves et al. 2015, weiterführend Ghemawat 2003 und Freedman 2013). Unabhängig davon bleibt Unternehmensstrategie auf diesen Ebenen natürlich abstrakt - zur Ableitung einer tatsächlichen unternehmensspezifischen Strategie ist dann ein Abgleich mit der Unternehmenskultur, den Werten und Fähigkeiten der Mitarbeiter sowie den Erwartungen der Shareholder und Stakeholder notwendig. Allerdings ergibt sich aus der Strategie-Definition oben und den drei Ausprägungen von Unternehmensstrategie eine sehr einfache und strukturierte Checkliste beim Einstieg in die Diskussion mit Vorständen oder Geschäftsführern zur Existenz und Plausibilität der tatsächlichen Unternehmensstrategie. Oft zeigt sich hier, dass entweder keine Strategie <?page no="19"?> Perspektiven auf Strategie 19 formuliert ist oder dass die vorhandene Strategie aufgrund von verändertem Marktumfeld oder Wettbewerberverhalten nicht mehr plausibel ist - ein guter Startpunkt für Unternehmensberatungen, um ein Proposal für ein Strategie-Projekt zu entwickeln. Strategie kann auf unterschiedlichen Ebenen verortet sein: ■ Als Unternehmensstrategie (Corporate Strategy) umfasst sie den vollständigen Aktionsradius eines Unternehmens, d.h. hier werden Geschäftsmodelle, Geschäftsbereiche, Produktportfolio, globale Standorte und Vertriebsregionen, grundlegende Finanzierungsstruktur und Organisationsstruktur sowie M&A-Aktivitäten und strategische Allianzen festgelegt. Wesentlich ist hier auch die Zuteilung von Ressourcen (Mitarbeiter, Budgets, Eigenkapital, Investitionen, Produkte oder Geschäftsmodelle) innerhalb des Unternehmens, zudem setzen auf dieser Ebene alle strategischen Controlling- Prozesse zur Steuerung von übergeordneten KPIs wie Unternehmenswert oder Aktienkurs, Eigenkapitalrentabilität oder Cash Flow an. Hier ist wesentlich, das Unternehmen selbst als Portfolio zu verstehen - entsprechend können durch Zukäufe oder Verkäufe das Portfolio verändert und der Unternehmenswert beeinflusst werden (weiterführend Pidun 2019 und → Kapitel 2 zu M&A). ■ Als Geschäftsstrategie (Business Strategy / Business Unit Strategy) werden Stoßrichtungen zur Zielerreichung für einen bestimmten Produktmarkt oder eine bestimmte Zielgruppe festgelegt, bspw. auch als kundenzentrierte Strategie. Hier werden Entscheidungen zu Unternehmensgröße und Produktionsmenge, Leistungsmerkmalen der Produkte und Marktbearbeitung, Innovationen und Technologie oder Preisen getroffen. Zentral ist hier, die Wettbewerbsvorteile gegenüber Wettbewerbern zu entwickeln und strategiekonform einzusetzen. Das Controlling einer Geschäftsstrategie erfolgt meist über Gewinnziele eines Geschäftsbereichs, die Verantwortung für eine Gewinn- und Verlustrechnung eines Managementteams oder über die Zuordnung von Zielen auf die übergeordneten Konzernziele. <?page no="20"?> 20 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld ■ Als funktionale Strategie (Functional Strategies) werden Unternehmens- oder Geschäftsstrategie übersetzt in Funktionalbereiche eines Unternehmens, bspw. in eine Marketingstrategie oder eine IT- Strategie. Die Existenz und die Bedeutung der funktionalen Strategie ist mitbestimmt durch die Organisationsstruktur: In einer Spartenorganisation ist in jedem Geschäfts-/ Produktfeld eine Marketing- oder IT-Abteilung zugeordnet, entsprechend dominiert die Geschäftsstrategie; in einer Matrix-Organisation haben Marketing- und IT-Abteilung übergreifende Verantwortung und Ressourcen, so dass hier ggfs. die funktionale Strategie die Geschäftsstrategie dominiert. Problematisch an funktionalen Strategien ist oft, dass statt einer Ergebnisverantwortung entweder Erlös- oder Kostenziele verankert sind und mögliche zusätzliche Ziele (‚innovative IT- Landschaft‘, ‚werthaltige Neukunden‘, ‚bessere Sichtbarkeit im Markt‘ etc.) häufig schwach quantifizier- und operationalisierbar sind. Strategie ist damit in hierarchische und funktionale Dimensionen zerlegbar. Diese Klassifizierung scheint auf den ersten Blick zwar plausibel, aber sie definiert nicht per se, welche Strategie logisch führend ist. So kann sich die Unternehmensstrategie als hochaggregiertes Abbild der Geschäftsstrategien ergeben, genauso könnte die Unternehmensstrategie die Ziele für die Geschäftsstrategie vorgeben. In gleicher Weise kann auch die Unternehmensstrategie die IT-Strategie vorgeben, aber gerade im Kontext von digitaler Transformation, Big Data und künstlicher Intelligenz können wesentliche strategische Impulse der IT-Strategie die Unternehmensstrategie bestimmen - weltweit haben viele Unternehmen hier neue Vorstandsbereiche eines Chief Digital Officers geschaffen, der als Querschnittsfunktion die Digitalisierung im Unternehmen vorantreiben soll (Péladeau und Acker 2019). Gerade in größeren Unternehmen und Konzernen mit mehreren Tochtergesellschaften führen die unterschiedlichen strategischen Ebenen immer wieder zu Ressourcenkonflikten und Inkonsistenzen in der tatsächlichen Strategie (Radner 1992). <?page no="21"?> Perspektiven auf Strategie 21 Zudem verlaufen die Grenzen zwischen Unternehmensstrategie und Geschäftsstrategie fließend, so dass Strategie hier im Weiteren als Synonym für die langfristige Ausrichtung eines Unternehmens im Wettbewerb verstanden, gleich ob dadurch in enger Definition das Portfolio des Unternehmens verändert wird oder ob eine langfristige Kapazitätsentscheidung getroffen wird (weiterführend Chen und Miller 2012). Strategie innerhalb des Unternehmens und strategisches Management Strategie, sowohl in wissenschaftlicher Analyse als auch im Rahmen der Strategieentwicklung im Unternehmen, beschäftigt sich mit der Frage, ob eine Strategie existiert und ob diese Strategie plausibel ist - anwendungsorientiert setzt strategisches Management dann eine solche Unternehmensstrategie um. Wie aber wird Strategie in Organisationen kommuniziert, gelebt und erlebt? Tatsächlich hat Strategie zwar häufig den Anspruch, innerhalb einer Organisation allgemeingültig und anwendbar im Tagesgeschäft zu sein, aber oft stehen gelebte Routinen, Interessen einzelner Unternehmensbereiche oder schlichte Kommunikationsprobleme im Weg. Vor diesem Hintergrund können Strategie und ihre Evolution, wie von Johnson et al. (2017) vorgeschlagen, empirisch innerhalb von Organisationen entlang von vier sich überlappenden und ergänzenden Mustern gegriffen und beobachtet werden, die entsprechende Implikationen für Strategieentwicklung und -umsetzung haben (weiterführend Whittington 1996, Barnett und Burgelman 1996, Kirsch et al. 2009, Levinthal 2011 sowie Buchanan und Huczynski 2017): ■ Strategie ist rational und logisch: Strategie ist hier ein objektiver, logischer und weitgehend gestaltbar-willkürlicher Prozess, so dass im Wesentlichen analytische und klassifizierende Management-Techniken zum Einsatz kommen, um eine Strategie abzuleiten. Diese Sichtweise geht auf mathematisch-analytische Ansätze aus den Bereichen Management Science und Operations Research <?page no="22"?> 22 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld zurück. Strategieentwicklung ist damit ein rationaler und zielgerichteter Prozess und kann gerade in komplexen Organisationen und dynamischen Wettbewerbsumfeldern helfen, Diskussionen zu Zielen und Vorgehensweisen zu vereinfachen und zu strukturieren. In dieser Sicht sind objektive Daten unstrittig: so werden bspw. Kundenzahlen sowohl als Ist-Zahl wie auch als Ziel im Unternehmen allgemein und gleichartig verstanden und verwendet. Damit wird erreicht, dass Strategie erklärbar wird, bspw. gegenüber Stakeholdern oder dem Kapitalmarkt, aber auch für Mitarbeiter und damit Leitplanken für Entscheidungen schafft. ■ Strategie ist pfadabhängig: Strategie ist hier von Historie, Entwicklungen und Entscheidungen der Vergangenheit, Strukturen der Organisation, Routinen und Wahrnehmung der Mitarbeiter geprägt. Eine Pfadabhängigkeit schränkt mögliche künftige Strategien aufgrund der bisher erfolgten Entscheidungen und Investitionen ein oder macht einen Wechsel zeitaufwendig oder kostspielig - künftige Entscheidungen sind also nicht unabhängig vom Status quo und bisherigen Entscheidungen. Strategien werden inkrementell weiterentwickelt und basieren auf subjektiven Annahmen über die Gegenwart und Zukunft und werden durch organisationsinterne Verhandlungen und Diskussion im Unternehmen manifestiert. In dieser Sicht sind schon Daten, bspw. betreffend der Kundenzahl strittig - so ‚erklären‘ Bereiche im Unternehmen die Zahlen jeweils unterschiedlich und arbeiten zudem an Zielen, die nicht deckungsgleich oder konsistent sind. Strategieentwicklung ist damit stark von Personen und deren Verhaltensmustern bestimmt. Strategie ist damit weniger objektiv und nachvollziehbar, zudem steht die Steigerung des Unternehmenserfolgs nicht zwingend als Ziel (siehe auch → Kapitel 1). Veränderungen der Unternehmensumwelt müssen hier oft erst mit Routinen und Unternehmenskultur abgeglichen werden, bevor strategische Reaktionen möglich sind. ■ Strategie ist zukunftsoffen: Strategie ist evolutorisch, d.h. Strategieentwicklung erfolgt in Teilen zufällig und durch externe Impulse getrieben, kann aber Innovationen schaffen. Wesentlich ist in dieser Sichtweise, dass Strategie und Unternehmensentwicklung <?page no="23"?> Perspektiven auf Strategie 23 nicht nur von innen kommen - zentrale Impulse stammen von außen und werden durch Kunden, Wettbewerber oder Stakeholder bedingt. Mitarbeiter und Führungskräfte akzeptieren hier Unsicherheit der Zukunft und das Unternehmen passt sich strategisch dynamischen Rahmenbedingungen an - bspw. bei rechtlichen oder regulatorischen Veränderungen, technologischen Innovationen oder gesellschaftlichen Veränderungen. Diversität in der Organisation kann dann die Resilienz des Unternehmens erhöhen, gerade bei technologischen oder marktseitigen Veränderungen. ■ Strategie ist Kommunikation: Strategie wird im Wesentlichen durch Sprache, Kommunikation und Zuschreibung von Bedeutung („Erklärungen“) beobachtbar und gelebt. Damit ist jede Strategie subjektive Abbildung der vermuteten Realität der Manager, und die strategische Agenda ist durch Sprache und Kommunikation beeinflussbar und formbar. Strategie wird hier zu einem politischen Prozess, d.h. Ziele treten gegen Vorgehensweisen und Grundüberzeugungen an, ohne dass die Erfolgskriterien eindeutig definiert sind: so kann bspw. die anstehende Vertragsverlängerung eines Vorstands die ‚strategische Agenda‘ des Unternehmens dominieren, da hier schnelle und vorzeigbare Erfolge gegenüber langfristigen Gewinnzielen bevorzugt werden. In dieser Sichtweise kommt einzelnen Managern große Macht zu: Sie können gerade in Bereichs-Silos oder Tochterunternehmen großer und komplexer Organisationen eine Deutungshoheit der Ziele und strategischen Ausrichtung übernehmen, und so die eigentliche Strategie verändern oder sogar deren Umsetzung blockieren. Strategie in Unternehmen pendelt damit zwischen ‚wir haben einen klaren Plan‘ und ‚organisierter Anarchie‘ (Cohen et al. 1972). Natürlich unterscheiden sich diese Muster von Unternehmen zu Unternehmen in Abhängigkeit der Unternehmensgröße und Eigentümerstruktur, der strategischen Rahmenbedingungen und Herausforderungen sowie insbes. handelnden Menschen in der Organisation. Um Strategie erfolgreich umzusetzen ist entweder eine hinreichende Kongruenz dieser vier Dimensionen erforderlich (die Strategie ist logisch hergeleitet, berücksichtigt Pfadabhängigkeiten, adaptiert Umweltveränderungen und wird konsistent erklärt), oder eine der Dimensionen ist eindeutig <?page no="24"?> 24 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld führend. Widersprechen sich diese vier Dimensionen stark, dann ist entweder hoher Koordinations- und Transformationsaufwand notwendig, oder aber die Strategie wird nicht erfolgreich oder effektiv umgesetzt. In der unternehmerischen Praxis werden entsprechend selbst zunächst klar formulierte Strategien im Zeitablauf diffus - sie verlieren ihren Fokus, situative Herausforderungen im Tagesgeschäft verändern und dominieren Sicht- und Herangehensweisen, neue Mitarbeiter oder neue Kunden bringen neue Impulse ein. Damit geht einher, dass die Erlös- und Kostenentwicklung nicht mit der ursprünglichen strategischen Planung zusammenpasst und schließlich Gewinnziele nicht erreicht werden. Auch aus diesem Grund finden in Unternehmen (meist jährlich im Rahmen der Jahresplanung im Herbst, weiterführend → Kapitel 3) Strategie-Reviews statt. Hier werden zum einen der Erfolg der aktuellen Strategie bewertet, insbesondere aber die Prämissen der Strategie überprüft und ggfs. angepasst sowie die tatsächlich gewählten strategischen Maßnahmen auf Strategiekonformität analysiert. Gleiches geschieht typischerweise bei signifikanten Wechseln in Vorstand oder Geschäftsführung. In der Folge von Strategie-Reviews oder Vorstandswechseln steht häufig ein ‚Change-Program‘ mit neuer strategischer Ausrichtung, einer organisatorischen Neuaufstellung und damit wieder einer präziseren strategischen (Re-)Fokussierung auf Ziele und strategiekonforme Maßnahmen (Kelly und Amburgey 1991). Fragen │ Warum braucht ein Unternehmen einen Unternehmensberater? Wie werden in Unternehmen wirklich Entscheidungen über die Strategie getroffen? Formal ist in der Unternehmensverfassung (sei es in der Geschäftsordnung der Geschäftsführung oder des Vorstands, über das Aktienrecht und das Handelsgesetzbuch oder entsprechend unternehmensintern vereinbarter Prozesse) meist das oberste Entscheidungsgremium in Abstimmung mit den Anteilseignern verantwortlich, bspw. der Vorstand im Austausch mit, aber auch unter Kontrolle vom Aufsichtsrat.  <?page no="25"?> Perspektiven auf Strategie 25 Tatsächlich findet aber in großen Unternehmen mindestens die Analyse möglicher Strategien, oft auch die Vorauswahl, im Zusammenspiel mit Unternehmensberatern statt. Unternehmensberatungen mit einem Schwerpunkt auf Unternehmensstrategie (bspw. Bain , McKinsey oder Boston Consulting Group ) haben dabei oft die Aufgabe, auf Basis einer Markt- oder Wettbewerbsanalyse vorhandene strategische Optionen zu plausibilisieren und zu vergleichen, neue Optionen zu entwickeln sowie bei der Implementierung zu unterstützen. Unternehmensberatungen - insbesondere strategische Managementberatungen - haben durch die Entwicklung und Gestaltung, manchmal auch nur Legitimierung, von Ideen und das Anstoßen von Veränderungen das Management und damit die Unternehmen massiv verändert. Unternehmensberatung und Management sind in vielen Unternehmen in Symbiose, zudem wechseln viele Unternehmensberater nach einigen Jahren zu ihren Klienten (Sturdy 2011). Unternehmensberatungen kommt dabei aber noch eine völlig andere Bedeutung zu: sie haben wesentlich zur Etablierung der anwendungsorientierten Methoden des strategischen Managements beigetragen (Hungenberg 2000, Wright et al. 2012 und Pidun 2019). Diverse Matrix-Modelle (zur Zuordnung von Strategien entsprechend zweidimensionaler Kriterien), die Benchmarking-Ansätze (zum Vergleich von Wettbewerbern), Portfolioanalysen (zur Ermittlung von Risiko- und Ergebnis-Gewichten von Geschäftsfeldern oder Produkten) oder Lebenszyklusmodelle (wie Produktlebenszyklus, Industrielebenszyklus oder Technologiezyklus) bis hin zu SWOT-Analyse und Five-Forces- Modell stammen alle aus wissenschaftlicher Forschung - ohne die Anwendung durch Unternehmensberatungen wären sie womöglich niemals im richtigen Leben angekommen. Zahlreiche der so entwickelten Tools und Methoden sind über Projekte, insbes. aber über ehemalige Unternehmensberater, in den Unternehmen angekommen und mittlerweile im täglichen Einsatz - oftmals reduziert auf falsch verstandene Templates oder Frameworks, die dann bei fehlerhafter Anwendung und einem Scheitern der Strategie wieder zu einem neuen Auftrag für eine <?page no="26"?> 26 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld Unternehmensberatung führen. Wichtiger ist dagegen, die Logik der Industrie, die zentralen strategischen Herausforderungen und Implikationen zu erkennen, Unsicherheit als zentrales Merkmal strategischer Entscheidungsprobleme zu verstehen, und quantitative Verfahren wie Kostenkurven oder Spieltheorie anzuwenden (Levinthal 2011 sowie Birshan und Kar 2012). Abbildung 1.2: Drei Perspektiven auf beobachtbare Unternehmensstrategien. ‚maximizing‘ Perspektive ‚behavioral‘ Perspektive ‚governance‘ Perspektive Evolutorisches Wettbewerbsverhalten und Behavioral Strategy Wie verhalten sich Unternehmen im Wettbewerb? Wie wählen Unternehmen Strategien aus, sind die gewählten Strategien optimal, welche Strategien treffen im Wettbewerb aufeinander? In der wissenschaftlichen Diskussion haben sich drei - natürlich nicht widerspruchsfreie und ergänzende - Perspektiven auf Zielsetzungen und Strategien von Unternehmen herausgebildet (Alchian und Demsetz 1972, Nelson und Winter 1982, Rumelt et al. 1991, Hart 1995 und Münter 1999): eine (1) industrieökonomische Perspektive, eine (2) evolutorische Perspektive und eine (3) Corporate Governance Perspektive. beobachtete Unternehmensstrategien 1 2 3 Strategien zielen auf Gewinnmaximierung ab Strategien basieren auf Routinen und Zufall Strategie hängt von der Organisationsform ab <?page no="27"?> Evolutorisches Wettbewerbsverhalten und Behavioral Strategy 27 Industrieökonomische Perspektive auf Wettbewerbsverhalten In Theorie und Praxis dominiert die industrieökonomische Perspektive, die auch Grundlage für strategisches Management ist. Unternehmensziel ist hier, den Gewinn (kurzfristig) und den Unternehmenswert (langfristig) zu steigern oder zu maximieren. Der Fokus der empirischen und theoretischen Untersuchungen im Rahmen von Industrieökonomie und strategischem Management liegt auf der Ableitung oder Begründung optimaler Entscheidungen, um Orientierungspunkte und Leitplanken für Unternehmensentwicklung und Strategieauswahl zu geben. Strategien werden rational abgeleitet und zielen auf Gewinnmaximierung und Unternehmenswertsteigerung. Rationalität wird hier nicht notwendigerweise als Voraussetzung gesehen, vielmehr kann Rationalität im Zeitablauf und durch Lernen entstehen. Wenn sich alle Unternehmen so verhalten, werden entsprechend im Wettbewerb rationale und optimale Strategien der Unternehmen aufeinandertreffen. Damit ist auch das Wettbewerbsergebnis vorbestimmt: Im Rahmen von bspw. spieltheoretischen Untersuchungen können Marktanteile ermittelt, die Wirkung von Marketingstrategien abgeschätzt oder optimale Preismodelle innerhalb einer Industrie abgeleitet werden. Damit diese Analysen allerdings zutreffen, müssen alle Marktteilnehmer rational entscheiden und sich wechselseitig über die Abhängigkeit ihrer Entscheidungen von den Entscheidungen anderer bewusst sein. Zudem müssen alle für die Entscheidungen notwendigen Informationen (entweder als datenbasierte Fakten, als Ergebnis von Markt- und Wettbewerbsanalysen, oder als Wahrscheinlichkeitsverteilung möglicher Ereignisse) vorliegen (siehe weiterführend → Kapitel 3 und → Kapitel 4). Unterstellt wird dabei, dass jedes Unternehmen das Ziel der Gewinnmaximierung verfolgt, über Kenntnis und Voraussicht bezüglich der Umweltbedingungen sowie der Möglichkeiten und Strategien der Konkurrenten heute und in der Zukunft verfügt und in der Lage ist, diese Informationen ‚gewinnmaximierend‘ zu verarbeiten - wie dies geschieht, bleibt in der oft kritisierten ‚Black Box‘ des strategischen Managements verborgen. <?page no="28"?> 28 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld Evolutorische Perspektive auf Wettbewerbsverhalten Offensichtlich vereinfacht diese Sicht- und Vorgehensweise zu stark - Unternehmen verfügen weder über vollständige Information oder perfekte Voraussicht, noch sind Unternehmen in der Lage, diese Informationen optimal zu verarbeiten. Vor diesem Hintergrund hat sich eine zweite Sicht - die verhaltenswissenschaftliche und evolutorische Perspektive auf Strategie - entwickelt (Cyert und March 1963, Simon 1972, Nelson und Winter 1982, Barnett und Burgelman 1996 sowie aus Perspektive der Unternehmensführung Kirsch et al. 2009). Ähnlich der Evolutionstheorie von Darwin (1859) sind Strategien und Zielsetzungen hier wesentlich durch Selektion und Adaption bestimmt: Unternehmen versuchen in dynamischen Wettbewerbssituationen mit unvollständiger Information durch ein Experimentieren mit möglichen Strategien ihre Überlebensfähigkeit sicherzustellen. Wesentlich ist, erfolgreiche Strategien beizubehalten und weiterzuentwickeln, nicht-erfolgreiche Strategien werden aussortiert. Zudem sind Unternehmen hier nicht ‚optimierende Black Boxes‘, sondern komplexe, sozioökonomische Organisationen, innerhalb derer unterschiedliche und auch widersprüchliche Zielsetzungen (bspw. zwischen Managern oder als Silo-Denken zwischen Abteilungen, aber auch im Konflikt zwischen Gewinnerzielung und CSR-Interessen) existieren. Der Fokus der empirischen und theoretischen Analysen liegt auf tatsächlich beobachtetem Verhalten: Manager agieren begrenzt rational und betreiben Satisficing, Entscheidungen basieren pfadabhängig auf bisherigen Entscheidungen, innerhalb des Unternehmens wird kontrovers über Zielsetzungen verhandelt oder gestritten. Strategie basiert dann auf Routinen und wird von Zufällen beeinflusst, ist aber nicht eindeutig auf die Maximierung von Unternehmenszielen gerichtet (vgl. dazu auch das auf Zufällen basierende Gibrat-Modell in → Kapitel 3). Evolutorische Verhaltensweisen bringen keine optimalen Strategien hervor. Zwar wird das Verhalten der Unternehmen oft interpretiert, 'als ob' sie den Gewinn maximieren (Friedman 1953) - es würde dann auf kurze Sicht also keine Rolle spielen, ob alle Unternehmen tatsächlich <?page no="29"?> Evolutorisches Wettbewerbsverhalten und Behavioral Strategy 29 den Gewinn maximieren, denn langfristig bleiben nur solche Verhaltensweisen und Unternehmen überlebensfähig, die tatsächlich optimale Strategien anwenden. Wenn diese auf Darwins Theorie der natürlichen Selektion basierende Argumentation jedoch empirisch richtig sein soll, dann muss ex ante eine optimale Verhaltensweise bekannt sein - die Idee der natürlichen Selektion impliziert im Umkehrschluss nicht, dass überlebende Verhaltensweisen oder Strategien optimal sind (Blume und Easley 1992 und 2002, Heiner 1989 sowie Güth und Peleg 1997). Zusammengenommen ist infrage zu stellen, ob Unternehmen tatsächlich die Zielsetzung verfolgen, den Gewinn zu maximieren (oder andere Größen wie Marktanteil des Unternehmens oder den Status quo und das Gehalt der Manager) und ob ihnen dies generell möglich ist, insbesondere ob alle notwendigen Informationen vorliegen und diese auch für optimale Entscheidungen verwendet werden. In der Regel wird man in Industrien über die Unternehmen hinweg eine Vielfalt an Strategien beobachten können, die zumindest kurzfristig evolutorisch koexistieren, ohne jeweils gewinnmaximierend zu sein (Jovanovic 1982, Malerba und Orsenigo 1996 sowie Münter 1999). Die Wettbewerbsintensität bestimmt dann darüber, ob und wie schnell nicht optimale Strategien aussortiert werden: „If one thinks within the frame of evolutionary theory, it is nonsense to presume that a firm can calculate an actual ‘best’ strategy. […] There are certain characteristics of a firm's strategy, and of its associated structure, that management can have confidence will enhance the chances that it will develop the capabilities it needs to succeed. […] there is a lot of room in between, where a firm (or its management) simply has to lay its bets knowing that it does not know how they will turn out. Thus diversity of firms is just what one would expect under evolutionary theory. It is virtually inevitable that firms will choose somewhat different strategies […]. Inevitably firms will pursue somewhat different paths. Some will prove profitable, given what other firms are doing and the way markets evolve, others not. Firms that systematically lose money will have to change <?page no="30"?> 30 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld their strategy and structure and develop new core capabilities, or operate the ones they have more effectively, or drop out of the contest.” (Nelson 1991, S. 69). In empirischen Studien wird regelmäßig nicht nur Vielfalt der Strategien beobachtet: Tatsächlich zeigt sich sowohl über Unternehmen einer Industrie hinweg, als auch innerhalb großer Unternehmen über unterschiedliche Geschäftsbereiche hinweg große Heterogenität an Unternehmensstrategien, an Management-Methoden oder an Effizienz, die sich deutlich in Produktivitätsunterschiede und unterschiedliche Profitabilität niederschlagen (Hatten und Schendel 1977, Hambrick et al. 1996, Jensen und McGuckin 1997 sowie Bloom et al. 2019): Trotz der Möglichkeit von Benchmarking, Adaption und Imitation sind Unternehmen innerhalb einer Industrie - egal wie eng sie gefasst wird - zu jedem Zeitpunkt unterschiedlich. Zudem ist diese Unterschiedlichkeit persistent - sie geht im Zeitablauf nicht verloren und reduziert sich auch nicht signifikant (Malerba und Orsenigo 1996). Beabsichtige vs. emergente Strategien In ähnlicher Weise hat die empirische Forschung zu strategischem Management verglichen, ob beobachtete Strategien der Unternehmen tatsächlich den vorher, bspw. auf Hauptversammlungen oder Kapitalmarkttagen, angekündigten Strategien entsprechen. Zwei Extrempunkte von Entwicklungslinien von Strategien, natürlich mit allen Zwischenstufen, sind möglich (Mintzberg und Waters 1985 sowie Mirabeau und Maguire 2014): ■ Beabsichtige Strategien: Die beobachteten Strategien entsprechen implementierten und tatsächlich beabsichtigten Strategien (‚Deliberate Strategies‘) zu einem hohen Grad, d.h. die gewählte Strategie wurde intern im Unternehmen und extern im Markt konsistent umgesetzt - unabhängig der Frage, ob die Strategie auch erfolgreich ist. <?page no="31"?> Evolutorisches Wettbewerbsverhalten und Behavioral Strategy 31 ■ Emergente Strategien: Beobachtete Entscheidungen, Unternehmensentwicklung und strategische Maßnahmen entstehen im Wesentlichen ohne oder entgegen grundlegenden strategischen Entscheidungen - vielmehr bilden sie sich im Zeitablauf aus dem Zusammenspiel unterschiedlicher Impulse heraus (‚Emergent Strategies‘) und werden im Markt umgesetzt. Emergente Strategien können aus folgenden Gründen entstehen: ■ entweder hat intern in der Organisation die Implementierung oder extern die Umsetzung im Markt nicht funktioniert, ■ die beabsichtige Strategie hat sich im Zeitablauf, gerade aufgrund der Dynamik von Markt- und Wettbewerbsumwelt und damit notwendig gewordenen Entscheidungen, in eine emergente Strategie transformiert, ■ oder aber das Management des Unternehmens hat bewusst für eine emergente Strategie entschieden. Umsetzung und Implementierung können an Widerständen und Trägheit in der Organisation (weiterführend Hannan und Freeman 1984 sowie Kelly und Amburgey 1991) oder schlicht aufgrund von unzureichenden Management-Fähigkeiten scheitern. Der dritte Fall emergenter Strategien kann entstehen, wenn aufgrund hoher Unsicherheit im Markt oder betreffend neuer Technologien, aber auch bei empfundener Unmöglichkeit der Formulierung oder Festlegung einer Strategie bewusst akzeptiert wird, dass sich Strategie im Zeitablauf durch eine inkrementelle und iterative Abfolge sich ergänzender und verdichtender Entscheidungen herausbildet. So hat sowohl die Staats- und Finanzschuldenkrise ab 2007 wie auch die Corona-Pandemie seit 2019 bei Vorständen und Aufsichtsräten zur Formulierung ‚wir fahren auf Sicht‘ geführt, da wesentliche Prämissen der strategischen Planung nicht mehr valide waren, zudem auch das Verhalten der Wettbewerber nicht mehr präzise vorhersagbar war. Gerade in großen Unternehmen bleibt Strategie auf Unternehmensebene oft unvollständig in dem Sinn, dass nicht alle künftigen Entschei- <?page no="32"?> 32 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld dungen auf darunterliegenden Ebenen absehbar oder vorbestimmbar sind (Levinthal 2011). Zum anderen wird gewollt oder ungewollt akzeptiert, dass Manager Freiheitgrade im Tagesgeschäft ausnutzen und unvollständige Steuerungs- und Überwachungssysteme ohnehin nie abschließend die Umsetzung einer übergeordneten Strategie gewährleisten können. Damit ist aber auch eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit und Innovation möglich - bis hin zu einer auf emergenten Strategien basierenden lernenden Organisation, die sich ohne enge strategische Leitplanken evolutorisch weiterentwickelt (Gavetti et al. 2012, Levinthal und March 1993 sowie Miles et al. 1978). Anderseits können sich emergente Strategien auch in das von Lindblom (1959) als ‚Durchwursteln‘ bezeichnete Muster entwickeln: Aufgrund fehlender oder nicht hinreichend klarer Strategie entscheiden Manager situativ und inkrementell nur das nächste oder drängendste Problem, aber insbesondere immer in Reaktion auf andere Entscheidungen oder auf geänderte Rahmenbedingungen, sowie als Abstimmungs- und Verhandlungsprozess in Entscheidungsgremien. Behavioral Strategy Entscheidungen von Menschen, egal ob als Kunden oder Manager, werden oft als vollständig rational auf Basis von Präferenzen, auf Ziele ausgerichtet, ohne jegliche Emotionen oder Wahrnehmungsverzerrung beschrieben. Tatsächlich werden zahlreiche Entscheidungen aber nicht vollständig rational getroffen - vielmehr weichen sie signifikant und in systematischen Mustern von maximierendem oder optimalem Verhalten ab. Diese Entscheidungen werden im Rahmen von Behavioral Economics analysiert und Erklärungen basieren insbesondere auf psychologischen und verhaltenswissenschaftlichen Experimenten und empirischen Beobachtungen (Kahneman 2003 und 2011, DellaVigna 2009, Camerer et al. 2011 und Thaler 2015). Eine Neigung zu schnellem Denken (und vorschnellen Entscheidungen) schränkt Menschen im Prozess der Informationswahrnehmung, der Informationsverarbeitung und in der eigentlichen Entscheidung ein. <?page no="33"?> Evolutorisches Wettbewerbsverhalten und Behavioral Strategy 33 In der Folge werden zahlreiche Entscheidungen begrenzt rational getroffen (Simon 1955 und 1957, March und Simon 1958 sowie March 1994): ■ Unvollständige Erfassung der Situation - zahlreiche Entscheidungssituationen sind komplex, und die möglichen Strategien und deren Wechselwirkungen mit denkbaren Zielen nicht vollständig beschreibbar, ■ unvollständige Information - zahlreiche Entscheidungssituationen weisen eine Mischung aus Unsicherheit, Risiko und absolut fehlender Information auf, ■ kognitive Beschränkungen - Menschen besitzen eingeschränkte intellektuelle Fähigkeiten und sind beschränkt oder verzerrt in Wahrnehmung, Lernen, Erinnern und planvollem Vorgehen, und ■ zeitliche Limitierung in der Entscheidungsfindung - viele strategische Entscheidungen, gerade auch in Unternehmen, können aufgrund begrenzter Zeit nicht vollständig durchdacht werden. Menschen (Entscheider als Kunden oder Manager) erkennen durchaus die Begrenztheit ihrer Rationalität - vor diesem Hintergrund werden nur wenige Alternativen geprüft und die Entscheidungsfindung wird anhand von Heuristiken vorgenommen. Zudem tritt neben das Ziel der Maximierung von Nutzen oder Gewinn die Suche nach Gutgenug-Lösungen (Satisficing), die dann erreicht sind, wenn ein bestimmtes Anspruchs- oder Zufriedenheitsniveau, eine Höhe des geplanten Gewinns oder eine Wahrung des Status quo erreicht sind. Dieses Verhalten ist in gleicher Weise bei Managern, bei der Suche nach einem Job, beim täglichen Weg an die Hochschule und bei der Wahl des Lebenspartners zu beobachten. Grundlegend neue Entscheidungen werden nur getroffen, wenn eine deutliche Abweichung vom Anspruchsniveau festgestellt wird, ansonsten dominieren Routinen und Heuristiken, die bisherige Entscheidungen fortschreiben oder inkrementell auf Basis lokaler Suche adaptiv weiterentwickeln, und so den Status quo festigen oder sichern (Lind- <?page no="34"?> 34 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld blom 1959 sowie Levinthal und March 1993). Eine Gut-genug-Lösung kann durchaus konsistent mit maximierendem Verhalten sein: Satisficing kann auch entstehen, wenn in Anbetracht aller Opportunitätskosten einer Alternative, Suchkosten nach besseren Alternativen und insbesondere zeitlichen Beschränkungen entschieden wird - also Maximierung mit zahlreichen Nebenbedingungen. Die Überlegungen von Behavioral Economics - im Wesentlichen fundiert aus beobachteten Konsumentenentscheidungen - haben mittlerweile in Behavioral Strategy ihr Spiegelbild in Unternehmen und für Entscheidungen von Managern gefunden. Einige der empirisch regelmäßig beobachteten Entscheidungsverzerrungen werden nachfolgend beschrieben. Wichtig ist dabei zu erkennen, dass diese Muster sich wechselseitig verstärken können und so den Grad begrenzter Rationalität erhöhen und die Qualität strategischer Entscheidungen beschränken (weiterführend Lovallo und Sibony 2010, Powell et al. 2011, Das 2014, Levinthal 2011, Gavetti 2012 sowie Gavetti et al 2012 sowie Garbuio et al. 2014): ■ Confirmation Bias (Bestätigungsverzerrung oder selektive Wahrnehmung) - Informationen werden so ausgewählt und interpretiert, dass eigene Überzeugungen und Annahmen bestätigt, erklärt und verstärkt werden. Im Gegenzug werden unpassende Informationen ausgeblendet oder unterdrückt (kognitive Dissonanz), so dass entlang Routinen an bisherigen Entscheidungen oder Strategien festgehalten wird und Pfadabhängigkeiten begründet sind. Dies ist häufig bei Marktforschung und Wettbewerbsanalyse zu beobachten: Marktforschung wird häufig verwendet, um bestehende Annahmen zu bestätigen und ggfs. Mitarbeiter und Manager von eigenen Annahmen zu überzeugen. Auch rein stochastischen Ereignissen wird Bedeutung zugeschrieben, so dass Manager - je nach Blickwinkel - bestätigende oder widerlegende Informationen in zufällige Muster hineininterpretieren. Die Qualität einer Entscheidung kann dagegen verbessert werden, indem bewusst nach widerlegenden Informationen gesucht wird (Nickerson 1998). <?page no="35"?> Evolutorisches Wettbewerbsverhalten und Behavioral Strategy 35 ■ Endowment Effect (Besitzstandseffekt) - Der Endowment-Effekt ist in zahlreichen Experimenten, unter anderem mit Kaffeetassen, nachgewiesen. Er beschreibt, dass die Wertschätzung von Gegenständen davon beeinflusst wird, ob eine Person den Gegenstand aktuell besitzt oder nicht, so dass die Zahlungsbereitschaft beeinflusst wird (Knetsch 1989, Kahneman et al. 1990 und 1991). Allerdings unterliegen auch Unternehmen und Manager dem Endowment-Effekt: Manager halten zu lange an bestehenden Strategien und Geschäftsfeldern fest, diese werden zudem systematisch höher bewertet als nicht-vorhandene Geschäftsfelder oder alternative Strategien. Dadurch werden Zu- oder Verkäufe von Geschäftsbereichen dadurch verlangsamt oder verhindert, der Wechsel auf eine neue Strategie erfolgt zeitverzögert oder lethargisch. In der Konsequenz sind Unternehmen systematisch ineffizient aufgrund des Festhaltens an falschen Strategien, Produkten oder Geschäftsfeldern, zudem werden auf dieser Basis Strategien, Planungen oder Budgets der Vorjahre ‚fortgeschrieben‘, ebenso werden die Fähigkeiten des eigenen Unternehmens (der eigenen Mitarbeiter, der eigenen Technologie etc.) systematisch überschätzt und überbewertet. ■ Action Bias (Handlungsdrang) - Ein Torhüter bei einem Elfmeter im Fußball könnte - vielleicht - seine Chancen erhöhen, indem er einfach in der Mitte stehen bleibt. Trifft dann allerdings der Schütze, wird der Torwart aufgrund des offensichtlichen Nichtstuns ausgepfiffen. Damit unterliegt der Torwart einem emotionalen Handlungsdrang, der ihm einen Anreiz gibt, in eine der Ecken zu springen und maßgeblich von Spielstand und Spielsituation beeinflusst wird (Bar-Eli et al. 2007, Dohmen 2008 sowie Misirlisoy und Haggard 2014). Einem ähnlichen Handlungsdrang auf Basis von Short- Termism unterliegen Manager aufgrund von Quartals-, Monats- oder Wochenberichten - typischerweise kann man als Vorstand dem Aufsichtsrat nicht mitteilen, dass im letzten Quartal ‚nichts‘ unternommen wurde (Cyert und March 1963, Gavetti und Rivkin 2007, Marginson und McAulay 2008 sowie Brunsson 1982). ■ Availability Bias (Verfügbarkeitsheuristik) - die Beurteilung eines Sachverhalts oder einer Information wird dominiert von leicht verfügbaren Daten, deutlicher Erinnerung an bestimmte Fakten (an <?page no="36"?> 36 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld was sich erinnert wird, muss offenbar wichtig sein) oder Analogieschlüssen, auch wenn diese in keinem Zusammenhang mit der Frage oder Entscheidung stehen. Damit entsteht eine Tendenz, dass singuläre Ereignisse oder kürzlich gemachte Erfahrungen systematisch überbewertet werden (Tversky und Kahneman 1973). Umgekehrt werden Chancen nicht erkannt, die eine große Distanz zu aktuellen Lösungen haben - in der Folge wird lediglich lokal gesucht und das Ergreifen neuer Strategien wird nicht möglich (Gavetti 2012). ■ Exploitation Bias (Ausschöpfungsverzerrung) - Manager und Unternehmen neigen dazu, kurzfristige Chancen zu realisieren, bestehende Lösungen zu verbessern und Risiken in neuen Märkten oder Technologien zu vermeiden. Optionen außerhalb des aktuellen Aktionsradius werden zu wenig analysiert, da Strategie sich oft an bestehenden Kunden und Lösungen orientiert. Diese pfadabhängigen Strategien sind zwar oft weniger riskant oder unsicher, verhindern aber auch Innovationen (Teece 2007). ■ Representativeness (Repräsentativheuristik) - bei der Einordnung von Information dominieren ‚offensichtliche Fakten‘ - man erachtet diese Fakten fälschlicherweise als statistisch repräsentativ. Die Repräsentativheuristik basiert darauf, dass Menschen aufgrund einer aufmerksamkeitsbedingten Übergewichtung bestimmter Ausprägungen eines beobachteten Ereignisses oder einer Falschzuordnung auf die Grundgesamtheit möglicher Ereignisse die Bayes-Regel bedingter Wahrscheinlichkeiten verletzen (Kahneman und Tversky 1972 sowie Tversky und Kahneman 1974). So werden bspw. Umfragen unter eigenen Kunden gemacht - ohne zu erkennen, dass dieses im Allgemeinen keine relevante Stichprobe des gesamten Marktes ist. ■ Overconfidence (Selbstüberschätzung) - beschreibt die systematische Überschätzung eigener Fähigkeiten und Kenntnisse und insbesondere der Präzision resp. Richtigkeit ihrer Entscheidung. Zahlreiche Experimente zeigen, dass Menschen glauben, besser als der Durchschnitt Auto zu fahren, bessere Aktienanlageentscheidungen als andere treffen zu können, die Gewinnchancen beim Lotto durch <?page no="37"?> Evolutorisches Wettbewerbsverhalten und Behavioral Strategy 37 Auswahl eigener Zahlen zu erhöhen oder sogar zufällige Münzwürfe vorherzusagen. In weniger ‚zufälligen‘ Situationen verstärkt sich diese Tendenz zu Überoptimismus und der Kontrollillusion noch deutlicher und wird wesentlich von einer Bestätigungsverzerrung verstärkt: In der Konsequenz zeigen empirische Studien, dass Manager Erfolge auf ihre eigenen Fähigkeiten zurückführen, Misserfolge werden dagegen mit Pech und unerwarteten Strategien der Wettbewerber oder ‚Ungerechtigkeit des Marktes‘ begründet (Svenson 1981, Russo und Shoemaker 1992, Klayman et al. 1999, Garbuio et al. 2014 sowie Malmendier und Tate 2005). Die Selbstüberschätzung und der Überoptimismus von Managern steigt insbesondere an, wenn in den Vorjahren die Unternehmensgewinne oder Aktienkursentwicklung überdurchschnittlich war (Malmendier und Tate 2015, Chen et al. 2015 und Ben-David et al. 2007). ■ Herd Behavior (Herdenverhalten) - beschreibt konvergentes soziales Verhalten oder Entscheiden, bei welchem Beurteilungen oder Verhaltensweisen von Individuen in einer Gruppe ohne zentralisierte Koordination angeglichen werden: Jeder tut, was alle tun, selbst wenn eigene Präferenzen oder private Information eine andere Entscheidung nahelegen (Banjeree 1992). Herdenverhalten entsteht und wird gefördert, wenn Unsicherheit betreffend eigener Entscheidungen besteht, wenn die Entscheidungen anderer gut beobachtbar und adaptierbar sind, und wenn aus konformen oder angleichendem Verhalten ein Nutzen entsteht oder erwartet wird. Herdenverhalten umfasst das Adaptieren von Trends und Moden im Kauf- oder Konsumverhalten, das Verhalten von Anlegern auf dem Kapitalmarkt, aber gerade auch das Bestätigen und Übernehmen von Meinungen oder Aussagen anderer Unternehmen oder Manager auf Social-Media-Plattformen wie LinkedIn . In gleicher Weise entstehen Moden und konvergentes Verhalten bei Management-Tools, Strategie-Frameworks, Leadership-Methoden oder der Frage des Kleidungstils von Managern (Leibenstein 1950, Asch 1956, Shiller 1990, Ngai et al. 2015, Bayer et al. 2020 und Pavlovic 2020). ■ Group Think (Gruppendenken) - Entscheidungen werden maßgeblich davon beeinflusst, ob sie alleine und unabhängig oder in Gruppen getroffen werden: Häufig kommt es - gerade in Gruppen <?page no="38"?> 38 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld gut informierter Individuen - zur Zustimmung zu Entscheidungen, die sich als falsch herausstellen. Zwei Ursachen erscheinen ausschlaggebend: Die Vermutung betreffend der Kompetenz der anderen und fehlende Energie, jede Diskussion zu führen - beides führt, verstärkt durch eine Bestätigungsverzerrung, zu falschem Übereinkommen auf gemeinsame Entscheidungen („Go-with-the-Flow”). Oftmals wächst Herdenverhalten mit der Zahl der Manager oder Größe des Vorstandes sowie der Aufspaltung von Verantwortung an. Eine Lösungsmöglichkeit bei Fluggesellschaften und in Unternehmensberatungen ist das sogenannte „Obligation-to-Dissent“- Prinzip, d.h. die Verpflichtung, auch in großen Gruppen oder gegenüber hierarchisch Vorgesetzten begründet zu widersprechen (Esser 1998). ■ Competition Neglect (Ignorieren der Wettbewerber) - Strategien und Entscheidungen werden getroffen, als ob das Unternehmen eine Monopolstellung hat. Strategien und mögliche Reaktionen der Wettbewerber werden nicht berücksichtigt. Daneben ist die Analyse des Wettbewerbs generell schwach ausgeprägt - der Fokus liegt eindeutig auf der Innensicht (eigene Kosten, eigene neue Produkte, eigene Organisation etc.). Zudem erfolgt die Einschätzungen eigener Unternehmensentwicklung ‚selbstüberschätzend‘ auf Basis eigener Fähigkeiten ohne Berücksichtigung oder Benchmarking der Wettbewerber. In der Folge planen die Unternehmen zu hohe Investitionen, zu hohe Mengen, zu ehrgeizige Ziele und übersehen ‚überraschende‘ neue Wettbewerber. Bei Krisen wiederum versuchen Unternehmen durch rein interne Maßnahmen (Kostensenkung, Change etc.) gegenzusteuern, anstatt die Wettbewerbsstrategie im Markt anzupassen (Simonsohn 2010, Camerer und Lovallo 1999 sowie Garbuio et al. 2014). Zusammengenommen sind viele strategische Entscheidungen also davon geprägt, dass die falschen und zu wenig Informationen herangezogen wurden, dass zu stark das eigene Unternehmen und dessen (vermeintlich überschätzte) Fähigkeiten berücksichtigt werden, und dass überoptimistische Manager einer Machbarkeitsillusion mit Handlungsdrang erliegen. <?page no="39"?> Evolutorisches Wettbewerbsverhalten und Behavioral Strategy 39 Aus organisatorischer Perspektive ist damit zu klären, ob man die verzerrten und nicht optimalen Entscheidungsprozesse von Organisationen und Managern korrigieren soll, oder aber als gegeben annehmen und entsprechend in die Strategie (und damit auch die Strategien der Wettbewerber) einplanen soll. In → Kapitel 4 wird spieltheoretisch anhand des Guessing Numbers Spiels gezeigt, dass alleine das Erkennen der begrenzten Rationalität der Wettbewerber schon Wettbewerbsvorteile hervorbringen kann. Unabhängig davon schlagen Lovallo und Sibony (2010) vor, zumindest wesentliche Verzerrungen strategischer Entscheidungen sichtbar zu machen, bspw. bei Unternehmenszusammenschlüssen, Technologiewechseln und bei Entscheidungen betreffend der Eigentümer- und Finanzierungsstruktur. Anderseits sind kognitive Verzerrungen tief in den Routinen und dem Entscheidungsverhalten von Managern verankert, so dass der schlichte Hinweis auf vermeintlich begrenzt rationales Entscheidungsverhalten - gerade bei erfolgsgewohnten Managern - nicht zu Verhaltensänderungen führen wird (Powell et al. 2011). Endogene versus exogene Strategie Strategie und strategische Entscheidungen erwecken oft den Eindruck von Freiheit und Gestaltbarkeit: so wird bspw. im Rahmen sogenannter Blue Ocean Strategien nach unbesetzten Märkten oder Marktnischen gesucht, in denen ein Unternehmen keinem Wettbewerb ausgesetzt ist und zumindest temporär als Monopolist agieren kann (Kim 2005 und Burke et al. 2010). Ob das zutrifft, wird durch die Rahmenbedingungen eines Unternehmens und das Verhältnis von endogener versus exogener Strategie bestimmt. Exogene Strategie bedeutet hier, dass ein Unternehmen in seiner Strategie durch Markt- und Wettbewerbsbedingungen vorbestimmt ist - so werden Unternehmen bspw. zu Preissenkungen aufgrund der Preissenkungen der Wettbewerber gezwungen, adaptieren gezwungenermaßen Strategien der Wettbewerber um keine Kunden zu verlieren, oder setzen aufgrund geänderter Umweltgesetzgebung CO 2 -einsparende Technologien um. Endogene Strategie bedeutet dagegen, dass ein Unternehmen frei in der Strategie- <?page no="40"?> 40 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld entscheidung ist, d.h. durch Markt- und Wettbewerbsbedingungen die Entscheidung nicht vollständig eingeengt oder vorbestimmt ist. Aus mikroökonomischer Sicht kann dies zunächst gut an den Extremfällen von vollständiger Konkurrenz und Monopol festgemacht werden - bei vollständiger Konkurrenz und entsprechend hoher Wettbewerbsintensität ist die Strategie des eigenen Unternehmens vollständig exogen bestimmt, im Monopol dagegen hat ein Unternehmen strategische Freiheitsgrade und kann endogen die eigene Strategie festlegen. Entsprechend liegt dazwischen Wettbewerb im Oligopol - teilweise sind die Strategien durch Umweltbedingungen und Verhalten der Wettbewerber vorbestimmt, teilweise kann ein Unternehmen aber durch die Wahl der eigenen Strategie die Strategien der Wettbewerber beeinflussen (weiterführend → Kapitel 4 und → Kapitel 5). Tatsächlich wird die Entwicklung jeder Industrie durch bestimmte pfadabhängige Entscheidungen der Unternehmen mitbestimmt. Dies gilt auch für eigene Entscheidungen in der Vergangenheit, die aufgrund ihres Sunk Costs-Charakters entweder künftige Entscheidungen bedingen oder ausschließen (weiterführend → Kapitel 2). Zwar werden diese Pfadabhängigkeiten und Rückwirkungen des Verhaltens der Unternehmen auf die Struktur der Industrie oftmals betont, meist wird jedoch die Kausalkette von der Struktur der Industrie auf das Verhalten der Unternehmen hin zum Marktergebnis gesehen. Wettbewerb und Strategie haben aber zwei Stoßrichtungen, wie Geroski (1998, S. 15) herausstellt: 'Competition, at least in the most popular senses of the word, is all about rivalry between firms. It is about taking actions to increase, or at least to defend, market share, and the popular language of competition is often clothed in metaphors of conflict involving gladiators, knights in white and black armour, and all of that. Yet, not all of the responses that a firm makes to the actions of its rivals are the same. Some are more fundamental or more revolutionary than others. In this context, it is useful to distinguish tactical from strategic responses to rivals. A tactical response to the action of a rival is a <?page no="41"?> Unternehmensziele und Unternehmensorganisation 41 response in kind. It is likely to involve use of the same (or a similar) competitive weapon (i.e., meeting a price cut with a price cut), and does not alter the basis on which the two firms compete. By contrast, a strategic response to the action of a rival is an attempt to change the basis of competition between the two firms (i.e., meeting a price cut with a radical change in the way a product is distributed or marketed). It is about breaking the rules of competition, and it corresponds to what most people understand when they talk about innovation.' Ein Teil des Wettbewerbsverhaltens von Unternehmen ist demnach nicht primär gegen die Konkurrenten gerichtet, sondern zielt auf eine Veränderung der Wettbewerbssituation, bspw. durch ein neues Geschäftsmodell oder den Aufbau von Eintrittsbarrieren - immer mit dem Ziel, die Wettbewerbsintensität zu reduzieren und ggfs. temporär eine Monopolstellung einzunehmen. Der Idee von Geroski (1998) sehr ähnlich ist die Trennung von aktivem und passivem Verhalten der Unternehmen von Hay und Morris (1979, S. 29 f.): ‚At any point in time, firms will be pursuing one or more objectives in the face of several constraints. Passive behaviour consists of attempting to maximize the achievement of the objective(s) within given constraints. [...] In contrast, active behaviour involves the attempt over time to modify and/ or remove the constraints thus permitting the better achievement of the firm's objectives. Advertising, research and development, product diversification, collusion, merger, and takeover are all forms of active constraint-manipulating behaviour.‘ Unternehmensziele und Unternehmensorganisation Unternehmen können sich bisweilen ihre Ziele frei definieren: „Marktführer“, „höchste Kundenzufriedenheit“, „Wachstum in Asien“, „nachhaltigstes Unternehmen“ oder auch „beste Unternehmenskultur“. Tatsächlich ist gerade im Rahmen der Klimakrise wieder die Diskussion aufgekommen, ob und wie stark sich Unternehmen im Rahmen einer <?page no="42"?> 42 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld Corporate Social Responsibility das Ziel setzen sollen, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. In der Regel koexistieren in einem Unternehmen zahlreiche auch widersprüchliche Ziele mit unterschiedlicher Gewichtung im Spannungsfeld von Shareholder- und Stakeholder- Interessen. Aus ökonomischer Perspektive sind alle diese Ziele - wenn überhaupt - Mittel zum Zweck. Unternehmen können dauerhaft nur existieren, wenn Strategien auf das Ziel der Gewinnerzielung ausgerichtet sind. Aus mikroökonomischem Blickwinkel wird daher die ■ Überlebensfähigkeit eines Unternehmens und dessen Profitabilität ■ in Abhängigkeit vom Wettbewerbsumfeld (Market-based View) ■ auf Basis der Ressourcen und Fähigkeiten eines Unternehmens (Resource-based View) ■ und dessen Innovations- und Entwicklungsfähigkeit betrachtet. Die dauerhafte Existenz eines Unternehmens im Wettbewerb ist nur möglich, wenn das Unternehmen Produkte oder Dienstleistungen herstellen kann, die nicht in alternativen Konstellationen - durch eine Behörde, durch einen Privathaushalt, durch eine beliebige Ansammlung von Menschen in der U-Bahn oder durch einen Sportverein - besser oder kostengünstiger produziert werden können. Die Vorteilhaftigkeit und die Grenzen eines Unternehmens gegenüber anderen Konstellationen ergeben sich daher in einer Kombination aus: ■ Effizienzvorteilen aus Größe oder Umfang des Unternehmens, insbesondere kostenseitig auf Basis von Economies of Scale oder Scope, aus Arbeitsteilung oder Spezialisierung oder aufgrund von Lernkurveneffekten (weiterführend → Kapitel 2) - in allen Fällen nehmen die Durchschnittskosten (bspw. Stückkosten) eines Unternehmens mit zunehmender Größe ab. ■ Transaktionskostenvorteilen in Form geringerer unternehmensinterner Koordinations- oder Überwachungskosten gegen- <?page no="43"?> Unternehmensziele und Unternehmensorganisation 43 über alternativer Nutzung des Marktes - Tätigkeiten werden im Unternehmen abgebildet, statt am Markt (bspw. über Outsourcing) zugekauft. ■ Unternehmensspezifischen Fähigkeiten aufgrund von Ressourcen, bspw. in Form von Wissen, Mitarbeitern, Technologie, Patenten und Strategien. Die Überlebensfähigkeit eines Unternehmens ist insbesondere dann gesichert, wenn dauerhaft ökonomische Gewinne erzielt werden und die Eigenkapitalgeber eine, ihren Erwartungen entsprechende, Rendite auf das eingesetzte Kapital erhalten. Aus statischer Perspektive - und ohne Berücksichtigung von Rechnungslegungsvorschriften, Steuern oder Bilanzeffekten - ergeben sich Gewinne 𝝅𝝅 eines Unternehmens in jedem Zeitpunkt aus der Differenz von Erlösen 𝑅𝑅 abzüglich der Gesamtkosten 𝑇𝑇𝑇𝑇 als (1.1) 𝜋𝜋 = 𝑅𝑅 − 𝑇𝑇𝑇𝑇 . Die Erlöse 𝑅𝑅 entsprechen dem Preis 𝑝𝑝 multipliziert mit der Produktionsmenge 𝑞𝑞 , die Gesamtkosten 𝑇𝑇𝑇𝑇 fassen alle Kosten des Unternehmens für Arbeit und Kapital zusammen. Fragen │ Gewinnfunktion, Geschäftsmodell, Value Proposition, Operating Model und Business Model Canvas - gibt’s da einen Zusammenhang? In vielen Unternehmen wird immer wieder händeringend nach neuen Geschäftsmodellen gesucht. Geschäftsmodelle beschreiben dabei die grundlegende ökonomische Logik eines Unternehmens: welche Ressourcen werden zu welchen Kosten eingesetzt, welche Produkte und Dienstleistungen werden zu welchen Preisen an welche Kunden verkauft, welche Prozesse werden im eigenen Unternehmen abgebildet, welche werden zugekauft? Das Geschäftsmodell ergibt sich dann aus einer Kombination von Value Proposition (Marktsegmenten, Produktportfolio und Preismodell) sowie aus Operating Model (Wertschöpfungskette, Organisationsstruktur und Kostenmodell) - dahinter liegen also immer  <?page no="44"?> 44 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld eine Erlösfunktion und eine Kostenfunktion - und die Differenz aus Erlösen und Kosten beschreibt den möglichen Gewinn eines Unternehmens (Teece 2010, DaSilva und Trkman 2014 sowie Pidun 2019). Ein erster Schritt zu einer Analyse kann oft Tool- oder Framework-getrieben erfolgen, bspw. anhand des Business Model Canvas (Osterwalder und Pigneur 2010). Hier werden Kundensegmente, eine Value Proposition, Vertriebswege oder Kernprozesse und -aktivitäten eines Unternehmens entwickelt und definiert. Allerdings muss die Beschreibung des Geschäftsmodells spätestens bei der Präsentation gegenüber potenziellen Investoren oder dem Kapitalmarkt mit einem Erlöse, Kosten und Gewinn erklärenden Business Case kombiniert werden, der die per se qualitativen strategischen Überlegungen quantitativ abbildet. Beide Herangehensweisen sind also komplementär, die eine spielerischer, die andere präziser und quantitativ. Insbesondere sind in den Gesamtkosten aus ökonomischer Perspektive auch die Eigenkapitalkosten enthalten, welche die Renditeerwartung der Eigentümer (bei kapitalmarktorientierten oder -notierten Unternehmen in Form von Dividenden) widerspiegeln: Betriebswirtschaftlicher Gewinn (vor Opportunitätskosten in Form einer Ausschüttung an die Eigenkapitalgeber) weicht deshalb von ökonomischem Gewinn ab. Langfristig und in dynamischer Sicht sind aus Eigentümerperspektive der Erhalt des Unternehmens zur regelmäßigen Erzielung von Gewinnen und die Maximierung des Unternehmenswertes das übergeordnete Ziel. Der Unternehmenswert 𝑉𝑉 entspricht der Summe aller diskontierten künftigen Gewinne 𝜋𝜋 𝑡𝑡 (1.2) 𝑉𝑉 = ∑ 𝜋𝜋 𝑡𝑡 (1+𝑟𝑟 𝑡𝑡 ) 𝑡𝑡 𝑡𝑡=∞ 𝑡𝑡=0 = 𝜋𝜋 0 + 𝜋𝜋 1 (1+𝑟𝑟 1 ) + 𝜋𝜋 2 (1+𝑟𝑟 2 ) 2 +. . + 𝜋𝜋 𝑛𝑛 (1+𝑟𝑟 𝑛𝑛 ) 𝑛𝑛 +. . + 𝜋𝜋 ∞ (1+𝑟𝑟 ∞ ) ∞ . Mit zunehmender zeitlicher Entfernung nimmt der diskontierte Beitrag der Gewinne zum aktuellen Unternehmenswert ab. Daraus lässt sich als Faustregel einfach ableiten, dass bei konstanter Gewinnerwartung, <?page no="45"?> Unternehmensziele und Unternehmensorganisation 45 𝜋𝜋 0 = 𝜋𝜋 1 = ⋯ = 𝜋𝜋 ∞ , in der Zukunft und bei gleichbleibendem Diskontierungsfaktor, 𝑟𝑟 0 = 𝑟𝑟 1 = ⋯ = 𝑟𝑟 ∞ , der Unternehmenswert (1.2) auf Basis einer unendlichen Reihe zu (1.3) 𝑉𝑉 = 𝜋𝜋 0 + 𝜋𝜋 1 (1+𝑟𝑟 1 ) + 𝜋𝜋 2 (1+𝑟𝑟 2 ) 2 +. . + 𝜋𝜋 𝑛𝑛 (1+𝑟𝑟 𝑛𝑛 ) 𝑛𝑛 +. . + 𝜋𝜋 ∞ (1+𝑟𝑟 ∞ ) ∞ = 𝜋𝜋𝑟𝑟 umformuliert werden kann. Der Diskontierungsfaktor 𝑟𝑟 𝑡𝑡 der künftigen Gewinne (1.4) 𝑟𝑟 𝑡𝑡 = 𝐸𝐸𝐸𝐸 𝐸𝐸 ⋅ 𝑟𝑟 𝑆𝑆𝑆𝑆 + 𝐹𝐹𝐸𝐸 𝐸𝐸 ⋅ 𝑟𝑟 𝐷𝐷 = 𝑊𝑊𝑊𝑊𝑇𝑇𝑇𝑇 𝑡𝑡 für jeden Zeitpunkt 𝑡𝑡 ergibt sich aus den durchschnittlichen Fremdkapitalkosten 𝑟𝑟 𝐷𝐷 (bspw. aufgrund der Zinssätze von Krediten und Anleihen) und den Eigenkapitalkosten 𝑟𝑟 𝑆𝑆𝑆𝑆 gewichtet mit den jeweiligen Anteilen des Eigenkapitals 𝐸𝐸𝐸𝐸 und des Fremdkapitals 𝐹𝐹𝐸𝐸 am Gesamtkapital 𝐸𝐸 = 𝐸𝐸𝐸𝐸 + 𝐹𝐹𝐸𝐸 eines Unternehmens. Die Eigenkapitalkosten 𝑟𝑟 𝑆𝑆𝑆𝑆 ergeben sich als Opportunitätskoten aus der Renditeerwartungen der Eigenkapitalgeber auf Basis alternativ möglicher Investitionen (bspw. in andere Unternehmen). Der Diskontierungsfaktor entspricht dem WACC (Weighted Average Cost of Capital), der unternehmensspezifisch bestimmt werden kann. Ein Unternehmen erzielt aus dieser Perspektive einen positiven ökonomischen Gewinn (Economic Profit), wenn die Rentabilität des investierten Kapitals (Return on Invested Capital) über den gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten (WACC) liegt. Die gewichteten Eigen- und Fremdkapitalkosten lagen in Deutschland 2015 bei ca. 9,6 % (mit industriespezifischen Unterschieden und in Abhängigkeit der Finanzierungsstruktur des Unternehmens, KPMG 2016), so dass ein Unternehmen unter der Annahme konstanter Gewinne in Höhe von 100 Mio. EUR (in Form eines Free Cashflow) dann entsprechend (1.2) und (1.4) mit (1.5) 𝑉𝑉 = 100 (1+0,096) 0 + 100 (1+0,096) 1 +. . + 100 (1+0,096) 20 +. . + 100 (1+0,096) ∞ = 100 1 + 100 1,096 +. . + 100 6,255 +. . + 100 ∞ = 100 + 91,241+. . +15,988+. . +0 = 1.041,67 <?page no="46"?> 46 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld einen indikativen Unternehmenswert von 1,041 Mrd. EUR hat - oder einfacher über (1.3) als 𝑉𝑉 = 100/ 0,096 = 1.041,667 . Liegt der tatsächliche Unternehmenswert (bspw. angenähert durch die Marktkapitalisierung an der Börse abzüglich des Marktwertes der Verschuldung des Unternehmens) darüber, dann liegen offenbar am Kapitalmarkt steigende Gewinnerwartungen vor, et vice versa. Steigende Gewinnerwartungen oder fallende Kapitalkosten erhöhen den Unternehmenswert und perspektivisch den Aktienkurs eines kapitalmarktnotierten Unternehmens. Der so bestimmte Unternehmenswert kann dann sowohl für einzelne Geschäftsbereiche oder Marktsegmente heruntergebrochen werden, wie auch zur Bewertung von Strategien (Markteintritt, Innovation, Investition oder Desinvestition, M&A etc.) herangezogen werden. Unternehmensintern beziehen sich zahlreiche relative Kennzahlen - bspw. Economic Value Added (EVA), Cash Value Added (CVA) oder Return on Capital Employed (RoCE) - auf den Unternehmenswert. Abbildung 1.3: Marktkapitalisierung und Unternehmensgewinne in Deutschland 2021 (DAX 30 Unternehmen ohne Linde und Bayer , Gewinne für das Geschäftsjahr 2020 in Mrd. EUR, Marktkapitalisierung am 26. Juni 2021 in Mrd. EUR l Datenquelle comdirect.de). V = 10,87 π + 28,91 R² = 0,5683 0 20 40 60 80 100 120 140 160 -2 0 2 4 6 8 10 Gewinn Marktkapitalisierung <?page no="47"?> Unternehmensziele und Unternehmensorganisation 47 In → Abbildung 1.3 ist für 28 deutsche Unternehmen aus dem DAX mit den höchsten Unternehmenswerten in 2021 der Zusammenhang zwischen Gewinn und Unternehmenswert abgebildet. Offensichtlich existiert ein positiver Zusammenhang zwischen Unternehmenswert und Gewinn - eine Mrd. EUR mehr Gewinn führt zu einer Steigerung des Unternehmenswertes um 10,87 Mrd. EUR, i.e. über Gleichung (1.3) ergibt sich bei konstanten Gewinnerwartungen mit (1.6) 𝑟𝑟 𝑡𝑡 = 𝜋𝜋𝑉𝑉 = 1 10,87 = 0,092 ≅ 𝑊𝑊𝑊𝑊𝑇𝑇𝑇𝑇 𝑡𝑡 ein empirischer Diskontierungsfaktor von ca. 9,2%. Tatsächlich erscheinen einige Unternehmen auf Basis dieser einfachen Regressionsanalyse überbewertet, andere dagegen unterbewertet. Aus langfristiger Perspektive sind alle Managemententscheidungen auf die Steigerung des Unternehmenswertes ausgerichtet. In kapitalmarktorientierten Unternehmen ist dabei eine Trennung von Eigentum und Management die Regel: Anteilseigner delegieren Entscheidungen an angestellte Manager, gleichzeitig werden diese durch geeignete Gremien (Hauptversammlung oder Ausschüsse eines Aufsichtsrates) überwacht. In Unternehmen entstehen so Entscheidungskonflikte über die Gewichtung kurz- und langfristiger Ziele, insbesondere weil angestellte Manager kurzfristige Ziele im Rahmen ihrer Bonusregelungen verfolgen, Eigentümer aber allein am langfristigen Unternehmenswert interessiert sind. Unternehmensorganisation, Strategie und Corporate Governance Tatsächlich wird die Strategiewahl in einem Unternehmen durch die Unternehmensorganisation und -verfassung beeinflusst (Grant 1996, Donaldson 1990, Castañer und Kavadis 2013 sowie Benner und Zenger 2016). In vielen Unternehmen werden strategische Entscheidungen nicht von einzelnen Menschen getroffen, sondern an Gremien (Vorstandssitzung, Management-Board, Lenkungsausschuss, Bereichsleiter- Meeting etc.) delegiert - zudem werden diese Entscheidungen oft von <?page no="48"?> 48 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld angestellten Managern getroffen, nicht von den Eigentümern des Unternehmens. Corporate Governance beschreibt die unternehmensinterne Organisation und Regelung von kollektiven Handlungen - dies umfasst Hierarchien, Entscheidungswege und -befugnisse, den Informationsfluss sowie den rechtlichen oder faktischen Ordnungsrahmen zur Steuerung und Kontrolle eines Unternehmens. Konkret befasst sich Corporate Governance damit, wie auf formaler oder informeller Basis in Unternehmen entschieden und geführt wird, wie Ziele für die Organisation abgeleitet und implementiert werden, wie die interne und externe Kontrolle organisiert ist, und wie Shareholder und Stakeholder darüber informiert oder eingebunden werden (Letza et al. 2005). Gerade die wechselseitigen Abhängigkeiten von unterschiedlichen Shareholder- und Stakeholder-Interessen beeinflussen die Entscheidungen und Strategiewahl von Unternehmen, zumal diese nicht nur formalen und logischen Kriterien genügen müssen, sondern oft von ethischen, moralischen oder emotionalen Perspektiven und Erwartungen überlagert sind. So ist ein aus Shareholder-Perspektive motivierter Stellenabbau mit Standortschließung vielleicht eine geeignete Maßnahme, Kosten zu reduzieren und Gewinne zu steigern - aber aus Stakeholder- Perspektive wird damit die Glaubwürdigkeit des Unternehmens reduziert und ggfs. wandern Kunden oder sogar die falschen Mitarbeiter ab. Um die Überlebensfähigkeit eines Unternehmens zu sichern, wird Corporate Governance daher als wesentliches strategisches Element eingesetzt. Corporate Governance gewinnt dabei mit zunehmender Größe eines Unternehmens, mit der Komplexität der Stake- und Shareholder- Beziehungen sowie mit dem Grad der Trennung von Eigentum und Management eines Unternehmens an Bedeutung: Eine eigentümergeführte Autowerkstatt mit drei Mitarbeitern trifft Entscheidungen grundlegend anders als ein multinationaler Automobilhersteller mit 500.000 Mitarbeitern. Mit diesen getrennten Rollen gehen Interessen- und Zielkonflikte einher. Es kann insbesondere sein, dass Manager - statt den Gewinn oder Unternehmenswert zu maximieren - mit diskretionärem Handlungs- <?page no="49"?> Unternehmensziele und Unternehmensorganisation 49 spielraum ihren Status quo und ihre Budgets maximieren, ohne dass dies von Eigentümern beobachtet oder sanktioniert werden kann. Strategie wird dann von Organisationsstruktur, Hierarchien und Entscheidungsmodellen mitbestimmt - das Erreichen von Zielen und die Steigerung des Unternehmenswertes hängt dann stark von der Überwachung und Kontrolle der Manager durch geeignete Mechanismen und Gremien ab. Oft wird in diesem Zusammenhang auch durch Reorganisation oder organisatorische Neuaufstellung versucht, die Entscheidungsbefugnisse oder Machtverhältnisse im Unternehmen oder in einzelnen Entscheidungsgremien zu verändern. Unternehmensorganisation basiert darauf, dass Aufgaben oder Ziele aufgeteilt oder delegiert werden. Diese Organisation erfolgt einerseits funktional oder divisional, anderseits hierarchisch durch Führung und Delegation. Idealerweise führt Organisation dazu, dass alle Mitarbeiter ständig exakt das richtige tun - die regelmäßig in Unternehmen zu beobachtenden Reorganisationen zeigen, dass diese optimale Aufstellung selten gegeben oder von dauerhaftem Bestand ist. Die Ursachen aus mikroökonomischer Perspektive sind im Wesentlichen mit drei Herausforderungen verbunden: ■ unvollständige oder asymmetrische Information, ■ unvollständige Kontrolle und Überprüfbarkeit sowie ■ unvollständige oder falsche Anreizstrukturen. Diese drei Herausforderungen werden im Rahmen der Principal- Agent-Theorie diskutiert. Ein Principal ist hier der Auftraggeber oder Entscheider, der Agent ist der Auftragnehmer oder Mitarbeiter - damit sind Strukturen wie zwischen Aufsichtsrat und Vorstand genauso beschrieben wie Situationen zwischen Teamleiter und Teammitglied. Mit der Organisationsstruktur von Unternehmen sind im Zusammenspiel mit unvollständiger Information wesentliche Problemstellungen verbunden, welche die Implementierung von Strategien erschweren oder Kosten verursachen. Jedes größere Unternehmen ist in Teams (Abteilungen oder Bereiche) organisiert. Damit geht einher, dass <?page no="50"?> 50 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld ein Ergebnis innerhalb eines Teams gemeinsam erzielt wird, aber eine Identifikation und Messung des individuellen Beitrags eines Teammitglieds erschwert wird. Dies voraussehend wird jedes Teammitglied einen nicht-optimalen individuellen Arbeitseinsatz erbringen - in der Erwartung oder Hoffnung, vom Teamergebnis zu profitieren. Unternehmen können diesem Free-Rider-Problem durch verbessertes Monitoring der Einzelleistung oder anreizkompatible Kombination aus Team- und Individual-Boni entgegenwirken (Alchian und Demsetz 1976 sowie Grant 2016). Dieses Problem ist nicht auf Produktions- oder Dienstleistungsprozesse beschränkt: Entscheidungen werden auch in Vorständen oder von Geschäftsführern typischerweise in Teams ‚gemeinschaftlich‘ getroffen und abgestimmt, so dass auch hier fehlende Anreize zur Risiko-, Verantwortungs- oder Entscheidungsübernahme vorhanden sind und oftmals Entscheidungen an Gremien und Ausschüsse delegiert werden (Baysinger und Hoskisson 1990 sowie Hillman und Dalziel 2003). Fragen │ Gewinne und Nachhaltigkeit - schließt sich das nicht aus? Unternehmen - gerade geprägt durch ein zu starkes oder alleiniges Ziel der Gewinnmaximierung - sehen sich durch Gesellschaft und Politik immer wieder herausgefordert, ihre Zielsetzungen zu überprüfen und zu erklären, gerade bei geplantem Stellenabbau oder vor dem Hintergrund des Klimawandels. Für Aktiengesellschaften in Deutschland scheint die Sache zunächst einfach: Im Aktiengesetz, und wiederholt in der Rechtsprechung entschieden, sind Vorstand und Aufsichtsrat verpflichtet, das Unternehmensinteresse zu vertreten und damit Existenz und Weiterentwicklung des Unternehmens sicherzustellen (weiterführend Hutzschenreuter 2019). Tatsächlich stehen Unternehmen aber immer in der Schnittmenge von mindestens zwei Anspruchsgruppen: Den Shareholdern und den Stakeholdern.  <?page no="51"?> Unternehmensziele und Unternehmensorganisation 51 Aus Shareholder-Perspektive (der kollektiven Sicht von Anteilseignern und Management) dominieren zunächst Gewinn- und Überlebensziel einer Organisation oder eines Unternehmens, aus Stakeholder-Perspektive (die alle andere Anspruchs- oder Interessengruppen im Aktionsradius eines Unternehmens wie Mitarbeiter, Kunden, Zulieferer aber auch Gewerkschaften, Behörden, Städte und Gemeinden, NGOs oder Klimaaktivisten umfasst) sind die Ziele vielfältig - insbesondere sind aber Zielkonflikte zwischen Stakeholdern und Shareholdern die Regel, da typischerweise aufgrund der Erfüllung von Stakeholder-Interessen die Kosten ansteigen und in der Folge die Gewinne reduziert werden. Unternehmerische Entscheidungen müssen dann, in Abhängigkeit der Intensität des Zielkonfliktes und möglicher Konsequenzen, Interessen und Ziele von Stakeholdern und Shareholdern adressieren. Unternehmensintern ist die Beteiligung von Stakeholdern teilweise formalisiert: So ist in Deutschland im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes und des Mitbestimmungsgesetzes, in Abhängigkeit der Mitarbeiterzahl, eine Einbindung der Mitarbeiter sowie Informations- und Mitbestimmungsrechte vorgeschrieben. Neue Konzepte versuchen hier integrativ einen Shared Value zu identifizieren, der die Verbindungen der Interessen von unternehmensexternen Stakeholdern und Shareholdern innerhalb einer Gesellschaft betont (weiterführend Hillman und Keim 2001 sowie Porter und Kramer 2011) - Ziel ist hier, die ökonomischen und gesellschaftlichen Erwartungen und Anforderungen an ein Unternehmen zu verzahnen und als gleichzeitig erreichbar zu gestalten. Eine rein altruistische, an den Interessen der Stakeholder ausgerichtete Unternehmensstrategie führt dazu, dass das Eigenkapital verbraucht wird und das Unternehmen in seiner Existenz bedroht ist. Zudem sind Konflikte zwischen Managern und Anteilseignern zwangsläufig. Auch eine regelmäßig und proaktiv argumentierte intrinsische gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen und Managern dient eher der Besitzstandswahrung und Machterhalt, einer reaktiven Abschottung gegenüber stärkeren Interessen sowie meist der gezielten Bevorzugung einzelner Interessengruppen (weiterführend Wagner 2019). <?page no="52"?> 52 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld Zur Lösung können zwei Ausgleichsmechanismen eingesetzt werden: Überprüfbare ethische Selbstverpflichtung der Unternehmen und strategische Ausrichtung der Corporate Social Responsibility. Gerade über strategische Maßnahmen, die bspw. auch über Reporting-Verpflichtungen nachvollziehbar dokumentiert sind, können Unternehmen Reputation aufbauen. Wenn diese Maßnahmen und Strategien dann - bspw. über erfüllte ESG (Environment, Social and Corporate Governance)- oder CSR (Corporate Social Responsibility)-Kriterien - auch noch die Zielsetzungen der Anteilseigner abdecken, dann schließen sich Gewinne und Nachhaltigkeit nicht aus (Buchanan et al. 2018). Unabhängig davon kann ein Adressieren sozialer Ziele durch strategische CSR- Maßnahmen natürlich auch die Attraktivität eines Unternehmens für Mitarbeiter oder Kunden erhöhen. Gewinnmaximierung und Überlebensfähigkeit Zur analytischen Vereinfachung wird unterstellt, dass Unternehmen kurzfristig Gewinne und langfristig den Unternehmenswert maximieren - so kann sehr einfach ein mathematisches Instrumentarium zur (auch im Wortsinne mathematischen) Ableitung einer bestmöglichen Strategie herangezogen werden. Tatsächlich muss ein Unternehmen dazu vollständige Informationen über alle denkbaren Strategien sowie perfekte Voraussicht besitzen, vollständig rational eine Strategie auswählen und diese auch präzise umsetzen können. Analog zu dieser Argumentation wird das Verhalten der Unternehmen interpretiert, „als ob“ sie den Gewinn maximieren: Es spielt auf kurze Sicht keine Rolle, ob alle Unternehmen ex ante tatsächlich den Gewinn maximieren, denn langfristig bleiben nur solche Verhaltensweisen und Unternehmen überlebensfähig, die tatsächlich optimale Strategien entwickeln und sich an veränderte Wettbewerbs- und Umweltbedingungen anpassen und schließlich ex post gewinnmaximierendes Verhalten aufweisen. Hierfür gibt es empirisch keine eindeutige Bestätigung, zudem können Unternehmen zumindest temporär andere Ziele priorisieren (Marktan- <?page no="53"?> Unsicherheit als Rahmen für Wettbewerb und Strategie 53 teile, Corporate Social Responsibility, Empire-Building durch Unternehmenszusammenschlüsse, Technologieführerschaft und einige mehr). Gegen die Hypothese der Gewinnmaximierung selbst - ob in der absoluten oder abgeschwächten „als ob“-Version - werden zahlreiche empirische Beobachtungen und theoretische Überlegungen angeführt (weiterführend Münter 1999). Für das Überleben eines Unternehmens sind Gewinne notwendig, nicht aber Gewinnmaximierung. Allerdings sind Gewinne nicht hinreichend für das Überleben eines Unternehmens: Beobachten strategische Investoren oder Finanzinvestoren, dass ein Unternehmen sein Gewinnpotenzial nicht ausschöpft, kann es zu einer feindlichen Unternehmensübernahme (Hostile Takeover) kommen. Hier werden Eigentümer und Management des Unternehmens ersetzt, um eine Steigerung des Gewinns und Unternehmenswertes zu erreichen - zumindest der Versuch der Gewinnmaximierung kann also die Chancen auf Eigenständigkeit eines Unternehmens verstärken. Unsicherheit als Rahmen für Wettbewerb und Strategie Aus mittel- und langfristiger Management-Perspektive muss die Ableitung und Umsetzung einer Unternehmensstrategie immer in eine übergreifende Analyse des Wettbewerbsumfelds eingebettet werden - dieses Wettbewerbsumfeld lässt sich in ■ ein enges Markt- und Industrieumfeld (weiterführend → Kapitel 2 und → Kapitel 3), welches durch ein Unternehmen zumindest in Teilen beeinflussbar und gestaltbar ist, und in ■ eine weite und übergreifende Unternehmensumwelt, die per se für einzelne Unternehmen exogen gegeben und nicht gestaltbar ist, fassen. Für viele Industrien entstehen relevante Einflussfaktoren (bspw. technologische Veränderungen wie Digitalisierung oder neue rechtliche Rahmenbedingungen zur Energiewende und CO 2 -Besteuerung) außerhalb des engen Wettbewerbsumfelds und wirken auf die Profitabilität einer Industrie oder die Überlebensfähigkeit einzelner Unternehmen ein. Natürlich sind alle diese dynamischen Umweltbedingungen mit Unsicherheit behaftet, d.h. weder die möglichen Ereignisse sind voll- <?page no="54"?> 54 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld ständig bekannt, noch können objektive Wahrscheinlichkeiten für deren Eintreten benannt werden: “Most problems of interest to strategists do not lend themselves to well-posed problems for which an optimum solution exists. Alternative actions are typically not well specified and often need to be discovered. Uncertainty over possible future states may be difficult to express as explicit probabilities. Further, the interdependencies among choices at a point in time or across time (spatial and temporal interdependence) may make the specification of an optimum infeasible.” (Levinthal 2011, S. 1517). Zudem wird die strategische Analyse oft auf zu stark vereinfachende oder falsch angewendete Tools gestützt, bspw. eine SWOT-Matrix, Portfoliomodelle wie die BCG Matrix oder das Business Model Canvas. Im Extremfall wird der Strategieprozess auf ein ‚Formular‘ reduziert, welches Abteilungen und Bereiche einmal im Jahr ausfüllen. Dabei wird übersehen, dass diese Tools im Wesentlichen die Gegenwart (oder sogar die Vergangenheit) kategorisieren helfen und statisch angelegt sind, aber nur schwache Handlungsempfehlungen geben, Unsicherheit nicht erfassen und nicht auf die Zukunft ausgerichtet sind. Typischerweise können Manager in Unternehmen für ihre Entscheidungen nicht alle aktuellen Rahmenbedingungen und Umweltzustände und deren Veränderungen erfassen. Diese sind entweder nicht verfügbar, oder die Informationsbeschaffung und -verarbeitung dauert zu lange oder ist zu kostspielig. Zudem sind viele Informationen mehrdeutig (Ambiguität), Einflussfaktoren ändern sich schnell (Volatilität) und die Zusammenhänge selbst erscheinen von hoher Komplexität und wechselseitiger Interdependenz, so dass sich hier das Akronym VUCA- World (Volatile-Uncertain-Complex-Ambiguous) etabliert hat (Bennett und Lemoine 2014). Entscheidungen müssen aber trotzdem getroffen werden - in der Konsequenz werden in Unternehmen Annahmen über mögliche künftige Entwicklungen getroffen und diese Prognosen oder Planungen mit Wahrscheinlichkeiten in Szenarien hinterlegt. In der Zukunft wird sich dann eine der möglichen Entwicklungen als tatsächliche Rea- <?page no="55"?> Unsicherheit als Rahmen für Wettbewerb und Strategie 55 lität konkretisieren. Toner et al. (2015) haben aus Managementperspektive die Kernrisiken und Einflussfaktoren für strategische Entscheidungen entlang der vier Dimensionen makroökonomisches Umfeld, Technologie, Wettbewerbsumfeld und Kunden aufgelistet: Ein Unternehmen muss mindestens 80 sich wechselseitig beeinflussende und mit Unsicherheit behaftete Entwicklungen im Blick behalten und bei Entscheidungen berücksichtigen. Fragen │ Warum werden Manager oft von unerwarteten Ereignissen überrascht? Management-Entscheidungen finden fast immer unter unvollständiger Information statt. Manager entscheiden - wie fast alle Menschen nahezu immer - risikoavers, d.h. es gibt eine Präferenz für sichere gegenüber unsicheren Vermögenssituationen gleicher Erwartungswerte (weiterführend Münter 2021a). Aus Managementperspektive ist zentral, neben der eigentlichen Risikoaversion auch die Wahrnehmung der Risiken durch Manager zu betrachten. Bietet man Managern - vor dem Hintergrund von Risiko oder Unsicherheit - drei verschiedene Szenarien einer Investitionsrechnung oder der Entwicklung eines Geschäftsmodelles als Base Case, Best Case und Worst Case zur Auswahl an, entsteht aufgrund einer Aversion gegen Extremfälle (Extremness Aversion) eine Tendenz zur Wahl der mittleren Variante und mithin die unbegründete Erwartung, dass dieser Fall auch eintritt. In gleicher Weise wird beobachtet, dass Manager überrascht werden von Ereignissen, die am Rand einer Wahrscheinlichkeitsverteilung liegen (Simonson und Tversky 1992 sowie Garbuio et al 2014). Diese Realisierung vermeintlich unwahrscheinlicher Ereignisse wird mittlerweile auch sprichwörtlich unter dem Begriff schwarze Schwäne geführt, von denen man lange dachte, dass sie nicht existieren (Taleb 2007). Globale Pandemien (wie Covid-19), Finanzkrisen (wie die Banken- und Staatsschuldenkrise beginnend 2007) oder terroristische Anschläge (wie vom 11. September 2001) werden zwar ex-ante als höchst unwahrscheinlich eingeschätzt  <?page no="56"?> 56 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld (entsprechend treffen die Unternehmen keine spezifischen Vorkehrungen), können aber im Nachhinein präzise erklärt werden (sogenannter Hindsight Bias) und haben oft langanhaltende und weitreichende Folgen für Unternehmen. Zudem wird die Unternehmensumwelt durch grundlegende dynamische Veränderungen, sogenannte Megatrends geprägt. Durch Buzzwords wie Globalisierung, Digitalisierung, Nachhaltigkeit, New Work, Urbanisierung, Gender Shift, Individualisierung, Gig Economy, Crowdsourcing, Sharing Economy oder Circular Economy werden zunächst schemenhaft und in Nischen entstehende Entwicklungen beschrieben. Diese Megatrends sind für Unternehmen im Wesentlichen unbeeinflussbar und liegen außerhalb einer Gestaltbarkeit, d.h. in langfristiger Perspektive müssen Chancen und Risiken für Unternehmen in Strategien aufgegriffen und abgebildet werden. Typischerweise werden die Einflüsse des Wettbewerbsumfelds und der Unternehmensumwelt kategorisiert, um die komplexen, sich wechselseitig beeinflussenden und oft indirekten Zusammenhänge greifbar zu machen, insbesondere aber einen Mindestgrad an Vollständigkeit der Analyse zu erreichen. Häufig wird dabei die Unternehmensumwelt in den Dimensionen ökonomische, politische, technologische und gesellschaftliche Umwelt abgebildet, teils ergänzt um weitere Dimensionen wie ökologische oder rechtliche Umwelt und über englische Akronyme als PEST- oder PESTLE-Analyse bezeichnet. Die ökonomische Umwelt hat unmittelbaren Einfluss auf die Industrie, die Wettbewerber und die Strategien - die anderen Dimensionen wirken indirekter und sind in der Wirkung entsprechend schwerer einzugrenzen, aber auch schwerer in ihrer Wirkung auf das Unternehmen zu bewerten. In der Analyse werden zunächst die aktuellen und künftigen industrie- und unternehmensspezifischen Chancen und Risiken aufgelistet, in ihrer Wirkung analysiert und dann mögliche strategische Implikationen für das eigene Unternehmen, aktuelle und potenzielle Wettbewerber abgeleitet. Zudem werden die wesentlichen Einflussgrößen als Prämissen der Strategie (also Annahmen über die zukünftig geltenden Umweltbedingungen) für die kommenden Jahre festgelegt. <?page no="57"?> Unsicherheit als Rahmen für Wettbewerb und Strategie 57 Ökonomische Umwelt Hier werden alle mikro- und makroökonomischen Einflüsse analysiert, die vom Unternehmen und den Wettbewerbern nicht oder nur schwach beeinflussbar sind. Zentral sind hier alle (relativen und absoluten) Preise von Inputfaktoren, bspw. Zinsen, Einkommen und Löhne, internationale Faktorpreisunterschiede, Rohstoff- und Energiepreise, Inflationsraten oder Wechselkurse sowie die Wachstumsraten von Weltwirtschaft und internationalem Handel. Wenn ein Unternehmen oder eine Industrie stark von diesen Faktoren beeinflusst wird, dann muss die Unternehmensstrategie Veränderungen oder Schwankungsbreiten dieser Parameter berücksichtigen. So hat ein Anstieg der Energiepreise durch CO 2 -Besteuerung oder internationale Lieferengpässe zunächst einen Kostenanstieg zur Folge, kann aber mittel- und langfristig eine Transformation des Geschäftsmodells erfordern oder sogar die Existenz des Unternehmens gefährden. Insbesondere müssen die quantitativen Veränderungen unmittelbar in die Strategie übertragen werden, um die Profitabilität von Geschäftsfeldern oder Unternehmen zu steuern. So hat die Abfolge von Niedrig- und Null- und Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank zunächst unmittelbaren Einfluss auf Banken und Finanzdienstleister - Produkte und Geschäftsmodelle werden zunächst unprofitabel oder obsolet, so dass in der Folge eine Transformation des gesamten Unternehmens notwendig werden kann. Indirekt sind damit auch die B2C- und B2B-Kunden der Banken betroffen, insbesondere durch veränderte Finanzierungskosten und Kreditvergabe. Zudem entsteht für Unternehmen bei anhaltenden Negativzinsen die Notwendigkeit zur Neubewertung von Pensionsrückstellungen, so dass durch ggfs. notwendige Zuführungen eine Reduktion der Profitabilität im operativen Geschäftsmodell entsteht. Neben diesen unmittelbaren Einflüssen stehen langfristige und indirekte Effekte, die aus konjunkturellen Schwankungen, Beschäftigungsniveau oder Spar- und Konsumverhalten der Haushalte entstehen. Industrien sind dabei unterschiedlich stark von Konjunkturzyklen <?page no="58"?> 58 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld betroffen - die Telekommunikationsindustrie oder Versorgungsunternehmen reagieren nur schwach auf konjunkturelle Schwankungen, dagegen hängen Automobilindustrie oder Konsumgüterindustrie stark von gesamtwirtschaftlichen Auf- oder Abschwüngen ab, bei Banken reagiert das Privatkundengeschäft kaum, dagegen ist das Firmenkundengeschäft und das Investmentbanking stark konjunkturabhängig. Konjunkturzyklen können dabei auf die Wettbewerber stark asymmetrisch Wirkung entwickeln, d.h. in Abhängigkeit von Geschäftsmodell oder Kostenstruktur profitiert eines der Unternehmen positiv von einem Aufschwung, wohingegen andere Unternehmen keine positiven Effekte realisieren können. Umgekehrt kann eine frühzeitig eingeleitete Kostensenkung bei beginnender gesamtwirtschaftlicher Rezession negative Effekte vom Unternehmen fernhalten und zu Wettbewerbsvorteilen führen. Politisch-rechtliche Umwelt Aus internationaler Perspektive steht hier die politische Stabilität eines Landes im Mittelpunkt, d.h. das Fortbestehen eines verlässlichen Rechtssystems, Steuersystems oder industriespezifischer Rechtsnormen, insbes. vor dem Hintergrund von Standortentscheidungen oder Markteintritten. Aus nationaler Perspektive spielen neben der grundlegenden wirtschaftspolitischen Ausrichtung der Regierung (Regulierung vs. Deregulierung, dirigistische Eingriffe vs. freie Märkte etc.) und der industriespezifischen Gesetzgebung (Aufsichtsrecht, Zulassungsbestimmungen, Arbeitsgesetzgebung oder Kundenrechte) insbesondere Regelungen zur Unternehmensverfassung (Corporate Governance Kodex, Mitbestimmung, Arbeitszeiten etc.) und zur Regulierung und Wettbewerbspolitik eine wesentliche Rolle. Wettbewerbspolitik als Teilbereich staatlicher Wirtschaftspolitik hat die übergeordnete Zielsetzung, Rahmenbedingungen für funktionsfähigen Wettbewerb zu schaffen, so dass Innovationen und Wohlfahrtssteigerung möglich sind - damit sind implizit einige Unternehmensstrategien erlaubt, andere faktisch verboten. Im Kern geschieht dies durch nationale und interna- <?page no="59"?> Unsicherheit als Rahmen für Wettbewerb und Strategie 59 tionale Gesetzgebung und Rechtsprechung gerichtet auf wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen oder Marktmacht von Unternehmen. Aus Managementperspektive sind zwei Aspekte zentral: Erstens abzuschätzen, ob und in welchem Umfang für das eigene Unternehmen strategische Freiheitsgrade vorhanden sind, und zweitens, ob das Ausnutzen dieser Freiheitsgrade auf Basis von Marktmacht im Konflikt zu wettbewerbsrechtlichen Regelungen steht. Neben der Wettbewerbspolitik kommt Regulierung einzelner Industrien eine hohe Bedeutung zu: zur Begrenzung und Korrektur von Marktversagen bspw. in Form unvollständiger oder asymmetrischer Information (Kontrolle der Preisbildungsprozesse an deutschen Wertpapierbörsen) oder bei natürlichen Monopolen (insbes. in Netzinfrastrukturen wie Bahn, Post, Elektrizität oder Telekommunikation) werden durch die Bundesnetzagentur oder im Bereich der Finanzdienstleistungen durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bestimmte Geschäftsmodelle oder Produkte erlaubt oder sind genehmigungspflichtig. Gerade die Finanzdienstleistungsindustrie ist durch regulatorische Auflagen und Gesetze stark geprägt: so müssen Banken und Kreditinstitute in Abhängigkeit von Größe und Geschäftsmodell unter anderem MiFIDII, Basel III, IFRS 9 und 10, FATCA, MaRisk, PRIIP, CRD IV oder SAG in der Organisationsstruktur, Prozessen und IT umsetzen und einhalten - mit entsprechend starker Rückwirkung auf Möglichkeiten und Freiheitsgrade eigener strategischer Entwicklung. Gesellschaftliche Umwelt Gesellschaft wandelt sich - und mit ihr Kundenverhalten und Kundenbedürfnisse. Ausgehend von strukturellen Änderungen (Demographie und alternde Gesellschaft, Vermögens- und Einkommensverteilung, Haushaltsgröße, Familienverbund, Bildung etc.) über Wertvorstellungen und Wertewandel (kulturelle oder ethische Prinzipien, religiöse Zugehörigkeit, Konsumpräferenzen und Gewohnheiten) hin zu Erwartungen an Arbeitgeber (Work-From-Home, Work-Life-Balance und Karriereambitionen, Frauen in Führungspositionen, flache Hierarchien, <?page no="60"?> 60 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld agile Strukturen etc.) müssen Unternehmen in ihren Strategien gesellschaftliche Veränderungen adaptieren - sowohl aus Kundenperspektive wie aus Mitarbeiterperspektive. Zudem werden durch soziale Milieus bestimmte Konsum- und Lebensstile beschrieben, die sich zunächst in Marktsegmentierung und nachfolgend in Geschäftsmodell- und Produktentwicklung übersetzen. Wesentliche Bedeutung kommt hier Einstellungs- und Verhaltensänderungen breiter Gesellschaftsschichten zu, die sich aktuell in dem Streben nach Nachhaltigkeit oder stärkerer Individualisierung niederschlagen. Unternehmen bilden diese Trends bspw. in ‚grünen‘ Produkten (von nachhaltig produzierter Kleidung über Elektroautos bis hin zu ESG-konformen Investmentfonds) und in personalisierten Angeboten (von MyMuesli über Namen auf Starbucks Bechern bis hin zu persönlichen Playlists bei Spotify ) ab. Daneben stehen aber auch Risiken: Kunden haben teils entgegengesetzte Einstellungen zu neuen Geschäftsmodellen - einige lieben innovative Lieferdienste, andere boykottieren diese Geschäftsmodelle aufgrund eingeschränkter Mitarbeiterrechte und schlechter Bezahlung. Zudem müssen Unternehmen die zunehmende Virtualisierung von Beziehungen in Social Media sowohl in B2Cals auch in B2B-Märkten in ihren Strategien berücksichtigen. Kundenverhalten wird hier multilateral geteilt und erlebbar, entsprechend sind Kundenerlebnisse und Kundenbeziehungen nicht mehr bilateral und weitgehend durch Unternehmen kontrollierbar, sondern werden öffentlich sichtbar und müssen im öffentlichen digitalen Raum durch die Unternehmen moderiert und gestaltet werden. Technologische Umwelt Innovationen von direkten Wettbewerbern sind meist gut und direkt beobachtbar. Dagegen ist es für Unternehmen deutlich schwieriger, technologische Entwicklungen außerhalb der eigenen Industrie zu erkennen und in ihrer Bedeutung zu bewerten. Technologische Mög- <?page no="61"?> Unsicherheit als Rahmen für Wettbewerb und Strategie 61 lichkeiten und Basisinnovationen bestimmen wesentlich Produktionsmöglichkeiten und Geschäftsmodelle von Unternehmen. Zahlreiche dieser technologischen Entwicklungen entstehen in anderen Industrien oder sind stark wissenschaftlich basiert und kommen aus Hochschulen oder Forschungsinstituten. Die vierte industrielle Revolution - von cyberphysischen Systemen über künstliche Intelligenz bis zu mehrseitigen Märkten - entwickelt in den kommenden Jahren und Jahrzehnten massiven Einfluss auf Gesellschaft, Politik, Kultur, Unternehmen und womöglich jede Lebenssituation von Menschen in den entwickelten Ländern. Diese vierte industrielle Revolution findet sich damit in guter Gesellschaft - schon die ersten drei industriellen Revolutionen haben Märkte, technologische Möglichkeiten, Wohlstand der Menschen und Lebenssowie Arbeitssituationen drastisch verändert. In der Folge ändern sich für Unternehmen wesentliche strategische Einflussfaktoren im Markt- und Technologieumfeld, aber auch die eigenen Möglichkeiten Produkte und Dienstleistungen zu produzieren und zu vermarkten. Für viele Unternehmen wird damit auch eine Anpassung des Innovationsportfolios und damit der Forschungs- und Entwicklungs- (F&E-) Strategie verbunden sein. Zudem werden Grenzen des Unternehmens, die Unternehmensorganisation sowie die notwendigen Qualifikationen der Mitarbeiter drastischen Veränderungen unterworfen. Werden grundlegende neue Technologien übersehen, welche die aktuelle Technologiebasis obsolet machen und damit disruptiven Charakter haben, kann die Existenz des Unternehmens gefährdet sein (Münter 2022). Ökologische Umwelt Durch den Klimawandel begründet werden zum einen politische und rechtliche Maßnahmen zur Energiewende und zur Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs implementiert, zum anderen sind Menschen sensibilisiert für den Einfluss von Unternehmen auf die Ökologie. Unternehmensstrategie muss daher mögliche direkte und indirekte <?page no="62"?> 62 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld Rückwirkungen auf die Überlebensfähigkeit des Unternehmens berücksichtigen. Wesentlicher strategischer Fokus liegt auf Authentizität und Glaubwürdigkeit, um keine Reputations- oder Geschäftsrisiken aufgrund von Greenwashing oder aus Zulieferbeziehungen einzugehen. Große Herausforderung für die Unternehmen ist hier, Transparenz über die unternehmensübergreifende Wertschöpfungskette herzustellen. Zum anderen ist eine Vielzahl von Siegeln und Zertifikaten in B2B- und B2C-Märkten möglich, die einen hohen Aufwand in der Erfüllung und im Signalling an den Markt bedeuten. Auch hier gilt, dass Industrien und Unternehmen sich stark in ihrer Anfälligkeit für ökologische Herausforderungen unterscheiden - bspw. ist die Umstellung der Stahlindustrie auf CO 2 -neutrale Wasserstoff-Energie deutlich aufwendiger und mit großer Unsicherheit behaftet, als für ein Dienstleistungsunternehmen statt Firmenwagen entsprechend Fahrräder anzubieten. Diese Unterschiede übersetzen sich auch an den Kapitalmarkt: Zahlreiche private, aber insbesondere institutionelle Investoren suchen nach grünen Anlageformen (bspw. grüne Anleihen oder ESG-konforme Aktien). Unternehmen, denen es einfacher gelingt, diese Kriterien zu erfüllen, haben so einen besseren und kostengünstigeren Zugang zu Eigen- oder Fremdkapital. Idealerweise werden die Effekte aus veränderten Umweltbedingungen jeder Kategorie in Chancen und Risiken getrennt, quantifiziert und zeitlich geordnet, bspw. wird die absehbare Dynamik bei Lohnentwicklungen als Planungsprämisse in die Strategie der nächsten Jahre aufgenommen. Wesentlich ist hier, dass die Effekte im Grad ihrer Unsicherheit (hoch/ niedrig), im Grad ihrer strategischen Auswirkung (hoch/ niedrig) sowie im Grad ihrer Vernetzung (hoch/ niedrig) bewertet werden. Zudem hängt die Strategie neben dem Grad der Unsicherheit natürlich von der Gestaltbarkeit der Zukunft durch das Unternehmen ab (Reeves et al. 2015 und Pidun 2019). Auf dieser Basis können dann Szenariorechnungen im Business Case vorgenommen werden, um einerseits Kostensteigerungen abzuschätzen, andererseits Investitionen in Transformation des Geschäftsmodells oder Prozessoptimierung festzulegen. <?page no="63"?> Zusammenfassung 63 Zusammenfassung Unternehmensstrategie hat mindestens zwei Perspektiven. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive liegt der Schwerpunkt auf strategischem Management, d.h. im Kern auf der Umsetzung einer Strategie innerhalb einer Organisation - den Einsatz der richtigen Ressourcen, den Aufbau eines Zielsystems und der Gestaltung einer organisatorischen Struktur und geeigneter Prozesse, um den Unternehmenserfolg zu gewährleisten. Aus mikroökonomischer und industrieökonomischer Perspektive steht die Interaktion der Strategien im Wettbewerb mit anderen Unternehmen im Mittelpunkt - die Wahl der richtigen Strategien, ein Verständnis der Dynamik von Märkten und strategischem Verhalten der Wettbewerber sowie Veränderungen im Umfeld eines Unternehmens. Unternehmensstrategien können dabei als die langfristigen Entwicklungslinien eines Unternehmens verstanden werden, die entlang von generischen Strategien (Kostenführerschaft und Produktdifferenzierung), Wettbewerbsstrategien (strategischer Interaktion von Wettbewerbern in Märkten) oder Innovationen (einer grundlegenden Veränderung des Wettbewerbsprozesses) versuchen Wettbewerbsvorteile aufzubauen, um das langfristige Überleben des Unternehmens zu sichern. Unternehmensstrategie steht dabei im Spannungsfeld von Shareholder- und Stakeholder-Interessen, Einflüssen aus der Corporate Governance, externen und nicht beeinflussbaren sowie unsicheren Umweltveränderungen und insbesondere dem Verhalten der Wettbewerber. Die empirische Forschung zu Behavioral Strategy und begrenzter Rationalität von Managern zeigt dabei, dass Unternehmensstrategien oft nicht optimal sind - in der Folge können viele Unternehmen keine Gewinne maximieren und der Wettbewerbsprozess ist evolutorisch: Unternehmen versuchen in dynamischen Wettbewerbssituationen mit unvollständiger Information durch ein Experimentieren mit möglichen Strategien ihre Überlebensfähigkeit sicherzustellen. <?page no="64"?> 64 Unternehmensstrategie und Wettbewerbsumfeld Unternehmensstrategie wird oft als freie Entscheidung interpretiert - tatsächlich bestimmen aber die Unternehmensumwelt und das Wettbewerbsumfeld zentrale Leitplanken strategischer Entwicklungen eines Unternehmens. So bestimmen technologische Trends wie Digitalisierung oder politische und gesellschaftliche Entwicklungen zu Nachhaltigkeit nicht nur Möglichkeiten für Unternehmen, sondern geben teilweise auch die strategische Ausrichtung vor. Zudem wird die Unternehmensumwelt durch grundlegende dynamische Veränderungen, sogenannte Megatrends geprägt. Durch Buzzwords wie Globalisierung, Digitalisierung, Nachhaltigkeit, New Work, Urbanisierung, Gender Shift, Individualisierung, Gig Economy, Crowdsourcing, Sharing Economy oder Circular Economy werden zunächst schemenhaft und in Nischen entstehende Entwicklungen beschrieben. Diese Megatrends sind für Unternehmen im Wesentlichen unbeeinflussbar und liegen außerhalb einer strategischen Gestaltbarkeit, d.h. in langfristiger Perspektive müssen Chancen und Risiken für Unternehmen in Strategien aufgegriffen und abgebildet werden. Literaturtipps Einen anwendungsorientierten und umfassenden Einstieg in Unternehmensstrategien mit betriebswirtschaftlichem Fokus bieten Johnson, G., Whittington, R., Scholes, K., Angwin, D. und Regner, P., Exploring Strategy - text and cases, 11. Auflage, Harlow 2017, aus industrieökonomischer und analytischer Perspektive ist Belleflamme, P. und Peitz, M., Industrial Organization: markets and strategies, 2. Auflage, Cambridge 2015, eine hervorragende Wahl. Kontrollfragen [1] Skizzieren Sie mögliche Ursachen, weshalb Unternehmensstrategien scheitern! [2] Beschreiben Sie vier typische Muster von strategischem Management in Unternehmen und die Auswirkung auf die Erreichung von Zielen! <?page no="65"?> Literatur 65 [3] Begründen Sie, wie emergente Strategien zustande kommen! [4] Beschreiben Sie typische Entscheidungen aus Behavioral Strategy- Perspektive! [5] Maximieren Unternehmen den Gewinn? [6] Nehmen Sie kritisch Stellung - brauchen Unternehmen wirklich Unternehmensberater? [7] Sind Unternehmen frei in der Wahl ihrer Unternehmensstrategie? [8] Welchen Einfluss hat Corporate Governance auf Unternehmensstrategie und Profitabilität? [9] Welchen Einfluss haben Share- und Stakeholder-Interessen auf Unternehmensstrategie und Profitabilität? [10] Analysieren Sie für ein Unternehmen Ihrer Wahl die Unternehmensumwelt und die daraus entstehenden Chancen und Risiken! Literatur Alchian, A.A. und Demsetz, H., Production, information costs, and economic organization, American Economic Review, 1972, 62, 5, 777-795. Armbrüster, T., The economics and sociology of management consulting, Cambridge 2006. Asch, S.E., Studies of independence and conformity: a minority of one against a unanimous majority, Psychological Monographs: General and Applied, 1956, 70, 9, 1-70. Barnett, W.P. und Burgelman, R.A., Evolutionary perspectives on strategy, Strategic Management Journal, 1996, 17, 1, 5-19. 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Temporäre oder dauerhafte Wettbewerbsvorteile schlagen sich dabei in relativ höhere Gewinne eines Unternehmens nieder, weil das Unternehmen entweder ■ höhere Preise als die Wettbewerber aufgrund höherer Zahlungsbereitschaft der Kunden, Qualität der Produkte oder Produktdifferenzierung durchsetzen kann, ■ geringere Kosten auf Basis von Economies of Scale, Economies of Scope oder kostengünstigerem Zugang zu Arbeits- und Kapitalmarkt hat, oder aufgrund von ■ Positionierung im Wettbewerbsumfeld oder unternehmensspezifischen Fähigkeiten nicht angreifbar ist. Ob Wettbewerbsvorteile dauerhaft oder temporär sind, wird durch die Dynamik des Wettbewerbsumfelds bestimmt. Umfangreiche Reaktionsmöglichkeiten und -geschwindigkeit der Wettbewerber reduzieren die Dauer von Wettbewerbsvorteilen genauso wie schnell wechselnde Kundenbedürfnisse oder rasche technologische Veränderungen, dagegen führt Trägheit der Wettbewerber oder hohe Loyalität der Kunden zu länger anhaltenden Wettbewerbsvorteilen. Daher investieren Unternehmen massiv in die Absicherung ihrer dauerhaften Wettbewerbsvorteile, bspw. in Form von Patenten oder F&E (um technologischen <?page no="75"?> Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie 75 Vorsprung abzusichern), durch Marketing und Branding sowie langfristige Kundenverträge (um Kundenbindung zu erhöhen) oder durch den Aufbau strategischer Markteintrittsbarrieren (insbesondere um mögliche Strategien der Wettbewerber oder Markteintritte unprofitabel zu machen). Neben Wettbewerbsvorteilen aus Differenzierung und Kostenführerschaft sind auch strategische Wettbewerbsvorteile möglich - in → Kapitel 4 und → Kapitel 5 werden Strategien wie First- oder Second-Mover-Advantage, Commitment, Raising Rival’s Costs und andere betrachtet. Unterschiede in den Gewinnen von Unternehmen können aus zwei - sich wiederum ergänzenden - Perspektiven erklärt werden: ■ Market-based View (marktorientierter Strategieansatz) - der Erfolg eines Unternehmens ist maßgeblich durch die richtige Positionierung innerhalb der Marktstruktur, das strategische Verhalten des Unternehmens und die Attraktivität des Marktes geprägt. Wettbewerbsvorteile ergeben sich daraus, „im richtigen Markt“ zu sein. ■ Resource-based View (ressourcenorientierter Strategieansatz) - der Erfolg eines Unternehmens ist maßgeblich durch die unternehmensspezifischen Fähigkeiten, die vorhandenen Kernkompetenzen sowie deren Weiterentwicklung geprägt. Wettbewerbsvorteile ergeben sich daraus, „die richtigen Fähigkeiten“ zu besitzen. Stark vereinfacht erklärt der Market-based View damit das Niveau der Gewinne einer Industrie im Vergleich zu anderen Industrien (bspw. weshalb in 2020 die Smartphone-Industrie profitabler als die Finanzdienstleister-Industrie war), der Resource-based View erklärt dann die Gewinnunterschiede der Unternehmen innerhalb einer Industrie (bspw. warum in 2020 der Gewinn der Deutschen Bank höher war als der Gewinn der Commerzbank ). Unternehmen müssen daher in ihrer Strategieentwicklung eine externe Marktanalyse und eine interne Ressourcenanalyse kombinieren. Von außen betrachtet werden die <?page no="76"?> 76 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie Chancen und Risiken eines bestimmten Marktumfelds für die nächsten drei bis sieben Jahre analysiert, von innen betrachtet versucht ein Unternehmen vorhandene und entwickelbare eigene Stärken und Schwächen und die der wesentlichen Wettbewerber zu identifizieren - zusammengenommen können dann über eine SWOT-Analyse die Profitabilität eines Unternehmens in einer bestimmten Industrie und dessen strategischer Aktionsradius auf Basis bestehender unternehmensspezifischer Fähigkeiten für den Planungszeitraum abgeschätzt werden. Wesentlich ist hier die Verknüpfung interner und externer Dimensionen, bspw.: ■ welche Fähigkeiten sind notwendig, um bestimmte Marktchancen besser ergreifen zu können, als dies den Wettbewerbern möglich ist? ■ welche Risiken im Marktumfeld stellen aufgrund einer bestimmten Schwäche eines Wettbewerbers für das eigene Unternehmen eine Chance dar? Überblick | Dieses Kapitel beschäftigt sich mit ■ industriespezifischen Wettbewerbsvorteilen aus Positionierung in attraktiven Märkten (Market-based View), ■ unternehmensspezifischen Wettbewerbsvorteilen aus statischen und dynamischen Fähigkeiten (Resource-based View), ■ Strategien auf Basis von Produktdifferenzierung und Kostenführerschaft, sowie ■ Netzwerkeffekten und Strategien in mehrseitigen Märkten. Market-based View als Erklärung für Wettbewerbsvorteile Wettbewerbsvorteile und das Niveau der Gewinne können durch das Wettbewerbsumfeld unterstützt werden - einige Märkte sind schlicht attraktiver als andere, und ermöglichen so höhere Profitabilität. Im Market-based View adaptieren Unternehmen Marktchancen, die sie aufgrund der Markt- und Wettbewerbsanalyse erkannt haben. In der  <?page no="77"?> Market-based View als Erklärung für Wettbewerbsvorteile 77 Konsequenz existiert ein Unternehmen als Abbildung einer Marktchance und positioniert sich in einem attraktiven Markt oder Marktsegment. Die Gewinne selbst sind wesentlich durch das Wettbewerbsumfeld und die Attraktivität des Marktes bedingt, bspw. eine generell hohe Zahlungsbereitschaft bei geringer Preiselastizität der Nachfrage oder aufgrund vorhandener Trends und Marktwachstum, und Markteintritte neuer Unternehmen finden aufgrund umfangreicher Eintrittsbarrieren nicht statt. Unternehmen einer Industrie weisen dementsprechend eine ähnliche Profitabilität oder Eigenkapitalrentabilität auf, da diese deutlich durch den Markt sowie das Wettbewerbsumfeld und nur in geringer Weise durch die spezifischen Fähigkeiten der Unternehmen bestimmt werden. So haben 2012 bis 2016 im Großraum München alle privaten Klinikbetreiber von positiven Marktbedingungen infolge von chinesischem und arabischem Medizintourismus profitiert, in gleicher Weise konnte sich in den Jahren 2010 bis 2016 kein deutscher Energieversorger den negativen Markteffekten der Energiewende entziehen. Umgekehrt unterscheidet sich die Profitabilität über verschiedene Märkte und Industrien hinweg - so weisen Unternehmen in der Pharma-, Telekommunikations- oder Finanzdienstleistungsindustrie systematisch höhere Gewinne auf als Fluggesellschaften oder Callcenter. Strategieentwicklung aus Perspektive des Market-based View konzentriert sich darauf, den „richtigen Markt“ zu finden: Durch Analysen zu Wettbewerbs- und Marktposition, Identifikation und Analyse von Chancen und Risiken im Marktumfeld sowie der Existenz und dem Aufbau von Markteintrittsbarrieren. In der Folge investieren die Unternehmen bspw. stark in Eintrittsbarrieren, um die eigene Positionierung abzusichern, aber weniger in die Fähigkeiten der eigenen Mitarbeiter durch Fort- und Weiterbildung. Der Market-based View erklärt bspw. die extrem hohe Profitabilität aller Bratwurststände am Nürnberger Christkindlesmarkt in identischer Höhe. Der Markt ist aufgrund hoher Zahlungsbereitschaft der Kunden attraktiv, der Marktzutritt für Wettbewerber ist aufgrund be- <?page no="78"?> 78 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie hördlicher Genehmigung unterbunden und die notwendigen Kernkompetenzen (die Beschaffung und das Grillen von Bratwürsten sowie das Entgegennehmen von Bargeld) sind nahezu irrelevant. In gleicher Weise ist ein Bierzelt auf dem Münchner Oktoberfest profitabler als ein Bierzelt gleicher Größe in Saarbrücken. Marktstruktur und Structure-Conduct-Performance-Framework Analysen im Market-based View sind geleitet durch das Structure- Conduct-Perfomance-Framework (Bain 1956, Mason 1939, Porter 1981, Barney 1986 und Geroski 1990), das wesentliche empirische Erkenntnisse der industrieökonomischen Forschung zu Marktstruktur, Erfolgsfaktoren von Unternehmen und deren Gewinnen zusammenfasst, wie in → Abbildung 2.1 dargestellt. Abbildung 2.1: Structure-Conduct-Performance-Framework. Aus SCP-Perspektive beeinflussen exogene Faktoren wie das politische, ökonomische, soziale und rechtliche Wettbewerbsumfeld die allgemeine Nachfragestruktur und Marktgröße sowie technologische Möglichkeiten den Wettbewerb innerhalb einer Industrie. Die Markt- Zahl und Größenverteilung der Unternehmen (horizontale Konzentration) Eintrittsbarrieren und industriespezifische Kostenstrukturen Produkteigenschaften und -differenzierung Structure Marktstruktur Conduct Strategien der Unternehmen Performance Profitabilität der Unternehmen Strategische Ausrichtung und Verhalten sowie Organisation der Unternehmen Preismodelle und -strategien Produktstrategie und Marketing F&E-Aufwand und Innovationsziele Gewinne und Profitabilität (RoE, etc.) Unternehmenswachstum Effizienz (ökonomische Wohlfahrt) und Preise technologischer Fortschritt und Innovationsergebnisse (Produkt vs. Prozess) Nachfragestruktur PEST- Umweltbedingungen S C P technologische Möglichkeiten Appropriierungsbedingungen <?page no="79"?> Market-based View als Erklärung für Wettbewerbsvorteile 79 struktur bestimmt dann maßgeblich das Zusammenspiel der Unternehmensstrategien und diese in der Folge das Marktergebnis und den Erfolg einzelner Unternehmen, bspw. die Gewinne der Unternehmen, aber auch deren Wachstum. Damit ist klar, dass aus dem Marktergebnis Rückkopplungen auf Strategien auf Marktstruktur entstehen, so dass das SCP-Framework die wechselseitigen Abhängigkeiten im Wettbewerb beschreibt. Abbildung 2.2: Marktstruktur, Produktdifferenzierung und Wettbewerbsintensität. Marktstruktur beschreibt, wie in → Abbildung 2.2 zu sehen, die Zahl und Größenverteilung der Unternehmen innerhalb einer Industrie - im einfachsten Fall von einem Unternehmen (einem Monopol) über wenige Unternehmen (in einem Oligopol) bis hin zu vielen Unternehmen (in vollständiger Konkurrenz). Damit sind allerdings weitreichende strategische Implikationen verbunden: ■ Monopol oder marktbeherrschendes Unternehmen - das Unternehmen befindet sich alleine auf dem Markt oder besitzt einen überragenden Marktanteil. Derartige Unternehmen sind im Prinzip frei in ihrer Strategiewahl, da Rückwirkungen (auch potenzieller) Wettbewerber ausbleiben - die Wettbewerbsintensität ist sehr gering. Unternehmen können sehr hohe Gewinne erzielen, aber auf- Produktdifferenzierung homogene Produkte Monopol Oligopol vollständige Konkurrenz Automobile, Unterhaltungselektronik, Pharmaunternehmen Restaurants, Musik, Wohnungen, … nationale Fußballligen, Suchmaschinen Transport, Energie, Bahn, Banking, Telekommunikation kostenlose E-Mail-Services, Gemüse, Blumen, … soziale Netzwerke, Börsen, Betriebssysteme Marktstruktur zunehmende Wettbewerbsintensität zunehmende Wettbewerbsintensität <?page no="80"?> 80 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie grund fehlender Konkurrenz ist oftmals auch Ineffizienz zu beobachten, da kein Wettbewerbsdruck das Unternehmen zu Effizienz zwingt. Gründe für markbeherrschende Stellungen sind u.a. umfangreiche Economies of Scale, einzigartige unternehmensspezifische Fähigkeiten, aber auch Netzwerkeffekte, die zu mehrseitigen Plattformen führen können (weiterführend → Kapitel 2). ■ Wettbewerb im Oligopol - die Unternehmen stehen in wechselseitiger strategischer Interaktion, so dass jedes Unternehmen bei der Wahl der eigenen Strategie die Strategien der Wettbewerber berücksichtigt - die Wettbewerbsintensität nimmt mit steigender Unternehmenszahl ceteris paribus zu und wird bestimmt von strategischem Verhalten der Unternehmen (weiterführend → Kapitel 4 und → Kapitel 5). Unternehmensgewinne sind typisch, die industriespezifische Höhe hängt aber wesentlich vor der Art des Wettbewerbs ab - unternehmensspezifisch sind die Gewinne von den relativen Wettbewerbsvorteilen abhängig. ■ Unternehmen bei vollständiger Konkurrenz - relativ zur Größe des Marktes sind alle Unternehmen klein, die Produkte unterscheiden sich aus Kundenperspektive nicht wahrnehmbar. Durch die Wettbewerbssituation und das Verhalten der Wettbewerber ist das eigene strategische Verhalten eingeengt und vorbestimmt - die Wettbewerbsintensität ist sehr hoch. Unternehmen erzielen allenfalls temporär Gewinne, die Profitabilität liegt nahe bei Null. Vollständige Konkurrenz ist wesentlich begründet in fehlenden Ein- und Austrittsbarrieren, so dass selbst bei kurzfristig möglichen Gewinnen durch Markteintritte schnell durch Preiswettbewerb eine Erosion der Gewinne folgt (weiterführend Münter 2021a). Die Rahmenbedingungen des Wettbewerbsprozesses und die Marktstruktur selbst sind wesentliche Determinanten möglicher Strategien und des Verhaltens der Unternehmen - bspw. nimmt mit der Zahl der Unternehmen die Wettbewerbsintensität zu, mit höherem Grad an Produktdifferenzierung nimmt sie ab (weiterführend → Kapitel 2). Damit ist impliziert, dass bei vollständiger Konkurrenz keine Strategie notwendig ist: es reicht aus, die Wettbewerber zu imitieren, da <?page no="81"?> Market-based View als Erklärung für Wettbewerbsvorteile 81 jede Abweichung von deren Verhalten zu Verlusten führt. Aus Managementperspektive befindet sich ein Unternehmen mit großer Wahrscheinlichkeit in vollständiger Konkurrenz, wenn Diskussionen im Management Board weniger um Innovationen und Gestaltung neuer Geschäftsmodelle geführt werden, sondern grundsätzlich Preissenkungen der Wettbewerber zum Anlass eigener Preissenkungen genommen werden und regelmäßige Kostensenkungen im Fokus stehen: Ein Unternehmen kann dann offenbar nicht frei über Preise entscheiden, da Kunden perspektivisch zu Wettbewerbern mit niedrigeren Preisen abwandern und die Produktqualität aus Kundenperspektive offenbar als nicht differenziert wahrgenommen wird - übliche Marketingmaßnahmen sind ohne differenzierende Wirkung im Wettbewerb. Eintrittsbarrieren Markteintrittsbedingungen spielen eine zentrale Rolle für die Marktstruktur und die horizontale Konzentration der Unternehmen einer Industrie. Eintrittsbarrieren beschreiben alle Bedingungen, die entweder dazu führen, dass ein neu eintretendes Unternehmen einen Wettbewerbsnachteil oder höhere Kosten im Vergleich zu etablierten Unternehmen hat, oder überhaupt nicht in den Markt eintreten kann, so dass Eintrittsbarrieren die Wettbewerbsintensität für etablierte Unternehmen reduzieren. Typischerweise sind die Kosten des Markteintritts - bspw. in Form einer produkt- oder unternehmensspezifischen Marketingkampagne - zudem Sunk Costs, d.h. sie sind industriespezifisch und können beim Marktaustritt nicht zurückgewonnen werden. Markteintrittsbarrieren können unter anderem in folgenden Formen vorliegen (Geroski et al. 1990): ■ Strategische Eintrittsbarrieren basieren auf endogenen strategischen Entscheidungen der etablierten Unternehmen, die darauf abzielen den Marktzutritt gegenüber neuen Unternehmen zu versperren, zu erschweren oder kostspieliger zu machen. Etablierte Unternehmen investieren bspw. freiwillig in Sunk Costs (umfangreiche <?page no="82"?> 82 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie Marketinginvestitionen, die den Aufbau von Reputation und Markenloyalität fördern; F&E-Investitionen, die schnellen technischen Fortschritt ermöglichen; Nutzung von direkten und indirekten Netzwerkeffekten zur Etablierung eines mehrseitigen Marktes etc.), die potenziellen Wettbewerbern die Unattraktivität des Markteintritts signalisieren sollen: Unternehmen, die in den Markt eintreten, müssen dauerhaft ebenfalls dieses Investitionsniveau finanzieren können - viele werden dadurch vom Markteintritt abgehalten (weiterführend → Kapitel 4 und → Kapitel 5). ■ Strukturelle Eintrittsbarrieren sind bestimmt durch exogene industriespezifische Technologie und Produktionsfunktion (Fixkostendegression, zunehmende Skalenerträge, Economies of Scale oder vertikale Integration), die in einer Industrie zu einer Mindestbetriebsgröße und entsprechend hohem Kapitalbedarf führen. Zudem können strukturelle Eintrittsbarrieren in strategische Eintrittsbarrieren überführt werden (weiterführend → Kapitel 4). Strukturelle Eintrittsbarrieren können auch entstehen, wenn Unternehmen aufgrund von langjähriger Erfahrung Lernkurveneffekte in niedrigere Kosten umwandeln können - Alter und Erfahrung etablierter Unternehmen sind dann ein Indiz der Eintrittsbarrieren für neue Unternehmen. ■ Rechtliche Eintrittsbarrieren sind bestimmt durch Eigentumsrechte, Gesetzgebung und Regulierung, die nur eine bestimmte Zahl an Unternehmen (Taxidienste, Notare etc.) zulassen, oder durch Patente oder Lizenzen (Gebrauchsmuster, Copyrights etc.), die anderen Unternehmen den Marktzutritt versperren oder kostspieliger machen. Eintrittsbarrieren ermöglichen eine erste Trennung zwischen etablierten Unternehmen und neuen Unternehmen: Ein etabliertes Unternehmen hat einen Wettbewerbsvorteil auf Basis der getätigten Sunk- Cost-Investitionen und industriespezifischer Erfahrung gegenüber einem neuen Unternehmen, der sich in Reputation, stärkerer Kundenloyalität, absolut niedrigeren Kosten oder höherer Innovationsfähigkeit niederschlagen kann. <?page no="83"?> Market-based View als Erklärung für Wettbewerbsvorteile 83 Profitabilität und Five-Forces-Framework Porter (1980, 1981 und 1985) hat das SCP-Framework in das Five- Forces-Framework zu einem Managementkonzept verdichtet, um die Attraktivität eines Marktes oder einer Industrie, gemessen an der Profitabilität der Unternehmen und der Stabilität der Gewinne, zu ermitteln und strategische Entscheidungen, bspw. zu Markteintritt oder Investitionen, abzuleiten. Abbildung 2.3: Five-Forces-Framework und PEST-Analyse. Ausgehend von empirischen Studien stellen sich fünf interdependente Größen, wie in → Abbildung 2.3 dargestellt, als maßgeblich für die Höhe der Gewinne in einer Industrie heraus: ■ Wettbewerbsintensität und Wahl der strategischen Parameter: Die Profitabilität einer Industrie ist umso geringer, je höher die Wettbewerbsintensität und je geringer die horizontale Konzentration ist (weiterführend → Kapitel 3). Die Wettbewerbsintensität ist umso geringer, je geringer die Zahl der Unternehmen und je höher Wettbewerbsintensität Bedrohung durch neue Anbieter Verhandlungsstärke und Marktmacht der Zulieferer Bedrohung durch Substitute 2 1 3 5 4 Verhandlungsstärke und Marktmacht der Kunden politisches und rechtliches Umfeld soziokulturelle Faktoren technologische Entwicklungen makroökonomische Rahmenbedingungen <?page no="84"?> 84 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie der Grad an Produktdifferenzierung ist. Konkurrieren die Unternehmen über Preise, sind wechselseitige Preisunterbietungen die Regel - so sinken die Gewinnmargen und die Profitabilität geht zurück. Dagegen ist die Profitabilität der Unternehmen höher, wenn über langfristige Kapazitäten und auf Basis von Produktdifferenzierung konkurriert wird (weiterführend → Kapitel 5). Zudem kann das Marktwachstum eine Rolle spielen: Wächst der Markt stark, bspw. durch neue Kunden, konzentriert sich der Wettbewerb auf Neukunden. In der Folge ist die Wettbewerbsintensität gering. In schrumpfenden Märkten wird die Wettbewerbsintensität dagegen eher erhöht: Unternehmen konkurrieren aggressiv auch um die Bestandskunden der Wettbewerber. ■ Bedrohung durch neue Unternehmen und Umfang der Eintrittsbarrieren: Je niedriger die Eintrittsbarrieren sind, desto mehr Eintritte in die Industrie finden statt, desto höher ist die Wettbewerbsintensität und desto geringer die Profitabilität. Eintrittsbarrieren auf Basis von Sunk Costs können allerdings auch Austrittsbarrieren darstellen (Caves und Porter 1977 sowie Rosenbaum und Lamort 1992): Unternehmen sind dann gezwungen, in der Industrie zu bleiben, und die Wettbewerbsintensität erhöht sich - mit negativem Effekt auf die Profitabilität. Markteintritte sind umso einfacher, wenn neue Unternehmen Zugang zu relevanten Zulieferern und Vertriebspartnern haben - oder wenn durch neue Geschäftsmodelle eine neue Wertschöpfungskette etabliert werden kann. ■ Verhandlungsstärke und Marktmacht der Zulieferer: Wenn die Zulieferer in Verhandlungen auf Preise oder Qualität starken Einfluss nehmen können, oder die Abhängigkeit von einzelnen Zulieferern groß ist (wie bspw. in komplexen internationalen Zuliefererketten), ist die Profitabilität einer Industrie gering. Das ist insbesondere bei einer kleinen Zahl an Zulieferern der Fall, die einer großen Zahl an Kunden gegenüberstehen, oder wenn hohe Wechselkosten von einem Zulieferer zu einem anderen entstehen. ■ Verhandlungsstärke und Marktmacht der Kunden: Je höher die Verhandlungsmacht der Kunden ist, je stärker diese gebündelt auftreten oder je sporadischer die Kundenbeziehungen sind, desto <?page no="85"?> Market-based View als Erklärung für Wettbewerbsvorteile 85 geringer ist die Profitabilität einer Industrie. Das gilt bspw. für standardisierte oder schwach differenzierte Produkte, sowie wenn Kunden gut über Preise und Qualität informiert sind. Dagegen kann hohe Loyalität der Kunden oder Abhängigkeit von Produkten und Dienstleistungen die Verhandlungsmacht der Kunden deutlich reduzieren. ■ Bedrohung durch Substitute und Ersatzprodukte: Je stärker Kunden auf alternative Produkte und Dienstleistungen ausweichen können und je höher die Preiselastizität der Nachfrage ist, desto geringer sind die Möglichkeiten der Unternehmen, hohe Preise durchzusetzen, und desto geringer sind die Gewinne innerhalb einer Industrie. Zwar ist das Five-Forces-Framework quantitativ fundiert, in der Praxis wird aber häufig lediglich eine Template-gestützte Analyse mit Gewichtungsfaktoren durchgeführt. Insbesondere ist das Five-Forces-Framework aber nicht geeignet, eine umfassende Strategie für das Unternehmen zu entwickeln - es wird lediglich eine Einschätzung betreffend der Wettbewerbsintensität und der Profitabilität in der Industrie ermöglicht. Zudem verändern sich aufgrund dieser exogenen Veränderungen die Markt- und Industriegrenzen (Malhotra und Gupta 2001). Somit ist das Five-Forces-Framework in der Anwendung rein deskriptiv, es können keine logischen oder quantitativen Aussagen abgeleitet werden, so dass ergänzend spieltheoretische Modelle wie in → Kapitel 4 und → Kapitel 5 herangezogen werden müssen. Case Study | Warum gehen Fluggesellschaften oft pleite? Zahlreiche Industrien werden im Rahmen von Markt- und Wettbewerbsanalysen regelmäßig anhand des Five-Forces-Frameworks durchleuchtet - so hat die International Air Transport Association durch McKinsey wiederholt die geringe Profitabilität von Fluggesellschaften im Vergleich zu anderen Industrien analysiert (IATA 2013):  <?page no="86"?> 86 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie [1] sehr hohe Wettbewerbsintensität - aufgrund einer großen Zahl an Unternehmen, geringer Produktdifferenzierung, zunehmend internationalem Wettbewerb, saisonabhängig niedriger Kapazitätsauslastung und Tendenz zu Preiskämpfen. [2] starke und wachsende Bedrohung durch neue Unternehmen - aufgrund von Deregulierung internationaler Märkte, geringen Sunk Costs durch Leasing von (Gebraucht-) Flugzeugen und niedrigem Investitionsbedarf wegen geringer Mindestbetriebsgröße aufgrund relativ geringer Economies of Scale. [3] hohe Verhandlungsstärke und Marktmacht der Zulieferer - insbesondere durch nur zwei Anbieter für neue Langstreckenflugzeuge ( Boeing und Airbus ), aufgrund von geringer Zahl an internationalen Drehkreuzen (Frankfurt am Main, Singapore, Istanbul etc.) mit hohen Gebühren und marktmächtigen Gewerkschaften mit hohem Streikrisiko des Bordpersonals sowie des Boden- und Sicherheitspersonals der Flughäfen. [4] moderate bis hohe Verhandlungsstärke und Marktmacht der Kunden - begründet in schwach wahrgenommener Produktdifferenzierung und hoher Preistransparenz, die aufgrund der Bündelung und Kontingentierung der Nachfrage durch Buchungs- und Flugportale ansteigt bei weiterhin hoher Wechselbereitschaft der Kunden aufgrund schwach wirksamer Loyalitätsprogramme. [5] moderate bis hohe Bedrohung durch Substitute und Ersatzprodukte - im nationalen Bereich zunehmend durch Hochgeschwindigkeitszüge (Deutschland, Frankreich, Benelux, China, Japan etc.), international bei Geschäftsreisen durch Substitute wie Web- oder Videokonferenzen. Alle Faktoren zusammengenommen erklären konsistent, weshalb Fluggesellschaften typischerweise - gerade im Vergleich mit Unternehmen anderer Industrien - eine geringe Profitabilität aufweisen und oft nicht in der Lage sind, ihre gewichteten Kapitalkosten (WACC) zu decken oder einen ökonomischen Gewinn zu erzielen (Bundesverband deutscher Fluggesellschaften 2013). <?page no="87"?> Resource-based View als Erklärung für Wettbewerbsvorteile 87 Resource-based View als Erklärung für Wettbewerbsvorteile Wettbewerbsvorteile können, neben dem Markt-based View, durch unternehmensspezifische Fähigkeiten begründet sein. Im Resourcebased View repräsentieren Unternehmen Fähigkeiten und Kernkompetenzen - in der Konsequenz existiert ein Unternehmen als Abbildung von tangiblen und intangiblen Ressourcen und entwickelt auf dieser Basis Strategien (Penrose 1959, Wernerfelt 1984, Prahalad und Hamel 1990, Grant 1996, Rumelt et al. 1991, Peteraf 1993, Teece 2007 sowie Teece et al. 1997 auch zur Trennung von Fähigkeiten, Ressourcen und Kernkompetenzen). Unternehmensspezifische Fähigkeiten können dann herangezogen werden, um Profitabilitätsunterschiede in einer Industrie und den über- oder unterproportionalen Erfolg einzelner Unternehmen zu erklären. Statische Fähigkeiten Statische Fähigkeiten basieren auf Qualifikation oder Erfahrung der Mitarbeiter, oder beruhen auf Technologie, Organisation und Management des Unternehmens, dem formellen Wissen (Patente, Gebrauchsmuster etc.) und informellen Wissen des Unternehmens (immanent in den gelebten Prozessen), Effizienz und Kostenstruktur, wettbewerbsrelevanten funktionalen Fähigkeiten (Marketing, Finanzierung, Zugang zum Kapitalmarkt etc.), sowie hoher Produktqualität und Reputation des Unternehmens. Die Fähigkeiten schlagen sich nieder in höherer Zahlungsbereitschaft der Kunden und/ oder geringeren Durchschnitts- oder Grenzkosten. Die Gewinne sind wesentlich durch diese unternehmensspezifischen Fähigkeiten bestimmt - Unternehmen innerhalb einer Industrie oder eines Marktes unterscheiden sich deutlich in ihrer Profitabilität, wenn die Fähigkeiten heterogen sind. Unternehmen mit geringen Gewinnen erreichen nicht die Profitabilität erfolgreicher Unternehmen, weil ihnen entweder der Zugang zu den notwendigen Ressourcen fehlt oder weil sie die Fähigkeiten nicht adaptieren, imitieren oder erlernen können. <?page no="88"?> 88 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie Strategieentwicklung aus Perspektive des Resource-based View versucht im Wesentlichen, die „richtigen Fähigkeiten“ zu identifizieren und zu nutzen: So werden Wettbewerbsvorteile aus einer unternehmensinternen Kernkompetenzensowie Stärken-/ Schwächen-Analyse abgeleitet. Zudem wird stark in Kernkompetenzen investiert, Fähigkeiten werden weiterentwickelt und vorhandene Kompetenzen durch Imitationsbarrieren (Patente, Abschottung von IP, Mitarbeiterbindung etc.) geschützt. In der Folge investieren die Unternehmen bspw. stärker in Mitarbeiterkompetenzen, um die unternehmensspezifischen Fähigkeiten auszubauen, dagegen weniger in Marketing zum Aufbau von Eintrittsbarrieren. Case Study | Wieso ist RyanAir profitabler als andere Fluggesellschaften? Der Resource-based View erklärt bspw. die extrem hohe Profitabilität von RyanAir, wie in → Abbildung 2.4 skizziert, im Vergleich zu Wettbewerbern im Vorfeld des Marktaustritts von AirBerlin im Oktober 2017: Die Airline-Industrie ist aufgrund hoher Wettbewerbsintensität und geringen Eintrittsbarrieren seit Jahrzehnten von sehr geringer Profitabilität und einer hohen Zahl an insolvenzbedingten Marktaustritten geprägt. Offensichtlich kann Ryan Air nicht imitierbare Fähigkeiten, niedrige Kostenstrukturen und hohes strategisches Geschick nutzen, um in einem per se unattraktiven Markt robust hohe Gewinne zu erzielen (IATA 2013 und Bundesverband Deutscher Fluggesellschaften 2013). Unter anderem hat RyanAir vor dem Hintergrund einer Analyse der Transaktionskosten die Grenzen des Unternehmens enger gezogen als die Wettbewerber: ■ RyanAir kann mit einem Fünftel der Mitarbeiter und der Hälfte an Flugzeugen nahezu 80 % der Passagierzahl von Lufthansa abwickeln, ■ RyanAir kann mit etwa der gleichen Mitarbeiterzahl wie Air- Berlin nahezu die dreifache Passagierzahl abwickeln, ■ die Effizienz gemessen in Passagieren je Flugzeug oder Passagieren je Mitarbeiter von RyanAir liegt drastisch über den  <?page no="89"?> Resource-based View als Erklärung für Wettbewerbsvorteile 89 Wettbewerbern und macht den strategischen Handlungsbedarf bei Lufthansa deutlich und erklärt den Marktaustritt von AirBerlin . In der Folge machte RyanAir im Jahr 2014 je Passagier einen Gewinn von 17 EUR, Lufthansa von 4 EUR und AirBerlin von -9 EUR. Abbildung 2.4: Unterschiede bei Profitabilität auf Basis von unternehmensspezifischen Fähigkeiten | Daten eigene Berechnungen aus jeweiliger Unternehmensberichterstattung, Aktienkursdaten nach comdirect.de. Tatsächlich ist die Identifikation von relevanten unternehmensspezifischen Fähigkeiten schwierig, insbes. betreffs der Abschätzung des Effektes für die Wettbewerbsfähigkeit und auf die zukünftige Profitabilität des Unternehmens. Meist wird zunächst über Benchmarking (industriespezifische Kostensituation, Wachstumsraten etc.), Management-Interviews (Einschätzung zu Fähigkeiten des Unternehmens) und Datenanalyse (Erfolgstreiber aus Produktportfolio oder Geschäftsmodell) versucht, robuste Muster für die derzeitige unternehmensspezifische Profitabilität einer Organisation zu identifizieren, im zweiten Schritt wird dann die Validität dieser Fähigkeiten für die kommenden Jahre bewertet. Damit bestehende oder neu aufzubauende Fähigkeiten Passagiere 2014: ca. 32 Mio. Flugzeuge 2014: 132 Mitarbeiter 2014: ca. 8.500 Passagiere je Flugzeug: ca. 242.000 Passagiere je Mitarbeiter: ca. 3.764 Mitarbeiter je Flugzeug: ca. 64 EBIT 2014: -283,4 Mio. EUR Ø EBIT pro Passagier: - 9 EUR MarketCap 2015: 130 Mio. EUR Passagiere 2014: ca. 106 Mio. Flugzeuge 2014: 668 Mitarbeiter 2014: ca. 118.000 Passagiere je Flugzeug: ca. 158.000 Passagiere je Mitarbeiter: ca. 898 Mitarbeiter je Flugzeug: ca. 176 EBIT 2014: 459,0 Mio. EUR Ø EBIT pro Passagier: 4 EUR MarketCap 2015: 6,4 Mrd. EUR Passagiere 2014: ca. 81 Mio. Flugzeuge 2014: 318 Mitarbeiter 2014: ca. 9.000 Passagiere je Flugzeug: ca. 686.000 Passagiere je Mitarbeiter: ca. 9.000 Mitarbeiter je Flugzeug: ca. 76 EBIT 2014: 1.420,2 Mio. EUR Ø EBIT pro Passagier: 17 EUR MarketCap 2015: 16,7 Mrd. EUR Air Berlin Lufthansa Ryan Air <?page no="90"?> 90 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie für ein Unternehmen zu Treibern für höhere Profitabilität und größeren Markterfolg werden, müssen sie natürlich zu einem gewissen Grad einzigartig sein, aber auch gut für das Unternehmen einsetzbar - das gilt gerade auch für bestehende Mitarbeiter oder neu aufzubauende Teams oder Abteilungen. Vor diesem Hintergrund wird bei der Analyse von unternehmensspezifischen Fähigkeiten häufig das sogenannte VRIO- Schema (Barney 1991) überprüft, um zu erkennen, ob Fähigkeiten wertsteigernd eingesetzt werden können (Value), selten sind (Rarity), schwer imitiert oder substituiert werden können (Inimitability) und gut durch die Organisation eingesetzt werden können (Organisational Support) und ggfs. auf neue Geschäftsmodelle oder Marktsegmente übertragen werden können. So ist bspw. für ein mittelständisches Unternehmen zu prüfen, ob ein neueinzustellender Data Scientist oder eine geplante KI- Abteilung wirklich zum künftigen Unternehmenserfolg beitragen - insbesondere könnte sein, dass die KI-Abteilung als Fremdkörper in der Organisation wahrgenommen wird und nicht dauerhaft die Leistungsfähigkeit steigert. In ähnlicher Weise müssen bei Unternehmensübernahmen die Unternehmenskulturen zueinander passen und aktiv integriert werden, da sonst mögliche Synergien nicht realisiert werden können. Dynamische Fähigkeiten Profitables Wachstum eines Unternehmens und die langfristige Überlebensfähigkeit einer Organisation hängen mittelbar insbesondere von dynamischen Fähigkeiten ab (Dynamic Capabilities). Diese beschreiben die Anpassungsfähigkeit eines Unternehmens und bestehen darin, als Organisation zu lernen, neue Kernkompetenzen (bspw. neue Mitarbeiter, aber auch ein zugekauftes Unternehmen) zu integrieren, die vorhandenen Fähigkeiten auf neue Märkte oder an veränderte Umweltbedingungen anzupassen und Innovationen oder neue Geschäftsmodelle hervorzubringen. Gerade diese intangiblen und schwer beschreibbaren Fähigkeiten - Unternehmenskultur, gelebte Routinen, Erfahrung einer Organisation oder die Fähigkeit eines Unternehmens zu strategischem Wandel oder Weiterentwicklung - können eine zentrale Rolle für den Erfolg eines Unternehmens spielen. BCG hat für mehr als 40.000 M&A- <?page no="91"?> Resource-based View als Erklärung für Wettbewerbsvorteile 91 Transaktionen zwischen 1990 und 2014 gezeigt, dass erfolgreiche übernehmende Unternehmen zum einen auf größere Erfahrungen in der Übernahme und Integration von Unternehmen zurückgreifen können, aber insbesondere standardisierte Post-Merger-Integrationsmodelle anwenden und so die Zusammenführung der Unternehmen auf Basis von ausgeprägten dynamischen Fähigkeiten gestalten (Kengelbach et al. 2015, weiterführend → Kapitel 2 zu M&A). Fragen │ Kann ein Unternehmen nicht einfach die Strategie des besten Wettbewerbers imitieren? In vielen Industrien gibt es marktführende Unternehmen, die über Jahre oder Jahrzehnte sehr erfolgreich die Entwicklung in dieser Industrie prägen - und überproportional hohe Gewinne realisieren. Und natürlich versuchen Wettbewerber immer wieder, sich an diesen offenbar strategisch überlegenen Unternehmen zu orientieren. Wenn Strategie selbst eine unternehmensspezifische Fähigkeit ist, die schwer imitierbar und in der Wirkung auf den Gewinn von außen betrachtet keine eindeutige Kausalität vorliegt, dann funktioniert ein Kopieren oder Imitieren der Strategien der erfolgreichen Unternehmen nicht. Die Ursache liegt manchmal in wenigen schlauen Köpfen in einer Strategie- oder Corporate Development-Abteilung verborgen (Kachaner et al. 2016 sowie Birshan et al. 2014). Einer gut eingespielten Fußballmannschaft nicht unähnlich kann ein solches Team Veränderungen in Märkten, Chancen in Technologie oder mögliche Schwächen von Wettbewerbern regelmäßig besser erkennen, als dies bei anderen Unternehmen möglich ist (Chen et al. 2010). Wenn dann eine Implementierung der Strategie in die Organisation gelingt, dann kann dieses Unternehmen schneller und treffsicherer im Markt agieren. Zudem ziehen derartige Teams oft die besten Absolventen von Hochschulen und Mitarbeiter von Wettbewerbern an, so dass der Wettbewerbsvorteil aus der Fähigkeit zu Strategie persistent existiert und sich ggfs. selbst verstärkt.  <?page no="92"?> 92 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie Aus Wettbewerbsperspektive ist dann zu beobachten, dass sich im Zeitablauf innerhalb einer Industrie die Strategien der Unternehmen nicht immer weiter annähern, sondern immer wieder industrieinterne Varianz und Vielfalt entstehen (Prahalad und Bettis 1986, Dutta und Sundaram 1993, Miles et al. 1993 sowie Larraneta et al. 2014). Unternehmensberatungen tragen aber zu einem Ausgleich bei: Durch Übertragung von Wissen und Fähigkeiten sowohl innerhalb einer Industrie als auch märkte- und industrieübergreifend gelingt es Unternehmen mit relativ schwächeren Strategiefähigkeiten immer wieder den Abstand zu marktführenden Wettbewerbern zu reduzieren (Armbrüster 2006, Wright und Kitay 2002 sowie Sturdy et al. 2009). Dynamische Fähigkeiten sind insbesondere dann für den Unternehmenserfolg und die Profitabilität ausschlaggebend, wenn sich die marktseitigen oder technologischen Umweltbedingungen verändern (Eisenhardt und Martin 2000, Teece 2007 sowie Henneke 2014). Entsprechend sind drei generische dynamische Fähigkeiten notwendig: ■ Sensing - das kontinuierliche Wahrnehmen, Beobachten und Analysieren von Veränderungen der Chancen und Risiken im Marktumfeld und das explorative Entwickeln neuer Lösungen über Märkte und Technologien hinweg. ■ Seizing - das Ergreifen der Chancen durch Ausprobieren neuer Produkte, Geschäftsmodelle und Technologien in Marktsegmenten, oder durch den Zukauf von Unternehmen in diesen Marktsegmenten oder die Kooperation mit Start-ups. ■ Reconfiguring - die Transformation der Organisation oder des Geschäftsmodells an die adressierten Chancen, die Entwicklung notwendiger neuer statischer Fähigkeiten sowie das Aufgeben jetzt nicht mehr relevanter Fähigkeiten oder Geschäftsfelder. Dynamische Fähigkeiten sind für Wettbewerber schwer zu erkennen und damit kaum imitierbar. Damit entsteht ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil - der aber auch organisationsintern schwer zu greifen ist: Nicht-eindeutige Kausalität (Causal Ambiguity) des Unternehmenserfolgs kann einerseits auf verborgenen unternehmensspezifischen dy- <?page no="93"?> Resource-based View als Erklärung für Wettbewerbsvorteile 93 namischen Fähigkeiten und verborgenem Wissen (Tacit Knowledge) beruhen, oder auf von außen nicht erkennbaren Verbindungen mit Zulieferern oder Kunden basieren (Reed und DeFilippi 1990, Lippman und Rumelt 1982 sowie King 2007). In derselben Weise sind dynamische Fähigkeiten aber auch für das Unternehmen selbst schwer zu greifen. Gerade wenn aufgrund drastischer Umweltveränderungen neue Fähigkeiten entwickelt werden müssen, blockieren bestehende dynamische Fähigkeiten als pfadabhängige Routinen regelmäßig die Fortentwicklung eines Unternehmens (Nelson und Winter 1982 und Felin et al. 2012). Ambidexterität und Absorptionsfähigkeiten Unternehmen benötigen dynamische Fähigkeiten insbesondere dann, wenn schnelle oder drastische Veränderungen der Umwelt- oder Wettbewerbsbedingungen stattfinden - bspw. im Rahmen der vierten industriellen Revolution oder bei der Implementierung von Digitalisierung. In diesem Fall ist eine pfadabhängige Fortführung der Strategie nur in bestehenden Geschäftsfeldern ggfs. nicht erfolgreich, zudem muss das Unternehmen schnell und präzise Lernen. Unternehmensspezifische Fähigkeiten können sich strategisch in zwei Dimensionen entwickeln: einmal entlang bestehender technologischer Pfade und Kundenbeziehungen, also als Exploitation (Ausschöpfung vorhandener Möglichkeiten), das andere Mal losgelöst vom Bestandsgeschäft und vorhandener Technologiebasis, als Exploration (Suche nach neuen Möglichkeiten) (March 1991). Wie von O’Reilly und Tushman (1996 und 2008) beschreiben, kann die Kombination dieser dynamischen Fähigkeiten als Ambidexterität angelegt sein - ein Unternehmen betreibt also verzahnt und mit ähnlicher Intensität die Weiterentwicklung des Bestandsgeschäftes wie die Entwicklung und den Aufbau von Neugeschäft. Eine solche „beidhändige Vorgehensweise“ kann tatsächlich die Überlebensfähigkeit von Unternehmen gerade in Phasen rapiden Wandels stärken (O‘Reilly et al. 2009, Junni et al. 2013 sowie Iborra 2020). Allerdings ergibt sich in empirischen Studien, dass in vielen Organisationen, gerade in kleinen Unternehmen, die Fähigkeit zu Ambidexterität unterentwickelt ist. Wesentliche Ursachen sind interne <?page no="94"?> 94 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie Ressourcenknappheit und -konkurrenz, starke Pfadabhängigkeiten im Bestandsgeschäft, Fokus auf Effizienz gegenüber Innovation, sowie allgemein Veränderungsresistenz in der Organisation. Übergeordnet beeinflussen damit Unternehmenskultur und allgemeine Veränderungsbereitschaft in der Organisation, ob Ambidexterität möglich ist und positiv zur Überlebensfähigkeit des Unternehmens beiträgt. Fehlende Ambidexterität gerade in der Innovationsstrategie erhöht die Wahrscheinlichkeit - gerade bei disruptiven Innovationen - aus dem Markt verdrängt zu werden. Damit erhöht sich die Notwendigkeit zu Exploration beim Verlassen wissenserhaltender Technologiepfade, d.h. insbesondere durch Integration von organisations-externem Wissen aus dem Markt oder der Wissenschaft (weiterführend Münter 2022). Grundlage für eine erfolgreiche Aneignung neuen Wissens, gerade wenn es außerhalb der Organisation bereits verfügbar ist, ist dabei die Absorptionsfähigkeit (Absorptive Capacity, weiterführend Cohen und Levinthal 1989 und 1990): sie bestimmt, wie schnell und wie gut eine Organisation lernen und neues Wissen und Fähigkeiten integrieren und internalisieren kann. Externes Wissen ist dabei über zahlreiche Quellen (Wettbewerber, Zulieferer, Kunden, Hochschulen, Forschungseinrichtungen etc.) verteilt und erfordert damit einen Unternehmensgrenzen überschreitenden, nach innen gerichteten Wissenstransfer (Inbound Open Innovation bei Chesbrough und Crowther 2006). Absorptionsfähigkeit ist dabei häufig für etablierte Unternehmen in stabilen technologischen Paradigmen untersucht - je näher das neu entstehende Wissen an der bestehenden Technologiebasis liegt und je stärker das neue Wissen bestehende Fähigkeiten ergänzt, desto einfacher ist der Wissenstransfer, et vice versa. Allerdings zeigt sich auch, dass Absorptionsfähigkeit notwendig für die Übertragung externen Wissens in die Organisation ist: Ohne Absorptionsfähigkeit hat externes Wissen für ein Unternehmen keinen Wert (Moilanen et al. 2014). Empirisch zeigt sich - trotz aller Herausforderungen bei der Identifikation von Absorptionsfähigkeit - dass eigene F&E-Investitionen und F&E-Intensität, die Existenz einer eigenen F&E-Abteilung, die Kontinuität von F&E-Projekten, enge Zusammenarbeit in der Wertschöpfungs- <?page no="95"?> Resource-based View als Erklärung für Wettbewerbsvorteile 95 kette, hohe Mitarbeiterqualifikation oder Weiterbildung und regelmäßige Kontakte mit der Wissenschaft die Absorptionsfähigkeit erhöhen, sowohl auf Unternehmensebene wie auch für nationale Innovationsökosysteme (Griffith et al. 2003). Determinanten der Profitabilität von Unternehmen Natürlich lässt sich die analytische Trennung der Wettbewerbsvorteile von Market-based View oder Resource-based View in der Realität nur unscharf wiederfinden - jedes Unternehmen versucht im richtigen Markt mit den richtigen Fähigkeiten zu agieren. Beide Sichten gemeinsam finden sich entsprechend integriert in der sogenannten SWOT- Analyse (unternehmensinterne Stärken und Schwächen, unternehmensexterne Chancen und Risiken) wieder. Das wesentliche Augenmerk des Market-based View liegt auf dem Erkennen von Marktchancen, der Resource-based View geht von den Stärken und Fähigkeiten eines Unternehmens zur Bewertung und Entwicklung von Strategien aus. Abbildung 2.5: Profitabilität ausgewählter Industrien im Zeitraum 1965 bis 2007, Median und Bandbreite 2. und 3. Quartil des Return on Invested Capital (links) und Determinanten der Gewinne 2007 bis 2011 (rechts) | Datenquelle: Bradley et al. 2013. langfristige Profitabilitätsunterschiede zwischen Industrien (in % ROIC) Zuordnung Profitabilitästreiber auf Industrie- und Unternehmenseffekte 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% Pharma Software IT Services Telekommunikation Medizintechnik Computerhardware Maschinenbau Automobilzulieferer Einzelhandel und… Baumaterialien Metallverarbeitung Elektrizität Fluggesellschaften 67 50 46 49 62 60 33 50 54 51 38 40 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Industrieeffekt Unternehmenseffekt hoch << Gewinne >> niedrig <?page no="96"?> 96 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie Allerdings kann empirisch untersucht werden, welches der Modelle zur Erklärung von Wettbewerbsfähigkeit eine bessere Erklärung für die Gewinne von Unternehmen bietet. Man prüft, welche Anteile der Gewinne durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Industrie erklärt werden können, und welche Anteile der Gewinne unternehmensspezifischen Fähigkeiten zugeordnet werden können. In empirischen Studien (Cubbin 1988, McGahan und Porter 1999 und 2003, Rumelt 1991, Schmalensee 1985 und Bradley et al. 2013) zeigt sich, dass die Profitabilität (gemessen in Gewinnen, Eigenkapitalrentabilität oder Cashflow) über verschiedene Industrien hinweg langfristig unterschiedlich ist. In → Abbildung 2.5 ist der Return on Invested Capital ausgewählter Industrien für den Zeitraum 1965 bis 2007 als Median und in Bandbreiten des 2. und 3. Quartils zu sehen - offenbar eine Bestätigung des Marketbased View, denn Pharma- oder Telekommunikationsindustrie weisen über mehr als vier Jahrzehnte eine systematisch höhere Profitabilität als Metallverarbeitung oder Fluggesellschaften auf. Dagegen zeigt sich in einer McKinsey-Studie von 2014, dass für 2.288 Unternehmen im Zeitraum 2007 bis 2011, in → Abbildung 2.5 rechts, durchschnittlich 60 % des absoluten Gewinns eines Unternehmens durch Unternehmenseffekte (den Resource-based View) und 40 % durch Industrieeffekte (den Market-based View) erklärt werden können. Der Anteil des Unternehmenseffektes ist besonders hoch bei sehr erfolgreichen Unternehmen (Quintil 1), wie auch bei den Unternehmen mit den absolut geringsten Gewinnen (Quintil 5). Wenn die Unternehmen durchschnittliche Gewinne (wie in Quintil 2 bis 4) erzielen, haben Unternehmens- und Industrieeffekte in etwa den gleichen Einfluss. Addiert man die Gewinne einer Industrie über alle Unternehmen für einen Zeitraum, ergeben sich Profit Pools der Industrie (Gadiesh und Gilbert 1998). Profit Pools können dann entlang der einzelnen Wertschöpfungsstufen innerhalb der Industrie zerlegt werden, um über- oder unterproportional attraktive Industriesegmente oder Aktivitäten in der Wertschöpfungskette zu identifizieren. In → Abbildung 2.6 <?page no="97"?> Resource-based View als Erklärung für Wettbewerbsvorteile 97 links ist die erwartete Verschiebung der Profit Pools in der Automobilindustrie zwischen 2015 und 2030 zu sehen. Unternehmen mit digitalen Dienstleistungen (Connectivity, autonomes Fahren, Mobility-asa-Service, Car Sharing und Ride Hailing) werden deutliche Anteile des Profit Pools der Automobilindustrie übernehmen, ebenso Zulieferer aus der Technologie-Industrie - alle anderen heutigen Unternehmen in der Automobilindustrie werden deutliche Gewinnrückgänge erleben. Vor diesem Hintergrund suchen Automobilhersteller strategische Kooperationen oder Übernahmen im Bereich digitaler Dienstleistungen. Zudem ist unabhängig der immer noch hohen Gewinne in der Produktion und Vertrieb von Automobilen nicht zu erwarten, dass Apple oder Google in diese Industrie als Hersteller eintreten - beide werden eher versuchen, signifikante Anteile an den Gewinnen in den Bereichen digitale Services und Technologie/ Software-Zulieferer zu realisieren. Abbildung 2.6: Profit Pool der globalen Automobilindustrie (links) und EU-Finanzdienstleisterindustrie (rechts) | Datenquelle: GP Bullhound Research (2019) (links) und ECB (2017), Zeb (2019) und McKinsey (2018 und 2020) (rechts), Prozentwerte gerundet, teils eigene Berechnungen. In → Abbildung 2.6 rechts ist in derselben Logik die erwartete Verschiebung von Profit Pools in der Finanzdienstleisterindustrie der Europäischen Union zwischen 2020 und 2030 zu sehen, hier getrieben durch Geschäftsmodelle. Durch Regulierung und Nullzinspolitik der 41% 16% 14% 14% 11% 0% 0% 29% 10% 11% 11% 10% 20% 5% 2015 2030 31% 26% 16% 11% 8% 7% 22% 22% 36% 9% 10% 1% 2020 2030 <?page no="98"?> 98 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie Zentralbanken reduziert sich die Profitabilität in wesentlichen Geschäftsfeldern, zudem verschieben sich durch Digitalisierung und digitale Ökosysteme gerade Payment- und Transaktions-Erlöse zu Unternehmen wie Amazon, Google oder PayPal - im Gegenzug verliert insbesondere das Retail-Banking mit Filialbetrieb zunehmend an Profitabilität. Daneben finden sich in den empirischen Studien auch starke Hinweise auf unternehmensspezifische Persistenz der Gewinne und eine hohe positive Korrelation mit Marktanteilen innerhalb einer Industrie - offenbar existieren Unternehmen, die über viele Jahre hinweg höhere Marktanteile gepaart mit höherer Profitabilität oder absoluter Gewinnhöhe erzielen können (Mueller 1990). Wettbewerb innerhalb einer Industrie führt also weder zu einer Angleichung der Gewinne der Unternehmen, noch zu einer Reduktion des Niveaus der Gewinne. Für die Persistenz der Gewinne gibt es zwei mögliche Ursachengruppen: Zum einen strukturelle Wettbewerbsbeschränkungen (bspw. Eintrittsbarrieren) innerhalb der Industrie oder Marktmacht einzelner etablierter Unternehmen, zum anderen höhere Effizienz und Wettbewerbsvorteile auf Basis des Resource-based View. Zusammengenommen zeigen die empirischen Untersuchungen kein eindeutiges Bild: Viel mehr bestätigt sich, dass über den Market-based View industriespezifische Effekte auf die Profitabilität erklärt werden, innerhalb der einzelnen Industrien gibt es dann aber starke unternehmensspezifische Effekte als Hinweis auf den Resource-based View, zudem gibt es innerhalb der Profit Pools einer Industrie oft Geschäftsmodelle oder Wertschöpfungsstufen mit hohen, aber auch mit niedrigeren Gewinnen. Wettbewerbsvorteile aus Differenzierung und Kostenführerschaft Wenn ein Unternehmen die Preise erhöht, dann wechseln die Kunden zu Wettbewerbern - außer, das Unternehmen bietet Produkte oder <?page no="99"?> Wettbewerbsvorteile aus Differenzierung und Kostenführerschaft 99 Dienstleistungen an, die Wettbewerber nicht anbieten. Durch Produktdifferenzierung kann also zum einen die Wechselbereitschaft der Kunden reduziert und die Kundenbindung oder sogar Kundenloyalität erhöht werden, zum anderen kann durch eine zielgruppengenaue Differenzierung der Produkte die Zahlungsbereitschaft erhöht werden. Produkte innerhalb einer Produktklasse - Fahrräder, Joghurt oder BWL-Hochschulen genauso wie Mikroökonomie-Lehrbücher - sind selten homogene Produkte mit der Möglichkeit perfekter Substitution. Unternehmen versuchen, Produkte oder Dienstleistungen zu differenzieren, d.h. Unterschiedlichkeit innerhalb des eigenen Produktportfolios oder gegenüber Wettbewerbern herzustellen und dann in der Vermarktung zu positionieren. Das Spektrum reicht dabei von höherer Qualität, besserem Kundenservice, größerer Auswahl, höherer Kompatibilität oder besserer Komplementarität mit anderen Produkten bis hin zu zielgruppengerechter Vermarktung und Vertriebskanälen oder einem bestimmten Lifestyle auf Basis der Marke. Ziele der Produktdifferenzierung sind: ■ Erhöhung der Zahlungsbereitschaft - wenn die Präferenzen der Kunden für ein Produkt, bspw. Autos, heterogen sind, dann kann die Zahlungsbereitschaft einzelner Kunden oder eines Marktsegmentes erhöht werden, wenn Produkte stärker differenziert werden und so besser den vorhandenen Präferenzen entsprechen. In der Folge können - bei sonst gleichen Rahmenbedingungen - höhere Preise durchgesetzt werden. ■ Reduktion der Wettbewerbsintensität - wenn Kunden die Produkte von Wettbewerbern als enge Substitute betrachten und beliebig zu Konkurrenzprodukten wechseln oder wechseln würden, liegt hohe Wettbewerbsintensität vor. Produktdifferenzierung kann über Markenloyalität auf Basis von Branding, Wechselbarrieren infolge technologischer Inkompatibilität oder Positionierung des Unternehmens die Wettbewerbsintensität (die Rückwirkungen der strategischen Aktionen der Wettbewerber) reduzieren und die Gewinne erhöhen (weiterführend → Kapitel 5). <?page no="100"?> 100 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie Horizontale und vertikale Produktdifferenzierung Produktdifferenzierung kann zwei Dimensionen annehmen, die signifikante Auswirkungen auf Marktstruktur und Wettbewerbsintensität einer Industrie haben (Shaked und Sutton 1987 sowie Gabszwicz und Thisse 1986): ■ Horizontale Produktdifferenzierung - Produkteigenschaften und/ oder -qualität unterscheiden sich zwar ggfs. geringfügig, sind aber funktional nahezu identisch. Allerdings stimmen die Kunden nicht in der subjektiven Präferenzordnung überein (Socken in schwarz vs. rot vs. gelb. vs. grün, Coke und Pepsi , Biersorten, Automarken etc.). Kunden haben offenbar einen unterschiedlichen Geschmack oder anderweitig unterschiedliche Präferenzen. In der Konsequenz sind einige Kunden bereit, für Coke mehr als für Pepsi zu bezahlen - bei anderen Kunden ist es umgekehrt. Unternehmen können horizontale Produktdifferenzierung primär durch Marketing etablieren und verstärken - bspw. durch Branding und Markenbewusstsein - technologische Unterschiede spielen eine untergeordnete Rolle. ■ Vertikale Produktdifferenzierung - Produkteigenschaften und/ oder -qualität unterscheiden sich funktional und alle Kunden stimmen in der objektiven Präferenzordnung überein (DSL mit 20Mbit vs. 50 Mbit vs. 100 Mbit, …), haben aber aufgrund von unterschiedlichem Nutzungsverhalten oder -anforderungen unterschiedliche Zahlungsbereitschaften. In der Konsequenz sind einige Kunden bereit, DSL mit 100 Mbit zu kaufen, andere nicht. Unternehmen können vertikale Produktdifferenzierung primär durch qualitative und technologische Eigenschaften begründen und ausbauen, sekundär kann durch Marketing der Effekt verstärkt werden. Horizontale Differenzierung alleine ermöglicht meist keine Preisdiskriminierung, wenn die Kundengruppen ähnlich groß sind: Die Preise von Speiseeis in der Eisdiele, Downloads von Musiktiteln, Kinobesuche oder Biersorten liegen sowohl über Unternehmen hinweg als auch im Portfolio eines Unternehmens sehr nah beieinander oder sind sogar identisch. Bei vertikaler Differenzierung (schnelles vs. langsames DSL) ist <?page no="101"?> Wettbewerbsvorteile aus Differenzierung und Kostenführerschaft 101 Preisdiskriminierung die Regel, allerdings sind nicht die objektiven Leistungsunterschiede für die Preisunterschiede erklärend, sondern die Unterschiede in der Zahlungsbereitschaft. Typischerweise werden gemischte Strategien angewendet, um die Effekte von horizontaler und vertikaler Produktdifferenzierung wechselseitig zu verstärken (Degryse 1996 sowie Ferreira und Thisse 1996). Banken versuchen seit Langem, per se standardisierte und homogene Produkte und Dienstleistungen wie Zahlungsverkehr, Girokonto oder EC-Karten horizontal und vertikal zu differenzieren, ebenso investieren Lebensmittelkonzerne stark in die Produktdifferenzierung von Mineralwasser. Allerdings führt nur eine von einer großen Kundengruppe wahrgenommene Produktdifferenzierung zur Reduktion von Wettbewerbsintensität und zu einer relevanten Erhöhung der Zahlungsbereitschaft - Fans einer Marke oder Technologie-Nerds verzerren hier oft das Bild. Blindtests von Produkten zeigen, dass Produktdifferenzierung verloren geht, wenn Branding, Farbgebung oder Look and Feel des Produktes nicht mehr erkennbar sind, so dass in zahlreichen Industrien - gerade bei Konsumprodukten und Lebensmitteln - ein großer Teil vermeintlich wahrgenommener Produktdifferenzierung alleine auf strategischen Marketing-Investitionen basiert (Nenycz‐Thiel und Romaniuk 2014 sowie Yamada et al. 2014). Case Study │ Wie funktioniert horizontale und vertikale Produktdifferenzierung in der Automobilindustrie? Offensichtlich fährt nicht jeder Mensch das gleiche Auto, zudem unterscheiden sich Autos stark in Nutzungsmöglichkeiten und Technologie, Wahrnehmung durch Kunden und in Preisen. In der Automobilindustrie - wie in → Abbildung 2.7 unvollständig und nur für die jeweiligen Modellplattformen für das Jahr 2017 skizziert - sind vertikale und horizontale Produktdifferenzierung durch umfangreiche und langjährige Investitionen in Technologie und Marketing seit Langem gut etabliert und wirken sich signifikant positiv auf die Gewinne der Unternehmen aus (Goldberg 1995, Guajardo et al. 2015 und Berry et al. 2004). Typische  <?page no="102"?> 102 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie vertikale Produktdifferenzierung in der Automobilindustrie erfolgt über Motor- und Fahrleistung, Haltbarkeit und Zuverlässigkeit, Größe, Innenausstattung wie Multimedia, Sicherheitsausstattung sowie Service und Garantieleistung. Die horizontale Produktdifferenzierung wird über die Marke, das Design, das Look and Feel, den Status und die relative Positionierung der Marke in Abgrenzung oder Annäherung zu anderen Marken hergestellt. Verknüpft und verstärkt werden beide Dimensionen durch Produktproliferation (d.h. das Besetzen nahezu beliebiger Marktnischen durch Coupe-, Cabrio-, SUV-, Sport-, Van- oder Kombi-Modelle) und durch die Möglichkeit, dass der Kunde sein Auto personalisiert - über die üblichen Extras bis hin zu Spezialanbietern und Tunern (Fujimoto 2014). Abbildung 2.7: Horizontale und vertikale Produktdifferenzierung (Produktklassen entsprechend Klassifizierung der EU-Kommission). Damit Produktdifferenzierung aus Managementperspektive strategisch eingesetzt werden kann, müssen die Präferenzen der Kunden entweder exogen unterschiedlich und adressierbar oder mindestens durch Marketing beeinflussbar sein. Je größer die wahrgenommene Differenzierung, desto stärker kann die Zahlungsbereitschaft beeinflusst werden, desto geringer ist die Wettbewerbsintensität durch substitute Produkte, vertikale Produktdifferenzierung Kleinstwagen Kleinwagen Oberklasse Mittelklasse obere Mittelklasse Luxusklasse Volkswagen Audi BMW Mercedes Fox UP Smart Fortwo A1 i3 Mini Polo 1er A3 A4 A6 A8 3er 5er 7er A-Klasse A-Klasse C-Klasse E-Klasse S-Klasse Golf Passat horizontale Produktdifferenzierung <?page no="103"?> Wettbewerbsvorteile aus Differenzierung und Kostenführerschaft 103 desto stärker ist die Möglichkeit zur Marktsegmentierung. Produktdifferenzierung ist eine wesentliche Strategie, um die Wettbewerbsintensität deutlich zu reduzieren - allerdings sind typischerweise signifikante Investitionen in Marketing und Technologie notwendig. Eine grundlegende Präferenzverschiebung der letzten Jahrzehnte ist der zunehmende Wunsch von Kunden, Produkte zu individualisieren oder zu personalisieren. Unternehmen können Produkte in Modulen oder Varianten (Mass Customization und Mass Personalization) anbieten, um die Zahlungsbereitschaft für individualisierte Produkte zu erhöhen und Nischen in Marktsegmenten zu adressieren. Starbucks hat für ein per se homogenes Produkt, Kaffee, durch unterschiedliche Bechergrößen und starke vertikale und horizontale Differenzierung hohe Margen etabliert. Seit 2010 ermöglicht Starbucks Kunden im Shop zudem durch How-Ever-You-Want-It-Frappuccino eine nahezu vollständige Personalisierung inklusive (häufig falsch geschriebenen) Kundennamen auf dem Becher - 2016 mit einer Bruttomarge von etwa 40 %, die zudem mit einer CAGR von ca. 15 % wächst. Unternehmen wie My- Muesli können den Preis für Haferflocken von 0,39 EUR für 500 Gramm durch Personalisierung auf Basis umfangreicher Konfigurationsmöglichkeiten auf deutlich über 10 EUR treiben (Abraham et al. 2017, Vesanen 2007, Starbucks 2016 und FAZ 2016). Economies of Scale und Economies of Scope Entscheidungen zur Kostenstruktur, zur Restrukturierung eines bestehenden Unternehmens oder zum Erwerb eines anderen Unternehmens zielen immer auf eine nachhaltige Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Die Kostenstruktur kann bspw. beeinflusst werden, indem ein Unternehmen langfristig durch Outsourcing Teile der fixen Kosten variabilisiert - Banken z.B. durch Auslagerung an spezialisierte IT- oder BPO-Dienstleister - oder durch Verlagerung der Produktion in Niedriglohnländer Faktorpreisunterschiede ausnutzt, wie dies in weiten Teilen der Textil- und Bekleidungsindustrie erfolgt, aber <?page no="104"?> 104 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie zunehmend auch für Tätigkeiten im Bereich Accounting oder Customer Care. Dagegen zielt eine Restrukturierung auf eine dauerhafte Anpassung der Kosten sowie der Kostenstruktur infolge veränderter Faktorpreise oder dauerhaft veränderter Nachfragestruktur. Damit geht der Auf- oder Abbau von Stellen und die Anpassung von Finanzierungsstruktur und Höhe von Eigen- und Fremdkapital einher. Drittens kann durch M&A-Transaktionen - die Übernahme eines oder der Zusammenschluss mit einem Wettbewerber - neben anderen Zielen wie dem Aufbau von Know-how, dem Zugang zu neuen Märkten, dem Aufbau von Marktmacht oder der Risikodiversifikation - insbesondere versucht werden, kostenseitige Wettbewerbsvorteile generieren. Die Kosten eines Unternehmens sind ein maßgeblicher Einflussfaktor der Wettbewerbsfähigkeit: Konkurrieren Unternehmen mit - aus Kundenperspektive - schwach oder nicht differenzierten Produkten und herrscht Preiswettbewerb, so kann die Kostensituation eines Unternehmens dessen Überlebensfähigkeit bestimmen. Unternehmen können strategisch Kostenstrukturen in zwei Dimensionen in Wettbewerbsvorteile umwandeln: Economies of Scale und Economies of Scope. Beiden Strategien liegen zahlreiche Geschäftsmodelle zugrunde, sie sind integraler Bestandteil für mehrseitige digitale Plattformen wie TripAdvisor , LinkedIn oder Amazon (Evans und Schmalensee 2016 und → Kapitel 2) und helfen zu verstehen, wie groß Unternehmen innerhalb einer Industrie sind und wie vielfältig das Produktportfolio ist (Chandler 1990). Daneben bieten beide Konzepte mögliche Begründungen für Unternehmenszusammenschlüsse oder -übernahmen. Ziel ist hier die Realisierung von Synergien aus Größe (Economies of Scale) oder von Synergien aus Diversifikation (Economies of Scope). Economies of Scale („Größenvorteile“) sind unternehmensspezifische kostenseitige Wettbewerbsvorteile - mit steigender Unternehmensgröße oder Produktionsmenge fallen die totalen Durchschnittskosten oder Stückkosten: Wenn ein Unternehmen die Produktion um <?page no="105"?> Wettbewerbsvorteile aus Differenzierung und Kostenführerschaft 105 80 % ausweitet, die Gesamtkosten aber nur um 60 % steigen, liegen Economies of Scale vor. Ursachen können hohe Fixkosten (bspw. aufgrund von Unteilbarkeiten im Innovationsprozess, im Marketing oder der Unternehmensorganisation), zunehmende Skalenerträge in der Produktion oder die Nutzung von Big Data sein. Case Study | Welche Kosten sind strategisch entscheidungsrelevant? Für strategische Entscheidungen sind alle künftigen Kosten relevant - sowohl Fixkosten wie auch variable Kosten. Je nach Aktionsradius der Unternehmensstrategie gibt es aber langfristig keine Fixkosten: Alle Kosten sind durch Entscheidungen des Managements variabilisierbar - die IT-Plattform kann gewechselt werden, Standorte können geschlossen werden, strategische Kooperationen mit Zulieferern können gekündigt werden. Es gibt aber eine Ausnahme - Sunk Costs sind nicht entscheidungsrelevant. Sunk Costs basieren auf in der Vergangenheit begründeten Kosten, die mit einer Entscheidung für einen Markteintritt oder für eine bestimmte Technologie verbunden sind, und die bei einem Marktaustritt oder der Aufgabe der Technologie nicht zurückgewonnen werden können. Dies gilt bspw. bei unternehmens- oder industriespezifischen Marketinginvestitionen zur Etablierung einer Mobilfunkmarke oder pfadabhängigen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen für ein Medikament. Gerade durch Forschungs- und Entwicklungsund/ oder Marketinginvestitionen werden wesentlich endogene Sunk Costs mit dem Ziel verursacht, Eintrittsbarrieren, Produktdifferenzierung oder Wettbewerbsvorteile aufzubauen, um auf diese Weise Marktstruktur und Wettbewerbssituation zu beeinflussen. Betrachtet man ein Pharmaunternehmen und dessen Investitionsentscheidung, so wird die Rolle von Sunk Costs deutlich. Das Unternehmen hatte für ein neues Medikament ursprünglich mit möglichen Erlösen von 20 Mrd. EUR und F&E-Aufwendungen von 15 Mrd. EUR gerechnet. Jetzt kommt ein Wettbewerber mit einem Konkurrenzprodukt auf den Markt und die Erlösprognose wird  <?page no="106"?> 106 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie durch die Marketingabteilung auf 5 Mrd. EUR korrigiert, mittlerweile sind allerdings 12 Mrd. EUR in F&E investiert worden - was sollte das Unternehmen nun tun? Die Entscheidung muss lauten: Fortführung der F&E-Investitionen. Denn nur künftige Erlöse und Kosten sind entscheidungsrelevant, d.h., die jetzt noch möglichen 5 Mrd. EUR an Erlösen abzüglich 3 Mrd. EUR zusätzlicher Kosten versprechen einen Gewinn von 2 Mrd. EUR, unabhängig von den bereits investierten 12 Mrd. EUR, die irreversible Sunk Costs darstellen. In derartigen Fällen liegen irreversible Vergangenheitskosten vor, die zukünftig zwar entscheidungsirrelevant sind, aber maßgeblich die Entscheidungsspielräume eines Unternehmens einschränken und das Unternehmen auf eine bestimmte Strategie festlegen („Commitment“) und indirekt die Marktstruktur beeinflussen (Sutton 1991). Hier setzt allerdings bei zahlreichen Managern ein Sunk-Cost-Denkfehler ein: Man versucht - insbesondere aufgrund der hohen bisherigen Kosten - durch weitere Investitionen bisherige Fehlentscheidungen zu rechtfertigen, anstatt eine vollständig neue Alternative zu entwickeln oder nur künftige Kosten und Erlöse zu betrachten (Arkes und Blumer 1985 sowie Pararye 1995). Ein besonderer Wettbewerbsvorteil kann im Zeitablauf entstehen: Sinken für ein Unternehmen infolge über Jahre hinweg kumulierter Produktionsmengen die Durchschnittskosten, dann liegen Lernkurveneffekte (Erfahrung und Learning-By-Doing) vor. Diese auf Routinen basierenden Wettbewerbsvorteile können bspw. in höherer Arbeitsgeschwindigkeit oder verringertem Ausschuss liegen. Ein Unternehmen mit Lernkurveneffekten hat dann einen Wettbewerbsvorteil gegenüber einem neu eintretenden Unternehmen ohne entsprechende Erfahrung und kumulierte Produktionsmenge. Als Faustregel gilt weiter die von Dutton und Thomas (1984) über eine Vielzahl von empirischen Studien ermittelte 80 %-Regel, d.h., bei einer Verdopplung der kumulierten Produktion gehen die Durchschnittskosten auf etwa 80 % des vorherigen <?page no="107"?> Wettbewerbsvorteile aus Differenzierung und Kostenführerschaft 107 Niveaus zurück. Allerdings verblassen diese Lernkurveneffekte, wenn die Produktion ausgesetzt wird oder die verwendete Technologie verändert wird (Spence 1981, Argote und Epple 1990 und Malerba 1992). Fragen │ Wie kann man die Kosten schneller senken - Economies of Scale oder Lernkurveneffekte? Wenn Unternehmen kostenseitige Wettbewerbsvorteile erzielen wollen, müssen immer Economies of Scale und Lernkurveneffekte berücksichtigt werden. Aus Managementperspektive sind diese Effekte sowohl bei Neuprodukteinführung und Zielkostenplanung wie auch beim Aufholen von Kostennachteilen gegenüber Wettbewerbern relevant. Abbildung 2.8: Lernkurveneffekte und Economies of Scale im Vergleich. In → Abbildung 2.8 links ist der fallende Verlauf der totalen Durchschnittskosten eines Herstellers von Grafikprozessoren zu sehen. Bei einer aktuellen Produktionsmenge von 𝑞𝑞 = 200 betragen die Durchschnittskosten 𝑊𝑊𝑇𝑇𝑇𝑇 = 10 . Wird die Produktionsmenge im kommenden Jahr auf 𝑞𝑞 = 400 verdoppelt, dann sinken die Durchschnittskosten aufgrund von Economies of Scale auf 𝑊𝑊𝑇𝑇𝑇𝑇 = 9 entlang der bestehenden Kostenkurve. Wenn das Unternehmen alternativ Lernkurveneffekte erzielen kann, verschiebt sich die Kostenkurve parallel nach unten. Die Durchschnittskosten sinken dann im kommenden Jahr aufgrund von Erfahrung auch bei gleichbleibender Produktionsmenge auf 𝑊𝑊𝑇𝑇𝑇𝑇 = 8 . Lernkurveneffekte ATC 200 300 400 10 12 100 q 8 500 A ATC 200 300 400 10 12 100 8 500 A B C A‘ 7 9 Economies of Scale 7  <?page no="108"?> 108 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie Wenn beide Effekte zusammenkommen - die Kostenkurve verschiebt sich nach unten und das Unternehmen wird größer - dann betragen die Kosten 𝑊𝑊𝑇𝑇𝑇𝑇 = 7 , d.h. beide Effekte addieren sich. Welcher der beiden Effekte in der Realität stärker die Kosten reduziert, hängt vom tatsächlichen Verlauf der Kostenkurve und den Wachstumsmöglichkeiten des Unternehmens ab. Economies of Scope („Diversifikationsvorteile“ oder „Verbundvorteile“) sind ebenfalls unternehmensspezifische kostenseitige Wettbewerbsvorteile. Sie basieren darauf, dass mit wachsender Vielfalt des Produktportfolios die totalen Durchschnittskosten der einzelnen Produktarten aufgrund von Synergien aus Diversifikation zurückgehen. Wenn ein Konsumgüterunternehmen die Produktion auf Zahnpasta ausweitet, und die Durchschnittskosten der Produktion von Waschmittel deshalb zurückgehen, liegen Economies of Scope vor. Ursachen können wieder hohe Fixkosten (Branding von Dachmarken oder Vertriebsstruktur), gemeinsam genutzte Basistechnologie (Produktionstechnologie oder flexible Produktplattformen wie bspw. in der Automobil- oder Computerhardwareindustrie), Risikodiversifikation durch negativ korrelierte Kostenentwicklung bei F&E-Projekten, Kuppelproduktion (in der Chemie- oder Pharma-Industrie) oder auf verschiedene Produktarten oder -segmente anwendbares Know-how oder Patente sowie komplementäre Verwendungszusammenhänge der Kunden sein. Industrien und Unternehmen unterscheiden sich teilweise deutlich betreffs der Bedeutung von Economies of Scale und Scope. Einerseits sind diese - basierend auf Skalenerträgen - durch technologische, produktionsseitige und kostenseitige Rahmenbedingungen vorbestimmt. So basieren zahlreiche Geschäftsmodelle grundlegend auf Economies of Scale und Scope: ■ Banken können mit zunehmender Größe fixkostenintensive Marken, IT-Plattformen oder globale Handelsnetze zu niedrigeren Durchschnittskosten realisieren, durch die Kombination aus Aktivgeschäft (Kreditgewährung und Corporate Finance) und Passivge- <?page no="109"?> Wettbewerbsvorteile aus Differenzierung und Kostenführerschaft 109 schäft (Einlagengeschäft) sowie Transactionbanking (Zahlungsverkehr und Wertpapierabwicklung) entstehen kostenreduzierende Synergien und Wettbewerbsvorteile (Altunbas und Molyneux 1996). ■ Bei Automobilherstellern sind - neben absoluten Größenvorteilen - Economies of Scope durch die modell- und serienübergreifende Produktion von Motoren, Antriebsstrang und Innenausstattung gegeben. Bei BMW beträgt der Gleichteileanteil innerhalb von Diesel- oder Benzinmotoren jeweils über 60 %, der Gleichteileanteil antriebsübergreifend immer noch mehr als 30 % (BMW 2015). ■ In der Konsumgüter-/ FMCG-Industrie zielen Unternehmen wie Procter & Gamble oder Unilever ebenfalls auf Economies of Scale als auch Economies of Scope: Starke Treiber sind hier fixe Marketing-/ Branding-Aufwendungen sowie gemeinsam genutzte B2B-Vertriebsstrukturen, Logistik- und Produktionsplattformen über die Produkte hinweg, dies setzt sich schließlich fort bis in den B2C-Vertrieb bei großen Discountern wie Aldi , Walmart oder Carrefour . Andererseits können Unternehmen aktiv darauf zielen, durch Economies of Scale und Scope mehrseitige Märkte aufzubauen oder zu skalieren (Hagiu und Wright 2015, weiterführend → Kapitel 2): ■ Alphabet, die Muttergesellschaft von Google , adressiert sowohl Economies of Scale (Big Data in den jeweiligen Geschäftsmodellen Google oder YouTube ) als auch Economies of Scope (Verknüpfung der Daten über die Geschäftsmodelle Android, Google oder Chrome hinweg). ■ Amazon realisiert über absolute Größe und Produktportfolio eigene Economies of Scale und Scope und skaliert diese durch Einbindung von Drittanbietern auf Amazon Marketplaces und durch Bereitstellung der Zahlungsplattform Amazon Payment . ■ LinkedIn, eine Social Media-/ Karriereplattform und Tochterunternehmen von Microsoft , erzielt aus zunehmender Nutzerzahl Economies of Scale auf der fixkostenintensiven IT-Plattform. Zudem werden durch Services auch von Partnerunternehmen zunehmend Economies of Scope durch Portfolioerweiterungen realisiert. <?page no="110"?> 110 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie Wettbewerbsvorteile durch Unternehmenszusammenschlüsse Wenn Größenvorteile nicht durch organisches Wachstum auf Basis von Marketing- oder Vertriebsstrategien erzielbar sind, dann kann alternativ anorganisches Wachstum zur Erzielung von Größenvorteilen durch den Zusammenschluss mit Wettbewerbern adressiert werden. In zahlreichen Industrien versuchen Unternehmen durch Zusammenschlüsse mit oder Übernahmen von Konkurrenten Wettbewerbsvorteile aufzubauen, um den Gewinn und damit den Unternehmenswert zu erhöhen (Jansen 2016 und Trautwein 1990). Hier stehen drei mögliche Maßnahmen und Ziele im Mittelpunkt: ■ der Erwerb neuer Fähigkeiten (bspw. Mitarbeiter, Patente oder Technologien) und Kernkompetenzen, ■ der Auf- oder Ausbau von Marktmacht zur Kontrolle strategischer Parameter (bspw. Preissetzungsspielräume auf der Absatz- oder Beschaffungsseite oder regionale Exklusivität) und ■ die Reduktion von Kosten durch Realisierung von Economies of Scale und Economies of Scope (im Wesentlichen der Reduktion von Fixkosten) oder durch Erzielung von Transaktionskostenvorteilen (Veränderung der Unternehmensgrenzen, Vereinfachung der Organisation und Optimierung der unternehmensinternen Koordination und Kommunikation). Unternehmenszusammenschlüsse können dann in drei Dimensionen klassifiziert werden. Horizontale Zusammenschlüsse - bspw. die Übernahme von Tengelmann durch Edeka oder der Erwerb der E-Plus- Gruppe durch Telefónica - basieren auf der Zusammenführung gleichartiger Geschäftsmodelle oder adressieren eine oder mehrere gemeinsame Stufen der Wertschöpfungskette einer Industrie in einem Markt. Ziel ist eine Reduktion der Wettbewerbsintensität, die Realisierung von Economies of Scale zur Kostensenkung und daraus folgend der Auf- oder Ausbau der Marktmacht. Die Logik des Zusammenschlusses im deutschen Mobilfunkmarkt von Telefónica und der E-Plus-Gruppe in 2014 auf Basis von Economies of Scale ist in → Abbildung 2.9 skizziert. <?page no="111"?> Wettbewerbsvorteile aus Differenzierung und Kostenführerschaft 111 Die beiden kleinen Anbieter wurden aufgrund ihres relativen Kostennachteils gegenüber den Marktführern Vodafone und Deutsche Telekom zunehmend durch sinkende Preise in ihrer jeweiligen Profitabilität bedroht. Durch den Zusammenschluss und die so erlangte Größe kann die neue Telefónica die totalen Durchschnittskosten deutlich senken, insbesondere durch die Eliminierung von Fixkosten in Form des Abbaus von Doppelfunktionen in administrativen Bereichen, die Zusammenlegung der IT und des Mobilfunknetzes sowie durch reduzierte Marketingaufwendungen aufgrund reduzierter Wettbewerbsintensität. Vertikale Zusammenschlüsse erfolgen entlang der Wertschöpfungskette einer Industrie in einem Markt durch strategische Vorwärts- oder Rückwärtsintegration mit dem Ziel einer verbesserten Kontrolle der Wertschöpfungskette und einer Reduktion der Transaktionskosten. Damit werden die Unternehmensgrenzen angepasst, bspw. auch durch Out- oder Insourcing, und die unternehmensinternen Kosten reduziert. In → Abbildung 2.9 ist ein derartiger vertikaler Zusammenschluss zwischen einer Retail-Bank und einem FinTech-Dienstleister zu sehen: so hat in 2019 die Deutsche Bank einen 5 %-Anteil am Fintech Deposit Solutions erworben. Die vormalige Lieferantenbeziehung für Zinsprodukte wurde damit stabilisiert, insbesondere um Know-how zu erwerben, Einkaufskonditionen zu verbessern und ggfs. den Zugriff von Wettbewerbern der Deutschen Bank auf Deposit Solutions zu erschweren. Konglomerate Zusammenschlüsse erfolgen über Industrie- oder Marktgrenzen hinweg mit der Zielsetzung, eine Diversifikation durch Ausbau des Produktportfolios oder den Aufbau eines diversifizierten Konzerns und meist eine Risikoreduktion bei negativ korrelierten Portfolien sowie der Realisierung von Economies of Scope durch eine Nutzung gemeinsamer Ressourcen zu erreichen. In → Abbildung 2.9 ist ein konglomerater Zusammenschluss zwischen einem Billing-Dienstleister aus der Telekommunikationsindustrie mit einem Zahlungsverkehrsdienstleister aus der Finanzdienstleisterindustrie skizziert - betrachtet man bspw. die Akquisitionen von fiserv seit 1990, dann fallen einige der <?page no="112"?> 112 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie M&A-Transaktionen (Akquisition von Information Technology Corp. , Check Free , M-Com , CashEdge oder First Data ) in diese Gruppe. Durch wiederholte konglomerate Zusammenschlüsse ist hier ein diversifizierter Technologie- und Finanzdienstleister entstanden, der B2B-Kunden aus zahlreichen Industrien adressiert. Oftmals werden strategische Entscheidungen für M&A-Transaktionen überlagert von konjunkturellen Rahmenbedingungen, Trends zu Zusammenschlüssen („Merger Waves“), dem Eigeninteresse von Managern („Empire Building“) und dem Einfluss des Kapitalmarktes (insbesondere durch die Verfügbarkeit und relativen Kosten von Eigen- oder Fremdkapital zum Erwerb eines Unternehmens). Mit dem Zusammenschluss von Unternehmen geht immer die Reduktion der Anzahl an Marktteilnehmern einher. Ziel ist die Vergrößerung von Marktanteilen, so dass Unternehmenszusammenschlüsse wettbewerbsbeschränkende Wirkung entwickeln können und daher gegenüber nationalen oder internationalen Wettbewerbsbehörden (Bundeskartellamt in Deutschland, EU-Kommission auf Ebene der Europäischen Union oder der Federal Trade Commission in den USA) anmelde- oder genehmigungspflichtig sind. Abbildung 2.9: Systematik von Unternehmenszusammenschlüssen. Telekommunikationsindustrie Finanzdienstleisterindustrie MNO Billing- Dienstleister Endgeräte Retailbank Fintech ZV-Dienstleister horizontaler Zusammenschluss konglomerater Zusammenschluss vertikaler Zusammenschluss <?page no="113"?> Wettbewerbsvorteile aus Differenzierung und Kostenführerschaft 113 Fragen │ Was kann das Management tun, wenn der Unternehmenszusammenschluss nicht funktioniert? Zahlreiche Unternehmenszusammenschlüsse (in einigen Studien mehr als 50 %, in anderen bis zu 80%) verfehlen die jeweiligen ökonomischen Ziele: geplante Synergien lassen sich nicht oder nur teilweise realisieren, dem Kapitalmarkt versprochene Unternehmenswertsteigerungen schlagen sich nicht im Aktienkurs nieder. Die Hauptgründe sind in der Umsetzung der Transaktion zu sehen. Die Komplexität der Integration und Zusammenführung, fehlende Passgenauigkeit der Technologie, Unterschiede in Unternehmenskultur und überlappende Produktportfolien sowie fehlende Akzeptanz bei Kunden sind wesentliche Faktoren. Zudem werden häufig die Ziele zu hoch und als zu schnell erreichbar angesetzt. Hier spielen eine Überschätzung möglicher Kosten- und Ertragssynergien (vgl. auch → Kapitel 1 zur Selbstüberschätzung von Managern), Fehler bei der Due-Diligence-Prüfung, ein zu hoher Kaufpreis, eine Überschätzung der Gestaltbarkeit des künftigen Geschäftsmodells und schließlich eine fehlende oder unzureichende Berücksichtigung möglicher Reaktionen der Wettbewerber die wesentlichen Rollen (Gugler et al. 2003, Ferris et al. 2013, Ficery et al. 2007, Malmendier und Tate 2005 und 2008 sowie Miles et al. 2014). Was kann das Management (so es weiterhin das Vertrauen des Aufsichtsrates besitzt) jetzt tun, um den Unternehmenswert zu steigern? Die Handlungsmöglichkeiten hängen strategisch von der Art des Unternehmenszusammenschlusses ab (weiterführend Pidun 2019 zu Spin-Offs, Carve Outs und Management-Buy Outs): ■ Bei vertikalen Unternehmenszusammenschlüssen mit meist weitgehender Integration in das Zielunternehmen wird häufig versucht, für Dritte als Outsourcing-Anbieter zu agieren, um so kritische Masse, Kostensenkungen oder Erlössteigerungen zu realisieren.  <?page no="114"?> 114 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie ■ Bei konglomeraten Zusammenschlüssen werden Geschäftsbereiche oder Tochterunternehmen typischerweise entweder an Wettbewerber verkauft oder am Kapitalmarkt platziert, da hier oft keine horizontale Integration in das Zielunternehmen angestrebt war und realisiert wurde. ■ Bei horizontalen Unternehmenszusammenschlüssen mit weitgehender Integration in das Zielunternehmen sind die Möglichkeiten meist beschränkt - typischerweise ist ein Verkauf oder Platzierung am Kapitalmarkt nicht möglich, so dass schließlich nur ambitionierte Kostensenkungs- und Restrukturierungsmaßnahmen für das gesamte Unternehmen umgesetzt werden können. Tatsächlich ist gerade das Aufspalten von Unternehmen (auch unabhängig von vorher gescheiteren Unternehmenszusammenschlüssen) bei fehlenden Economies of Scope häufig zu beobachten: so haben alleine in 2021 die Unternehmen Siemens , General Electric , Toshiba , Daimler oder Johnson&Johnson jeweils eine Fokussierung ihrer Geschäftsmodelle zur Effizienzsteigerung angeführt, und planen Unternehmensteile an Private Equity-Unternehmen oder Fonds zu verkaufen sowie am Kapitalmarkt zu platzieren (Buchter 2021 und weiterführend Sakhartov 2017). Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität Die in diesem Abschnitt beschriebenen generischen Wettbewerbsstrategien auf Basis von Kostenführerschaft oder Differenzierung sollen die Profitabilität der Unternehmen und deren Überlebensfähigkeit erhöhen - die Frage ist jetzt, ob eine der Strategien der anderen überlegen ist und welche Gewinndynamik entsteht. Zudem wurde von Porter (1985) eine Mischung beider Strategien als ‚stuck in the middle‘ und nicht erfolgversprechend bezeichnet, was sich empirisch nicht bestätigt (Leitner und Güldenberg 2010 sowie Murray 1988). Wettbewerbsvorteile aus Produktdifferenzierung oder auf Basis von Economies of Scale oder Scope definieren dabei die Wettbewerbsfähigkeit eines Unterneh- <?page no="115"?> Wettbewerbsvorteile aus Differenzierung und Kostenführerschaft 115 mens. Durch Produktdifferenzierung wird insbes. die Zahlungsbereitschaft 𝑎𝑎 der Kunden erhöht, durch Kostenoptimierung werden im Wesentlichen die Grenzkosten 𝑀𝑀𝑇𝑇 eines Unternehmens reduziert - so dass die Differenz 𝑎𝑎 𝑖𝑖 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝑖𝑖 ein vereinfachtes Maß für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens 𝑖𝑖 darstellt (vgl. weiterführend Münter 2021). Auf Basis der Wettbewerbsfähigkeit ergeben sich dann Preissetzungsspielräume - bei höherer Zahlungsbereitschaft der Kunden können Preise erhöht werden, ohne dass Kunden zu Wettbewerbern wechseln, bei niedrigeren Grenzkosten können Preise reduziert werden, um neue Kunden zu gewinnen oder Wettbewerber aus dem Markt zu drängen. Die so definierte Wettbewerbsfähigkeit führt nicht per se zu Gewinnen oder Profitabilität: die eigene Wettbewerbsfähigkeit muss relativ zur Wettbewerbsfähigkeit der Wettbewerber betrachtet werden. Um diese Wettbewerbsvorteile zu realisieren und in Gewinn umzuwandeln, müssen Unternehmen entweder in Kostenreduktion oder in Produktdifferenzierung investieren. Aus strategischer Perspektive ist nun entscheidend, welche der beiden grundlegenden Strategiealternativen Kostenführerschaft und Differenzierung einen stärkeren Effekt auf den Gewinn eines Unternehmens hat. Tatsächlich hängen die Effekte von Kostenführerschaft oder Differenzierung entscheidend von der Wettbewerbssituation und der Nachfragestruktur ab, also der Zahl der Wettbewerber und dem Grad der Produktdifferenzierung (vgl. weiterführend → Kapitel 5). Hat ein Unternehmen eine marktbeherrschende oder sogar Monopolstellung, dann können die Entscheidungen anhand von expliziten Nachfrage- (2.1) und Erlösfunktionen (2.2) und zugehöriger Kostenfunktion (2.3) wie (2.1) 𝑝𝑝(𝑞𝑞) = 𝑎𝑎 − 𝑏𝑏𝑞𝑞 (2.2) 𝑅𝑅(𝑞𝑞) = 𝑝𝑝𝑞𝑞 (2.3) 𝑇𝑇𝑇𝑇(𝑞𝑞) = 𝑀𝑀𝑇𝑇 ⋅ 𝑞𝑞 + 𝐹𝐹𝑇𝑇 <?page no="116"?> 116 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie analysiert werden (zur allgemeinen Strategie marktbeherrschender Unternehmen Münter 2021). Hier beschreibt 𝑎𝑎 die maximale Zahlungsbereitschaft der Kunden, 𝑏𝑏 entspricht der Steigung der Nachfragefunktion und ist als 1/ 𝑏𝑏 ein Indikator der Größe des Marktes, 𝑀𝑀𝑇𝑇 misst als Grenzkosten den Zuwachs der Kosten bei marginaler Veränderung der Produktionsmenge, und 𝐹𝐹𝑇𝑇 entspricht den Fixkosten. Daraus ergibt sich eine Gewinnfunktion (2.4) 𝜋𝜋(𝑞𝑞) = 𝑅𝑅 − 𝑇𝑇𝑇𝑇 = (𝑎𝑎 − 𝑏𝑏𝑞𝑞)𝑞𝑞 − (𝑀𝑀𝑇𝑇 ⋅ 𝑞𝑞 + 𝐹𝐹𝑇𝑇) = 𝑎𝑎𝑞𝑞 − 𝑏𝑏𝑞𝑞 2 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 ⋅ 𝑞𝑞 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 → 𝑚𝑚𝑎𝑎𝑚𝑚! , die durch Wahl der Produktionsmenge (2.5) 𝜕𝜕𝜋𝜋 𝜕𝜕𝜕𝜕 = 𝑎𝑎 − 2𝑏𝑏𝑞𝑞 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 = 0 maximiert wird. Der Gewinn wird dann durch eine Produktionsmenge (2.6) 𝑞𝑞 ∗ = 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 2𝑏𝑏 maximiert. Für Gleichung (2.6) gibt es natürlich eine ökonomische Interpretation: die Differenz 𝑎𝑎 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 aus Zahlungsbereitschaft und Grenzkosten ist ein vereinfachtes Maß für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens, wobei 1/ 𝑏𝑏 ein Maß für die Größe des Marktes ist. Differenziert man nun Gleichung (2.6) partiell nach diesen einzelnen Einflussgrößen, um die Effekte auf die Unternehmensstrategie zu ermitteln, dann ergibt sich mit (2.7) 𝜕𝜕𝜕𝜕 ∗ 𝜕𝜕𝑎𝑎 = 1 2𝑏𝑏 > 0; 𝜕𝜕𝜕𝜕 ∗ 𝜕𝜕𝑀𝑀𝑀𝑀 = − 1 2𝑏𝑏 < 0; 𝜕𝜕𝜕𝜕 ∗ 𝜕𝜕𝑏𝑏 = − 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 2𝑏𝑏 2 < 0 , dass eine Erhöhung der Zahlungsbereitschaft 𝑎𝑎 , ein Rückgang der Grenzkosten 𝑀𝑀𝑇𝑇 und ein Wachstum der Marktgröße 1/ 𝑏𝑏 jeweils einen positiven Effekt auf die optimale Unternehmensgröße 𝑞𝑞 haben. Setzt man 𝑞𝑞 ∗ = 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 2𝑏𝑏 in die Gewinnfunktion ein, dann ist der Gewinn als Funktion der Wettbewerbsfähigkeit mit <?page no="117"?> Wettbewerbsvorteile aus Differenzierung und Kostenführerschaft 117 (2.8) 𝜋𝜋(𝑎𝑎 − 𝑀𝑀𝑇𝑇) = 𝑎𝑎𝑞𝑞 − 𝑏𝑏𝑞𝑞 2 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 ⋅ 𝑞𝑞 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 = 1 4𝑏𝑏 (𝑎𝑎 − 𝑀𝑀𝑇𝑇) 2 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 beschrieben, so dass sich der Effekt einer Änderung der Wettbewerbsfähigkeit (𝑎𝑎 − 𝑀𝑀𝑇𝑇) auf den Gewinn 𝜋𝜋 als (2.9) 𝜕𝜕𝜋𝜋 𝜕𝜕(𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀) = 1 2𝑏𝑏 (𝑎𝑎 − 𝑀𝑀𝑇𝑇) > 0 , ergibt. Der Gewinn des Unternehmens skaliert damit überproportional bei einem Anstieg der Differenz von (𝑎𝑎 − 𝑀𝑀𝑇𝑇) : eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit steigert immer der Gewinn, je größer der Markt, desto stärker ist der Effekt. Mit einem Anstieg der Wettbewerbsfähigkeit ( 𝑎𝑎 𝑖𝑖 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝑖𝑖 ) eines marktbeherrschenden Unternehmens geht ein überproportionaler Anstieg der Gewinne einhergeht. Das Unternehmen kann durch stärkere Produktdifferenzierung oder Kostensenkungen die Preis-Kosten-Marge ausweiten und wird zudem die Produktionsmenge unterproportional erhöhen (vgl. Gleichung 2.7) - beide Effekte zusammen erklären den überproportionalen Gewinnanstieg. Vor diesem Hintergrund gibt es zwischen Produktdifferenzierung und Kostenführerschaft keine eindeutige Rangfolge, zudem ist jede Kombination von Produktdifferenzierung und Kostenführerschaft plausibel (weiterführend auch Campbell-Hunt 2000): Unternehmen sollten ihre Wettbewerbsfähigkeit grundsätzlich entlang der strategischen Dimension erhöhen, die einfacher oder schneller erreichbar und besser zu verteidigen ist. Eine Grenzkostenreduktion von 10 EUR ist also strategisch äquivalent zu einer Erhöhung der Zahlungsbereitschaft von 10 EUR - das Unternehmen sollte sich unter sonst gleichen Bedingungen für die Strategie entscheiden, die einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil verspricht, von Wettbewerbern nicht angreifbar ist und in wachsenden Märkten angewendet werden kann. In der Konsequenz können jetzt Business Case- und unternehmensergebnisrelevante Daten ermittelt werden. So können mögliche Investitionen in eigene Kostensenkungen oder Produktdifferenzierung quantifiziert und plausibilisiert werden, genauso können aber die Rückwirkungen auf die eigene <?page no="118"?> 118 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie Gewinnsituation berechnet werden, falls es Wettbewerbern gelingt Wettbewerbsvorteile aufzubauen, oder Effekte aus einem allgemeinen Nachfrageanstieg- oder rückgang. Wettbewerbsvorteile in digitalen Geschäftsmodellen Wettbewerb zwischen Unternehmen wird unter anderem sichtbar in Marktanteilsveränderungen. In der → Abbildung 2.10 links sind die Marktanteile in der weltweiten Smartphone-Endgeräte-Industrie von 2009 bis 2020 zu sehen. Bei hoher Wettbewerbsintensität und wechselnden marktführenden Rollen gibt es zwar vier Unternehmen mit Marktanteilen zwischen 10% und 20%, aber die sonstigen Unternehmen (gestrichelte Linie) haben auch einen Marktanteil größer als 30%. Tatsächlich sind unter den sonstigen Unternehmen zahlreiche Marktein- und -austritte relativer kleiner Unternehmen zu beobachten, so dass offensichtlich Eintrittsbarrieren nicht vollständig Markteintritte verhindern. Tatsächlich lassen sich für die überwiegende Zahl der Industrien ähnliche Muster des Marktanteilwettbewerbs beobachten, offenbar besitzt keines der Unternehmen einen überragenden Wettbewerbsvorteil. Abbildung 2.10: Marktanteile weltweite Smartphone-Endgeräte (links, Menge Neugeräte je Quartal l Datenquelle: IDC), Marktanteile installierte Smartphone-Betriebssysteme Deutschland (rechts l Datenquelle: IDC), eigene Berechnungen. 0% 10% 20% 30% 40% 50% Q4 '09 Q2 '10 Q4 '10 Q2 '11 Q4 '11 Q2 '12 Q4 '12 Q2 '13 Q4 '13 Q2 '14 Q4 '14 Q2 '15 Q4 '15 Q2 '16 Q4 '16 Q2 '17 Q4 '17 Q2 '18 Q4 '18 Q2 '19 Q4 '19 Q2 '20 Huawei Samsung Apple Xiaomi Oppo Vivo Lenovo LG ZTE Sony BlackBerry (RIM) HTC Nokia sonstige 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Jan 12 Jul 12 Jan 13 Jul 13 Jan 14 Jul 14 Jan 15 Jul 15 Jan 16 Jul 16 Jan 17 Jul 17 Jan 18 Jul 18 Jan 19 Jul 19 Jan 20 Jul 20 Jan 21 Jul 21 Android iOS Windows BlackBerry Sonstige <?page no="119"?> Wettbewerbsvorteile in digitalen Geschäftsmodellen 119 In → Abbildung 2.10 rechts ist für die Smartphone-Betriebssystem-Industrie von 2012 bis 2021 ein völlig anderes Muster der Marktanteilsdynamik zu sehen: einem Unternehmen gelingt es, dauerhaft eine marktführende Rolle mit Marktanteilen deutlich größer als 50% einzunehmen - Google mit dem Betriebssystem Android . Zudem ist der Marktanteil der sonstigen Unternehmen (gestrichelte Linie) nahe Null - offenbar finden weder relevante Markteintritte statt, noch können kleine Unternehmen existieren. Eine der Ursachen für derartige Muster können Wettbewerbsvorteile aus Netzwerkeffekten sein - Kunden profitieren von einer großen Zahl anderer Kunden auf derselben Plattform oder aus der Nutzung der gleichen Technologie. Netzwerkeffekte In zahlreichen Märkten und Industrien spielen Netzwerkeffekte für Produkte und Geschäftsmodelle eine wesentliche Rolle. Der Nutzen für Kunden entsteht hier in Teilen aus der Verwendung oder dem Konsum des Produktes, zum überwiegenden Teil aber, weil andere Kunden das Produkt ebenfalls nutzen und man sich mit ihnen vernetzen kann: Kein Kunde wäre gerne oder dauerhaft einziges Mitglied bei Facebook - weil aber alle bei Facebook sind, führt ein selbstverstärkender Effekt dazu, dass mit zunehmender Mitgliederzahl und wachsendem Marktanteil von Facebook alle bei Facebook sein wollen (Rohlfs 1974). Dieser Effekt der Nutzensteigerung auf Basis von Netzwerkeffekten kann zu einer Verdrängung von Wettbewerbern führen: So hat Facebook relativ rasch nach dem Markteintritt die vormaligen Marktführer in Deutschland Wer-kennt-Wen , SchülerVZ , StudiVZ und Stayfriends vom Markt oder in Nischen verdrängt. Netzwerkeffekte können in zwei Formen auftreten: ■ Direkte Netzwerkeffekte entstehen, wenn der Nutzen eines Kunden mit der Zahl der Mitglieder eines Netzwerkes ansteigt. Der Nutzen entsteht durch die Möglichkeit direkter Kommunikation mit anderen Mitgliedern des Netzwerkes, bspw. in Kommunikationsmärkten (Telekommunikationsnetz, WhatsApp , Skype etc.), aber <?page no="120"?> 120 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie auch in sozialen Netzwerken wie Facebook , Instagram oder Snapchat - wäre ein Kunde das einzige Mitglied einer dieser Social-Media-Plattformen, würde kein Nutzen entstehen. Märkte, in denen direkte Netzwerkeffekte dominieren, werden als Netzwerkmärkte bezeichnet. ■ Indirekte Netzwerkeffekte entstehen, wenn durch die wachsende Zahl der Nutzer eines Produktes oder einer Dienstleistung die Entstehung und das Angebot von komplementären Produkten gefördert werden - und damit indirekt der Nutzen, Mitglied des Netzwerkes zu sein, durch die Zahl anderer Kunden ansteigt. Kunden kommunizieren hier nicht direkt miteinander, aber sie verwenden dieselben komplementären Produkte: Je mehr Kunden ein bestimmtes Medienformat (bspw. bei DVDs BluRay vs. HD-DVD , bei Videokassetten Beta vs. Video 2000 vs. VHS ) kaufen, desto mehr verschiedene Kauf- und Leihvideos werden angeboten, ähnliches gilt bei Spielekonsolen (bspw. Xbox vs. Playstation vs. Wii ) für die Zahl und Vielfalt der angebotenen Spiele oder bei Betriebssystemen für PCs oder Smartphones für die Anwendungssoftware und Apps. Märkte, die von indirekten Netzwerkeffekten geprägt sind, werden als Systemmärkte bezeichnet. In zahlreichen Industrien und Geschäftsmodellen sind direkte und indirekte Netzwerkeffekte verknüpft: Ein Mobilfunkkunde entscheidet sich aufgrund direkter Netzwerkeffekte eines Family-and-Friends- Preismodells und kostenloser Gespräche innerhalb eines Netzes (sogenannter On-Net-Tarife) für einen Mobilfunkanbieter, aufgrund indirekter Netzwerkeffekte wird für Android oder iOS als Betriebssystem entschieden, um entweder bestimmte Apps aus Google Play oder AppStore nutzen zu können oder Kompatibilität mit bereits vorhandenen Endgeräten oder Datenformaten herzustellen. Wenn mehrere Plattformen konkurrieren, dann müssen Kunden entscheiden, ob sie entsprechend der eigenen Präferenz oder zugunsten der größeren Plattform entscheiden, um ihren Nutzen zu maximieren. In einer anfänglichen Situation geringer Mitgliederzahl und ähnlicher Marktanteile beider Plattformen A und B werden alle Kunden entsprechend ihrer originären Präferenzen, auf Basis ihrer jeweiligen Stand- <?page no="121"?> Wettbewerbsvorteile in digitalen Geschäftsmodellen 121 alone-Bewertung, über den Beitritt zu einem der Netzwerke entscheiden - bei Xing und LinkedIn werden diese Stand-alone-Bewertungen neben der Funktionalität der Plattformen natürlich durch den unmittelbaren Kollegen- oder Freundeskreis geprägt. Wenn die Präferenzen der potenziellen Neukunden gleichverteilt sind, dann werden in der Konsequenz die Marktanteile beider Plattformen zufällig schwanken, so dass bei zwei Plattformen die Marktanteile um 50 % pendeln, wie in → Abbildung 2.11 links zu sehen. Abbildung 2.11: Wettbewerb zwischen inkompatiblen Netzwerken. Wenn allerdings eine Plattform - zufällig aufgrund der Reihenfolge des Beitritts neuer Mitglieder - einen relevanten Vorsprung beim Marktanteil erreicht, treten neben die Stand-alone-Bewertungen jetzt Netzwerkeffekte aufgrund der relativen Marktanteile. Sobald der Netzwerkeffekt den Stand-alone-Effekt dominiert, werden zahlreiche potenzielle neue Mitglieder nicht mehr entsprechend ihrer eigenen Präferenzen, sondern zugunsten des größeren Netzwerkes entscheiden (→ Abbildung 2.11 rechts). In der Folge wird der Marktanteil des Marktführers gegen 100 % streben (Winner-takes-it-all-Märkte), der Wettbewerber verliert zunehmend Marktanteile: Wettbewerbsprozesse dieser Art erklären die Verdrängung von Wer-kennt-Wen durch Facebook , Zeit Marktanteil soziales Netzwerk A 50 % soziales Netzwerk B 100 % 0 % Lock-in Zone Lock-in Zone Wettbewerbsbereich Entscheidung neuer Mitglieder wird dominiert durch Netzwerkeffekt Entscheidung neuer Mitglieder wird dominiert durch eigene Präferenzen <?page no="122"?> 122 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie den überragenden Marktanteil von Microsoft DOS und nachfolgend Windows gegenüber allen anderen Betriebssystemen in den 1990er- und 2000er-Jahren, und dass VHS sich gegenüber den konkurrierenden Videoformaten Beta und Video 2000 durchsetzen konnte (Arthur 1989, David 1985 sowie Liebowitz und Margolis 1995). Hat sich eine kritische Masse von Kunden für ein Netzwerk entschieden, kann es zu einem Lock-in-Effekt kommen. Die Kunden sind dann aufgrund von Investitionen in Endgeräte, Lern- oder Gewöhnungseffekten stark an ihre Entscheidung gebunden, und beeinflussen auch die Entscheidungen anderer Kunden. Wenn Netzwerkeffekte den Standalone-Effekt nicht eindeutig dominieren oder Kunden stark heterogene Präferenzen haben, können konkurrierende Netzwerke auch dauerhaft koexistieren: Dies ist - zumindest aktuell - der Fall bei Spielekonsolen oder bei Betriebssystemen für Smartphones. Strategien in Märkten mit Netzwerkeffekten Aus Managementperspektive sind bei Wettbewerb in Netzwerk- und Systemmärkten zahlreiche Besonderheiten für strategische Entscheidungen zu beachten, die wechselseitig voneinander abhängen (Farrell und Klemperer 2007, Katz und Shapiro 1994 sowie Koski und Kretschmer 2004): ■ Aufbau der Kundenbasis und Erreichen der kritischen Masse - in Netzwerk- und Systemmärkten muss durch geeignete Strategien schnelles Wachstum der Kundenzahl zur Etablierung der kritischen Masse oder sogar eines Lock-in-Effektes erreicht werden. In zahlreichen Fällen geschieht dies durch Freemium-Modelle, in denen eine kostenlose Variante des Produktes angeboten ( Adobe Acrobat Reader , Skype oder Spotify ) wird, durch dauerhaft kostenlose Angebote ( Facebook , Google Search oder Android ) oder durch präzise Adressierung von Früh-Adoptern in Nischenmärkten, die dann für die Entscheidungen der Spät-Adopter maßgeblich sind. ■ Erwartungsmanagement - da die Erwartungen der Kunden für die Etablierung eines Netzwerkes resp. eines großen Marktanteils <?page no="123"?> Wettbewerbsvorteile in digitalen Geschäftsmodellen 123 wesentlich sind, versuchen Unternehmen durch Marketinginvestitionen die Erwartungsbildung der Kunden betreffend der tatsächlichen oder künftigen Größe eines Netzwerkes zu beeinflussen: Parship als Marktführer bei Partnervermittlung in Deutschland signalisiert den Kunden direkt den größten Nutzen und zieht so weitere Kunden an. ■ Komplementäre Produkte - das Offenlegen von Schnittstellen unterstützt die Entstehung und Verbreitung komplementärer Produkte und Dienstleistungen, die wiederum den Nutzen einer Plattform erhöhen und neue Mitglieder anziehen - so konnte Google den Vorsprung bei der Vielfalt an Apps seit 2015 von 1,3 Mio. gegenüber 1,2 Mio. bei Apple auf 2,8 Mio. gegenüber 2,2 Mio. im Jahr 2017 aufgrund des offenen Betriebssystems Android ausbauen - im gleichen Zeitraum ist der Marktanteil von Android von 76 % auf 82 % gestiegen, der Marktanteil von iOS ging von 18 % auf 14 % zurück (Daten weltweit; Quelle  idc.com ). ■ Wechselkosten (Switching Costs) - wenn Kunden in Endgeräte einer bestimmten Technologie investiert haben oder zeitaufwendig über Jahre hinweg ihr Facebook -Profil gepflegt haben, verhindern technische, monetäre oder soziale Wechselkosten, dass zu einem leistungsfähigeren Netzwerk oder einer besseren Technologie gewechselt wird. Wenn Unternehmen bei großem Marktanteil die Wechselkosten zu einer konkurrierenden Lösung erhöhen können, wird der Marktanteil stabilisiert. Wechselkosten sind durch Inkompatibilität bedingt. So erhöht Apple die Wechselkosten seiner Kunden jährlich durch neue Steckersysteme, Ladegeräte oder notwendige Softwareupgrades, Banken erschweren bewusst den Wechsel der Kontoführung und Mobilfunkunternehmen haben über lange Jahre die Mitnahme der Rufnummer verhindert oder verzögert. Wechselkosten sind umso höher, je ausgeprägter der Lock-in-Effekt und je geringer die Kompatibilität ist. ■ Standard Wars versus koordinierte Standardisierung - die Unternehmen müssen entscheiden, ob sie (ggfs. mit hohen Investitionen) versuchen, ihre Technologie oder ihr Produkt als Standard im Markt zu etablieren (wie im Fall VHS gegen Beta gegen Video 2000 ), oder ob sie (unter Verzicht auf Marktdominanz und hohe <?page no="124"?> 124 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie Marktanteile) mit anderen Unternehmen einen gemeinsamen Standard etablieren (wie im Fall CDs und CD-Player durch Sony und Philips auf Basis des Redbook-Standards). ■ Grad an Kompatibilität - wenn andere Unternehmen bereits relevante Marktanteile gewonnen haben, dann kann durch teilweise oder vollständige Kompatibilität der verwendeten Technologie Zugang zu deren Kundenbasis hergestellt werden. Umgekehrt kann ein marktführendes Unternehmen Kompatibilität einschränken oder unterbinden. In Deutschland versuchen bspw. die Sparkassen durch hohe Gebühren (d.h. begrenzte Kompatibilität) an den Geldausgabeautomaten ihre Marktanteile zu stabilisieren, Mobilfunkunternehmen haben über lange Jahre durch Terminierungs- und Roaming-Entgelte ihre Marktanteile stabilisiert - beide Strategien wurden wettbewerbspolitisch mittlerweile eingeschränkt. ■ Wettbewerb im Markt oder um den Markt - da Netzwerkeffekte zu Marktdominanz bei Technologie oder Marktanteilen führen können, müssen Unternehmen entscheiden, ob sie „im Markt“ oder „um den Markt“ konkurrieren. Diese Entscheidung wird maßgeblich von Wechselkosten, Kompatibilität und dem bereits erreichten Marktanteil anderer Netzwerke beeinflusst. Die Relevanz und die wechselseitigen Abhängigkeiten dieser Fragestellungen werden deutlich, wenn man den Markteintritt von Paydirekt (dem Onlinebezahlverfahren deutscher Banken und Sparkassen) im Jahr 2016 analysiert. Ein Onlinebezahlsystem basiert auf direkten und indirekten Netzwerkeffekten: Je mehr Kunden das Bezahlsystem nutzen, desto mehr Händler haben ein Interesse, das Bezahlsystem ebenfalls zu implementieren, so dass selbstverstärkende Netzwerkeffekte stattfinden. Paydirekt konkurriert unter anderem mit PayPal , Amazon Payments und SofortÜberweisung , die alle bereits eine kritische Masse erreicht haben, sowohl die angebundenen Shops wie auch die Endkunden haben umfangreiche Wechselkosten und insbesondere PayPal und Amazon Payments verhindern Kompatibilität zu ihren Netzwerken - in der Folge blieb der Markterfolg von Paydirekt aus und das Unternehmen wurde in 2020 mit Wettbewerber Giropay fusioniert (Nestler 2016 und Atzler 2017). <?page no="125"?> Wettbewerbsvorteile in digitalen Geschäftsmodellen 125 Wettbewerb zwischen Plattformen Warum versuchen viele Unternehmen, Werbung bei Facebook zu platzieren, weshalb bietet Amazon anderen Unternehmen auf Amazon Marketplaces die Möglichkeit, Produkte zu verkaufen? Die Erklärung ist, dass indirekte Netzwerkeffekte auch entstehen können, weil der Nutzen einer Gruppe von Marktteilnehmern durch die Existenz und Größe einer anderen Gruppe von Marktteilnehmern ansteigt. Unternehmen, die Plattformen betreiben, führen mehrere Nutzer- oder Kundengruppen derart zusammen, dass Kommunikation oder Transaktionen nur aufgrund der Existenz der Plattform möglich werden, wobei die Plattform - anders als bspw. ein Supermarkt - nicht als Zwischenhändler tätig wird, sondern lediglich den Marktplatz in Form eines mehrseitigen Marktes bereitstellt. Amazon Marketplaces kann als zweiseitige Plattform auf Basis indirekter Netzwerkeffekte betrachtet werden: Je mehr Endkunden die Amazon Plattform besuchen oder nutzen, desto mehr Shops werden eröffnet, desto attraktiver wird die Plattform für beide Marktseiten - je mehr Teilnehmer auf der einen Marktseite sind, desto mehr Teilnehmer werden auf der anderen Marktseite angezogen et vice versa. Das wechselseitige Zusammenspiel indirekter Netzwerkeffekte über mehrere Marktseiten oder Kundengruppen führt oftmals zu Plattformgeschäftsmodellen, die als zwei- oder mehrseitige Märkte bezeichnet werden (Evans et al. 2006, Rysman 2009 sowie Rochet und Tirole 2003). Fragen │ Wie funktionieren die Geschäftsmodelle von mehrseitigen Märkten? Mehrseitige Märkte als Plattform-Geschäftsmodelle dominieren zahlreiche Industrien, die Plattform-Unternehmen erzielen in 2020 die höchsten Unternehmensbewertungen (Cusumano et al. 2020). Zur Veranschaulichung der Logik der Geschäftsmodelle sind in → Abbildung 2.12 die Plattformen von Facebook und Google dargestellt. Eine Marktseite von Facebook besteht aus Mitgliedern, die aufgrund direkter Netzwerkeffekte Mitglied bei Facebook werden oder geworden sind. Je größer die Zahl der Mitglieder, desto  <?page no="126"?> 126 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie größer ist der Nutzen jedes einzelnen Mitglieds. Mit zunehmender Mitgliederzahl entstehen für Unternehmen Anreize, auf der Facebook -Plattform Produkte für die Mitglieder von Facebook anzubieten - in Form von Spielen, Apps, Werbung oder durch Nutzung der Mitgliederdaten: Diese Produkte sind komplementär zur eigentlichen Plattform und stellen indirekte Netzwerkeffekte für alle Facebook -Mitglieder dar. Abbildung 2.12: Geschäftsmodelle von Facebook und Google als mehrseitige Märkte. Analog kann das Geschäftsmodell von Google als mehrseitiger Markt in → Abbildung 2.12 rechts dargestellt werden. Die Kunden nutzen Suchfunktionen, Stadt- und Routenplaner, die Videoplattform, das Smartphone-Betriebssystem und viele weitere Funktionalitäten kostenlos. Durch eine zunehmende Nutzerzahl der Plattform entstehen selbstverstärkende indirekte Netzwerkeffekte: Der Google -Suchalgorithmus wird durch eine wachsende Zahl an Suchanfragen verbessert und zieht mehr Kunden an, so dass jetzt mehr Unternehmen Interesse daran haben, ihre Website für Suchanfragen bei Google zu optimieren - dies führt wiederum zu besseren Suchergebnissen für Kunden. Zudem entstehen weitere indirekte Netzwerkeffekte, weil Unternehmen Anreize bekommen, weitere Apps oder Dienstleistungen für Google -Nutzer zu entwickeln. Je vielfältiger und qualitativ hochwertiger wiederum die angebotenen Dienstleistungen sind, umso stärker werden neue Mitglieder angezogen, so dass erneut ein sich selbst verstärkender Ef- Facebook Produkte für Mitglieder Produkte für/ von Unternehmen indirekte Netzwerkeffekte (Werbung, Apps, Big Data, B2B2C etc.) zweiseitiger Markt je mehr Mitglieder, desto größere Vielfalt an Produkten direkte Netzwerkeffekte (p2p Kommunikation) je mehr Mitglieder, desto größerer Nutzen Google 1998 Suche Google 2016 search operating system ... Advertisements Big Data Videos ... Unternehmen/ bepreister Markt Endkunden/ kostenloser Markt ecosystem Maps Traffic Information A B 👤👤👤👤👤 👤 👤 👤 👤 👤👤 <?page no="127"?> Wettbewerbsvorteile in digitalen Geschäftsmodellen 127 fekt entsteht. In der Folge entsteht ein Ökosystem auf Basis indirekter Netzwerkeffekte, für das eine eindeutige Marktabgrenzung schwierig ist (Filistrucchi et al. 2014.) In der gleichen Geschäftsmodell-Logik funktionieren auch andere zwei- oder mehrseitige Plattformen - wie OpenTable , eBay , LinkedIn , booking.com, wirkaufendeinauto.de, Flixbus, Delivery Hero, Parship, Uber, Airbnb oder TripAdvisor - aber diese Geschäftsmodelle sind in keiner Weise auf digitale Plattformen beschränkt: Auch Kreditkartensysteme wie Visa oder Master , Zeitungen wie die FAZ oder die Süddeutsche Zeitung , klassische Einkaufszentren wie das Main-Taunus-Zentrum oder Spielekonsolen wie die xBox oder Playstation sind mehrseitige Plattformen. Die Zahl der konkurrierenden Plattformen und die Wettbewerbssituation wird wesentlich dadurch bestimmt, ob die Kunden nur bei einer der Plattformen (Singlehoming) oder bei mehreren Plattformen gleichzeitig (Multihoming) Mitglied sind, und ob über die Plattformgrenzen hinweg Kommunikation möglich und zumindest teilweise Kompatibilität gegeben ist. Ist Multihoming möglich und sind die zusätzlichen Kosten für die Nutzung mehrerer Plattformen gering, kann dauerhaft Wettbewerb zwischen Plattformen bestehen - dies ist der Fall bei Buchungsplattformen oder Jobportalen sowie bei der Nutzung von Fahrdienstleistern wie Ube r, Lyft oder MyTaxi . In gleicher Weise besitzen viele Kunden verschiedene Kreditkarten und Debitkarten gleichzeitig, wie auch fast alle Händler mehrere Kartensysteme akzeptieren. Sind die Investitionen oder Wechselkosten hoch oder eine der Plattformen hat bereits eine kritische Masse erreicht, ist Singlehoming die Regel - dies ist der Fall bei Social-Media-Plattformen oder Spielekonsolen. Mit zunehmender Produktdifferenzierung zwischen den Plattformen nimmt die Wettbewerbsintensität ab. In Deutschland ist daher der Markt für Partnerschaftsplattformen noch stark in einzelne Marktsegmente fragmentiert, zudem können Menschen kostenlose Apps wie Tinder über Facebook nutzen. Dagegen ist bei Karriereplattformen der Wettbewerb in Deutschland mittlerweile auf LinkedIn und Xing redu- <?page no="128"?> 128 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie ziert: Die Produktdifferenzierung ist gering, die Kosten für Multihoming steigen dagegen für jeden Kunden mit zunehmender Zahl an Kontakten insbesondere aufgrund steigender Wechselkosten an. Aus Managementperspektive sind bei mehrseitigen Plattformen zusätzlich zu den Entscheidungen wie bei Netzwerken (Angebot komplementärer Produkte, Aufbau von Wechselkosten oder Kompatibilität vor dem Hintergrund von Singlevs. Multihoming) insbesondere folgende Entscheidungen notwendig: ■ Preisstrategie und Preisstruktur der Marktseiten - zahlreiche Clubs, Diskotheken und Partnerschaftsplattformen (jeweils zur Anbahnung heterosexueller Partnerschaften) - bieten Frauen kostenlosen oder vergünstigen Eintritt oder Mitgliedschaft, somit wird die Zahlungsbereitschaft von Männern erhöht. Preismodelle müssen nicht nur die Zahlungsbereitschaft einer Marktseite berücksichtigen, sondern insbesondere sicherstellen, dass die andere Marktseite über die Elastizität des Netzwerkeffektes hinreichende Anreize für die Mitgliedschaft oder Teilnahme an der Plattform hat. So zeigen Voigt und Hinz (2015), dass die Erlöse einer Onlinepartnerschaftsplattform maximiert werden, wenn 36,2 % Frauenanteil erreicht wird - die Erlöse sind dann um 17,2 % größer als bei einer 50: 50- Aufteilung zwischen Männern und Frauen. ■ Anzahl, Zusammenspiel und relative Größe der Marktseiten - bspw. hat eBay mit Käufern und Verkäufern zwei Marktseiten, LinkedIn hat mit Berufstätigen, Arbeitgeber-Unternehmen und Recruiting-Unternehmen drei Marktseiten. Zudem muss das Plattformunternehmen festlegen, welche Transaktionen (bspw. Kommunikation und Produkte) über die Plattform möglich sind, insbesondere um zu verhindern, dass die beiden Marktseiten künftig an der Plattform vorbei ihre Transaktionen abwickeln. Die relativen Größenverhältnisse der Marktseiten müssen die Anreizstruktur zur Mitgliedschaft auf der Plattform sicherstellen. <?page no="129"?> Zusammenfassung 129 Zusammenfassung Der Erfolg und die Profitabilität eines Unternehmens basieren auf Wettbewerbsvorteilen gegenüber anderen Unternehmen. Diese können aus zwei sich ergänzenden Blickwinkeln erklärt werden: dem Market-based und dem Resource-based View. Im Market-based View (marktorientierter Strategieansatz) wird der Erfolg eines Unternehmens maßgeblich durch die richtige Positionierung innerhalb der Marktstruktur, das strategische Verhalten des Unternehmens und die Attraktivität des Marktes geprägt. Wettbewerbsvorteile und Gewinne ergeben sich daraus, „im richtigen Markt“ zu sein. Im Resource-based View (ressourcenorientierter Strategieansatz) hängt der Erfolg eines Unternehmens maßgeblich von den unternehmensspezifischen Fähigkeiten, den vorhandenen Kernkompetenzen sowie deren Weiterentwicklung (dynamische Fähigkeiten) ab. Wettbewerbsvorteile und Gewinne ergeben sich hier daraus, „die richtigen Fähigkeiten“ zu besitzen. Empirisch finden beide Erklärungen Bestätigung - durchschnittlich 60% des absoluten Gewinns eines Unternehmens basieren auf Unternehmenseffekten (dem Resource-based View) und 40% können durch Industrieeffekte (den Market-based View) erklärt werden. Generische Wettbewerbsvorteile aus horizontaler und vertikaler Produktdifferenzierung reduzieren die Wettbewerbsintensität, Wettbewerbsvorteile aus Kostenführerschaft können bei schwacher Produktdifferenzierung die Überlebensfähigkeit eines Unternehmens sichern. Beide Komponenten sind dabei strategisch äquivalent: Unternehmen sollten ihre Wettbewerbsfähigkeit grundsätzlich entlang der strategischen Dimension erhöhen, die einfacher oder schneller erreichbar und besser zu verteidigen ist - ein Unternehmen sollte sich unter sonst gleichen Bedingungen für die Strategie entscheiden, die einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil verspricht, von Wettbewerbern nicht angreifbar ist und in wachsenden Märkten angewendet werden kann. In zahlreichen neuen Geschäftsmodellen - insbesondere bei direkter Kommunikation auf Social-Media-Plattformen - basieren Unternehmensstrategien auf direkten und indirekten Netzwerkeffekten. In <?page no="130"?> 130 Wettbewerbsvorteile und Unternehmensstrategie zahlreichen von Netzwerkeffekten geprägten Industrien dominieren wenige Unternehmen nach Erreichen einer kritischen Masse. Zudem können Unternehmen Geschäftsmodelle auf Basis indirekter Netzwerkeffekte realisieren, indem mehrere Marktseiten auf Plattformen zusammengeführt werden. Erfolgreiche Strategien werden hier durch das Erreichen kritischer Masse, den Aufbau von Wechselkosten oder den Grad an Kompatibilität zwischen konkurrierenden Plattformen bestimmt. Literaturtipps Eine übergreifende und historische Darstellung von Wettbewerbsvorteilen und möglichen Unternehmensstrategien bietet Chandler, A.D., Scale and scope: the dynamics of industrial capitalism, Cambridge / London 1990, Netzwerkeffekte und Plattform-Geschäftsmodelle werden anschaulich bei Cusumano, M., Gawer, A. und Yoffie, D.B, The business of platforms: strategy in the age of digital competition, innovation, and power, New York 2019, erklärt, und die Grundlagen und Entwicklungen zum Resource-based View sind bei Wernerfelt, B., Adaptation, specialization, and the theory of the firm: foundations of the resource-based view, Cambridge 2016, gut nachzulesen. Kontrollfragen [1] Erläutern Sie mögliche Determinanten von Wettbewerbsvorteilen! Wie können Unternehmen diese Wettbewerbsvorteile nutzen? [2] Wenden Sie Porter’s Five Forces Framework auf eine Industrie Ihrer Wahl an und bestimmen Sie die wesentlichen Treiber von Profitabilität! [3] Was sind statische und dynamische Fähigkeiten von Unternehmen? [4] Erläutern Sie Ambidexterität und absorptive Fähigkeiten vor dem Hintergrund dynamischer Umweltveränderungen. [5] Wie kann Profitabilität aus Market-based View und Resource-based view heraus erklärt werden - welcher Ansatz kann Gewinne von Unternehmen besser erklären? <?page no="131"?> Literatur 131 [6] Erläutern Sie Unterschiede zwischen horizontaler und vertikaler Produktdifferenzierung. [7] Erläutern Sie Unterschiede zwischen Economies of Scale und Scope. [8] Worauf zielen unterschiedliche Arten von Unternehmenszusammenschlüssen, weshalb sind Unternehmenszusammenschlüsse häufig nicht erfolgreich? [9] Erläutern Sie das Zusammenspiel von direkten und indirekten Netzwerkeffekten in Plattform-Geschäftsmodellen. [10] Welche Strategien wenden Unternehmen in mehrseitigen Märkten an? 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Zeb (Hrsg.), European Retail Banking Study, June 2019. <?page no="139"?> 3 Dynamik im Wettbewerb Wettbewerb ruft sehr unterschiedliche Emotionen hervor: Unternehmen wollen ihn vermeiden, Kunden lieben ihn - je intensiver Wettbewerb ist, desto niedriger sind die Preise, desto besser ist die Qualität, desto größer ist die Auswahl unter verschiedenen Anbietern, aber am Ende sind die Gewinne der Unternehmen niedriger. Entsprechend versuchen Unternehmen dauerhaft oder zumindest temporär den Wettbewerb zu beschränken, bspw. durch Produktinnovationen, durch Wechselbarrieren für ihre Kunden, aber auch durch den Aufbau von Eintrittsbarrieren gegenüber Wettbewerbern (weiterführend → Kapitel 2). Die dann möglichen Gewinne ziehen aber per se andere Unternehmen an, so dass durch Markteintritte, Imitation oder Substitute die Gewinne im Zeitablauf reduziert werden. Aus Strategie-Perspektive ist damit wesentlich, die Dynamik in Wettbewerbsprozessen zu verstehen. Wettbewerb lässt sich dabei nicht auf einfache und klassifizierende Modelle wie Monopol oder vollständige Konkurrenz reduzieren - für Unternehmen ist wichtig, Treiber der Wettbewerbsintensität zu verstehen, die Wachstumsdynamik der Wettbewerber einordnen zu können, oder die Geschwindigkeit von Produktlebenszyklen zu kennen, um treffsicher die richtige Strategie ableiten zu können. In vielen Unternehmen wird jedes Jahr im Oktober die Planung für das kommende Jahr erstellt und nachfolgend in den Gremien verabschiedet. In diesen Management Off-Sites liegt der Schwerpunkt meist auf operativen Themen: Budgetplanung, Stellenplanung, Roadmap für Projekte, Planung der Vertriebsziele und Erlöse und schließlich Planung des Zielergebnisses (mit der obligatorischen ein- oder mehrmaligen Aufforderung durch den Aufsichtsrat oder den Vorstand, doch ambitionierter zu planen („Ergebnis-Challenge“)). Im Rahmen dieser Diskussion zwischen Management, Strategie- und Corporate Development- Bereich und Controlling-Abteilung werden aber immer wieder auch strategierelevante Fragestellungen diskutiert: <?page no="140"?> 140 Dynamik im Wettbewerb ■ Wie schnell und stark entwickelt sich das Marktwachstum in den kommenden Jahren, wie werden sich die Preise langfristig entwickeln? ■ Wird es Markteintritte oder -austritte oder M&A-Transaktionen geben, welche die Zahl der Wettbewerber verändern, wer sind in drei oder fünf Jahren unsere wichtigsten Wettbewerber? ■ Wie werden sich die Marktanteile der Wettbewerber verändern - wie wird sich der eigene Marktanteil verändern? ■ Wie wird sich die Wettbewerbsintensität im nächsten Jahr verändern - steigt sie, fällt sie - und warum, wie wird sich die eigene Profitabilität im Vergleich mit der Profitabilität der Wettbewerber verändern? Im Prinzip müssten alle Unternehmen einer Industrie auf diese Fragen sehr ähnliche Antworten finden - Unternehmen haben einen ähnlich guten Zugang zu Markt- und Wettbewerberinformationen (aus Marktstudien von Marktforschungsinstituten wie Gartner , Forrester oder Unternehmensberatungen sowie Analyst Reports von Investmentbanken), führen eigene Markt- und Wettbewerbsanalysen durch und können diese Informationen in ähnlicher Art und Weise verarbeiten und Schlussfolgerungen ziehen (zum Begriff der Ähnlichkeit vgl. Tversky 1977). Tatsächlich ist das aber nicht so, im Gegenteil: in Management-Off-Sites und Strategie-Workshops wird regelmäßig eine beliebige Vielfalt an ‚möglichen‘ Entwicklungen für die kommenden Jahre diskutiert - nichts scheint unmöglich, alles kann passieren, da die Zahl und die Komplexität der Einflussfaktoren zu hoch erscheinen, und schließlich die Interpretation der verfügbaren Informationen sehr unterschiedlich ausfällt. Zudem sind die Anreize und strategischen Handlungsoptionen über die Unternehmen hinweg unterschiedlich und pfadabhängig - selbst bei gleichen Informationen werden heterogene Strategien abgeleitet oder asymmetrisch reagiert (weiterführend zum Awareness-Motivation-Capability Framework bei Chen und Miller 2012): einige Unternehmen beobachten die neuen Informationen nicht, andere Unternehmen leiten daraus keine Handlungsoptionen ab, und wieder andere können auf Basis ihrer unternehmensspezifischen Fähigkeiten nicht reagieren. <?page no="141"?> Dynamik im Wettbewerb 141 Vergleicht man die veröffentlichten Strategien der Unternehmen (auf Basis der Strategiepräsentationen bspw. im Rahmen von Investors- oder Capital Markets-Days) einer Industrie, dann weichen die erwarteten Wachstumsraten des Marktes für die kommenden Jahre teils signifikant voneinander ab, zum anderen planen meist alle Unternehmen ein Marktanteilswachstum - das kann aber weder empirisch noch logisch richtig sein. Die Ursachen sind zweigeteilt - einerseits werden die Fähigkeiten des eigenen Unternehmens überschätzt und der Wettbewerb unterschätzt (weiterführend → Kapitel 1 zu Overconfidence von Managern und Competition Neglect), zum anderen sind die langfristigen Muster von Wettbewerbsprozessen aus dem Tagesgeschäft heraus schwer erkennbar. Das operative Tagesgeschäft ist von unzufriedenen Kunden im Customer Care-Bereich, veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen, fehlender IT-Verfügbarkeit der Plattform, dringenden Anfragen des Vorstands oder der Vorbereitung auf Neukundentermine geprägt, nicht vom analytischen Blick auf langfristige Muster im Wettbewerb - zudem werden häufig Besonderheiten, kürzlich stattgefundene und gut erinnerbare Ereignisse sowie außerordentliche Entwicklungen überbewertet, Regelmäßigkeiten aber übersehen (Kahneman 2003). Aus strategischer Perspektive sind es aber gerade diese langfristigen und regelmäßigen Entwicklungen im Wettbewerb, die den Erfolg eines Unternehmens deutlich mitbestimmen. Empirische Studien haben gezeigt, dass Unternehmen stärker und direkter auf taktische und kurzfristige Initiativen der Wettbewerber reagieren, als auf strategische und langfristige Aktionen - letztere erscheinen schwerer erkennbar und die Erfolgswahrscheinlichkeit weniger gut einschätzbar (Smith et al. 1991). Vor diesem Hintergrund muss die eigene Strategie und die unternehmens- oder industriespezifisch beobachteten Muster gegen die regelmäßig in anderen Industrien und für andere Unternehmen beobachten Muster abgeglichen und eingeordnet werden, bspw. betreffs der Dynamik im Produktlebenszyklus oder der Eintrittsrate neuer Unternehmen. Eine geplante Strategie, die deutlich den üblicherweise zu beobachtenden Mustern (der ‚Industrie-Logik‘) widerspricht, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht funktionieren. <?page no="142"?> 142 Dynamik im Wettbewerb Empirische Regelmäßigkeiten im Wettbewerb Wettbewerb ist ein komplexer dynamischer Prozess. Die Dynamik des Prozesses beruht auf der strategischen Interaktion von Unternehmen im Zeitablauf, die einerseits immer wieder neue Chancen ergreifen und andererseits immer wieder aufs Neue mit Wettbewerbern konfrontiert werden, die in irgendeiner Weise Wettbewerbsvorteile besitzen. Unternehmen versuchen, getrieben von der Gefahr, Verluste zu erleiden und ihrer Existenz beraubt zu werden, Gewinne zu erzielen, um ihr Überleben zu sichern. Durch den Wettbewerb - das Wechselspiel aus Aktion und Reaktion - zwischen Unternehmen entstehen immer wieder neue Marktstrukturen, in denen sich die veränderten Wettbewerbspositionen der Unternehmen im Zeitablauf widerspiegeln. Unternehmensstrategien, neuentwickelte Wettbewerbsvorteile und Veränderungen in der Wettbewerbsumwelt schlagen sich im Zeitablauf in großer Dynamik bei Marktanteilen, Preisen oder Gewinnen nieder. Die beobachtbaren Muster sind dabei weder zufällig noch chaotisch, sondern können durch entsprechende Analyse die zugrundeliegenden langfristigen Wettbewerbsprozesse sichtbar machen. Zwar unterscheidet sich die zugrundeliegende Dynamik je nach Industrie oder Marktphase, aber typische und wiederkehrende Muster als stilisierte Fakten lassen sich in zahlreichen Industrien identifizieren und für Strategieabteilungen oder Unternehmensberatungen nutzen. In den folgenden Abschnitten werden typische dynamische Muster für Preise und Mengen, Produkt- und Industrielebenszyklen sowie Technologiezyklen, Wachstumsraten und Marktanteilsdynamik von Unternehmen sowie Profitabilität knapp skizziert (weiterführend Münter 1999 und 2021). Überblick | Dieses Kapitel beschäftigt sich mit ■ Marktabgrenzung, Marktwachstum und Produktlebenszyklen, ■ regelmäßigen dynamischen Mustern bei Unternehmenswachstum, Marktanteilen und Eintritten in und Austritten aus einer Industrie, sowie  <?page no="143"?> Marktdynamik und Produktlebenszyklen 143 ■ strategischen Implikationen aus Marktstruktur und Wettbewerbsintensität im Zeitablauf. Marktdynamik und Produktlebenszyklen Markt ist wahrscheinlich einer der meistverwendeten wirtschaftswissenschaftlichen Begriffe, in Unternehmen und in den Medien - Markt ist meist dort, wo der Kunde ist oder vermutet wird und wo der Wettbewerb stattfindet. Abseits dieser allgemeinen Definition sind Märkte allerdings schwer zu greifen und zu beschreiben. Zum einen verändern sie sich, weil Kunden ihr Verhalten ändern oder Wettbewerber aktiv auf den Markt einwirken, zum anderen lässt sich beliebig darüber diskutieren, ob Kaffee und Tee ‚zum gleichen Markt‘ für Heißgetränke gehören oder nicht - oder ob Instant-Kaffee und Kaffee-Pads zu einem Markt gehören. Im folgenden Abschnitt werden Abgrenzungsmöglichkeiten für Märkte und Industrien dargestellt, um klare Begrifflichkeiten zu etablieren. Marktabgrenzung Aus Managementperspektive ist eine zentrale Fragestellung, den relevanten Markt für ein Unternehmen und dessen Produkte abzugrenzen: Einerseits, um alle Kundengruppen und Marktsegmente für eine Marktanalyse zu erfassen, andererseits um alle Wettbewerber und deren Strategien, Geschäftsmodelle und Produkte für eine Wettbewerbsanalyse zu betrachten. Eine erste hilfreiche und vereinfachende Strukturierung ist, die Marktteilnehmer als Käufer (die Nachfrageseite) und Verkäufer (die Angebotsseite) eines Produktes, einer Dienstleistung oder eines sonstigen Gutes (bspw. Rechte, Informationen, Daten oder Derivate auf originäre Produkte) zu klassifizieren. Wenn die Angebotsseite durch Unternehmen gegeben ist, werden diese in Summe als Industrie (bspw. Tele- <?page no="144"?> 144 Dynamik im Wettbewerb kommunikationsindustrie, Pharmaindustrie oder Finanzdienstleistungsindustrie) bezeichnet. Übergeordnet sind Wirtschaftszweige (wie bspw. verarbeitendes Gewerbe, Dienstleistungen, Bildung oder Baugewerbe), untergeordnet sind Produkte (bspw. auf Basis der SIC/ ISIC-Klassifizierung als PKWs, Girokonten oder Smartphones). In → Abbildung 3.1 ist zu sehen, dass die Abgrenzung eines Marktes oder von Marktsegmenten entlang mehrerer Dimensionen erfolgen muss: Abbildung 3.1: Marktabgrenzung in verschiedenen Dimensionen. ■ Technologische Dimension - im Mittelpunkt stehen materielle, technische oder funktionale Produktähnlichkeit sowie Produktions- und Herstellungsverfahren und Geschäftsmodelle: Aus technologischer Perspektive sind Sportwagen, Kleinwagen und SUVs, aber auch Traktoren, LKW und Busse in einem Markt. ■ Nachfrageseitige Dimension - alle Produkte, die aus Kundensicht als alternative Problemlösung betrachtet werden, werden in einem Markt zusammengefasst. Dies ist messbar über signifikant positive Kreuzpreiselastizität, da die Kunden hier bei Preisänderungen zu substituten Produkten abwandern: PKW, Fahrräder, öffentlicher Personennahverkehr, Fernbusse oder Mitfahrzentralen sind hier ein Markt. Substitutionslücken bestimmen dann die Grenzen eines Marktes. technologisch > Produkteigenschaft, Herstellungsverfahren und Materialien > Sportwagen, PKW, LKW, Busse, Traktoren, … nachfrageseitig > Kreuzpreiselastizität > PKW, Fahrräder, Tram, Bahn, … angebotsseitig > Industriegruppen und direkte Wettbewerber > Mercedes, Toyota, Renault räumlich/ zeitlich <?page no="145"?> Marktdynamik und Produktlebenszyklen 145 ■ Angebotsseitige Dimension - in zahlreichen Industrien erfolgt die Marktabgrenzung auf Basis eines im Zeitablauf entstandenen Wettbewerberverhaltens: Mercedes-Benz , BMW oder Lexus sind in einem Markt Wettbewerber, in einem anderen Segment konkurrieren Dacia , Kia oder Lada . Die Marktabgrenzung erfolgt über die strategische Wahrnehmung und das Verhalten der Unternehmen. Alle Abgrenzungen entlang dieser drei Dimensionen müssen zudem räumliche oder zeitliche Aspekte berücksichtigen. Räumliche Distanzierung spielt eine große Rolle bei Immobilien - ein Haus in Saarbrücken ist ein anderes Produkt als ein Haus in Hamburg - oder bei Produkten mit hohen Transportkosten, verliert aber bei digitalen oder virtuellen Produkten an Bedeutung. Typischerweise ist dennoch keine eindeutige Abgrenzung möglich: Mehrproduktunternehmen lassen sich nicht eindeutig zuordnen, Kundengruppen stimmen in ihren Kreuzpreiselastizitäten oder der Wechselbereitschaft zu anderen Marken nicht überein. Zudem verändern Produktinnovationen, bspw. die Konvergenz von Produkten wie E-Mail, Stadtplan, Navigationssystem, Hotelkatalog, Telefonie, Fotografie und Musik in ein Smartphone, und insbesondere Digitalisierung (bietet Google Käse an, weil bei Google in den Google Shopping -Suchergebnissen Käse platziert ist? ) bisherige Marktgrenzen immer wieder oder etablieren neue Märkte und Ökosysteme (Schmidt et al. 2016, Fiegenbaum und Thomas 1995, Gambardella und Torrisi 1998, Malhotra und Gupta 2001 sowie Affeldt et al. 2021). In der Konsequenz ist die Marktabgrenzung situativ und unternehmensspezifisch. Empirisch können alle drei Dimensionen gemeinsam über Kreuzpreiselastizitäten oder den SSNIP-Test (Small but Significant and Nontransitory Increase in Price) ermittelt werden. Der Test prüft, ob Kunden als Reaktion auf eine angenommene (oder tatsächlich simulierte oder in einem abgegrenzten Testmarkt durchgeführte) kleine, signifikante und dauerhafte Erhöhung der Preise (oft angenommen 5 % oder 10 %) für ein Produkt auf verfügbare Substitute ausweichen. Alle Produkte, auf die ausgewichen wird, gehören dann zum relevanten Markt (weiterführend Münter 2021). <?page no="146"?> 146 Dynamik im Wettbewerb Größe eines Marktes und Marktwachstum Für alle Unternehmen sind die Größe des Marktes und die Wachstumsrate des Marktes (entweder neue Kunden oder größere Mengen je Kunde) entscheidende Einflussgrößen auf Kapazitätsentscheidungen - umgekehrt führt ein Abwandern von Kunden zu Wettbewerbern oder ein Schrumpfen des Gesamtmarktes zu Anpassungsbedarf der Mitarbeiterzahl oder einer Restrukturierung. Vor diesem Hintergrund ist zentral, sowohl die Zahl der B2C- oder B2B-Kunden in einem Markt zu kennen wie auch deren Zahlungsbereitschaft - eine pauschale Aussage ‚unser Markt wächst stabil mit 5% pro Jahr‘ muss entsprechend übersetzt werden in Kundenzahl, Zahlungsbereitschaft und Umsatz sowie in Marktanteile der Wettbewerber (weiterführend Münter 2021). Die Nachfragekurve und damit die Größe eines Marktes können anhand der Zahl der Kunden und deren individueller Zahlungsbereitschaft bestimmt werden. Die Zahlungsbereitschaft selbst kann durch vier (kombinierbare) Möglichkeiten per Marktforschung ermittelt werden: ■ direkte Kundenbefragung, ■ direktes/ indirektes Beobachten der tatsächlichen Entscheidungen, ■ ökonometrische Schätzung der Nachfrage bei Preisvariationen und ■ Analogieschlüsse aus Kaufentscheidungen anderer Produkte. In → Abbildung 3.2 links ist beispielhaft das Ergebnis einer Marktforschung zur Ermittlung der Kombination aus Anzahl der Kunden und Zahlungsbereitschaft für ein Tablet abgebildet. Aus den empirischen Daten links lässt sich mit Statistikprogrammen wie Excel oder SPSS über eine Regressionsanalyse unmittelbar die empirische Nachfragefunktion - die per se beliebige lineare oder nichtlineare funktionale Formen annehmen kann - als (3.1) 𝑝𝑝 = 𝑝𝑝(𝑞𝑞) = 𝑎𝑎 − 𝑏𝑏𝑞𝑞 = 1000 − 0,0025𝑞𝑞 bestimmen, die hier vereinfachend als lineare Funktion angenommen und geschätzt ist. <?page no="147"?> Marktdynamik und Produktlebenszyklen 147 Abbildung 3.2: Empirische Ermittlung der Nachfragekurve und Nachfragefunktion. Die Nachfragefunktion beschreibt die wechselseitige Abhängigkeit der nachgefragten Menge vom Preis eines Produktes, in der 𝑎𝑎 die maximale Zahlungsbereitschaft in diesem Markt benennt - in diesem Fall ist offenbar genau ein Kunde bereit, bis zu 1000 EUR zu bezahlen - und 1/ 𝑏𝑏 ein Indikator für die horizontale Größe des Marktes ist: Je kleiner 𝒃𝒃 , desto größer der Markt. Wenn jeder Kunde maximal ein Tablet kauft, ergibt sich für die maximale Anzahl an Kunden bei einem Preis von 𝑝𝑝 = 0 nach Umstellen von (3.1), dass mit (3.2) 𝑞𝑞(𝑝𝑝) = 𝑎𝑎−𝑝𝑝 𝑏𝑏 = 1000−0 0,0025 = 400.000 maximal 400.000 Tablets nachgefragt werden, jede Preiserhöhung führt zu einem Rückgang der nachgefragten Menge. Abbildung 3.3: Marktgröße und Marktvolumen als Erlöse. maximale Zahlungsbereitschaft 0 100 400 900 p 1000 q 900 q 400 q 100 0 100 400 900 p 1000 400.000 −b = −0,0025 p = p q = a − bq = 1000 − 0,0025q p 0 0 q p q a -b p* q* <?page no="148"?> 148 Dynamik im Wettbewerb Von der durch die Parameter 𝑎𝑎 und 𝑏𝑏 bestimmten Größe des Marktes abhängig ist das durch Erlöse 𝑅𝑅 (Umsatz) gemessene Marktvolumen, dass sich bei einem Marktpreis 𝑝𝑝 ∗ und der durch die Nachfragefunktion bestimmten Menge 𝑞𝑞 ∗ als 𝑅𝑅 = 𝑝𝑝𝑞𝑞 ergibt (→ Abbildung 3.3). Offensichtlich kann sich das Marktvolumen ändern, ohne dass sich die Größe des Marktes ändert: Alleine geändertes Nachfrageverhalten oder veränderte Preissetzung führen zu einem größeren oder kleinerer Marktvolumen. Strategische Maßnahmen zur Beeinflussung der Marktgröße Die Lage der Nachfragekurve ist zwar für die Unternehmen einer Industrie auf Basis von Einkommen der Kunden, Bevölkerung und Preisen anderer Produkte teilweise vorbestimmt, Unternehmen können aber die Lage der Nachfragefunktion durch strategische Maßnahmen beeinflussen. In → Abbildung 3.4 sind die beiden polaren Fälle dargestellt: Links können die Unternehmen die Zahlungsbereitschaft aller potenziellen Kunden in gleichem Maß erhöhen, so dass sich die Nachfragekurve parallel nach oben verschiebt, rechts vergrößert sich der Markt durch Ausdehnung auf neue Kundensegmente auf mehr Kunden bei konstanter Zahlungsbereitschaft. Abbildung 3.4: Beeinflussung der Nachfrage und Marktgröße durch Unternehmen. p 0 q a‘ p 0 q a b‘ < b b höhere Zahlungsbereitschaft mehr Kunden <?page no="149"?> Marktdynamik und Produktlebenszyklen 149 Unternehmen können die Lage der Nachfragekurve wesentlich durch zwei Strategien versuchen zu beeinflussen: Marketing als direkte oder indirekte Beeinflussung der Präferenzen, Werbung in vorhandenen Zielgruppen oder Adressierung neuer Kundensegmente sowie Produktqualität in Form von Ausstattungsmerkmalen, Technologie oder Zusatzleistungen (Chatmi und Elasri 2017, Sridhar et al. 2014 sowie Dorfman und Steiner 1954). Beide Strategien können zu höheren Werten von 𝑎𝑎 (höhere Zahlungsbereitschaft) oder niedrigeren Werten von 𝑏𝑏 (mehr Kunden) führen. Allerdings zeigt sich in empirischen Studien, dass Marketing oft einen stärkeren Effekt auf 𝑏𝑏 bspw. durch die Adressierung neuer Kundensegmente hat, wohingegen einer Verbesserung der Technologie, Qualität und Leistungskomponenten der Produkte stärker auf die Zahlungsbereitschaft 𝑎𝑎 aller Kunden wirkt (Levin und Reiss 1989, Johnson und Myatt 2006 sowie Ashley et al. 1980). Aus Managementperspektive ist wesentlich, diese separaten Effekte unternehmens- oder industriespezifisch zu ermitteln, um so Entscheidungen über die optimalen F&E- und Marketing-Investitionen und deren Relation zueinander zur Beeinflussung der Nachfrage treffen zu können. Case Study | Wie kann ein Unternehmen die Größe des Marktes schätzen? Vielen Unternehmen fällt es schwer, die eigene unternehmens- oder industriespezifische Nachfragekurve zu bestimmen. Ursächlich dafür ist, dass wie in → Abbildung 3.3 rechts zu sehen, nur eine aktuelle Kombination von Preisen und Mengen bekannt ist, die Nachfragekurve ist gewissermaßen unsichtbar. Um jetzt die Nachfragekurve annäherungsweise zu bestimmen, helfen drei Fragestellungen: ■ Wie viele Kunden würden das Produkt oder die Dienstleistung kostenlos bei einem Preis 𝑝𝑝 = 0 annehmen, wenn ein Weiterverkauf unmöglich ist? ■ Was ist die höchste Zahlungsbereitschaft, die heute für dieses Produkt im Markt vorhanden ist, d.h. ab welchem Preis 𝑝𝑝 ≥ 𝑎𝑎 wandern alle Kunden entweder zu substitutiven Pro-  <?page no="150"?> 150 Dynamik im Wettbewerb dukten ab oder verzichten generell auf die Nutzung und den Kauf des Produktes? ■ Wie stark ist der Mengenrückgang (oder alternativ der Rückgang der Kundenzahl), wenn der Preis bspw. um 5% erhöht wird, wie stark steigt die Menge oder die Kundenzahl an, wenn der Preis bspw. um 5% reduziert wird? Die drei Fragen ergeben erstens die horizontale Größe des Marktes 𝑎𝑎/ 𝑏𝑏 , zweitens die maximale Zahlungsbereitschaft 𝑎𝑎 , und drittens die Preiselastizität der Nachfrage 𝜀𝜀 𝑝𝑝 = 𝑝𝑝𝜕𝜕 𝜕𝜕𝜕𝜕 𝜕𝜕𝑝𝑝 (also den prozentualen Mengeneffekt nachfolgend einer Preisänderung). Bspw. hat ein regionaler Anbieter von Elektrofahrrädern bei einem Preis von 𝑝𝑝 = 3.000 EUR eine Nachfrage von 𝑞𝑞 = 100 pro Jahr. In der Region leben 100.000 Menschen, von denen allerdings 70% überhaupt nicht Fahrrad fahren, 80% eine Präferenz für normale Fahrräder haben und 60% für ein Elektrofahrrad weder eine Ladestation noch eine adäquate Abstellmöglichkeit haben - damit ergibt sich 100.000 ∗ (1 − 70%) ∗ (1 − 80%) ∗ (1 − 60%) = 2.400 , d.h. maximal könnten bei einem Preis 𝑝𝑝 = 0 geschätzte 2.400 Elektrofahrräder verschenkt werden. Da die durchschnittliche Haltedauer eines Elektrofahrrads 6 Jahre beträgt, ist das jährliche Marktpotenzial 2.400/ 6 = 400 = 𝑎𝑎/ 𝑏𝑏 . Das Unternehmen schätzt zudem, dass ab einem Preis 𝑝𝑝 = 𝑎𝑎 = 4.000 alle derzeitigen oder künftigen Kunden kein Elektrofahrrad kaufen, und bei einer Preiserhöhung von 5% würden 15% der Kunden zu Wettbewerbern wechseln. Damit ergibt sich aus 𝑎𝑎/ 𝑏𝑏 = 400 und 𝑎𝑎 = 4.000 mit 𝑏𝑏 = 10 die Steigung der unternehmensspezifischen Nachfragekurve und damit die (hier vereinfachend angenommene) lineare jährliche Nachfragefunktion (3.3) 𝑝𝑝 = 𝑎𝑎 − 𝑏𝑏𝑞𝑞 = 4.000 − 10𝑞𝑞 . Schätzt man für die Nachfragefunktion bei aktuellem Preis und aktueller Menge die Preiselastizität (3.4) 𝜀𝜀 𝑝𝑝 = 𝑝𝑝𝜕𝜕 𝜕𝜕𝜕𝜕 𝜕𝜕𝑝𝑝 = − 3000 100 1 10 = −3 , <?page no="151"?> Marktdynamik und Produktlebenszyklen 151 dann zeigt sich, dass auch die Schätzung der Wechselkunden bei einer 5%-Preiserhöhung mit (3.5) 𝜕𝜕𝜕𝜕 𝜕𝜕 = 𝜀𝜀 𝑝𝑝 ⋅ 𝜕𝜕𝑝𝑝 𝑝𝑝 = −3 ⋅ +5 % = −15 % korrekt war. In gleicher Weise kann das Unternehmen natürlich für alle Wettbewerber aus den derzeitigen Preisen und Mengen deren Nachfragefunktion ermitteln. Industriespezifische Mengen und Preise im Zeitablauf Offensichtlich verändern sich im Wettbewerb Preise und Mengen im Zeitablauf. In → Abbildung 3.5 ist beispielhaft für den deutschen Mobilfunkmarkt die Entwicklung der Preise (links) und Mengen (rechts) im Zeitverlauf von 1999 bis 2017 zu sehen. Abbildung 3.5: Preis- und Mengenentwicklung im deutschen Mobilfunkmarkt. (q entspricht von Mobilfunkgeräten ausgehende Telefonminuten (in Mrd.) in Deutschland (rechts), p entspricht Preisindex (inflationsbereinigt) Mobilfunktelefonie in Deutschland (links), eigene Berechnungen l Datenquelle: Bundesnetzagentur 2019 und 2020.) Nach der Markteinführung in den frühen 1990er Jahren ist die Menge q (gemessen in Mrd. ausgehenden Mobilfunkminuten) von 17,4 Mrd. Minuten pro Jahr gewachsen auf 115,9 Mrd. Minuten in 2017, d.h. mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (3.6) 𝑇𝑇𝑊𝑊𝐶𝐶𝑅𝑅 𝜕𝜕 = � 115,9 17,4 � 1 18 − 1 = 11,1% . 60,00 65,00 70,00 75,00 80,00 85,00 90,00 95,00 100,00 105,00 1995 2000 2005 2010 2015 2020 p 0,00 20,00 40,00 60,00 80,00 100,00 120,00 140,00 1995 2000 2005 2010 2015 2020 q <?page no="152"?> 152 Dynamik im Wettbewerb Aus dem s-förmigen Verlauf der Kurve im Zeitablauf erkennt man zunächst überproportionales Wachstum bis etwa 2010, dann unterproportionales Wachstum bis 2017 - es deutet sich mit diesem verlangsamten Wachstum an, dass der Sprachmobilfunkmarkt sich ggfs. einer Sättigungsgrenze nähert. Gründe für diese Sättigung liegen zum einen in einer vollständigen Marktdurchdringung, d.h. jeder potenzielle Kunde hat mittlerweile ein Mobil- oder Smartphone, anderseits durch die Substitution von Mobilfunkgesprächen durch datenbasierte Sprachmessages gerade bei jüngeren Menschen. Für den Zeitraum 1999 bis 2017 ist parallel ein kontinuierlicher Rückgang der inflationsbereinigten Preise 𝒑𝒑 (Preisindex pro Mobilfunkminute ausgehender Gespräche von 𝑝𝑝 1999 = 100 auf 𝑝𝑝 2017 = 63,7 zu beobachten, d.h. ein durchschnittlicher jährlicher Rückgang um (3.7) 𝑇𝑇𝑊𝑊𝐶𝐶𝑅𝑅 𝑝𝑝 = � 100 63,7 � 1 18 − 1 = −2,47% . Der kontinuierliche Preisrückgang je Mobilfunkminute geht auf verschiedene Ursachen zurück: zum einen haben die Unternehmen aktiv mit Preismodellen zunächst die Kunden mit hoher Zahlungsbereitschaft adressiert, erst seit etwa 2005 wurde Mobiltelefonie durch Preissenkungen auch für Kunden mit niedriger Zahlungsbereitschaft erschwinglich. Zudem führt zunehmende Wettbewerbsintensität durch Markteintritte zu wechselseitigen Preisunterbietungen im Kampf um Marktanteile von Neu- und Wechselkunden. So war ursprünglich T-Mobile und Vodafone (bis 2002 als Mannesmann Mobilfunk ) mit eigenem Netz als sogenannte Mobile Network Operator (MNO) aktiv. Nachfolgend traten unter anderem Viag Interkom (heute Telefonica Deutschland ) und E-Plus (in 2014 von Telefonica übernommen) und insbesondere Reseller ( Mobilcom- Debitel oder Drillisch ohne eigenes Netz) und Submarken (wie bspw. Aldi Talk , Tchibo Mobil oder Ay Yildiz , teils als MVNOs, auf den Netzen der jeweiligen MNOs) in die Industrie ein und erhöhten so die Wettbewerbsintensität. Darüber hinaus realisieren die Unternehmen im Zeitablauf kostenseitig Lernkurveneffekte und Economies of Scale, die in Teilen als Preissenkungen weitergegeben werden. <?page no="153"?> Marktdynamik und Produktlebenszyklen 153 In → Abbildung 3.6 ist die Preis- und Mengenentwicklung der Jahre 1999 bis 2017 in ein Diagramm zusammengeführt. Offensichtlich existiert ein inverser Zusammenhang zwischen Preisen und Mengen, der von links oben im Zeitablauf nach links unten führt. Schätzt man diesen Zusammenhang ökonometrisch mittels einer linearen Regression (OLS), dann ergibt sich (3.8) 𝑝𝑝(𝑞𝑞) = 103,11 - 0,3054 𝑞𝑞 mit einem einfachen Bestimmtheitsmaß von 𝑅𝑅 2 = 0,9282 . Dieser Zusammenhang beschreibt nicht notwendigerweise eine Nachfrage- oder Preis-Absatz-Funktion, da die empirischen Werte in → Abbildung 3.6 die realisierten Preis-Mengen-Kombinationen aus Angebot und Nachfrage widerspiegeln, also die Marktergebnisse von 1999 bis 2017. Unabhängig davon lässt sich aus diesem Marktmodell über Gleichung (3.8) aber bei unveränderten Wettbewerbsbedingungen ableiten, dass die Preise im deutschen Mobilfunkmarkt je 1 Mrd. Gesprächsminuten um 0,3054% zurückgehen. Abbildung 3.6: Zusammenhang zwischen Preisen und Mengen im deutschen Mobilfunkmarkt l Datenquelle: Bundesnetzagentur (2020 und 2019), Jahresberichte. q entspricht von Mobilfunkgeräten ausgehende Telefonminuten (in Mrd.) in Deutschland, p entspricht Preisindex (inflationsbereinigt) Mobilfunktelefonie in Deutschland, eigene Berechnungen. <?page no="154"?> 154 Dynamik im Wettbewerb Wenn bspw. ein Wettbewerber einen Anstieg der Telefonminuten um ∆𝑞𝑞 = 2,5 Mrd. zur Auslastung seiner Netzinfrastruktur für das kommende Jahr plant, dann ergibt sich unter sonst gleichen Wettbewerbsbedingungen über Gleichung (3.8) ein Preisrückgang um −0,3054% ∗ 2,5 = −0,7635% für den Gesamtmarkt. Muster wie hier für den Mobilfunkmarkt beschrieben - im Zeitablauf steigende Mengen, sinkende (inflationsbereinigte) Preise, ein negativer Zusammenhang zwischen Preisen und Mengen - sind regelmäßig auch für andere Industrien zu beobachten. Aus Managementperspektive ist damit wesentlich, die Preis- und Mengendynamik im Zeitablauf zu erfassen und über die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate und die negative Korrelation von Preisen und Mengen in der eigenen Strategie zu berücksichtigen. Produktlebenszyklen Neben der einfachen ökonometrischen Analyse von Preis- und Mengenentwicklung auf Industrieebene (bei homogenen Produkten ohne wesentliche Qualitätsunterschiede) ist die Identifikation von Mustern auf Produktebene möglich. Offensichtlich verändern Unternehmen im Zeitablauf durch Produktinnovationen ihr Portfolio. Der Produktlebenszyklus (oder auch Modellebenszyklus) beschreibt die Entwicklung des Absatzes eines Produktes anhand der Einführungs-, Wachstums-, Reife-, Sättigungs- und Rückgangsphase (Levitt 1965, Cox 1967 und Simon 1979), wie in → Abbildung 3.7 zu sehen. Der Produktlebenszyklus kann dabei auf Unternehmensebene (bspw. des iPod Mini von Apple ) wie auch auf Industrieebene (Absatz von MP3- Playern verschiedener Unternehmen) identifiziert werden und kann in Aggregation zu Industrielebenszyklen führen. Entlang des Produktlebenszyklus steigt die abgesetzte Menge 𝑞𝑞 zunächst über-, dann unterproportional, bevor sie schließlich zurückgeht. Typischerweise senken die Unternehmen im Zeitablauf die Preise 𝑝𝑝 s-förmig, so dass die Erlöse 𝑅𝑅 zunächst schneller ansteigen als die Menge 𝑞𝑞 , in der Sättigungs- und <?page no="155"?> Marktdynamik und Produktlebenszyklen 155 Rückgangsphase dann aber schneller zurückgehen. Ursächlich für dieses Muster sind wechselseitige Veränderungen der Determinanten der Nachfrage: ■ Die maximale Zahlungsbereitschaft 𝒂𝒂 steigt während Einführungs- und Wachstumsphase und geht dann zurück, ■ die Größe des Marktes 𝟏𝟏/ 𝒃𝒃 steigt bis zum Ende der Sättigungsphase und geht dann zurück, ■ die Preiselastizität der Nachfrage 𝜺𝜺 fällt zunächst in der Einführungsphase (gleichbedeutend mit einem Anstieg der Zahlungsbereitschaft von Früh-Adoptern des Produktes) und steigt dann sukzessiv an. Abbildung 3.7: Produktlebenszyklus. Grundlegend für eine solche Sichtweise ist die Beobachtung, dass Unternehmen ihre Produkte regelmäßig erneuern - also eine Abfolge von Produktgenerationen sukzessiv auf den Markt bringen, um im Wettbewerb entweder Marktanteile von Konkurrenten zu gewinnen oder Neukunden mit neuen Produktmerkmalen oder auf Basis neuer Technologie zu adressieren. Zeit Erlöse R, Preise p, Menge q Einführung Wachstum Reife Sättigung Rückgang Nachfolgeprodukt maximale Zahlungsbereitschaft a steigt maximale Zahlungsbereitschaft a sinkt Größe des Marktes 1/ b steigt Größe des Marktes 1/ b geht zurück Preiselastizität ɛ fällt Preiselastizität ɛ steigt R p q <?page no="156"?> 156 Dynamik im Wettbewerb Fragen │ Produktlebenszyklen und Produktgenerationen - warum kaufen Menschen wieder Schallplatten? Deutlich erkennbar werden diese Muster von Produktlebenszyklen in der Musikindustrie: In → Abbildung 3.8 ist der Umsatz mit Musik in Deutschland nach Tonträgern und Kanälen im Zeitablauf zu sehen (Bundesverband Musikindustrie 2020 sowie Lehman-Wilzig und Cohen-Avigdor 2004). Abbildung 3.8: Umsatzentwicklung mit Musik in Deutschland 1984 bis 2019 in Mio. EUR l Quelle: Bundesverband Musikindustrie 2020. Offensichtlich verschiebt sich die Bedeutung unterschiedlicher Formate im Zeitablauf: Mitte der 1980er-Jahre dominierte die LP, wurde aber durch die von Philips , Polygram und Sony entwickelte CD zurückgedrängt. Ursache war, trotz deutlich höherer Preise, die längere Spielzeit, bessere Haltbarkeit, einfachere Handhabbarkeit und teils bessere Klangqualität. Parallel dazu konnte sich bei älteren Zielgruppen und Autofahrern noch bis in die 1990er- Jahre die MC als Tonträger halten. Der Grund sind indirekte Netzwerkeffekte und Wechselkosten: Im Auto installierte 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 CD LP Streaming Single CD MC Downloads Musik-Video Klingeltöne Umsatz in Mio. EUR  <?page no="157"?> Marktdynamik und Produktlebenszyklen 157 Autoradios mit MC-Playern und einfach handhabbaren Kassettenrekordern in Privathaushalten hätten beim Übergang zur CD einen unmittelbaren Austausch der Endgeräte erfordert, zudem wären bereits gekaufte MCs nicht mehr nutzbar gewesen. Nachfolgend der Einführung von MP3 und anderen digitalen, datenreduzierten Formaten Mitte der 1990er-Jahre und der Entstehung von illegalen Online-Tauschplattformen wie Napster um das Jahr 2000 hat die CD absolut deutlich an Umsatz verloren. Mit der Etablierung von Breitbandnetzen und zunehmender Verbreitung von Smartphones seit 2007 wurden kostengünstigere Datentarife der Mobilfunkanbieter verfügbar, so dass seit 2018 Streaming in Deutschland das umsatzstärkste Musikformat ist. Aber die LP lebt - seit 2011 steigen der absolute Umsatz und der relative Marktanteil kontinuierlich an. Kunden sind hier in sehr unterschiedlichen Marktsegmenten zu finden: Zum einen sind es ältere Männer mit hochwertigen Stereoanlagen, zum anderen junge Kunden im Hip-Hop- und DJ-Umfeld. In → Abbildung 3.9 sind für die vier Produkte CD, Musik-Video (DVD, VHS und Blue-Ray), CD-Single und Downloads die jeweiligen Umsatzentwicklungen zwischen 1980 und 2000 abgebildet. Hinter allen nahezu idealtypischen Verläufen des Produktlebenszyklus liegen neben der Wettbewerbswirkung von Substituten insbesondere Veränderungen bei den komplementären Abspielgeräten (weg von Stand-Alone-Lösungen wie CD-Playern oder dem iPod , hin zur softwarebasierten Integration in Laptop oder Smartphone) und eine Verschiebung weg von Eigentum an Dateien hin zu Nutzung in Form von Abonnements. Gerade der relativ kurze Produktlebenszyklus der Downloads (bspw. bei iTunes oder Amazon etwa 2012 bis 2017) zeigt, dass Menschen zunächst - ähnlich dem Verhalten bei LPs und CDs - Eigentum an Musik zwar als übliche Variante betrachtet haben, aber gerade aufgrund der virtuellen Nutzung über verschiedene Endgeräte hinweg mittlerweile Streaming-Dienste wie Spotify , Tidal oder Deezer bevorzugen. In der Folge haben auch Amazon , Apple und Google ihre Geschäftsmodelle von Download zu Streaming weiterentwickelt (weiterführend Datta et al. 2018 sowie Kretschmer und Peukert 2020). <?page no="158"?> 158 Dynamik im Wettbewerb Abbildung 3.9: Umsatzentwicklung nach Produkten l Quelle: Bundesverband der Musikindustrie. Empirisch unterscheidet sich die Länge der Produktlebenszyklen sowohl zwischen den Unternehmen als auch bezüglich der jeweiligen Produktgeneration eines Unternehmens. Häufig - wie bei Smartphones von Apple - ist zu beobachten, dass einzelne Generationen eines Produktes überlappend angeboten werden und die Generationswechsel zwischen den Unternehmen nicht synchron erfolgen (Wiecek-Janka et al. 2017). Als wesentliche Einflussfaktoren des Musters und der Dauer der Produktlebenszyklen hat sich eine Kombination von unternehmens- und nachfrageseitigen sowie technologischen Determinanten herauskristallisiert: Entscheidend ist das Zusammenspiel von Geschwindigkeit der Produktentwicklung sowie -innovation, Produktstrategie des Unternehmens, Verhalten der Konkurrenten sowie Kundenverhalten (Klepper 1996 sowie Anderson und Zeithaml 1984). Die Vielfalt der zu beobachtenden Muster - nicht nur über verschiedene Industrien hinweg, sondern auch innerhalb von Industrien - spiegelt damit die unterschiedlichen industrie- und unternehmensspezifischen Faktoren wider, die zudem einem zeitlichen Wandel und Trends unterliegen. So können sich Produktlebenszyklen durch technologische 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 1980 1990 2000 2010 2020 2030 Musik Video 0 500 1000 1500 2000 2500 1980 1990 2000 2010 2020 2030 CD 0 50 100 150 200 250 300 1980 1990 2000 2010 2020 2030 Downloads 0 50 100 150 200 250 300 350 1980 1990 2000 2010 2020 2030 CD Single <?page no="159"?> Wettbewerber, Industrielebenszyklen und Unternehmenswachstum 159 Neuerungen beschleunigen, umgekehrt können bei fehlenden Produktinnovationen und stabilen Präferenzen der Kunden Produktlebenszyklen nur schwach ausgeprägt sein oder ganz ausbleiben (Gruber 1995 sowie Clark et al. 1987). Wettbewerber, Industrielebenszyklen und Unternehmenswachstum Ähnlich komplex wie die Abgrenzung von Märkten ist die Identifikation relevanter Wettbewerber. Offensichtlich mag zunächst erscheinen, dass Mercedes-Benz mit BMW im Markt für Mittel- und Oberklasse- PKW in direktem Wettbewerb steht. Tatsächlich betrieben beide Unternehmen aber nach dem Zusammenschluss ihrer ehemaligen Geschäftsbereiche Car2Go und DriveNow in 2019 den Mobilitätsdienstleister ShareNow bis 2022 als Joint Venture, welches im Wesentlichen Car Sharing anbietet. Daneben betreiben die Unternehmen in 2021 zahlreiche weitere Gemeinschaftsunternehmen - sodass neben der Wettbewerbssituation auch eine Kooperationssituation steht. Mit ShareNow standen Mercedes-Benz und BMW in direktem Wettbewerb anderen Car Sharing-Anbietern (bspw. mit Flinkster der Deutschen Bahn ), aber auf kürzeren Strecken auch in indirektem Wettbewerb mit neuen Mobilitätsdiensten wie Lime und Tier , die E-Scooter in Großstädten vermieten. Ähnliche Entwicklungen finden in zahlreichen anderen Industrien statt - FinTechs konkurrieren mit Filial- und Online-Banken, ähnlich wie Autohersteller mit eigenen oder zugekauften Finanzierungslösungen und Versicherungsprodukten mit Finanzdienstleistern im Wettbewerb stehen. Zudem drängen zahlreiche Tech-Unternehmen mit kategorieübergreifenden Dienstleistungen und Produkten in zahlreiche Industrien ein und verändern so als potenzielle Wettbewerber ebenfalls die Wettbewerbssituation. <?page no="160"?> 160 Dynamik im Wettbewerb Strategische Gruppen Um den engen Wettbewerbsbezug zwischen Unternehmen zu erkennen, kann das Modell der strategischen Gruppen als Abgrenzungsmerkmal innerhalb einer Industrie verwendet werden (Hunt 1972, Porter 1979 sowie Leask und Parker 2007). Unternehmen einer strategischen Gruppe sind sich in Unternehmensstrategie, Technologie, Marktzugang, Kostenstruktur, adressiertem Marktsegment und Preis- und Qualitätsstrategie, F&E-Intensität und Innovationsstrategie, Wertschöpfungskette oder Geschäftsmodell ähnlich und stehen mit Unternehmen anderer strategischen Gruppen nur indirekt im Wettbewerb. Unternehmen einer strategischen Gruppe sind dabei durch Mobilitätsbarrieren von anderen strategischen Gruppen getrennt, die einen raschen Wechsel oder eine Adaption der strategischen Verhaltensweisen erschweren oder verhindern und so die Wettbewerbsintensität in einer Industrie reduzieren (Caves und Porter 1977). Innerhalb einer so definierten strategischen Gruppe sehen sich die Unternehmen also als direkte Wettbewerber und zielen auf dieselben Kunden und Marktpotenziale. Eine strategische Gruppe direkter Wettbewerber ist damit durch eine (potenziell) hohe Wechselbereitschaft der Kunden untereinander definiert - kaum ein Kunde wird von Rolls-Royce zu Dacia wechseln oder umgekehrt, aber eine Wechselbereitschaft zwischen BMW , Mercedes-Benz und Audi ist gegeben. Anhand von Übergangswahrscheinlichkeiten der Kunden lassen sich dann innerhalb einer Industrie meist mehrere strategische Gruppen abgrenzen. Zudem reagieren Unternehmen innerhalb einer strategischen Gruppe symmetrisch und in ähnlicher Intensität auf Änderungen der Unternehmensumwelt, bspw. auf Veränderungen der Nachfrage (Nicolau-Gonzálbez und Ruiz- Moreno 2014). Unter anderem für die Finanzdienstleisterindustrie ist die Existenz und der Wirkungszusammenhang von strategischen Gruppen wiederholt untersucht (Mergaerts und Van der Vennet 2016). So sind zwar GoldmanSachs (globales Investmentbanking), die Sparkassen (regionale Privat- und Geschäftskunden) und BlackRock (Asset-Management und <?page no="161"?> Wettbewerber, Industrielebenszyklen und Unternehmenswachstum 161 Fondsanbieter) jeweils Finanzdienstleister, gehören aber jeweils einer anderen strategischen Gruppe innerhalb der Finanzdienstleisterindustrie an. Die Sparkassen stehen entsprechend direkt mit der Commerzbank oder den Volks- und Raiffeisenbanken im Wettbewerb, allerdings aufgrund einer anderen Zielgruppendefinition nur indirekt mit der Deutschen Bank - die aber wieder im Wettbewerb mit GoldmanSachs oder BlackRock steht. Allerdings gilt auch hier, dass im Zeitablauf durch veränderte Unternehmensstrategien, neue Technologien, Produktinnovationen oder Markteintritte eine eindeutige und dauerhafte Zuordnung zu strategischen Gruppen nicht möglich ist (Barney und Hoskisson 1990). Industrielebenszyklen und die langfristige Entwicklung der Marktstruktur Die Zahl und Identität der Unternehmen einer Industrie verändern sich im Zeitablauf durch Markteintritte und Marktaustritte. Eintritte in eine Industrie sind meist durch vermutete Gewinnmöglichkeiten (auf Basis von Marktwachstum, Ineffizienz existierender Unternehmen oder Produktinnovationen) begründet, Austritte sind häufig die Folge von dauerhaft realisierten Verlusten. Die absolute Zahl an Markteintritten und die relative Eintrittsrate in Abhängigkeit der bereits existierenden Unternehmen wird dabei durch die Eintrittsbarrieren, Sunk Costs und Mindestbetriebsgröße (weiterführend → Kapitel 2) sowie die Phase des Industrielebenszyklus bestimmt. Empirische Studien von Ein- und Austrittsprozessen zeigen, dass in nahezu alle Industrien regelmäßig Ein- und Austritte stattfinden, dass die eintretenden Unternehmen meist Neugründungen sind, und sowohl neue wie auch austretende Unternehmen tendenziell wesentlich kleiner als durchschnittliche etablierte Unternehmen einer Industrie sind. Ein- und Austritte beeinflussen damit zwar die Zahl der Unternehmen einer Industrie, haben aber kurzfristig nur schwachen Einfluss auf Marktanteile und Marktstruktur (Münter 1999). Die langfristige Entwicklung von Industrien ist entsprechend geprägt von wiederholten Markeintritten neuer Unternehmen und Markt- <?page no="162"?> 162 Dynamik im Wettbewerb austritten nicht überlebensfähiger Unternehmen, welche die Zahl der Unternehmen in einer Industrie verändern. In empirischen Studien zeigt sich entlang eines Industrielebenszyklus ein robustes Muster der Zahl der Unternehmen und dahinterliegend der Ein- und Austritte, wie in → Abbildung 3.10 oben skizziert und in → Tabelle 3.1 für die weltweite Automobilindustrie dargestellt, für zahlreiche Industrien (Jovanovic und MacDonald 1994, Klepper und McGraddy 1990, Klepper 1997 und Münter 2013). Abbildung 3.10: Industrielebenszyklus, Technologiezyklus und technologisches Regime. Begründet durch wenige erste Unternehmen - in der Automobilindustrie unter anderem Benz und Peugeot - werden neuartige, innovative Produkte auf den Markt gebracht. In der Folge treten in einer Phase 1 zahlreiche weitere neue Unternehmen, welche die Produktinnovation aufgreifen oder modifizieren, in die Industrie ein und die Zahl der Unternehmen steigt deutlich an. Nach einiger Zeit - in der Automobilindustrie war dies 1922 der Fall - kehrt sich dieser Prozess jedoch um und die Anzahl der Unternehmen einer Industrie geht in Phase 2 infolge zahlreicher Austritte drastisch zurück, bevor sich im weiteren Phase 3 Phase 2 Phase 1 Zeit Zahl der Unternehmen Eintritte Austritte 1875-1921 Dauer: 47 Jahre n in 1921: 609 1922-1944 Dauer: 25 Jahre n in 1944: 133 seit 1945 Dauer: > 70 Jahre n in 2012: 195 Beispiel: weltweite Automobilindustrie Unternehmen Experimentierphase dominantes Design inkrementeller Wandel Prozessinnovationen Produktinnovationen Industrielebenszyklus Technologiezyklus <?page no="163"?> Wettbewerber, Industrielebenszyklen und Unternehmenswachstum 163 Verlauf der Entwicklung die Zahl der Ein- und Austritte in etwa ausgleicht und sich die Zahl der Unternehmen stabilisiert. Case Study | Wettbewerb, Populationsdynamik und Überlebensfähigkeit von Unternehmen Betrachtet man am Beispiel der Automobilindustrie diese Entwicklung, ist deutlich zu erkennen, dass in Phase 1 die absolute und prozentuale Zahl an Markteintritten diejenige an Marktaustritten dominiert. In Phase 2 kehrt sich dieses Muster um, bis in Phase 3 mit jeweils etwa 3 % jährlichen Markteintritten und Marktaustritten die Zahl der Unternehmen etwa konstant ist. Populationsdynamik in der weltweiten Automobilindustrie alle Phasen Phase 1 Phase 2 Phase 3 Beginn 1875 1922 1945 Dauer in Jahren 47 23 > 70 durchschnittliche Anzahl Markteintritte pro Jahr 18,11 37,47 14,08 6,09 durchschnittliche Anzahl Marktaustritte pro Jahr 16,71 24,51 34,78 5,17 prozentuale Eintrittsrate pro Jahr 8,46 % 16,08 % 5,17 % 3,37 % prozentuale Austrittsrate pro Jahr 7,80 % 10,52 % 12,76 % 2,86 % unterschiedliche Unternehmen 2.499 1.761 928 550 im Jahr 2012 existierende Unternehmen sind entstanden … 13,33 % 8,72 % 77,95 % gegründete Unternehmen in Phase x existierten noch 2012 1,48 % 8,33 % 34,30 % Tabelle 3.1: Populationsdynamik in der weltweiten Automobilindustrie | Datenquelle: Münter 2013. In empirischen Studien wird regelmäßig eine positive Korrelation zwischen Ein- und Austritten von Unternehmen innerhalb einer Industrie beobachtet. Die Ursachen können zweigeteilt sein: neue Unternehmen  <?page no="164"?> 164 Dynamik im Wettbewerb ersetzen kürzlich ausgetretene Unternehmen (Replacement Effect), oder neue Unternehmen verdrängen noch existierende Unternehmen (Displacement Effect). In Industrien mit gering ausgeprägten Economies of Scale scheint hier der Displacement Effect zu dominieren, in Industrien mit stark ausgeprägten Economies of Scale tritt der Replacement Effect stärker hervor (Geroski und Schwalbach 1991, Audretsch 1995 sowie Carree und Thurik 1996). Technologiezyklen in der langfristigen Entwicklung von Industrien Die Veränderung der Zahl der Unternehmen ist begründet im Zusammenspiel von Innovationen, technologischen Veränderungen und strategischem Verhalten der Unternehmen. Eine Erklärung für die langfristige Entwicklung der Marktstruktur, der Zahl der Unternehmen und der Veränderungen im Wettbewerbsprozess liegt in Technologiezyklen, die regelmäßige Muster von Innovationen im Zeitablauf als Abfolge von Experimentierphase, Entstehung des dominanten Designs und Phase inkrementellen Wandels beschreiben (Utterback und Abernathy 1975, Clark 1985, Utterback und Suarez 1993a und b, Christensen et al. 2001 sowie Henderson und Clark 1990). Hier können, wie in → Abbildung 3.10 zu sehen, drei parallel zum Industrielebenszyklus verlaufende Phasen identifiziert werden: ■ Experimentierphase - zu Beginn eines Industrielebenszyklus konkurrieren Unternehmen mit sehr unterschiedlichen Produktkonzepten und -konfigurationen. Es besteht hohe Unsicherheit sowohl betreffend technologischer Möglichkeiten als auch tatsächlicher Kundenerwartungen und -bedürfnisse. Damit ist zunächst keines der Unternehmen in der Lage, ein aus Kundenperspektive vollständig überzeugendes Produkt anzubieten, sondern jedes Unternehmen versucht mit einem unternehmensspezifischen Produkt identifizierte Marktnischen zu adressieren und in einem Trial-and- Error-Prozess Marktanteile zu gewinnen. Die Geschäftsmodelle und Strategien der Unternehmen sind in dieser Phase sehr hetero- <?page no="165"?> Wettbewerber, Industrielebenszyklen und Unternehmenswachstum 165 gen. Jedes neu eintretende Unternehmen bringt Produktinnovationen ein, welche bisherige Lösungen ersetzen, das vorhandene Wissen innerhalb der Industrie in Teilen obsolet machen und potenziell Unternehmen aus der Industrie verdrängt. ■ Entstehung und Emergenz eines dominanten Designs - im Wettbewerb der Unternehmen über die Zeit bildet sich ein dominantes Design heraus: Ein Unternehmen kombiniert erstmalig vorhandene Produktinnovationen und Ausstattungsmerkmale derartig, dass die Erwartungen einer großen Zahl an Kunden gut getroffen werden. In der Automobilindustrie ist dies durch das Model T von Ford (produziert von 1908 bis 1927) erfolgt - ein Auto mit vier Rädern, Steuerung der Vorderachse, Verbrennungsmotor vorne, Fahrgastkabine, Kofferraum hinten, Bremsen an den Rädern, Beleuchtung nach vorne und hinten, Lenkrad und einigen weiteren Merkmalen, die heute noch in nahezu jedem Auto zu finden sind. Die Vielfalt konkurrierender Produktkonzepte und Geschäftsmodelle der Experimentierphase wird beendet, es kommt zu einem Lock-in-Effekt und die Merkmale des dominanten Designs prägen die Erwartungen der Kunden und sind fortan ein De-facto-Standard in der Industrie. Dieser wird von anderen Unternehmen imitiert oder unternehmensspezifisch adaptiert. ■ Phase inkrementellen Wandels - auf Basis des dominanten Designs werden jetzt pfadabhängige Weiterentwicklungen und Verbesserungen des Produktes vorgenommen, die das bestehende Wissen in der Industrie erweitern und vertiefen, so dass unternehmens- und industriespezifisches Wissen aufgebaut wird und Bestand hat. Im Mittelpunkt stehen jetzt allerdings nicht mehr Produktinnovationen, sondern Effizienzsteigerung und Skalierung der Produktion auf Basis von Prozessinnovationen. Die Entstehung des dominanten Designs liefert eine Erklärung für den Wechsel von Phase 1 zu Phase 2 des Industrielebenszyklus und verändert den Wettbewerbsprozess in vier wesentlichen Dimensionen: <?page no="166"?> 166 Dynamik im Wettbewerb ■ Wachstum der Marktanteile - die Marktanteile der Unternehmen, die das dominante Design produzieren können, wachsen jetzt stark an. In der Smartphone-Industrie sind alle Unternehmen, die in der Lage waren, die Kernelemente des dominanten Designs in Form des Apple iPhones abzubilden - Touchscreen mit virtueller Tastatur, Fotokamera, App-Store, Musik-Player, E-Mail-Empfang und WiFi-Fähigkeit - stark gewachsen: Samsung , Huawei , Oppo , HTC und natürlich Apple selbst (Cecere et al. 2015). ■ Verdrängung von Wettbewerbern - andere Unternehmen, die das dominante Design nicht produzieren können oder bewusst weiter an ihren bisherigen Produktkonzepten festhalten, verlieren Marktanteile und werden perspektivisch in Nischen verdrängt oder zum Marktaustritt gezwungen, die jetzt in Phase 2 zu beobachten sind: Im Fall der Smartphone-Industrie insbesondere die vormaligen Marktführer Nokia , deren unternehmensspezifische Fähigkeiten nicht ausreichten, und der Blackberry -Hersteller Research in Motion , die beide weiterhin an der Kombination kleiner Bildschirm und physische Tastatur festgehalten haben. ■ Reduktion von Unsicherheit - durch das dominante Design wird die Unsicherheit in der Industrie deutlich reduziert, so dass jetzt Anreize für Investitionen in Produktionskapazität, Branding, Kundenbasis und Unternehmensgröße entstehen und unternehmensspezifische Fähigkeiten aufgebaut und weiterentwickelt werden. ■ Aufbau von Eintrittsbarrieren - mit diesen Wachstumsprozessen geht auch der Aufbau von strukturellen und strategischen Eintrittsbarrieren einher, so dass jetzt die Markteintritte neuer Unternehmen und die Eintrittsraten (vgl. auch → Tabelle 3.1) deutlich geringer werden. Gleichzeitig nimmt aber die Erfolgswahrscheinlichkeit eines dauerhaften Verbleibs in der Industrie jetzt zu - die Ursache liegt wiederum in reduzierter Unsicherheit und jetzt besser einschätzbaren Rahmenbedingungen des Wettbewerbsprozesses. <?page no="167"?> Wettbewerber, Industrielebenszyklen und Unternehmenswachstum 167 Unternehmenswachstum und Marktanteilsdynamik Das Wachstum und die Größe der Unternehmen sind charakteristische Merkmale von Industrien - gerade das Wachstum der Unternehmen ist empirisch aber weiter ein rätselhaftes Phänomen. Praktisch sehen die Strategien vieler Unternehmen Wachstum und bestimmte Marktanteilsziele vor, theoretisch ist ein Spektrum optimaler Unternehmensgrößen bei gegebener Größe des Marktes durch die Technologie vorbestimmt. Eine optimale Unternehmensgröße und damit die optimale Wachstumsstrategie eines Unternehmens ist bei gegebener Industriekostenkurve durch das Minimum der Durchschnittskosten determiniert (Münter 2021). Wenn alle Unternehmen einer Industrie die gleiche Technologie verwenden und den gleichen Zugang zu Märkten und Kunden haben, dann resultiert langfristig eine Marktstruktur, in der die Zahl und die Größe der Unternehmen durch die Größe des Marktes im Verhältnis zum Ausmaß der Skalenerträge bestimmt ist. Fragen │ Wieso bestimmt die Industriekostenkurve die Unternehmensgröße? Wenn Unternehmen einer Industrie ähnliche Technologie verwenden, dann kann für die gesamte Industrie eine Industriekostenkurve identifiziert werden. Unternehmen nehmen dann entsprechend ihrer Produktionsmenge und Unternehmensgröße Positionen in unterschiedlichen Bereichen der Kostenkurve ein und können aus der jeweiligen Positionierung strategische Implikationen ableiten. Typischerweise hat die totale Durchschnittskostenkurve (gleichbedeutend den Stückkosten) für viele Industrien einen badewannenförmigen Verlauf. Bis zu einer Größe 𝑞𝑞 0 sinken die Durchschnittskosten und es entstehen Wettbewerbsvorteile aus Wachstum, ab 𝑞𝑞 1 sind Kostennachteile aus zunehmender Größe zu beobachten. Eine Größe 𝑞𝑞 0 wird als Mindestbetriebsgröße (Minimum Efficient Size 𝑀𝑀𝐸𝐸𝑀𝑀 ) bezeichnet. Unternehmen mit geringerer  <?page no="168"?> 168 Dynamik im Wettbewerb Größe als 𝑞𝑞 0 haben somit Kostennachteile - in empirischen Studien ergeben sich durchschnittliche Kostennachteile von 15 %, wenn ein Unternehmen nur ein Viertel der erforderlichen Mindestbetriebsgröße erreicht (Weiss 1975). Zudem können über die Mindestbetriebsgröße und Economies of Scale auch Aussagen über die Marktstruktur, d.h. Größe und Größenverteilung der Unternehmen in einer Industrie, getroffen werden (Münter 1999). Abbildung 3.11: Marktstruktur und Industriekostenkurven (schematisch). In → Abbildung 3.11 sind schematisch für die Automobil- und die Bierindustrie die Industriekostenkurven wiedergegeben, um mögliche strategische Implikationen zu erkennen. Für die Automobilindustrie ist offensichtlich, dass Marken wie Tesla oder Porsche zwar keine Mindestbetriebsgröße erreichen, aber aufgrund hoher Preissetzungsspielräume auch bei hohen Durchschnittskosten überlebensfähig sind. In der Bierindustrie ist der 2020 durch Zusammenschluss entstandene Konzern AB Inbev/ SAB Miller zwar auf ca. 29 % Marktanteil gewachsen, damit war bei einem Mindestmarktanteil von 𝑠𝑠 = 𝑞𝑞/ 𝑄𝑄 = 1,37 % aber keine Senkung der Durchschnittskosten verbunden - vielmehr kommt der Konzern jetzt einer Obergrenze von ca. 45 % näher, ab dem die Durchschnittskosten wieder ansteigen könnten (Tremblay und Tremblay 2005 sowie Barth-Haas Group 2020). economies of scale ATC 0 q q 0 ATC 0 q 1 ATC 1 horizontaler Verlauf Durchschnittskosten diseconomies of scale Audi Porsche BMW VW Mercedes -Benz Tesla Toyota economies of scale ATC, p 0 ATC 0 p horizontaler Verlauf Durchschnittskosten diseconomies of scale q/ Q MES=1,37 % ~ 28 % ~ 45 % AB Invev (inkl. SAB Miller) <?page no="169"?> Wettbewerber, Industrielebenszyklen und Unternehmenswachstum 169 Signifikante Economies of Scale in einer Industrie bedeuten aber nicht zwingend nur ein oder wenige Unternehmen. In der weltweiten Bierindustrie gibt es mit AB InBev, SAB Miller, China Snow und Heineken zwar nur wenige sehr große Anbieter (mit einer Vielzahl von zugehörigen Marken), aber parallel auch sehr viele sehr kleine Anbieter. Die Koexistenz ist, neben horizontaler Produktdifferenzierung auf Basis von Marketing und regional geprägter Präferenzen der Kunden, insbesondere durch hinreichend hohe Preise gewährleistet: die hohen Preise ermöglichen den größten Anbietern hohe Preis-Kosten-Margen und damit Gewinne, für die kleinen Anbieter ist so das Überleben gesichert. In der Realität sind die Unternehmen einer Industrie weder gleich groß, noch wachsen alle im selben Maß. Da alle Unternehmen, selbst bei identischer Technologie, Marktchancen unterschiedlich wahrnehmen und strategisch unterschiedlich vorgehen, sind heterogene Wachstumsprozesse der Unternehmen die Regel - insbesondere aber sogar rein zufällige Wachstumsraten, d.h. Unternehmen verfehlen regelmäßig ihre Wachstumsziele nach oben oder unten (Miller und Cardinal 1994, Stam 2010 sowie Titus et al. 2011). Industrien sind regelmäßig durch eine asymmetrische Größenverteilung gekennzeichnet, die zwar im Zeitablauf einem kontinuierlichen Wandel unterliegt, aber nicht auf eine Marktstruktur gleicher Unternehmensgrößen zustrebt. Möglich ist eine asymmetrische Größenverteilung der Unternehmen dann, wenn konstante Skalenerträge vorliegen und die Nachfrage wächst. Wird diese zusätzliche Nachfrage ‚zufällig‘ von irgendeinem der Unternehmen - unabhängig von der Größe der Unternehmen - erfüllt, so stellt sich im Zeitablauf rein stochastisch bedingt eine asymmetrische Größenverteilung ein, die auf den Wachstumsprozessen der Unternehmen beruht. In → Abbildung 3.12 ist die Häufigkeitsverteilung der Wachstumsraten 𝑤𝑤 von 49 Unternehmen in der deutschen Automobilindustrie von 1970 bis 1996 zu sehen: Die prozentualen jährlichen Wachstumsraten haben einen Mittelwert von 𝑤𝑤 = 0,0185 bei einer Standardabweichung der <?page no="170"?> 170 Dynamik im Wettbewerb Abbildung 3.12: Wachstumsraten der Unternehmen in der deutschen Automobilindustrie von 1970 bis 1996 l Datenquelle: Jahresberichte Kraftfahrtbundesamt 1971 bis 1997, Absatzzahlen Neuwagen, teilweise eigene Berechnungen, Münter 1999. Verteilung von 𝜎𝜎 = 0,1568 - die Wachstumsraten scheinen zufällig verteilt nahe an einer gestrichelt eingezeichneten Normalverteilung (weiterführend Münter 1999). Knapp 90% aller jährlichen Wachstumsraten liegen im Bereich zwischen -10% und +10%, etwas mehr als 10% der Wachstumsraten liegt außerhalb dieses Bereichs. Zufällige Wachstumsraten Zuerst wurde diese Möglichkeit rein zufälliger Wachstumsraten von Gibrat (1931) formuliert und überprüft (weiterführend zu einer Übersicht Sutton 1997 sowie Cabral und Mata 2003). Formal ergibt sich im Gibrat-Modell die Größe 𝑞𝑞 𝑖𝑖 (𝑡𝑡) eines Unternehmens i zu einem Zeitpunkt t als (3.9) 𝑞𝑞 𝑖𝑖 (𝑡𝑡) = 𝑤𝑤 𝑖𝑖 (𝑡𝑡)𝑞𝑞 𝑖𝑖 (𝑡𝑡 − 1) , wobei 𝑤𝑤 𝑖𝑖 (𝑡𝑡) = 1 + 𝑔𝑔 𝑖𝑖 (𝑡𝑡) mit 𝑔𝑔 𝑖𝑖 (𝑡𝑡) als Wachstumsrate eines Unternehmens 𝑖𝑖 zum Zeitpunkt 𝑡𝑡 den Wachstumsprozess eines Unternehmens 𝑖𝑖 und 𝑞𝑞 𝑖𝑖 (𝑡𝑡 − 1) die Unternehmensgröße in der Vorperiode 𝑡𝑡 − 1 darstellt. Für die Größe eines Unternehmens in Bezug auf dessen ursprüngliche Größe 𝑞𝑞 𝑖𝑖 (0) ergibt sich dann (3.10) 𝑞𝑞 𝑖𝑖 (𝑡𝑡) = (1 + 𝑔𝑔 𝑖𝑖 (𝑡𝑡))𝑞𝑞 𝑖𝑖 (𝑡𝑡 − 1) = 𝑞𝑞 𝑖𝑖 (0)�1 + 𝑔𝑔 𝑖𝑖 (1)��1 + 𝑔𝑔 𝑖𝑖 (2)� … (1 + 𝑔𝑔 𝑖𝑖 (𝑡𝑡)) . <?page no="171"?> Wettbewerber, Industrielebenszyklen und Unternehmenswachstum 171 Abbildung 3.13: Unternehmenswachstum auf Basis von zufälligen Gibrat-Prozessen, oben absolute Unternehmensgrößen, unten Marktanteile. <?page no="172"?> 172 Dynamik im Wettbewerb Sind die Wachstumsraten 𝒈𝒈 𝒊𝒊 (𝒕𝒕) aller Unternehmen zu allen Zeitpunkten zufällig (d.h. identisch und unabhängig verteilt), dann entwickelt sich im Zeitablauf eine logarithmische Normalverteilung mit einem Mittelwert 𝜇𝜇 und einer Varianz 𝜎𝜎 2 (vgl. weiterführend Münter 1999). In Abhängigkeit von der abgelaufenen Zeit 𝑇𝑇 sind damit die Unternehmensgrößen logarithmisch-normal verteilt mit einem Mittelwert 𝜇𝜇 = 𝑇𝑇𝑚𝑚 und der Varianz 𝜎𝜎 2 = 𝑇𝑇𝑠𝑠 2 . Im Zeitablauf nimmt die Varianz und damit bei konstanter Zahl der Unternehmen die horizontale Konzentration einer Industrie zu. Um diese abstrakten Zusammenhänge zu verdeutlichen, sind in → Abbildung 3.13 zwei Industrien mit je vier Unternehmen und deren individuellen Wachstumsprozessen und Marktanteilen simuliert. In Industrie 1 wachsen Unternehmen C und D zunächst deutlich stärker als die Wettbewerber. Ab dem Zeitpunkt t=65 übernimmt Unternehmen C aber die Marktführerschaft und erreicht ab Zeitpunkt t=85 einen Marktanteil 𝑠𝑠 𝑀𝑀 = 𝑞𝑞 𝑐𝑐 / Σ𝑞𝑞 𝑖𝑖 > 50% . In Industrie 2 bleiben dagegen alle Unternehmen relativ klein, wenngleich Unternehmen E ab dem Zeitpunkt t=33 Marktführer ist, wenngleich ohne großen Abstand zu Unternehmen F aufbauen zu können. Wichtig ist aber zu erkennen, dass in beiden Industrien im Zeitablauf die Varianz der Unternehmensgrößen zufallsgetrieben zunimmt. Fragen │ Weshalb sind die Wachstumsraten der Unternehmen zufällig? Wenn Wettbewerb zufällige Ergebnisse hervorbringt, ist dann Strategie unnötig? Die Rechtfertigung für die Verwendung von Zufallsprozessen in der Wettbewerbsanalyse folgt aus empirischen Beobachtungen. So sind die Determinanten der Wachstumsprozesse einzelner Unternehmen nicht eindeutig zu identifizieren: weder Innovationen noch Preisstrategie oder Kostenstruktur spielen regelmäßig eine signifikante Rolle - das Zusammenspiel aller Einflussgrößen scheint dann zufällig.  <?page no="173"?> Wettbewerber, Industrielebenszyklen und Unternehmenswachstum 173 Kann man also die Vielzahl der Einflussfaktoren nicht identifizieren oder deren spezifischen Einfluss nicht quantifizieren, so lässt sich die Summe dieser Einflüsse als Zufall interpretieren. Der Zufallsprozess wird also als Ergebnis des Wettbewerbsprozesses gesehen (weiterführend Jovanovic 1982, Sutton 1997 sowie Münter 1999). Die Vielfalt des Wettbewerbs reduziert sich damit auf Zufälle, die das Wohl und Wehe der Unternehmen und damit die Evolution einer Industrie bestimmen. In Anbetracht der Menge an spieltheoretischen Wettbewerbsmodellen und den oftmals indeterminierten Lösungen lässt sich der Zufall auch theoretisch erklären: man kann sich dies plausibel machen, indem man die Menge aller Ergebnisse aller strategischen Spiele zwischen allen oder einer Auswahl der Unternehmen - mithin das Ergebnis des Wettbewerbsprozesses - als Ergebnisraum des Wettbewerbsprozesses versteht. Bei vollständiger Information und wechselseitig konsistenten Erwartungen reduziert sich dieser Ergebnisraum auf ein bestimmtes Wettbewerbsergebnis, welches schließlich zustande kommt. Man kann nun jedoch annehmen, dass die Unternehmen weder vollständig informiert sind, noch wechselseitig konsistente Erwartungen haben. Wenn dies der Fall ist, dann 'spielen' die Unternehmen gemäß ihren individuellen Erwartungen ein bestimmtes 'Spiel' mit einer bestimmten 'Strategie'. Das Ergebnis eines solchen Wettbewerbsprozesses und der gewählten Wachstumsstrategie ist nicht vorhersagbar, es ist alleine zufällig. Das Ausmaß des Zufalls - die Varianz des Zufallsergebnisses - hängt jedoch vom jeweiligen ‚Spiel‘ ab, das heißt von der jeweiligen Form des Wettbewerbs. Werden von den Konkurrenten ‚unvorhersehbare‘ Wettbewerbsinstrumente wie Forschung und Entwicklung oder Werbung eingesetzt, so ist die Varianz des Zufallsprozesses sicherlich größer als im Fall einfachen Preiswettbewerbs á la Bertrand. Offensichtlich wird dies auch bei einem Rückgriff auf das Modell von Sutton (1991). Wird nur Bertrand-Wettbewerb betrachtet, so ergeben sich eindeutige, relativ leicht vorhersehbare Wettbe- <?page no="174"?> 174 Dynamik im Wettbewerb werbsgleichgewichte. Im Gegensatz dazu resultieren bei Produktdifferenzierung (und damit einhergehendem F&E- und Werbe- Aufwand) multiple Gleichgewichte. Welches dieser Gleichgewichte tatsächlich realisiert wird, hängt dann von den Einschätzungen, der Informationssituation und den Strategien der Unternehmen sowie von der Marktstruktur ab - in der Summe scheinen diese Einflussfaktoren oftmals zufällig (weiterführend → Kapitel 4 und → Kapitel 5). In empirischen Studien zum Gibrat-Modell und zu Determinanten des Wachstums von Unternehmen wird deutlich, dass das Modell nur modifiziert gilt. Zunächst zeigt sich zwar häufig, dass die Wachstumsraten zufällig sind - allerdings sind die zugrundeliegenden Zufallsverteilungen nicht von den Unternehmen unabhängig (Evans 1987, Dunne und Hughes 1994, Variyam und Kraybill 1992, Hart und Oulton 1996, Geroski et al. 1997 sowie Coad und Hölzl 2012): ■ Die Wachstumsraten kleiner Unternehmen sind höher als diejenigen der größeren Unternehmen. Oberhalb industriespezifischer Schwellengrößen (bspw. Mindestbetriebsgröße der Unternehmen) sind die Wachstumsraten mit zunehmender Größe der Unternehmen rückläufig und gleichen sich zunehmend dem Gesetz von Gibrat an. ■ Mit zunehmendem Alter eines Unternehmens gehen die Wachstumsraten zurück. Junge Unternehmen wachsen - unabhängig von ihrer Größe beim Eintritt - signifikant schneller als ältere und etablierte Unternehmen. Mit zunehmendem Alter und zunehmender Größe eines Unternehmens geht die unternehmensspezifische Varianz der Wachstumsraten zurück. Die Varianz ist für kleine Unternehmen relativ konstant und geht erst mit deutlich zunehmender Unternehmensgröße zurück, wohingegen die Varianz mit dem Alter der Unternehmen sofort deutlich absinkt. ■ Unternehmensspezifisch liegen über kurze Zeiträume häufig seriell korrelierte Wachstumsraten vor - Unternehmen wachsen oder schrumpfen kontinuierlich über mehrere Jahre. Kurzfristig ergeben sich diese persistenten Wachstumsraten aufgrund <?page no="175"?> Marktstruktur und Wettbewerbsintensität 175 temporärer Wettbewerbsvorteile, nicht jedoch aufgrund unternehmensspezifischer Effekte. ■ Innovationen und Wachstumsraten von Unternehmen sind nur schwach korreliert - zwar sind gerade sehr hohe Wachstumsraten junger Startups teilweise durch Produktinnovationen erklärbar, bei großen und etablierten Unternehmen ist dieser Effekt nicht beobachtbar. Prozessinnovationen von Unternehmen scheinen dagegen auf Effizienzsteigerung ausgerichtet und haben damit keinen direkten Wachstumseffekt. In → Abbildung 3.14 sind die Wachstumsraten der logarithmierten Unternehmensgrößen aus der deutschen Automobilindustrie in Abhängigkeit des Alters der Unternehmen und der Größe der Unternehmen zu sehen - offensichtlich gilt auch hier, dass mit zunehmendem Alter und zunehmender Größe der Unternehmen sowohl Mittelwert als auch Varianz der Wachstumsraten zurückgehen. Abbildung 3.14: Wachstumsraten der Unternehmen in der deutschen Automobilindustrie von 1970 bis 1996 in Abhängigkeit von Alter (links) und logarithmierter Unternehmensgröße des Vorjahres (rechts) l Datenquelle: Jahresberichte Kraftfahrtbundesamt 1971 bis 1997, eigene Berechnungen, Münter 1999. Marktstruktur und Wettbewerbsintensität Hohe Wettbewerbsintensität ist für viele Unternehmen der stärkste Treiber, neue Strategien zu entwickeln, Innovationen umzusetzen oder Kosten zu senken - aber wie kann die Wettbewerbsintensität einer In- -6 -4 -2 0 2 4 6 0 20 40 60 80 100 120 w t Alter -6 -4 -2 0 2 4 6 0 2 4 6 8 10 12 14 w t ln q t-1 <?page no="176"?> 176 Dynamik im Wettbewerb dustrie abgeschätzt und ermittelt werden? Tatsächlich lässt sich die Wettbewerbsintensität in vielen Industrien nur unscharf beschreiben und nicht direkt messen. Ursache hierfür ist die Vielfalt möglicher Unternehmensstrategien und die Rahmenbedingungen in einzelnen Märkten. Allerdings kann man auf die Wettbewerbsintensität indirekt aus der oft gut beobachtbaren Marktstruktur und der horizontalen Konzentration rückschließen. Industrien unterscheiden sich in ihrer horizontalen Konzentration der Verteilung der Marktanteile, die eine Zuordnung auf grundlegende Marktstrukturen (marktbeherrschende Unternehmen, Oligopol oder vollständige Konkurrenz) möglich macht. Marktanteile können hoch konzentriert bei wenigen Unternehmen sein (wie bspw. in der deutschen Mobilfunkindustrie mit vier Anbietern Telefónica , Vodafone , 1&1 Drillisch und Deutsche Telekom ) oder niedrig konzentriert bei vielen kleinen Unternehmen mit minimalen Marktanteilen (wie bspw. Restaurants, Wohnungsvermieter oder Bäckereien). Die Konzentration wird bestimmt durch die Dynamik der Zahl der Anbieter und die Veränderung der Marktanteile im Zeitablauf, ob also viele Unternehmen in den Markt ein- oder austreten, und wie unterschiedlich die Wachstumsraten sind. Empirisch zeigt sich, dass Gewinne der Unternehmen umso höher sind, je höher die horizontale Konzentration einer Industrie ist, und dass Gewinne einzelner Unternehmen positiv mit Marktanteilen korreliert sind - die Wettbewerbsintensität nimmt also mit zunehmender horizontaler Konzentration ab. In empirischen Studien wird die horizontale Konzentration der Marktanteile durch den Umfang der Economies of Scale und Sunk Costs (insbesondere F&E-Aufwendungen und Marketing) und durch die Größe des Marktes und die Wachstumsrate des Marktes begrenzt: je höher die Sunk Costs, desto höher die horizontale Konzentration - je höher die Wachstumsrate des Marktes, desto niedriger die horizontale Konzentration (Sutton 1991 und 2007 sowie Robinson und Chiang 1996). Langfristig zeichnet sich damit keine eindeutige Entwicklungsrichtung der horizontalen Konzentration ab: der Bericht zu sektor- <?page no="177"?> Marktstruktur und Wettbewerbsintensität 177 übergreifenden horizontalen Konzentration der Monopolkommission beschreibt über alle Industrien einen seit Mitte der 1970er Jahre rückläufigen Marktanteil der jeweils größten Unternehmen. Andererseits liegt die horizontale Konzentration sowohl für Finanzdienstleister wie auch für Versicherungen in den 2010er Jahren deutlich über dem Niveau der 1980er Jahre - im Wesentlichen begründet durch Unternehmenszusammenschlüsse und die Verdrängung kleinerer Unternehmen infolge fixkostenintensiver regulatorischer Anforderungen (Monopolkommission 2020). Für Europa steigt im Zeitraum 1995 bis 2014 die horizontale Konzentration in Dienstleistungsbereichen, geht aber im verarbeitenden Gewerbe zurück (Affeldt et al. 2021). Horizontale Konzentration Marktstruktur beschreibt die Anzahl und Größenverteilung der Unternehmen einer Industrie. Um Marktstruktur messbar und damit über verschiedene Industrien vergleichbar zu machen, werden Konzentrationsindizes und Konzentrationsraten verwendet. Horizontale Konzentration beschreibt dabei, wie stark große Marktanteile bei wenigen Unternehmen einer Industrie liegen. Üblich sind dabei zwei Arten von Maßen: Konzentrationsraten und Konzentrationsindizes. Konzentrationsraten beschreiben die Summe der Marktanteile 𝑠𝑠 𝑖𝑖 = 𝜕𝜕 𝑖𝑖 𝑄𝑄 der größten Unternehmen, bspw. als 𝑪𝑪𝑪𝑪 -Konzentrationsrate (3.11) 𝑇𝑇4 = 𝑠𝑠 1 + 𝑠𝑠 2 +𝑠𝑠 3 +𝑠𝑠 4 = ∑ 𝑠𝑠 𝑖𝑖 4𝑖𝑖=1 die aufsummierten Marktanteile der vier größten Unternehmen einer Industrie. Dieser Wert strebt gegen 0, wenn bei sehr großer Zahl an Unternehmen in einer Industrie auch die vier größten Unternehmen Marktanteile nahe 0 % haben - umgekehrt beträgt der Wert 1, wenn es nur vier Unternehmen in dieser Industrie gibt. Wesentlicher Vorteil dieser Konzentrationsrate ist, dass sie meist einfach zu berechnen und gut nachvollziehbar ist - allerdings wird die Verteilung der Marktanteile kleinerer Unternehmen nicht berücksichtigt, und ggfs. ist der Wert 𝑇𝑇4 <?page no="178"?> 178 Dynamik im Wettbewerb durch ein größtes Unternehmen (bspw. Google bei Suchmaschinen in Deutschland) deutlich verzerrt. Deshalb wird - wenn die Daten aller Unternehmen vorliegen - horizontale Konzentration einer Industrie häufig durch den Herfindahl- Index (3.12) 𝐻𝐻 = 𝑠𝑠 12 + 𝑠𝑠 22 +𝑠𝑠 32 + ⋯ + 𝑠𝑠 𝑛𝑛2 = ∑ 𝑠𝑠 𝑖𝑖2 𝑛𝑛𝑖𝑖=1 der Summe der quadrierten Marktanteile 𝑠𝑠 𝑖𝑖 aller 𝑛𝑛 Unternehmen ausgedrückt, der sich alternativ bei einer Anzahl der Unternehmen 𝑛𝑛 und einer Varianz 𝜎𝜎 𝑠𝑠 𝑖𝑖 2 = 1 𝑛𝑛 ∑ (𝑠𝑠 𝑖𝑖 − 𝑠𝑠̅) 2 𝑛𝑛𝑖𝑖=1 der Marktanteile 𝑠𝑠 𝑖𝑖 als (3.13) 𝐻𝐻 = 1 𝑛𝑛 + 𝑛𝑛𝜎𝜎 𝑠𝑠 𝑖𝑖 2 ergibt. Der Term 𝑠𝑠̅ = 1/ 𝑛𝑛 gibt dabei die durchschnittliche Unternehmensgröße an und stellt für 𝜎𝜎 𝑠𝑠 𝑖𝑖 2 = 0 (also gleich große Unternehmen) ein Mindestmaß und damit eine Untergrenze der horizontalen Konzentration in Abhängigkeit von der Zahl der Unternehmen dar. Je größer die Varianz 𝜎𝜎 𝑠𝑠 𝑖𝑖 2 der Marktanteile der Unternehmen einer Industrie, desto höher ist die horizontale Konzentration - der Herfindahl-Index strebt gegen 1, wenn ein Unternehmen einen Marktanteil nahe an 100 % an, er wird 0, wenn eine große Zahl sehr kleiner Unternehmen im Wettbewerb stehen. Da der Herfindahl-Index alle Unternehmen einer Industrie berücksichtigt, wird eine deutlich präzisere Abschätzung der Konzentration der Marktstruktur sowie der dahinterliegenden Wettbewerbsintensität möglich. Daneben ermöglicht der Herfindahl-Index eine weitere Analyse: Bei gleich großen Unternehmen (und damit einer Varianz 𝜎𝜎 𝑠𝑠 𝑖𝑖 2 = 0 ) ergibt sich durch Umstellen von Gleichung (3.13), dass die zu erwartende Zahl an Unternehmen (Numbers Equivalent) (3.14) 𝑛𝑛� = 1 𝑆𝑆 <?page no="179"?> Marktstruktur und Wettbewerbsintensität 179 dem Kehrbruch des Herfindahl-Index entspricht. Wenn die tatsächliche Zahl 𝑛𝑛 der Unternehmen in einer Industrie deutlich größer als der zu erwartende Wert 𝑛𝑛� ist, ist dies ein erster Indikator für eine marktbeherrschende Stellung der größten Unternehmen und reduzierte Wettbewerbsintensität (weiterführend → Kapitel 3 zu Mindestbetriebsgrößen). Sowohl für 𝑇𝑇4 -Konzentrationsraten wie auch für den Herfindahl-Index existieren empirische Studien, die folgende robuste stilisierte Fakten zeigen (Böbel 1984, Sutton 1991 und Münter 1999): ■ Je höher die horizontale Konzentration, desto geringer die Wettbewerbsintensität, ■ je höher die horizontale Konzentration, desto höher die durchschnittliche Profitabilität der Unternehmen, und ■ die horizontale Konzentration wird wesentlich durch das Zusammenspiel von Marktgröße und -wachstum, Eintrittsbarrieren und Sunk Costs in einer Industrie beeinflusst (weiterführend → Kapitel 5). Fragen │ Wie hoch ist die Wettbewerbsintensität im deutschen Lebensmitteleinzelhandel? In → Tabelle 3.2 sind zunächst die Marktanteile der acht größten deutschen Lebensmitteleinzelhändler für die Jahre 2009 bis 2019 zu sehen. Auf den ersten Blick existieren offenbar vier große Unternehmen, von denen Edeka in den betrachteten Jahren seinen Marktanteilsvorsprung leicht ausbauen konnte. Daneben ist erkennbar, dass die vier kleineren Wettbewerber in Summe leicht Marktanteile verloren haben. Berechnet man für die gegebenen Marktanteile die 𝑇𝑇4 -Konzentrationsrate und den Herfindahl-Index, wird in → Abbildung 3.15 ein deutlicher Anstieg der horizontalen Konzentration erkennbar. Tatsächlich decken die Unternehmen aber nur etwa 82 % in 2009 ansteigend auf 85 % in 2019 des Gesamtmarktes ab - d.h. offensichtlich sind kleinere oder regionale Unternehmen in der Statistik nicht  <?page no="180"?> 180 Dynamik im Wettbewerb enthalten. Um die fehlenden Unternehmen zu berücksichtigen, kann man mit einer Annahme deren Zahl und Größe abschätzen: Man unterstellt, dass die fehlenden Marktanteile sich auf Unternehmen verteilen, die im Durchschnitt der Marktanteile halb so groß wie das kleinste in der Statistik vorhandene Unternehmen 𝑠𝑠 𝑖𝑖 𝑚𝑚𝑖𝑖𝑛𝑛 sind. So ergibt sich für 2009 eine Anzahl fehlender Unternehmen 𝑛𝑛‘ von (3.15) 𝑛𝑛 2009 ‘ = �1−∑ 𝑠𝑠 𝑖𝑖 𝑛𝑛𝑖𝑖=1 � 𝑠𝑠 𝑖𝑖 𝑚𝑚𝑖𝑖𝑛𝑛 / 2 = 25,29 , so dass die Anzahl relevanter Wettbewerber in 2009 ca. 𝑛𝑛� = 𝑛𝑛 + 𝑛𝑛 ′ ≅ 33 betragen hat. Entwickelt man nun für die Jahre 2010 bis 2019 den Wert von 𝑛𝑛� fort, so ist zu erkennen, dass die offensichtlichen Marktanteilsverschiebungen der großen Unternehmen insbesondere zu einer deutlichen Reduktion der Zahl der Unternehmen im Markt geführt haben (siehe auch → Abbildung 3.15 links unten). Marktstruktur im deutschen Lebensmittelhandel Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Marktanteile nach Umsatz Edeka-Gruppe 24,4 % 24,6 % 25,3 % 25,6 % 25,5 % 25,2 % 25,3 % 25,3 % 23,5 % 26,2 % 26,8 % Rewe-Gruppe 16,1 % 16,2 % 14,9 % 15,0 % 14,9 % 14,8 % 15,0 % 15,1 % 17,5 % 16,1 % 16,2 % Schwarz-Gruppe 13,7 % 13,9 % 13,8 % 13,8 % 14,4 % 14,8 % 14,7 % 15,0 % 15,9 % 15,7 % 16,0 % Aldi-Gruppe 12,5 % 12,1 % 12,0 % 12,0 % 12,3 % 12,1 % 11,9 % 12,0 % 12,2 % 12,0 % 11,5 % Metro-Gruppe 7,3 % 7,0 % 6,8 % 6,5 % 6,0 % 5,8 % 5,4 % 5,2 % 5,6 % 4,8 % 4,6 % Lekkerland 4,8 % 4,7 % 4,5 % 4,7 % 4,6 % 4,7 % 4,7 % 4,6 % 3,8 % 3,9 % 3,7 % dm 2,1 % 2,2 % 2,4 % 2,6 % 2,9 % 3,1 % 3,3 % 3,5 % 3,2 % 3,5 % 3,6 % Rossmann 1,4 % 1,6 % 1,7 % 2,3 % 2,5 % 2,6 % 2,7 % 2,8 % 2,6 % 2,9 % 3,0 % Summe Marktanteile 82,3 % 82,3 % 81,4 % 82,5 % 83,1 % 83,1 % 83,0 % 83,5 % 84,3 % 85,1 % 85,4 % <?page no="181"?> Marktstruktur und Wettbewerbsintensität 181 C4-Konzentrationsrate 0,6670 0,6680 0,6600 0,6640 0,6710 0,6690 0,6690 0,6740 0,6910 0,7000 0,7050 Herfindahl-Konzentrationsindex 𝐻𝐻 0,1281 0,1286 0,1272 0,1291 0,1303 0,1292 0,1292 0,1305 0,1323 0,1395 0,1426 fehlende Unternehmen 𝑛𝑛’ (geschätzt) 25,29 22,13 21,88 15,22 13,52 13,00 12,59 11,79 12,08 10,28 9,73 korrigierter Herfindahl-Index 0,1294 0,1300 0,1287 0,1311 0,1324 0,1314 0,1315 0,1328 0,1343 0,1417 0,1448 hypothetisches 𝑛𝑛� = 1/ 𝐻𝐻 (Numbers Equivalent) 7,73 7,69 7,77 7,63 7,55 7,61 7,60 7,53 7,44 7,06 6,91 Geschätzte Anzahl relevanter Wettbewerber 𝑛𝑛� (geschätzt) 33,29 30,13 29,88 23,22 21,52 21,00 20,59 19,79 20,08 18,28 17,73 Varianz der Marktanteile 0,5431 0,5488 0,5542 0,5505 0,5494 0,5355 0,5388 0,5423 0,5432 0,6122 0,6426 Tabelle 3.2: Marktstruktur im deutschen Lebensmittelhandel 2009 bis 2019, Marktanteile auf Basis Umsatz in Deutschland | Datenquelle Marktanteile: BVE Jahresbericht 2019/ 2020, eigene Berechnungen. Abbildung 3.15: Analyse der Marktstruktur und Wettbewerbsintensität im deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Noch deutlicher wird das Bild, wenn in → Abbildung 3.15 rechts unten die Zahl der relevanten Unternehmen in Relation zur Varianz der Marktanteile im Zeitablauf betrachtet wird: Offensichtlich ist seit 2009 zunächst die Zahl der Unternehmen durch Streaming 0 0,1 0,2 0,3 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Marktanteile im Lebensmitteleinzelhandel (2009 bis 2019) Edeka-Gruppe Rewe-Gruppe Schwarz-Gruppe Aldi-Gruppe Metro-Gruppe Lekkerland dm Rossmann 0,1150 0,1200 0,1250 0,1300 0,1350 0,1400 0,1450 0,6200 0,6400 0,6600 0,6800 0,7000 0,7200 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 C4-Konzentrationsrate und Herfindahl- Konzentrationsindex (2009 bis 2019) C4-Konzentrationsrate Herfindahl-Konzentrationsindex C4 H 0,00 20,00 40,00 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Zahl der Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel (2009 bis 2019) hypothetisches n (Numbers Equivalent) tatsächliches n (geschätzt) 2009 2010 2012 2016 2018 2019 0,52 0,54 0,56 0,58 0,6 0,62 0,64 0,66 15,00 20,00 25,00 30,00 35,00 Zahl der Unternehmen 𝑛𝑛 ̂ und Varianz der Marktanteile (2009 bis 2019) <?page no="182"?> 182 Dynamik im Wettbewerb Marktaustritte und Übernahmen deutlich zurückgegangen, und ab etwa 2016 ist die Varianz der Marktanteile deutlich gestiegen - gleichbedeutend einem Marktanteilswachstum der großen Unternehmen zu Lasten der Marktanteile der kleineren Unternehmen. Marktmacht und Wettbewerbssituation Horizontale Konzentration ist aus wettbewerbspolitischer Perspektive ein möglicher Indikator für Marktmacht oder kollektive Marktbeherrschung. Die Monopolkommission veröffentlich jedes zweite Jahr im Hauptgutachten einen Bericht zur horizontalen Konzentration in deutschen Industrien, um die Entwicklung der Wettbewerbsintensität zu analysieren und mögliche marktbeherrschende Konstellationen zu identifizieren (Monopolkommission 2020). Der enge Zusammenhang von 𝑇𝑇4 -Konzentrationsrate und Herfindahl- Index in → Abbildung 3.15 rechts oben ist dabei nicht zufällig - man kann theoretisch zeigen, dass für den Herfindahl-Index in Abhängigkeit der 𝑪𝑪𝑪𝑪 -Konzentrationsrate eine Untergrenze (3.17) 𝐻𝐻 𝑚𝑚𝑖𝑖𝑛𝑛 = 𝑀𝑀4 2 4 und eine Obergrenze (3.18) 𝐻𝐻 𝑚𝑚𝑎𝑎𝑚𝑚 = � 𝑀𝑀4 4 für 𝑇𝑇4 < 14 𝑇𝑇4 2 für 𝑇𝑇4 ≥ 14 existiert (Sleuwaegen und Dehandschutter 1986 sowie Münter 1999). Zudem kann man aufgrund empirischer Studien die horizontale Konzentration grob auf bestimmte Markstrukturen zuordnen, wie in → Abbildung 3.18 zu sehen. <?page no="183"?> Marktstruktur und Wettbewerbsintensität 183 Abbildung 3.18: Marktstruktur und horizontale Konzentration. Entsprechend ist in der deutschen Lebensmittelindustrie, in der die vier größten Unternehmen in 2019 Marktanteile von über 70 % besitzen, von marktbeherrschenden Unternehmen auszugehen. In den USA ist in den Merger Guidelines zur Beurteilung von Unternehmenszusammenschlüssen eine Klassifikation der horizontalen Konzentration auf Basis des Herfindahl-Index festgelegt: Bei 𝐻𝐻 < 0,15 gilt ein Markt als nicht konzentriert, ein Wert 0,15 ≤ 𝐻𝐻 ≤ 0,25 zeigt eine mittlere Konzentration an, bei 𝐻𝐻 > 0,25 ist ein Markt stark konzentriert. H 0,4 0,6 0,8 0,8 1 0,2 C4 0,6 1 0,4 0 0,2 marktbeherrschende Unternehmen Oligopol Vollständige Konkurrenz H min H max <?page no="184"?> 184 Dynamik im Wettbewerb Fragen │ Wie stabil ist Marktführerschaft? Die empirisch zufällig erscheinenden Wachstumsraten aus dem Gibrat-Modell schlagen sich in ungleiche Marktanteile und entsprechende Größenrangordnung der Unternehmen nieder - ob Unternehmen ihre Marktführerschaft und ihre Marktanteile verteidigen können, oder ob die Marktführerschaft und die relativen Ränge im Wettbewerb regelmäßig wechseln, hängt dann von der Dynamik der Wettbewerbsprozesse ab (Kambhampati 2000 und Sutton 2007): tatsächlich wechselt in etwa 50% der Industrien die Marktführerschaft gemessen am Umsatz innerhalb von 10 Jahren - Wechsel sind umso seltener, je höher die Eintrittsbarrieren, je höher die Profitabilität der Industrie und je geringer die Wachstumsraten der Industrie sind. Aggregierte Maße wie der Herfindahl-Index zeigen im Zeitablauf meist nur schwache Veränderungen - unabhängig davon kann aber unter der Oberfläche intensiver Wettbewerb stattfinden. Um die Effekte dynamischer Wettbewerbsprozesse auf Marktanteile und Konzentration noch besser greifen zu können, bieten sich zwei weitere Messgrößen an, ■ die Rangstabilität der Unternehmen und ■ die Mobilität der Marktanteile. Die Rangstabilität der Unternehmen einer Industrie über die Zeit erfasst die relative Position der Unternehmen hinsichtlich ihres Marktanteils, so dass Veränderungen der Positionen als Maß der Dynamik und Wettbewerbsintensität interpretiert werden können. Zudem kann der Grad der Rangstabilität über Spearmans Rangkorrelationskoeffizienten auch ökonometrisch erfasst werden, um die Intensität des Wettbewerbsprozesses zu messen. In → Abbildung 3.16 ist die Rangstabilität der 100 größten Unternehmen in Deutschland von 1978 bis 2018 zu sehen - 31 Unternehmen aus 1978 gehören auch 2018 noch zu den den „100 Größten“. Von den ursprünglichen Top 25 waren es 14, von den Rängen 51 bis 100 aber nur neun Unternehmen. Damit rutschen etwa 2/ 3  <?page no="185"?> Marktstruktur und Wettbewerbsintensität 185 der Unternehmen innerhalb von 40 Jahren aus den Top 100. Woher kommen aber die 25 größten Unternehmen in 2018? Acht gehörten schon 1978 zu den Top 25 - aber mit 13 Unternehmen knapp mehr als die Hälfte gehörte 1978 noch nicht zu den größten 100 Unternehmen in Deutschland. Abbildung 3.16: Rangstabilität der 100 größten deutsche Unternehmen (industrieübergreifend) von 1978 bis 2018 l Datenquelle: Monopolkommission, Hauptgutachten 2020. Zwar ist die Messung der Rangstabilität gerade bei großen Unternehmen und Marktführerpositionen populär und anschaulich, allerdings ist die Rangstabilität der Unternehmen nicht von deren relativer Position in der Größenverteilung der Industrie unabhängig: gerade bei und unter kleinen Unternehmen ist häufig erheblich größere Wettbewerbsintensität im Vergleich mit marktführenden und großen Unternehmen zu beobachten. Um diese Dynamik besser sichtbar zu machen, können Indizes zur Messung der Mobilität der Marktanteile verwendet werden. Mobilität beschreibt hier die Umverteilung der Marktanteile innerhalb einer Industrie im Zeitablauf: sind Industrien durch starre Strukturen mit stabilen Marktanteilen geprägt, oder führt Instabilität der Marktanteile immer wieder zu neuen Strukturen in einer Industrie. Die Mobilität einer Industrie 𝑀𝑀 in einem Zeitraum von 0 <?page no="186"?> 186 Dynamik im Wettbewerb bis 𝑡𝑡 kann durch die Summe der quadrierten Veränderungen der Marktanteile 𝑠𝑠 𝑖𝑖 = 𝜕𝜕 𝑖𝑖 𝑄𝑄 aller 𝑛𝑛 Unternehmen in diesem Zeitraum mit (3.16) 𝑀𝑀 𝑡𝑡 = ∑ (𝑠𝑠 𝑖𝑖𝑡𝑡 − 𝑠𝑠 𝑖𝑖0 ) 2 𝑛𝑛𝑖𝑖=1 gemessen werden (weiterführend Münter 1999). In → Abbildung 3.17 ist die Mobilität der Marktanteile und der Herfindahl-Index für die deutsche Automobilindustrie zu sehen - offensichtlich geht mit signifikant rückläufiger horizontaler Konzentration eine phasenweise sehr geringe Umverteilung der Marktanteile einher - die Kunden hatten also in 1970er bis 1990er Jahren eine hohe Markenloyalität und geringe Wechselbereitschaft. Der deutliche Rückgang des Herfindahl-Index ist begründet durch eine stark ansteigende Zahl von Wettbewerbern in Deutschland seit etwa 1970 - zum einen sind sukzessiv die innereuropäischen Markteintrittsbarrieren durch Deregulierung reduziert worden, zum anderen sind insbesondere japanische und koreanische Anbieter (bspw. Toyota 1971, Mazda 1973, Subaru 1980 oder Kia 1993) erst im Zuge der Globalisierung als Anbieter in den deutschen Markt eingetreten. Abbildung 3.17: Herfindahl-Index und Mobilität der Marktanteile in der deutschen Automobilindustrie von 1970 bis 1996 (links) sowie Herfindahl-Index und Zahl der Unternehmen in der deutschen Automobilindustrie von 1970 bis 1996 (rechts) l Datenquelle: Jahresberichte Kraftfahrtbundesamt 1971 bis 1997, eigene Berechnungen, Münter 1999. 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 0,08 0,09 0,1 0,11 0,12 0,13 0,14 0,15 0,16 1970 1975 1980 1985 1990 1995 H H n n 0,08 0,09 0,1 0,11 0,12 0,13 0,14 0,15 0,16 0 0,002 0,004 0,006 0,008 0,01 1970 1975 1980 1985 1990 1995 H M M H <?page no="187"?> Marktstruktur und Wettbewerbsintensität 187 Marktanteile, Wettbewerbsfähigkeit und Gewinne Der Marktanteil und die Größe eines Unternehmens spiegelt indirekt dessen Wettbewerbsfähigkeit wider - ein direktes Maß sind jedoch die Gewinne der Unternehmen. In einigen Studien zeigt sich eine robuste, aber typischerweise nicht sehr hohe, positive Korrelation zwischen Marktanteilen und Gewinnen innerhalb einer Industrie (Szymanski et al. 1993 und Schwalbach 1991). Tatsächlich scheinen zahlreiche andere Einflussfaktoren (vgl. → Kapitel 2 zu Market-based View und Resource-based View) deutlich stärkeren Effekt auf die Höhe der Gewinne zu haben. Allerdings ist die andauernde Wettbewerbsfähigkeit einzelner Unternehmen durch die Persistenz ihrer Gewinne im Zeitablauf deutlich zu beobachten (Mueller 1986 und Schohl 1990). Gewinne werden also im Zeitablauf durch Wettbewerb häufig nicht reduziert, vielmehr gelingt einigen Unternehmen mit überlegener Strategie dauerhaft höhere Gewinne und Profitabilität zu erreichen, als dies Wettbewerbern möglich ist - andauernde Gewinndifferenzen der Unternehmen einer Industrie sind damit die Regel. Zwar gibt es, konjunkturell bedingt, Phasen, in denen die Gewinnklassen und deren Spannbreite absolut vermindert oder auseinandergezogen werden, jedoch bleiben die Klassen und damit die relative Ordnung der Gewinne dadurch im Wesentlichen unberührt. Die bisherigen empirischen Untersuchungen konnten die Determinanten persistenter Gewinne allerdings nicht eindeutig identifizieren. Mueller (1990) untersuchte die Persistenz der Gewinne für 600 der 1000 größten US-amerikanischen Unternehmen der Jahre 1950 und 1972. Es zeigt sich, dass einige der Unternehmen mit den höchsten Gewinnen die Marktführer der jeweiligen Industrie sind. Offensichtlich gehen also hohe Marktanteile mit langfristig überdurchschnittlichen Gewinnen einher. Zudem sind die persistenten Gewinne mit langfristig stabilen Marktanteilen hoch positiv korreliert. Darüber hinaus erweist sich das Umsatzwachstum eines Unternehmens als signifikante Determinante der langfristigen Profitabilität: überdurchschnittliches <?page no="188"?> 188 Dynamik im Wettbewerb Wachstum garantiert überdurchschnittliche Gewinne. Darüber hinaus zeigt sich aber insbesondere, dass persistente und langfristige Gewinndifferenzen die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und deren wiederholte Anpassungsfähigkeit an dynamische Umweltbedingungen widerspiegeln - also auf dynamische Fähigkeiten zurückzuführen sind (Geroski und Jacquemin 1988 sowie Cable und Jackson 2008). Zusammenfassung Wettbewerb ist ein komplexer Prozess, die Dynamik in Märkten bringt aber keine chaotischen Strukturen hervor - vielmehr lassen sich robuste Regelmäßigkeiten in zahlreichen Industrien erkennen und so zur Ableitung von Strategien nutzen. Allerdings sind die von den Unternehmen entwickelten Strategien nicht identisch: in der Folge sind Unternehmen innerhalb einer Industrie dauerhaft heterogen. Märkte und Industrien sind - unabhängig der gewählten Dimensionen und Kategorien - oft schwer abzugrenzen, weil im Zeitverlauf Kunden ihr Verhalten und Unternehmen ihre Strategien verändern. Risiko ist daher, dass die Markt- und Industrieabgrenzung auf Basis von bisherigem Markt- und Wettbewerberverhalten zu eng gewählt wird. Aus strategischer Sicht muss eine weite und unscharfe Abgrenzung gewählt werden, um relevante dynamische Prozesse am Rand oder ausserhalb bisheriger Markt- und Industriegrenzen frühzeitig zu erkennen. Zudem müssen diese Grenzen mit der zeitlichen und inhaltlichen Reichweite der Strategie konsistent sein - wenn ein Finanzdienstleister den Einstieg in digitale Versicherungsprodukte prüft, dann ist zwingend zu prüfen, ob nicht gleichzeitig eine Versicherung in digitale Bezahlmodelle einsteigt. Die Größe und Wachstumsrate eines Marktes lassen sich durch ökonometrische Verfahren, insbes. Regressionsanalysen auf Basis von Markforschungsdaten und Zeitreihenanalysen auf Basis der Entwicklung der letzten Jahre ermitteln. Typischerweise steigt im Zeitablauf die <?page no="189"?> Literaturtipps 189 Menge s-förmig an, die (inflations- und qualitätsbereinigten) Preise sinken kontinuierlich. Damit geht meist einher, dass die Wettbewerbsintensität steigt und die Profitabilität der Unternehmen zurückgeht. Für Produkte, die Zahl der Unternehmen und die Technologie lassen sich regelmäßig robuste Lebenszyklen im Zeitablauf entdecken, die eine Einordnung der aktuellen Wettbewerbssituation unterstützen. Diese Lebenszyklen gelten zwar nicht mit der Präzision von Naturgesetzen, ermöglich aber in Szenarien künftige Entwicklungen in Märkten und Industrien zu beschreiben. Damit werden relevante strategische Entscheidungen - Produktvs. Prozessinnovation, Preismodelle, Aufbau von Eintrittsbarrieren, Investition in Kundengewinnung oder -bindung etc. - unterstützt. Zwar erscheint aus empirischen Untersuchungen die dynamische Entwicklung von Marktanteilen zufällig, aber sowohl die Wettbewerbsfähigkeit als auch die Profitabilität von Unternehmen ist regelmäßig im Zeitablauf stabil. Aus strategischer Perspektive erscheint damit wesentlich, die Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen stärker in den Blick zu nehmen, anstatt Wachstumsraten oder die Größe eines Wettbewerbers als Orientierungspunkt zu verwenden. Die indirekt über die horizontale Konzentration messbare Wettbewerbsintensität wird mittel- und langfristig durch Markteintritte und die Wachstumsraten neuer Unternehmen bestimmt: werden Markteintritte durch effektive Eintrittsbarrieren erschwert und ist das Wachstum neuer Unternehmen gering, bleibt die Wettbewerbsintensität niedrig, et vice versa. Literaturtipps Einen übergreifenden Einstieg in die Dynamik von Märkten und Industrien aus empirischer Perspektive geben Baldwin. J.R., Dynamics of industrial competition, Cambridge 2010, sowie Sutton, J., Sunk costs and market structure: price competition, advertising, and the evolution of concentration, London 1991. <?page no="190"?> 190 Dynamik im Wettbewerb Kontrollfragen [1] Bestimmen Sie die Marktgrenzen für ein beliebiges Produkt - wie werden sich diese Marktgrenzen in den nächsten Jahren verändern? [2] Bestimmen Sie die relevanten Wettbewerber in einer beliebigen Industrie - wie werden sich die strategischen Gruppen innerhalb der Industrie in den nächsten Jahren verändern? [3] Wie können Unternehmen die Marktgröße durch strategische Maßnahmen beeinflussen? [4] Ermitteln Sie für ein beliebiges Produkt die Produktlebenszyklen - was bestimmt die Dynamik? [5] Erläutern Sie das Konzept der Industrielebenszyklen - welche strategischen Implikationen sind damit verbunden? [6] Weshalb erscheinen Wachstumsraten von Unternehmen in empirischen Studien als zufällig? [7] Erläutern Sie in Abhängigkeit von Kostenkurven und des Gibrat-Modells Entscheidungen eines Unternehmens zu Wachstumsstrategien! [8] Beschreiben Sie einen typischen Technologiezyklus an einem selbstgewählten Beispiel. [9] Bestimmen Sie die Marktanteile und Konzentrationsraten einer beliebigen Industrie - was können Sie über die Wettbewerbsintensität und die Profitabilität in der Industrie ableiten? [10] Erläutern Sie den Zusammenhang zwischen Wettbewerbsintensität, horizontaler Konzentration und Dynamik der Marktanteile. Literatur Affeldt, P., Duso, T., Gugler, K. und Piechucka, J., Market concentration in Europe: evidence from antitrust markets, DIW Discussion Paper, 2021, 1930. Anderson, C.R. und Zeithaml, C.P., Stage of the product life cycle, business strategy, and business performance, Academy of Management Journal, 1984, 27, 1, 5-24. Argote, L. und Epple, D., Learning curves in manufacturing, Science, 1990, 247, 4945, 920-924. Ashley, R., Granger, C. 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Der Wettbewerber bietet Speiseeis derselben Qualität zu gleichen Preisen an, die Kunden haben keine Präferenzen für einen der beiden Eisverkäufer. Wo sollte der neu an den Strand kommende Wettbewerber Star- Ice seinen Eiswagen platzieren bzw. aufbauen, um seine Gewinne zu maximieren? Wie wird sich der Wettbewerber Triangel-Ice verhalten? Abbildung 4.1: Strategische Positionierung von Eiswagen an einem linearen Strand. A B ? A B A B <?page no="197"?> Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie 197 Zunächst kann sich das neue Unternehmen Star-Ice direkt rechts neben dem Wettbewerber Triangel-Ice positionieren - so haben alle Kunden rechts einen kürzeren Weg zum neuen Wettbewerber Star-Ice und das Unternehmen entsprechend einen großen Marktanteil. Triangel-Ice wird aber reagieren und den eigenen Standort nach rechts verändern - was wiederum eine Reaktion von Star-Ice hervorrufen wird. Diese Dynamik wird solange anhalten, bis keiner der Wettbewerber mehr einen Anreiz hat, seine Position zu verändern, weil keine Verbesserung des Marktanteils und des Gewinns möglich ist. Um die Gewinne zu maximieren, werden sich beide Eisverkäufer letztendlich genau in der Mitte des Strands platzieren. Jeder Wettbewerber wird auf diese Weise einen Marktanteil von 50 % erhalten, d.h. jeweils seinen Strandabschnitt vollständig bedienen. Dieses Ergebnis wird auch als Hotelling-Regel der minimalen Differenzierung bezeichnet (Hotelling 1929). Es trifft natürlich nicht nur für Eisverkäufer zu - Unternehmen, die ähnliche oder aus Kundenperspektive schwach differenzierte Produkte anbieten, wählen ihren Standort nebeneinander oder gegenüber: Sparkassen neben Volks- und Raiffeisenbanken , Zara neben H&M , Aral gegenüber von Shell , Burger King neben McDonald’s , Aldi und Lidl teilen sich in Gewerbegebieten gemeinsam den Parkplatz und andere mehr. Die zentrale Erkenntnis ist aber nicht, dass Unternehmen Standorte nebeneinander wählen, sondern dass konkurrierende Unternehmen, solange ihre jeweilige Strategie optimieren, bis die Unternehmen wechselseitig keinen Anreiz mehr haben, ihre Strategie zu verändern - dies ist eines der zentralen Lösungskonzepte der Spieltheorie und ein Sonderfall eines Nash-Gleichgewichtes. Spielfeld und Spielregeln der Spieltheorie Spieltheorie ist ein Konzept zur Analyse strategischer Entscheidungen in Konflikt- oder Kooperationssituationen mit dem Ziel, optimale Entscheidungen unter Berücksichtigung und Antizipation der Entscheidungen aller anderen Spieler zu ermitteln. Spieltheorie <?page no="198"?> 198 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie findet in so unterschiedlichen Bereichen wie Wirtschaftswissenschaften, Politik, Soziologie, Psychologie, Biologie, aber auch reiner Mathematik Anwendung: ■ Wettbewerb zwischen Unternehmen, aber auch in Auktionen, bei M&A-Projekten, im Marktdesign der Versteigerung von Mobilfunklizenzen, ■ sportliche Situationen wie die Strategien von Torwart und Schütze beim Elfmeter, ■ politische Kooperationen oder Koalitionen und internationale Institutionen, ■ die Formation und Stabilität von formellen und informellen Organisationen, ■ Analyse der Entstehung und dem Verlauf politischer Konflikte und Kriege, ■ allgemeine Verhandlungssituationen mit unterschiedlichen Zielsetzungen der Verhandlungspartner, ■ Kindererziehung und andere soziale Situationen und natürlich ■ Gesellschaftsspiele wie Schach, Poker oder Stein, Schere, Papier (von Neumann 1928). Eine Grundüberlegung der Spieltheorie ist - ähnlich wie bei den Eisverkäufern -, die möglichen Schritte und Strategien aller Wettbewerber bei der Wahl der eigenen Strategie zu berücksichtigen. Strategie kann nur funktionieren, wenn die Wechselwirkungen mit den Strategien der Wettbewerber berücksichtigt sind - man muss also in Gedanken und Überlegungen aller Wettbewerber eindringen (Courtney et al. 2009). Meist wird dies informell im Rahmen sogenannter War Games in Management-Workshops durchgespielt. Zunehmend geschieht dies auch in Form von expliziten spieltheoretischen Modellen mit der Unterstützung von spezialisierten Unternehmensberatungen wie OpenOptions , TWS Partners oder Frontier Economics und Investmentbanken (Horn 2011). Google dagegen entwickelt den eigenen Suchalgorithmus im Wettbewerb gegen andere Algorithmen mittels evolutorischer Spieltheorie weiter (Tuyls et al. 2018). <?page no="199"?> Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie 199 Notwendig für die Anwendung von Spieltheorie aus theoretischer Perspektive (von Neumann und Morgenstern 1944 sowie Fudenberg und Tirole 1991) ist, dass ■ für alle Spieler eine eindeutige Zielfunktion vorliegt und identifiziert werden kann, ■ alle Spieler rational agieren und sich wechselseitig der Spielsituation bewusst sind, sowie Informationen vorliegen betreffend ■ Identität und Zahl der Spieler - zwei oder beliebig mehr Teilnehmer, ■ Informationsstand der Spieler - vollständige, unvollständige oder asymmetrische Information, ■ Dauer des Spiels - einmalige, wiederholte oder unendliche Spiele, ■ Struktur des Spiels - simultane oder sequentielle Entscheidungen und nicht kooperative oder kooperative Suche nach Lösungen - und ■ aller denkbaren und zulässigen Strategien - reine oder gemischte Strategien und deren Vielfalt. Man kann nicht erwarten, dass diese Bedingungen in jeder realen Wettbewerbssituation oder in allen Industrien jederzeit für alle Akteure gegeben sind, aber: Ähnlich einem Spiel wie Stein, Schere, Papier - das weltweit in gleicher Art und Weise gespielt wird - bilden sich in zahlreichen Industrien ebenfalls Spielregeln und Abfolgen von Verhaltensweisen heraus, welche die genannten Bedingungen gut erfüllen und aus Managementperspektive spieltheoretisch analysierbar sind (Birshan und Kar 2012 sowie Brandenburger und Nalebuff 1995). Auch aufgrund der Erkenntnisse begrenzter Rationalität (→ Kapitel 3) ist ein neuer Zweig als Behavioral Game Theory entstanden, der insbesondere die auf Routinen und dem Festhalten an Überzeugungen oder bisherigen Erfolgsmustern basierenden Strategien im Rahmen von Experimenten überprüft - ökonomische Labore wie VIRTECOLAB versuchen hier Muster der Abweichungen von den bei vollständiger Rationalität <?page no="200"?> 200 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie zu erwartenden Ergebnissen zu identifizieren, die gerade für Entscheidungen in Unternehmen hohe Relevanz haben (Mailath 1998, Camerer 2003, Bonau 2017 und virtecolab.com ). Aus praxisorientierter Perspektive genügt für die Anwendung von Spieltheorie oftmals eine Liste der Spieler ( Aldi , Lidl , …), eine Beschreibung möglicher Strategien (Preise, Qualität, Werbung, ...), eine Einschätzung der Auszahlungen oder Gewinne beim Zusammenspiel verschiedener Strategien (wenn Aldi die Preise senkt und Lidl nicht: Was passiert mit den jeweiligen Gewinnen? ) und eine Kenntnis der industriespezifischen Regeln des Spiels. Die tatsächliche Anwendung bleibt aber aufgrund anspruchsvoller Datenerfordernisse auf ■ große Unternehmen in Oligopolen ■ für strategisch wesentliche Entscheidungssituationen beschränkt, ermöglicht in diesen Fällen aber ■ eine Plausibilisierung möglicher Strategien und deren potenziellen Rückwirkungen, ■ weitreichenden Erkenntniszuwachs über die strategische Wettbewerbssituation und eine Ableitung und Bewertung industriespezifischer strategischer Wettbewerbsvorteile und stellt sich oft als sehr wirkungsvoll heraus (Lindstädt und Müller 2009). Überblick | Dieses Kapitel beschäftigt sich mit ■ grundlegenden spieltheoretischen Überlegungen und Konzepten zur Analyse strategischer Entscheidungssituationen, ■ Lösungen für simultane Spiele auf Basis von dominanten Strategien und besten Antworten in Form von Nash-Gleichgewichten in reinen und gemischten Strategien, ■ Gründe für Stabilität und Instabilität von Absprachen in wiederholten Spielen,  <?page no="201"?> Nash-Gleichgewichte in simultanen Spielen 201 ■ Auswirkungen von Risikoaversion sowie sequentiellen Spielen und der Ermittlung von glaubwürdigen teilspielperfekten First-Mover-Strategien. Nash-Gleichgewichte in simultanen Spielen Spiele können per se anhand mathematischer Formeln für eine beliebige Zahl an Strategien und Spielern beschrieben werden. Eine grundlegende Darstellung simultaner Spiele für zwei Spieler kann aber auch wie in → Abbildung 4.2 anhand der sogenannten strategischen Normalform erfolgen. Um einige grundlegende spieltheoretische Begriffe zu etablieren, ist das bekannte Spiel Stein, Schere, Papier zwischen zwei Spielern in einer Matrix abgebildet. Spieler 1 ist der Zeilenspieler, seine Strategien Stein, Schere oder Papier sind in drei Zeilen angeordnet. Spieler 2 ist der Spaltenspieler, entsprechend sind die Strategien in drei Spalten angeordnet. In Abhängigkeit der Wahl der Strategie beider Spieler kommt eine Strategiekombination zustande, bspw. Spieler 1: Stein/ Spieler 2: Papier - bei einer solchen Strategiekombination erhält der Spieler 1 null Punkte, der Spieler 2 einen Punkt. Für alle möglichen Strategiekombinationen sind in der Auszahlungsmatrix (in diesem Fall mit neun möglichen Feldern) die jeweiligen Auszahlungen für beide Spieler wiedergegeben. Das Spiel Stein, Schere, Papier ist ein simultanes Spiel - d.h., die Spieler entscheiden und zeigen die jeweilige Strategie zum selben Zeitpunkt. Wäre Stein, Schere, Papier ein sequentielles Spiel, würde zunächst einer der Spieler seine Strategie zeigen, danach würde der andere entscheiden - Stein, Schere, Papier ist als sequentielles Spiel offensichtlich einfach zu gewinnen, die optimale Strategie im simultanen Spiel wird am Ende dieses Abschnitts beschrieben. Um allgemein Lösungen für simultane Spiele zu ermitteln, werden für jede Strategiekombination die Auszahlungen (typischerweise angegeben als Gewinne in statischer Betrachtung wie in → Abbildung 4.3 links oder als Discounted Cashflow in dynamischer Betrachtung) ermit- <?page no="202"?> 202 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie telt und dann in geeigneter Weise verglichen, um in Abhängigkeit der Strategieoptionen des Gegenspielers die jeweils optimale eigene Strategie zu identifizieren. Wenn beide Spieler in der Lage sind, identische Versionen eines Spiels zu zeichnen, und wechselseitig davon ausgehen, dass der andere dies auch kann, liegen symmetrische vollständige Informationen (Common Knowledge) betreffend Spielstruktur und Auszahlungsmatrix vor. Abbildung 4.2: Stein, Schere, Papier-Matrix als Spiel in Normalform. Um reale Wettbewerbssituationen in Spielen abzubilden, ist erheblicher Marktforschungs- und Datenanalyseaufwand notwendig, aber im Prinzip kann ein einfaches Vorgehen, wie in → Abbildung 4.3 rechts skizziert, erfolgen. Zunächst ermittelt man die relevanten Spieler, in diesem Fall Aldi und Lidl , und gruppiert die maßgeblich den Gewinn beeinflussenden Strategien (hier bspw. die Zahl und Größe der Filialen aus unterschiedlichen Regionen) sowie die Auszahlungen (hier die prognostizierten Gewinne entsprechend der bisherigen GuV und weiterführender empirischer Analysen) in den jeweiligen Strategiekombi- Schere Schere Papier Stein Stein Papier Spieler 1 (Zeilenspieler) Spieler 2 (Spaltenspieler) 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 Gewinn für Spieler 2, wenn er die Strategie Papier wählt und Spieler 1 die Strategie Stein wählt Spieler Strategien Auszahlungen <?page no="203"?> Nash-Gleichgewichte in simultanen Spielen 203 nationen: Bspw. beträgt der Gewinn von kleinen Aldi -Filialen in Regionen, in denen Lidl große Filialen betreibt, 1,1 Mio. pro Jahr EUR. Auf dieser Basis können dann Strategien bewertet und Business Cases entwickelt werden, um optimale Strategien wie nachfolgend beschrieben zu identifizieren. Wenn Spieler aus ihren möglichen Strategien eine einzelne auswählen, liegen reine Strategien vor, wenn Spieler mehrere Strategien kombinieren, liegen gemischte Strategien vor. Abbildung 4.3: Auszahlungen und Strategien in Normalform-Spielen. Dominante Strategien In → Abbildung 4.4 links oben ist eine reduzierte Wettbewerbssituation zwischen Coke und Pepsi beschrieben, in der beide Unternehmen nur die Wahl zwischen zwei Strategien haben: Werbung oder keine Werbung. In der Auszahlungsmatrix sind die Gewinne der beiden Unternehmen für alle denkbaren Strategiekombinationen abgebildet - sollten beide Unternehmen bspw. keine Werbung wählen, beträgt der Gewinn von Pepsi 10, der Gewinn von Coke 2. Beide Unternehmen können ihre Gewinne wesentlich durch Werbeausgaben beeinflussen, der individuelle Gewinn hängt aber von der Strategie des anderen Spielers ab - welches ist die beste Strategie für Coke , welches die für Pepsi ? Strategie B von Spieler 1 Strategie A von Spieler 1 Strategie C von Spieler 2 Strategie D von Spieler 2 Spieler 1 Spieler 2 π (2) 1A/ 2C π (1) 1A/ 2C π (2) 1A/ 2D π (1) 1A/ 2D π (2) 1B/ 2D π (1) 1B/ 2D π (2) 1B/ 2C π (1) 1B/ 2C Gewinn des Spielers 1 für die Strategiekombination: Spieler 1 spielt B, Spieler 2 spielt C theoretische Abbildung eines Spiels in (strategischer) Normalform kleine Filialen große Filialen große Filialen kleine Filialen Aldi Lidl -0,4 -0,1 0,4 3,9 0,7 0,8 4,2 1,1 durchschnittlicher Gewinn 2015 von Aldi in Regionen mit kleinen eigenen Filialen, in denen Lidl große Filialen betreibt empirische Daten der Filialstrategie und Gewinne von Aldi und Lidl 2015 <?page no="204"?> 204 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie Abbildung 4.4: Werbung versus keine Werbung bei Coke und Pepsi. Pepsi ist der Zeilenspieler - entsprechend vergleicht Pepsi in → Abbildung 4.4 links unten zeilenweise die eigenen Gewinne in Abhängigkeit möglicher Strategien von Coke . Sollte Coke Werbung machen, ist es für Pepsi die beste Strategie, auch Werbung zu machen, denn der Gewinn von 10 in der Strategiekombination Pepsi: Werbung/ Coke: Werbung übertrifft den Gewinn von 6 in der Strategiekombination Pepsi: keine Werbung/ Coke: Werbung . Betreibt Coke keine Werbung, ist es für Pepsi die beste Strategie, Werbung zu machen, denn jetzt beträgt der Gewinn 15 in der Strategiekombination Pepsi: Werbung/ Coke: keine Werbung gegenüber einem Gewinn von 10 in der Strategiekombination Pepsi: keine Werbung/ Coke: keine Werbung . Unabhängig davon was Coke tut, ist es keine Werbung Werbung Werbung keine Werbung Pepsi Coke 5 10 0 15 2 10 8 6 Ausgangssituation keine Werbung Werbung Werbung keine Werbung Pepsi Coke 5 10 0 15 2 10 8 6 Vergleich der Strategien durch Coke (Spaltenspieler) Werbung keine Werbung keine Werbung Werbung Pepsi Coke 5 10 0 15 2 10 8 6 Vergleich der Strategien durch Pepsi (Zeilenspieler) Werbung keine Werbung keine Werbung Werbung Pepsi Coke 5 10 0 15 2 10 8 6 Zusammenführung der Strategien 1 2 3 4 <?page no="205"?> Nash-Gleichgewichte in simultanen Spielen 205 für Pepsi offenbar immer besser, Werbung zu betreiben - Pepsi wird daher in jedem Fall Werbung machen, da diese Strategie eindeutig überlegen ist: Für Pepsi ist Werbung somit eine dominante Strategie, die unabhängig von der strategischen Entscheidung des Gegenspielers in jedem Fall gewählt wird - die dominante Strategie Werbung dominiert eindeutig die Alternative keine Werbung. Coke ist der Spaltenspieler - entsprechend vergleicht Coke in → Abbildung 4.4 rechts oben spaltenweise die Gewinne in Abhängigkeit der Strategien von Pepsi . Auch für Coke gilt: Werbung ist in jedem Fall die überlegene Strategie. D.h., auch Coke besitzt eine dominante Strategie, die unabhängig von der Entscheidung von Pepsi immer gewählt wird. Werbung ist in diesem Beispiel offenbar für beide Unternehmen eine dominante Strategie. In diesem Spiel (dieser Wettbewerbskonstellation) werden beide Unternehmen immer die Strategie Werbung wählen. Die Spieler haben keinen Anreiz, ihre gewählte Strategie zu verändern: Wenn einer der beiden Spieler von seiner dominanten Strategie abweicht, unter der Bedingung, dass der andere Spieler seine dominante Strategie beibehält, stellt er sich schlechter. Pepsi’s Gewinn geht beim Wechsel von Werbung auf keine Werbung von 10 auf 6 zurück, Coke’s Gewinn würde von 5 auf 0 sinken. Die Konstellation zweier dominanter Strategien stellt eine stabile Strategiekombination dar. Das Ergebnis wird als Gleichgewicht in dominanten Strategien bezeichnet - es ist ein Sonderfall eines Nash-Gleichgewichtes. Dominate Strategien sind die einfachste spieltheoretische Strategiewahl und Lösung für simultane Spiele. Dominante Strategien und beste Antworten Etwas komplexer ist die Situation zwischen Unilever und L’Oréal , wie in → Abbildung 4.5 betreffend einer Neuprodukteinführung beschrieben. Betrachtet man die Auszahlungsmatrix zunächst zeilenweise aus Perspektive von L’Oréal , so ergibt sich, dass L’Oréal keine dominante Strategie hat: Würde Unilever das Neuprodukt einführen, dann würde L’Oréal ebenfalls das Neuprodukt einführen (Gewinn von 10 größer als <?page no="206"?> 206 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie Gewinn von 6) - führt Unilever kein Neuprodukt ein, würde L’Oréal dies ebenfalls nicht tun (Gewinn von 15 kleiner als Gewinn von 20). Die optimale Strategie von L’Oréal hängt somit von der Strategie von Unilever ab. Um eine Entscheidung zu treffen, kann L’Oréal allerdings das Spiel aus Perspektive von Unilever betrachten, um zu ermitteln, was der Wettbewerber tun wird: Unilever hat eine dominante Strategie in Form der Neuprodukteinführung (die auch für L’Oréal aus der Auszahlungsmatrix identifiziert werden kann), so dass Unilever diese Strategie unabhängig von der Entscheidung von L’Oréal in jedem Fall wählen wird. L’Oréal kann sich daran orientieren und auf dieser Basis entscheiden, selbst ebenfalls Werbung zu wählen. Eine derartige Strategiewahl wird als beste Antwort bezeichnet, da in Abhängigkeit der Entscheidung des Gegenspielers die bestmögliche Alternative ausgewählt wird. Die Kombination aus dominanter Strategie und bester Antwort ist wiederum stabil - keiner der Spieler hat einen Anreiz von seiner Strategie abzuweichen gegeben die Strategie des Gegenspielers - und stellt den zweiten Sonderfall eines Nash-Gleichgewichtes dar. Abbildung 4.5: Dominante Strategie und beste Antwort. kein Neuprodukt Neuprodukt Neuprodukt kein Neuprodukt L’Oreal Unilever 5 10 0 15 2 20 8 6 Zusammenführung der Strategien kein Neuprodukt Neuprodukt Neuprodukt kein Neuprodukt L’Oreal Unilever 5 10 0 15 2 20 8 6 Ausgangssituation 1 2 <?page no="207"?> Nash-Gleichgewichte in simultanen Spielen 207 Nash-Gleichgewicht in besten Antworten Der allgemeine Fall eines Nash-Gleichgewichtes basiert auf wechselseitig besten Antworten der Wettbewerber (Nash 1950 und 1951). In → Abbildung 4.6 ist die Wettbewerbssituation zwischen Volkswagen und Toyota betreffend dem Aufbau von Produktionskapazität einer neuen Fabrik in Mexiko beschrieben. Beide Unternehmen können jeweils zwischen einer kleinen, mittleren und großen Fabrik entscheiden, deren Größe kurzfristig nicht angepasst werden kann. Abbildung 4.6: Wechselseitige beste Antworten und Nash-Gleichgewicht. mittel mittel groß klein klein groß Volkswagen 105 125 85 100 70 50 40 0 50 105 85 105 125 100 40 105 70 0 Toyota Ausgangssituation mittel mittel groß klein klein groß Volkswagen 105 125 85 100 70 50 40 0 50 105 85 105 125 100 40 105 70 0 Toyota beste Antworten von Volkswagen mittel mittel groß klein klein groß Volkswagen 105 125 85 100 70 50 40 0 50 105 85 105 125 100 40 105 70 0 Toyota Zusammenführung der besten Antworten 1 2 mittel mittel groß klein klein groß Volkswagen 105 125 85 100 70 50 40 0 50 105 85 105 125 100 40 105 70 0 Toyota beste Antworten von Toyota 3 4 <?page no="208"?> 208 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie In → Abbildung 4.6 links oben ist zu erkennen, dass keines der Unternehmen eine dominante Strategie besitzt: Weder eine Zeile von Toyota noch eine Spalte von Volkswagen ist eindeutig vorzuziehen. In einer solchen Situation muss nun jedes Unternehmen auf alle denkbaren Strategien des Wettbewerbers die besten Antworten identifizieren. Volkswagen - rechts oben in → Abbildung 4.6 - ermittelt die beste Antwort auf jede mögliche Fabrikgröße von Toyota : ■ Würde Toyota eine kleine Fabrik aufbauen, ist die beste Antwort von Volkswagen eine mittelgroße Fabrik, denn der Gewinn von 125 übersteigt den Gewinn bei einer kleinen oder einer großen Fabrik mit jeweils 105. ■ Falls Toyota eine mittelgroße Fabrik aufbaut, ist die beste Antwort von Volkswagen ebenfalls eine mittelgroße Fabrik, denn der Gewinn von 100 übersteigt den Gewinn bei einer kleinen Fabrik in Höhe von 85 oder einer großen Fabrik von 70. ■ Baut Toyota eine große Fabrik, ist die beste Antwort von Volkswagen eine kleine Fabrik, denn der Gewinn von 50 übersteigt den Gewinn einer mittleren Fabrik in Höhe von 40 oder einer großen Fabrik von 0. In gleicher Weise kann - links unten in → Abbildung 4.6 - die Situation aus Perspektive von Toyota betrachtet werden: ■ Würde Volkswagen eine kleine Fabrik aufbauen, ist die beste Antwort von Toyota eine mittelgroße Fabrik, denn der Gewinn von 125 übersteigt den Gewinn bei einer kleinen Fabrik oder einer großen Fabrik mit jeweils 105. ■ Falls Volkswagen eine mittelgroße Fabrik aufbaut, ist die beste Antwort von Toyota ebenfalls eine mittelgroße Fabrik, denn der Gewinn von 100 übersteigt den Gewinn bei einer kleinen Fabrik in Höhe von 85 oder einer großen Fabrik von 70. ■ Baut Volkwagen eine große Fabrik, ist die beste Antwort von Toyota eine kleine Fabrik, denn der Gewinn von 50 übersteigt den Gewinn einer mittleren Fabrik in Höhe von 40 oder einer großen Fabrik von 0. <?page no="209"?> Nash-Gleichgewichte in simultanen Spielen 209 Kombiniert man in → Abbildung 4.6 rechts unten die jeweils besten Antworten der beiden Unternehmen, ergibt sich im Schnittpunkt der besten Antworten ein Nash-Gleichgewicht: Beide Unternehmen werden aus der Analyse des Spieles heraus wechselseitig die Entscheidung für eine mittelgroße Fabrik treffen. In einem Nash-Gleichgewicht treffen sich die besten Antworten aller Spieler - kein Spieler hat einen Anreiz, von der gewählten Strategie abzuweichen, da er sich schlechter stellen würde. Damit ist die zu einem Nash-Gleichgewicht passende Strategie die individuell vorteilhafteste Entscheidung, die ein rationaler Spieler treffen kann. Das Nash-Gleichgewicht ist weder durch die Zahl der Spieler noch durch die Anzahl der möglichen Strategien begrenzt. Allerdings kann es mehr als ein oder auch gar kein Nash-Gleichgewicht in reinen Strategien geben und zudem sind oder handeln nicht alle Spieler vollständig rational - diese Fälle werden in den nächsten Abschnitten betrachtet. Multiple Nash-Gleichgewichte in besten Antworten und notwendige Selektionskriterien Die Wettbewerbssituation zwischen Roche und Novartis ist in → Abbildung 4.7 wiedergegeben. Beide Unternehmen können über die Höhe der F&E-Aufwendungen für ein neues Medikament entscheiden. Abbildung 4.7: Multiple Nash-Gleichgewichte in besten Antworten. mittel mittel hoch niedrig hoch Novartis Roche 80 125 80 90 75 60 50 20 60 100 90 100 90 50 120 75 30 70 multiple Nash- Gleichgewichte in besten Antworten mittel mittel hoch niedrig hoch Novartis Roche 80 125 80 90 75 60 50 20 60 100 90 100 90 50 120 75 30 70 Ausgangssituation 1 2 niedrig niedrig <?page no="210"?> 210 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie Zunächst ist zu erkennen, dass keines der Unternehmen eine dominante Strategie besitzt, da weder eine Zeile von Novartis noch eine Spalte von Roche eindeutig die besten Ergebnisse erbringt. Beide Unternehmen sind allerdings in der Lage, jeweils beste Antworten auf die Strategien des Konkurrenten zu identifizieren. An allen Stellen, an denen sich beste Antworten treffen, liegen wieder Nash-Gleichgewichte vor: In diesem Fall sind es zwei in den Strategiekombinationen Novartis: mittel/ Roche: mittel und Novartis: hoch/ Roche: niedrig . Aus Perspektive der beiden Unternehmen unterscheiden sich beide Nash-Gleichgewichte: Novartis hat eindeutig eine Präferenz für das Gleichgewicht bei Novartis: hoch/ Roche: niedrig , denn hier beträgt der Gewinn für Novartis 120. Roche hingegen präferiert das Gleichgewicht bei Novartis: mittel/ Roche: mittel , denn hier beträgt der Gewinn für Roche 90. Beide Gleichgewichte wären für sich genommen stabil, aber es ist unklar, welches gewählt wird. In zahlreichen Spielen ergeben sich multiple Nash-Gleichgewichte - ohne weitere Annahmen oder Selektionskriterien (Harsanyi und Selten 1992 sowie Cooper et al. 1990) lässt sich hier zunächst nicht bestimmen, welches der möglichen Gleichgewichte zustande kommt. Selektionskriterien, die zur Auswahl eines der möglichen Gleichgewichte oder zur Koordination der Strategien auf eines der Gleichgewichte dienen, sind z.B. ■ das Verhalten oder gewählte Strategien der Vergangenheit in Form von Pfadabhängigkeiten fortzuführen oder bestimmte ‚übliche Strategien‘ (Focal Points) zu wählen, ■ ein allgemein akzeptiertes Rollenverständnis innerhalb der Industrie, ■ alle Formen expliziter und impliziter Kooperation oder Signaling und natürlich ■ risikoaverse Bewertung der Strategien oder die Wahl gemischter Strategien, ■ adaptives Verhalten oder sequentielle Entscheidungen. Allerdings ergibt die Analyse trotz der Unbestimmtheit der beiden Nash-Gleichgewichte für beide Unternehmen wesentliche Erkennt- <?page no="211"?> Nash-Gleichgewichte in simultanen Spielen 211 nisse: Aus → Abbildung 4.7 rechts ist zu erkennen, dass keine Nash- Gleichgewichte für die Novartis -Strategie niedrig und für die Roche - Strategie hoch existieren - die Unternehmen können diese Zeile und Spalte vollständig aus ihren Überlegungen und strategischen Planungen ausklammern. Aus Managementperspektive ist ein zentraler Aspekt von Spieltheorie, dass durch Ermittlung von Nash-Gleichgewichten möglich wird, prinzipiell denkbare Strategien auszuschließen, sowohl eigene als auch diejenigen der Wettbewerber (Sutton 1990 und 1992 sowie Münter 1999), um robuste eigene Strategien zu entwickeln. Stabilität von Kooperationen und Absprachen Im Jahr 1974 planten das damals bereits etablierte Unternehmen Lego und der neu in den Spielwarenmarkt eintretende Wettbewerber Playmobil , Spielfiguren für Kinder auf den Markt zu bringen. Grundlegend hat sich die Situation wie in → Abbildung 4.8 dargestellt. Wenn beide Unternehmen Figuren der gleichen Größe anbieten, entsteht eine hohe Wettbewerbsintensität, die jeweils zu Verlusten von -5 führt. Bieten dagegen beide Unternehmen unterschiedliche Figurengrößen an, kann jeder in seinem Marktsegment auf Basis reduzierter Wettbewerbsintensität Gewinne in Höhe von 10 erzielen. Es existiert für keines der Unternehmen eine dominante Strategie, aber beide Unternehmen können zwei Nash-Gleichgewichte auf Basis wechselseitig bester Antworten identifizieren. Offenbar ist für beide Unternehmen vorteilhaft, jeweils eine Strategie entgegengesetzt derjenigen des Wettbewerbers zu wählen. Um im Rahmen dieser einmaligen Entscheidung - mit hohem Investitionsbedarf - hier eine gewinnabsichernde Strategie zu wählen, gibt es per se drei Möglichkeiten: Koordination (d.h. verbotene Absprachen), sequentielle Entscheidungen oder Signaling. Tatsächlich haben sich beide Unternehmen für Signaling entschieden und im Vorfeld der Spielwarenmesse 1974 bereits Kataloge produzieren lassen. So war für beide Unternehmen im Vorfeld klar, was der Wettbewerber tun wird, <?page no="212"?> 212 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie und es konnten Gewinne erzielt werden. Diese implizite Absprache ist seither stabil, beide Unternehmen haben in den vergangenen mehr als 40 Jahren nie ihre Strategie betreffend der Größe der Spielfiguren geändert. Die Stabilität dieser impliziten Absprache Lego: klein/ Playmobil: groß basiert in Teilen darauf, dass die gewählte Strategiekombination ein Nash-Gleichgewicht ist. Abbildung 4.8: Koordination und Signaling. Instabilität von Absprachen und das Prisoner’s Dilemma In → Abbildung 4.9 ist die Wettbewerbssituation und die Auszahlungen jeder Periode von zwei benachbarten Tankstellen Shell und Esso zu sehen - diese Situation wird im Rahmen wirtschaftspolitischer und soziologischer Analysen als Prisoner’s Dilemma („Gefangenendilemma“) beschrieben, hat aber eine strategische Komponente. Beide Unternehmen verfügen über zwei Preisstrategien - hohe Preise und niedrige Preise. Offensichtlich machen beide Unternehmen hohe Gewinne von 15, wenn beide hohe Preise verlangen, und niedrige Gewinne von 10, wenn beide niedrige Preise verlangen. Analysiert man das Spiel, so ergibt sich, dass beide Unternehmen eine dominante Strategie in Form niedriger Preise haben - so sind allerdings nur geringe Gewinne zu erzielen (→ Abbildung 4.9 oben rechts). kleine Figuren große Figuren große Figuren kleine Figuren Playmobil LEGO -5 -5 10 10 -5 -5 10 10 Ausgangssituation kleine Figuren kleine Figuren große Figuren große Figuren Playmobil LEGO -5 -5 10 10 -5 -5 10 10 Multiple Nash- Gleichgewichte 1 2 <?page no="213"?> Nash-Gleichgewichte in simultanen Spielen 213 Abbildung 4.9: Instabilität von Absprachen. Fragen │ Gefangenendilemma und kollektives Interesse - warum halten alle Menschen auf Konzerten ihr Smartphone in die Höhe? Das Gefangenendilemma (Prisoner’s Dilemma) beschreibt eine Situation, in der zwei Verdächtige getrennt und ohne Kommunikationsmöglichkeit in Untersuchungshaft einsitzen. Beide werden beschuldigt, gemeinsam eine große Straftat begangen zu haben - allerdings kann ihnen diese Straftat ohne Geständnis nicht nachgewiesen werden. Beide haben sich im Vorhinein verabredet, bei hohe Preise niedrige Preise niedrige Preise hohe Preise Shell Esso 10 10 6 20 15 15 20 6 10 Nash- Gleichgewicht in dominanten Strategien hohe Preise niedrige Preise niedrige Preise hohe Preise Shell Esso 10 10 6 20 15 15 20 6 10 Instabilität der Absprachen im einmaligen Spiel hohe Preise niedrige Preise niedrige Preise hohe Preise Shell Esso 10 10 6 20 15 15 20 6 10 Stabilität der Absprachen im wiederholten Spiel hohe Preise niedrige Preise niedrige Preise hohe Preise Shell Esso 10 10 6 20 15 15 20 6 Ausgangssituation 1 2 3 4  <?page no="214"?> 214 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie einer Festnahme nicht zu gestehen. In diesem Fall können beiden lediglich kleine Straftaten nachgewiesen werden. In → Abbildung 4.10 ist diese Situation, die beiden Verdächtigen bekannt ist, dargestellt. Die negativen Auszahlungen bezeichnen die Gefängnisstrafe in Jahren. Gesteht nur ein Spieler, wird aufgrund der Kronzeugenregelung seine Strafe reduziert, der andere Spieler muss länger ins Gefängnis. Abbildung 4.10: Gefangenendilemma. Tatsächlich ist die Verabredung der beiden Gefangenen keine stabile Absprache: Beide Spieler haben bei einer Befragung einen Anreiz, von der Strategie ‚nicht gestehen‘ auf ‚gestehen‘ zu wechseln - denn dadurch kann sich jeder Spieler individuell besserstellen. Die Gefängnisstrafe reduziert sich hier vermeintlich von drei Jahren auf ein Jahr. Da diese Überlegung bei rationalen Spielern aber für beide Gefangene gilt, werden beide auf ‚gestehen‘ abweichen und somit für jeweils sechs Jahren im Gefängnis bleiben. Die individuell rationale Strategiekombination gestehen/ gestehen ist in diesem einmaligen Spiel ein Nash-Gleichgewicht in dominanten Strategien und blockiert die kooperative Absprache nicht gestehen/ nicht gestehen. Das individuelle Interesse dominiert also das kollektive Interesse und stellt beide Spieler schlechter. nicht gestehen gestehen gestehen nicht gestehen -6 -6 -10 -1 -3 -3 -1 -10 Gefangener A Gefangener B <?page no="215"?> Nash-Gleichgewichte in simultanen Spielen 215 Zahlreiche gesellschaftliche und ökonomische Situationen haben strukturell ähnliche Auszahlungsmatrizen wie in → Abbildung 4.10 zu sehen: Damit lässt sich erklären, weshalb häufig kollektiv bevorzugte Situationen (Begrenzung des Klimawandels, Reduktion von Ressourcenverbrauch, Stopp der Überfischung, atomare Abrüstung etc.) nicht zustandekommen, weil Individualinteressen entgegenstehen. In gleicher Weise sprechen alle Menschen auf Partys zu laut (weil einige sich nicht leise unterhalten wollen), halten zu viele Menschen bei Konzerten ihr Smartphone anderen ins Sichtfeld und stehen alle Menschen in Flugzeugen nach der Landung gleichzeitig auf. In Experimenten zum Gefangenendilemma zeigt sich allerdings auch, dass einige Menschen eine systematische Verzerrung zu kooperativen Verhalten aufweisen - wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägt. Studierende niedriger Semester erscheinen kooperationsbereiter als Studierende höherer Semester, allerdings steigt die Kooperationsbereitschaft in Kenntnis des Mit- oder Gegenspielers an, insbesondere wenn die Spieldauer von einem einmaligen zu einem wiederholten Spiel verändert wird und Vertrauen entstehen kann (Rapoport et al. 1965, Axelrod 1980, Frank et al. 1993 sowie Brosig 2002). Wenn sich beide Tankstellen in einem einmaligen Spiel auf hohe Preise verabreden, hat diese Absprache keinen Bestand: In → Abbildung 4.9 links unten ist zu sehen, dass beide Unternehmen jeweils einen Anreiz haben, von der Absprache abzuweichen, da der Gewinn durch eine Preissenkung von 15 auf 20 erhöht werden kann, wenn die andere Tankstelle den hohen Preis beibehält. Die im Prinzip kollektiv bevorzugten hohen Preise werden aufgrund von dominanten Individualinteressen keinen Bestand haben - die Absprache ist instabil aufgrund des Nash-Gleichgewichtes in einer anderen Strategiekombination. Dies gilt sowohl für einmalige Spiele wie auch für endlich wiederholte Spiele: Wenn die Wettbewerber eine letzte Spielrunde kennen, in der ein Anreiz zur Abweichung von der Absprache entsteht, werden sie in dieser letzten Spielrunde von einer zuvor bestehenden Ko- <?page no="216"?> 216 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie operation abweichen. Da aber beide Spieler dies bei vollständiger Information und Rationalität vorhersehen, werden beide bereits in der vorletzten Runde abweichen - diese iterative Rückwärtsinduktion setzt sich entsprechend fort, so dass bei einem endlichen Spiel bereits in der ersten Spielrunde keine stabile Kooperation zustande kommt. Um Stabilität in einer Absprache oder Kooperation herzustellen, sind spieltheoretisch drei Möglichkeiten gegeben: ■ Ein unendliches Spiel, in dem keine letzte Spielrunde existiert - so hat keiner der Spieler einen Anreiz, in einer letzten Spielrunde abzuweichen, ■ bindende Vereinbarungen mit Sanktionsmöglichkeiten zur Einhaltung der Kooperation, - die aber typischerweise durch wettbewerbspolitische Regelungen untersagt sind, oder aber ■ den Aufbau von Vertrauen in das kooperative Verhalten des Wettbewerbers. Gerade die letzte Möglichkeit des Aufbaus von Vertrauen spielt eine zentrale Rolle: Wenn in einem wiederholten Spiel einer der Spieler für den anderen sichtbar und nachvollziehbar vom Nash-Gleichgewicht abweicht, sich absichtlich schlechter stellt, bietet er dem anderen Spieler zwar einen temporär höheren Gewinn, aber insbesondere die Möglichkeit zur Kooperation an. Wenn der andere Spieler dieses Angebot versteht und sich in der nächsten Spielrunde an das Verhalten anpasst und dieses Vertrauen wechselseitig nicht enttäuscht wird, kann auch in einem endlichen Spiel Kooperation möglich sein. Diese Lösung des reziproken Verhaltens wird häufig in algorithmenbasierten Computersimulationen und in Laborexperimenten mit Menschen als robuste Strategie beobachtet und als Tit for Tat bezeichnet (Axelrod und Hamilton 1981) und findet auch in der Biologie und Politik weitreichend empirische Bestätigung. <?page no="217"?> Nash-Gleichgewichte in simultanen Spielen 217 Begrenzte Rationalität und das Erreichen eines Nash-Gleichgewichtes Ein Nash-Gleichgewicht erscheint zwar aus strategischer und logischer Perspektive plausibel, stellt aber entsprechend hohe Anforderungen an die Rationalität der Spieler, insbesondere an deren kognitive Fähigkeiten. Um dies zu verdeutlichen, kann man das Guessing-Numbers- Spiel heranziehen (Ledoux 1981, Nagel 1995 sowie Duffy und Nagel 1997). In diesem Spiel gelten für eine beliebige Zahl an Spielern folgende Regeln: ■ Jeder Spieler kann eine ganzzahlige Zahl von 0 bis 100 als Strategie wählen, so dass jeder Spieler aus 101 möglichen Strategien auswählen kann. ■ Alle Strategien werden geheim und simultan genannt und notiert, addiert und der abgerundete ganzzahlige Mittelwert berechnet. ■ Gewinner ist der Spieler, dessen Strategie am nächsten an 2/ 3 dieses Mittelwertes liegt. Wenn bspw. der Mittelwert aller von den Spielern genannten Strategien 45,3 beträgt, dann ist die siegreiche Strategie diejenige, die am nächsten an 2/ 3 ⋅ 45,3 = 30 liegt. Aus spieltheoretischer Perspektive lässt sich das Spiel einfach lösen: ■ Zunächst sind alle Strategien größer 66 durch schwache Dominanz ausgeschlossen - denn selbst wenn alle Spieler die Zahl 100 nehmen würden, ist wegen 2/ 3 ⋅ 100 = 66,67 die siegreiche Strategie maximal 66 - kein rationaler Spieler würde eine Zahl größer 66 wählen. ■ Würde man annehmen, dass alle Spieler zufällig irgendeine Zahl von 0 bis 100 wählen, dann beträgt der Mittelwert 50 und wegen 2/ 3 ⋅ 50 = 33,33 die siegreiche Strategie 33. ■ Würden - bei vollständiger Rationalität und Voraussicht der Aktionen der anderen Spieler - alle Spieler das Ergebnis von 33 wählen, wäre wegen 2/ 3 ⋅ 33 = 22 die siegreiche Strategie allerdings 22 . <?page no="218"?> 218 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie ■ Diese Überlegung setzt sich entsprechend iterativer Eliminierung möglicher Strategien fort, bis schließlich alle Spieler die 0 wählen - die tatsächlich in diesem Spiel das einzige Nash- Gleichgewicht darstellt - und auch alle Spieler gewinnen. Tatsächlich gewinnen im Rahmen von Experimenten zum Guessing- Numbers-Spiel - nahezu unabhängig der Ausbildung, des Alters der Teilnehmer oder der Vorkenntnis des Spiels - meist Spieler mit Strategien zwischen 15 bis 25 dieses Spiel. Der Grund hierfür ist zweigeteilt: Einerseits sind einige Spieler nicht in der Lage, die Lösung des an sich einfachen Spiels zu erkennen, andererseits erkennen kluge Spieler die begrenzten kognitiven Fähigkeiten und die unzureichende Tiefe der Durchdringung des Problems der Mitspieler - in der Konsequenz wird dann selbst ein vollständig rationaler Spieler nicht die 0 wählen, denn er weiß, dass er aufgrund der „falschen Strategien“ der begrenzt rationalen Spieler mit der 0 nicht gewinnen kann: Er wird stattdessen eine Annahme über die Verteilung des Grades an Rationalität der Mitspieler treffen und auf dieser Basis seine Strategie wählen. Dieses Spiel zeigt insbesondere den Unterschied zwischen der vollständigen Rationalität eines Spielers und der kollektiv eingeschränkten Rationalität aufgrund ggfs. begrenzt rationalen Verhaltens einzelner oder aller Spieler (Bosch-Domenech et al. 2002 sowie Güth et al. 2002). Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, weshalb in Laborexperimenten oft ein relativ langer und langsamer Annäherungsprozess an ein theoretisch sofort adaptierbares Nash-Gleichgewicht beobachtet wird. Klar ist, dass in empirischen Untersuchungen realer Märkte und Wettbewerbssituationen - die eine deutlich höhere Komplexität und weniger klare Regeln als das Guessing-Numbers-Spiel aufweisen - oft keine stabilen Nash-Gleichgewichte identifiziert werden können (Aiginger 1998). Damit ergibt sich aus Managementperspektive, dass zum einen das Nash-Gleichgewicht zwar als möglicher Zielpunkt in strategischem Wettbewerb dient, aber das Erreichen des Gleichgewichts und die Konvergenz der Strategien vom Grad der <?page no="219"?> Risikoaversion und gemischte Strategien 219 Rationalität und der Geschwindigkeit des Lernens der Wettbewerber abhängt (Holt 1993, Mailath 1998, Foss 2001, Armstrong und Huck 2010 sowie Crawford 2013). Allerdings zeigt sich, das formale spieltheoretische Ausbildung und Erfahrung in strategischen Entscheidungssituationen die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, Entscheidungen konsistent mit Nash-Gleichgewichten zu treffen (Brandenburger und Nalebuff 1995 sowie Camerer 2003). Risikoaversion und gemischte Strategien Im vorangegangenen Abschnitt wurde klar, dass Spiele mehr als ein Nash-Gleichgewicht besitzen können. Um hier aus Managementperspektive Entscheidbarkeit herzustellen, ist die Anwendung erweiterter Konzepte auf Basis von Selektionskriterien möglich. Risikoaversion und Maximin-Strategie Abbildung 4.11: Nash-Gleichgewicht und Risikoaversion. In vielen Wettbewerbssituationen können nicht alle Parameter erfasst werden, zudem sind vielleicht Zweifel an der vollständigen Rationalität des Gegenspielers angebracht. Alle diese Faktoren tragen Investieren Nicht investieren nicht investieren investieren 0 10 -100 -10 0 0 10 -10 10 20 0 -100 Oracle SAP Gleichgewicht bei Risikoaversion investieren nicht investieren nicht investieren investieren 0 0 10 -10 10 0 -100 Oracle SAP 20 Nash- Gleichgewicht 1 2 <?page no="220"?> 220 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie dazu bei, dass ein oder alle Spieler risikoavers entscheiden - es geht dann nicht mehr darum, ein bestmögliches Ergebnis zu erreichen, sondern darum mögliche Verluste zu minimieren. In → Abbildung 4.11 links ist der Wettbewerb zwischen SAP und Oracle auf Basis einer Investition für ein neues Datenbanksystem zu sehen. SAP hat eine dominante Strategie in Investieren, Oracle hat keine dominante Strategie, kann aber als beste Antwort ebenfalls Investieren ermitteln, so dass ein Nash-Gleichgewicht mit Oracle: investieren / SAP: investieren zustande kommt. Die mit dem Nash-Gleichgewicht konsistente Strategie führt für Oracle zu einem Gewinn von 20. Sollte allerdings SAP - aus irgendeinem Grund - nicht investieren, dann droht Oracle ein beträchtlicher Verlust von -100. Vor diesem Hintergrund kann Oracle , bei begründeter Risikoaversion, nun eine vorsichtige Strategie wählen: Oracle ermittelt für jede denkbare Strategie das schlechteste Ergebnis - und wählt dann aus diesen schlechtesten Ergebnissen das beste aus, also das „kleinste Übel“. Diese Strategie bei Risikoaversion wird als Maximin-Strategie bezeichnet: Ein risikoaverser Spieler betrachtet die Minima seiner Strategien und wählt daraus das Maximum aus. In → Abbildung 4.11 rechts ist diese Maximin-Strategie für beide Spieler angewendet: Oracle wählt auf Basis des Maximums aus den Minima -10 und -100 der Zeilen die Strategie nicht investieren, SAP wählt entsprechend im Vergleich von 0 und 10 weiterhin die Strategie investieren. Es kommt nun eine neue Lösung zustande: Oracle : nicht investieren/ SAP: investieren . Zwar macht Oracle jetzt einen geringen Verlust, aber dieser wird aufgrund der Risikoaversion dem potenziellen großen Verlust vorgezogen - die Differenz zwischen 20 und -10 kann als Risikoprämie aufgefasst werden, um einen möglichen Verlust von -100 zu verhindern. Da Vorstände im Allgemeinen aufgrund ihrer Vertragslaufzeit und Bonusregelungen eher risikoavers eingestellt sind, ist eine derartige Strategie nicht unüblich (Ross 2004 und Bolton et al. 2015). Im Fall von SAP ändert sich die Strategie nicht - der Grund ist, dass durch Risikoaversion eine dominante Strategie niemals verändert wird. <?page no="221"?> Risikoaversion und gemischte Strategien 221 Im zweiten Beispiel in → Abbildung 4.12 wird die strategische Bedeutung von Risikoaversion im Vergleich zu einer Strategie auf Basis des Nash-Gleichgewichtes deutlich: Ohne Risikoaversion investieren GSK und Pfizer jeweils ein hohes F&E-Budget, im Nash-Gleichgewicht übertrifft der Gewinn von Pfizer den Gewinn von GSK deutlich. Abbildung 4.12: Strategischer Einsatz von Risikoaversion. Sollte GSK mit einer - begründeten und für Pfizer glaubwürdigen - Adhoc-Meldung am Kapitalmarkt signalisieren, dass aufgrund der konjunkturellen oder politischen Situation derzeit große Unsicherheit auf den Märkten herrscht, und beide Unternehmen daraufhin risikoavers agieren und die Maximin-Regel anwenden, verschieben sich die Gewinne zugunsten von GSK : GSK hat dementsprechend ein hohes strategisches Interesse an risikoaversem Verhalten. Zudem kann - wie in → Abbildung 4.13 zu sehen ist - Risikoaversion auch absolut die Gewinne beider Unternehmen erhöhen. Im Wettbewerb zwischen Kellogg’s und Nestlé bei Frühstückscerealien existiert offensichtlich kein Nash-Gleichgewicht - egal welchen Ausgangspunkt man in → Abbildung 4.13 links wählt, immer wieder hat einer der Wettbewerber einen Anreiz, von der aktuellen Strategie abzuwei- 30 0 40 200 40 60 100 40 80 0 30 GlaxoSmithKline Pfizer 40 Gleichgewicht bei Risikoaversion 200 40 60 100 40 80 0 30 GlaxoSmithKline Pfizer Nash- Gleichgewicht 1 2 hohes F&E- Budget niedriges F&E-Budget hohes F&E- Budget niedriges F&E- Budget hohes F&E- Budget niedriges F&E-Budget hohes F&E- Budget niedriges F&E- Budget <?page no="222"?> 222 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie chen, um sich besser zu stellen. In der Folge werden die vier Felder der Matrix wiederholt gegen den Uhrzeigersinn durchlaufen. Abbildung 4.13: Fehlendes Nash-Gleichgewicht und Risikoaversion. Sollten beide Unternehmen nun die Maximin-Regel anwenden, ergibt sich für Kellogg’s die Strategie knusprig, für Nestlé die Strategie süß - beide Unternehmen machen in diesem Fall einen Gewinn von jeweils 3. Zudem stellen sich beide Unternehmen mit risikoaversem Verhalten rechts sogar besser als in der Situation links: Beim Durchlaufen der vier Matrix-Felder beträgt der durchschnittliche Gewinn je Periode für Kellogg’s (1 + 3 + 2 + 5)/ 4 = 2,75 , der durchschnittliche Gewinn von Nestlé beträgt (2 + 3 + 4 + 1)/ 4 = 2,5 . Gemischte Strategien und zufällige Entscheidungen Die Analyse der Spiele zwischen Lego und Playmobil (→ Abbildung 4.8) sowie der Wettbewerb zwischen Kellogg’s und Nestlé (→ Abbildung 4.13) hat gezeigt, dass ggfs. mehrere oder kein Nash-Gleichgewicht in reinen Strategien existieren. Eine mögliche Lösung liegt hier in gemischten Strategien (Nash 1951) - ein Spieler entscheidet sich hier nicht für eine einzelne Strategie, sondern wählt zufällig eine Strategie auf 1 1 2 2 süß knusprig knusprig süß Kellogg’s Nestlé 4 2 3 3 2 1 1 5 Gleichgewicht bei Risikoaversion süß knusprig süß Kellogg’s Nestlé 4 2 3 3 2 1 1 5 kein Nash- Gleichgewicht knusprig <?page no="223"?> Risikoaversion und gemischte Strategien 223 Basis einer Wahrscheinlichkeitsverteilung. Nash-Gleichgewichte in gemischten Strategien sind damit eine Verallgemeinerung der Nash- Gleichgewichte in reinen Strategien. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: gibt es keine Nash-Gleichgewichte in reinen Strategien, dann wird die Wahrscheinlichkeitsverteilung über alle verfügbaren Strategien entwickelt - gibt es dagegen mehrere Nash-Gleichgewichte, berücksichtigt die Wahrscheinlichkeitsverteilung nur diejenigen reinen Strategien, die auf die Nash-Gleichgewichte führen. Ein mittlerweile auch wissenschaftlich umfangreich untersuchtes spieltheoretisches Problem in diesem Zusammenhang ist der Elfmeter im Fußball. In → Abbildung 4.14 ist die Situation zwischen Torwart und Schütze beim Elfmeter in stark vereinfachter Version dargestellt: Beide entscheiden absolut simultan, es gibt nur die Strategien rechts oder links, der Torwart hält den Ball definitiv, wenn er in der richtigen Ecke ist, der Schütze schießt niemals an Latte oder Pfosten oder gar daneben. Offensichtlich hat keiner der Kontrahenten eine dominante Strategie, allerdings führt auch die Analyse der besten Antworten zu keiner Lösung: In keinem Feld der Matrix treffen sich beste Antworten, so dass kein Nash-Gleichgewicht in reinen Strategien vorliegt. Abbildung 4.14: Torwart und Elfmeterschütze beim Elfmeter. beste Antworten Ausgangssituation 1 2 rechts links links rechts Torwart Elfmeterschütze 0 0 0 0 rechts links links rechts Torwart Elfmeterschütze 0 1 1 0 0 1 1 0 pr TL (1-pr TL ) pr SL (1-pr SL ) pr TL = 50 % (1-pr TL ) = 50 % pr SL = 50 % (1-pr SL ) = 50 % 1/ 4 1/ 4 1/ 4 1/ 4 1 1 1 1 <?page no="224"?> 224 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie Jeder der beiden Spieler kann nun aber zufällig eine seiner Strategien wählen: Die Verteilung der Strategien stellt dann eine gemischte Strategie über die reinen Strategien dar. Die in derartigen Situationen zu wählende Wahrscheinlichkeitsverteilung muss drei einfachen Bedingungen genügen: ■ Die Wahrscheinlichkeiten über die Strategien hinweg muss deren relativer Erfolgswahrscheinlichkeit entsprechen, ■ die gewählten zufälligen Strategien dürfen kein erkennbares Muster aufweisen und ■ die Summe der Wahrscheinlichkeiten muss sich zu 1 ergänzen. Wenn statt der einfachen Wahrscheinlichkeiten bei zwei Möglichkeiten wie in → Abbildung 4.14 detailliertere Verteilungen auf Basis bisherigen Verhaltens der Gegner bekannt sind, müssen Elfmeterschützen und Torwart die mit empirischen Wahrscheinlichkeiten gewichteten Strategien des aktuellen Gegners entsprechend berücksichtigen und auf dieser Basis ‚zufällig‘ entscheiden - unter Berücksichtigung dessen, dass der Torwart einem psychologischen Action Bias des Wegspringens aus der Mitte unterliegt (Chiappori et al. 2002, Bar-Eli et al. 2007 sowie Azar und Bar-Eli 2011). Um eine Wahrscheinlichkeitsverteilung über die Strategien für den Elfmeterschützen zu entwickeln, muss dieser einen Erwartungswert über die Strategie des Torwarts ermitteln - wüsste der Elfmeterschütze mit Sicherheit, wohin der Torwart springt, braucht es keine gemischte Strategie. Da keine Nash-Gleichgewichte vorliegen, müssen für diese Wahrscheinlichkeitsverteilung alle denkbaren Strategien berücksichtigt werden. Der Erwartungswert hängt von den Wahrscheinlichkeiten ab: 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑇𝑇𝑇𝑇 (der Torwart springt nach links) und 1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑇𝑇𝑇𝑇 (der Torwart springt nach rechts) beschreibt die Wahrscheinlichkeitsverteilung des Verhaltens des Torwarts - beide Wahrscheinlichkeiten addieren sich wegen 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑇𝑇𝑇𝑇 + 1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑇𝑇𝑇𝑇 = 1 zu 100 %. Entsprechend bezeichnet 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑆𝑆𝑇𝑇 (der Schütze schießt nach links) und 1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑆𝑆𝑇𝑇 (der Schütze schießt <?page no="225"?> Risikoaversion und gemischte Strategien 225 nach rechts) beschreibt die Wahrscheinlichkeitsverteilung des Elfmeterschützen (→ Abbildung 4.14 links). Der Erwartungswert 𝐸𝐸 𝑆𝑆𝑇𝑇 des Nutzens für den Schützen, wenn er nach links schießt, beträgt (4.1) 𝐸𝐸 𝑆𝑆𝑇𝑇 = 0 ⋅ 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑇𝑇𝑇𝑇 + 1 ⋅ (1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑇𝑇𝑇𝑇 ) = 1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑇𝑇𝑇𝑇 , der Erwartungswert 𝐸𝐸 𝑆𝑆𝑆𝑆 beim Schuss nach rechts ergibt sich als (4.2) 𝐸𝐸 𝑆𝑆𝑆𝑆 = 1 ⋅ 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑇𝑇𝑇𝑇 + 0 ⋅ (1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑇𝑇𝑇𝑇 ) = 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑇𝑇𝑇𝑇 . Für den Torwart ergeben sich entsprechend (4.3) 𝐸𝐸 𝑇𝑇𝑇𝑇 = 1 ⋅ 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑆𝑆𝑇𝑇 + 0 ⋅ (1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑆𝑆𝑇𝑇 ) = 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑆𝑆𝑇𝑇 , als Erwartungswert beim Sprung nach links und (4.4) 𝐸𝐸 𝑇𝑇𝑆𝑆 = 0 ⋅ 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑆𝑆𝑇𝑇 + 1 ⋅ (1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑆𝑆𝑇𝑇 ) = 1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑆𝑆𝑇𝑇 . beim Sprung nach rechts. Die Strategie kann zufällig bestimmt werden, wenn die Erwartungswerte beider möglichen Strategien gleich groß sind - mit anderen Worten: Torwart und Schütze berücksichtigen wechselseitig die Wahrscheinlichkeiten der Strategien des Gegners und entscheiden dann ähnlich besten Antworten in mit einer optimalen Wahrscheinlichkeitsverteilung, die jetzt ein Nash-Gleichgewicht in gemischten Strategien darstellt. Man setzt also für die Entscheidung des Elfmeterschützen die Gleichungen (4.1) und (4.2) mit (4.5) 1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑇𝑇𝑇𝑇 = 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑇𝑇𝑇𝑇 gleich, dann ergibt sich mit 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑇𝑇𝑇𝑇 = 1/ 2 sowie 1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑇𝑇𝑇𝑇 = 1/ 2 die Wahrscheinlichkeitsverteilung für das Verhalten des Torwarts - er springt mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % nach links, mit einer Wahrscheinlichkeit von ebenfalls 50 % nach rechts. Analog erhält man durch Gleichsetzen von (4.3) und (4.4) mit (4.6) 1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑆𝑆𝑇𝑇 = 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑆𝑆𝑇𝑇 , dass der Elfmeterschütze ebenfalls mit Wahrscheinlichkeiten 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑆𝑆𝑇𝑇 = 1/ 2 und 1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑆𝑆𝑆𝑆 = 1/ 2 nach links oder rechts schießt. Wenn Torwart <?page no="226"?> 226 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie und Elfmeterschütze entsprechend ihren Wahrscheinlichkeitsverteilungen entscheiden, dann werden die → Abbildung 4.14 rechts eingetragenen kombinierten Wahrscheinlichkeiten auftreten. Jede Kombination von Strategien wird mit einer Häufigkeit von 25 % auftreten. Wenn sich die Spieler nicht an die berechneten Wahrscheinlichkeitsverteilungen halten, verschlechtern sie ihre eigenen Chancen und verbessern die Chancen des Gegners: Schießt der Elfmeterschütze bspw. mit einer zu hohen Wahrscheinlichkeit von 70 % nach links, dann sollte der Torwart immer nach links springen und hält jetzt 70 % aller Elfmeter. Abbildung 4.15: Battle of the Sexes. Gemischte Strategien sind ein ebenfalls mögliches Lösungskonzept in Koordinations-Spielen. Koordinations-Spiele sind gekennzeichnet durch mehrere Nash-Gleichgewichte, die von den Spielern asymmetrisch bevorzugt werden: Es liegen offenbar Interessenkonflikte vor. Derartige Spiele werden häufig unter der Bezeichnung Battle of the Sexes (Geschlechterkampf) zusammengefasst. In → Abbildung 4.15 links ist ein solches Spiel zu sehen: Ein Paar hat sich über die Wochenendaktivitäten zerstritten - sie möchte abends unbedingt zu einem Rugbyspiel, er möchte zeitgleich ins Ballett. Beide haben dennoch eine Präferenz, mit dem Partner gemeinsam den Abend zu verbringen, d.h. die beiden Nash-Gleichgewichte liegen in den Strategiekombinationen Ballett/ Ballett und Rugby/ Rugby, allerdings ist weitere direkte Kommunikation oder indirektes Signaling zur Abstimmung nicht möglich. Rugby Ballet Mann Frau 0 0 2 4 1 1 5 2 Ballet Rugby Rugby Ballet Mann Frau 0 0 2 4 1 1 5 2 Ballet 1/ 30 4/ 30 5/ 30 20/ 30 pr FB =1/ 5 pr MB =5/ 6 (1-pr FR ) =4/ 5 Rugby (1-pr MR ) =1/ 6 <?page no="227"?> Risikoaversion und gemischte Strategien 227 Um jetzt eine Wahrscheinlichkeitsverteilung über die eigenen Strategien Ballett und Rugby festzulegen, müssen Mann und Frau wechselseitig ihre Erwartungswerte des Nutzens in Abhängigkeit vom Verhalten des Partners ermitteln. Der Erwartungswert hängt neben den möglichen Strategien und den Auszahlungen wieder von den Wahrscheinlichkeiten ab: 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝐹𝐹𝐹𝐹 (die Frau geht ins Ballett) und 1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝐹𝐹𝐹𝐹 (die Frau geht zum Rugbyspiel) beschreibt die Wahrscheinlichkeitsverteilung des Verhaltens der Frau, 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑀𝑀𝐹𝐹 (der Mann geht ins Ballett) und 1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑀𝑀𝐹𝐹 (der Mann geht zum Rugbyspiel) beschreibt die Wahrscheinlichkeitsverteilung des Verhaltens des Manns. So ergibt sich der Erwartungswert 𝑢𝑢 𝐹𝐹𝐹𝐹 des Nutzens für die Frau, wenn sie ins Ballett geht als (4.7) 𝑢𝑢 𝐹𝐹𝐹𝐹 = 2 ⋅ 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑀𝑀𝐹𝐹 + 0 ⋅ (1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑀𝑀𝐹𝐹 ) = 2 ⋅ 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑀𝑀𝐹𝐹 , also entsprechend ihrem Nutzen in Abhängigkeit der Wahrscheinlichkeitsverteilung des Verhaltens des Manns. Der Erwartungswert 𝑢𝑢 𝐹𝐹𝑆𝑆 beim Besuch des Rugbyspiels ergibt sich als (4.8) 𝑢𝑢 𝐹𝐹𝑆𝑆 = 1 ⋅ 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑀𝑀𝐹𝐹 + 5 ⋅ (1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑀𝑀𝐹𝐹 ) = 5 − 4 ⋅ 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑀𝑀𝐹𝐹 . Für den Mann ergeben sich entsprechend (4.9) 𝑢𝑢 𝑀𝑀𝐹𝐹 = 4 ⋅ 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝐹𝐹𝐹𝐹 + 1 ⋅ (1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝐹𝐹𝐹𝐹 ) = 1 + 3 ⋅ 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝐹𝐹𝐹𝐹 und (4.10) 𝑢𝑢 𝑀𝑀𝑆𝑆 = 0 ⋅ 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝐹𝐹𝐹𝐹 + 2 ⋅ (1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝐹𝐹𝐹𝐹 ) = 2 − 2 ⋅ 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝐹𝐹𝐹𝐹 . Die Wahl einer Strategie kann dann alleine vom Zufall abhängig gemacht werden, wenn der Nutzen beider möglichen Strategien gleich groß ist - d.h. ein Spieler indifferent bei der Wahl der Strategie ist. Setzt man für die Entscheidung der Frau die Gleichungen (4.7) und (4.8) mit (4.11) 2 ⋅ 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑀𝑀𝐹𝐹 = 5 − 4 ⋅ 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑀𝑀𝐹𝐹 gleich, dann ergibt sich mit 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑀𝑀𝐹𝐹 = 5/ 6 sowie 1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑀𝑀𝐹𝐹 = 1/ 6 die Wahrscheinlichkeitsverteilung für das Verhalten des Manns. Analog erhält man durch Gleichsetzen von (4.9) und (4.10) mit <?page no="228"?> 228 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie (4.12) 1 + 3 ⋅ 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝐹𝐹𝐹𝐹 = 2 − 2 ⋅ 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝐹𝐹𝐹𝐹 , dass die Frau mit einer Wahrscheinlichkeit 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝐹𝐹𝐹𝐹 = 1/ 5 ins Ballett gehen wird, aber mit deutlich größerer Wahrscheinlichkeit 1 − 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝐹𝐹𝐹𝐹 = 4/ 5 das Rugbyspiel besucht. Wenn nun beide Spieler entsprechend ihrer Wahrscheinlichkeitsverteilungen entscheiden, dann werden die → Abbildung 4.15 rechts eingetragenen kombinierten Wahrscheinlichkeiten auftreten: Mit 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑀𝑀𝐹𝐹 ∙ 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝐹𝐹𝐹𝐹 = 5/ 30 Wahrscheinlichkeit gehen beide gemeinsam ins Ballett, mit der Wahrscheinlichkeit 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑀𝑀𝑆𝑆 ∙ 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝐹𝐹𝑆𝑆 = 4/ 30 gehen beide zum Rugbyspiel. Allerdings ist mit 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑀𝑀𝐹𝐹 ∙ 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝐹𝐹𝑆𝑆 = 20/ 30 die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass beide getrennt (aber zumindest entsprechend der individuellen Präferenzen) verbringen. Dagegen ist Wahrscheinlichkeit, dass beide getrennt voneinander und entgegen der eigenen Präferenzen den Abend verbringen, mit 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝑀𝑀𝑆𝑆 ∙ 𝑝𝑝𝑟𝑟 𝐹𝐹𝐹𝐹 = 1/ 30 relativ gering. In Spielen auf Basis gemischter Strategien ist eine Grundanforderung, dass die Wahl der Strategien tatsächlich zufällig erfolgt - um sich das klarzumachen, genügt ein Blick zurück auf Stein, Schere, Papier. Auch hier ist die theoretisch optimale Vorgehensweise, anhand einer gemischten Strategie Stein, Schere und Papier mit einer Wahrscheinlichkeit von je einem Drittel anzuwenden, aber natürlich nicht in dieser Reihenfolge, sondern zufällig abwechselnd. Wenn der Gegner in der Lage ist, ein Muster zu erkennen, und sich darauf einstellen kann, erhöht er seine Chancen, dieses Spiel zu gewinnen. Tatsächlich kann bspw. auf der Website der New York Times (  www.nytimes.com/ interactive/ science/ rock-paper-scissors) gegen einen fairen, aber lernfähigen Computer Stein, Schere, Papier gespielt werden. Ein menschlicher Spieler hat hier nur dann eine Chance, wenn er tatsächlich völlig zufällig entscheidet, d.h. weder die aktuelle eigene noch die gegnerische Strategie noch deren Historie betrachtet und zur Entscheidungsfindung heranzieht. Dieses Ergebnis scheint die Einsatzmöglichkeiten der Spieltheorie einzuschränken, aber das Gegenteil ist der Fall: Aus der Analyse der Spielstruktur lässt sich für Spiele ohne Nash-Gleichgewichte in <?page no="229"?> Sequentielle Entscheidungen und Commitment 229 reinen Strategien als optimale Strategie der Zufall ableiten, in denen dann gemischte Strategien gewählt werden. Tatsächlich sind menschliche Spieler nicht sehr gut in der Lage, gemischte Strategien anzuwenden und rein zufällig zu entscheiden. Erstens neigen Menschen dazu, auch völlig zufälligen Ereignissen - wie bspw. den Strategien der Gegner - Bedeutung und Ursachen zuzuschreiben, zweitens ist das menschliche Gehirn nicht gut dafür geeignet, mit Wahrscheinlichkeiten umzugehen, und drittens erfordern aus Managementperspektive vermeintlich komplexe Entscheidungen in Unternehmen immer Begründungen und Erklärungen, selbst wenn Erfolg oder Misserfolg rein zufällig sind - so dass fortan ungewollt eine nicht zufällige Strategie verfolgt wird (Tversky und Kahneman 1974, Kahneman et al. 2011, Allred 2016 und Sibony et al. 2017). Dies gilt allerdings schon für ein triviales Spiel wie Stein, Schere, Papier: Auch hier sind Menschen nicht in der Lage, rein zufällig zu entscheiden, sondern psychologische Effekte und das vermeintliche oder tatsächliche Entdecken und Verstehen von Mustern dominieren die Entscheidungsfindung (Wang et al. 2014). Sequentielle Entscheidungen und Commitment In allen bislang betrachteten Situationen haben die Spieler simultan Entscheidungen getroffen. In der Realität heißt das nicht notwendigerweise gleichzeitig, sondern es bedeutet, dass sich Entscheidungen von Wettbewerbern simultan im Zeitablauf entwickeln und konkretisieren, so dass faktisch nicht auf die Entscheidung eines Wettbewerbers zeitversetzt reagiert wird: Das Abwarten auf die Entscheidung würde ggfs. einen strategischen Wettbewerbsnachteil bedeuten. Allerdings gibt es Märkte und Industrien, in denen sich Wettbewerbsvorteile durch sequentielle Entscheidungen erzielen lassen - und zwar sowohl durch die Möglichkeit als erster zu entscheiden (First Mover Advantage) als auch durch die Möglichkeit abzuwarten (Second Mover Advantage) (Kopel und Löffler 2008). <?page no="230"?> 230 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie Die bisher verwendete strategische Normalform kann gut für einmalige, simultane oder statische Spiele verwendet werden. Sie ist allerdings unpraktisch zur Analyse sequentieller Entscheidungssituationen. Die extensive Form ermöglicht Entscheidungen entlang von Verzweigungen zu beschreiben und zu analysieren, in denen die Spieler einmalig nacheinander oder auch wiederholt nacheinander entscheiden. Die Normalform kann, wie in → Abbildung 4.16 gezeigt, in die extensive Form überführt werden - Spieler 1 entscheidet hier bspw. als Erster über seine Strategie A oder B, Spieler 2 beobachtet diese Entscheidung und reagiert danach mit einer seiner Strategien C oder D in bestmöglicher Weise. Die möglichen Gewinne beider Spieler hängen von der Reihenfolge der Entscheidungen ab. In einem sequentiellen Spiel kann ein Unternehmen den ersten Zug machen. Gründe hierfür können unter anderem sein: ■ eine Führungsrolle in der Vergangenheit, ■ die Kontrolle bestimmter Wettbewerbsparameter oder ■ Unternehmensgröße und eine marktbeherrschende Stellung (vgl. weiterführend auch → Kapitel 5 zu Stackelberg-Marktführung). Abbildung 4.16: Strategische Normalform versus extensive Form. Spieler 2 Strategie A Spieler 1 Gewinne 1 / 2 Strategie B π (1) 1A/ 2C π (2) 1A/ 2D π (2) 1B/ 2D π (1) 1B/ 2D π (2) 1B/ 2C π (1) 1B/ 2C extensive Form Strategie C Strategie D Strategie C Strategie D π (2) 1A/ 2C π (1) 1A/ 2D Spieler 1 Spieler 2 π (2) 1A/ 2C π (1) 1A/ 2C π (2) 1A/ 2D π (1) 1A/ 2D π (2) 1B/ 2D π (1) 1B/ 2D π (2) 1B/ 2C π (1) 1B/ 2C strategische Normalform Strategie A von Spieler 1 Strategie B von Spieler 1 Strategie C von Spieler 2 Strategie D von Spieler 2 <?page no="231"?> Sequentielle Entscheidungen und Commitment 231 Ein Unternehmen kann aber auch eine strategische Führung aktiv anstreben, wenn es sich davon einen Vorteil verspricht und seine Gewinne erhöhen kann. Sequentielle Spiele werden deshalb durch iterative Rückwärtsinduktion (Backward Induction) gelöst - man prüft von dem angestrebten Endergebnis herkommend, ob dieses für den Spieler tatsächlich erreichbar ist. In → Abschnitt 4.2 ist anhand → Abbildung 4.6 gezeigt, dass im simultanen Wettbewerb zwischen Volkswagen und Toyota ein Nash-Gleichgewicht auf Basis bester Antworten existiert, wenn beide Unternehmen eine mittelgroße Fabrik aufbauen - beide Unternehmen erzielen hier einen Gewinn von 100. Allerdings zeigt die Auszahlungsmatrix in → Abbildung 4.6, dass Gewinne von 105 oder sogar 125 möglich sein könnten. Abbildung 4.17: Wettbewerb zwischen Toyota und Volkswagen als sequentielles Spiel. Wenn Toyota jetzt diese Situation als sequentielles Spiel analysiert, um herauszufinden, ob diese höheren Gewinne erreichbar sind, stellt sich die extensive Form wie in → Abbildung 4.16 dar. Toyota kann zunächst über die Größe der Fabrik (k=klein, m=mittel, g=groß) entscheiden, Volkswagen kann danach darauf mit den gleichen Strategien reagieren. k g m k g m k g m k g m 105 / 105 85 / 125 50 / 105 125 / 85 100 / 100 40 / 70 105 / 50 70 / 40 0 / 0 Toyota Gewinne T / VW Volkswagen <?page no="232"?> 232 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie Tatsächlich existieren für Toyota drei mögliche Ergebnisse, in → Abbildung 4.17 durch Pfeile gekennzeichnet, die den Gewinn im Vergleich zum simultanen Spiel erhöhen: ■ Pfad 1: Toyota beginnt mit einer kleinen Fabrik - der Gewinn würde auf 105 ansteigen, wenn Volkswagen mit einer kleinen Fabrik reagiert. ■ Pfad 2: Toyota beginnt mit einer mittleren Fabrik - der Gewinn würde auf 125 ansteigen, wenn Volkswagen mit einer kleinen Fabrik reagiert. ■ Pfad 3: Toyota beginnt mit einer großen Fabrik - der Gewinn würde auf 105 ansteigen, wenn Volkswagen mit einer kleinen Fabrik reagiert. Um dieses sequentielle Spiel zu lösen, betrachtet man die möglichen Reaktionen von Volkswagen auf diesen ersten Schritt von Toyota . Tatsächlich werden Pfad 1 und Pfad 2 nicht in der von Toyota beabsichtigten Weise zustande kommen: Wenn Toyota mit einer kleinen Fabrik beginnt, wird Volkswagen im Vergleich der eigenen möglichen Gewinne mit einer mittelgroßen Fabrik reagieren - so erhöht Volkswagen den Gewinn, aber nicht Toyota . Entlang von Pfad 2 wird Volkswagen ebenfalls nicht wie von Toyota angestrebt reagieren: Volkswagen wird als Reaktion auf eine mittelgroße Toyota Fabrik ebenfalls eine mittelgroße Fabrik bauen und das Nash-Gleichgewicht aus dem simultanen Spiel realisieren. Wenn Toyota allerdings mit einer großen Fabrik beginnt, ist die beste Reaktionsmöglichkeit von Volkswagen tatsächlich die Wahl einer kleinen Fabrik - hier sind aus Perspektive von Volkswagen die Gewinne mit 50 größer als bei einer Reaktion mit einer mittleren oder kleinen Fabrik. Damit entsteht für Toyota ein First Mover Advantage, d.h. ein Vorteil des ersten Zuges - durch diesen ersten Schritt kann Toyota den Gewinn von 100 in einem simultanen Spiel auf 105 im sequentiellen Spiel erhöhen, weil Volkswagen zu einer Änderung der Strategie im Vergleich zum simultanen Spiel gezwungen wird. In → Abbildung 4.18 ist dieses Ergebnis abgebildet. Ein derartiges Gleichgewicht wird als teilspielperfektes Gleichgewicht bezeichnet, <?page no="233"?> Sequentielle Entscheidungen und Commitment 233 da die Entscheidungen der zweiten Stufe konsistent (sequentiell rational) mit den Entscheidungen der ersten Stufe erfolgen - der Spieler der ersten Stufe nimmt die Entscheidung des Spielers auf der zweiten Stufe bei perfekter Information (der Spieler der zweiten Stufe kennt die Entscheidung des Spielers auf der ersten Stufe) und vollständiger Rationalität vorweg. Abbildung 4.18: Teilspielperfekte First-Mover-Strategie von Toyota. Strategische Eintrittsbarrieren und glaubwürdige Drohungen Die Analyse sequentieller Entscheidungen hat insbesondere dann Relevanz, wenn ein Unternehmen bereits im Markt etabliert ist und ein anderes Unternehmen in diesen Markt eintreten möchte. Anhand eines sequentiellen Spiels können dann Möglichkeiten und Plausibilität von strategischen Eintrittsbarrieren analysiert werden. Tesla versucht massiv in den deutschen Markt einzutreten, etablierte Hersteller wie BMW versuchen dies zu unterbinden (Süddeutsche Zeitung 30. Juni 2017). Die von etablierten Unternehmen in dieser Situation häufig argumentierte Strategie ist, im Fall des Markteintritts eines neuen Wettbewerbers die vorhandenen Kapazitäten auszudehnen - somit mehr zu produzieren -, um den möglichen Marktanteil des neuen Wettbewerbers zu begrenzen. Zudem werden in der Folge einer Ausk g m k g m k g m k g m 105 / 105 85 / 125 50 / 105 125 / 85 100 / 100 40 / 70 105 / 50 70 / 40 0 / 0 Toyota Gewinne T / VW Volkswagen <?page no="234"?> 234 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie weitung des Angebots auch die Preise gesenkt, so dass Gewinne nur entstehen können, wenn ein Unternehmen Economies of Scale realisiert - auch dies soll mögliche neue Wettbewerber, die aufgrund geringer Größe keine signifikanten Economies of Scale aufweisen, vom Markteintritt abschrecken. In → Abbildung 4.19 ist eine derartige Situation schematisch als sequentielles Spiel abgebildet. Abbildung 4.19: Unglaubwürdige strategische Eintrittsbarrieren - BMW gegen Tesla. In der Ausgangssituation - vor einem Markteintritt von Tesla - macht BMW offenbar einen Gewinn in Höhe von 100, sollte Tesla in den Markt eintreten, gehen die Gewinne von BMW aufgrund der höheren Wettbewerbsintensität allerdings auf 40 zurück. Markteintrittssperren funktionieren dann, wenn ein etabliertes Unternehmen ein potenziell eintretendes Unternehmen vom Eintritt abhalten kann, weil dessen Markteintritt unprofitabel wäre. In → Abbildung 4.19 ist allerdings zu sehen, dass eine derart argumentierte Eintrittssperre durch BMW nicht glaubwürdig ist: Das etablierte Unternehmen würde offensichtlich auch bei einem Markteintritt von Tesla hohe Preise beibehalten wollen (und die Menge nicht ausweiten), da die eigenen Gewinne von 40 bei Beibehaltung der Menge die Gewinne von 20 bei einer Ausdehnung der Produktion übersteigen - Tesla hingegen würde in jedem Fall in den Markt eintreten, denn deren Gewinne sind bei Markteintritt mit 20 oder 40 Eintritt kein Eintrit 20 / 20 Ausweitung Menge 40 / 40 0 / 100 Beibehaltung Menge 0 / 80 Ausweitung Menge Beibehaltung Menge BMW (etabliert) Tesla (potenzieller Angreifer) Gewinn Telsla / BMW <?page no="235"?> Sequentielle Entscheidungen und Commitment 235 immer positiv. In diesem Fall ist BMWs Ankündigung nicht glaubwürdig - BMW wird sich nicht an die eigene Ankündigung halten - und somit nicht wirksam, um den Markteintritt von Tesla zu verhindern. Eine Möglichkeit, um einer Ankündigung oder Drohung Glaubwürdigkeit zu verleihen, ist, dass ein Unternehmen sich (formal und/ oder kostspielig) auf eine verbindliche Verhaltensweise und Strategie festlegt, d.h. ein Commitment abgibt. BMW könnte dies bspw. dadurch tun, dass das Unternehmen freiwillig Sunk Costs 𝑀𝑀𝑇𝑇 investiert, die aufgrund von Gesetzgebung oder technologischen Anforderungen auch für Tesla maßgeblich sind (Raising Rivals‘ Costs). Aktuell versuchen die etablierten deutschen Hersteller genau das: Die Auszahlungsmatrix des Wettbewerbs um Elektromobilität soll durch Kosten und Rahmenbedingungen für Ladeinfrastruktur oder das Einhalten bestimmter technologischer Standards so verändert werden, dass ein Markteintritt von Tesla oder ggfs. auch von weiteren neuen Unternehmen verhindert oder deutlich verzögert wird. Abbildung 4.20: Glaubwürdige strategische Eintrittsbarrieren - BMW gegen Tesla. Ob das funktioniert, hängt von der Höhe der investierten Sunk Costs 𝑀𝑀𝑇𝑇 ab, wie in → Abbildung 4.20 zu sehen ist. Bei den gegebenen Auszahlungen können freiwillige Sunk Costs in einem Bereich von 40 < 𝑀𝑀𝑇𝑇 < 60 wirksam den Markteintritt von Tesla verhindern und die Gewinne von BMW absichern: Eintritt kein Eintrit Ausweitung Menge Beibehaltung Menge Ausweitung Menge Beibehaltung Menge BMW (etabliert) Tesla (potenzieller Angreifer) Gewinn Telsla / BMW 20-SC / 20-SC 40-SC / 40-SC 0 / 100-SC 0 / 80-SC ohne oder zu niedrige Eintrittssperre mit angemessener Eintrittssperre <?page no="236"?> 236 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie ■ Falls 𝑀𝑀𝑇𝑇 < 40 ist, wird Tesla trotzdem eintreten, da weiter Gewinne möglich sind - die Gewinne von BMW betragen jetzt ebenfalls 40 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 . ■ Falls 𝑀𝑀𝑇𝑇 > 60 , würde BMW sich schlechter stellen im Vergleich zu einer Situation, in der Tesla in den Markt eintritt - denn mit Sunk Costs 𝑀𝑀𝑇𝑇 von mehr als 60 sinkt der Gewinn von BMW unter das Niveau des Gewinns, das bei einem Markteintritt von Tesla ohne Sunk Costs möglich gewesen wäre. ■ Falls 𝑀𝑀𝑇𝑇 aber bspw. 50 beträgt, dann würde der Markteintritt glaubwürdig und wirksam versperrt - BMWs Gewinn wäre dann immer noch 100 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 = 50 und größer als im Fall des Markteintritts von Tesla . Aus Managementperspektive sind drei Aspekte zentral: ■ Investitionen in Form von Sunk Costs können Strategien wie Markteintrittsbarrieren Glaubwürdigkeit verleihen, ■ eine Grenze für die maximalen Sunk Costs ergibt sich aus der Differenz zwischen dem bei Markteintritt eines Wettbewerbers erzielbaren Gewinn und dem Gewinn ohne Markteintritt abzüglich der Sunk Costs und ■ für den Wettbewerber muss die Investition nachvollziehbar und beobachtbar sein. Diese Form der Sunk Costs liegt auch vor, wenn ein Unternehmen strategisch in Überkapazität investiert, die jederzeit ohne weitere Investition genutzt werden kann, falls ein potenzieller Markteintritt droht. Zwar erfordert eine solche Überkapazität zunächst höhere Kosten, kann aber dauerhaft ein höheres Gewinnniveau absichern - aus Managementperspektive ist dies häufig nicht einvernehmlich zwischen Strategieabteilung und Controlling zu diskutieren, findet aber Anwendung bei Fluggesellschaften durch Code-Sharing-Allianzen wie One- World oder Staralliance , in der Containerschifffahrt, in der Automobilindustrie in Form von unternehmensübergreifenden Plattform-Partnerschaften und in der Stahlindustrie (Dixit 1980, Milgrom und Roberts 1982 sowie Schuler et al. 2014). <?page no="237"?> Sequentielle Entscheidungen und Commitment 237 Chicken Game und glaubwürdige Strategien Zahlreiche Spiel- und Wettbewerbssituationen haben aufgrund ihrer Bezüge zu alltäglichen Situationen oder mit Referenz auf Literatur oder Film sehr einprägsame Namen: So referenziert die Auszahlungsstruktur des Chicken Game (Feiglingsspiel) auf Situationen, in denen durch eine Mutprobe Durchsetzungsstärke oder Überlegenheit demonstriert werden soll. Die Struktur des Spiels erlaubt allerdings ebenso eine weitreichende unternehmensstrategische Erkenntnis. In → Abbildung 4.21 links ist die Auszahlungsmatrix zweier Autofahrer Redcar und Bluecar zu sehen, die ähnlich der Situation im Spielfilm ‚Rebel without a Cause‘ mit hoher Geschwindigkeit und demontierten Bremsen aufeinander zurasen. Die Auszahlungsmatrix des Chicken Game ist wenig attraktiv - wenn beide geradeaus fahren, endet das Spiel tödlich, wenn beide ausweichen, stehen beide als Feiglinge dar. Das Spiel hat keine dominante Strategie und aufgrund des ggfs. tödlichen Ausgangs bietet es sich nicht an, eine gemischte Strategie zu wählen, um eines der beiden Nash-Gleichgewichte zu realisieren. Abbildung 4.21: Chicken Game - Ausgangssituation und Eliminieren einer eigenen Strategie. geradeaus geradeaus ausweichen Redcar Bluecar -∞ -∞ -1000 1000 -500 -500 1000 -1000 Ausgangssituation geradeaus geradeaus ausweichen Redcar Bluecar -∞ -∞ -1000 1000 -500 -500 1000 -1000 Commitment durch Eliminieren einer eigene Strategie 1 2 ausweichen ausweichen <?page no="238"?> 238 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie Eine Möglichkeit, dieses Spiel (zumindest mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit) zu einem positiven Ausgang zu bringen und zu gewinnen, ist, das eigene Lenkrad sichtbar für den Gegenspieler aus dem Auto zu werfen. Damit eliminiert in → Abbildung 4.21 rechts Redcar zwar eine mögliche eigene Strategie (die untere Zeile in Form von Ausweichen), aber so hat er jetzt glaubwürdig signalisiert, dass er geradeaus fahren wird - ein rationaler Spieler Bluecar wird jetzt in jedem Fall ausweichen, denn in der vereinfachten Matrix in → Abbildung 4.21 rechts hat er eine dominante Strategie in Form von ausweichen. Gleichzeitig hat der Spieler Redcar aber - ähnlich wie zuvor BMW - die Struktur des Spiels verändert: Aus dem simultanen Spiel wurde durch das Hinauswerfen des Lenkrads ein sequentielles Spiel, zudem hat sich die Auszahlungsmatrix verändert. Aus Managementperspektive ist hier zentral zu verstehen, dass nicht immer zusätzliche strategische Optionen sinnvoll sind: Es kann Wettbewerbssituationen geben, in denen sich ein Unternehmen bewusst entscheidet, die Struktur des Spiels zu verändern und die Zahl möglicher Strategien zu reduzieren, um die Wettbewerber in eine Situation vergleichbar dem Chicken Game zu zwingen. Durch das Eliminieren eigener strategischer Optionen erfolgt ein Commitment und die Herstellung von Glaubwürdigkeit (Courtney 1997 und Bonau 2017). Zusammenfassung Spieltheorie ist ein Konzept zur Analyse strategischer Entscheidungen mit dem Ziel, optimale Entscheidungen unter Berücksichtigung und Antizipation der Entscheidungen aller anderen Spieler zu ermitteln. Zahlreiche Wettbewerbssituationen, in denen Spieler, Strategien und Auszahlungen beschrieben werden können, lassen sich auf diese Weise strategisch durchdenken. Zentrales Lösungskonzept ist das Nash- Gleichgewicht in reinen oder gemischten Strategien: Ein Nash-Gleichgewicht kommt zustande, wenn alle Spieler wechselseitig beste Antworten spielen - in dieser Konstellation hat kein Spieler einen Anreiz <?page no="239"?> Zusammenfassung 239 von seiner Strategie abzuweichen, da er sich individuell schlechter stellen würde. In einmaligen und endlich wiederholten Spielen kann ein Prisoner‘s Dilemma entstehen - eine kollektiv bevorzugte Situation kommt nicht zustande, weil individuell Anreize bestehen, von einer kooperativen Lösung abzuweichen. In Laborexperimenten zeigt sich allerdings, dass Menschen bereit sind, wechselseitig Vertrauen aufzubauen und eine kollektiv bevorzugte Lösung - zumindest temporär - zu etablieren. In sequentiellen Spielen kann über Rückwärtsinduktion geprüft werden, ob ein Spieler einen First-Mover-Advantage besitzt und einen höheren Gewinn im Vergleich zu einem simultanen Spiel erzielen kann. Spieltheorie hilft aber nicht nur, eine optimale Strategie unter gegebenen Rahmenbedingungen zu identifizieren. Oft liegt der Mehrwert aus Managementperspektive darin, die Grundmuster einer Wettbewerbssituation besser zu verstehen und ggfs. diese Regeln des Wettbewerbs zu verändern, sei es durch Veränderung der Auszahlungsmatrix, Eliminierung eigener Strategien und Commitment, Aufbau von Unsicherheit oder Investition in Glaubwürdigkeit. Spieltheorie hilft in der realen Unternehmensumwelt, interaktive strategische Entscheidungssituationen zu strukturieren sowie implizite und explizite Abhängigkeiten zu Wettbewerbern anschaulich darzustellen und zu analysieren. Häufig wird nur hiermit eine Plausibilisierung aktuell verwendeter oder per se denkbarer Strategien möglich. Zudem können mögliche Reaktionen der Wettbewerber in Szenarien bei unterschiedlichen Rahmenbedingungen explizit durchgespielt werden. Schließlich ermöglicht Spieltheorie, Optionen für eigene Strategien zu generieren und belastbar zu entwickeln und auf ihre Durchsetzbarkeit hin zu überprüfen. Spieltheorie ist allerdings kein Allheilmittel für Strategieabteilungen: Begrenzte oder sogar fehlende Rationalität der Wettbewerber, Unbestimmtheit bei multiplen Nash-Gleichgewichten und Willkür von Ma- <?page no="240"?> 240 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie nagern verhindern oft das Erreichen eines Nash-Gleichgewichtes. Eine präzise Anwendung von Spieltheorie erfordert zudem sehr gute qualitative und quantitative Daten über den Wettbewerbsprozess - dies ist oft nur eingeschränkt möglich und mit hohem Aufwand in der Erstellung des Modells verbunden. Literaturtipps Spieltheorie mit spannenden Anwendungen findet man bei Binmore, K.G., Fun and Games - a Text on Game Theory, London 1992, oder Riechmann, T., Spieltheorie, München 2014. Mit klarem anwendungsorientiertem Bezug zur Entscheidungstheorie ist Harrington, J.E., Games, Strategies and Decision Making, New York 2015, eine gute Wahl. Kontrollfragen [1] Beschreiben Sie praktische Anwendungsfelder der Analyse von Entscheidungen mittels Spieltheorie sowie deren Grenzen, Vor- und Nachteile! [2] Was ist eine dominante Strategie? Weshalb sind Gleichgewichte, die aufgrund von dominanten Strategien aller Spieler zustande kommen, stabil? [3] Was ist ein Nash-Gleichgewicht, in welcher Weise unterscheidet es sich von einem Gleichgewicht in dominanten Strategien? Was ist der Unterschied von Nash-Gleichgewichten in reinen und gemischten Strategien? [4] Wie funktioniert die sogenannte Maximin-Regel, weshalb und wann findet sie Anwendung? Erläutern Sie, weshalb ein Unternehmen Interesse haben kann, Unsicherheit über die Auszahlungen oder betreffs der Rationalität zu schaffen. [5] Was ist die Tit-for-Tat-Strategie? Beschreiben Sie, wie die Tit-for- Tat-Strategie eine Erklärung für hohe Benzinpreise liefern kann! [6] Wie kann eine (ggfs. auch verbotene) Kooperation zwischen Wettbewerbern entstehen, wann hat sie Bestand, wann nicht? <?page no="241"?> Kontrollfragen 241 [7] Beschreiben Sie das sogenannte Prisoner‘s Dilemma! Geben Sie zwei Beispiele für ökonomische Situationen, in denen das Prisoner‘s Dilemma verhindert, dass von der Allgemeinheit gewünschte Lösungen entstehen und Bestand haben. [8] Wann versucht ein Spieler, eine First-Mover-Strategie anzuwenden? Unter welchen Voraussetzungen funktioniert diese Strategie? Wie analysiert man ein sequentielles Spiel, wie kann man optimale Strategien identifizieren? [9] Erläutern Sie das Konzept gemischter Strategien! [10] Zwei Unternehmen A und B konkurrieren im Markt für Zahnpasta. In der Abbildung sind die Strategien ‚Werbung‘ und ‚keine Werbung‘ und die zugehörige Auszahlungsmatrix der Gewinne beider Unternehmen dargestellt. Ermitteln Sie, welche Strategien die (risikoneutralen) Unternehmen wählen werden! Was ist ein Nash- Gleichgewicht, ist die von Ihnen ermittelte Strategiekombination ein Nash-Gleichgewicht? [11] Zwei Elektrokonzerne 1 und 2 konkurrieren über die Höhe der F&E- Budgets, in der Matrix sind die Gewinne beider Unternehmen dargestellt. Ermitteln Sie für sequentielle und simultane Spiele (mit reinen und gemischten Strategien) sowie für risikoaverse Unternehmen mögliche Gleichgewichte und erläutern Sie diese aus Perspektive der Unternehmen! keine Werbung Werbung Werbung keine Werbung 5 10 0 15 10 8 6 Unternehmen A Unternehmen B 20 <?page no="242"?> 242 Strategische Entscheidungen mit Spieltheorie Literatur Aiginger, K., The use of game theoretical models for empirical industrial organization, in: Mueller, D.C., Haid, A. und Weigand, J. (Hrsg.), Competition, efficiency, and welfare, Amsterdam 1999, 253-277. 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Wang, Z., Xu, B. und Zhou, H.-J., Social cycling and conditional responses in the Rock-Paper-Scissors game, Nature - Scientific Reports, 2014, 4, 5830. <?page no="246"?> 5 Strategischer Wettbewerb im Oligopol Bei vollständiger Konkurrenz und im Monopol lassen sich strategische Entscheidungen von Unternehmen zwar sehr gut herausarbeiten, allerdings bleiben die Rückwirkungen aus Reaktionen und Strategien der Wettbewerber ausgeblendet. Ein Monopolist berücksichtigt allenfalls potenzielle Wettwerber. Bei vollständiger Konkurrenz reicht es zur Ableitung der eigenen Strategie aus, den Marktpreis und dessen Entwicklung in den Blick zu nehmen. In Oligopolen ist dies völlig anders: Hier konkurrieren wenige Unternehmen, die strategisch interagieren, d.h., die wechselseitigen Rückwirkungen des Verhaltens anderer Unternehmen im Wettbewerb müssen maßgeblich bei der Ableitung einer eigenen Strategie berücksichtigt werden. So wird Airbus immer darauf achten, was Boeing tut, im deutschen Mobilfunkmarkt haben die Strategieabteilungen von Vodafone , Deutscher Telekom, 1&1 Drillisch und Telefónica sich wechselseitig im Blick und natürlich analysiert die Konzernzentrale von Nestlé detailliert jede strategische Entscheidung von Procter & Gamble oder Unilever - und umgekehrt. Um Gewinne zu erzielen und das Überleben des Unternehmens abzusichern, müssen aus Managementperspektive in Situationen strategischen Wettbewerbs im Oligopol drei wechselseitig abhängige Entscheidungen getroffen werden: ■ Über welche strategischen Parameter soll mit den Wettbewerbern konkurriert werden - soll in Produktionskapazität investiert werden oder ist ein Preiskampf besser? ■ Wie und in welcher Kombination sollen die strategischen Parameter eingesetzt werden - mit welcher Höhe an Marketinginvestition lässt sich horizontale Produktdifferenzierung und Qualitätsführerschaft aufbauen? ■ Soll die Wettbewerbsintensität erhöht oder reduziert werden - hat mein Unternehmen eine Wettbewerbsfähigkeit, um andere zu verdrängen, oder sollte es eher in eine Nische flüchten, soll in den Aufbau von Eintrittsbarrieren investiert werden? <?page no="247"?> Strategischer Wettbewerb im Oligopol 247 Natürlich wird jedes Unternehmen weiter versuchen, seine unternehmensspezifischen Fähigkeiten im Wettbewerb mit anderen so einzusetzen, dass Wettbewerbsvorteile entstehen (→ Kapitel 2). In → Abbildung 5.1 sind einige der typischerweise zu prüfenden strategischen Parameter abgebildet, auf denen eine Strategie basieren kann. Abbildung 5.1: Strategieparameter. So kann ein Unternehmen bspw. eine auf starker Produktdifferenzierung basierende Strategie entwickeln, wie dies Nestlé oder Apple tun, oder Qualitätsführerschaft in einem hochpreisigen Nischenmarkt beanspruchen, wie dies der Gitarrenhersteller Suhr macht. Unternehmen sind aber nicht vollständig frei oder autark in der Wahl ihrer strategischen Parameter, sondern unter anderem durch die Marktstruktur eingeschränkt. So ist bei vollständiger Konkurrenz der Marktpreis exogen Mengen- (Kapazitäts-) vs. Preiswettbewerb simultane vs. sequentielle Entscheidungen Grad der Produktdifferenzierung Ein-Produktvs. Multi-Produkt-Strategien Innovation vs. Imitation Standort Aufbau von Eintrittsbarrieren Marketing und Branding Effizienz und Kosten(-führerschaft) Qualität Kollusion (Kooperation) Nachfragestruktur (Marktsegmente und Produktdifferenzierung) technologische Möglichkeiten Segmentierung/ Nischenstrategie Markstruktur (Zahl und Größenverteilung der Wettbewerber) typische strategische Parameter Forschung & Entwicklung Bundling und Tying direkte/ indirekte Netzwerkeffekte Economies of Scale Economies of Scope <?page no="248"?> 248 Strategischer Wettbewerb im Oligopol vorgegeben, so dass lediglich über die optimale Produktionsmenge auf Basis der Kostenstruktur konkurriert wird - ein marktbeherrschendes Unternehmen kann dagegen durch Preisstrategien maßgeblich den Gewinn beeinflussen. Wettbewerbssituationen im Oligopol sind dazwischen angesiedelt. Zwar ist eine nahezu beliebige Vielfalt an Strategien denkbar, aber jede Industrie weist einige Besonderheiten und eine auf industriespezifischen Routinen und Verhaltensmustern basierende Logik des Wettbewerbsprozesses auf (Coyne und Horn 2009, Reeves et al. 2012 und Maynkia et al. 2010). Perspektiven auf strategischen Wettbewerb Die Betrachtung strategischer Wettbewerbssituationen kann immer durch vier Perspektiven geleitet werden - unter den Rahmenbedingungen der ■ Marktstruktur (Zahl und Größenverteilung der Unternehmen, die Existenz und der Umfang von Eintrittsbarrieren etc.), ■ Nachfragestruktur (bspw. die Zahlungsbereitschaft, die Größe des Marktes oder der Grad an vertikaler und horizontaler Produktdifferenzierung) und ■ technologischen Möglichkeiten (Rahmenbedingungen für Produkt- und Prozessinnovationen oder die Möglichkeit für Imitation von Technologien anderer Industrien) wird im Wesentlichen durch die ■ Wahl des strategischen Parameters (Kapazität oder Unternehmensgröße, Preisstrategie, F&E- oder Marketingaufwand, Standorte, Aufbau von Eintrittsbarrieren etc.) der Erfolg der Unternehmen analysiert (Shapiro 1989 sowie Corchon und Marini 2018). Eine Klassifizierung der Art des Wettbewerbs erfolgt nach ■ Cournot-Wettbewerb - simultane Entscheidungen über Mengen oder Kapazitäten, <?page no="249"?> Strategischer Wettbewerb im Oligopol 249 ■ Bertrand-Wettbewerb - simultane Entscheidungen über Preise, und ■ Stackelberg-Wettbewerb - sequentielle Entscheidungen über Preise oder Kapazitäten. Zentral sind hier spieltheoretische Analysen von Kapazitäts- und Preiswettbewerb, entsprechend der ursprünglichen Beschreibung als Cournot- und Bertrand-Wettbewerb bezeichnet (Cournot 1838 und Bertrand 1883). Strategien werden hierbei in Form von Reaktionskurven beschrieben (in Analogie zu besten Antworten in der Spieltheorie). Die Lösungen sind wieder in Nash-Gleichgewichten zu finden, wobei der Erfolg der Unternehmen - neben den unternehmensspezifischen Fähigkeiten - maßgeblich durch die Art des Wettbewerbs bestimmt wird. Aus empirischer Perspektive ist Cournot-Wettbewerb in Märkten und Industrien zu beobachten, in denen Produktionskapazitäten eine zentrale Rolle spielen und diese weder schnell noch kostenlos angepasst werden können: Flughäfen, Telekommunikation oder Energienetze sind typische Beispiele. Bertrand-Wettbewerb herrscht dagegen vor, wenn Kapazitäten schnell und mit geringen Investitionen angepasst werden können, so dass Unternehmen die Auslastung über rasche und häufige Preisänderungen beeinflussen, wie bspw. Zeitarbeit, Fluggesellschaften oder Erfrischungsgetränke (Bresnahan 1989, Haskel und Martin 1994 sowie Aiginger 1999). Aus theoretischer Perspektive kann man argumentieren, dass Wettbewerb in zwei Stufen stattfindet. In einer ersten Stufe entscheiden Unternehmen über langfristige Investitionen in den Aufbau von Kapazitäten, in einer zweiten Stufe auf Basis vorhandener Kapazitäten über Preise. Das Marktergebnis ist dann, unter bestimmten Bedingungen, allerdings identisch mit dem Ergebnis von Cournot-Wettbewerb, so dass Cournot-Wettbewerb aus strategischer Perspektive der Unternehmen wie auch als Analyseinstrument in der staatlichen Wettbewerbspolitik eine dominante Rolle spielt (Kreps und Scheinkman 1983, Shapiro 1989, Bagwell und Wolinsky 2002, Phlips 1995 sowie Motta 2004). <?page no="250"?> 250 Strategischer Wettbewerb im Oligopol Überblick | Dieses Kapitel beschäftigt sich mit ■ der Analyse von Wettbewerbssituationen unter wenigen Unternehmen, die strategisch interagieren, sowie deren praktische Relevanz zur Ableitung von Unternehmensstrategien, ■ wesentlichen Unterschieden zwischen Preis- und Mengen-/ Kapazitätswettbewerb sowie deren Auswirkung auf Marktstruktur und Marktergebnis, ■ Auswirkungen von Markteintritten und steigender Wettbewerbsintensität auf Preise, Mengen und Gewinne etablierter Unternehmen sowie ■ den Implikationen von sequentiellen Entscheidungen und Anreizen für Produktdifferenzierung bei Cournot- und Bertrand- Wettbewerb. Kapazitätsentscheidungen und Strategien beim Cournot- Wettbewerb Um zunächst den engen Zusammenhang zwischen Spieltheorie, Cournot-Wettbewerb und Nash-Gleichgewicht herauszuarbeiten, ist in → Abbildung 5.2 eine Auszahlungsmatrix der Gewinne von Apple und Samsung für eine neue Smartphone-Generation einer bestimmten Produktkategorie abgebildet. Mit jeder neuen Generation an Smartphones müssen Unternehmen über den Aufbau von Produktionskapazität entscheiden. Beide Unternehmen haben entsprechend ein Interesse, ein Nash-Gleichgewicht bezüglich des strategischen Parameters Produktionskapazität zu finden, die allerdings zwischen 0 und ‚sehr groß‘ in nahezu beliebigen Schritten gewählt werden kann. Auch bei deutlich mehr als zwei Strategien jedes Unternehmens ist möglich, potenzielle Nash-Gleichgewichte zu identifizieren. Beide Unternehmen können zunächst für beliebig angenommene Werte von 𝑞𝑞 𝐴𝐴 und 𝑞𝑞 𝑆𝑆 die wechselseitigen Gewinne ermitteln und in die Matrix eintragen. Hellgraue Zellen zeigen dann beste Antworten von Samsung , dunkelgraue Zellen zeigen beste Antworten von Apple . In diesem Beispiel  <?page no="251"?> Kapazitätsentscheidungen und Strategien beim Cournot-Wettbewerb 251 gibt es offensichtlich, markiert durch zwei schwarze Rahmen, zwei mögliche Nash-Gleichgewichte bei 𝑞𝑞 𝐴𝐴 = 1000 / 𝑞𝑞 𝑆𝑆 = 2500 und 𝑞𝑞 𝐴𝐴 = 500 / 𝑞𝑞 𝑆𝑆 = 3000 , so dass aufgrund geringerer Grenzkosten Samsung mehr produziert. Abbildung 5.2: Cournot-Wettbewerb als Reaktionskurven l Daten der Auszahlungsmatrix auf Basis p = 1.000 - 0,14 ‧ (q A +q S ), FC = 100.000, MC A = 400, MC S = 100. Es ist offensichtlich, dass mit zunehmender Zahl an Strategien oder mehr als zwei Wettbewerbern das Aufstellen und die Analyse der Auszahlungsmatrix nur noch mit Hilfe von Computerprogrammen wie bspw. Excel möglich ist. Allerdings - wie in → Abbildung 5.2 gezeigt - kann man die besten Antworten beider Unternehmen jeweils durch Linien verbinden. Diese Verbindungslinien bester Antworten beschreiben alle wechselseitig gewinnoptimalen Reaktionen der beiden Unternehmen und werden als Reaktionskurven bezeichnet - im Schnittpunkt beider Reaktionskurven liegt das Nash-Gleichgewicht. Im Fall eines Kontinuums an möglichen Strategien bedeutet das, dass die <?page no="252"?> 252 Strategischer Wettbewerb im Oligopol optimale Strategie 𝑞𝑞 𝑆𝑆∗ von Samsung eine Funktion der möglichen Strategien von Apple 𝑞𝑞 𝐴𝐴 ist, und umgekehrt: Cournot-Wettbewerb kann man als Spiel mit einem Kontinuum an Strategien der Unternehmen auffassen. Cournot-Wettbewerb mit zwei Unternehmen Um den allgemeinen Fall von Cournot-Wettbewerb und Strategien anhand von Reaktionskurven zu beschreiben, wird zunächst eine Industrie ohne Produktdifferenzierung mit zwei Unternehmen betrachtet, die simultan entscheiden. Die Nachfragefunktion ist gegeben durch (5.1) 𝑝𝑝(𝑄𝑄) = 𝑎𝑎 − 𝑏𝑏𝑄𝑄 = 𝑎𝑎 − 𝑏𝑏(𝑞𝑞 1 + 𝑞𝑞 2 ) , so dass sich für die beiden Unternehmen die Erlösfunktionen als (5.2) 𝑅𝑅 1 = 𝑝𝑝𝑞𝑞 1 = �𝑎𝑎 − 𝑏𝑏(𝑞𝑞 1 + 𝑞𝑞 2 )�𝑞𝑞 1 = 𝑎𝑎𝑞𝑞 1 − 𝑏𝑏(𝑞𝑞 1 + 𝑞𝑞 2 )𝑞𝑞 1 und (5.3) 𝑅𝑅 2 = 𝑝𝑝𝑞𝑞 2 = �𝑎𝑎 − 𝑏𝑏(𝑞𝑞 1 + 𝑞𝑞 2 )�𝑞𝑞 2 = 𝑎𝑎𝑞𝑞 2 − 𝑏𝑏(𝑞𝑞 1 + 𝑞𝑞 2 )𝑞𝑞 2 ergeben. Die Kostenfunktionen der beiden Unternehmen sind (5.4) 𝑇𝑇𝑇𝑇 1 = 𝑀𝑀𝑇𝑇 1 ⋅ 𝑞𝑞 1 + 𝐹𝐹𝑇𝑇 (5.5) 𝑇𝑇𝑇𝑇 2 = 𝑀𝑀𝑇𝑇 2 ⋅ 𝑞𝑞 2 + 𝐹𝐹𝑇𝑇 , d.h., die Unternehmen haben identische industriespezifische Fixkosten 𝐹𝐹𝑇𝑇 , unterscheiden sich aber in ihren Grenzkosten 𝑀𝑀𝑇𝑇 1 und 𝑀𝑀𝑇𝑇 2 . Die Differenz aus Erlösen 𝑅𝑅 𝑖𝑖 und Kosten 𝑇𝑇𝑇𝑇 𝑖𝑖 ergibt dann für beide Unternehmen die Gewinnfunktionen 𝜋𝜋 𝑖𝑖 in Form von (5.6) 𝜋𝜋 1 = 𝑅𝑅 1 − 𝑇𝑇𝑇𝑇 1 = 𝑎𝑎𝑞𝑞 1 − 𝑏𝑏(𝑞𝑞 1 + 𝑞𝑞 2 )𝑞𝑞 1 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 1 ⋅ 𝑞𝑞 1 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 und (5.7) 𝜋𝜋 2 = 𝑅𝑅 2 − 𝑇𝑇𝑇𝑇 2 = 𝑎𝑎𝑞𝑞 2 − 𝑏𝑏(𝑞𝑞 1 + 𝑞𝑞 2 )𝑞𝑞 2 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 2 ⋅ 𝑞𝑞 2 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 . Aus den Gleichungen (5.6) und (5.7) ergibt sich zunächst die strategische Interaktion der beiden Unternehmen: Der Gewinn von Unternehmen 1 hängt nicht nur von der eigenen Kapazität 𝑞𝑞 1 ab, sondern auch von der Kapazität 𝑞𝑞 2 des Wettbewerbers - und umgekehrt. Wenn nun beide Unternehmen Kapazitäten als strategischen Parameter <?page no="253"?> Kapazitätsentscheidungen und Strategien beim Cournot-Wettbewerb 253 verstehen, dann lässt sich zunächst für Unternehmen 1 eine optimale Strategie 𝑞𝑞 1∗ aus der ersten Ableitung der Gewinnfunktion 𝜋𝜋 1 nach dem strategischen Parameter 𝑞𝑞 1 ermitteln als (5.8) 𝜕𝜕𝜋𝜋 1 𝜕𝜕𝜕𝜕 1 = 𝑎𝑎 − 𝑏𝑏(𝑞𝑞 1 + 𝑞𝑞 2 ) − 𝑏𝑏𝑞𝑞 1 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 1 = 𝑎𝑎 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 1 − 2𝑏𝑏𝑞𝑞 1 − 𝑏𝑏𝑞𝑞 2 = 0 . Stellt man diese Gleichung um, dann erhält man als optimale Strategie (5.9) 𝑞𝑞 1∗ = 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 1 2𝑏𝑏 − 𝜕𝜕 2 2 . Unternehmen 1 muss entsprechend (5.9) drei Determinanten einer optimalen Strategie berücksichtigen, um die Gewinne zu maximieren: ■ Die strategischen Entscheidungen von Unternehmen 2 und dessen Kapazitätsstrategie 𝑞𝑞 2 - je größer der Wettbewerber, desto kleiner die optimale eigene Kapazität, ■ die eigene Wettbewerbsfähigkeit (𝑎𝑎 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 1 ) - je höher die Wettbewerbsfähigkeit, desto größer die optimale Kapazität, und ■ die Größe des Marktes, gegeben durch 1/ b - je größer der Markt, desto höher die optimale Produktionskapazität. Gleichung (5.9) entspricht der optimalen Strategien eines Monopolisten aus → Kapitel 2 in Gleichung (2.6) - mit dem Unterschied, dass jetzt zusätzlich die Strategie des Wettbewerbers berücksichtigt werden muss. In gleicher Weise ergibt sich für Unternehmen 2 über die Ableitung (5.10) 𝜕𝜕𝜋𝜋 2 𝜕𝜕𝜕𝜕 2 = 𝑎𝑎 − 𝑏𝑏(𝑞𝑞 1 + 𝑞𝑞 2 ) − 𝑏𝑏𝑞𝑞 2 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 2 = 𝑎𝑎 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 2 − 2𝑏𝑏𝑞𝑞 2 − 𝑏𝑏𝑞𝑞 1 = 0 als optimale Strategie (5.11) 𝑞𝑞 2∗ = 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 2 2𝑏𝑏 − 𝜕𝜕 1 2 , Unternehmen 2 muss entsprechend (5.11) die Entscheidung von Unternehmen 1 berücksichtigen. In → Abbildung 5.3 sind die Reaktionsfunktion beider Unternehmen anhand der Gleichung (5.9) und (5.11) eingezeichnet. <?page no="254"?> 254 Strategischer Wettbewerb im Oligopol Abbildung 5.3: Reaktionskurven von Unternehmen 1 und 2. Abbildung 5.4: Cournot-Nash-Gleichgewicht und Effekte auf Unternehmensstrategien. Für jede denkbare Produktionsmenge 𝑞𝑞 2 von Unternehmen 2 wird Unternehmen 1 eine optimale Reaktion, d.h. eine eigene Produktionsmenge 𝑞𝑞 1 (𝑞𝑞 2 ) , festlegen. Die Reaktionskurve beschreibt alle gewinnoptimalen Reaktionen auf jede denkbare Kapazitätsstrategie des Wettbewerbers. Beide Reaktionskurven verlaufend fallend - d.h. je größer die Kapazität des Wettbewerbers, desto kleiner wird die optimale eigene Kapazität gewählt. Kombiniert man jetzt die beiden Reaktionskurven, so ergibt sich in → Abbildung 5.4 links in deren Schnittpunkt ein Nash- − q 2 2 q 2 0 q 1 0 q 2 q 1 Unternehmen 1 Unternehmen 2 − q 1 2 a − MC 2 2b für q 1 = 0 q 2H q 2L q 2 (q 1H ) q 2 (q 1L ) q 1L q 1H q 1 (q 2H ) q 1 (q 2L ) a − MC 1 2b für q 2 = 0 0 q 1 q 2 0 q 2 q 1 Unternehmen 1 Unternehmen 2 q 2∗ q 1∗ Unternehmen 1 Unternehmen 2 q 2∗ q 1∗ <?page no="255"?> 255 Gleichgewicht in besten Antworten - jedes Unternehmen verhält sich optimal in Abhängigkeit der gewählten Strategie seines Wettbewerbers - und kein Unternehmen hat einen Anreiz, von der gewählten Strategie abzuweichen, denn es würde sich schlechter stellen. Der Schnittpunkt beider Reaktionskurven bestimmt die optimalen Kapazitäten 𝑞𝑞 1 und 𝑞𝑞 2 beider Unternehmen - setzt man (5.9) in (5.11) ein, dann ergeben sich die optimalen Strategien im Nash-Gleichgewicht in Mengen als (5.12) 𝑞𝑞 1∗ = 𝑎𝑎−2𝑀𝑀𝑀𝑀 1 +𝑀𝑀𝑀𝑀 2 3𝑏𝑏 und (5.13) 𝑞𝑞 2∗ = 𝑎𝑎−2𝑀𝑀𝑀𝑀 2 +𝑀𝑀𝑀𝑀 1 3𝑏𝑏 . Setzt man diese optimalen Strategien in (5.1) sowie in (5.6) und (5.7) ein, dann ergeben sich Preise und Gewinne im Nash-Gleichgewicht als (5.14) 𝑝𝑝 ∗ = 𝑎𝑎+𝑀𝑀𝑀𝑀 1 +𝑀𝑀𝑀𝑀 2 3 , (5.15) 𝜋𝜋 1∗ = (𝑎𝑎−2𝑀𝑀𝑀𝑀 1 +𝑀𝑀𝑀𝑀 2 ) 2 9𝑏𝑏 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 und (5.16) 𝜋𝜋 2∗ = (𝑎𝑎−2𝑀𝑀𝑀𝑀 2 +𝑀𝑀𝑀𝑀 1 ) 2 9𝑏𝑏 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 . Wichtig ist zu erkennen, dass der Verlauf der beiden Reaktionskurven durch den Schnittpunkt mit der Mengenachse von der Wettbewerbsfähigkeit 𝑎𝑎 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝑖𝑖 der Unternehmen bestimmt wird. Ist - wie in → Abbildung 5.4 rechts dargestellt - Unternehmen 1 in der Lage, seine Grenzkosten zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, verschiebt sich die Reaktionskurve von Unternehmen 1 nach rechts oben. Auf Basis dieser gestiegenen Wettbewerbsfähigkeit wird Unternehmen 1 wachsen und einen höheren Gewinn erzielen - umgekehrt ist zu erkennen, dass Unternehmen 2 schrumpfen muss. Die Strategien bei Cournot-Wettbewerb sind strategische Substitute: Sie entwickeln sich für beide Unternehmen wechselseitig immer in entgegengesetzte Richtungen. Ist die Wettbewerbsfähigkeit beider Unternehmen gleich groß, werden identische Produktionskapazitäten gewählt. Kapazitätsentscheidungen und Strategien beim Cournot-Wettbewerb <?page no="256"?> 256 Strategischer Wettbewerb im Oligopol Wettbewerbsfähigkeit und Unternehmensstrategie Allgemeiner können die Effekte auf die optimale Unternehmensstrategie ermittelt werden, indem die partiellen Ableitungen der Gleichungen (5.12) oder (5.13) als (5.17) 𝜕𝜕𝜕𝜕 𝑖𝑖 ∗ 𝜕𝜕𝑎𝑎 = 1 3𝑏𝑏 > 0; 𝜕𝜕𝜕𝜕 𝑖𝑖 ∗ 𝜕𝜕𝑀𝑀𝑀𝑀 𝑖𝑖 = − 2 3𝑏𝑏 < 0; 𝜕𝜕𝜕𝜕 𝑖𝑖 ∗ 𝜕𝜕𝑏𝑏 = − 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 𝑖𝑖 +2𝑀𝑀𝑀𝑀 𝑗𝑗 3𝑏𝑏 2 < 0 und 𝜕𝜕𝜕𝜕 𝑖𝑖∗ 𝜕𝜕𝜕𝜕 𝑗𝑗∗ = − 12 < 0 beschrieben werden: Der Effekt einer Erhöhung der Zahlungsbereitschaft 𝑎𝑎 oder einer Senkung der Grenzkosten 𝑀𝑀𝑇𝑇 skaliert über die Größe des Marktes 𝑏𝑏 - ein Unternehmen profitiert von einem Wachstum des Marktes umso stärker, je höher die Wettbewerbsfähigkeit ist. Marktstruktur und Marktergebnis bei Cournot-Wettbewerb Industrie 1 Industrie 2 Unternehmen mit identischen Grenzkosten Unternehmen mit unterschiedlichen Grenzkosten A B C D unternehmensspezifische Grenzkosten 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝑖𝑖 10 10 7 10 (1) Ausgangssituation ( a =100, b =0,02, FC =100) 𝑞𝑞 𝑖𝑖 1500 1500 1600 1450 𝑝𝑝 40 39 𝜋𝜋 𝑖𝑖 44900 44900 51100 41950 𝑄𝑄 3000 3050 𝑠𝑠 𝑖𝑖 50 % 50 % 52 % 48 % (2) Anstieg der Zahlungsbereitschaft a ( a =130, b =0,02, FC =100) 𝑞𝑞 𝑖𝑖 2000 2000 2100 1950 𝑝𝑝 50 49 𝜋𝜋 𝑖𝑖 59900 59900 67100 56450 𝑄𝑄 4000 4050 𝑠𝑠 𝑖𝑖 50 % 50 % 52 % 48 % <?page no="257"?> 257 (3) Größe des Marktes b ( a =100, b =0,01, FC =100) 𝑞𝑞 𝑖𝑖 3000 3000 3200 2900 𝑝𝑝 40 39 𝜋𝜋 𝑖𝑖 89900 89900 102300 84000 𝑄𝑄 6000 6100 𝑠𝑠 𝑖𝑖 50 % 50 % 52 % 48 % Tabelle 5.1: Marktstruktur und Marktergebnis bei Cournot-Wettbewerb, Zahlenwerte teilweise gerundet. Um diese Effekte greifbar zu machen, ist in → Tabelle 5.1 beispielhaft das Marktergebnis und die Marktstruktur bei Cournot-Wettbewerb in zwei unterschiedlichen Industrien berechnet. In Industrie 1 stehen die Unternehmen A und B mit identischen Grenzkosten 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝑖𝑖 = 10 im Wettbewerb, in Industrie 2 hat Unternehmen C einen Effizienzvorteil gegenüber Unternehmen D. Für beide Industrien gelten zunächst identische Rahmenbedingungen: Die maximale Zahlungsbereitschaft beträgt 𝑎𝑎 = 100 , die Größe des Marktes 𝑏𝑏 = 0,02 und die Fixkosten 𝐹𝐹𝑇𝑇 = 100 . Es bestätigen sich die in Gleichung (5.17) beschriebenen Effekte: ■ In der Ausgangssituation (1) bei identischen Grenzkosten sind die Unternehmen gleich groß und erzielen Gewinne in gleicher Höhe. Bei unterschiedlichen Grenzkosten ist das Unternehmen mit der höheren Effizienz absolut größer und erzielt einen höheren Gewinn, das andere ist kleiner und der Gewinn geht zurück. ■ Bei einem Anstieg der Zahlungsbereitschaft (2) (von 𝑎𝑎 = 100 auf 𝑎𝑎 = 130 ) im Markt wählen die Unternehmen höhere Kapazitäten, beide können höhere Preise durchsetzen und die Gewinne steigen an. Dies gilt unabhängig von der Höhe der Grenzkosten, allerdings bleiben die relativen Marktanteile 𝑠𝑠 𝑖𝑖 unverändert. ■ Ein Wachstum des Marktes (3) (von 𝑏𝑏 = 0,02 auf 𝑏𝑏 = 0,01 ) lässt die Unternehmen wachsen und die Gewinne ansteigen, die Preise können jedoch nicht erhöht werden - auch dies gilt unabhängig von den Grenzkosten, ebenso bleiben die Marktanteile konstant. Kapazitätsentscheidungen und Strategien beim Cournot-Wettbewerb <?page no="258"?> 258 Strategischer Wettbewerb im Oligopol Aus Managementperspektive ist zentral zu erkennen, dass ein Unternehmen bei einem Anstieg der Zahlungsbereitschaft oder eines Wachstums des Marktes zwar per se höhere Gewinne erzielen kann - dieser Effekt ist umso stärker, je höher die Wettbewerbsfähigkeit (hier auf Basis niedrigerer Grenzkosten) ist - aber ein Wachstum des Marktes nicht zu Preiserhöhungen genutzt werden kann (weiterführend Neumann et al. 2001 und Münter 2017). Case Study | Wie entscheiden Flugzeughersteller über die optimale Produktionskapazität? Mit Boeing und Airbus konkurrieren - vor dem Markteintritt des neuen chinesischen Wettbewerbers Comac - zwei Unternehmen im Markt für zweistrahlige, mittelgroße Langstrecken-Jets: Die Produktfamilien Boeing B787 und Airbus A350 . Aus Kundenperspektive der Fluggesellschaften gibt es hier keine vertikale Produktdifferenzierung: Reichweite, Sitzplatzangebot, Variationsmöglichkeiten und Verbrauch liegen in sehr engen Grenzen zusammen - die Verkaufspreise sind nahezu identisch, der Marktanteil bei Stückzahlen von Airbus liegt bei etwa 53 %, der Marktanteil von Boeing bei etwa 47 % (Hepher 2017 und Airbus 2017). Wesentlicher Wettbewerbsparameter ist - unter starken Verzerrungen durch Subventionen und durch die US-amerikanische und europäische Industriepolitik - die Produktionskapazität (Irwin und Pavcnik 2004, Esty und Ghemawat 2002 sowie Neven und Seabright 1995). Beide Unternehmen wissen aus langjährigem Wettbewerb: Die Nachfragefunktion beträgt 𝑝𝑝 = 500 - 2 ⋅ (𝑞𝑞 𝐴𝐴 + 𝑞𝑞 𝐹𝐹 ) , die Grenzkosten betragen 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝐴𝐴 = 140 für Airbus und 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝐹𝐹 = 180 für Boeing, die industriespezifischen Fixkosten betragen für beide jeweils 𝐹𝐹𝑇𝑇 = 3.000 (jeweils in Mio. EUR). Aktuell haben die Unternehmen noch nicht entschieden, welche Produktionskapazität sie jeweils für diese Generation der jeweiligen Flugzeuge aufbauen sollen. Ein Unternehmensberater soll nun für Airbus prüfen:  <?page no="259"?> 259 ■ Wie groß ist die optimale (gewinnmaximale) Produktionskapazität für Airbus ? ■ Wie wirken sich die unterschiedlichen Grenzkosten auf die Unternehmensgrößen und Marktanteile aus? ■ Welcher Marktpreis wird sich auf der nächsten International Paris Air Show Le Bourget durchsetzen lassen, wie hoch werden die Gewinne der beiden Unternehmen mit diesen Flugzeugen sein? ■ Sollte Airbus zusätzliche Fixkosten in Höhe von 5.000 in eine Prozessoptimierung investieren, um die Grenzkosten je Flugzeug von 140 auf 80 zu senken? Zunächst lassen sich für beide Unternehmen aus der Nachfragefunktion und den jeweiligen Kostenstrukturen die Gewinnfunktionen als (5.18) 𝜋𝜋 𝐴𝐴 = 𝑝𝑝𝑞𝑞 𝐴𝐴 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝐴𝐴 𝑞𝑞 𝐴𝐴 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 = �𝑎𝑎 − 2(𝑞𝑞 𝐴𝐴 + 𝑞𝑞 𝐹𝐹 )�𝑞𝑞 𝐴𝐴 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝐴𝐴 𝑞𝑞 𝐴𝐴 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 = 500𝑞𝑞 𝐴𝐴 − 2𝑞𝑞 𝐴𝐴2 − 2𝑞𝑞 𝐴𝐴 𝑞𝑞 𝐹𝐹 − 140𝑞𝑞 𝐴𝐴 − 3.000 und (5.19) 𝜋𝜋 𝐹𝐹 = 𝑝𝑝𝑞𝑞 𝐹𝐹 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝐹𝐹 𝑞𝑞 𝐹𝐹 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 = �𝑎𝑎 − 2(𝑞𝑞 𝐴𝐴 + 𝑞𝑞 𝐹𝐹 )�𝑞𝑞 𝐹𝐹 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝐹𝐹 𝑞𝑞 𝐹𝐹 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 = 500𝑞𝑞 𝐹𝐹 − 2𝑞𝑞 𝐹𝐹2 − 2𝑞𝑞 𝐴𝐴 𝑞𝑞 𝐹𝐹 − 180𝑞𝑞 𝐹𝐹 − 3.000 formulieren. Die optimale Produktionskapazität auf Basis der Reaktionskurven ergibt sich aus der ersten Ableitung der jeweiligen Gewinnfunktionen mit (5.20) 𝜕𝜕𝜋𝜋 𝐴𝐴 𝜕𝜕𝜕𝜕 𝐴𝐴 = 500 − 4𝑞𝑞 𝐴𝐴 − 2𝑞𝑞 𝐹𝐹 − 140 = 0 oder 𝑞𝑞 𝐴𝐴 = 500−140 4 − 12 𝑞𝑞 𝐹𝐹 und (5.21) 𝜕𝜕𝜋𝜋 𝐵𝐵 𝜕𝜕𝜕𝜕 𝐵𝐵 = 500 − 4𝑞𝑞 𝐹𝐹 − 2𝑞𝑞 𝐴𝐴 − 180 = 0 oder 𝑞𝑞 𝐹𝐹 = 500−180 4 − 12 𝑞𝑞 𝐴𝐴 . Setzt man jetzt Gleichung (5.21) in (5.20) ein, dann ergibt sich Kapazitätsentscheidungen und Strategien beim Cournot-Wettbewerb <?page no="260"?> 260 Strategischer Wettbewerb im Oligopol (5.22) 𝑞𝑞 𝐴𝐴 = 500−140 4 − 12 𝑞𝑞 𝐹𝐹 = 500−140 4 − 12 � 500−180 4 − 12 𝑞𝑞 𝐴𝐴 � = 50 + 14 𝑞𝑞 𝐴𝐴 oder aufgelöst 𝑞𝑞 𝐴𝐴 = 200/ 3 - Airbus sollte eine optimale Kapazität von ca. 67 Flugzeugen einplanen und aufbauen. Umgekehrt ergibt sich durch Einsetzen von 𝑞𝑞 𝐴𝐴 = 200/ 3 in (5.21), dass die optimale Kapazität von Boeing 𝑞𝑞 𝐹𝐹 = 140/ 3 etwa 47 Flugzeuge beträgt. Die unterschiedlichen Grenzkosten der beiden Unternehmen wirken sich in unterschiedlichen optimalen Kapazitäten aus - je geringer die Grenzkosten, desto größer die optimale Kapazität. Der Marktpreis für eines der Flugzeuge ergibt sich jetzt durch Einsetzen der beiden Mengen 𝑞𝑞 𝐴𝐴 und 𝑞𝑞 𝐹𝐹 in die Nachfragefunktion als (5.23) 𝑝𝑝 = 500 - 2 ⋅ (𝑞𝑞 𝐴𝐴 + 𝑞𝑞 𝐹𝐹 ) = 500 - 2 ⋅ � 200 3 + 140 3 � = 273,33 , so dass der Gewinn für die beiden Hersteller sich aus (5.18) und (5.19) als (5.18) 𝜋𝜋 𝐴𝐴 = 𝑝𝑝𝑞𝑞 𝐴𝐴 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝐴𝐴 𝑞𝑞 𝐴𝐴 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 = 273,33 ⋅ 200 3 − 140 ⋅ 200 3 − 3.000 = 5.888,89 und (5.19) 𝜋𝜋 𝐹𝐹 = 𝑝𝑝𝑞𝑞 𝐹𝐹 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝐹𝐹 𝑞𝑞 𝐹𝐹 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 = 273,33 ⋅ 140 3 − 180 ⋅ 140 3 − 3.000 = 1.355,56 ergibt. Der höhere Gewinn von Airbus hat zwei Ursachen: Airbus produziert eine größere Menge, und dies bei geringeren Grenzkosten. Abschließend ist nun zu prüfen, ob eine Investition in Prozessoptimierung für Airbus strategische Vorteile und höhere Gewinne mit sich bringt. Auf den ersten Blick spricht nicht viel dafür: Airbus produziert 67 Flugzeuge, die Stückkosten sinken um 60 - vermeintlich ein einmaliger Kostensenkungseffekt von 60 ⋅ 67 = 4.020 gegenüber einer einmaligen Investition von 5.000 . Aller- <?page no="261"?> 261 dings werden bei dieser Sichtweise die strategischen Effekte übersehen: Zunächst verschiebt sich die Reaktionskurve von Airbus aufgrund der niedrigeren Grenzkosten zu (5.24) 𝜕𝜕𝜋𝜋 𝐴𝐴 𝜕𝜕𝜕𝜕 𝐴𝐴 = 500 − 4𝑞𝑞 𝐴𝐴 − 2𝑞𝑞 𝐹𝐹 − 80 = 0 oder 𝑞𝑞 𝐴𝐴 = 500−80 4 − 12 𝑞𝑞 𝐹𝐹 , so dass sich die optimale Produktionsmenge von Airbus zu (5.25) 𝑞𝑞 𝐴𝐴 = 500−80 4 − 12 𝑞𝑞 𝐹𝐹 = 500−80 4 − 12 � 500−180 4 − 12 𝑞𝑞 𝐴𝐴 � = 65 + 14 𝑞𝑞 𝐴𝐴 auf 𝑞𝑞 𝐴𝐴 = 260/ 3 vergrößert, etwa 87 Flugzeuge. Dies muss jetzt auch Boeing einkalkulieren, so dass deren optimale Kapazität sich wegen (5.26) 𝑞𝑞 𝐹𝐹 = 500−180 4 − 12 𝑞𝑞 𝐴𝐴 = 36,67 reduziert. Mit der in Summe gestiegenen Menge beider Hersteller sinkt natürlich der Preis auf (5.27) 𝑝𝑝 = 500 - 2 ⋅ (𝑞𝑞 𝐴𝐴 + 𝑞𝑞 𝐹𝐹 ) = 500 - 2 ⋅ � 260 3 + 110 3 � = 253,33 . Mit dem reduzierten Preis und den veränderten Marktanteilen - Airbus deutlich gewachsen auf 70 %, Boeing geschrumpft auf 30 % - verändern sich jetzt auch die Gewinne. Der Gewinn von Airbus (5.28) 𝜋𝜋 𝐴𝐴′ = 𝑝𝑝𝑞𝑞 𝐴𝐴 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝐴𝐴 𝑞𝑞 𝐴𝐴 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 = 253,33 ⋅ 260 3 − 80 ⋅ 260 3 − 8.000 = 7.022,22 steigt trotz deutlich gestiegener Fixkosten deutlich an, der Gewinn von Boeing (5.29) 𝜋𝜋 𝐹𝐹′ = 𝑝𝑝𝑞𝑞 𝐹𝐹 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝐹𝐹 𝑞𝑞 𝐹𝐹 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 = 253,33 ⋅ 110 3 − 180 ⋅ 110 3 − 3.000 = −311,11 Kapazitätsentscheidungen und Strategien beim Cournot-Wettbewerb <?page no="262"?> 262 Strategischer Wettbewerb im Oligopol ist dagegen jetzt negativ. Allerdings realisiert Boeing bei einem Stückpreis von 𝑝𝑝 = 253,33 und Grenzkosten in Höhe von 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝐹𝐹 = 180 einen deutlich positiven Deckungsbetrag, der aber nicht ausreicht, um die Fixkosten vollständig zu decken. Wenn Boeing die strategische Wirkung der Airbus -Investition in Prozessoptimierung übersehen und die ursprünglich geplante Produktionskapazität von 𝑞𝑞 𝐹𝐹 = 140/ 3 etabliert hätte, wäre der Verlust größer ausgefallen. Aufgrund der in Summe dann vorhandenen Kapazität von 𝑞𝑞 𝐴𝐴 + 𝑞𝑞 𝐹𝐹 = 260/ 3 + 140/ 3 = 400/ 3 wäre der Preis je Flugzeug auf 𝑝𝑝 = 500 - 2 ⋅ � 260 3 + 140 3 � = 233,33 gesunken, so dass der Verlust von Boeing jetzt mit 𝜋𝜋 𝐹𝐹′ = 233,33 ⋅ 110 3 − 180 ⋅ 110 3 − 3.000 = −511,11 höher ausgefallen wäre: Das Ausrechnen des Cournot- Nash-Gleichgewichts hätte 200 Mio. EUR Verlust verhindert. Cournot-Wettbewerb, Anzahl der Unternehmen und Wettbewerbsintensität Das Cournot-Modell kann auch bei Wettbewerb von mehr als zwei Unternehmen für die Analyse strategischer Entscheidungen und die Einschätzung der Wettbewerbsintensität herangezogen werden. Für 𝑛𝑛 Unternehmen, die bei einer Nachfragefunktion ohne Produktdifferenzierung (5.30) 𝑝𝑝 = 𝑎𝑎 − 𝑏𝑏𝑄𝑄 = 𝑎𝑎 − 𝑏𝑏(𝑞𝑞 1 + 𝑞𝑞 2 + ⋯ + ⋯ + 𝑞𝑞 𝑛𝑛 ) = 𝑎𝑎 − 𝑏𝑏(𝑞𝑞 𝑖𝑖 + 𝑄𝑄 −𝑖𝑖 ) mit 𝑄𝑄 = 𝑞𝑞 𝑖𝑖 + 𝑄𝑄 −𝑖𝑖 und einer Produktionsmenge von (5.31) 𝑄𝑄 = 𝑞𝑞 1 + 𝑞𝑞 2 + ⋯ + ⋯ + 𝑞𝑞 𝑛𝑛 bei vereinfacht identisch angenommenen Grenzkosten 𝑀𝑀𝑇𝑇 1 = 𝑀𝑀𝑇𝑇 2 = ⋯ = 𝑀𝑀𝑇𝑇 mit Kostenfunktionen (5.32) 𝑇𝑇𝑇𝑇 𝑖𝑖 = 𝑀𝑀𝑇𝑇 ⋅ 𝑞𝑞 𝑖𝑖 + 𝐹𝐹𝑇𝑇 konkurrieren, ergibt sich für jedes Unternehmen 𝑖𝑖 eine Gewinnfunktion <?page no="263"?> 263 (5.33) 𝜋𝜋 𝑖𝑖 = 𝑅𝑅 𝑖𝑖 − 𝑇𝑇𝑇𝑇 𝑖𝑖 = 𝑝𝑝𝑞𝑞 𝑖𝑖 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 ⋅ 𝑞𝑞 𝑖𝑖 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 = [𝑎𝑎 − 𝑏𝑏(𝑞𝑞 𝑖𝑖 + 𝑄𝑄 −𝑖𝑖 )]𝑞𝑞 𝑖𝑖 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 ⋅ 𝑞𝑞 𝑖𝑖 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 . Maximiert jedes Unternehmen den Gewinn durch Wahl der optimalen Produktionskapazität 𝑞𝑞 𝑖𝑖 , dann ergibt sich aus der Ableitung der Gewinnfunktion (5.34) 𝜕𝜕𝜋𝜋 𝑖𝑖 𝜕𝜕𝜕𝜕 𝑖𝑖 = 𝑎𝑎 − 2𝑏𝑏𝑞𝑞 𝑖𝑖 − 𝑏𝑏𝑄𝑄 −𝑖𝑖 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 = 0 unter Berücksichtigung, dass alle Unternehmen identische Strategien wählen und somit 𝑄𝑄 −𝑖𝑖 = (𝑛𝑛 − 1)𝑞𝑞 𝑖𝑖 gilt, und dass die optimalen Strategien durch (5.35) 𝑞𝑞 = 1 𝑛𝑛+1 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 𝑏𝑏 gegeben sind - zunächst ergibt sich, dass die gewählte Kapazität umso kleiner ist, je größer die Zahl 𝑛𝑛 der Wettbewerber ist. Darüber hinaus hat die Zahl der Wettbewerber aber auch Einfluss auf die Wettbewerbsintensität und Einfluss auf Preise und Gewinne: Über die Zahl der Unternehmen 𝑛𝑛 und die optimalen Strategien 𝑞𝑞 folgt mit (5.36) 𝑄𝑄 = 𝑛𝑛𝑞𝑞 = 𝑛𝑛 𝑛𝑛+1 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 𝑏𝑏 die Gesamtproduktionsmenge 𝑄𝑄 einer Industrie, so dass sich Preis 𝑝𝑝 und Gewinn 𝜋𝜋 als (5.37) 𝑝𝑝 = 𝑎𝑎 − 𝑏𝑏𝑄𝑄 = 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 𝑛𝑛+1 + 𝑀𝑀𝑇𝑇 und (5.38) 𝜋𝜋 = 𝑅𝑅 − 𝑇𝑇𝑇𝑇 = 1 𝑏𝑏 � 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 𝑛𝑛+1 � 2 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 ergeben. Um die Ergebnisse besser einordnen zu können, sind in → Abbildung 5.5 für eine Zahl an Unternehmen von 𝑛𝑛 = 1 bis 𝑛𝑛 = 100 die Effekte auf Preise 𝑝𝑝 , die optimalen unternehmensspezifischen Mengen 𝑞𝑞 , die entstehenden Gewinne 𝜋𝜋 und die gesamte Produktionsmenge 𝑄𝑄 einer Industrie für die Gleichungen (5.35) bis (5.38) graphisch dargestellt. Betrachtet man die Höhe der Gewinne in Abhängigkeit der Zahl der Unternehmen, so wird deutlich, dass hohe Gewinne nur bei sehr Kapazitätsentscheidungen und Strategien beim Cournot-Wettbewerb <?page no="264"?> 264 Strategischer Wettbewerb im Oligopol geringer Zahl an Unternehmen möglich sind - mit wachsender Unternehmenszahl und zunehmender Wettbewerbsintensität schrumpfen diese. Die Preise 𝑝𝑝 nähern sich sukzessiv den Grenzkosten, genauso werden einzelne Unternehmen kontinuierlich kleiner - wenngleich der Gesamtmarkt gemessen in Produktion 𝑄𝑄 wächst. Abbildung 5.5: Cournot-Wettbewerb und Anzahl der Unternehmen (unter den Rahmenbedingungen: Maximale Zahlungsbereitschaft a=100, Größe des Marktes b=0,02, identische Grenzkosten MC=10, industriespezifische Fixkosten FC=0. Gewinn und individuelle Produktionsmenge logarithmische Skala). Das Cournot-Modell kann - für homogene Unternehmen, die in Kapazitäten konkurrieren - auch die bekannten Ergebnisse von Monopol und vollständiger Konkurrenz erklären. Für 𝑛𝑛 = 1 resultieren die Monopolergebnisse aus → Kapitel 2, für große Unternehmenszahlen ergibt sich ein Gleichgewicht, in dem Preis gleich Grenzkosten gilt, jedes Unternehmen sehr klein ist und keine Gewinne entstehen - nahe an der Situation vollständiger Konkurrenz. Markteintritte und Cournot-Nash-Gleichgewichte Aus Managementperspektive unterstreichen diese Ergebnisse zunächst die Bedeutung von Eintrittsbarrieren - nur bei einer geringen Zahl an Wettbewerbern sind unter sonst gleichen Bedingungen signifikante Gewinne möglich. 1 10 100 1000 10000 0 20 40 60 80 100n 0 10 20 30 40 50 60 0 20 40 60 80 100 n 1 10 100 1000 10000 100000 1000000 0 20 40 60 80 100n 0 1000 2000 3000 4000 5000 0 20 40 60 80 100n Preis p Gewinne p Unternehmensgröße q gesamte Produktion Q <?page no="265"?> 265 Einfluss von Markteintritten auf Marktstruktur und Marktergebnis bei Cournot-Wettbewerb Unternehmen mit unterschiedlichen Grenzkosten C D E unternehmensspezifische Grenzkosten 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝑖𝑖 7 10 15 (4) Ausgangssituation mit zwei etablierten Unternehmen C und D ( a =100, b =0,02, FC =100) 𝑞𝑞 𝑖𝑖 1600 1450 - 𝑝𝑝 39 𝜋𝜋 𝑖𝑖 51100 41950 - 𝑄𝑄 3050 𝑠𝑠 𝑖𝑖 52 % 48 % - (5) Markteintritt und alle passen sich an neues Cournot- Nash-Gleichgewicht an ( a =100, b =0,02, FC =100) 𝑞𝑞 𝑖𝑖 1300 1150 900 𝑝𝑝 33 𝜋𝜋 𝑖𝑖 33700 26350 16100 𝑄𝑄 3350 𝑠𝑠 𝑖𝑖 39 % 34 % 27 % (6) Markteintritt und etablierte Unternehmen behalten bisherige Strategien bei ( a =100, b =0,02, FC =100) 𝑞𝑞 𝑖𝑖 1600 1450 900 𝑝𝑝 21 𝜋𝜋 𝑖𝑖 22300 15850 5300 𝑄𝑄 3950 𝑠𝑠 𝑖𝑖 41 % 37 % 23 % Tabelle 5.2: Einfluss von Markteintritten auf Marktstruktur und Marktergebnis bei Cournot-Wettbewerb. Zahlenwerte teilweise gerundet. Kapazitätsentscheidungen und Strategien beim Cournot-Wettbewerb <?page no="266"?> 266 Strategischer Wettbewerb im Oligopol Um dies zu verdeutlich, ist in → Tabelle 5.2 dargestellt, wie sich Marktstruktur und Marktergebnis verändern, wenn ein weiteres Unternehmen in den Markt eintritt. In der Ausgangsituation (4) existieren zunächst zwei etablierte Unternehmen C und D (→ Tabelle 5.1), die sich bei gegebenen Rahmenbedingungen ( 𝑎𝑎 = 100 , 𝑏𝑏 = 0,02 , 𝐹𝐹𝑇𝑇 = 100 ) aufgrund unterschiedlicher Grenzkosten in Größe und Profitabilität unterscheiden. Tritt jetzt aufgrund fehlender oder nicht wirksamer Eintrittsbarrieren Unternehmen E, wenngleich mit deutlich höheren Grenzkosten, in den Markt ein, werden sich alle Unternehmen im Zeitablauf an das neue Nash-Gleichgewicht (5) anpassen. Insbesondere werden die beiden etablierten Unternehmen ihre Strategien anpassen und die Produktionsmengen jeweils reduzieren und Marktanteile verlieren. Damit geht einher, dass die Gewinne um etwas mehr als 35 % zurückgehen. Würden die beiden etablierten Unternehmen allerdings ihre bisherigen Strategien beibehalten (6) und vom Nash-Gleichgewicht abweichen, könnten beide zwar höhere Marktanteile durchsetzen - aber aufgrund der in Summe höheren Produktionsmenge müssen die Preise deutlich nach unten angepasst werden, so dass in der Folge die Gewinne signifikant um mehr als 50 % einbrechen. Wenn keine Eintrittsbarrieren etabliert werden können, dann stabilisiert das Aufgeben von Marktanteilen und die Anpassung an das neue Nash-Gleichgewicht in der Folge von Markteintritten die Profitabilität der etablierten Unternehmen. Fragen │ Endogene Marktstruktur - wie viele Unternehmen können denn in einen Markt eintreten? Markteintrittsbarrieren begrenzen oder erschweren den Marktzutritt neuer Wettbewerber (siehe auch → Kapitel 2). Daher ist es aus drei Perspektiven notwendig abzuschätzen, ob noch ein Marktzutritt möglich ist: Wettbewerbsbehörden wollen prüfen, ob Wettbewerb noch funktionsfähig ist - Start-ups wollen herausfinden, ob für sie noch Platz im Markt ist - etablierte Unternehmen möchten wissen, ob sie durch Markteintritte bedroht  <?page no="267"?> 267 sind. Die Frage ist damit, wie viele Unternehmen in einem Markt existieren können, ohne dass Verluste für einzelne Unternehmen entstehen. Unterstellt man, dass die Unternehmen die gleiche Technologie und Kostenstruktur aufweisen, kann (5.39) 𝜋𝜋 = 𝑅𝑅 − 𝑇𝑇𝑇𝑇 = 1 𝑏𝑏 � 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 𝑛𝑛+1 � 2 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 als Ausgangpunkt genutzt werden. Setzt man Gleichung (5.39) gleich Null und löst nach der maximalen Zahl der Unternehmen 𝒏𝒏 auf, dann ergibt sich (5.40) 𝑛𝑛 = 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 √𝑏𝑏⋅𝐹𝐹𝑀𝑀 − 1 , die offensichtlich von der Zahlungsbereitschaft der Kunden 𝑎𝑎 , der Größe des Marktes 1/ 𝑏𝑏 und der Kostenfunktion (𝑀𝑀𝑇𝑇, 𝐹𝐹𝑇𝑇) der Unternehmen bestimmt wird. Die endogene Zahl der Unternehmen 𝑛𝑛 ist dabei um so größer, je geringer die Fixkosten 𝐹𝐹𝑇𝑇 oder die Grenzkosten 𝑀𝑀𝑇𝑇 sind, und je größer die Zahlungsbereitschaft 𝑎𝑎 und die Größe des Marktes 1/ 𝑏𝑏 ist. Der inverse Zusammenhang von Fixkosten und Unternehmenszahl wird auch empirisch deutlich sichtbar: Durch zunehmende Regulierung nachfolgend der Finanzkrise 2007 ff. steigen für alle Banken die Fixkosten (Aufsichtsrecht, Compliance, Eigenkapitalvorschriften usw.), so dass zahlreiche Volks- und Raiffeisenbanken und in gleicher Weise Sparkassen fusionieren, d.h. die Zahl der Unternehmen geht mit steigenden Fixkosten zurück. Ein in der frühen Gründungsphase befindliches Start-up beobachtet seinen Zielmarkt und versucht zu ermitteln, ob ein profitabler Markteintritt möglich ist. Dort sind neun Wettbewerber aktiv, alle erzielen einen Gewinn von 𝜋𝜋 = 35. Die Marktforschung hat ergeben, dass die Rahmenbedingungen durch (𝑎𝑎, 𝑏𝑏, 𝑀𝑀𝑇𝑇, 𝐹𝐹𝑇𝑇) = (50; 0,15; 5; 100) beschrieben sind - setzt man diese Werte in (5.40) ein, dann ergibt sich (5.41) 𝑛𝑛 = 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 √𝑏𝑏⋅𝐹𝐹𝑀𝑀 − 1 = 50−5 √0,15⋅100 − 1 = 10,62 Kapazitätsentscheidungen und Strategien beim Cournot-Wettbewerb <?page no="268"?> 268 Strategischer Wettbewerb im Oligopol eine maximale Zahl der Unternehmen von zehn - d.h. ein Markteintritt ist möglich, hat allerdings die Folge, dass alle Unternehmen kleiner werden, der Preis reduziert werden muss und die Gewinne zurückgehen. Wenn jetzt einige der etablierten, bereits im Markt befindlichen Wettbewerber, die industriespezifischen Fixkosten im Rahmen einer Raising-Rivals-Costs-Strategie (Salop und Scheffman 1983) auf 𝐹𝐹𝑇𝑇 = 150 erhöhen, dann reduziert sich wegen (5.42) 𝑛𝑛 = 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 √𝑏𝑏⋅𝐹𝐹𝑀𝑀 − 1 = 50−5 √0,15⋅150 − 1 = 7,21 die Zahl der überlebensfähigen Unternehmen: Der Markteintritt für neue Unternehmen ist jetzt gesperrt, zudem werden zwei der etablierten Unternehmen (mit der schwächsten Eigenkapitalausstattung) aus dem Markt gedrängt. Tatsächlich stellen die Fixkosten natürlich - ab einer gewissen Höhe - Eintrittsbarrieren dar, sei es in Form von rechtlichen Anforderungen (Banklizenz, Erfüllung aufsichtsrechtlicher Vorschriften usw.), technologischen Rahmenbedingungen (als Mindestbetriebsgröße aufgrund von Economies of Scale) oder strategischen Maßnahmen der Wettbewerber (bspw. durch Erhöhung der Sunk Costs für Marketing oder F&E). Unterstellt man, dass ein Anteil 𝜑𝜑 < 1 der Fixkosten nur von neu in den Markt eintretenden Unternehmen getragen werden muss, bereits etablierte Unternehmen diesen Fixkostenteil jedoch als Sunk Costs betrachten können und damit nur die Fixkosten der Produktion in Höhe von (1 − 𝜑𝜑)𝐹𝐹𝑇𝑇 tragen müssen, so ergibt sich kein eindeutiges Cournot- Gleichgewicht: Vielmehr ist jetzt 𝑛𝑛� die Obergrenze der Unternehmenszahl im Cournot-Wettbewerb, die Untergrenze 𝑛𝑛 wird durch das Ausmaß der Sunk Costs an den Fixkosten bestimmt. Liegt die tatsächliche Zahl der Unternehmen zwischen 𝑛𝑛� und 𝑛𝑛 , so finden keine Eintritte statt, da der Marktzutritt durch die Sunk Costs gesperrt ist (Martin 1993 und Münter 1999). In ähnlicher Weise lässt sich eine maximale Zahl an Unternehmen bestimmen, wenn die Technologien der Unternehmen und damit die Grenzkosten unterschiedlich sind (Münter 2017). <?page no="269"?> Sequentielle Entscheidungen und Strategien beim Stackelberg-Wettbewerb 269 Sequentielle Entscheidungen und Strategien bei Stackelberg-Wettbewerb Im vorangegangenen Abschnitt sind Marktstruktur und Marktergebnis bei simultanen Entscheidungen der Unternehmen bei Kapazitätswettbewerb beschrieben. In zahlreichen Industrien gibt es allerdings ein dominantes oder marktbeherrschendes Unternehmen, das als Marktführer eine First-Mover-Rolle einnimmt: So nimmt die Deutsche Telekom als ehemalig staatliches Monopol weiter eine marktführende Rolle in der deutschen Telekommunikationsindustrie mit einer großen Zahl an Marktfolgern ein. Damit geht nicht notwendigerweise ein dominanter Marktanteil einher, da die Marktführung sich auch in technologischen oder strategischen Entscheidungen, die für andere Unternehmen Rahmenbedingungen setzen oder verändern, zeigen kann. Industrien dieser Art werden oft anhand des Stackelberg-Modells (von Stackelberg 1934, Amir und Grilo 1999, Spence 1977, Dixit 1979 und Dowrick 1986) analysiert: Ein Unternehmen entscheidet als erstes über seine Kapazität, alle anderen beobachten diese Entscheidung und orientieren sich an dieser festgelegten Kapazität. Rollenverteilung, Commitment und Transparenz Wettbewerbsprozesse und die Durchsetzung einer marktführenden Rolle werden dann gut durch das Stackelberg-Modell beschrieben, wenn folgende drei Voraussetzungen erfüllt sind: ■ Klare Rollenverteilung - bei Stackelberg-Wettbewerb existiert eine eindeutige Rollenverteilung zwischen dem Marktführer und einem oder mehreren (nicht zwingenderweise kleineren) Marktfolgern, d.h., keiner der Marktfolger beansprucht eine Marktführung. Die Führungsrolle kann bspw. auf  einer Führungsrolle in der Vergangenheit (früheres Monopol wie Deutsche Telekom oder Deutsche Bahn ),  der Kontrolle bestimmter Wettbewerbsparameter (bspw. Intel als Technologieführer bei der Entwicklung von Computerchips und Festlegung der Kompatibilität) oder <?page no="270"?> 270 Strategischer Wettbewerb im Oligopol  absoluter Größe (wie bspw. Amazon , die aufgrund ihres Marktanteils - insbesondere über Amazon Marketplace - für andere Onlineshops maßgeblich Bezahl- und Lieferverfahren festlegen) basieren. ■ Commitment - die Führungsrolle kann nur funktionieren, wenn sich das marktführende Unternehmen auf eine bestimmte Strategie glaubwürdig festlegen kann, d.h., die Strategie muss kostenintensiv und irreversibel sind - sie muss daher mit signifikanten Sunk Costs des Marktführers verbunden sein:  Pharmaunternehmen wie Pfizer oder Merck investieren im F&E-Wettbewerb kontinuierlich Sunk Costs, um bestimmte technologische Pfade auch für die Marktfolger festzulegen - je höher die kumulierten Investitionen in einen bestimmten Pfad sind, umso wahrscheinlicher sind Innovationen und umso weniger kann ein Marktfolger diesen ignorieren.  Die Investition in den neuen Flughafen Istanbul Yeni Havalimani und der Aufbau insbesondere von enormer Umsteigekapazität zwischen Nordamerika und Asien versucht eine marktführende Rolle herzustellen, um insbesondere den Flughäfen Rhein-Main International Frankfurt , Charles de Gaulle Paris und London Heathrow - die jeweils ihre Kapazität nicht ausdehnen können - internationale Passagiere und Marktanteile abzunehmen. ■ Transparenz - zudem muss diese Strategie und deren Umsetzung für die Marktfolger nachvollziehbar und adaptierbar sein, so dass diese leicht und fehlerfrei folgen können:  Technologieunternehmen wie Intel , Linux oder Tesla stellen dies durch Offenlegung bestimmter Produktparameter sicher.  Festlegung und Veröffentlichung von Industriestandards zur Herstellung von Kompatibilität wie bspw. für CDs durch das Redbook und nachfolgend das Bluebook von Sony und Philips . Entscheidungen des Marktfolgers und des Marktführers Die Marktstruktur und das Marktergebnis bei Stackelberg-Wettbewerb kann am einfachsten durch Rückwärtsinduktion ermittelt werden, d.h., man beginnt die Entscheidungssituation aus Perspektive des <?page no="271"?> 271 Marktfolgers zu analysieren. Betrachtet wird eine Industrie mit zwei Unternehmen, Unternehmen 1 ist der Marktführer, Unternehmen 2 ist der Marktfolger, beide stellen die Rollenverteilung nicht infrage und produzieren homogene Produkte. Gelten dieselben Rahmenbedingungen wie in Abschnitt 5.1, dann kann als Startpunkt die Gewinnfunktion von Unternehmen 2 (5.43) 𝜋𝜋 2 = 𝑅𝑅 2 − 𝑇𝑇𝑇𝑇 2 = 𝑎𝑎𝑞𝑞 2 − 𝑏𝑏(𝑞𝑞 1 + 𝑞𝑞 2 )𝑞𝑞 2 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 ⋅ 𝑞𝑞 2 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 . betrachtet werden. Dieses Unternehmen maximiert seine Gewinne durch Wahl der Produktionskapazität (5.44) 𝜕𝜕𝜋𝜋 2 𝜕𝜕𝜕𝜕 2 = 𝑎𝑎 − 𝑏𝑏(𝑞𝑞 1 + 𝑞𝑞 2 ) − 𝑏𝑏𝑞𝑞 2 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 2 = 𝑎𝑎 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 2 − 2𝑏𝑏𝑞𝑞 2 − 𝑏𝑏𝑞𝑞 1 = 0 , so dass sich nach Umstellen als optimale Strategie (5.45) 𝑞𝑞 2∗ = 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 2 2𝑏𝑏 − 𝜕𝜕 1 2 ergibt. Ein Vergleich mit Gleichung (5.11) zeigt: Die optimale Strategie eines Stackelberg-Marktfolgers ist identisch mit der Strategie eines Cournot-Wettbewerbers. Wenn allerdings - wie oben beschrieben - ein klares Rollenverständnis in dieser Industrie existiert, dann kann und wird der Marktführer die Entscheidung des Marktfolgers antizipieren und in seiner Strategiewahl berücksichtigen. Die Gewinnfunktion des Marktführers wird von (5.46) 𝜋𝜋 1 = 𝑅𝑅 1 − 𝑇𝑇𝑇𝑇 1 = 𝑎𝑎𝑞𝑞 1 − 𝑏𝑏(𝑞𝑞 1 + 𝑞𝑞 2 )𝑞𝑞 1 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 1 ⋅ 𝑞𝑞 1 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 durch Einsetzen von (5.45) verändert zu (5.47) 𝜋𝜋 1 = 𝑅𝑅 1 − 𝑇𝑇𝑇𝑇 1 = 𝑎𝑎𝑞𝑞 1 − 𝑏𝑏 �𝑞𝑞 1 + 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 2 2𝑏𝑏 − 𝜕𝜕 1 2 � 𝑞𝑞 1 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 1 ⋅ 𝑞𝑞 1 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 . Offensichtlich hängt die Gewinnfunktion von Unternehmen 1 jetzt nur noch von der eigenen Strategie 𝑞𝑞 1 ab, da 𝑞𝑞 2 nicht mehr explizit in Funk- Sequentielle Entscheidungen und Strategien beim Stackelberg-Wettbewerb <?page no="272"?> 272 Strategischer Wettbewerb im Oligopol tion (5.43) enthalten ist. Differenziert man die Gewinnfunktion (5.47) in Bezug auf die Produktionskapazität (5.48) 𝜕𝜕𝜋𝜋 1 𝜕𝜕𝜕𝜕 1 = 𝑎𝑎 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 1 − 2𝑏𝑏𝑞𝑞 1 − 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 2 2 + 𝑏𝑏𝑞𝑞 1 = 𝑎𝑎 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 1 − 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 2 2 − 𝑏𝑏𝑞𝑞 1 = 0 , ergibt sich nach Umstellung die optimale Strategie von Unternehmen 1 als (5.49) 𝑞𝑞 1∗ = 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 1 𝑏𝑏 − 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 2 2𝑏𝑏 , die offenbar von Unterschieden in den Grenzkosten der beiden Unternehmen bestimmt wird. Verhält sich der Marktfolger wie vom Marktführer erwartet und antizipiert der Marktführer dies in seiner Strategie, dann ist das Ergebnis bei Stackelberg-Wettbewerb in den Gleichungen (5.45) und (5.49) ein teilspielperfektes Nash-Gleichgewicht, d.h., die Entscheidung der zweiten Stufe wird konsistent mit den Überlegungen der ersten Stufe getroffen. Für den Fall, dass beide Unternehmen Grenzkosten in gleicher Höhe haben, so dass 𝑀𝑀𝑇𝑇 1 = 𝑀𝑀𝑇𝑇 2 gilt, vereinfacht sich (5.45) zu (5.50) 𝑞𝑞 1∗ = 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 1 2𝑏𝑏 , die Strategie des Stackelberg-Marktführers ist identisch mit der Strategie eines Monopolisten. In → Tabelle 5.3 sind - für die gleichen Rahmenbedingungen wie in → Tabelle 5.1 für Cournot-Wettbewerb - die Marktstruktur und die Marktergebnisse bei Stackelberg-Wettbewerb gezeigt. Marktstruktur und Marktergebnis bei Stackelberg-Wettbewerb Industrie 1 Industrie 2 Unternehmen mit identischen Grenzkosten Unternehmen mit unterschiedlichen Grenzkosten Marktführer A Marktfolger B Marktführer C Marktfolger D unternehmensspezifische Grenzkosten MC i 10 10 7 10 <?page no="273"?> 273 Ausgangssituation ( a =100, b =0,02, FC =100) 𝑞𝑞 𝑖𝑖 2250 1125 2400 1050 𝑝𝑝 32,5 31 𝜋𝜋 𝑖𝑖 50525 25213 57500 21950 𝑄𝑄 3375 3450 𝑠𝑠 𝑖𝑖 67 % 33 % 70 % 30 % Anstieg der Zahlungsbereitschaft a ( a =130, b =0,02, FC =100) 𝑞𝑞 𝑖𝑖 3000 1500 3150 1425 𝑝𝑝 40 38,5 𝜋𝜋 𝑖𝑖 67400 33650 75500 29825 𝑄𝑄 4500 4575 𝑠𝑠 𝑖𝑖 67 % 33 % 69 % 31 % Wachstum des Marktes ( a =100, b =0,01, FC =100) 𝑞𝑞 𝑖𝑖 4500 2250 4800 2100 𝑝𝑝 32,5 31 𝜋𝜋 𝑖𝑖 101150 50525 115100 44000 𝑄𝑄 6750 6900 𝑠𝑠 𝑖𝑖 67 % 33 % 70 % 30 % Tabelle 5.3: Marktstruktur und Marktergebnis bei Stackelberg-Wettbewerb. Zahlenwerte teilweise gerundet. Das marktführende Unternehmen kann offensichtlich in jedem Fall einen First-Mover-Advantage erzielen: ■ Bei identischen Grenzkosten wählt der Marktführer eine Produktionskapazität, die genau doppelt so groß wie die des Marktfolgers ist - der Marktanteil beträgt entsprechend 2/ 3 für den Marktführer, 1/ 3 für den Marktfolger. ■ Bei unterschiedlichen Grenzkosten und Effizienzvorteilen für den Marktführer kann dieser den Vorsprung an Marktanteilen sogar ausbauen. ■ Die operativen Gewinne (Deckungsbeitrag vor Fixkosten) des Marktführers sind doppelt so hoch wie die des Marktfolgers. ■ Die Gewinne beider Unternehmen steigen bei wachsender Zahlungsbereitschaft und Wachstum des Marktes symmetrisch an, beide profitieren in gleicher Weise. Sequentielle Entscheidungen und Strategien beim Stackelberg-Wettbewerb <?page no="274"?> 274 Strategischer Wettbewerb im Oligopol Stackelberg-Marktführerschaft versus Cournot-Wettbewerb Vergleicht man die Ergebnisse bei Stackelberg-Wettbewerb aus → Tabelle 5.3 mit den Ergebnissen bei Cournot-Wettbewerb aus → Tabelle 5.1, werden folgende Unterschiede deutlich: ■ Bei Stackelberg-Wettbewerb wird in Summe eine höhere Produktionskapazität etabliert, mehr produziert und die Preise sind niedriger - insbesondere Kunden haben Vorteile, da die Konsumentenrente ansteigt. ■ Die Gewinne des Marktführers sind bei Stackelberg-Wettbewerb unter sonst gleichen Bedingungen typischerweise höher als bei Cournot-Wettbewerb - so dass ceteris paribus auch die Produzentenrente ansteigt. Aus Managementperspektive stellt sich die Frage, ob generell - auch ohne die oben genannten Bedingungen - eine Stackelberg-Marktführerschaft angestrebt werden sollte. In → Abbildung 5.6 sind unter gleichen Rahmenbedingungen die drei Strategien Cournot-Kapazität CK, Stackelberg-Marktführer-Kapazität SMK und Stackelberg-Marktfolger- Kapazität SMF in einem simultanen Spiel zur Auswahl der Strategien kombiniert, links für den Fall gleicher Grenzkosten, rechts für den Fall unterschiedlicher Grenzkosten. Wenn zwei Unternehmen die hier betrachteten drei möglichen Strategien in einem übergeordneten Spiel zur Auswahl der richtigen Art des Wettbewerb betrachten, ergibt sich, dass bei identischen Grenzkosten die Kombination aus zwei Cournot-Strategien im simultanen Spiel immer ein stabiles Nash-Gleichgewicht in besten Antworten darstellt. Dies gilt auch, wenn - wie in → Abbildung 5.6 rechts - die Grenzkostenunterschiede nicht zu groß sind: Ein Unternehmen C mit Grenzkostenvorteilen würde in einem simultanen Spiel eine Cournot- Strategie wählen, Unternehmen D hat eine beste Antwort ebenfalls in der Wahl einer Cournot-Strategie. Damit ist die Plausibilität und große Bedeutung des Cournot-Modells bei simultanen Entscheidungen belegt - eine Stackelberg-Marktführerschaft benötigt typischerweise die Voraussetzung von klarem Rollenverständnis und Commitment durch Sunk Costs auf eine Strategie und Transparenz. <?page no="275"?> Preisentscheidungen und Strategien beim Bertrand-Wettbewerb 275 Abbildung 5.6: Spieltheoretische Überprüfung von Cournotvs. Stackelberg-Wettbewerb (Strategien: Cournot-Kapazität CK, Stackelberg-Marktführer-Kapazität SMK, Stackelberg- Marktfolger-Kapazität SMF, Werte der Auszahlungsmatrix gerundet in Tausend). Preisentscheidungen und Strategien bei Bertrand- Wettbewerb Cournot- und Stackelberg-Modelle in den vorherigen beiden Abschnitten beschreiben Wettbewerb bei Kapazitätsentscheidungen. Unternehmen erzielen hier typischerweise positive Gewinne. Bei Preiswettbewerb - ursprünglich von Bertrand (1883) beschrieben - werden Preise als strategischer Parameter eingesetzt: In der Folge können Unternehmen aufgrund wechselseitiger Preisunterbietungen keine signifikanten Gewinne realisieren. Bertrand-Wettbewerb ohne Produktdifferenzierung Eine Industrie, die ohne vertikale Produktdifferenzierung über Preise konkurriert, sind Fluggesellschaften. Über die letzten Dekaden gibt es robuste empirische Evidenz, dass der Wettbewerb zwischen Fluglinien insbesondere auf nationalen Verbindungen regelmäßig zu Gewinnen nahe Null und bei Nachfragerückgang zu Verlusten führt (IATA 2013, Morrison und Winston 2010, Borenstein 1992 und Oum et al. 2004, vgl. auch → Kapitel 2). Deshalb haben in dieser Industrie einerseits Eintrittsbarrieren, bspw. in Form strategischer Code-Sharing Allianzen wie Oneunterschiedliche Grenzkosten p = 100 - 0,02 (q C +q D ) MC C =7 MC D =10 FC=100 identische Grenzkosten p = 100 - 0,02 (q A +q B ) MC A =MC B =10 FC=100 2 CK 1450 CK 1600 SMF 2175 SMK 2400 SMK 1240 SMF 1050 Unternehmen D 48 19 41 51 39 26 25 62 58 21 38 22 58 42 64 54 45 27 Unternehmen C CK 1500 CK 1500 SMF 1125 SMK 2250 SMK 2250 SMF 1125 Unternehmen B -1 22 34 45 42 50 56 50 50 -1 34 25 22 45 56 25 42 50 Unternehmen A 1 <?page no="276"?> 276 Strategischer Wettbewerb im Oligopol world , Staralliance oder Skyteam , eine signifikante Bedeutung (sie schützen ggfs. profitable Routen), andererseits spielt Marketing zur Etablierung von horizontaler Produktdifferenzierung eine große Rolle. Analog zur Überlegung in → Kapitel 5, Cournot-Wettbewerb als Spiel mit einem Kontinuum an Kapazitätsstrategien zu betrachten, kann man jetzt Bertrand-Wettbewerb als Spiel mit einem Kontinuum an Preisstrategien auffassen. Jedes Unternehmen versucht, eine optimale Preisstrategie vor dem Hintergrund möglicher Preisstrategien aller Wettbewerber zu finden, d.h., die resultierende Strategiekombination ist wieder ein Nash-Gleichgewicht in besten Antworten - hier in Preisen. Abbildung 5.7: Preisstrategien von Lufthansa und AirBerlin l Daten der Auszahlungsmatrix auf Basis p = 400 - 0,2 ‧ Q, Q = 2.000 - 5 ‧ p, MC LH = MC AB = 50, FC = 40.000. In → Abbildung 5.7 ist die Wettbewerbssituation zwischen Lufthansa und AirBerlin für eine innerdeutsche Strecke bis 2017 als Spiel in Preisen dargestellt. Offenbar gibt es - markiert durch zwei schwarze Rahmen - zwei Nash-Gleichgewichte, allerdings machen die Unternehmen in beiden Strategiekombinationen Verluste. Die Ursache für die Verluste <?page no="277"?> 277 liegt in der Kombination aus fehlender Produktdifferenzierung, Überkapazitäten und Preiswettbewerb: Wenn die Produkte nicht hinreichend differenziert sind, haben die Kunden keine Präferenz für eine der Fluglinien, so dass diese sich wechselseitig in Preisen unterbieten, um ihre jeweilige Kapazität auszulasten. Wenn die Grenzkosten - wie hier angenommen - identisch sind, werden die Unternehmen die Preise bis auf das Niveau der Grenzkosten senken und Verluste in Höhe der Fixkosten realisieren. Exakt dieser Zusammenhang hat maßgeblich zur Insolvenz von Air- Berlin 2017 beigetragen: Die Verluste auf innerdeutschen Strecken konnten nicht hinreichend durch Gewinne auf internationalen Strecken ausgeglichen werden und die Eigenkapitalbasis konnte die Verluste nicht dauerhaft decken. Bertrand-Wettbewerb zwischen zwei Unternehmen in einer Industrie ohne Produktdifferenzierung bei identischen Grenzkosten ohne Kapazitätsbeschränkung kann allgemein wie folgt beschrieben werden. Eine Nachfragefunktion (5.51) 𝑝𝑝 = 𝑎𝑎 − 𝑏𝑏𝑄𝑄 mit 𝑄𝑄 = 𝑞𝑞 1 + 𝑞𝑞 2 , die auch als (5.52) 𝑞𝑞 1 + 𝑞𝑞 2 = 𝑎𝑎−𝑝𝑝 𝑏𝑏 formuliert werden kann, führt für Unternehmen 1 bei identischen Grenzkosten 𝑀𝑀𝑇𝑇 1 = 𝑀𝑀𝑇𝑇 2 beider Unternehmen zu folgenden möglichen Mengen in Abhängigkeit der Preisstrategie: (5.53) 𝑞𝑞 1 = � 0 𝑤𝑤𝑤𝑤𝑛𝑛𝑛𝑛 𝑝𝑝 1 > 𝑝𝑝 2 𝑎𝑎−𝑝𝑝 2𝑏𝑏 𝑤𝑤𝑤𝑤𝑛𝑛𝑛𝑛 𝑝𝑝 1 = 𝑝𝑝 2 𝑎𝑎−𝑝𝑝 𝑏𝑏 𝑤𝑤𝑤𝑤𝑛𝑛𝑛𝑛 𝑝𝑝 1 < 𝑝𝑝 2 Im ersten Fall 𝑝𝑝 1 > 𝑝𝑝 2 werden - bei unbegrenzter Kapazität des Wettbewerbers und homogenen Produkten - alle Kunden beim Wettbewerber kaufen, im umgekehrten Fall von 𝑝𝑝 1 < 𝑝𝑝 2 werden alle Kunden bei Preisentscheidungen und Strategien beim Bertrand-Wettbewerb <?page no="278"?> 278 Strategischer Wettbewerb im Oligopol Unternehmen 2 kaufen. Beide Unternehmen haben wechselseitig einen Anreiz, ihre Preise jeweils unter die des Wettbewerbers zu senken. Lediglich im Fall gleicher Preise 𝑝𝑝 1 = 𝑝𝑝 2 werden die Kunden zufällig bei Unternehmen 1 oder 2 kaufen und der Erwartungswert des Marktanteils beträgt 50 %. Bei simultanen Entscheidungen werden beide Unternehmen die Preisstrategie des jeweiligen Wettbewerbers antizipieren, so dass schon für zwei Unternehmen wegen (5.54) 𝑝𝑝 1 = 𝑝𝑝 2 = 𝑀𝑀𝑇𝑇 1 = 𝑀𝑀𝑇𝑇 2 die Gewinne (5.55) 𝜋𝜋 1 = 𝜋𝜋 2 = 0 auf dem Niveau vollständiger Konkurrenz sind, eine größere Zahl an Unternehmen führt weder zu einer Veränderung von Preisen, Mengen oder Gewinne, lediglich die Marktanteile schrumpfen. Dieses Ergebnis ist ein Nash-Gleichgewicht in Preisen - keiner der Wettbewerber hat einen Anreiz, seine Preisstrategie zu verändern: Eine Preissenkung unter die Grenzkosten weitet die Verluste aus, eine Preiserhöhung führt dazu, dass alle Kunden zum Konkurrenten wechseln. Abbildung 5.8: Bertrand-Wettbewerb mit und ohne Produktdifferenzierung. p 1 0 p 2 p 1 *= MC p 2 *=MC p 1 0 p 2 p 1 = MC p 2 =MC p 2 *>MC p 1 *> MC Bertrand-Wettbewerb ohne Produktdifferenzierung Bertrand-Wettbewerb mit Produktdifferenzierung Unternehmen 2 Unternehmen 1 Unternehmen 1 Unternehmen 2 <?page no="279"?> 279 In → Abbildung 5.8 links sind die Reaktionskurven für Bertrand-Wettbewerb ohne Produktdifferenzierung zu sehen. Beide Unternehmen werden sich entlang ihrer Reaktionskurven in Richtung der gestrichelten Linie wiederholt in Preisen unterbieten, bis schließlich beide Unternehmen einen Preis gleich 𝑝𝑝 1∗ = 𝑝𝑝 2∗ Grenzkosten setzen. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen sind Gewinne bei Bertrand- Wettbewerb aus Managementperspektive nur dann erzielbar, wenn eine der folgenden Vorgehensweise gewählt wird: ■ Kollusion und Absprache der Preise auf einem Niveau über den Grenzkosten - dies ist allerdings typischerweise aus wettbewerbspolitischer Perspektive verboten und die Absprache ist ggfs. nicht stabil, ■ Kapazitätsbeschränkungen aller Wettbewerber, so dass Anreize für Preisunterbietungen reduziert oder eliminiert werden - Kapazitätsbeschränkungen sind aber aus strategischer Perspektive eine Form von Kapazitätswettbewerb (→ Kapitel 5) oder ■ der Aufbau vertikaler oder horizontaler Produktdifferenzierung - die Kunden haben bei horizontaler Produktdifferenzierung Präferenzen für einen der Anbieter, so dass selbst bei niedrigeren Preisen nicht alle Kunden zu Wettbewerbern wechseln (→ Kapitel 2). Bertrand-Wettbewerb bei horizontaler Produktdifferenzierung Gewinne bei Bertrand-Wettbewerb können entstehen, wenn die Unternehmen in der Lage sind, einen hinreichenden Grad an Produktdifferenzierung aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Produkte können vertikal (in Bezug auf Qualität) oder horizontal (in Bezug auf Branding oder Geschmack) differenziert sein. Horizontale Produktdifferenzierung erfolgt in den meisten Fällen durch Marketing, bspw. Branding, Farbgebung, das ‚Look and Feel‘ der Produkte oder durch die Zuschreibung oder das Herausheben bestimmter Eigenschaften oder Verwendungszusammenhänge. So sind Girokonten von Sparkassen , Volks- und Raiffeisenbanken oder Commerzbank und Deutscher Bank funktional identisch Preisentscheidungen und Strategien beim Bertrand-Wettbewerb <?page no="280"?> 280 Strategischer Wettbewerb im Oligopol - die Differenzierung erfolgt im Wesentlichen durch Marketing. Preiswettbewerb bei heterogenen Produkten findet häufig bei horizontaler Produktdifferenzierung statt. Abbildung 5.9: Grad der Produktdifferenzierung. Die Heterogenität der Produkte, in diesem Fall aufgrund horizontaler Produktdifferenzierung, lässt sich durch die Nähe der Produkte zueinander beschreiben. Der industriespezifische Grad der Produktdifferenzierung 𝜸𝜸 bestimmt dann, ob und wie stark die Konsumenten beide Produkte als substitutive Alternativen (gemeinsamer Markt) sehen, oder ob die beiden Produkte als vollständig unterschiedlich betrachtet werden (getrennte Märkte) (vgl. auch → Kapitel 2): ■ 𝛾𝛾 = 1 : Perfekte Substitute (homogene Produkte) - die Kunden haben keinerlei Präferenzen für Marken oder Unternehmen und wechseln beliebig und jederzeit zum kostengünstigsten Angebot. ■ 𝛾𝛾 = 0 : Perfekte Heterogenität - jedes Unternehmen besitzt für seinen Markt eine Monopol- oder marktbeherrschende Stellung, so dass Kunden extrem starke Präferenzen für Marken oder Unternehmen haben und aufgrund dieser Bindung oder hohen Wechselkosγ = 0 1 > γ > 0 getrennte Märkte (vollständige Produktdifferenzierung) Produktdifferenzierung gemeinsamer Markt (keine Produktdifferenzierung) γ = 1 <?page no="281"?> 281 ten (Switching Costs) in keinem Fall zu einem Wettbewerber wechseln. ■ 1 > 𝛾𝛾 > 0 : Horizontale Produktdifferenzierung - jedes Unternehmen hat durch Marketinginvestitionen eine bestimmte Unternehmens-, Marken- oder Produktpositionierung erreicht und Kundenbindung (Stammkunden) hergestellt, allerdings würden diese Kunden bei hinreichend großen Preisunterschieden zu Wettbewerbern wechseln. Bei heterogenen Produkten hängt die Nachfrage nach dem eigenen Produkt natürlich weiter von der eigenen Produktqualität (die beim Kunden eine bestimmte Zahlungsbereitschaft 𝑎𝑎 auslöst) und der eigenen Kostenstruktur ab, aber indirekt auch von der Qualität und der Kostenstruktur des Wettbewerbers. Unterscheiden sich 𝑎𝑎 1 und 𝑎𝑎 2 , dann liegt vertikale Produktdifferenzierung vor, ist zudem 1 > 𝛾𝛾 > 0 , dann liegt darüber hinaus horizontale Produktdifferenzierung vor, so dass die Nachfragefunktionen für zwei Unternehmen 1 und 2 durch (5.56) 𝑝𝑝 1 = 𝑎𝑎 1 − 𝑏𝑏 1 𝑞𝑞 1 − 𝛾𝛾𝑏𝑏 2 𝑞𝑞 2 und (5.57) 𝑝𝑝 2 = 𝑎𝑎 2 − 𝑏𝑏 2 𝑞𝑞 2 − 𝛾𝛾𝑏𝑏 1 𝑞𝑞 1 gegeben sind, in der 𝑏𝑏 1 und 𝑏𝑏 2 die Größe der jeweiligen Marktsegmente der beiden Unternehmen beschreibt. Je näher 𝛾𝛾 an Null liegt, desto größer ist der Anteil an Stammkunden eines Unternehmens, umso geringer sind die Rückwirkungen des Wettbewerbs und vice versa, so dass für Unternehmen 1 𝑏𝑏 1 𝑞𝑞 1 den direkten Effekt der eigenen Produktionsmenge und 𝛾𝛾𝑏𝑏 2 𝑞𝑞 2 den indirekten Effekt der Produktionsmenge von Unternehmen 2 beschreibt. Wenn 𝛾𝛾 gegen 1 strebt, wachsen offensichtlich die beiden Nachfragefunktionen (5.56) und (5.57) wieder zusammen, so dass - bei einem Wegfall der Marktsegmente aufgrund fehlender Differenzierung - wieder die Nachfragefunktion (5.51) in der Situation homogener Produkte entstehen würde. Um nun Preiswettbewerb bei horizontaler Produktdifferenzierung zu analysieren ist zunächst der Fall unterstellt, dass die jeweiligen Preisentscheidungen und Strategien beim Bertrand-Wettbewerb <?page no="282"?> 282 Strategischer Wettbewerb im Oligopol Marktsegmente gleichgroß sind und 𝑏𝑏 1 = 𝑏𝑏 2 = 𝑏𝑏 gilt und die Zahlungsbereitschaft der Kunden für die Produkte beider Unternehmen identisch ist, so dass 𝑎𝑎 1 = 𝑎𝑎 2 = 𝑎𝑎 - dann lassen sich die Nachfragefunktionen (5.56) und (5.57) umstellen zu (5.58) 𝑞𝑞 1 = 1−𝛾𝛾 (1−𝛾𝛾 2 )𝑏𝑏 𝑎𝑎 + 𝛾𝛾 (1−𝛾𝛾 2 )𝑏𝑏 𝑝𝑝 2 − 1 (1−𝛾𝛾 2 )𝑏𝑏 𝑝𝑝 1 und (5.59) 𝑞𝑞 2 = 1−𝛾𝛾 (1−𝛾𝛾 2 )𝑏𝑏 𝑎𝑎 + 𝛾𝛾 (1−𝛾𝛾 2 )𝑏𝑏 𝑝𝑝 1 − 1 (1−𝛾𝛾 2 )𝑏𝑏 𝑝𝑝 2 . Bei heterogenen Produkten und Preiswettbewerb hängt die Nachfrage 𝑞𝑞 𝑖𝑖 nach dem eigenen Produkt vom eigenen Preis und vom Preis des Wettbewerbers ab. Produktdifferenzierung impliziert, dass die Unternehmen keine gemeinsame, sondern individuelle (aber gekoppelte) Nachfragefunktion haben. Je höher der eigene Preis, desto niedriger die Nachfrage, aber: Je höher der Preis des Konkurrenzproduktes, desto höher die Nachfrage nach dem eigenen Produkt. Der Parameter 1 > 𝛾𝛾 > 0 bildet weiter die horizontale Produktdifferenzierung bei Preiswettbewerb ab. Wenn die Unternehmen identische Kostenfunktionen von 𝑇𝑇𝑇𝑇 𝑖𝑖 = 𝑀𝑀𝑇𝑇 ⋅ 𝑞𝑞 𝑖𝑖 + 𝐹𝐹𝑇𝑇 aufweisen, dann ergeben sich für beide Unternehmen 𝑖𝑖 und 𝑗𝑗 die Gewinnfunktionen als (5.60) 𝜋𝜋 𝑖𝑖 = 𝑝𝑝 𝑖𝑖 ⋅ 𝑞𝑞 𝑖𝑖 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 ⋅ 𝑞𝑞 𝑖𝑖 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 = 𝑝𝑝 𝑖𝑖 � 1 − 𝛾𝛾 (1 − 𝛾𝛾 2 )𝑏𝑏 𝑎𝑎 + 𝛾𝛾 (1 − 𝛾𝛾 2 )𝑏𝑏 𝑝𝑝 𝑗𝑗 − 1 (1 − 𝛾𝛾 2 )𝑏𝑏 𝑝𝑝 𝑖𝑖 � − 𝑀𝑀𝑇𝑇 � 1−𝛾𝛾 (1−𝛾𝛾 2 )𝑏𝑏 𝑎𝑎 + 𝛾𝛾 (1−𝛾𝛾 2 )𝑏𝑏 𝑝𝑝 𝑗𝑗 − 1 (1−𝛾𝛾 2 )𝑏𝑏 𝑝𝑝 𝑖𝑖 � − 𝐹𝐹𝑇𝑇 . Um die optimale Preisstrategie eines Unternehmens zu ermitteln, differenziert man (5.60) nach dem strategischen Parameter Preis 𝑝𝑝 𝑖𝑖 , so dass sich über (5.61) 𝜕𝜕𝜋𝜋 𝑖𝑖 𝜕𝜕𝑝𝑝 𝑖𝑖 = 1−𝛾𝛾 (1−𝛾𝛾 2 )𝑏𝑏 𝑎𝑎 + 𝛾𝛾 (1−𝛾𝛾 2 )𝑏𝑏 𝑝𝑝 𝑗𝑗 − 2 (1−𝛾𝛾 2 )𝑏𝑏 𝑝𝑝 𝑖𝑖 + 1 (1−𝛾𝛾 2 )𝑏𝑏 𝑀𝑀𝑇𝑇 = 0 nach Umstellung der optimale Preis als <?page no="283"?> 283 (5.62) 𝑝𝑝 𝑖𝑖 = (1−𝛾𝛾)𝑎𝑎+𝑀𝑀𝑀𝑀 2 + 12 𝛾𝛾𝑝𝑝 𝑗𝑗 für 𝑖𝑖, 𝑗𝑗 = 1,2 für beide Unternehmen ergibt. Analog zum Vorgehen bei Cournot- Wettbewerb kann man Gleichung (5.62) als Reaktionsfunktion verstehen - für jeden Preis 𝑝𝑝 𝑗𝑗 wird das Unternehmen 𝑖𝑖 eine optimale (gewinnmaximierende) Reaktion 𝑝𝑝 𝑖𝑖 identifizieren und umsetzen. In → Abbildung 5.8 rechts sind diese Reaktionskurven zu sehen: Bei Produktdifferenzierung verschiebt sich der Achsenabschnitt und wird größer, gleichzeitig drehen sich die Reaktionskurven und werden für Unternehmen 1 flacher, für Unternehmen 2 steiler. In der Folge liegt der neue Schnittpunkt bei Preisen 𝑝𝑝 1∗ und 𝑝𝑝 2∗ für beide Unternehmen, die über den Grenzkosten liegen. Unternehmen 𝑖𝑖 muss entsprechend (5.62) drei Determinanten einer optimalen Strategie berücksichtigen, um die Gewinne zu maximieren:  Die strategische Entscheidung von Unternehmen 𝒋𝒋 und dessen Preisstrategie 𝑝𝑝 𝑗𝑗 - je höher der Preis des Wettbewerbers, desto höher kann der eigene Preis gesetzt werden,  die Zahlungsbereitschaft der Kunden - je höher 𝑎𝑎 ist, desto höher kann der optimale Preis gewählt werden, und  der Grad der Produktdifferenzierung, gegeben durch 𝛾𝛾 - je größer die Produktdifferenzierung (je näher 𝛾𝛾 an Null liegt), desto stärker kann eine höhere Zahlungsbereitschaft der Kunden für höhere Preise ausgenutzt werden. Horizontale Produktdifferenzierung reduziert die Wettbewerbsintensität und ermöglicht Unternehmen, bei Bertrand-Wettbewerb Gewinne zu erzielen. Gleiches gilt natürlich für Unternehmen 𝑗𝑗 , so dass die wechselseitig besten Antworten beider Unternehmen auf die Preisstrategie des Wettbewerbers ein Bertrand-Nash-Gleichgewicht in Preisen darstellen. In → Abbildung 5.10 sind für zwei Unternehmen die Reaktionskurven eingezeichnet. Preisentscheidungen und Strategien beim Bertrand-Wettbewerb <?page no="284"?> 284 Strategischer Wettbewerb im Oligopol Abbildung 5.10: Bertrand-Nash-Gleichgewichte und Effekte auf Unternehmensstrategien. Anders als bei Cournot-Wettbewerb verlaufen die Reaktionskurven jetzt ansteigend, d.h., eine Preiserhöhung des Wettbewerbers führt (bspw. wie in → Abbildung 5.10 rechts gezeigt) in Folge einer Erhöhung der Zahlungsbereitschaft der Kunden oder auch aufgrund höherer Grenzkosten zu einer eigenen Preiserhöhung und vice versa. Dieser Effekt ist umso stärker, je höher der Grad der Produktdifferenzierung ist, je kleiner 𝛾𝛾 . Umgekehrt wird auf Preissenkungen natürlich weiterhin mit Preissenkungen reagiert: Kann ein Unternehmen seine Grenzkosten senken, so wird nach Maßgabe von Gleichung (5.62) der eigene Preis reduziert und das andere Unternehmen wird ebenfalls die Preise reduzieren - die Strategien bei Bertrand-Wettbewerb sind strategische Komplementen: Sie laufen für beide Unternehmen immer in die gleiche Richtung. Löst man Gleichung (5.62) für zwei Unternehmen 𝑖𝑖 und 𝑗𝑗 auf, ergibt sich das Nash-Gleichgewicht in Preisen als (5.63) 𝑝𝑝 𝑖𝑖 = 𝑝𝑝 𝑗𝑗 = (2+𝛾𝛾)�(1−𝛾𝛾)𝑎𝑎+𝑀𝑀𝑀𝑀� 4−𝛾𝛾 2 , 2 p 1 0 p 2 p 1 0 p 2 Unternehmen 2 p 2∗ p 1∗ Unternehmen 1 + 12 γp 1 + 12 γp 2 p 1 = 1 − γ a + MC 2 p 2 = 1 − γ a + MC 2 2 1 p 2∗ p 1∗ + 12 γp 1 + 12 γp 2 Unternehmen 2 Unternehmen 1 <?page no="285"?> 285 so dass sich durch Einsetzten in (5.58) bis (5.60) die aufgrund gleicher Grenzkosten symmetrischen Mengen und Gewinne beider Unternehmen als (5.64) 𝑞𝑞 𝑖𝑖 = 𝑞𝑞 𝑗𝑗 = 𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀 2+𝛾𝛾+𝛾𝛾 2 und (5.65) 𝜋𝜋 𝑖𝑖 = 𝜋𝜋 𝑗𝑗 = (1−𝛾𝛾)(𝑎𝑎−𝑀𝑀𝑀𝑀) 2 (1+𝛾𝛾)(2−𝛾𝛾) 2 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 ergeben. Steigt der Grad der Produktdifferenzierung, d.h. 𝛾𝛾 wird kleiner und strebt gegen 0, dann verschieben sich die Reaktionskurven nach außen und werden flacher. Die Preise steigen bei einem Anstieg des Grades der Produktdifferenzierung wegen (5.63) an, zudem wachsen die Unternehmen wegen (5.64). In jedem Fall können die Unternehmen bei Bertrand-Wettbewerb dann Gewinne erzielen, wenn die Produktdifferenzierung hinreichend groß ist (→ Kapitel 5) - würde bei fehlender Produktdifferenzierung 𝛾𝛾 gegen 1 streben, folgt aus (5.63) zunächst 𝑝𝑝 𝑖𝑖 = 𝑝𝑝 𝑗𝑗 = 𝑀𝑀𝑇𝑇 und aus (5.65) ein Verlust in Höhe der Fixkosten. Case Study | Air France versus British Airways Air France und British Airways konkurrieren auf der Strecke Paris Charles de Gaulle - London Heathrow. Da beide Fluglinien auf dieser internationalen Strecke stark in Marketing investieren, liegt aus Kundensicht horizontale Produktdifferenzierung vor. Beide Unternehmen betreiben Preiswettbewerb, da die jeweiligen Kapazitäten jederzeit ausgedehnt werden können, um die komplette Nachfrage abzudecken. Die Business-Class-Nachfrage ist gegeben durch 𝑞𝑞 𝐴𝐴 = 2000 - 2 𝑝𝑝 𝐴𝐴 + 𝑝𝑝 𝐹𝐹 für Air France , und 𝑞𝑞 𝐹𝐹 = 2000 - 2 𝑝𝑝 𝐹𝐹 + 𝑝𝑝 𝐴𝐴 , wobei 𝑞𝑞 𝐴𝐴 die Menge (Anzahl an Sitzplätzen) von Air France , 𝑞𝑞 𝐹𝐹 die Menge von British Airways , 𝑝𝑝 𝐴𝐴 den Ticketpreis von Air France und 𝑝𝑝 𝐹𝐹 den Ticketpreis von British Airways bezeichnet. Die Grenzkosten beider Fluglinien auf dieser Strecke betragen je Sitzplatz 𝑀𝑀𝑇𝑇 = 20 , die Fixkosten betragen jeweils 𝐹𝐹𝑇𝑇 = 250.000 .  Preisentscheidungen und Strategien beim Bertrand-Wettbewerb <?page no="286"?> 286 Strategischer Wettbewerb im Oligopol Ein Unternehmensberater soll nun für British Airways prüfen: ■ Welche Preise sollten Air France und British Airways verlangen, welche Mengen werden resultieren, wie hoch ist der Gewinn von Air France , wie hoch ist der Gewinn von British Airways ? ■ Air France entscheidet, den Preis 𝑝𝑝 𝐴𝐴 = 400 festzusetzen. Mit welchem Preis kann British Airways auf diese Preisstrategie reagieren, um den eigenen Gewinn zu maximieren? Um die optimalen Preise beider Unternehmen zu ermitteln, setzt man zunächst in die Gewinnfunktionen (5.66) 𝜋𝜋 𝑖𝑖 = 𝑝𝑝 𝑖𝑖 ⋅ 𝑞𝑞 𝑖𝑖 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 ⋅ 𝑞𝑞 𝑖𝑖 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 beider Unternehmen die jeweiligen Nachfragefunktionen ein, so dass sich (5.67) 𝜋𝜋 𝐴𝐴 = 𝑝𝑝 𝐴𝐴 ⋅ (2000 - 2 𝑝𝑝 𝐴𝐴 + 𝑝𝑝 𝐹𝐹 ) − 𝑀𝑀𝑇𝑇 ⋅ 𝑞𝑞 𝐴𝐴 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 für Air France und (5.68) 𝜋𝜋 𝐹𝐹 = 𝑝𝑝 𝐵𝐵 ⋅ �2000 - 2 𝑝𝑝 𝐵𝐵 + 𝑝𝑝 𝑊𝑊 � − 𝑀𝑀𝑇𝑇 ⋅ 𝑞𝑞 𝐵𝐵 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 für British Airways ergibt. Die Bestimmung der optimalen Preise 𝑝𝑝 𝐴𝐴 und 𝑝𝑝 𝐹𝐹 erfolgt durch Ableitung der Gewinnfunktionen nach 𝑝𝑝 𝐴𝐴 und 𝑝𝑝 𝐹𝐹 , so dass sich mit (5.69) 𝜕𝜕𝜋𝜋 𝐴𝐴 𝜕𝜕𝑝𝑝 𝐴𝐴 = 2000 − 4𝑝𝑝 𝐴𝐴 + 𝑝𝑝 𝐹𝐹 + 2𝑀𝑀𝑇𝑇 = 0 oder 𝑝𝑝 𝐴𝐴 = 500 + 14 𝑝𝑝 𝐹𝐹 + 12 𝑀𝑀𝑇𝑇 und (5.70) 𝜕𝜕𝜋𝜋 𝐵𝐵 𝜕𝜕𝑝𝑝 𝐵𝐵 = 2000 − 4𝑝𝑝 𝐹𝐹 + 𝑝𝑝 𝐴𝐴 + 2𝑀𝑀𝑇𝑇 = 0 oder 𝑝𝑝 𝐹𝐹 = 500 + 14 𝑝𝑝 𝐴𝐴 + 12 𝑀𝑀𝑇𝑇 ergibt. Setzt man jetzt (5.70) in (5.69) ein, dann folgt nach Auflösen von (5.71) 𝑝𝑝 𝐴𝐴 = 500 + 14 𝑝𝑝 𝐹𝐹 + 12 𝑀𝑀𝑇𝑇 = 500 + 14 �500 + 14 𝑝𝑝 𝐴𝐴 + 12 𝑀𝑀𝑇𝑇� + 12 𝑀𝑀𝑇𝑇 , <?page no="287"?> 287 dass der optimale Preis von Air France 𝑝𝑝 𝐴𝐴 = 680 beträgt. Aufgrund der Symmetrie der beiden Unternehmen bei Nachfrage und Kostenstruktur beträgt der optimale Preis von British Airways 𝑝𝑝 𝐹𝐹 = 680 . Beide Unternehmen können wegen (5.72) 𝑞𝑞 𝐴𝐴 = 2000 - 2 𝑝𝑝 𝐴𝐴 + 𝑝𝑝 𝐹𝐹 = 2000 − 2 ⋅ 680 + 680 = 1.320 und (5.73) 𝑞𝑞 𝐹𝐹 = 2000 - 2 𝑝𝑝 𝐹𝐹 + 𝑝𝑝 𝐴𝐴 = 2000 − 2 ⋅ 680 + 680 = 1.320 jeweils 1.320 Flugtickets in der Business-Class pro Tag auf dieser Strecke verkaufen. Die Gewinne beider Unternehmen ergeben sich als (5.74) 𝜋𝜋 𝐴𝐴 = 𝑝𝑝 𝐴𝐴 ⋅ 𝑞𝑞 𝐴𝐴 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 ⋅ 𝑞𝑞 𝐴𝐴 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 = 680 ⋅ 1320 − 20 ⋅ 1320 − 250.000 = 621.200 und (5.75) 𝜋𝜋 𝐹𝐹 = 𝑝𝑝 𝐹𝐹 ⋅ 𝑞𝑞 𝐹𝐹 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 ⋅ 𝑞𝑞 𝐹𝐹 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 = 680 ⋅ 1320 − 20 ⋅ 1320 − 250.000 = 621.200 ebenfalls in gleicher Höhe. Wenn nun Air France durch einen Preis von 𝑝𝑝 𝐴𝐴 = 400 versucht, mehr Kunden zu gewinnen und den Wettbewerb zu verändern, kann British Airways nicht am bisherigen Preis festhalten. Allerdings kann British Airways unmittelbar aus der Reaktionsfunktion (5.70) vor dem Hintergrund des willkürlich von Air France gesetzten Preises die optimale neue Strategie als (5.76) 𝑝𝑝 𝐹𝐹 = 500 + 14 𝑝𝑝 𝐴𝐴 + 12 𝑀𝑀𝑇𝑇 = 500 + 14 400 + 12 20 = 610 bestimmen. Mit den neuen Preisen ergibt sich mit (5.77) 𝑞𝑞 𝐴𝐴 = 2000 - 2 𝑝𝑝 𝐴𝐴 + 𝑝𝑝 𝐹𝐹 = 2000 − 2 ⋅ 400 + 610 = 1.810 und (5.78) 𝑞𝑞 𝐹𝐹 = 2000 - 2 𝑝𝑝 𝐹𝐹 + 𝑝𝑝 𝐴𝐴 = 2000 − 2 ⋅ 600 + 400 = 1.200 natürlich eine Verschiebung der Marktanteile zugunsten von Air France . Betrachtet man allerdings mit (5.79) 𝜋𝜋 𝐴𝐴 = 𝑝𝑝 𝐴𝐴 ⋅ 𝑞𝑞 𝐴𝐴 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 ⋅ 𝑞𝑞 𝐴𝐴 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 = 400 ⋅ 1810 − 20 ⋅ 1810 − 250.000 = 437.800 und Preisentscheidungen und Strategien beim Bertrand-Wettbewerb <?page no="288"?> 288 Strategischer Wettbewerb im Oligopol (5.80) 𝜋𝜋 𝐹𝐹 = 𝑝𝑝 𝐹𝐹 ⋅ 𝑞𝑞 𝐹𝐹 − 𝑀𝑀𝑇𝑇 ⋅ 𝑞𝑞 𝐹𝐹 − 𝐹𝐹𝑇𝑇 = 610 ⋅ 1200 − 20 ⋅ 1200 − 250.000 = 458.000 die jetzt entstehenden Gewinne, dann führt das willkürliche Abweichen von Air France vom Bertrand-Nash-Gleichgewicht zu einer Reduktion der Gewinne, allerdings aufgrund der hohen Fixkosten bei gleichzeitiger Produktdifferenzierung mit stärker negativem Effekt auf Air France . Wieder zeigt sich, dass ein Abweichen vom Nash-Gleichgewicht die Gewinne reduziert. Relevanz für Unternehmensstrategien In den letzten Abschnitten ist deutlich geworden, dass die Ableitung einer Unternehmensstrategie zahlreiche, sich zudem wechselseitig beeinflussende Parameter berücksichtigen muss: ■ Welche Art von Wettbewerb liegt vor: Cournot oder Bertrand? ■ Entscheiden die Unternehmen simultan oder gibt es ein implizites Rollenverständnis mit einem Stackelberg-Marktführer und sequentielle Entscheidungen? ■ Ist die Zahl der Unternehmen durch Eintrittsbarrieren begrenzt oder verändert sich die Wettbewerbsintensität infolge von Markteintritten? ■ Sind die Produkte homogen oder liegt vertikale und/ oder horizontale Produktdifferenzierung vor? ■ Haben alle Unternehmen eine ähnliche Wettbewerbsfähigkeit oder ist diese deutlich unterschiedlich? Tatsächlich erfordert die Beantwortung dieser Fragestellungen zunächst eine umfangreiche Markt- und Wettbewerbsanalyse, die entweder durch eine eigene Strategieabteilung erfolgt oder mit Unterstützung von Managementberatungen durchgeführt wird. Unabhängig davon ist die explizite Anwendung von Cournot- oder Bertrand-Model- <?page no="289"?> Relevanz für Unternehmensstrategien 289 len keine typische Tätigkeit in Unternehmen, allerdings leiten die Erkenntnisse aus den → Kapiteln 5.1 bis 5.3 auch indirekt maßgeblich die Entscheidungsfindung in strategischen Wettbewerbssituationen. Grundaussagen von Cournot- und Bertrand-Modellen in der Strategieimplementierung Zahlreiche der strategischen Grundaussagen von Cournot- und Bertrand-Wettbewerb haben - nicht zuletzt nachfolgend der Arbeiten von Porter (1980 und 1985) - mittlerweile in stark reduzierter Form, insbesondere ohne die wesentlichen quantitativen Implikationen, Einzug in viele Strategieworkshops und -diskussionen gehalten: ■ Grad der Produktdifferenzierung - Produktdifferenzierung ist erstrebenswert, weil die Rückwirkungen der Strategien der Wettbewerber auf eigene Gewinne reduziert wird (bei Porter als Differenzierungsstrategie). Grundfrage ist, wie einfach (respektive mit welchen Kosten) lässt sich dauerhafte Produktdifferenzierung aufbauen, kann die Produktdifferenzierung mit hohen Sunk Costs auch als Eintrittsbarriere fungieren? ■ Wettbewerbsfähigkeit - Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit (Produktqualität oder Effizienz) können zur Verdrängung von Unternehmen führen (bei Porter als Kostenführerschaft). Grundfrage ist: Kann die eigene Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft erhöht werden, wie schnell entwickeln sich Wettbewerber weiter, kann Kostenführerschaft einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil begründen? Zudem ist in zahlreichen Entscheidungen von Unternehmen die Zweistufigkeit der Entscheidungen implizit verankert, so dass Wettbewerb in vielen Fällen tatsächlich als zweistufiges Spiel interpretiert werden kann: ■ In einer ersten Stufe werden mittel- und langfristige Kapazitätsentscheidungen getroffen und durch irreversible Investitionen festgelegt, so dass <?page no="290"?> 290 Strategischer Wettbewerb im Oligopol ■ in einer zweite Stufe Preiswettbewerb zur Signalisierung der Wettbewerbsfähigkeit an Kunden und indirekt an Wettbewerber erfolgt. Daneben folgen aus der Analyse, ob Cournot- oder Bertrand-Wettbewerb vorherrscht, zentrale Leitlinien für strategische Entscheidungen. Wie in → Abbildung 5.11 gegenübergestellt, unterscheiden sich die strategischen Parameter in ihrer Wechselwirkung: ■ Bei Cournot-Wettbewerb sind die Kapazitäten strategische Substitute - kann ein Unternehmen aufgrund verbesserter Wettbewerbsfähigkeit eine Wachstumsstrategie umsetzen, wird das andere Unternehmen schrumpfen: Die Reaktionskurven verlaufen fallend und die Strategien entwickeln sich gegenläufig. ■ Bei Bertrand-Wettbewerb sind die Preise strategische Komplemente - kann ein Unternehmen aufgrund verbesserter Wettbewerbsfähigkeit höhere Preise durchsetzen, wird das andere Unternehmen ebenfalls die Preise erhöhen: Die Reaktionskurven verlaufen ansteigend und die Strategien entwickeln sich in die gleiche Richtung. Abbildung 5.11: Strategische Substitute und Komplemente. Kernaussagen des Cournot-Modells bei Kapazitätswettbewerb Kernaussagen des Bertrand-Modells bei Preiswettbewerb q 2 0 q 1 p 2 0 p 1 Unternehmen 2 Unternehmen 1 Unternehmen 2 Unternehmen 1 <?page no="291"?> 291 Relevanz für Unternehmensstrategien <?page no="292"?> 292 Strategischer Wettbewerb im Oligopol Abbildung 5.12: Heat Maps von Cournot- und Stackelberg-Wettbewerb. <?page no="293"?> 293 Aus Managementperspektive gibt es jedoch - wie bei vielen Methoden zur strategischen Entscheidungsfindung - eine Umsetzungshürde: Wie in → Kapitel 5 deutlich wurde, erfordern die auf Cournot- und Bertrand-Wettbewerb entwickelten quantitativen Strategien ein Verständnis und eine Nachvollziehbarkeit der verwendeten Mathematik - alleine Formeln stellen hier schon oft eine natürliche Barriere dar. Allerdings lässt sich diese durch Heat Maps deutlich reduzieren, wie in → Abbildung 5.12 zu sehen ist. Heat Maps zeigen anschaulich durch Farbgebung oder Struktur sowohl die aktuelle Wettbewerbssituation wie auch die vorhandenen strategischen Optionen analog eines Ampelsystems - so lassen sich in Diskussionen mit dem Management in War Games stark versachlicht und strukturiert alternative Strategien bewerten und analysieren, und es können gewinnerhöhende von gewinnreduzierenden Strategien getrennt werden. Empirische Evidenz, tatsächliches Verhalten von Managern und strategische Wettbewerbssituationen in Experimenten In empirischen Untersuchungen (Aiginger 1996a und 1996b sowie Cherchye et al. 2013) wird direkt oder indirekt untersucht, ob Unternehmen tatsächlich Bertrand- oder Cournot-Strategien anwenden. Zwei Erkenntnisse sind hier regelmäßig zu finden: ■ Marktstrukturen und Wettbewerbsprozesse deuten auf zweistufigen Wettbewerb, das Marktergebnis in Marktanteilen und Gewinnen ist teilweise in Übereinstimmung mit Cournot-Wettbewerb - allerdings werden oft auch bei Bertrand-Wettbewerb ohne Produktdifferenzierung Gewinne beobachtet, was entweder auf Absprachen oder eingeschränkt aggressives Verhalten im Wettbewerb hindeuten kann. ■ Bei einer direkten Befragung von 930 Topmanagern geben 38 % an ‚Cournot zu spielen‘, 62 % sehen eher Wettbewerb entsprechend des Bertrand-Modells (Aiginger 1999) - was in einem zweistufigen Relevanz für Unternehmensstrategien <?page no="294"?> 294 Strategischer Wettbewerb im Oligopol Spiel begründet sein kann und in seltenen langfristigen Kapazitätsentscheidungen im Gegensatz zu regelmäßigen Diskussionen zu Preisstrategien. Um die Wirksamkeit und die Plausibilität der Strategien zu prüfen, werden mittlerweile Laborexperimente durchgeführt. Ziel ist hier, tatsächliches Wettbewerbsverhalten unter kontrollierten Rahmenbedingungen zu beobachten, und zu prüfen, ob und wie schnell bspw. Cournot-, Bertrand- oder Stackelberg-Nash-Gleichgewichte erreicht werden (Armstrong und Huck 2010, Holt 1993, Huck et al. 1999 und Huck et al. 2000). Die Ergebnisse dieser Experimente bestätigen weitgehend begrenzt rationales Verhalten und unzureichende Durchdringung von strategischen Entscheidungssituationen: ■ Bertrand-Wettbewerb - typischerweise ermitteln Spieler in den Experimenten keine Preisuntergrenzen, sondern testen per Trial and Error unterschiedliche Preise. Trotzdem entstehen Gewinne, wenngleich in geringer Höhe - entsprechend kommt ein Nash- Gleichgewicht nicht zustande. Daneben entsteht ein erweitertes Tit-for-Tat-Verhalten: Es wird versucht, Gewinne anderer Spieler durch Preisunterbietung zu bestrafen, entstehendes spontanes Parallelverhalten oder Kollusion werden meist in der kommenden Periode wieder zerstört. ■ Cournot-Wettbewerb - es herrscht Satisficing vor, d.h., eigene Strategien werden wenig verändert, solange wiederholt positive und als ausreichend erachtete Gewinne entstehen, selbst wenn die Gewinne der anderen Spieler höher ausfallen. Wiederum berechnen Spieler keine optimalen Strategien, obwohl alle relevanten Informationen vorliegen. Bei vollständig transparenten Spielen (mit Hinweisen auf Gewinne der Wettbewerber und Offenlegung der gewählten Strategien der anderen) sind Märkte stärker kompetitiv - d.h., tendenziell entstehen niedrigere Preise und niedrigere Gewinne. ■ Stackelberg-Wettbewerb - obwohl die Rollen im Laborexperiment klar verteilt sind, ist die Asymmetrie der Marktanteile geringer ausgeprägt als (modellhaft) vorhergesagt und es entstehen im <?page no="295"?> Zusammenfassung 295 Zeitablauf Rachefeldzüge der Marktfolger mit zu großen Mengen, so dass Stackelberg-Marktführer ihre Führungsrolle teilweise aufgeben. Häufig spielen in diesen Laborexperimenten - neben begrenzter Rationalität und Satisficing (→ Kapitel 1) - Rache, der Glaube an eine Strategie und das Nicht-Berücksichtigen der Wettbewerber eine größere Rolle als strategische Rationalität und reduzieren typischerweise die Gewinne deutlich. Zusammenfassung Strategischer Wettbewerb im Oligopol impliziert, dass Unternehmen wechselseitig die Strategien ihrer Wettbewerber analysieren und für die Entwicklung der eigenen Strategie berücksichtigen. Daneben müssen die Rahmenbedingungen aus Marktstruktur, Nachfragestruktur und technologischen Möglichkeiten für die Wahl des strategischen Parameters beachtet werden. Wettbewerb kann zwar sehr vielfältige Formen annehmen, allerdings haben sich drei Arten von Wettbewerb als zentral für die Analyse strategischer Wettbewerbssituationen bewährt: Cournot-Wettbewerb, Bertrand-Wettbewerb und Stackelberg-Wettbewerb. ■ Bei Cournot-Wettbewerb entscheiden Unternehmen über Mengen oder Kapazitäten. Cournot-Wettbewerb ist grundsätzlich dann zu erwarten, wenn Kapazitäten nur sehr kostspielig und langfristig verändert werden können. Das resultierende Nash-Gleichgewicht hängt von den Grenzkosten, der Zahl der Unternehmen und der Nachfragestruktur ab. Die Unternehmen erzielen typischerweise positive Gewinne. Je höher die relative Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens ist, desto größer ist dessen Marktanteil und Gewinn. ■ Bei Bertrand-Wettbewerb entscheiden Unternehmen über Preise. Bertrand-Wettbewerb ist dann zu erwarten, wenn Kapazitäten kostengünstig und schnell verändert werden können. Das resultierende Nash-Gleichgewicht hängt wieder von den Grenzkosten <?page no="296"?> 296 Strategischer Wettbewerb im Oligopol ab. Allerdings erzielen Unternehmen typischerweise nur bei hinreichendem Grad an Produktdifferenzierung Gewinne, ohne Produktdifferenzierung führt wechselseitige Preisunterbietung zum Ergebnis vollständiger Konkurrenz. ■ Stackelberg-Wettbewerb beschreibt Wettbewerbssituationen, in denen aufgrund eines akzeptierten Rollenverständnisses und glaubwürdigen Strategien ein Marktführer einen First-Mover-Vorteil erzielen kann. Die Gewinne des Stackelberg-Marktführers auf Basis des teilspielperfekten Nash-Gleichgewichtes übersteigen die Gewinne bei Cournot-Wettbewerb. Die Anwendbarkeit und der Erfolg der Strategien werden wesentlich von der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens und dem Grad an Produktdifferenzierung in einer Industrie beeinflusst. Horizontale und vertikale Produktdifferenzierung kann die Wettbewerbsintensität deutlich reduzieren, so dass insbesondere bei Bertrand-Wettbewerb und allgemein für weniger wettbewerbsfähige Unternehmen Anreize bestehen, durch strategische Investitionen in Marketing das Überleben zu sichern. Unabhängig hiervon erfordert die Implementierung dieser Strategien weitreichende Markt- und Wettbewerbsanalysen, zudem muss in geeigneter Weise - bspw. in Form von Heat Maps - eine Akzeptanz für die gewählten Methoden hergestellt werden. Literaturtipps Strategischer Wettbewerb im Oligopol findet sich sehr gut dargestellt bei Pepall, L., Richards, D. und Norman, G., Industrial Organization - Contemporary Theory and Empirical Applications, Hoboken 2014, bei Belleflamme, P. und Peitz, M., Industrial organization: markets and strategies, London 2015, oder in starker Kombination mit Spieltheorie bei Pfähler, W. und Wiese, H., Unternehmensstrategie im Wettbewerb, Berlin 2008. <?page no="297"?> Kontrollfragen 297 Kontrollfragen [1] Beschreiben Sie Grundüberlegungen und praktische Anwendungsfelder der Analyse von strategischem Wettbewerb im Oligopol aus mikroökonomischer Perspektive sowie deren Grenzen, Vor- und Nachteile! [2] Beschreiben Sie knapp die Grundüberlegung von Cournot-, Stackelberg- und Bertrand-Wettbewerb und die wesentlichen Ergebnisse bezüglich Mengen, Preis und Gewinn! Geben Sie jeweils zwei Beispiele aus verschiedenen Industrien! Erläutern Sie die praktische Relevanz und Anwendungsbereiche von Cournot-, Bertrand- und Stackelberg-Wettbewerb für die Entwicklung von Unternehmensstrategien! [3] Erläutern Sie die unterschiedlichen Marktergebnisse bei Bertrand- Wettbewerb mit und ohne Produktdifferenzierung! [4] Zwei Unternehmen in einem Markt ohne Produktdifferenzierung haben freie Wahl, entweder über Mengen oder über Preise zu konkurrieren oder in Produktdifferenzierung zu investieren - was sollten sie tun? [5] Ein Unternehmen in einem Markt ohne Produktdifferenzierung überlegt, eine Stackelberg-Markführerschaft anzustreben - was ist dafür notwendig? [6] Beschreiben und erläutern Sie den Zusammenhang zwischen der Zahl der Unternehmen und dem Marktergebnis (Preise, Mengen, Gewinn) bei Cournot-Wettbewerb? [7] Es gibt zwei Unternehmen, die bei Kreditkartenzahlungssystemen konkurrieren: M-Card und V-Card. Die Unternehmen konkurrieren definitiv in Mengen angeschlossener Terminals, d.h. Produktionskapazität. Aus Erfahrung wissen beide: (1) die Nachfragefunktion beträgt 𝑝𝑝 = 5000 - 2 ⋅ (𝑞𝑞 𝑀𝑀 + 𝑞𝑞 𝑉𝑉 ) , (2) die Grenzkosten betragen 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝑀𝑀 = 180 und 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝑉𝑉 = 140 , (3) die Fixkosten betragen für beide jeweils 𝐹𝐹𝑇𝑇 = 100.000 . Sie sind als Berater für M-Card tätig, aktuell konkurrieren die Unternehmen in simultanem Wettbewerb. Prüfen Sie, ob M-Card eine Marktführerschaft aus ökonomischer Perspektive anstreben sollte (im Vergleich zu simultanem Wettbewerb), wenn ja, wieviel sollte M-Card (maximal) in die Marktführerschaft investieren? <?page no="298"?> 298 Strategischer Wettbewerb im Oligopol [8] Beschreiben und erläutern Sie die Auswirkungen von Produktdifferenzierung bei Cournot- und Bertrand-Wettbewerb. [9] Zwei Unternehmen A und B konkurrieren bei NFC-Lesegeräten in Mengen, d.h. Produktionskapazität. Aus Erfahrung wissen beide: (1) die Nachfragefunktion beträgt 𝑝𝑝 = 1000 - 2 ⋅ (𝑞𝑞 𝐴𝐴 + 𝑞𝑞 𝐹𝐹 ) (2) die Grenzkosten betragen 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝐴𝐴 = 240 und 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝐹𝐹 = 280 (3) die Fixkosten betragen für beide jeweils 𝐹𝐹𝑇𝑇 = 100.000 . Ermitteln Sie für Cournot-Wettbewerb die Marktanteile und Gewinne beider Unternehmen. Zeigen und erläutern Sie anhand einer Abbildung, wie sich das Cournot-Nash-Gleichgewicht verändert, wenn eines von beiden Unternehmen in der Lage ist, seine Grenzkosten zu senken! Zeigen und erläutern Sie anhand von Abbildungen die Effekte von Änderungen der Grenzkosten, der Zahlungsbereitschaften und der Marktgröße auf die Produktionsmengen von zwei Unternehmen bei Cournot-Wettbewerb. [10] In der Kreditkartenindustrie konkurrieren zwei Unternehmen A und B, wesentliche Wettbewerbsparameter sind die jeweiligen Mengen 𝑞𝑞 𝐴𝐴 und 𝑞𝑞 𝐹𝐹 gemessen in neuartigen angeschlossenen Terminals. Die Unternehmen wissen aus Erfahrung, dass (1) die Nachfragefunktion für beide Unternehmen 𝑝𝑝 = 2000 - 2 ⋅ (𝑞𝑞 𝐴𝐴 + 𝑞𝑞 𝐹𝐹 ) mit 𝑞𝑞 𝐴𝐴 als Menge des Unternehmens A und 𝑞𝑞 𝐹𝐹 als Menge des Unternehmens B gegeben ist, (2) die Grenzkosten von Unternehmen A gleich 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝐴𝐴 = 280 und von Unternehmen B gleich 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝐹𝐹 = 360 betragen, (3) die Fixkosten für jedes der Unternehmen 𝐹𝐹𝑇𝑇 = 10.000 betragen. (a) Ermitteln Sie die optimale Produktionsmenge für Unternehmen A anhand des Cournot-Modells. Welche Folge haben die unterschiedlichen Grenzkosten für die Größe und die Gewinne der Unternehmen? (b) Sie erwägen, dem Unternehmen A eine First-Mover-Strategie vorzuschlagen. Welche Voraussetzungen müssen hierfür erfüllt sein? Welche Menge und Gewinne resultieren bei Anwendung des Stackelberg-Modells? (c) Zuletzt prüfen Sie einen Zusammenschluss der Unternehmen zu einem Monopol - die Grenzkosten des zusammengeführten Unternehmens betragen 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝐴𝐴𝐹𝐹 = 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝐴𝐴 = 280 , die Fixkosten betragen 20.000. Ist der Zusammenschluss für die Unternehmen ökonomisch sinnvoll, welche Effekte werden auftreten? <?page no="299"?> Literatur 299 Literatur Aiginger, K., Confronting the implications of the Cournot model with industry and firm data, Small Business Economics, 1996, 8, 365-378. Aiginger, K., Testing the implications of Cournot models, Small Business Economics, 1996, 8, 1-14. Aiginger, K., The use of game theoretical models for empirical industrial organization, in: Mueller, D.C., Haid, A. und Weigand, J. (Hrsg.), Competition, Efficiency and Welfare, Dordrecht 1999, 253-277. Airbus SE, 2016 Orders and Deliveries Investor Presentation, 11. Januar 2017. Amir, R. und Grilo, I., Stackelberg versus Cournot equilibrium, Games and Economic Behavior, 1999, 26, 1, 1-21. Armstrong, M. und Huck, S., Behavioral economics as applied to firms: a primer, CESifo Working Paper Series, 2010, No. 2937. Bagwell, K. und Wolinsky, A., Game theory and industrial organization, in: Aumann, R.J. und Hart, S. 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Chief Digital Officer 20 Commitment 75, 106, 229, 235, 237 ff., 269 f., 274 Corporate Governance 16, 26, 47 f., 52, 58, 63 Corporate Social Responsibility (CSR) 28, 42, 52 f. Cournot-Wettbewerb 248 ff., 262, 264 f., 271 ff., 283 ff. Differenzierung 75, 98 f., 100 ff., 114 f., 197, 280 f. horizontale Produktdifferenzierung 100 ff., 129, 169, 246, 248, 276, 279 ff. vertikale Produktdifferenzierung 100 ff., 129, 248, 258, 275, 296 - Differenzierungsstrategie 289 Plattform / digitale Plattform 33, 80, 104, 119 ff., 130, 141 - Buchungsplattformen 127 - IT-Plattform 105, 108 f. - Karriereplattformen 109, 127 - Online-Tauschplattform 157 - Partnerschaftsplattformen 127 f. <?page no="304"?> 304 Stichwörter - Plattform-Geschäftsmodelle 125, 130 - Plattformgrenzen 127 - Plattform-Partnerschaften 236 - Plattformunternehmen 125, 128 - Produktplattformen 108 f. - Social-Media-Plattformen 37, 120, 129 - Technologie-Plattformen 5 - Videoplattform 126 - Zahlungsplattform 109 digitale Transformation 20 digitaler Raum 60 - Transformation 57, 92 - Transformationsaufwand 24 - Transformationsphasen 13 Digitalisierung 20, 53, 56, 64, 93, 98, 145 Diskontierungsfaktor 45, 47 Displacement- und Replacement- Effect 164 dominante Strategie 15, 200, 203, 205 ff., 220, 223, 237 f. dominantes Design 162, 165 f. dynamische Fähigkeiten 90, 92 f., 188 Economies of Scale 42, 74, 80, 82, 86, 103 ff., 114, 131, 152, 164, 168 f., 176, 234, 247, 268 Economies of Scope 74, 103 f., 108 ff., 247 Effizienzvorteile 42, 273 Eigen- und Fremdkapital 19, 45, 51, 62, 104, 112 - Eigenkapitalausstattung 268 - Eigenkapitalbasis 277 - Eigenkapitalgeber 43 ff. - Eigenkapitalkosten 44 f. - Eigenkapitalvorschriften 267 Eigenkapitalrentabilität 19, 77, 96 Eintrittsbarrieren / Markteintrittsbarrieren 41, 75, 77 f., 81 f., 84, 88, 98, 105, 118, 139, 161, 166, 179, 184, 186, 189, 236, 246 ff., 264, 266, 268, 275, 288 strategische (Markt-)Eintrittsbarrieren 75, 81 f., 233 ff. strukturelle Eintrittsbarrieren 82 rechtliche Eintrittsbarrieren 82 Entscheidungskonflikte 47, 197 Environment, Social and Corporate Governance (ESG) 52, 60, 62 Erwartungen 12, 18, 43, 48, 50 f., 55, 59, 122, 165, 173 - Gewinnerwartungen 44, 46 f. <?page no="305"?> Stichwörter 305 - Erwartungswert 55, 224 ff., 278 - Erwartungsmanagement 122 - Erwartungsbildung 123 - Kundenerwartungen 164 - Renditeerwartungen 44 f. Evolution / Evolutionstheorie 16, 21, 28 f., 61, 173, 189 evolutorisches Wettbewerbsverhalten 26 ff., 63 Experimente 28, 32, 35 f., 63, 199, 215 ff., 239, 293 ff. Experimentierphase 162, 164 f. Exploitation und Exploration 36, 93 f. Forschung und Entwicklung 61, 74, 78, 82, 94, 105 ff., 149, 160, 173 ff., 209, 221, 241 f., 247 f., 268, 270 Fähigkeiten 7, 12 ff., 18, 35 ff., 42 f., 74 ff., 80, 87 ff., 93 ff., 110, 129, 140 f., 166, 247, 249, 288 dynamische Fähigkeiten 90 ff., 129, 188 eingeschränkte intellektuelle Fähigkeiten 33 funktionale Fähigkeiten 87 kognitive Fähigkeiten 217 f. - Leadership-Fähigkeiten 13 - Management-Fähigkeiten 13, 31 statische Fähigkeiten 87, 92 First-Mover-Strategien 15, 17, 201, 233 - First-Mover-Rolle 269 - First-Mover-Vorteil 296 Five-Forces-Framework 25, 83, 85 Fixkosten 105, 108, 110 f., 116, 252, 257 ff., 261 f., 267 f., 273, 277, 285, 297 - Fixkostendegression 82 fixkostenintensiv 108 f., 177 Geschäftsmodell 18 f., 41, 43 ff., 55, 57 ff., 81, 84, 89 f., 92, 97 f., 104, 108 ff., 113 f., 118 ff., 143 f., 157, 160, 164 f. - Geschäftsmodell-Logik 127 - Plattform-Geschäftsmodelle 125 Gewinn / Unternehmensgewinne 12 f., 17, 27, 29, 33, 37, 43 ff., 63, 74 ff., 83, 85 ff., 95 ff., 102, 106, 110, 115 ff., 129, 139, 142, 169, 176, 187 f., 196 ff., 208, 210 ff., 220 ff., 230 ff., 248, 250, 252 f., 255, 257 ff., 271, 273 ff., 283, 285 ff., 294 ff., 288 f., 293 ff. - Gewinn- und Verlustrechnung 19 - Gewinndynamik 114, 117 - Gewinnerwartung 44, 46 f. <?page no="306"?> 306 Stichwörter - Gewinnerzielung 19, 23 f., 28, 42, 51 - Gewinnfunktion 43, 116, 252 f., 259, 262 f., 271 f., 282, 286 ff. - Gewinnhöhe 98 - Gewinnklassen 187 - Gewinnmargen 84, 298 ff. - Gewinnmaximierung 26 f., 29, 50, 52 f., 259, 283 Gibrat-Modell 28, 170 ff., 184 glaubwürdige Drohungen 233, 235 Glaubwürdigkeit 48, 62, 235 f., 238 f. Grenzkosten 87, 115 f., 251 f., 255 ff., 264 ff., 272 ff., 283 ff., 295 - Grenzkostenreduktion 117 - Grenzkostenunterschiede 274 Größenverteilung der Unternehmen 78 f., 168, 170, 177, 247 f. Guessing-Numbers-Spiel 217, 218 Gut-genug-Lösungen (Satisficing) 28, 33 f., 294 f. Heat Maps 292 ff. Herfindahl-Index 178 f., 181 f., 184, 186 Heuristik 33 - Action Bias 35, 224 - Availability Bias / Verfügbarkeitsheuristik 35 - Competition Neglect 38, 141 - Confirmation Bias 34 - Endowment Effect 35 - Exploitation Bias 36 - Extremness Aversion 55 - Group Think 37 - Herd Behavior 37 kognitive Dissonanz 34 - Overconfidence / Selbstüberschätzung 36 f., 113, 141 - Representativeness / Repräsentativheuristik 36 horizontale Konzentration 15, 78, 81, 83, 172, 176 ff., 182 f., 189 Mobilität der Marktanteile 184 ff. Industrien - Automobil 48, 58, 79, 95, 97, 101 f., 108 f., 162 f., 165, 168 ff., 175, 186, 236 - Bekleidung und Textil 103 - Bier 168 f. - Chemie 108 - Computerhardware 95, 108 - Finanzdienstleistung / Finanzdienstleister 59, 75, 77, 97, 111 f., 144, 159 ff., 177 <?page no="307"?> Stichwörter 307 - Fluggesellschaften 38, 77, 85 ff., 95 f. 236, 249, 258, 275 - Konsumgüter 109 - Lebensmittel 183 ff. - Mobilfunk 110, 151 ff., 176 - Musik 79, 156 ff. - Pharma 77, 79, 95 f., 108, 144 - Stahl 62, 236 - Telekommunikation 58, 77, 79, 95 f., 111, 112, 269 Industrieebene 154, 155 Industrieeffekte 96, 129 Industriegrenzen 15, 85, 188 Industriegruppen 144 Industriekostenkurve 167, 168, Industrielebenszyklen 15, 25, 161 ff. Industrieökonomie 14, 26 f., 63 f., 78 Industriepolitik 258 Industriestandards 270 Information 27 ff., 33 ff., 49, 52, 54 f., 59, 63, 140, 143, 173, 199, 202, 216, 233, 294 - Informationsbeschaffung 54 - Informationsfluss 48 - Informationsverarbeitung 32 - Informationswahrnehmung 32 - Wettbewerberinformationen 140 Innovationen 18 f., 22 f., 32, 36, 41, 46, 58, 60, 63, 81, 90, 94, 130, 164, 172, 175, 247, 270 - Basisinnovation 61 - Innovationsergebnisse 78 - Innovationsfähigkeit 42, 82, - Innovationsökosysteme 95 - Innovationsportfolio 61 - Innovationsprozess 105 - Innovationsstrategie 94, 160 - Innovationsziele78 - Open Innovation 94 - Produktinnovationen 139, 145, 155, 158 ff., 165, 175 - Prozessinnovationen 17, 165, 175, 189, 248 - F&E-Investitionen 82, 94, 106, 149 Investitionen 17, 19, 22, 38, 45 f., 62, 83, 101, 103, 106, 117, 122 f., 127, 166, 189, 220, 236, 239, 249, 260, 270, 289, 296 - Investitionsentscheidung 105 - Marketinginvestitionen 82, 101, 105, 123, 149, 246, 281 IT / Informationstechnologie 59, 111 <?page no="308"?> 308 Stichwörter - IT-Strategie 20 Kapazitätswettbewerb 17, 250, 269, 279 Kapitalkosten (WACC) 45 f., 86 - Eigenkapitalkosten 44 f. - Fremdkapitalkosten 45 Kapitalmarkt 22, 37, 44, 46, 62, 74, 87, 112 ff., 221 Kompatibilität 99, 120, 123, 124, 127 f., 130, 269 f. - Inkompatibilität 99, 123 Komplementarität 44, 99, 108, 120, 123, 126, 128, 157, 284, 290 Konzentrationsrate und Konzentrationsindex 177 ff. Kooperation 92, 97, 105, 198, 210, 211, 216 Koordinations-Spiel 226 Kostenführerschaft 15, 17, 63, 75 f., 98, 114 ff., 129, 289 Kostensenkung (Restrukturierung, Kostenoptimierung) 38, 58, 81, 103 f., 104, 110, 113 ff., 146 Kostenstruktur 58, 78, 87 f., 103 f., 160, 172, 248, 259, 267, 281 Kreuzpreiselastizität 144 f. Künstliche Intelligenz 61 Leadership 7, 13 f., 37 Lernen und lernende Organisation 27, 32 f., 90, 93 f., 219 Lernkurveneffekte 42, 82, 106 f., 152 Lock-in-Effekt 121 f., 165 Management 13 f., 21, 25, 27, 29 ff., 37, 47 f., 51, 53, 55, 63, 81, 87, 89, 113, 139 f., 160, 198, 293 Market-based view 15, 42, 75 ff., 95 f., 129, 187 Marketing 17, 75, 78, 87 f., 100 ff., 149, 169, 176, 247, 268, 276, 279 f., 285, 296 - Marketinginvestition 82, 101, 105, 123, 246, 281 - Marketingstrategie 20, 27, 110 - Marketingmaßnahmen 81 Markt - Markt- und Wettbewerbsanalyse 25, 27, 35, 75 f., 85, 140, 143, 172, 296 - Marktabgrenzung (relevanter Markt) 127, 142 ff. - Marktanteil 27, 29, 79, 98, 112, 118 ff., 140, 142, 146, 152, 157, 161, 164, 166, 168, 171 ff. 197, 233, 257 ff., 266, 269 f., 273, 278, 287, 293 ff. - Marktaustritt 81, 88 f., 105, 118, 140, 142, 161 ff., 166, 182 - Marktdynamik 15, 143, 189 <?page no="309"?> Stichwörter 309 - Markteintritt 15, 46, 58, 75, 77, 80, 82 ff., 105, 118 f., 124, 140, 161 ff., 166, 174, 189, 233 ff., 250, 258, 264 ff. - Marktergebnis 17, 40, 79, 153, 249 f., 256 f., 257, 265 f., 269 f., 272 f., 297 - Marktforschung 34, 146, 267 - Marktführer (marktführende und marktbeherrschende Rolle) 41, 79, 91 f., 111, 115 ff., 121, 123 f., 166, 172, 176, 179, 182 ff., 230, 248, 269 ff., 280, 288, 295 f. - Marktgröße 78, 80, 116, 146 ff., 154 f., 167, 176, 179, 248, 253, 256 f., 264, 267, 290, 295, 297 - Marktmacht 59, 83 ff., 98, 104, 110, 182, 296 - Marktposition 13, 77 - Marktsegment (Marktsegmentierung) 17, 43, 46, 60, 77, 90, 92, 99, 103, 127, 143 f., 157, 160, 211, 247, 281 f., 288 ff., 295 - Marktstruktur 15 ff., 75, 78 ff., 100, 105 f., 129, 142 f., 161, 164, 167 f., 170, 174, 176 ff., 247 ff., 256 f., 265 f., 269 f., 272 f., 293, 295 - Marktversagen 59 - Marktwachstum 77, 84, 140, 142, 146, 161, 176, 188, 256 ff., 273 Maximin-Strategie 219 f. Megatrends 56, 64 mehrseitige Märkte 109, 125 f. Mergers & Acquisitions (M&A, Unternehmenszusammenschlüsse) 11, 19, 39, 46, 91, 104, 111 ff., 140, 198 Mikroökonomie 14 ff., 40, 42, 49, 63, 99 Mindestbetriebsgröße 82, 86, 161, 167 f., 174, 179, 268 Mobilität der Marktanteile 184 ff. Mobilitätsbarrieren 160 Monopol 39 f., 59, 79, 139, 246, 253, 264, 269, 272 Monopolergebnis 264, 283 Monopolstellung 38, 41, 115, 280 Monopolkommission 177, 182, 185 Nachfrage 77, 85 f., 115, 146, 148 ff., 153, 155, 160, 170, 281 ff., 294, 297 - Nachfragefunktion 116, 146 ff., 150 f., 252, 258 ff., 277, 281 f., 286, 289, 292 - Nachfrageanstieg 118 - Nachfragekurve 146 ff. - Nachfragerückgang 275 - Nachfragestruktur 78, 104, 115, 148, 247 f., 295 <?page no="310"?> 310 Stichwörter - Nachfrageverhalten 148 Nash-Gleichgewicht 197, 200 ff., 214 ff., 231 ff., 249 ff., 262, 264 f., 272, 274, 276, 278, 283 f., 294 ff. Netzwerkeffekte 76, 80, 82, 119 ff., 156, 247, Ökosystem 98, 127, 145 - Innovationsökosystem 95 Oligopol 15, 40, 79 f., 176, 183, 200, 246, 248, 295 ff. Operating Model 43 Operations Research 21 Outsourcing 43, 103 Persistenz der Gewinne 98, 187 PEST- / PESTLE-Analyse 56, 83 ff. Pfadabhängigkeiten 6, 23, 34, 40, 94, 210 Planung 7, 24, 31, 35, 54, 139, 211 strategische Planungsprozesse 13 Preis-Kosten-Marge 17, 117, 169, 296 Preisstrategie 128, 172, 212, 258, 276 ff., 282 f., 286, 294 Preiswettbewerb 15, 80, 104, 173, 247, 249, 275, 277, 280 ff., 293, 290 Principal-Agent-Modell 49 f. Prisoner’s Dilemma 212 f. Produktdifferenzierung 15, 17, 63, 74, 76, 79 ff., 99 ff., 114 f., 117, 127 ff., 174, 247, 250, 252, 262, 275, 277 ff., 296 horizontale Produktdifferenzierung 100 ff., 129, 169, 246, 248, 276, 279 ff. vertikale Produktdifferenzierung 100 ff., 129, 248, 258, 275, 296 Produktionsmenge 19, 43, 104, 106 f., 116 f., 167, 247, 254, 261 ff., 281 Produktlebenszyklen 9, 25, 139, 141 ff., 154 ff. Profit Pools 96 ff. Profitabilität 13, 15, 17, 30, 42, 53, 57, 74, 76 ff., 95 ff., 111, 114 f., 129, 140 ff., 179, 184, 187 ff., 266 Prozessoptimierung 62, 259 ff. Raising-Rivals-Costs-Strategie 268 Rangstabilität 184 f. Rationalität 15, 27, 33 f., 39, 63, 199, 216 ff., 233, 239 Reaktionskurven 249, 251 ff., 259, 279, 283 ff., 290 Regulierung 58 f., 82, 97, 267 - Deregulierung 58, 86, 186 Reorganisation 49 Resource-based View 42, 75 ff., 87 <?page no="311"?> Stichwörter 311 Ressourcen 14, 19 f., 42 f., 63, 87, 111 Risiko 33, 55, 188, 297 - Risikodiversifikation 104, 108, - Risikoaversion 55, 201, 210, 219 ff. Rollen / Rollenverständnis 48, 113, 118, 210, 269 ff., 274, 288, 294, 296 Routinen 6, 21 f., 26, 28, 33 f., 39, 90, 93, 106, 199, 248 Rückwärtsinduktion 216, 231, 239, 270 schnelles Denken 32 Schwarze Schwäne 55 Second-Mover-Advantage 11, 75 Selektion und Adaption 28 Selektionskriterien 209 f., 219 sequentielle Entscheidungen 199, 210 f., 229 ff., 247, 249 f., 269, 288 sequentielle Spiele 201, 230 ff., 238 f. Shared Value 51 Shareholder 15, 18, 48, 50 f. Signaling 210 ff., 226 Silo-Denken 23, 28 simultane Spiele 200 ff., 232, 238 ff., 274 Singlehoming und Multihoming 127 f. Social Media / Social Media- Plattformen 37, 60, 120, 127, 129 Spieltheorie 15, 26, 197 ff., 211, 228, 238 ff., 296 Stabilität von Absprachen 212 f. Stackelberg-Wettbewerb 249, 269 ff., 292, 294 ff. Stakeholder 18, 22 f., 48, 50 f. statische Fähigkeiten 87 Stein, Schere und Papier 228 Steuerungs- und Überwachungssysteme / Controlling 19, 32, 236 Strategie beabsichtige Strategie 30 f. - Behavioral Strategy 18, 26 f., 34, 63 - Black-Box des strategischen Managements 28 - Blue Ocean-Strategie 39 - Durchwursteln / Strategie als Durchwursteln 32 emergente Strategie 30 ff. endogene versus exogene Strategie 39, 81, funktionale Strategie 20 <?page no="312"?> 312 Stichwörter gemischte Strategie 101, 199, 203, 210, 219, 222, 224, 226 ff., 237 - Geschäftsstrategie 19 ff. organisierte Anarchie 23 - Strategieabteilung 142, 236, 239, 246, 289 - Strategieentwicklung 21 f., 75, 77, 88 - Strategie-Framework 18, 37 - Strategie-Implementierung 7, 25, 31, 49, 91, 93, 289 - Strategiekombination 201, 203 ff., 276 f. - Strategiekonformität 24 - Strategie-Review 24 - Strategiewahl / Wahl strategischer Parameter 47 f., 79, 83, 201, 205 f., 271, 227 f., 274 strategische Perspektive 115, 139, 141, 189, 249, 279 - Unternehmensstrategie 11, 14 ff., 30, 51, 53, 57 ff., 74, 79, 105, 116, 129 f., 142, 160 f., 176, 250, 254, 256, 284, 288 - Vielfalt an Strategien 29, 248 - Wechselwirkungen von Strategien 33, 196, 198 strategische Gruppen 160 f. strategische Komplemente 284, 290 strategische Neuausrichtung 11 strategische Parameter 247, 292 strategische Substitute 255, 290 strategisches Management 14, 21, 27, 30, 63 strategisches Verhalten 14, 63, 80, 164 Streaming 156 f. Structure-Conduct-Performance- Framework (SCP) 78 f., 83 Stuck-in-the-Middle 114 Substitute 83, 85 f., 99, 103, 139, 144 f., 157, 255, 280, 290 Sunk Costs 40, 81, 84, 86, 105 f., 161, 176, 179, 189, 235 f., 268, 270, 274, 289 SWOT-Analyse 25, 54, 76, 95 Technologie 19, 35, 43, 55, 82, 87, 91, 97, 101, 103, 105, 107, 113, 123 f., 149, 155, 160, 167, 169, 189, 267 - Technologiezyklen 142, 164 technologische Möglichkeiten 61, 78, 247 teilspielperfekte Strategie 201, 233 teilspielperfektes Gleichgewicht 232, 272, 296 Tit-for-Tat 216, 294 <?page no="313"?> Stichwörter 313 Torwart und Elfmeter 35, 198, 223 ff. Transaktionskosten 88, 111 Transaktionskostenvorteile 42, 110 Transformation 20, 57, 92 - Transformationsaufwand 24 - Transformationsphasen 13 Trend 18, 37, 60, 64, 77, 112, 158 Trennung von Eigentum und Management 47 ff. Überlebensfähigkeit 14, 17, 28, 43, 48, 53, 62 f., 90, 93 f., 104, 114, 129, 163 Unsicherheit 23, 26, 31, 33, 37, 53 ff., 62, 164, 166, 221, 239 Unternehmen - AB Inbev/ SAB Miller 168 f. - Adobe 122 - Air France 285 ff. - AirBerlin 88 f., 276 - Airbnb 127 - Airbus 86, 246, 258 ff. - Aldi 109, 152, 180 f., 197, 200, 202 f. - Amazon 18, 98, 104, 109, 124 f., 157, 270 - Apple 11 f., 74, 97, 118, 123, 155, 157 f., 166, 247, 250, 252 - Aral 197 - Audi 102, 160, 168 - Ay Yildiz 152 - Bank Forum 11 - BCG (Boston Consulting Group) 18, 25, 90 - BlackRock 160 f. - BMW 102, 109, 145, 159 f., 168, 233 ff. - Boeing 86, 246, 258, 260 ff. - Booking.com 127 - British Airways 285 ff. - Burger King 197 - Car2Go 159 - Carrefour 109 - China Snow 169 - Coke 100, 203 ff. - Commerzbank 11 f., 74 f., 161, 279 - Daimler 114 - Deezer 157 - Delivery Hero 127 - Deposit Solutions 111 - Deutsche Bahn 269 - Deutsche Bank 11, 111 <?page no="314"?> 314 Stichwörter - Deutsche Telekom 111, 176, 269 - Dresdner Bank 11 - Drillisch 152, 176, 246 - DriveNow 159 eBay 127 f. - Edeka 110, 179 ff. - E-Plus 110 - Eurohypo 11 - Facebook 119 ff. - Fiserv 111 - Flinkster 159 - Flixbus 127 - Ford 165 - Forrester 140 - Frontier Economics 198 - Gartner 140 - General Electric 114 - GoldmanSachs 160 f. - Google 97 f., 109, 119 f., 122 ff., 145, 157, 178, 198 - GSK 221 - H&M 197 - Heineken 196 - HTC 118, 166 - Huawei 118, 166 - Intel 269, 270 - Johnson&Johnson 114 - Kellogg’s 221 f. - Lego 211 f., 222 - Lehman Brothers 11 - Lidl 197, 200, 202 f. - Lime 159 - LinkedIn 37, 104, 109, 121, 127 f. - Linux 270 - Lufthansa 88 f., 276 - Lyft 127 - Mannesmann 152 - McDonald’s 197 - McKinsey 14, 17, 25, 85, 96 f. - Mercedes-Benz 102, 144, 145, 159, 160, 162, 168 - Merck 270 - Microsoft 109, 122 - Mobilcom-Debitel 152 - MyMuesli 60 - MyTaxi 127 - Nestlé 124, 221 f., 246 f., 247 - Nokia 118, 166 - Novartis 209 ff. - One-world 236 <?page no="315"?> Stichwörter 315 - OpenOptions 198 - OpenTable 127 - Oppo 118, 166 - Oracle 219, 220 - Parship 123, 127 - Paydirekt 124 - Paypal 98, 124 - Pepsi 100, 203 ff. - Peugeot 162 - Pfizer 221, 270 - Philips 124, 156, 270 - Playmobil 211 f., 222 - Polygram 156 - Procter & Gamble 109, 246 - Research in Motion 166 - Roche 209 ff. - Samsung 118, 166, 250 ff. - SAP 219 f. - Schmidt Bank 11 - SchülerVZ 119 - ShareNow 159 - Shell 197, 212 f. - Siemens 114 - Skype 119, 122 - SofortÜberweisung 124 - Sony 118, 124, 156, 270 - Sparkassen 124, 160 f., 197, 267, 279 - Spotify 60, 122, 157 - Staralliance 236, 276 - Starbucks 60, 103 - Stayfriends 119 - StudiVZ 119 - Suhr 247 - Tchibo 152 - Telefónica 110 f., 152, 176, 246, - Tesla 168, 233 ff., 270 - Tidal 157 - Tier 159 - Toshiba 114 - Toyota 144, 168, 186, 207 f., 231 ff. - TripAdvisor 104, 127 - TWS Partners 198 - Uber 127 - Unilever 109, 205 f., 246 - Viag Interkom 152 - Vodafone 111, 152, 176, 246 - Volks- und Raiffeisenbanken 161, 197, 267, 279 - Volkswagen 102, 207 f., 231 ff. <?page no="316"?> 316 Stichwörter - Walmart 109 - Wer-kennt-Wen 119, 121 - WhatsApp 119 - Xing 121, 127 - YouTube 109 Unternehmensberatung / Managementberatung 19, 25 f., 38, 92, 140, 142, 198, 289 Unternehmensentwicklung 22, 27, 31, 38 Unternehmensgröße 17, 19, 23, 104, 106, 166 f., 170 ff., 175, 178, 230, 248, 259, 264 Unternehmenskultur 18, 22, 41, 90, 94, 113 Unternehmensorganisation / Organisationsstruktur 14, 16, 19 ff., 26, 28, 31 f., 38 ff., 47 ff., 51, 59, 61, 63, 78, 87, 89 ff., 105, 110, 198 Unternehmensumwelt 16, 22, 53, 56, 64, 160, 239 gesellschaftliche Umwelt 56, 59 ökologische Umwelt 61 ökonomische Umwelt 56 f. politisch-rechtliche Umwelt 58 technologische Umwelt 60 Unternehmensverfassung 24, 58 Unternehmenswachstum 15, 78, 142, 159, 167, 171 - Wachstumsprozess 166, 169, 170, 172 Unternehmenswert 19, 44 ff., 52 f., 110, 113 - Unternehmenswertsteigerung 27, 113 Unternehmensziele 15, 28, 41 USP / Unique Selling Proposition 17 Value Proposition 43 f. Verhalten von Unternehmen 29, 40 ff., 75, 80, 129, 145, 164 Vertrauen 113, 215 f., 239 Vollständige Konkurrenz 79 f., 139, 176, 183 VRIO-Schema 90 VUCA-World 54 Wachstumsrate 57, 89, 103, 141 f., 146, 151, 154, 169 ff., 184, 188 f. Wachstumsstrategie / Wachstumsraten der Unternehmen 167, 173, 290 Wahrscheinlichkeit 36, 54, 81, 94, 141, 219, 224 ff, 238 - Erfolgswahrscheinlichkeit 141, 166, 224 - Übergangswahrscheinlichkeit 160 - Wahrscheinlichkeitsverteilung 27, 55, 223 ff. War Games 198, 293 <?page no="317"?> Stichwörter 317 Wechselbarrieren 99, 139 Wechselbereitschaft 86, 99, 145, 160, 186 Wechselkosten 84, 123 f., 127 f., 130, 156 Wertschöpfungskette 43, 62, 84, 96, 110 f., 160 Wettbewerb - Art des Wettbewerbs 80, 248 f. - Wettbewerbsfähigkeit 89, 96, 103 f., 114 ff., 129, 187 ff., 246, 253, 255 ff. - Wettbewerbsintensität 15, 29, 40 f., 79 ff., 99 ff., 110 f., 118, 127, 129, 139 ff., 152, 160, 175 ff., 189, 211, 234, 246, 250, 262 ff. 283, 296 - Wettbewerbspolitik 58 f., 249 - Wettbewerbsprozesse 18, 63, 80, 121, 139 ff. 164 ff., 173, 184, 240, 248, 269, 293 - Wettbewerbsumfeld 11, 12, 16, 22, 42, 53, 55 f., 64, 74 ff. - Wettbewerbsvorteil 15 f., 19, 39, 58, 63, 74 ff., 80 ff., 87 ff., 98, 104 ff., 114 ff., 129 f., 142, 167, 175, 200, 229, 247, 289 Zahlungsbereitschaft 35, 74, 77, 87, 99 ff., 115 ff., 128, 146 ff., 152, 154 f., 248, 256 ff., 264, 267, 273, 281 ff. Zielkonflikte 48, 51 Zufall 13, 15, 22, 26, 28, 34, 37, 121, 142, 169 ff., 182, 184, 189, 217, 222, 224 f., 227 ff., 278 <?page no="318"?> uistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprach senschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik schaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Stat \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ anagement \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschicht Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ acherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidakt DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus F \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourism \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ WL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanist Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft ologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissensc \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ nguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenscha Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ orische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechn Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissen hematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwiss schaft Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ aft Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenscha Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ orische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechn Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissen hematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwiss schaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen aft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwe \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik emdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinav \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ WL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilolog Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ rt \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosoph ien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissensc BUCHTIPP Markus Thomas Münter Mikroökonomie, Wettbewerb und strategisches Verhalten 2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2021, 453 Seiten €[D] 34,90 ISBN 978-3-8252-5537-4 eISBN 978-3-8385-5537-9 Wie konkurrieren Unternehmen, wie entscheiden Manager? Dieses Buch zeigt es Ihnen! Mikroökonomie ist spannend. Markus Thomas Münter erklärt strategische Entscheidungen mit anwendungsorientierter mikroökonomischer Theorie. Empirische Daten, viele Praxisbeispiele und verhaltensökonomische Erkenntnisse helfen, Strategieentwicklung und digitale Geschäftsmodelle besser zu verstehen - damit beim Start ins Berufsleben direkt die richtigen Entscheidungen getroffen werden. UVK Verlag. Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de <?page no="319"?> BUCHTIPP Margareta Kulessa, Maruan El-Mohammed Mikroökonomie und Wettbewerb Soziale Marktwirtschaft verstehen 1. Auflage 2021, 277 Seiten €[D] 24,90 ISBN 978-3-8252-5702-6 eISBN 978-3-8385-5702-1 Soziale Aspekte und Wettbewerb im Blick behalten Die Mikro ist essenziell, um die Funktionsweise von Märkten zu verstehen. Allerdings kommen soziale Aspekte des Wirtschaftens und wettbewerbstheoretische Erkenntnisse in der Mikro oft zu kurz oder werden sogar ignoriert. Margareta Kulessa und Maruan El-Mohammed spannen in diesem Lehrbuch den Bogen zwischen Mikroökonomie, sozialer Marktwirtschaft und Wettbewerbspolitik. Zahlreiche Beispiele helfen beim Verständnis. Multiple-Choice-Aufgaben und Lösungen online vertiefen den Stoff. Dieses Lehrbuch richtet sich an Studierende der Betriebssowie Volkswirtschaftslehre und des Wirtschaftsrechts an Hochschulen und Universitäten. UVK Verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de <?page no="320"?> ISBN 978-3-7398-3192-3 Markus Thomas Münter war 15 Jahre Unternehmensberater und im Management von Finanzdienstleistern. Seit 2014 ist er Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Mikroökonomie, an der htw saar. Wettbewerb richtig analysieren und überlegene Strategien entwickeln! Der immer rasantere Wettbewerb bestimmt Marktanteile und letztlich auch den Erfolg eines jeden Unternehmens. Doch wie wirkt sich dies auf die Strategie von Unternehmen aus? Markus Thomas Münter zeigt, wie sich Marktstrukturen durch Wettbewerb konkret verändern und wie Unternehmen ihre spezifischen Fähigkeiten erfolgreich einsetzen können, um im Wettbewerb zu bestehen. Auf Besonderheiten digitaler Geschäftsmodelle geht er ein. Auch spieltheoretische Ansätze zieht er zur Erklärung heran. Ein spannender Einstieg für alle, die ökonomische Zusammenhänge in Management, Consulting und Studium schnell und anwendungsorientiert verstehen wollen.