eBooks

Instandhaltung von Stahlbeton

Anleitung zur sachkundigen Planung und Ausführung

1128
2022
978-3-8169-8519-8
978-3-8169-3519-3
expert verlag 
Manfred Schröder
Hannes Fiala
Claus Golar
Christoph Helf
Rolf P. Gieler
Stephan Wehrle
Dennis Ziegler
Peter Haardt
Eckhard Kempkens
Müller Hilmar
Helena Eisenkrein-Kreksch
10.24053/9783816985198

Gemäß der Richtlinie "Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen" (Instandsetzungs-Richtlinie) des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton (DAfStb) sowie der Technischen Regel "Instandhaltung von Betonbauwerken" (TR Instandhaltung) des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) muss mit der Beurteilung und Planung derartiger Maßnahmen ein "Sachkundiger Planer" beauftragt werden, der die hierfür erforderlichen Kenntnisse auf diesem Gebiet aufweist. Im Prinzip wird hiermit nichts anderes gefordert, als das, was bei Planung und Betreuung anderer Gewerke für Neu-, Aus­ und Umbau von Bauwerken, für die besondere Kenntnisse notwendig sind, selbstverständlich und üblich ist. Das Baustellenfachpersonal für Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen wird in Deutschland seit 1985 in SIW-Lehrgängen (Schützen, Instandsetzen, Verbinden und Verstärken von Betonbauteilen), denen ein entsprechendes Handbuch zu Grunde liegt, geschult und geprüft. Auch viele Planungsingenieure und Architekten haben diese Lehrgänge besucht und verwenden das SIW-Handbuch als Arbeitsgrundlage, weil hier Grundwissen für derartige Arbeiten vermittelt wird. Die Aufgaben und Anforderungen der Instandsetzungs-Richtlinie sowie der TR Instandhaltung werden für diese Personengruppen hierbei jedoch nicht ausreichend abgedeckt. Deshalb wurde ein Weiterbildungsprogramm zum ,,Sachkundigen Planer" entwickelt, dessen Inhalt in diesem Buch wiedergegeben, ergänzt, ausgebaut und mit zahlreichen Abbildungen anschaulich gemacht wird. Hieran haben ausschließlich Sachverständige und Fachreferenten mitgewirkt, die über vieljährige Erfahrung aus Entwicklung, Planung, Praxis, Forschung und Lehre auf diesem Arbeitsgebiet verfügen. Ziel des Buches ist es, die erforderlichen Grundlagen und Entscheidungshilfen zu vermitteln, um Mängel und Schäden an Stahlbeton-Bauteilen zu erkennen und zu bewerten, die geeigneten Systeme und Maßnahmen für die Instandhaltung vorzusehen und Planungs- und Ausführungsfehler zu vermeiden.

<?page no="0"?> MANFRED SCHRÖDER Instandhaltung von Stahlbeton MANFRED SCHRÖDER UND 10 MITAUTOREN Instandhaltung von Stahlbeton Anleitung zur sachkundigen Planung und Ausführung 8., überarbeitete und erweiterte Auflage <?page no="1"?> Instandhaltung von Stahlbeton <?page no="2"?> Wissen und Praxis <?page no="3"?> Manfred Schröder und 10 Mitautoren Instandhaltung von Stahlbeton Anleitung zur sachkundigen Planung und Ausführung <?page no="4"?> DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783816985198 © 2022 · expert verlag ‒ ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.expertverlag.de eMail: info@verlag.expert ISBN 978-3-8169-3519-3 (Print) ISBN 978-3-8169-8519-8 (ePDF) ISBN 978-3-8169-0050-4 (ePub) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 16 1 17 1.1 17 1.2 17 1.3 18 1.3.1 18 1.3.2 19 1.3.3 21 1.3.4 21 1.3.5 21 1.3.6 22 1.3.7 22 1.3.8 23 1.3.9 23 1.3.10 23 1.3.11 24 1.3.12 24 1.3.13 25 1.3.14 25 1.3.15 26 1.3.16 26 2 27 2.1 27 2.2 27 2.2.1 27 2.2.2 27 2.2.3 29 2.2.4 30 2.2.5 30 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelwerke und ihre Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ (Instandsetzungs-Richtlinie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung) . . Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) . . . . . Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten ZTV-ING bast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen für Schutz und Instandsetzung der Betonbauteile von Wasserbauwerken ZTV-W . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen VOB Teil C Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) Betonerhaltungsarbeiten - DIN 18349 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . DIN EN 1504 Produkte und Systeme für Schutz und Instandsetzung von Betontragwerken - Begriffe, Anforderungen, Güteüberwachung und Beurteilung der Übereinstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . DAfStb-Richtlinie Verstärken von Betonbauteilen mit geklebter Bewehrung . . DAfStb Schriften Schriftenreihe „grüne Hefte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . DBV-Merkblätter DEUTSCHER BETON- UND BAUTECHNIK-VEREIN e. V. . . SIVV-Handbuch DEUTSCHER BETON- UND BAUTECHNIK-VEREIN e. V. . . . WTA-Merkblätter Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e. V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . AGI-Arbeitsblätter Arbeitsgemeinschaft Industriebau e. V. . . . . . . . . . . . . . . . . . BEB-Arbeitsblätter BUNDESVERBAND ESTRICH UND BELAG e. V. . . . . . . . . . DGUV Regeln Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV) BG BAU Technische Regen für Gefahrstoffe TRGS Bundesamt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stahlbeton Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenwirken von Stahl und Beton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesteinskörnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zugabewasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="6"?> 2.2.6 31 2.2.7 31 2.2.8 33 2.2.9 35 2.2.10 36 2.3 36 2.4 36 2.4.1 36 2.4.2 37 2.4.3 37 2.5 39 2.5.1 39 2.5.2 39 2.6 40 3 43 3.1 43 3.2 43 3.2.1 43 3.2.2 43 3.2.3 44 3.2.4 44 3.2.5 45 3.3 45 3.3.1 45 3.3.2 46 3.3.3 47 3.4 47 3.4.1 47 3.4.2 47 3.4.3 49 3.5 49 3.6 50 3.6.1 50 3.6.2 50 3.6.3 51 3.6.4 51 3.6.5 52 3.7 52 3.7.1 52 3.7.2 53 3.7.3 54 3.7.4 54 Zusatzstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften des Frischbetons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften des Festbetons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wasserzementwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betonverarbeitung, Nachbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betonstahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stahlbeton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betondeckung der Bewehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konstruktiver Korrosionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brandschutz bei Stahlbeton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betonanwendungen früher und heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betonanwendungen der Römerzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betonanwendungen heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Korrosionsschutz der Bewehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Korrosion von Stahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrochemische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anodischer Teilprozess (Metallauflösung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kathodische Teilprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rosten der Bewehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einflüsse auf die Korrosionsgeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Korrosion und Korrosionsschutz der Bewehrung im Beton . . . . . . . . . . . . . . . . . Betontechnologie und Passivierung der Bewehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betondeckung der Bewehrung und Karbonatisierung des Betons . . . . . . . . . . . . Korrosion der Bewehrung als Folge der Karbonatisierung des Betons . . . . . . . . Korrosion durch Chloride im Beton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursache der Korrosion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herkunft der Chloride im Beton und Parameter für die Korrosion . . . . . . . . . . . Kritischer Chloridgehalt (Mindestkonzentration) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiederherstellung des Korrosionsschutzes (Übersicht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsätze für den Korrosionsschutz der Bewehrung nach der Instandsetzungs-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lnstandsetzungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbeugender Korrosionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsatzlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsatzlösung Kathodischer Korrosionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiele und Sonderverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrochemischer Chloridentzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Realkalisierung des karbonatisierten Betons durch Diffusion . . . . . . . . . . . . . . . Elektrochemische Realkalisierung des karbonatisierten Betons . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="7"?> 3.7.5 55 3.7.6 56 3.8 56 4 59 4.1 59 4.1.1 59 4.1.2 59 4.1.3 60 4.1.4 70 4.1.5 77 4.2 78 4.2.1 78 4.2.2 79 4.2.3 101 4.3 110 5 113 5.1 113 5.1.1 113 5.1.2 114 5.2 116 5.3 117 5.3.1 117 5.3.2 118 5.3.3 118 5.3.4 118 5.4 118 5.5 119 5.6 122 5.6.1 123 5.6.2 123 5.6.3 125 5.6.4 126 5.6.5 126 5.6.6 127 5.7 144 5.7.1 145 5.7.2 146 5.7.3 147 5.7.4 149 5.7.5 150 5.7.6 150 5.8 151 5.8.1 151 Kathodischer Korrosionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untergrund von Beton und Stahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften und Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbereiten und Prüfen der Oberflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbereiten der Oberflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kunststoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antike und Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Industrielle Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polymere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Natürliche Polymere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthetische Polymere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anzahl der Grundstoffe (Monomere) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anorganische Polymere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung der Kunststoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Niedermolekulare und hochpolymere Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polymerchemie - Reaktionsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polymerisation durch Kettenreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polymerisation über stufenweise Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Copolymerisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polymerblends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polymerlegierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reaktionsharze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polymerphysik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Struktur von Polymeren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thermoplaste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thermoplaste als Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Duroplaste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elastomere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thermoplastische Elastomere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschichtungsstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Inhalt <?page no="8"?> 5.8.2 153 5.8.3 155 5.9 160 5.10 160 5.11 162 5.11.1 162 5.11.2 163 5.11.3 174 5.11.4 176 5.11.5 177 5.11.6 180 5.11.7 182 5.11.8 183 5.12 184 5.13 185 6 189 6.1 189 6.2 192 6.2.1 192 6.2.2 192 6.3 194 6.3.1 194 6.3.2 195 6.4 196 6.5 196 7 197 7.1 197 7.2 198 7.2.1 198 7.2.2 199 7.3 206 7.3.1 206 7.3.2 209 7.4 213 7.5 214 7.6 215 8 217 8.1 217 8.2 219 8.3 221 8.3.1 221 8.3.2 223 Reaktionsharzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physikalisch trocknende Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kunststoffmodifizierte Mörtel und Betone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fugendichtstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften der ausgehärteten Kunststoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chemische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physikalische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thermische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhalten bei Beanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alterungsverhalten und Witterungsbeständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brandverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitssicherheit und Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Instandsetzungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipien bei Betonkorrosion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Historische Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktuelle Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipien bei Bewehrungskorrosion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Historische Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktuelle Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten und Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Instandsetzungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren bei Betonkorrosion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Historische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktuelle Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren bei Bewehrungskorrosion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Historische Verfahren (Grundsatzlösungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktuelle Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten und Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswahl geeigneter Prinzipien und Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betonersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einwirkungen aus Umgebung und Untergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betonersatz mit kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton . . . . . . . . . . . . Kunststoffmodifizierter-Zement-Mörtel RM/ -Beton RC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftbrücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Inhalt <?page no="9"?> 8.3.3 224 8.3.4 224 8.3.5 225 8.3.6 239 8.4 240 8.4.1 240 8.4.2 241 8.4.3 257 8.5 257 8.5.1 257 8.5.2 258 8.5.3 258 8.5.4 258 8.5.5 263 8.5.6 270 8.6 270 8.6.1 270 8.6.2 271 8.6.3 271 8.6.4 272 8.6.5 272 8.7 273 8.8 274 9 275 9.1 275 9.2 275 9.3 275 9.4 276 9.5 277 9.6 278 9.7 281 9.8 281 9.8.1 281 9.8.2 282 9.8.3 283 9.8.4 285 9.9 299 10 301 10.1 301 10.1.1 301 10.1.2 301 10.1.3 302 Korrosionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Egalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betonersatz mit spritzbarem kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spritzbarer kunststoffmodifizierter Zement-Mörtel SRM/ -Beton SRC . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betonersatz mit Reaktionsharz-Mörtel/ -Beton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beanspruchbarkeitsklasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Systembestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betonersatz mit Beton und Spritzbeton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipien nach der TR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wesentliche Anforderungen aus der TR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachbehandlungsziele und -verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachbehandlungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermittlung der Betondeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Füllen von Rissen und Hohlräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursachen von Rissen und Hohlräumen in Beton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arten von Rissen in Beton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Risse in Beton als Mangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfassung von Rissmerkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwecke und Ziele des Füllens von Rissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Füllstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stoffarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Füllarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tragwerksverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verstärken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziele von Verstärkungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mögliche Verstärkungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Inhalt <?page no="10"?> 10.1.4 306 10.1.5 307 10.2 308 10.2.1 308 10.2.2 308 10.2.3 309 10.2.4 309 10.2.5 310 11 311 11.1 311 11.1.1 311 11.1.2 313 11.2 315 11.3 318 11.4 320 11.5 323 11.6 325 11.6.1 325 11.6.2 331 11.6.3 332 11.6.4 333 11.6.5 336 11.7 337 11.8 338 11.9 339 11.10 339 11.11 341 12 343 12.1 343 12.2 343 12.3 343 12.4 344 12.5 344 12.5.1 345 12.5.2 346 12.5.3 346 12.5.4 347 12.5.5 347 12.5.6 347 12.5.7 347 Verstärken gemäß TR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ertüchtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mögliche Ertüchtigungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ertüchtigung durch Erhöhung des Widerstandes des bestehenden Bauwerks durch Injektion von Rissen und Hohlräumen oder Tränkung . . . . . . . . . . . . . . . Ertüchtigen durch Erhöhung des Widerstandes gegen chemischen Angriff oder Chloriddiffusion durch Hochleistungsbeton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Instandsetzen chloridhaltiger Konstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chloridkorrosion und Kritischer Chloridgehalt des Betons . . . . . . . . . . . . . . . . . Chloridkorrosion der Bewehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritischer (korrosionsauslösender) Chloridgehalt des Betons . . . . . . . . . . . . . . . Chloride im Beton - Mögliche Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chloridtransport - Chlorideindringtiefe - Chloridverteilung . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchung auf Chloride in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht Instandsetzungsprinzipien und -verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Instandsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren 7.1 und 7.2 nach TR IH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren 7.6, 7.7 und 7.8 nach TR IH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren 8.3 Erhöhung des elektrischen Widerstandes mit Beschichtung . . . . Verfahren 10.1 Kathodischer Korrosionsschutz KKS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrochemische Chloridextraktion ECE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chloridbelastung in WU-Bodenplatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planungshilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Instandhaltungsplan - Inspektion und Wartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberflächenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschichtungsstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auf Basis Epoxidharz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auf Basis Polyurethanharz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auf Basis Acrylatharz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auf Basis Polyesterharz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auf Basis Polyurea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polymerlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polymerdispersionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Inhalt <?page no="11"?> 12.5.8 347 12.5.9 348 12.6 348 12.7 348 12.8 350 12.9 351 12.9.1 351 12.9.2 352 12.9.3 354 12.9.4 355 12.9.5 358 12.9.6 364 12.9.7 365 12.9.8 368 12.9.9 370 12.9.10 370 12.9.11 374 12.9.12 376 12.9.13 380 12.9.14 384 12.9.15 387 12.9.16 390 12.9.17 390 12.10 392 12.10.1 392 12.10.2 392 12.10.3 395 12.10.4 397 12.10.5 401 12.10.6 405 12.10.7 405 12.10.8 408 12.10.9 408 Siliziumorganische Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auf Basis anorganischer Bindemittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untergrundvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberflächenschutz für Bodenflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . OS 3 Versiegelung für befahrbare Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . OS 6 chemisch widerstandsfähige Beschichtung für mechanisch gering beanspruchte Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . OS 7 Beschichtung unter Dichtungsschichten für begeh- und befahrbare Flächen OS 8 chemisch widerstandsfähige Beschichtung für befahrbare, mechanisch stark belastete Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . OS 10 Beschichtung als Dichtungsschicht mit hoher Rissüberbrückung unter Schutz- und Deckschichten für begeh- und befahrbare Flächen . . . . . . . . . . . . . . OS 11 Beschichtung mit erhöhter dynamischer Rissüberbrückung für begeh- und befahrbare Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . OS 12 Beschichtung mit Reaktionsharzmörtel für befahrbare mechanisch stark belastete Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . OS 13 Beschichtung mit nicht dynamischer Rissüberbrückung für begeh- und befahrbare, mechanisch belastete Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . OS 14 Beschichtung mit hoher dynamischer Rissüberbrückung für begeh- und befahrbare Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besondere Anforderungen und Problemlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frischbetonschutz als Grundierung für nachfolgende Beschichtungen . . . . . . . . Beschichtung verölter Betonflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maschinelle Beschichtung großer Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rutschhemmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberflächenschutz für Wand- und Deckenflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . OS 1 Hydrophobierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . OS 2 Beschichtung für nicht begeh- und nicht befahrbare Flächen . . . . . . . . . . . OS 4 Beschichtung mit erhöhter Dichtheit für nicht begeh- und befahrbare Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . OS 5 Beschichtung mit geringer Rissüberbrückung für nicht begeh- und befahrbare Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . OS 6 chemisch widerstandsfähige Beschichtung für mechanisch gering beanspruchte Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . OS 9 Beschichtung mit erhöhter Rissüberbrückung für nicht begeh- und befahrbare Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungen an das Diffusionsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Inhalt <?page no="12"?> 12.11 409 12.11.1 409 12.11.2 409 12.11.3 412 12.11.4 413 12.11.5 414 12.11.6 416 12.11.7 418 12.11.8 421 12.12 423 12.12.1 423 12.12.2 428 12.12.3 432 12.12.4 439 12.12.5 447 13 449 13.1 449 13.1.1 449 13.1.2 450 13.1.3 468 13.1.4 475 13.1.5 477 13.1.6 478 13.1.7 479 13.1.8 480 13.2 482 13.2.1 482 13.2.2 487 13.2.3 488 13.2.4 504 13.2.5 507 13.2.6 510 13.2.7 511 13.2.8 518 13.3 520 13.3.1 520 13.3.2 520 13.3.3 535 13.3.4 546 13.3.5 554 13.3.6 564 Schichtdicken bei Polymerbeschichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition der Schichtdicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmung der Verbrauchsmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmung der Schichtdicke mittels Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Messung und Auswertung der Schichtdicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnung der Verbrauchsmengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiele zur Berechnung der Schichtdicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blasen und Beulen in Polymerbeschichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pinholes und Pinblisters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schaumblasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Osmotische Blasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Baustelleneinrichtung - Bauablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schadstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutz der Umgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umgebungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ATV DIN 18349 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brandschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fremdüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitergehende Qualifikationen der ausführenden Unternehmen . . . . . . . . . . . . Leistungsmerkmale und Verwendbarkeitsnachweise der Produkte und Systeme Erkundung - Beweissicherung - Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Praxisbeispiele mit technisch anspruchsvollen Aufgabenstellungen . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Instandsetzung eines 10-geschossigen Parkhauses in Innenstadtlage unter laufendem Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rissüberbrückende OS-Systeme in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Industriebodenbelag mit hoher Beanspruchung in der Lebensmittelindustrie . . Instandsetzung einer Stahlbetonstützen-Riegel-Konstruktion im Dachgeschoss eines Hochhauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur / Quellenangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Inhalt <?page no="13"?> 14 567 14.1 567 14.1.1 567 14.1.2 567 14.1.3 568 14.2 570 14.2.1 570 14.2.2 571 14.2.3 577 14.2.4 579 14.2.5 582 14.2.6 583 14.3 584 14.3.1 584 14.3.2 592 14.3.3 606 14.3.4 610 15 613 15.1 613 15.2 614 15.3 615 15.3.1 615 15.3.2 616 15.3.3 616 15.3.4 617 15.3.5 619 15.4 620 15.4.1 620 15.4.2 621 15.5 621 15.5.1 621 15.5.2 622 15.5.3 623 15.5.4 623 15.5.5 623 15.5.6 623 15.5.7 624 15.6 624 15.7 625 15.7.1 626 15.7.2 628 Instandsetzen von Fugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines zu Fugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung / Regelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungen und Beanspruchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fugenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wandfugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fugenabdichtungen nach DIN 18540 mit Fugendichtstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . Fugenabdichtungen mit imprägnierten Fugendichtungsbändern nach DIN 18542 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elastomer-Fugenbänder nach IVD-Merkblatt Nr. 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verdeckte Fugen in Fassaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bodenfugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fugenausbildung in Fußböden aus Beton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abdichten von Bodenfugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Instandsetzung von Fugen in WU-Bauwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten von Schutz- und Instandsetzung im Brücken- und Ingenieurbau . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelwerke zur Baudurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ZTV-ING Teil 3, Abschnitt 4 - Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen Planung und Ausführung von Betoninstandsetzungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbereitung der Betonunterlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betonersatzsysteme (BE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberflächenschutzsysteme (OS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ZTV-ING Teil 3, Abschnitt 5 - Füllen von Rissen und Hohlräumen . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachweis der Verwendbarkeit und Übereinstimmung für Instandsetzungsprodukte mit unbekannter Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsetzung in der ZTV-ING Teil 3, Abschnitte 4 und 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltliche Korrekturen und Ergänzungen zu den Hinweisen . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenstellungen der Bundesanstalt für Straßenwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfahrungen der Straßenbauverwaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüffähige Bescheinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bereitstellung eines Ablaufplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang: Ablaufplan zum projektspezifischen Nachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ablaufplan zum projektspezifischen Nachweis-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ablaufplan zum projektspezifischen Nachweis zu ZTV-ING 3-4 . . . . . . . . . . . . . 13 Inhalt <?page no="14"?> 15.7.3 632 636 16 649 16.1 649 16.2 651 16.3 652 16.3.1 652 16.3.2 653 16.3.3 653 16.3.4 653 16.3.5 653 16.3.6 655 16.3.7 655 16.4 656 16.4.1 656 16.4.2 656 16.4.3 657 16.4.4 657 16.4.5 657 16.4.6 657 16.4.7 658 16.5 658 16.6 659 16.7 659 16.8 660 17 663 17.1 663 17.2 663 17.2.1 663 17.2.2 665 17.2.3 667 17.2.4 667 17.3 680 17.3.1 680 17.3.2 681 17.3.3 682 17.4 684 17.4.1 684 17.4.2 688 17.4.3 694 Ablaufplan zum projektspezifischen Nachweis zu ZTV-ING 3-5 . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbeispiel P/ A - BE: Betoninstandsetzung des Überbaus einer Spannbetonbrücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten von Schutz und Instandsetzung an Verkehrs-Wasserbauwerken . . . Regelwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Expositionsklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezielle Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückwärtige Durchfeuchtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zugänglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schädigende Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sulfathüttenzement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alter Verkehrswasserbauwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betonabtrag und Untergrundvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorsatzschalen (Beton, Spritzbeton) - verankert und bewehrt . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückverankerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewegungsfugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beton/ Spritzbeton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spritzmörtel/ Spritzbeton und Betonersatz im Handauftrag - unverankert und unbewehrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten OS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten Rissinjektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingenieurleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermittlung des Istzustandes und Bauwerksdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fachliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planungsgrundlagen, Sollzustand, Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sollzustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsbeschreibung und Ausschreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschreibung von Bauleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermitteln von Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergabearten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Inhalt <?page no="15"?> 17.4.4 694 17.4.5 696 17.5 696 17.5.1 696 17.5.2 697 17.5.3 700 17.5.4 700 17.5.5 701 17.5.6 702 17.5.7 703 17.5.8 703 17.5.9 704 17.5.10 705 17.5.11 705 17.5.12 706 17.5.13 708 709 Auswertung von Bieterangeboten und Vergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinweispflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überwachung, Abnahme und Abrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben der Objektüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Baubegleitende Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überwachung durch eine dafür anerkannte Überwachungsstelle . . . . . . . . . . . . Überwachung durch den Sachkundigen Planer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitregelung am Bau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenarbeit der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Honorar für Ingenieure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Inhalt <?page no="16"?> Vorwort Gemäß der Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ (Instandsetzungs-Richtli‐ nie) des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton (DAfStb) sowie der Technischen Regel „Instand‐ haltung von Betonbauwerken“ (TR Instandhaltung) des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) muss mit der Beurteilung und Planung derartiger Maßnahmen ein „Sachkundiger Planer“ beauftragt werden, der die hierfür erforderlichen Kenntnisse auf diesem Gebiet aufweist. Im Prinzip wird hiermit nichts anderes gefordert als das, was bei Planung und Betreuung anderer Gewerke für Neu-, Aus und Umbau von Bauwerken, für die besondere Kenntnisse notwendig sind, selbstverständlich und üblich ist. Das Baustellenfachpersonal für Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen wird in Deutsch‐ land seit 1985 in SIVV-Lehrgängen (Schützen, Instandsetzen, Verbinden und Verstärken von Betonbauteilen), denen ein entsprechendes Handbuch zu Grunde liegt, geschult und geprüft. Auch viele Planungsingenieure und Architekten haben diese Lehrgänge besucht und verwenden das SIVV-Handbuch als Arbeitsgrundlage, weil hier Grundwissen für derartige Arbeiten vermittelt wird. Die Aufgaben und Anforderungen der Instandsetzungs-Richtlinie sowie der TR Instandhal‐ tung werden für diese Personengruppen hierbei jedoch nicht ausreichend abgedeckt. Deshalb wurde ein Weiterbildungsprogramm zum „Sachkundigen Planer“ entwickelt, dessen Inhalt in diesem Buch wiedergegeben, ergänzt, ausgebaut und mit zahlreichen Abbildungen anschaulich gemacht wird. Hieran haben ausschließlich Sachverständige und Fachreferenten mitgewirkt, die über vieljährige Erfahrung aus Entwicklung, Planung, Anwendung, Prüfung, Praxis, Forschung und Lehre auf diesem Arbeitsgebiet verfügen. Ziel des Buches ist es, die erforderlichen Grundlagen und Entscheidungshilfen zu vermitteln, um Mängel und Schäden an Stahlbeton-Bauteilen zu erkennen und zu bewerten, die geeigneten Sys‐ teme und Maßnahmen für die Instandhaltung vorzusehen und Planungs- und Ausführungsfehler zu vermeiden. Manfred Schröder <?page no="17"?> 1 Regelwerke und ihre Bedeutung M. Schröder 1.1 Einleitung Da der Bedarf des Einsatzes von Produkten zum Schutz und zur Instandsetzung von Betonbau‐ teilen erst ab ca. 1960 Bedeutung erlangte, wurden die ersten Regeln für dieses Arbeitsgebiet von den Produktherstellern erarbeitet, bevor ab ca. 1970 auch von anderen Stellen dieses Thema aufgegriffen und entsprechende Ausarbeitungen zur Verfügung gestellt wurden. Auch die Wissenschaft begann, Vorschläge für Kennwerte und Anwendung hierfür geeigneter Baustoffe zu erarbeiten. Ab ca. 1980 existierten bereits verschiedene Merk- und Arbeitsblätter unterschiedli‐ cher Institutionen, deren Inhalte und Aussagen in die ab 1987 erschienenen amtlichen Regelwerke einflossen und zum erheblichen Teil auch heute noch Gültigkeit haben. Viele dieser Unterlagen haben, selbstverständlich inzwischen überarbeitet und aktualisiert, nach wie vor ihre Bedeutung und stellen hilfreiche Ergänzungen für bestimmte Anwendungsbereiche dar. Die zuletzt erschienene „Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken“ des Deut‐ schen Instituts für Bautechnik soll gemeinsam mit der Instandhaltungs-Richlinie des DAfSbt maßgebend sein für Planung und Ausführung der Instandhaltung in Deutschland. Dieses mit heißer Nadel gestrickte Regelwerk weist noch einige Schwächen und Mängel auf und lässt auch an Übersichtlichkeit zu wünschen übrig. 1.2 Historie Neben verschiedenen Merk- und Arbeitsblättern von Vereinen, Instituten, Arbeitskreisen und Produktherstellern wurden als erstes amtliches Regelwerk für das Arbeitsgebiet „Schutz und Instandsetzung von Beton“ im Jahr 1987 die „Zusätzlichen Technischen Vorschriften und Richt‐ linien für Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen ZTV-SIB 87“ vom Bundesminister für Verkehr, Abteilung Straßenbau eingeführt. Obwohl es sich somit um ein Regelwerk handelte, das für Ingenieurbauwerke an Bundesfernstraßen vorgesehen war, nahmen Planer auf allen Gebieten des Betonbaus die Gelegenheit gern war, dieses Regelwerk ihrer Arbeit zugrunde zu legen. Hierzu gehörten auch Technische Lieferbedingungen und Technische Prüfvorschriften für Betonersatz- und Oberflächenschutzsysteme. 1988 wurden vom Bundesmister für Verkehr „Zusätzliche Technische Vorschriften und Richt‐ linien für das Füllen von Rissen in Betonbauteilen ZTV-RISS 88“ einschließlich Technischer Lieferbedingungen und Technischer Prüfvorschriften für Füllgut und zugehöriges Injektionsver‐ fahren herausgegeben Bereits im Jahr 1990 erschien eine Neufassung der ZTV-SIB, nunmehr mit dem Titel „Zu‐ sätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen ZTV-SIB 90“. Wenig später wurde die „Richtlinie für Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ vom Deutschen Ausschuss für Stahlbeton“ als für alle Arten von Bauwerken geltendes Regelwerk herausgegeben und bauaufsichtlich eingeführt, so dass die Bezeichnung <?page no="18"?> „Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien“ nunmehr verständlich wurde und entsprechende Bedeutung erlangte. Im Jahre 1997 erschien die erste Ausgabe der „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen für Schutz und Instandsetzung der Betonbauteile von Wasserbauwerken ZTV-W“ ähnlich den ZTV-ING für den Straßenbau. Mit der DIN EN 1504 erschien 1999 das Regelwerk „Produkte und Systeme für Schutz und Instandsetzung von Betontragwerken“, das die Produkte für dieses Arbeitsgebiet innerhalb der Europäischen Union einheitlich regeln und der CE-Kennzeichnung zugrunde liegen soll. Im Jahr 2001 erschien eine überarbeitete Neuauflage der DAfStb-Richtlinie, jetzt auch mit dem Kurztitel „Instandsetzungs-Richtlinie“ versehen 2014 wurde der Gelbdruck einer DAfStb-Richtlinie „Instandhaltung von Betonbauteilen“ veröffentlicht, deren Weißdruck jedoch nicht erschien, so dass sie im Weiteren hier nicht berücksichtigt wird. Stattdessen erfolgte Anfang 2021 die Herausgabe der „Technischen Regel Instandhaltung von Betonbauwerken“ des Deutschen Instituts für Bautechnik, die in Verbindung mit der DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ gilt, insbesondere bezüglich der in der Technischen Regel nicht behandelten Sachverhalte, deren Regelungen aber ansonsten Vorrang haben. Nachfolgend werden die Regelwerke, deren Inhalte und Aussagen für die Instandhaltung von Betonbauteilen von Bedeutung sind, im Einzelnen aufgeführt und einer Betrachtung unterzogen. Darüber hinaus wird auf verschiedene Merk- und Arbeitsblätter unterschiedlicher Vereine und Institute verwiesen, die ebenfalls wichtige und hilfreiche Kenntnisse und Hinweise zu diesem Arbeitsgebiet liefern. Weitere Inhalte und Einzelheiten werden in den folgenden Kapiteln, bezogen auf die Baustoffe und deren Anwendung, berücksichtigt und weitergehend behandelt. 1.3 Regelwerke 1.3.1 DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ (Instandsetzungs-Richtlinie) Diese Richtlinie besteht aus den Teilen Teil 1: Allgemeine Regelungen und Planungsgrundsätze Teil 2: Bauprodukte und Anwendung Teil 3: Anforderungen an die Betriebe und Überwachung der Ausführung Teil 4: Prüfverfahren Im Teil 1 ist unter 3 „Planung 3.1 Allgemeines“ zu lesen: (1) Mit der Beurteilung und Planung von Schutz- und Instandsetzungsarbeiten muss ein sachkundiger Planer beauftragt werden, der die erforderlichen besonderen Kenntnisse auf dem Gebiet von Schutz und Instandsetzung bei Betonbauwerken hat. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die Planung einer Instandsetzungsmaßnahme in gleicher Weise Kompetenz, Kenntnisse und Sorgfalt erfordert wie ein Neubau. Dementsprechend wurden seit Beginn der neunziger Jahre für Architekten und Bauingenieure geeignete Lehrgänge zur Weiterbildung angeboten, um zur Wahrnehmung solcher Aufgaben die Voraussetzungen zu schaffen. Inzwischen werden an ausgewählten Weiterbildungsstätten Zertifikatslehrgänge und Prüfungen nach der „Ausbildungs-, Prüfungs- und Weiterbildungsordnung (APWO-SKP)“ 18 1 Regelwerke und ihre Bedeutung <?page no="19"?> 1 Dieser Nachweis kann derzeit nur durch die Bescheinigung des Ausbildungsbeirats „Verarbeiten von Kunststoffen im Betonbau“ beim Deutschen Beton- und Bautechnik Verein E. V. geführt werden. des „Ausbildungsbeirats Sachkundiger Planer für die Instandhaltung von Betonbauteilen beim Deutschen Institut für Prüfung und Überwachung e. V. (ABB-SKP)“ durchgeführt. Für die weitere Gültigkeit des Zertifikats muss alle 3 Jahre der Nachweis einer Weiterbildung erfolgen. Im Teil 3 der Richtlinie wird unter 1.2.4 „Baustellenfachpersonal“ gefordert: Auf jeder Baustelle muss ein geschulter, insbesondere handwerklich ausgebildeter Fachmann des Unternehmens ständig anwesend sein, der je nach Umfang, Art und Schwierigkeitsgrad der Schutz- und Instandsetzungsmaßnahme betontechnische und entsprechende andere baustofftechnische Kenntnisse, Fertigkeiten und praktische Erfahrung besitzt. Die Befähigung für Arbeiten nach dieser Richtlinie muss der Überwachungsstelle durch eine entsprechende Bescheinigung nachgewiesen werden. 1 Hierbei handelt es sich um den sogenannten SIVV-Schein (Schützen, Instandsetzen, Verbinden, Verstärken), der seit 1985 nach einem zweiwöchigen Lehrgang und entsprechender Prüfung an verschiedenen Ausbildungsstätten des Bauhandwerks und der Bauindustrie in der BRD erworben werden kann und für den ebenfalls alle 3 Jahre der Nachweis einer Weiterbildung erbracht werden muss. Der Ausbildungsbeirat führt inzwischen die Bezeichnung „Schutz und Instandsetzung im Betonbau“. In der Instandsetzungs-Richtlinie werden folgende vier Instandsetzungsprinzipien aufgeführt: R Korrosionsschutz durch Wiederherstellung des alkalischen Milieus (Repassivierung) W Korrosionsschutz durch Begrenzung des Wassergehaltes im Beton C Korrosionsschutz durch Beschichtung (Coating) der Bewehrung K Kathodischer Korrosionsschutz Die Beschreibung dieser Prinzipien geht eigentlich über die Angaben in einer Richtlinie hinaus und entspricht eher einem Lehrbuch. Im Laufe der Jahre wurde das Regelwerk durch verschiedene Ergänzungsschreiben korrigiert, ohne dass eine Neuauflage erfolgte. Auf Einzelheiten der Planung und Ausführung gemäß den Regelwerken wird in den folgenden Kapiteln, bezogen auf die verschiedenen Gewerke, wie bereits zum Ausdruck gebracht, gezielt eingegangen. 1.3.2 Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung) Die TR besteht vorerst aus den Teilen: Teil 1 Anwendungsbereich und Planung der Instandhaltung Teil 2 Merkmale von Produkten oder Systemen für die Instandsetzung und Regelungen für deren Verwendung Das Regelwerk ersetzt weite Teile der Instandsetzungs-Richtlinie von Oktober 2001. Unter 1 „Anwendungsbereich“ ist zu lesen: (1) Diese technische Regel gilt in Verbindung mit der DAfStb-RL SIB. In dieser technischen Regel nicht genannte Sachverhalte, die in der DAfStb-RL SIB enthalten sind, insbesondere die Regelungen in Teil 3, gelten insofern weiter. Die Regelungen der TR haben Vorrang vor der DAfStb-RL SIB. 19 1.3 Regelwerke <?page no="20"?> Dieser Sachverhalt erschwert selbstverständlich die Arbeit mit diesen beiden Regelwerken. Es ist deshalb zu hoffen, dass beide Regelwerke in absehbarer Zeit zusammengeführt werden. Unter 2 „Annahmen und Voraussetzungen“ wird ausgeführt: Diese Technische Regel setzt voraus, dass jede Instandhaltungsmaßnahme (Inspektion, Wartung, In‐ standsetzung, Verbesserung) geplant wird und dass die Planung durch einen sachkundigen Planer (SKP) durchgeführt wird und die Ausführung von Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen nach einem Instandsetzungsplan durch einen SKP begleitet wird. Unter 3 „Grundsätze für die Planung der Instandhaltung von Betonbauwerken“ ist zu lesen: (1) Mit der Beurteilung und Planung von Instandhaltungsmaßnahmen muss ein SKP beauftragt werden, der die erforderlichen Kenntnisse hinsichtlich des Erkennens und Bewertens von Mängeln und Schäden an Betonbauwerken hat. ANMERKUNG: Die Festlegung erforderlicher Merkmale der Instandsetzungsprodukte und -systeme erfolgt durch den SKP. Damit gestaltet sich die Arbeit und Verantwortlichkeit des Sachkundigen Planers wesentlich umfangreicher, aufwändiger und risikoreicher als bisher. In diesem Regelwerk wird die Klassifizierung über Altbetonklassen, die bereits aus den ZTV-W bekannt sind, in Tabelle 4 „Einordnung des Altbetons im Bereich der Instandsetzungsebene“ gegenüber DAfStb-RL SIB neu eingeführt. 6 „Instandsetzungsverfahren“ ersetzt DAfStb-RL SIB, Teil 1, Abschnitte 5 und 6. Unter 6.1 „Instandsetzungverfahren zum Schutz oder zur Instandsetzung von Schäden im Beton“ ist zu lesen: (1) In Tabelle 5 sind diejenigen Prinzipien und Verfahren bei Schäden im Beton in Anlehnung an DIN EN 1504-9 aufgeführt, die nach dieser Technischen Regel angewendet werden dürfen. Hierbei handelt es sich um die Prinzipien 1. Schutz gegen das Eindringen von Stoffen 2. Regulierung des Wasserhaushaltes im Beton 3. Reprofilierung und Querschnittsergänzung 4. Verstärkung des Betontragwerks 5. Erhöhung des physikalischen Widerstands 6. Erhöhung des Widerstands gegen chemischen Angriff Unter 6.2 „Instandsetzungverfahren zum Schutz oder zur Instandsetzung von Bewehrungskorro‐ sion“ wird ausgeführt: (1) In Tabelle 6 sind diejenigen Prinzipien und Verfahren zur vorbeugenden Abwehr von Korrosionsschä‐ den bzw. zur Unterdrückung bereits ablaufender Korrosionsprozesse an der Bewehrung in Anlehnung an DIN EN 1504-9 aufgeführt, die nach dieser Technischen Regel angewendet werden dürfen. Hierbei handelt es sich um die Prinzipien 7. Erhalt oder Wiederherstellung der Passivität 8. Erhöhung des elektrischen Widerstands 20 1 Regelwerke und ihre Bedeutung <?page no="21"?> 9. Kathodischer Schutz Das Prinzip 9. der DIN EN 1504-9 „Kontrolle kathodischer Bereiche“ wurde nicht übernommen, da es für nicht durchführbar angesehen wird. Somit werden insgesamt neun Vefahren in der TR aufgeführt. Auch für die TR gilt, dass weitere Regelungen und Details in den folgenden Kapiteln berück‐ sichtigt werden. 1.3.3 Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) Die den Verwaltungsvorschriften der einzelnen Bundesländer zugrunde liegende MVV verweist auf die TR sowie die DAfStb-RL SIB. Ausgabe 2020/ 1 enthält A Technische Baubestimmungen, die bei der Erfüllung der Grundanforderungen an Bauwerke zu beachten sind B Technische Baubestimmungen für Bauteile und Sonderkonstruktionen, die zusätzlich zu den in Teil A aufgeführten Technischen Baubestimmungen zu beachten sind C Technische Baubestimmungen für Produkte, die nicht die CE-Kennzeichnung tragen, und für Bauarten D Bauprodukte, die keines Verwendbarkeitsnachweises bedürfen Anhang 1 - 16 1.3.4 Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten ZTV-ING bast Teil 3 „Massivbau“ behandelt in Abschnitt 4 „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ sowie in Abschnitt 5 „Füllen von Rissen und Hohlräumen in Betonbauteilen“. Im Teil 7 werden „Brückenbeläge“ behandelt. Soweit in diesem Regelwerk Abweichungen gegenüber DAfStb-RL SIB und TR gegeben sind, wird hierauf in den weiteren Kapiteln an passender Stelle hingewiesen. Außerdem wird in Kapitel 15. auf die Besonderheiten im Brücken- und Ingenieurbau eingegangen. 1.3.5 Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen für Schutz und Instandsetzung der Betonbauteile von Wasserbauwerken ZTV-W Auch für diesen Arbeitsbereich gilt, dass in einem eigenen Kapitel, nämlich unter 16. die Besonderheiten, in diesem Fall an Verkehrs-Wasserbauwerken, behandelt werden. Das Regelwerk nimmt in großem Umfang Bezug auf die DAfStb-Richtlinie (RL SIB), aber auch auf die ZTV-ING sowie Expositionsklassen DIN EN 206-1/ DIN 1045-2. Außerdem werden Altbetonklassen definiert, die, wie bereits ausgeführt, auch in der TR beschrieben werden. Im Gegensatz zur Instandsetzungs-Richtlinie und zu den ZTV-ING wird in den ZTV-W neben dem Begriff „Vorbereitung“ auch der Begriff „Vorbehandlung“ verwendet, was zu Irritationen führen kann. Die ZTV-W gelten nicht für Straßen-, Eisenbahnbrücken und Tunnel. 21 1.3 Regelwerke <?page no="22"?> 1.3.6 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen VOB Teil C Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) Betonerhaltungsarbeiten - DIN 18349 Die VOB gliedert sich in Teil A: Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen. Teil B: Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (z. B. § 13 Mängelan‐ sprüche, Verjährungsfrist 4 a, wenn nichts anderes vereinbart). Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen ATV (63 DIN, u. a. DIN 18349) Unter „Betonerhaltungsarbeiten - DIN 18349“ wird erklärt: 3.1.1 Für die Ausführung gelten die: DAfStb Betonbauteile (Instandsetzungsrichtlinie) DAfStb Vergussbeton und Vergussmörtel DIN EN 14487 (alle Teile) „Spritzbeton“ in Verbindung mit DIN 18551 „Spritzbeton - Nationale Anwendungsregeln zur Reihe DIN EN 14487 und Regeln für die Bemessung von Spritzbetonkonstruktionen“ DIN EN 13670 „Ausführungen von Tragwerken aus Beton in Verbindung mit DIN 1045-3 „Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton - Teil 3: Bauausführung - Anwendungsregeln zu DIN EN 13670“ Zulassungen für das Verstärken von Betonbauteilen durch Kleben von Stahllaschen, CFK-Lamellen und CFK-Gelegen Hinweis: Seit März 2012 gibt es die DAfStb-Richtlinie „Verstärken von Betonbauteilen mit geklebter Bewehrung“. Bezüglich DIN 18349 wird auf folgende Literatur hingewiesen: Beck‘scher VOB-Kommentar VOB Teil C, herausgegeben von Englert/ Katzenbach/ Motzke 4. Auflage, DIN 18 349 Betonerhaltungsarbeiten Ausgabe September 2019 Motzke/ Schröder Verlag C. H. Beck Beuth DIN Deutsches Institut für Normung e. V. 1.3.7 DIN EN 1504 Produkte und Systeme für Schutz und Instandsetzung von Betontragwerken - Begriffe, Anforderungen, Güteüberwachung und Beurteilung der Übereinstimmung Die Norm ist wie folgt gegliedert: 22 1 Regelwerke und ihre Bedeutung <?page no="23"?> Teil 1 Definitionen Teil 2 Oberflächenschutzsysteme für Beton Teil 3 Statisch und nicht statisch relevante Instandsetzung Teil 4 Kleber für Bauzwecke Teil 5 Injektion von Bauteilen Teil 6 Verankerung von Bewehrungsstäben Teil 7 Korrosionsschutz der Bewehrung Teil 8 Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität Teil 9 Allgemeine Prinzipien für die Anwendung von Produkten und Systemen Teil 10 Anwendung von Produkten und Systemen auf der Baustelle, Qualitätsüberwachung der Ausführung Die Teile 1-8 sind in der BRD bauaufsichtlich eingeführt, die Teile 9 und 10 noch nicht. 1.3.8 DAfStb-Richtlinie Verstärken von Betonbauteilen mit geklebter Bewehrung Die Richtlinie besteht aus Teil 1: Bemessung und Konstruktion Teil 2: Produkte und Systeme für das Verstärken Teil 3: Ausführung Teil 4: Ergänzende Regelungen zur Planung von Verstärkungsmaßnahmen 1.3.9 DAfStb Schriften Schriftenreihe „grüne Hefte“ Hierbei handelt es sich um wissenschaftliche Grundlagen und praxisorientierte Beiträge zu Fragen der Bemessung, Betontechnik, Umweltverträglichkeit, Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit im Betonbau in Form von Abschlussberichten als Ergebnis der vom DAfStb direkt geförderten Forschungsarbeiten: Beiträgen als Ergebnis der vom DAfStb koordinierten Verbundvorhaben: Sachstandberichten, die z. B. durch begleitende Unterausschüsse erarbeitet wurden: Dissertationen im Bereich des Betonbaus 1.3.10 DBV-Merkblätter DEUTSCHER BETON- UND BAUTECHNIK-VEREIN e. V. Diese Merblätter beziehen sich auf folgende Bereiche, wobei für diese jeweils Beispiele aufgeführt sind, die für die Instandhaltung von Betonbauwerken von Bedeutung sein können: Bautechnik z. B. Parkhäuser und Tiefgaragen Betontechnik z. B. Chemischer Angriff auf Beton - Empfehlungen zur Prüfung und Bewertung Bauausführung 23 1.3 Regelwerke <?page no="24"?> z. B. Hochdruckwasserstrahltechnik im Betonbau Bauprodukte z. B. Injektionsschlauchsysteme und quellfähige Einlagen für Arbeitsfugen 1.3.11 SIVV-Handbuch DEUTSCHER BETON- UND BAUTECHNIK-VEREIN e. V. Hierbei handelt es sich um das den SIVV-Lehrgängen (Schützen, Instandsetzen, Verbinden und Verstärken von Betonbauteilen) zugrunde liegende Lehrbuch mit den Teilen A Beton B Stahl C Kunststoffe D Schutzmaßnahmen E Untergrund F Herstellen von Mischungen G Oberflächenschutz H Füllen von Rissen I Kunststoffmodifizierter Zementmörtel/ Beton und Reaktionsharzmörtel/ Beton J Instandsetzen K Fugeninstandsetzung L Überwachung M Geklebte Bewehrung N Geklebte Bauteilverstärkung O Kleben von Segmenten P Spritzbarer kunststoffmodifizierter Zementmörtel/ -beton Q Baurecht R Fachbegriffe Dieses Handbuch ist in großem Umfang maßgebend für die Angaben zur Ausführung in diesem Buch. 1.3.12 WTA-Merkblätter Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e. V. Die Gemeinschaft führt ihre Arbeit in verschiedenen Referaten durch, wobei die Ergebnisse des Referats 5 „Beton“ für die Instandhaltung von Betonbauwerken von besonderer Bedeutung sind. Hierfür werden folgende Merkblätter als Beispiele benannt: 5-1-99/ D Wartung von Betonbauwerken Musterwartungsvertrag 24 1 Regelwerke und ihre Bedeutung <?page no="25"?> 5-6-99/ D Bauwerksdiagnose 5-7-99/ D Prüfen und Warten von Betonbauwerken 5-8-93/ D Schutz und Instandsetzung von Beton Untergrund - Anforderungen, Vorbereitung und Prüfung 5-15-03/ D Schutz und Instandsetzung von Beton Leistungsbeschreibung 1.3.13 AGI-Arbeitsblätter Arbeitsgemeinschaft Industriebau e. V. Auch in dieser Gemeinschaft gibt es mehrere Arbeitsbereiche, von denen für den Säureschutzbau z. B. folgende für die Instandhaltung von Betonbauwerken interessante Arbeitsblätter zur Verfügung gestellt werden: S 30 Elektrisch ableitfähige Bodenbeläge S 20-1 Schutz von Baukonstruktionen mit Beschichtungssystemen gegen chemische Angriffe. Anfor‐ derungen an den Untergrund S 20-2 Schutz von Baukonstruktionen mit Beschichtungssystemen gegen chemische Angriffe. Be‐ schichtungssysteme S 20-3 Schutz von Baukonstruktionen mit Beschichtungssystemen gegen chemische Angriffe. Aus‐ führungsdetails Zusätzlich ist u. a. zu nennen K 10 Schutz von Beton Oberflächenbehandlung. Imprägnierung, Versiegelung, Beschichtung 1.3.14 BEB-Arbeitsblätter BUNDESVERBAND ESTRICH UND BELAG e. V. Merblätter dieses Verbandes haben verständlicher Weise Bedeutung für Bodenflächen. Hier sind zu nennen für den Bereich 7 Kunstharze - Industrieböden aus Reaktionsharz KH-O/ U Prüfung des Untergrundes KH-1 Imprägnierung KH-2 Versiegelung KH-3 Beschichtung/ Belag KH-4 EL Elektrisch leitfähige Fußbodenbeläge KH-5 Estrich KH-O/ S Stoffe 25 1.3 Regelwerke <?page no="26"?> KH-6 Leitfaden für Fußbodenkonstruktionen im nassbelasteten Lebensmittelbereich 1.3.15 DGUV Regeln Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV) BG BAU Von diesen Unterlagen hat für Bodenbeschichtungen besondere Bedeutung DGUV Regel 108-003 Fußböden in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit Rutschgefahr 1.3.16 Technische Regen für Gefahrstoffe TRGS Bundesamt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Hier ist zu nennen TRGS 727 Vermeidung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen 26 1 Regelwerke und ihre Bedeutung <?page no="27"?> 2 Stahlbeton Grundlagen S. Wehrle 2.1 Zusammenwirken von Stahl und Beton Stahlbeton (bewehrter Beton) ist ein Verbundbaustoff aus Beton und Stahl (in der Regel Beton‐ stahl) für Bauteile, bei denen das Zusammenwirken von Beton und Stahl für die Aufnahme von Lasten nötig ist [1, 5, 6, 7, 8]. Stahlbetonbauteile, die der Witterung unmittelbar ausgesetzt sind, werden als Außenbauteile bezeichnet. Das Zusammenwirken von Beton und Stahl in dem Verbundbaustoff Stahlbeton ist nur möglich, weil die folgenden Voraussetzungen gegeben sind: • Stahl und Beton haben in dem praktisch vorkommenden Temperaturbereich annähernd die gleiche lineare Wärmedehnzahl von a th = 10 -5 K -1 . Daher entstehen bei Temperaturände‐ rungen keine Eigenspannungen, welche eine Schädigung des Verbundbaustoffes auslösen könnten. • Der Beton sichert durch seine Alkalität bei fachgerechter Konstruktion und Ausführung einen dauerhaften Korrosionsschutz für den Stahl im Stahlbeton. • Zwischen der Stahloberfläche und dem umgebenden Beton kommt es zu einem innigen Verbund, so dass die Übertragung der Kräfte aus dem einen Werkstoff in den Anderen sichergestellt ist. Durch geeignete Rippung der Oberfläche von Betonstählen kann die Übertragung von Kräften bzw. Spannungen zwischen beiden Werkstoffen optimiert werden. • Der Stahl übernimmt wegen seiner hohen Verformungsfähigkeit und seiner hohen Zug‐ festigkeit die Zugkräfte, während der Beton die Druckspannungen aufnimmt. Stahl hat einen um das 6bis 10-fache größeren Elastizitätsmodul als Beton. Deshalb übernimmt bei vorgegebener Verformung der Stahl den überwiegenden Anteil der Spannungen. 2.2 Beton 2.2.1 Allgemeines Beton [1, 5 bis 11] ist ein künstlicher Stein, der aus einem Gemisch von Zement, Gesteinskörnung und Wasser - ggf. auch mit Zusatzmitteln und Zusatzstoffen - durch Erhärten des Zementleims (Zement-Wasser-Gemisch) entsteht. 2.2.2 Zement Für Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton nach DIN EN 1992 erfolgt die Her‐ stellung des Betons nach DIN EN 206-1. Als Zemente dürfen hierfür Normalzemente nach DIN EN 197-1: 2011-11 verwendet werden. Zemente mit besonderen Eigenschaften wie NW (nied‐ rige Hydratationswärme), HS (hoher Sulfatwiderstand), NA (niedriger wirksamer Alkaligehalt), <?page no="28"?> FE (frühes Erstarren) und SE (schnell erstarrend) sind in der DIN 1164, Teile 10 bis 12 [13] genormt. Außerdem sind in der DIN EN 14216 [14] Zemente mit sehr niedriger Hydratationswärme geregelt. Andere Zemente bedürfen einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung. Zement ist ein hydraulisches Bindemittel und besteht aus einem fein gemahlenen, nichtme‐ tallischen, anorganischen Stoff. Mit Wasser vermischt ergibt er „Zementleim“. Dieser erstarrt und erhärtet durch die „Hydratation“ (= chemische Reaktion mit Wasser) zu wasser- und raumbeständigem „Zementstein“. Dies geschieht sowohl an der Luft als auch unter Wasser [12, 13, 14, 15, 16]. Die Hauptbestandteile des Zementes können sein: Portlandzementklinker (K), Hüttensand (S), Puzzolane (P und Q), Flugasche (V und W), Gebrannter Schiefer (T) und Kalkstein (L und LL). • Portlandzementklinker (K) ist der wichtigste Hauptbestandteil für Zement. Er wird durch Mahlen und Brennen der Rohstoffe Kalkstein oder Kreide und Ton hergestellt. • Hüttensand (S) ist die fein vermahlene, aus einem Eisenerz-Hochofen abgezogene Schlacken‐ schmelze, die zuvor mit Wasser abgeschreckt wurde und dabei glasig erstarrt ist. • Puzzolane (natürliche Puzzolane P und natürlich getempertes Puzzolan Q) sind kieselsäure‐ haltige oder kieselsäure- und tonerdehaltige Stoffe. • Flugasche (kieselsäurereiche Flugasche V und kalkreiche Flugasche W) ist der feinkörnige, glasige Verbrennungsrückstand von Kohle, der bei der Abgasreinigung in Kohlekraftwerken anfällt. • Gebrannter Schiefer (T) wird bei etwa 800 °C aus natürlichen Schiefervorkommen hergestellt und fein gemahlen. • Kalkstein (L und LL) wird in Öfen bei über 900 °C gebrannt und anschließend gemahlen. Der Anteil an organischem Kohlenstoff (TOC) entscheidet über die Einstufung in L oder in LL. Die DIN EN 197-1 unterteilt den Zement in fünf Hauptarten in Abhängigkeit vom Anteil an Portlandzementklinker: Portlandzement CEM 1 (95-100 % K) Portlandkompositzement CEM II (65-94 % K) Hochofenzement CEM III (5-64 % K) Puzzolanzement CEMIV (45-89 % K) Kompositzement CEMV (20-64 % K) In DIN 1045-2, Tabelle F.3.1 und F.3.2, werden in Abhängigkeit der dort genannten Expositionsk‐ lassen die Anwendungsbereiche für die Zemente nach DIN EN 197-1 für die Herstellung von Beton nach DIN 1045-2 festgelegt. So dürfen z. B. die Zementarten CEM IV (Puzzolanzemente) und CEM V (Kompositzemente) nur für Betone ohne Bewehrung (Expositionsklasse X0) und für Betone die ständig nass sind (Expositionsklasse XC2) eingesetzt werden. Die Zemente werden in den Festigkeitsklassen 32,5; 42,5 und 52,5 hergestellt. Diese drei Klassen werden nach ihrer Anfangsfestigkeit nochmals unterteilt in 28 2 Stahlbeton Grundlagen <?page no="29"?> normal erhärtende Zemente: Kennbuchstaben N (N = normal) schnellhärtende Zemente: Kennbuchstaben R (R = rapid) Für Hochofenzemente (CEM III) gibt es auch die Festigkeitsklasse L (niedrige Anfangsfestigkeit). Zemente mit besonderen Eigenschaften, die in DIN 1164, Teile 10 bis 12, [13] genormt sind, erhalten zusätzlich die folgenden Kennbuchstaben Zement mit niedrigem wirksamen Alkaligehalt: NA Zemente mit frühem Erstarren: FE Schnellerstarrender Zement (verkürztes Erstarren): SE Zemente mit erhöhem Anteil an organischen Bestandteilen: HO Für die eindeutige Beschreibung eines Zementes ist mindestens die Angabe von Zementart und Festigkeitsklasse erforderlich, ggf. muss noch eine der o. g. besonderen Eigenschaften angegeben werden. Beispiel 1: Portlandzement der Festigkeitsklasse 42,5 mit hoher Anfangsfestigkeit: Portlandzement DIN EN 197-1 - CEM 1 42,5 R Beispiel 2: Portlandkompositzement mit einem Gesamtanteil an Hüttensand (S), kieselsäurereicher Flug‐ asche (V) und Kalkstein (L) mit einem Massenanteil zwischen 6 % und 20 % und der Festigkeits‐ klasse 32,5 mit hoher Anfangsfestigkeit Portlandkompositzement DIN EN 197-1 - CEM 11/ A-M(S-V-L) 32,5 R Außerdem gibt es die folgenden Sonderzemente, für welche die nachfolgend genannten Normen gelten: Sonderzemente mit sehr niedriger Hydratationswärme nach EN 14216 Sulfathüttenzement nach EN 15743 Tonerdezement nach EN 14647 Putz und Mauerbinder nach EN 413-1 2.2.3 Gesteinskörnung Gesteinskörnung ist ein für die Verwendung im Beton geeigneter, gekörnter mineralischer Stoff [1]. Gesteinskörnungen können natürlich oder künstlich sein oder aus vorher beim Bauen verwendeten rezyklierten Stoffen bestehen [17, 18]. Natürliche Gesteinskörnungen werden aus Gruben, Seen, Flüssen und Steinbrüchen gewonnen. Künstlich hergestellte Gesteinskörnungen sind beispielsweise Hochofenschlacke, Schmelzkammergranulat oder ungemahlener Hüttensand. 29 2.2 Beton <?page no="30"?> Die Anforderungen an die Gesteinskörnung und deren Prüfung sind in DIN EN 12620 und DIN 1045-2[18] geregelt. Die DIN EN 13055 und DIN 1045-2 regeln die Anforderungen an leichte Gesteinskörnungen. Die Teile 101 und 102 von DIN 4226 [17] enthalten in Verbindung mit DIN EN 12620 die Anforderungen an rezyklierte Gesteinskörnungen. Die Gesteinskörnung sollte aus verschieden großen Körnern so zusammengesetzt sein, dass der Hohlraumgehalt einer Mischung der verschieden großen Körner möglichst gering ist. Körner mit ungünstiger Kornform erfordern dazu einen entsprechend höheren Anteil an feiner Gesteinskör‐ nung. Bei zu geringem Anteil an feiner Gesteinskörnung benötigt man mehr Zementleim und damit mehr Zement oder die Verarbeitung wird so erschwert, dass „Nester“ im Betongefüge zurückbleiben. Gesteinskörnung mit ungünstiger Kornform und vor allem mit hohem Anteil an feiner Gesteinskörnung besitzt eine wesentlich größere Oberfläche und benötigt daher für eine ausrei‐ chende Verarbeitbarkeit ebenfalls mehr Zementleim bzw. mehr Wasser. Das Größtkorn der Gesteinskörnung möglichst groß und so groß zu wählen, wie es die Verarbeitung erlaubt. Es sollte jedoch kleiner sein als 1/ 3 der geringsten Bauteildicke und zum überwiegenden Teil kleiner als der geringste Abstand der Bewehrungsstäbe untereinander und die geringste Betondeckung der Bewehrungsstäbe. Mit zunehmendem Größtkorn wird die Verarbeitung erschwert. Zur Minimierung des Hohlraumgehaltes wird die geeignete Kornzusammensetzung der Ge‐ steinskörnungen anhand von Siebversuchen ermittelt und durch sog. „Sieblinien“ dargestellt. In DIN 1045-2 sind Sieblinien für die Kornzusammensetzung der Gesteinskörnungen mit einem Größtkorn von 8 mm, 16 mm, 32 mm und 63 mm dargestellt. Bei einem Größtkorn bis höchstens 4 mm spricht man von Mörtel. Ab einem Größtkorn von mehr als 4 mm handelt es sich um Beton. 2.2.4 Zugabewasser Zugabewasser ist das dem Beton beim Mischen zugegebene Wasser. Auf diese Weise ergibt sich der Frischbeton. Die maßgebliche Wirkung des Zugabewassers besteht in der chemischen Reaktion mit dem Zement, welche zur Erhärtung des Frischbetons und damit zum Festbeton führt. Diese chemische Reaktion bezeichnet man als Hydratation des Zements. Zusätzliche Bestandteile des Zugabewassers können z. B. das Erstarrungsverhalten, die Festig‐ keitsentwicklung und die Dauerhaftigkeit des Betons beeinflussen sowie den Korrosionsschutz der Bewehrung gefährden. In abgelegenen Gebieten ist für das Herstellen von Beton oft kein Trinkwasser erhältlich, das in der Regel ohne weitere Prüfungen verwendbar ist. Es muss dann geprüft werden, ob das am Ort anstehende natürliche oder aufbereitete Wasser, z. B. Oberflächen‐ wasser oder Grundwasser, verwendet werden kann. Diese Wässer können Bestandteile enthalten, die wesentliche Eigenschaften des Zements oder Betons ungünstig beeinflussen. Die Prüfung und Beurteilung des Zugabewassers erfolgt nach der DIN EN 1008: 2002-10 (20]. Außerdem liegt diesbezüglich auch das Merkblatt des Deutschen Beton-Vereins (21] vor. 2.2.5 Zusatzmittel Zusatzmittel sind flüssige oder pulverförmige Stoffe, die dem Beton während des Mischvorganges zugesetzt werden. Sie beeinflussen durch chemische und/ oder physikalische Wirkung die Eigen‐ schaften des Frisch- oder Festbetons, wie z. B. Verarbeitbarkeit, Erstarren oder Luftporengehalt. Die Zugabemenge eines Zusatzmittels ist im Allgemeinen so klein, dass sie als Volumenanteil des 30 2 Stahlbeton Grundlagen <?page no="31"?> Betons ohne Bedeutung ist. Die Wirkungsgruppen und Kennzeichnungen einiger Zusatzmittel sind nachfolgend zusammengestellt: Wirkungsgruppe Kurzzeichen Farbkennzeichen Betonverflüssiger BV gelb Fließmittel FM grau Luftporenbildner LP blau Dichtungsmittel DM braun Verzögerer VZ rot Beschleuniger BE grün Für Beton nach DIN EN 206-1/ DIN 1045-2 gelten Zusatzmittel nach DIN EN 934 als geeignet. Für Zusatzmittel außerhalb der DIN EN 934 ist eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik, Berlin erforderlich. 2.2.6 Zusatzstoffe Zusatzstoffe beeinflussen bestimmte Eigenschaften des Betons. Sie führen z. B. zur Verbesserung der Verarbeitbarkeit des Betons, zur Reduzierung der Wärmeentwicklung bei der Hydratation, zur Verzögerung der Erhärtung oder Erhöhung der Dichtigkeit. Die gebräuchlichsten Zusatzstoffe sind Trass, Gesteinsmehl, Flugasche, Pigmente zum Einfärben des Betons, Kunststoffdispersio‐ nen und Fasern (Stahl-, Glas- oder Kunststofffasern). Kunststoffdispersionen werden u. a. bei Betonbauwerken zum Schutz vor wassergefährdenden Flüssigkeiten eingesetzt. Zunehmende Bedeutung unter den Zusatzstoffen haben Silica-Stäube, die in Schmelzöfen anfallen, in denen Ferrosilicium und Siliciummetalle hergestellt werden. Silica-Staub wird zur Herstellung von hochfestem Beton und zur Verbesserung des Frostwiderstandes, des Frost- Tausalzwiderstandes und des Widerstandes gegen chemische Angriffe eingesetzt. Im Gegensatz zu den Zusatzmitteln ist die Zugabemenge von Zusatzstoffen im Allgemeinen so groß, dass sie als Volumenanteil des Betons bei der Rezeptur berücksichtigt werden muss [22]. Die Zusatzstoffe dürfen das Erhärten des Zements, die Festigkeit und Dauerhaftigkeit des Betons sowie den Korrosionsschutz der Bewehrung nicht beeinträchtigen. Die Eignung als Zusatzstoff des Typs 1 (nahezu inaktive Zusatzstoffe) ist für Gesteinsmehl nach DIN EN 12620, für Pigmente nach DIN EN 12878 und für Zusatzstoffe mit allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung oder einer Europäischen Technischen Zulassung nachgewiesen. Die Eignung als Zusatzstoffe des Typs II (puzzolanische oder latenthydraulische Zusatzstoffe) ist nachgewiesen für Flugasche nach DIN EN 450 und für Trass nach DIN 51043 sowie für Zusatzstoffe mit allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung. 2.2.7 Eigenschaften des Frischbetons Als Frischbeton bezeichnet man den Beton, solange er verarbeitet werden kann. Wesentliche Eigenschaften des Frischbetons, die Rückschlüsse auf die spätere Betongüte zulassen, sind Konsistenz und Luftgehalt. 31 2.2 Beton <?page no="32"?> Die Prüfung dieser Eigenschaften ist in DIN EN 12350 festgelegt [23]. Die Konsistenz des Betons ist ein Maß für die Steife und damit für die Verarbeitbarkeit des Betons. Die Konsistenz wird mit dem Ausbreitversuch (weiche Betone) oder dem Verdichtungsversuch (steifere Betone) ermittelt. Beim Ausbreitmaß wird der Durchmesser in mm an dem frisch hergestellten und auf einer horizontalen Fläche nach definierter stoßartiger Belastung verteilten Beton ermittelt. Das Verdichtungsmaß ist ein Wert für das Absetzen des Frischbetons nach definiertem Rütteln. Nach der DIN EN 206-1 und der DIN 1045-2 wird in Abhängigkeit von dem gewählten Versuch unterschieden in Ausbreitmaßklassen und in Verdichtungsmaßklassen. Ausbreitmaßklassen des Frischbetons nach DIN 1045-2 Klasse Ausbreitmaß 0 bis in mm Konsistenzbezeichnung F1 340 steif F2 350 bis 410 plastisch F3 420 bis 480 weich F4 490 bis 550 sehr weich F5 560 bis 620 fließfähig F6 630 sehr fließfähig Ein Beton mit einem Ausbreitmaß über 700 mm gilt als „selbstverdichtender Beton“ (SVB). Die Anwendung eines SVB erfolgt nach der Richtlinie des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton [24] in Verbindung mit der DIN 1045 und der DIN EN 206. Verdichtungsmaßklassen des Frischbetons nach DIN 1045-2 Klasse Verdichtungsmaß [-] Konsistenzbezeichnung C0 größer gleich 1,46 sehr steif C1 1,45 bis 1,26 steif C2 1,25 bis 1,11 plastisch C3 1,10 bis 1,04 weich C4 kleiner 1,04 Der Luftgehalt von Frischbeton mit Gesteinskörnungen mit dichtem Gefüge ist nach dem Druck‐ ausgleichsverfahren in einem kalibrierten Prüfgerät (LP-Topf) zu messen. Der Luftgehalt gibt einen Hinweis auf den Verdichtungsgrad. Bei der Herstellung von Beton, der einem Frostangriff der Expositionsklassen XF2 bis XF4 nach DIN 1045-2 unterliegt, wird in Abhängigkeit vom Wasserzementwert und dem Größtkorn der Mischung der Gesteinskörnung ein Mindestluftgehalt gefordert. Dieser Mindestluftgehalt wird durch Verwendung von luftporenbildendem Zusatz‐ mittel (Luftporenbildner) erzielt. Ein weiteres Merkmal ist die Frischbetonrohdichte. Darunter versteht man die Masse pro Volumeneinheit von frischem, vorschriftsmäßig verdichtetem Beton einschließlich der verbleibenden Poren. Sie ermöglicht eine erste Beurteilung der Betongüte und wird durch Wiegen des mit Frischbeton gefüllten Probebehälters ermittelt. Bei gleicher Menge 32 2 Stahlbeton Grundlagen <?page no="33"?> an Zement und Gesteinskörnung lässt eine niedrige Rohdichte eine geringere Betonfestigkeit erwarten, da die Rohdichte mit steigendem Wasser- und Porengehalt abfällt. 2.2.8 Eigenschaften des Festbetons Eine der wichtigsten Betoneigenschaften des erhärteten Betons ist die Druckfestigkeit [25]. Man ermittelt sie durch den Druckversuch an eigens hergestellten Probekörpern (Würfel, Zylinder) oder in Sonderfällen an Bohrkernen aus dem Bauwerk [26]. Die Normprüfung gemäß DIN EN 12390 [25) wird nach 28 Tagen im Allgemeinen an Zylindern mit 150 mm Durchmesser und 300 mm Länge oder an Würfeln von 15 cm Kantenlänge durchge‐ führt. Die Klassifizierung erfolgt anhand der charakteristischen Festigkeit von Zylindern (fck, cy1) oder der charakteristischen Festigkeit von Würfeln (fck, cube) nach folgender Tabelle: Druckfestigkeitsklassen des Betons nach DIN EN 206-1: 2001-07 und ihre Anwendung (Auszug): Druckfestigkeitsklasse f ck,cyl f ck,cube N/ mm 2 N/ mm 2 C8/ 10 8 10 C12/ 15 12 15 C16/ 20 16 20 C20/ 25 20 25 C25/ 30 25 30 C30/ 37 30 37 C35/ 45 35 45 C40/ 50 40 50 C45/ 55 45 55 C50/ 60 50 60 C55/ 67 55 67 C60/ 75 60 75 C70/ 85 70 85 C80/ 95 80 95 Ab der Druckfestigkeitsklasse C55/ 67 und darüber handelt es sich um hochfesten Beton. Die DIN EN 206-1/ DIN 1045-2 unterteilt den Beton u. a. in Expositionsklassen und Feuchtig‐ keitsklassen. Dabei werden die Expositionsklassen unterschieden nach dem Angriff auf die Bewehrungskorrosion und auf den Angriff auf Beton. Die folgenden Expositionsklassen liegen vor: XC1 bis XC4: Bewehrungskorrosion durch Karbonatisierung XD1 bis XD3: Bewehrungskorrosion durch Chloride (außer Meerwasser) 33 2.2 Beton <?page no="34"?> XS1 bis XS3: Bewehrungskorrosion durch Chloride aus Meerwasser XF1 bis XF4: Betonkorrosion durch Frostangriff mit und ohne Taumittel XA1 bis XA3: Betonkorrosion durch chemischen Angriff XM1 bis XM3: Betonkorrosion durch Verschleißbeanspruchung WO bis WS: Betonkorrosion durch Alkal-Kieselsäure-Reaktion Die Expositionsklassen WO, WF, WA und WS (also WO bis WS) werden als Feuchtigkeitsklassen bezeichnet. Je höher die Ziffer bei den einzelnen Expositionsklassen, umso intensiver ist der entprechende Korrosionsangriff. In Abhängigkeit von den Expositionsklassen werden in der DIN 1045-2, Tabelle F.2.1 und F.2.2 Grenzwerte für die Betonzusammensetzung festgelegt. Diese Festlegungen erfolgten unter der Annahme einer beabsichtigten Nutzungsdauer von mindestens 50 Jahren unter üblichen lnstandhaltungsbedingungen. Es werden Grenzen bezüglich folgender Parameter angegeben: Höchstzulässiger Wasserzementwert, Mindestdruckfestigkeitsklasse, Mindestzementgehalt, Mindestluftgehalt Beispiel: Betone, die der Expositionsklasse XD3 (Bewehrungskorrosion, verursacht durch Chloride; z. B. Parkdecks) ausgesetzt sind, weisen demgemäß folgende Grenzwerte für die Zusammensetzung auf: Höchstzulässiger Wasserzementwert: 0,45 Mindestdruckfestigkeitsklasse: C35/ 45 Mindestzementgehalt in kg/ m 3 : 320 Mindestzementgehalt bei Anrechnung von Zusatzstoffen in kg/ m 3 : 270 Chloride In DIN 1045-2 wird der Chloridgehalt des Betons begrenzt, um eine chloridinduzierte Korrosion der Bewehrung zu verhindern. Bei unbewehrtem Beton gilt die Kasse des Chloridgehalts Cl 1,0. Dies bedeutet, dass der höchzulässige Chlorifgehalt, bezogen auf den Zement in Massenanteil 1,0 % beträgt. Für bewehrten Beton oder Beton mit anderem eingebettem Metall liegt der höchszulässige Chloridgehalt bei 0,40 % (Klasse Cl 0,40). Bei Spannstahlbewehrung beträgt der höchszulässige Chloridgehalt 0,20 % (Klasse Cl 0,20). Auswirkungen eines chemischen Angriffs Grundwässer, Böden, Industrieabwässer und Abgase können einen chemischen Angriff auf den erhärteten Beton ausüben. Die Untersuchung und Beurteilung des chemischen Angriffs erfolgen nach DIN 4030 [28]. Im Allgemeinen werden die Angriffsarten „treibend“ und „lösend“ unterschieden. Bei einem „lösenden“ Angriff auf Beton tritt an der Betonoberfläche eine chemische Reaktion ein, die schwerlösliche Verbindungen in leichtlösliche Produkte überführt. Der „lösende“ Angriff wirkt 34 2 Stahlbeton Grundlagen <?page no="35"?> insbesondere auf den Zementstein und seltener auf die Gesteinskörnung ein. Die gelösten Produkte (Zementstein) werden abgetragen und es entsteht eine waschbetonartige Struktur. Bei einem „treibenden“ Angriff bilden sich schwerlösliche, voluminöse Reaktionsprodukte im Betoninnern. Bedingt durch die Volumenvergrößerung entsteht ein starker innerer Druck, der zu Rissbildungen oder Absprengungen des Betons bzw. Zementsteins führen kann. Im Wasser gelöste Sulfate wirken „treibend“; Säuren, bestimmte Salze, pflanzliche und tierische Öle und Felle wirken „lösend“. Der von Böden und Wässern ausgehende chemische Angriff (XA1, XA2, XA3) wird in die Angriffsgrade „schwach“, „mäßig“ und „stark“ unterteilt. Für die Beurteilung ist der höchste Angriffsgrad maßgebend, der sich aus den chemischen Merkmalen ergibt, auch wenn er nur von einem chemischen Merkmal erreicht wird. Liegen zwei oder mehr chemische Merkmale im oberen Viertel eines Bereichs (beim pH-Wert im unteren Viertel), so erhöht sich der Angriffsgrad um eine Stufe. Bei einer chemisch stark angreifenden Umgebung“ (XA3) oder einem noch stärkeren chemischen Angriff und bei einer hohen Fließgeschwindigkeit von Wasser unter Mitwirkung von Chemikalien muss der Beton nach DIN 1045-2 durch eine Schutzschicht oder eine dauerhafte Bekleidung gegen diese Angriffe geschützt werden, wenn nicht ein Gutachten eine andere Lösung vorschlägt. 2.2.9 Wasserzementwert Das zur Herstellung des Frischbetons verwendete Wasser vermischt sich mit dem Zement und bildet den Zementleim. Im Zementleim findet eine chemische Reaktion des Zements mit dem Zugabewasser statt, welche zur Erhärtung des Zementleims führt. Die dabei ablaufende chemische Reaktion bezeichnet man als Hydratation des Zements. Auf diese Weise entsteht eine stöchiometrische chemische Verbindung, das bedeutet, dass Wasser und Zement in einem bestimmten Massenverhältnis zueinanderstehen. Vereinfacht ausgedrückt kann man sagen, dass Wasser in einer Menge von 40 % der Masse des Zements im Zementstein gebunden wird. In diesem „Idealfall“ wird ein Anteil von ca. 25 % der Zementmasse durch Hydratation chemisch gebunden, während ca. 15 % als physikalisch gebundenes Wasser in den sogenannten Gelporen des Zementsteins verbleibt. In diesem Fall läge im Zementleim ein sogenannter Wasserzementwert von 0,4 vor, d. h. der Massenanteil von Wasser bezogen auf den Massenanteil Zement hat den Wert 0,4. Aus Gründen der Verarbeitbarkeit verwendet man in der Praxis meist einen Wasserzementwert von größer als 0,4, z. B. 0,5 und 0,6. In einem Beispiel ist ein Wasserzementwert von 0,7 angegeben. Das über den Wasserzementwert von 0,4 hinausgehende Wasser kann weder chemisch noch physikalisch gebunden werden und verbleibt als ungebundenes Wasser im Zementstein. Dieses ungebundene Wasser führt zur Bildung von Kapillarporen. Das Wasser in den Kapillarporen kann bei entsprechenden Umgebungsbedingungen austrocknen. In den Kapillarporen kann auch eine erneute Wasseraufnahme durch Sorption stattfinden, welche durch die Sorptionsisotherme des Betons beschrieben ist. Die Kapillarporen stellen Fehlstellen im Beton dar, welche die Festigkeit des Betons vermindern. Aus diesem Grunde vermindert sich die Festigkeit des Betons mit steigendem Wasserzementwert w/ z. Wenn dem Zement weniger Wasser zur Reaktion zur Verfügung steht als dem Wasserze‐ mentwert 0,4 entspricht, so verbleibt im Beton nichthydratisierter Zement, welcher nicht zur Erhärtung des Betons beiträgt und damit ebenfalls die Betonfestigkeit mindert. Dieselbe Wirkung tritt auf, wenn dem Beton z. B. an der Oberfläche Wasser entzogen wird. Deshalb muss das durch eine fachgerechte Nachbehandlung des Betons verhindert werden. 35 2.2 Beton <?page no="36"?> 2.2.10 Betonverarbeitung, Nachbehandlung Die Betontemperatur muss beim Betonieren während extrem kalter und extrem warmer Au‐ ßentemperaturen beobachtet werden. Die Einbautemperatur soll in der Regel +30 °C nicht überschreiten und +5 °C nicht unterschreiten [6, 29]. Durch die Nachbehandlung, die gem. DIN 1045-3 erfolgt, muss der Beton bis zu seiner ausreichenden Erhärtung gegen vorzeitiges Austrocknen, extreme Temperaturen, chemische Angriffe, mechanische Beanspruchung und Erschütterungen geschützt werden. Die Nachbehand‐ lung erfolgt durch Belassen in der Schalung, dichtes Abdecken mit Folien oder wasserhaltenden Matten, Aufspritzen von Nachbehandlungsmitteln schon auf den mattfeucht werdenden Beton oder kontinuierliches Besprühen mit Wasser. In DIN 1045-3, Tabelle 2, wird die Mindestdauer der Nachbehandlung von Beton in Tagen angegeben, abhängig von den Expositionsklassen nach DIN 1045-2. Die dort angegebene Mindestdauer der Nachbehandlung beträgt bis zu 15 Tage. 2.3 Betonstahl Stähle, die zur Bewehrung von Beton verwendet werden, müssen DIN 488 entsprechen oder allgemein bauaufsichtlich zugelassen sein [30, 31]. Bei lnstandsetzungsmaßnahmen an Stahlbe‐ tonbauwerken besteht manchmal die Notwendigkeit, neue Bewehrung an die bereits vorhandene Bewehrung anzuschweißen. Betonstähle nach DIN 488 sind prinzipiell für Schweißverbindungen geeignet. Da es jedoch nicht auszuschließen ist, dass z. B. bei lnstandsetzungsmaßnahmen auch ältere Stähle bearbeitet werden müssen, ist vor Arbeitsbeginn die Schweißeignung dieser Stähle zu klären. Die Ausführung und Überwachung von Schweißarbeiten muss nach DIN 4099 erfolgen [32]. 2.4 Stahlbeton 2.4.1 Betondeckung der Bewehrung Der Verbund zwischen Bewehrung und Beton ist durch eine ausreichend dicke und dichte Betondeckung zu sichern. Sie muss in der Lage sein, den Stahl dauerhaft vor Korrosion zu schützen und Kräfte vom Stahl ohne Abplatzungen in den Beton einzuleiten. Daher wurden in Abhängigkeit von der Expositionsklasse für Betone in der DIN EN 1992-1-1 und DIN EN 1992-1-1/ NA Mindestmaße der Betondeckung (Mindestbetondeckung c min ) vorgege‐ ben und es wird ein Vorhaltemaß angegeben. Die Betondeckung jedes Bewehrungsstabes in mm darf nach allen Seiten das Mindestmaß c min nicht unterschreiten. Zur Sicherung des Mindestmaßes ist dem Entwurf und der Ausführung das Nennmaß Cnom zugrunde zu legen. Es setzt sich aus dem Mindestmaß Cmin plus dem Vorhaltemaß zusammen. c nom = c min + Vorhaltemaß Das Vorhaltemaß beträgt 15 mm. Lediglich bei der Expositionsklasse XC1 liegt es bei 10 mm. Zur Sicherstellung des Verbundes darf aber die Mindestbestondeckung Cmin nicht kleiner sein als der Stabdurchmesser der Betonstahlbewehrung. Außerdem gibt es diesbezüglich Anfor‐ derungen für andere Bewehrungen. Das Nennmaß beträgt z. B. für Bauteile in geschlossenen Räumen (Expositionsklasse XC1) mindestens 20 mm und für Außenbauteile (Expositionsklasse XC4) mindestens 40 mm. Das Nenn‐ 36 2 Stahlbeton Grundlagen <?page no="37"?> maß c nom entspricht dem Verlegemaß der Bewehrung und ist auf den Bewehrungszeichnungen anzugeben sowie beim Standsicherheitsnachweis zu berücksichtigen. Maßnahmen für den Entwurf und die Herstellung von bewehrten Betonbauteilen, durch die sichergestellt werden soll, dass das geforderte Mindestmaß c min der Betondeckung im fertigen Bauteil mit ausreichender Zuverlässigkeit eingehalten wird, sind in den DBV-Merkblättern „Betondeckung und Bewehrung“ sowie „Abstandshalter“ [33, 34) beschrieben. Das Verlegemaß c v (Abstand der außenliegenden Bewehrung zur Betonoberfläche) ergibt sich als größtes Maß aus den Nennmaßen der Betondeckung für die Längsstäbe und die Querbewehrung (Bügel) und aus den erforderlichen Betondeckungen/ Achsabständen u bzw. u s für den Brandschutz (DIN 4102-4). 2.4.2 Konstruktiver Korrosionsschutz Für den Korrosionsschutz des Bewehrungsstahls sind neben einer ausreichenden Betondeckung auch konstruktive Maßnahmen bei der Planung zu berücksichtigen [35]. • Wirkungsvolle Ableitung von Regenwasser • Feuchtigkei/ Wasser ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass Korrosion der Bewehrung entsteht. Regenwasser muss deshalb insbesondere an waagrechten Flächen (z. B. Oberseiten von Brüstungen) wirkungsvoll abgeführt werden. Dies kann durch eine entsprechende Neigung der Flächen (größer gleich 5 %) oder durch Verwahrungen erfolgen. • Betoniergerechte Bauteile • Allzu schlanke und filigrane Bauteile aus Stahlbeton müssen vermieden werden. Bei zu schlanken Schalungsräumen, zu engen Bewehrungsabständen, fehlenden Rüttelgassen oder bei verwinkelten Schalungen ist eine ausreichende Verdichtung des Betons und eine ausrei‐ chende Betondeckung nicht mehr sichergestellt. • Begrenzung der Rissbreiten • Risse quer zur Bewehrung infolge Belastung sind bei Stahlbetonkonstruktionen systemüblich und stellen, sofern ihre Breiten im Mittel 0,3 mm bis 0,4 mm nicht überschreiten, bei üblichen Betondeckungen und Umgebungsbedingungen keine Korrosionsgefährdung dar. Breitere Risse, Risse in Richtung der Bewehrungsstäbe (Längsrisse), Risse infolge unkontrol‐ lierten Zwangs sowie schmalere Risse bei ungünstigen Umgebungsbedingungen können jedoch den Korrosionsschutz einschränken. Diesen Rissbildungen muss durch sachgerechte Bewehrungsführung und betontechnologische Maßnahmen begegnet werden [5, 35, 36, 37]. In DIN EN 1992-1-1/ NA: 2013-04, werden in Abhängigkeit von den Expositionsklassen die Anforderungen an die Begrenzung der Rissbreite festgelegt. Der Rechenwert der Rissbreite liegt demgemäß für Stahlbetonbauteile zwischen 0,3 mm und 0,4 mm. Der Rechenwert der Rissbreite gilt als Anhaltswert für die am Objekt auftretenden Rissbreiten, deren gelegentliche geringfügige Überschreitung im Bauwerk nicht ausgeschlossen werden kann. Bei Beachtung der Konstruktionsregeln gern. DIN EN 1992-1-1, ist dies im Allgemeinen unbedenklich. 2.4.3 Brandschutz bei Stahlbeton Baustahl, der nicht durch eine Ummantelung vor einem direkten Wärmeangriff geschützt ist, kann im Brandfall frühzeitig versagen. Der Brandschutz einer Stahlbetonkonstruktion muss deshalb durch den Beton sichergestellt werden. Der Beton nach DIN 1045-2 ist ein nichtbrenn‐ 37 2.4 Stahlbeton <?page no="38"?> barer Baustoff nach DIN 4102 [38]. Für die europäische Betrachtung des Brandschutzes gilt DIN EN 13501, welche die Bereiche Klassifizierungsnormen und Prüfnormen sowie Regeln zur erweiterten Anwendung beinhaltet. Unter den im natürlichen Brandfall eintretenden Temperaturen [39] • bleibt Beton weitgehend fest, • trägt Beton nicht zur Brandlast bei, • leitet Beton den Brand nicht weiter, • bildet Beton keinen Rauch, • setzt Beton keine toxischen Gase frei. Diese stofflichen Eigenschaften des Betons erlauben es bei sinnvoller Planung, ein gegen Brand‐ gefahr sicheres Bauwerk zu erstellen. Dabei spielen die Breite bzw. Dicke von Bauteilen sowie die Maße der Betondeckung c und die Achsabstände u bzw. u s der Bewehrung zur Betonoberfläche eine entscheidende Rolle. Auf diese Weise muss durch richtige Dimensionierung der Bauteile im Brandfall die Durchwärmung des Bauteils entsprechend der geforderten Feuerwiderstandsdauer verzögert werden. Dieser folgt gem. DIN 4102-2 und DIN 4102-4. Der Nachweis des baulichen Brandschutzes für Stahlbetonkonstruktionen kann in Abhängig‐ keit von den Anforderungen wie folgt erbracht werden [40]. A. Nach DIN 4102-4 B. Prüfzeugnis C. Gutachten D. Zulassung E. Zustimmung im Einzelfall Für den Brandschutz von Stahlbetonkonstruktionen sind folgende Einflüsse von Bedeutung: • Betonart • (Leichtbeton bis 2000 kg/ m 3 , Normalbeton, Schwerbeton über 2600 kg/ m 3 , Porenbeton) • Abstand der Bewehrung von der Betonoberfläche (Achsabstand Us, Betondeckung c) • Querschnittsabmessungen (Dicke, Breite) • Konstruktionsart, statisches System • Belastung • Bekleidung, Putze • Brandbeanspruchung (einseitig, mehrseitig) Wie bei anderen Baustoffen, so kann auch bei Beton durch Bekleidungen, Putze oder Brandschut‐ zanstriche die Feuerwiderstandsdauer angehoben werden. Aus Kostengründen sind jedoch solche Maßnahmen im Normalfall auf Ausnahmen beschränkt. Bei der Stahlbetoninstandsetzung können solche Maßnahmen aber zweckmäßig sein, auch die Anwendung von Spritzbeton zur Erhöhung der Bauteildicke und der Betondeckungsmaße bzw. der Achsabstände der Bewehrung. Industriebauten nehmen wegen der baulichen und nutzungstechnischen Vielfalt eine Sonder‐ stellung ein. Daher wird versucht, objektspezifische Lösungen zu entwickeln [42]. Mit der lndustriebaurichtlinie werden die Mindestanforderungen an den baulichen Brandschutz dieser Bauten geregelt [43]. Die Höhe der baulichen und betrieblichen Brandschutz-Anforderungen kann auf Grund von drei Nachweisverfahren erbracht werden [39]. 38 2 Stahlbeton Grundlagen <?page no="39"?> • Einstufung nach Sicherheitskategorien ohne Brandlastermittlung • Nachweis auf Grund einer Bemessung nach DIN 18230 [44] • Nachweis mittels Methoden des Brandschutzingenieurwesens Sind an Stahlbetonbauteilen während eines Brandes Schäden, z. B. durch Abplatzungen, aufge‐ treten, so können die Bauteile häufig ohne wesentliche Schwierigkeiten ausgebessert werden [45]. Mit Erfolg wird dabei vor allem Spritzbeton eingesetzt. Hinweise für die Durchführung von Aus‐ besserungsarbeiten mit Spritzbeton sind in den vom Deutschen Ausschuss für Stahlbeton bereits 1976 herausgegebenen „Richtlinien für die Ausbesserung und Verstärkung von Betonbauteilen mit Spritzbeton“ zusammengestellt worden [46]. Die maßgeblichen Ausführungen dieser Richtlinie sind zwischenzeitlich in die DIN 18551 [47] und die DIN EN 14487 eingeflossen. Außerdem wird in [48] ausführlich die Anwendung von Spritzbeton beschrieben. Weiterführende Ausführungen zum Thema Brandschutz für Betonbauteile finden sich in [40]. 2.5 Betonanwendungen früher und heute 2.5.1 Betonanwendungen der Römerzeit Eine sehr interessante Darstellung über Betonanwendungen aus der Römerzeit und über damalige Beton- und Stahlbetonbauwerke beschreibt anschaulich H.-O. Lamprecht in [50]. 2.5.2 Betonanwendungen heute Zur Vertiefung der Kenntnisse über die Betonanwendungen, aber auch für die Gewinnung eines allgemeinen Überblicks eignet sich gut die Darstellung von G. Lohmeyer [51]. Der Deutsche Beton- und Bautechnik-Verein e. V. hat in [52] ausführlich die Betonherstellung und Verwendung nach der neuen Normengeneration (DIN1045/ DIN EN 206) dargestellt. Weiterführende Literatur zu den folgenden Betonen finden sich in der entprechend genannten Literatur: Hochfester Beton, Hochleistungsbeton [53, 54, 55] Selbstverdichtender Beton (SVB) [24, 56, 57] Spritzbeton [47, 48] und DIN EN 14887 Faserbeton (Zugabe von Fasern bei Spritzbeton und Normalbeton) Weitere Betone, die als Spezialbetone Anwendung finden sind: • Unterwasserbeton [60, 61] • Bohrpfahlbeton [60] • Porenleichtbeton [58] • Dränbeton [58] • Massenbeton [62, 63] • Feuerbeton [62] In den o. g. Literaturstellen werden diese Spezialbetone anschaulich beschrieben. 39 2.5 Betonanwendungen früher und heute <?page no="40"?> 2.6 Literatur [1] DIN EN 206-1: 2001-07; Beton, Teil 1: Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität, Deutsche Fassung EN 206-1: 2000 und DIN EN 206: 2017-1, Beton - Festlegung, Eigenschaften, herstellung und Konformität; Deutsche Fassung EN 206: 2013 +A1: 2016 [2] WTA-Merkblatt 5-7-99/ D; „Prüfen und Warten von Betonbauwerken“; WTA-Geschäftsstelle, Edelsberg‐ straße. 8, 80686 München [3] G. Rieche, J. Eberle: „Stahlbeton-Grundlagen“ in Schröder u. a. „Schutz und Instandsetzung von Stahlbeton“; expert verlag, Renningen, 1999 [4] U. Nürnberger, B. lsecke, B. Neubert, G. Rieche: Korrosionsschutz im Massivbau; expert verlag, Renningen, 1991 [5] DIN EN 1992-1-1: 2011-01, Eurocode 2 Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton und Spannbetont‐ ragwerken, Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau, Deutsche Fassung, plus nationale Anhänge inclusive Änderungen. [6] DIN 1045-2: 2008-08: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton, Teil 2: Beton - Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität, Anwendungsregeln zu DIN EN 206-1. [7] DIN 1045-3: 2012-03; Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton, Teil 3: Bauausführung, Anwen‐ dungsregeln zu DIN EN 13670. [8] DIN 1045-4: 2012-02; Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton, Teil 4: Ergänzende Regeln für die Herstellung und die Konformität von Fertigteilen. [9] DAfStb; Heft 525, Erläuterungen zu DIN 1045-1; Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Berlin, 2003. [10] DAfStb; Heft 526, Erläuterungen zu den Normen DIN EN 206-1, DIN 1045-2, DIN 1045-3, DIN 1045-4 und DIN 4226 DIN 1045-1; Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Berlin, 2003. [11] DIN Fachbericht 100, Beton - Zusammenstellung von DIN EN 206-1 Beton und DIN 1045-2 Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton, Ausgabe 2001; Beuth Verlag, Berlin, 2001. [12] DIN EN 197-1: 2011-11; Zement, Teil 1: Zusammensetzung, Anforderungen und Konformitätskriterien von Normalzement Deutsche Fassung EN 197-1: 2011. [13] DIN 1164-10: 20013-03; Zement mit besonderen Eigenschaften, Teil 10: Zusammensetzung, Anforde‐ rungen und Übereinstimmungsnachweis von Zement mit niedrigem Wirksamen Alkaligehalt DIN 1164-11: 2003-11; Zement mit besonderen Eigenschaften, Teil 11: Zusammensetzung, Anforderungen und Übereinstimmungsnachweis von Zement mit verkürztem Erstarren. DIN 1164-12: 2005-06; Zement mit besonderen Eigenschaften, Teil 12: Zusammensetzung, Anforderungen und Übereinstimmungsnachweis von Zement mit einem erhöhten Anteil an organischen Bestandteilen. [14] DIN EN 14216: 2004-08; Zement- Zusammensetzung, Anforderungen und Konformitätskriterien von Sonderzement mit sehr niedriger Hydratationswärme. [15] G. Lohmeyer: Stahlbetonbau; Teubner-Verlag, Wiesbaden, 2004. [16] Zement-Merkblatt B1 „Zemente und ihre Herstellung“; Verein Deutscher Zementwerke e. V., Düssel‐ dorf. [17] DIN 4226-2: 2002-02; Gesteinskörnungen für Beton und Mörtel, Teil 2: leichte Gesteinskörnung. DIN 4226-100: 2002-02; Gesteinskörnungen für Beton und Mörtel, Teil 100: Rezyklierte Gesteinskörnung. [18] DIN EN 12620: 2003-04; Gesteinskörnungen für Beton. [19] Zement-Merkblatt B2 „Gesteinskörnungen für Normalbeton“; Verein Deutscher Zementwerke e. V., Düsseldorf [20] DIN EN 1008: 2002-10; Zugabewasser für Beton - Festlegung, Prüfung und Beurteilung der Eignung von Wasser, einschließlich bei der Betonherstellung anfallen dem Wasser als Zugabewasser für Beton, Deutsche Fassung EN 1008: 2002. [21] DBV-Merkblatt „Zugabewasser für Beton“; Deutscher Beton-Verein e. V., Wiesbaden. 40 2 Stahlbeton Grundlagen <?page no="41"?> [22] R. Weber u. a.: Guter Beton; Verlag Bau + Technik GmbH, Düsseldorf. [23] DIN EN 12350 Teile 1, 3, 4, 5, 6, 7, Ausgabe 2000; Prüfverfahren für Frischbeton. [24) DAfStb-Richtlinie „Selbstverdichtender Beton (SVB-Richtlinie)“; Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Berlin 11/ 2003. [25] DIN EN 12390, Teile 1 bis 9, Ausgabe 2000 bis 2002, Prüfverfahren für Festbeton. [26] DIN 1048, Teile 2, 4 und 5, Ausgabe 1991, Prüfverfahren für Beton. [27] DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“; Deutscher Beton und Bautechnik Verein e. V., Berlin, Januar 2005, 2010 und 3. Ausgabe 2018. [28] DIN 4030-1: 1991-06; Beurteilung betonangreifender Wässer, Böden und Gase. [29] Beton-Handbuch; Deutscher Beton-Vereine. V., Bauverlag GmbH, Wiesbaden und Berlin, 1995. [30] DIN 488, Teile 1, 4, 6 und 7, Ausgabe 1984 und 1986, Betonstahl. [31] D. Rußwurm: Betonstähle für den Stahlbetonbau; Bauverlag GmbH, Wiesbaden und Berlin, 1993. [32] DIN 4099, Teile 1 und 2, Ausgabe 2003, Schweißen von Betonstahl. [33] DBV-Merkblatt „Betondeckung und Bewehrung“; Deutscher Beton-Verein e. V., Wiesbaden . [34] DBV-Merkblatt „Abstandhalter“ ; Deutscher Beton-Vereine. V., Wiesbaden. [35] B. Neubert: „Korrosionsschutz von Betonkonstruktionen aus planerischer und betontechnologischer Sicht“; in [4]. [36] P. Schießl: Einfluß von Rissen auf die Dauerhaftigkeit von Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen; Deutscher Ausschuß für Stahlbeton, Heft 370, Berlin, 1986. [37] DBV-Merkblatt „Begrenzung der Rißbildung im Stahlbeton- und Spannbetonbau“; Deutscher Be‐ ton-Vereine. V., Wiesbaden, 1996. [38] DIN 4102; Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen. [39] Merkblatt „Baulicher Brandschutz mit Beton“; Bauberatung Zement im Bundesverband der Deutschen Zementindustrie e. V., Köln, 2000. [40] K. Kordina, C. Meyer-Ottens, E. Richter: Beton Brandschutz Handbuch; 2. Auflage, Verlag Bau+ Technik, Düsseldorf 1999. [41] Zement-Mitteilungen 11 „Baulicher Brandschutz mit Beton“; Bundesverband der Deutschen Zement‐ industrie e. V., Köln. [42] Bundesministerium für Verkehr Bau- und Wohnungswesen, „Brandschutzleitfaden für Gebäude besonderer Art und Nutzung“; November 1998 [43] F. Mehl: Die Regelungen zum Brandschutz nach der neuen lndustriebaurichtlinie; DIN Mitteilungen 78 (1999) Nr. 9, S. 617/ 621. [44] DIN 18230 Teile 1 und 2; Baulicher Brandschutz im Industriebau. [45] G. Ruffert: Brandschäden an Betonbauten; beton 26 (1976) H.7, 239/ 243 [46] DAfStb „Richtlinie für die Ausbesserung und Verstärkung von Betonbauteilen mit Spritzbeton“, Fassung Februar 1976; beton 26 (1976) H.6 217/ 218. [47] DIN 18551: 2005-01; Spritzbeton-Anforderungen, Herstellung, Bemessung und Konformität. [48] Schorn, Sonnenberg, Maurer: Spritzbeton; Schriftenreihe Spezialbetone Band 6, Verlag Bau + Technik, Düsseldorf 2005 [49] ZTV-ING, Teil 3, Massivbau, Zusätzliche Technische Vetragsbedingungen und Richtlinien für Ingeni‐ eurbauten; Bundesanstalt für Straßenwesen, Verkehrsblatt-Verlag, Dortmund, 2010 [50] H.-O. Lamprecht: Opus Caementitium; Beton Verlag, Düsseldorf, 1993. [51] G. Lohmeyer: Handbuch Beton-Technik; Beton-Verlag, Düsseldorf, 1997. [52] Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein e.V: Betonherstellung und Verwendung nach neuer Norm; Ernst &Sohn Verlag, Berlin, 2003. [53] Th. Richter: Hochfester Beton - Hochleistungsbeton; Schriftenreihe Spezialbetone Band 3, Verlag Bau + Technik, Düsseldorf 1999. 41 2.6 Literatur <?page no="42"?> [54] DAfStb-Richtlinie „Hochfester Beton“, Ergänzung zu DIN 1045 für die Festigkeitsklassen B 65 bis B 115; Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Berlin 08/ 95. [55] DBV-Merkblatt „Hochfester Beton“; Deutscher Beton und Bautechnik Verein e. V., Berlin, März 2003 [56] DBV-Merkblatt „Selbstverdichtender Beton (SVB)“; Deutscher Beton und Bautechnik Vereine.V., Berlin, Dezember, 2004. [57] W. Brameshuber: Selbstverdichtender Beton; Schriftenreihe Spezialbetone Band 5, Verlag Bau + Technik, Düsseldorf, 2003. [58] Nußbaum/ Vißmann, Grahlke, Dinkgern: Faserbeton, Porenleichtbeton, Dränbeton; Schriftenreihe Spezialbetone Band 2, Verlag Bau + Technik, Düsseldorf, 1999. [59] DBV-Merkblatt „Stahlfaserbeton“; Deutscher Beton und Bautechnik Verein e. V., Berlin. [60] Tegelaar, Böhling/ Giesbrecht: Unterwasserbeton, Bohrpfahlbeton; Schriftenreihe Spezialbetone Band 1, Verlag Bau + Technik, Düsseldorf, 1998 [61] DBV-Merkblatt „Unterwasserbeton“; Deutscher Beton und Bautechnik Verein e. V., Berlin. [62] Kollo, Lang: Massenbeton, Feuerbeton; Schriftenreihe Spezialbetone Band 4, Verlag Bau + Technik, Düsseldorf. [63] DBV-Merkblatt „Beton für massige Bauteile“; Deutscher Beton und Bautechnik Vereine.V., Berlin. 42 2 Stahlbeton Grundlagen <?page no="43"?> 3 Korrosionsschutz der Bewehrung S. Wehrle 3.1 Einleitung In fachgerechten Stahlbetonkonstruktionen stellt der Beton einen weitgehend dauerhaften Korrosionsschutz für die Bewehrung dar. Dieser beruht auf der Passivierung der Stahloberfläche der Bewehrung infolge der Wirkung des alkalischen Betons. Im Falle der Instandsetzung von Stahlbetonbauteilen, welche Bewehrungskorrosion aufweisen, war die Schutzwirkung des Betons nicht ausreichend. Es sind Korrosionsvorgänge an dem Stahl der Bewehrung aufgetreten. Bei der Instandsetzung kommt es nun darauf an, weitere Korrosionsvorgänge an der Bewehrung zu unterbinden. Für diesen Korrosionsschutz der Bewehrung kommen außer der Schutzwirkung des Betons auch andere Möglichkeiten des Korrosionsschutzes für die Bewehrung in Frage. Zum Verständnis dieser Möglichkeiten ist es erforderlich, sich mit der Korrosion von Stahl im Grund‐ satz zu befassen, was nachfolgend geschehen soll. Daraus ergeben sich dann die Möglichkeiten des Korrosionsschutzes der Bewehrung bei der Herstellung von Stahlbetonkonstruktionen und insbesondere bei der Instandsetzung, welche hier im Vordergrund steht. Die nachfolgenden Ausführungen gehen davon aus, dass der planmäßige Korrosionsschutz ursprünglich auf dem Schutz mit Beton basieren sollte. Der planmäßige Korrosionsschutz der Bewehrung kann in Ausnahmefällen durch Sonderverfahren ergänzt werden. Darauf wird abschließend ebenfalls eingegangen 3.2 Korrosion von Stahl 3.2.1 Elektrochemische Grundlagen Für den Ablauf der Korrosion müssen gleichzeitig anodische und kathodische Teilprozesse ablaufen. Dazu muss der Stahl in Kontakt sein mit einer wässrigen Lösung (Elektrolyt). Bei der Korrosion kommt es zum Transport von elektrischen Ladungen (Elektronen) im Metall, zur Bildung von elektrochemischen Potentialen in der Grenzfläche Stahl/ Elektrolyt, zum Übergang von Metallionen aus den Stahloberflächen und zum Transport von Ionen im Elektrolyten [1, 2]. 3.2.2 Anodischer Teilprozess (Metallauflösung) Bei dem anodischen Teilprozess lösen sich positiv geladene Eisenionen aus der Eisenoberfläche heraus und gehen in den angrenzenden Elektrolyten über. Dabei geben sie Elektronen an das Metall ab. Das Metall verhält sich dabei so als ob es den Pluspol (Anode) eines elektrochemischen Elementes darstellen würde. Der anodische Teilprozess lässt sich wie folgt beschreiben: Fe geht über in Fe 2+ + 2e - . Durch diese Auflösung des Stahls kommt es letztlich zu einer zerstörenden Wirkung am Stahl. Die im Stahl verbleibenden Elektronen führen zu einer negativen Aufladung des Stahls. Diese würde <?page no="44"?> den weiteren Ablauf des anodischen Teilprozesses unterbinden. Nur wenn diese Elektronen durch einen kathodischen Teilprozess „verbraucht“ werden, kann der anodische Teilprozess fortschreiten. 3.2.3 Kathodische Teilprozesse Bei den kathodischen Teilprozessen werden die negativen Ladungsträger (Elektronen), welche beim anodischen Teilprozess im Metall verblieben sind, für diesen Teilprozess benötigt und somit verbraucht. Grundsätzlich können der anodische Teilprozess und die kathodischen Teilprozesse nebeneinander in demselben Oberflächenelement des Metalls ablaufen. Sollten jedoch Anode und Kathode räumlich getrennt sein, so bedarf es dann einer elektrisch leitenden Verbindung von Anode zu Kathode, damit die Elektronen, welche für die kathodischen Teilprozesse benötigt werden, zur Kathode wandern können. Auch bei den kathodischen Teilprozessen laufen elektrochemische Vorgänge zwischen der Metalloberfläche und dem Elektrolyten ab, deren Reaktionsgeschwindigkeit abhängig ist von dem elektrochemischen Potential zwischen dem Metall und dem Elektrolyt en. Je nach pH-Wert des Elektrolyten und dem Potential (Spannung) zwischen dem Metall und dem Elektrolyten erfolgt die kathodische Sauerstoffreduktion und/ oder die kathodische Wasserstoffabscheidung. Kathodische Sauerstoffreduktion: Für diese kathodischen Teilprozess können die ablaufenden Reaktionen je nach pH-Wert des Elektrolyten wie folgt beschrieben werden: in sauren Elektrolyten: O 2 + 4H + + 4e - → 2H 2 O in neutralen oder alkalischen Elektrolyten: O 2 + 2H 2 O + 4e - → 4(OH) - Um die kathodische Sauerstoffreduktion zu ermöglichen, muss im Elektrolyten gelöster Sauerstoff zur Kathode diffundieren können. Bei dieser kathodischen Reaktion werden Elektronen aus dem Metall verbraucht. In dem Elektrolyten werden W-lonen verbraucht bzw. (OH-) -lonen produziert, d. h. an der Kathode wird der Elektrolyt alkalischer. Kathodische Wasserstoffabscheidung: Sie wird durch die folgende Reaktion beschrieben: 2H + + 2e - → H 2 Diese Reaktion findet in sauren Elektrolyten oder bei einem stark negativen elektrochemischen Potential der Metalloberfläche statt. Für die Korrosion der Bewehrung im Stahlbeton ist im Allgemeinen nur die Sauerstoffreduktion, wie in der zweiten Reaktionsgleichung angegeben, von Bedeutung. Für den Ablauf dieser Reaktion bedarf es einer elektrolytischen Leitfähigkeit des Betons und der Anwesenheit von Sauerstoff im Beton. 3.2.4 Rosten der Bewehrung Als Rost bezeichnet man ein Gemisch von Eisenoxiden und Eisenhydroxiden, welches eine typische gelbrote bis gelbbraune Färbung aufweist und auch dunkelrot bis schwarz sein kann. Bei der Bildung von Rost erfolgt eine chemische Reaktion von Fe 2+- Ionen mit OH - -Ionen zu Eisenhydroxid: Fe 2+ + 2(OH) - → Fe (OH) 2 44 3 Korrosionsschutz der Bewehrung <?page no="45"?> Durch weitere Reaktion mit Sauerstoff: 4 Fe (OH) 2 + O 2 → 4 Fe O(OH) + 2 H 2 O (Rost) oder X * Fe (OH) 2 + y* O 2 → Rost erfolgt die Bildung von Rost. 3.2.5 Einflüsse auf die Korrosionsgeschwindigkeit Die anodischen und kathodischen Teilprozesse laufen gleichzeitig entweder an getrennten Orten, räumlich getrennte Anode und Kathode, oder am selben Ort ab. Beide Prozesse verlaufen in Abhängigkeit vom elektrochemischen Potential zwischen dem Stahl und dem Elektrolyten. Wird einer der beiden Teilprozesse unterbunden, so kann der Korrosionsprozess nicht ablaufen. Die folgenden Parameter bestimmen, ob und mit welcher Geschwindigkeit die Korrosionsre‐ aktion abläuft: • elektrochemisches Potential des Stahls • elektrolytische Leitfähigkeit des Betons/ relative Luftleuchte in den Betonporen • Sauerstoffkonzentration im Beton Diese Parameter können also grundsätzlich dazu dienen, den Korrosionsvorgang zu steuern bzw. zu unterbinden und damit einen Korrosionsschutz zu realisieren. Für den Ablauf der Korrosion von Stahl an der Atmosphäre (atmosphärische Korrosion) ist ein Elektrolytfilm auf der Stahloberfläche erforderlich. Dieser entsteht durch Sorptionsschichten von Wasser auf der Stahloberfläche als Funktion der relativen Luftleuchte der Umgebung. Bei einer relativen Luftleuchte von kleiner 70 % wird daher die Korrosionsgeschwindigkeit im Allgemeinen vernachlässigbar klein, weil sich kein Elektrolytfilm auf der Stahloberfläche ausbildet. 3.3 Korrosion und Korrosionsschutz der Bewehrung im Beton 3.3.1 Betontechnologie und Passivierung der Bewehrung Der Beton (Zementbeton) wird aus Wasser, Zement und mineralischer Gesteinskörnung herge‐ stellt. Er bildet im Verlauf seiner Erhärtung ein Gefüge aus der Gesteinskörnung und den Hydratationsprodukten des Zements (Zementstein) aus, das von Poren verschiedener Größe durchsetzt ist. Je nach Größe der Poren und ihren Eigenschaften unterscheidet man verschiedene Arten der Poren im Beton, nämlich: Gelporen: Durchmesser kleiner 10 -2 µm Kapillarporen: Durchmesser von 10 -2 µm bis 1 µm bis 10 µm Luftporen: Durchmesser größer gleich 10 µm (überwiegend 0,1 mm bis2 mm). Während die verhältnismäßig weiten Kapillarporen und Luftporen austrocknen können, sind die Gelporen des Zementsteins bei normalen Umgebungsbedingungen immer mit Wasser gefüllt. So enthält der Beton stets einen gewissen Anteil an Wasser. Der Wassergehalt des Betons steht dabei im Gleichgewicht zum Feuchtigkeitsangebot der Umgebung (Gleichgewichtsfeuchte), d. h., er ist abhängig von der relativen Luftfeuchtigkeit der Umgebung. Der Zusammenhang zwischen der 45 3.3 Korrosion und Korrosionsschutz der Bewehrung im Beton <?page no="46"?> Umgebungsleuchte (relative Luftfeuchtigkeit) und dem Wassergehalt des Betons wird durch die sog. Sorptionsisotherme des jeweiligen Betons [3, 4] beschrieben. Eine charakteristische Eigenschaft des Betons ist seine relativ hohe Alkalität von ca. pH 12,6, die er auch über längere Zeiträume bewahren kann. Dieser basische Charakter des Betons wird bedingt durch das bei der Hydratation des Zements gebildete Ca(OH) 2 , das sich im Verlauf der Hydratation an den Wandungen der Gelporen und Kapillarporen des Zementsteins ablagert. Somit wird das in den Gelporen des Zementsteins befindliche Wasser mit Ca(OH) 2 gesättigt. Ebenso wie die Gesteinskörnung wird auch der in dem Beton eingebettete Bewehrungsstahl fest und gut haftend von dem Zementstein umschlossen. Daher ist die Oberfläche der Bewehrung im Beton unmittelbar von einem alkalischen Elektrolyten aus einer gesättigten Ca(OH) 2 -Lösung umgeben, die den pH-Wert von ca. 12,6 aufweist. Wie aus der Elektrochemie bekannt [1,2], bedingen diese Verhältnisse in dem alkalischen Elektrolyten eine Passivierung der Stahloberfläche, die hier zum Korrosionsschutz der Bewehrung führt. Dabei spielt zunächst die Dichtigkeit des Betons für die Korrosionsschutzwirkung keine Rolle, solange die Alkalität des Betons an der Stahloberfläche erhalten bleibt. Somit stellt die Betonumhüllung im Allgemeinen eine ideale Korrosionsschutzmaßnahme für die Bewehrung dar, was dem Verbundwerkstoff Stahlbeton eine hohe Beständigkeit verleiht. Naturgemäß kann Beton nur vor Korrosion schützen, wenn er innig und fest haftend mit dem zu schützenden Stahl auf der gesamten Oberfläche verbunden ist. Das heißt, dass ein guter Verbund des Betons mit der Bewehrung und das Ausschließen von Lunkern des Betons am Stahl unbedingt erforderlich sind, damit die notwendige mikroskopisch lückenlose Umhüllung der Bewehrung mit Zementstein erzielt wird. In der Praxis des Stahlbe‐ tonbaus treten jedoch Erscheinungen auf, welche die Schutzwirkung des Betons sehr wesentlich beeinflussen können [2, 5, 6], vorzugsweise Mängel der Betondeckung im Zusammenhang mit der Karbonatisierung des Betons, aber auch Beeinträchtigungen durch zu breite Risse, unzureichende Betonqualität und nicht ausreichende Nachbehandlung des Betons. 3.3.2 Betondeckung der Bewehrung und Karbonatisierung des Betons Als Karbonatisierung des Betons bezeichnet man die Neutralisierung des Betonporenwassers, die durch saure Bestandteile der Luft (CO 2 , SO 2 ) von der Betonoberfläche ausgehend erfolgt. Kennzeichnend dafür ist, dass sich innerhalb des Betons - im Allgemeinen etwa parallel zur Betonoberfläche - eine verhältnismäßig scharfe Grenze zwischen alkalischem und nicht alkalischem Beton einstellt. Sieht man von den Ausnahmen ab, wie z. B. der Korrosion unter Chlorideinfluss, so stellt die Karbonatisierung des Betons eine der notwendigen Voraussetzungen für die Korrosion der Bewehrung dar. Erreicht die karbonatisierte Oberflächenzone des Betons die Bewehrung, so ist es maßgeblich von den Umgebungsbedingungen (relative Luftfeuchtigkeit) abhängig, ob es zur Korrosion der Bewehrung kommt oder nicht. Ein Korrosionsschutz durch Passivierung ist aber nicht mehr gegeben. Auf den zeitlichen Verlauf der Karbonatisierung wirken sich verschiedene Parameter des Betons und der Umgebung aus. Man muss sich bewusst sein, dass mehrere betontechnologische Einflüsse durch die Betonfestigkeitsklasse gemeinsam in gleichem Sinne erfasst werden [2, 5, 6]. Daher lässt sich in guter Näherung die Karbonatisierungstiefe als Funktion der Zeit in Abhängigkeit von der Betonfestigkeitsklasse beschreiben. Durch Einhaltung der Betondeckungsmaßnahme nach DIN 1045 wird im Allgemeinen sicher‐ gestellt, dass die Bewehrung dauerhaft im alkalischen Bereich des Betons verbleibt und auf diese Weise durch Passivierung vor Korrosion geschützt ist. 46 3 Korrosionsschutz der Bewehrung <?page no="47"?> 3.3.3 Korrosion der Bewehrung als Folge der Karbonatisierung des Betons Wenn die Karbonatisierungsfront der Betonoberfläche die außenliegende Bewehrung erreicht was z. B. bei unzureichender Betondeckung im laufe der Jahre der Fall sein kann, so ist eine Passivierung der Stahloberfläche nicht mehr gegeben, so dass eine Korrosion an der Bewehrung auftreten kann. Die Bruttoreaktion der bei dieser Korrosion ablaufenden Vorgänge lässt sich vereinfacht wie folgt beschreiben: 4 Fe (OH) 2 + 0 2 4 Fe O(OH) + 2 H 2 O (Rost) oder 2 Fe + 2 H 2 O + O2 → 2 Fe (OH) 2 (Rost) oder X * Fe (OH) 2 + y* O 2 → Rost Der Ablauf dieser Korrosionsreaktion setzt also die Anwesenheit von Wasser und Sauerstoff an der Oberfläche der Bewehrung voraus. Bei ungeschützten Stahlbetonbauteilen im Freien ist ein ausreichender Wassergehalt des Betons für die Korrosion immer gegeben und der Sauerstoffzutritt durch die Betonoberfläche zur Bewehrung findet ebenfalls statt. Deshalb kommt es dann zur Bildung von Rost, welcher im Regelfall an der Oberfläche der Bewehrung entsteht. Die Stahloberfläche wird also in Rost umgesetzt. Rost hat ein deutlich größeres Volumen als der Stahl im nicht gerosteten Zustand. So kann die Bildung von Rost an der Bewehrung zu Rissbildungen und zum Absprengen des Betons über der Bewehrung führen, was bevorzugt bei geringen Werten der Betondeckung auftritt. Auf diese Weise kommt es dann auch zu einer beschleunigten Korrosion der Bewehrung. 3.4 Korrosion durch Chloride im Beton 3.4.1 Ursache der Korrosion Die vorher beschriebene Korrosionsschutzwirkung des Betons für die Bewehrung kann durch die Anwesenheit von Chloriden beeinträchtigt werden. Im alkalischen Beton können Chloride die Passivschicht auf der Stahloberfläche zerstören und damit Korrosion auslösen. Im bereits karbo‐ natisierten Beton führen Chloride zu einer Beschleunigung der Korrosion. Die chloridbedingte Korrosion ist gekennzeichnet durch die Bildung von Lochfraßnarben in der Stahloberfläche, wodurch neben dem Stahlabtrag auch schädigende Kerbwirkungen am Stahl ausgelöst werden [2, 6]. Die Lochfraßnarben stellen dabei die Anode eines Korrosionselementes dar, während die Umgebung der Narben als Kathode wirkt. Wegen des ungünstigen Flächenverhältnisses (kleine Anode, große Kathode) kann es so zu hohen Korrosionsgeschwindigkeiten in den Narben kommen, was die Wirkung der Chloride so gefährlich macht. 3.4.2 Herkunft der Chloride im Beton und Parameter für die Korrosion Früher wurden zur Beschleunigung des Abbindens dem Beton Chloride zugegeben. Dies ist zwischenzeitlich untersagt und die Höchstmengen der Chloride, die durch die Bestandteile des Betons zugegeben werden dürfen, sind heute in DIN 1045-2 festgelegt. Der höchstzulässige Chloridgehalt von Beton ist in DIN EN 206 festgelegt. Aerosolische Chloride können zu einer Chloridbelastung von Stahlbetonoberflächen führen in küstennahen Bereichen durch die mit der Luftfeuchtigkeit transportierten Salze. In ähnlicher Weise können auch in Schwimmbädern die Chloride aus der Schwimmhallenluft an die Tragkon‐ struktion aus Stahlbeton gelangen. 47 3.4 Korrosion durch Chloride im Beton <?page no="48"?> Chloride können außerdem auch bei Bränden von PVC-Installationen freigesetzt werden und sich dann aus der Luft auf Betonoberflächen niederschlagen. Hierbei können beträchtliche Eindringtiefen in den Beton erreicht werden, insbesondere wenn zum Löschen der Brände Wasser eingesetzt wird und damit die Betonoberfläche durchfeuchtet wird. Der wesentliche Anteil, der heute in Bauwerken vorkommenden Chloride ist jedoch auf den Einsatz von Auftausalzen zurückzuführen. Daher treten überwiegend an Verkehrsbauwerken erhebliche Chloridschäden auf. Auf den Einsatz von Salzen wird man auch in Zukunft nicht verzichten können. Somit ist davon auszugehen, dass alle Brückenbauwerke, die dem öffentlichen Verkehr zugänglich sind, als chloridbelastet anzusehen sind. Bei vielen Parkhäusern und Tiefga‐ ragen wird heute auf den Einsatz von Auftausalzen verzichtet. Trotzdem wird mit den Fahrzeugen von den Straßen in großem Umfang Chlorid eingeschleppt, so dass trotzdem mit Chloridschäden zu rechnen ist. Die sich auf den Bauteiloberflächen niederschlagenden Chloride können auf unterschiedliche Weise in das Bauteilinnere gelangen. Als Transportmechanismen treten dafür im Wesentlichen die Diffusion und das kapillare Saugen der gelösten Chloride auf, wobei das kapillare Saugen die deutlich höhere Transportleistung für die Chloride ermöglicht [2]. Das Eindringen von Chloriden in den Beton erfolgt über das Porensystem des Zementsteins. Es ist ein zeitabhängiger Prozess und ist im Wesentlichen abhängig von der Porosität des Betons, Betongüte, Zementart, Nachbehandlung des Betons, Feuchtigkeit des Betons, Temperatur. Die Porosität des Betons ist ein wesentlicher Parameter für das Eindringen von Chloriden in den Beton. Somit führen alle Einflüsse, die den Porenraum verringern, zu einer Einschränkung des Transportes der Chloridionen. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass entsprechende betontechnologische Maßnahmen, wie die Reduzierung des Wasserzementwertes, lange Nach‐ behandlungszeiten des Betons und die Wahl hoher Zementgehalte zur Dauerhaftigkeit von chloridbeaufschlagten Stahlbetonbauwerken beitragen. Neben diesen betontechnologischen Parametern beeinflussen auch konstruktive Einflüsse die Dauerhaftigkeit des Betons. Insbesondere sind hierbei von Bedeutung: Betondeckung, korrosionsschutzgerechte Gestaltung [6] und die Ableitung chloridhaltiger Wässer Zusammenfassend sollen hier die maßgeblichen Parameter für die Korrosionsgeschwindigkeit der Bewehrung und für die Korrosionsgefahr aufgelistet werden [2]: • Chloridgehalt in Masse% bezogen auf das Zementgewicht des Betons. • pH-Wert des Betons (pH-Wert der wässrigen Lösung in den Poren des Zementsteines des Betons). Die Grenze der schädlichen Konzentration nimmt mit dem pH-Wert zu. 48 3 Korrosionsschutz der Bewehrung <?page no="49"?> • Chloridbindung im Zementstein. • Sauerstoffzutritt (Sauerstoffgehalt des Betons in der Umgebung der Bewehrung.) • Elektrische Leitfähigkeit des Betons (Wassergehalt, Salzgehalt). • Potential der Bewehrung (Elektrodenpotential), Bildung von Makroelementen. 3.4.3 Kritischer Chloridgehalt (Mindestkonzentration) Als kritischer Chloridgehalt wird derjenige Gehalt im Beton nahe der Bewehrung definiert, bei dessen Überschreitung die Passivität zerstört wird und Korrosion einsetzt. Diese Definition bezieht sich also auf den alkalischen, nicht karbonatisierten Beton in der unmittelbaren Umgebung der Bewehrung. Aus entsprechenden Untersuchungen wird im Allgemeinen geschlossen, dass Korrosionsschäden ab Chloridgehalten von 0,2 Masse% bis 0,5 Masse% des Zementgewichtes auftreten können [9]. Diese Mindestkonzentration ist abhängig von der Zementart, der Art der Chloridquelle, der Alkalität des Betons und den Umgebungsbedingungen. Es werden jedoch auch Werte zwischen 0,4 Masse% und 2,0 Masse% genannt. Ferner sind Untersuchungen bekannt geworden, bei welchen selbst Chloridgehalte von einigen Prozent nicht zu Korrosion führten. Auch baupraktische Erfahrungen zeigen, dass oftmals kein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Auftreten bzw. der Intensität einer Korrosion der Bewehrung und dem Chloridgehalt des Betons nahe der Bewehrung besteht [7]. Einen bestimmten, für alle Fälle in der Baupraxis gültigen Grenzwert des chloridgehalt es von Stahlbeton, bei dessen Überschreitung die Bewehrung zu korrodieren beginnt, gibt es somit nicht [2, 7]. Ob und in welchem Maße die Bewehrung in chloridhaltigem Stahlbeton korrodiert und vor allem ab welchem Chloridgehalt Korrosion möglich ist, hängt vielmehr von einer Reihe von Parametern ab, die hier bereits im Abschnitt 3.4.2 aufgeführt wurden. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Instandsetzungs-Richtlinie [8] einen Grenzwert von 0,5 Masse% des Zementgewichtes angibt, ab dem zur Bewertung des Sachverhalts ein Sachlundiger Planer hinzugezogen werden muss. 3.5 Wiederherstellung des Korrosionsschutzes (Übersicht) Für den Fall, dass eine Korrosion der Bewehrung eingetreten ist, weil die vorher beschriebe‐ nen Schutzvorgänge nicht mehr wirksam waren bzw. die beschriebenen Korrosionsvorgänge ausgelöst wurden, bieten sich eine Anzahl von Möglichkeiten der Wiederherstellung des Korro‐ sionsschutzes der Bewehrung an. Bei der gewählten lnstandsetzungsmaßnahme wird in den meisten Fällen nicht der ursprüngliche Zustand des Stahlbetonbauteils oder der Bewehrung wieder hergestellt. Vielmehr wird der bestehende Zustand konserviert und eine weitere Korrosion unterbunden. In der Technischen Regel Instandhaltung von Betonbauwerken und in DIN EN 1504 [24, 9] sind die verschiedenen Prinzipien und Verfahren als Möglichkeiten der Wiederherstellung des Korrosionsschutzes der Bewehrung beschrieben. Eine gute Übersicht gibt dabei Tabelle 2 in [9]. In [24], dort Tabelle 5, sind diejnigen Verfahren aus [9] aufgeführt, welche gemäß [24] angwendet werden dürfen. Die Beschreibungen in dieser Tabelle unterscheiden nämlich nach den maßgeblichen elektro‐ chemischen Schutzprinzipien wie folgt: 49 3.5 Wiederherstellung des Korrosionsschutzes (Übersicht) <?page no="50"?> • Passivität • elektrischer Widerstand des Betons / relative Luftfeuchte im Beton • kathodisch gesteuerter Schutz • kathodischer Korrosionsschutz • anodisch gesteuerter Schutz Auf die ensprechenden Prinzipien wird im Kapitel "Instandsetzungsverfahren“ diees Buches näher eingegangen. 3.6 Grundsätze für den Korrosionsschutz der Bewehrung nach der Instandsetzungs-Richtlinie 3.6.1 Allgemeines In der TR [24] wird unterschieden nach lnstandsetzungsprinzipien als Oberbegriff und daraus abgeleiteten Grundsatzlösungen für die einzelnen Verfahren des Korrosionsschutzes. Der Korrosionsschutz muss unter Berücksichtigung der elektrochemischen Korrosionsvor‐ gänge an der Stahloberfläche und der chemischen und physikalischen Zustände und Vorgänge im umgebenden Beton geplant werden. In Abhängigkeit vom jeweiligen lstzustand ist die Anwendung unterschiedlicher lnstandsetzungsprinzipien und daraus abgeleiteter Grundsatzlö‐ sungen möglich, um den Sollzustand zu erreichen. Diese Prinzipien und Lösungen sind in [24] dargestellt. Sie sind als Grundlage für den lnstandsetzungsplan zu verwenden. Kombinationen unterschiedlicher Grundsatzlösungen sind nur dann zulässig, wenn dabei wenigstens ein lnstand‐ setzungsprinzip vollständig befolgt wird. In Bereichen eines Bauteils mit gleicher Schadensursache, gleichem Schadensbild und gleicher Beanspruchung sind im gesamten Bereich durchweg einheitliche Maßnahmen zu ergreifen. Die Grundsatzlösungen beziehen sich auf die Planung des Korrosionsschutzes von nicht vorgespannter Bewehrung im Rahmen von Instandsetzungsarbeiten. Für stählerne Einbauteile können sie sinngemäß angewandt werden. Die Querschnittsminderung des Stahles infolge Korrosionsabtrags und die Kerbwirkung infolge Lochfraßkorrosion sind vom sachkundigen Planer zu beurteilen. Er hat auch die lnstandsetzungs‐ bedürftigkeit von gerissenen Betonbauteilen zu beurteilen. lnstandsetzungsmaßnahmen sind im Regelfall nicht erforderlich, wenn die Kriterien der Riss‐ breitenbeschränkung nach einschlägigen Normen und die dort festgelegten Anforderungen an die Qualität der Betondeckungsschicht eingehalten sind. Wenn die Anforderungen der geltenden Normen an die Qualität (Dicke und Dichtheit) der Betondeckung nicht eingehalten sind, muss eine Korrosionsschutzmaßnahme nur dann durchgeführt werden, wenn Korrosion vorliegt oder zu erwarten ist. Wenn die Betondeckungen nach der Instandsetzung kleiner sind als die Mindestwerte nach der DIN EN 1992 (Eurocode 2), müssen die Auswirkungen auf die Standsicherheit, insbesondere auf die Verankerung der Bewehrung, vom sachkundigen Planer nachgewiesen werden. 3.6.2 lnstandsetzungsprinzipien lnstandsetzungsprinzip 7 nach TR (Erhalt oder Wiederherstellung der Passivität) 50 3 Korrosionsschutz der Bewehrung <?page no="51"?> Mit unserer gewonnenen Erfahrung und der Fähigkeit zu lernen, versuchen wir uns ständig zu verbessern. Mit unserem Ingenieurgeist entwickeln wir uns vom damaligen Wegbereiter zum Erfahrungsträger. Wir möchten systemübergreifend unabhängig sein, aktiv kontrollieren und Ihnen Transparenz und Sicherheit über Ihr Bauwerk ermöglichen. W W W . A C T I V E C O N T R O L . I O P A R T N E R <?page no="53"?> Das Prinzip beruht auf der erneuten Bildung einer Passivschicht auf der Stahloberfläche (Repassivierung) durch Auftragen zementgebundener lnstandsetzungsstoffe. Dabei darf keine andere Beschichtung auf der Stahloberfläche vorhanden sein oder aufgetragen werden, welche die Repassivierung verhindert. lnstandsetzungsprinzip 8 nach TR (Erhöhung des elektrischen Widerstands) Das Prinzip beruht auf einer Absenkung des Wassergehaltes im Beton, die die elektrolytische Leitfähigkeit und relative Luftfeuchte im Beton so stark reduziert, dass die Korrosionsgeschwin‐ digkeit auf praktisch vernachlässigbare Werte gesenkt wird. lnstandsetzungsprinzip 10 (Kathodischer Korrosionsschutz) Durch gezielte Beaufschlagung der Bewehrung mit Fremdstrom über lnertanoden oder die Anordnung von Opferanoden wird erreicht, dass die gesamte Bewehrung kathodisch wird und ihre Korrosion auf diese Weise verhindert wird. Das lnstandsetzungsprinzip C (Beschichtung der Bewehrung) wird in der TR [24] im Gegensatz zur ursprünglichen Ausgabe der Instandsetzungs-Richtlinie nicht mehr aufgeführt. Es ist ein klassisches Prinzip für den Schutz von Stahlbauteilen. Das Prinzip beruht auf einer Verhinderung der anodischen Eisenauflösung durch Anordnung einer geeigneten Beschichtung auf der Stahl‐ oberfläche. 3.6.3 Vorbeugender Korrosionsschutz Kriterien Vorbeugende Maßnahmen sollen getroffen werden, wenn sonst eine Korrosion der Bewehrung innerhalb der angestrebten Nutzungsdauer des Bauteils zu erwarten wäre. Damit muss gerech‐ net werden, wenn der Beton ausreichend feucht ist und entweder die Karbonatisierung die Stahloberfläche erreicht oder in der Umgebung des Stahles ein kritischer, korrosionsauslösender Chloridgehalt überschritten wird. In ungeschützten Außenbauteilen ist stets von einer ausrei‐ chenden Feuchtigkeit auszugehen. Maßnahmen Die Maßnahmen richten sich nach der zu erwartenden Korrosionsursache. Das weitere Eindrin‐ gen von C0 2 und/ oder Chloriden ist durch geeignete Maßnahmen zur Erhöhung des Karbonati‐ sierungsbzw. Chlorideindringwiderstandes bis auf ein unschädliches Maß zu verlangsamen. In bestimmten Fällen kann ein teilweises Abtragen geschädigter Betonschichten erforderlich sein. 3.6.4 Grundsatzlösungen Die Grundsatzlösungen für die Wiederherstellung des Korosionsschutzes der Bewehrung sind in der TR [24], Teil 1, Abschnitt 6, im Einzelnen ausführlich beschrieben und können dort nachgelesen werden. Es ist aber wichtig darauf hinzuweisen, dass dort nach den folgenden Korrosionsursachen unterschieden wird • bei Korrosion als Folge einer Karbonatisierung des Betons • bei Korrosion durch Chlorideinwirkung. Deshalb sind eine fachgerechte Schadensdiagnose sowie ein entsprechendes lnstandsetzungskon‐ zept und ein lnstandsetzungsplan zwingend erforderlich. 51 3.6 Grundsätze für den Korrosionsschutz der Bewehrung nach der Instandsetzungs-Richtlinie <?page no="54"?> 3.6.5 Grundsatzlösung Kathodischer Korrosionsschutz Haupteinsatzgebiet des kathodischen Korrosionsschutzes sind Stahlbetonbauteile, die bis zur ersten Bewehrungslage oder auch in tiefer liegenden Zonen korrosionsauslösende Chloridgehalte enthalten. Der Korrosionsschutz erfolgt durch fremdstrominduzierte Polarisierung mit inerten Anoden. Die Wirksamkeit des kathodischen Schutzes ist an die Dauerhaftigkeit der Anoden während der Nutzungsdauer des Bauwerkes und die elektrolytische Leitfähigkeit des Betons gebunden. Die verwendeten Anodensysteme müssen über die Nutzungsdauer des Bauwerks den Stromübergang gewährleisten und eine hinreichende bautechnische Robustheit aufweisen. Außerdem dürfen sie sowohl nach dem Aufbringen des lnstandsetzungsbetons als auch im Betrieb die Verbundwirkung zwischen Alt- und Neubeton nicht beeinträchtigen. Die bautechnische Eignung und Dauerhaftigkeit der Anodensysteme sind nachzuweisen. Vor der Durchführung einer lnstandsetzungsmaßnahme mit kathodischem Schutz müssen von einem für dieses Verfahren sachkundigen Planer detaillierte Angaben zu folgenden Arbeitsschrit‐ ten gemacht werden: • Schadensdiagnose einschließlich ggf. erforderlicher Potentialfeld-messungen mit zusätzli‐ cher anodischer Polarisation • Widerstandsmessungen innerhalb der Bewehrung • Vorbereitung der Betonoberfläche zum Aufbringen der lnstandsetzungsbetonschale • Befestigung der Anoden ggf. einschließlich Einbettung in geeignete Reparaturwerkstoffe • Inbetriebnahme der Schutzanlage durch Einschaltmessungen 3.7 Beispiele und Sonderverfahren 3.7.1 Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) Die Anwendung von Wärmedämm-Verbundsystemen [10] auf instandzusetzenden Betonbautei‐ len ist dann sinnvoll, wenn auch der Wärmeschutz der Bauteile verbessert werden soll. Das ist für beheizte Bauwerke von Interesse, insbesondere Bereiche mit großen ungestörten Flächen bieten sich dafür an, z. B. Treppentürme. Wärmedämm-Verbundsysteme bestehen im Wesentlichen aus einer mehrere Zentimeter dicken Schicht eines Wärmedämmstoffes, die auf der tragenden Wand durch Verklebung (evtl. auch durch zusätzliche Verdübelung) befestigt wird, und einer mehrlagigen, armierten Putzbeschichtung. Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) bedürfen einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulas‐ sung des Deutschen Instituts für Bautechnik, Berlin. In der Zulassung sind weitere systembezo‐ gene Hinweise und Anforderungen für die Anwendung gegeben. Die Wirkungsweise des WDVS für den Korrosionsschutz der Bewehrung beruht maßgeblich auf der Veränderung der bauphysikalischen Situation der ursprünglichen Außenwand infolge der Aufbringung der außenliegenden Wärmedämmung. Dadurch werden die im Stahlbetonbauteil auftretenden Temperaturspannen begrenzt mit der Folge einer maßgeblichen Begrenzung der relativen Luftfeuchte im Stahlbeton im Vergleich zu dem ursprünglich direkt bewitterten Außen‐ bauteil. Außerdem bilden die WDVS einen gewissen Diffusionswiderstand für Sauerstoff (O 2 ) und für Kohlendioxid (CO 2 ) aus. Durch entsprechende Anstriche kann der Diffusionswiderstand für CO 2 über den Wert sd (CO 2 )= 50 m eingestellt werden. Um die bauphysikalische Wirkung sicher zu erreichen, sollte der Wärmedurchlasswiderstand mindestens 1/ A = 1,0 m 2 K/ W betragen. Das 52 3 Korrosionsschutz der Bewehrung <?page no="55"?> P L A N U N G Zu unseren Leistungen gehören die Planung, Anwendung, Projektsteuerung/ -leitung, Inspektion, Einregelung, Wartung, Entwicklung von Softwarelösungen sowie Mess- und Regeltechnik mit Schwerpunkt elektrochemische Instandsetzungsverfahren. OLÁ - HALLO M A S S G E S C H N E I D E R T E L Ö S U N G E N B E R A T U N G Z U S T A N D S - E R F A S S U N G A U S F Ü H R U N G W A R T U N G HANNS-MARTIN-SCHLEYER-STRASSE 37A 41 199 MÖNCHENGLADBACH OLA@CATODICA .DE MEHR INFOS. ANFRAGEN AN: U N S E R E L E I S T U N G E N P A R T N E R <?page no="57"?> entspricht einer Dicke des Wärmedämmstoffes von ca. 4 cm. Heute werden WDVS meist mit einer Dicke von größer 10 cm angewendet, so dass diese Anforderung problemlos erfüllt wird. Im Sinne von DIN EN 1504-9 und der TR beruht die Wirksamkeit eines WDVS maßgeblich auf dem Schutzprinzip „Erhöhung des elektrischen Widerstandes des Betons (Prinzip 8). Außerdem wirkt sich das Schutzprinzip „Begrenzung/ Verhinderung der kathodischen Reaktion (Prinzip 9 gemäß [9] aus, da auch eine Begrenzung des Sauerstoffgehaltes im Beton erreicht wird. 3.7.2 Elektrochemischer Chloridentzug Durch das Verfahren des elektrochemischen Chloridentzuges lässt sich auf zerstörungsfreiem Wege eine Reduzierung des Chloridgehaltes in Stahlbetonkonstruktionen erzielen [13, 14]. Dabei nutzt man den Sachverhalt aus, dass Chloride im Beton dissoziiert sind, d. h., die Chloride liegen als negativ geladene Ionen e r vor. Durch Installation eines elektrischen Feldes kommt es zur Auswanderung dieser Ionen aus dem Beton heraus. Für die Durchführung dieses elektrochemischen Verfahrens bringt man eine Elektrolytschicht aus Zellulose auf die Betonoberfläche auf, in welche eine Anode eingebettet wird. Auf diese Weise wird die Anode elektrolytisch leitend an den Beton angeschlossen. Die obere Bewehrungslage wird dann an den Minus-Pol einer Gleichstromquelle angeschlossen und bildet so die Kathode, die Anode an den Pluspol. In dem elektrischen Feld zwischen Anode und Kathode wandern die er-Ionen zur Anode und damit in die Elektrolytschicht außerhalb des Betons. Auf diese Weise verringert sich die Konzentration der Chloride innerhalb des Betons. Die Wirksamkeit des Verfahrens ist von mehreren Parametern abhängig: • Unterschiede in der Dichtigkeit des Betons • Unterschiede im Gehalt an Ionen verschiedener Art • Schwachstellen im Beton, wie Risse und Kiesnester • Unterschiede der Durchleuchtung des Betons • Bewehrungsführung Deshalb muss die Maßnahme so gesteuert werden, dass ein ausreichendes Ergebnis erzielt wird. Dazu ist es empfehlenswert, die folgenden Kennwerte zu ermitteln: • Karbonatisierungstiefe • Verteilung der Betondeckung • Korrosionsneigung der Bewehrung (Potentialmessungen) • elektrischer Widerstand der Betondeckung • elektrochemisches Verhalten im wassergesättigten Zustand In [13] wird beispielhaft über die Anwendung des elektrochemischen Chloridentzugs berichtet. Für die Durchführung des Verfahrens wurden hierbei geeignete Felder eingerichtet. Diese können sowohl auf horizontalen Flächen als auch auf vertikalen Flächen eingerichtet werden. Die üblichen Behandlungszeiten betragen 10 bis 20 Tage, aber auch bis zu 60 Tagen. In diesem Zeitraum konnten die Chloridgehalte von ca. 1,3 Masse-% (bezogen auf Zement) bzw. 0,7 Masse-% auf einen Zielwert unter 0,3 % vermindert werden, so dass der kritische Chloridgehalt von 0,4 % bzw. 0,5 % wirksam unterschritten werden konnte (13]. Bei diesem Verfahren kann naturgemäß das Chlorid nur in dem Betonbereich entfernt werden, welcher zwischen der als Kathode geschalteten Bewehrung und der Betonoberfläche liegt. Deshalb besteht die Gefahr einer erneuten Chloridbelastung infolge einer Diffusion der Chloride 53 3.7 Beispiele und Sonderverfahren <?page no="58"?> aus dem Beton hinter der Bewehrung. Im Falle von tiefgreifender Chloridbelastung in hoher Konzentration kann aus diesem Grund das Verfahren unzureichend oder ungeeignet sein. 3.7.3 Realkalisierung des karbonatisierten Betons durch Diffusion Dieses Verfahren erfordert das Auftragen von zementhaltigem Beton oder Mörtel auf die Oberfläche des karbonatisierten Betons. Es entspricht dem Prinzip 7.4 der TR [24]. In dieser neuen alkalischen Beton- oder Mörtelschicht liegt im Porenwasser eine gesättigte CaOH 2 -Lösung vor. Wegen der hohen Konzentration an OH - -Ionen wandern diese nun infolge Diffusion in den karbonatisierten Beton, der keine OH - -Ionen enthält. Auf diese Weise kann der karbonatisierte Beton zwar realkalisiert werden (15], der Korrosionsschutz der Bewehrung wird jedoch nicht zuverlässig erreicht (16]. Dabei muss man sich bewusst sein, dass in dem realkalisierten Beton keine gesättigte Ca(OH) 2 -Lösung in den Poren vorliegt. Somit kann dieser Beton relativ schnell karbonatisieren, wenn der Zutritt von CO 2 nicht wirksam verhindert wird. Wenn man die Betonrandzone anstelle des Auftrages von Mörteln oder Beton ausreichend lange mit einer gesättigten Calciumhydroxidlösung tränkt, kann der notwendige pH-Wert für den alkalischen Korrosionsschutz wieder hergestellt werden [17]. Um die Wirkung lange aufrecht zu erhalten, muss nach der Tränkung eine Schutzbeschichtung aufgebracht werden. 3.7.4 Elektrochemische Realkalisierung des karbonatisierten Betons Bei dieser temporär durchzuführenden Methode soll der pH-Wert des Porenwassers im Beton durch Eindringen eines alkalischen Elektrolyten von der Betonoberfläche aus angehoben wer‐ den sowie eine Repassivierung der Bewehrung durch elektrochemische Reaktionen an der Stahloberfläche erreicht werden. Bei dieser Methode bringt man auf die Betonoberfläche einen alkalischen Elektrolyten auf, in welchen ein Anodengitter eingebettet wird. Durch Anlegen einer Gleichspannung an die Anode und an den Bewehrungsstahl wird dieser zur Kathode. An der Kathode können nun durch zwei verschiedene Reaktionen an der Kathode OH - -lonen gebildet werden: A. 2H 2 O + 2e - → H 2 + 2OH - B. 0 2 + 2H 2 O + 4e - → 4OH - Bislang liegen nur Laboruntersuchungen zu diesem Verfahren vor [18 - 21]. Dabei hat sich gezeigt, dass es im Grundsatz möglich ist aktiv gewordene Stahloberflächen zu repassivieren. Der maßgebliche Vorgang dabei ist die Erzeugung von OH - -Ionen durch die oben beschriebene elektrochemische Reaktion am Bewehrungsstahl. Demgegenüber ist ein von der Betonoberfläche her ausgehendes Eindringen des alkalischen Elektrolyten von untergeordneter Bedeutung. Versuche zur Beurteilung der Dauerhaftigkeit einer solchen Realkalisierungsbehandlung haben gezeigt, dass unter den vorgegebenen Bedingungen solche Veränderungen auftreten können, die zu einer erneuten Depassivierung führen [19]. Weitere Untersuchungen [20] haben gezeigt, dass durch diese Realkalisierung keine dauerhafte Repassivierung von bereits korrodiertem Bewehrungsstahl erzielt werden kann. Insbesondere kann eine stark korrodierte Stahloberfläche nicht repassiviert werden. Insofern kann diese Methode eine vorbeugende Maßnahme darstellen, aber als lnstandsetzungsmethode bei bereits eingetretener Korrosion der Bewehrung ist sie nicht geeignet [20]. 54 3 Korrosionsschutz der Bewehrung <?page no="59"?> 3.7.5 Kathodischer Korrosionsschutz Die Prinzipien des kathodischen Korrosionsschutzes sind seit langen Jahren bekannt. Überwie‐ gend stellt der kathodische Schutz ein zusätzliches Korrosionsschutzverfahren für beschichtete Stahloberflächen dar. So wird beispielsweise bei erdverlegten Rohrleitungen der Bereich von Fehlstellen oder Poren der Beschichtung auf diese Weise vor Korrosion geschützt. Seit ca. 30 Jahren befasst man sich nun auch mit der Möglichkeit des kathodischen Korro‐ sionsschutzes der Bewehrung im Stahlbeton. Die Korrosion des Bewehrungsstahles in einem chloridhaltigen und/ oder karbonatisierten Beton ist abhängig vom Potential zwischen Beton und Stahl [1, 2, 6, 21, 22]. Eine Veränderung dieses Potentials in negativer Richtung infolge einer kathodischen Polarisation bewirkt bei ausreichender Stromdichte einen vollständigen Korrosionsschutz, welchen man als kathodischen Korrosionsschutz bezeichnet. In Stahlbetonbau‐ werken kann dieser kathodische Korrosionsschutz durch Polarisierung unter Einsatz einer inerten Fremdstromanode erfolgen. Die Anode wird in den Beton eingebaut und an den Pluspol einer Gleichspannungsquelle angeschlossen. Die Bewehrung wird an den Minuspol angeschlossen und bildet so die Kathode. Das Potential der Kathode misst man mit geeigneten Bezugselektroden. Beim Betrieb einer solchen kathodischen Schutzanlage ergeben sich die folgenden Reaktionen an der Kathode und Anode: Kathode (Bewehrungsstahl) O 2 + 2H 2 0 + 4e - → 4 0H - Anode (Anodenwerkstoff) 4 OH - → H 2 O +O 2 + 4e - So erfolgt gleichzeitig eine Alkalisierung in der Umgebung der Bewehrung, wie bereits im Abschnitt 3.7.4 beschrieben, sowie eine Verminderung des pH-Wertes an der Anode. Bei Anwesenheit von Chloriden wandern diese unter der Wirkung des elektrischen Feldes in Richtung Anode (siehe Abschnitt 3.7.2). Ein entgegengesetzter Kationenstrom erfolgt in Richtung zum Bewehrungsstahl. Schädliche Nebenwirkungen sind bei baupraktischen Stromdichten nicht zu erwarten. Der kathodische Korrosionsschutz kann als vorbeugende Maßnahme bei neuen Stahlbeton‐ konstruktionen vorgesehen werden. Von vorrangigem Interesse ist der kathodische Korrosions‐ schutz aber für solche Stahlbetonbauwerke, die bis zur ersten Bewehrungslage und auch in tiefer liegenden Zonen hohe Chloridgehalte aufweisen, welche zur Depassivierung der Stahloberfläche führen. Die langfristige Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen zum kathodischen Korrosionsschutz ist abhängig von der Dauerhaftigkeit der Anoden. Die eingebauten Anodensysteme müssen für die Nutzungsdauer der Schutzmaßnahme bzw. des Bauwerkes den Stromübergang sicherstellen. Damit während des Einbaus keine Beschädigungen auftreten, müssen sie eine entsprechende bautechnische Robustheit aufweisen. Ferner dürfen sie im Falle der Einbettung im Spritzbeton die Verbundwirkung zwischen Altbeton und Spritzbeton nicht beeinträchtigen. Die bautechnische Eignung und Dauerhaftigkeit der Anoden ist durch geeignete Untersuchun‐ gen nachzuweisen. Die bautechnische Durchführung einer lnstandsetzungsmaßnahme durch kathodischen Kor‐ rosionsschutz lässt sich durch die folgenden Arbeitsschritte grob beschreiben: • Schadensdiagnose • Widerstandsmessung innerhalb der Bewehrung • Ankopplung bei fehlender elektrischer Verbindung der Bewehrung • Oberflächenvorbereitung der Betonoberfläche für den Auftrag von Beton/ PCC-Mörtel 55 3.7 Beispiele und Sonderverfahren <?page no="60"?> • Abtrag des Altbetons bis zur Bewehrung im Falle großflächiger Schäden und Auftrag einer ersten Lage Beton • Befestigung der Anoden auf dem Altbeton bzw. auf der ersten Lage aus Beton/ PCC-Mörtel • Einbettung der Anoden in Beton/ PCC-Mörtel • Inbetriebnahme der Schutzanlage durch Einschaltmessungen zur Erzielung der Schutzkrite‐ rien • Kontrolle des Systems durch Depolarisationsmessungen in geeigneten Zeitabständen (z. B. 1 Jahr). Trotz der Regelungen des kathodischen Korrosionsschutzes in DIN EN 12696 [23] setzt die Anwendung dieses Korrosionsschutzverfahrens spezielle Kenntnisse und Erfahrungen beim sachkundigen Planer voraus. Im Regelfall wird man daher zusätzliche Fachleute hinzuziehen, da sich die Anwendung des kathodischen Korrosionsschutzes im Stahlbetonbau in den vergangenen Jahren zu einem eigenständigen Fachgebiet entwickelt hat. 3.7.6 Weitere Verfahren Der Vollständigkeit halber werden hier weitere Verfahren für den Korrosionsschutz der Beweh‐ rung genannt. Diese Verfahren sind nur bei der Herstellung der Stahlbetonbauteile anwendbar und eignen sich normalerweise nicht für die Anwendung bei der Instandsetzung. Diese Verfahren sollen den Korrosionsschutz der Bewehrung für den Fall verbessern, dass die Karbonatisierungs‐ front die Bewehrung erreicht bzw. dass korrosionsauslösende Chloridgehalte im Beton auftreten. Es handelt sich um die folgenden Verfahren: - Bewehrung mit werkmäßiger Beschichtung - feuerverzinkte Bewehrung - nichtrostender Betonstahl - Inhibitoren im Beton. Diese Verfahren sollen hier nicht weiter abgehandelt werden, da es sich um Spezialanwendungen handelt, die nur in sehr seltenen Fällen zum Einsatz kommen. Diese Verfahren werden aber in der Fachliteratur eingehend diskutiert [2, 6]. 3.8 Literatur [1] H. Kaesche: Korrosion der Metalle; Springer Verlag, Berlin, 1990. [2] U. Nürnberger: Korrosion und Korrosionsschutz im Bauwesen; Bauverlag, Wiesbaden und Berlin, 1995. [3] G. Rieche u. a.: Sachstandsbericht zur Messung der Feuchte von mineralischen Baustoffen; Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, 2004. [4] G. Rieche: Neue Wege der Feuchtemessung und Beurteilung von Estrichen und Beton; Beton- und Stahlbetonbau 99 (2004) 794 - 797. [5] G. Rieche: Instandsetzung von Stahlbeton bei Schäden infolge Korrosion der Bewehrung; Deutsche Bauzeitschrift 30 (1982) 1011 - 1017. [6] U. Nürnberger, B. lsecke, B. Neubert, G. Rieche: Korrosionsschutz im Massivbau - Vermeidung und Sanierungvon Korrosionsschäden im Stahl- und Spannbeton; Kontakt und Studium, Band 297, Expert Verlag, Ehningen, 1991. 56 3 Korrosionsschutz der Bewehrung <?page no="61"?> [7] G. Rieche, S. Wehrle: Baupraktische Erfahrungen bei der Instandsetzung chloridbelasteter Parkhäuser aus Stahlbeton - Schadensdiagnose, lnstandsetzungsmaßnahme, Erfahrungen; Werkstoffe und Korrosion 53 (2002) 401 - 407. [8] DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs-Richtlinie)", Okto‐ ber 2001. [9] DIN EN 1504-9: 2008-11; Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontrag‐ werken, Teil 9: Allgemeine Prinzipien für die Anwendung von Produkten und Systemen. [10] DIN 55699: 2017-08; Verarbeitung von Wärmedämm-Verbundsystemen. [11] entfällt. [12] entfällt. [13] H.-R. Eicher! u. a.: Elektrochemischer Chloridentzug; Beton 42 (1992) 209 - 213 [14] A. Cobo u. a.: Elektrochemische Chloridentfernung an Stahlbetonbauwerken und Möglichkeiten der Repassivierung vorgerosteter Stahloberflächen; Werkstoffe und Korrosion 52 (2001) 581 - 589. [15] Th. A. Bier: Karbonatisierung und Realkalisierung von Zementstein und Beton; Schriftenreihe des Instituts für Massivbau und Baustofftechnologie der Universität Karlsruhe, Heft 4 (1988). [16] R. Breitenbacher und C. Solacolu: Untersuchungen zur Dauerhaftigkeit der Realkalisierung von carbonatisiertem Beton; Beton- und Stahlbetonbau 90 (1995) 116 - 119. [17] F. H. Wittmann u.a.: Nachweis der Wirksamkeit einer realkalisierenden Maßnahme; Bauinstandsetzen 8 (2002) Heft 1, 115 - 121. [18] J. Mietz: Elektrochemische Realkalisierung zur Instandsetzung von Stahlbetonbauten; Werkstoffe und Korrosion 46 (1995) 527 - 533. [19] J. Mietz, B. lsecke: Elektrochemische Realkalisierung zur Instandsetzung korrosionsgefährdeter Stahl‐ betonbauteile; Kurzberichte aus der Bauforschung 38 (1997) 111 - 115. [20] J. A. Gonzales: Zur Wirksamkeit der Realkalisierung als lnstandsetzungs-methode für korrodierte Stahlbetonbauwerke; Werkstoffe und Korrosion 51 (2000) 97 - 103. [21] L. Bertolini: Durch kathodischen Schutz induzierte Repassivierung von Stahl in karbonatisiertem Beton; Werkstoffe und Korrosion 54 (2003) 163 - 175. [22] M. Raupach: Kathodischer Korrosionsschutz im Stahlbetonbau; Beton 42 (1992) 674 - 676. [23] DIN EN ISO 12696: 2017-05; Kathodischer Korrosionsschutz von Stahl in Beton. [24] Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung), Deutsches Insitut für Bautechnik, Mai 2020. [25] DIN EN 1992-1-1, Eurocode 2. 57 3.8 Literatur <?page no="63"?> 4 Untergrund von Beton und Stahl M. Schröder 4.1 Eigenschaften und Anforderungen 4.1.1 Zusammenfassung Oberflächenschutz- und lnstandsetzungsmaßnahmen an Beton- und Stahlbetonbauteilen beinhal‐ ten das Vorbereiten der Oberflächen, bevor die entsprechenden Stoffe appliziert werden. Da viele Mängel aus fehlender, unzureichender oder fehlerhafter Untergrundvorbereitung resultieren, wird diesem Teil der Arbeiten besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Die Behebung sich hieraus ergebender Schäden ist besonders aufwendig, weil in vielen Fällen alle aufgebrachten Schichten abgetragen werden müssen und der gesamte Aufbau erneut vorzunehmen ist. Zunächst werden die Eigenschaften aufgezeigt, die von Oberflächen und oberflächennahen Schichten der Bauteile im Bestand vorhanden sein können und für die weiteren Maßnahmen zu berücksichtigen sind. Dann wird beschrieben, welche Anforderungen zu stellen sind, um Beschichtungen und Betonersatzstoffe auf den vorbereiteten Untergrund aufbringen zu können. Unter 4.2 werden die Verfahren zur Oberflächenvorbereitung und zur Prüfung des Untergrundes behandelt. 4.1.2 Einleitung Voraussetzung für einen guten Verbund von Beschichtungsstoffen und Reparatur-Mörteln/ -Beto‐ nen mit Stahlbeton ist ein tragfähiger Untergrund ohne arteigene oder artfremde Trennschichten. Außerdem muss die Kontaktfläche eine Oberflächentextur aufweisen, die einen möglichst inni‐ gen, dauerhaften und fehlstellenfreien Verbund der aufzubringenden Stoffe unter Einhaltung der vorgegebenen Schichtdicken ermöglicht, so dass während und nach deren Erhärtung auftretende Grenzflächenspannungen keine Haftverluste zur Folge haben. Um das zu erreichen, sind geeignete Verfahren zur Vorbereitung der Kontaktflächen im Rahmen von Schutz- und lnstandsetzungsmaßnahmen vorzusehen. Haftungsmindernde Einflüsse sind zu beseitigen bzw. zu vermeiden. Hierbei ist eine Vielzahl von zum Teil objektspezifischen Anforderungen zu erfüllen und die den Umständen entsprechend geeigneten Verfahrensweisen, auch unter den Gesichtspunkten des Umweltschutzes auszuwählen. Dem mit der Beurteilung und Planung beauftragten „sachkundigen Planer“ fällt dabei ein großer Entscheidungsspielraum zu. Fragen der Standsicherheit sind ggf. durch Hinzuziehung eines Tragwerkplaners gesondert verantwortlich zu beurteilen. Die Abmessungen und das Profil der Bauteile dürfen durch das gewählte Verfahren nicht mehr als unumgänglich verändert werden. Bei den nachfolgend beschriebenen Eigenschaften der oberflächennahen Schichten und Anforderungen an den Untergrund sowie den vorgestellten Verfahren zur Vorbereitung und Prüfung werden die wesentlichen Kriterien und Unterschiede aufgezeigt. Neben den langjährigen Erfahrungen des Verfassers werden selbstverständlich auch die Angaben in den einschlägigen Regelwerken berücksichtigt: <?page no="64"?> 4.1.3 Eigenschaften Die Eigenschaften von Bauteilen im Bestand werden durch vielerlei Einflüsse während und nach Herstellung des Betons bestimmt. Dabei ist zwischen arteigenen Eigenschaften und artfremden, z. B. Belägen, zu unterscheiden. Arteigene Eigenschaften ergeben sich aus der Betonzusammensetzung und der Betonverarbei‐ tung, artfremde resultieren aus Einflüssen nach der Betonherstellung. Um Maßnahmen zur Untergrundvorbereitung für Schutz- und Instandsetzung von Beton‐ bauteilen planen und durchführen zu können, muss zunächst der vorhandene Zustand der Betonoberfläche geprüft und beurteilt werden. Das Ergebnis bestimmt Art und Intensität der zu wählenden Vorbereitungsmethoden. 4.1.3.1 Arteigene Eigenschaften 4.1.3.1.1 Festigkeit Die Qualität von Betonbauteilen wird in erster Linie über die Druckfestigkeit bestimmt. Die Festigkeit kann durch verschiedene Einflüsse, z. B. Frost, Säuren, Hydrolyse, stark herabgesetzt sein. Hierauf wird im Kapitel 2. „Stahlbeton Grundlagen“ ausführlich eingegangen. Bild 4.1: Mürber Beton durch Hydrolyse an einem Kühltropfbehälter 60 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="65"?> Nach TR werden im Bereich der lnstandsetzungsebene die Altbetonklassen A1-A5 nach dem Mittelwert der Druckfestigkeit (≤ 10 N/ mm² - >75 N/ m²) unterschieden (siehe auch unter 4.1.4.3.5 „Oberflächenzugfestigkeit“). 4.1.3.1.2 Kapillar-Porosität Diese ist vor allem eine Folge des w/ z bei der Herstellung des Betons und der Art, Intensität und Dauer der Nachbehandlung, die sich besonders auf die oberflächennahe Schicht des Betons auswirkt. Weiterhin wirkt sich die Carbonatisierung im Laufe der Jahre auf die Kapillarität des Betons günstig aus, da dessen Gefüge hierdurch dichter wird. 4.1.3.1.3 Carbonatisierung Carbonatisierung bewirkt eine Verengung des Porengefüges und demzufolge eine Erhöhung der Festigkeit im oberflächennahen Bereich. Andererseits sinkt infolge der Reaktion von Calcium‐ hydroxid mit dem Kohlendioxid der Luft zu Calciumcarbonat der pH-Wert des Betons von ca. 12,5 auf ca. 8, so dass der Korrosionsschutz für den Bewehrungsstahl nicht mehr sichergestellt ist, d. h. der Stahl verliert unter pH 9,5 seine Passivierung auf seiner Oberfläche und liegt dann in Korrosionsbereitschaft. Wenn genügend Luftsauerstoff und Wasser vorhanden sind, beginnt der Stahl zu rosten. Da Rost etwa das 2,5-fache an Volumen gegenüber Stahl einnimmt, kommt es zu Sprengdruck und demzufolge zu Rissen, Aufwölbungen und Abplatzungen an der Bauteiloberfläche. Deshalb ist es erforderlich, sich über den Carbonatisierungs-Fortschritt für die Planung von Schutz- und Instandsetzungs-Maßnahmen Klarheit zu verschaffen. Dieser ist abhängig von der Betonrezeptur, insbesondere Zementart, Zementgehalt und w/ z, Art und Dauer der Nachbehandlung, den Umweltbedingungen (CO 2 -Gehalt und Feuchte der Luft) sowie dem Alter der Bauteile, da der Fortschritt nach dem Wurzel-Zeit-Gesetz verläuft und deshalb mit zunehmendem Alter abnimmt. 4.1.3.1.4 Kiesnester Kiesnester entstehen bei der Herstellung von Beton durch Entmischen beim Einbau und man‐ gelhaftes Verdichten. Soweit diese Kiesnester an der Betonoberfläche liegen, werden sie als Hohlräume nach dem Entschalen sichtbar, insbesondere nach Vorbereitung der Oberfläche. Kiesnester sind vollständig zu öffnen und zu verfüllen. 4.1.3.1.5 Risse Risse entstehen durch Zwang, Schwinden, Hydratationswärme, Temperaturgefälle (auch bei Brand), statischer und/ oder dynamischer Belastung, Setzungen, Korrosion der Bewehrung, Eigenspannung. Es ist zwischen oberflächennahen Rissen und Trennrissen, die die gesamte Dicke oder zumindest den wesentlichen Teil des Bauteilquerschnitts umfassen, zu unterscheiden. Auf die Charakteristik von Rissen wird im Kapitel 9 „Füllen von Rissen“ näher eingegangen. 4.1.3.1.6 Hohlstellen Hohlstellen im oberflächennahen Bereich können durch Abklopfen mit einem Hammer und Beurteilung des hierbei hörbaren Klanges festgestellt werden. Als Folge fehlerhafter Herstellung, mechanischer Schädigungen, von Treiberscheinungen oder Korrosion stellen sie, wenngleich 61 4.1 Eigenschaften und Anforderungen <?page no="66"?> Bild 4.2: Nomogramm zur Abschätzung des Carbonatisierungs-Fortschritts von Beton in Abhängigkeit von verschie‐ denen Parametern nicht sichtbar, eine Quelle vorhandener und zukünftiger Schäden dar und müssen deshalb wie Kiesnester und Abplatzungen behandelt werden. 4.1.3.1.7 Abplatzungen Durch mechanische Beanspruchung (Schlag und Stoß), Frost-Tauwechsel und Frost-Tausalz‐ wechsel-Beanspruchung, treibende Inhaltsstoffe oder Korrosion des Bewehrungsstahls können Abplatzungen entstehen. Abplatzungen sind wie Kiesnester zu behandeln, nämlich vollständig freizulegen und der Beton an diesen Stellen zu reprofilieren. Eine Reparatur kann auch aus Gründen des Korrosionsschutzes der Bewehrung erforderlich sein. 62 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="67"?> Bild 4.3: Abplatzungen an einem Stützenfuß infolge Frost-Tausalz-Beanspruchung und Rostsprengung korrodieren‐ der Bewehrung 4.1.3.1.8 Bewehrungstahl Für Schutz- und lnstandsetzungsmaßnahmen an Stahlbeton spielen Lage und Zustand der Bewehrung eine große Rolle. Hierdurch wird außerdem die Wahl der Instandsetzungs- und Oberflächenschutz-Systeme entscheidend beeinflusst. Bewehrung kann bereits freiliegen, wenn bei der Herstellung des Betons keine Deckung erzielt wurde. Von mechanischen Schäden abgesehen, ist freiliegende Bewehrung jedoch meistens eine Folge von Stahlkorrosion infolge nicht ausreichender Betondeckung. Da Rost das ca. 2,5-fache an Volumen gegenüber Stahl einnimmt, entsteht Sprengdruck, der zu Rissen, Rostfahnen, Aufwöl‐ bungen und Abplatzungen die Betondeckung führen kann. Die Korrosion setzt eine Depassivierung der Stahloberfläche voraus, die durch Carbonatisie‐ rung des Betons und/ oder Chlorideinfluss (z. B. Tausalz) hervorgerufen wird. Außerdem müssen, wie bereits zum Ausdruck gebracht, Sauerstoff und Feuchte in ausreichendem Maß vorliegen. Die Korrosion der Bewehrung tritt normalerweise zuerst an der der bewitterten Fläche der Bauteile zugewandten Seite des Stahls auf, kann sich jedoch im Lauf der Zeit auch ringsherum um den Stahl ausbilden oder in seltenen Fällen, wenn der Korrosionsangriff an der Rückseite der Bauteile erfolgt (z. B. bei einem Schornstein durch Rauche und Gase), an der der äußeren Bauteilfläche abgewandten Seite. Obwohl zu geringe Betondeckung auch bei fortgeschrittener Carbonatisierung nicht immer zu sichtbaren Schäden führt, muss die Lage der Bewehrung, insbesondere die Dicke der Beton‐ deckung, festgestellt werden, um Schutzmaßnahmen richtig planen zu können. Liegen dicke Rostschichten und -krusten vor, ist es zweckmäßig, mit Schaber oder Nadelpistole vorzuarbeiten. Ein definitiver Oberflächen-Vorbereitungsgrad kann hiermit nicht erzielt werden. Wenn Chlorid die Korrosion auslöst, können bei erhöhter lokaler Chloridkomzentration einzelne Rostnarben (Lochfraß) auftreten. Korrosion durch Chloridangriff tritt auch im nicht carbonatisierten Bereich auf. Die Korrosionsprodukte infolge Salzeinwirkung sind schwarzbraun und führen, wenn nur narbiger Rost vorliegt, nicht unbedingt zu Aufwölbungen und Abplatzun‐ gen. 63 4.1 Eigenschaften und Anforderungen <?page no="68"?> Bild 4.4: Lochfraß am Stahl infolge hoher lokaler Chloridkonzentration 4.1.3.1.9 Zementschlämme, Feinmörtel, Zementhaut Schlämme und Feinmörtel stellen arteigene Schichten auf waagerechten oder schwach geneigten, abgezogenen, abgeriebenen oder geglätteten Flächen des Betons dar. Diese oberflächennahe Schicht ist durch hohen Wassergehalt, Verdursten wegen fehlender oder ungenügender Nach‐ behandlung sowie feines Korngefüge oft von geringer Festigkeit. Um einen festen Verbund zum Beton, vor allem für höher belastbare Beschichtungen, sicherzustellen, müssen sie entfernt werden, weil sonst in der Haftzone später auftretende Spannungen zu einem Versagen des Verbunds führen können. Bild 4.5: Schlämmeanreicherung an abgezogener Bodenfläche 64 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="69"?> Die äußere Schicht von geschaltem Beton, die sogenannte Zementhaut oder Zementsintersicht, die fälschlicherweise manchmal auch als Zementschlämme bezeichnet wird, besteht aus einer dünnen Schicht Zementstein. Diese Zementhaut kann, z. B. infolge ungenügender Nachbehand‐ lung, von niedriger, aber bei guter Nachbehandlung auch von hoher Festigkeit und Härte sein, stellt aber dennoch einen schlechten Haftgrund für aufzubringende Schichten dar wegen fehlen‐ der Rauheit, Lunkern und Poren sowie ggf. Resten von Trenn- und Nachbehandlungsmitteln. 4.1.3.1.10 Poren, Lunker Unter Poren versteht man in der Praxis kleine, unter Lunkern größere Öffnungen an der Beton‐ oberfläche. Der Begriff „Lunker“ wird in betontechnologischen Abhandlungen nicht verwendet, im Bereich der Betoninstandhaltung jedoch sehr wohl. Bild 4.6: Sichtbeton mit Poren und Lunkern Bei geschalten Flächen entstehen durch Luft- und Wassereinschlüsse Poren und Lunker, die häufig ganz oder teilweise mit einer dünnen Zementhaut überzogen sind, so dass sie die Form einer Kaverne aufweisen. Sie müssen aus diesem Grund durch das Vorbereiten des Untergrunds so weit geöffnet werden, dass sie einwandfrei verfüllt und Beschichtungen fehlstellenfrei aufgetragen werden können. 4.1.3.1.11 Trennmittel aus Nachbehandlung und Schalung Wenn das Nachbehandeln von Beton durch Aufsprühen von Schutzfilmen erfolgte oder bei geschalten Flächen Reste von Trennmitteln auf der Betonoberfläche vorhanden sind, können diese die Haftung von Beschichtungsstoffen beeinträchtigen und sind im Zuge der Untergrund‐ vorbereitung zu entfernen. Für den Frischbetonschutz kommen bei Bodenflächen auch Nachbehandlungsmittel zum Einsatz, die gleichzeitig als Grundierung für die nachfolgende Beschichtung wirksam werden (siehe unter 12.1 „Oberflächenschutz für Bodenflächen“). 65 4.1 Eigenschaften und Anforderungen <?page no="70"?> 4.1.3.1.12 Ausblühungen, Aussinterungen Ausblühungen und Aussinterungen entstehen durch das Herauslösen des Kalkes aus dem Beton durch Wasser und Transport über Risse auf die Betonoberfläche. Durch Verdunsten des Wassers wird der Kalk auf der Betonoberfläche abgelagert und cabonatisiert im Laufe der Zeit. Dadurch entstehende dünne kristallförmige Schichten auf jungem Beton werden als Ausblühungen, langjährige krustenförmige Ablagerungen infolge ständigen Wassereinflusses auf altem Beton werden als Aussinterungen bezeichnet. Im Zuge der üblicherweise durchzuführenden Untergrundvorbereitung werden Ausblühungen und Aussinterungen entfernt. Bild 4.7: Aussinterungen an einem Betonbunker des 2. Weltkriegs 4.1.3.1.13 Feuchte Beton trocknet im Inneren, insbesondere bei massigen Bauteilen, nie vollkommen aus, sondern weist immer eine Restfeuchte auf. Insofern gibt es keinen absolut trockenen Beton. Davon abgesehen, können Betonbauteile selbstverständlich durch Wasser von außen, also z. B. Regen, durchfeuchtet werden. Feuchter und in noch stärkerem Maße nasser Beton weisen niedrigere Festigkeiten als weitgehend trockener Beton auf. 66 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="71"?> 4.1.3.2 Artfremde Eigenschaften 4.1.3.2.1 Bewuchs Die Betonoberfläche kann je nach Beschaffenheit, Lage und Umgebung als Untergrund für Bewuchs dienen. Im Zuge der üblicherweise durchzuführenden Untergrundvorbereitung wird Bewuchs entfernt. Pflanzen können sich vor allen Dingen in Rissen, Ritzen, Kiesnestern u. ä. entwickeln, wenn sich dort ein nahrhafter Boden gebildet hat, auf dem Samen zum Keimen kommen kann. Wurzeln und Pflanzen können hierbei sogar Sprengwirkung und infolgedessen Abplatzungen herbeiführen. Moos kann sich vor allem auf waagerechten und geneigten, jedoch auch senkrechten Flächen ausbilden, wenn raue Oberflächentextur und feuchtwarmes Klima entsprechende Voraussetzun‐ gen bieten. Bild 4.8: Moos an einer Staumauer Algen- und Flechtenbildung werden ebenfalls durch raue Oberflächen und feuchtes Klima begünstigt. Eine rückstandslose Entfernung ohne abtragende Untergrund-Vorbereitungsmethode ist bei lunkerhaltigen Stahlbetonoberflächen schwierig. 4.1.3.2.2 Ablagerungen von Fremdstoffen Fremdstoffe können durch Emission, durch Befahren sowie durch Verschmutzung auf Betono‐ berflächen gelangen. Fremdstoffe stellen in der Regel Trennschichten für nachfolgende Schutz- und lnstandsetzungssysteme dar und müssen deshalb restlos entfernt werden. 4.1.3.2.2.1 Öle, Fette Sowohl mineralische als auch organische Öle und Fette, z. B. Maschinen- oder Bohröl sowie Fette bei der Herstellung von Genuss- und Nahrungsmitteln, können mehrere Zentimeter tief in den Beton eindringen und eine starke Trennwirkung auf Instandsetzungs- und Beschichtungsstoffe ausüben. Darüber hinaus führen Öle und Fette zu einer Verminderung der Festigkeit des 67 4.1 Eigenschaften und Anforderungen <?page no="72"?> Betons durch Herabsetzen der Haftkräfte zwischen Zementstein und Gesteinskörnung. Öl- und Fettsäuren üben eine lösende Zerstörung auf den Zementstein aus. Bild 4.9: Verölter Boden in der Industrie Neben den unter 4.2 aufgeführten Verfahren zur Vorbereitung des Betonuntergrundes werden bei öligen und fettigen Böden auch Tenside sowie Bakterienstämme zur Vorreinigung eingesetzt, was hier nicht näher behandelt wird. Bei Einsatz von Lösemitteln besteht die Gefahr, dass nur oberflächig eingedrungenes Öl/ Fett verdünnt wird und somit tiefer in den Beton eindringen kann. Nach dem Vorbereiten einer entölten bzw. entfetteten Fläche sollen für die Prüfung der Abreiß‐ festigkeit Kleber verwendet werden, die mit dem vorgesehenen Beschichtungsmaterial identisch oder diesem zumindest ähnlich sind. Damit wird nicht nur die Oberflächen-Zugfestigkeit des Betons geprüft, sondern gleichzeitig die erzielbare Haftung für die vorgesehene Instandsetzungs- oder Schutzmaßnahme ermittelt. 4.1.3.2.2.2 Paraffin, Wachs Ablagerungen von Paraffin und Wachs sind ähnlich wie Einwirkungen von Öl und Fett zu betrachten. Da die Viskosität von Paraffin und Wachs stärker temperaturabhängig ist, dringt es im Regelfall weniger tief in den Beton ein. 4.1.3.2.2.3 Gummi Durch Abrieb von Reifen entstehen auf befahrbaren Betonoberflächen Rückstände von Gummi, die eine sehr gute Haftung zum Untergrund besitzen und, vor allem im Kurvenbereich, hohe Schichtdicken bis mehrere Millimeter erreichen können. Diese Gummirückstände wirken als Trennschicht und müssen entfernt werden. 4.1.3.2.2.4 Schmutz, Staub Ablagerungen von Schmutz und Staub haften im Regelfall nur gering auf der Oberfläche und sind verhältnismäßig leicht zu entfernen. Auch bei einigen Verfahren zur Untergrundvorbereitung 68 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="73"?> kann Staub anfallen, der sich auf den Flächen niederschlägt und mit gesonderten Verfahren, z. B. Industriestaubsauger oder Druckwasserstrahlen, zu entfernen ist. Staubfreie oder staubarme Vorbereitungs-Maßnahmen sind zu bevorzugen. 4.1.3.2.2.5 Beschichtungsreste Bei Schutz- und lnstandsetzungsmaßnahmen an Altbauten sind häufig Beschichtungsreste unter‐ schiedlicher Art und Rohstoffbasis zu entfernen, bevor erneut beschichtet werden kann. In begründeten Fällen können fest haftende Altbeschichtungen verbleiben, wenn gute Haftung der nachfolgenden Beschichtung sichergestellt wird, z. B. durch Anstrahlen der Oberfläche (Pro‐ befläche), und der gesamte Beschichtungsaufbau bauphysikalisch (z. B. Wasserdampfdiffusion) hierdurch nicht nachteilig beeinflusst wird. Kunstharzlösungen weisen eine relativ hohe Chemikalienbeständigkeit auf und sind durch Lösemittel kaum wieder anzulösen. Mit einem Lösemitteltest, z. B. Keton, kann festgestellt werden, ob eine Dispersion vorliegt, da diese leichter anlösbar ist. Bild 4.10: Rostabsprengung an einer mit Dispersion beschichteten Balkonbrüstung (Testmagnet zeigt Betondeckung ≤ 8 mm) Aus Gründen des Umweltschutzes sollten jedoch keine Lösemittel zum Entfernen von Beschich‐ tungen verwendet werden. Ein derartiger Test dient lediglich dazu, das geeignete Material zum Überarbeiten zu ermitteln, falls restloses Entfernen nicht erforderlich oder nicht möglich ist. Ein Erneuerungsanstrich kann in den meisten Fällen auf eine fest haftende Altbeschichtung (Prüfung 69 4.1 Eigenschaften und Anforderungen <?page no="74"?> durch Gitterschnitt) nach Reinigung mit Heißwasserstrahlen aufgebracht werden. Dispersionen haften im Allgemeinen auch auf Beschichtungen mit lösemittelhaltigen Anstrichstoffen, so dass im Zweifelsfall eine Überarbeitung mit Dispersion erfolgen sollte. Anlegen und Prüfen einer Beschichtungsprobe ist in jedem Fall ratsam. Falls Beschichtungen auf Zement- oder Reaktionsharzbasis aufgetragen werden sollen, sind Beschichtungsreste von Lösungen und Dispersionen grundsätzlich restlos, z. B. durch Strahlen, zu entfernen. Reaktionsharzreste müssen entfernt werden, wenn Beschichtungsstoffe eingesetzt werden sollen, mit denen auch nach entsprechender Vorbereitung keine Haftung am Untergrund erzielt werden kann. Normalerweise kann jedoch mit einem Beschichtungsstoff auf gleicher Bindemit‐ telbasis wie die der fest haftenden Altbeschichtung, aber auch auf anderer Basis, gearbeitet werden, wenn die alte Oberfläche intensiv mechanisch angeraut wird, z. B. durch Strahlen mit Feststoff. Im Zweifelsfall sind Probeflächen anzulegen, die nach Aushärtung auf Haftzugfestigkeit zu prüfen sind, wobei die Abreißstempel bis zur Altbeschichtung vorgeschnitten werden sollen. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung handelt es sich bei den sogenannten Schwarzanstri‐ chen Bitumen und Teer um völlig unterschiedliche Rohstoffbasen. Während Bitumen durch Lösemittel. z. B. Testbenzin, leicht angelöst werden kann, ist Teer relativ lösemittelbeständig. Teer wird als kanzerogen eingestuft, so dass bei seiner Entfernung und Entsorgung entsprechend sorgfältig verfahren werden muss und geeignete Schutzmaßnahmen vorzusehen sind (siehe auch unter 13.3 „Praxisbeispiele mit schwierigen Aufgabenstellungen“). Beide Stoffe, Bitumen noch mehr als Teer, sind als Thermoplaste in ihrer Viskosität tempera‐ turabhängig. Deshalb ist mechanisches Abarbeiten besser bei niedrigen Temperaturen durchzu‐ führen, wenn diese Stoffe relativ spröde sind. Bitumen und Teer sind auch bei guter Haftung und nach Säuberung schlechte Untergründe für andersartige Beschichtungen. Ob es sich um Bitumen oder Teer handelt, kann neben einem Lösemitteltest beim Verbrennen einer Probe von einem Fachmann am Geruch festgestellt werden. Beide Stoffe sind miteinander unverträglich. 4.1.3.2.3 Chloridgehalt Chloride gelangen überwiegend durch Streusalze, vor allem bei Verkehrsbauwerken und Park‐ bauten, aber auch durch Meersalze, Schwimmbäder, Magnesia, Industrie sowie beim Verbrennen von PVC in den Beton. Auch im nicht carbonatisierten Bereich können Chloride zur Korrosion der Bewehrung führen. Die Höhe der Korrosionsgefahr durch Chloride hängt von den Umgebungsbedingungen, insbesondere der Feuchtigkeit, ab (siehe auch unter 4.1.3.1.8). 4.1.4 Anforderungen Für die Durchführung von Schutz- und Instandsetzungsarbeiten müssen bestimmte Vorausset‐ zungen am Bauteil vorliegen, um gute Ergebnisse der Maßnahmen erzielen zu können. 4.1.4.1 Alter Das Alter von Betonbauteilen soll im Allgemeinen mindestens vier Wochen betragen, damit sich die angestrebte Festigkeitsklasse und dementsprechend die geforderte Oberflächen-Zugfestigkeit 70 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="75"?> entwickeln konnten, ein großer Teil des Schwindvorganges abgeschlossen ist und der Feuchtege‐ halt in der oberflächennahen Zone (bis 2 cm Tiefe) deutlich reduziert ist. In bestimmten Fällen und bei Anwendung speziell hierfür geeigneter oder entwickelter Produkte können auch Schutz- und Instandsetzungs-Maßnahmen an jüngeren Bauteilen vorge‐ nommen werden. 4.1.4.2 Druckfestigkeit Instandzusetzender oder zu beschichtender Beton sollte im Allgemeinen mindestens der Fes‐ tigkeitsklasse C 20/ 25 entsprechen. Falls Beton niedrigerer Festigkeitsklasse vorliegen sollte, sind die Schutz- und Instandsetzungs-Maßnahmen hierauf abzustimmen und entsprechende Vereinbarungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zu treffen. 4.1.4.3 Oberflächenbeschaffenheit Um Schutz- und lnstandsetzungsmaßnahmen an Betonbauteilen durchführen zu können, muss die Betonoberfläche bestimmte Eigenschaften aufweisen. Da diese nur in wenigen Fällen von vornherein gegeben sind, müssen geeignete Vorbereitungsmaßnahmen durchgeführt werden. Hiermit sind nachfolgend aufgezeigte Eigenschaften herbeizuführen. Zu beschichtende Bauteile sollen außerdem beschichtungsgerecht gestaltet sein. Demnach sind Kanten zu fasen oder zu runden, Ecken als Hohlkehlen oder keilförmig auszubilden. 4.1.4.3.1 Frei von arteigenen trennenden Substanzen Das bedeutet, dass je nach zu erwartenden Beanspruchungen und zu verwendenden Stoffen Ze‐ mentschlämme, Feinmörtel, Zementhaut, Ausblühungen und Aussinterungen sowie Trennmittel aus Nachbehandlung und Schalung zu beseitigen sind. 4.1.4.3.2 Frei von artfremden trennenden Substanzen Soweit Altbeschichtungen am Untergrund fest haften und mit dem aufzubringenden Beschich‐ tungsstoff, ggf. nach entsprechender Oberflächenvorbereitung, einen einwandfreien Verbund eingehen, können diese belassen werden. Ansonsten sind Bewuchs, Ab- und Einlagerungen wie Öle, Fette, Gummiabrieb, Schmutz und Staub sowie Reste von Altbeschichtungen zu entfernen. 4.1.4.3.3 Kiesnester, Poren und Lunker Diese müssen durch das Vorbereiten des Untergrunds so weit geöffnet werden, dass sie einwand‐ frei verfüllt und geschlossen sowie Beschichtungen fehlstellenfrei aufgetragen werden können. 4.1.4.3.4 Grate und Wulste Zu beschichtende Oberflächen müssen im Normalfall frei von Graten und Wulsten sein. Diese können jedoch in zu begründenden Fällen belassen werden, z. B. wenn die Oberflächentextur aus gestalterischen erhalten bleiben soll. Für den Oberflächenschutz sind in solchen Fällen besondere Maßnahmen vorzusehen (siehe unter 8.1 „Betonersatz mit RM“ und 12.1 „Oberflächenschutz für Wand- und Deckenflächen“) 71 4.1 Eigenschaften und Anforderungen <?page no="76"?> 4.1.4.3.5 Oberflächenzugfestigkeit Mit der Oberflächenzugfestigkeit, auch als Abreißfestigkeit des Betonuntergrundes bzw. der Beton‐ unterlage bezeichnet, wird die Zugfestigkeit des Betons im oberflächennahen Bereich ermittelt. Der hierbei gemessene Wert ist zwar nicht allein für die Eignung einer Betonoberfläche zum Zwecke der Instandsetzung oder Beschichtung maßgebend, stellt jedoch einen Kennwert dar, der Rückschlüsse auf die mechanische Belastbarkeit und Spannungsaufnahme ermöglicht. Besser wäre es, die Schub-/ Scherfestigkeit zu bestimmen, da Zugkräfte nur selten, z. B. durch Sog in einem Tunnel, auftreten können, jedoch steht hierfür kein geeignetes Gerät für die Baustelle zur Verfügung. Gemäß TR werden folgende Oberflächenzugfestigkeiten für Altbeton im Bereich der Instand‐ setzungsebene gefordert: Altbetonklasse Druckfestigkei Oberflächenzugfestigkeit Mittelwert kleinster Einzelwert MPa MPa MPa A1 ≤ 10 < 0,8 < 0,5 A2 > 10 ≥ 0,8 ≥ 0,5 A3 > 20 ≥ 1,2 ≥ 0,8 A4 > 30 ≥ 1,5 ≥ 1,0 A5 > 75 ≥ 2,5 ≥ 2,0 Für Spachtelungen oder Schlämmen zur Egalisierung bei Oberflächenschutzmaßnahmen wird eine Oberflächen-Zugfestigkeit des Betons von im Mittel ≥ 1,3 N/ mm² gefordert, wobei kein Einzelwert unter 0,8 N/ mm² liegen darf. Für die einzelnen Oberflächen-Schutzsysteme werden unterschiedliche Oberflächenzugfestig‐ keiten gefordert. Diese werden im Kapitel 12 aufgezeigt. 4.1.4.3.6 Ebenheit Betonoberflächen müssen, um bestimmte Anforderungen an Gebrauch und Verkehr zu erfüllen sowie vorgegebene Schichtdicken einhalten zu können, eine entsprechende Ebenheit aufweisen. Erforderlichenfalls müssen entsprechende Ausgleichsschichten vorgesehen werden, bevor die eigentliche Beschichtung vorgenommen wird. 4.1.4.3.7 Rauheit Um gute Haftung von Instandsetzungs- und Beschichtungsstoffen am Untergrund zu erzielen, muss der Beton eine gewisse Rauheit aufweisen. Diese muss umso größer sein, je dicker die aufzutragenden Schichten und je größer die zu erwartenden Belastungen und Spannungen sein werden. So genügt es, für Feinspachtelungen Poren und Lunker zu öffnen und die Feinmörtelschicht oder Zementhaut so weit anzurauen, bis die Mörtelkörnung sichtbar wird, während bei Spritzmörtel oder Dickbeschichtungen auf Reaktionsharzbasis das grobe Gesteinskorn kuppenartig freizulegen ist. In der TR werden an die Rauheit des Betonuntergrunds für den Adhäsionsverbund folgende Anforderungen gestellt: 72 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="77"?> Mindest-Rautiefenklasse Für Beton, Spritzbeton, SRC, Vergussbeton mit verzahnter Fuge RT 3,0 Für Beton, Spritzbeton, SRC, Vergussbeton mit rauer Fuge RT 1,5 Für Spritzmörtel, RM, RC, SRM, Vergussmörtel RT 1,0 Für PRM und PRC RT 0,5 Für OS 4 bis OS 14 und Feinspachtel RT 0,3 Um Mindestschichtdicken bei bestimmten Oberflächen-Schutzsystemen sicherzustellen, sind ge‐ mäß Instandsetzungs-Richtlinie entsprechend der Rautiefe Schichtdickenzuschläge vorzusehen. 4.1.4.3.8 Feuchte des Untergrunds In der TR wird für Oberflächenschutzsysteme und Mörtel bei der Betonfeuchte zwischen „trocken“, „feucht“ und „nass“ unterschieden. Für bestimmte Instandsetzungs- und Schutzmate‐ rialien darf Beton gewisse Feuchtegehalte nicht überschreiten, um gute Haftung zu erzielen und spätere Schäden, z. B. infolge Blasenbildung, auszuschließen. Genaue Werte werden in den Regelwerken nicht angegeben. Die Feuchte muss den Angaben zur Ausführung des Herstellers für die verwendeten Produkte entsprechen, liegt jedoch für Kunststoffbeschichtungen und Reaktionsharz-Mörtel/ -Beton im Allgemeinen bei maximal 4 M % in der äußeren 2 cm dicken Schicht des Betonbauteils. Für zementgebundene Stoffe ist ebenfalls kein Grenzwert festgelegt, zumal die Betonoberfläche zum Zeitpunkt des Auftragens ohnehin mattfeucht sein soll. Jedoch darf kein glänzender Was‐ serfilm, der die Haftung vermindern und den w/ z im Grenzbereich verändern würde, vorliegen. 4.1.4.4 Schadstoffe 4.1.4.4.1 Chloridgehalt Dieser wird, bezogen auf das Zementgewicht, bei Stahlbeton bis zu 0,5 % und bei Spannbeton bis zu 0,2 % als unbedenklich angesehen. Bei Werten darüber ist vom sachkundigen Planer zu entscheiden, inwieweit diese unter den gegebenen oder zu erwartenden Umständen als gefährlich zu betrachten sind. Unter entsprechenden Voraussetzungen, insbesondere bei trockener Atmo‐ sphäre, können auch Chloridgehalte bis 1,0 % toleriert werden (siehe auch unter 11. „Instandsetzen chloridhaltiger Konstruktionen“). Daher ist der Chloridgehalt im Beton im Tiefenprofil zu bestimmen. Chloridgehalte unterhalb 0,5 %, bezogen auf das Zementgewicht, gelten bei schlaff bewehrtem Beton als nicht korrosi‐ onsauslösend. Für Spannbeton liegt die Grenze bei 0,2 %. Der kritische korrosionsauslösende Chloridgehalt ist vom sachkundigen Planer den Umständen entsprechend zu bestimmen. Genauer wird auf Chloridgehalte und deren Wirkung im Kapitel 11. eingegangen. 4.1.4.4.2 Sulfatgehalt Durch Sulfateinwirkung kann es zu Treiberscheinungen im Beton kommen (Ettringit-Bildung). In begründeten Fällen ist eine Bestimmung des Sulfatgehaltes vorzunehmen. Der Sulfatgehalt an der instandzusetzenden Oberfläche soll dem Grundsulfatgehalt im Beton entsprechen. Dieser kann, 73 4.1 Eigenschaften und Anforderungen <?page no="78"?> je nach Zement und Zuschlag, bis zu 1,0 M% betragen. Randbeton, der einen höheren Sulfatgehalt als der Beton im Kern enthält oder aber durch Sulfattreiben bereits zerstört ist, muss entfernt werden. Absolute Grenzwerte werden ansonsten in den Regelwerken für die Instandhaltung von Beton nicht angegeben. 4.1.4.5 Schadstellen/ Ausbrüche 4.1.4.5.1 Form Bei der Bearbeitung von Schadstellen sollen die Ausbruchufer im Winkel von etwa 45° hergestellt werden (gemäß DIN 18349 im Winkel von 30° - 60°). Das ist eine berechtigte Forderung, da praktische Untersuchungen ergeben haben, dass bei flacheren und steileren Ufern, besonders vertikalen, eher Rissbildung beim Erhärten und Schwinden des Betonersatzes im Bereich der Haftfläche zu erwarten ist. Nach ZTV-ING sind die Ausbruchufer zunächst senkrecht ca. 1 cm tief mit geraden Kanten und anschließend im Winkel von 45° herzustellen. Diese Forderung ist fragwürdig. Dass die Gesteins‐ körnung kuppenartig freizulegen ist, erscheint wegen des dadurch verbesserten Haftverbunds sinnvoll. Bild 4.11: Schemazeichnung Ausbruchufer für Reprofilierungen 4.1.4.5.2 Bewehrung Korrodierte Bewehrung ist bis zur Korrosionsgrenze, umlaufend korrodierte Bewehrung ist in vollem Umfang 1 - 2 cm tief und 1 - 2 cm in Längsrichtung über die Korrosionsgrenze hinaus freizulegen. Stahloberflächen sind nach TR so zu behandeln, dass ein Oberflächen-Vorbereitungsgrad von ≥ Sa 2 nach DIN EN ISO 8501-1 oder ≥ Wa 2 nach DIN EN ISO 8501-4 vorliegt. Dabei ist DIN EN ISO 12 944-4 sinngemäß zu beachten. Nach ZTV-W ist auch ≥ St 2 möglich. Dabei ist die Entrostung mit Hochdruck-Wasserstrahl dem Oberflächen-Vorbereitungsgrad St 2 gleichwertig. Die TR geht davon aus, dass Korrosionsschutz-Beschichtungen der Bewehrung nicht mehr vorgesehen sind. Für Korrosionsschutz-Beschichtungen ist gemäß Instandsetzungs-Richtlinie ein Oberflächen-Vorbereitungsgrad ≥ Sa 2 ½ nach DIN EN ISO 12 944-4 zu erreichen. Nach ZTV-ING ist grundsätzlich ≥ Sa 2 ½ für die Entrostung freiliegender Bewehrung gefordert. Gemäß ZTV-W ist bei chloridinduzierter Korrosion nur Hochdruck-Wasserstrahl zur Oberflä‐ chenvorbereitung zulässig. 74 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="79"?> Bild 4.12: Gemäß Oberflächen-Vorbereitungsgrad St 2 vorbereiteter Stahl (Ausgangszustand D) Bild 4.13: Gemäß Oberflächen-Vorbereitungsgrad Sa 2 gestrahlter Stahl (Ausgangszustand D) Bild 4.14: Gemäß Oberflächen-Vorbereitungsgrad Sa 2 ½ gestrahlter Stahl (Ausgangszustand D) 75 4.1 Eigenschaften und Anforderungen <?page no="80"?> Maßgebend für die Beurteilung des Oberflächen-Vorbereitungsgrades ist der Zustand unmittelbar nach Absetzen der Strahldüse. Soweit der Stahl infolge Feucht- oder Nebelstrahlen feucht sein sollte, muss nach Trocknen der Stahloberfläche mit Flugrost gerechnet werden. Dementsprechend müsste ggf. trocken nachgestrahlt werden. 4.1.4.6 Klimatische Bedingungen 4.1.4.6.1 Temperaturen Umgebungs- und Bauteiltemperaturen richten sich nach Art der verwendeten Stoffe. Bei mine‐ ralischen Produkten liegen diese zwischen 5 und 30 °C, bei Kunststoffen zwischen 8 und 30 °C. Ansonsten sind die Angaben zur Ausführung der Hersteller maßgebend. Es ist darauf zu achten, dass die angegebenen Temperaturen nicht nur während der Verarbeitung, sondern auch während der Erhärtung gegeben sein müssen. 4.1.4.6.2 Luftfeuchte Für mineralische Produkte ist hier keine Grenze gegeben, im Gegenteil, hohe Luftfeuchtigkeit wirkt sich günstig auf die Nachbehandlung zementgebundener Produkte aus. Im Gegensatz dazu wird die Luftfeuchtigkeit für Kunststoffbeschichtungen im Allgemeinen auf ≤ 80 % begrenzt. Hohe relative Luftfeuchte verzögert die Verfilmung von Dispersionen. 4.1.4.6.3 Taupunkt Bei Unterschreitung des Taupunktes tritt Kondenswasser auf, so dass sich Feuchtigkeit als Trenn‐ film auf der Oberfläche niederschlägt. Um sicherzustellen, dass keine Taupunkt-Unterschreitung vorliegt, muss die Untergrundtemperatur der zu beschichtenden Bauteile mindestens 3 K über der Taupunkt-Temperatur liegen. Das gilt vor allem für Kunststoff-Beschichtungen, insbesondere Zwischen- und Endbeschichtungen. Aber auch bei mineralischen Stoffen ist darauf zu achten, dass infolge Taupunkt-Unterschreitung kein tropfbarer Wasserfilm auf der Oberfläche vorhanden ist, was ebenfalls zu Haftungsminderungen führen kann. 76 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="81"?> Bild 4.15: Diagramm zur Ermittlung der Taupunkt-Temperatur in Abhängigkeit von der Temperatur und dem absoluten Wassergehalt der Luft 4.1.4.6.4 Sonne und Wind Austrocknung durch Sonne und Wind soll bei zementgebundenen Stoffen vermieden werden. Wind wirkt noch stärker als Sonne austrocknend auf die Oberfläche mineralischer Beschichtun‐ gen. Gemäß TR soll die Windstärke 3 Beaufort = ca. 5 m/ s nicht übersteigen. Für kunststoffgebundene Stoffe bestehen keine entsprechenden Vorgaben. Bei Windbewegun‐ gen ist jedoch dafür zu sorgen, dass Verstaubung der noch nicht erhärteten Schichten vermieden wird. 4.1.4.7 Hinweis In Kapitel 4.2 werden die unterschiedlichen Voraussetzungen zur Planung und Durchführung der Arbeiten zur Untergrundvorbereitung aufgezeigt, die Geräte und Verfahren sowie deren unterschiedliche Wirkung und Eignung hierfür beschrieben, auf die Vermeidung von Fehlern hingewiesen und Möglichkeiten der Prüfung und Kontrolle zur Qualitätssicherung benannt. 4.1.5 Literatur [1] Richtlinie VDI 2533 Gestaltung und Ausführung zu schützender Bauwerke aus Stahlbeton, Beton, Mauerwerk Juni 1972. [2] Walter Semet: Die Bedeutung der Oberflächenfestigkeit von Beton und Zementmörtel für nachfolgende Beschichtungen Bautenschutz + Bausanierung 3/ 1984. [3] R.-R. Schulz: Beton als Beschichtungsuntergrund - Über die Prüfung des Festigkeitsverhaltens von Betonoberflächen mit dem Abreißversuch. Aachen 1984. [4] Adolf Meyer: Oberflächennahe Betonschichte. Beton, Heft 5/ 1989. [5] J. Budnik, H. Dornauer: Sichere Grundlage für Beschichtungen. Untersuchungen zur Abreißfestigkeit von Betonen. Beton 12/ 1993. 77 4.1 Eigenschaften und Anforderungen <?page no="82"?> [6] M. Schröder: Schutz und Instandsetzung von Beton. Vergleich der Regelwerke Rili SIB, ZTV-SIB und DIN 18 349. Teil 1 „Untergrund und Untergrundvorbereitung“. Bautenschutz + Bausanierung April 1995 18. Jahrgang. [7] M. Schröder: Schutz und Instandsetzung von Stahlbeton. Untergrund - Anforderungen an Beton und Stahlbewehrung sowie Vorbereitung der Oberflächen VBK-Kunststoffe im Bau Juni 1995 Nr. 2. [8] M. Schröder: Betonuntergrund für Beschichtungen - Anforderungen, Vorbereitung und Prüfung. Das Bauzentrum 6/ 98. [9] WTA-Merkblatt 5-8-93-D. Schutz und Instandsetzung von Beton. Untergrund - Anforderungen, Vorbe‐ reitung und Prüfung. 20.02.1998. [10] M. Schröder: Abschätzen der Carbonatisierungtiefe von Beton anhand verschiedener Parameter. 5th International Colloquium „MSR ’99 - Materials Science and Restoration. Technische Akademie Esslingen. 30.11. - 02.12.1999. [11] DBV-Sachstandsbericht. Betonoberfläche - Betonrandzone. Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein e. V. Fassung November 1996, redaktionell überarbeitet 2004. [12] Schriftenreihe der Zement- und Betonindustrie: Stahlbetonoberflächen schützen, erhalten, instandset‐ zen. Verlag Bau+Technik GmbH 2008. [13] Schriftenreihe der Zement- und Betonindustrie. Beton - Herstellung nach Norm. Arbeitshilfe für Ausbildung, Planung und Baupraxis. Verlag Bau+Technik GmbH. 19. überarbeitete Auflage 2012. [14] Ausbildungsbeirat „Schutz und Instandsetzung im Betonbau“ beim Deutschen Beton- und Bautech‐ nik-Verein E. V. SIVV-Handbuch. Schützen, Instandsetzen, Verbinden und Verstärken von Betonbauteilen. Fraunhofer IRB Verlag 2009. [15] Schröder, M.: Betonoberflächen für Beschichtungen vorbereiten. B+B Bauen im Bestand 37. Jahrgang März 2014. Verlagsgesellschaft Rudolf Müller. [16] M. Schröder und 7 Mitautoren: Schutz und Instandsetzung von Stahlbeton. Anleitung zur sachkundigen Planung und Ausführung. 7., überarbeitete Auflage. expert verlag 2015. [17] Schröder, M.: Mängel an Reaktionsharzbeschichtungen. bauhandwerk 6.2015. Bauverlag. [18] M. Schröder: Erst prüfen, dann beschichten. bauhandwerk 10.2019. Bauverlag. [19] Die im Kapitel 1. aufgeführten Regelwerke. 4.2 Vorbereiten und Prüfen der Oberflächen 4.2.1 Einleitung Eine der häufigsten Ursachen für Mängel und Schäden bei Schutz- und Instandsetzungs-Maß‐ nahmen an Betonbauteilen ist, wie unter 4.1 bereits zum Ausdruck gebracht, ungenügende, fehlerhafte oder gar fehlende Vorbereitung des Untergrundes von Beton und Stahl. Deshalb ist diesem Teil der Arbeiten besondere Aufmerksamkeit und Sorgfalt zu widmen, was auch in den einschlägigen Regelwerken und in den technischen Unterlagen der Hersteller von Reparatur- und Beschichtungsstoffen zum Ausdruck kommt. Um die zuvor genannten Anforderungen an die Oberfläche von Beton und Stahl für Beschich‐ tungen und Instandsetzungs-Maßnahmen zu erfüllen, stehen verschiedene Geräte und Verfahren zur Verfügung, die nachfolgend im Einzelnen behandelt werden. Dabei sollen die Voraussetzun‐ gen, besondere Wirkungsweise sowie Vor- und Nachteile herausgestellt, auf die Vermeidung von Fehlern hingewiesen und Möglichkeiten der Prüfung und Kontrolle zur Qualitätssicherung aufgezeigt werden. 78 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="83"?> 4.2.2 Vorbereiten der Oberflächen 4.2.2.1 Vorbereitungsverfahren Die Wahl des Verfahrens richtet sich im Einzelfall nach • Lage der Flächen (waagerecht, senkrecht, geneigt, über Kopf) • Größe der Flächen • Form der Flächen • Zugänglichkeit der Flächen (begehbar/ befahrbar) • Gerüst, Hubsteiger, Fahrkorb o. ä. • Zustand der Flächen (siehe unter 4.1) • vorgesehenem lnstandsetzungs-/ Schutzsystem • zu erwartender Beanspruchung/ Nutzung • Witterung • Umweltschutz • Kosten Die Zweckmäßigkeit des gewählten Verfahrens ist erforderlichenfalls durch Bearbeitung von Probeflächen festzustellen. 4.2.2.2 Vorbereiten von Beton Bei der Vorbereitung für Schutz- und lnstandsetzungsmaßnahmen sind sowohl die Betonals auch, vor allem bei Schäden infolge Rostabsprengung der Bewehrung, die Stahloberfläche zu bearbeiten. Da die Anforderungen an den Untergrund je nach aufzubringendem System und zu erwartender Belastung unterschiedlich sein können, müssen die Verfahren dementsprechend auch einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. Grundsätzlich ist beim Abtragen bzw. Vorbereiten von Betonoberflächen vom groberen zum feineren Verfahren fortzuschreiten. 4.2.2.2.1 Schneiden Schneiden von Beton mit diamantenbesetzten Sägeblättern oder mit Hochdruck-Wasserstrahl kommt im Bauwesen vor allem zur Herstellung von Durchbrüchen sowie Abtrennen von Bauteilen zum Einsatz. Bei der Betoninstandsetzung wird Schneiden z. B. auch dann eingesetzt, wenn gemäß Forde‐ rung der ZTV-ING und ZTV-W Ausbrüche gradlinig begrenzt werden sollen. Hierbei wird nicht auf volle Tiefe, sondern etwa 10 mm tief mit der Trennscheibe vorgeschnitten, bevor der Rest der Schadstelle mit Stemmwerkzeugen herausgebrochen wird. Zweckmäßigerweise beträgt die Tiefe des Schnittes mit der Trennscheibe das 3-fache des Größtkorns des für die Verwendung vorgesehenen Betonersatzes. Wichtig ist, dass die glatte Schnittfläche vor Aufbringen der Haftbrücke für den Reprofiliermörtel durch Strahlen aufgeraut wird. Das geradlinige Begrenzen und Einschneiden des Betons für Reprofilierungen ist umstritten. 4.2.2.2.2 Stemmen Das Freistemmen korrodierten Bewehrungsstahls kann mit Hammer und Meißel sowie elektrisch oder pneumatisch betriebenen Stemmwerkzeugen erfolgen. Die Werkzeuge sind nicht zu schwer 79 4.2 Vorbereiten und Prüfen der Oberflächen <?page no="84"?> auszuwählen, um Erschütterungen, die zu Gefügestörungen nicht geschädigter Bereiche und zu Verbundstörungen zwischen Bewehrungsstahl und Beton führen können, zu vermeiden. Die in einem Arbeitsgang abzutragenden Mengen sollen nicht zu groß sein. Bild 4.16: Freistemmen korrodierter Bewehrung mit einem Bohrhammer Die Ausbruchufer von Schadstellen sind in einem Winkel von ca. 45° herzustellen, da Spannungen aus dem später einzubauenden Reparaturmörtel hierbei in Form von Schubkräften übertragen werden im Gegensatz zu unter 90° zur Bauteil-Oberfläche eingeschnittenen Ausbruchufern, bei denen Zugkräfte auf den Beton einwirken würden. Da die Scher- und Schubfestigkeit von Beton jedoch um ein Vielfaches höher ist als dessen Zugfestigkeit, sind die Anschlüsse bei schräg herausgestemmten Ausbruchufern, an denen die groben Gesteinskörner für den Verbund mit dem einzubauenden Mörtel wie Dübel wirken, weniger rissanfällig. Korrodierter Bewehrungsstahl ist bis zu seiner Korrosionsgrenze freizulegen. Dabei ist der Stahl in Längsrichtung 1 - 2 cm über den korrodierten Bereich hinaus freizulegen. Ist der Stahl mehr als die Hälfte seines der Bauteiloberfläche zugewandten Umfangs korrodiert, so ist er ringsherum 1 - 2 cm tief freizulegen, um eine umlaufende Entrostung und ggf. umlaufenden Korrosionsschutz zu ermöglichen. Beschädigungen des Bewehrungsstahls sind zu vermeiden. Meißelgeräte dienen auch zum Entfernen von Graten und Wulsten. 4.2.2.2.3 Stocken Durch Stockhämmer, auch pneumatisch und elektrisch sowie mit mehreren Köpfen als Batterie betrieben, können Oberflächen von Schlämmen, Feinmörtel-Anreicherungen, Krusten u. ä. befreit werden. Bei schweren Geräten sind Gefügestörungen in der oberflächennahen Zone nicht auszuschließen. Hierüber können Prüfungen der Abreißfestigkeit Aufschluss geben. Eine Nachbearbeitung durch schonendere Verfahren, z. B. Feststoffstrahlen, ist anzuraten. Stocken wird eher selten angewandt. 80 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="85"?> 4.2.2.2.4 Nadeln Zum Freilegen von dicht unter der Oberfläche befindlichem Bewehrungsstahl, zum Vorbereiten kleinerer Schadstellen und zur Entfernung von Rostkrusten können Nadelpistolen verwendet werden. Diese pneumatisch oder elektrisch betriebenen Geräte werden in unterschiedlichen Größen und Gewichten geliefert. Mit schweren Geräten können Gefügestörungen im Beton verursacht werden, so dass ihr Einsatz dosiert erfolgen soll. Nadelpistolen eignen sich zum Entfernen von Schlämmen, Feinmörtelanreicherungen sowie minderfesten Schichten des Betons. Ihre Flächenleistung ist jedoch gegenüber den meisten Strahlgeräten relativ gering, so dass sie vor allem dort eingesetzt werden, wo sich der Einsatz leistungsfähigerer Geräte nicht lohnt oder diese, z. B. in Rand- und Zwischenbereichen, nicht angewendet werden können. 4.2.2.2.5 Schleifen Schleifen eignet sich nur für die Bearbeitung relativ ebener Flächen, da sich die Wirkung sonst nur auf Spitzen und Erhebungen beschränken würde. Der Einsatz von Schleifgeräten ist vor allem auf Bodenflächen sinnvoll. Wegen der hiermit verbundenen Staubbelastung sollten Schleifmaschinen mit Absaugvorrichtungen ausgestattet sein. Es ist jedoch zu prüfen, ob Feinstaub dabei ausrei‐ chend entfernt wurde. Ggf. ist zusätzlich zu entstauben. Die Wirkung von Tellerschleifmaschinen kann gesteigert werde, indem Schleifmittel wie Korund oder Siliziumcarbid beim Schleifvorgang unter die Schleifscheiben geworfen werden, so dass auch gewisse Vertiefungen mit erfasst werden. 4.2.2.2.6 Bürsten Das Vorbereiten von Betonoberflächen durch Bürsten kann sich wie das Nadeln ebenfalls nur auf einzelne kleine Bereiche beschränken. Das Bürsten bietet sich nur dort an, wo mürbe Oberflächen vorliegen. Harte feste Schichten sind mit Stahlbürsten nicht ausreichend angreifbar. In DIN 32539 wird das Bearbeiten flammgestrahlter Oberflächen mit rotierenden Stahlbürsten empfohlen. Diese Methode hat sich jedoch nicht immer als ausreichend wirkungsvoll erwiesen. 4.2.2.2.7 Fräsen Fräsmaschinen werden vor allem auf waagerechten oder schwach geneigten befahr- oder begeh‐ baren Flächen eingesetzt. Sie dienen dazu, Betonabtrag in einer definierten Dicke vorzunehmen. Die in einem Arbeitsgang abzutragende Schicht darf jedoch nicht zu dick, d. h. ≤ 5 mm sein. Die Leistung von Fräsmaschinen ist von ihrer Größe und von ihrem Gewicht abhängig. Vor allem bei schweren Maschinen sind Gefügestörungen im oberflächennahen Bereich nicht auszuschließen. Deshalb gilt der Grundsatz, vom groberen zum feineren Verfahren fortzuschreiten, vor allem beim Fräsen. 81 4.2 Vorbereiten und Prüfen der Oberflächen <?page no="86"?> Bild 4.17: Mittelschwere Fräse zum Abtrag von Schichten ≤ 5 mm Dicke Fräsen allein stellt im Allgemeinen kein geeignetes Verfahren zur Oberflächenvorbereitung dar. Ein geeignetes nachzuschaltendes Verfahren ist z. B. das Schleuderstrahlen. Ob hiermit jedoch evtl. zuvor verursachte Gefügestörungen in Form von senkrechten und waagerechten Rissen in ausreichendem Maße beseitigt werden, muss durch eine ausreichende Anzahl von Prüfungen der Oberflächen-Zugfestigkeit ermittelt werden. 82 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="87"?> Bild 4.18: Mikroskopische Aufnahme von Gefügestörungen im oberflächennahen Bereich nach dem Abtrag von Beton > 5 mm Dicke mit einer schweren Fräse Für kleinere, auch nicht befahrbare Flächen an Wänden, Schrägen und über Kopf können Hand‐ fräsen mit hartmetallbestückten rotierenden Fräsköpfen, die auch mit einer Absaugvorrichtung zur staubfreien Entfernung des Fräsgutes versehen sein können, zum Einsatz kommen. 4.2.2.2.8 Druckluftstrahlen mit Feststoffen Als Medium zur Druckerzeugung für feste Strahlmittel kommen Luft oder Wasser zum Einsatz. Druckluftstrahlen mit Feststoffen wird üblicherweise auch als Sandstrahlen bezeichnet und war in der Vergangenheit die am häufigsten angewandte Methode zur Untergrundvorbereitung von Beton und Stahl. Quarzsand, der früher verwendet wurde, kommt wegen Silikosegefahr jedoch heute nicht mehr zum Einsatz. Stattdessen werden meistens Schmelzkammerschlacke, selten auch Korund, Siliziumcarbid oder Stahlgranulat eingesetzt. Bild 4.19: Druckluftstrahlen mit festem Strahlmittel an einem Stadion 83 4.2 Vorbereiten und Prüfen der Oberflächen <?page no="88"?> Druckluftstrahlen mit festen Strahlmitteln ist eine wirkungsvolle und schonende Oberflächenvor‐ bereitung, jedoch wegen der starken Staubentwicklung sehr umweltbelastend. Deshalb sind ent‐ sprechende Schutzmaßnahmen (Einhausung) vorzunehmen. Das Bedienungspersonal ist durch Frischluftmasken zu schützen. Zur Vermeidung von Verunreinigungen der zu strahlenden Flächen durch Öl muss der zur Drucklufterzeugung erforderliche Kompressor mit einem Ölabscheider ausgestattet sein. Beim Entfernen der Zementhaut geschalter Flächen werden Poren und Lunker freigelegt und zu Mulden erweitert, so dass beim Spachteln der Oberflächen mit einem Egalisie‐ rungsmörtel nicht so leicht Blasen entstehen können. Bild 4.20: Strahlmittel Schmelzkammerschlacke Bild 4.21: Schemazeichnung Querschnitte einer glatt geschalten und mit Feststoff gestrahlten Sichtbetonoberfläche 84 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="89"?> Bild 4.22: Sichtbetonoberfläche mit Poren und Lunkern, im rechten Bereich mit Feststoff gestrahlt für eine Spach‐ telung 4.2.2.2.9 Druckwasserstrahlen Während Luft zur Beschleunigung fester Strahlmittel eingesetzt wird, kann auch mit Druckwasser allein bereits abtragende Wirkung, die durch Zugabe fester Strahlmittel noch erhöht werden kann, erzielt werden. In den letzten Jahren hat der Einsatz von Druckwasser zur Untergrund-Vorberei‐ tung stark zugenommen und zu erheblichen Weiterentwicklungen geführt. Zur Untergrund-Vorbereitung werden Wasserdrücke zwischen ca. 100 und ca. 3000 bar einge‐ setzt. Die Wirkungsweise ist je nach Wasserdruck, Wassermenge, Düsenform und Düsenführung sehr unterschiedlich. Bei Drücken bis 600 bar spricht man von Druckwasser, darüber hinaus von Hochdruckwasser. Mit Druckwasser können kaum arteigene Schichten des Betons wie Schlämme oder Zementhaut, sondern nur weniger fest haftende Beläge abgetragen werden. Der Reinigungseffekt lässt sich mit bis auf ca. 140 °C beheiztem Druckwasser noch erhöhen. Man spricht hierbei auch von „Dampfstrahlen", weil sich durch das Entspannen des Wassers nach dem Austritt aus der Strahldüse Wasserdampf bildet. Das Strahlmittel ist jedoch nicht Dampf, sondern Heißwasser. 4.2.2.2.10 Hochdruckwasserstrahlen Gemäß Instandsetzungs-Richtlinie wird ab einem Wasserdruck von 600 bar von Hochdruck-Was‐ serstrahlen gesprochen. Der Begriff „Höchstdruck-Wasserstrahlen“, obwohl von Strahlmaschi‐ nen-Herstellern und deren Anwender häufig verwendet, kommt in Regelwerken nicht vor. 85 4.2 Vorbereiten und Prüfen der Oberflächen <?page no="90"?> Bild 4.23: Hochdruckwasserstrahlen mit 1200 bar und rotierender Düse an einem Kühltropfbehälter zum Entfernen mürber Schichten infolge Hydrolyse Strahlgeräte mit Punktstrahldüsen, mit denen Beton geschnitten bzw. herausgebrochen werden kann, sind auch zum Bearbeiten von Schadstellen und Freilegen korrodierter Bewehrung geeignet. Mit Handlanzen, aber auch mit entsprechenden Automaten ist ein tiefgreifender Abtrag des Betons bis in mehrere cm Tiefe möglich, ohne dass nennenswerte Erschütterungen, Gefügestörun‐ gen oder Beschädigungen an der Stahlbewehrung entstehen. Die Abtragstiefe kann hierbei jedoch nicht wie beim Fräsen exakt definiert werden, so dass eine stark zerklüftete Oberfläche verbleibt. Man spricht bei diesem Verfahren auch von „hydrodynamischem Betonabtrag.“ Weiterhin ist es mit dem Hochdruckwasserstrahl nicht möglich, die Schräge der Ausbruchufer wie beim Stemmen in ca. 45° herzustellen. 86 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="91"?> Bild 4.24: Mit Hochdruckwasserstrahl kuppenartig freigelegtes Gesteinskorn 87 4.2 Vorbereiten und Prüfen der Oberflächen <?page no="92"?> Bild 4.25: Hochdruckwasserstrahl-Pumpe für 2500 bar Bild 4.26: Hochdruckwasser-Punktstrahldüse für tiefgreifenden Betonabtrag mit 2500 bar 88 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="93"?> Bild 4.27: Betonabtrag mit 2000 bar Hochdruckwasserstrahl im Sockelbereich eines Parkdecks Durch Verwendung rotierender Düsen wird auf der Oberfläche des Betons ähnliche Wirkung wie beim Druckluftstrahlen mit festem Strahlmittel erzielt. Der Abtrag beruht naturgemäß auf einer Spülwirkung, so dass eine waschbetonähnliche Oberfläche entsteht, ohne dass die beim Druckluftstrahlen mit festen Strahlmitteln erzielbare Feinrauheit, auch an der Gesteinskörnung des Betons, erreicht wird. Bild 4.28: Rotierende Düsenbatterie zur schonenden Untergrundvorbereitung mit ca. 2400 bar Hochdruckwasser‐ strahl 89 4.2 Vorbereiten und Prüfen der Oberflächen <?page no="94"?> Bild 4.29: Schemazeichnung Querschnitt einer geschalten, mit Hochdruck-Wasserstrahl vorbereiteten Betonoberfläche Bild 4.30: Tiefgreifender Betonabtrag mit Hochdruckwasserstrahl-Roboter in einer Schleusenkammer Druckwasser-Strahlmaschinen werden auch mit Absaugvorrichtungen und Filteranlagen, die für die Entsorgung des Strahlschlammes und Aufbereitung des Wassers sorgen, angeboten. 4.2.2.2.11 Strahlen mit Wasser und Feststoffen Durch Zugabe fester Strahlmittel wie z. B. Quarzsand zum Druckwasser kann der Abtrag an der Betonoberfläche gesteigert werden, so dass mit geringerem Wasserdruck eine gleichwertige oder sogar bessere Wirkung erzielt wird. Da das Strahlgut mit Wasser gebunden ist, besteht bei 90 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="95"?> Verwendung von Quarzsand keine Silikosegefahr. Durch die kombinierte Wirkung von Wasser und festem Strahlmittel wird eine Feinrauigkeit auch an der Oberfläche des Gesteinskorns erzielt. Die Umweltbelastung durch Staub wird vermieden, jedoch das Entsorgen des Strahlschlammes erforderlich. Für das Strahlen mit Wasser-Sand-Gemisch müssen Punktstrahldüsen eingesetzt werden, so dass die Flächenleistung gegenüber Flachstrahldüsen und rotierenden Düsen geringer ist. 4.2.2.2.12 Feuchtbzw. Nebelstrahlen Als Feuchtbzw. Nebelstrahlen wird Druckluftstrahlen mit festem Strahlmittel unter Zugabe von Wasser an der Düse bezeichnet. Diese Verfahren werden häufig anstelle des trockenen Strahlens angewendet, da hiermit praktisch die gleiche Wirkung, jedoch je nach Dosierung des Wassernebels eine mehr oder minder große Staubreduzierung erreicht wird. Hierbei ist jedoch die Gefahr der Schlammbildung an der Peripherie der jeweils gestrahlten Fläche nicht zu vermeiden. Dieser sich absetzende Strahlschlamm muss anschließend, z. B. mit Druckwasserstrahlen, entfernt werden. Bild 4.31: Schemazeichnung Feuchtstrahldüse Bild 4.32: Feuchtstrahlen an einem Wohngebäude 91 4.2 Vorbereiten und Prüfen der Oberflächen <?page no="96"?> Eine Begriffserläuterung zur Unterscheidung zwischen Feucht- und Nebelstrahlen ist den Regel‐ werken nicht zu entnehmen. 4.2.2.2.13 Vakuumstrahlen Unter Vakuumstrahlen versteht man das Druckluftstrahlen mit festen Strahlmitteln bei gleich‐ zeitiger Absaugung des Strahlgutes durch eine Saugdüse oder an der Peripherie des Strahlkopfes, der zusätzlich mit einer Bürste abgedichtet sein kann. Der Begriff „Vakuumstrahlen“ resultiert aus dem Unterdruck, der durch die Saugdüse im Strahlkopf entsteht. Es wird deshalb auch von „Saugkopfverfahren“ gesprochen. Die Flächenleistung auch größerer Vakuumstrahlgeräte ist deutlich geringer als die normaler Sandstrahlgeräte. Auch ist hiermit eine ausreichende Entrostung der Bewehrungsrückseite nicht möglich. Sehr gut geeignet ist dieses Verfahren jedoch für die Oberflächenvorbereitung kleinerer Flächen z. B. bei der Rissverdämmung. 4.2.2.2.14 Schleuderstrahlen Dieses Verfahren ist besser unter dem Begriff „Kugelstrahlen“ bekannt. Diese Bezeichnung rührt daher, dass als Strahlmittel meistens Stahlkugeln verwendet werden. Diese werden durch ein Schleuderrad auf den Betonuntergrund geschleudert und dadurch Zementschlämme und Schalhaut abgetragen. Das Strahlgut wird abgesaugt, die Stahlkugeln magnetisch abgetrennt und dem Strahlkreislauf wieder zugeführt. Der Strahlschutt und Strahlstaub werden entsorgt. Bild 4.33: Schleuderstrahlgerät Schleuderstrahlgeräte werden vor allem bei befahrbaren Flächen eingesetzt. Mit großen Geräten werden große Flächenleistungen bei guter Strahlwirkung umweltschonend erzielt. Die Geräte eignen sich jedoch nur für verhältnismäßig ebene Oberflächen ohne Ausbrüche. Feuchte Flächen lassen sich hiermit ebenfalls nicht vorbereiten, weil dann die Trennung von Strahlmittel und Strahlgut nicht mehr funktioniert. 92 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="97"?> Bild 4.34: Bodenfläche oben ungestrahlt, unten mit Stahlkugeln gestrahlt Für senkrechte Flächen werden kleinere Geräte, die an Hängevorrichtungen verfahren werden, eingesetzt. Auch hierfür gilt, dass die Flächen verhältnismäßig eben sein müssen, da die Wirkung in Vertiefungen reduziert ist und auch das Strahlmittel an den Dichtungen zum Untergrund hin austreten kann. Für das Strahlen von Schadstellen bei der Betoninstandsetzung durch Reprofilieren sind diese Geräte deshalb nicht geeignet. Anstelle von Stahlkugeln kann auch Stahlgranulat eingesetzt werden. Hiermit wird zwar eine stärkere Wirkung am Untergrund erzielt, gleichzeitig steigt jedoch auch der Geräteverschleiß. 93 4.2 Vorbereiten und Prüfen der Oberflächen <?page no="98"?> Bild 4.35: Stahlkugeln und Stahlgranulat als Strahlmittel zum Schleuderstrahlen 4.2.2.2.15 Flammstrahlen Das Flammstrahlverfahren ist in DIN 32 539 „Flammstrahlen von Stahl- und Betonoberflächen“ geregelt und besteht aus der thermischen und der nachfolgend durchzuführenden mechanischen Bearbeitung der Oberfläche. Es kommen sowohl mechanisch angetriebene Maschinenbrenner bis 75 cm Breite als auch Handbrenner bis 50 cm Breite zum Einsatz. Bild 4.36: Flammstrahlen mit fahrbarem Maschinenbrenner von 75 cm Breite Als Brenngase werden Acetylen und Sauerstoff, gelegentlich auch andere Mischgase verwendet. Die Flammkegeltemperatur beträgt bei Acetylen + Sauerstoff ca. 3200 °C, bei Mischgasen ca. 2900 °C. Durch die hohe Temperatur der Flamme kommt es zu Temperaturspannungen im oberflächennahen Beton, was zum sogenannten Abspratzen einer 1-4 mm dicken Schicht führt. Verbleibende Verbrennungsrückstände, Schmelzprodukte und gelockerte Teile sind durch die nachfolgende mechanische Bearbeitung, am besten durch Feststoff-Strahlen, zu beseitigen. 94 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="99"?> Bei einer Vorschubgeschwindigkeit von 1 m/ min kommt es nicht zu tiefgreifenden Schäden im Beton, da bspw. in 5 mm Tiefe nur noch ca. 90 °C, in 10 mm Tiefe nur noch ca. 60 °C gemessen werden. Gefügestörungen im oberflächennahen Bereich sind jedoch nicht auszuschließen, so dass die Abreißfestigkeit des Betons vermindert sein kann. Bild 4.37: Temperatur-Zeitverlauf im Beton beim Flammstrahlen Durch eine niedrigviskose Kunstharzgrundierung, z. B. auf Epoxidharzbasis, mit der ein weit‐ gehendes Verfüllen der oberflächennahen Risse möglich ist, kann die Haftzugfestigkeit einer nachfolgenden Beschichtung maßgeblich verbessert werden. Bei ungenügender Oberflächenzug‐ festigkeit ist deshalb zu empfehlen, Probeflächen nach Grundierung zu prüfen. 95 4.2 Vorbereiten und Prüfen der Oberflächen <?page no="100"?> Bild 4.38: Betonfläche nach dem Flammstrahlen einschließlich nachfolgender mechanischer Bearbeitung Bild 4.39: Schemazeichnung Querschnitt einer geschalten, mit Flammstrahlen vorbereiteten Betonoberfläche Wenngleich Flammstrahlen auch auf Stahlflächen, z. B. bei Stahlbrücken, durchführbar ist, darf freiliegender Bewehrungsstahl nicht durch Flammstrahlen entrostet werden, weil unterschiedli‐ che Wärmeleitfähigkeit und somit unterschiedlich schnelle Ausdehnung den Verbund zwischen Stahl und Beton beeinträchtigen können. 96 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="101"?> Flammstrahlen wird nur noch selten eingesetzt, hat sich aber vor allem bei verölten und verfetteten Böden, z. B. in der Nahrungsmittelindustrie, bewährt, da durch die hohe Temperatur organische Verunreinigungen in der oberflächennahen Schicht verbrannt werden. Weiterhin ist für Instandsetzungsarbeiten günstig, dass es sich um ein trockenes Verfahren handelt und somit keine Trocknungszeiten den Ablauf verzögern. In den ZTV-ING wird es nicht mehr aufgeführt. Bei salzbelasteten Bauteilen, z. B. auf Brücken oder Parkdecks, wird eine Reduzierung der Chloridkonzentration erzielt. 4.2.2.2.16 Absaugen Betonflächen, die eine Oberflächenvorbereitung erfahren haben, müssen von Strahlgut, Strahl‐ schutt und Staub befreit werden. Das gilt vor allem für waagerechte und schwach geneigte Flächen. Hierfür eignen sich am besten leistungsfähige Industriestaubsauger, mit denen nicht nur feste Stoffe, sondern auch Wasser aufgenommen werden kann. 4.2.2.2.17 Entstauben Außer mit Sauggeräten kann eine Entstaubung auch mit feinem Besen oder durch Abblasen mittels Druckluft vorgenommen werden. Das gilt vor allem für senkrechte Flächen und über Kopf. Hierbei ist darauf zu achten, dass der aufgewirbelte Staub sich nicht wieder erneut auf bereits gereinigten Flächen absetzt. Im Freien ist deshalb das Entstauben durch Abblasen in Windrichtung vorzunehmen. Grundsätze des Umweltschutzes sind hierbei zu berücksichtigen. 4.2.2.2.18 Trocknen Nasse Flächen, z. B. nach dem Strahlen mit Wasser, müssen getrocknet werden, falls die vorge‐ sehene Schutz- oder lnstandsetzungsmaßnahme trockene Flächen erfordert. Hierfür ist ölfreie Warmluft am besten geeignet. Es können jedoch auch Elektro- oder Gasstrahler sowie andere Heizgeräte eingesetzt werden. Vor dem Trocknen waagerechter Flächen ist stehendes Wasser, am besten durch Absaugen, zu beseitigen. Durch Abblasen mit Druckluft oder das Herstellen von Zugluft werden Trocknungsmaßnahmen begünstigt. 4.2.2.3 Vorbereiten von Stahl Bei der Instandsetzung von Betonschäden mit freiliegender Bewehrung ist neben der Vorbereitung der Betonoberfläche auch das Vorbereiten der Stahlflächen vorzunehmen. Aber auch andere Stahlteile wie z. B. Laschen zur Verstärkung von Betonbauteilen bedürfen einer Vorbereitung. Die verschiedenen Methoden werden deshalb einer gesonderten Betrachtung für diesen Zweck unterzogen. In den ZTV-ING wird darauf hingewiesen, dass es nur nach Genehmigung durch den Auf‐ traggeber erlaubt ist, Bewehrung zu entfernen. Selbstverständlich sollte grundsätzlich für eine derartige Entscheidung ein Tragwerksplaner hinzugezogen werden. 4.2.2.3.1 Nadeln Nadelpistolen können zum Entfernen von Blattrost und Rostkrusten als Vorbereitung für an‐ schließendes Strahlen verwendet werden. Der Oberflächen-Vorbereitungsgrad Sa 2 oder Sa 2 ½ kann durch Nadeln allein jedoch nicht erzielt werden. 97 4.2 Vorbereiten und Prüfen der Oberflächen <?page no="102"?> Bild 4.40: Entfernen von Rostkrusten am Bewehrungsstahl mit einer Nadelpistole Beim Bearbeiten von Bewehrungsstahl sollen nicht zu schwere Geräte, mit denen zu hohe dynamische Kräfte auf den Stahl einwirken, eingesetzt werden, damit es nicht zu Beschädigungen des Stahls und zu Verbundstörungen zum Beton kommt. 4.2.2.3.2 Schleifen Durch Schleifen mit rotierenden Scheiben können flächige Stahlteile mit hohem Reinheitsgrad entrostet werden. Für Bewehrungsstahl innerhalb von Schadstellen ist Schleifen jedoch nicht geeignet, da bei geripptem und narbig korrodiertem Stahl ein fehlstellenfreies Entrosten hiermit nicht möglich ist und zudem die Rückseite des Bewehrungsstahls hierdurch nicht erfasst werden kann. 4.2.2.3.3 Druckluftstrahlen mit Feststoffen Das optimale Verfahren zum Entrosten von Bewehrung und anderen Stahlteilen, soweit es um die Wirkung und den Oberflächen-Vorbereitungsgrad geht, steht mit Druckluftstrahlen mit festen Strahlmitteln zur Verfügung. Bei diesem im Allgemeinen noch immer als Sandstrahlen bezeichneten Verfahren wird vorzugsweise Schmelzkammer-Schlacke als Strahlmittel eingesetzt. Hiermit ist es möglich, den für Korrosionsschutz-Beschichtungen geforderten Oberflächen-Vor‐ bereitungsgrad Sa 2 ½ oder auch Sa 3 (z. B. bei Stahllamellen zur Verstärkung) zu erreichen. 98 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="103"?> Bild 4.41: Gemäß Oberflächenvorbereitungsgrad Sa 2 ½ gestrahlte Bewehrung Mit leistungsfähigen Strahlgeräten und entsprechenden Kompressoren, wie sie im Bauwesen ein‐ gesetzt werden, ist auch eine ausreichende Entrostung an der Rückseite freigelegter Bewehrung infolge Rückpralls von der Betonausbruchfläche möglich. Durch Hinterlegen konkav gewölbter Bleche, z. B. wenn sich hinter der Bewehrung zu viel Luftraum befindet, kann dieser Effekt verstärkt werden. 4.2.2.3.4 Hochdruckwasserstrahlen Mit Hochdruckwasser allein ist der Oberflächen-Vorbereitungsgrad Sa, mit welcher Ziffer auch immer versehen, nicht erreichbar, sondern nur Wa. Der Oberflächenvorbereitungsgrad Wa 2 ist gemäß Instandsetzungs-Richtlinie und ZTV-W der Entrostung mit St 2 vergleichbar. Eine derartige Vorbereitung freiliegender Bewehrung kommt in Frage, wenn keine Korrosi‐ onsschutz-Beschichtung aufzubringen ist, weil die Betondeckung nach DIN 1045 bzw. gemäß TR durch die Instandsetzungsmaßnahme wieder hergestellt wird. Für Straßenbrücken und Wasserbauwerke wird in diesen Fällen eine Betondeckung von mindestens 4 cm gefordert. Die Empfehlung, bei chloridinduzierter Korrosion grundsätzlich Hochdruck-Wasserstrahlen zur Untergrund-Vorbereitung einzusetzen, wie es die ZTV-W vorsehen, ist umstritten, da hiermit zwar das an der Bewehrung haftende Salz gelöst wird, andererseits die hierbei entstehende Salzlösung ggf. in Bereiche, die zuvor noch nicht durch Salz belastet waren, transportiert wird. Erfordert eine Beschichtung der Bewehrung höhere Vorbereitungsgrade, so ist nach vorherge‐ hendem Hochdruck-Wasserstrahlen eine nachgeschaltete Vorbereitung mit festen Strahlmitteln vorzunehmen. 4.2.2.3.5 Strahlen mit Wasser und Feststoffen Auch hiermit können wie beim Druckluftstrahlen mit festen Strahlmitteln die Vorbereitungsgrade Sa erzielt werden. Es gilt jedoch das Erscheinungsbild unmittelbar nach Absetzen der Düse. Anschließendes Trocknen kann zu Flugrostansatz führen. Hochdruckwasserstrahlen wird unter Zugabe fester Strahlmittel nur zum Schneiden von Beton oder Stahl vorgenommen, da die festen Stoffe bei hohem Druck einen hohen Verschließ der Düsen zur Folge haben. 99 4.2 Vorbereiten und Prüfen der Oberflächen <?page no="104"?> 4.2.2.3.6 Feuchtbzw. Nebelstrahlen Für Feuchtbzw. Nebelstrahlen gilt das gleiche wie für Druckwasserstrahlen mit festen Strahl‐ mitteln, wenngleich durch reduzierten Wassernebel die Flugrostgefahr vermindert werden kann. Gleichzeitig wird hierdurch jedoch auch der Vorteil der Staubfreiheit reduziert. 4.2.2.3.7 Vakuumstrahlen Durch Vakuumstrahlen ist eine einwandfreie Entrostung von Stahlteilen in allen Sa-Vorberei‐ tungsgraden möglich. Infolge des weniger intensiven Rückpralls ist jedoch eine Entrostung der Rückseite freigelegter Bewehrung nicht gegeben. Bild 4.42: Vakuumstrahlen der Bewehrung 4.2.2.3.8 Schleuderstrahlen Auch durch Schleuderstrahlen, vor allem beim Einsatz von Stahlgranulat, ist ein hoher Oberflä‐ chen-Vorbereitungsgrad für die Entrostung erzielbar. Die Geräte können jedoch nur bei flächigen Bauteilen, deren Breite mindestens der des Strahlgeräts entspricht, eingesetzt werden, so dass sie für die Entrostung freigelegter Bewehrung bei Betonschäden nicht in Frage kommen, zumal auch hiermit die Rückseite des Stahls nicht erfasst wird. 100 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="105"?> 4.2.2.3.9 Entstauben Das Entstauben kleinformatiger Stahlteile sowie freigelegter Bewehrung erfolgt am besten durch Abblasen mit Druckluft. Dabei ist darauf zu achten, dass aufgewirbelter Staub sich nicht wieder auf bereits gereinigte Teile absetzt. 4.2.2.3.10 Trocknen Beim Trocknen feuchter oder nasser Stahlteile kann Flugrost entstehen. Der für Korrosions‐ schutz-Beschichtungen geforderte Oberflächen-Vorbereitungsgrad von mind. Sa 2 ½ ist hierdurch nicht mehr gegeben. Dementsprechend ist ggf. trockenes Nachstrahlen erforderlich. 4.2.3 Prüfungen Um festzustellen, ob der Untergrund von Beton und Stahl die Anforderungen für die vorgesehenen Schutz- und Instandsetzungs-Systeme sowie die später hierauf einwirkende Belastung erfüllt, sind entsprechende Prüfungen vorzunehmen. Prüfungen und Untersuchungen im Rahmen der Bauwerksdiagnose vor der Vergabe von Schutz- und Instandsetzungsarbeiten werden unter 17.1 „Ermittlung des Ist-Zustandes und Bauwerksdiagnose“ behandelt. 4.2.3.1 Härte der Oberfläche Die Härte der Oberfläche kann qualitativ durch Ritzen, z. B. mit einem Schraubenzieher oder Stahlnagel, ermittelt werden. Absanden und Abmehlen wird ebenfalls qualitativ durch die Wischprobe mit der Hand bestimmt. 4.2.3.2 Ebenheit, Rauheit Die Ebenheit von Betonoberflächen kann nach DIN 18201 „Maßtoleranzen im Bauwesen“ und DIN 18202 „Maßtoleranzen im Hochbau“ bestimmt werden, wobei die dort genannten, zulässigen Abweichungen für die einzelnen Flächen und Herstellungsarten nicht überschritten werden dürfen. In besonderen Fällen, z. B. bei Fußböden für Lagersysteme mit leitliniengeführten Flurförderzeugen, können darüber hinaus gehende Forderungen vorliegen, deren Einhaltung entsprechend zu überprüfen ist. Die Rauheit kann durch das Sandflächenverfahren bestimmt werden. Hierbei wird das Aus‐ breitmaß einer bestimmten Sandmenge der Korngröße 0,1-0,3 mm Ø durch Verreiben auf der Betonoberfläche bestimmt und gemäß einer Formel zur Rautiefe umgerechnet bzw. diese einer Tabelle entnommen. 101 4.2 Vorbereiten und Prüfen der Oberflächen <?page no="106"?> Bild 4.43: Bestimmen der Rautiefe mit dem Sandflächenverfahren Diese Methode ist jedoch nur auf Bodenflächen oder schwach geneigten Flächen anwendbar. Ansonsten ist die Rauheit visuell oder durch Tasten qualitativ oder durch berührungslose Profilmessverfahren nach DIN EN ISO 13473-1 mit Geräten nach DIN ISO 13473-3 zu beurteilen. In der Instandsetzungs-Richtlinie sind für die verschiedenen Rautiefen Beispiele beschrieben, die zum Vergleich herangezogen werden können. In der TR werden Rautiefen für die verschiedenen Instandsetzungs- und Oberflächen-Schutzsysteme vorgeschrieben. 4.2.3.3 Oberflächen-Zugfestigkeit Die Oberflächen-Zugfestigkeit von Beton, auch als Abreißfestigkeit des Betonuntergrundes bzw. der Betonunterlage bezeichnet, kann nach DIN 1542 mittels aufgeklebter Stempel, die mit einer Zugvorrichtung abgezogen werden, bestimmt werden. Der Stempeldurchmesser soll 50 mm betragen. Vor Aufkleben des Stempels ist der Beton etwa 10 mm tief mit einer Bohrkrone vorzuschneiden. Beim Aufkleben des Stempels mittels Reaktionsharzkleber ist darauf zu achten, dass der Kleber nicht in die vorgeschnittene Nut eindringt. 102 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="107"?> Bild 4.44: Zugmaschine zum Abreißen geklebter Stahlstempel Der Stempel ist mit einer Lastzunahme von 100 N/ sec. abzuziehen. Hierbei sind nicht nur die aufgewendete Kraft beim Abreißen des Stempels, sondern auch das Bruchbild zu beurteilen. Im Allgemeinen soll die Oberflächen-Zugfestigkeit für Betonersatz- und Oberflächen-Schutzsysteme im Mittel 1,5 N/ mm² betragen, wobei Einzelwerte 1,0 N/ mm² nicht unterschreiten dürfen. Davon abweichende Werte werden durch die Altbetonklassen und die einzelnen Oberflächen‐ schutzsysteme vorgegeben. Beim Abreißen soll möglichst Kohäsionsbruch im Beton und kein Adhäsionsbruch zwischen Stempel und Kleber bzw. Kleber und Beton erzielt werden. 103 4.2 Vorbereiten und Prüfen der Oberflächen <?page no="108"?> Bild 4.45: Stempel mit anhaftendem Beton zeigt Kohäsionsbruch Es ist eine ausreichende Anzahl von Stempeln abzureißen, um repräsentative Werte zur Ermitt‐ lung der mittleren Oberflächen-Zugfestigkeit zu erhalten. Über die Mindestzahl der Stempel an den verschiedenen Bauteilen geben die betreffenden Regelwerke Auskunft. Die Zugmaschinen können hydraulisch oder elektrisch betrieben sein. Für orientierende Prüfungen können auch handbetriebene Geräte, z. B. über ein Rad oder eine Kurbel, verwendet werden. 4.2.3.4 Druckfestigkeit Die Druckfestigkeit von Beton in Bauwerken kann zerstörend nach DIN EN 12504-1 an Bohr‐ kernproben bestimmt werden. Die zerstörungsfreie Ermittlung der Druckfestigkeit mit dem Rück‐ prallhammer ist nach der Norm nur bis zu einem Betonalter von 90 Tagen möglich. Durch die Carbonatisierung wird älterer Beton mit der Rückprallprüfung an der Oberfläche meist zu günstig beurteilt. Eine Korrelation zwischen zerstörender und zerstörungsfreier Prüfung ist kaum gegeben. Bild 4.46: Rückprallhammer zur orientierenden Ermittlung der Betondruckfestigkeit 104 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="109"?> 4.2.3.5 Lage und Betondeckung der Bewehrung Die Lage des Bewehrungsstahls kann näherungsweise mit Testmagneten bei einer Betondeckung ≤ 8 mm ermittelt werden. Eine genauere Bestimmung und Aufzeichnung der einzelnen Beweh‐ rungsstäbe und deren Betondeckung ist mit elektromagnetischen Geräten möglich. Bild 4.47: Elektromagnetisches Messgerät zur Bestimmung der Betondeckung der Bewehrung 4.2.3.6 Oberflächen-Vorbereitungsgrad der Bewehrung Der Vorbereitungsgrad von Stahloberflächen wird visuell beurteilt. Hierzu dienen fotografische Vergleichsmuster, die ISO 8501 zu entnehmen sind. Mit einem Spiegel kann auch die Rückseite des Bewehrungsstahls beurteilt werden. Zu unterscheiden ist zwischen den mit Sa (Sandstrahlen), St (Stahlbürste), Wa (Wasserstrahlen) und FI (Flammstrahlen) gekennzeichneten Oberflächen-Vorbereitungsgraden. Hier wird noch einmal darauf hingewiesen, dass Flammstrahlen zum Entrosten von Bewehrungsstahl nicht zulässig ist. Die vor dieser Buchstabenbezeichnung noch zusätzlich aufgeführten Buchstaben A - D geben Aufschluss über den Ausgangszustand des Stahls, wobei es sich bei A um eine Oberfläche mit Walzhaut und bei D um narbig korrodierte Oberfläche handelt. Die Zustände B und C stellen dazwischen liegende Stadien dar. 105 4.2 Vorbereiten und Prüfen der Oberflächen <?page no="110"?> Bild 4.48: Ausgangszustand D einer Stahloberfläche Bild 4.49: Mit hydrodynamischem Betonabtrag freigelegte und gemäß Wa 2 entrostete ungerippte Bewehrung 4.2.3.7 Chloridgehalt Der Chloridgehalt im Beton wird an Bohrmehlproben oder Bohrkernabschnitten in verschiedenen Tiefen als Profil im Labor bestimmt. Der Aufschluss der Probe im Heiß- oder Kaltverfahren sowie die verschiedenen Bestimmungsmethoden (potentiometrisch, photometrisch, Silbernitrat- und Quantab-Verfahren) und die Einflussfaktoren auf die Ergebnisse sind in der Literatur ausführlich beschrieben. 4.2.3.8 Carbonatisierung Die Tiefe der Carbonsatisierung kann anhand einer frisch hergestellten Bruchfläche oder besser anhand eines gespaltenen Bohrkernes durch Aufsprühen einer lndikatorlösung ermittelt werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass Betonstaub an der Oberfläche infolge des Entnahmevorgangs den Eindruck verfälschen kann. 106 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="111"?> Bild 4.50: Mit Phenolphthaleinlösung an einem Betonbruchstück kenntlich gemachte Carbonatisierung Als lndikatorlösungen kommen Phenolphthalein oder Thymolphthalein infrage. Bei Phenolph‐ thalein erfolgt ein rot-violetter Farbumschlag im nicht carbonatisierten Bereich, bei Thy‐ molphthalein ist der Farbumschlag grau-blau. Wegen der deutlicheren Kennzeichnung wird Phenolphthalein bevorzugt. Um einen exakten Messwert zu erhalten, ist die Messung der Carbonatisierungstiefe einen Tag nach dem Besprühen mittels Schieblehre vorzunehmen. 4.2.3.9 Betonfeuchte Die Feuchte des Betons kann durch Darren einer Betonprobe bei 105 °C oder mit dem CM- Gerät an der Baustelle bestimmt werden. Andere einfach zu handhabende elektronische Geräte liefern keine ausreichend genauen Werte. 107 4.2 Vorbereiten und Prüfen der Oberflächen <?page no="112"?> Bild 4.51: CM-Gerat zur Bestimmung der Betonfeuchte Gemäß TR und Instandsetzungs-Richtlinie kann die Betonoberfläche auch visuell beurteilt werden, indem eine ca. 2 cm tiefe, frisch hergestellte Bruchfläche dahingehend beobachtet wird, ob sie infolge Austrocknens augenscheinlich heller wird. Anderenfalls gilt sie als ausreichend „trocken“. Weiterhin wird ausgeführt, dass unter einer am Rand aufgeklebten PE-Folie über Nacht keine Dunkelfärbung des Betons und keine Kondensation von Feuchtigkeit auftreten darf. Diese zuletzt genannte Form der Prüfung ist fragwürdig. Als „feucht“ ist eine Betonoberfläche zu bezeichnen, die ein mattfeuchtes dunkles Aussehen hat, aber keinen glänzenden Wasserfilm aufweist. Eine „nasse“ Betonoberfläche darf glänzend wirken, jedoch keinen tropfbaren Wasserfilm aufweisen. 4.2.3.10 Temperatur Um die den Regelwerken bzw. technischen Merkblättern oder Anweisungen zur Ausführung der Hersteller zu entnehmenden Grenztemperaturen einhalten zu können, sind sowohl die Luftals auch die Bauteiloberflächentemperatur zu messen. Dabei ist es zur Qualitätssicherung vorteilhaft, die Luftemperatur kontiniuerlich zu erfassen, was mittels eines Temperaturschreibers möglich ist. Zum Prüfen der Oberflächen-Temperatur von Beton werden sogenannte Sekundenthermometer, die mit einem Tastfühler versehen sind, eingesetzt. 4.2.3.11 Luftfeuchte Die Luftfeuchte in der Umgebung des jeweiligen Bauteils kann durch ein Hygrometer ermittelt werden. Zur Qualitätssicherung von Schutz- und Instandsetzungsarbeiten ist eine laufende Er‐ 108 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="113"?> fassung wie bei der Temperatur hilfreich, die anhand eines kontinuierlichen, mit dem Hygrometer gekoppelten Schreibgerätes oder über ein elektronisches Messgerät erfolgt. 4.2.3.12 Taupunkt Zur Bestimmung der Taupunkttemperatur sind Luftleuchte und Lufttemperatur zu bestimmen. Anhand von Diagrammen, Tabellen oder speziellen Rechenschiebern kann hieraus die Tau‐ punkt-Temperatur ermittelt werden. Sodann ist die Temperatur der zu bearbeitenden Betonober‐ fläche zu bestimmen. Diese muss, um Kondenswasserbildung ausschließen zu können, ≥ 3 K über der Taupunkt-Temperatur liegen. Bild 4.52: Elektronisches Messgerät zur Bestimmung von Lufttemperatur, Luftfeuchte, Taupunkttemperatur und Untergrundtemperatur Moderne elektronische Geräte ermöglichen die Bestimmung von Lufttemperatur, Luftfeuchte, Taupunkt-Temperatur und Untergrundtemperatur digital. 4.2.3.13 Wind Die Windgeschwindigkeit kann durch Windmesser, wie sie auch von Seglern und Surfern benutzt werden, ermittelt werden. Diese Geräte sind mit einem Propeller ausgerüstet, mit dem die Windgeschwindigkeit mechanisch auf an dem Gerät befindlichen Skalen angezeigt wird. Die Windgeschwindigkeiten können sowohl in km/ h als auch m/ sec, Knoten und bft. abgelesen werden. 109 4.2 Vorbereiten und Prüfen der Oberflächen <?page no="114"?> Bild 4.53: Windmesser zum Bestimmen der Windstärke Es gibt auch Geräte, mit denen sowohl Windgeschwindigkeit als auch Lufttemperatur und Luftfeuchte gemessen und deren Werte drahtlos auf ein Anzeigegerät übertragen werden. 4.3 Literatur [1] H.-J. Badzong, Th. Schwarz: Sanierung an Brückenbauwerken - Betonvorbehandlung. route et traffic 1/ 1985. [2] H.-J. Badzong: Dauerhafte Instandsetzung von Betonbauwerken - Betonvorbearbeitung. route et traffic 4/ 1987. [3] M. Schröder: Untergrundvorbereitung für Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen an Betonbauteilen. Bautenschutz + Bausanierung 4/ 1987. 110 4 Untergrund von Beton und Stahl <?page no="115"?> [4] J. Schrage: Vorbereiten von Betonoberflächen für Schutz und Instandsetzung. TIS 1/ 1988. [5] Martin Vifian: Betonabtrag mit Höchstdruck-Wasserstrahl. Schweizer Baublatt 4/ 1989. [6] R.-R. Schulz, P. Heinrich: Neue Erkenntnisse über das Flammstrahlen von BetonBautenschutz + Bausanierung 5/ 89. [7] M. Schröder: Untergrundvorbereitung für Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen an Stahlbetonbau‐ teilen (ZTV-SIB). Bautenschutz + Bausanierung 10/ 1990. [8] M. Werner: Einflußparameter und Wirkmechanismen beim Abtrag von Mörtel und Beton mit dem Hochdruckwasserstrahl. Wissenschaftlicher Bericht aus der Arbeit des Instituts für Baumaschinen und Baubetrieb der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen 1991. [9] M. Schröder: Schutz und Instandsetzung von Beton. Vergleich der Regelwerke Rili SIB, ZTV-SIB und DIN 18 349. Teil 1 „Untergrund und Untergrundvorbereitung“. Bautenschutz + Bausanierung, April 1995 18. Jahrgang. [10] M. Schröder: Schutz und Instandsetzung von Stahlbeton. Untergrund - Anforderungen an Beton und Stahlbewehrung sowie Vorbereitung der Oberflächen. VBK-Kunststoffe im Bau. Juni 1995 Nr. 2. [11] V. Kauw: Optimierung des Einsatzes von Hochdruck-Wasserstrahl-Systemen bei der Betonuntergrund‐ vorbereitung. Shaker Verlag Aachen 1996. [12] WTA-Merkblatt 5-8-93-D: Schutz und Instandsetzung von Beton. Untergrund - Anforderungen, Vorbereitung und Prüfung. Deutsche Fassung vom 20.02.1998. [13] M. Schröder: Betonuntergrund für Beschichtungen - Anforderungen, Vorbereitung und Prüfung. Das Bauzentrum 6/ 98. [14] DBV-Merkblatt Hochdruckwasserstrahltechnik im Betonbau. Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein e. V. Fassung Juni 1999. [15] Ausbildungsbeirat „Schutz und Instandsetzung im Betonbau“ beim Deutschen Beton- und Bautech‐ nik-Verein E. V. SIVV-Handbuch. Schützen, Instandsetzen, Verbinden und Verstärken von Betonbauteilen. Fraunhofer IRB Verlag 2009. [16] M. Schröder: Eine Frage der Haftung. Betonoberflächen für Beschichtungen vorbereiten. B+B Bauen im Bestand. 37. Jahrgang März 2014. Verlagsgesellschaft Rudolf Müller. [17] M. Schröder und 7 Mitautoren: Schutz und Instandsetzung von Stahlbeton - Anleitung zur sachkun‐ digen Planung und Ausführung. 7., überarbeitete Auflage 2015 expert verlag. [18] Die in Kapitel 1. aufgeführten Regelwerke. 111 4.3 Literatur <?page no="117"?> 5 Kunststoffe R. Gieler Werkstoffe, die hauptsächlich aus Makromolekülen bestehen, werden als Kunststoffe bezeichnet. Technischen Eigenschaften, wie Formbarkeit, Härte, Elastizität, Bruchfestigkeit, Temperatur-, Wärmeformbeständigkeit und chemische Beständigkeit sind wesentliche Merkmale von Kunst‐ stoffen. Durch die Wahl der Makromoleküle, die Herstellungsverfahren und meist durch Zugabe von Additiven können die Eigenschaften erheblich variiert werden. Makromoleküle eines Kunststoffs oder Polymers sind aus wiederholenden Grundeinheiten (Monomere) aufgebaut. Die Anzahl der Grundeinheiten der Makromoleküle variiert zwischen einigen tausend bis über eine Million. Das Polymer Polypropylen (Kurzzeichen PP) besteht beispielsweise aus sich vielfach wiederholenden Propyleneinheiten. Die Polymere können unver‐ zweigte, verzweigte oder vernetzte Moleküle sein. Ein Fachwörterverzeichnis enthalten DIN EN ISO 472 [1] und die Ergänzung [2]. Für eine große Anzahl von Kunststoffen legt DIN EN ISO 1043-1 [3] Kennbuchstaben und Kurzzeichen fest. Kennbuchstaben und Kurzzeichen für Füll- und Verstärkungsstoffe sind in DIN EN ISO 1043-2 [4], für Weichmacher in DIN EN ISO 1043-3 [5] und für Flammschutzmittel in DIN EN ISO 1043-4 [6]. Für Kautschuke und Latices ist die Nomenklatur in DIN ISO 1629 [7] und für Thermoplastische Elastomere in DIN EN ISO 18064 [8] festgelegt. Weiterführemde Literatur ist am Schluss dieses Kapitels aufgeführt. Auch im Internet sind Themen zur organischen Chemie und zu Kunststoffen anschaulich aufbereitet, siehe z. B. [9], [10], [11] und [12]. Kunststoffe sind in den meisten Bereichen des modernen Lebens im Ensatz. Zu Formtei‐ len, Halbzeugen, Fasern oder Folien weiterverarbeitet, dienen sie als Verpackungsmaterialien, Textilfasern, Wärmedämmung, Rohre, Bodenbeläge, Bestandteile von Lacken, Beschichtungen, Klebstoffen und Kosmetika, in der Elektrotechnik als Material für Isolierungen, Leiterplatten, Gehäuse, im Fahrzeugbau als Material für Reifen, Polsterungen, Armaturenbretter, Benzintanks. 5.1 Geschichte 5.1.1 Antike und Mittelalter Bereits in vorgeschichtlicher Zeit benutzten Menschen Biopolymere und natürlich vorkommende Polymere, die aus Tieren und Pflanzen gewonnen wurden, für Werkzeuge, Waffen und als Baumaterial. Einige Beispiele werden nachfolgend genannt. Als Klebstoff diente Neandertalern und dem Homo sapiens in der Steinzeit aus Birkenrinde durch Trockendestillation gewonnenes Birkenpech als erster bekannter Kunststoff. In Sachsen-Anhalt wurde Birkenpech als Klebemittel von Klingeneinsätzen bei Schäftungen (Messer, Speere) gefunden, das mindestens 115.000 Jahre alt ist [13]. Naturbitumen wurden auf Steinwerkzeugen, die auf 70000 BP datieren, identifiziert [14]. Natürlicher Asphalt diente bereits in Mesopotamien vor ca. 7000 Jahren [15] in der Antike zum Abdichten von Booten und Kanälen sowie als Mörtel für Lehmziegel [16]. In China wurde das Rindensekret des Lackbaums bereits vor über 7500 Jahren (Hemudu-Kultur) [17] als Bindemittel verwendet. In der mittleren und späten Shang-Dynastie (18. bis etwa <?page no="118"?> 11. Jahrhundert v. Chr.) wurden Lacke hergestellt und später eine aufwändige Lacktechnik entwickelt. Im Mittelalter wurde ein plastisch verformbarer Stoff aus Tierhorn hergestellt. Nach einem Rezept des bayerischen Benediktinermönches Wolfgang Seidel [18] wurde um 1530 aus Ziegen‐ käse produziertes, transparentes Kunsthorn (auch Galalith genannt) durch die Fugger vertrieben. Aus dem 12. Jahrhundert stammt die älteste überlieferte Rezeptur eines Lackes, die aus Leinöl als Bindemittel und Zinnober als Pigment bestand. Sogenannten Lacksiedereien entstanden ab dem 18. Jahrhundert. 5.1.2 Industrielle Produktion Nachdem Lacke bis zum Beginn des Industriezeitalters verwendet wurden, um Gegenstände zu verschönern, setze man diese im Industriezeitalter mehr und mehr zum Schutz von Gegenständen und Gebäuden ein, siehe auch Bild 5.1. Anlagen für industrielles Lackieren entstanden, wodurch manuelle Arbeit mit Pinseln entfiel. Durch neue Applikationstechniken, wie Gießen, Walzen und Tauchen, wurden Gegenstände gleichmäßig beschichtet [17]. Ende des 19. Jahrhunderts wurden zahlreiche der heute noch existierenden deutschen bzw. in Zusammenschlüssen aufgegangenen Lack- und Beschichtungsstoffhersteller gegründet. Neue Bindemittel wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt, etwa Laccain (1902) oder Bakelit (1905) und im Jahr 1913 die ersten Lackkunstharze (Phenolharze), d. h. vollständig synthetisierte Bindemittel hergestellt. Ab 1918 kamen Harnstoffharze, ab 1927 Alkydharze auf den Markt. PMMA (Acrylglas) wurde 1928 etwa zur selben Zeit in Deutschland, Großbritannien und Spanien entwickelt. Für die Serienlackierung von Automobil wurden im Jahr 1921 erstmals Nitrozelluloselacke eingesetzt. Die ersten Dispersionsfarben wurden ab 1934 hergestellt [19]. Epoxide wurden zuerst von Paul Schlack in Wolfen (Patentanmeldung 1934, erteilt 1939) und Pierre Castan in der Schweiz (Patent-Anmeldung 1938 in der Schweiz, erteilt 1940) entwi‐ ckelt. 1937 synthetisierte eine Forschergruppe um Otto Bayer in den Laboratorien des I.G. Farben-Werks Leverkusen erstenmals Polyurethane; 1940 begann die industrielle Produktion. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden ab 1946 in der Schweiz und ab 1948 in Deutschland Epoxid-Harze produziert. Die ersten wasserbasierenden Lacke wurden im Jahr 1949 gefertigt. Ab 1952 wurden Anstrichsysteme auf Kunststoffdispersionsbasis gefertigt [19]. Einen Überblick über wesentliche Entwicklungen gibt Bild 5.2. Aufgrund gestiegener Anforderungen an die Umweltverträglichkeit wurde der Anteil an organischen und zum Teil gesundheitsschädlichen Lösemitteln, wie chlorierte organische Ver‐ bindungen oder Benzol, der in den Jahren 1960 und 1970 in Lacken ca. 50 % - 70 % betrug, in den folgenden zwei Jahrzehnten verringert und die gesundheitsschädlichen Lösemittel ersetzt. Die deutschen Lackhersteller verpflichteten sich 1983 zur Reduktion von flüchtigen organischen Verbindungen und schwermetallhaltigen Pigmenten wie Bleichromat in Lackrezepturen. Ab 1985 wurden emissions- und lösemittelarme Dispersionsfarben, mit bis zu 10 % organischen Lösemitteln, in den Markt eingeführt. Naturharz-, Kunstharz- und Alkydharzlacke haben Löse‐ mittelanteile bis zu 60 %. In jüngster Zeit entstehen durch erhöhte Anforderungen an VOC-Grenzwerte gemäß EU-Ge‐ setzgebung von 2007 und 2010 und die Anforderungen durch REACH [20] und GHS [21] weitere Entwicklungen. 114 5 Kunststoffe <?page no="119"?> Bild 5.1: Kunststoffentwicklung 1800 bis 1899. Bild 5.2: Kunststoffentwicklung 1900 bis heute 115 5.1 Geschichte <?page no="120"?> 5.2 Begriffe Nachfolgend werden einige häufig vorkommende Begriffe zu Polymeren erläutert. Weitere Begriffe zu Polymeren sind u. a. in [1] mit [2] verzeichnet. • Kunststoffe Werkstoffe, die hauptsächlich aus Makromolekülen bestehen. • Atome (von altgriechisch átomos „unteilbar“) Bausteine, aus denen alle festen, flüssigen oder gasförmigen Stoffe bestehen. Alle Material‐ eigenschaften dieser Stoffe sowie ihr Verhalten in chemischen Reaktionen werden durch die Eigenschaften und die räumliche Anordnung ihrer Atome festgelegt. • Molekül (von lat. molecula, „kleine Masse“) zwei- oder mehratomige Teilchen, die durch chemische Bindungen zusammengehalten werden. • Makromolekül sehr großes Molekül, das aus vielen (bis zu mehreren Hunderttausend) sich wiederholenden, gleichen oder unterschiedlichen Struktureinheiten (Atome oder Atomgruppen) besteht und eine hohe Molekülmasse hat. • Monomere (griech. mono „ein, einzel“ meros „Teil“) niedermolekulare, reaktionsfähige Moleküle, die sich zu molekularen Ketten oder Netzen, zu unverzweigten oder verzweigten Polymeren, zusammenschließen können. • Dimer Gemisch, bestehend aus zwei Einheiten einer einzigen Art Monomer. • Trimer aus drei Einheiten einer einzigen Art Monomer bestehendes Oligomer. • Oligomer (von altgriechisch oligoi „Wenige“ und méros „Teil“) Molekül, das aus mehreren strukturell gleichen oder ähnlichen Einheiten (Monomeren) aufgebaut ist. • organische Chemie Teilgebiet der Chemie, das, abgesehen von einigen Ausnahmen, die chemischen Verbindun‐ gen behandelt, die auf Kohlenstoff basieren. • Polymer (von altgriechisch „viel“ und „Teil“) chemischer Stoff, der aus Makromolekülen besteht. • Copolymer Produkt der Copolymerisation, einer Sonderform der Polyreaktion, bei der statt eines Monomers (= Homopolymerisation) ein Gemisch von zwei oder mehreren chemisch unter‐ schiedlichen Monomeren eingesetzt wird. • Homopolymer Polymer, das aus der Reaktion nur einer einzigen Art von Monomeren entsteht. • chemische Bindung ein physikalisch-chemisches Phänomen, durch das zwei oder mehrere Atome oder Ionen fest zu chemischen Verbindungen aneinander gebunden sind. 116 5 Kunststoffe <?page no="121"?> 2 synthetisierten: eine chemische Verbindung herstellen • Polyreaktion Oberbegriff für die Polymerisation, Polykondensation und Polyaddition. Während der Polyreaktion werden kleine Moleküle (Monomere) zu einem Makromolekül verknüpft. • Prepolymer Sammelbezeichnung für reaktive Oligomere, die zum Herstellen von Polymeren (Makromo‐ lekülen) dienen. Im Gegensatz zum Endprodukt können die Vorprodukte noch löslich oder schmelzbar sein. • Umsatz Begriff der chemischen Reaktionstechnik, der angibt, welcher Anteil des ursprünglichen eingesetzten Ausgangsstoffes durch chemische Reaktion in andere chemische Stoffe umge‐ wandelt wurde. • Beschichtung durchgehende Schicht, die durch ein- oder mehrmaliges Auftragen von Beschichtungsstoff auf ein Substrat entsteht [22]. • Beschichtungsstoff flüssiges oder pastenförmiges oder pulverförmiges Produkt, das, auf ein Substrat aufgetra‐ gen, eine haftende Beschichtung mit schützenden, dekorativen und/ oder anderen spezifi‐ schen Eigenschaften ergibt. Der Begriff schließt Benennungen wie „Lack”, „Anstrichstoff” und Benennungen für ähnliche Produkte ein [22]. 5.3 Polymere Polymere können aus Naturstoffen gewonnen (z. B. Leinöl als frühes Bindemittel für Beschich‐ tungen) oder rein synthetisch hergestellt werden. Durch Modifikation natürlicher Polymere (vorwiegend Zellulose zu Zelluloid) entstehen halbsynthetische Kunststoffe, während Kunststoffe aus Naturstoffen, wie Polymilchsäure oder Polyhydroxybuttersäure, durch die Fermentation von Zucker oder Stärke hergestellt werden. 5.3.1 Natürliche Polymere Die Grundbausteine der Organismen bestehen aus natürlichen Polymeren (Biopolymere), die in Lebewesen synthetisiert 2 und gebildet werden. Dazu zählen die Proteine, die beispielsweise Haare und Seide bilden. Als Biopolymere sind Polysaccharide Kohlenhydrate, in denen eine große Anzahl aus mindestens elf Monosacchariden (Einfachzucker) über eine glycosidische Bindung verbunden sind. Beispiele für Polysaccharide sind Glycogen, Stärke (Amylose und Amylopektin), Pektine, Chitin, Callose und Zellulose. Zellulose, Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände und das häufigste Polysaccharid, ist bedeu‐ tend als Rohstoff zur Papierherstellung, aber auch in der chemischen Industrie und anderen Bereichen. Durch Weiterverarbeitung von Biopolymeren, wie Nitrocellulose, Zelluloid oder Stärkederi‐ vate, werden chemisch modifizierte Polymere hergestellt. Aus Zellulose wurde im Jahr 1870 von Hyatt Manufacturing Company der erste Thermoplast, Zelluloid, hergestellt. 117 5.3 Polymere <?page no="122"?> 3 Polyisopren ist eine Sammelbezeichnung für Polymere, die durch Kettenpolymerisation aus Isopren hergestellt werden. 5.3.2 Synthetische Polymere Synthetische Polymere sind durch Polyreaktionen (Kettenpolymerisation, Polyaddition oder Po‐ lykondensation) industriell oder im Labormaßstab aus Monomeren oder Prepolymeren hergestellte Stoffe, wie z. B. Polyethylen, Polystyrol und Polyvinylchlorid. 5.3.3 Anzahl der Grundstoffe (Monomere) Polymere können nach der Anzahl der Grundstoffe (Monomere), aus denen sie aufgebaut sind, eingeteilt werden. • Aus nur einer Monomerart bestehen Homopolymere, wie Polyethylen, Polypropylen, Poly‐ vinylchlorid oder Polycaprolactam. Ein natürliches Homopolymer ist Naturkautschuk als ein Polyisopren 3 . • Copolymere sind aus verschiedenen Monomeren aufgebaut, wie Acrylnitril-Butadien-Sty‐ rol-Copolymer (ABS), Styrol-Acrylnitril (SAN) oder Butylkautschuk. Auch Biopolymere sind meistens Copolymere. • Polymerblends (gemäß [1] Polymermischungen) entstehen durch Mischen von unterschied‐ lichen Homopolymeren und/ oder Copolymeren. Sie werden meist durch intensive mecha‐ nische Vermischung von geschmolzenen Polymeren hergestellt, wobei sich ein homogenes Material ergibt. 5.3.4 Anorganische Polymere Im Gegensatz zu organischen Polymeren enthalten anorganische Polymere keine Kohlenstoff‐ atome in der Hauptkette des Polymers. Beispiele für anorganische Polymere sind Polysiloxane, Polyphosphazene oder Polysilazane. 5.4 Einteilung der Kunststoffe Kunststoffe werden gemäß ihren Eigenschaften in verschiedene Klassen eingeteilt: • Thermoplaste, • Duromere (auch Duroplaste), • Elastomere und • thermoplastische Elastomere. Zudem lassen sich Kunststoffe nach den folgenden Kriterien einteilen [23]: • nach dem chemischen Aufbau (Angabe der verknüpfenden chemischen Elemente) C-C-Polymere: Kunststoffe auf der Basis von Polyolefinen, Polyvinyl-Derivaten, Polybutadienen, Bitumen und Phenolharzen (z. B. Polyethylen, Polyvinylchlorid, Phenoplaste) 118 5 Kunststoffe <?page no="123"?> C-O-Polymere: Kunststoffe auf der Basis von Cellulosehydraten, Celluloseestern (z. B. Celluloid, Celluloseacetat-Polymer, Celluloseacetobutyrat-Polymer) C-N-Polymere: Kunststoffe auf der Basis von Amidharzen, Proteinen, Polyamiden, Polyurethanen (z. B. Harnstoff-Polymere, Kunsthorn, PUR) C-S-Polymere: Kunststoffe auf der Basis von Polyethylentetrasulfid (z. B. Thioplaste) Si-O-Polymere: Kunststoffe auf der Basis von Polymethylsiloxan (z. B. Silikonharze, Silikonate) • nach der Bildungsreaktion Polymerisation: Polymerisate (z. B. Polyester, Polyethylen, Polystyrol) Polykondensation: Polykondensate (z. B. Melaminharz, Phenolharz, Polycarbonat) Polyaddition: Polyaddukte (z. B. Epoxidharz, Polyurethan) • nach der Struktur Vernetzung: nicht vernetzte und vernetzte Kunststoffe Struktur: unstrukturierte, amorphe und strukturierte Kunststoffe 5.5 Niedermolekulare und hochpolymere Stoffe Kunststoffe liegen - wie alle hochpolymeren Stoffe - fest oder flüssig, nicht aber gasförmig vor. Die Makromoleküle zerfallen oberhalb spezifischer Temperaturen, den Zersetzungstemperaturen T Z , irreversibel in niedermolekulare Bruchstücke. Diese können gasförmig vorliegen, da sie kleine Molmassen aufweisen. Ursächlich dafür sind, wie bei niedermolekularen Stoffen, die mit steigender Temperatur zunehmenden Schwingungsbewegungen von Atomen und Molekülteilen um ihre Ruhelage, die Brownsche Bewegung. Die Bewegung wird schließlich so groß, dass chemische Bindungen gelöst und das Molekül zerrissen wird. Zwischen fester und flüssiger Phase liegt bei linearen, amorphen Polymeren (Thermoplasten) ein Bereich, in dem Thermoplaste teilweise elastisch, teilweise plastisch verformbar sind. Dieser Bereich wird von der Glasübergangstemperatur T g und von der Schmelztemperatur T m begrenzt (Bild 5.3). Ein ähnlicher Übergangsbereich tritt auch bei teilkristallinen Polymeren auf. Wegen der höheren Festigkeit der kristallinen Bereiche können teilkristalline Polymere plastisch wenig verformt werden. Die Grenze zur flüssigen Phase wird als Kristallisationstemperatur bezeichnet. Chemisch vernetzte Makromoleküle (Duromere) können keine flüssige Phase bilden, denn bei diesen können Molekülketten (Makro-Brownsche-Bewegung) infolge der chemischen Bindungen nicht aneinander vorbeigleiten. Sie zersetzen sich thermisch bei Erreichen der Zersetzungstem‐ peratur T z aus dem festen Zustand heraus (Bild 5.4). Kunststoffe, die bei Erwärmung plastisch verformbar und fließfähig werden, nennt man Thermoplaste (Abb. 3), die vernetzten, nicht plastifizierbaren Polymere Duromere (Bild 5.4). 119 5.5 Niedermolekulare und hochpolymere Stoffe <?page no="124"?> Bild 5.3: Thermische Zustandsbereiche thermoplastischer Kunststoffe nach [24] Bild 5.4: Thermische Zustandsbereiche nieder- und hochmolekularer Stoffe nach [24] Aus den Phasenübergangsbereichen resultiert ein temperaturabhängiges Festigkeits- und Formänderungsverhalten, siehe Bild 5.5. Auf die physikalisch-chemischen Ursachen des dargestellten Verhaltens wird im Folgenden eingegangen. 120 5 Kunststoffe <?page no="125"?> Bild 5.5: Schubmodukkurven und Deutung der Aggregatzustände von vernetzten und unvernetzten Polymeren [24] Bei tiefen Temperaturen ist die Mikro-Brownsche-Bewegung, d. h. die Schwingungsamplitude der Atome und Molekülteile minimal. In diesem Zustand sind alle makromolekularen Stoffe glasartig hart und spröde. Daher wird dieser Bereich „eingefrorener“ Zustand oder Glaszustand genannt. Bei mechanischer Belastung verformen sich die eingefrorenen Stoffe energieelastisch, d. h. die Atome werden durch äußeren Energieaufwand aus ihrer Ruhelage ausgelenkt. Bei Entlastung „federn“ sie in die energetisch günstigere Ausgangslage zurück. Hieraus resultiert ein im technischen Sinne elastisches Verhalten. Der energieelastische Bereich wird bei steigender Temperatur durch einsetzende ungeordnete translatorische Bewegungen von Kettensegmenten begrenzt. Diese Mikro-Brownschen-Bewe‐ gungen vollziehen sich ohne Verlagerung des Schwerpunktes des Gesamtmoleküls. Bei amorphen Stoffen bricht der Glaszustand in einem Übergangsbereich von nur wenigen Kelvin zusammen (siehe Bild 5.5). Die Lage dieses Bereiches ist von der Molekülstruktur (unterschiedliches Schwingungsverhalten der verschiedenartig aufgebauten Molekülsegmente) und in geringem Umfang auch von der Beanspruchungsdauer abhängig. Er wird gemäß DIN 7724 [25] als Glas‐ übergangstemperatur (T g ) bezeichnet. Das Verformungsverhalten der Kristallite in teilkristallinen Stoffen bleibt auch oberhalb der Glasübergangstemperatur bis zur Kristallisationstemperatur energieelastisch. Bei hohen Kristallinitätsgraden kann daher die Ausprägung des Glasüberganges undeutlich werden (Bild 5.5). In Abhängigkeit vom Anteil kristalliner Zonen bzw. vom Grad der Vernetzung stabilisieren sich die Schubmodule (und auch andere mechanische Kennwerte) oberhalb des Glasüberganges über einen gewissen Temperaturbereich, allerdings auf einem wesentlich niedrigeren Niveau. In diesem Bereich herrscht Entropieelastizität vor, gekennzeichnet durch gummielastische und verzögert elastische Verformungen. Die zeitabhängigen, reversiblen Verformungen werden auf die Wirkung von Kettenverschlaufungen bei großen Moleküllängen zurückgeführt. Indem sich die Moleküle miteinander verhaken, wird das Aneinandervorbeigleiten der Molekülfäden und Molekülteile verzögert. Ursache der stark herabgesetzten Schubmoduln ist die gesteigerte Entropie, d. h. die in diesem Temperaturbereich mögliche ungeordnete Bewegung von Atomen und Kettensegmenten, die mit einer Verringerung der zwischenmolekularen Anziehungskräfte verbunden ist. Dies hat große Verformungen bereits bei geringen mechanischen Belastungen zur Folge. 121 5.5 Niedermolekulare und hochpolymere Stoffe <?page no="126"?> Bei weiter steigender Temperatur verringert sich der Zusammenhalt unvernetzter Polymer‐ moleküle derart, dass irreversible Verschiebungen der Moleküle gegeneinander, sogenannte Makro-Brownsche-Bewegungen, auftreten können. Die Schubmoduln sinken gegen Null ab, und viskoses Fließen bis zur Dünnflüssigkeit tritt auf. Unterhalb der Zersetzungstemperatur sind alle Änderungen des Verformungsverhaltens voll‐ ständig reversibel. Das geschilderte mechanisch-thermische Verhalten hat zur Einteilung der technisch angewendeten Kunststoffe in drei Hauptgruppen geführt: Thermoplaste, Duromere und Elastomere (Bild 5.5). 5.6 Polymerchemie - Reaktionsmechanismen Kunststoffe, bestehen aus vielen miteinander verknüpften Monomeren. Ein Monomer ist ein re‐ aktionsfähiges Molekül. Dieses besitzt meistens eine C-C-Doppelbindung (C=C) oder mindestens zwei funktionelle Gruppen (z. B. ein Aldehyd oder Alkohol). Die Reaktion, durch die sich die Monomere miteinander verbinden, nennt man Polymerisation. Polymere werden aus einzelnen Monomeren durch verschiedene Polyreaktionen, wie Ketten‐ polymerisationen, Polykondensation oder Polyaddition, gebildet. Die Polymerisation lässt sich zunächst in zwei Gruppen unterscheiden, siehe auch: Bild 5.6. • Polymerisation über Kettenreaktion und • Polymerisation über stufenweise Reaktionen. Bild 5.6: Einteilung von Polymerisationen In einer anderen Systematik werden Additionspolymerisationen und Kondensationpolymerisati‐ onen unterschieden. Bei Letzteren treten bei der Reaktion einfache Moleküle, wie z. B. Wasser, aus. Allerdings sind nahezu alle Polymerisation über stufenweise Reaktionen auch Kondensati‐ onpolymerisationen [26]. Diese werden nachfolgend erläutert. 122 5 Kunststoffe <?page no="127"?> 4 International Union of Pure and Applied Chemistry, deutsch Internationale Union für reine und angewandte Chemie 5 ungesättigte Verbindungen sind chemische Verbindungen, deren Moleküle bestrebt sind, weitere Atome oder Atomgruppen anzulagern. 6 aktives Zentrum (engl. active site): diejenige Stelle eines Katalysators, an der die katalysierte Reaktion stattfindet. 7 Als Radikale bezeichnet man Atome oder Moleküle mit mindestens einem ungepaarten Valenzelektron. Die meisten Radikale sind besonders reaktionsfreudig. 5.6.1 Polymerisation durch Kettenreaktionen Kettenreaktionen, bei denen sich fortwährend gleiche oder unterschiedliche Monomere an eine sich stetig verlängernde Polymerkette angliedern, werden als Kettenpolymerisation (nicht IUPAC-konform 4 als Polymerisation) bezeichnet. Die meist ungesättigten 5 organischen Monomere lagern sich bei der Wachstumsreaktion fortlaufende an die wachsende Kette an. Dabei spalten sich im Gegensatz zu Polykondensationen und Polyadditionen weder Nebenprodukte ab, noch wandern Molekülgruppen innerhalb der Reaktanden ab. Die Angliederung der Monomere findet an mindestens einem aktiven Zentrum der Kette statt. Entsprechend den aktiven Zentren 6 werden Kettenpolymerisationen in radikalische, kationische, anionische und koordinative Kettenpoly‐ merisationen unterteilt. Wenn bei der Reaktion lediglich eine Monomerart umgesetzt wird, bezeichnet man diese als einfache Homopolymerisation, reagieren zwei oder mehr verschiedene Monomere spricht man von der Copolymerisation. Am Beispiel der radikalischen Kettenpolymerisation soll der Mechanismus erläutert werden. Dabei erfolgt die Reaktion im Wesentlichen in vier Teilschritten: 1. Zerfall eines Initiators Ein zugesetzter Initiator zerfällt unter Bildung von zwei Radikalen 7 , in der Regel durch erhöhte Temperatur zwischen 40 °C bis 90 °C gefördert. 2. Startreaktion Das Radikal bricht die Mehrfachbindung (beispielsweise eine C=C-Doppelbindung einer Vinylgruppe) auf, wobei ein wachstumsfähiges Primärradikal (aktives Zentrum) entsteht. 3. Wachstumsreaktion, bei der die makromolekulare Kette in einer Kettenreaktion wächst, indem sich an das Primärradikal ständig Monomere anlagern. 4. Abbruchreaktion, bei der das Wachstum der Kette durch Disproportionierungsreaktionen oder das Zusammen‐ treffen zweier Radikale (Kombinierung) irreversibel beendet wird. Feuchte oder Sauerstoff können die Reaktion stören. Beispiele für Polymere, die durch Kettenreaktionen entstehen, sind ungesättigte Polyesterharze (UP-Harze) und Polymethylmethacrylat (PMMA, auch Acrylglas). 5.6.2 Polymerisation über stufenweise Reaktionen 5.6.2.1 Polyaddition Durch Polyaddition werden über einzelne, voneinander unabhängige Additionsreaktionen Poly‐ mere gebildet. Dieses erfolgt in einer Stufenwachstumsreaktion über Moleküle mit niedrigen Polymerisationsgraden (Dimere, Trimere und Oligomere), die untereinander neue Addukte bilden. Erst bei annähernd vollständigen Umsätzen der Monomere bildet sich das Polymer. Für die Polyaddition ist erforderlich, dass die Monomere zwei oder mehr funktionelle Gruppen besitzen. 123 5.6 Polymerchemie - Reaktionsmechanismen <?page no="128"?> 8 This file is made available under the Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedication Die Produkte der Polyaddition werden Polyaddukte genannt. Die wichtigsten Vertreter sind Polyurethane (siehe Bild 5.7), Polyharnstoffe und Epoxidharze. Bild 5.7: Polyadditionsreaktion für die Herstellung von Polyurethanen (PUR) mit den Ausgangsprodukten 1,6-Hexa‐ ndiisocyanat (zweiwertiges Isocyanat) und 1,4-Butandiol (zweiwertiger Alkohol). Quelle: Deutsche Wikipedia. Autor: Jü 8 Als funktionelle Gruppe (auch charakteristische Gruppe) wird die Atomgruppe in einer Verbindung bezeichnet, die die Stoffeigenschaften und das Reaktionsverhalten dieser Verbin‐ dung maßgeblich bestimmt [26]. Komplexe Verbindungen können auch mehrere funktionelle Gruppen mit unterschiedlichen Eigenschaften aufweisen [26]. Verbindungen, die gleiche funktionelle Gruppen, haben, werden auf Grund ihrer ähnlichen Eigenschaften zu Stoffklas‐ sen zusammengefasst, z. B. organische Stoffklassen der Kohlenwasserstoffe: - Alkane, Alkene, Alkine, Alkanole (Alkohole), Alkansäuren, Alicyclen, Amide, Amine, Aminosäuren, Aromaten, Alkanone (Ketone), Alkanale (Aldehyde), - Carbonsäuren und Carbonsäurederivate wie Carbonsäurechloride, Carbonsäureanhyd‐ ride, - Epoxide, Ester, Ether - Furane - Halogenalkane, Hydrazine Heterocyclen - Imine - Oxirane - Thiole, Thioether. 5.6.2.2 Polykondensation Bei der stufenweise verlaufenden Polykondensation erfolgt die Reaktion über stabile, jedoch wei‐ terhin reaktionsfähige Zwischenprodukte (Oligomere), die untereinander reagieren und letztlich ein Makromolekül bilden. Die dabei entstehenden Produkte (Kunststoffe) werden Polykondensate genannt. Ein Monomer muss mindestens zwei funktionelle besonders reaktionsfähige Gruppen besitzen, z. B. -OH, -COOH, -NH 2 , -CHO, um an der Reaktion teilnehmen zu können. In der Regel werden 124 5 Kunststoffe <?page no="129"?> 9 (griech. stoicheia=Buchstabe und metron=Maß) Bezeichnung für die Aufstellung von chemischen Bruttoformeln aufgrund von Analysenergebnissen und der mathematischen Berechnung chemischer Umsetzungen. dabei bifunktionelle Monomeren verschiedener Art (z. B. Diole und Dicarbonsäuren, die zu Estern kondensieren) miteinander umgesetzt. Bei der Polykondensation werden - im Gegensatz zur Polymerherstellung durch Kettenpol‐ ymerisation oder Polyaddition - Nebenprodukte, wie Wasser, Salzsäure, niedrige Alkohole, Chlorwasserstoff oder Ammoniak, abgespalten. Diese Nebenprodukte (z. B. Wasser, Ammoniak) müssen kontinuierlich abgeführt werden, da sonst die Reaktion aus thermodynamischen Gründen bei zu niedrigem Polymerisationsgrad beendet wird. Bei der Polykondensation muss der Reaktionsumsatz im Gegensatz zur Kettenpolymerisation mindestens 99 % betragen, um ein Polykondensat hoher molarer Masse zu erhalten. Das Verhältnis der eingesetzten Mengen an jeweiligem Monomer muss möglichst exakt dem für die Reaktion erforderlichen stöchiometrischen Verhältnis  9 angepasst werden. Bei einem nicht angepassten Verhältnis kann ein Zustand erreicht werden, an dem alle Oligomere die gleichen aktiven Enden aufweisen, so dass sie nicht miteinander reagieren können (Carothers-Gleichung). Durch Polykondensationsreaktionen werden unter anderem Polyamide, Polyester, Pheno‐ plaste, Aminoplaste und Silicone hergestellt. Neben Kunststoffen entstehen auch natürliche Polymere, z. B. Polykieselsäuren, durch Polykondensation. 5.6.3 Copolymerisation Bei der Copolymerisation reagieren - anders als bei der Homopolymerisation mit nur einer einzigen Monomerart - verschiedene Monomere gleichzeitig oder nacheinander. Dabei entsteht als Produkt ein Copolymer, das unterschiedliche Monomerarten in einem Molekül enthält. Abhängig davon, wie die verschiedenen Monomerarten im Polymer verteilt sind, wird zwischen • statistischen, • alternierenden, • Block- und • Pfropf-Copolymeren unterschieden, siehe Bild 5.8. Bild 5.8: Verteilung von unterschiedlichen Monomerarten im Copolymer 125 5.6 Polymerchemie - Reaktionsmechanismen <?page no="130"?> 10 siehe auch Polymerlegierung Durch Copolymerisation entstehen zahlreiche Werkstoffe. Indem Art und Molverhältnisse der Monomeren im Polymer variiert werden, können gezielt Polymere mit über einen weiten Bereich unterschiedlichen Eigenschaften hergestellt werden. Typische Copolymere bilden neben Elastomerlegierungen die Klasse der thermoplastischen Elastomere, bei denen elastische Polymerketten in thermoplastisches Material eingebunden sind. Diese können durch Erhöhen der Temperatur und wie Thermoplasten verarbeitet werden. Nach Abkühlen weisen sie wieder (gummi)elastische Eigenschaften auf. Durch Copolymerisation lassen sich andere Eigenschaften der Kunststoffe verändern. So können z. B. Weichmacher in Polymere eingeführt werden. Dieses bezeichnet man als innere Weichmachung im Gegensatz zur äußeren Weichmachung, bei der der Weichmacher nicht kovalent in das Polymer eingebunden wird. 5.6.4 Polymerblends Gemische aus zwei oder mehreren unterschiedlichen Polymeren werden Polymerblend (oder Polyblend) 10 genannt. Beim ausschließlich physikalischen Mischen bilden sich keine neuen chemischen Bindungen zwischen den Makromolekülen. Im Gegensatz zu Polymerlegierungen sind Polymerblends grundsätzlich Gemische aus zwei oder mehreren chemisch nicht miteinander verknüpften Polymerarten. Der Begriff Polymerblend bezeichnet im Gegensatz zum Begriff Polymerlegierung auch Gemische aus zwei oder mehreren im thermodynamischen Gleichgewicht nicht mischbaren Polymeren, die innerhalb des Gemisches koexistierende Phasen ausbilden können. Die Eigenschaften der durch Mischen entstehenden Kunststoffe unterscheiden sich deutlich von denen der Ursprungspolymere. Mischbare Polymerblends sind homogene Gemische aus verträglichen Polymeren [27], wie z. B. Polyamid 6 (PA6) und Polyamid 10 (PA10). Kompatible Polymerblends sind Gemische von teilweise bzw. begrenzt verträglichen Polymeren [28], wie z. B. Polystyrol (PS) und Polyphenylenether (PPE). Nicht mischbare Polymerblends sind heterogene Gemische aus unverträglichen Polymeren (Mehrphasengemische) [29], wie z. B. Polystyrol (PS) oder Styrol-Acrylnitril-Copolymer mit Kautschuk. 5.6.5 Polymerlegierungen Materialien aus mehrphasigen Copolymeren oder homogenen Gemischen aus zwei oder mehre‐ ren chemisch nicht miteinander verknüpften, mischbaren Polymeren, die in ihrem gesamten Volumen einheitliche physikalische Eigenschaften aufweisen, werden als Polymerlegierungen (engl.: polymer alloys) bezeichnet. Bestimmte Polymerlegierungen zeichnen sich insbesondere durch hohe Schlagzähigkeit, Steif‐ heit und Wärmeformbeständigkeit aus. • Indem einer harten Polymerphase, z. B. Polypropylen (PP), eine elastische Kautschukphase, z. B. auf Basis von Polybutadien oder Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk (EPDM), zugesetzt wird, entsteht ein Kunststoff mit hoher Schlagzähigkeit. 126 5 Kunststoffe <?page no="131"?> • Polymerlegierungen aus Polycarbonaten (PC) und Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymeren (ABS) besitzen eine vergleichsweise hohe Wärmeformbeständigkeit. • Legierungen aus Polyphenylenoxid (PPO) und Polystyrol (PS) beziehungsweise Polyamid (PA) weisen hohe Temperaturbeständigkeiten und Schlagzähigkeiten auf. Polymerlegierungen werden im Baubereich beispielsweise für Fensterprofile verwendet (Polyvi‐ nylchlorid und Polyethylen). 5.6.6 Reaktionsharze Reaktionsharze erhärten durch eine chemische Reaktion zweier oder mehrerer Komponenten, die in flüssiger Form vor dem Verarbeiten gemischt werden. Direkt nach dem Mischen beginnt die Reaktion der Komponenten (Vernetzung), wie im Abschnitt 5.6.2 beschrieben. Die Zeit, die zum Verarbeiten zur Verfügung steht, ist begrenzt. Verarbeitungszeit und Topfzeit Der Begriff Verarbeitungszeit wird in [22] definiert. Dabei wird zwischen den Begriffen Verarbeitungszeit und Topfzeit nicht unterschieden. Als Verarbeitungszeit gilt demnach die maximale Zeitspanne, innerhalb der ein in mehreren Komponenten gelieferter Beschichtungsstoff nach dem Mischen der Komponenten verarbei‐ tet sein sollte. Der Begriff Verarbeitungszeit kann sich nach [22] beziehen auf die maximale Zeit nach dem Mischen, innerhalb welcher der aufgetragene Beschichtungsstoff gute Trockenfilmei‐ genschaften behält, und/ oder auf die maximale Zeit nach dem Mischen, innerhalb welcher der flüssige Beschichtungsstoff gute Applikationseigenschaften behält. Die Verarbeitungszeit wird nach [32] durch Prüfen bestimmter Eigenschaften, die je nach der Art des reaktiven Systems unterschiedlich sein können, bestimmt. Eine Tabelle im Anhang der Norm nennt Beispiele für zu messende Eigenschaften für unterschiedliche reaktive Systeme. Bei reaktiven Beschichtungsstoffen, die innerhalb kurzer Zeit, z. B. drei Stunden, aushärten, liegt das Ende der Verarbeitungszeit so nahe am Gelpunkt, dass diese spezielle Eigenschaft nach DIN EN ISO 2535 [34] zu prüfen ist. Topfzeit Die Topfzeit von Klebstoffen wird nach [30] üblicherweise definiert als die Zeitdifferenz zwischen dem Beginn des Mischens und dem Zeitpunkt, wenn eine bestimmte vereinbarte Viskosität, z. B. 100.000 mPa∙s, erreicht ist. Die Norm lässt auch zu, den Endpunkt als bestimmtes vereinbartes Vielfaches zu definieren, z. B. die doppelte Anfangsviskosität. In diesem Fall wird die erste Viskositätsmessung nach dem Mischen als Anfangspunkt herangezogen. Nach den Vorgaben der TR Instandhaltung des DIBt [31]wird die Topfzeit an Reaktionsbe‐ schichtungen der Oberflächenschutzsysteme OS 2, OS 4 (für Polyurethan und wasseremul‐ giertes EP), OS 8, OS 11 und OS 14 nach [32] bestimmt. Alternativ kann das Prüfverfahren nach [33], Anhang A3.1 angewendet werden. Dabei wird die Zeit zwischen Beendigung des Mischens und dem Anstieg der Temperatur auf 40 °C infolge der Erhärtungsreaktion als Topfzeit definiert. 127 5.6 Polymerchemie - Reaktionsmechanismen <?page no="132"?> 11 Gesteinskörnungen und andere Zusatzstoffe können den Komponenten beigemischt sein oder getrennt geliefert werden. Gebindeverarbeitbarkeitsdauer Als Gebindeverarbeitbarkeitsdauer wird in [33] die Zeit bis zum Erreichen eines Anstiegs der Viskosität von 1000 mPa∙s bei der niedrigsten Verwendungstemperatur (T min ), Normtem‐ peratur (T norm , 21 °C ± 2 K) und der maximalen Verwendungstemperatur (T max ) definiert. Für polymere Rissfüllstoffe zum kraftschlüssigen (mit EP-Harzen) und zum dehnbaren (mit PUR-Harzen) Füllen von Rissen empfiehlt [33] eine Gebindeverarbeitbarkeitsdauer von mehr als 20 min. Die nach dem Aushärten erreichten Eigenschaften der Reaktionsharze hängen ab von • den Ausgangsstoffen 11 , • deren Mischung (Mischungsverhältnis und Homogenität der Mischung) und • den äußeren Bedingungen der Verarbeitung (Luftfeuchte, Temperatur, Sonneneinstrahlung usw.). Zu beanspruchen durch die vorgesehene Nutzung sind die meisten Beschichtungen bei einer mittleren Temperatur von etwa +20 °C ca. eine Woche nach dem Beschichten. Ausgehärtete Beschichtungen können häufig nur überarbeitet werden, nachdem sie mechanisch, chemisch oder durch Anlösen vorbereitet wurden, bzw. spezielle Haftvermittler eingesetzt werden. Als lösemittelfreie, kalthärtende Reaktionsharze kommen vier Stoffgruppen als Bindemittel zum Einsatz: • Polyurethane und Epoxidharze, die nach dem Mechanismus der Polyaddition (Stufenreaktion, siehe Abschnitt 5.6.2.1) aushärten, • ungesättigten Polyester und ungesättigten Acrylate, die nach dem Mechanismus der Ketten‐ reaktion (siehe Abschnitt 5.6.1) polymerisieren. Tabelle 5.1 zeigt, dass sich aus unterschiedlichen Polymerisationsreaktionen und Zusammenset‐ zungen der Reaktionsharze unterschiedliche Eigenschaften der Polymerprodukte ergeben. Eigenschaft PMMA UP PUR EP Reaktionsmechanismus PM 1 PM 1 PA 2 PA 2 Volumenschrumpf 6 bis 12 MMA: 24 8 bis 12 Styrol: 17 3 bis 5 3 bis 5 linearer Schrumpf 0,5 % bis 2 % 2 % bis 3 % 0,2 % bis 0,3 % 0,2 % bis 0,3 % Feucheempfindlichkeit beim Aushärten hoch hoch hoch gering Alkaliempfindlichkeit nach dem Aushärten mittel hoch mittel gering Mindesthärtetemperatur - 30 °C (0 °C) 0 °C (15 °C) 0 °C (10 °C) 5 °C (10 °C) belastbar bei 20 °C nach 1 h 1 Tag 1 bis 3 Tage 1 bis 3 Tage 128 5 Kunststoffe <?page no="133"?> Eigenschaft PMMA UP PUR EP Kapillaraktivität Benetzung mäßig mäßig gut sehr gut Geruchsbelästigung hoch hoch sehr gering gering 1 Polymerisation als Kettenreaktion, 2 Polyaddition (Stufenreaktion) Tabelle 5.1: Vergleich der Eigenschaften verschiedener Reaktionsharze [35] 5.6.6.1 Acrylharze (AY) Acrylatharz (auch Acrylatharze, Kurzzeichen AY) ist eine allgemeine Bezeichnung für ther‐ moplastische oder vernetzbare synthetische Harze, die durch Polymerisation von Acrylsäuree‐ stern und Methacrylsäureestern (Bild 5.9), hergestellt werden. Dabei werden meist funktionelle (Meth)acryl-Monomere und nicht-acrylische Monomere, wie Styrol oder Vinylester, mit einge‐ setzt. Harze, die ausschließlich aus Acryl-Monomeren bestehen, nennt man Rein-Acrylate, im Gegensatz zu den Styrol enthaltenden Styrol-Acrylaten. Acrylharze können durch Lösungs-, Masse-, Suspensions-, Emulsionssowie Pfropfcopol‐ ymerisation hergestellt werden, bei allen Varianten durch radikalische Polymerisation. Die Herstellung von stereoregulären Polymeren oder Blockpolymeren erfolgt über die anionische Polymerisation. Die Harze können auf zwei Arten erhärten: • thermisch selbsthärtend, wenn sie selbst funktionelle Gruppen, wie z. B. Hydroxymethylgrup‐ pen besitzen oder • mit anderen Stoffen, wie Epoxidharzen, (Poly-)Isocyanaten oder Aminoplasten vernetzend. Bei beiden Varianten werden funktionelle Gruppen, wie Hydroxy-, N-Hydroxymethyl-, Carboxy-, Epoxy-Gruppen der thermisch oder zweikomponentig vernetzbaren Acrylharze, für Vernetzungs‐ reaktionen eingesetzt. Bild 5.9: Strukturformel von Methacrylsäuremethylester, Monomer zum Herstellen von Acrylharzen Mit Acrylharzen können in der Regel transparente und gegen UV-Licht beständige, nicht verfärbende Produkte hergestellt werden. Daher eignen sie sich z. B. besonders als Bindemittel für Beschichtungen an Fassaden. Löslichkeit und mechanische Eigenschaften der Acrylharze sind durch die Art der eingesetzten Monomeren erheblich variierbar: Methacryl-Monomere ergeben härtere Produkte als Acrylate, mit zunehmender Länge des Alkyl-Restes werden die Produkte weicher. Zusatz externer Weich‐ 129 5.6 Polymerchemie - Reaktionsmechanismen <?page no="134"?> macher, wie Butylbenzylphthalat, können Eigenschaften der Acrylharze, wie Härte und Elastizität, verändern. Die Löslichkeit von Polyacrylaten und Polymethacrylaten nimmt mit steigender Molmasse ab, Festigkeit und Härte nehmen zu, daher eignen diese sich für Dispersionen. Daraus hergestellte Beschichtungen sind lichtbeständig, nicht vergilbend und dauerelastisch. Acrylharze werden zu lösemittelhaltigen Systemen, festkörperreichen Beschichtungen, Disper‐ sionen oder Pulverlacken verarbeitet. Die Harze finden Verwendung als Rohstoffe u. a. für Lacke im Automotivbereich, Beschichtungen im Baubereich, Klebstoffe und als Zusatz zu Formmassen. Sie werden verwendet als Acrylat-Dispersionen in Dispersionsbeschichtungen, Kunstharzputzen und Dispersionsklebstoffen sowie für Beschichtungen flexibler Substrate. Wasserlösliche Polyac‐ rylate dienen auch als Verdickungs- und Dispergiermittel. Ausgehärtete Acrylharze (Reinacrylate) sind dauerhaft beständig, erhalten ihren Glanz und weisen eine hohe UV- und Witterungsbeständigkeit sowie Chemikalienbeständigkeit auf. Als Bindemittel in Dichtstoffen ist Acrylharz außerdem überstreichbar und wird daher zur Abdich‐ tung von Rissen in Innenwänden gegenüber anderen Dichtstoffen, z. B. Silikon, bevorzugt. Preiswerter angebotene Styrol-Acrylate sind im Vergleich mit Reinacrylaten beständiger gegen Chemikalien und hydrophober, allerdings sind Lichtbeständigkeit und Glanzhaltung geringer. Copolymerisation mit Acryl- oder Methacrylsäure verbessert die Haftung zum Untergrund, be‐ sonders auf Metall. Durch den Einsatz von Komponenten, wie Alkydacrylate oder -methacrylate, bei der Vernetzung verbessern Flexibilität und Hydrophobierung. Außer durch die Monomerzusammensetzung werden die Eigenschaften der Harze durch die Molmasse der Polyacrylate und die mittlere Filmbildetemperatur beeinflusst. Niedermolekulare Harze (M r unter 20000) müssen grundsätzlich vernetzt werden, bilden dafür aber relativ niedrig‐ viskose Lösungen bzw. Beschichtungen. Höher- und hochmolekulare Varianten, insbesondere Emulsionspolymerisate (Dispersionen) und Festharze, sind für physikalisch trocknende Beschich‐ tungsstoffe geeignet. Zusammen mit Polyisocyanaten ergeben Acrylharze luftbzw. forciert trocknende Beschich‐ tungen sehr hoher Witterungsbeständigkeit. 5.6.6.2 Polymethylmethacrylat (PMMA) PMMA wird in der Regel mittels radikalischer Polymerisation produziert und ist ataktisch und völlig amorph. Der Vorgang der Synthetisierung durch radikalische Polymerisation mit Dibenzoylperoxid als Initiator wird exemplarisch in Bild 5.10 gezeigt. Dabei laufen die Reaktionen folgendermaßen ab. a. Radikalbildung. Zunächst wird Dibenzoylperoxid (Initiator) gespalten, bevor sich von den entstehenden Radikalen Kohlenstoffdioxid (CO 2 ) abtrennt. Die Menge des Initiators beträgt ca. 0,5 % bis 5 % zum gesamten Acrylat. (Da organische Peroxide bei geringer Wärmezufuhr homolytisch zerfallen, eignen sie sich gut als Radikal-Bildner.) b. Start der Kettenreaktion. Das entstandene Radikal reagiert mit Methacrylsäuremethylester (MMA) zu einem neuen, größeren Radikal und startet die Polymerreaktion. c. Kettenwachstum. 130 5 Kunststoffe <?page no="135"?> Das beim Start der Reaktion entstandene Radikal reagiert erneut mit dem Methacrylsäure‐ methylester. Diese exotherme Reaktion wiederholt sich während des Kettenwachstums vielfach, so dass ein immer größeres Radikal entsteht. d. Abbruch des Kettenwachstums. Das Kettenwachstum kann auf verschiedene Weisen abbrechen. Zwei wachsende Ketten können aufeinandertreffen und kombinieren oder disproportionieren oder eine wachsende Kette kann mit einem Starterradikal reagieren. a) Radikalbildung b) Start der Kettenreaktion c) Kettenwachstum d) Abbruch des Kettenwachstums Bild 5.10: Synthetisierung von PMMA durch radikalische Polymerisation, Abbruch durch Aufeinandertreffen und Kombinieren zweier wachsende Ketten. (Quelle: Deutsches Wikipedia, Autor: Roland.chem) 131 5.6 Polymerchemie - Reaktionsmechanismen <?page no="136"?> Beim Übergang vom flüssigen in den festen Zustand schrumpft PMMA erheblich. Der Volu‐ menschrumpf kann bis zu 12 % betragen. Durch den Schrumpfprozess werden Spannungen im Polymer aufgebaut, die sich ungünstig auf Beschichtungen für Beton auswirken. Polymethylmethacrylate sind gegen Treib-, Schmierstoffe und Streusalz beständig. Gegen Lösemittel sind Acrylatharze weniger, gegen aromatische und chlorierte Kohlenwasserstoffe sowie gegen Ester und Ketone nicht beständig [36]. Polymethylmethacrylate sind weitgehend vergilbungsfrei und können bei niedrigen Temperaturen verarbeitet werden, manche Produkte bis zu -30 °C. Bei Temperaturen von +20 °C härten sie innerhalb weniger Stunden vollständig aus. Das hohes Schrumpfmaß kann z. B. durch Zugabe von Füllstoffen verringert werden. Beim Verarbeiten von Polymethylmethacrylate werden flüchtige Bestandteile (normalerweise Methylmethacrylat) frei, die zu Geruchsbelästigung und in höherer Konzentration zur Gesund‐ heitsgefährdung führen. Beim Verarbeiten muss daher für eine ausreichende Be- und Entlüftung gesorgt werden. Nach vollständigem Aushärten werden keine flüchtigen Bestandteile mehr freigesetzt. Im Bauwesen wird PMMA eingesetzt als Bindemittel für Polymerbeton, Beschichtungen für Industriefußböden, für Abdichtungen und Beschichtung von Balkonen und Terrassen, De‐ tailabdichtungen im Flachdach, zum Herstellen von Verglasungen (z. B. Doppelstegplatten), Industrietorverglasungen (Plustherm-Systemverglasung), Sanitär- und Einrichtungsbauteile, z. B. Badewannen, Möbel, Raumteiler, Türfüllungen, Lampenschirme usw. PMMA wird auch für Fahr‐ bahn-Markierungen im Straßenbau eingesetzt. Harte Zweikomponenten-Systeme (2K-Systeme) werden überwiegend zum Herstellen von frühhochfesten Mörteln und Beschichtungen benutzt. 5.6.6.3 Ungesättigte Polyesterharze (UP) Ungesättigte Polyesterharze (UP-Harze) sind Kunstharze, aus denen u. a. Formteile oder Verbund‐ werkstoffe hergestellt werden. Im flüssigen Zustand ist das Harz eine ca. 60%ige bis 70%ige Lösung der ungesättigten Polyester, häufig in Styrol, einem Vinylmonomer. Die UP-Harze werden durch eine radikalische Kettenpolymerisation gehärtet. Dabei entsteht ein vernetztes Copolymer aus dem Polyester und dem Vinylmonomer, ein Duroplast. Bei der Polymerisation wird kein Kondensat freigesetzt. Die linearen und unvernetzte Polyester werden durch Polykondensation bei 150 °C bis 200 °C hergestellt, wobei die Umsetzung von Phthalsäureanhydrid, Ethylenglycol, 1,3-Butandiol und Maleinsäureanhydrid üblich ist. Das bei der Polymerisation abgespaltene Wasser wird abdestil‐ liert, siehe Bild 5.11. Durch Verbindungen, wie Fumarsäure, Maleinsäure, Maleinsäureanhydrid, Tetrahydrophtal‐ säure, werden die C=C-Doppelbindungen eingebracht. Mit Dicarbonsäuren oder deren Anhydri‐ den ohne C=C-Doppelbindung, wie Phthalsäureanhydrid, Isophthalsäure oder Adipinsäure, wird der ungesättigte Anteil im Polymer eingestellt. Monomere, wie 1,2-Propandiol, Ethylenglycol, Diethylenglycol, 1,3-Butandiol oder 1,4-Butandiol, werden als Diole eingesetzt. Anschließend werden die noch warmen Polyester in 30 % bis 40 % Monomeren mit Vinylgruppe gelöst. Meist wird als Monomer Styrol neben Methacrylsäuremethylester oder Diallylphthalat eingesetzt. Additive, wie Beschleuniger für die Härtung oder Paraffine zur Hemmung der Verdampfung des Monomers während der Härtung, können der viskosen Lösung zugesetzt werden. 132 5 Kunststoffe <?page no="137"?> Bild 5.11: Beispiel der Polymerisation der Vorstufe für ungesättigte Polyesterharze (UP-Harze) mit üblichen Mono‐ meren. (Quelle: Roland.chem, CC0, via Wikimedia Commons) Das flüssige Polyesterharz wird folgendermaßen gehärtet. Hierzu werden dem Harz 1 % bis 4 % eines Peroxid-Initiators (siehe Bild 5.12) hinzugemischt. Als Initiatoren werden Verbindun‐ gen, wie Dibenzoylperoxid und Methylethylketonperoxid, eingesetzt. Dadurch startet eine radikalische Copolymerisation zwischen dem Vinylmonomer (z. B. Styrol) und den mehrfach ungesättigten Makromolekülen. An den ehemaligen Doppelbindungen bilden zwei bis drei Styroleinheiten Verknüpfungen zu benachbarten Makromolekülen aus. In der Entwicklung befinden sich auch UP-Harze, die aus Monomeren hergestellt werden, die biobasiert darstellbar sind [37]. a) b) Bild 5.12: Struktur von Peroxid-Initiatoren: a) Methylethylketonperoxid, b) Dibenzoylperoxid. (Quelle: Roland.chem, CC0, via Wikimedia Commons) 133 5.6 Polymerchemie - Reaktionsmechanismen <?page no="138"?> Bild 5.13: Allgemeine Struktur eines gehärteten UP-Harzes. (Quelle: Roland.chem, CC0, via Wikimedia Commons) Bei der sogenannten Warmhärtung startet die Polymerisation bei erhöhten Temperaturen von 60 °C bis 100 °C. Wenn Beschleuniger, wie Cobaltsalze von Fettsäuren und tertiären Aminen, zugegeben werden, beginnt die Reaktion bereits bei Raumtemperatur (Kalthärtung). Auch dabei verläuft die Kettenpolymerisation exotherm. Mit Photoinitiatoren kann die Polymerisation von UP-Harzen auch durch Anregung mit UV-Strahlung starten (UV-Härtung). Bei der Härtungsreaktion verringert sich das Volumen des Harzes mit einem Volumenverlust von 5 % bis 9 %. Der Grund ist, dass das ungesättigte Polyesterharz - wie die ungesättigten Acrylatharze - durch Polymerisation in den vernetzten hochmolekularen Zustand überführt wird, d. h., bei der Reaktion tritt ein erhebliches Schrumpfen mit den entsprechenden Nachteilen, z. B. hoher Spannungen, ein. Ohne Zugabe von Füllstoffen oder Pigmenten ist das gehärtete UP-Harz durchsichtig, spröde und hat eine gute Kriechstromfestigkeit. Die Anwendungsgrenze liegt je nach Typ bei 100 °C bis 185 °C, bei neuen Entwicklungen auch darüber [38]. Die Dichte beträgt 1,17 g/ cm 3 bis 1,26 g/ cm 3 . Häufig wird UP-Harz mit Glasfasern gefüllt bzw. verstärkt. Im Bauwesen kommt UP-Harz als Laminat zur Anwendung, z. B. zur Auskleidung von Treibstofftanks. Zudem werden aus Laminat Silos, Behälter für Heizöl und Rohrleitungen für Abwasser gefertigt. Zu beachten ist die Empfindlichkeit der UP-Harze gegen Feuchte während der Aushärtung. Ausgehärtete Polyesterharze sind empfindlich gegen Alkalität, z. B. des Betons. Bei Kontakt mit Alkalien können Verseifungseffekte des Polyesters auftreten, die zum Erweichen des Harzes in der Grenzfläche zum Untergrund und zu Haftungsverlust führen können. Daher ist der Betonuntergrund vor dem Beschichten mit UP-Harzen mit EP-Grundierungen zu behandeln. Bei Polymeren wird unter Verseifen das Spalten von Estern mit Hilfe von Laugen, Säuren oder Fermenten verstanden, wobei unter Wasseraufnahme Alkohole und Säuren entstehen [23]. 134 5 Kunststoffe <?page no="139"?> Aufgrund ihrer Schlagzähigkeit erreichen UP-Harze einen hohen Widerstand gegen mechanische Beanspruchungen. Sie sind beständig gegen chemischen Angriff von Säuren, Treib- und Schmier‐ stoffe sowie Streusalz [36]. Gegen alkalische Medien sind sie weniger beständig und sie vergilben geringfügig. Das hohe Schwindmaß von UP-Harzen kann z. B. durch Zugabe von Füllstoffen verringert werden. UP-Harze enthalten als reaktives Lösemittel Styrol. Während der Verarbeitung und beim Aushärten verdunstet ein Teil des Styrols und führt zu Geruchsbelästigung und in höheren Konzentrationen zu Gesundheitsgefährdung. Daher muss in geschlossenen Räumen für eine gute Be- und Entlüftung gesorgt werden. 5.6.6.4 Polyurethane (PUR) Kunststoffe oder Kunstharze, die aus der Polyadditionsreaktion von Dialkoholen (Diolen) bezie‐ hungsweise Polyolen mit aromatischen und aliphatischen Polyisocyanaten entstehen, werden als Polyurethane (Kurzzeichen PUR, nicht PU) bezeichnet. Die Urethan-Gruppe (‒NH‒CO‒O‒) im Polymer ist charakteristisch für Polyurethane. Bild 5.14: Allgemeine Struktur von linearen Polyurethanen. Aus einem Diol und Diisocyanat hergestelltes Monomer (Wiederholeinheit). Die Urethan-Gruppen sind blau gekennzeichnet. R 1 steht für den „Rest“ des zur Synthese eingesetzten Diols (HO−R 1 −OH), R 2 für den „Rest“ des Diisocyanats (OCN−R 2 −NCO). (Quelle: Deutsches Wikipedia, Autor: Roland.chem) Mit Diolen und Diisocyanaten lassen sich lineare Polyurethane, mit Triisocyanat-Diisocyanat-Ge‐ mischen und Triol-Diol-Gemischen vernetzte Polyurethane erzeugen. Eigenschaften der Harze lassen sich erheblich variieren. Abhängig vom Vernetzungsgrad und/ oder eingesetzter Isocyanat- oder OH-Komponente entstehen Duroplaste, Thermoplaste oder Elastomere. Neben den am meis‐ ten hergestellten Polyurethan-Schaumstoffen sind Weich- oder Hartschaum häufige Produkte. Weitere Produkte aus Polyurethanen sind Formmassen zum Formpressen, Gießharze, elastische Faserstoffe, Beschichtungen sowie Klebstoffe. Die Eigenschaften der Polyurethane lassen sich durch Einsetzen unterschiedlicher Polyisocya‐ nate und Polyole gezielt verändern. Die Dichten der unterschiedlichen Produkte variieren zwischen • ca. 5 kg/ m³ bis 40 kg/ m³ bei weichem Blockschaum, • ca. 30 kg/ m³ bis 90 kg/ m³ bei hartem Blockschaum und • ca. 1000 kg/ m³ und 1250 kg/ m³ bei ungeschäumtem Polyurethan. Isocyanate können Allergien auslösen und stehen im Verdacht, Krebs zu verursachen. Aus‐ reagierte Polyurethane enthalten keine Monomere mehr. Daher sind sie in der Regel nicht gesundheitsschädlich. Polyurethan können flüchtige Additive, wie Flammschutzmittel oder Weichmacher, zugesetzt sein, die je nach Nutzung über die Haut (dermal) oder die Atmung (inhalativ) aufgenommen werden können. Für den sicheren Umgang mit Polyurethan-Rohstoffen können bei den Herstellern Richtlinien und Merkblätter abgerufen werden. 135 5.6 Polymerchemie - Reaktionsmechanismen <?page no="140"?> Polyurethane werden durch die Polyadditionsreaktion von Polyisocyanaten mit mehrwertigen Alkoholen, den Polyolen, erzeugt. Bei dieser Reaktion verbindet sich, wie Bild 5.15 zeigt, die Isocyanatgruppe (-N=C=O) eines Moleküls mit der Hydroxygruppe (-OH) eines anderen Moleküls (freie Hydroxylgruppen von Polyestern oder Polyethern). Dabei bildet sich eine charakteristische Urethangruppe (-NH-CO-O-). Nebenprodukte werden aufgrund der Additionsreaktion nicht abgespalten. Bild 5.15: Additionsreaktion von Isocyanat (-N=C=O) mit einer Hydroxy-Gruppe (-OH) zu Urethan (-NH-CO-O-). (Quelle: Deutsches Wikipedia, Autor: Roland.chem) Folgende Isocyanatkomponenten werden eingesetzt: • Hexamethylendiisocyanat (HDI), • Toluylendiisocyanat (TDI), • Methylendi(phenylisocyanat) (MDI), • Polymeres Diphenylmethandiisocyanat (PMDI), • Naphthylendiisocyanat (NDI), • Isophorondiisocyanat (IPDI), • 4,4′-Diisocyanatodicyclohexylmethan (H12MDI). Da Isocyanatkomponenten eine hohe Flüchtigkeit aufweisen und deshalb die Verarbeitung gefährlich ist, kommen meistens bei Verarbeitern Prepolymere zum Einsatz, die einen Restmono‐ meranteil enthalten. Prepolymer (auch Präpolymer geschrieben) ist eine Sammelbezeichnung für reaktive Oligo‐ mere, aus denen Polymeren (Makromolekülen) hergestellt werden. Die Vorprodukte können, im Gegensatz zum Endprodukt, noch löslich oder schmelzbar sein. Übliche Restmonomeranteile in HDI-Trimerprodukten (Handelsnamen sind z. B. Desmodur N, Tolonate HDT, Basonat oder Duranate) liegen hier bei weniger als 0,5 % HDI. Damit sind diese als nicht giftig eingestuft und im gewerblichen und industriellen Bereich unter Beachtung der Schutzhinweise der Hersteller verwendbar. Die Eigenschaften des Produktes werden vor allem durch die Polyol-Komponente bestimmt. Dieses ist darin begründet, dass üblicherweise nicht die Isocyanatkomponente zum Variieren beabsichtigter Eigenschaften chemisch angepasst wird, sondern die Polyolkomponente. Mechanische Eigenschaften werden von der Kettenlänge und der Anzahl der Verzweigungen im Polyol beeinflusst. Wenn zusätzlich zu den üblicheren Polyetherpolyolen Polyesterpolyolen eingesetzt wird, verbessert sich die Standfestigkeit. Der Grund ist, dass Polyesterpolyole einen höheren Schmelzpunkt haben und somit beim Applizieren des Polyurethans erstarren. 136 5 Kunststoffe <?page no="141"?> Um Polyurethan zu bilden, werden mindestens zwei verschiedene Monomere benötigt, z. B. ein Diol und ein Diisocyanat, siehe Bild 5.16. Die stufenweise Reaktion verläuft folgendermaßen: • Aus Diol und Diisocyanat entsteht ein bifunktionelles Molekül mit einer Isocyanatgruppe (-N=C=O) und einer Hydroxygruppe (-OH). • Das entstandene Molekül kann an beiden Enden mit weiteren Monomeren reagieren, wobei kurze Molekülketten, sogenannte Oligomere, entstehen. • Die Oligomere reagieren mit weiteren Monomeren, anderen Oligomeren oder bereits gebildeten Polymeren. Ausschließlich lineare Polyurethane haben technisch keine Bedeutung. Bild 5.16: Polyaddition von 1,6-Hexandiisocyanat mit 1,4-Butandiol (n ≈ 40) zu einem linearen Polyurethan (Quelle: Deutsches Wikipedia, Autor: Jü) Polyurethane können auf verschieden Weise vernetzt werden durch: • Lineare Polyurethane durch einen Überschuss von Diisocyanat. Durch Addition einer Isocyanat-Gruppe an eine Urethan-Gruppe bildet sich eine Allophanat-Gruppe. • Vernetzte bzw. verzweigte Polyurethane durch den Zusatz von Stoffen mit mehr als zwei Isocyanat-Gruppen, z. B. PMDI, und Triolen, beispielsweise Glycerin. • Verwendung von mehrfachen Aminen, wie Ethylendiamin. Die Reaktion von Isocyanaten mit Aminen führt erst zu Harnstoff-Gruppen, siehe Bild 5.17. Da diese weiterhin reaktiv sind und die Addition einer weiteren Isocyanat-Gruppe ermöglichen, bildet sich eine Biuret-Gruppe (Bild 5.18). Bild 5.17: Bildung von Polyharnstoffen (Quelle: Deutsches Wikipedia, Autor: Roland.chem) 137 5.6 Polymerchemie - Reaktionsmechanismen <?page no="142"?> Bild 5.18: Bildung von Biuret-Gruppen durch Addition einer weiteren Isocyanat-Gruppe an Polyharnstoff (Quelle: Deutsches Wikipedia, Autor: Jü) Polyurethan kann durch zwei Verfahren hergestellt werden: • Beim Einstufen-Verfahren reagiert ein Polyol direkte mit einem Polyisocyanat. • Beim Zweistufen-Verfahren werden im ersten Schritt zwei Prepolymere hergestellt: - Im ersten Schritt werden mit einem Überschuss an Diisocyanaten bei der Umsetzung mit Diolen ein NCO-Prepolymer (Isocyanat) und bei einer Umsetzung mit einem Überschuss an Diolen ein OH-Prepolymer (Hydroxy-Gruppe) erzeugt. - Anschließend erfolgt im zweiten Schritt die eigentliche Polymerisation durch Mischen der Prepolymere. Durch das Zweistufen-Verfahren erfolgt eine weitmaschige Vernetzung des Polymers. Hierdurch wird die Herstellung von PUR-Weichschaumstoffen ermöglicht. Indem während der Reaktion Wasser zugefügt wird, reagiert Wasser mit Isocyanatgruppen zur instabilen Carbamidsäure. Diese zerfällt zu einem Amin und Kohlenstoffdioxid (CO 2 ) spaltet sich ab und schäumt die Reaktionsmasse auf. Da das Amin mit einer weiteren Isocyanatgruppe zum entsprechenden substituierten Harnstoff reagiert, bricht durch das freigesetzte CO 2 die Polymerisation nicht ab. Durch die Menge des zugegebenen Wassers kann die Dichte des entstehenden Schaumes beeinflusst werden. Bild 5.19: Reaktion von Isocyanat mit Wasser, wobei sich CO 2 abspaltet und eine Polyharnstoff-Gruppe entsteht. (Quelle: Deutsches Wikipedia, Autor: Elrond - CC BY-SA 4.0) Im Bauwesen werden PUR-Hartschäume vor allem zur Wärmedämmung, z. B. von Gebäuden, eingesetzt. Diese sind geschlossenzellig aufgebaut, damit die Zellgase mit ihren niedrigen Wärmeleitfähigkeiten in den Schaumzellen verbleiben. Beschichtungen mit Polyurethanen als Bindemittel haften gut verschiedenen Untergründen. Daher werden Polyurethane u. a. als Grundierung eingesetzt. Wegen hoher Beständigkeit gegen Lösemittel, Chemikalien und Witterungseinflüsse (Aliphatische Polyurethane) werden sie als 138 5 Kunststoffe <?page no="143"?> 12 auch: Epoxidgruppen 13 farblose, nach Chloroform riechende, niedrig viskose Flüssigkeit 14 Gruppe von chemischen Verbindungen, die zwei (deshalb „bi“ bzw. „bis“) Hydroxyphenyl-Gruppen („Phenol“) tragen Deck- und Klarlacke in vielen Anwendungsbereichen verwendet, z. B. als Bandbeschichtungen und Beschichtungen für Fußböden. Polyurethanharze besitzen hohe Elastizität und Weiterreißfestigkeit und werden daher für rissüberbrückende Beschichtungen verwendet. Ein Nachteil der Polyurethane besteht in ihrer Feuchtigkeitsempfindlichkeit, denn die lsocya‐ nate reagieren nicht nur mit den freien Hydroxylgruppen von Polyestern, sondern auch mit den Hydroxylgruppen von Wasser, wobei Amine und Kohlendioxid entstehen. Da Kohlendioxid gasförmig ist, bilden sich Blasen in Beschichtungsfilmen. Falls für Beschichtungen mit lösemittel‐ freien Polyurethansystemen feuchte Gesteinskörnungen (Gesteinskörungen) verwendet werden, kann ein poröser Belag entstehen. Auf den Einsatz (feuer-)getrockneter Gesteinskörnungen ist daher besonders zu achten [35]. Die Eigenschaft der lsocyanate mit Feuchtigkeit zu reagieren, wird bei Einkomponenten-Po‐ lyurethanharzen (1K-PUR) genutzt. Diese sind Reaktionsharze aus Polyurethanprepolymeren, die durch Reaktion mit Luftfeuchte erhärten. Sie werden vorwiegend für Imprägnierungen, Versiegelungen und elastische Beschichtungen sowie Fugenmassen eingesetzt [35]. In der Ab‐ dichtungstechnik (Rissfüllung) werden diese Systeme als Sekundenschäume (SPUR) eingesetzt. 5.6.6.4.1 Polyurethan-Polyharnstoffharze (PUR-UP) Durch Polyaddition von Polyisocyanaten und einem Gemisch aus Polyalkoholen und Aminen entstehen Polyurethan-Polyharnstoffharze. Polyisocyanate reagieren mit den Aminen in Sekun‐ den, so dass diese Systeme nur mit Zweikomponenten-Spritzgeräten verarbeitet werden können. Bei der Reaktion des lsocyanats mit dem Amin entsteht ein Polyharnstoff und bei der Reaktion des lsocyanatüberschusses mit dem Polyalkoholen Polyurethan. Die Bindemittel mit ähnlichen Eigenschaften wie zweikomponentige Polyurethanharze besit‐ zen hohe Elastizität und Weiterreißfestigkeit und sind besonders für rissüberbrückende Beschich‐ tungen geeignet [35]. 5.6.6.4.2 Polyurethanacrylate (PUR-AY) PUR-AY werden durch Polyaddition von hydroxylgruppenhaltigen Acrylatharzen mit aliphati‐ schen lsocyanatpräpolymeren gebildet. PUR-AY haben eine hohe Witterungs- und Alterungsbe‐ ständigkeit, in hochvernetzten Formulierungen sind sie beständig gegen Säuren, Laugen und Lösemittel [35]. Schwachvernetzte Formulierungen sind bei geringerer Chemikalienbeständigkeit höher dehn‐ fähig [35]. Diese werden als vergilbungsbeständige, rissüberbrückende Deckschichten verwendet [35]. 5.6.6.5 Epoxidharze (EP) Epoxidharze (EP-Harze) sind gemäß [22] synthetische Harze mit Oxirangruppen (Epoxygrup‐ pen 12 ), üblicherweise aus Epichlorhydrin  13 und Bisphenol  14 hergestellt. Die Reaktionsharze können mit einem Härter und gegebenenfalls weiteren Zusatzstoffen zu einem duroplastischen Kunststoff polymerisiert werden. Epoxidharze sind Polyether mit in der Regel zwei endständigen Epoxid‐ 139 5.6 Polymerchemie - Reaktionsmechanismen <?page no="144"?> gruppen. Die sogenannten Härter bilden als Reaktionspartner zusammen mit dem Harz den makromolekularen Kunststoff (Bild 5.20). Bild 5.20: Zuerst reagiert die Hydroxidgruppe in einer Kupplungsreaktion mit Epichlorhydrin (C 3 H 5 ClO), gefolgt von einer Dehydrohalogenierung Die Hydroxygruppe können aliphatische Diole, Polyole, phenolische Verbindungen oder Dicar‐ bonsäuren bereitstellen, wobei folgende Verbindungen verwendet werden: • Bisphenol A und Novolake als Phenole, • 1,4-Butandiol als mehrwertige Alkohole. Di- und Polyole ergeben Diglycid-Polyether. Daher werden diese Epoxidharze Glycidyl-basierte Epoxidharze genannt. Amine oder Amide können anstatt einer Hydroxidgruppe verwendet werden, da deren Stickstoffatom reagieren kann. Eine weiter Möglichkeit Epoxidharze zu synthetisieren ist, aliphatische oder cycloaliphatische Alkene mit Persäuren umzusetzen. Für diese Herstellung ist im Gegensatz zu Glycidyl-basierten Epoxidharzen kein azides Wasserstoffatom, sondern eine Doppelbindung notwendig. Die erzeugten Duroplaste besitzen für zahlreiche technische Einsätze gute mechanische Eigen‐ schaften sowie gute Temperatur- und Chemikalienbeständigkeit. Sie werden u. a. im Bauwesen als Beschichtung, Klebstoffe und für Laminate verwendet. Das ungefüllte Harz ist transparent gelblich bis klar. Folgende Varianten sind im Einsatz: • Etwa 75 % aller weltweit verwendeten Epoxidharze basieren auf Bisphenol A. Anstelle von Bisphenol A können auch andere Bisphenole verwendet werden, z. B. Bisphenol F oder bromierte Bisphenole. • Aliphatische Epoxidharze werden entweder durch Epoxidierung von Doppelbindungen (cyc‐ loaliphatische Epoxide und epoxidierte Pflanzenöle) oder durch Reaktion mit Epichlorhydrin gebildet. • Cycloaliphatische Epoxide enthalten einen oder mehrere aliphatische Ringe im Molekül. Sie werden durch die Reaktion eines cyclischen Alkens mit einer Persäure hergestellt und zeichnen sich durch niedrige Viskosität sowie im ausgehärteten Zustand guter Wetterbe‐ ständigkeit, niedrigen dielektrischen Konstanten und hohem T g aus. Sie polymerisieren bei Raumtemperatur nur langsam, sodass meist höhere Temperaturen und geeignete Beschleu‐ niger notwendig sind. Daher werden sie oft thermisch oder UV-initiiert. Sie werden für strahlengehärtete Beschichtungen und Lacke verwendet. • Epoxidierte Pflanzenöle bilden sich durch Epoxidierung von ungesättigten Fettsäuren oder durch Umsetzung mit Persäuren. In großem Umfang hergestellte epoxidierte Pflanzenöle, 140 5 Kunststoffe <?page no="145"?> wie epoxidierte Soja- und Leinöle, werden zum großen Teil als Sekundärweichmacher und Costabilisatoren für PVC genutzt [39]. • Aliphatische Glycidyl-Epoxidharze niedriger molarer Masse (mono-, bi- oder auch höher‐ funktional) werden durch die Reaktion von Epichlorhydrin mit aliphatischen Alkoholen oder Polyolen gebildet, Glycidyl-Ether entstehen, oder mit aliphatischen Carbonsäuren, wobei Glycidyl-Ester entstehen. Da sie meist eine niedrige Viskosität aufweisen, werden sie anderen Epoxidharzen zugegeben, um deren Viskosität als Reaktivverdünner oder auch als Haftvermittler zu verringern. • Halogenierte Epoxidharze werden für spezielle Eigenschaften zugesetzt. Zum Einsatz kom‐ men bromierte und fluorierte Epoxidharze [39]. - Wenn flammhemmende Eigenschaften benötigt werden, gelangt bromiertes Bisphenol A zum Einsatz. - Einige (unvernetzte) Epoxidharze mit sehr hoher molarer Masse werden technischen Thermoplasten beigefügt, um flammhemmende Eigenschaften zu erzielen. - Fluorierte Epoxidharze werden aufgrund einer niedrigen Oberflächenspannung als Netz‐ mittel (Tensid) für den Kontakt mit Glasfasern zugesetzt. Das ausgehärtete Epoxidharz besitzt eine hohe chemische Widerstandsfähigkeit und eine niedrige Wasseraufnahme. Als Härter werden mehrwertige Amine und aliphatische Amine verwendet. Mit aliphatischen Aminen reagiert die Harze bei Zimmertemperatur (Kalthärtung). Aromatische Amine benötigen höhere Temperaturen, „saure Härter“ Temperaturen, im Bereich zwischen 120 °C bis 160 °C. Bei der praktischen Anwendung ist zu beachten, dass, wie bei allen Reaktionsharzen, beim Anmischen der Epoxidharze das stöchiometrische Harz-Härter-Verhältnis exakt eingehalten werden muss. Andernfalls verbleiben Teile von Harz oder Härter ohne Reaktionspartner. Diese unreagierten funktionellen Gruppen bleiben im Gebinde zurück und die Vernetzung bleibt unvollständig. Dadurch bleibt das Produkt (z. B. Beschichtungen) weich und dessen Oberflächen klebrig. Nach [31] wird daher bei Einsatz polymere Rissfüllstoffe für das kraftschlüssige Füllen von Rissen das Überprüfen der Mischgenauigkeit von 2K-Anlage durch Auslitern gefordert. Die Reaktion der Polyaddition ist stark exotherm. Das bedeutet, dass die Reaktionswärme zunehmen kann, bis ein Brand entsteht. Durch Überhitzung können Eigenschaften des Harzes negativ beeinflusst werden. Die Topfzeit hängt von der Verarbeitungstemperatur, der Einstellung der Reaktionsharzmassen und der Ansatzgröße ab. Übliche Topfzeiten betragen einige Minuten bis zu mehreren Stunden. Die Viskosität des Harzes steigt während der Dauer der Topfzeit in einer nichtlinearen Kurve weiter an, bis sich das Harz nicht mehr verarbeiten lässt. Die Angabe der Topfzeit gilt in der Regel für ein angesetzes Harz/ Härter-Gemisch von 100 g bei 20 °C. Bei größeren Verarbeitungsmengen ist die Verarbeitungszeit ggf. wesentlich kürzer, da sich höhere Temperaturen als bei geringen Ansatzmengen entwickeln. Reaktionsharzmassen werden häufig mit niedrigviskosen und reaktiven Verdünnern, wie Glycidylether oder Polyglycidylether, modifiziert. Durch die niedrigere Viskosität der Reakti‐ onsharzmasse wird eine bessere Penetration in poröse Werkstoffe (Tränkung von Geweben, Beschichtung von Beton) erreicht. Ein geringerer Volumenschrumpf bei der Härtung ergibt sich, wenn Reaktionsharzmassen niedriger Viskosität mit Füllstoffen versehen werden. 141 5.6 Polymerchemie - Reaktionsmechanismen <?page no="146"?> Reaktivverdünner werden im Gegensatz zu nicht reaktiven Verdünnern kovalent (durch elek‐ trostatische Anziehung zwischen zwei Atomen entstehende Atombindung) an das Polymer gebunden. Daher können sie nicht migrieren. Als Migration bezeichnet man im Zusammenhang mit Polymeren die Fähigkeit von niedermo‐ lekularen Addiditven, sich innerhalb des Polymers über Diffusionsprozesse fortzubewegen. Insbesondere in Verbindung mit Lebensmitteln kann dieses relevant sein, wenn die Gefahr besteht, dass durch den Kontakt mit dem Polymer Substanzen in Lebensmittel migrieren. Auch im Kontakt mit anderen Polymeren können ggf. niedermolekulare Addiditve durch Diffusion in einen anderen Kunststoff „wandern“. Die Eigenschaften beider Kunststoffe können sich dadurch (ungünstig) verändern. Durch Füllstoffe können mechanische und andere Eigenschaften des gehärteten Harzes den Einsatzzwecken angepasst werden. Dieses erfolgt auch aus Gründen der Ökonomie. Durch Füllen mit pyrogenem Siliciumdioxid können sie thixotrop eingestellt werden, so dass sie als Füllmasse oder Klebstoff zu verwenden sind. Füllstoffe, wie Hohlkugeln aus Glas, Keramik oder Kunststoff dienen dazu, die Dichte des Harzes zu verringern, Füllstoffe, Quarzsand, keramische Pulver, die Griffigkeit bzw. Abrasionsbeständig‐ keit der Oberfläche zu verbessern. Zugabe von Aluminiumhydroxid kann das brandhemmende Verhalten von Epoxidharz verbessern. Folgende Eigenschaften werden für das ungefüllte ausgehärtete Harz angegeben, wobei die Werte je nach Formulierung und Herstellung variieren: Dichte in kg/ m 3 : 1.020 bis etwa 1.200, Elastizitätsmodul in MPa: 3.000 bis 4.500, Zugfestigkeit in MPa: ca. 80, linearer Schrumpf während der Aushärtung: unter 1 % Dielektrizitätszahl: im Temperaturbereich −40 °C bis etwa +60 °C (nimmt bei beginnender Erweichung (80 °C bis 100 °C) deutlich zu), 4 Verlustfaktor bei 40 °C: steigt bei 100 °C bis 120 °C erheblich an (10bis 20-fach), 50 · 10 −4 bis 100 · 10 −4 , (Minimum) bei −40 °C: 150 · 10 −4 bis 1000 · 10 −4 , (Maximum) Kriechstromfestigkeit (CTI-Wert): bis über 600 V 142 5 Kunststoffe <?page no="147"?> 15 z. B. nach IEC/ DIN EN 60695-11-10 16 linearer Schrumpf Entflammbarkeit 15 : schwer entflammbar, Wärmeleitfähigkeit in W/ (m·K): normal, (durch Füllstoffe wesentlich zu steigern): 0,21 elektrisch isolierende Vergussmassen: etwa 1,26 bis 6, chemisches Schwinden in % 16 : 0,5 bis 5 (bei der Polyaddition, kann mit Füllstoffen verringert werden). Epoxidharze finden im Bauwesen als Bindemittel Verwendung für: • Kleber für Bauteilverstärkung, • Füllstoff für Risse und Hohlstellen, • Mörtel (Reaktionsharzmörtel) bei der Betoninstandsetzung, • Beschichtung von Industriefußböden, • Betonbeschichtung (Oberflächenschutzsystem), • Beschichtung als (schwerer) Korrosionsschutz für Stahlkonstruktionen, • Beschichtung zum Schutz vor Graffiti, • Instandsetzungswerkstoffe von Rohren, insbes. Rohrinnenbeschichtung (z. B. Trinkwasser‐ leitungen, Fußbodenheizungen), • glasfaserverstärkter Kunststoff für die Herstellung der Rotorblätter von Windkraftanlagen. Die Größe der Moleküle von niedermolekularen Epoxidharzen liegt in der Größenordnung von 5·10 −10 m (50 nm). Bei ungesättigten Polyestern liegt das Ausgangsmolekül beisipielsweise meist bei ca. 50·10 −10 m (500 nm). Hieraus resultiert eine wesentlich bessere Haftung [35] der Epoxidharze im Vergleich zu anderen Harzen. Epoxidharze sind grundsätzlich feuchtigkeitsunempfindlich. Mit speziell rezeptierten Epoxid‐ harzen können dennoch feuchte Untergründe beschichtet werden. Da Epoxidharze unempfindlich gegenüber Alkalien sind, eignen sie sich zum Beschichten von Beton und anderen alkalischen Untergründen. Die Festigkeit von Epoxidharzen bei statischer und dynamischer Belastung ist etwa zehnmal größer als bei Polyestern. Die Beständigkeit von Epoxidharzen gegen aggressive, alkalische Medien, Treib- und Schmier‐ stoffe sowie Streusalz ist hoch, jedoch geringer gegen saure Medien, wie organische Säuren, chlorierte Kohlenwasserstoffe sowie aromatische Lösemittel. Durch Witterungseinflüsse (z. B. UV-Strahlung) vergilben sie - von Ausnahmen abgesehen. Epoxidharz-Emulsionen bestehen aus Epoxidharz und in Wasser emulgiertem Härter. Epoxidharz wird üblicherweise in zwei Komponenten geliefert, die vom Anwender für den Gebrauch zu mischen sind. Die sog. „A-Komponente“ enthält meist das Epoxidharz, die „B-Kom‐ ponente“ den Härter, der in einem vorbestimmten Mischungsverhältnis dem Harz zuzugeben ist. Üblicherweise sind Epoxidharze mit den GHS-Symbolen GHS07 („Achtung“) und GHS09 („Umweltgefährlich“), Epoxidharz-Härter auf Amin-Basis üblicherweise mit den GHS-Symbolen (GHS05, „Ätzend“) gekennzeichnet. Beide werden mit H- und P-Sätzen versehen. Die Gefähr‐ 143 5.6 Polymerchemie - Reaktionsmechanismen <?page no="148"?> 17 Kondensierte Materie bezeichnet in den Naturwissenschaften den festen und flüssigen Aggregatzustand im Gegensatz zu Gas und Plasma. dungs- und Sicherheitshinweise variieren in Abhängigkeit von eingesetztem Harz- und Härtertyp, daher sind die Angaben der Sicherheitsdatenblätter zu beachten. 5.6.6.6 Kombination von Epoxid- und Polyurethanharz (EP-PUR) Reaktionsharze als Stoffkombinationen aus Epoxid- und Polyurethanharzen härten in zwei Varianten durch Polyaddition aus: • Epoxidharz, gemischt mit einem blockierten Polyisocyanat-Prepolymeren, reagiert mit einem Amin-Härter. • Epoxidharz reagiert mit einem aminogruppenhaltigen Urethan- oder Harnstoff-Prepolymeren, das bei der Umsetzung eines lsocyanats oder eines lsocyanat-Prepolymeren mit einem im Überschuss vorhandenen Amin entsteht. Nach dem Aushärten entstehen jeweils Polymere, die Epoxid-, Urethan- und Harnstoffgruppen enthalten. Als Ergebnis resultieren elastifizierte Epoxidharze, die bis zu Temperaturen von ca. -30 °C elastisch bleiben. Der Verlauf der Polymerisation wird durch die Reaktion der Epoxidgruppen mit den Amino‐ gruppen vorgegeben. Aus diesem Grund haben die Harze die gleiche Verarbeitungszeit wie Epoxidharze. Im Gegensatz zu Polyurethanharzen können sie manuell verarbeitet werden. Gegen Säuren, Laugen und Lösemittel sind die Kombinationssysteme weniger beständig als Epoxidharze, weisen jedoch eine ähnliche Beständigkeit auf wie Polyurethan-Systeme. Abhängig vom verwendeten lsocyanat neigen die EP-PUR-Harze mehr oder weniger zum Vergilben. Die Harze sind je nach Anteil an Polyisocyanat weichgummiartig bis zäh. Sie weisen einen hohen mechanischen Widerstand gegen Abrieb auf. 5.7 Polymerphysik Die Polymerphysik behandelt als Teilgebiet der Physik weicher Materie die physikalischen Eigenschaften von synthetischen Makromolekülen sowie von aus diesen bestehenden Poly‐ mermaterialien und Kunststoffen. Dabei werden sowohl Methoden der Experimentalphysik als auch der theoretischen Physik benutzt. Die physikalischen Eigenschaften von Polymeren werden entscheidend von der Art ihrer Synthese beeinflusst. Daher bestehen enge Bezüge zur Polymerchemie und zur chemischen Reaktionstechnik. Da die physikalischen Eigenschaften von Polymeren auch deren Verarbeitbarkeit und technische Verwendbarkeit beeinflussen, bestehen ebenso enge Bezüge zu Materialwissenschaft und Werkstofftechnik wie zu Bereichen der Verfahrenstechnik. Insbesondere aufgrund ihrer Molekülstruktur sowie die oberhalb bestimmter Molekülmassen auftretende Tendenz, Verschlaufungen mit anderen Polymermolekülen zu bilden, unterscheiden sich Polymere von anderen Formen der kondensierten Materie 17 . Folgende Aspekte betrachtet die Polymerphysik unter anderem [40]: 144 5 Kunststoffe <?page no="149"?> • Statistische Beschreibung und Modellierung der Konformationen von einzelnen Polymer‐ ketten. • Strukturelle Charakterisierung und Modellierung von Polymerkettenkonformationen in Polymerlösungen und Polymerschmelzen sowie die Thermodynamik von Polymerlösungen und Polymerschmelzen. • Dynamik und Rheologie von Polymeren. • Relaxationsverhalten von Polymeren und Polymernetzwerken. Materialeigenschaften wie Elastizität und Viskoelastizität, das Deformations- und Bruchverhalten sowie Glasübergänge und Glasdynamik werden untersucht. • Der Struktur des teilkristallinen Zustands sowie den Kristallisations- und Schmelzprozessen von Polymeren. • Thermodynamik und Phasenseparationsmechanismen von Polymerblends. • Polymere an Grenzflächen, etwa deren Konformationen und deren Benetzungsverhalten. • Struktur und Eigenschaften von Funktionspolymeren. Unter diese fallen unter anderem leitfähige Polymere, elektroaktive Polymere wie etwa dielektrische Elastomere, Formge‐ dächtnispolymere, thermoresponsive Polymere, Photopolymere, ferroelektrische Polymere, Kunststoffmagnete, Polyelektrolyte, Flüssigkristallpolymere sowie Blockcopolymere. 5.7.1 Struktur von Polymeren Bei der Synthese der Makromoleküle entstehen unterschiedliche Strukturen. Durch diese unter‐ schiedlichen Makromolekülaufbauten werden wesentliche Eigenschaften der Kunststoffe, wie Festigkeit, Dehnung, Härte, Gasdurchlässigkeit, Löslichkeit und Quellbarkeit etc. bestimmt. Lineare und verzweigte Moleküle ergeben lösliche und schmelzbare Materialien; molekulare Netzwerke führen zu unlöslichen und nicht schmelzenden polymeren Werkstoffen. Grundsätzlich kann zwischen kettenförmig eindimensional aufgebauten Makromolekülen, den Thermoplasten, und den vernetzten, dreidimensional aufgebauten Makromolekülen (Raumnetz‐ molekülen), den Duroplasten (engmaschig vernetzt), und Elastomeren (weitmaschig vernetzt) unterschieden werden. Bild 5.21 zeigt die molekulare Struktur von Thermoplasten, Elastomeren und Duroplasten. Die Moleküle eines Thermoplasts sind nicht vernetzt und bilden lange Ketten, die beim Erwärmen aneinander vorbeigleiten können. Bei einem Elastomere bilden ein weiträu‐ miges Netzwerk aus, die Moleküle können in begrenztem Maße aneinander vorbeigleiten, wenn diese erwärmt werden oder mechanischen Beslastungen ausgesetzt werden. Die Moleküle von Duroplasten sind eng vernetzt, beim Erwärmen können sie daher nicht aneinander vorbeigleiten. a) Thermoplaste b) Elastomere c) Duromere Bild 5.21: Struktur unterschiedlicher Kunststoffklassen 145 5.7 Polymerphysik <?page no="150"?> 18 von altgriechisch thermós ‚warm‘, ‚heiß‘ und plássein ‚bilden‘, ‚formen‘ Die unvernetzten unterscheiden sich von den vernetzten Kunststoffen durch ihr deutlich unter‐ schiedliches Wärmeverhalten. Unvernetzte Kunststoffe können durch Erwärmung mehrmals plastisch verformt werden. Ein duroplastischer Kunststoff ist dagegen nicht verformbar, wenn man diesen erhitzt. Vernetzte Kunststoffe sind nach einmaligem Durchlaufen ihres plastischen Zustands bei der Formgebung irreversibel zum Kunststoff „ausgehärtet“. Gemäß der Einteilung der Kunststoffe in Thermoplaste, Duromere, Elastomere und thermo‐ plastische Elastomere (siehe Abschnitt 5.4) werden nachfolgend die wesentlichen Eigenschaften beschrieben. 5.7.2 Thermoplaste Kunststoffe, die in einem bestimmten Temperaturbereich erweichen und sich verformen lassen, werden als Thermoplaste 18 bezeichnet. Nach dem Abkühlen und Verfestigen kann der Vorgang durch Wiedererwärmen bis in den schmelzflüssigen Zustand beliebig oft wiederholt werden, solange sich das Material nicht infolge Überhitzung thermisch zersetzt. Der Vorgang ist also reversibel. Der Grund ist, dass Thermoplaste aus linearen oder nur schwach verzweigten Poly‐ merketten bestehen. Diese ziehen sich gegenseitig infolge der zwischenmolekularen Kräfte, die zwischen Atomen bzw. Molekülen auftreten (van-der-Waals-Kräfte), vergleichsweise schwach an. Daher lassen sich die Polymerketten leicht gegeneinander verschieben, was die Verformbarkeit der Thermoplaste erklärt. Dieses unterscheidet Thermoplaste von Elastomeren und Duroplasten. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal von Thermoplasten ist deren Schweißbarkeit, die ebenfalls mit dem Erweichen zusammenhängt. Die bekanntesten Thermoplaste sind Polystyrol, Polyvinyl‐ chlorid, Polyethylen und Polypropylen. 5.7.2.1 Typen von Thermoplasten Kunststoffe aus der Klasse der Thermoplaste sind: • Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS), • Polyamide (PA), • Polylactat (PLA), • Polymethylmethacrylat (PMMA), • Polyethylen (PE), • Polypropylen (PP), • Polyvinylchlorid (PVC), • Polystyrol (PS), • Polytetrafluorethen (Teflon), • Polyacrylnitril (PAN), • Polyethylenterephthalat (PET), • Polymethacrylsäuremethylester (PMMA, „Plexiglas“), • Polyetheretherketon (PEEK). Auch bestimmte Polyurethane (TPU) gehören zu den Thermoplasten. Der erste bekannte Thermoplast ist Zelluloid. Von den Thermoplasten werden Polyolefine, wie Polyethylen und Polypropylen, am häufigsten verwendet. 146 5 Kunststoffe <?page no="151"?> 5.7.2.2 Struktur von Thermoplasten Thermoplaste sind aus langen und unverzweigten bzw. nur wenig verzweigten Ketten von Mak‐ romolekülen aufgebaut, die im festen Zustand durch van-der-Waals-Kräfte zusammengehalten werden, zum Teil auch durch Wasserstoffbrücken-Bindungen. Wird ein Thermoplast erwärmt, geraten die Moleküle in Schwingungen. Dadurch werden die intermolekularen Bindungen gelöst. Die langen Ketten können somit leicht aneinander vorbei gleiten. 5.7.2.3 Amorphe und teilkristalline Thermoplaste Bezüglich der Struktur sind amorphe und teilkristalline Thermoplaste zu unterscheiden siehe Bild 5.22. Die Makromolekülketten der amorphen Thermoplaste liegen im festen Zustand völlig ungeordnet und ineinander verknäult vor. Bei teilkristallinen Thermoplasten verlaufen die langen Molekülketten dagegen stellenweise mehr oder weniger parallel zueinander. Zwischenmolekulare Kräfte können zwischen den parallel verlaufenden Molekülketten besser wirken als an anderen Stellen. Daher sind Thermoplaste in den kristallinen Bereichen besonders fest. a) amorphe Struktur b) teilkristalline Struktur Bild 5.22: Struktur der a) amorphen und b) teilkristallinen Thermoplaste 5.7.3 Thermoplaste als Werkstoffe Thermoplaste (Plastomere) sind wichtige Werkstoffe, die in folgende Gruppen unterteilt werden. 5.7.3.1 Standardkunststoffe Zu dieser Gruppe gehören die „einfachen“ Thermoplaste wie Polyethylen, Polypropylen, Poly‐ vinylchlorid und Polystyrol. Der Einsatzbereich dieser Kunststoffe liegt bei Temperaturen bis maximal 90 ºC. 147 5.7 Polymerphysik <?page no="152"?> 5.7.3.2 Technische Kunststoffe Thermoplaste, die bei höheren Temperaturen von bis zu 150 ºC eingesetzt werden können, wie PET (Polyethylenterephthalat) und Polycarbonat, zählen zu den technischen Kunststoffen. 5.7.3.3 Hochleistungskunststoffe Diese Kunststoffe könne bei sehr hohen Temperaturen bis zu 260 ºC eingesetzt werden. Hierzu zählt Polytetrafluorethen mit dem Handelsnamen Teflon, ein Kunststoff, der zum Beispiel als Beschichtung von Bratpfannen genutzt wird. 5.7.3.4 Anwendungen im Bautenschutz Um Thermoplaste z. B. für Beschichtungen auf Beton verwenden zu können, müssen sie gelöst oder dispergiert werden. Dazu werden Thermoplaste mit geringer molarer Masse verwendet. Beschichtungsstoffe auf Basis von Thermoplasten trocknen physikalisch durch Verdunsten des Lösemittels. Der trockene Film der Beschichtung ist durch Lösemittel lösbar und kann dadurch vom Untergrund entfernt werden. Überbeschichten gelöster Beschichtungen mit lösemittelhalti‐ gen Stoffen ist möglich, da durch das Anlösen des ursprünglichen Beschichtungsfilms eine gute Verbindung zwischen dem alten und neuen Film erzeugt wird, jedoch kann es auch zu sogenannter Runzelbildung (siehe Bild 5.23) infolge Quellens des vorhandenen Films kommen. Bild 5.23: Runzelbildung einer lösemittalhaltigen Beschichtung Als lösemittelhaltige Systeme werden überwiegend Polyacrylate, Chlorkautschuk, PVC sowie ver‐ schiedene Copolymerisate eingesetzt [35]. Diese ergeben Beschichtungen mit guter Beständigkeit gegen Chemikalien und geringer Durchlässigkeit für Gase, besonders Kohlendioxid. Damit sind sie für den Schutz von Beton geeignet, um Karbonatisieren des Betons zu behindern. Acrylate haben sich besonders bewährt, die neben einem hohen Widerstand gegen C0 2 -Diffusion auch eine 148 5 Kunststoffe <?page no="153"?> hohe Wasserdampfdiffusion zulassen. Zudem sind sie UV-beständig und neigen daher nicht zum Vergilben. Als Dispersionen (siehe auch Abschnitt 5.8.3.1 Kunststoff-Dispersionen) werden hauptsächlich Copolymere auf Basis von Vinylacetat, Vinylpropionat, Acrylsäureestern und Styrol eingesetzt. Diese aus diesen Stoffen hergestellten Filme weisen einen geringen Widerstand gegen Wasser‐ dampfdiffusions und auch gegen Diffusion von Kohlenstoffdioxid auf. Daher eignen sie sich als Beschichtungsstoff für Putz sehr gut, sind für Beton jedoch weniger geeignet. 5.7.4 Duroplaste Kunststoffe, die nach ihrer Aushärtung durch Erwärmung oder andere Maßnahmen nicht mehr verformt werden können, werden Duroplaste (bzw. Duromere) genannt [1]. Duroplaste bestehen aus engmaschig vernetzten Polymeren, siehe Bild 5.24. Bild 5.24: Räumlich engmaschiges Gitter aus Makromolekülen eines Duroplasts Die Makromoleküle sind über kovalente Bindungen engmaschig vernetzt, daher erweichen sie bei Erhitzen nicht, sodass sie nach dem Aushärten nur spanabhebend bearbeitbar sind. Die Vorprodukte (Prepolymere) sind in der Regel noch schmelzbare bzw. lösliche Kunstharze, die oft mit Füll- und Farbstoffen versetzt, gegossen oder warmgepresst werden können. Die Prepolymere bestehen aus tri- oder mehrfunktionellen Verbindungen. Mit geeigneten Härtern vermischt und mittels evtl. Katalysatoren oder durch hohe Temperaturen polymerisieren sie zu einem engmaschig vernetzen Kunststoff. Reaktionsharze werden über Polyaddition oder radikalische Kettenpolymerisation ohne Ab‐ spaltung von flüchtigen Verbindungen gehärtet. Beispiele für Reaktionsharze sind Epoxidharze, vernetzbare Polyurethane und ungesättigte Polyesterharze. Als Rohstoffe für Beschichtungsmaterialien auf Beton und anderen Untergründen sind Du‐ romere besonders geeignet, da sie in der flüssigen Anwendungsform als niedermolekulare Materialien vorliegen. Weil sie den Untergrund gut benetzen und in kleine Poren und Vertiefungen eindringen, besitzen sie im ausgehärteten Zustand eine gute Haftfestigkeit. Duromere werden sowohl lösemittelhaltig für Imprägnierungen und Beschichtungen als auch lösemittelfrei für Beschichtungen, Verklebungen und Kunstharzmörtel eingesetzt [35]. 149 5.7 Polymerphysik <?page no="154"?> 19 Beim Überschreiten der Glasübergangstemperatur T g geht ein Polymer in einen gummiartigen bis zähflüssigen Zustand über. 5.7.5 Elastomere Elastomere sind elastisch verformbare, jedoch formfeste Kunststoffe. Ihre Glasübergangstem‐ peratur 19 befindet sich unterhalb der Einsatztemperatur. Diese Kunststoffe verformen sich bei Zug- und Druckbelastung elastisch, kehren aber anschließend in ihre ursprüngliche Form zurück. Elastomere kommen als Material für Reifen, Gummibänder, Dichtungsringe usw. zum Einsatz. Die bekanntesten Elastomere sind die Vulkanisate von Naturkautschuk und Silikonkautschuk. Die bekanntesten Elastomere sind: Natur- und Synthesekautschuk, Styrol-Butadien-Kau‐ tschuk, Nitrilkautschuk, Acrylnitril-Butadien-Kautschuk (Handelsname Perbunan), Styrol-Buta‐ dien-Kautschuk, Chlor-Sulfat-Polyethylen, Chloropren-Kautschuk, Polysulfid und Polyurethane. Diese Produkte werden sowohl lösemittelhaltig als auch lösemittelfrei verwendet, z. B. für hochelastische Schutzschichten auf Beton, als Dach- und Installationsbahnen, zum elastischen Verbinden von Betonteilen und zum Ausfüllen von Betonrissen und Fugen [35]. Bild 5.25: Räumlich weitmaschiges Gitter aus Makromolekülen eines Elastomers 5.7.6 Thermoplastische Elastomere Eine Sonderform der Elastomere sind thermoplastische Elastomere (Kürzel TPE bzw. TPR von Thermoplastic Rubber, englisch für‚ 'thermoplastischer Gummi‘). Diese Kunststoffe verhalten sich bei Raumtemperatur ähnlich wie Elastomeren, sich lassen jedoch unter Wärmezufuhr plastisch verformen und zeigen ein thermoplastisches Verhalten. Nach dem inneren Aufbau der TPE unterscheidet man Elastomerlegierungen und Copolymere [41]: • Legierungen sind Mischungen (Gemenge) von fertigen Polymeren und werden aus einer Kunststoffmatrix und einem weichen Werkstoff, z. B. einem Elastomer hergestellt. Beispiele sind: - TPO (Thermoplastische Elastomere auf Olefinbasis, vorwiegend PP/ EPDM) und - TPV (Thermoplastische Vulkanisate oder vernetzte thermoplastische Elastomere auf Olefinbasis, vorwiegend PP/ EPDM). 150 5 Kunststoffe <?page no="155"?> • Block-Copolymere sind Molekülketten mit unterschiedlichen Segmenten, die sich beim Abkühlen zu „Hart“- und „Weich“-Bereichen zusammenlagern. Beispiele sind: - TPS (Styrol-Block-Copolymer), TPU (thermoplastisches Polyurethan), TPC (thermoplas‐ tisches Polyester-Elastomer) und - TPA (thermoplastisches Polyether-Polyamid). • Statistische Copolymere bestehen aus einem kristallisierenden (und damit physikalisch vernetzenden) Hauptpolymer, wie z. B. Polyethylen, dessen Kristallisationsgrad durch ein zufällig entlang der Kette eingebautes Comonomer, wie z. B. Vinylacetat, soweit verringert ist, dass die Kristallite (harte Phase) im fertigen Werkstoff (zum Beispiel EVA) keinen direkten Kontakt mehr haben. Sie wirken dann wie in herkömmlichen Elastomeren als isolierte Vernetzungspunkte. 5.8 Beschichtungsstoffe Nach DIN EN ISO 4618 [22] ist ein Beschichtungsstoff ein flüssiges, pastenförmiges oder pulverförmiges Produkt, das, auf einen Untergrund aufgetragen, eine haftende Beschichtung mit schützenden, dekorativen und/ oder anderen spezifischen Eigenschaften ergibt. Gemäß der genannten Norm ist dieses der Oberbegriff für Lacke, Anstrichstoffe, Spachtel (Spachtelmassen) und ähnliche Produkte. 5.8.1 Einteilung und Zusammensetzung Beschichtungsstoffe enthalten nachfolgend genannte Bestandteile: • Bindemittel, • Pigmente, • Hilfsstoffe (Additive) sowie ggf. weiteren Bestandteile, wie • Füllstoffe, • Gesteinskörnungen, • Fungizide/ Bakterizide, • Löse- und Dispergiermittel. Die Zusammensetzung verschiedener Bautenschutzstoffe zeigt Bild 5.26. 151 5.8 Beschichtungsstoffe <?page no="156"?> 20 Anstrichstoff ist eine historisch gewachsene Bezeichnung für eine Vielzahl von Beschichtungsstoffen, abgeleitet vom Verarbeitungsverfahren „Streichen“ [22]. Bild 5.26: Zusammensetzung von Imprägnierungsmitteln, Lasuren, Anstrich 20 - und Beschichtungsstoffen (Anhalts‐ punkte). Quelle: [42] Die physikalischen, chemischen und technologischen Eigenschaften der Beschichtungsstoffe können durch Art, Menge und Beschaffenheit dieser Bestandteile gezielt beeinflusst werden. Die verschiedenen Beschichtungsstoffe werden nach verschiedenen Kriterien eingeteilt [22]: • Bindemittel/ Harz, - wasserverdünbar - lösemittelhaltig • Verarbeitung, • Lage im Beschichtungssystem, • Anwendungsbereich, • Eigenschaft. Nach DIN EN ISO 4618 [22], DIN 55945 [43] und DIN 16945 [44] werden die Bindemittel nach der chemischen Gruppe ihrer Bindemittel unterschieden: • Reaktionsharze oder gemäß [22] Mehrkomponenten-Beschichtungsstoffe, die infolge Polyaddi‐ tions- und Polymerisationsreaktionen zwischen den Bindemittelkomponeten erhärten, siehe [44], und • physikalisch trocknende Kunststoffe, die durch Verdunsten von Löse- und Dispergiermitteln verfestigen [43]. Bei einigen Systemen laufen beide Vorgänge gleichzeitig ab. Nach dem Auftragen der flüssigen Komponenten entstehen nach der Filmbildung polymere Beschichtungssysteme. 152 5 Kunststoffe <?page no="157"?> 21 MT: Masseteile 5.8.2 Reaktionsharzsysteme 5.8.2.1 Allgemeines Beschichtungen aus Reaktionsharzen werden für zahlreiche Anwendungen rezeptiert. In der Regel bestehen diese nicht aus dem Bindemittel allen, sondern enthalten aus technischen und wirtschaftlichen Gründe Füllstoffe, Pigmente und weitere Inhaltsstoffe. 5.8.2.2 Füllstoffe Als Füllstoffe werden den Reaktionsharzen feste, nichtreaktive Stoffe zugegeben und im Rahmen der Produktion fein verteilt. Aufgrund der Unverträglichkeit der Reaktionsharze gegenüber Feuchte können ausschließlich getrocknete Füllstoffe, z. B. Quarzmehl, Kreide, Schwerspat, Hart‐ korn (Schlacke), Siliciumcarbid, Graphit, Gummigranulat, Glashohlkugeln und Fasermaterialien, eingesetzt werden. 5.8.2.3 Gesteinskörnung Für selbstverlaufende Fließmörtel und standfeste Reparaturmörtel, z. B. Polymermörtel (PRM) oder Polymerbeton (PRC), werden Gesteinskörnungen nach bestimmten Sieblinien eingesetzt. Das Mischungsverhältnis Bindemittel : Gesteinskörnung kann von ca. 1 : 1 MT 21 bis ca. 1 : 20 MT betragen. Dadurch wird möglich, die technischen Eigenschaften der Mischungen definierten Einsatzzwecken optimal anzupassen. Harze niedriger Viskosität können höher gefüllt werden als Harze hoher Viskosität. 5.8.2.4 Pigmente Pigmente sind feinkörnige, farbige Feststoffpartikel. Diese werden Dispersionen, Lösungen und Reaktionsharzen zugegeben, um farbigen Oberflächen herzustellen. Zudem helfen sie, optisch korrektes Dosieren und Mischen der Komponenten zu prüfen. Zudem lässt sich bei Farbwechsel zwischen verschiedenen Schichten prüfen, ob Arbeitsgänge vollständig ausgeführt wurden. 5.8.2.5 Thixotropiermittel Um geneigte und vertikale Flächen zu beschichten, ohne dass die noch flüssige Beschichtung abläuft, werden werkseitig oder auf der Baustelle Thixotropiermittel (Stellmittel) zugegeben. Diese meist untoxische Faserstoffe auf Silikatbasis verändern die Viskosität der Stoffe. Allerdings können sie auch die mechanischen Kennwerte, z. B. den E-Modul, verändern. Parameter für die eingesetzte Menge der Stellmeittel sind: • Viskosität und Füllgrad des Gemisches • erforderliche Schichtdicke pro Arbeitsgang • Neigungswinkel des Untergrundes • Temperatur des Untergrundes. 153 5.8 Beschichtungsstoffe <?page no="158"?> 22 Retention von lat. retenere (zurückbehalten) 5.8.2.6 Lösemittel Damit Reaktionsharzmassen besser in den Untergrund penetrieren, kann durch Zugabe von Lösemitteln die Viskosität gesenkt werden. Die Verarbeitungszeit verlängert sich durch die Lösemittel. Als Folge der verdampfenden Lösemittel nimmt das Schwinden der Reaktionsharz‐ massen zu, was zu Spannungen im erhärtenden Film führen kann. Bei dickeren Schichten, aus denen die Lösemittel nur ungenügend entweichen können, besteht die Gefahr der Blasenbildung infolge Lösemittelretention 22 . Lösemittelhaltige Systeme werden daher bevorzugt für dünne Versiegelungen eingesetzt. Risse und Hohlräume sowie Fugen dürfen mit diesen Systemen nicht gefüllt werden. Blasen in Beschichtungen können auch durch in Poren des Untergrundes eingeschlossene Luft oder beim Mischen des Beschichtungsstoffs eingearbeitete Luft entstehen, wenn diese infolge steigender Temperatur expandiert und aus dem noch flüssigen Film entweicht (Bild 5.27 und Bild 5.28). Bild 5.27: Pore in einer Bodenbeschichtung mit geschlossenem und eingefallenem Blasendeckel Bild 5.28: Bis zum Untergrund durchgehende Pore in einer Bodenbeschichtung 154 5 Kunststoffe <?page no="159"?> 5.8.3 Physikalisch trocknende Systeme 5.8.3.1 Kunststoff-Dispersionen Der Begriff Dispersion ist ein Oberbegriff für unterschiedliche Stoffgemische, Suspensionen und Emulsionen. Darunter versteht man folgendes: • Eine Suspension (lateinisch suspendere ‚aufhängen‘, ‚in der Schwebe lassen‘) ist ein hetero‐ genes Stoffgemisch aus einer Flüssigkeit und darin fein verteilten Festkörpern (Partikeln). Eine Suspension ist eine grobdisperse Dispersion und tendiert zur Sedimentation und Phasentrennung. Die Feststoffe sind in der flüssigen Phase „suspendiert“. Als Kolloide (von altgriechisch kólla „Leim“ und eidos „Form, Aussehen“) werden Teilchen oder Tröpfchen bezeichnet, die im Dispersionsmedium (hier: Flüssigkeit) fein verteilt sind. In der Polymerchemie sind Suspensionen oder Dispersionen feinstdispergierte Polymerpro‐ dukte, die durch Suspensionspolymerisation gewonnen werden, beispielsweise Polyacrylate oder Vinylacetate. • Unter einer Emulsion (lateinisch ex und mulgēre ‚herausgemolken‘) versteht man ein fein verteiltes Gemisch zweier normalerweise nicht mischbarer Flüssigkeiten (z. B. Öl in Wasser) ohne sichtbare Entmischung. Typische Emulsionen sind zahlreiche Kosmetika (u. a. Sonnecreme), Milch oder Mayonnaise. 5.8.3.1.1 Filmbildung Die Filmbildungsmechanismus der Dispersionen ist keine chemische Reaktion, sondern ein physikalischer Vorgang und erfolgt nach einem von Vanderhoff et. al. [45]vorgeschlagenen Drei-Stufen-Modell, siehe auch Bild 5.29: • Wasser der applizierten Dispersion verdampft, bis die Partikel in Kontakt kommen. • Weiteres Verdunsten von Wasser führt zur Deformation der Partikel. • Die Interdiffusion von Polymerketten über die Partikelgrenzflächen hinweg führt zuletzt dazu, dass sich ein homogener Film bildet. Bild 5.29: Ablauf der Filmbildung bei Polymerdispersionen (Quelle: ) 155 5.8 Beschichtungsstoffe <?page no="160"?> 5.8.3.1.2 Zusammensetzung Zum Einsatz gelangen in Wasser unlösliche Thermoplaste (Homo- und Copolymerisate), die Alkali-resistent sein müssen, da sie meist auf zementösen Untergründen eingesetzt werden. Oft werden Polymere, wie Styrol-Butadien-Copolymerisate und Acrylat verwendet. Je nach Anwendungsfall wird der Anteil des Polymers in den Dispersionen variiert. Um die Kunststoffteilchen mit einem Durchmesser von ca. 0,001 mm (entspricht 1 µm) in Wasser gleichmäßig zu verteilen, werden den Dispersionen Emulgatoren zugesetzt. Diese halten die Polymerteilchen in der Schwebe, so dass Flüssigkeiten mit milchig trübem Aussehen entstehen. Um die Anzahl von Luftporen zu reduzieren und die Dichtigkeit der späteren Beschichtungs‐ filme zu verbessern, werden Entschäumer als Additiv hinzugegeben. Filmbildungshilfsmittel verbessern, dass sich die Polymerteilchen auch bei niedrigen Temperaturen im Bereich zwischen +5 °C bis +8 °C aneinander lagern. 5.8.3.1.3 Anwendung und Eigenschaften Kunststoffdispersionen werden im Bauwesen eingesetzt als Bindemittel für: • Oberflächenschutzsysteme, • Fugendichtstoffe, • Spachtelmassen, • Zusätze für die Modifikation von Zementmörtel. 5.8.3.1.4 Einsatz in Beschichtungen Kunststoffdispersionen besitzen zahlreiche Vorteile als Bindemittel für Beschichtungen, z. B.: • leichte Verarbeitbarkeit, • gute Haftung auf verschiedenen Werkstoffen, • keine Umweltbelastung, • geringe Arbeitsschutzmaßnahmen, • einfache Überarbeitbarkeit. Die Filmbildung kann je nach Witterungsbedingungen längere Zeit in Anspruch nehmen. Erst im vollständig verfilmten Zustand erreichen Beschichtungen auf Basis von Kunststoff-Dispersionen die erforderliche Beständigkeit gegen Belastung durch flüssiges Wasser. Falls der Prozess der Filmbildung nicht abgeschlossen ist, kann die Beaufschlagung mit flüssigem Wasser zu einem Quelleffekt, wie in Bild 5.30 gezeigt, führen. Im gezeigten Fall war der Effekt reversibel und nach dem Trocknen der Dispersion und vollständiger Filmbildung haftete die Beschichtung auf dem Untergrund. Beschichtungsfilme auf Basis von Dispersionen unterliegen an der Luft Quell- und Schwind‐ vorgängen durch Wasseraufnahme bzw. -abgabe (bis 30 M.-%), die ihren Einsatz bei dauernder Wasserbelastung zurzeit noch ausschließen [35]. 156 5 Kunststoffe <?page no="161"?> Bild 5.30: Durch Quellen infolge Regenbeaufschlagung entstandene Blasen in einer Dispersionsbeschichtung an einer Fassade 5.8.3.2 Kunststoff-Lösungen Eine Lösung ist die molekulare Verteilung des Kunststoffes in einem Lösemittel. 5.8.3.2.1 Lösevorgang Organische Lösemittel überwinden im Allgemeinen die schwachen Bindungskräfte zwischen den thermoplastischen (unvernetzten, siehe 5.7.2) Molekülketten und setzen sich zwischen die Ketten. Dadurch erzeugen sie ein Quellen des Kunststoffs. Sie lösen diesen, wodurch Kunststofflösungen entstehen. Dieser reversibele (umkehrbare) Vorgang führt erneut zu einem Verknäuelen der Kunststoffteilchen, wenn das Lösemittel entwichen ist. Dieser physikalische Vorgang stellt keine chemische Reaktion dar. 5.8.3.2.2 Zusammensetzung Als Polymere für gelöste Werkstoffe werden PVC-Copolymerisat, Chlorkautschuk und Acrylat eingesetzt. Kohlenwasserstoffe, wie Xylol, und Alkohole, wie Ethanol, dienen als Lösemittel. Damit die Filmbildung ungestört verläuft, müssen Lösemittel gleichmäßig entweichen. Lösemittel dürfen nicht im Beschichtungsfilm zurückgehalten werden (siehe Lösemittelretention im Abschnitt 5.8.2.6). Lösemittel müssen folgende Eigenschaften aufweisen [35]: • gutes Lösevermögen, • Verträglichkeit mit dem Untergrund, • physiologische Unbedenklichkeit bei der Verarbeitung. 157 5.8 Beschichtungsstoffe <?page no="162"?> 5.8.3.2.3 Eigenschaften und Anwendung Nach dem Entweichen des Lösemittels entstehen infolge der molekularen Verteilung der Polymere äußerst dichte und beständige Filme, die denen der Dispersionen häufig in ihren Gebrauchsei‐ genschaften überlegen sind [23]. Vorteil von Lösungen ist ebenfalls, dass beim Überarbeiten von Beschichtungen der vorhandene Film durch das Lösemittel angelöst wird. Daraus resultiert in der Regel ein guter Verbund zwischen der alten und der neuen Schicht. Kunststofflösungen werden für Imprägnierungen und Versiegelungen hergestellt. Sie zeichnen sich aus durch [35]: • hohe Alterungsbeständigkeit, • gutes Eindringvermögen in den Untergrund, • geringe Wasseraufnahme, • geringe Verschmutzungsneigung, • gute Haftung auf verschiedenen Werkstoffen, • einfache Überarbeitbarkeit. Für hydrophobierende Imprägnierungen werden vorwiegend in organischen Lösemitteln gelöste oder neuerdings auch umweltfreundlich in Wasser dispergierte Silikonharze verwendet. Während ihre anorganischen Silizium-Anteile für die Haftung am mineralischen Untergrund sorgen, bewirken die angelagerten organischen Bausteine (Methylgruppen) den wasserabweisenden Effekt. Hydrophobierte Flächen lassen Regenwasser abperlen, aber Wasserdampf von innen nach außen diffundieren. 5.8.3.3 Siliciumorganische Verbindungen - Silicone (SI) Eine Zwischenstellung zwischen anorganischen Silikaten und organischen Polymeren nehmen Silikone (auch Silicone) ein. Dabei ist die Bezeichnung Silikone der Überbegriff für niederbis hochmolekulare Stoffe auf Siliciumbasis. Dazu gehören Silane, Siloxane, Silikonharze, Silikonate. Die Produkte werden über Polykondensation durch Hydrolyse von Alkylchlorsilanen, vor allem von Methylchlorsilanen hergestellt. Bei der Reaktion werden die Chloratome durch Hydroxy-Gruppen ersetzt, wobei die dabei entstehenden Silanole unverzüglich kondensieren. In Abhängigkeit von der Anzahl der Chlorsubstituenten im Ausgangsmaterial entstehen lineare, verzweigte, vernetzte oder ringförmige Produkte siehe Bidler 5.31 bis 5.34. Silikone finden Verwendung als Öle, Harze und Kautschuke. Die Systeme werden aufgrund ihrer Molekülgröße und des beabsichtigten Einsatzgebiets für Imprägnierungen als gelöstes Produkt oder in Form von Dispersionen angeboten. Siliconate sind in Wasser bzw. Wasser-Alkoholgemischen gelöste Verbindungen. Silane sind lösemittelfrei oder werden mit alkoholischen Lösemitteln verdünnt. Siloxane werden sowohl in organischen Lösemitteln gelöst als auch in Wasser dispergiert hergestellt. Nach dem Auftragen reagieren Silane und Siloxane mit silikatischen Oberflächen, z. B. Beton). Dabei vernetzen sie zu Silikonharzen, siehe Bild 5.34. Die dazu benötigete Feuchtigkeit entnehmen sie vor allem dem Betonuntergrund aber auch der umgebenden Luft. Allerdings können mit diesen Systemen frisch hergestellte oder nasse Betonoberflächen nicht hydrophobiert werden. Für die Reaktion benötigen Silane ein alkalisches Milieu. Siloxane und Silikonharze reagieren auch auf nicht alkalischen Untergründen. 158 5 Kunststoffe <?page no="163"?> Bild 5.31: Strukturformel für ein Silikonat (Sodium methylsiliconate) Bild 5.32: Strukturformel für ein Silan (Trimethoxymethylsilan) Bild 5.33: Strukturformel für ein Siloxan (Octamethyltrisiloxan) Bild 5.34: Strukturformel für Silikonharz Siliconate, Silane und Siloxane besitzen eine ausgeprägte Polarität. Dieses erklärt deren hydro‐ phobierende Wirkung. Da ihre Molekülgröße gegenüber Silikonen gering ist, penetrieren sie gut in poröse Untergründe, wie Beton, sodass sie speziell als lmprägniermittel eingesetzt werden. Siliconharze sind polymere Siloxane, die durch Reaktion von Silanen mit Wasser entstehen. U. a. aufgrund der großen Moleküle dringen sie nur gering in Baustoffoberflächen ein. Daher werden Siliconharze nur zum Imprägnieren poröser, schwach bis nicht alkalischer Baustoffe verwendet. Zum Teil werden Silikonharze mit organischen Harzen, wie z. B. Alkyd-, Epoxid-, Melamin-, Phenol- und Polyesterharzen, kombiniert, um bestimmte Eigenschaften, wie Glanz, Oberflächen‐ härte, Deckvermögen, Pigmentverträglichkeit sowie Wärme- und Chemikalienbeständigkeit, zu verbessern. 159 5.8 Beschichtungsstoffe <?page no="164"?> 5.9 Kunststoffmodifizierte Mörtel und Betone Für kunststoffmodifizierte Mörtel bzw. Betone werden flüssige Dispersionen und redispergierbare Pulver eingesetzt [35]. Letztere werden dem Zementmörtel bzw. -beton werksseitig zugemischt, so dass auf der Baustelle lediglich Wasser zugegeben wird. Die Dispersionen bestehen vor allem aus Vinylacetat-Co- und Terpolymeren, Reinacryla‐ ten, Styren-Acrylsäureester-Copolymerisaten, Styren-Butadien-Copolymerisaten, Vinylpropio‐ nat-Copolyisatmeren und Polyvinyliden-Vinylchlorid-Copolymerisaten [23] und wirken sich auf die Eigenschaften der Frischmörtel folgendermaßen aus. • Da die zugegebenen Dispersionen (auch Zugabeflüssigkeit genannt) verflüssigend wirken, reduziert sich der erforderliche Wasseranteil des Mörtels und damit der Wasserzementwert (w/ z-Wert). Das vom Hersteller angegebene maximale Verhältnis von Dispersion und Zuga‐ bewasser darf nicht überschritten werden. Der Dispersionsanteil liegt in der Größenordnung von 5 % bis 30 % bezogen auf die Zementmasse [23]. • Die Zusätze in der Kunststoff-Dispersion erhöhen das Wasserrückhaltevermögen des fri‐ schen Mörtels. Dadurch verdunstet das noch nicht chemisch oder physikalisch gebundene Zugabewasser nicht vorzeitig. Somit steht für die Hydratation des Zements ausreichend Wasser zur Verfügung. In Bezug auf die Eigenschaften der erhärteten Mörtel lassen sich folgende Vorteile der Zugabe von Dispersionen nennen [35]. • Im Wesentlichen wird die Druckfestigkeit von Mörteln vom Wasserzementwert bestimmt und nimmt mit abnehmendem w/ z-Wert zu. Hierauf hat die Kunststoff-Dispersion selbst geringen Einfluss, außer durch die Verbesserung des Wasserrückhaltevermögens. Allerdings wird die Biegezugfestigkeit durch die Zugabe der Kunststoff-Dispersion deutlich erhöht. Bei Nasslagerung und bei Wechsellagerung (nass/ trocken) können Festigkeitsverlusten auftreten. • Durch die zugegebene Dispersion verringert sich der E-Modul. Kunststoffmodifizierter Zementmörtel hat demzufolge eine höhere Bruchdehnung als Zementmörtel ohne Zusatz. • Die Haftzugfestigkeit des Mörtels kann durch Zugabe der Kunststoff-Dispersion erhöht werden. • Als Folge des verbesserten Wasserrückhaltevermögens der kunststoffmodifizierten Zement‐ mörtel wird das Schwindverhalten positiv beeinflusst. Die Neigung zu Rissen ist durch die höhere Bruchdehnung gegenüber einem Zementmörtel ohne Kunststoffzusatz geringer. • Der Frostwiderstand wird durch ein dichtes Gefüge des Mörtels infolge des niedrigen Wasserzementwerts verbessert. 5.10 Fugendichtstoffe Fugendichtstoffe können ein- oder zweikomponentig sein. Silikon-Dichtstoffe haben den größten Marktanteil, danach folgen Dichtungsmassen auf der Basis von Polysulfid, Acryl, Polyurethan, Butyl und Polyisobutylen. Hauptanwendungen sind Glasbau und Baufugen. Fugendichtstoffe müssen eine ausreichende Haftung an den Fugenflanken zur Aufnahme der auftretenden Dehn-, Stauch- und Scherbewegungen ohne Verlust der dichtenden Funktion haben. 160 5 Kunststoffe <?page no="165"?> Die Fugendichtstoffe müssen verträglich mit dem zu dichtenden Baustoff und nachfolgenden Beschichtungsstoffen sein. Sauer härtender Silikonkautschuk ist beispielsweise nicht geeignet für Anwendung auf Beton, im Gegensatz zu neutral oder basisch härtenden Silikonkautschukmassen, die verträglich sind. Dichtstoffe werden entsprechend ihren physikalischen und chemischen Merkmalen unter‐ schieden. DIN 52460 [47] unterteilt die ausreagierten (verfestigten) Dichtstoffe gemäß deren Verformungscharakteristik in drei Eigenschaftsgruppen: • erhärtend, • plastisch, • elastisch. Fugendichtstoffe auf Basis von AY-Dispersionen verformen sich überwiegend plastisch - das Rückstellvermögen ist vergleichsweise gering. Daher sind diese Fugendichtstoffe ausschließlich für „starre“ Fugen mit geringen Stauchungen und Dehnungen vorzusehen, nicht für Bewegungs‐ fugen. Zweikomponentige Polysulfid-Fugendichtstoffe besitzen aufgrund ihre überwiegend elastischen Verformungseigenschaften ein hohes Rückstellvermögen. Sie werden zum Schließen von Außen‐ wandfugen zwischen Betonbauteilen sowie unterschiedlichen Baustoffen eingesetzt. Sowohl einals auch zweikomponentige PUR-Fugendichtstoffe reagieren im verfestigten Zustand zähelastisch und verfügen daher über ein vergleichsweise hohes Verformungs- und Rückstellvermögen. Typische Einsatzgebiete sind Brückenbauwerke, Parkdecks, Laubengänge, Tunnelbauwerke, Tiefgaragen. Einkomponentige Silikon-Fugendichtstoffe verfestigen durch Aufnahme von Wasser aus der umgebenden Luft, das den Vernetzer aktiviert, siehe Abschnitt 5.8.3.3. Durch die Reaktion des Vernetzers werden Spaltprodukte freigesetzt, die sauer, basisch oder neutral wirken können. Dies ist bei der Auswahl in Abhängigkeit von den angrenzenden Materialien zu beachten. Verfestigte Fugendichtstoffe weisen ein elastisches Verhalten auf und besitzen ein vergleichs‐ weise hohes Rückstellvermögen. Die Kenntnis der Rohstoffbasis lässt Rückschlüsse auf das physikalische Verhalten zu, jedoch ist dieses durch entsprechende Rezeptierungen zu beeinflus‐ sen. Daher sind bei der Planung von Fugenabdichtungen neben den chemischen Merkmalen auch die relevanten physikalischen Merkmale zu beachten. Erkennungsmerkmale der Bindemittelbasis der Fugendichtstoffe sind auf Tabelle 5.2 angegeben. Werkstoff Brennbarkeit Geruch Acryldispersionen gelbe kleine Flamme leicht süßlich, nicht charakteris‐ tisch Polysulfid gelbe Flamme typisch, stark schwefelartig Polyurethan gelbliche Flamme, rußend nicht charakteristisch Silikone glimmend, weißer Rauch, weiße Asche mild, nicht charakteristisch Tabelle 5.2: Erkennungsmerkmale einiger Dichtstoffe nach [48] 161 5.10 Fugendichtstoffe <?page no="166"?> 5.11 Eigenschaften der ausgehärteten Kunststoffe 5.11.1 Chemische Eigenschaften 5.11.1.1 Schwinden Bei Reaktionsharzen treten - im Gegensatz zu Beton - keine Formveränderungen durch Schwin‐ den, jedoch Volumenveränderung durch Schrumpfen ein. 5.11.1.2 Schrumpfen Der Vorgang des Schrumpfens erfolgt bei Kunststoffen durch die chemische Reaktion beim Aushärten und ist auf die Orientierung der Moleküle im gehärteten Kunststoff zurückzuführen. Der gehärtete bzw. verfestigte Kunststoff hat immer eine höhere Dichte als die flüssigen Aus‐ gangsprodukte. Das lineare Schrumpfen wird gemäß [31] an Oberflächenschutzsystemen nach OS 8 sowie an Polymermörteln (PRM) als Betonersatz PRM-A4 bzw. PRM-A5 und Polymerbeton (PRC) als Betonersatz PRC-A4 bzw. PRC-A5 nach [49] (Methode der Schwindrinne) ermittelt. 5.11.1.3 Chemische Widerstandsfähigkeit Kunststoffen weisen verglichen mit anderen Baustoffen eine oft sehr hohe chemische Wider‐ standsfähigkeit gegenüber den meisten Chemikalien auf. Die bauüblichen Kunststoffe werden nicht von Wasser und den bei üblichen Anwendungen auftretenden schwachen Säuren und Basen angegriffen. Daher sind sie bestens geeignet, Bauteile aus Metallen und silikatischen Baustoffen (Mauerwerk, Beton, Putz) zu schützen. Bei Reaktionsharzen beeinflusst insbesondere der Vernetzungsgrad die chemische Beständig‐ keit. Hoch vernetzte Reaktionsharze sind chemikalienbeständiger als weniger hoch vernetzte Kunststoffe. Da die Beanspruchung durch Chemikalien aus den gemeinsam auftretenden Einflüssen, Art des angreifenden Mediums, Temperatur, Zeit und mechanische Spannung, die fallweise individuell verschieden sind, resultiert, sind Grenzwerten für die chemische Beständigkeit schwer zu definieren. Zudem werden die Eigenschaften von Kunststoffen gleicher Art von herstellungsbedingten Parametern (Polymerisationsgrad, Vernetzungsgrad und niedermolekulare Beimengungen) beeinflusst. Daher können in der Literatur angegebene Beständigkeitstabellen lediglich einen ersten Anhalt geben. Der Widerstand gegen starken chemischen Angriff wird an Beschichtungen gemäß [31] entsprechend OS 8, OS 11 und OS 14, die auf Betonplatten mit dem Beschichtungssystem ohne Zuschläge und Abstreuung in der Anwendungsdicke nach Maßgabe der Produkthersteller herge‐ stellt werden, mit definierten Prüfflüssigkeiten nach [50] ermittelt. Beurteilt wird 24 Stunden nach der Entnahme der Probe aus der Prüfflüssigkeit die Verringerung der Härte bei Messung nach dem Eindruckversuch nach Buchholz (DIN EN ISO 2815 [51]) oder der Shore-Härte (EN ISO 868 [52]). Dabei darf sich die Härte maximal um weniger als 50 % verringern. 162 5 Kunststoffe <?page no="167"?> 5.11.2 Physikalische Eigenschaften 5.11.2.1 Druckfestigkeit Ungefüllte Epoxidharze mit einer Druckfestigkeit von etwa 140 N/ mm 2 können eine Bruchdeh‐ nung bis 50 % aufweisen. Die Verformung dieser Systeme geht bei Entlastung wieder auf den Ausgangszustand zurück [35]. Epoxidharzmörtel zeigen in Bezug auf die Bruchdehnung betonähnliches Verhalten. In Abhän‐ gigkeit vom Füllgrad und der Art des EP-Harzes werden Druckfestigkeit zwischen 15 MPa und 100 MPa erreicht [35]. Nach [31] werden von Rissfüllstoffen (EP) und polymeren Mörteln keine Anforderungen an die Druckfestigkeiten gestellt. 5.11.2.2 Biegezugfestigkeit Die Biegezugfestigkeit von ungefülltem EP-Harzen liegt bei 20 °C zwischen ca. 45 MPa bis ca. 80 MPa, bei gefüllten Harzen je nach Füllgrad zwischen 20 MPa und 50 MPa [35]. Damit liegen die Werte deutlich über denen des Betons. Nach [31] werden keine Anforderung an die Biegezugfestigkeit von Polymermörtel (PRM) / Po‐ lymerbeton (PRC) gestellt. 5.11.2.3 Zugfestigkeit und Reißdehnung Zugfestigkeit und Reißdehnung der polymeren Werkstoffe hängen erheblich vom molekularen Aufbau der Polymere bzw. vom Vernetzungsgrad ab und sind ca. zehnmal höher als bei Beton. Hochvernetzte Reaktionsharze weisen Zugfestigkeiten von ca. 50 MPa bei einer Bruchdehnung von 1 % bis 2 % auf. Mit abnehmendem Vernetzungsgrad und zunehmender Elastizität nimmt die Zugfestigkeit ab und Bruchdehnung sowie Reißdehnung nehmen deutlich zu. An rissüberbrückenden Beschichtungen können Zugfestigkeiten von ca. 5 MPa bei einer Bruchdehnung von 150 % bis 200 % ermittelt werden. Gemäß [31] müssen polymere Rissfüllstoffe für das kraftschlüssige Füllen eine Zugfestigkeit von mehr als 3 MPa • innerhalb von 72 h bei der Mindestverwendungstemperatur oder • innerhalb von 10 h bei der Mindestverwendungstemperatur bei täglichen Rissbreitenände‐ rungen von mehr als 10 % oder 0,03 mm (der niedrigere Wert ist maßgebend) erreichen. Anzuwenden ist das Prüfverfahren nach DIN EN 1543 [53]. Die Prüfung muss unter drei Konditionierungs- und Prüftemperaturen durchgeführt werden: • bei 21 °C sowie • der vom Hersteller empfohlene Mindest- und • Höchstverwendungstemperatur. 5.11.2.4 Elastizitätsmodul Der Elastizitätsmodul von ungefüllten Kunststoffen bei Raumtemperaturen ist im Vergleich zu Beton niedrig. Durch mineralische Füll- (Quarzsand) und Verstärkungsstoffe (z. B. Glasfasern) 163 5.11 Eigenschaften der ausgehärteten Kunststoffe <?page no="168"?> kann dieser entsprechend dem Füllgrad erheblich gesteigert werden, so dass ähnliche Werte wie beim Beton erreicht werden [35]. Für Polymermörtel (PRM) als Betonersatz PRM-A5 / PRM-A4 sowie Polymerbeton (PRC) als Betonersatz PRC-A5 / PRC-A4 definiert [31] folgende Anforderungen an Elastizitätsmodul (Prüf‐ verfahren nach DIN EN 13412 [54] bzw. [33]): • PRM-A5 / PRC-A5: ≥ 30 GPa, • PRM-A4 / PRC-A4: ≥ 20 GPa. Für Rissfüllstoffe für das Füllen von Rissen mit dehnbaren reaktiven Polymerbindemitteln durch Injektion müssen die Hersteller gemäß den Anforderungen nach [31] lediglich den Wert des Elastizitätsmoduls angeben. 5.11.2.5 Spannungs-Dehnungsverhalten Kunststoffe weisen - bis auf einige Thermoplaste - sprödes Bruchverhalten auf, erkennbar am Fehlen eines horizontalen oder abfallenden Astes der Spannungsdehnungslinie. Das Verfor‐ mungsverhalten der für tragende Bauteile verwendeten Kunststoffe kann bei kurzzeitiger, nicht zu hoher Belastung als (im Sinne des Hook‘schen Gesetzes) elastisch, d. h. mit einer spontanen, be‐ grenzten und reversiblen Verformung angesehen werden. Bei hoher Belastung treten in geringem Maße plastische Verstreckungen oder bei Reaktionsharzmörteln pseudoplastische Verformungen durch Mikrorissbildungen (wie bei Zementbeton) auf [35]. Die Spannungsdehnungslinie wird dadurch etwas gekrümmt. 5.11.2.6 Langzeitverhalten und Kriechen Kriechen (auch Retardation) bezeichnet bei Werkstoffen die zeit- und temperaturabhängige vis‐ koelastische oder plastische Verformung unter konstanter Last. Eine Kennzahl für das Kriechen ist der Kriechmodul oder der Kriechkoeffizient. Als Kriechkoeffizient wird gemäß [55] das Verhältnis von Kriechverformung zu elastischer Stauchung bezeichnet. Der Koeffizient des Rückstellens des Kriechens stellt gemäß [55] das Verhältnis des Rückstellens der Kriechverformung zum Rückstellen der elastischen Verformung dar. Wie in den vorangestellten Abschnitten erläutert, bestehen Kunststoffe aus großen (im Fall von Thermoplasten und Elastomeren verknäulten) Molekülketten. Unter äußerer Belastung gleiten bzw. entknäueln sich die Molekülketten: Der Kunststoff erfährt eine Dehnung. Je nach Herstellung, Grundpolymer, Füllstoff und Füllgrad des Kunststoffes kann die Dehnung mehrere 100 % betragen. Die Dehnungsveränderung der Kunststoffe ist abhängig von der aufgebrachten Last und der Zeit. Hochvernetzte, ungefüllte Kunststoffe mit einer Glasübergangstemperatur von ca. 60 °C zeigen bei einer Belastung von 20 MPa ein Kriechen von ca. 0,2 %. Ein aus diesem Kunstharz hergestellter Polymermörtel mit 10 M-% EP-Harz zeigt Werte für die Kriechkoeffizient von ca. 0,02 %. Das Kriechen von Kunststoffen ist der Last proportional, d. h. bei einer Verdopplung der Last wird das Kriechen ungefähr verdoppelt [35]. Einen ähnlichen Einfluß hat Temperaturerhöhung. Eine Temperaturerhöhung um 10 K verdoppelt ungefähr das Kriechverhalten, d. h. bei 30 °C liegt der Kriechwert bei 0,4 % [35]. Wenn Eigenschaften aus dem Zeitstand-Biegeversuch für konstruktive Zwecke verwendet werden sollen, sollten die Kunststoffe über einen breiten Bereich von Spannungen, Zeiten und Umgebungsbedingungen geprüft werden [56]. 164 5 Kunststoffe <?page no="169"?> 5.11.2.7 Rissüberbrückung Um einen ausreichenden Schutz des Betons sicherzustellen, dürfen in Beschichtungen keine Fehl‐ stellen vorliegen. Beschichtungen auf gerissenen Betonflächen müssen daher rissüberbrückend sein, um den Beton dauerhaft zu schützen. Insbesondere aufgrund von Temperaturänderungen kann die Rissbreite über die Zeit variieren. Die Frequenz der temperaturbedingten Breitenänderung entspricht meist den tageszeitlichen oder jahreszeitlichen klimatischen Temperatureinflüssen [57]. Kurzzeitige (dynamische) Rissbreiten‐ änderungen können an befahrenen Bauwerken (Brücken, Parkbauten) oder durch Maschinen belasteten Bauteilen (Produktionshallen) auftreten. Die Prüfung der Rissüberbrückung wird im Labor an beschichteten Probekörpern durchgeführt. Je nach Beanspruchung sind unterschiedliche Funktionen für die Rissbreitenänderungen zu wählen. Risse können durch Beschichtungen überbrückt werden, wenn weiche Beschichtungen entwe‐ der über dem Riss an der dem Substrat zugewandten Seite geringfügig einreißen (siehe Bild 5.35) oder harte Beschichtungen sich neben dem Riss auf einer bestimmten Breite vom Untergrund lösen. Beide Effekte sind erforderlich, um endliche große Dehnungen bei einem Riss, der im beschichteten Untergrund entsteht, zu ermöglichen. Bild 5.35: An der Unterseite über dem Riss eingerissene Dispersionsbeschichtung auf Acrylatbasis Für die Fähigkeit, Risse dauerhaft zu überbrücken, ist bei weichen Systemen die Dehnfähigkeit der Beschichtung auch bei niedrigen Temperaturen entscheidend. Hierzu sollte der Glasübergangs‐ temperaturbereich des polymeren Bindemittels möglichst niedrig sein. Eingesetzt werden zum Beispiel Dispersionen auf Acrylatbasis und Polyurethane für weiche Beschichtungen an Fassaden. Für harte und chemikalienbeständige Systeme werden vorzugsweise Bindemittel auf Epoxid- und flexibilisiert auf EP-PUR-Basis verwendet. 165 5.11 Eigenschaften der ausgehärteten Kunststoffe <?page no="170"?> 23 höhere Werte gefordert, z. B. für den Einsatz auf befahrenen Brücken. 5.11.2.8 Haftzugfestigkeit Für das dauerhafte Funktionieren von Beschichtungen ist der Verbund zwischen Beschichtung und Untergrund ein wesentliches Kriterium. Der Verbund ist vor allem abhängig von folgenden physikalischen Parametern: - Rauheit des Untergrundes, - Benetzung durch die Reaktionsharze, - Größe der Harzteilchen. Polymere Beschichtungen haften nicht auf dem mineralischen Untergrund infolge einer chemi‐ schen Verbindung. Polyurethan- und Epoxidbeschichtungen gehen aufgrund der geringeren Teilchengröße der Polymere gegenüber den wesentlich größeren Harzteilchen von Acrylat- und UP-basierenden Bindemitteln einen besonders guten Verbund zum Substrat ein. U.a. ist dieses ein Grund für die häufig auf EP-Basis eingesetzten Grundierungen - neben deren hoher Alkalibeständigkeit. Der Verbund von Beschichtungen zum Untergrund wird durch Ermitteln der Haftzugfestigkeit bewertet. Für Prüfungen an Bauwerken werden mobile Geräte verwendet (Bild 5.36). Bei ausreichender Vernetzung des Reaktionsharzes und guter Benetzung des Untergrunds tritt bei der Prüfung der Bruch im Beton auf. Bei weichen Beschichtungen können auch andere Bruchformen vorliegen (Bild 5.37). Gemäß [31] ist in besonderen Anwendungsfällen, bei zu erwartenden Rissbreitenänderungen während des Erhärtens polymerer Rissfüllstoffe, die Kenntnis der Haftzugfestigkeitsentwicklung unter verschiedenen Erhärtungstemperaturen im frühen Prüfalter erforderlich. An polymeren Rissfüllstoffen für das kraftschlüssige Füllen von Rissen wird die Haftzugfestig‐ keit im Rahmen der Erstprüfung durch den Hersteller nach DIN EN 12618-2 [58] ermittelt. Nachweise der Hersteller von Produkten für die Haftzugfestigkeit nach Wasserlagerung und/ oder Schwingbeanspruchung sind im Rahmen der Erstprüfung und ggf. zur Überwachung der Produktion für Haftbrücken, die aus Betonersatz (RM) bestehen, und Haftbrücken, die aus Polymermörtel (PRM) bestehen, an kunstoffmodifizierten Mörteln und Betonen für den Ersatz von Beton (RM/ RC und SRM/ SRC) zu erbringen. Für Oberflächenschutzsysteme OS 2, OS 4, OS 5a, OS 5b, OS 8, OS 11 und OS 14 muss gemäß [31] durch den Hersteller die Leistung der Haftfestigkeit im Abreißversuch nach DIN EN 1542 [59] sowie zusätzlich für OS 8, OS 11 und OS 14 die Leistung für den Fall „mit Verkehrslast 23 “ nachgewiesen sein. Die Festigkeit einer Oberfläche (Oberflächenzugfestigkeit) wird ebenfalls mit dem Abreißver‐ such ermittelt. Diese Prüfmethode kann zur Qualitätssicherung verwendet werden, um z. B. die Untergrundvorbereitung bezüglich der Haftung von nachfolgend aufzutragenden Schich‐ ten zu beurteilen oder zum Ermitteln der Altbetonklasse eines Betonbauteils. Eigenschaften von den aufzutragenden Schichten werden damit nicht bewertet. 166 5 Kunststoffe <?page no="171"?> Bild 5.36: Prüfen der Haftzugfestigkeit einer Beschichtung mit einem mobilen Prüfgerät Bild 5.37: Prüfen der Haftzugfestigkeit einer Beschichtung. Mischbruch in einem mehrschichtigem Beschichtungs‐ aufbau Korrosionsschutzbeschichtungen auf Stahl erreichen Haftzugfestigkeiten von 10 MPa bis 15 MPa [35]. 5.11.2.9 Abriebfestigkeit/ Verschleißwiderstand Die begangene und/ oder befahrene Oberflächenschutzsysteme OS 8, OS 11 und OS 14 sind wesent‐ lichen mechanischen Beanspruchungen ausgesetzt. Daher müssen Hersteller für diese Oberflächen‐ schutzsysteme entsprechend den Forderungen gemäß [31] im Rahmen der Erstprüfung • die Abriebfestigkeit nach DIN EN ISO 5470-1 [60], • den Verschleißwiderstand (BCA) nach DIN EN 13892-4 (BCA) [61] oder • den Widerstand gegen Rollbeanspruchung nach DIN EN 13892-5 [62] nachweisen. 167 5.11 Eigenschaften der ausgehärteten Kunststoffe <?page no="172"?> Bezüglich der Abriebfestigkeit nach DIN EN ISO 5470-1 [60] wird seitens [31] gefordert, dass der Masseverlust weniger als 3.000 mg bei der Prüfung mit dem Reibrad H22 nach 1.000 Zyklen und einer Last von 1.000 g betragen muss. Zusätzlich müssen die Anforderungen der DIN EN 13813 [63] erfüllt sein. Der Verschleißwiderstand nach DIN EN 13892-4 (BCA) [61] muss mindestens der Klasse AR1 nach DIN EN 13813 [63] entsprechen. Alternativ muss der Widerstand gegen Rollbeanspruchung, geprüft nach DIN EN 13892-5 [62], mindestens der Klasse RWA10 nach DIN EN 13813 [63] entsprechen. Der am Bauteil auftretende Verschleiß kann durch die Bestimmung der Verschleißfestigkeit nach DIN EN 660-1 (Stuttgarter Prüfung) [64] und [65] abgebildet werden. Sofern erforderlich, kann daher die Prüfung der Verschleißfestigkeit festgelegt werden. Folgende Leistung ist für das Kriterium Verschleißfestigkeit nachzuweisen: • Beschichtungsystem OS 8: Das Herauslösen ganzer Körner, die zu mehr als 50 % ihrer Oberfläche eingebunden sind, ist nicht zulässig, Der als Abrieb ermittelte Masseverlust darf zwischen 50 und 2000 Zyklen nicht mehr als 4,5 g betragen. • Beschichtungsystem OS 11: Das Herauslösen ganzer Körner, die zu mehr als 50 % ihrer Oberfläche eingebunden sind, ist nicht zulässig. 5.11.2.10 Hygrisches Verhalten 5.11.2.10.1 Quellen Als Quellen wird ein physikalischer Vorgang bezeichnet, bei dem ein Stoff (meist eine Flüssigkeit, aber auch Gase oder Dämpfe) in einen Festkörper eindringt und eine Volumenvergrößerung hervorruft. Bild 5.38: Durch Wasser beaufschlagte Beschichtung auf Basis eines Reaktionsharzes einer Betonkonstruktion ohne erkennbare Quellung 168 5 Kunststoffe <?page no="173"?> Bei hydrophilen Polymeren, wie Polyacrylaten, wirkt Wasser als Quellmittel. Wassermoleküle werden über Wasserstoffbrückenbindungen an polare Gruppen gebunden, sodass die Polymer‐ ketten ihren Abstand zueinander vergrößern. Hydrophobe Polymere, wie Gummi, werden durch Wasser kaum angequollen. Der Grad des Quellens wird durch Messung von Massenänderung, Längen- oder Volumenänderung ermittelt. Quellvorgänge sind sie reversibel, wenn das Quellmittel aus dem Festkörper entweicht. Auf Untergründe aufgetragene Beschichtungen können sich infolge des Quellens jedoch irreversibel vom Untergrund lösen (Bild 5.39). Bild 5.39: Durch Niederschlagswasser hervorgerufenes Quellen einer Dispersionsbeschichtung, Enthaften vom Untergrund infolge nicht ausreichenden Haftens und fehlender Vorbehandlung des Beschichtungsuntergrundes 5.11.2.10.2 Wasserdampf-Diffusion Reaktionsharze sind dicht und undurchlässig für flüssiges Wasser und wassergelöste Stoffe. Sie nehmen jedoch je nach Zusammensetzung zwischen 0,2 % und 5 % Wasser durch Diffusionsme‐ chanismen auf. Dispersionen können aufgrund ihres Emulgatoranteils bis zu 30 % Wasser infolge Diffusion aufnehmen [35]. 169 5.11 Eigenschaften der ausgehärteten Kunststoffe <?page no="174"?> 24 AKR: Alkalikieselsäurereaktion Material Wasseraufnahme in kaltem Wasser nach 4 d (mg) CA 100-250 PA 50-800 PC 5-10 PE ca. 0 PF , Typ 31 100-180 PF, fülllstofffrei 10-20 PMMA 30-40 POM 20 PS 2-5 PVC-Copolymerisat 5-20 UF, Typ 131 200-300 Vulkanfiber 1500 Tabelle 5.3: Wasseraufnahme unterschiedlicher Materialien Die Fähigkeit des Wassertransportes mittels Diffusion ist wesentlich für die Umsetzung des Prinzips 2 „Regulierung des Wasserhaushaltes des Betons“ zum Schutz des Betons vor Schäden (z. B. durch AKR 24 ) und Umsetzung des Prinzips 8 „Erhöhung des elektrischen Widerstandes“ mit dem Verfahren 8.3 „Beschichtung zur Erhöhung des elektrischen Widerstandes“ zum Schutz der Bewehrung nach [66]. Die Diffusionswiderstandszahl μ (H 2 O) gibt an, um wie viel mal größer der H 2 O-Diffusions‐ widerstand einer Stoffschicht gegenüber einer gleich dicken Luftschicht unter sonst gleichen Bedingungen ist. Der Diffusionswiderstand einer Stoffschicht wird berechnet nach der folgenden Gleichung: s D H 2 O = s • μ H 2 O mit s D (H 2 O) in m äquivalente Luftschichtdicke für Wasserdampf s in m Dicke der Schicht (z. B. einer Beschichtung) μ (H 2 O) [-] Diffusionswiderstandszahl für Wasserdampf. Die Diffusionswiderstandszahl wird an freien Beschichtungsfilmen oder auf einen Trägerstoff aufgetragenen Beschichtungsfilmen im Labor nach in [67] festgelegten Prüfverfahren (Schalen‐ verfahren) ermittelt. Die ermittelten Werte sind abhängig vom Feuchtegefälle. Für die Instandsetzung von Betonbauteilen, die durch eine Alkali-Kieselsäure-Reaktion geschä‐ digt wurden, müssen OS 5-Systeme mit einer wasserdampfdiffusionsäquivalenten Luftschichtdi‐ cke s D ≤ 2,5 m verwendet werden. Um das Ziel „Erhöhung des elektrischen Widerstandes“ bei carbonatisiertem Beton sicherzu‐ stellen, fordert [66] für wasserdampfdurchlässige, „diffusionsoffene“ Beschichtungssysteme eine 170 5 Kunststoffe <?page no="175"?> Wasserdampf-Durchlässigkeit entsprechend Klasse I (s D < 5 m). Bei wasserdampfundurchlässigen, „diffusionsdichten“ Beschichtungssystemen mit einer Wasserdampf-Durchlässigkeit entsprechend Klassen II (5 m ≤ s D ≤ 50 m) und III (s D > 50 m) muss der Beton bereits vor Auftrag der Beschichtung so weit ausgetrocknet ist, dass eine Korrosion der Bewehrung unterbunden wird. In Tabelle 5.4 sind Diffusionswiderstandszahlen für Wasserdampf, ermittelt im Feuchtschalen‐ verfahren, d. h. relative Luftfeuchte zwischen 100 % und 50 %, aufgeführt. Stoffsystem µ(CO 2 ) µ(H 2 O) Beton C 20/ 25 … C 35/ 45 200 … 500 40 … 70 Leichter Normalbeton LC 50/ 55 200 50 zementgebundene Spachtelmasse, mit 2K-Epoxidharz modifiziert 2.000 … 5.000 100.000 … 200.000 Polymerisatlösung, hoch gefüllt 2.600 1.000 lösemittelhaltige Acryl-Silanfarben, pigmentiert 2.000 … 1.000.000 200 … 0000 lösemittelhaltige Acrylharzbeschichtung 1.000.000 … 8.000.000 5.000 … 20.000 Polymerisatdispersion, hoch gefüllt 4.500 200 Dispersionssilikat, gefüllt 20.000 200 Polymerisatdispersion, gefüllt 100.000 1.500 Polymerisatdispersion, pigmentiert, ungefüllt 2.000.000 2.000 Reinacrylat-Dispersionsbeschichtung, pigmentiert 100.000 … 4.000.000 200 … 1000 Acrylatlösung, pigmentiert 2.000.000 15.000 Epoxid-System, gefüllt 5.000.000 30.000 lösemittelhaltige 2K-Epoxidbeschichtung 5.000.000 … >10.000.000 5.000 … 200.000 Hypalonlösung, pigmentiert, ungefüllt 6.000.000 40.000 Teer-Epoxid, nicht pigmentiert, ungefüllt 11.000.000 120.000 1-K-PUR, ungefüllt 70.000.000 50.000 PUR-Lacke, pigmentiert und unpigmentiert 1.000.000 … > 10.000.000 1.000 … 40.000 Reaktionsharzmörtel (EP, PMMA, PUR) 1.000.000 … 4.000.000 50.000 … 200.000 PE-Folien, Dicke ≥ 0,1 mm 100.000 PVC-Folien, Dicke ≥ 0,1 mm 20.000/ 50.000 ECB-Dachbahnen 50.000/ 90.000 PVC-P-Dachbahnen 10.000/ 30.000 PIB-Dachbahnen 400.000/ 1,750.000 zementgebundene Spachtelmasse, mit Acryldispersion modifiziert 20 … 1000 50 … 300 Tabelle 5.4: Diffusionswiderstandszahlen für Kohlenstoffdioxid und Wasserdampf (Wasserdampf im Feuchtschalen‐ verfahren, d. h. relative Luftfeuchte zwischen 100 % und 50 %) [68], [69], [70] 171 5.11 Eigenschaften der ausgehärteten Kunststoffe <?page no="176"?> 5.11.2.10.3 Wasseraufnahme und -durchlässigkeit Die kapillare Wasseraufnahme kennzeichnet die Saugfähigkeit eines Untergrundes ohne oder mit Beschichtung und wird charakterisiert durch den Wasseraufnahmekoeffizienten w. Dieser wird häufig als w 24 -Wert angegeben, d. h. die Wasseraufnahme wurde nach 24-stündiger Prüfdauer ermittelt. Für polymere Beschichtungen ist die Wasserdurchlässigkeit w nach DIN EN 1062-3 [71] (OS nach DIN EN 1504-2 bzw. [66]) gefordert, da diese Wasser nicht kapillar aufnehmen. Die Wasserdurchlässigkeitsrate w bezeichnet die Menge an Wasser in kg, die innerhalb einer Stunde durch eine Beschichtung dringt. Dispersionen sind für Wasser deutlich durchlässiger als mit vernetzten Reaktionsharzen, wie Epoxid und Polyurethan, hergestellte Beschichtungen. 5.11.2.11 Diffusionsverhalten gegenüber Kohlenstoffdioxid Bei Kunststoffen können kleine Moleküle infolge zeitabhängiger Diffusionsvorgänge zwischen den Polymerketten hindurchwandern, so dass die Durchlässigkeit für die verschiedenen Gase z. B. mit gravimetrischen Verfahren messbar werden. Beschichtungen, die Kohlenstoffdioxid (CO 2 ) einen genügend großen Diffusionswiderstand entgegensetzen, um das Eindringen von Kohlenstoffdioxid weitgehend zu verhindern, werden als Carbonatisierungsbremse bezeichnet. Der Diffusionswiderstand gegen CO 2 eines Beschichtungsfilms wird auch als äquivalente Luft‐ schichtdicke s D (CO 2 ) bezeichnet, die angibt, wie dick eine Schicht ruhender Luft sein müsste, um dem diffundierenden Kohlenstoffdioxid den gleichen Widerstand entgegenzusetzen wie der Beschichtungsfilm mit der Schichtdicke s. Der Diffusionswiderstand einer Stoffschicht gegenüber Kohlenstoffdioxid wird nach der folgenden Gleichung berechnet. s D CO 2 = s • μ CO 2 mit s D (CO 2 ) in m äquivalente Luftschichtdicke für Kohlenstoffdioxid s in m Dicke der Schicht (z. B. einer Beschichtung) μ (CO 2 ) [-] Diffusionswiderstandszahl für Kohlenstoffdioxid. Die kennzeichnende Größe für den trockenen Beschichtungsfilm ist die Diffusionswiderstands‐ zahl µ (CO 2 ), die im Laborversuch, z. B. durch gravimetrische Verfahren, ermittelt werden kann. Die Bestimmung ist in DIN EN 1062-6 geregelt. In der Literatur wurden zahlreiche Werte für die Größenordnung veröffentlicht, z. B. Beispiele der Diffusionswiderstandszahl für verschiedene Baustoffe und Beschichtungen sind Tabelle 5.4 zu entnehmen. Ergebnisse aus umfangreichen Messungen an an Spachtelmassen, Imprägnierungen, Versiege‐ lungen und Beschichtungen wurden bewertet [68]. • Zementgebundene, kunststoffmodifizierte Spachtelmassen weisen meist eine relativ hohe Durchlässigkeit für Kohlenstoffdioxid auf. Dagegen ist der Diffusionswiderstand von kunst‐ stoffgebundenen Spachtelmassen (z. B. Epoxidharzspachtel) deutlich höher. 172 5 Kunststoffe <?page no="177"?> • Sogenannte Dispersionssilikatfarben und Fassadenanstriche (nicht OS 4 oder OS 5! ) besitzen vergleichsweise niedrige Diffusionswiderstände gegen CO 2 . • Die Diffusionswiderstandszahlen von sogenannten Siloxanfarben, deren Bindemittel aus einem hohen Anteil aus Acrylharz und einem geringen Anteil aus Siloxan besteht, streuen erheblich (10 3 …10 6 ). Als Ursache wird eine gelegentliche Unverträglichkeit der Bindemittel vermutet. • Beschichtungen auf Acrylharzbasis, gelöst oder als Dispersion, weisen in der Regel Diffusi‐ onswiderstandszahlen von 10 6 auf. Die Durchlässigkeit für CO 2 hängt signifikant von der PVK (Pigment-Volumenkonzentration) ab. Die PVK beeinflusst die CO 2 -Durchlässigkeit von Beschichtungen erheblich. Bei einer PVK von 30 % bis 40 % erreicht der Diffusionswiderstand ein Maximum und fällt mit zunehmendem Füllgrad der Beschichtungen erheblich ab. Ähnliches gilt für die H 2 O-Diffusion. • Epoxid- und Polyurethanbeschichtungen sind dichter gegenüber Kohlenstoffdioxiddiffusion als Beschichtungen auf Acrylharzbasis. Aufgrund der chemischen Vernetzung weisen diese Stoffe offensichtlich ein dichteres Gefüge auf. Die höhere Dichtigkeit ist jedoch für die Praxis nicht relevant. • Durch Hydrophobieren von Putz und Beton mit Acrylharz- oder Siliconharzlösungen mit geringem Festkörperanteil erhöht sich der Diffusionswiderstand des behandelten Baustoffes nicht. Bei Einsatz von Hydrophobierlösungen mit höherem Festkörperanteil nimmt der Diffusionswiderstand gegenüber dem unbehandelten Baustoff zu. • Die Diffusionswiderstand für Wasserdampf ist bei allen untersuchten Stoffen deutlich ge‐ ringer als für Kohlenstoffdioxid. Dies wird auf unterschiedliche Einflüsse der Transportme‐ chanismen bei den betrachteten Gasen zurückgeführt. Zum anderen ist davon auszugehen, dass das etwas kleinere und leichtere Wassermolekül in größerer Zahl diffundiert, weil es im Polymer „löslich“ ist, als das schwerere und „unlösliche“ Kohlenstoffdioxidmolekül. 5.11.2.12 Rutschsicherheit Der Begriff „Rutschsicherheit“ wird für Fußböden mit dem Fokus auf Arbeitssicherheit in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen, der Begriff „Griffigkeit“, siehe Abschnitt 5.11.2.13, im Straßen- und Verkehrswesen verwendet. In Arbeitsräumen und -bereichen ist die rutschhemmende Wirkung von Fußböden aus Gründen der Verhinderung von Unfällen von großer Bedeutung [72]. Unter Rutschsicherheit oder auch Trittsicherheit werden Eigenschaften eines Bodenbelags in Bezug auf gleitfördernde Stoffe, wie beispielsweise Wasser und Öl/ Fett, zusammengefasst. Die Rutschsicherheit wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Diese resultieren nicht aus dem Bodenbelag, sondern z. B. aus Umweltfaktoren, aus den Personen und aus den jeweiligen Umständen. In Deutschland wird die Rutschhemmung nach dem in DIN 51130 [73] festgelegten Verfahren ermittelt. Die Prüfung erfolgt durch Begehen einer geneigten Ebene mit einem festgelegten Prüfschuh. Die Prüfebene wird dabei mit einem definierten Öl benetzt. Festgestellt wird der Neigungswinkel der Prüfebene gegen die Horizontale, bei der die Prüfperson beginnt zu rutschen. Entsprechend diesem ermittelten Neigungswinkel wird die rutschhemmende Wirkung bewertet. In [66] gibt es keine Forderung zur Prüfung der Beschichtungen nach [73]. Die Rutschhemmung kann nach dem Verfahren gemäß [73] nicht an eingebauten Beschich‐ tungen, sondern ausschließlich an Proben im Labor ermittelt werden. Daher wird die gefor‐ derte Rutschhemmung durch Einhalten der entsprechenden Herstellerangaben (Einstreumedium, 173 5.11 Eigenschaften der ausgehärteten Kunststoffe <?page no="178"?> Korngrößenverteilung, einzustreuende Menge und Zeitpunkt des Einstreuens) für das Erzielen einer bestimmten Oberflächenrauheit erreicht. Prüfungen am Einbauort einer rutschhemmenden Beschichtung können mit dem Gleitrei‐ bungsmessgerät „GMG 200“ durchgeführt werden. Die dabei ermittelten Werte sind nicht mit den Bewertungsgruppen des Merkblattes BGR 181 vergleichbar [74] und [75]. 5.11.2.13 Griffigkeit Der Begriff „Griffigkeit“ wird im Allgemeinen im Straßen- und Verkehrswesen verwendet, „Rutschsicherheit“ im Fußbodenbereich mit dem Fokus auf Arbeitssicherheit in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen. Gemäß [31] sind die Leistungen der OS 8, OS 11 und OS 14 durch Prüfung nach [73] nachzuweisen. Die Bezeichnung Griffigkeit, auch Kraftschlussvermögen oder Gleitwiderstand genannt, wird für die Eigenschaft von Fahrbahnoberflächen verwendet, die die Größe der maximal vom Reifen auf die Fahrbahnoberfläche abstützbaren Antriebs-, Brems- und Seitenkräfte bestimmt. Die stoffliche Beschaffenheit und die geometrische Eingestaltung der Oberfläche beeinflussen die Griffigkeit. Die Griffigkeit trockener, nicht grob verschmutzter Fahrbahnoberflächen ist üblicherweise hoch und gering geschwindigkeitsabhängig. Bei nassen Fahrbahnoberflächen sinkt die Griffigkeit mit zunehmender Geschwindigkeit mehr oder minder stark ab. Die Griffigkeit kann mit Pendelgeräten nach der Arbeitsanweisung für kombinierte Griffig‐ keits- und Rauheitsmessungen mit dem Pendelgerät und dem Ausflussmesser der Forschungsge‐ sellschaft für das Straßenwesen bzw. EN 13036-4 ermittelt werden. Bei befahrenen Beschichtungen, z. B. in Parkbauten, ist die Griffigkeit von Bedeutung gemäß [31] nach dem Verfahren mit dem Pendelgerät ermittelte Griffigkeit - SRT-Wert in Skalenteilen (SKT) - vor und nach der Verschleißfestigkeitsprüfung bei OS 11 (OS F) ≥ 60 SKT und bei OS 13 ≥ 50 SKT betragen. Die Griffigkeit von Beschichtungen kann durch Abstreumittel, die in die frische Schicht vor dem Verfestigen manuell oder mit Geräten eingestreut werden, erhöht werden. 5.11.3 Thermische Eigenschaften 5.11.3.1 Thermische Längenänderung Bei Temperaturerhöhung dehnen sich Kunststoffe aufgrund ihrer inneren Struktur erheblich. Die linearen Wärmedehnzahlen bzw. linearen Längenausdehnungskoeffizienten sind bei ungefüllten Kunststoffen etwa 5bis 20-mal höher als bei Stahl und Beton, siehe Tabelle 5.5. Deren thermische Längenänderung liegt in der gleichen Größenordnung und wird für Bemessungen mit linearen thermischen Längenausdehnungskoeffizient α T von 10 · 10 -6 K -1 gerechnet werden. In Verbindung mit Beschichtungen müssen daher thermisch bedingte Spannungen berücksich‐ tigt werden. Durch die Auswahl für die jeweilige Anwendung geeigneter Füll- und Verstärkungs‐ stoffe kann die thermische Längenänderung reduziert und ggf. an einen Untergrund angepasst werden. 174 5 Kunststoffe <?page no="179"?> Bezeichnung α in 10 −6 K −1 Weichgummi 17 bis 28 Hartgummi 80 Polyamid (PA) 60 bis 150 Polycarbonat (PC) 60 bis 70 Polyethylen (HD-PE) 150 bis 200 Polypropylen (PP) 100 bis 200 Polyoxymethylen (POM) 70 bis 130 Polytetrafluorethylen (PTFE) 100 bis 160 Polyvinylchlorid (Hart-PVC) 70 bis 100 Polymethylmethacrylat (PMMA, Plexiglas) 75 bis 80 Epoxid (EP) 60 bis 80 Polyurethan (PUR) 40 EP-Mörtel 12 bis 15 Tabelle 5.5: Längenausdehnungskoeffizient α von ausgewählten Kunststoffen bei 20 °C ([35], [76] und [77]) 5.11.3.2 Wärmeleitfähigkeit Die Wärmeleitfähigkeit von Kunststoffen ist relativ niedrig, daher werden z. B. Kunststoffe auf Basis von Polystyrol für die Wärmedämmung von Fassaden eingesetzt. Bei ungefüllten Kunststoffen liegt die Wärmeleitfähigkeit in der Größenordnung von Bauholz und bei gefüllten und verstärkten Kunststoffen im Bereich des Zementbetons [35]. Die Abhängigkeit von der Temperatur ist unbedeutend. 5.11.3.3 Glasübergangstemperatur Die Glasübergangstemperatur gibt die Temperatur an, bei der ein Kunststoff aus dem starren, glasartigen Zustand in den elastischen bzw. plastischen Zustand übergeht. Die Glasübergangs‐ temperatur ist eine wesentliche Kenngröße für die Temperaturbeständigkeit und Temperaturab‐ hängigkeit der mechanischen Werte. Oberhalb der Glasübergangstemperatur fallen die Festigkeitswerte deutlich ab. Für Rissüber‐ brückende Beschichtungen hat die Glasübergangstemperatur eine hohe Bedeutung und sollte möglicht weit im Bereich unter 0 °C liegen. Die Glasübergangstemperatur ausgewählter Kunst‐ stoffe zeigt Tabelle 5.6. Die Glasübergangstemperatur von polymeren Rissfüllstoffen für das kraftschlüssige Füllen von Rissen wird gemäß [31] nach DIN EN 12614 [78] bestimmt und muss unter 40 °C liegen. 175 5.11 Eigenschaften der ausgehärteten Kunststoffe <?page no="180"?> Kunststoff Kurzzeichen Glasübergangstemperatur [°C] Polyethylen PE -70 bis -100 Polypropylen PP -10 bis -32 Polyisobutylen PIB -60 bis -74 Polybuten PB -24 Polyvinylchlorid, hart PVC hart 65 bis 75 Polyvinylchlorid, weich PVC weich -10 bis -100 Polymethylmethacrylat (Acrylglas) PMMA 90 bis 110 Polytetrafluorethylen PTFE -20 Polyamid 6 PA 6 40 Polyamid 66 PA 66 50 Celluloseacetat CA 55 bis 85 Cellulosepropionat CP 55 bis 105 Polystyren PS 80 bis 110 Polycarbonat PC 150 Epoxidharz EP 130 bis 80 Polyurethanharz vernetzt PUR 130 bis 100 Tabelle 5.6: Glasübergangstemperatur (Einfriertemperatur) ausgewählter Kunststoffe [79] 5.11.3.4 Temperaturbeständigkeit Kunststoffe, die für Beschichtungen verwendet werden, dürfen keine Versprödung infolge Auswanderns von leicht flüchtigen Substanzen bei höheren Temperaturen zeigen. Daher darf der Masseverlust einer Beschichtung bei siebentägiger Lagerung bei 70 °C nicht über 2 M.-% liegen [35]. Auswandern von leicht flüchtigen Substanzen führt zu Spannungen im gesamten Beschich‐ tungssystem und kann zu Haftverlust führen. Die häufigste Ursache für Masseverlust in Kunst‐ stoffen ist die sogenannte Weichmacherwanderung. Kunststoffe, die intern durch Zugabe von Mitteln, die am Erhärtungsvorgang beteiligt sind, plastifiziert wurden, weisen einen geringen Masseverlust bei höheren Temperaturen auf [35]. Extern plastifizierter Kunststoff, d. h. durch Zugabe von Mitteln plastifizierte Materialien ohne Beteiligung am Erhärtungsvorgang, zeigen nach längerer Lagerung einen geringen bis großen Masseverlust. Die Dauertemperaturbeständigkeit der am Bau verwendeten Reaktionsharze ist auf ca. 80 °C beschränkt. Kurzfristig können Temperaturbelastungen bis 200 °C aufgenommen werden [35]. 5.11.4 Verhalten bei Beanspruchung Auswirkungen durch Feuchte, wie Osmose, u. a. werden im Kapitel 12 besprochen. 176 5 Kunststoffe <?page no="181"?> 5.11.4.1 Tausalzeinfluss Reaktionsharze und Reaktionsharzbeschichtungen sind beständig und dicht gegen Tausalze. Daher eignen sie sich für den Schutz chloridbeanspruchter Bauteile. Diffusion von Chlorid-Ionen ist bei Kunststoffen, die eine sehr hohe Wasseraufnahme aufweisen, möglich. 5.11.4.2 Frost- und Frost-Tausalz-Widerstand Durch Beschichten von Betonbauteilen mit polymeren Schutzsystemen wird die Wasseraufnahme und die Aufnahme von Tausalzen verhindert oder vermindert. Damit wird die Frostbeständigkeit von Betonbauteilen verbessert. Die Verwendung von Tausalzen führt beim Verbundsystem Beton / Beschichtung zu Spannungen infolge des spontanen Abkühlens der oberflächennahen Bauteilbereiche durch den Effekt des Wärmeentzugs durch das Salz. 5.11.5 Alterungsverhalten und Witterungsbeständigkeit Die DIN 50035 [80] definiert die Alterung als „Gesamtheit aller im Laufe der Zeit in einem Material irreversibel ablaufenden chemischen und physikalischen Vorgänge“. Vor allem wirkt sich die atmosphärischen Außenbewitterung bezüglich des Alterns auf Kunst‐ stoffe aus. Bei polymerne Werk- und Baustoffen sind neben der Verschlechterung mechanischer und anderer Eigenschaften (z. B. Diffusionseigenschaften) auch Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes, wie Verfärbungen, Glanzänderungen, optische Trübungen usw., von Bedeu‐ tung. 5.11.5.1 Ursachen Zu unterscheiden ist zwischen inneren und äußeren Ursachen der Alterung. Inneren Ursachen der alterungsbedingten Eigenschaftsänderungen sind: • unvollständige Polymerisation, Polykondensation oder Polyaddition bei Verarbeitungs- und Anwendungsfehlern, z. B. falsche Zusammensetzung, ungenügendes Mischen, unzulässige Witterungseinflüsse, vorzeitige und/ oder unzulässige chemische Beanspruchung, • Eigenspannungen, z. B. Verformungen durch Abkühlung bei der Herstellung oder „einge‐ frorene“ molekulare Orientierungen, große Erwärmung bei der Aushärtung, unzulässige Bauteildicken, • niedermolekulare Beimengungen, z. B. Flammschutzmittel und Weichmacher. Die genannten Parameter können erhebliche Unterschiede in der Beständigkeit gegen diverse Alterungsparameter innerhalb der gleichen Kunststoffart hervorrufen. Äußere Ursachen der Alterung resultieren aus einer Energiezufuhr in das molekulare Gefüge. Durch solar bedingte Infrarotstrahlung (Wärme), Ultraviolettstrahlung oder ionisierende Strah‐ lung können die Bindungsmechanismen im Makromolekül, z. B. durch Kettenspaltung oder Vernetzungsreaktionen, verändert werden. Neben der durch die Sonne verursachten Strahlung führen die täglichen und jahreszeitlich bedingten Temperaturwechsel - vor allem plötzliche Abkühlung durch Regen - zu Spannungen im Bauteilquerschnitt und zwischen Strukturbestandteilen. Diese können beträchtliche Größen‐ ordnungen annehmen und in Wechselwirkung mit der UV-Strahlung und anderen Parametern das Alterungsverhalten beeinflussen. 177 5.11 Eigenschaften der ausgehärteten Kunststoffe <?page no="182"?> Bewitterung bei unter Zugbelastung stehenden Polymeren beschleunigt oder ermöglicht bei zahlreichen Kunststoffen zerstörende Alterungsprozesse. Die Kenntnis des Alterungsverhalten ist bedeutsam, um dieZuverlässigkeit und der Gebrauchs‐ tauglichkeit von Kunststofferzeugnissen zu bewerten bzw. zu prognostizieren. Die Alterung von Kunststoffen ist in der Regel nicht auf eine einzige Ursache zurückzuführen. Auch lassen sich die alterungsbedingten Veränderungen der Materialeigenschaften nicht zwingend aus der Summe der Einzelwirkungen ableiten, da beim Vorliegen mehrerer Ursachen synergistische und antagonistische (d. h. gegensätzliche) Effekte auftreten können. Die Zusammenhänge sind bis heute noch nicht umfassend bekannt. Kunststoffen werden bezüglich des Alterungsverhaltens unter natürlichen und künstlichen Umgebungsbedingungen nach allgemein anerkannten Prüfvorschriften oder unter praxisrelevan‐ ten Lagerungsbedingungen geprüft. Die Prüfung auf Alterungsbeständigkeit kann zudem als Gebrauchstauglichkeitsprüfung unter den entsprechenden Anwendungsbedingungen oder als Funktionsprüfung nach festgelegten Prüfbedingungen erfolgen. 5.11.5.2 Mechanismen Vor allem bei mehrkomponentigen, nicht völlig ausgehärteten Kunststoffen Reaktionsharzen kann die Zufuhr von Energie infolge Bewitterung (Strahlung, Temperatur) zu nachträglicher Vernetzung führen. Meist erhöhen sich dadurch die mechanischen Eigenschaften und die chemi‐ sche Widerstandsfähigkeit. Jedoch kann die Festigkeitssteigerung, die üblicherweise mit einem Verlust der Verformbarkeit verbunden ist, sich auch ungünstig auswirken. Nachteilige Alterungs‐ vorgänge können anfänglich durch gezielte Temperprozesse ausgeglichen oder überdeckt werden. Dieses ist bei Alterungsprüfungen zu beachten. Aus dem bereits zuvor genannten Spalten von Makromolekülen in Bruchstücke unterschiedli‐ cher Art resultiert, dass das mittlere Molekulargewicht abnimmt und diverse Änderungen von Eigenschaften eintreten. Als Photolyse wird bezeichnet, wenn durch Einwirkung energiereichen kurzwelligen Lichtes Hauptvalenzbindungen aufgebrochen werden, sodass die langen Kettenmoleküle in kürzere Teile aufgespalten werden. Dieses hat äußerlich erkennbare Verfärbungen und Glanzverringerung zur Folge. Photolyse unter Mitwirkung des natürlichen Luftsauerstoffs unter normaler Sonneneinstrah‐ lung wird als Photooxidation beteichnet. Einer besondere Variante der Photooxidation, der autokatalytische Vorgang der Autoxidation, wird durch Energiezufuhr lediglich angeregt. Als Kettenreaktion erfolgt durch Sauerstoffeinwir‐ kung ein Abbau der Makromoleküle. Die Reaktion bricht unter bestimmten Bedingungen ab, wodurch die technisch relevanten Eigenschaften nicht - wie bei der Photolyse - gegen Null abfallen. Der Vorgang verläuft über lange Zeiträume (z. T. Jahre) unbemerkt und beschleunigt sich dann, was für die Baupraxis und die Versuchstechnik schwierig einzuschätzen ist. Zu den physikalischen Alterungsvorgängen zählen: Nachkristallisationen, Agglomerationen niedermolekularer Anteile, Weichmacherverluste und Erosion durch mechanische Vorgänge. 5.11.5.3 Eigenschaftsänderungen Aus den chemischen und physikalischen Änderungen der Polymere durch Witterungseinflüsse folgen meistens nachteilige Änderungen der bautechnisch wichtigen Eigenschaften. Dazu zählen Versprödung und Farbänderungen. Die Gebrauchseigenschaften der Kunststoffe werden durch Bewitterung nach mehreren Jahren häufig so stark verändert, dass sie während der Nutzungs‐ 178 5 Kunststoffe <?page no="183"?> dauer versagen (z. B. Einreißen und Abblättern vom Untergrund von Beschichtungen durch Versprödung). Die Zusammenhänge zwischen den Ursachen der Alterungsvorgänge und den resultierenden physikalisch-chemischen Vorgängen sind komplex. Daher haben die zeitabhängigen Alterungs‐ funktionen je nach betrachteter Eigenschaft (Festigkeit, elastische oder plastische Verformung, Zähigkeit, nichtmechanische Eigenschaften) ein qualitativ und quantitativ unterschiedliches Ergebnis. Das gilt auch für die einzelnen Kunststofftypen und ihre Modifikationen. Da UV-Strahlen in nicht transparente, pigmentierte und/ oder gefüllte Kunststoffe lediglich bis zu einer geringen Tiefe eindringen, ändern sich die bautechnisch wichtigen Eigenschaften, z. B. von kunststoffhaltigen Mörteln und Betonen oder Haftbrücken, häufig nicht. Verfärbungen der Kunststoffoberfläche sind trotzdem nicht auszuschließen. Im Falle zusätzlicher Erosion durch Wind, Regen und Nutzungsbeanspruchungen ist ein Verlust der Nutzungseigenschaften möglich, wie z. B. bei ungeschützt der Witterung ausgesetztem PUR-Ortsschaum. Dieses ist durch die permanent abgetragene bzw. beanspruchte oberflächennahe Schicht erklärbar. Bei transparenten Kunststoffen, wie Hydrophobierungen und Versiegelungen, kann Alterung in Abhängigkeit von der Eindringtiefe die Eigenschaften geringfügig bis deutlich verschlechtern. Die Lebensdauer von Beschichtungen hängt im Wesentlichen von der Alterungsbeständigkeit des Bindemittels ab. Wichtige Effekte sind dabei Farbänderungen, Glanzverlust, Zunahme der Rauheit, Verlust der Lichtdurchlässigkeit, Versprödung und Abwitterung (Kreiden, siehe Bild 5.40). Bild 5.40: Durch Überfahren der Oberfläche mit den Fingern festgestelltes Kreiden infolge Alterung einer ca. 20 Jahre alten Oberlächenschutzbeschichtung (OS 5) einer Fassade Die Alterungsbeständigkeit für die einzelnen Kunststoffe anzugeben, ist wegen der Vielfalt der Einfluss- und Zielgrößen, nicht möglich. Daher sind für viele Anwendungen spezifische Prüfungen durchzuführen. 5.11.5.4 Erhöhen der Alterungsbeständigkeit Um die Alterungsbeständigkeit zu verbessern, werden den für Witterungsbeanspruchung vor‐ gesehenen Polymeren in geringen Mengen bestimmte niedermolekulare Stoffe, die gezielt als Wärme-, Licht- oder UV-Stabilisatoren wirken, zugesetzt. Diese werden als Antioxidantien, Antiozonantien, Alterungsschutzmittel usw. bezeichnet. Inhibitoren stellen eine besondere Gruppe 179 5.11 Eigenschaften der ausgehärteten Kunststoffe <?page no="184"?> dar. Diese unterbinden oder hemmen die chemischen Reaktionen (beispielsweise die Autoxidation - Autokatalyse). Damit kann die Induktionsperiode lediglich verlängert, aber keine absolute Beständigkeit gegen Alterung erzielt werden. 5.11.6 Brandverhalten Für Oberflächenschutzsysteme (außer OS 1) fordert [31] einen Nachweis des Brandverhaltens. Der Nachweis erfolgt durch Prüfung und Klasseneinteilung nach DIN EN 13501-1 [81]. 5.11.6.1 Allgemeines Alle im Bauwesen eingesetzten Kunststoffe (außer PTFE) sind in ungefüllter Form brennbar. Bei Erwärmung und Erreichen der Zersetzungstemperatur (vgl. Abschnitt 5.5), z. B. infolge Flammenwirkung durch eine fremde Zündquelle, spalten sich niedermolekulare gasförmige Bruchstücke der Makromoleküle ab. Diese bilden in der Regel mit dem Luftsauerstoff entflamm‐ bare Gemische. Das Brandverhalten eines Stoffes ist ein komplexer Begriff, der die für die bauliche Sicherheit wesentlichen Größen umfaßt: • Entflammbarkeit, • Fähigkeit zur Flammenausbreitung, • Beitrag zur Hitzeentwicklung, • Rauchentwicklung, • Entwicklung toxischer Brandgase. Während das stoffliche Brandverhalten von der chemischen Struktur der Polymere und von niedermolekularen Additiven sowie anorganischen Füll- und Verstärkungsstoffen bestimmt wird, spielen für das Brandverhalten von Bauteilen außerdem geometrische und konstruktive Gegebenheiten eine wichtige Rolle: • Verhältnis von Oberfläche zu Volumen (dünne Platten und Schaumstoffe sind stärker brandgefährdet), • Stellung der Bauteile im Raum (vertikale Bauteile, die unten gezündet, werden, brennen infolge Konvektion lebhafter), • Wärmeableitung (dünne Beschichtungen auf gut wärmeleitendem Untergrund - Beton, Metall - brennen kaum selbständig), • verfügbare Luftmenge (Schwelbrand bei Sauerstoffmangel). Die von einem Brand ausgehenden Gefahren umfassen: • Rauchbildung (Sichtbehinderung in Fluchtwegen und für Feuerwehr), • Panikwirkung (Erstickungsgefahr), weitaus wichtigste Gefahr! , • Hitzewirkung (Verbrennungsgefahr. Einsturzgefahr), • Entwicklung toxischer Brandgase (Vergiftungsgefahr). 5.11.6.2 Regelwerke und Anforderungen Die Anforderungen an das Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen sind in DIN 4102 [82] geregelt. Danach wird das Brandverhalten anwendungsbezogen und unabhängig von der Art des Baustoffes geprüft und bewertet. Die Baustoffe werden in Klassen eingeteilt. 180 5 Kunststoffe <?page no="185"?> • nicht brennbare Stoffe (Klasse A) • brennbare Stoffe (Klasse B). Die Einstufung eines Baustoffes in die Klasse A besagt nicht, dass daraus hergetellte Bauteile feuerbeständig sind und im Brandfall während bestimmter Zeiten ihre Funktionen erfüllen. Sichergestellt ist jedoch, dass von eingebauten nichtbrennbaren Baustoffen im Brandfall keine Gefahren (Rauch. Hitze, Toxizität) für die im Gebäude befindlichen Menschen ausgehen, die nen‐ nenswert über die durch den Brand von Einrichtungsgegenständen, Lagergütern oder brennbaren Baustoffen gegebenen hinausgehen. Nichtbrennbare Baustoffe Werden u. a. für folgende Bauteile gefordert: • feuerbeständige Bauteile (in den tragenden und aussteifenden Querschnittsteilen), • Dächer und Fassaden bei Hochhäusern, • Lüftungskanäle, • Verkleidungen und Einbauten in bestimmten Räumen (Flure, Treppenhäuser). Eine Einstufung von Kunststoffen in die Klasse A ist nur dann möglich, wenn anorganische Füll- oder Verstärkungsstoffe volumenmäßig einen sehr hohen Anteil aufweisen. Dies kann z. B. bei hochverstärkten GFK und bei günstig aufgebauten Kunstharz- und Kunstharzschaumbetonen der Fall sein. Unbrennbare Polymere, wie sie z. B. in der Raumfahrt und speziellen Anwendungen im Maschinenbau und in der Elektrotechnik angewendet werden, sind aus Verarbeitungs- und Kostengründen im Bauwesen derzeitig nicht anwendbar. Die brennbaren Baustoffe werden in drei Untergruppen eingeteilt: Klasse B1: schwar entflammbar, Klasse B2; normal entflammbar, Klasse B3: leicht entflammbar. Im eingebauten Zustand leicht entflammbare Stoffe dürfen in der Bundesrepublik Deutschland im Bauwesen nicht vervendet werden. Die im Betonbau verwendeten Kunstharze leisten wegen ihrer Einbaubedingungen bzw. ihres geringen Anteils in überwiegend anorganischen Zweistoffsystemen keinen Betrag zur Flammausbreitung und einen völlig untergeordneten zur Hitzeentwicklung. Das Brandverhalten von Bauteilen, d. h. ihre Feuerwiderstandsfähigkeit, wird nach DIN 4102, beurteilt. Eine Einstufung von Bauteilen aus ungefüllten Kunststoffen in Feuerwiderstandsklassen ist bisher nicht möglich. Durch Kombination mit anorganischen Stoffen können jedoch die Anforderungen für F30-B und evtl. für F90-B erreicht werden. Gemäß [83] muss bei Oberflächenschutzsystemen, die für die Anwendung auf Bauteilen vor‐ gesehen sind, die Feuer ausgesetzt sind, der Hersteller die Brandverhaltensklasse des erhärteten Oberflächenschutzsystems angeben. Für erhärtete Oberflächenschutzsysteme, die einen Massen- oder Volumenanteil (je nachdem, welcher Anteil der nachteiligere ist) von 1 % oder weniger an gleichmäßig verteilten organischen Stoffen enthalten, kann die Brandklasse A1 angegeben werden, ohne dass eine Prüfung erforder‐ lich ist. Erhärtete Oberflächenschutzsysteme, die einen Massen- oder Volumenanteil (je nachdem, welcher Anteil der nachteiligere ist) von mehr als 1 % an gleichmäßig verteilten organischen 181 5.11 Eigenschaften der ausgehärteten Kunststoffe <?page no="186"?> Stoffen enthalten, sind nach DIN EN 13501-1 [84] einzustufen, und die entsprechende Brandver‐ haltensklasse ist anzugeben. 5.11.6.3 Toxische und korrosive Gase Die Verbrennungsprodukte (Rauchgase) bei Kunststoffbränden enthalten außer Kohlendioxid (CO 2 ) und Wasser (H 2 O) vor allem bei Schwelbränden giftiges Kohlenmonoxid (CO) und je nach Kunststoffart und Brandverlauf auch andere toxisch wirkende Gase und zahlreiche kom‐ pliziert aufgebaute, theoretisch nicht vorhersehbare Polymerbruchstücke. Die für Schutz- und lnstandsetzungsmaßnahmen im Betonbau eingesetzten und hier erwähnten Kunstharze enthalten keine korrosionsfördernden Mengen an Chlor. Vorsicht ist dagegen bei der Vedünndung von PVC-Anstrichen und Polychloropren-Abdichtungen geboten. 5.11.7 Elektrische Eigenschaften Kunststoffe weisen zahlreiche in der Elektrotechnik erwünschte Eigenschaften auf. Sie sind hervorragende Isolatoren, kriechstromfest und weisen ein gutes dielektrisches Verhalten auf. Hierauf beruhen auch einige bautechnische Anwendungen, z. B. Radome (Antennenschutzhallen) oder Korrosionsschutzbeschichtung im Stahlbau. Als Folge des hohen lsolationswiderstandes neigen Kunststoffoberflächen zur elektrostatischen Aufladung. Durch mechanische Reibung beim Begehen oder Befahren auf der Oberfläche entstandene Ladungen können sich nicht durch Strom‐ fluss im Stoffinneren ausgleichen, sondern nur durch Influenz oder durch Funkenüberschlag zu einem anderen Festkörper. Hieraus können sich Unfallgefahren durch Zündung explosionsgefährdeter Atmosphären (Gase, Dämpfe, Stäube) ergeben, z. B. in Lackierereien, Chemiebetrieben und -laboratorien, Getreidemühlen, Bergwerken, Operationssälen u. a. Auch empfindliche elektrische und elektronische Geräte (Computer, Steuerungsanlagen) können durch die sehr hohen Spannungsdifferenzen in ihrer Funktion gestört werden. Wertebereiche für elektrische Eigenschaften sind in Bild 5.41 dargestellt. Bild 5.41: Wertebereiche für elektrische Eigenschaften gemäß TRGS 727 [85]. Die Angaben „Nummer n“ beziehen sich auf Abschnitte in der TRGS 182 5 Kunststoffe <?page no="187"?> 25 Physiologie ist die Wissenschaft und Lehre von den natürlichen Lebensvorgängen der Organismen. In gefährdeten Bereichen können spezielle Beschichtungsaufbauten auf Bodenflächen eingesetzt werden, die durch Zugabe leitfähiger Füllstoffe ableitfähig eingestellt wurden. Bild 5.42: Prinzip der ableitfähigen Beschichtungen, links ohne Leitschicht, rechts mit Leitschicht 5.11.8 Sonstige Eigenschaften 5.11.8.1 Physiologische Unbedenklichkeit Die physiologische 25 Unbedenklichkeit von Kunststoffen und Kunststoffbeschichtungen bedeutet, dass von diesen Kunststoffen keine Bestandteile abgegeben werden, die sich negativ auf die Menschen und die Umwelt auswirken. Je nach Anwendungsbereich sind für Anforderungen und Prüfungen für die Verwendung von Kunststoffen in Bezug auf deren physiologische Unbedenk‐ lichkeit unterschiedliche Regelwerke anzuwenden. Die Anforderungen an Kunststoffe, die im Lebensmittelbereich eingesetzt werden, sind in der Bedarfsgegenständeverordnung und dem Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz festgelegt. Bei einem Bedarfsgegenstand handelt es sich definitionsgemäß um eine Sache, die in Kontakt mit Lebensmittel oder dem menschlichen Körper kommt. Beispiele sind Verpackungen für Lebensmittel, Plastikschüsseln, Umhüllungen, Zubereitungsgegenstände usw. Die möglichen Ausgangsstoffe für die Herstellung von Bedarfsgegenständen sind in einer Positivliste in der Bedarfsgegenständeverordnung aufgelistet. Daneben werden Bedarfsgegenstände auf Migrationsverhalten geprüft. Das bedeutet, dass mit sogenannten Simulanzlösemitteln (z. B. Olivenöl für fetthaltige Nahrungsmittel) die Menge an extrahierten Inhaltsstoffen bestimmt wird, die insgesamt die vorgegebenen Grenzwerte nicht überschreiten dürfen. 183 5.11 Eigenschaften der ausgehärteten Kunststoffe <?page no="188"?> 5.11.8.2 Dekontaminierbarkeit Unter Dekontamination (lateinisch: contaminare = verunreinigen) versteht man das Entfernen oder Verringern einer radioaktiven und/ oder biologischen und/ oder chemischen Verunreinigung (Kontamination) von oder auf Personen, Organismen und Sachen. Unter Dekontaminierbarkeit wird in der Regel die Reinigungsfähigkeit von Oberflächen verstanden, die durch radioaktive Stoffe verunreinigt sind. Die Prüfungen sind in DIN 25415 [86] beschrieben. In der Praxis müssen sich kontaminierte Oberflächen sehr gut reinigen lassen. Als Reinigungs‐ mittel werden Säuren, Laugen und Lösemittel verwendet. Daraus folgt, dass die verwendeten Reaktionsharzbeschichtungen eine hervorragende Säure-, Laugen- und Lösemittelbeständigkeit aufweisen müssen. 5.12 Arbeitssicherheit und Umweltschutz Pflicht von Auftraggebern, Ausschreibenden, Auftragnehmern, Beschichtungsstoffherstellern, Aufsichtspersonal und allen anderen Personen, die an einem Projekt beteiligt sind, ist die in ihrer Verantwortung liegenden Arbeiten so auszuführen, dass weder die eigene Gesundheit und Sicherheit noch die anderer gefährdet wird. Aspekte, die besondere Beachtung erfordern, sind zum Beispiel folgende: • keine toxischen oder krebserregenden Stoffe festlegen oder verwenden; • Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen (VOC); • Maßnahmen gegen schädliche Einwirkungen von Rauch, Staub, Dämpfen und Lärm sowie gegen Brandgefahren; • Körperschutz, einschließlich Augen-, Haut-, Gehör- und Atemschutz; • Schutz von Gewässern und Erdreich während der Beschichtungsarbeiten; • Wiederverwertung von Stoffen und Abfallentsorgung. Beim Durchführen von Arbeiten mit Kunststoffen sind die einschlägigen Vorschriften zu be‐ achten. Insbesondere sind die ausführenden Personen bezüglich möglicher gesundheitlicher Gefahren zu unterweisen. Die Sicherheitsdatenblätter der Hersteller sind zu beachten und auf der Baustelle bereitzuhalten. Die Arbeiten müssen gemäß den Vorgaben im Technischen Datenblatt der Hersteller durchgeführt werden. Bezüglich der Verwendung von Epoxidharz-Systemen können ggf. je nach Einsatzgebiet und Anwendungsbereich ergänzende - auch gesetzliche - Anforderungen an Sicherheit und Gesundheit bestehen, so z. B. in den Bereichen Kinderspielzeug, Trinkwasser, Lebensmittelbe‐ darfsgegenstände etc. Inhaltsstoffe von Epoxidharzen haben sensibilisierende Eigenschaften. Bei ungeeigneter Ar‐ beitsweise kann der Verarbeiter sensibilisiert werden, danach kann es zu allergischen Reaktionen in Form von Hautausschlägen kommen, vor allem beim Kontakt mit nicht ausgehärteten Epoxid‐ harzen. Um Möglichkeiten zur Vermeidung von epoxidharzbedingten allergischen Hauterkran‐ kungen zu erarbeiten, wurden verschiedene Arbeitskreise gegründet und Forschungsprojekte initiiert. Die bisherigen Ergebnisse dieser Arbeiten finden sich gesammelt auf der Epoxidharzseite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Da der direkte Hautkontakt als weitaus schädlicher anzusehen ist als etwa eine Aufnahme über die Atemwege (z. B. durch ungenügende Belüftung), ist persönliche Schutzausrüstung 184 5 Kunststoffe <?page no="189"?> beim Einsatz vieler Epoxidprodukte vorgeschrieben. Zum Hautschutz eignen sich ausschließlich spezielle Nitril- oder Butyl-, Butyl / Viton- und PE-Laminat-Handschuhe. Ungeeignet sind dünne Einweg-Handschuhe unabhängig vom Material (zum Beispiel Latex, Vinyl oder Nitril). Die allergenen Stoffe durchdringen diese Handschuhe auch ohne Beschädigung innerhalb weniger Minuten, während der Eigenschutz der Haut durch Schwitzen bei fehlender Belüftung geschwächt wird. Hautschutzsalben bieten ebenfalls keinen akzeptablen Schutz. Unter Umständen kann zusätzlich das Tragen eines Schutzanzugs notwendig sein. 5.13 Literatur [1] DIN EN ISO 472: 2013-06 Kunststoffe - Fachwörterverzeichnis. [2] DIN EN ISO 472/ A1: 2019-03 Kunststoffe - Fachwörterverzeichnis - Änderung 1: Weitere Einträge. [3] DIN EN ISO 1043-1: 2016-09 Kunststoffe - Kennbuchstaben und Kurzzeichen - Teil 1: Basis-Polymere und ihre besonderen Eigenschaften. [4] DIN EN ISO 1043-2: 2012-03 Kunststoffe - Kennbuchstaben_und_Kurzzeichen - Teil 2: Füllstoffe und Verstärkungsstoffe. [5] DIN EN ISO 1043-3: 2017-03 Kunststoffe - Kennbuchstaben_und_Kurzzeichen - Teil 3: Weichmacher. [6] DIN EN ISO 1043-4: 2021-10 Kunststoffe - Kennbuchstaben_und_Kurzzeichen - Teil 4: Flammschutz‐ mittel. [7] DIN ISO 1629: 2015-03 Kautschuk und Latices - Nomenklatur. [8] DIN EN ISO 18064: 2015-03 Thermoplastische Elastomere - Nomenklatur und Kurzzeichen. [9] „Organische Chemie,“ Studyflix GmbH, [Online]. Available: studyflix.de/ chemie/ thema/ organische-che mie-116. [Zugriff am 16 10 2021]. [10] „Werkstoffe,“ Duden Learnattack GmbH, [Online]. Available: www.lernhelfer.de/ schuelerlexikon/ che mie-abitur/ kapitel/ 101-werkstoffe. [Zugriff am 16 10 2021]. [11] „Kunststoff,“ Kern GmbH, [Online]. Available: www.kern.de/ de/ kunststofflexikon/ kunststoff. [Zugriff am 16 10 2021]. [12] „Organische Chemie,“ Wiley Information Services GmbH, [Online]. Available: www.chemgapedia.de/ vsengine/ topics/ de/ Chemie/ Organische_00032Chemie/ index.html. [Zugriff am 17 10 2021]. [13] „Die Geschichte des Klebens,“ [Online]. Available: www.klebstoffe.com/ informationen/ geschichte-des -klebens/ . [Zugriff am 12 10 2021]. [14] E. Boeda, S. Bonilauri, J. Connan, D. Jarvie, N. Mercier, M. Tobey, H. Valladas, H. al Sakhel und S. Muhesen, „Middle Palaeolithic bitumen use at Umm el Tlel around 70 000 BP,“ Antiquity, Bd. 82, Nr. 318, pp. 853-861, 2008 December. [15] J. Connan, R. Carter, H. Crawford, M. Tobey, A. Charrié-Duhaut, D. Jarvie, P. Albrecht und K. Norman, „A comparative geochemical study of bituminous boat remains from H3, As‐Sabiyah (Kuwait), and RJ‐2, Ra's al‐Jinz (Oman),“ Arabian Archaeology and Epigraphy 16(1), pp. 21 - 66, 2005 April. [16] E. Zirkler, Asphalt, ein Werkstoff durch die Jahrtausende, Giesel Verlag, 2001. [17] „Lacke,“ in Ullmanns Enzyklopädie der Technischen Chemie, 4 Hrsg., Bd. 15, p. 592 - 719. [18] Kunststoff-Museums-Verein (KMV) e. V., „Do it yourself,“ [Online]. Available: www.deutsches-kunsts toff-museum.de/ kunststoff/ textbeitrage/ do-it-yourself/ . [Zugriff am 12 10 2021]. [19] K. Dohnke, „Die Lack-Story. 100 Jahre Farbigkeit zwischen Schutz, Schönheit und Umwelt,“ München, Hamburg, Dölling und Galitz, 2000, p. 82. [20] EUROPÄISCHEs PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION, VERORDNUNG (EG) Nr. 1907/ 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), 2006. 185 5.13 Literatur <?page no="190"?> [21] United Nations, Globally Harmonized System of Classification and Labelling of Chemicals (GHS Rev. 9, 2021), U. Nations, Hrsg., New York and Geneva, 2021. [22] DIN EN ISO 4618: 2015-01 Beschichtungsstoffe - Begriffe. [23] R. P. Gieler und A. Dimmig-Osburg, Kunststoffe für den Bautenschutz und die Betoninstandsetzung. Der Baustoff als Werkstoff, Basel: Birkhäuser Verlag, 2006. [24] G. Menges, Werkstoffkunde der Kunststoffe, 2. Auflage Hrsg., München Wien: Carl Hanser Verlag, 1984. [25] DIN 7724: 1993-04 Polymere Werkstoffe; Gruppierung polymerer Werkstoffe aufgrund ihres mechani‐ schen Verhaltens (Zurückziehung 2012-06). [26] R. T. Morrison und R. N. Boyd, Lehrbuch der Organischen Chemie, VCH Verlagsgesellschaft mbH, 1978/ 1986. [27] A. D. McNaught und A. Wilkinson, „homogeneous polymer blend,“ [Online]. Available: goldbook.iupa c.org/ terms/ view/ HT07582. [Zugriff am 15 10 2021]. [28] A. D. McNaught und A. Wilkinson, „compatible polymer blend,“ [Online]. Available: goldbook.iupac.o rg/ terms/ view/ CT07581. [Zugriff am 15 10 2021]. [29] A. D. McNaught und A. Wilkinson, „immiscible polymer blend,“ [Online]. Available: goldbook.iupac.o rg/ terms/ view/ IT07240. [Zugriff am 2021 10 15]. [30] DIN EN ISO 10364: 2018-06 Strukturklebstoffe - Bestimmung der Topfzeit (Verarbeitungszeit) von Mehrkomponentenklebstoffen. [31] DIBt - Deutsche Institut für Bautechnik, Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung) Teil 2 - Merkmale von Produkten oder Systemen für die Instandsetzung und Regelungen für deren Verwendung. [32] DIN EN ISO 9514: 2019-10 Beschichtungsstoffe - Bestimmung der Verarbeitungszeit von Mehrkompo‐ nenten-Beschichtungssystemen - Vorbereitung und Konditionierung von Proben und Anleitung für die Prüfung. [33] Bundesanstalt für Wasserbau, BAWEmpfehlung „Instandsetzungsprodukte - Hinweise für den Sach‐ kundigen Planer zu bau werksbezogenen Produktmerkmalen und Prüfverfahren“, 2019. [34] DIN EN ISO 2535: 2003-02 Kunststoffe - Ungesättigte Polyesterharze - Bestimmung der Gelzeit bei Umgebungstemperatur. [35] R. Stenner, S. Wehrle und B. Schwamborn (überarbeitet), „Kunststoffe: Grundlagen,“ in Schutz und Instandsetzung von Stahlbeton - Anleitung zur sachkundigen Planung und Ausführung, Bd. 552, expert-verlag, 2015, p. 490. [36] Prelon Dichtsystem GmbH, „Chemische Beständigkeit von Kunststoffen,“ [Online]. Available: prelon.de / wp-content/ uploads/ 2017/ 08/ chemische_bestaendigkeit_von_kunststoffen.pdf. [Zugriff am 17 10 2021]. [37] G. Laurenzano, Entwicklung ungesättigter Polyesterharze aus nachwachsenden Rohstoffen (Disserta‐ tion), Technische Universität Braunschweig, 2016. [38] M. Stuck, Untersuchung und Zähmodifizierung neuer hochtemperaturbeständiger ungesättigter Poly‐ esterharze und ihrer Duromere (Dissertation), Technischen Universität Dresden, 2019. [39] H. Q. Pham und M. J. Marks, „Epoxy Resins,“ in Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry, Wiley‐VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 2005. [40] „Polymerphysik,“ Wikimedia Foundation Inc., [Online]. Available: de.wikipedia.org/ wiki/ Polymerphy sik. [Zugriff am 16 10 2021]. [41] „TPE-Wissen,“ [Online]. Available: allod.com/ tpe-wissen/ . [Zugriff am 15 10 2021]. [42] M. Peck und u. a., „Stahlbetonoberflächen - schützen, erhalten, instandsetzen,“ Schriftenreihe der Zement- und Betonindustrie, Verlag Bau+Technik GmbH, 2008. [43] DIN 55945: 2016-08 Beschichtungsstoffe und Beschichtungen - Ergänzende Begriffe zu DIN EN ISO 4618. 186 5 Kunststoffe <?page no="191"?> [44] DIN 16945: 1989-03 Reaktionsharze, Reaktionsmittel und Reaktionsharzmassen; Prüfverfahren. [45] J. W. Vanderhoff, E. B. Bradford und W. Carrington, „The transport of water through latex films,“ Journal of Polymer Science, Bd. 41, pp. 155-174, 1973. [46] H. Keller, Strukturbildung in Polyurethandispersionen und -filmen (Dissertation), Mainz: Johannes Gutenberg-Universität, 2014. [47] DIN 52460: 2015-12 Fugen- und Glasabdichtungen - Begriffe. [48] W. Fuchs, „Wer verträgt sich mit wem? ,“ Baugewerbe, Bd. 5, p. 26 - 32, 1994. [49] DIN EN 12617-1: 2003-11 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betont‐ ragwerken - Prüfverfahren - Teil 1: Bestimmung des linearen Schrumpfens von Polymeren und Oberflächenschutzsystemen (OS). [50] DIN EN 13529: 2003-12 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontrag‐ werken - Prüfverfahren - Widerstand gegen starken chemischen Angriff. [51] DIN EN ISO 2815: 2003-10 Beschichtungsstoffe - Eindruckversuch nach Buchholz. [52] DIN EN ISO 868: 2003-10 Kunststoffe und Hartgummi - Bestimmung der Eindruckhärte mit einem Durometer (Shore-Härte). [53] DIN EN 1543: 1998-02 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwer‐ ken - Prüfverfahren - Bestimmung der Zugfestigkeitsentwicklung von Polymeren. [54] DIN EN 13412: 2006-11 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontrag‐ werken - Prüfverfahren - Bestimmung des Elastizitätsmoduls im Druckversuch. [55] DIN EN 13584: 2003-11 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontrag‐ werken - Prüfverfahren - Bestimmung des Kriechens von Betonersatzsystemen im Druckversuch. [56] DIN EN ISO 899-2: 2015-06 Kunststoffe — Bestimmung des Kriechverhaltens — Teil 2: Zeitstand-Biege‐ versuch bei Dreipunkt-Belastung. [57] R. P. Gieler, Überlegungen und Versuche zur Rissüberbrückungsfähigkeit spezieller Beschichtungssys‐ teme an Fassaden. Dissertation, Universität Dortmund, 1989. [58] DIN EN 12618-2: 2004-11 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontrag‐ werken - Prüfverfahren - Teil 2: Bestimmung der Haftzugfestigkeit von Rissfüllstoffen mit oder ohne thermische Behandlung - Haftzugfestigkeit. [59] DIN EN 1542: 1999-07 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwer‐ ken - Prüfverfahren - Messung der Haftfestigkeit im Abreißversuch. [60] DIN EN ISO 5470-1: 2017-04 Mit Kautschuk oder Kunststoff beschichtete Textilien - Bestimmung des Abriebwiderstandes - Teil 1: Taber-Abriebprüfgerät. [61] DIN EN 13892-4: 2003-02 Prüfverfahren für Estrichmörtel und Estrichmassen - Teil 4: Bestimmung des Verschleißwiderstandes nach BCA. [62] DIN EN 13892-5: 2003-09 Prüfverfahren für Estrichmörtel und Estrichmassen - Teil 5: Bestimmung des Widerstandes gegen Rollbeanspruchung von Estrichen für Nutzschichten. [63] DIN EN 13813: 2003-01 Estrichmörtel, Estrichmassen und Estriche - Estrichmörtel und Estrichmassen - Eigenschaften und Anforderungen. [64] DIN EN 660-1: 1999-06 Elastische Bodenbeläge - Ermittlung des Verschleißverhaltens - Teil 1: Stuttgarter Prüfung (zurückgezogen). [65] DIN EN 660-1/ A1: 2003-06 Elastische Bodenbeläge - Ermittlung des Verschleißverhaltens - Teil 1: Stuttgarter Prüfung; Änderung A1. [66] DIBt - Deutsches Institut für Bautechnik, Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung), Teil 1 - Anwendungsbereich und Planung der Instandhaltung, 2020-05. [67] DIN EN ISO 7783: 2019-02 Beschichtungsstoffe - Bestimmung der Wasserdampfdurchlässigkeit - Schalenverfahren. 187 5.13 Literatur <?page no="192"?> [68] R. Engelfried, „Diffusionswiderstandszahlen für Kohlendioxid und Wasser und deren praktische Anwendung,“ farbe + lack 89, p. 513 - 518, 1983. [69] H. R. Sasse, Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen unter Verwendung von Kunststoffen, Sachstandsbericht, Berlin und Köln: Beuth Verlag GmbH, 1994. [70] K. Wesche, Baustoffe für tragende Bauteile, Band 4 Holz, Kunststoffe, Wiesbaden: Bauverlag GmbH Wiesbaden, 1996. [71] DIN EN 1062-3: 2008-04 Beschichtungsstoffe - Beschichtungsstoffe und Beschichtungssysteme für mineralische Substrate und Beton im Außenbereich - Teil 3: Bestimmung der Wasserdurchlässigkeit. [72] D. G. U. e. (DGUV), Hrsg., DGUV Regel 108-003 (bisher: BGR 181) Fußböden in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit Rutschgefahr, April 1994 - aktualisierte Fassung Oktober 2003 Hrsg., Berlin, April 1994 - aktualisierte Fassung Oktober 2003. [73] DIN 51130: 2014-02 Prüfung von Bodenbelägen - Bestimmung der rutschhemmenden Eigenschaft - Arbeitsräume und Arbeitsbereiche mit Rutschgefahr - Begehungsverfahren - Schiefe Ebene. [74] C. Wetzel, U. Windhövel, D. Mewes und T. Götte (†), „Rutschgefahren erkennen und vermeiden - Teil 1: Grundlagen, Messverfahren und Anforderungen,“ Sicherheit, Bd. 3, April 2013. [75] C. Wetzel, U. Windhövel, D. Mewes und T. Götte (†), „Rutschgefahren erkennen und vermeiden - Teil 2: Gefährdungsbeurteilung in der Praxis,“ Sicherheit, Bd. 3, Mai 2013. [76] W. Fratscher und H.-P. Picht, Stoffdaten und Kennwerte der Verfahrenstechnik, Leipzig und Stuttgart: Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, 1979 und 1993. [77] W. Bierwerth, Tabellenbuch Chemietechnik, Europa-Lehrmittel KG, 2005. [78] DIN EN 12614: 2005-01 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontrag‐ werken - Prüfverfahren - Bestimmung der Glasübergangstemperatur von Polymeren. [79] W. Scholz, Baustoffkenntnis, 15. Auflage Hrsg., Düsseldorf: Werner-Verlag GmbH, 2003. [80] DIN 50035: 2012-09 Begriffe auf dem Gebiet der Alterung von Materialien - Polymere Werkstoffe. [81] DIN EN 13501-1: 2010-01 Klassifizierung von Bauprodukten und Bauarten zu ihrem Brandverhalten - Teil 1: Klassifizierung mit den Ergebnissen aus den Prüfungen zum Brandverhalten von Bauprodukten. [82] DIN 4102-1: 1998-05 Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen - Teil 1: Baustoffe; Begriffe, Anforderungen und Prüfungen. [83] DIN EN 1504-2: 2005-01 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontrag‐ werken - Definitionen, Anforderungen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität - Teil 2: Oberflächenschutzsysteme für Beton. [84] DIN EN 1504-2: 2005-01 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontrag‐ werken - Definitionen, Anforderungen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität - Teil 2: Oberflächenschutzsysteme für Beton. [85] TRGS 727: 2016-01 Technische Regeln für Gefahrstoffe - Vermeidung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen. [86] DIN 25415: 2012-11 Radioaktiv kontaminierte Oberflächen - Verfahren zur Prüfung und Bewertung der Dekontaminierbarkeit. [87] IUPAC, Compendium of Chemical Terminology, 2nd ed. (the „Gold Book“) Hrsg., Wilkinson und A. D. McNaught, Hrsg., Oxford: Blackwell Scientific Publications, 1997. [88] DIN EN ISO 18064: E2021-04 - Thermoplastische Elastomere - Nomenklatur und Kurzzeichen. [89] ISO 1629: 2013-06 Kautschuk und Latices - Nomenklatur. [90] R. Brdička, Grundlagen der Physikalischen Chemie, Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, 1982. [91] DIN EN ISO 9514: 2019-10 Beschichtungsstoffe - Bestimmung der Verarbeitungszeit von Mehrkompo‐ nenten-Beschichtungssystemen - Vorbereitung und Konditionierung von Proben und Anleitung für die Prüfung. 188 5 Kunststoffe <?page no="193"?> 6 Instandsetzungsprinzipien R. Gieler 6.1 Grundlagen An Stahlbetonbauteilen können u. a. durch Nutzung, Witterung, Planungs- und Ausführungs‐ fehler Schäden während der geplanten Nutzungsdauer auftreten. Aus diesem Grunde sind im Rahmen der Instandhaltung Inspektionen erforderlich, um auf Basis der Ergebnisse den gegebenenfalls erforderlichen Bedarf an Maßnahmen zum Schutz oder/ und zur Instandsetzung möglichst frühzeitig zu erkennen. Regelwerke für den Neubau von Stahlbetonbauteilen, wie z. B. [1], weisen daher darauf hin, dass der erforderliche Schutz des Tragwerks unter Berücksich‐ tigung seiner geplanten Nutzung und Nutzungsdauer, der Einwirkungen und durch Planung der Instandhaltung sicherzustellen ist. Ein angemessener Instandhaltungsaufwand [1] wird also grundsätzlich vorausgesetzt. Die Schäden am Verbundwerkstoff Stahlbeton können nach Schäden am Beton und an der Bewehrung unterteilt und nach der Art der Ursachen gemäß Bild 6.1 eingeteilt werden. Daher definieren die Regelwerke zur Betoninstandsetzung, wie [2], [3], Prinzipien zum Schutz der Bauteile entsprechend. Verfahren, mit denen die Prinzipien umgesetzt werden können, werden ebenfalls in den genannten Regelwerken beschrieben. Die Prinzipien werden basierend auf einer mit den europäischen Produktnormen der DIN EN 1504-Normenfamilie eingeführten Nummerierung auch in den nationalen Regelwerken analog beziffert. Hierdurch soll u. a. die Planung insbesondere bei der Auswahl und Festlegung von Produkten nach harmonisierten Europäischen Normen (hEN) erleichtert werden. <?page no="194"?> Bild 6.1: Einteilung typischer Schäden am Beton und an der Bewehrung nach der Art der Ursache mit typischen Beispielen [4] Mit der Aufnahme der Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken des DIBt, kurz TR Instandhaltung [3], in die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) [5] wird dieses Regelwerk nach und nach von den Bundesländern bauaufsichtlich eingeführt. Die Autoren der DIBt TR Instandhaltung übernehmen bezüglich der Prinzipien weitgehend die Systematik und die Terminologie der DIN EN 1504-9 [4]. Als Instandsetzungsprinzip definiert die TR Instandhaltung [3] „eine übergeordnete Hand‐ lungsweise zum Erreichen eines Bauteil- oder Bauwerkzustandes mit einem für die geplante Nutzungsdauer ausreichenden Abnutzungsvorrat.“ Laut der Definition in DIN 31051 [6] ist der Abnutzungsvorrat der „Vorrat der möglichen Funk‐ tionserfüllungen unter festgelegten Bedingungen, der einer Betrachtungseinheit aufgrund der Herstellung, Instandsetzung oder Verbesserung innewohnt“. Für den Bereich der Betoninstandhaltung wird der an einem Bauteil vorhandene Abnutzungs‐ vorrat an die Thematik angepasst definiert als „der Abstand zwischen Ist-Zustand und Mindest-Sollzustand (Abnutzungsgrenze), den ein Bauteil hinsichtlich Standsicherheit oder Gebrauchstauglichkeit aufgrund der Herstellung, Wartung, Instandsetzung oder Verbesse‐ rung aufweist“ [3]. 190 6 Instandsetzungsprinzipien <?page no="195"?> Ein (Instandsetztungs-)Prinzip stellt also den Grundsatz dar, wodurch ein Bauteil geschützt bzw. instandgesetzt werden soll. Wie das Prinzip umgesetzt werden kann, ist in Verfahren geregelt. Die Prinzipien werden eingeteilt entsprechend den Schutz- und Instandsetzungszielen in zwei Kategorien: • Prinzipien bei Schäden im Beton • Prinzipien bei Bewehrungskorrosion. Sachkundige Planer legen Prinzipien fest, nach denen die übergeordneten Ziele von Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen, nämlich Erhalten bzw. Wiederherstellen der Tragfähigkeit oder der Gebrauchstauglichkeit von Betonbauteilen für einen bestimmten Zeitraum, zu realisieren sind. Im Rahmen der Planung ist im Detail zu klären, mit welchen Verfahren die Prinzipien umgesetzt werden können. Für einzelne Prinzipien (außer für das Prinzip des kathodischen Korrosionsschutzes) nennt die TR Instandhaltung [3] unterschiedliche Verfahren, mit denen diese realisiert werden können. Entsprechend den im konkreten Fall vorliegenden Randbedingungen wählt der Sachkundige Planer das geeignete Verfahren aus, siehe Bild 6.2. Bild 6.2: Zusammenhang zwischen Instandsetzungszielen, Prinzipien und Verfahren. Die Prinzipien mit den entsprechenden Verfahren der technischen Umsetzung, mit denen die Instandsetzungsziele erreicht werden können, werden in Teil 1, Abschnitt 6 der TR Instandhal‐ tung [3] beschrieben. Im folgenden Abschnitt werden die Prinzipien entsprechend den zuvor genannten Kategorien erläutert. Hierbei werden jeweils zunächst die bisherigen Definitionen der Instandsetzungsricht‐ linie des DAfStb [2] aufgeführt. Die zugehörigen Verfahren werden im folgenden Abschnitt behandelt. 191 6.1 Grundlagen <?page no="196"?> 6.2 Prinzipien bei Betonkorrosion 6.2.1 Historische Definitionen Die Instandsetzungsrichtlinie des DAfStb [2] enthielt keine Definition von Prinzipien zum Schutz des Betons. Allerdings wurden Ziele im Teil 1 Allgemeine Regelungen und Planungsgrundsätze definiert. Das Regelwerk unterscheidet zudem zwischen Schutz- und Instandsetzungsmaßnah‐ men. Als Ziel von Schutzmaßnahmen wird Erhöhen der Widerstandsfähigkeit von Betonbauteilen gegen • eindringende betonangreifende oder korrosionsfördernde Stoffe oder • mechanische Einwirkungen auf oberflächennahe Bereiche angegeben. Das Regelwerk führt als Ziel von Instandsetzungsmaßnahmen • den dauerhaften Ersatz von zerstörtem oder abgetragenem Beton durch Beton oder Mörtel sowie • erforderlichenfalls den dauerhaften Schutz der instand zu setzenden Betonbauteile an. Hierzu wurden Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen definiert: • Füllen von Rissen und Hohlräumen mit Reaktionsharzen, Zementleimen oder Zementsu‐ spensionen, • Ausfüllen von örtlichen Fehlstellen mit Mörtel oder Beton, • Großflächiges Auftragen von Mörtel oder Beton, • Hydrophobierung, • Imprägnierung, • Beschichtung. Der Begriff „Ziel“ kann als Prinzip und der Begriff „Maßnahme“ als Verfahren gemäß der Terminologie in [3] verstanden werden. 6.2.2 Aktuelle Definitionen Die DIBt TR Instandhaltung [3] definiert 6 Prinzipien für Schutz oder Instandsetzung von Schäden im Beton in Anlehnung an DIN EN 1504-9 [4]. Diese werden im Teil 1 der TR Instandhaltung, [3], Tabelle 5 aufgeführt. Dabei werden ausschließlich Prinzipien (und Verfahren) aufgeführt, die nach der Technischen Regel angewendet werden dürfen. Die von 1 bis 6 nummerierten Prinzipien lauten im Einzelnen: 1. Schutz gegen das Eindringen von Stoffen, 2. Regulierung des Wasserhaushaltes des Betons, 3. Reprofilierung oder Querschnittsergänzung, 4. Verstärkung des Betontragwerks, 5. Erhöhung des physikalischen Widerstandes, 6. Erhöhung des Widerstands gegen chemischen Angriff. Nachfolgend werden die Prinzipien erläutert. 192 6 Instandsetzungsprinzipien <?page no="197"?> Prinzip 1 „Schutz gegen das Eindringen von Stoffen" Das Prinzip hat zum Ziel, den Schutz des Betons gegen das Eindringen von Stoffen für eine festgelegte Nutzungsdauer sicherzustellen bzw. wiederherzustellen. Durch unterschiedliche Verfahren wird der gerissene und ungerissene Beton • gegen das Eindringen von Wasser oder darin gelöster Schadstoffe, • vor dem Eindringen schädlicher Substanzen, • vor dem Eindringen oder Durchdringen von betonangreifenden Stoffen oder Wasser geschützt. Hierdurch sollen Schäden des Betons durch chemische Einwirkungen, z. B. Sulfat‐ angriff, verhindert werden, wie Alkaliaggregatreaktion (AAR), Alkalitreiben, Ausblühungen, Auswaschungen u. a. Auch bei bakteriellen oder anderen biologischen, auf den Beton aggressiv wirkende Belastung kommen Verfahren nach Prinzip 1 zum Einsatz. Zudem wird das Prinzip zum Verhindern von Schäden bei Beanspruchung durch Frost-Tau-Wechsel angewendet. Prinzip 2 „Regulierung des Wasserhaushaltes des Betons“ Das Prinzip wird durch unterschiedliche Verfahren umgesetzt, die dazu dienen, den Wasserhaus‐ halt des Bauteils flächig über die Betonoberflächen oder lokal begrenzt in Rissbereichen zu regulieren, um chemische oder physikalische Reaktionen zu verhindern. Durch die geregelten Verfahren soll der Wassergehalt des Bauteils entsprechend dem langfristigen Mittelwert der umgebenden Luft gesenkt werden. Dieses erfolgt durch Behindern Wasseraufnahme des Betons infolge Kapillarität und durch Wassertransport aus dem Bauteil durch Diffusion, so dass kein für unerwünschte Reaktionen schädlicher Wassergehalt im Bauteilquerschnitt vorliegt. Zu beachten ist, dass die genannten Transportvorgänge unterschiedlich schnell sind und das Erreichen des unschädlichen Wassergehalts ggf. über einen langen Zeitraum erfolgen kann. Beispiel für Anwendung dieses Prinzips sind: • Instandsetzung von durch Alkali-Kieselsäure-Reaktion geschädigten Bauteile, • Schutz der Bauteilobderfläche bei Frost-Tau-Wechsel. Prinzip 3 „Reprofilierung oder Querschnittsergänzung“ Falls Schäden des Betons durch mechanische Beanspruchung vorliegen, die nicht durch die Korrosion der Bewehrung verursacht wurden, erfolgt die Instandsetzung nach Prinzip 3, um die Dauerhaftigkeit der Bauteile für die geplante Restnutzungsdauer sicherzustellen bzw. wiederher‐ zustellen. Neben dem Einbringen von Beton oder Mörtel an geschädigten Stellen zählt auch das vollstän‐ dige Ersetzen eines Bauteils zu diesem Prinzip. Prinzip 4 „Verstärkung des Betontragwerks“ Dieses Prinzip dient dazu, die Tragfähigkeit eines Bauwerks gegenüber dem Soll- oder Ist-Zustand zu erhöhen. Dieses erfolgt durch Anordnung einer zusätzlichen bewehrten Betonschicht, einer geklebten Bewehrung oder Querschnittsergänzung durch Betonersatz oder durch kraftschlüssiges Füllen von Rissen. Das Verstärken eines Bauteils stellt ein weiteres Ziel dar und wird ebenfalls Prinzip 4 zugeord‐ net. 193 6.2 Prinzipien bei Betonkorrosion <?page no="198"?> 26 Die Grundkenntnisse der Korrosion werden an dieser Stelle unter Verweis auf das entsprechende Kapitel 3.2 zur Korrosion von Stahl vorausgesetzt. Prinzip 5 „Erhöhung des physikalischen Widerstandes“ Durch dieses Prinzip soll je nach Erfordernis des Widerstandes gegen Abtrag von Beton, z. B. durch Anprall, oder Abrieb infolge Befahrung oder gegen andere Arten des mechanischen Angriffs erhöht werden. Prinzip 6 „Erhöhung des Widerstands gegen chemischen Angriff“ Um Beton vor Angriff durch Chemikalien zu schützen, wird Prinzip 6 für die weiteren Planungen zugrundegelegt. Je nach Art der Chemikalien sind Einwirkung entsprechend den Expositionsklassen XA1 bis XA3 bei der Wahl der Verfahren zu berücksichtigen. 6.3 Prinzipien bei Bewehrungskorrosion 6.3.1 Historische Definitionen In der Instandsetzungsrichtlinie des DAfStb [2] werden vier Instandsetzungsprinzipien für den Korrosionsschutz der Bewehrung unterschieden und mit Buchstaben (R, W, C und K) bezeichnet. Diese werden nachfolgend erläutert 26 . • R (Repassivierung) Der Korrosionsschutz erfolgt, indem das alkalische Milieu im Beton durch Realkalisieren wiederhergestellt wird. Dieses hat zur Folge, dass sich auf der Stahloberfläche erneut eine schützende Oxidschicht bildet. Dieses wird als Repassivierung bezeichnet. • W (Wassergehalt begrenzen) Durch Begrenzen des Wassergehalts im Beton, soll der Korrosionsprozess der Bewehrung gestoppt werden. Indem der Wassergehalt durch geeignete Verfahren sich dem langfristigen Mittelwert der umgebenden Luft annähert und im Bauteilquerschnitt vergleichmäßigt, nimmt der spezifische elektrische Widerstand des Betons zu und damit die Korrosionsge‐ schwindigkeit von Stahl in Beton ab [7]. Hierdurch wird der elektrolytische Teilprozess bei der Korrosion der Bewehrung weitgehend unterdrückt. Gesicherte Grenzwerte für einen kritischen Wassergehaltes im Beton können gemäß [2] nicht angegeben werden. Aufgrund der praktischen Erfahrung nehmen die Verfasser des Regelwerks jedoch an, dass weitere schadensauslösende Korrosion beim Fall der Stahldepas‐ sivierung durch carbonatisierten Beton im Gegensatz zur chloridinduzierten Korrosion nicht auftreten. • C (Coating) Beschichten der Bewehrung, wie im Stahlbau üblich, schützt die Bewehrung vor Korrosion nach dem Bariereprinzip, siehe [8]. • K (Kathodischer Schutz) Durch Anlegen eines Gleichstroms an die Bewehrung (mit Fremdstrom) über Inertanoden oder die Anordnung von Opferanoden (ohne Fremdstrom) wirkt die gesamte Bewehrung kathodisch. Da der Substanzabtrag bei der elekrochemischen Korrosion immer an der Anode 194 6 Instandsetzungsprinzipien <?page no="199"?> 27 siehe Abschnitt 7 erfolgt, wird Korrosion der Bewehrung auf diese Weise verhindert. Das Prinzip wird als kathodischer Korrosionsschutz (KKS) bezeichnet. Den Instandsetzungsprinzipien werden sogenannte Grundsatzlösungen 27 zugeordnet, mit denen diese realisiert werden können, die in Kapitel 7 vorgestellt werden. 6.3.2 Aktuelle Definitionen DIBt TR Instandhaltung [3] definiert in Anlehnung an DIN EN 1504-9 drei Prinzipien zur vorbeugenden Abwehr von Korrosionsschäden bzw. zur Unterdrückung bereits ablaufender Korrosionsprozesse an der Bewehrung. Diese sind in Tabelle 6 der Technischen Regel aufgeführt. Alle weiteren in Tabelle 6 nicht aufgeführten Prinzipien der DIN EN 1504-9 werden in dieser Technischen Regel nicht behandelt. Nachfolgend werden die Prinzipien erläutert. Prinzip 7 „Erhalt oder Wiederherstellung der Passivität“ Das Prinzip entspricht dem in [2] definierten Instandsetzungsprinzip R (Repassivierung), da durch entsprechende Verfahren die Passivität der Bewehrung über die Restnutzungsdauer erhalten bzw. wiederhergestellt wird. Dieses Prinzip kann bei Korrosion der Bewehrung infolge des Carbonatisierens des Beton und bei chloridinduzierter Korrosion angewendet werden. Hinweis: Das Prinzip entspricht dem Prinzip R der Instandsetzungs-Richtlinie des DAfStb [2]. Prinzip 8 „Erhöhung des elektrischen Widerstandes“ Durch Wahl geeigneter Verfahren wird bei diesem Prinzip der elektrischen Widerstandes des Betons erhöht, indem die Aufnahme von flüssigem Wasser durch Kapillarität vermieden wird und das Bauteil durch den Transportmechanismus der Diffusion austrocknet. Wesentlich für den Erfolg und sicher zu verhindern ist, dass Wasser in den Beton von der rückwärtigen Bauteilseite oder seitlich (Dach, Fensterleibungen, Kondensat von innen, aufsteigende Feuchte etc.) eingebracht wird. Hinweis: Das Prinzip entspricht weitgehend dem Prinzip W der Instandsetzungs-Richtlinie des DAfStb [2]. Prinzip 10 „Kathodischer Schutz“ Bei diesem Prinzip wird das Potential der Bewehrung über eine Polarisation mit Fremdstrom oder galvanischen Anoden so weit abgesenkt, dass die Korrosionsgeschwindigkeit der Bewehrung auf einen technisch vernachlässigbaren Wert reduziert wird. Durch geeignete Verfahren wird also verhindert, dass sich Anoden auf der Stahloberfläche, an denen bei Korrosion der Substanzabtrag erfolgt, bilden - die Stahloberfläche wird zur Kathode. Hinweis: Das Prinzip entspricht weitgehend dem Prinzip K der Instandsetzungs-Richtlinie des DAfStb [2]. 195 6.3 Prinzipien bei Bewehrungskorrosion <?page no="200"?> 6.4 Besonderheiten und Hinweise Das in [4] enthaltene Prinzip 9 wird in der TR Instandhaltung [3] nicht aufgeführt. Durch „Kon‐ trolle kathodischer Bereiche“ soll der Sauerstoffzutritt zu möglichen kathodischen Bereichen der Bewehrung so weit beschränkt werden, dass Korrosionszellen inaktiviert werden. Dadurch wird Korrosion der Bewehrung verhindert. Sauerstoffzutritt kann durch heutige Instandsetzungsver‐ fahren nicht dauerhaft verhindert werden, da die derzeitig zur Verfügung stehenden Werkstoffe (z. B. polymere Beschichtungen, Mörtel) grundsätzlich durchlässig für Sauerstoff sind. Daher wird dieses Prinzip in [3] nicht behandelt. Falls mehrere Instandsetzungsziele an einem Bauteil erreicht werden müssen, weil z. B. die Widerstandsfähigkeit des Betons zu erhöhen (Prinzip 3) und die Bewehrung vor Korrosion zu schützen ist (z. B. Prinzip 7), sind ggf. mehrere Prinzipien festzulegen. 6.5 Literatur [1] DIN EN 1992-1-1: 2011-01 (Eurocode 2): Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbe‐ tontragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau. [2] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (Herausgeber), DAfStb-Richtlinie - Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs-Richtlinie), Beuth-Verlag, 2001-10. [3] Deutsches Institut für Bautechnik (Herausgeber), Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung), Teil 1 und Teil 2, Berlin: DIBt, 2020-05. [4] DIN EN 1504-9: 2008-11 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontrag‐ werken - Teil 9: Allgemeine Grundsätze für die Anwendung von Produkten und Systeme. [5] Deutsches Institut für Bautechnik (Herausgeber), Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestim‐ mungen (MVV TB), veröffentlicht: Amtliche Mitteilungen 2021/ 1 (Ausgabe: 19. Januar 2021), Berlin: DIBt, 2020/ 1. [6] DIN 31051: 2012: 09 Grundlagen der Instandhaltung. [7] F. Hunkeler, „Elektrischer Widerstand von Mörteln und Beton,“ Schweizer Ingenieur und Architekt, Bd. 111, Nr. 43, 10 1993. [8] R. P. Gieler und A. Dimmig-Osburg, Kunststoffe für den Bautenschutz und die Betoninstandsetzung. Der Baustoff als Werkstoff, Reihe: BauPraxis Hrsg., Bd. XVI, Birkhäuser Verlag AG, 2006, p. 480. Normen (DIN, EN, ISO, DIN EN, DIN EN ISO u. a. Regelwerke) können vom Beuth-Verlag (www.beuth.de) erworben werden. Regelwerke des DIBt können auf der Internetseite des DIBt (www.dibt.de) heruntergeladen werden. 196 6 Instandsetzungsprinzipien <?page no="201"?> 28 Aus Sicht des Autors wird zuerst das Ziel der Schutzbzw. Instandsetzungsmaßnahme festgelegt, um anschließend das Prinzip zu bestimmen, das erforderlich ist, das Ziel zu erreichen. 7 Instandsetzungsverfahren R. Gieler 7.1 Grundlagen Im Rahmen der Planung von Maßnahmen zum Schützen und Instandsetzen von Stahl- und Spannbetonbauwerken werden, wie in Kapitel 6 erläutert, Prinzipien festgelegt, mit denen die Schutz- und zur Instandsetzungsziele erreicht werden können. Da Prinzipien lediglich die grundsätzliche Lösung beinhalten, werden diesen Verfahren zugeordnet, mit denen die Prinzipien umgesetzt werden können, siehe Kapitel 6, Bild 6.2. Unter dem Begriff „Instandsetzungsverfahren“ versteht die TR Instandhaltung des DIBt [1] „Verfahren zum Erreichen des durch das Instandset‐ zungsprinzip festgelegten Ziels“ 28 . Die Systematik der Prinzipien und Verfahren wurde erstmalig mit Einführung der europäischen Produktnormen der DIN EN 1504-Normenfamilie veröffentlicht und wird allgemein anerkannt. In der aktuellen TR Instandhaltung des DIBt [1], die in die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) [2] aufgenommen wurde, werden den Prinzipien die national geregelten Verfahren zugewiesen. Wie bereits im Kapitel 6 erläutert, wurden die in der DIBt TR Instandhaltung [1] geregelten Prinzipien in enger Anlehnung an die europäische Produktnorm DIN EN 1504-9 [3] nummeriert. Dieses gilt ebenfalls für die zugehörigen national geregelten Verfahren. Eine Übersicht über die in [1] geregelten Prinzipien und Verfahren zeigen Tabelle 1 und Tabelle 2. Für die zwei Ursachen von Schäden an Stahl- und Spannbetonbauwerken • Schäden im Beton und • Bewehrungskorrosion werden jeweils den Prinzipien die zugehörenden Verfahren in Teil 1 der TR Instandhaltung [1] in Tabelle 5 und Tabelle 6 zugeordnet. Dabei werden ausschließlich Prinzipien und Verfahren aufgeführt, die nach der Technischen Regel angewendet werden dürfen. Ausschließlich die in den genannten Tabellen aufgeführten Verfahren der DIN EN 1504-9 werden in [1] behandelt. Alle gegenüber DIN EN 1504-9 zusätzlich eingeführten Verfahren sind in den Tabellen 5 und 6 der DIBt TR Instandhaltung [1] durch Fußnoten gekennzeichnet. Nachfolgend werden die Verfahren getrennt nach Schäden am Beton und an der Bewehrung erläutert. Im folgenden Abschnitt werden die den Prinzipien zugeordneten Verfahren erläutert. Hierbei werden jeweils zunächst die bisherigen Festlegungen der Instandsetzungsrichtlinie des DAfStb [4] aufgeführt. Die zugehörigen Verfahren werden im folgenden Abschnitt behandelt. <?page no="202"?> 7.2 Verfahren bei Betonkorrosion 7.2.1 Historische Verfahren Um die nach der RL SIB des DAfStb [4] definierten und im Kapitel 6 beschriebenen Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen umzusetzen, werden in diesem Regelwerk folgende Maßnahmen genannt: • Füllen von Rissen und Hohlräumen mit Reaktionsharz, Zementleim oder Zementsuspension, • Ausfüllen örtlich begrenzter Fehlstellen mit Mörtel oder Beton, • großflächiges Auftragen von Mörtel oder Beton, • Auftragen von Hydrophobierungen, • Auftragen von Imprägnierungen, • Auftragen von Beschichtungen. Diese grundlegenden Maßnahmen können kombiniert angewandt werden, wenn mehrere Ziele der Schutzbzw. Instandsetzungsmaßnahme erreicht werden sollen. Eine Übersicht zu den in der RL SIB des DAfStb [4] benannten Maßnahmen mit Zielen wird in Tabelle 7.1 wiedergegeben. Maßnahme Ziel Füllen von Rissen und Hohlräumen • Abdichtung durchlässiger Bauteile • Verhinderung des Eindringens korrosionsfördernder Stoffe • Wiederherstellung eines monolithischen Bauteilverhaltens • Korrosionsschutz der Bewehrung (in Sonderfällen) Ausfüllen örtlich be‐ grenzter Fehlstellen Wiederherstellung der ursprünglichen Bauteiloberfläche (Reprofilierung) Hinweis: Als alleinige Maßnahme nur dann zielführend, wenn der Schaden nicht durch korrodierende Bewehrung hervorgerufen wurde. Großflächiges Auftragen von Mörtel und Beton • Vergrößerung der Betondeckung der Bewehrung • Herstellung eines neuen Oberflächenprofils • Verstärkung des Betonquerschnitts Auftragen von Hydro‐ phobierungen Verbessern der langfristigen Haftung von filmbildenden Beschichtungen am Untergrund Behindern (zeitlich begrenzt) das kapillare Einsaugen von Wasser einschließ‐ lich der transportierten Schadstoffe Auftragen von Imprä‐ gnierungen (Grundierun‐ gen) • Verhindern des Eindringens flüssiger oder gasförmiger Stoffe in den Beton als Grundierung: • Verbessern der Festigkeit des Untergrundes • Verbessern der Haftung zur nächsten Schicht Auftragen von Beschich‐ tungen • Verhindern des Eindringens flüssiger Stoffe in den Beton • Behindern des Eindringens gasförmiger Stoffe in den Beton • Schützen der Betonoberfläche vor mechanischen und chemischen Bean‐ spruchungen • ggf. Überbrücken von Rissen Tabelle 7.1: Maßnahmen zum Schützen und Instandsetzen von Beton mit Zielen der Maßnahmen nach [4] 198 7 Instandsetzungsverfahren <?page no="203"?> 7.2.2 Aktuelle Verfahren Die durch die Technischen Regel Instandhaltung des DIBt [1] geregelten Verfahren werden bei unterschiedlichen Prinzipien angewandt und sind dementsprechend nummeriert (Nr. des Verfahrens = Nr. des Prinzips und lfd. Nr.): • Hydrophobierung (Verfahren 1.1, 2.1) • Beschichtung (Verfahren 1.1, 1.3, 2.3, 2.6, 5.1, 6.1) • Örtliche Abdeckung von Rissen (Bandagen) (Verfahren 1.4) • Füllen von Rissen oder Hohlräumen (Verfahren 1.5 2.6, 4.5) • Kleinflächiger Handauftrag (Verfahren 3.1) • Betonieren oder Vergießen (Verfahren 3.2) • Auswechseln von Bauteilen (Verfahren 3.4) • Verstärkung durch geklebte Bewehrung (Verfahren 4.3) • Querschnittsergänzung durch Mörtel oder Beton (Verfahren 4.4) • Mörtel- oder Betonauftrag (Verfahren 5.3, 6.3) Die Nummerierung der Verfahren erfolgt analog [3]. Die Verfahren sind in Tabelle 7.2 aufgeführt und werden nachfolgend gegenüber [1] verkürzt erläutert. Einzelheiten zu Stoffen und zur Ausführung werden an anderer Stelle ausführlich erläutert. Tabelle 5 der Technischen Regel Instandhaltung des DIBt [1] benennt die bei den jeweiligen Verfahren einzusetzenden Produkte bzw. System sowie die daran gestellten Anforderungen unter Verweis auf Teil 2 des Regelwerkes bzw. anderer zutreffender Normen und Richtlinien. Nr. Prinzip geregelte Verfahren 1 Schutz gegen Eindringen von Stoffen 1.1 Hydrophobierung 1.3 Beschichtung 1.4 Örtliche Abdeckung von Rissen (Bandagen) 1.5 Füllen von Rissen oder Hohlräumen 2 Regulierung des Wasser‐ haushaltes des Betons 2.1 Hydrophobierung 2.3 Beschichtung 2.6 Füllen von Rissen oder Hohlräumen a 3 Reprofilierung oder Quer‐ schnittsergänzung 3.1 Kleinflächiger Handauftrag 3.2 Betonieren oder Vergießen 3.4 Auswechseln von Bauteilen 4 Verstärkung des Betontragwerks b 4.3 Verstärkung durch geklebte Bewehrung 4.4 Querschnittsergänzung durch Mörtel oder Beton 4.5 Füllen von Rissen c oder Hohlräumen d 5 Erhöhung des physikali‐ schen Widerstandes 5.1 Beschichtung 5.3 Mörtel- oder Betonauftrag 199 7.2 Verfahren bei Betonkorrosion <?page no="204"?> Nr. Prinzip geregelte Verfahren 6 Erhöhung des Chemikalien‐ widerstandes 6.1 Beschichtung 6.3 Mörtel- oder Betonauftrag a gegenüber DIN EN 1504-9 ergänztes Verfahren b auch zur Erhöhung der Tragfähigkeit gegenüber dem Ist-Zustand c in der Regel zur Erhöhung der Bauteilsteifigkeit d beinhaltet Verfahren 4.6 gemäß DIN EN 1504-9 (Druckloses Füllen von Rissen, Hohlräumen oder Fehlstellen) Tabelle 7.2: Prinzipien und zugeordnete geregelte Verfahren bei Betonkorrosion gemäß [1] Verfahren für das Prinzip 1 „Schutz gegen das Eindringen von Stoffen" Um das Instandsetzungsziel zum Prinzip 1 zu realisieren, können entsprechend den Einwirkungen und weiterer Parameter unterschiedliche Verfahren erforderlich sein. Diese haben die Aufgabe, das Bauteil innerhalb der geplanten Nutzungsdauer davor zu schützen, dass Schäden am Beton durch eindringende (Schad-)Stoffe auftreten. In [1] geregelte Verfahren für Prinzip 1 sind: • Aufbringen eines Oberflächenschutzsystems • Behandeln von Rissen und Hohlräumen durch Abdecken • Füllen. Verfahren 1.1 „Hydrophobierung zum Schutz gegen das Eindringen von Stoffen“ Das Ziel dieses Prinzips, das Eindringen von flüssigem Wasser oder darin gelöster Schadstoffe in den Beton des Bauteils zu behindern, wird durch Hydrophobieren mit Stoffen, die OS 1 gemäß Teil 2 der Technischen Regel [1] entsprechen, als schützende Maßnahme erreicht. Der Effekt beruht darauf, dass der hydrophobierende oberflächenaktive Wirkstoff der Hydrophobierungs‐ mittel, z. B. Silane und Siloxane, die inneren Poren- und Kapillaroberflächen der Betonrandzone molekular belegt und diese dadurch wasserabweisend wirken [5]. Da der Transport flüssigen Wassers durch das behinderte kapillare Saugen (temporär) verhindert wird, können gegebenen‐ falls im Wasser gelöste Schadstoffe, wie beispielsweise Chlorid, nicht in den Beton eindringen. Da die Poren nicht verschlossen sind, kann ein Stoffaustausch über den Transportmechanismus der Diffusion jedoch stattfinden. Wasserdampf und Schadgase können daher je nach Konzentra‐ tionsgefälle weiterhin aus dem Bauteil hinausbzw. in das Bauteil hineindiffundieren. Bei diesem Verfahren wird lediglich der Transport ins Bauteil hinein betrachtet und genutzt. Hinweise zu den verwendeten Stoffen sind in Kapitel 5 zu finden. Da die Poren des Betons durch den Austrocknungseffekt nicht mit Wasser gefüllt sind, kann das für die Carbonatisierung benötigte Kohlenstoffdioxid (CO 2 ) ungehindert in den Beton eindiffun‐ dieren. Die Carbonatisierungsgeschwindigkeit kann daher an hydrophobierten Betonbauteilen zunehmen. Das Verfahren darf gemäß [1] bis zu einer Rissbreite bis 0,1 mm angewendet werden. Hinweise für Anwendung von Hydrophobierungen werden in Tabelle 12 im Teil 1 des Regelwerks [1] gegeben. Verfahren 1.3 „Beschichtung zum Schutz gegen das Eindringen von Stoffen“ Falls entsprechende Einwirkungen auf den Beton von Stahlbetonbauteilen vorliegen, die diesen schädigen, werden bei diesem Verfahren Beschichtungssysteme eingesetzt, um den Wasserhaus‐ 200 7 Instandsetzungsverfahren <?page no="205"?> LANGJÄHRIG BEWÄHRTE QUALITÄT Wir bieten Ihnen ein umfassendes Portfolio an leistungsfähigen Produkten zum Schutz von Beton in folgenden Einsatzgebieten: Hoch- und Verwaltungsbau Parkbauten Tunnelbauwerke Brückenbauwerke Trink- und Abwasseranlagen Erfahren Sie mehr unter www.sika.de/ betoninstandsetzung oder kontaktieren Sie uns unter flooring_refurbishment@de.sika.com +49 711 8009 2211 SCHUTZ UND INSTANDSETZUNG VON BETON <?page no="207"?> halt über die Betonoberflächen zu regulieren. Die geregelten Oberflächenschutzsysteme (OS) sind in [1], Teil 2, Tabelle 5 aufgeführt: OS 2 (OS B), OS 4 (OS C), OS 5a (OS DII), OS 5b (OS DI), OS 8, OS 11a (OS Fa), OS 11b (OS Fb). Die Anforderungen an die Oberflächenschutzsysteme werden in [1], Anhang A in den Tabellen A.4 bis A.9 genannt. Falls der Korrosionsschutz der Bewehrung beabsichtigt ist, sind Beschichtungen zum Schutz gegen das Eindringen von Kohlenstoffdioxid und Chlorid in Verfahren 7.7 geregelt. Hinweise für Anwendung von Oberflächenschutzsystemen werden in Tabelle 12 im Teil 1 des Regelwerks [1] gegeben. Verfahren 1.4 „Lokale Abdeckung von Rissen (Bandagen) zum Schutz gegen das Eindringen von Stoffen“ Liegen einzelne, vergleichsweise breite Risse in Betonbauteilen oder Bereiche mit hoher Wahr‐ scheinlichkeit für das Auftreten von Rissen vor, kann der Beton bei diesem Verfahren mit Rissbandagen lokal dauerhaft vor dem Eindringen schädlicher Substanzen geschützt werden. Typische Einsatzgebiete für dieses Verfahren sind bewegliche Trennrissen, Arbeitsfugen oder Zonen mit hoher Risswahrscheinlichkeit, z. B. Bereiche über Auflagern, Wandanschlüsse und andere Bereiche mit hoher Risswahrscheinlichkeit. Verfahren 1.5 „Füllen von Rissen oder Hohlräumen zum Schutz gegen das Eindringen von Stoffen“ Mit diesem Verfahren regelt [1], wie Risse oder Hohlräume mit Rissfüllstoffen gefüllt werden. Unterschieden werden zwei Varianten: • unter Druck durch Injektion (Verfahren 1.5a) und • drucklos durch Vergießen (Verfahren 1.5b). Um das Ziel des Prinzips zu erreichen, muss durch dieses Verfahren sichergestellt werden, dass betonangreifende Stoffe oder Wasser auch bei zu erwartenden Rissbreitenänderungen höchstens in einem unschädlichen Umfang eindringen oder das Bauteil durchdringen können. Das Verfahren ist entsprechend den Füllzielen • Begrenzen der Rissbreite durch Füllen und • Abdichten zu planen. Der Feuchtezustand der Risse ist entscheidend für die Auswahl der Füllart und der Rissfüllstoffe. Eine Übersicht dazu gibt Tabelle 13 in Teil 1 der Technischen Regel [1]. Um die Bauteilsteifigkeit eines gerissenen Bauteils wieder herzustellen, ist nach Verfahren 4.5 anzuwenden. Für die Planung mit dem Instandsetzungsziel „Abdichten von Rissen“ sind Anforderungen nach weiteren Regelwerken zu berücksichtigen, z. B. nach der DAfStb-Richtlinie Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton (WU-Richtlinie) [6]. Verfahren für das Prinzip 2 „Regulierung des Wasserhaushaltes des Betons“ Um Schäden am Beton in Verbindung mit Wasser, z. B. infolge Frost oder Alkali-Kieselsäure-Re‐ aktion (AKR), zu verhindern, kann die Regulierung des Wasserhaushaltes für eine festgelegte Nutzungsdauer notwendig sein. Das Schutz- und Instandsetzungsziel kann durch das Aufbringen 201 7.2 Verfahren bei Betonkorrosion <?page no="208"?> eines Oberflächenschutzsystems oder die Behandlung von Rissen und Hohlräumen durch Füllen erreicht werden. Verfahren 2.1 „Hydrophobierung zur Regulierung des Wasserhaushaltes des Betons“ Bei diesem Verfahren werden die Hydrophobierungsmittel (Oberflächenschutzsysteme OS 1 gemäß [1], Teil 2) verwendet, um den Zutritt von Wasser über die Betonoberfläche zu regulieren, siehe auch Abschnitt 6.2.2. Das Verfahren kann bis zu einer Rissbreite von 0,1 mm angewendet werden, sollte jedoch ausschließlich auf ungerissenen Bauteilen eingesetzt werden. Einzelheiten zur Applikation, zur Wirksamkeit, Leistungsfähigkeit und Dauerhaftigkeit von Hydrophobierungen werden in einem separaten Abschnitt erläutert. Verfahren 2.3 „Beschichtung zur Regulierung des Wasserhaushaltes des Betons“ Durch Beschichtungssysteme gemäß Teil 2 (siehe [1], Tabelle 5) wird bei diesem Verfahren die Wasseraufnahme über die Betonoberflächen reduziert und dadurch der Wasserhaushalt des Betons reguliert. Dazu werden bestimmte Anforderungen an die Beschichtungssysteme gestellt. Die Auswahl des Oberflächenschutzsystems hängt von mehreren Randbedingungen, wie Feuchtezustand des Bauteils, Porenmenge und -größe, Vorliegen von Rissen, AKR-Schädigung u. a. ab. Verfahren 2.6 „Füllen von Rissen oder Hohlräumen zur Regulierung des Wasserhaushaltes von Beton“ Dieses Verfahren kann in den Fällen angewendet werden, bei denen der Wasserhaushalt aus‐ schließlich im Rissbereich reguliert wird, um örtliche Schäden durch Betonkorrosion, z. B. infolge Frosteinwirkung, zu vermeiden. Dazu werden in Risse oder Hohlräume Rissfüllstoffen unter Druck injiziert. Durch die Rissfüllung muss sichergestellt werden, dass anschließend kein schädlicher Feuchteeintrag über den Riss möglich ist. Verfahren für das Prinzip 3 „Reprofilierung oder Querschnittsergänzung“ Um die Dauerhaftigkeit der Bauteile für die Dauer der geplante Restnutzung sicherbzw. wiederherzustellen, können die Verfahren 3.1 bis 3.3 vorgesehen werden. Bezüglich des Verbundes des Betonersatzes (Mörtel oder Beton) zum Untergrund werden zwei Varianten unterschieden: Verbund über • Adhäsion (Verfahren 3.1 bis 3.3) oder • Verankerung und Bewehrung (Verfahren 3.2 und 3.3). Verwendet werden werkmäßig hergestellte Produkte mit unbekannter Zusammensetzung mit Anforderungen nach den Tabellen C.2 bis C.4 in [1], Teil 2, wie • RM (PCC I/ II) Kunststoffmodifizierter Mörtel, • RC (PCC I/ II) Kunststoffmodifizierter Beton, • SRM (SPCC) Spritzbarer kunststoffmodifizierter Mörtel, • SRC (SPCC) Spritzbarer kunststoffmodifizierter Beton, • PRM (PC I/ II) Polymermörtel, • PRC (PC (I/ II)) Polymerbeton und Produkte mit bekannter Zusammensetzung, wie 202 7 Instandsetzungsverfahren <?page no="209"?> • Beton nach DIN EN 206 [7] und DIN 1045-2 [8] (ggf. als Trockenbeton) • Vergussbeton/ -mörtel nach Vergussbetonrichtlinie des DAfStb und gemäß DAfStb-RL SIB, Berichtigung 3 • Spritzmörtel nach DIN EN 14487 [9] und DIN 18551 [10] und • Spritzbeton nach DIN EN 14487 [9] und DIN 18551 [10]. Verfahren 3.1 „Kleinflächiger Handauftrag zur Reprofilierung oder Querschnittsergän‐ zung“ Um kleinflächige Bereiche instand zu setzen, wird bei diesem Verfahren zementgebundener Betonersatz mit unbekannter Zusammensetzung, d. h. werkmäßig hergestellte Produkte, (siehe [1], Tabelle 5) per Hand in dünnen Schichten auf die instand zu setzenden Bauteile aufgebracht. Bei horizontalen Flächen (Draufsichten) darf der Auftrag per Hand großflächig erfolgen. Der Verbund ist über Adhäsion ohne zusätzliche Verankerung und Bewehrung sicherzustellen. Der Verbund zum Untergrund muss allein durch Adhäsion sichergestellt werden. Verfahren 3.2 „Betonieren oder Vergießen zur Reprofilierung oder Querschnittsergänzung“ Unterschieden werden folgende Varianten: a. Sicherstellung des Verbundes ausschließlich über Adhäsion, b. Sicherstellung des Verbundes über Verankerung und Bewehrung und c. Füllen von Hohlräumen mit Vergussmörtel oder Vergussbeton. Diese werden nachfolgend kurz beschrieben. a. Verbund ausschließlich über Adhäsion Zementgebundener Betonersatz wird durch Betonieren flächig in dünnen Schichten ohne zusätz‐ liche Verankerung und Bewehrung aufbzw. eingebracht. Der Verbund zum Untergrund ist ausschließlich durch Adhäsion sicherzustellen. Hinweis: Polymermörtel (PRM) und Polymerbetone (PRC) sind lediglich für Flächen bis zu 1 m² vorgesehen. b. Verbund über Verankerung und Bewehrung Mit zementgebundenem Betonersatz (RC - Kunststoffmodifizierter Beton) werden Betonbautei‐ len großflächig reprofiliert bzw. ergänzt. Um den Verbund sicherzustellen, ist dieser zu bewehren und über Verankerungselemente mit dem Betonuntergrund zu verbinden. Hierdurch wirkt der Betonersatz als Vorsatzschale. Da die Vorsatzschale als Bestandteil des Gesamttragwerks für alle maßgebenden Einwirkungen gilt, ist diese zu bemessen. Erforderlich sind Nachweise für die Verankerung, die Bemessung der Bewehrung in der Schale und bei Erfordernis der Nachweis der Schubkraftübertragung in der Arbeitsfuge zwischen Betonersatz und Betonuntergrund sowie der Nachweis der Rissbreitenbe‐ grenzung. c. Füllen von Hohlräumen mit Vergussmörtel oder Vergussbeton Größere Hohlräume werden mittels Vergussmörtel oder Vergussbeton durch Gravitation oder im Niederdruckverfahren (Injektionsdruck unter 1,0 MPa) gefüllt. Der Vergussmörtel/ -beton muss die Anforderungen nach der Vergussbeton-Richtlinie des DAfStb [11] und Berichtigung 3 zu [4] erfüllen. 203 7.2 Verfahren bei Betonkorrosion <?page no="210"?> Verfahren 3.3 „Spritzauftrag zur Reprofilierung oder Querschnittsergänzung“ Folgende nachfolgend erläuterte Varianten werden unterschieden a. Sicherstellung des Verbundes ausschließlich über Adhäsion b. Sicherstellung des Verbundes über Verankerung und Bewehrung c. Verbund ausschließlich über Adhäsion Zementgebundener Betonersatz wird im Spritzverfahren an Unterseiten sowie an vertikalen oder nahezu vertikalen Flächen auf die instand zu setzenden Bauteile in großflächig dünnen Schichten aufgebracht. Der Verbund zum Untergrund ist ausschließlich durch Adhäsion und ohne zusätzliche Verankerung und Bewehrung sicherzustellen. b. Verbund über Verankerung und Bewehrung Wie bei Variante a wird zementgebundener Betonersatz im Spritzverfahren als Vorsatzschale zur großflächigen Reprofilierung bzw. Querschnittsergänzung von Bauteilen aufgebracht. Dieser ist mit Stahleinlagen bewehrt und wird über Verankerungselemente mit dem Betonuntergrund verbunden, um den Verbund sicherzustellen. Erforderlich sind ebenfalls Nachweise wie bei Variante b des Verfahrens 3.2. Verfahren 3.4 „Auswechseln von Bauteilen zur Reprofilierung oder Querschnittsergän‐ zung“ Das instand zu setzende Bauteil wird vollständig rückgebaut und auf Basis der zutreffenden Regelwerke für Stahlbetonbauwerke erneut erstellt. Verfahren für das Prinzip 4 „Verstärkung des Betontragwerks“ Die nachfolgend beschriebenen Verfahren 4.3, 4.4 und 4.5 werden zugrunde gelegt, wenn die Tragfähigkeit eines Bauteils erhöht werden soll. Dabei werden unterschiedliche technische Lösungen umgesetzt: • Aufbringen einer zusätzlichen bewehrten Betonschicht, • Anbringen einer geklebten Bewehrung oder • Querschnittsergänzung durch Betonersatz. Beim Verfahren 4.5 werden Risse kraftschlüssig gefüllt. Hierdurch wird in der Regel lediglich die Steifigkeit des Bauteils gegenüber dem Ist-Zustand erhöht. Verfahren 4.1 „Zufügen und Auswechseln von eingebetteten Bewehrungsstäben zur Ver‐ stärkung des Betontragwerks“ Um Bauteile zu verstärken, werden zusätzliche Bewehrungsstähle in zementgebundenen Betoner‐ satz eingebettet. Die Dauerhaftigkeit der statisch mitwirkenden Bewehrung für die geplante Rest‐ nutzungsdauer wird hierbei berücksichtigt. Der Verbund zum Untergrund über Verankerung und Bewehrung oder Adhäsion ist nach DIN EN 1992-1-1 [12] in Verbindung mit DIN EN 1992-1-1/ NA [13], bei Spritzbeton nach DIN 18551 [10] nachzuweisen. Verfahren 4.3 „Verstärkung durch geklebte Bewehrung“ Bei der Planung und Ausführung dieses Verfahrens, bei dem Betonbauteile mit geklebter Beweh‐ rung verstärkt werden, ist die DAfStb-Richtlinie „Verstärken von Betonbauteilen mit geklebter Bewehrung“ [14] und [15] zu beachten. 204 7 Instandsetzungsverfahren <?page no="211"?> Verfahren 4.4 „Querschnittsergänzung durch Betonersatz (Mörtel oder Beton) zur Verstär‐ kung des Betontragwerks“ Zusätzlicher zementgebundener Betonersatz wird zur statischen Mitwirkung eingebaut, um Bauteile zu verstärken, wobei Dauerhaftigkeit für die geplante Restnutzungsdauer berücksichtigt wird. Der Verbund zum Untergrund über Verankerung und Bewehrung oder Adhäsion ist analog dem Verfahren 4.1 nachzuweisen. Verfahren 4.5 „Füllen von Rissen oder Hohlräumen zur Verstärkung des Betontragwerks“ Unterschieden werden folgende Varianten: • Verfahren 4.5a „Kraftschlüssiges Füllen von Rissen oder Hohlräumen durch Injektion“ und • Verfahren 4.5b „Druckloses Füllen durch Vergießen von vorbereiteten Rissen oder Hohlräu‐ men“. Verfahren 4.5a „Kraftschlüssiges Füllen von Rissen oder Hohlräumen durch Injektion“ Die Bauteilsteifigkeit eines gerissenen Betontragwerks wird durch kraftschlüssiges Verbinden der Rissflanken erhöht, indem Risse oder Hohlräume durch Injektion von geeigneten Rissfüllstoffen, bestehend aus reaktiven Polymerbindemitteln oder hydraulisch härtenden Bindemitteln, gefüllt werden. Durch Füllen von Hohlräumen wird insbesondere die Tragfähigkeit unter Druckbean‐ spruchung erhöht. Die Anforderungen nach [1], Teil 2, Anhang B für das Injektionssystem sind zu erfüllen. Wenn Rissursachen wiederkehrend sind, besteht die Gefahr, dass die Zugfestigkeit des Betons in der Umgebung kraftschlüssig injizierter Risse überschritten wird und erneut Risse entstehen. In diesem Fall darf das Verfahren nicht angewendet werden. Das gilt ebenfalls, wenn nicht sichergestellt werden kann, dass die Rissflanken frei von haftungsmindernden Stoffen sind. Verfahren 4.5b „Druckloses Füllen durch Vergießen von vorbereiteten Rissen oder Hohl‐ räumen“ Risse und Hohlräume werden durch Vergießen mit Rissfüllstoffen gefüllt. Die Aufnahme des Rissfüllstoffs erfolgt durch Gravitation oder kapillares Saugen. Durch die kraftschlüssige Verbindung der Rissflanken wird in der Regel die Bauteilsteifigkeit des gerissenen Betontragwerks erhöht. Die Tragfähigkeit wird durch Füllen von Hohlräumen zusätzlich erhöht. Das Verfahren kann nur dann ausgeführt werden, wenn ausreichend breite Risse vorliegen und diese nicht mit Wasser gefüllt sind. Verfahren für das Prinzip 5 „Erhöhung des physikalischen Widerstandes“ Um Bauteile vor Betonkorrosion (Betonabtrag), z. B. durch Verschleiß bei Begehen oder Befahren, Anprall von Fahrzeugen, zu schützen bzw. diese bei entsprechenden Schäden instand zu setzen, werden dies entweder mit geeigneten Beschichtungen oder mit Schutzschichten aus Mörtel oder Beton, die als Verschleißsschicht dienen, versehen. Verfahren 5.1 „Beschichtung zur Erhöhung des physikalischen Widerstandes“ Um den Widerstand gegen Abtrag von Beton, z. B. durch Anprall oder Abrieb infolge Befahrung zu erhöhen, werden Bauteile mit Beschichtungssysteme mit hohem Abriebwiderstand gemäß [1], Teil 2 beschichtet. Planungsgrundsätze gelten analog zu Verfahren 1.3. 205 7.2 Verfahren bei Betonkorrosion <?page no="212"?> Verfahren 5.3 „Mörtel- oder Betonauftrag zur Erhöhung des physikalischen Widerstandes“ Um den Widerstand gegen mechanischen Angriff zu erhöhen, wird Betonersatz in einer oder mehreren Schichten aufgetragen. Je nach den jeweils vorliegenden Randbedingungen sind hierfür die Verfahren 3.1, 3.2 oder 3.3 anwendbar. Verfahren für das Prinzip 6 „Erhöhung des Widerstands gegen chemischen Angriff“ Durch Aufbringen geeigneter Beschichtungen bzw. Mörtel- oder Betone kann der Widerstand des Betons gegen chemischen Angriff gesteigert werden. Die entsprechenden Verfahren werden nachfolgend beschrieben. Verfahren 6.1 „Beschichtung zur Erhöhung des Widerstands gegen chemischen Angriff“ Dieses Verfahren wird in der Regel bei einem chemischen Angriff ab Einwirkung XA3 eingesetzt. Durch geeignete auf die Oberfläche applizierte Oberflächenschutzsysteme, z. B. OS 4, OS 5a und OS 5b, OS 8, OS 11a und OS 11b sowie OS 14, kann der Widerstand gegen Betonkorrosion infolge chemischen Angriffs nach DIN EN 206 [7] erhöht werden. Projektbezogen können je nach Art und Grad des chemischen Angriffs besondere Anforde‐ rungen an das Oberflächenschutzsystem gestellt werden. Die entsprechende Eignung bzw. Beständigkeit ist dann durch zusätzlich zu vereinbarende Prüfungen oder durch entsprechende Nachweise des Herstellers nachzuweisen. Verfahren 6.3 „Mörtel- oder Betonauftrag zur Erhöhung des Widerstands gegen chemi‐ schen Angriff“ Flächig oder in Schichten aufgetragener Betonersatz gemäß den Verfahren 3.2 oder Verfahren 3.3 wird eingesetzt, um den Widerstand gegen Angriff durch Chemikalien zu erhöhen. Für die Expositionsklassen XA1 und XA liegt ein ausreichender Widerstand vor, sofern die in DIN EN 206 [7] in Verbindung mit DIN 1045-2 [8] festgelegten Anforderungen nachweislich eingehalten werden. Alternativ kann durch ein spezifisches Prüfverfahren ein ausreichender Widerstand gegen chemischen Angriff nachgewiesen werden (vgl. DIN 19573 [16]). 7.3 Verfahren bei Bewehrungskorrosion 7.3.1 Historische Verfahren (Grundsatzlösungen) Im Abschnitt 6.3.1 werden die in der Instandsetzungsrichtlinie des DAfStb [4] vier Prinzipien des Korrosionsschutzes der Bewehrung erläutert. Für diese Instandsetzungsprinzipien werden Grundsatzlösungen zum Instandsetzen (Verfahren) zugeordnet und entsprechend der Ursache der Korrosion (Carbonatisieren des Betons und Einwirken von Chloriden) unterschiedlich geregelt. Die Grundsatzlösungen zu den Instandsetzungsprinzipien werden ebenfalls mit Buchstaben (R, W, C und K) sowie bei R auch mit Zahlen (1 und 2) bezeichnet. Die Grundsatzlösungen für chloridinduzierte Korrosion werden mit R-Cl, W-Cl und C-Cl benannt. Die Zuordnung dieser geregelten Lösungen zu den Abschnitten in der DAfStb Instandsetzungs-Richtlinie [4] sind Bild 7.1 zu entnehmen. 206 7 Instandsetzungsverfahren <?page no="213"?> Bild 7.1: Systematik der Instandsetzungsprinzipien und Grundsatzlösungen sowie die entsprechenden Abschnitte im Teil 1 der RL SIB [4] Grundsatzlösungen für das Prinzip R Unterschieden werden die Grundsatzlösungen nach der Ursache für die Korrosion der Bewehrung. • Im Falle der Bewehrungskorrosion durch Depassivieren der Stahloberfläche infolge des Carbonatisierens des Betons werden in [4] zwei Grundsatzlösungen unterschieden: - Grundsatzlösung R1: Realkalisierung durch flächigen Auftrag von alkalischem Beton bzw. Mörtel und - Grundsatzlösung R2: Örtliche Ausbesserung mit alkalischem Beton bzw. Mörtel. Bei der Grundsatzlösung R1 muss lediglich infolge Korrosion der Bewehrung gerisser bzw. gelockerter Beton abgetragen werden. Auf die auszubessernden Bereiche und die gesamte Betonoberfläche werden zementgebundener Beton oder Mörtel aufgebracht. Der Beton bzw. Mörtel wird abhängig von der Carbonatisierungstiefe entweder direkt auf die ursprüngliche, vorbereitete Betonoberfläche oder auf großflächig abgetragene Bereiche aufgebracht. Durch die alkalischen Betone bzw. Mörtel soll die Passivschicht der Bewehrung weiterhin erhalten bzw. wieder hergestellt (Repassivierung) werden. Die Grundsatzlösung R2 stellt eine örtliche Ausbesserung mit alkalischem Beton bzw. Mörtel dar und wird angewendet, wenn in örtlich eng begrenzten Bereichen Korrosion aufgetreten ist, z. B. bei lokal begrenzt großen Karbonatisierungstiefen bzw. geringen Betondeckungen. Um den Karbonatisierungswiderstand zu erhöhen, wird meist die gesamte Betonoberfläche mit einem Oberflächenschutzsystem beschichtet. Die im Vergleich zum Beton bzw. Mörtel geringere Dauerhaftigkeit der Beschichtung ist im Instandhaltungsplan zu berücksichtigen. • Wenn die Bewehrungskorrosion durch Depassivieren der Stahloberfläche infolge des Eindrin‐ gens von Chloriden in den Beton vorliegt, werden in [4] ebenfalls zwei Grundsatzlösungen unterschieden: - Grundsatzlösung R1-Cl: Realkalisierung durch flächigen Auftrag von alkalischem Beton bzw. Mörtel und - Grundsatzlösung R2-Cl: Örtliche Ausbesserung mit alkalischem Beton bzw. Mörtel. Bei chloridinduzierter Korrosion können depassivierte oder korrodierende Stahloberflächen nicht durch Auftragen alkalischer Mörtel oder Betone repassiviert werden. Aus diesem 207 7.3 Verfahren bei Bewehrungskorrosion <?page no="214"?> Grunde muss die Grundsatzlösung R1 für diesen Fall angepasst werden. Hierbei ist der für den jeweiligen Einzelfall vom Sachkundigen Planer festgelegte kritische, korrosionsauslösende Chloridgehalt unabhängig von Korrosionserscheinungen an den Stahleinlagen maßgeben‐ den. Beton mit einer über den kritischen Chloridgehalt hinausgehenden Chloridkonzentra‐ tion muss bis zur Bewehrung bzw. um einen Sicherheitszuschlag darüber hinaus abgetragen werden. Grundsatzlösungen für das Prinzip W Das Prinzip W wird beim Fall der Depassivierung des Stahls infolge carbonatisierten Betons mit der Grundsatzlösung W umgesetzt, indem geeignete Beschichtungen auf die Betonoberfläche aufgetragen werden. Diese haben die Funktion, die Wasseraufnahme weitgehend zu verhindern. Wichtig für den Erfolg der Maßnahme ist, dass Wasseraufnahme von anderen Quellen (z. B. aufsteigende Bodenfeuchte, Wasserdampfdiffusion aus Innenräumen) ausgeschlossen ist. Für den Fall der chloridinduzierten Korrosion kann die Grundsatzlösung W-Cl analog zur Grund‐ satzlösung W nur mit einem vergleichsweise hohen Aufwand vor Umsetzung der Maßnahmen gewählt werden, indem an Probeflächen der Erfolg der Maßnahme durch den Sachkundigen Planer anhand von Messungen nachzuweisen ist. Grundsatzlösungen für das Prinzip C Bei dieser Grundsatzlösung wird der freigelegte und vorbereitete Bewehrungsstahl mit einer geeigneten Beschichtung vor weiterer Korrosion geschützt. Insbesondere wird diese Grundsatzlösung für die Bewehrung in all jenen Bereichen, die während der vorgesehenen Restnutzungsdauer depassiviert werden können, gewählt, um den Stahl dauerhaft vor Korrosion zu schützen, wenn • bei Prinzip R durch Instandsetzungsmörtel bzw. -beton keine dauerhafte Repassivierung sicherzustellen ist oder • bei der Grundsatzlösung R2 nach dem Instandsetzen die Betondeckung kleiner als 10 mm ist oder • das Prinzip W nicht gegeben oder anwendbar ist. In der Regel wird die Betonoberfläche zusätzlich mit einem Oberflächenschutzsystem beschichtet, um das weitere Carbonatisieren der Betons zu behindern. Darauf kann dann verzichtet werden, ausschließlich wenn der Beton an der zu beschichtenden Bewehrung so weit abgetragen werden kann, dass im nicht instand gesetzten Bereich während der Restnutzungsdauer eine Depassivie‐ rung des Stahls auszuschließen ist, kann das Beschichten des Betons entfallen. Grundsatzlösungen für das Prinzip K Autobahnbrücken, Parkhäuser und andere meist chloridbelastete Bauwerke und Konstruktionen aus Stahlbeton werden durch kathodischen Korrosionsschutz (KKS) meist mittels Fremdstroma‐ noden geschützt. Häufig wird als Anode ein Gitter aus beschichtetem Titan auf die zu schützende Oberfläche montiert und mit geeignetem Einbettmörtel bzw. -beton umhüllt. Über Gleichrichter wird Strom in die Bewehrung eingeleitet und durch die Polarisierung der Bewehrungsstahl zur Kathode. Wesentlich für die Wirksamkeit der Maßnahme ist die Leitfähigkeit des als Elektrolyt fungierenden Betons und die Dauerhaftigkeit der Anoden. 208 7 Instandsetzungsverfahren <?page no="215"?> 7.3.2 Aktuelle Verfahren Um Bewehrung vorbeugend vor Korrosion und daraus resultierenden Schäden zu schützen sowie bereits ablaufende Korrosionsprozesse aufzuhalten, wurden geeignete Prinzipien definiert und die Umsetzung in Verfahren geregelt. Die nach der Technischen Regel des DIBt geregelten Verfahren sind in [1], Teil 1, Tabelle 6 aufgeführt. Die Verfahren, die in der Regel jeweils ggf. modifiziert für die Ursachen der Korrosion als Folge des Carbonatisierens des Betons und des Eindringens von Chloriden in den Beton umsetzbar sind, werden nachfolgend kurz vorgestellt. Nr. Prinzip geregelte Verfahren 7 Erhalt oder Wiederherstel‐ lung der Passivität 7.1 Erhöhung bzw. Teilersatz der Betondeckung mit zusätzlichem Mörtel oder Beton 7.2 Ersatz von chloridhaltigem oder carbonatisiertem Beton 7.4 Realkalisierung von carbonatisiertem Beton durch Diffusion 7.6 Füllen von Rissen oder Hohlräumen a 7.7 Beschichtung a 7.8 Lokale Abdeckung von Rissen (Bandagen) a 8 Erhöhung des elektrischen Widerstandes 8.1 Hydrophobierung 8.3 Beschichtung 10 Kathodischer Schutz 10.1 Anlegen eines elektrischen Potenzials a gegenüber DIN EN 1504-9 ergänztes Verfahren Tabelle 7.3: Prinzipien und zugeordnete geregelte Verfahren, um Bewehrung vor Korrosion zu schützen korrodierte Bewehrung instand zu setzen ( [1]) Verfahren für das Prinzip 7 „Erhalt oder Wiederherstellung der Passivität“ Das Prinzip wurde im Kapitel 6 beschrieben. Verfahren 7.1 „Erhöhung bzw. Teilersatz der Betondeckung mit zusätzlichem Mörtel oder Beton zum Erhalt oder der Wiederherstellung der Passivität“ Falls die Bewehrung noch eine vor Korrosion schützende Passivität aufweist, kann dieses Verfahren angewendet werden, um diese bis zum Ablauf der Restnutzungsdauer zu erhalten. Dabei wird zementgebundener Betonersatz mit bekannter oder unbekannter Zusammenset‐ zung aufgetragen. Der Mörtelauftrag erfolgt nach den Verfahren zum Prinzip 3: • Verfahren 3.1 kleinflächig per Hand oder • Verfahren 3.2 großflächig durch Betonieren oder • Verfahren 3.3 im Spritzverfahren. Nachzuweisen ist, dass die Carbonatisierungstiefe den Bewehrungsstahl nach Ablauf der Rest‐ nutzungsdauer nicht erreicht hat, wobei die Dicke der nicht carbonatisierten Altbetonschicht berücksichtigt werden darf. 209 7.3 Verfahren bei Bewehrungskorrosion <?page no="216"?> 29 durch Umverteilung des im Altbeton bereits vorhandenen Chlorids unter dem Einfluss des nach Ausführung der Instandsetzung eindringenden Chlorids Bei Chlorideinwirkung kann das Verfahren nur angewendet werden, wenn sichergestellt ist, dass über den Zeitraum der Restnutzungsdauer keine Depassivierung der Bewehrung 29 erfolgen kann. Der Nachweis kann gemäß [1], Teil 1, Bild 5 geführt werden. Für Betonersatz mit bekannter und unbekannter Zusammensetzung werden in [1], Teil 1 vereinfachte Nachweisverfahren für den Fall der Korrosion infolge Carbonatisierung des Betons gegeben. Verfahren 7.2 „Ersatz von chloridhaltigem oder carbonatisiertem Beton zum Erhalt oder der Wiederherstellung der Passivität“ Nach diesem Verfahren können Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen geplant werden, wenn a. die Bewehrung infolge carbonatisierten Betons örtlich oder vollflächig depassiviert ist oder b. vorhandene Chloridgehalt den von Sachkundigen Planer festgelegten kritischen, korrosi‐ onsauslösenden Chloridgehalt örtlich oder vollflächig überschreitet. Im Gegensatz zum Verfahren 7.1 wird bei diesem Verfahren zunächst chloridhaltiger oder carbo‐ natisierter Altbeton abgetragen und anschließend zementgebundener Betonersatz mit bekannter oder unbekannter Zusammensetzung gemäß • Verfahren 3.1 kleinflächig per Hand oder • Verfahren 3.2 großflächig durch Betonieren oder • Verfahren 3.3 im Spritzverfahren aufgetragen. Dadurch soll die Passivität der Bewehrung wiederhergestellt und über die Restnut‐ zungsdauer erhalten werden. Einzelheiten zur Auswahl der Produkte und System, der Vorbereitung des Betons und der Bewehrung sowie der Bemessung von Schichtdicken und zur Ausführung regelt [1]. Verfahren 7.4 „Realkalisierung von carbonatisiertem Beton durch Diffusion zum Erhalt oder der Wiederherstellung der Passivität“ Wenn die Bewehrung als Folge des Carbonatisierens örtlich oder vollflächig depassiviert wurde oder die Carbonatisierungsfront die Bewehrungsstähle fast erreicht hat und kein Chlorid in den Beton eingedrungen ist, kann dieses Verfahren angewendet werden. Dabei wird zementge‐ bundener Betonersatz mit bekannter oder unbekannter Zusammensetzung großflächig durch Betonieren, im Spritzverfahren oder ggf. per Hand (siehe Tabelle 6) aufgetragen. Durch Diffusion der Hydroxidionen in den carbonatisierten Altbeton aus • dem aufgebrachten Betonersatz und • dem nicht carbonatisierten Altbeton soll erreicht werden, dass im carbonatisierten Bereich der pH-Wert erhöht (Realkalisierung) und die Bewehrung repassiviert wird. Aus diesem Grund sind ausschließlich zementöse Werkstoffe und nicht PRM und PRC für dass Verfahren geeignet. Verfahren 7.6: „Füllen von Rissen oder Hohlräumen zum Erhalt oder der Wiederherstel‐ lung der Passivität“ Um die Passivschicht von Bewehrungsstählen im Beton lokal an Rissen oder in Hohlstellen zu erhalten, können bei Einwirkung gemäß den Expositionsklassen XC und XD/ XS zementgebun‐ 210 7 Instandsetzungsverfahren <?page no="217"?> 30 Siehe auch Unterschied zum Tränken im entsprechenden Abschnitt. dene, alkalische oder reaktive polymere Rissfüllstoffe bei diesem Verfahren eingesetzt werden. Sofern die Passivität wiederherzustellen ist, können - sofern keine Chloride einwirken, also bei Expositionsklassen XC - ausschließlich zementgebundene Füllstoffe verwendet werden. Falls Rissbreitenänderungen bei Chlorideinwirkung auftreten können, ist das Verfahren nicht zulässig. Das Ziel der Anwendung ist „Schließen (Begrenzen der Rissbreite durch Füllen)“, das in den Anwendungszielen „kraftschlüssiges Verbinden“ und „dehnbares Verbinden“ von Rissflanken enthalten ist. Unterschieden werden die Verfahren nach der Art des Füllens: • Verfahren 7.6a: Rissfüllstoffe werden unter Druck durch Injektion oder • Verfahren 7.6b: drucklos durch Vergießen in Risse oder Hohlräume gefüllt. Verfahren 7.6a: Füllen von Rissen oder Hohlräumen durch Injektion Die Rissfüllstoffe werden mit Hilfe eines Injektionsgerätes unter geregeltem Druck über Einfüll‐ stutzen (Packer) mit oder ohne Verdämmung injiziert. Verfahren 7.6b: Druckloses Füllen durch Vergießen mit Rissfüllstoffen Risse und Hohlräume werden durch Vergießen 30 über Gravitation oder kapillares Saugen gefüllt. Verfahren 7.7: „Beschichtung zum Erhalt oder der Wiederherstellung der Passivität“ Um die Passivität der Bewehrungsoberfläche zu erhalten, werden Beschichtungssysteme gemäß [1], Teil 2 auf die Betonoberfläche aufgebracht, um das Eindringen von Kohlenstoffdioxid und Chlorid zu verhindern. Als grundsätzlich geeignet gelten die Oberflächenschutzsysteme OS 2, OS 4, OS 5a und OS 5b, OS 8, OS 11 sowie OS 14. Verfahren 7.8: „Lokale Abdeckung von Rissen (Bandagen) zum Erhalt oder der Wiederher‐ stellung der Passivität“ Um Bauteile mit beweglichen Rissen, Arbeitsfugen oder Zonen mit hoher Risswahrscheinlichkeit, z. B. über Auflagern, vor dem Eindringen schädlicher Substanzen zu schützen, werden lokale, streifenförmige Rissbandagen angelegt. Ziel ist, die Passivität zu erhalten. Geeignet sind die Oberflächenschutzsysteme OS 11 und OS 14. Verfahren für das Prinzip 8 „Erhöhung des elektrischen Widerstandes“ In DIBt TR IH werden 2 Verfahren berücksichtigt, um das Prinzip des Korrosionsschutzes der Bewehrung durch Erhöhen des elektrischen Widerstandes des Betons umzusetzen. Wie im Kapitel 6 beschrieben, beruht das Prinzip darauf, dass der Zutritt von flüssigem Wasser und der Transport durch Kapillarität ins Innere des Bauteils vermieden wird. Zudem soll der Beton durch Wasserdampftransport nachträglich austrocknen. Damit das Ziel des Prinzips erreicht wird, darf kein Eintrag von Wasser in den Beton über andere Wege (Undichtigkeiten, rückwärtige oder seitliche Durchfeuchtung) oder Kondensat von innen, aufsteigende Feuchte etc.) erfolgen. Der Transport des Wassers in den Beton eines Bauteils hinein erfolgt über Kapillarität und beim Austritt über Diffusion. Die Geschwindigkeiten für den Wassertransport der beiden Mechanismen sind erheblich unterschiedlich. Daher ist bei der Auswahl dieses Prinzips zu berücksichtigen, 211 7.3 Verfahren bei Bewehrungskorrosion <?page no="218"?> 31 Bei OS 2 ist gemäß [1] die Wirksamkeit von verschiedenen Parametern, wie Menge und Größe von Poren an der Betonoberfläche, abhängig. Das System ist bedingt zum Schutz gegen das Eindringen von Chloriden einsetzbar. dass die Bewehrung während des langsamen Austrocknens des Betons durchaus erheblich weiter korrodieren kann. Insbesondere wenn Chloride im Beton vorliegen, kann aufgrund des hydrophilen Verhaltens der Chloride das Austrocknen im Vergleich zu nicht chloridbelastetem Beton deutlich länger dauern. Das Ziel, den elektrischen Widerstand des Betons so zu erhöhen, dass die Bewehrungskorrosion verhindert wird, kann ggf. nicht erreicht werden. Im Regelwerk [1] werden keine gesicherten Grenzwerte für den elektrischen Widerstand, ab denen die Korrosion der Bewehrung auf vernachlässigbare Korrosionsraten abgesunken ist, angegeben werden. Nachfolgend werden die dem Prinzip zugeordneten Verfahren genannt. Verfahren 8.1 „Hydrophobierung zur Erhöhung des elektrischen Widerstandes“ Durch Auftragen nicht filmbildendender Hydrophobierungssysteme wird erreicht, dass die ka‐ pillare Wasseraufnahme der Betonoberfläche verringert wird. Die oberflächenaktiven Substanzen (z. B. Silane oder Siloxane), die nach [1] als Oberflächenschutzsysteme OS 1 bezeichnet werden, müssen die in Teil 2 der Technischen Regel, Tabelle A.3 genannten Anforderungen erfüllen. Da die Aufnahme von Wasser über Kapillarität erheblich reduziert wird, stellt sich im Bauteil allmählig eine Ausgleichsfeuchte zum langzeitigen Mittelwert der Feuchte der Umgebung infolge des Austrocknens durch Diffusion ein. Das Verfahren darf bei carbonatisiertem Beton, nicht jedoch bei Bauteilen, die den Expositi‐ onsklassen XD und XS zugeordnet werden, angewandt werden. Gemäß [1] ist die Wirksamkeit der Maßnahme durch geeignete und vom sachkundigen Planer (SKP) vorzugebende Verfahren zu überwachen. Hierzu können u. a. Sensoren in das Bauteil eingebaut werden, die den Feuchtehaushalt überwachen. Hydrophobierungen verhindern nicht, dass gasförmige Stoffe, wie Kohlenstoffdioxid (CO 2 ), in die Poren des Betons eindringen. Aufgrund der behinderten kapillaren Wasseraufnahme sind die Poren des Betons weniger mit Wasser gefüllt als ohne Hydrophobierung, sodass nach dem Aufbringen eines Hydrophobierungsmittels die Carbonatisierungsgeschwindigkeit durch den Trocknungseffekt sogar zunehmen kann. Weitere Informationen zur Wirksamkeit, Leistungsfähigkeit und Dauerhaftigkeit von Hydro‐ phobierungen werden im Kapitel 12 gegeben. Verfahren 8.3 „Beschichtung zur Erhöhung des elektrischen Widerstandes“ Um den Wasserhaushalt im Beton zu regulieren, werden bei carbonatisiertem Beton Beschich‐ tungssysteme eingesetzt. Als für dieses Verfahren grundsätzlich geeignet werden in [1] die Oberflächenschutzsysteme OS 2 31 , OS 4, OS 5a und OS 5b, OS 8, OS 11a und OS 11b sowie OS 14 genannt. Zur Verwendung von Eine Kurzbeschreibung der Oberflächenschutzsysteme sowie deren Eigenschaften, den Anwendungsbereichen und den Regelaufbauten nennt Tabelle 12 in Teil der TR IH [1]. Die Oberflächenschutzsysteme müssen die in Teil 2 der Technischen Regel, Tabellen A.4 bis A.9 genannten Anforderungen erfüllen. Die TR IH [1] fordert, dass die Resttragfähigkeit der Bewehrung durch den SKP bewertet wird, wobei gemäß [1] zu berücksichtigen ist, dass diese über einen bestimmten Zeitraum weiter korrodiert, wenn Bauteile nach diesem Verfahren instandgesetzt werden. Eingesetzt werden können 212 7 Instandsetzungsverfahren <?page no="219"?> - diffusionsoffene Beschichtungssysteme mit einer Wasserdampf-Durchlässigkeit entspre‐ chend Klasse I gemäß Teil 2, Anhang A und - diffusionsdichte Beschichtungssysteme mit einer Wasserdampf-Durchlässigkeit entspre‐ chend den Klassen II und III gemäß Teil 2, Anhang A. Eine Grundvoraussetzung, um das Ziel (Erhöhung des elektrischen Widerstandes) zu erreichen, ist bei diffusionsoffenen Beschichtungssystemen, dass das Bauteil unter den vorherrschenden Umgebungsbedingungen austrocknen kann. Für diffusionsdichte Beschichtungssysteme gilt, dass der Beton bereits vor dem Auftragen des Beschichtungssystems so weit ausgetrocknet ist, dass die Bewehrung nicht korrodiert. Wenn im Beton des Bauteils hohe Chloridkonzentrationen (über 1 M.-% bezogen auf den Zementgehalt) vorliegen, ist ausreichendes Austrocknen in der Regel unwahrscheinlich. Daher wird gemäß [1] gefordert, dass bei chloridkontaminiertem Beton besondere Maßnahmen zur Überwachung durch den SKP während der Restnutzungsdauer erfolgen. Hierzu werden z. B. geeignete Sensoren eingebaut, die den Korrosionsfortschritt der Bewehrung registrieren und über weiteres Messequipment anzeigen. Allerdings rät [1], das Verfahren ab einem Chloridgehalt von 1,5 M.-% bezogen auf die Zementmasse an der Bewehrung nicht anzuwenden. Verfahren für das Prinzip 10 „Kathodischer Schutz“ Da der Substanzabtrag des Stahls durch Korrosion ausschließlich an anodischen Bereichen stattfindet, kann Bewehrung vor Korrosion und Masseverlust geschützt werden, indem die Stahloberfläche durch Anlegen einer Gleichstromspannung bzw. Einbau einer Opferanode aus‐ schließlich kathodisch wirkt. Die möglichen Maßnahmen sind im nachfolgend beschriebenen. Der kathodische Korrosionsschutz von Stahl in Beton ist in DIN EN ISO 12696 [17] festgelegt. Verfahren 10.1 „Anlegen eines elektrischen Potenzials“ Durch Polarisieren mit Fremdstrom oder Einbauen galvanischer Anoden wird das elektrische Potential der Bewehrung so weit abgesenkt, dass die Korrosionsgeschwindigkeit der Bewehrung auf einen technisch vernachlässigbaren Wert reduziert wird. Der zu verwendenden Betonersatz muss nach [1] - abweichend von DIN EN ISO 12696 [17] - nach den Vorgaben der Technischen Regel geplant und ausgeführt werden. Dies gilt auch für das Vorbereiten des Untergrundes und für das Reprofilieren der Betonoberfläche. Das in der Regel bei chloridinduzierter Bewehrungskorrosion angewandte Verfahren darf nach [1] auch vorbeugend zum Schutz der Bewehrung ausgeführt werden. Weitere Details zu diesem Verfahren werden in Kapitel 11 genannt. 7.4 Besonderheiten und Hinweise Die Autoren der TR Instandhaltung [1] weisen darauf hin, dass mindestens ein Verfahren durchgängig zu realisieren ist, da ansonsten die Gefahr besteht, dass das Instandsetzungsziel nicht erreicht wird. Falls, wie bereits im Abschnitt 6.4 erwähnt, aufgrund mehrerer zu erreichender Instandset‐ zungsziele auch mehrere Prinzipien festzulegen sind, müssen ebenfalls die entsprechenden geeigneten Verfahren in der Planung berücksichtigt werden. Für nicht in [1] geregelte Verfahren gelten ggf. andere technische Regeln (Normen, Richtlinien und/ oder bauaufsichtliche Nachweise der Verwendung). 213 7.4 Besonderheiten und Hinweise <?page no="220"?> In der DAfStb-Richtlinie „Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton“ [6] wird das Füllziel „Abdichten von riss- und hohlraumbedingten Undichtheiten“ mit Verweis auf die Technische Regel [1] als Maßnahme definiert. Dieses kann den übergeordneten Instandsetzungszielen „Sicherstellung des Korrosionsschutzes der Bewehrung und des Betons“ nicht direkt zugeordnet werden. Daher wird das Verfahren pragmatisch dem Prinzip 1 der TR-Instandhaltung zugeordnet. Wenn bei gerissenen Bauteilen die Rissursache wiederkehrend ist, sind die Risse ‒ sofern erforderlich ‒ mit dehnbaren Rissfüllstoffen zu füllen. Dieses entspricht dem Füllziel „dehnbares Verbinden von Rissflanken“. Dadurch wird trotz Rissfüllung der gerissenen Zustands II beibe‐ halten und die Gefahr entfällt, dass sich nach dem Instandsetzen neue Risse im Beton bilden. Dieses Ziel wird gemäß [1] pragmatisch den Prinzipien 1 und 7 zugeordnet. Durch dieses Füllziel wird daher sowohl der Beton geschützt und instandgesetzt und die Bewehrung vor Korrosion geschützt. Bei chloridbedingter Korrosion der Bewehrung müssen im Vergleich zur Korrosion infolge des Karbonatisierens des Betons einige Besonderheiten beachtet werden, die die Wahl und Durchführung der Instandsetzungsmaßnahmen beeinflussen und Zusatzmaßnahmen erfordern. Wenn Karbonatisieren des Betons und Eindringen von Chloriden gleichzeitig Auslöser für Korrosion der Bewehrung an einem Bauteil sind, sollte für beide Ursachen das gleiche Instand‐ setzungsprinzip gewählt werden. Die möglichen Verfahren zum Erreichen der verschiedenen Füllziele und die Rissfüllstoffe von werden in [1], Tabelle 13 zusammengestellt. Füllstoffspezifische Verwendungsbedingungen werden in Tabelle 14 im Teil 1 des Regelwerks [1] gegeben. 7.5 Auswahl geeigneter Prinzipien und Verfahren Ein Schutz- und Instandhaltungskonzept sollte gemäß [3] nicht allein auf technologischer Basis erstellt werden. Zu beachten sind neben den Anforderungen des Eigentümers bzw. Betreibers an das Bauwerk ebenso wirtschaftliche, funktionelle, umwelttechnische Faktoren und andere Parameter. Die geplante Nutzungsdauer des instandgesetzten Betontragwerks ist ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl von Schutz- und Instandsetzungsverfahren. Mit den Eigentümern bzw. Betreibern sollte der sachkundige Planer abstimmen, ob die geplante Nutzungsdauer des Betontragwerks durch eine ggf. aufwändige, umfassende Maßnahme erreicht werden soll oder durch einfachere Maßnahmen, bei denen ggf. mehrere wiederholte Instandhaltungsmaßnahmen erforderlich sind. Wenn die Ursachen ggf. vorliegender Schäden analysiert und der Mindest-Sollzustand festge‐ legt wurde, ist nachfolgend der wichtigste Teil im Rahmen der Planung einer Instandsetzungs‐ maßnahme, ein geeignetes Instandsetzungsprinzip zu wählen. In vielen Fällen sind verschiedene Prinzipien realisierbar. Nachdem das Instandsetzungsprinzip bzw. die Instandsetzungsprinzipien definiert wurden, sind zugeordnete geeignete Instandsetzungsverfahren, mit denen diese umgesetzt werden, zu wählen. Dabei sind die entsprechenden Anforderungen an die Leistungsmerkmale der Produkte und Systeme bezüglich der projektspezifischen Gegebenheiten zu definieren. Gegebenenfalls sind weitere Informationen bei den Herstellern der Produkte oder Systeme zur Eignung für die jeweiligen Anforderungen einzuholen. Der Zustand des Untergrunds und die Art des Verbundes sind bei der Wahl der Produkte und Systeme zu berücksichtigen. 214 7 Instandsetzungsverfahren <?page no="221"?> Grundsätzlich können mehrere Schutz- oder Instandsetzungsverfahren kombiniert werden. Jedoch muss, wie zuvor dargestellt, gemäß [1] mindestens ein Verfahren vollständig zur Aus‐ führung gelangen, um das Schutzbzw. Instandsetzungsziel zu erreichen. Zu prüfen ist, ob unerwünschte Wirkungen der gewählten Verfahren eintreten können, oder ob möglicherweise Wechselwirkungen zwischen den Verfahren ausgelöst werden. Beispiele für unerwünschte Wirkungen bestimmter Verfahren werden in [3] genannt: • Durch das Auftragen eines Hydrophobierungsmittels (OS 1), um die Betonfeuchte zu verrin‐ gern, kann die Karbonatisierungsgeschwindigkeit erhöht werden. • Das Beschichten der Oberfläche mit einem ungeeigneten Oberflächenschutzsystem kann dazu führen, dass in das Bauteil eindringende Feuchte nicht durch Diffusion abtransportiert wird und unterhalb der Beschichtung ansammelt, wodurch Adhäsionsschäden zwischen Untergrund und Beschichtung entstehen können oder der Frostwiderstand des Betons verringert wird. • Vorspannung mit nachträglichem Verbund kann zu Zugspannungen im Tragwerk führen. • Elektrochemische Verfahren können - zum Verspröden empfindlicher Spannstähle, - Verstärken von Alkali-Zuschlag-Reaktionen, - zu einem verminderten Frostwiderstand infolge erhöhten Feuchtegehaltes und - bei Bauwerken unter Wasser zur Stahlkorrosion benachbarter Tragwerke oder Schiffe • führen. Auch ist im Zuge des Auswählens von Produkten und Systemen zu prüfen, ob dies untereinander und mit dem bestehenden Betontragwerk verträglich sind. 7.6 Literatur [1] Deutsches Institut für Bautechnik (Herausgeber), Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung), Teil 1 und Teil 2, Berlin: DIBt, 2020-05. [2] Deutsches Institut für Bautechnik (Herausgeber), Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestim‐ mungen (MVV TB), veröffentlicht: Amtliche Mitteilungen 2021/ 1 (Ausgabe: 19. Januar 2021), Berlin: DIBt, 2020/ 1. [3] DIN EN 1504-9: 2008-11 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontrag‐ werken - Teil 9: Allgemeine Grundsätze für die Anwendung von Produkten und Systeme. [4] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (Herausgeber), DAfStb-Richtlinie - Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs-Richtlinie), Beuth-Verlag, 2001-10. [5] H. Klopfer, Wassertransport durch Diffusion in Feststoffen: Insbesondere in Baustoffen, Kunststoffen, Beschichtungen, Bauverlag, 1974. [6] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (Herausgeber), DAfStb-Richtlinie Wasserundurchlässige Bauwerke (WU-Richtlinie), Beuth-Verlag, 2017-12. [7] DIN EN 206: 2021-06 Beton - Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität. [8] DIN 1045-2: 2008-08 Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton - Teil 2: Beton - Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität - Anwendungsregeln zu DIN EN 206-1. [9] DIN EN 14487-1: 2006-03 Spritzbeton - Teil 1: Begriffe, Festlegungen und Konformität. [10] DIN 18551: 2014-08 Spritzbeton - Nationale Anwendungsregeln zur Reihe DIN EN 14487 und Regeln für die Bemessung von Spritzbetonkonstruktionen. 215 7.6 Literatur <?page no="222"?> [11] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb), DAfStb-Richtlinie - Herstellung und Verwendung von zementgebundenem Vergussbeton und Vergussmörtel, 2019-07. [12] DIN EN 1992-1-1: 2011-01 (Eurocode 2): Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbe‐ tontragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau. [13] DIN EN 1992-1-1/ NA/ A1: 2015-12 Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau; Änderung A1. [14] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, DAfStb-Richtlinie Verstärken von Betonbauteilen mit geklebter Bewehrung - Teil 1: Bemessung und Konstruktion, Teil 2: Produkte und Systeme für das Verstärken, Teil 3: Ausführung, Teil 4: Ergänzende Regelungen, 2012-03. [15] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb), Betonbauteile, mit geklebter Bewehrung; Berichtigung 1, 2020-10. [16] DIN 19573: 2016-03 Mörtel für Neubau und Sanierung von Entwässerungssystemen außerhalb. [17] DIN EN ISO 12696: 2017-05 Kathodischer Korrosionsschutz von Stahl in Beton. [18] DAfStb Alkali-Richtlinie: 2013-10 Vorbeugende Maßnahmen gegen schädigende Alkalireaktion im Beton (Alkali-Richtlinie). [19] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb), „Empfehlung für die Schadensdiagnose und Instandset‐ zung von Betonbauwerken, die infolge einer Alkali-Kieselsäure-Reaktion geschädigt sind,“ beton, Bd. 10, p. ab 488, 2015. [20] DIN EN 206: 2021-06 Beton - Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität. Normen (DIN, EN, ISO, DIN EN, DIN EN ISO u. a. Regelwerke) können vom Beuth-Verlag (www.beuth.de) erworben werden. Regelwerke des DIBt können auf der Internetseite des DIBt (www.dibt.de) heruntergeladen werden. 216 7 Instandsetzungsverfahren <?page no="223"?> 8 Betonersatz M. Schröder 8.1 Einleitung Die Entwicklung von Systemen zur Instandsetzung schadhaften Betons, anfangs zunächst auf Basis von Reaktionsharz, anschließend auf Basis kunststoffmodifizierter Zementmörtel, führte dazu, dass nunmehr eine Vielzahl von Herstellern Produkte für dieses Arbeitsgebiet zur Verfügung stellen. Gleichzeitig wurden von verschiedenen Gremien Regelwerke erarbeitet, die zwischen‐ zeitlich schon wiederholt überarbeitet wurden und somit in weitgehend dem Stand der Technik entsprechender Form für Planung und Ausführung zur Verfügung stehen. Die inzwischen gesammelten Erfahrungen ermöglichen es, Instandsetzungen mit geprüften Systemen erfolgreich und sicher vorzunehmen. Je nach Voraussetzungen, Anforderungen und Zielsetzung sind hierzu planerische und anwendungstechnische Regeln und Besonderheiten zu beachten. Die Zunahme von Schäden an Stahlbetonbauteilen seit Beginn der achtziger Jahre haben das lmage des Baustoffes Beton, der als nahezu unverwüstlich galt, stark angekratzt. Hierzu haben die Medien mit Horrormeldungen über die Gefahren und demzufolge einstürzender Bauwerke keinen unerheblichen Beitrag geleistet. In Anbetracht dessen, dass kein Baustoff unvergänglich dauerhaft ist, hat der Beton den Verlust seiner Wertschätzung in der Öffentlichkeit in dieser Form nicht verdient. Beton ist aus dem Baugeschehen nicht mehr wegzudenken und erfüllt die ihm zugedachten Aufgaben meistens in hervorragender Weise und auf lange Zeit, wenn er den Regeln der Technik entsprechend hergestellt und seinen Eigenschaften entsprechend eingesetzt wird. Es kommt eben „tatsächlich darauf an, was man daraus macht", wie die Zementindustrie zu Recht bemerkt. <?page no="224"?> Bild 8.1: Korrosionsschäden an Balkonen eines Wohngebäudes Soweit dennoch Mängel und Schäden auftreten, kann diesen mit verschiedenen Verfahren zur Instandsetzung und zum Schutz gegen weitere Zerstörung begegnet werden. Für den Ersatz von Beton schadhafter Bauteile kommen verschiedene zement- und kunststoffgebundene Mörtel/ Betone in Betracht. Grundsätzlich stehen folgende Stoffe zur Verfügung: • Beton nach DIN EN 206-1und DIN 1045-2 • Spritzmörtel/ -beton nach DIN EN 14487 und DIN 18551 • Vergussbeton nach EN 206-1 und DAfStb-Vergussbetonrichtliniel • kunststoffmodifizierter Zement-Mörtel/ -Beton RM/ RC • spritzbarer kunststoffmodifizierter Zement-Mörtel/ -Beton SRM/ SRC • Reaktionsharzmörtel/ -beton PRM/ PRC 218 8 Betonersatz <?page no="225"?> Bild 8.2: Schadstellen an einer Stütze bei ≤ 8 mm Betondeckung (Testmagnet) Obwohl in der Instandsetzungs-Richtlinie auch unmodifizierter Zementmörtel für den Betoner‐ satz aufgeführt wird, spielt er für die Planung in der Betoninstandhaltung keine Rolle, so dass er unter „Betonersatz“ hier nicht weiter behandelt wird. Die in erster Linie gemäß 1. maßgebenden Regelwerke werden in den folgenden Ausführungen abgekürzt mit Instandsetzungs-Richtlinie, TR, ZTV-ING, ZTV-W, DIN 18349 und DIN EN 1504 bezeichnet. 8.2 Einwirkungen aus Umgebung und Untergrund In der Instandsetzungs-Richtline Teil 2 (Bauprodukte und Anwendung) werden die Mörtel/ Betone in 3 Beanspruchbarkeitsklassen unterteilt. Die diesbezügliche Tabelle wurde durch die TR zwar nicht eliminiert, aber die TR enthält jetzt Tabellen, nach denen die Anforderungen an die Beto‐ nersatz-Produkte neu geregelt sind, so dass die Tabelle 4.1 im Teil 2 der Instandsetzungs-Richtlinie, der die Beanspruchbarkeitsklassen zu entnehmen sind, demnach keine Bedeutung mehr hat. Die Auswahl geeigneter Betonersatzsysteme erfolgt nun außer über die Einwirkungen aus der Um‐ gebung (Expositionsklassen) und dem Untergrund auch in Abhängigkeit von den Altbetonklassen in der Ebene der Verbundzone zum Betonersatz (siehe auch unter 4.1.4.3.5). 219 8.2 Einwirkungen aus Umgebung und Untergrund <?page no="226"?> Bild 8.3: Einrichtung zur Prüfung eines RM über Kopf unter dynamischer Belastung Die Besonderheiten für den Brücken- und sonstigen Ingenieurbau werden im Kapitel 15 sowie für Verkehrs-Wasserbauwerke im Kapitel 16 behandelt. Soweit der Einsatz von Betonersatzsystemen über Verankerung und Bewehrung zur Sicher‐ stellung des Verbunds bei Verstärkungen und Ertüchtigungen erfolgt, wird auf die Kapitel 10.1 und 10,2 hingewiesen Für die Planung von Betonersatzmaßnahmen sind die unter 6. genannten Instandsetzungs‐ prinzipien und unter 7. beschriebenen Instandsetzungsverfahren maßgebend. In den folgenden Kapiteln 8.1, 8.2 und 8.3 werden in erster Linie die Systeme und deren Anwendung behandelt. 220 8 Betonersatz <?page no="227"?> 8.3 Betonersatz mit kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton Ein Betonersatzsystem mit kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton besteht aus mehreren Produkten, die im Verbund eine erfolgreiche Instandsetzung geschädigter Bauteile ermöglichen. Zu einem derartigen System gehören neben dem Mörtel/ Beton die Haftbrücke, Korrosions‐ schutz-Beschichtung und Egalisierungs-Spachtel/ -Schlämme. Bild 8.4: Schemazeichnung Reprofilierung einer Bauteilkante im Aufbau von oben nach unten 8.3.1 Kunststoffmodifizierter-Zement-Mörtel RM/ -Beton RC 8.3.1.1 Allgemeines Durch die Modifizierung von Zement-Mörtel/ -Beton mit Kunststoffen sollen in erster Linie die Verarbeitbarkeit, das Wasserrückhaltevermögen, der Risswiderstand und die Haftfestigkeit am Untergrund verbessert werden. Kunststoffmodifizierte Zementmörtel haben sich für die Reprofi‐ lierung einzelner Schadstellen und kunststoffmodifizierter Zement-Beton vor allem großflächig zum Gradientenausgleich z. B. auf Brücken und Parkflächen als besonders vorteilhaft erwiesen. Diese früher als PCC I und PCC II bezeichneten Stoffe werden jetzt unter den Bezeichnungen RM (Repair Mortar) und RC (Repair Concrete) geführt. Von RM wird bis zu einem Größtkorn von 4 mm Ø, von RC bei Korngrößen darüber gesprochen. Für den Einsatz im Rahmen der ZTV-ING sind die Technischen Lieferbedingungen und Technischen Prüfvorschriften der BASt zu beachten. 221 8.3 Betonersatz mit kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton <?page no="228"?> Für alle Bereiche der Betoninstandhaltung sind vorrangig die Vorgaben der TR, ergänzt durch die Instandsetzungs-Richtlinie, maßgebend. 8.3.1.2 Eigenschaften Zur Modifizierung der Zement-Mörtel/ -Betone haben sich vor allem Kunststoffdispersionen auf Acrylharzbasis (AY) bewährt. Es kommen aber auch Mischpolymerisate zum Einsatz. Der Kunst‐ stoff ist meist als redispergierbares Pulver (sprühgetrocknete Dispersion) im Werktrockenmörtel enthalten. In diesen Fällen wird an der Baustelle nur noch Zugabewasser zugegeben. Es können aber auch Dispersionen als Zugabeflüssigkeiten in entsprechend abgepackten und auf die Mör‐ telmenge abgestimmten Gebinden, entweder als mit Wasser zu verdünnendes Konzentrat oder gebrauchsfertig, zum Einsatz kommen. Technisch handelt es sich hierbei um die hochwertigere Lösung. In Sonderfällen werden Epoxidharz-Emulsionen zur Modifizierung angewendet. In diesen Fällen wird die Erhärtung des Mörtels sowohl durch die chemischen Reaktionen des Zementleims als auch des Reaktionsharzes bestimmt. Diese auch als ECC bezeichneten Mörtel werden weniger zum Betonersatz, sondern in erster Linie großflächig in dünnen Lagen für Fußböden eingesetzt, so dass sie in diesem Zusammenhang nicht näher behandelt werden. Durch die Kunststoff-Modifizierung werden gegenüber unmodifizierten Zement-Mörteln/ -Be‐ tonen im Wesentlichen folgende Einflüsse bewirkt: • bessere Verarbeitbarkeit • Verringerung des Wasseranspruchs und somit günstigerer w/ z-Wert • geringere Schwindneigung • geringere Rissneigung • bessere Haftung auf mineralischen Oberflächen • besseres Wasserrückhaltevermögen und somit weniger nachbehandlungsbedürftig • höhere Zugfestigkeit • reduzierter Elastizitätsmodul. Bild 8.5: Mikroskopische Aufnahme eines Querschnitts durch einen faserverstärkten RM 222 8 Betonersatz <?page no="229"?> Durch Zusatzstoffe wie Mikrohohlkugeln, Fasern oder Silikastaub können Eigenschaften wie Frost-Tausalz-Widerstand, Standfestigkeit und Kohäsion, Risswiderstand, Dichtigkeit und Carbo‐ natisierungswiderstand weiterhin verbessert werden. Die Konsistenz des Frisch-Mörtels/ -Betons richtet sich nach der vorgesehenen Anwendung (begeh- und befahrbar, vertikal, über Kopf). Dabei darf die vom Hersteller angegebene höchst‐ zulässige Menge an Zugabewasser bzw. Zugabeflüssigkeit nicht überschritten werden. Für die meisten RM/ RC liegt die Konsistenz im steifplastischen Bereich. Da Dispersionen verflüssigend wirken, ist der Wasseranteil und somit der Wasserzementwert reduziert. Bild 8.6: RM-Frischmörtel auf der Traufel zum Reprofilieren an senkrechter Fläche Die Druckfestigkeit wird von der Zementart und vom Wasserzementwert bestimmt. Durch die Kunststoffdispersion kann Druckfestigkeit etwas reduziert sein. Die Zugfestigkeit wird hierdurch erhöht. RM/ RC haben durch den niedrigen Wasserzementwert und ein demzufolge dichtes Gefüge hohen Frost- und Tausalzwiderstand. Gemäß TR werden entsprechend den Altbetonklassen die Festigkeitsklassen RM-A5, RC-A5, RM-A4 und RC-A4 unterschieden. Die Lieferung zementgebundener, kunststoffmodifizierter Mörtel/ Betone erfolgt fertig abge‐ packt als Werktrockenmörtel, ggf. zuzüglich Dispersion als Konzentrat oder gebrauchsfertig verdünnt. Die Anwendung bei Leichtbeton und dementsprechende Anforderungen an die Systeme werden in den einschlägigen Regelwerken nicht behandelt. 8.3.2 Haftbrücke Zur Verbesserung der Haftung zwischen Reparatur-Mörtel/ -Beton und Altbeton werden in der Regel Haftbrücken eingesetzt. Hierzu dient Zementmörtel oder dickflüssiger Zementleim, modifiziert mit Kunststoffdispersion. In Sonderfällen kommen auch Epoxidharz-Haftbrücken, z. B. bei besonders hoher dynamischer Belastung, zum Einsatz. Allerdings wird hierdurch die Wasserdampf-Diffusion behindert, was vom sachkundigen Planer zu berücksichtigen ist. Nach ZTV-W sind jedoch nur mineralische Haftbrücken zulässig. 223 8.3 Betonersatz mit kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton <?page no="230"?> Die Haftzugfestigkeit soll im Allgemeinen wie bei allen lnstandsetzungs-Mörteln/ -Betonen im Mittel ≥ 1,5 N/ mm² betragen, wobei Einzelwerte von 1,0 N/ mm² nicht unterschritten werden dürfen. Es sind die Oberflächenzugfestigkeiten des vorhandenen Altbetons zu berücksichtigen. 8.3.3 Korrosionsschutz Hierfür werden, nachdem früher auch Produkte auf Basis Epoxidharz angeboten wurden, heute fast nur noch Produkte auf Basis Zement, kunststoff- und weitergehend modifiziert, als sogenannte mineralische Korrosionsschutz-Beschichtungen verwendet. Für eine Beschichtung der Bewehrung sind folgende Prüfmerkmale maßgebend: • Korrosionsschutz • Alkalibeständigkeit • Applikationsfreundlichkeit • Verbund zwischen Beschichtung und Stahl • Verbund zwischen Beschichtung und Mörtel Zusammenfassend lassen sich für zementgebundene gegenüber epoxidharzgebundenen Korrosi‐ onsschutz-Beschichtungen folgende anwendungstechnischen Vorteile anführen: • Mindesttemperatur + 5 °C gegenüber + 8 °C • Verarbeitbarkeit weitgehend temperaturunabhängig • keine maximalen Wartezeiten zwischen den einzelnen Arbeitsgängen • Bewehrungsstahl darf feucht sein • Taupunktkontrolle nicht erforderlich • kein Abstreuen der letzten Schicht erforderlich • Überstreichen des angrenzenden Betons weniger kritisch • Reinigen der Werkzeuge mit Wasser anstatt Lösemittel • physiologisch weniger bedenklich Außerdem ist der Preis dieser Produkte günstiger. Bei manchen Herstellern ist das Produkt für Korrosionsschutz und Haftbrücke identisch. Selbstverständlich sind die Arbeitsgänge dennoch getrennt durchzuführen. EP-Korrosionsschutz-Beschichtungen sind in der TR nicht mehr vorgesehen. 8.3.4 Egalisierung Zum Egalisieren vorbereiteter und reprofilierter Betonflächen sowie gleichzeitigem Schließen von Lunkern und Poren werden vor allem kunststoffmodifizierte Zement-Feinmörtel als Spachtel, in den Regelwerken als Feinspachtel bezeichnet, eingesetzt, aber auch kunststoffmodifizierte Zement-Schlämmen für unebene Oberflächen. Weiterhin kommt RM in dickeren Schichten oder SRM zum Einsatz (siehe unter 8.2) auch zur Erhöhung der Betondeckung. 224 8 Betonersatz <?page no="231"?> Altbetone dauerhaft instandsetzen Betonersatz für Hochbau, Verkehrsbau, Wasser- und Abwasserbau Weitere Informationen unter www.stocretec.de AURUM KCII, Köln, DE StoCretec-Kompetenz: StoConcrete Repair Prime TS 136 Illerbrücke, Illerbeuren, DE StoCretec-Kompetenz: StoConcrete Repair Light LM Albtalsperre, Laufenburg, DE StoCretec-Kompetenz: StoConcrete Repair Prime TS 126 Bewusst bauen. Foto: cityfoto24/ Adobe Stock anz.altbeton.73x225.9.22.indd 1 anz.altbeton.73x225.9.22.indd 1 29.09.22 12: 00 29.09.22 12: 00 <?page no="233"?> 8.3.5 Ausführung 8.3.5.1 Allgemeines Gemäß TR, Instandsetzungs-Richtlinie und ZTV-ING muss bei Arbeiten mit Kunststoffen oder kunststoffmodifizierten Baustoffen vom Auftragnehmer ein Kolonnenführer eingesetzt werden, der eine vom Auftraggeber anerkannte Prüfung über den Umgang mit diesen Baustoffen erfolgreich abgelegt hat und während der Arbeiten ständig auf der Baustelle anwesend ist. Dieser Befähigungsnachweis kann mit dem SIVV-Schein des Ausbildungsbeirats „Schutz und Instandsetzung im Betonbau“ des Deutschen Beton- und Bautechnik-Vereins erbracht werden. Durch Instandsetzungs-Maßnahmen darf die Funktionsfähigkeit von Bewegungsfugen nicht beeinträchtigt werden. Bild 8.7: Betonschaden durch Wärmedehnung nach falscher Reparatur im Fugenbereich 225 8.3 Betonersatz mit kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton <?page no="234"?> Für die Anwendung und Erhärtung von Produkten auf Zementbasis ist der Temperaturbereich 5 °C - 30 °C. 8.3.5.2 Vorbereitende Arbeiten Der Untergrund ist gemäß 4.2 „Vorbereiten und Prüfen der Oberflächen“ vorzubereiten. Die bei Entfernung von geschädigtem Beton und bei Freilegung von Bewehrung entstehenden Ausbruchufer sollen ca. 45 ° zur Bauteiloberfläche verlaufen. Gemäß ZTV-ING und ZTV-W sind die instand zu setzenden Bereiche mit gerade verlaufenden Kanten zu begrenzen. Das fest eingebettete Gesteinskorn für RM/ RC ist kuppenartig freizulegen. Die Oberflächenzugfestigkeit soll im Mittel ≥ 1,5 N/ mm² und der kleinste Einzelwert ≥ 1,0 N/ mm² betragen. Darüber hinaus sind die Anforderungen gemäß den vorliegenden Altbetonklassen zu berücksichtigen. Die Mindest-Rautiefenklasse ist RT 1,0. Für Egalisierungs-Spachtel oder -Schlämme müssen Lunker und Poren geöffnet sein. Das Ge‐ steinskorn ≥ 4 mm Ø sollte sichtbar sein. Die Oberflächenzugfestigkeit soll im Mittel ≥ 1,3 N/ mm² und der kleinste Einzelwert ≥ 0,8 N/ mm² betragen. Die Mindest-Rautiefenklasse ist RT 0,3. Korrodierte Bewehrung muss in der Regel 1 - 2 cm über den korrodierten Bereich hinaus freigelegt werden (ansonsten siehe Kapitel 6. und 7.). Es muss sichergestellt werden, dass die Bewehrung, falls eine Korrosionsschutzbeschichtung erfolgen soll, fehlstellenfrei beschichtet und vollkommen mit Mörtel umhüllt werden kann. Der Oberflächen-Vorbereitungsgrad soll ≥ Sa 2 oder Ma 2, für eine Korrosionsschutz-Beschichtung ≥ Sa 2 ½ sein. Vor dem Auftragen zementgebundener Haftbrücken, Spachtelmassen oder Schlämmen ist der Untergrund gründlich vorzunässen, erstmals am Tag vor Ausführung der Arbeiten. Zum Zeitpunkt der Applikation soll der Beton mattfeucht sein. Eine nasse Oberfläche kann die Haftung beeinträchtigen und muss ggf., besonders bei Bodenflächen, abgeblasen werden, um in angemessener Zeit mattfeucht trocknen zu können. Bild 8.8: gestrahlte mattfeuchte Betonoberfläche zum Aufbringen einer Spachtelung Für eine Haftbrücke auf Reaktionsharz-Basis muss der Untergrund trocken sein. 226 8 Betonersatz <?page no="235"?> 8.3.5.3 Korrosionsschutz Falls keine ausreichende Mörteldeckung zum Korrosionschutz der Bewehrung erzielbar ist oder zusätzlich zu einem später aufzubringenden Oberflächenschutz eine Beschichtung der freigeleg‐ ten Stahloberfläche erfolgen soll, z. B., weil die vorbereitete Ausbruchstelle nicht kurzfristig geschlossen werden kann, ist die Bewehrung, nachdem sie mindestens mit dem Oberflächen-Vor‐ bereitungsgrad Sa 2 ½ vorbereitet wurde, mit einer Korrosionsschutz-Beschichtung zu versehen. Diese ist in mindestens 2 Lagen aufzubringen, wobei die Gesamtschichtdicke EP-basiert ≥ 300 µm, mineralisch ≥ 1000 µm betragen soll. Bei Beschichtungen auf Epoxidharzbasis wird der letzte Anstrich in der Regel mit Quarzsand abgestreut. Beschichtungen auf Zementbasis, auch als mineralische Korrosionsschutz-Beschich‐ tungen bezeichnet, müssen hingegen nicht abgestreut werden und können auch auf noch feuchten Stahl, z. B. nach dem Feuchtstrahlen, aufgebracht werden. Bild 8.9: Beschichten der Bewehrung mit mineralischem Korrosionsschutz 227 8.3 Betonersatz mit kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton <?page no="236"?> 8.3.5.4 Haftbrücke Haftbrücken auf Zement-Basis sind in die vorgenässte matt-feuchte Oberfläche des Altbetons intensiv einzubürsten. Die Konsistenz darf nicht zu dünn, sondern soll leimig sein, damit die Haftbrücke auch schon im frischen Zustand für den Mörtel an senkrechter Fläche und über Kopf als Kleber wirkt und das Herabfallen auch bei dynamischer Belastung verhindert. Reine Kunststoff-Dispersionen dürfen nicht als Haftbrücke verwendet werden, da sie als Trennschicht wirken können. Bild 8.10: Haftbrücke auf Zementbasis auf einer Bodenfläche für Einbau von RC Die in Sonderfällen zum Einsatz kommenden EP-Haftbrücken dürfen selbstverständlich nur auf trockenen Oberflächen ohne Zusatz von Lösemittel eingesetzt werden und werden dick mit ca. 800 g/ m² aufgetragen. 228 8 Betonersatz <?page no="237"?> Bild 8.11: Epoxidharz-Haftbrücke auf einer Brücke für Einbau von RC In jedem Fall sind Mörtel und Beton frisch in frisch in die Haftbrücke einzubauen. Falls die Haftbrücke zwischenzeitlich angetrocknet, bzw. anreagiert sein sollte, ist erneut Haftbrücke aufzutragen. Bereits erhärtete Haftbrücken müssen angestrahlt werden, bevor erneut eine Haftbrücke aufgetragen wird. Bei mehrlagigem Einbau ist für jede Lage wieder Haftbrücke vorzusehen. 229 8.3 Betonersatz mit kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton <?page no="238"?> 8.3.5.5 Reprofilieren Bild 8.12: Instandsetzung eines Schornsteins mit RM. Bei der Auswahl des Reparatur-Mörtels/ -Betons muss die verwendete Korngröße dem Volumen und vor allem der Ausbruchtiefe der Reparaturstelle angepasst sein. Das Größtkorn soll möglichst groß sein, darf jedoch höchstens 1/ 3 der minimalen Schichtdicke und muss mindestens 1/ 15 der maximalen Schichtdicke betragen. Die maximale Schichtdicke beträgt 60 mm, ist jedoch örtlich, z. B. bei tieferen Ausbrüchen, auf 100 mm begrenzt. Für den flächigen Auftrag darf die Mindestschichtdicke von 30 mm nicht unterschritten werden. Ansonsten sind die Maße für das jeweilige Verfahren des zugrunde liegenden Prinzips maßgebend (sieh Kapitel 6. und 7.). 230 8 Betonersatz <?page no="239"?> Bild 8.13: Reprofilierung einer Bauteilkante mit faserverstärktem RM RM/ RC werden mit maschinellen Rührwerkzeugen oder auch Zwangsmischern gemischt. Maß‐ gebend hierfür sind die Angaben zur Ausführung des Herstellers. Folgende Regeln sind hierbei grundsätzlich zu beachten: • ganze Gebinde der Trockenkomponente verwenden • vorlegen von Zugabe-Wasser oder -Flüssigkeit unterhalb der maximalen Menge • Mischdauer einhalten • visuelle Kontrolle durchführen • Reifezeit beachten • Verarbeitungszeit beachten 231 8.3 Betonersatz mit kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton <?page no="240"?> Bild 8.14: Einbau von RM über Kopf Bild 8.15: Mischen von RM mit Doppelwellen-Rührgerät 232 8 Betonersatz <?page no="241"?> Bild 8.16: Mischen von RC mit Zwangsmischer RM wird meist von Hand, erforderlichenfalls lagenweise, frisch in frisch in die unmittelbar zuvor aufgebrachte Haftbrücke eingebaut, soweit in Ausnahmefällen nicht lediglich Vornässen des Un‐ tergrundes vorgesehen ist. Der Mörtel ist gut zu verdichten. Freiliegende Bewehrung ist dicht zu umhüllen. Anschlüsse müssen sorgfältig beigearbeitet werden. Die Konsistenz des Mörtels ist dem Anwendungsfall anzupassen, wobei die höchstzulässige Menge an Zugabewasser/ -flüssigkeit nicht überschritten werden darf. Je nach Geometrie des Ausbruchs und vorhandener Bewehrung kann RM an senkrechter Fläche 3 - 5 cm dick in einer Lage eingebracht und verdichtet werden. Unter sonst gleichen Voraussetzungen kann über Kopf von etwa der halben Dicke pro Lage ausgegangen werden. Die Oberfläche ist abschließend aufzurauen zwecks guter Haftung der nachfolgenden Egalisierung. Bild 8.17: Schemazeichnung infolge ungenügender Standfestigkeit abgesackter RM mit klaffender Öff‐ nung Bild 8.18: Schemazeichnung infolge ungenügender Standfestigkeit abgesackter RM mit Hohlstelle Erforderlichenfalls muss bei größeren Schadstellen Schalung eingesetzt werden. 233 8.3 Betonersatz mit kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton <?page no="242"?> Es wird empfohlen, Tropfkehlen z. B. an Balkonen und an Brückenunterseiten, da diese die Betondeckung verringern, zu schließen und durch Tropfkantenprofile zu ersetzen. 8.3.5.6 Großflächiges Auftragen Großflächig auf waagerechten oder schwach geneigten begeh- oder befahrbaren Flächen und in dickeren Schichten erfolgt der Einbau in der Regel mit maschinellen Abzieh- und Verdichtungs‐ geräten. Bild 8.19: Einbau von RM mit Scheibenglätter Bild 8.20: Einbau von RM mit Flügelglätter 234 8 Betonersatz <?page no="243"?> Bild 8.21: Einbau von RC mit Rüttel-Abziehbohle Für die möglichen Schichtdicken, bezogen auf die Gesteinskörnung von RM/ RC, gilt die Regel, dass die Dicke mindestens das 3-fache und höchstens das 15-fache des Größtkorndurchmessers betragen soll. Grundsätzlich darf die Mindestschichtdicke von 30 mm nicht unterschritten und die Maximalschichtdicke von 60 mm nicht überschritten werden mit Ausnahme lokaler Fehlstellen bis 100 mm Dicke. Luft- und Bauteiltemperatur dürfen 5 °C, bei Verwendung von Epoxidharz-Haftbrücken 8 °C, nicht unterschreiten. Außerdem muss die Untergrund-Temperatur bei Epoxidharz-Haftbrücken mindestens 3 K über der Taupunkt-Temperatur liegen. 8.3.5.7 Egalisieren der Oberfläche Mit kunststoffmodifizierten Zement-Feinmörteln mit Gesteinskörnung ca. 0,1 - 0,5 mm Ø, in den Regelwerken meistens als Feinspachtel bezeichnet, werden Poren und Lunker an geschalten Flächen geschlossen sowie der Untergrund egalisiert, um fehlstellenfreie und gleichmäßig dicke Oberflächen-Schutzsysteme aufbringen zu können. Als Bestandteil von Oberflächen-Schutzsys‐ temen sollen sie regelmäßig im Rahmen von Instandsetzungs-Maßnahmen angewendet werden. 235 8.3 Betonersatz mit kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton <?page no="244"?> Bild 8.22: Spachteln für nachfolgenden Oberflächenschutz Feinspachtel benötigt wegen seiner guten Benetzung durch die weiche Konsistenz in der Regel keine Haftbrücke. Das Aufziehen mit der Traufel oder das Aufsprühen mit Mörtelpumpen erfolgt auf die vorgenässte mattfeuchte Oberfläche des Betons in etwa 1 - 5 mm Dicke. Anschließend wird die Oberfläche zur Beseitigung von Spachtelgraten abgerieben. Wenn Lunker zuvor bei der Vorbereitung nicht ausreichend geöffnet wurden, kann es zu Beulen- und Blasenbildung kommen, besonders bei Sonneneinstrahlung. 236 8 Betonersatz <?page no="245"?> Bild 8.23: Abreiben einer Spachtelung Falls keine ebene Oberfläche gewünscht ist, z. B., um eine vorhandene Brettschalstruktur zu erhalten, können auch hierfür geprüfte Feinmörtel mit der Bürste in Richtung der Schalgrate aufgetragen werden. Mit einer derartigen Schlämme wird zwar der Untergrund nicht geebnet oder geglättet, aber die Poren werden geschlossen und ein einheitlicher sowie gleichmäßig saugender Untergrund in etwa 1-3 mm Dicke für Beschichtungen erzielt. Die Kanten von Graten und Wulsten werden hierdurch etwas gerundet, was der Schichtdicke von Anstrichen zugutekommt, wodurch die sogenannte Kantenflucht gemindert wird. 237 8.3 Betonersatz mit kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton <?page no="246"?> Bild 8.24: Feinmörtel-Schlämme auf Betonoberfläche mit Brettschalstruktur Zum Ausgleich größerer Rautiefen und Unebenheiten kann auch RM mit einem Größtkorn von 2 mm Ø in 6 - 10 mm Dicke unter Verwendung von Haftbrücke aufgetragen werden. Diese Möglichkeit ist in den Regelwerken nicht berücksichtigt. Wirtschaftlicher ist es allerdings bei größeren Flächen, in solchen Fällen Spritzmörtel SRM einzusetzen (siehe unter 8.2). 8.3.5.8 Nachbehandeln Kunststoffdispersionen und ggf. Zusatzmittel erhöhen zwar das Wasserrückhalte-Vermögen von RM/ RC und mindern damit die Gefahr des „Verdurstens“. Dennoch kann auf das Nachbehandeln von Stoffen, die Zement als Bindemittel enthalten, grundsätzlich nicht verzichtet werden. Großflächig und dünnschichtig aufgebrachte Lagen, insbesondere in Form von Feinspachteln oder Schlämmen, müssen besonders sorgfältig nachbehandelt werden. Bild 8.25: Nachbehandlung der Spachtelung an einer Rahmenkonstruktion mit feuchten Jutebahnen 238 8 Betonersatz <?page no="247"?> Bild 8.26: Nachbehandlung von RC auf einer Bodenfläche durch Abdecken mit Folie Gemäß TR beträgt die Nachbehandlungsdauer mindestens 5 Tage, gemäß ZTV-ING 3 Tage, z. B. durch Feuchthalten oder Abdecken mit PE-Folien oder feuchte Jutebahnen. Nachbehandlungs‐ mittel sind nach ZTV-ING nicht unzulässig, ansonsten auch dann nicht, wenn die Oberfläche beschichtet werden soll, es sei denn, dass hierfür eine System-Prüfung vorliegt. Spezielle Grundierungen für später aufzubringende Beschichtungen können zur Nachbehandlung eingesetzt werden (siehe unter 12.1.9). 8.3.5.9 Qualitätssicherung Siehe unter 13.2 „Qualitätssicherung“. 8.3.6 Literatur [1] D. Knöfel: Bautenschutz mineralischer Baustoffe. Bauverlag GmbH, Wiesbaden und Berlin, 1979. [2] D. Knöfel: Angriffe auf Beton. Bautenschutz + Bausanierung 4/ 80. [3] H. Klopfer: Bauphysikalische Aspekte der Betonsanierung. Bautenschutz + Bausanierung 4/ 80. [4] H. Schuhmann: Betonausbesserungen mit hydraulischen und kunststoffgebundenen MörtelnBauten‐ schutz + Bausanierung 4/ 80. [5] G. Rieche: Instandsetzung von Stahlbeton bei Schäden infolge Korrosion der Bewehrung. Deutsche Bauzeitschrift 1982. [6] Wissenschaftlich-Technischer Arbeitskreis für Denkmalpflege und Bauwerksanierung e. V. (WTA). Unterhaltung von Betonbauwerken. Merkblatt 5-1-84 Fassung Sept. 1983. [7] M. Schröder: Instandsetzung von Sichtbeton mit Reaktionsharz- und kunststoffvergüteten Zement-Mör‐ teln. Kunststoffe im Bau 3/ 1984. [8] R.-R. Schulz: Instandsetzungsarbeiten - Kriterien für die Planung und Ausschreibung. Betonwerk + Fertigteiltechnik 8/ 1987. [9] M. Schröder: Glasfaserverstärkte Zementmörtel für Betoninstandsetzung, Erhöhung der Betondeckung und Bauwerksabdichtung. Bauwirtschaft 3/ 1990. [10] WTA-Merkblatt 5-5-90: Qualitätssicherung bei Instandsetzungsmaßnahmen an Betonbauwerken. Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e. V. 1990. [11] M. Schröder: Instandsetzung von tausalz- und korrosionsgeschädigtem Stahlbeton mit PCC nach ZTV-SIB. Straßen- und Tiefbau 7/ 8 1990. 239 8.3 Betonersatz mit kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton <?page no="248"?> [12] M. Schröder: Betoninstandsetzung nach DAfStb-Richtlinie und ZTV-SIB mit Systemen auf Basis kunststoffmodifizierter Zementmörtel. Bauen mit Kunststoffen und neuen Baustoffen BmK, Ausgabe Nr. 5/ 93. [13] M. Schröder: Schutz und Instandsetzung von Beton. Regelwerke Rili SIB, ZTV-SIB und DIN 18 349 im Vergleich. Teil 2 „Betonersatz mit PCC-, PC- und SPCC-Systemen“. Bautenschutz + Bausanierung Nr. 4, Mai 1995. [14] M. Schröder: Schutz und Instandsetzung von Stahlbeton. Teil 2 „Reprofilierung mit kunststoffvergüteten Zementmörteln“. Bautenschutz VBK Nr. 3, Juli 1995 [15] M. Schröder: Betoninstandsetzen: Aktuelle Themen. Mit Beiträgen von: M. Werner, V. Kauw, G. Haroske, W.-P. Ettel, R. Stenner, R. P. Gieler, M. Schmidt, H.-J. Badzong, J. A. Roti, F. Stöckl. WTA-Schriftenreihe Heft 9. Aedificatio Verlag GmbH 1996. [16] M. Schröder: Instandsetzen von Beton. Vergleich der anwendungstechnischen und bauphysikalischen Eigenschaften von kunststoffmodifizierten Zementmörteln (PCC) mit Reaktionsharzmörteln PC). 4. Internationales Kolloquium „Werkstoffwissenschaften und Bauinstandsetzen“ Technische Akademie Esslingen, 17. - 19.12.1996. [17] Hillemeier, Stenner, Flohrer, Polster, Buchenau. Instandsetzung und Erhaltung von Betonbauwerken. Sonderdruck aus dem Betonkalender. Ernst & Sohn 1999. [18] Schriftenreihe der Zement- und Betonindustrie. Stahlbetonoberflächen schützen, erhalten, instandset‐ zen. Verlag Bau+Technik GmbH 2008. [19] Schriftenreihe der Zement- und Betonindustrie. Beton - Herstellung nach Norm. Arbeitshilfe für Ausbildung, Planung und Baupraxis. Verlag Bau+Technik GmbH 18. überarbeitete Auflage 2009. [20] M. Schröder und 7 Mitautoren: Schutz und Instandsetzung von Stahlbeton. Anleitung zur sachkundigen Planung und Ausführung. 7., überarbeitete Auflage 2015 expert verlag. [21] Die im Kapitel 1. aufgeführten Regelwerke. 8.4 Betonersatz mit spritzbarem kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton M. Schröder 8.4.1 Einleitung Während sich Mitte der 60er Jahre die Betoninstandsetzung mit Reaktionsharz-Mörteln entwi‐ ckelte und zu Beginn der 80er Jahre durch kunststoffmodifizierte Zement-Systeme überwiegend abgelöst wurde, kam etwa 1985 der erste spritzbare kunststoffmodifizierte Zement-Spritzmörtel auf den Markt. Seitdem hat sich die Anwendungstechnik weiterentwickelt, Prüfsysteme wurden erarbeitet und SPCC (Sprayable Polymer Cement Concrete) wurde 1990 in die damalige ZTV-SIB aufgenommen. Seitdem ist eine Vielzahl von Betonbauwerken mit Produkten verschiedener Hersteller im Spritzverfahren instandgesetzt und häufig in diesem Zusammenhang eine Erhöhung der Betondeckung für die Bewehrung vorgenommen worden. Mit den neuen Regelwerken wurden die Bezeichnungen SRM (Sprayable Repair Mortar) und SRC (Sprayable Repair Concrete) eingeführt. 240 8 Betonersatz <?page no="249"?> 8.4.2 Spritzbarer kunststoffmodifizierter Zement-Mörtel SRM/ -Beton SRC 8.4.2.1 Allgemeines SRM/ SRC bestehen in der Regel aus dem Spritz-Mörtel/ -Beton und ggf. der Korrosionsschutz-Be‐ schichtung für die Bewehrung. Eine Haftbrücke ist wie bei Spritzbeton nicht erforderlich, da infolge des Rückpralls der groben Gesteinskörnung zwangsläufig auf der Auftragsfläche eine Haftschlämme entsteht. Deshalb ist der Einbau auf Oberseiten nicht zulässig, da hierbei der Rückprall in die aufgebrachte Lage zurückfallen würde. Der Verlust durch den Rückprall ist jedoch in der Zusammensetzung der Mischung berücksichtigt und deshalb erforderlich. Als Betonersatz kann SRM/ SRC in allen Bereichen mit Ausnahme von waagerecht und schwach geneigten Flächen, die von oben angespritzt werden müssten, eingesetzt werden. Besonders prä‐ destiniert ist SRM/ SRC für die Instandsetzung großflächiger Schäden und für den großflächigen Einsatz zur Erhöhung der Betondeckung. Dabei besteht gegenüber Spritzbeton der Vorteil, dass SRM auch in Schichtdicken unterhalb 3 cm eingesetzt werden kann. SRC kommt verhältnismäßig selten zum Einsatz. Bild 8.27: Großflächiger Schaden an der Unterseite einer Fahrbahnplatte 241 8.4 Betonersatz mit spritzbarem kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton <?page no="250"?> SRM/ SRC wird in der Instandsetzungs-Richtlinie sowohl für die Beanspruchbarkeitsklasse M 2 als auch M 3 angeboten (siehe unter 8.1.2). Der Verbund von SRM/ SRC über Verankerung und Bewehrung wird hier nicht behandelt (siehe Kapitel 10.1 und 10.2) 8.4.2.2 Eigenschaften Die von SRM/ SRC entsprechen im Wesentlichen den für RM/ RC unter 8.1.4.1.2 beschriebenen Eigenschaften. SRM und SRC sind allerdings als Varianten für die Altbetonklassen A-2, A-3, A-4 und A-5 vorgesehen. 8.4.2.3 Ausführung 8.4.2.3.1 Vorbereitende Arbeiten Diese entsprechen ebenfalls im Wesentlichen den für RM/ RC unter 8.1.5.2 beschriebenen Maß‐ nahmen. Da keine Haftbrücke aufgebürstet wird, muss zur guten Verklammerung nach der Un‐ tergrundvorbereitung der Betonoberfläche in jedem Fall fest eingebettetes grobes Gesteinskorn kuppenartig freigelegt sein. Die Verwendung fester Strahlmittel zur Erzielung der Feinrauheit auch am Gesteinskorn ist vorteilhaft. Bild 8.28: für den Spritzauftrag vorbereitete Wandfläche Die so vorbereitete Altbetonfläche muss gut vorgenässt werden, erstmals einen Tag vor Aufbrin‐ gen des SRM/ SRC. Hierfür sind Nebeldüsen wegen des geringen Wasserverbrauchs vorteilhaft. Zum Zeitpunkt des Spritzauftrages muss die Haftfläche mattfeucht sein. Freigelegte Bewehrung ist so zu befestigen, dass sie beim Spritzauftrag nicht federt. Beim Aufstellen von Gerüsten ist zu berücksichtigen, dass der Düsenabstand zur Aufprallfläche beim Trocken-Spritzen ca. 80 cm und beim Nass-Spritzen ca. 50 cm beträgt. 242 8 Betonersatz <?page no="251"?> Bild 8.29: Nass-Spritzen von SRM auf zu schmalem Gerüst. Außerdem falsch: von oben nach unten 8.4.2.3.2 Korrosionsschutz Soweit eine Korrosionsschutz-Beschichtung freigelegter und hierfür vorbereiteter Bewehrung vorgesehen ist, muss diese mit im System geprüften Stoffen erfolgen. 8.4.2.3.3 Anwendungstechnik Spritz- und Fördertechnik entsprechen im Wesentlichen der von Spritzbeton. Allerdings wird SRM wesentlich häufiger im Nass-Spritzverfahren verarbeitet. Auch kann SRM hiermit in wesentlichen dünneren Schichten aufgetragen werden, wenngleich die Regelwerke das nicht berücksichtigen. An manchen Bauwerken sind jedoch wegen des Gewichts und aus konstruktiven Gründen nur geringe Schichtdicken möglich. Gemäß TR beträgt die Schichtdicke für SRM 20 - 60 mm, für SRC 30 - 60 mm, örtlich bis zu 100 mm, gemäß ZTV-ING 10 - 50 mm und nach ZTV-W bei flächigem Auftrag 20 - 60 mm. Im Übrigen ist der Größtkorndurchmesser möglichst groß zu wählen, darf 243 8.4 Betonersatz mit spritzbarem kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton <?page no="252"?> aber höchstens 1/ 3 und sollte mindestens 1/ 15 der jeweiligen Spritzlagendicke betragen. Der Spritzauftrag sollte stets von unten nach oben erfolgen, um ein Abrutschen der Spritzlage zu vermeiden. Bild 8.30: SRM ca. 7 mm dick nass aufgespritzt (entspricht nicht den Regelwerken) Beim Trocken-Spritzverfahren wird das Trocken-Gemisch mit Druckluft im Dünnstrom durch den Schlauch oder eine Rohrleitung zur Düse gefördert, an der das Zugabewasser hinzugegeben wird. Bild 8.31: Schmieren des Schlauches zum Nass-Spritzen mit Zementschlämme 244 8 Betonersatz <?page no="253"?> Beim Nass-Spritzverfahren wird das fertige Nass-Gemisch mit einer Pumpe im Dichtstrom zur Düse gefördert. Zuvor ist der Schlauch, damit der Materialstrom gut gleitet, zu schmieren z. B. mit einer Zementschlämme. An der Düse wird Druckluft hinzugegeben, die den Materialstrom aufreißt und das Spritzgut auf die Auftragsfläche schleudert. Nach dem Spritzen ist der Schlauch gründlich zu säubern, indem Schaumgummibällchen hindurchgepumpt werden, um die Schlauch‐ innenwandung von Zementleim zu befreien. Förder- und Spritztechnik Trockengemisch Nassgemisch I I Dünnstromförderung Dichtstromförderung I I an der Düse Wasserzugabe an der Düse Luftzugabe I I Trocken-Spritzverfahren Nass-Spritzverfahren Das Nass-Spritzverfahren kann auch bei Verwendung relativ trockener Mischungen mit Dünn‐ stromförderung erfolgen, was jedoch bei der Betoninstandsetzung nicht praktiziert wird, sondern nur in Sonderfällen, z. B. bei Behälterauskleidungen mit speziellen Mörteln. Bild 8.32: Trocken-Spritzen SRM in einem Eisenbahntunnel Für das Trocken-Spritzverfahren kommen für SRM/ SRC die auch für Spritzbeton üblichen Rotor- oder Taschenrad-Trocken-Spritzmaschinen zum Einsatz. 245 8.4 Betonersatz mit spritzbarem kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton <?page no="254"?> Bild 8.33: Rotor-Trocken-Spritzmaschine Bild 8.34: Taschenrad-Trocken-Spritzmaschine 246 8 Betonersatz <?page no="255"?> Zum Nass-Spritzen werden die aus der Putztechnik bekannten Mischpumpen, häufiger Chargen- oder Durchlauf-Mischer mit nachgeschalteten Schneckenpumpen verwendet. Allerdings sind die in der Putztechnik üblichen Spritzdüsen für das Auftragen von SRM/ SRC nicht geeignet. Hierfür wurden von den Herstellern der Spritz-Mörtel/ -Betone spezielle Düsen entwickelt. Bild 8.35: Chargenmischer mit Schneckenpumpe zum Nass-Spritzen Bild 8.36: Durchlaufmischer mit Schneckenpumpe zum Nass-Spritzen Ein Vergleich der Spritzverfahren ergibt folgende Vorteile für das Trocken-Spritzen: • niedrigerer Wasser-Zement-Wert möglich (höhere Festigkeit, weniger Kapillarporen, gerin‐ geres Schwinden, weniger Risse) • einfachere Handhabung (kein Mischen mit Wassert) • größere Schlauchlängen möglich 247 8.4 Betonersatz mit spritzbarem kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton <?page no="256"?> • leichtere Schläuche • Unterbrechungen problemlos möglich (keine Stopfer) • höhere Verdichtung • größere Schichtdicke möglich • einfache Gerätesäuberung • Vornässen mit Spritzdüse möglich Bild 8.37: Trockenspritzen an einer Staumauer mit SRC Bild 8.38: Bohrkern mit SRC ca. 50 mm dick 248 8 Betonersatz <?page no="257"?> Bild 8.39: Spritzraue Oberfläche von SRM im Trocken-Spritzverfahren Dem stehen folgende Vorteile des Nass-Spritzens gegenüber: • gleichmäßiger Wasser-Zement-Wert • definierter Wasser-Zement-Wert • bessere Redispergierung des Kunststoffpulvers (Vorreifen der Mischung) • weniger Staub • weniger Rückprall • feinkörnige Oberflächentextur • gleichmäßigere spritzraue Oberfläche • dünnere Schichten möglich • Einhüllen freiliegender Bewehrung einfacher • geringere Gerüstbreite Bild 8.40: Nass-Spritzen von SRM auf einer Bobbahn 249 8.4 Betonersatz mit spritzbarem kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton <?page no="258"?> Bild 8.41: Spritzraue Oberfläche von SRM im Nass-Spritzverfahren Bild 8.42: Abreiben der Oberfläche von SRM im zweilagigen Nass-Spritzaufbau Falls eine Bearbeitung der Oberfläche erfolgen soll, z. B. durch Abreiben mit einem Reibebrett, ist mindestens zweischichtig zu arbeiten, um die Haftung am Untergrund nicht zu beeinträchtigen und Gefügestörungen zu vermeiden. Dabei soll die vorhergehende Schicht soweit angezogen haben, dass sie sich nicht mehr verschiebt. Ansonsten könnte die spritzraue Oberfläche selbst‐ verständlich auch durch Feinspachtel eingeebnet und geglättet werden. 250 8 Betonersatz <?page no="259"?> Bild 8.43: Abgeriebene mit SRM instand gesetzte Rahmentragwerke eines Stadions Bild 8.44: spritzrau belassene mit SRM instand gesetzte Stütze und Unterzug eines Parkhauses 251 8.4 Betonersatz mit spritzbarem kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton <?page no="260"?> Die Qualität des Spritzergebnisses wird maßgeblich von der Düsenführung bestimmt. Der Aufprallwinkel des Spritzgutes soll möglichst rechtwinklig zur Auftragsfläche sein, damit ein homogenes Gefüge bei möglichst wenig Rückprall entsteht. Dichte Umhüllung der Bewehrung unter Vermeidung von Spritzschatten muss erreicht werden. Folgende Parameter haben Einfluss auf das Maß des Rückpralls: • Spritzverfahren bei Trocken-Spritzen mehr als bei Nass-Spritzen • Spritzrichtung über Kopf mehr als waagerecht • Spritzwinkel zunehmend bei Abweichung von 90° • Korngröße je grober, desto mehr • Schichtdicke sinkt mit wachsender Schichtdicke Bild 8.45: Diagramm Rückprall tendenziell in Abhängigkeit vom Spritzwinkel (Quelle: Düsenführerhandbuch) 8.4.2.3.4 Nachbehandeln Hierfür gilt im Prinzip das Gleiche wie für RM/ RC unter 8.1.5.8, bei großflächig aufgetragenen Schichten mit ähnlicher Bedeutung wie für Feinmörtel/ Spachtelung/ Schlämme zur ganzflächigen Egalisierung. Deshalb wird in den ZTV-W eine Mindest-Nachbehandlungsdauer von 14 Tagen vorgeschrieben. In der TR sind ≥ 5 Tage, in den ZTV-ING ≥ 3 Tage vorgesehen. Wie für das Vornässen haben sich hierfür Nebeldüsen bewährt. 252 8 Betonersatz <?page no="261"?> Bild 8.46: Nachbehandlung mit einer Nebeldüse 8.4.2.3.5 Qualitätssicherung Hierzu wird auf Kapitel 13.2 „Qualitätssicherung“ verwiesen. Es soll jedoch besonders auf folgendes aufmerksam gemacht werden: Die Haftung zum Untergrund muss bei der Haftzugprüfung im Mittel mindestens 1,5 N/ mm² betragen, wobei Einzelwerte von 1,0 N/ mm² nicht unterschritten werden dürfen. Für die Haft‐ zugfestigkeit ist außerdem die Oberflächenzugfestigkeit der jeweiligen Altbetonklasse zu berück‐ sichtigen. Die fertiggestellten Flächen sind nach ausreichender Erhärtungszeit zur Feststellung von Hohlflächen durch Abklopfen zu überprüfen Sowohl zum Trockenals auch zum Nass-Spritzen dürfen nur komplette Systeme eingesetzt werden, die unter Verwendung aller Komponenten erfolgreich geprüft wurden. Für beide Verfah‐ ren wird eine Schlauchlänge von 40 m eingesetzt. Das bedeutet, dass für das Nass-Spritzverfahren 40 m lange Schläuche eingesetzt werden müssen, während für das Trocken-Spritzverfahren bis zu 40 m Länge verwendet werden darf. Für den Einsatz größerer Schlauchlängen sind zusätzliche Prüfungen durchzuführen. Zwischenlängen sind zulässig. Für die Bauausführung sind Düsenführer einzusetzen, die eine Düsenführerprüfung (D-Schein) nach den Regeln des Ausbildungsbeirates „Schutz und Instandsetzung im Betonbau“ beim Deutschen Beton- und Bautechnik-Verein e. V. erfolgreich abgelegt haben. Hierbei wird u. a. die Fähigkeit geprüft, eine Schadstelle fehlstellenfrei ohne Spritzschatten auszuspritzen. Ob der Düsenführer in der Lage ist, eine optisch einwandfreie raue Oberfläche herzustellen, ist nicht Gegenstand der Prüfung. 253 8.4 Betonersatz mit spritzbarem kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton <?page no="262"?> Bild 8.47: Schemazeichnung Ausspritzen von Ausbrüchen mit freiliegender Bewehrung (Quelle: Düsenführerhand‐ buch) Bild 8.48: Übung eines Kandidaten für die Düsenführerprüfung Im Trocken-Spritzverfahren 254 8 Betonersatz <?page no="263"?> Bild 8.49: Übung eines Kandidaten für die Düsenführerprüfung Im Nass-Spritzverfahren Bild 8.50: SRM-Prüfkörper im Querschnitt mit mangelhaftem Ergebnis 255 8.4 Betonersatz mit spritzbarem kunststoffmodifiziertem Zement-Mörtel/ -Beton <?page no="264"?> Bild 8.51: SRM-Prüfkörper im Querschnitt mit gutem Ergebnis Im Zuge der Ausführung ist u. a. die Frischmörtelrohdichte mit der Spritzpfanne zu bestimmen. Zu diesem Zweck wird eine Stahlpfanne der Größe 460 x 460 mm, 40 mm tief, in der Hauptspritz‐ richtung am Bauwerk angebracht, vollgespritzt und über die Kanten abgezogen. Zuvor wurde die leere Form ausgelitert und gewogen. Dann wird die gefüllte Form gewogen, das Gewicht der leeren Form abgezogen und das Rohgewicht bestimmt. Rohgewicht : l = Rohdichte in kg/ dm³. Die Rohdichte darf nicht mehr als 0,10 kg/ dm³ vom Ergebnis der Grundprüfung abweichen Bild 8.52: Spritzpfanne zur Ermittlung der Frisch-Mörtel-/ -Beton-Rohdichte. 256 8 Betonersatz <?page no="265"?> 8.4.3 Literatur [1] M. Gelbach, M. Schröder: Instandsetzung der Autobahnbrücke Wiesbadener Kreuz mit faserverstärktem PCC-Spritzmörtel. Straße + Autobahn 3/ 1987. [2] F. Petscharnig, M. Schröder: Instandsetzung mit faserverstärktem Spritzmörtel - Wiener Praterstadion blieb der Totalabriß erspart. Beton 11/ 1987. [3] M. Schröder: Glasfaserverstärkte Zementmörtel für Betoninstandsetzung, Erhöhung der Betondeckung und Bauwerksabdichtung. Bauwirtschaft 3/ 1990. [4] G. Ruffert: Spritzbeton. Beton-Verlag Düsseldorf 1991. [5] M. Schröder: Schutz und Instandsetzung von Beton. Regelwerke Rili SIB, ZTV-SIB und DIN 18 349 im Vergleich. Teil 2 „Betonersatz mit PCC-, PC- und SPCC-Systemen“. Bautenschutz + Bausanierung Nr. 4, Mai 1995. [6] M. Schröder: Schutz und Instandsetzung von Stahlbeton. Teil 4: Großflächige Reprofilierung und Erhöhung der Betondeckung mit spritzbaren kunststoffmodifizierten Zementmörteln. Bautenschutz VBK Nr. 5, November 1995. [7] Leitfaden Düsenführer. Verarbeiten von kunststoffmodifiziertem Spritzmörtel/ -beton. Ibh Industriever‐ band Bauchemie und Holzschutzmittel e. V. September 1996. [8] Hillemeier, Stenner, Flohrer, Polster, Buchenau. Instandsetzung und Erhaltung von Betonbauwerken. Sonderdruck aus dem Betonkalender. Ernst & Sohn 1999. [10] Schriftenreihe der Bauberatung Zement. Beton - Prüfung nach Norm. Verlag Bau + Technik. 11. überarbeitete Auflage 2005. [12] Ausbildungsbeirat „Verarbeiten von Kunststoffen im Betonbau“ beim Deutschen Beton- und Bautech‐ nik-Verein e. V. SIVV-Handbuch. Schützen, Instandsetzen, Verbinden und Verstärken von Betonbauteilen. Fraunhofer IRB Verlag. 6. Auflage 2008. [13] BetonMarketing Deutschland GmbH, Erkrath. Stahlbetonoberflächen schützen, erhalten, instandset‐ zen. Schriftenreihe der Zement- und Betonindustrie. Verlag Bau+Technik GmbH 2008. [14] Ausbildungsbeirat „Verarbeiten von Kunststoffen im Betonbau“ beim Deutschen Beton- und Bautech‐ nik-Verein e. V. SIVV-Handbuch. 6. Auflage 2008. [15] Fraunhofer IRB Verlag 2009. BetonMarketing Deutschland GmbH, Erkrath. Beton - Herstellung nach Norm. Arbeitshilfe für Ausbildung, Planung und Praxis. Verlag Bau+Technik GmbH. 18. überarbeitete Auflage 2009. [17] Schröder M. und 7 Mitautoren: Schutz und Instandsetzung von Stahlbeton. Anleitung zur sachkundigen Planung und Ausführung. expert verlag Renningen. 7., überarbeitete Auflage 2015. [18] M., Schröder: SPCC bei der Betoninstandsetzung. Bauhandwerk 10.2016. [19] Die im Kapitel 1. aufgeführten Regelwerke. 8.5 Betonersatz mit Reaktionsharz-Mörtel/ -Beton M. Schröder 8.5.1 Einleitung Da die Instandsetzung schadhafter Betonbauteile als Folge ungenügender Betondeckung anfangs mit reinen Zementmörteln nicht erfolgreich war, vor allem wegen nicht ausreichender Haftung am Altbeton, wurden ab Ende der 60er Jahre hierfür Mörtel auf Basis Epoxidharz eingesetzt, 257 8.5 Betonersatz mit Reaktionsharz-Mörtel/ -Beton <?page no="266"?> mit denen gute Haftung und hohe Festigkeiten erzielt wurden. Hinzu kamen Produkte auf Basis Polyester und Polymethacrylat, die sich jedoch nicht in gleicher Weise bewährten. Ab Mitte der 70er Jahre wurden Reaktionsharze zunehmend durch kunststoffmodifizierte Mörtel abgelöst. Inzwischen werden Reaktionsharz-Mörtel/ -Betone nur noch in Ausnahmefällen verwendet. Dadurch sind im Laufe der Zeit die besonderen Eigenschaften und Möglichkeiten derartiger Produkte etwas aus dem Bewusstsein mancher Planer verschwunden. In den Regelwerken werden Reaktionsharz-Mörtel als PRM = Polymer Repair Mortar (vorher PC II) und Reaktionsharz-Beton als PRC = Polymer Repair Concrete (vorher PC I) bezeichnet. Für die Instandsetzuung von Beton kommen ausschließlich Systeme auf Epoxidharz-Basis zum Einsatz. Für Sonderfälle bieten deren besondere Eigenschaften Lösungsmöglichkeiten, die mit RM/ RC nicht in gleicher Weise gegeben sind. 8.5.2 Beanspruchbarkeitsklasse PRM/ PRC fallen ausschließlich in die Beanspruchbarkeitsklasse M 2 der Instandsetzungs-Richt‐ linie, da sie nicht für der Tragfähigkeit von Betonbauteilen für Verstärkung oder Ertüchtigung rechnerisch berücksichtigt werden dürfen, wenngleich das in Anbetracht der erzielbaren Festig‐ keiten denkbar wäre, zumal es zur Ertüchtigung von Holzbauteilen zugelassene Systeme unter Verwendung von Reaktionsharzmörteln gibt. Gemäß TR werden PRM/ PRC für die Altbetonklassen A-4 und A-5 eingesetzt. 8.5.3 Anwendungsfälle PRC (früher PC I) kann gemäß den in den ZTV-ING beschriebenen Anwendungsfällen nur auf Oberseiten, PRM (früher PC II) jedoch beliebig eingesetzt werden, also auch über Kopf unter dynamischer Belastung. Das ist in der Instandsetzungs-Richtlinie (Stoffbezeichnungen) und TR gleichermaßen geregelt. 8.5.4 Systembestandteile 8.5.4.1 Reaktionsharz-Mörtel PRM/ -Beton PRC 8.5.4.1.1 Allgemeines PRM/ PRC kommen zum Einsatz, wenn keine hydraulisch erhärtenden Betonersatzsysteme eingesetzt werden können oder wenn die Eigenschaften von PRM/ PRC im Einzelfall besondere Vorteile bieten. Gemäß den Regelwerken sollen sie nur in Ausnahmefällen und nur bei kleinen Flächen (bis 1 m²) angewendet werden. In den Regelwerken wird der Einsatz z. B. für folgende Fälle vorgesehen: • sehr schnelle Erhärtung erforderlich • keine Nachbehandlung durchführbar • geringe Schichtdicken bei großflächigem Auftrag (unterer Richtwert 5 mm) Tatsächlich bieten PRM/ PRC einige Vorteile gegenüber RM/ RC, die sich zusammenfassend wie folgt darstellen lassen: 258 8 Betonersatz <?page no="267"?> • geringe Schichtdicken möglich • kein Verdursten • kein Schwinden • keine Nachbehandlung erforderlich • schnelle Erhärtung und dadurch kurze Sperrzeiten • geringer Reaktionsschrumpf • hoher chemischer Widerstand • hohe mechanische Festigkeiten • hoher Abriebwiderstand • hoher Widerstand gegenüber Schlag und Stoß • hohe Dichtheit gegenüber Flüssigkeiten • hohe Dichtheit gegenüber Schadgasen • sehr gute Haftung auf Beton und Stahl • kein Carbonatisieren Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: • Mischfehler visuell nicht erkennbar • Verarbeitung und Erhärtung erst ab 8 °C • Verarbeitbarkeit stark temperaturabhängig • trockener Untergrund erforderlich • Taupunkttemperaturkontrolle erforderlich • maximale Wartezeiten für Zwischenhaftung sind einzuhalten • anderenfalls Abstreuen für Zwischenhaftung erforderlich • physiologisch bedenklich • nicht spritzbar • Gerätereinigung mit Lösemittel anstatt mit Wasser • Materialkennwerte stark temperaturabhängig • hoher Wasserdampfdiffusionswiderstand • hohe Wärmedehnung • brennbar • hohe Kosten In der Regel wird als Bindemittel Epoxidharz auf Basis aliphatischer und/ oder aromatischer Glycidylester und als Reaktionsmittel Amin-Härter verwendet. Auch für die Modifizierung von Reaktionsharz-Mörteln/ -Betonen werden Zusätze zur Verbesserung von Frisch- und Festmör‐ tel-Eigenschaften eingesetzt. Gesteinskörnung muss DIN EN 12620 entsprechen und gewaschen sowie ofengetrocknet sein. Die Körnung soll vorgemischt in einem Gebinde enthalten sein. Eine der Bindemittel-Komponen‐ ten kann bereits werkmäßig mit Gesteinskörnung vermischt sein. PRM/ PRC sollen in der thermischen Ausdehnung und im Elastizitätsmodul dem Beton in der Verbundzone weitgehend angepasst sein. Diese Eigenschaften werden durch Verwendung entsprechender Bindemittel, niedrigen Bindemittelgehalt, günstigen Kornaufbau und entspre‐ chende Füllstoffe erzielt, so dass bei guter Zusammensetzung und fehlerfreier Verarbeitung sowie Betonfestigkeiten ≥ 25 N/ mm² auch ein großflächiger Einbau möglich wäre und auch vielfach praktiziert wurde, wenngleich die Regelwerke das nicht vorsehen. 259 8.5 Betonersatz mit Reaktionsharz-Mörtel/ -Beton <?page no="268"?> 8.5.4.1.2 Eigenschaften 8.5.4.1.2.1 Schrumpf Der Schrumpf des reinen Epoxidharz-Bindemittels bei der chemischen Reaktion liegt bei etwa 3 - 5 %. Der lineare Schrumpf eines Epoxidharz-Mörtels/ -Betons in Abhängigkeit vom Füllgrad mit Quarzsand beträgt bei einem Bindemittelgehalt von 10 % nach 28 d nur ca. 0,05 %, was bei guter Haftung zum Untergrund und ausreichender Oberflächenzugfestigkeit der Betonunterlage zu keinerlei Schwierigkeiten führt. Bild 8.53: Diagramm linearer Schrumpf von PRM/ PRC in Abhängigkeit vom Füllgrad mit Quarzsand (Gewichtsteile Gesteinskörnung) nach 28 d bei 30 °C Allerdings können Reaktionsharz-Mörtel/ -Betone, die flüchtige Bestandteile wie z. B. Weichma‐ cher enthalten, die im Laufe der Jahre emigrieren könnten, einen sogenannten Alterungsschwund aufweisen, der in dickeren Schichten zu feinen Rissen führen könnte. 8.5.4.1.2.2 Festigkeit PRM/ PRC erreichen ohne Schwierigkeiten Druckfestigkeiten von ca. 100 N/ mm² und Biegezug‐ festigkeiten von ca. 30 N/ mm² bereits nach wenigen Tagen Erhärtungszeit. Maßgebend hierfür ist neben der Reaktivität des Bindemittels und der Temperatur die Art, Menge und Korngrößen‐ verteilung der Gesteinskörnung. In der Regel werden Gemische eingesetzt, die gefüge- und flüssigkeitsdichte Mörtel/ Betone ergeben. Das kann erreicht werden, wenn der Bindemittelanteil 10 M% nicht unterschreitet. Die Zusammensetzung muss im Übrigen auf die Lage und Dicke des Betonersatzes abgestellt sein. 260 8 Betonersatz <?page no="269"?> Bild 8.54: Diagramm Druck- und Biegezugfestigkeit eines PRM in Abhängigkeit vom Füllgrad mit Quarzsand (Gewichtsteile Gesteinskörnung) Bei Temperaturen ab 20 °C ist im Allgemeinen nach einem Tag Erhärtung schon Begehen und Befahren möglich. Die Bestimmung der Festigkeiten ist jedoch normalerweise erst nach ca. 3 Tagen Erhärtung möglich, da an den Prüfkörpern vorher kein Bruch, sondern nur Verformung beim Druckversuch eintritt. Bild 8.55: Diagramm Druck- und Biegezugfestigkeit eines PRM im Mischungsverhältnis 1 : 4 mit Quarzsand (Gewichtsteile Gesteinskörnung) in Abhängigkeit von der Erhärtungszeit bei 20 °C 261 8.5 Betonersatz mit Reaktionsharz-Mörtel/ -Beton <?page no="270"?> 8.5.4.1.2.3 Elastizität Die elastische Verformbarkeit eines Mörtels/ Betons im Verhältnis zur Last wird mit dem Elas‐ tizitätsmodul (E-Modul) angegeben. Er gibt das Verhältnis der Spannung zur dazugehörigen elastischen Verformung an, die nach einer Entlastung vollständig zurückgeht. Da erhärtete Kunstharze niedrigere E-Moduli als Zementstein aufweisen, ist der E-Modul von PRM/ PRC in erster Linie vom Anteil an Bindemittel bzw. vom Füllgrad mit Gesteinskörnung abhängig. Der E-Modul des lnstandsetzungs-Mörtels/ -Betons soll dem des Untergrunds möglichst weit‐ gehend angepasst sein. 8.5.4.1.2.4 Verschleiß Reaktionsharz-Mörtel weisen einen deutlich höheren Verschleißwiderstand als zementgebundene Mörtel auf, der bei Verwendung entsprechender Gesteinskörnung oder anderer Granulate wie Chromerzschlacke, Korund oder Siliziumcarbid noch gesteigert werden kann. PRM/ PRC eignen sich deshalb auch besonders gut für Reparaturen von Kanten z. B. bei Fugen und Treppenstufen. 8.5.4.1.2.5 Wärmedehnung Da Kunstharze weit größeren Wärmedehnungen unterliegen als der Zementstein, wird die Wär‐ medehnung bei Reaktionsharz-Mörteln/ -Betonen in erster Linie durch den Anteil an Bindemittel bzw. den Füllgrad mit Gesteinskörnung bestimmt. Während die Wärmedehnzahl des reinen er‐ härteten Epoxidharzes etwa 10 x so groß ist wie die von Beton, beträgt sie bei einem PRM/ PRC mit 10 M% Bindemittelanteil nur etwa das 1,5-fache. Dabei steigt die Wärmedehnzahl mit steigender Temperatur exponentiell an, andererseits sinkt der E-Modul mit steigender Temperatur, was zu einer Minderung der Grenzflächenspannungen führt, so dass bei guter Haftung am Untergrund keine Ablösungen zu erwarten sind. Bild 8.56: Wärmedehnung von PRM/ PRC in Abhängigkeit vom Füllgrad mit Quarzsand 262 8 Betonersatz <?page no="271"?> 8.5.4.1.2.6 Frost- und Frost-Tausalz-Widerstand Reaktionsharz-Mörtel/ -Beton mit einem Bindemittelanteil ≥ 10 % und stetiger Sieblinie der Gesteinskörnung weisen einen hohen Frost- und Frost-Tausalz-Widerstand auf. Auch bei höher gefüllten Reaktionsharz-Mörteln/ -Betonen ist wegen der immer noch hohen Festigkeit und fehlender Kapillarporen nicht mit Frost- und Frost-Tausalz-Schäden zu rechnen. 8.5.4.1.2.7 Widerstand gegen chemischen Angriff Reaktionsharz-Mörtel/ -Betone haben einen wesentlich höheren Widerstand gegen chemischen Angriff als Zement-Mörtel/ -Beton, auch kunststoffmodifiziert. Über die chemische Beständigkeit muss im Einzelfall der Hersteller für das jeweilige Produkt Angaben machen. Diese sind abhängig von der Art der Chemikalie, deren Konzentration, Temperatur und Dauer der Einwirkung. 8.5.4.2 Haftbrücke Als Haftbrücke wird in der Regel das gleiche Bindemittel wie das des PRM/ PRC verwendet, evtl. zur Erhöhung der Schichtdicke bereits mit Feinstfüllstoff versehen und mit Stellmittel thixotropiert, ggf. auch pigmentiert. Bei manchen Herstellern sind Haftbrücke und Korrosionsschutz-Beschichtung identisch, dür‐ fen aber nicht in einem Arbeitsgang aufgetragen werden, sondern sind als getrennte Maßnahmen vorzunehmen. 8.5.4.3 Korrosionsschutz Das gleiche gilt für das Beschichtungsmaterial zum Korrosionsschutz der Bewehrung, das bei manchen Herstellern mit dem Produkt für die Haftbrücke identisch ist, jedoch selbstverständlich in gesonderten Lagen aufgebracht werden muss. Es kann allerdings auch zusätzlich Füllstoffe, z. B. Zement, und Pigmente zum besseren Korrosionsschutz enthalten. Die TR sieht Korrosionsschutz‐ beschichtungen auf Reaktionsharzbasis, die Jahrzehnte lang bei Instandsetzungen eingesetzt wurden, nicht mehr vor. 8.5.4.4 Egalisierung Um die Oberfläche reparierter und reprofilierter Bauteile zu egalisieren, werden Feinmörtel/ Spachtelmassen auf Epoxidharz-Basis eingesetzt, für senkrechte Flächen und über Kopf mit Stellmittel thixotropiert. Bei großflächigem Einsatz ist zu berücksichtigen, dass hiermit beschich‐ tete Bauteile einen hohen Diffusionswiderstand aufweisen, so dass es auch zu einer deutlichen Behinderung der Wasserdampfdiffusion kommt. Derartige Spachtelmassen zur Egalisierung werden in der TR nicht erwähnt. 8.5.5 Ausführung 8.5.5.1 Vorbereitende Arbeiten Der Untergrund muss, wie in 4. „Untergrund von Beton und Stahl“ beschrieben, beschaffen und vorbereitet sein. Die Haftfläche des Altbetons muss trocken sein. Gemäß ZTV-ING ist die Feuchte mit dem CM-Gerät bis in 2 cm Tiefe zu bestimmen. Oberflächen- und Luft-Temperatur müssen gemäß TR bei Verarbeitung und Erhärtung aller Systembestandteile 8 °C - 30 °C betragen. Da 263 8.5 Betonersatz mit Reaktionsharz-Mörtel/ -Beton <?page no="272"?> die Viskosität von Epoxidharz stark temperaturabhängig ist und bei 8 °C etwa 4 x so hoch ist wie bei 20 °C, ist zu empfehlen, Arbeiten mit PRM/ PRC nicht bei Temperaturen unter 10 °C durchzuführen, da auch dann die Viskosität noch 3 x so hoch ist wie bei 20 °C. Außerdem soll die Oberflächentemperatur des Betons ≥ 3 K über der Taupunkttemperatut liegen. Die Oberflächen-Zugfestigkeit des Betons soll wie für andere lnstandsetzungs-Mörtel/ -Betone im Mittel ≥ 1,5 N/ mm² betragen, wobei Einzelwerte von 1,0 N/ mm² nicht unterschritten werden dürfen. Außerdem sind die Anforderungen an die Altbetonklassen zu berücksichtigen. Da freiliegende Bewehrung wegen des fehlenden alkalischen Milieus grundsätzlich zu be‐ schichten ist, muss am trockenen Stahl der Oberflächen-Vorbereitungsgrad ≥ Sa 2 ½ erreicht werden. Die TR sieht allerdings eine Reprofilierung von Schadstellen bei freiliegender Bewehrung mit PRM/ PRC nicht vor. 8.5.5.2 Korrosionsschutz Bei Reaktionsharz-Mörteln/ -Betonen soll auf freiliegender Bewehrung grundsätzlich eine Korro‐ sionsschutz-Beschichtung auf EP-Basis erfolgen, da kein alkalisches Milieu vorliegt. Diese ist in mindestens 2 Lagen mit einer Gesamtschichtdicke von ≥ 300 µm aufzubringen. Die 2. Lage ist aufzutragen, wenn die 1. Lage soweit anreagiert ist, dass sie sich nicht mehr verschiebt. Die maximale Wartezeit darf jedoch nicht überschritten werden. Anderenfalls ist die vorherige Lage ausreichend anzurauen, bevor sie überschichtet wird. Im Regelfall wird die letzte Lage der Korrosionsschutzbeschichtung nach den Anweisungen zur Ausführung des Herstellers mit Quarzsand abgestreut zur besseren Haftung von Haftbrücke und PRM/ PRC. Nach Erhärtung der Beschichtung ist nicht fest eingebundenes Abstreugut zu entfernen. Bild 8.57: Bewehrungstahl mit EP-Korrosionsschutz-Beschichtung, 2. Lage mit Quarzsand abgestreut Hier wird noch einmal darauf hingewiesen, dass in der TR Korrosionsschutzbeschichtungen auf Reaktionsharzbasis nicht vorgesehen sind. 264 8 Betonersatz <?page no="273"?> 8.5.5.3 Haftbrücke Die Haftbrücke ist auf die Bewehrungs- und Betonoberfläche zur guten Benetzung intensiv und ausreichend dick aufzubürsten und PRM/ PRC frisch in frisch in die Haftbrücke einzubauen. Ist das nicht möglich, z. B. infolge Arbeitsunterbrechung, so ist die frische Haftbrücke mit gewaschenem und getrocknetem Quarzsand abzustreuen. Vor dem späteren Einbau von PRM/ PRC ist in diesem Fall nicht fest eingebundener Sand zu beseitigen und erneut eine Haftbrücke aufzubringen. Das gleiche gilt für den Fall, dass die Haftbrücke schon angeliert ist, bevor PRM/ PRC eingebaut wurde. Für vertikale Flächen ist der Haftbrücke ggf. Stellmittel zur Erhöhung der Standfestigkeit zuzugeben. Da die Viskosität und demzufolge die Verarbeitbarkeit aller EP-Produkte eines Systems in starkem Maße temperaturabhängig sind, ergeben sich die besten Verarbeitungseigenschaften für Produkte auf Reaktionsharzbasis zwischen 15 und 25 °C. Bild 8.58: Diagramm Viskosität eines Epoxidharz-Bindemittels in Abhängigkeit von der Temperatur 8.5.5.4 Reaktionsharz-Mörtel PRM/ Reaktionsharz-Beton PRC Zur Herstellung der Mischungen sind jeweils ganze Gebinde-Einheiten aller Systembestandteile zu verwenden. Für kleinere Mengen werden maschinelle Rührgeräte verwendet. Nach dem Mischen ist ein Umtopfen in ein sauberes Gefäß und nochmaliges Durchmischen durchzu‐ führen, um sicherzustellen, dass auch Material aus den Rand- und Eckbereichen des ersten Mischgefäßes erfasst wird. Für größere Ansätze werden Zwangsmischer eingesetzt. Da das Bindemittel hierfür zuvor angemischt werden muss, erfolgt das Umtopfen somit in das Gefäß des Zwangsmischers. Maßgebend für alle Phasen der Verarbeitung sind die Angaben zur Ausführung des Herstellers. 265 8.5 Betonersatz mit Reaktionsharz-Mörtel/ -Beton <?page no="274"?> Bild 8.59: Mischen von PRM nach dem Umtopfen mit Bohrmaschine und Rührspirale Bild 8.60: Mischen von PRC mit einem Zwangsmischer Bei Verwendung von Mörteln mit selbstverlaufenden Eigenschaften, die in dünner Schicht auf‐ getragen werden, kann ggf. auf eine Haftbrücke verzichtet werden, wenn genügend Bindemittel‐ überschuss vorhanden ist. Das gleiche gilt für „fett“ eingestellte thixotropierte Epoxidharz-Mörtel zur Reparatur kleiner Schadstellen an senkrechten Flächen und über Kopf. Hierbei ist jedoch anzuraten, zuvor eine niedrigviskose lösemittelfreie EP-Grundierung aufzubringen und abzusan‐ den. Nach Entfernung nicht eingebundenen Sandes kann der Mörtel mit Bindemittelüberschuss eingebaut werden. 266 8 Betonersatz <?page no="275"?> Bild 8.61: Reparatur einer kleinen Schadstelle auf abgesandeter Grundierung mit bindemittelreichem thixotropier‐ tem PRM in geringer Schichdick PRM/ PRC wird im allgemeinem mit Spachtel, Kelle oder Traufel in einem Arbeitsgang aufgebracht. Ein Abstreuen der Oberfläche mit Quarzsand ist zweckmäßig, um jederzeit Haftung für weitere Lagen, auch Oberflächen-Schutzmaßnahmen, sicherzustellen. Bei Einbau in mehreren Lagen ist jeweils erneut Haftbrücke aufzutragen. Die Schichtdicke soll mindestens dem 3-fachen und höchstens dem 15-fachen des Größtkorndurchmessers betragen. Die maximale Schichtdicke wird in der TR mit 60 mm, örtlich, z. B. bei tieferen Ausbrüchen mit 100 mm wie für RM/ RC angegeben. Bild 8.62: Reprofilierung von Stufenkanten mit PRM 267 8.5 Betonersatz mit Reaktionsharz-Mörtel/ -Beton <?page no="276"?> Bild 8.63: Unterstopfen von Epoxidharz-Mörtel zur Reparatur bzw. zum Ersatz von Betonhöckern der schwellenlosen Gleisverlegung Bild 8.64: Mit PRM instand gesetzter bzw. ersetzter Betonhöcker der schwellenlosen Gleisverlegung Bei großflächigem Einbau, z. B. in Form von Kunstharzestrichen auf Industrieböden oder zum Gradientenausgleich auf Brücken oder Parkdecks, wenn kurze Erhärtungszeiten maßgebend sind, können Reaktionsharzmörtel auch maschinell, z. B. mit Oberflächenrüttlern, Rüttelabziehbohlen oder Flügelglättern, verdichtet und geglättet werden. Auch hier ist ein Abstreuen der noch nicht anreagierten Oberflächen ratsam, um jederzeit später Haftung für weitere Lagen ohne aufwendige Oberflächenvorbereitung zu erzielen. Ein großflächiger Einsatz ist jedoch gemäß 268 8 Betonersatz <?page no="277"?> den Regelwerken nicht vorgesehen. Für Innenräume mit wenig schwankenden Temperaturen ist eine derartige Einschränkung jedoch kaum gerechtfertigt, vorausgesetzt, die physikalischen Gegebenheiten werden bei Rezeptur und Anwendungstechnik ausreichend berücksichtigt. Bild 8.65: Einbau von PRC großflächig und auf einem Parkdeck (gemäß Regelwerken nicht vorgesehen) Für die zur Verarbeitung zur Verfügung stehende Zeit ist nicht die „Topfzeit“ des Produktes, die einen Laborwert darstellt, maßgebend, sondern die Gebinde-Verarbeitungszeit, die von der Größe des Gebindes und der Temperatur abhängig ist. Viele der Verarbeitungseigenschaften ergeben sich aus den unter 8.3.4.1.1 aufgeführten Vor- und Nachteilen von PRM/ PRC gegenüber RM/ RC. 8.5.5.5 Egalisieren Auch bei Einsatz von PRM/ PRC kann es erforderlich oder erwünscht sein, eine Egalisierung der Oberfläche vorzunehmen, z. B. nach dem Instandsetzen einzelner Schadstellen. Hierfür werden Feinmörtel und Spachtelmassen gemäß 8.3.4.4 verwendet, die mit einer Traufel in 1 - 5 mm Dicke aufgezogen werden. Ein Abreiben wie bei zementösen Massen ist wegen der hohen Klebrigkeit nicht möglich. Bild 8.66: Spachteln einer Wandfläche mit EP-Feinmörtel 269 8.5 Betonersatz mit Reaktionsharz-Mörtel/ -Beton <?page no="278"?> Falls weitere Lagen, z. B. als farbige Anstriche, aufzutragen sind, ist auch in diesem Fall ein feinkörniges Abstreuen der gespachtelten Schicht zu empfehlen. 8.5.5.6 Nachbehandeln Das eingebaute System ist bis zur Erzielung einer klebfreien Oberfläche vor Feuchtigkeit sowie Begehen und Befahren zu schützen. Eine Nachbehandlung wie bei zementgebundenen, auch kunststoffmodifizierten Systemen ist nicht erforderlich, da keine Schwindvorgänge stattfinden. 8.5.6 Literatur [1] H. Schuhmann. Betonausbesserungen mit hydraulischen und kunststoffgebundenen Mörteln. Bauten‐ schutz + Bausanierung 4/ 80. [2] Wissenschaftlich-Technischer Arbeitskreis für Denkmalpflege und Bauwerksanierung e. V. (WTA). Unterhaltung von Betonbauwerken. Merkblatt 5-1-84. Fassung Sept. 1983 [3] M. Schröder: Instandsetzung von Sichtbeton mit Reaktionsharz- und kunststoffvergüteten Zement-Mör‐ teln. Kunststoffe im Bau 3/ 1984. [4] M. Schröder: Schutz und Instandsetzung von Beton. Regelwerke Rili SIB, ZTV-SIB und DIN 18 349 im Vergleich. Teil 2 „Betonersatz mit PCC-, PC- und SPCC-Systemen“. Bautenschutz + Bausanierung Nr. 4, Mai 1995. [5] M. Schröder: Schutz und Instandsetzung von Stahlbeton. Teil 3: Reprofilierung mit Reaktionsharzmör‐ teln. Bautenschutz VBK Nr. 4 September 1995. [6] M. Schröder: Instandsetzen von Beton. Vergleich der anwendungstechnischen und bauphysikalischen Eigenschaften von kunststoffmodifizierten Zementmörteln (PCC) mit Reaktionsharzmörteln PC). 4. Internationales Kolloquium „Werkstoffwissenschaften und Bauinstandsetzen“. Technische Akademie Esslingen, 17. - 19.12.1996. [7] Ausbildungsbeirat „Verarbeiten von Kunststoffen im Betonbau“ beim Deutschen Beton- und Bautech‐ nik-Verein E. V. SIVV-Handbuch. Schützen, Instandsetzen, Verbinden und Verstärken von Betonbauteilen. Fraunhofer IRB Verlag 6. Auflage 2008. [8] M. Schröder und 7 Mitautoren: Schutz und Instandsetzung von Stahlbeton. Anleitung zur sachkundigen Planung und Ausführung. 7., überarbeitete Auflage. expert verlag 2015. [9] Die in Kapitel 1 aufgeführten Regelwerke. 8.6 Betonersatz mit Beton und Spritzbeton S. Wehrle 8.6.1 Einleitung Für die Instandsetzung von Betonbauteilen stehen außer den Reparaturmörteln natürlichwer‐ weise auch Beton und Spritzbeton zur Verfügung. In der TR [1] werden für die verschiedenen Instandsetzungsverfahren bei denen Beton oder Spritzbeton zur Anwendung gelangen kann die Anforderungen an die Produkte genannt. 270 8 Betonersatz <?page no="279"?> 8.6.2 Prinzipien nach der TR In der TR sind für die folgenden Prinzipien und Verfahren zum Schutz oder zur Instandsetzung von Schäden im Beton (Tabelle 5 in Teil 1 in [1]) und zum Schutz oder zur Instandsetzung von Bewehrungskorrosion (Tabelle 6 in Teil 1 in [1] genannt: Verfahren zum Schutz oder zur Instandsetzung von Schäden im Beton: Prinzip 3: Reprofilierung oder Querschnittsergänzung Prinzip 4: Verstärkung des Betontragwerkes Prinzip 5: Erhöhung des physikalischen Widerstandes Prinzip 6: Erhöhung des Widerstands gegen chemischen Angriff Verfahren zum Schutz oder zur Instandsetzung von Bewehrungskorrosion: Prinzip 7: Erhalt oder Wiederherstellung der Passivität Für die o. g. Verfahren kommen Betone nach DIN EN 206 [2] und DIN 1045-2 [3] zur Anwendung sowie Spritzbeton nach DIN EN 14487 [4] in Verbindung mit DIN 18551 [5]. 8.6.3 Wesentliche Anforderungen aus der TR Für eine erfolgreiche Instandetzung ist es unabdingbar, dass ein Verbund zum Alttbeton erreicht wird, eine ausreichende Nachbehandlung erfolgt und in Abhängigkeit von der Maßnahme die notwendige Betondeckung sichergestellt ist. Für den Verbund werden in der TR die Altbetonklassen definiert. Verbundwirkung: Für die Verbundwirkung zum Beton müssen die in Tabelle 4 der TR, Teil 1 [1] genannten Werte der Oberflächenzugfestigkeit am Altbeton vorliegen. Für eine flächige Instandsetzung ist der Verbund allein über Adhäsion nur für die Altbetonklasse A4 (Oberflächenzugfestigkeit im Mittel 1,5 N/ mm 2 , kleinster Einzelwert: 1,0 N/ mm 2 und bei den Expositionsklassen XC ohne zusätzliche Prüfungen zulässig. Für die anderen Expositionsklassen erfolgt die Verbundwirkung über Verankerung und die vorhandene Bewehrung. Rautiefe Bei Vorhandensein eines reinen Adhäsionsverbundes wird die Haftung maßgelich durch die Rautiefe beeinflusst. In Abhängigkeit von den Forderungen des Tragwerksplaners, sind die folgenden Mindestrautiefenklassen RT einzuhalten: Bei Anforderung an die verzahnte Fuge nach DIN EN 1992-1-1/ NA [6]: RT 3,0 Bei Anforderung an die raue Fuge nach DIN EN 1992-1-1/ NA: RT 1,5 Ohne die o. g. Anforderungen: RT 1,0 Die Rautiefenklassen sind in der Tabelle 8 der TR, Teil 1 [1] definiert. Die Rautiefe selbst kann mittels Sandlächenverfahren bestimt werden. An geneigten Flächen oder über Kopf erfolgt ein berührungsloses Messen der Rautiefe nach DIN EN ISO 13473. Nachbehandlung In der TR [1] werden mit Bezug auf die DIN 1045-3 [7] und die DIN EN 13670 [8] bei der Beschreibung des Verfahrens 3.2 auch Angaben zur Nachbehandlung vorgenommen. Die Nach‐ behandlungsdauer und die Nachbehandlungsmaßnahmen haben einen maßgeblichen Einfluss auf die Dauerhaftigkeit des Betons/ Spritzbetons und insbesondere auf die Vermeidung von 271 8.6 Betonersatz mit Beton und Spritzbeton <?page no="280"?> Rissen, sofern diese nicht aus kontruktiven Gründen entstehen. Auch für die Nachbehandlung unterscheidet die TR in die folgenden Verbundarten: a. Verbund über Ahäsion b. Verbund über Verankerung und Bewehrung Für den Fall a, gelten die Nachbehandlunsdauern der DIN 13670 in Verbindung mit der DIN 1045-3. Für den Fall b. sind die dort genannten Nachbehandlungsdauern zu verdoppeln. 8.6.4 Nachbehandlungsziele und -verfahren Die normativen Vorgaben für die Nachbehandlung sind in DIN 13670 [8] und der DIN 1045-3 [7] vorgegeben. Dabei werden für die Nachbehandlung die folgenden Ziele definiert: • Verhindern des vorzeitigen Austrocknens • Sicherstellen einer ausreichenden Festigkeit in der Betonrandzone • Ausreichende Dauerhaftigkeit in der Betonrandzone • Schutz vor schädlichen Witterungseinflüssen • Verhindern des Gefrierens • Vermeiden schädlicher Erschütterunge, Stöße und Beschädigungen In dem Merkblatt Nachbehandlung von Beton des DBV-Vereins [9] sind die folgenden Ziele für die Nachbehandlung von Beton beschrieben: • Sicherstellung einer ausreichenden Festigkeit und Dauerhaftigkeit • Verringerung des Risspotentials infolgen von Frühschwinden • Verringerung des Risspotentials infolge von Temperaturspannungen • Erreichen von Anforderungen an das Aussehen von Sichtbetonflächen In [7] und [8] sowie auch in [9] werden verschiedene Nachbehandlungsverfahren benannt. Im Einzelnen sind dies: • Belassen des Betons in der Schalung • Abdecken der Betonoberflächen mit dampfdichten Folien. Diese sind an Kanten und Stößen gegen Durchzug zu sichern. • Auflegen von Wasser speichernden Abdeckungen unter ständigem Feuchthalten bei gleich‐ zeitigem Verdunstungsschutz • Aufrechterhalten eines sichtbaren Wasserfilms auf der Betonoberfläche • Anwendung vonNachbehandlungsmitteln mit nachgewiesener Eignung • Andere Verfahren, die ein übermäßges Verdunsten des Anmachwassers verhindern 8.6.5 Nachbehandlungsdauer Die Dauer der Nachbehandlung ist abhängig von der Festigkeitsentwicklung des Betons und der Oberflächentemperatur des Betons oder der Lufttemperatur. Die Festigkeitsentwicklung r ist gekennzeichnet durch den Quotient aus dem Wert der Druckfestigkeit nach 2 Tagen und der Druckfestigkeit nach 28 Tagen. Bei einem Wert von r größer gleich 0,5 spricht man von einer schnellen Festigkeitsentwicklung und bei einem Wert von kleiner 0,15 von einer langsamen Festigkeitsentwicklung. 272 8 Betonersatz <?page no="281"?> In der DIN 1045-3 ist in Abhängigkeit von den Expositionsklassen, sowie der Oberflächen‐ temperatur und der Festigkeitsentwicklung des Betons eine Mindestdauer der Nachbehandlung in Tagen angegeben ebenso in Abhängkeit von der Frischbetontemperatur für die Expositionsk‐ lassen XC2 bis XC4 sowie XF1. Bei mechansich beanspruchten Flächen sind die dort in der Tabelle genannten Werte ohne genaueren Nachweis der tatsächichen Festigkeit am Ende der Nachbehandlungsdauer zu verdoppeln. Beispielhaft bedeutet dies, dass für einen Industrieboden, der der Expositionsklasse XM unter‐ liegt und der Beton eine langsame Festigkeitsentwicklung aufweist bei Oberflächentemperaturen des betons zwischen 10 °C und 15 °C eine Nachbehandlungsdauer von 2x7 Tagen = 14 Tage. Zu weiteren Ermittlung der Nachbehandlungsdauer wird in DIN EN 13670 die Mindestnach‐ behandlungsdauer in Tagen auch in Abhängigkeit von der Entwicklung der Festigkeit bis zum Erreichen einer Oberflächenfestigkeit, die einem prozentualen Anteil (35 %, 50 % und 70 %) der festgelegten charakterischien Festigkeit des Betons entspricht. So beträgt z. B. die Mindestnachbehandlungsdauer eines Betons mittlerer Festigkeitsentwicklung bis zum Erreichen einer Oberflächenfestigkeit von 50 % der festgelegeten charakteristischen Festigkeit bei einer Oberflächentemperatur des Betons von 10 °C bis 15 °C insgesamt 7 Tage. 8.7 Ermittlung der Betondeckung Die Ermittlung der betondeckung erfolgt gemäß den Expositionsklassen und den Vorgaben der DIN EN 1992-1-1. Bei der Ermittlung sind folgende Parameter zu beachten: • Expositionsklasse • Stabdurchmesser • Brandschutz Demnach werden auch die Aufgaben der Betondeckung unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet, nämlich • Dauerhaftigkeit • Verbund • Brand Eine vereinfachte Betrachtung der Bestimmung der Mindestbetondeckung reicht vielfach aus, wenn die Anforderungen der Betondeckung an die Dauerhaftigkeit (ergibt sich aus der Expositi‐ onsklasse) eingehalten werden. Demnach beträgt die Mindestbetondeckung (Maß, das am Bauteil vorhanden sein muss) für Bauteile der Expositionsklasse XC4 25 mm und für die Expositionsklasse XD und XM mindestens 40 mm. Für die Planung muss zu diesen Mindestmaßen das Vorhaltemaß dazu berechnet werden, was mit Ausnahme der Epositionsklasse XC1 15 mm beträgt. Bei der Expositionsklase XC1 liegt das Vorhaltemaß bei 10 mm. Im DBV Merkblatt Betondeckung und Bewehrung [10] wird anhand eines Flußdiagramms anschaulich dargelegt, auf welche Art und Weise die Mindestbetondeckung zu ermitteln ist und die o. g. Gesichtspunkte dabei berücksichtigt werden. 273 8.7 Ermittlung der Betondeckung <?page no="282"?> 8.8 Literatur [1] Technische Regel, Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung), Teile 1 und 2, Mai 2020, Deutsches Institut für Bautechnik. [2] DIN EN 206: 2017-01, Beton - Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität, Beuth Verlag, Berlin. [3] DIN 1045-2: 2008.08, Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton, Teil 2: beton, Festlegung, Eigenschaften, herstellung und Konformität - Anwendungsregeln zu DIN EN 206-1, Beuth Verlag, Berlin. [4] DIN EN 14487-1-2005 und DIN EN 14487-2: 2006, Spritzbeton, Teil 1 Begriffe, Teil 2 Ausführung. [5] DIN 18551: 2014-10, Spritzbeton-Nationale Anwendungsregeln zur Reihe DIN 14487 und Regeln für die Bemessung von Spritzbetonkonstrukionen, Beuth Verlag, Berlin. [6] DIN EN 1992-1-1/ NA: 2013-04, Nationaler Anhang National festgelegte Parameter Eurocode 2: Bemes‐ senung und Konstruktion von Stahlbeton und Spannbetontragwerken-Teil1-1: Allgemeine Bemessungs‐ regeln und Regeln für den Hochbau, beuth Verlag, Berlin. [7] DIN 1045-3: 2012-03, Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spanbeton, Teil 3: Bauausführung, Anwen‐ dungsregeln zu DIN EN 13670, Beuth Verlag, Berlin. [8] DIN EN 13670: 2011-03, Ausführung von Tragwerken aus Beton, Beuth Verlag, Berlin. [9] DBV-Merkblatt Nachbehandlung von Beton, Fassung März 2019, Deutscher Beton- und Bautechnik-Ver‐ ein e. V. Berlin. [10] DBV Merkblatt Betondeckung und Bewehrung, Sicherung der Betondeckung beim Entwerfen, Herstel‐ len uund Einbauen der Bewehrung sowie des Betons nach Eurocode 2, Fassung 2015, Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein e. V. Berlin. 274 8 Betonersatz <?page no="283"?> 9 Füllen von Rissen und Hohlräumen M. Schröder 9.1 Zusammenfassung Soweit Risse und Hohlräume im Beton einen Mangel darstellen und dieser nicht allein optischen Charakter aufweist, werden mit Systemen auf Basis von Reaktions-Kunststoffen und Zement Möglichkeiten geboten, diesen Mangel zu beheben. In diesem Kapitel wird aufgezeigt, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Mitteln und Verfahren eine wirkungsvolle rissbedingte Mängelbeseitigung und das Füllen von Hohl‐ räumen durchführbar sind. Dabei werden die maßgebenden Angaben aus den Regelwerken wiedergegeben und in Verbindung mit weitergehenden technischen Hinweisen und den in der Baustellenpraxis gesammelten Erfahrungen berücksichtigt. 9.2 Einleitung Beton, sagt man, sei „gräulich und gerissen“. Diese im übertragenen Sinn zu verstehende Feststellung besagt, dass Beton von „gräulicher“ Farbe ist und Risse aufweist. Sowohl die graue Farbe als auch die nie restlos zu vermeidenden Risse des Betons sind auf das verwendete Bindemittel, den Zement, zurückzuführen. Der grauen Farbe kann man, soweit diese als störend empfunden wird, durch farbige Beschichtungen begegnen. Risse sind nicht grundsätzlich als Mangel oder gar Schaden anzusehen. Falls jedoch ein Füllen der Risse gewünscht oder erforderlich sein sollte, stehen hierfür verschiedene Stoffe und Verfahrenstechniken zur Verfügung. 9.3 Ursachen von Rissen und Hohlräumen in Beton Risse im Beton entstehen, wenn Spannungen auftreten, die eine örtliche Überschreitung seiner Zugfestigkeit zur Folge haben. Das kann aufgrund von Fehlern beim Entwurf, bei der Ausführung und Nutzung sowohl schon während des Erhärtens als auch Jahre nach Herstellung der Bauteile der Fall sein durch z. B. • Setzen des Frischbetons • Frühschwinden (Schrumpfen) • Abfließen der Hydratationswärme • Trocknungsschwinden • äußere Temperatureinwirkung • Frost • Änderung der Auflagerbedingungen (z. B. durch Setzen) • Eigenspannungen (z. B. durch Vorspannung) • äußere Lasten <?page no="284"?> • Korrosionsdruck der Bewehrung • chemische Vorgänge (z. B. Alkalitreiben) Aufgrund seiner heterogenen Struktur weist Beton keine definierte Zugfestigkeit auf, so dass nur von einer örtlichen Zugfestigkeit ausgegangen werden kann, zu vergleichen mit einer Kette, die aus unterschiedlich festen Gliedern besteht. Das kann durch folgenden Versuch veranschaulicht werden: Wird ein Betonprisma auf Zug beansprucht, so versagt es unter einer Spannung, die annähernd 1/ 10 seiner Druckfestigkeit entspricht. Würde man die Bruchstelle mit Epoxidharz verkleben und das Prisma abermals auf Zug beanspruchen, so würde ein erneuter Bruch in jedem Fall an anderer Stelle erfolgen (vorausgesetzt, beim Kleben wurde fehlerfrei gearbeitet), indem die jetzt aufgebrachte Spannung in jedem Fall höher wäre als im ersten Fall. Diesen Versuch kann man beliebig oft wiederholen, wobei die Zugkraft jedes Mal gesteigert werden müsste, wenn auch zunehmend geringer. Dieser Versuch zeigt, dass die kraftschlüssige Füllung eines Risses durchaus erfolgreich sein kann, wenn die vorhandene Belastung des Bauteils die örtliche Zugfestigkeit des Betons gerade eben überschritten hatte. Andererseits hat das kraftschlüssige Füllen eines Risses keinen Sinn, wenn die Rissursache nach wie vor vorhanden ist und die sich daraus ergebenden Spannungen die Zugfestigkeit des Betons weiterhin in jedem Fall überschreiten würden. Hohlräume sind meistens eine Folge von Fehlern beim Verdichten des Betons. 9.4 Arten von Rissen in Beton Im Wesentlichen werden Risse nach ihrer Tiefe, bezogen auf die Bauteilabmessungen, unterschie‐ den. Danach unterteilt man in • oberflächennahe Risse, die nur geringe Querschnittsteile erfassen, z. B. netzartig ausgebildete Risse sowie Längsrisse oberhalb oder parallel zur Bewehrung, und • Trennrisse, die über den gesamten Querschnitt oder über wesentliche Querschnittsteile verlaufen. Derartige Risse lassen sich infolge ihrer Entstehungsursache unterteilen in - Zugrisse - Biegerisse - Schubrisse 276 9 Füllen von Rissen und Hohlräumen <?page no="285"?> Bild 9.1: Oberflächennahe Netzrisse, nach Regen ab‐ trocknend Bild 9.2: Trennriss vor (oben) und nach (unten) dem Strahlen 9.5 Risse in Beton als Mangel Unter Mängelfreiheit wird bei Stahlbeton vom Bauherrn häufig auch Rissefreiheit verstanden. Wie bereits zum Ausdruck gebracht, sind Risse im Beton jedoch grundsätzlich nicht restlos vermeidbar, zumal die Bewehrung erst durch das Reißen des Betons nachhaltig zur Aufnahme von Zugkräften veranlasst wird. Natürlich dürfen hierdurch die Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit der Bauteile nicht beeinträchtigt sein. Deshalb sind Risse als Mangel zu betrachten, wenn folgende Anforderungen nicht oder nicht mehr erfüllt werden: • Korrosionsschutz der Bewehrung, indem über die Risse Schadstoffe, z. B. Chloride, zum Stahl vordringen oder der Zutritt von Kohlendioxyd die Carbonatisierung des Betons partiell beschleunigt. • Dichtheit, indem z. B. bei Tunnelwänden oder Behältern eine nicht vertretbare Menge an Wasser über Risse ein- oder austritt. • Standsicherheit, indem das Tragverhalten von Bauteilen durch Risse in unvertretbarem Maß beeinträchtigt wird. 277 9.5 Risse in Beton als Mangel <?page no="286"?> • Erscheinungsbild, indem die Ästhetik der Bauteiloberflächen bei Sichtbeton nicht ausreichend gewahrt ist. Der zuletzt aufgeführte Fall eines Mangels im Erscheinungsbild ist am schwersten zu quantifizie‐ ren und somit im Falle eines Streites schwer nachzuweisen. Außerdem ist das Füllen der Risse in diesem Fall zur Mängelbeseitigung ungeeignet, so dass hierauf in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen wird. Bezüglich ihres Ausmaßes gelten Risse im Allgemeinen nicht als Mangel, wenn folgende Breiten nicht überschritten werden: Bei Spannbeton 200 µm Bei Normalbeton, außen 300 µm Bei Normalbeton, innen 400 µm Bei wasserundurchlässigem Beton 100 µm Werden diese Rissbreiten, die sich aus den Vorgaben zur Rissbreitenbeschränkung ergeben, überschritten, ist vom sachkundigen Planer zu prüfen, inwieweit unter den gegebenen Umständen Gefahren auftreten könnten und Abhilfe zu schaffen wäre. Dabei können auch Rissbreiten oberhalb der genannten Maße tolerierbar sein, soweit die äußeren Einflüsse sowie entsprechende Dicke und Güte der Betondeckung keine Schäden befürchten lassen. Zwar kann z. B. ein Riss von 100 µm Breite durchaus eine Undichtheit darstellen, doch ist der Wasserdurchgang hierbei gering, und es kann bei derart engen Rissen von der bekannten Selbstheilung des Betons durch Zusintern im Lauf der Zeit ausgegangen werden. 9.6 Erfassung von Rissmerkmalen Um die Notwendigkeiten, Möglichkeiten und Erfolgsaussichten des Füllens von Rissen beurteilen zu können, müssen zunächst deren Merkmale erfasst werden. Hierzu gehören • Rissart • Rissverlauf • Rissbreite • Rissbreitenänderungen • Zustand der Risse und Rissufer • vorangegangene Maßnahmen • Zugänglichkeit der Risse • Rissursachen Die meisten dieser Merkmale können durch Inaugenscheinnahme, in Ausnahmefällen erforder‐ lichenfalls auch durch Bohrkernentnahme sowie Erkundungen anhand früherer Aufzeichnungen erfasst werden. In seltenen Fällen sind auch Berechnungen durchzuführen. Rissbreiten sind ausreichend genau (ca. 50 µm) durch Vergleich mit Rissbreiten-Maßstäben festzustellen. Die Anwendung von Risslupen erfordert Erfahrung, da jeweils nur ein verhältnis‐ mäßig kleiner Rissbereich visuell erfasst werden kann. 278 9 Füllen von Rissen und Hohlräumen <?page no="287"?> Bild 9.3: Bestimmen der Rissbreite von ca. 0,3 mm mit einem Rissbreitenmaßstab Bild 9.4: Bestimmen der Rissbreite von ca. 1,6 mm mit dem Rissbreitenmaßstab 279 9.6 Erfassung von Rissmerkmalen <?page no="288"?> Bild 9.5: Bestimmen der Rissbreite mit einer Lupe Die Bestimmung der Rissbreite muss vor einer evtl. durchzuführenden Obertlächen-Vorbereitung des Betons vorgenommen werden, da die Rissufer durch z. B. Strahlen an den Kanten aufgeweitet werden, wodurch der Riss optisch fälschlicherweise breiter erscheint, als er wirklich ist. Rissbreitenänderungen sind durch Wegänderungsmessungen festzustellen, z. B. mit Setzdeh‐ nungs-Messuhren oder induktiven Wegaufnehmern. Hierbei ist grundsätzlich ein Nullversuch im nicht gerissenen Bereich gleichzeitig vergleichsweise durchzuführen. Bild 9.6: Induktive Wegaufnehmer zum Messen von Rissbewegungen an einem Unterzug Um festzustellen, ob ein Riss sich überhaupt bewegt oder nicht, können Gips- oder Zementmarken über dem Riss aufgebracht werden. Hierbei ist das Einritzen des Datums der Erstellung nicht zu vergessen. Falls sich nach entsprechender Wartezeit kein Riss in der Gips- oder Zementmarke gebildet hat, ist durch Klopfen festzustellen, ob die Marke noch an beiden Rissufern fest haftet oder sich infolge Haftungsverlustes wie ein Schleppblech bewegen kann. 280 9 Füllen von Rissen und Hohlräumen <?page no="289"?> Rissbreitenänderungen können durch jahres- oder tageszeitlich bedingte Temperatur-Wechsel oder infolge Lastwechseln vorliegen. Temperaturbedingte Rissbewegungen können durch Ver‐ kehrslasten, z. B. auf Brücken oder Parkdecks, überlagert werden. Die Wahl des Füllgutes und des Füllverfahrens ist maßgeblich auch vom Feuchtezustand der Risse und Rissufer abhängig. Hierbei wird unterschieden zwischen Rissen, die • DY = dry - trocken (mit umgebungsbedingter Ausgleichsfeuchte) • DP = damp - feucht • WT = wet - nass • WF = waterflow - unter Druck wasserführend sind. Die Feststellungen können visuell oder, falls hiermit eine Unterscheidung zwischen „tro‐ cken“ und „feucht“ nicht möglich sein sollte, anhand von trocken gebohrten Kernen getroffen werden. 9.7 Zwecke und Ziele des Füllens von Rissen Zweck der Rissverfüllung ist es, den infolge Rissbildung entstandenen Mangel zu beseitigen. Das kann sein, den Korrosionsschutz für die Bewehrung, die Dichtheit oder die Tragfähigkeit der Bauteile sicherzustellen oder wiederherzustellen. Hierbei werden folgende Ziele unterschieden: • Schließen Hemmen oder Verhindern des Eindringens von korrosionsfördernden Wirkstoffen • Abdichten Beseitigen von rissbedingten Undichtheiten • Kraftschlüssiges Verbinden Herstellen einer zug-, schub- und druckfesten Verbindung • Dehnbares Verbinden Herstellen einer begrenzt dehnbaren, dichtenden Verbindung zweier Rissflanken Das kraftschlüssige oder dehnfähige Verbinden beinhaltet zwangsläufig das Schließen und Abdichten der Risse, so dass man sich, falls man den Riss nicht nur durch Tränken schließen möchte, ausschließlich zwischen diesen beiden Varianten zu entscheiden hat. 9.8 Füllstoffe 9.8.1 Stoffarten An die Füllstoffe werden folgende grundsätzlichen Anforderungen gestellt: • Der Füllart entsprechende Viskosität bzw. kapillares Steigvermögen • gute Verarbeitbarkeit innerhalb füllartabhängiger definierter Grenzen • ausreichende Mischungsstabilität • geringer Volumenschrumpf • geringes Schwinden und Quellen • ausreichende Haftfestigkeit an den Rissflanken • ausreichende Eigenfestigkeit und ggf. hohe Dehnbarkeit bei geringer Querkontraktion 281 9.7 Zwecke und Ziele des Füllens von Rissen <?page no="290"?> • hohe Alterungsbeständigkeit • ausreichende Temperaturbeständigkeit • nicht korrosionsfördernd • Verträglichkeit mit allen Stoffen, mit denen sie in Berührung kommen Als Füllstoffe stehen Produkte auf Basis von Epoxidharz, Polyurethan und Zement zur Verfügung. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen Füllgut, das durch Tränken bzw. Vergießen oder durch Injektion angewendet werden kann. Dementsprechend werden folgende Füllstoffe unterschieden: EP-T Epoxidharz zum Schließen trockener Risse durch Tränken (T stellt gemäß TR kein eigenständiges Verfahren mehr dar) EP-V zum drucklosen Füllen durch Vergießen ZL-T/ ZS-T Zementleim/ Zementsuspension zum Schließen trockener* und feuchter Risse durch Tränken (T stellt gemäß TR kein eigenständiges Verfahren mehr dar) ZL-V/ ZS-V zum drucklosen Füllen durch Vergießen EP-I Epoxidharz für kraftschlüssiges Verbinden trockener Risse durch Injizieren ZL-I/ ZS-I Zementleim/ Zementsuspension für kraftschlüssiges Verbinden trockener*, feuchter und wasserführender** Risse durch Injizieren PUR-I Polyurethan für begrenzt dehnbares Verbinden trockener*, feuchter und wasser‐ führender** Risse durch Injizieren * gegebenenfalls vornässen gemäß Angaben zur Ausführung des Herstellers ** zusammen mit Maßnahmen zur Druckminderung und rückseitigem Abdichten Die Zugfestigkeit bei kraftschlüssiger Verbindung wird bei Zementleim und Zementsuspension im Regelfall durch die des Füllstoffes bestimmt. Das bedeutet, dass bei höheren Betonfestigkeiten ein wirkliches kraftschlüssiges Verbinden der Rissflanken kaum erzielbar ist. Im Gegensatz dazu wird bei Epoxidharz im Regelfall die Zugfestigkeit des Bauteils durch die des angrenzenden Betons, die grundsätzlich niedriger ist als die des Füllstoffes, falls keine Fehler beim Füllen oder sonstige Mängel vorliegen, bestimmt. 9.8.2 Füllarten In der TR wird die Verwendung dieser Stoffe entsprechend Füllziel, Rohstoffbasis und Bedingun‐ gen wie folgt dargestellt. Dabei wurden Mängel in der wörtlichen Formulierung korrigiert und der Text komprimiert. Da das Tränken kein eigenständiges Verfahren mehr darstellt, wird es im Folgenden auch nicht mehr behandelt: F-I(H) kraftschlüssiger (force transmitting) Verbund durch Injektion mit hydraulischem Füllstoff F-I(P) kraftschlüssiger (force transmitting) Verbund durch Injektion mit polymerem Füllstoff F-V(H) kraftschlüssiger (force transmitting) Verbund durch Verguss mit hydraulischem Füll‐ stoff F-V(P) kraftschlüssiger (force transmitting) Verbund durch Verguss mit polymerem Füllstoff D-I(P) dehnbarer (ductile) Verbund durch Injektion mit polymerem Füllstoff. 282 9 Füllen von Rissen und Hohlräumen <?page no="291"?> In zwei Tabellen wird die Verwendung der Füllstoffe in Abhängigkeit vom Füllziel, den Einwir‐ kungen auf den Füllbereich (Feuchtezustand) und den Verwendungsbedingungen dargestellt. Wie hieraus ersichtlich ist, dürfen für das Vergießen außer Epoxidharz und modifiziertem Polyurethan auch Zementleim und Zementsuspension eingesetzt werden, und zwar von oben auf waagerechten oder schwach geneigten Flächen ohne oder mit Druck > 0,1 bar. In allen anderen Fällen muss folgerichtig zielgerecht unter Druck injiziert werden. 9.8.3 Anwendungsbedingungen Je nach Rohstoffbasis und Modifizierung sind die verschiedenen Füllstoffe unter unterschiedli‐ chen Bedingungen anwendbar. Mindestrissbreite und Mindesttemperatur sowie die Beantwor‐ tung der Frage, welche Maßnahmen zur Füllung bereits vorangegangen sein dürfen, gehen aus nachfolgender Tabelle hervor. Füllstoff Rissbreite Vorangegangene Maßnahmen Temperatur mm °C EP-V ≥ 0,20 keine mit Polymer ≥ 8 ZL-V ≥ 0,80 keine mit Polymer ≥ 5 ZS-V ≥ 0,50 keine mit Polymer ≥ 5 EP-I ≥ 0,10 keine mit Polymer ≥ 8* PUR-I ≥ 0,30** Wiederholg. zulässig ≥ 5 ZL-I ≥ 0,80 keine mit Polymer ≥ 5 ZS-I ≥ 0,25 keine mit Polymer ≥ 5 *niedrigere Anwendungstemperatur gemäß Grundprüfung möglich **ohne Rissbreitenänderung auch kleinere Rissbreiten injizierbar Für lediglich abdichtende Injektion ohne Aufnahme von Bewegungen darf PUR-I, in Abhängigkeit von der Viskosität, auch bei kleineren Rissbreiten angewendet werden. Bei Anwendung und während der Erhärtung darf die Temperatur von Füllgut und Bauteil für EP 8 °C, für ZL/ ZS und PUR 5 °C nicht unterschreiten. Bei explizitem Nachweis ist jedoch auch eine niedrigere Anwendungstemperatur möglich. Wie bei allen Arbeiten mit Kunststoffen und kunstoffmodifizierten Produkten liegt der günstigste Temperaturbereich bei 15 °C - 25 °C. Für das Schließen von Rissen kommen alle Füllgüter und Füllarten in Frage, für das Abdichten alle vergießbaren und zu injizierenden Stoffe. Für das kraftschlüssige Verbinden kommen nur starre Systeme, also EP-I/ V, modifiziertes PÜR, ZL-I/ V und ZS-I/ V, für das dehnbare Verbinden nur das entsprechend elastische System PUR-I in Betracht. Kraftschlüssiges und dehnfähiges Verbinden schließen das Abdichten der Risse mit ein. Feuchte und nasse Risse können nicht mit Epoxidharz gefüllt werden, es sei denn, dass eine Feuchteverträglichkeit explizit nachgewiesen wurde, so dass hierfür ZL-I, ZS-I oder PUR-I, je nachdem, ob ein dehnbares Verbinden erforderlich ist oder nicht, eingesetzt werden. Dabei werden für unter Druck wasserführende Risse zunächst Maßnahmen zu Druckminderung, z. B. Entlas‐ tungsbohrungen oder Wasserhaltung, sowie schnellschäumende Polyurethane SPUR, sogenannte Sekunden-Schäume, in begründeten Ausnahmefällen im hinteren Teil des Bauteilquerschnitts 283 9.8 Füllstoffe <?page no="292"?> eingesetzt, um den Wasserandrang vorübergehend zu stoppen bzw. zu mindern. Die hierbei entstehende grobzellige Schaumstruktur wird beim unmittelbar folgenden Injizieren von PUR-I, in der Regel über zusätzliche Packer, zu Gunsten einer feinzelligen Schaumstruktur weitgehend zerstört, indem nunmehr die eigentliche dichtende und begrenzt dehnbare Füllung entsteht. Bei Undichtigkeiten sollen für eine erneute Injektion neue Packer gesetzt werden. Bild 9.7: Mikroskopische Aufnahme von SPUR im Riss Bild 9.8: Mikroskopische Aufnahme von PUR-I im Riss Sollen trockene Risse mit Zementleim, Zementsuspension oder Polyurethan verfüllt werden, muss gegebenenfalls mit Wasser vorinjiziert werden. Während für Zementleime Norm-Zemente gemäß DIN EN 197-1 bzw. DIN 1164 verwendet werden, kommen für Zementsuspensionen spezielle Feinstzemente, auch Mikrozemente genannt, zum Einsatz. Da die Zugfestigkeit der durch zementgebundene Stoffe hergestellten Verbindungen im Regelfall durch die Festigkeit des Füllstoffes bestimmt wird, ist das kraftschlüssige Verbinden der Rissflanken von Betonen zumindest > C 20/ 25 mit zementgebundem Füllgut fragwürdig. 284 9 Füllen von Rissen und Hohlräumen <?page no="293"?> Bild 9.9: Mikroskopische Aufnahme von EP-I im Riss Bild 9.10: Mikroskopische Aufnahme von ZS-I im Riss 9.8.4 Anwendungstechnik Um Risse und Hohlräume mit den verschiedenen Stoffen zu füllen, sind geeignete Packer, Werkzeuge, Geräte und Maschinen sowie bestimmte Hilfsmittel erforderlich und fachgerecht einzusetzen unter Berücksichtigung der zuvor beschriebenen Anwendungsbedingungen. Zu einem kompletten System gehören folgende Komponenten: • Füllstoff • Verdämmung • Packer • Injektionsgerät 285 9.8 Füllstoffe <?page no="294"?> 9.8.4.1 Einfüllstutzen/ Packer Das Injizieren des Füllstoffes erfolgt über Einfüllstutzen, im Fachjargon „Packer“ genannt. Dieser Begriff ist inzwischen auch in die Regelwerke übernommen worden. Hierbei ist zwischen Bohrpackern und Klebepackern zu unterscheiden. Beide Arten sind mit Ventilen ausgerüstet, über die das Füllgut mit Hilfe von Verpressanlagen injiziert wird. Bohrpacker werden im Winkel von 45° zur Bauteiloberfläche so vorgebohrt, dass die Bohrung den zu verfüllenden Riss mittig trifft. Somit beträgt der Abstand des Bohransatzes vom Riss an der Bauteiloberfläche D/ 2, wenn das Füllen von einer Seite des Bauteils aus bei einer Bauteildicke D ≤ 60 cm erfolgen soll. Die Bohrpacker werden ähnlich wie Dübel im Bohrloch verspannt, so dass hiermit sowohl der Packer fixiert als auch das Bohrloch abgedichtet ist. Bild 9.11: Bohren des Injektionskanals im Winkel von ca. 45° zur Betonoberfläche Bild 9.12: Bohrpacker für das Injizieren von Polymer-Füllstoffen 286 9 Füllen von Rissen und Hohlräumen <?page no="295"?> Bild 9.13: Bohrpacker für das Injizieren von ZL-I und ZS-I Bild 9.14: Querschnitt-Schemazeichnung „Injektionskanal mit Bohrpacker“ Bei einer Bauteildicke D > 60 cm soll möglichst beidseitig gebohrt werden, indem der Abstand vom Riss jetzt folgerichtig D/ 4 beträgt. Somit ist in beiden Fällen sichergestellt, dass sich der Füllstoff von der Mitte des Bauteils her ausbreitet. In Richtung des Risses, von der Betonoberfläche her gesehen, sollen die Packer in den gleichen Abständen, wie zuvor beschrieben, gesetzt werden. Dabei ist abwechselnd von links und rechts zu bohren, damit der Riss mindestens mit jedem zweiten Packer gekreuzt wird, falls er nicht senkrecht zur Oberfläche verlaufen sollte. 287 9.8 Füllstoffe <?page no="296"?> Bild 9.15: Längsschnitt-Schemazeichnung „Anordnung von Bohrpackern“ Klebepacker werden über dem Riss auf der Bauteiloberfläche befestigt, indem sie zusammen mit dem Verdämm-Material, das den Riss nach außen hin abdichtet, verklebt werden. Dabei werden sie mittels Nägeln, die in den lnjektionskanal gesteckt werden, in Rissmitte fixiert, wobei hierdurch nach dem Ziehen des Nagels auch die Öffnung für die Injektion freigehalten wird. Für PUR-I sind Klebepacker nicht geeignet, da es sich beim dehnbaren Verfüllen normalerweise um das Abdichten feuchter, nasser oder sogar wasserführender Risse handelt. 288 9 Füllen von Rissen und Hohlräumen <?page no="297"?> Bild 9.16: Schemazeichnung „Kunststoff-Klebepacker mit Riss und Verdämmung“ Bei Bauteildicken D ≤ 60 cm dürfen Klebepacker ebenfalls einseitig, bei D > 60 cm sollen sie, soweit möglich, beidseitig gesetzt werden. Der Abstand der Klebepacker untereinander beträgt einseitig = D, beidseitig = D/ 2. Bild 9.17: Kunststoff-Klebepacker mit selbstschneidendem Kugelrückschlagventil 289 9.8 Füllstoffe <?page no="298"?> Bild 9.18: Schemazeichnung Längsschnitt „Anordnung von Klebepackern“ Bild 9.19: Einspachteln eines Klebepackers in die Rissverdämmung Abweichungen von den Regelanordnungen der Packer können festgelegt werden, wenn es die Abmessungen, die Form oder die Zugänglichkeit der Bauteile sowie andere zwingende Umstände erfordern, ohne dass der Erfolg der Arbeiten hierdurch grundsätzlich in Frage gestellt wird. Die wesentlichen Vor- und Nachteile der verschiedenen Packer stellen sich wie folgt dar: 290 9 Füllen von Rissen und Hohlräumen <?page no="299"?> 9.8.4.1.1 Klebepacker Vorteile: keine Schädigung des Bauteils einfache Montage geringer Zeitaufwand halbe Anzahl geringere Kosten Nachteile: begrenzter Druck ≤ 60 bar Verdämmung erforderlich, dementsprechend Untergrundvorbereitung nur auf trockenem Beton anwendbar Kleben und Injizieren nicht an 1 d möglich Füllstoffverteilung von außen nach innen 9.8.4.1.2 Bohrpacker Vorteile: Drücke > 60 bar möglich selbst bei nassen Bauteilen anwendbar Verdämmung nicht zwingend erforderlich Setzen der Packer und Injizieren ohne Wartezeit Füllgutverteilung von innen nach außen (Säuberung des Risses) Nachteile Schädigung des Bauteils Gefahr für Bewehrung, insbesondere Spannstahl höherer Zeitaufwand doppelte Anzahl höhere Kosten In oder auf den Bauteilen verbleibende Teile von Packern müssen aus nichtrostenden Werkstoffen bestehen. Entsprechend den Vor- und Nachteilen muss abgewogen werden, welche Eigenschaften für die jeweilige Anwendung maßgebend sind. 9.8.4.2 Verdämmung Um das Auslaufen von Füllgut aus den Rissen zu verhindern, kann ein vorheriges Abdichten der Risse auf der Bauteiloberfläche erforderlich sein. Das ist bei Klebepackern grundsätzlich der Fall. Bei Bohrpackern kann hierauf ggf. verzichtet werden, z. B. bei Injektionen auf waagerechten oder schwach geneigten Flächen von oben oder beim Füllen mit PUR-I, zumal bei wasserführenden Rissen wegen der feuchten oder nassen Bauteiloberfläche ohnehin keine Haftung der Verdäm‐ mung erzielbar wäre. Das für die Verdämmung vorgesehene Material muss einerseits ausreichend an der Beton‐ oberfläche haften, um dem Druck des injizierten Füllgutes standzuhalten, andererseits, soweit es nicht belassen werden kann, rückstandslos entfernbar sein. Da kurzfristige oder tägliche Rissbreitenänderungen häufig nicht auszuschließen sind, sollte die Verdämmung ausreichend dehnbar sein. Hierfür haben sich Spachtelmassen auf Polyurethanbasis als geeignet erwiesen. 291 9.8 Füllstoffe <?page no="300"?> Bild 9.20: Vorbereiten der Betonoberfläche für die Verdämmung mit einem Saugkopf-Strahlgerät Zwecks ausreichender Haftung ist der Betonuntergrund z. B. durch Schleifen oder mit Nadelpis‐ tole, besser durch Strahlen, z. B. mit Saugkopf-Strahlgeräten vorzubereiten. Die Verdämmung sollte den Riss zu beiden Seiten etwa 5 cm breit überdecken und scharfkantig durch Abkleben begrenzt werden, was ein Entfernen mit Stemmwerkzeugen erleichtert, falls erforderlich. Bild 9.21: Entfernen der Verdämmung nach Erhärten des Füllgutes 292 9 Füllen von Rissen und Hohlräumen <?page no="301"?> 9.8.4.3 lnjektionsgeräte Im Wesentlichen wird zwischen Ein- und Zweikomponenten-Anlagen unterschieden. Bei Einkomponentenanlagen wird das Füllgut gemischt; bevor es in den Vorratsbehälter gefüllt wird. Von dort aus wird das Gemisch über eine Pumpe durch Druckleitungen bis zum Füllventil gefördert und dann über die Packer injiziert. Der hierfür erforderliche Druck muss sowohl regelbar als auch begrenzbar sein. Die lnjizierbarkeit von Zementleim und Zementsuspension muss während der Verarbeitungsdauer aufrechterhalten werden, z. B. durch Umwälzen, Filtern und Kühlung. Bild 9.22: Einkomponenten-Injektionsgerät für Polymer-Füllstoffe Bei Zweikomponentenanlagen für Reaktionskunststoffe werden die Harzkomponenten aus getrennten Vorratsbehältern entsprechend dem vorgeschriebenen Mischungsverhältnis zum Füllventil gepumpt und erst dort in einem Mischkopf vermischt, bevor sie dann über den Packer injiziert werden. Über eine weitere Leitung kann Lösemittel zur Reinigung des Mischkopfes und des Füllventils gepumpt werden. Die Anlage sollte beheizt und die Förderleitungen sollten wärmegedämmt sein, um gleichbleibende Viskosität des Füllgutes sicherzustellen. Von Zeit zu Zeit muss die Anlage auf genaue Einhaltung des Mischungsverhältnisses hin kontrolliert werden. Bild 9.23: Zweikomponenten-Injektionsgerät für Polymer-Füllstoffe 293 9.8 Füllstoffe <?page no="302"?> Bild 9.24: Schemazeichnung Zweikomponenten-Injektionsgerät für Polymer-Füllstoffe Ein Vergleich zwischen beiden Gerätetypen ergibt für Reaktionsharze folgendes Bild: Merkmale 1-K-Anlage 2-K-Anlage Gebindegröße ganze Gebinde 1 kg beliebig Gebindeteilung nicht zulässig möglich Verarbeitungszeit genau beachten unbedeutend Leergut viel wenig Füllgutreste möglich keine Arbeitstakte gebindeweise willkürlich Geräteaufwand niedrig hoch Dosierung gebindeweise Überwachung Mischung Sorgfalt erforderlich automatisch Leistung niedrig hoch Temperierung aufwendig ggf. eingebaut Grundsätzlich sollten Injektionen mit dem geringstmöglichen Druck vorgenommen werden. Dabei ist dem Füllgut in Abhängigkeit von seiner Reaktionszeit möglichst viel Zeit einzuräumen, um sich unter Überwindung der Reibungskräfte im Riss verteilen zu können. Nach entsprechender Wartezeit ist nachzuinjizieren, um Verluste durch Undichtheiten, Nachlaufen und kapillares Saugen auszugleichen. Für den zulässigen Druck beim Injizieren über Bohrpacker, um Schädigungen des Bauteils zu vermeiden, gilt die Faustformel Pmax (bar) = Betondruckfestigkeit : 3 x 10 Beispiel für Beton mit 45 N/ mm 2 Druckfestigkeit : 45 : 3 x 10 = 150 bar Diese Formel gilt nur, wenn der Riss ungefähr senkrecht zur Bauteiloberfläche verläuft. Insbesondere bei parallel zur Betonoberfläche oder schalenförmig verlaufenden Rissen sind die lnjektionsdrücke möglichst niedrig zu halten, um Schädigungen des Bauteils zu vermeiden. 294 9 Füllen von Rissen und Hohlräumen <?page no="303"?> 9.8.4.4 Ausführungshinweise Über die in den vorherigen Abschnitten bereits dargelegten Anwendungsbedingungen hinaus werden folgende ergänzenden Hinweise gegeben: Das Dosieren und Mischen der Füllstoffe muss sehr sorgfältig erfolgen. Für einkomponentige Verarbeitung dürfen deshalb nur vollständige Gebinde angemischt werden. Für Zement-Suspen‐ sionen werden schnell laufende Kolloidal-Mischer bis 8000 U/ min eingesetzt. Während der Gebinde-Verarbeitungszeit ist die Viskosität der Suspension zu überprüfen und dafür zu sorgen, dass sie während der Verarbeitung stabil bleibt. Bild 9.25: Mischen von ZS-I mit einem schnell laufenden Kolloidal-Mischer 295 9.8 Füllstoffe <?page no="304"?> Rissflanken müssen frei von haftungsmindernden Verunreinigungen sein. Vor dem Füllen sind die Risse bzw. Bohrkanäle mit Druckluft, Blasebalg oder Luftpumpe auszublasen oder freizusaugen. Nicht nur für hydraulisch härtende Produkte, sondern auch für PUR-I kann das Spülen mit Wasser vor dem Injizieren erforderlich sein. Bild 9.26: Reinigen des Injektionskanals durch Ausblasen mit Luftpumpe Beim Vergießen ist den Rissen so lange Füllgut anzubieten, bis kein Material mehr eindringt. Diese Füllart kann durch Aufstrahlen oder talförmiges Aufstemmen der Risse an der Oberfläche des Bauteils oder durch beidseits der Risse aufgebrachte Dämme (Deiche) aus Kitt, Kleber oder Mörtel intensiviert werden. Überschüssiges Harz kann vor dem Erhärten entfernt und die an der Betonoberfläche haftenden Reste mit feinem, trockenem Quarzsand abgestreut werden, so dass es bei einer evtl. später aufzubringenden Beschichtung keine Haftmängel gibt. Bild 9.27: Vergießen von Rissen mit EP-V auf einem Parkdeck 296 9 Füllen von Rissen und Hohlräumen <?page no="305"?> Bild 9.28: Bohrkern im Längsschnitt mit Rissfüllung durch Vergießen mit EP-V Bild 9.29: Injizieren von EP-I über Klebepacker von unten nach oben 297 9.8 Füllstoffe <?page no="306"?> Die sogenannte „Pinselinjektion“, bei der senkrecht oder über Kopf verlaufende Risse so lange mit Epoxidharz bepinselt werden, bis kapillar kein Füllgut mehr aufgenommen wird, kann, wenngleich immer wieder zitiert, nicht zu den eigentlichen Füllarten zum Schließen von Rissen gezählt werden. Beim Injizieren senkrecht oder geneigt verlaufender Risse ist grundsätzlich von unten nach oben zu füllen. Dabei wird das Ventil des jeweils folgenden Einfüllstutzens erst geschlossen, wenn dort Material ausgetreten ist. Oberhalb des letzten Packers am Riss ist zu dem gleichen Zweck das Rissende nicht vollständig zu verdämmen, um auch hier den Materialaustritt beobachten zu können. Bei waagerecht verlaufenden Rissen, sowohl von unten als von oben, ist von der größten Rissbreite aus zum Rissende hin zu verfüllen. Vor Beginn des Füllvorgangs gegebenenfalls an der Verdämmung oder im Bereich der Packer erkennbare Undichtigkeiten können durch schnellhärtende Spachtelmassen, vorzugsweise auf Basis Polymethylmethacrylat, kurzfristig beseitigt werden. Bild 9.30: Beseitigen von Undichtigkeiten der Verdämmung mit PMMA-Spachtel Nach einer der Reaktivität des Füllgutes und der Bauteiltemperatur entsprechenden Wartezeit ist an allen Packern nachzuinjizieren, und zwar auch dann, wenn diese zuvor nicht benutzt wurden. Als häufigste Ursachen für Fehlschläge, die ein erneutes Öffnen der Risse und damit Undich‐ theiten oder Verlust der Kraftschlüssigkeit zur Folge haben können, sind Fehler beim Dosieren und Mischen des Füllgutes, unvollständiges Füllen des Risses, fehlendes Nachinjizieren, Feuchtigkeit (bei EP), verölte oder verschmutzte Rissflanken, zu niedrige Temperaturen oder zu große Rissbewegungen während (bei EP oder ZL/ ZS) oder nach Erhärtung des Füllstoffes zu nennen. Das Füllen von Hohlräumen erfolgt in der Regel durch Rasterinjektion. Für trockene Hohlräume mit einem Volumen ≤ 100 cm³ kann EP-I eingesetzt werden. Wegen des geringen E-Moduls dient es jedoch nicht der Verfestigung. Füllen von Hohlräumen mit ZL-I und ZS-I wirkt für Hohlräume und haufwerksporiges Beton‐ gefüge verfestigend bei beliebigen Feuchtezuständen. Die Wahl richtet sich nach der Struktur der Hohlräume unter Beachtung des unterschiedlichen Eindringvermögens von ZL und ZS unter Berücksichtigung der Druckfestigkeit des Füllstoffes bei der vorliegenden Altbetonklasse. Falls die Standsicherheit durch die Hohlräume nicht beeinträchtigt ist, kann auch PUR-I eingesetzt werden. 298 9 Füllen von Rissen und Hohlräumen <?page no="307"?> Die Durchführung der Maßnahmen zur Riss- und Hohlraumfüllung ist zu dokumentieren. Hierzu gehören das Anfertigen von Zeichnungen, z. B. in Form von Abwicklungen bei Stützen, Unterzügen u. ä. sowie ergänzende Fotos, vor allem dann, wenn die Verfüllungen später nicht mehr lokalisierbar sind, weil sie z. B. durch Oberflächenschutz-Maßnahmen abgedeckt sind, weiterhin allgemeine Angaben, Tages- und Rissprotokoll. Hierzu sind in den ZTV-ING Muster zu finden. 9.8.4.5 Kontrollprüfungen Kontrollprüfungen dienen der Feststellung der Fülltiefe, was zuverlässig nur durch zerstörende Prüfungen, die deshalb auf begründete Fälle beschränkt werden sollen, erreicht werden kann. Beim Tränken mit Epoxidharz gilt die geforderte Fülltiefe als erreicht, wenn sie mindestens dem 15-fachen der Rissbreite entspricht oder mindestens 5 mm beträgt, wobei der kleinere Wert maßgebend ist. Durch Injektion müssen Risse mindestens zu 80 % gefüllt werden. Risse gelten als vollständig gefüllt, wenn die an der Mantelfläche des Bohrkerns oder an den Schnittflächen der in Scheiben geschnittenen Bohrkerne sichtbaren Risse nicht gefüllte Bereiche < 20 % aufweisen. Hierbei werden nur die Rissbereiche über 0,05 mm Breite, bei Zementleim > 0,2 mm Breite, gewertet. Bild 9.31: Schemazeichnung Kontrolle der Füllung von Rissen an Mantelfläche eines Bohrkerns Nach kraftschlüssigen Injektionen mit Epoxidharz dürfen keine Rissbreitenänderungen mehr auftreten. Nach dehnbaren Injektionen mit Polyurethan dürfen keine Undichtigkeiten des Bauteils mehr vorhanden sein. 9.9 Literatur [1] Christoph Helf: Füllen von Rissen. Bautenschutz + Bausanierung 01/ 94 und 2/ 94. [2] SIA Empfehlung 162/ 5: Erhaltung von Betontragwerken. Schweizerischer Ingenieur- und Architek‐ ten-Verein Juli 1997. 299 9.9 Literatur <?page no="308"?> [3] M. Schröder: Dichtspritze - Technische Hinweise für das Füllen von Rissen in Beton mit Stoffen auf Reaktionsharz- und Zementbasis. db deutsche bauzeitung 134. Jahrgang 3/ 2000. [4] Schriftenreihe der Zement- und Betonindustrie. Stahlbetonoberflächen schützen, erhalten, instandset‐ zen. Verlag Bau+Technik GmbH 2008. [5] M. Schröder und 7 Mitautoren: Schutz und Instandsetzung von Stahlbeton. Anleitung zur sachkundigen Planung und Ausführung. 7., überarbeitete Auflage. expert verlag 2015. [6] M. Schröder: Richtig gefüllt - Sanierung von Rissen in Betonbauteilen. bauhandwerk 4.2016. [7] Die in Kapitel 1 aufgeführten Regelwerke. 300 9 Füllen von Rissen und Hohlräumen <?page no="309"?> 10 Tragwerksverhalten S. Wehrle 10.1 Verstärken 10.1.1 Einleitung Die nachfolgenden Ausführungen sind eine Überarbeitung des Textes von C. Flohrer in [16]. Verstärkungsmaßnahmen zur statisch konstruktiven Ertüchtigung oder Verbesserung von Stahlbetonbauteilen erfuhren in den vergangenen Jahren eine vielfältige Entwicklung. Voraussetzung für jede Verstärkungsmaßnahme ist eine genaue Bestandsaufnah me, die neben den Abmessungen auch Baustoffkennwerte erfassen muss. Bei der Beurteilung von Bauwerken im Rahmen der Bauwerksdiagnose ist außerdem eine Bewertung vorzunehmen, die eine Aussage zur Einschränkung der Optik, der Dauerhaftigkeit, der Gebrauchstauglichkeit und zur Standsicherheit beinhaltet. Sind die Standsicherheit oder die Dauerhaftigkeit eingeschränkt oder soll ein Bau werk einer geänderten Nutzung zugeführt werden, können Maßnahmen zur statisch konstruktiven Verstärkung erforderlich werden. Im Vergleich zu der in Abschnitt 10.2 angesprochenen Ertüchtigung bedeutet das Verstärken, eine mögliche Erhöhung der Nutzlasten im Bergleich zu einer Ertüchtigung (Abschnitt 10.2), bei der der ehemals vorhandene IstZustand wiederhergestellt wird. 10.1.2 Ziele von Verstärkungsmaßnahmen Eine Erhöhung der Tragfähigkeit eines Stahlbetonbauteils kann durch die Kombination mit geeigneten Materialien erfolgen. Voraussetzung ist die kraftschlüssige Verbindung zwischen dem bestehenden Bauteil und dem Verstärkungselement. Das Verstärken kann z. B. erforderlich werden, bei • Schäden an Stahlbetonbauteilen mit korrosionsbedingtem reduzierten Stahlquerschnitt • Nutzungsänderung, wenn z. B. die Nutz- oder Verkehrslast erhöht werden soll • Änderungen des statischen Systems, wenn z. B. große Durchbrüche die Lagerungsbedingun‐ gen von Decken ändern • Bemessungs-, Planungs- oder Ausführungsfehlern Ziele von Verstärkungs können sein: • Erhöhung der bisher nutzbaren/ aufnehmbaren Lastbeanspruchung (Druck-, Biegezug-, Zug-, Schubbeanspruchung) • Erhöhung der Erdbebensicherheit (z. B. Erhöhung der Duktilität der Bauteile) • Erhöhung der Dauerhaftigkeit, wie z. B. Wasserundurchlässigkeit, Frostbeständigkeit oder Chlorideindringwiderstand <?page no="310"?> 10.1.3 Mögliche Verstärkungsmaßnahmen Eine systematische Darstellung der Ziele, Verfahren und Techniken des Verstärkens von Beton‐ bauteilen ist in [1,2] gegeben. In der Technischen Regel „Instandhaltung von Betonbauwerken“ [19] ist das erste Mal im Zuge eines Regelwerks im Sinne der Instandhaltung von Betonbauwerken das Instandsetzungsprinzip "Verstärken des Betontragwerks“ beschrieben. In der TR ist dies das Prinzip 4, entprechend der dortigen Tabelle 5, im Teil 1. Auf die dortigen Ausführungen wird im Abschnitt 10.1.4 eingegangen. Verstärken von Betonbauteilen ist eine örtliche oder das ganze Bauwerk umfassende konstruk‐ tive Maßnahme, die in der Regel rechnerisch nachzuweisen ist, mit dem Ziel die Tragfähigkeit, die Gebrauchstauglichkeit, die Dauerhaftigkeit und das Ermüdungsverhalten zu erhöhen oder günstig zu verändern. Prinzipielle Möglichkeiten zur Verstärkung und Ertüchtigung sind: • Verstärken oder Ertüchtigen von Druckgliedern mit Ortbeton- oder Spritzbetonergänzungen mit oder ohne Bewehrungsverstärkung • Erhöhung der statischen Nutzhöhe durch Aufbeton • Verstärken oder Ertüchtigen von Biegeträgern mit Ortbeton- oder Spritzbetonergänzungen und Bewehungsergänzung • Verstärken oder Ertüchtigen mit eingeschlitzter Bewehrung • Verstärken oder Ertüchtigen mit externer Vorspannung (mit oder ohne Verbund) Verstärken mit auf die Oberfläche geklebten Stahllaschen, CFK-Lamellen, CF-Sheets • Verstärken oder Ertüchtigen mit eingeschlitzten CFK-Lamellen • Verstärken oder Ertüchtigen durch Erhöhung der Duktilität durch CF-Sheets, engmaschiger dichter Netzbewehrung • Verstärken oder Ertüchtigen durch Erhöhung des Verschleißwiderstandes (z. B. Erhöhung der Schlagzähigkeit) von Betonoberflächen • Ertüchtigung durch Erhöhung des Widerstandes des bestehenden Bauwerks durch Injektion von Rissen und Hohlräumen oder Tränkung • Verstärken oder Ertüchtigen durch Erhöhung des Widerstandes gegen chemischen Angriff oder Chloriddiffusion durch Hochleistungsbeton 10.1.3.1 Verstärken von Druckgliedern mit Spritzbeton oder Ortbeton Die Qualität der Querschnittsergänzung hängt wesentlich vom Erreichen eines ausreichenden vollflächigen Haftverbundes ab. Dieser wird i. A. durch Vorbereitung des Untergrunds durch Strahlen mit trockenem oder feuchtem Strahlmittel oder Hochdruckwasserstrahlen oder im Ein‐ zelfall durch einen flächigen Verbund über Haftbrücken erreicht. Auch einzelne Verbundelemente, wie Anker oder Dübel in Bohrlöchern können erforderlich werden. Zur Sicherung der ergänzenden Tragwirkung durch den neuen Beton ist neben dem Haftver‐ bund zwischen Alt- und Neubeton ein ausreichender Verbund des Spritzbetons zur eingespritzten Bewehrung erforderlich. Beispiele sind Stützenverstärkungen. Der Einsatz von Spritzbeton hat Vorteile beim Anschluss an Decken, wenn nicht gleichzeitig die Anschlussbewehrung in die Decken ergänzt werden muss. Alternativ kann auch Ortbeton zum Einsatz kommen. Bei gleichzeitigem Freilegen des Deckenanschlusses mit Hochdruckwas‐ serstrahlen kann ergänzende Anschlussbewehrung eingebaut werden. 302 10 Tragwerksverhalten <?page no="311"?> 10.1.3.2 Erhöhung der statischen Nutzhöhe durch Aufbeton Durch Aufbringen einer Aufbetonschicht im dauerhaften Verbund kann die statische Nutzhöhe erhöht werden. Die Sicherstellung der Verbundwirkung wird durch Verbundmittel, wie Dübel oder Anschlussbewehrung erreicht. 10.1.3.3 Verstärken der Zugzone mittels Bewehrung und Spritzbeton Für das Verstärken der Zugzone von Stahlbetonbauteilen stellt das Aufbringen einer neuen Spritzbetonschale eine bekannte Lösung dar. Verfahrensbedingt wird ein guter Verbund mit dem Untergrund erreicht, wenn eine zuvor erforderliche Untergrundbehandlung durchgeführt wird und der Untergrund ausreichend tragfähig ist. Der Spritzbeton ist derzeit in Deutschland in DIN 18551 [3] genormt. Bei der Durchführung von Verstärkungsmaßnahmen mit Spritzbeton sind folgende Arbeits‐ schritte auszuführen: Bemessung der Verstärkung [4], Vorbehandlung des Untergrunds, Einbau der Bewehrung und der Verbundmi ttel, Auftrag des Spritzbetons, Nachbehandlung, Qualitätssi‐ cherung [5]. Als statische Nachweise müssen geführt werden: Nachweis der Zugbewehrung mit Zugkraft‐ deckung, Nachweise der Schubsicherung, Nachweis der Verbundmittel, Nachweis der Aufnahme der Auflagerkraft. 10.1.3.4 Verstärken oder Ertüchtigen mit eingeschlitzter Bewehrung Eine mögliche Verstärkungstechnik erfolgt durch Einbau von Bewehrung in den Altbeton mittels durch Hochdruckwasserstrahlen hergestellter Schlitze. Dazu sind Schlitze im Altbeton herzu‐ stellen, die ein Einfädeln der Zusatzbewehrung hinter die vorhandene Bewehrung ermöglicht. Die Schlitze werden durch schienengeführte HDW-Düsenköpfe hergestellt. Nach Einbau der zusätzlichen Bewehrung wird der Schlitz mit Spritzbeton oder Vergussbeton kraftschlüssig verfüllt und somit der Verbund zum Altbeton und der Korrosionsschutz gesichert. Das Verfahren wurde beispielsweise bei der Mainbrücke Dettelbach sowie bei der Ruhrbrücke Kupferdreh erfolgreich eingesetzt [6]. Die Verstärkung von Betonbauteilen ist eine örtliche oder eine die Gesamtkonstruktion betreffende konstruktive Maßnahme. Durch Querschnittser‐ gänzung oder durch eine Änderung des Tragsystems wird die Gebrauchstauglichkeit wieder hergestellt oder gesteigert. Eine Verstärkungsmaßnahme erfordert einen statischen Nachweis des Gesamtbauteils. 10.1.3.5 Verstärken oder Ertüchtigen mit externer Vorspannung (mit oder ohne Verbund) Mit nachträglich eingebauten Spanngliedern können z. B. Hohlkastenbrücken verstärkt werden. Dazu kann es erforderlich sein, dass neue Querträger eingebaut werden müssen, die zur Verankerung der Spannglieder eingesetzt werden. Auch Umlenkpunkte für die Umlenkung der extern im Hohlkasten geführten Spannglieder können zusätzlich erforderlich werden. Bei der Instandsetzung einer Fußgängerbrücke in Hamburg wurde beispielsweise der mittlere Brückenteil mit den internen Spanngliedern abgebrochen und durch ein schlaff bewehrtes Bauteil ersetzt. Für die Umbauphase wurden die Bauteile, die nicht abgerissen wurden, temporär abgestützt. Anschließend wurden neue Querträger in den bestehenden Hohlkasten betoniert und externe Spannglieder im Hohlkasten eingebaut. Anschließend wurde der Mittelteil der Brücke neu betoniert. Nach Erreichen der erforderlichen Druckfestigkeit des Betons wurden die neu eingebauten, extern geführten Spannglieder vorgespannt. 303 10.1 Verstärken <?page no="312"?> Als weiteres Beispiel kann eine Brückenverbreiterung genannt werden, bei der der gesamte Überbau erneuert wurde und dieser im Verbund mit dem bestehenden mehrzelligen Hohlkasten geplant wurde. Dazu war es erforderlich, die Brücke wegen des zusätzlichen Gewichts durch Ein‐ bau externer Spannglieder zu verstärken. Die bei dem Verbund Altbeton-Neubeton entstehenden Zwangspannungen im Beton müssen dabei durch betontechnische Maßnahmen und Kühlung des Betons beherrscht werden, um die Rissbildung im Neubeton wirksam zu begrenzen [7]. 10.1.3.6 Verstärken mit auf die Oberfläche geklebten Stahllaschen, CFK-Lamellen Bei der Verstärkung mit geklebten Laschen aus Stahl oder Lamellen aus CFK (carbonfaservers‐ tärkte Kunststoffe) sind in Analogie zur Verstärkung mit Spritzbeton und lnnenbewehrung ebenfalls folgende Arbeitsschritte erforderlich: Bemessung der Verstärkung, Vorbehandlung des Untergrunds, Applikation der Lamellen, Planung und Umsetzung von Brandschutzmaßnahmen, Qualitätssicherungsmaßnahmen. Die Bemessung und konstruktive Durchbildung von Laschen oder Lamellen müssen entspre‐ chend den Regeln des Stahlbetonbaus erfolgen. Nachzuweisen sind die erforderliche Zugbeweh‐ rung mit Zugkraftdeckung, die Schubsicherung und die (End-)Verankerung der Laschen und Lamellen. Wichtig ist die wirklichkeitsnahe Erfassung des Ist-Zustands, insbesondere den Vordehnungs‐ zustand der bestehenden Bewehrung [5]. leistungsfähige Bemessungsprogramme stehen zur Verfügung [8]. Der natürliche Verbund zwischen Bewehrung und Beton muss bei Verstärkung mit Laschen oder Lamellen durch den Klebstoff hergestellt werden. Temperaturunterschiede zwischen Lamel‐ len und Beton führen zu zusätzlichen Schubspannungen und müssen vermieden werden (z. B. keine direkte Sonneneinstrahlung). Der Korrosionsschutz bei Stahllaschen wird durch den Kleber sowie eine zusätzliche Beschichtung sichergestellt. Der Brandschutz von Lamellen oder Stahllaschen ist im Vergleich zu Stahlbeton alleine durch die Baustoffe selbst nicht gegeben. Maßgebend für das Versagen im Brandfall ist primär der Kleber, der bereits bei einer Glasübergangstemperatur von 85 °C schnell an Festigkeit verliert, wodurch der Verbund vollständig verloren geht. Der Brandschutz ist somit durch zusätzliche Ummantelung z. B. mit Brandschutzplatten sicherzustellen. Stahllaschen müssen zusätzlich durch mechanische Befestigung gegen Herabstürzen gesichert werden. CFK-Lamellen haben gegenüber Stahl den Vorteil des höheren E-Moduls und der höheren Zugfestigkeit. CFK und Lamellen mit anderen Fasern weisen gegenüber Stahllaschen zudem erhebliche Vorteile wegen des geringen Gewichts, der geringen Aufbauhöhe, der leichten Verarbeitbarkeit durch dünne, biegsame Bänder, der Möglichkeit der kreuzweisen Verlegung und der hohen Korrosionsbeständigkeit auf (Bilder 13 und 14). Grundlagen für die Instandsetzung von Stahlbetonbauteilen mit Kohlefaserverstärkten Kunststoffen enthält [9]. Die allgemeine Regelung erfolgt zwischenzeitlich über die Richtlinie des Deutschen Ausschuss für Stahlbeton [17]. Dort sind alle maßgeblichen Berechnungsgänge für die statischen Nachweise auf Grundlage des Eurocode 2 [18] ausführlich beschrieben. Zur Applikation von CFK-Lamellen muss eine bauaufsichtliche Zulassung für das Verstär‐ kungselement, den Kleber und den Primer vorliegen, die Ausführung darf nur von Unternehmen erfolgen, die ihre Eignung durch eine Erstprüfung des Betriebes und des Personals sowie durch praktische Eignungsversuche nachgewiesen haben. Beispiele sind in [10] beschrieben. 304 10 Tragwerksverhalten <?page no="313"?> Grundsätzlich können CFK-Lamellen schlaff oder im vorgespannten Zustand appliziert wer‐ den. Lamellen aus Glas und Aramidfasern können sich in Einzelfällen als weichere Materialien besser zur Vorspannung als hochmodulige C-Fasern eignen. CFK-Lamellen bestehen aus einzelnen, 5 bis 7 mm dicken Fasern aus Kohlenstoff, die in eine Matrix aus Epoxydharz eingebettet werden. Die Lamellen werden im Strangziehverfahren hergestellt, wobei die Carbonfasern kontinuierlich mit Harz getränkt und die Lamellen unter Wärmeeinwirkung ausgehärtet werden. Der Faser-Volumen-Anteil liegt bei rund 70 %. Die Fasern sind in der Lamelle unidirektional angeordnet, wodurch sich in Lamellenrichtung eine sehr hohe Zugfestigkeit von 1200 bis 3000 N/ mm 2 erreichen lässt. Dagegen wird quer zur Faserorientierung eine relativ geringe Zugfestigkeit erreicht. Durch die Wahl der von den Herstellern mit verschiedenen E-Modulen angebotenen Carbonfasern kann der E-Modul der fertigen CFK-Lamellen gezielt eingestellt werden. 10.1.3.7 Verstärken oder Ertüchtigen mit eingeschlitzten CFK-Lamellen Weitere Vorteile bezüglichen der statischen Wirksamkeit sowie der Aufbauhöhe und des Brand‐ schutzes haben CFK-Lamellen, die in zuvor geschnittene Schlitze im Bereich der Betondeckung eingebaut werden. Durch den Einbau der Lamellen in Schlitze kann die statische Höhe der Lamel‐ len optimal ausgenutzt werden. Voraussetzung ist eine durchgängig ausreichende Betondeckung, da sonst beim Schlitzen einzelne Bewehrungsstäbe durchtrennt werden könnten (Bilder 21 u. 22). Über ausgeführte Beispiele wird in [11) berichtet. Für die statischen Nachweise, handwerkliche Vorgaben etc. gilt [17]. 10.1.3.8 Verstärken oder Ertüchtigen durch Erhöhung der Duktilität durch CF-Sheets, oder engmaschiger dichter Netzbewehrung Die Steigerung der Duktilität von Wandbauteilen oder Stützen kann Ziel von Verstärkungsmaß‐ nahmen bei Bauteilen mit Erdbebebeanspruchung sein. Dies wird erreicht durch eine flächig im Verbund aufgebrachte hochwirksame Bewehrung. Vergleichbare Wirkung wird auch durch die Umschnürung von Stützen erreicht, wobei gleichzeitig die aufnehmbare Druckspannung deutlich erhöht wird. Als Bewehrungsmaterialien können CF-Sheets oder mehrlagige dünne Netzbeweh‐ rung aus geschweißten Stahldrahtmatten eingesetzt werden. Für Stützenummantelungen werden auch Stahlschalen eingesetzt. Die CF-Sheets sind für Trocken- oder Nassapplikation geeignet. Als Fasern werden Carbon oder Aramid verwendet. Bei CF-Sheets sind die Fasern bidirektional als Gewebe eingesetzt, und damit leicht gekrümmt eingebaut. Bei Krafteinleitung werden die Fasern erst gestreckt, was zu größerer Verformbarkeit führt. Zur Ertüchtigung von Bauteilen gegen Erdbebenbeanspruchung werden auch CF-Gewebe in eine zementgebundene Matrix (PCC-Mörtel) eingebettet. Vorteile sind die preiswertere Matrix und die Applikation auch auf feuchtem Untergrund [12]. Der Einsatz mehrlagiger dünner Netzbewehrung aus geschweißten Stahldrahtmatten z. B. bei explosionsgefährdeten Bauteilen, bei Beschussflächen oder auch bei Stützenumschnürungen hat das wesentliche Ziel, die dadurch deutlich gesteigerte Duktilität des Betons zu nutzen (DUCON) [13]. Der mikrobewehrte Hochleistungsbestehen entsteht durch Auslegen von Drahtmattenpaketen mit anschließender Mörtelinfiltration mit Hochleistungsmörtel. Die erreichbare Druckfestigkeit des mikrobewehrten Hochleistungsbetons 305 10.1 Verstärken <?page no="314"?> liegt bei 90-140 N/ mm 2 , die Biegezugfestigkeit bei 16-75 N/ mm 2 und die zentrische Zugfestigkeit bei 9-15 N/ mm 2 . Realisierbare Bauteildicken liegen zwischen 10 und 100 mm. Damit lassen sich hochduktile, abriebfeste, Trost-Tausalz beständige, wasserdichte Verschleiß- und Dichtflächen herstellen. Der mikrobewehrte Hochleistungsbeton wird auch zur Umschnü‐ rung von erdbebengefährdeten Stützen eingesetzt. Durch Einsatz bei Wandscheiben als beidseitig aufgebrachte Flächenbewehrung können Bauteile preiswert nachträglich für Erdbebenbeanspru‐ chung ertüchtigt werden. 10.1.3.9 Verstärken durch Erhöhung des Verschleißwiderstandes (z. B. Erhöhung der Schlagzähigkeit) von Betonoberflächen Durch Einbau von hochverschleißfesten und hochduktilen Schichten eines stahlfaserbewehrten Feinbetons kann eine Dichtfläche entstehen. Die Schicht weist wegen des hohen Stahlfasergehal‐ tes auch bei fehlendem Verbund zum Untergrund eine extreme Duktilität (feinste Rissverteilung bei großen Verformungen) auf. Zum Einbau werden zunächst Stahlfasern als dichte Packung ausgelegt und anschließend mit Hochleistungs-Feinmörtel infiltriert (SIFCON) [14]. 10.1.4 Verstärken gemäß TR In der TR [19] werden die folgenden Prinzipien zur verstärkung beschrieben: • Zufügen und Auswechseln von Bewehrungsstäben • Verstärken durch gklebte Bewehrung • Querschnittsergänzung durch Mörtel oder Beton • Füllen von Rissen oder Hohlräumen Das Verstärken durch geklebte Bewehrung erfolgt entsprechend den Vorgaben in der Richtlinie des DAfStb für das Verstärken von Betonbauteilen mit geklebter Bewehrung [17]. Für das Füllen von Rissen und Hohlräumen gelten die Vorgaben aus der TR für das Injizieren von Rissen. Bei der Querschnittsergänzung durch Mörtel oder Beteon sind die Baustoffvorgaben aus der TR zu beachten. Der verbund zum Untergrund ist über die Bewehrung oder eine Verankerung oder über Adhäsion sicherzustellen. 10.1.4.1 Ertüchtigung durch Erhöhung des Widerstandes des bestehenden Bauwerks durch Injektion von Rissen und Hohlräumen oder Tränkung Stark gerissene Bauteile können durch eine spezielle Injektion mit Epoxydharz ertüchtigt werden, so dass die ursprünglichen Eigenschaften der Tragkonstruktion (aufnehmbare Druck- und Biegezugspannungen) wieder hergestellt werden. Eine derartige Ertüchtigung kann erforderlich werden, wenn z. B. Stahlbetonbauteile durch treibenden Angriff starke Rissbildung aufweisen. Ein derartiger treibender Angriff kann z. B. durch Reaktion reaktiver Zuschläge mit den Alkalien des Zements entstehen, wenn gleichzeitig ein ausreichendes Feuchtigkeitsangebot vorliegt (Alkali-Kieselsäure-Reaktion AKR oder Reaktion mit pyrithaltigen Zuschlägen). Die Risse sind stark verzweigt und sehr klein, da sie von einzelnen Zuschlagkörnern ausgehen und durchdringen das gesamte Bauteil. Eine Injektion mit Epoxydharz unter hohem Druck führt nicht zum Ziel, da damit nicht alle Risse erreicht oder die Risse nur oberflächig verpresst werden. 306 10 Tragwerksverhalten <?page no="315"?> Die Injektion derartiger Risse gelingt sicher im Niederdruckverfahren unter Verwendung spezieller FederdruckInjektoren und niedrigviskosen Epoxydharzen mit langer Verarbeitungszeit. Ein Beispiel für die Anwendung der Technologie ist in [15] ausführlich beschrieben. 10.1.4.2 Ertüchtigen durch Erhöhung des Widerstandes gegen chemischen Angriff oder Chloriddiffusion durch Hochleistungsbeton Die Verbesserung von Stahlbetonoberflächen gegenüber den angreifenden Medien stellt ebenfalls eine Verstärkung oder Ertüchtigung eines Bauwerks dar. Entsprechend den Regelungen bei der Instandsetzung von Bauwerken (RILI SIB oder DIN EN 1504) kann eine derartige Verbesserung durch Auftrag von Oberflächenschutzsystemen gelingen, um die Betonoberflächen vor dem Angriff der Medien zu schützen. In vielen Fällen ist es aber erforderlich, den Beton selbst zu ertüchtigen. Dazu besteht die Möglichkeit, das Bauwerk durch eine Vorsatzschale aus Beton oder Spritzbeton gegenüber dem Angriff resistent zu machen. Beispielsweise wurde die geforderte Wasserundurchlässigkeit eines Bauwerks durch Auftragen einer ca. 10 cm dicken Spritzbetonschicht im Nachhinein erreicht, nachdem die ursprüngliche Konstruktion diese Eigenschaft nicht erfüllt hatte (Bild 31). Neben dem Auftrag des Spritzbetons in der Fläche wurden ergänzend die Arbeitsfugen mittels Hochdruckwasserstrahlen aufgeschnitten und mit Zementsuspension kraftschlüssig verpresst. Maßgeblich für die Sicherstellung der erforderlichen Eigenschaften ist der dauerhafte Verbund des Spritzbetons zum Altbeton, der durch Untergrundvorbehandlung mittels Hochdruckwasserstrahlen hergestellt wurde. Neben der Untergrundvorbehandlung ist die Nachbehandlung des Spritzbetons von herausragender Wichtigkeit, um Risse im Spritzbeton und damit nachfolgende Verbundstörungen zu vermeiden. Die Nachbehandlung wird am sichersten erreicht, wenn die Spritzbetonflächen abgehängt werden und der Luftraum zwischen Abhängung und Spritzbeton über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen dauerhaft mit hoher Luftfeuchtigkeit beaufschlagt wird, z. B. durch Einsatz von Nebeldüsen (Bild 32). Zur nachträglichen Ertüchtigung eines anderen Teils des Bauwerks gegenüber Frostangriff wurde eine Spritzbetonschicht appliziert, die durch Verwendung von Mikrohohlkugeln den erforderlichen Widerstand gegen Frost-Tauwechsel sicherstellt. 10.1.5 Literatur [1] Ivanyi, G.: Verstärken von Betonbauteilen - Ziele, Verfahren, Techniken; Beton- und Stahlbetonbau 1/ 1994, Verlag Ernst u. Sohn. [2] Schäfer, H.G., u.a.: Verstärken von Betonbauteilen - Sachstandsbericht; DAfStb, Heft 467, Beuth Verlag, Berlin 1996. [3] DIN 18551 Spritzbeton, Fassung 01/ 2005. [4] Onken, 8., Matzdorf, D., Hankers, C.: Verstärkung per Mausklick - Bemessungsprogramm für Spritzbe‐ ton; Beton- und Stahlbetonbau 9/ 2001, Verlag Ernst u. Sohn. [5] Hankers, C.: Möglichkeiten zur Verstärkung von Stahlbetonbauteilen; Beton- und Stahlbeton 9/ 2000, Verlag Ernst u. Sohn. [6] lvanyi, G., Schautes, H., Buschmeyer, W., Verstärken älterer Betonbrücken durch zusätzliche Betonstahl‐ bewehrung; Beton- und Stahlbetonbau 6/ 1996. [7] Brühwiller, E., Bernard, 0., Wolf, S.: Beton-Beton Verbundbauteil bei der Verbreiterung eines Brücken‐ überbaus. Beton- und Stahlbetonbau 3/ 2000, Verlag Ernst u. Sohn. 307 10.1 Verstärken <?page no="316"?> [8] Onken, B., v. Berg, W., Matzdorf, D., Nolte, D.: Neues Bemessungsprogramm für CFK-Lamellen; Beton- und Stahlbetonbau 9/ 2000, Verlag Ernst u. Sohn. [9] Meier, U.: Instandsetzen von Bauwerken mit kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen, Beton- und Stahlbetonbau 3/ 2000, Verlag Ernst u. Sohn. [10] Bemessungsgrundlagen für S&P FRP Systeme; Fa. S&P FRP. [11] Krams, J.: Reparatur mit eingeschlitzt verklebten CFK-Lamellen; 5. lnt. Kolloquium Industrieböden 03 Ostfildern, Selbstverlag TAE. [12] Kolsch, H.: Carbon Fiber Cement Matrix (CFCM) Overlay System for Masonry Strengthening; Journal of Composites of Construction 5/ 1998. [13] Hauser, S., Wörner, J.: DUCON, ein innovativer Hochleistungsbaustoff; Beton- und Stahlbetonbau 3 und 4/ 1999, Verlag Ernst u. Sohn. [14] Breitenbücher, R.: Instandsetzung von Betonoberflächen mit HochleistungsStahlfaserbeton; Betonins‐ tandsetzung 1997, 4. lnt. Fachtagung Igls, Jan.1997. [15] Fiala, H., Lindemann, U.: Rissinjektion in Beton mit reaktiven Zuschlägen. Anwendung von Bohr- und Klebepackern; BFT Betonwerk und Fertigteil 1/ 2003. [16] M. Schröder und 7 Mitautoren, Schutz und Instandsetzung von Stahlbeton, Anleitung zur sachkundigen Planung und Ausführung, 7. überarbeitete Auflage 2015, expert verlag, renningen. [17] Richtlinie des DAfStb, Verstärken von Betonbauteilen mit geklebter Bewehrung, Teile 1 bis 4, März 2012, Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Berlin. [18] DIN EN 1992-1-1, Eurocode 2, Beuth Verlag. [19] Technische Regel „Instandhaltung von Betonbauwerken (TR-Instandhaltung)", Teil 1 und Teil 2, Mai 2020, Deutsches Institut für Bautechnik. 10.2 Ertüchtigen 10.2.1 Einleitung Die nachfolgenden Ausführungen sind eine Überarbeitung des Textes von C. Flohrer in [16]. Im Abschnitt 10.1 wurde über das Verstärken von Betonbauteilen berichtet. In Ergänzung zum Verstärken spricht man auch von der Ertüchtigugn von Stahlbetonbauteilen. Die Maßnahmen für das Verstärken und für das Ertüchtigen sind technisch gesehen gleichartig. Daher wird bezüglich der technischen Maßnahmen auch auf den Abschnitt 10.1 verwiesen. Der Unterschied zwischen den beiden Maßnahmen liegt in der statischen betrachtung. Wäh‐ rend das Verstärken eine Erhöhung von bautechnischen Eigenschaften nach sich zieht, bedeutet die Ertüchtigung das Wiederherstellen eines vorherigen Ist-Zustands. 10.2.2 Mögliche Ertüchtigungsmaßnahmen Prinzipielle Möglichkeiten zur Ertüchtigung sind: • Ertüchtigen von Druckgliedern mit Ortbeton- oder Spritzbetonergänzungen mit oder ohne Bewehrungsverstärkung • Ertüchtigen von Biegeträgern mit Ortbeton- oder Spritzbetonergänzungen und Bewehungs‐ ergänzung • Verstärken oder Ertüchtigen mit eingeschlitzter Bewehrung 308 10 Tragwerksverhalten <?page no="317"?> • Ertüchtigen mit externer Vorspannung (mit oder ohne Verbund) Verstärken mit auf die Oberfläche geklebten Stahllaschen, CFK-Lamellen, CF-Sheets • Ertüchtigen mit eingeschlitzten CFK-Lamellen • Ertüchtigen durch Erhöhung der Duktilität durch CF-Sheets, engmaschiger dichter Netzbe‐ wehrung • Ertüchtigen durch Erhöhung des Verschleißwiderstandes (z. B. Erhöhung der Schlagzähig‐ keit) von Betonoberflächen • Erhöhung des Widerstandes des bestehenden Bauwerks durch Injektion von Rissen und Hohlräumen oder Tränkung • Ertüchtigen durch Erhöhung des Widerstandes gegen chemischen Angriff oder Chloriddif‐ fusion durch Hochleistungsbeton Über die einbzelnen Maßnahmen, mit Ausnahme der beiden letzt genannten, wurde im Grundsatz in Abschnitt 10.1 berichtet. In den Abschnitten 10.2.3 und 10.2.4 wird über die weiteren Ertücht‐ gungsmaßnahmen berichtet. 10.2.3 Ertüchtigung durch Erhöhung des Widerstandes des bestehenden Bauwerks durch Injektion von Rissen und Hohlräumen oder Tränkung Stark gerissene Bauteile können durch eine spezielle Injektion mit Epoxydharz ertüchtigt werden, so dass die ursprünglichen Eigenschaften der Tragkonstruktion (aufnehmbare Druck- und Biegezugspannungen) wieder hergestellt werden. Eine derartige Ertüchtigung kann erforderlich werden, wenn z. B. Stahlbetonbauteile durch treibenden Angriff starke Rissbildung aufweisen. Ein derartiger treibender Angriff kann z. B. durch Reaktion reaktiver Zuschläge mit den Alkalien des Zements entstehen, wenn gleichzeitig ein ausreichendes Feuchtigkeitsangebot vorliegt (Alkali-Kieselsäure-Reaktion AKR oder Reaktion mit pyrithaltigen Zuschlägen). Die Risse sind stark verzweigt und sehr klein, da sie von einzelnen Zuschlagkörnern ausgehen und durchdringen das gesamte Bauteil. Eine Injektion mit Epoxydharz unter hohem Druck führt nicht zum Ziel, da damit nicht alle Risse erreicht oder die Risse nur oberflächig verpresst werden. Die Injektion derartiger Risse gelingt sicher im Niederdruckverfahren unter Verwendung spezieller FederdruckInjektoren und niedrigviskosen Epoxydharzen mit langer Verarbeitungszeit. Ein Beispiel für die Anwendung der Technologie ist in [15] ausführlich beschrieben. 10.2.4 Ertüchtigen durch Erhöhung des Widerstandes gegen chemischen Angriff oder Chloriddiffusion durch Hochleistungsbeton Die Verbesserung von Stahlbetonoberflächen gegenüber den angreifenden Medien stellt ebenfalls eine Ertüchtigung eines Bauwerks dar. Entsprechend den Regelungen bei der Instandsetzung von Bauwerken (TR oder DIN EN 1504) kann eine derartige Verbesserung durch Auftrag von Oberflächenschutzsystemen gelingen, um die Betonoberflächen vor dem Angriff der Medien zu schützen. In vielen Fällen ist es aber erforderlich, den Beton selbst zu ertüchtigen. Dazu besteht die Möglichkeit, das Bauwerk durch eine Vorsatzschale aus Beton oder Spritzbeton gegenüber dem Angriff resistent zu machen. Beispielsweise wurde die geforderte Wasserundurchlässigkeit eines Bauwerks durch Auftragen einer ca. 10 cm dicken Spritzbetonschicht im Nachhinein erreicht, nachdem die ursprüngliche Konstruktion diese Eigenschaft nicht erfüllt hatte. Neben dem Auftrag des Spritzbetons in der 309 10.2 Ertüchtigen <?page no="318"?> Fläche wurden ergänzend die Arbeitsfugen mittels Hochdruckwasserstrahlen aufgeschnitten und mit Zementsuspension kraftschlüssig verpresst. Maßgeblich für die Sicherstellung der erforderlichen Eigenschaften ist der dauerhafte Verbund des Spritzbetons zum Altbeton, der durch Untergrundvorbehandlung mittels Hochdruckwasserstrahlen hergestellt wurde. Neben der Untergrundvorbehandlung ist die Nachbehandlung des Spritzbetons von herausragender Wichtigkeit, um Risse im Spritzbeton und damit nachfolgende Verbundstörungen zu vermeiden. Die Nachbehandlung wird am sichersten erreicht, wenn die Spritzbetonflächen abgehängt werden und der Luftraum zwischen Abhängung und Spritzbeton über einen Zeitraum von mindestens 2 Wochen dauerhaft mit hoher Luftfeuchtigkeit beaufschlagt wird, z. B. durch Einsatz von Nebeldüsen. Zur nachträglichen Ertüchtigung eines anderen Teils des Bauwerks gegenüber Frostangriff wurde eine Spritzbetonschicht appliziert, die durch Verwendung von Mikrohohlkugeln den erforderlichen Widerstand gegen Frost-Tauwechsel sicherstellt. 10.2.5 Literatur Siehe Abschnitt 10.1.5 310 10 Tragwerksverhalten <?page no="319"?> 11 Instandsetzen chloridhaltiger Konstruktionen D. Ziegler 11.1 Chloridkorrosion und Kritischer Chloridgehalt des Betons 11.1.1 Chloridkorrosion der Bewehrung Der Bewehrungsstahl im Beton ist aufgrund des hohen pH-Wertes des Zementsteins von pH 12-14 vor Korrosion geschützt. Bei Kontakt von Stahl zum hochalkalischen Porenwasser des Betons bildet sich auf der Stahloberfläche eine passivierende Schicht von hydratisiertem Eisenoxid. Solange dieser Zustand durch geeignete Maßnahmen (z. B. physikalischer Schutz) aufrechterhalten wird, kann keine Korrosion der Bewehrung erfolgen. Eine Korrosion der Bewehrung im Stahlbeton ist jedoch unter folgenden Voraussetzungen möglich, die alle gleichzeitig erfüllt sein müssen: • Die Passivität des Bewehrungsstahls ist aufgehoben. Ursache hierfür kann der Zutritt von Chloridionen zur Bewehrung sein. Chloridionen sind in der Lage, die Passivität des Stahls örtlich zu zerstören. So kann eine Korrosion auch im noch nicht karbonatisierten Beton eintreten. - Die Passivität ist ebenfalls dann aufgehoben, wenn der Beton karbonatisiert ist und daher nicht mehr hoch alkalisch ist. • Sauerstoff. Dieser muss durch den Beton bis zum Stahl hindurch diffundieren können. • Wässriger Elektrolyt mit hoher Ionenleitfähigkeit. Voraussetzung hierfür ist, dass möglichst viel ungebundenes Wasser in den Poren des Betons vorliegt. Ein hoher Salzgehalt des Elektrolyten setzt die Leitfähigkeit herauf. Hierbei ist zu beachten, dass nicht nur ein Zutritt von flüssigem Wasser korrosive Bedingungen herstellt, sondern auch Wasser in den Poren infolge von Kapillarkondensation. Diese erfolgt, wenn der Beton einer dauerhaft hohen Luftfeuchte ausgesetzt ist, da die Ausgleichsfeuchte des Betons sich infolge Sorption der umgebenden Luftfeuchte angleicht (Sorptionsisotherme). Allerdings erschwert ein hoher Wassergehalt des Betons den Transport von Sauerstoff zur Bewehrung (Korrosionsschutz durch dauerhafte Wassersättigung). Um den Korrosionsschutz aufrecht zu erhalten, müssen die o. g. Voraussetzungen unterbunden werden. Folgende Maßnahmen können einzeln oder kumulativ ergriffen werden: • Verhindern des Zutrittes von Kohlenstoffdioxid (CO 2 ) in den Beton • Verhindern des Zutrittes von Chloriden (Cl - ) in den Beton • Minimierung der Sauerstoffdiffusion (O 2 ) zur Bewehrung • Begrenzung des Wassergehaltes des Betons bei luftberührter Betonoberfläche Bei Bewehrungskorrosion infolge Chloriden im Beton spielt vor allem die lokale Depassivierung eine Rolle. Dadurch findet die Bewehrungskorrosion oftmals nur lokal statt (Korrosionsnarben, „Lochfraßkorrosion“, siehe Bild 11.1) und nicht flächig wie bei der Bewehrungskorrosion infolge Karbonatisierung. Die Gefahr hierbei ist, dass die Bewehrung lokal ohne Betonabplatzungen im Verborgenen korrodieren kann. <?page no="320"?> Bild 11.1: Korrosionsnarbe in der Bewehrung; ausgelöst durch Chloride Sichtbare Schäden wie z. B. Betonabplatzungen treten u. U. erst spät auf, wenn die Schädigung der Bewehrung infolge Chloridkorrosion bereits weit fortgeschritten ist. Im Extremfall kann die Bewehrung im gesamten Querschnitt korrodieren, ohne dass dies von außen bemerkt wird (Bild 11.2). Bild 11.2: Vollständig durchkorrodierte Bewehrung infolge Chloridkorrosion Sind Korrosionsschäden bereits aufgetreten, so sind typische Kennzeichen einer Chloridkorrosion die auf Bild 11.1 gezeigten Korrosionsnarben und ggf. schwarz-braune Korrosionsprodukte (Bild 11.3). 312 11 Instandsetzen chloridhaltiger Konstruktionen <?page no="321"?> Bild 11.3: Schwarz-braune Korrsoinsprodukte infolge Chloridkorrosion Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Aspekt ist, dass Salze (z. B. Natriumchlorid; typisches Tausalz) eine hygroskopische Wirkung haben. Das bedeutet, dass versalzte Baustoffe, u. a. auch chloridbelasteter Beton, verstärkt Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft aufnehmen. Das bedeutet auch, dass deshalb chloridbelasteter Beton schlechter austrocknen kann. Für die Korrosion der Bewehrung bedeutet dies, dass bei hoher Salzbelastung im Beton immer auch ausreichend Feuchtigkeit für die Korrosionsprozesse vorhanden ist. 11.1.2 Kritischer (korrosionsauslösender) Chloridgehalt des Betons Die TR Instandhaltung [1] liefert keine Definition für den kritischen (korrosionsauslösenden) Chloridgehalt - nachfolgend zur Vereinfachung als kritischer Chloridgehalt bezeichnet. In der Literatur [2] ist der kritische Chloridgehalt wie folgt definiert (Zitat): Als kritischer Chloridgehalt wird jener Gehalt im Beton definiert, bei dessen Überschreitung die Passivität zerstört wird und Korrosion einsetzt. Einen allgemeingültigen Wert für diesen Chloridgehalt kann man nicht angeben. Bereits seit Jahrzehnten finden Forschungen hierzu statt, die keine einheitlichen Ergebnisse liefern. Gemäß ibac-Kurzbericht [3] wird für den kritischen Chloridgehalt eine weite Spanne von 0,12 M-% bis 3,04 M-% Cl bezogen auf die Zementmasse des Betons festgestellt. Die Problematik bei der Interpretation der Forschungsergebnisse spiegelt jedoch auch die Realität wider. Es liegen nämlich Ergebnisse nicht einheitlich durchgeführter Untersuchungen vor, es wurden unterschiedlichste Betonzusammensetzungen und Ausführungsqualitäten bei den Untersuchungen verwendet und die Untersuchungen erfolgten bei unterschiedlichen Randbedin‐ gungen. - Diese Verhältnisse schwanken naturgemäß auch von Objekt zu Objekt. Das bedeutet für die Praxis, dass der kritische Chloridgehalt keine feste Größe sein kann. Das Korrosionsverhalten der Bewehrung unter Chlorideinfluss ist nicht nur abhängig vom Chloridgehalt selbst, sondern auch von der Feuchte des Betons bzw. an der Bewehrung, sowie von der Sauerstoffzufuhr zur Bewehrung. Auch die Stahlsorte kann eine Rolle spielen. Maßgeblich ist 313 11.1 Chloridkorrosion und Kritischer Chloridgehalt des Betons <?page no="322"?> auch die Alkalität des Betons an der Bewehrung bei Anwesenheit von Chloriden. Die Korrosion der Bewehrung wird also durch folgende Faktoren beeinflusst: • Porengefüge des Betons an der Bewehrung/ Benetzung der Bewehrung mit Zementleim • Feuchtigkeit des Betons und insbesondere Feuchtigkeitsschwankungen (Wechsel nass/ tro‐ cken) • Die Betonzusammensetzung/ -eigenschaften • Karbonatisierungszustand des Betons Im ibac-Kurzbericht [3] wird darauf hingewiesen, dass vor allem der o. g. erste Punkt eine über‐ geordnete Rolle einnimmt. Eigene Erfahrungen bestätigen dies. Je schlechter die Betonqualität an der Bewehrung (hoher Porenanteil, schlechte Benetzung der Bewehrung mit Zementleim), desto niedriger ist i. d. R. der Wert des kritischen Chloridgehaltes. Die Instandsetzungs-Richtlinie [4] gab entsprechende Hinweise für den kritischen Chloridge‐ halt. Dort hieß es (Zitat): Abschnitt 6.5.1 Der kritische, korrosionsauslösende Chloridgehalt im Beton hängt von einer Reihe von Einflussfaktoren ab und muss daher im jeweiligen Einzelfall bei Überschreitung der in Abschnitt 6.5.2 genannten Grenzwerte durch den Sachkundigen Planer beurteilt werden. Hierbei sind außer dem Chloridgehalt auch die Umgebungsbedingungen zu berücksichtigen. Weiter führte die Instandsetzungs-Richtlinie [4] folgende Anforderung hinsichtlich des Chlorid‐ gehaltes (Zitat): Abschnitt 6.5.2 Wenn bei Stahlbetonbauteilen in der Betondeckungsschicht Chloridgehalte über 0,5 % Cl - , bezogen auf die Zementmasse, und bei Spannbetonbauteilen Werte über 0,2 % Cl ermittelt werden, ist zur Beurteilung der erforderlichen Maßnahmen der Sachkundige Planer einzuschalten. Dies gilt auch dann, wenn an der Betonoberfläche keine Anzeichen von Korrosion an der Bewehrung feststellbar sind. In ähnlicher Weise äußert sich auch die TR Instandhaltung [1]. Dort wird nun der Wert von 0,5 M-% Cl bezogen auf die Zementmasse allerdings als "Schwellenwert“ bezeichnet. Die TR Instandhal‐ tung [1] weist darauf hin, dass dieser Schwellenwert von dem kritischen korrosionsauslösendem Chloridgehalt abzugrenzen ist. Konkret heißt es in der TR IH [1] (Zitat): Die Technische Regel enthält lediglich einen „Schwellenwert“ für den Chloridgehalt von 0,5 M-%, bezogen auf die Zementmasse, in der Betondeckung bzw. im Bereich der Bewehrungslage im ungerissenen Beton. Dieser Schwellenwert ist von dem kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalt insofern abzugrenzen, dass bei dessen Überschreitung nicht notwendigerweise der kritische Grenzzustand der Depassivierung eintritt, sondern lediglich eine Ereigniskette, nämlich eine Begutachtung durch den SKP mit gegebenen‐ falls anschließenden Maßnahmen, in Gang gesetzt wird. Die Beurteilung des Chloridgehalts im Bereich von Rissen oder Fehlstellen und das Erfordernis einer Instandsetzung sind vom SKP gesondert zu betrachten. Der Grenzwert/ Schwellenwert von 0,5 M-% Cl bezogen auf die Zementmasse ist nicht der kritische (korrosionsauslösende) Chloridgehalt. 314 11 Instandsetzen chloridhaltiger Konstruktionen <?page no="323"?> Das Positionspapier des DAfStb [5] befasst sich ebenfalls mit der Definition und mit Werten des kritischen Chloridgehaltes. Dabei soll der o. g. Schwellenwert vor allem bei heutigen Betonbauwerken hinsichtlich Auslösung von Korrosion auf der sicheren Seite liegen. - Gerade bei der Instandsetzung älterer, qualitativ minderwertiger Betonbauwerke muss jedoch damit gerechnet werden, dass der kritische Chloridgehalt auch unterhalb des Schwellenwertes nach der TR Instandhaltung [1] liegen kann. Der kritische Chloridgehalt ist deshalb für die Festlegung von Instandsetzungsmaßnahmen immer objektbezogen zu ermitteln bzw. abzuschätzen. Es ist immer eine objektspezifische Bewertung durch den Sachkundigen Planer (SKP) erforderlich. 11.2 Chloride im Beton - Mögliche Quellen Folgende Quellen für Chlorideinträge in Betonbauwerke/ -teile spielen für die Chloridkorrosion und somit für die Instandsetzung von Stahlbeton eine wesentliche Rolle: Tausalze Das bekannteste und häufigste Problem bei Betonbauwerken sind die Tausalze (Auftausalze, Streusalze). Sie werden im Winter im Straßenverkehr verwendet, um Schnee- und Eisglätte zu bekämpfen. Der Hauptbestandteil des Tausalzes ist Natriumchlorid (Kochsalz). Jedoch unterliegen nicht nur Verkehrsbauten wie Brücken einer Tausalzbelastung (direkte Belastung oder Sprühne‐ bel). Die Tausalze werden von Fahrzeugen in sämtliche Parkbauten (Tiefgaragen, Parkhäuser) eingetragen und lagern sich dort ab (Bild 11.4). Hinzu kommt, dass auch auf Geh- und Radwegen Tausalze eingesetzt werden. Deshalb sind auch hier sämtlich Bauteile, die in der Nähe von Verkehrswegen liegen, betroffen. Hohe Salzbelastungen gibt es auch vor öffentlichen Gebäuden mit hohem Publikumsverkehr. Gleichermaßen ist eine Salzbelastung dann auch auf den eigenen (wenn auch nicht direkt gesalzenen) Grundstücken gegeben, da die Tausalze dort hin verschleppt werden. Die Belastung ist dort jedoch geringer. Bild 11.4: Tausalzablagerungen in einer Tiefgarage 315 11.2 Chloride im Beton - Mögliche Quellen <?page no="324"?> Aber auch Gebäude, die bei der Herstellung und Lagerung von Tausalzen mit diesen in Berührung kommen, sind betroffen. Hierzu zählen alle Gebäude der verarbeitenden Industrie und insbeson‐ dere Salzlager der Straßenmeistereien. Meerwasser Auch im Meerwasser dominieren chloridhaltige Salzverbindungen. Das bedeutet, sämtliche Bauten, die mit Meerwasser in Kontakt stehen, unterliegen einer Chloridbeanspruchung, insbe‐ sondere diejenigen Bauteile, die einer Wasserwechsel-Beanspruchung unterliegen. Gefährdet sind auch Bauteile, die von chloridhaltigem Sprühnebel beaufschlagt werden. Bei Bauteilen, die ständig unter Wasser liegen, ist die Chloridkorrosion nicht so stark ausgeprägt, da diese aufgrund des fehlenden Kohlenstoffdioxids alkalisch bleiben und der Zutritt von Sauerstoff fehlt. Schwimmbäder / Solebäder Zur Wasseraufbereitung des üblichen Badewassers werden Chlorzusätze verwendet. In Deutsch‐ land wird sogar ein Mindestgehalt an freiem Chlor gefordert, heute wird jedoch der Chlorgehalt auch möglichst auf diesen Mindestgehalt begrenzt. In anderen Ländern gilt z. T. das Motto „viel hilft viel“. Entsprechend können dort höhere Chlorgehalte im Badewasser vorhanden sein. Auch in älteren Schwimmbädern hierzulande muss damit gerechnet werden, dass die Chlorbeaufschla‐ gung von Stahlbetonbauteilen früher höher war, da früher deutlich höhere Chloridgehalte im Badewasser verwendet wurden. In Solebädern ist der Chloridgehalt im Badewasser oftmals deutlich höher, da hier bewusst Badewasser mit einem hohen Salzgehalt verwendet wird. Bild 11.5: Schäden infolge Chloridkorrosion. Ursache: Undichtigkeiten am Beckenkopf eines Schwimmbades Besonders gefährdet sind Stahlbetonbauteile, die ohne Schutzmaßnahmen (Abdichtungen) in Kontakt mit dem Badewasser treten. Vielfach sind bei älteren Schwimmbädern diese Schutzmaß‐ nahmen jedoch auch defekt, so dass Undichtigkeiten, z. B. am Beckenkopf, zu einer intensiven Chloridbeanspruchung der darunter befindlichen Betonbauteile führen (Bild 11.5). Auch die Luft 316 11 Instandsetzen chloridhaltiger Konstruktionen <?page no="325"?> in Schwimmbädern ist oft chloridhaltig. So können sich Chloride auf den Bauteiloberflächen anlagern und von dort in den Beton eindringen, insbesondere dann, wenn diese Bauteile auch noch einer Tauwasserbelastung unterliegen. Hierbei ist insbesondere zu beachten, dass Hallendächer von Schwimmbädern oftmals mit Spannbeton-Konstruktionen errichtet wurden. Diese sind in höchstem Maße durch Chloridbeanspruchung gefährdet. Magnesia-Estriche Bei Magnesia-Estrichen besteht das Bindemittel des Estrichs zu einem hohen Anteil aus Magnesi‐ umchlorid. Magnesia-Estriche werden hauptsächlich als Verbundestriche auf Stahlbetonbauteilen eingesetzt. Werden Magnesia-Estrich auf Stahlbetonbauteile aufgebracht, so ist zum Schutz der Bewehrung zuvor eine Grundierung aufzubringen, die das Eindringen von Chloriden wei‐ testgehend verhindert (sogenannte „Sperrschichten“, z. B. EP-Grundierungen ggf. zweilagig mit Abstreuung). Bei vielen älteren Bauwerken wurde eine solche Grundierung jedoch nicht ausgeführt oder sie war unwirksam. Bei fehlender oder nicht fachgerechter Grundierung kann sehr viel chloridhaltiges Anmachwasser beim Aufbringen des Magnesia-Estrichs in den Beton eindringen. Eine fachgerechte Grundierung führt dazu, dass das chloridhaltige Anmachwasser nur partiell an kleineren Fehlstellen und dann nur wenige Millimeter in den Beton eindringen kann, so dass bei ausreichender Betondeckung kein unzuträglich hoher Chloridgehalt im Beton an der Bewehrung entsteht. Zu einer weiteren Verstärkung der Korrosionsgefahr kommt es bei Stahlbetonbodenplatten, wenn wegen einer fehlenden Bauwerksabdichtung der Bodenplatte gegen das Erdreich der Beton durch eindringende Feuchte von unten her durchfeuchtet wird. So kann es zum Chloridionen-Ein‐ trag aus dem Magnesia-Estrich in die durchfeuchtete (nicht abgedichtete) Bodenplatte kommen (siehe hierzu auch Abschnitt 11.3). Bild 11.6 zeigt beispielhaft das Schadensbild der Bewehrung an einer durchfeuchteten Bodenplatte nach Entfernen eines Magnesia-Estrichs. Bild 11.6: Schäden infolge Chloridkorrosion. Ursache: Magnesia-Estrich auf durchfeuchteter Bodenplatte ohne Bauwerksabdichtung 317 11.2 Chloride im Beton - Mögliche Quellen <?page no="326"?> Industrie / Großküchen / Reinigungsmittel Überall dort, wo mit chloridhaltigen Salzverbindungen gearbeitet wird, besteht die Gefahr einer Beaufschlagung der Stahlbetonbauteile mit Chloriden. Besonders häufig werden Schäden bei der Fisch- und Fleischverarbeitung vorgefunden, da hier auch täglich mit großen Wassermengen gearbeitet wird. Wenn Undichtigkeiten an der Bauwerksabdichtung vorliegen, so werden dabei große Mengen an chloridhaltigem Wasser in die Bausubstanz eingetragen. Nicht zu unterschätzen sind auch alle Räumlichkeiten, die einer regelmäßigen Reinigung unterliegen. Häufig werden nämlich chlorhaltige Reinigungsmittel verwendet. PVC-Brände Verbrennt bei einem Brand Polyvinylchlorid (PVC), so werden zunächst Chloride in Form von Salzsäuregas (HCl) freigesetzt. Kurzzeitige Beanspruchungen dieser Chloridverbindungen auf Stahlbetonbauteile haben nur wenig Einfluss, da die Chloride nur in die oberste Betonzone eindringen und dann auch keine besonders hohen Chloridgehalte im Beton verursachen. Wenn jedoch Rußablagerungen von großen Mengen an verbranntem PVC längere Zeit an Stahlbeton‐ bauteilen anhaften, Löschwasser hinzukommt oder die Rußablagerungen sogar nass abgereinigt werden, dann können auch höhere Mengen an Chloriden in den Beton eindringen und ggf. zu unzuträglich hohen Chloridgehalten im Beton führen. 11.3 Chloridtransport - Chlorideindringtiefe - Chloridverteilung Bei den Transportmöglichkeiten von Chloriden in den Beton und innerhalb des Betons muss wie folgt unterschieden werden: a.) Salztransport mit kapillarem Wassertransport Chloridverbindungen (i. d. R. Salze) sowie gelöste Chloridionen werden über den kapillaren Wassertransport meist nur über Risse und undichte Fugen oder Durchdringungen in den Beton transportiert. Ein kapillarer Wassertransport in der ungerissenen/ ununterbrochenen Fläche findet nur in sehr porösen Betonen statt. Fachgerechte, dichte Betonbauteile sind eher als Kapillarsperren zu betrachten. b.) Chloridionendiffusion Der Transport erfolgt mittels Diffusion von Chloridionen innerhalb des feuchten Betons infolge des Bestrebens des Konzentrationsausgleiches. D. h., von der Betonoberfläche (z. B. salzhaltige Pfütze) mit hoher Chloridionenkonzentration wandern diese in den Beton mit geringer Chloridi‐ onenkonzentration ein. Beim Chloridtransport im Beton, der zu hohen Chloridgehalten auch in tieferen Betonzonen führt, spielt die o. g. Transportart mittels Chloridionen-Diffusion die maßgebliche Rolle. Aller‐ dings ist auch der kapillare Wassertransport nicht zu vernachlässigen. Vielfach findet nämlich ein kapillarer Wassertransport mit Salzen an Rissen und Undichtigkeiten statt, die Salze lagern sich innerhalb des Bauteils ab und werden von dort aus mittels Chloridionen-Diffusion weiterverteilt. Sehr häufig findet dann auch noch eine Salz-Aufkonzentration an bestimmten Stellen statt (z. B. Unterseite eines Risses in einer Stahlbetondecke). Bezüglich Transportleistung und Eindringtiefe der Chloride in den Beton sowie deren Vertei‐ lung spielen folgende Faktoren eine wesentliche Rolle: 318 11 Instandsetzen chloridhaltiger Konstruktionen <?page no="327"?> • Betonzusammensetzung Neben den Einflüssen, die die Porosität und die Dichtheit des Betons bestimmen (z. B. Wasserzementwert, Gesteinskörnung) spielen auch Zusätze und Zementarten eine Rolle, die die Eigenschaft der Chloridionenbindung beeinflussen. So weisen z. B. Betone mit CEM III Zementen einen höheren Widerstand gegenüber Chloriden auf im Vergleich zu CEM I Zementen, da zum einen der Zementstein dichter ist und zum anderen diese Zementarten ein höheres adsorptives Bindevermögen von freien Chloridionen aufweisen. Im Zementstein eingebundene Chloridionen können nicht zur Bewehrung gelangen und können dadurch keine Depassivierung der Bewehrung verursachen. Grund für die Chlordionenbindung ist der höhere Anteil an Hüttensand. Auch Flugasche kann sich positiv auf die Chloridionen‐ bindung auswirken. • Wassertransport / Wassergehalt im Beton Wie bereits zuvor beschrieben, bestimmt der kapillare Wassertransport die Transportleistung von Salzen in den Beton hinein, somit auch deren Eindringtiefe und Verteilung. Bei Chloridtransport infolge Chloridionendiffusion spielt der Wassergehalt des Betons die maßgebliche Rolle für die Transportleistung, Eindringtiefe und Verteilung im Beton. Dabei ist eine vollständige Wassersättigung nicht erforderlich, es genügt, wenn mehrere Schichten von Wassermolekülen in den Porenwandungen angelagert sind, so dass ein durchgängiger Wasserfilm innerhalb des Porengefüges vorhanden ist. Gemäß Kapteina [6] kann in Beton ab einer Ausgleichsfeuchte von u 60 Chloriddiffusion stattfinden. Ab ca. u 90 ist bereits das Maximum des Chloriddiffusionskoeffizienten erreicht. Hierbei ist zu beachten, dass je größer der Wassergehalt im Beton und je höher das Konzentrationsgefälle ist, desto höher ist die Transportleistung von Chloridionen infolge Diffusion [7]. • Zustand des Betonbauteils Maßgeblichen Einfluss auf die Chlorideindringtiefe, den Transport und die Verteilung hat der Zustand des Betonbauteils. Hier sind insbesondere alle Undichtigkeiten wie Risse, undichte Fugen und Durchdringungen zu nennen, durch die das Eindringen chloridhaltigen Wassers ermöglicht wird. Ebenfalls wesentlich ist der Zustand der Betonoberfläche. Liegt ein fachgerechter Chlo‐ ridschutz (Abdichtung, Beschichtung) vor, so können keine Chloride eindringen. Ist der Chloridschutz defekt, können Chloride lokal in den Beton eindringen und sich von dort aus weiterverteilen. Ist die Oberfläche des Betons mit einer Hydrophobierung versehen, so reduziert sich naturgemäß das Eindringen von Chloriden, da der Zutritt von chloridhaltigem Wasser weitestgehend unterbunden wird. Zudem lässt die Transportleistung durch Chlo‐ ridionendiffusion nach, wenn durch eine Hydrophobierung der Wassergehalt des Betons reduziert wird. Eine völlige „Chloridsperre“ kann aber nicht mit einer Hydrophobierung realisiert werden. Auch mineralische Dichtungsschlämmen (MDS) weisen zwar einen hohen Chloridwiderstand auf, sind aber auch nicht vollständig „chloriddicht“. • Art der Exposition Die Beaufschlagung von Chloriden ist auch abhängig von der Exposition eines Bauteils (z. B. Spritzwasserbereich; innen/ außen). Sie korreliert i. d. R. dann mit der Beanspruchungsinten‐ sität mit chloridhaltigem Wasser. • Chloridkonzentration an der Oberfläche Da die Transportleistung der Chloridionendiffusion maßgeblich mit dem Konzentrationsge‐ fälle zusammenhängt, ist für den Chloridtransport und die Eindringtiefe auch die Chlorid‐ konzentration an der Oberfläche des Betonbauteils ausschlaggebend. Besonders kritisch sind hier sogenannte „Salzseen“, die sich in schlecht gereinigten Parkbauten bilden. Dort findet 319 11.3 Chloridtransport - Chlorideindringtiefe - Chloridverteilung <?page no="328"?> eine Aufkonzentration des Salzgehaltes statt, wenn Pfützen regelmäßig abtrocknen und erneut gebildet werden. • Dauer der Einwirkung Ergänzend zum vorherigen Punkt ist auch die Dauer der Einwirkung zu betrachten. Je länger eine hohe Chloridbelastung vorliegt, desto höher die Konzentration in der ungeschützten Betonrandzone. • Temperatur Mit zunehmender Temperatur erhöht sich gemäß Nürnberger [2] die Transportleistung. • Art des Chloridsalzes Beim Chloridtransport mittels kapillarem Wassertransport kann auch die Art des Chlorid‐ salzes eine Rolle spielen. Je größer die Salzmoleküle, desto weniger gut können diese mit dem Wasser in den Beton eindringen. - Bei breiten Rissen und Undichtigkeiten spielt die Art des Chloridsalzes jedoch keine Rolle. Auch wenn das Eindringen von Chloriden näherungsweise mit dem 2. Fick'schen Diffusionsgesetz beschrieben werden kann (siehe [6]), so ist es aufgrund der o. g. Einflussfaktoren nahezu unmöglich, zukünftige Chlorideindringprofile für alle unterschiedlichen Bauteile eines Objektes zuverlässig vorherzusagen. Abschätzungen über mögliche Restnutzungsdauern bei Chloridein‐ trag sind zwar möglich, gesicherte Aussagen i. d. R. jedoch nicht. Dies wird auch deutlich dadurch, dass in der TR Instandhaltung [1] die seinerzeit in den Entwürfen der „Instandhaltungs-Richtlinie“ (z. B. Entwurf IH-RL Stand 2015-07-31 [8]; Anhang B.2) enthaltenen Anleitungen zur Ermittlung der Restnutzungsdauer bei Chloridbeaufschlagung nun nicht in der TR [1] enthalten sind. Der Sachkundige Planer muss nun selbst entscheiden, ob er ein solches Modell, wie es auch im DBV-Heft 39 [9] enthalten ist, verwendet, oder ob er besser mit ingenieurmäßigem Denken und mittels seiner Erfahrung eine Restnutzungsdauer abschätzt bzw. geeignete Instandsetzungsmaß‐ nahmen vorschlägt, wenn die geforderte Restnutzungsdauer deutlich höher liegt. 11.4 Untersuchung auf Chloride in der Praxis Falls nicht bereits intensive eindeutig durch Chloridkorrosion verursachte Schäden an einem Objekt vorliegen, lässt sich eine Chloridbelastung des Betons augenscheinlich nicht ohne Weiteres feststellen. Hierfür sind Prüfverfahren erforderlich. Möglich sind zunächst verschiedene Schnellprüfverfahren vor Ort, die jedoch nur ein quali‐ tatives Ergebnis liefern können (Chlorid ja/ nein). Ist eine Chloridbelastung vorhanden, so ist für eine Beurteilung jedoch immer der quantitativ ermittelte Chloridgehalt in verschiedenen Betonzonen/ Tiefen von Bedeutung. Auf Schnelltests kann allerdings meist verzichtet werden, da der Sachkundige Planer oft aufgrund seiner Erfahrung beurteilen kann, ob eine Chloridbelastung vorliegt oder nicht. Für die genaue Ermittlung des Chloridgehaltes müssen Proben (Bohrmehlproben, Bohrkerne) entnommen werden und diese im Labor analysiert werden. Wichtig hierbei ist die Erstellung sogenannter Chloridprofile, die den Chloridgehalt in verschiedenen Tiefen des Betonbauteils angeben (beispielhaft Bild 11.7). Hierfür werden tiefengestaffelte Bohrmehlproben entnommen und jede einzelne Probe wird im Labor analysiert. Basis für die Probenentnahme und die Laboranalysen sind die DIN EN 14629 [10] und das Heft 401 des DAfStb [11], weitere Hinweise sind im DBV-Heft 39 [9] enthalten. Bei der Laboranalyse werden die Proben zunächst präpariert, ein Salpetersäureaufschluss erstellt und dann mit einem geeigneten Verfahren (z. B. potentiome‐ 320 11 Instandsetzen chloridhaltiger Konstruktionen <?page no="329"?> trische Titration) analysiert. Der Chloridgehalt wird in M-% Chloridionen (Cl - ) bezogen auf die Betonmasse oder die Zementmasse angegeben. Die Umrechnung auf die Zementmasse kann mit Annahmen nach Heft 401 [11] erfolgen, falls der Zementanteil nicht bekannt ist (Regelfall). Vielfach kommt der Umrechnungsfaktor 7 zur Anwendung, ausgehend von einem Zementgehalt von 300 kg/ m 3 und einer Rohdichte des Betons von 2.100 kg/ m 3 . So entspricht beispielsweise ein Chloridgehalt von 0,3 M-% Cl bezogen auf die Betonmasse einem Chloridgehalt von 2,1 M-% Cl bezogen auf die Zementmasse. Nur in seltenen Fällen wird der Zementanteil durch chemische Analysen ermittelt oder ist in Bauunterlagen dokumentiert. Bild 11.7: Beispiel Chloridprofile tiefengestaffelt entnommener Bohrmehlproben Potenzialfeldmessung Als hilfreiche Unterstützung zur Prüfung auf chloridhaltigen Beton wird in der Praxis die Potenz‐ ialfeldmessung verwendet. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass mit der Potenzialfeldmessung weder die Anwesenheit von Chloriden noch der Chloridgehalt direkt bestimmt werden können. Mit der Potenzialfeldmessung können jedoch korrosionsaktive Bereiche der Bewehrung ermittelt werden und somit können insbesondere bei der vollflächigen Bestandsaufnahme im Zuge der Instandsetzung der Umfang und die Verteilung erhöhter Korrosionswahrscheinlichkeiten bestimmt werden, die vielfach durch chloridinduzierte Korrosion hervorgerufen werden. Für Voruntersuchungen im Rahmen einer ersten Feststellung des Ist-Zustandes kann die Potenzialfeldmessung oftmals nicht eingesetzt werden, da diese nur dann durchführbar ist, wenn die Betonoberfläche frei liegt. Bei Vorhandensein einer elektrolytisch isolierenden Beschichtung 321 11.4 Untersuchung auf Chloride in der Praxis <?page no="330"?> (Oberflächenschutzsystem) oder einer Bauwerksabdichtung kann die Messung nicht durchge‐ führt werden. Bei dünnen mineralischen Verbundestrichen ist die Potenzialfeldmessung jedoch i. d. R. möglich. Bild 11.8: Prinzipskizze für die Funktionsweise der Potenzialfeldmessung Bild 11.8 soll das Messverfahren verdeutlichen (Prinzipskizze). Das Messprinzip beruht darauf, dass zwischen der Bewehrung und einer Bezugselektrode (bekanntes Referenzpotenzial) mittels eines Spannungsmessgerätes die Potenzialdifferenz gemessen wird. Korrosionsaktive Stellen der Bewehrung (Anode) weisen einen Elektronenüberschuss auf. Dieser kann aufgrund der dort messbaren niedrigeren Potenzialwerte detektiert werden. Durch Überfahren von Flächen mit Ra‐ delektroden (Mehrfachelektroden) und rasterförmigem Aufnehmen jedes einzelnen Messpunktes entsteht das sogenannte Potenzialfeld, welches dann im Ergebnis als Potenzialkartierung mit der farblichen Darstellung unterschiedlicher Potenziale vorliegt. Ebenso sind linienförmige oder punktförmige Messungen möglich. Auch Einzelmessungen können zu einer Potenzialkartierung zusammengesetzt werden. Problematisch ist allerdings, dass die Bewehrung auch im passiven Bereich ohne Korrosion niedrige Potenziale aufweisen kann. Eine eindeutige Bewertung hinsichtlich aktiver Korrosion ist deshalb nicht immer problemlos möglich. Es sind deshalb i. d. R. weiterführende Untersuchungen erforderlich (z. B. Sondierungsöffnungen zum Feststellen des tatsächlichen Korrosionszustandes). Weitere Einschränkungen des Messverfahrens sind: • Mit der Messung kann nicht der korrosionsbedingte Querschnittsverlust oder die Korrosi‐ onsgeschwindigkeit ermittelt werden. • Zum Zeitpunkt der Messung inaktive (ehemalige) Korrosionsstellen können nicht detektiert werden. 322 11 Instandsetzen chloridhaltiger Konstruktionen <?page no="331"?> • Die Durchführung der Messung und die Interpretation der Ergebnisse muss durch geschultes, sachkundiges Personal erfolgen. • Bei sehr hohen Betondeckungsmaßen oder stark unterschiedlichen Betondeckungsmaßen müssen diese bei der Bewertung mit berücksichtigt werden, ebenso stark unterschiedliche Feuchtegehalte. Die Potenzialfeldmessung stellt insbesondere im Zuge der Ausführung der Instandsetzung ein geeignetes Mittel dar, zeitsparend und effektiv eine vollflächige Untersuchung vorzunehmen. Über ergänzende Untersuchungen (Sondierungsöffnungen, Chloridprofile, Betondeckungsmes‐ sung) kann dann eine vollständige Erhebung des Ist-Zustandes erfolgen (siehe auch DBV-Heft 39 [9]). Für die Durchführung und Interpretation der Potenzialfeldmessung ist das Merkblatt B 03 der Deutschen Gesellschaft für zerstörungsfreie Prüfung (DGZfP) [12] zu beachten. Das Merkblatt enthält alle notwendigen Informationen zum Messverfahren sowie die Anforderungen an das Personal. Des Weiteren geht das Merkblatt auf alle relevanten Punkte bei der Durchführung der Messungen ein, nämlich: • Vorbereitung der Messeinrichtung und der Bezugselektrode • Kontaktierung der Bewehrung • Vorbereitung der Betonoberfläche • Messfeldeinteilung • Messraster • Einflüsse und Fehlerquellen • Inhalt des Prüfprotokolls Für die Interpretation der Messergebnisse bietet sowohl das Merkblatt B 03 [12] als auch das DBV-Heft 39 [9] Orientierungshilfen. Eine Auswertung und kritische Bewertung der Potenzial‐ feldmessungen muss jedoch unbedingt von sachkundigen Personen erfolgen. Die Übergabe von Potenzialfeldkartierungen ohne Bewertung und weiterführende Untersuchungsergebnisse (Korrosionszustand an Sondierungsöffnungen und Chloridprofile) an den Auftraggeber ist nicht zielführend. 11.5 Übersicht Instandsetzungsprinzipien und -verfahren Für die Instandsetzung chloridhaltiger Konstruktionen kommen grundsätzlich mehrere Instand‐ setzungsprinzipien und -verfahren in Betracht. Es ist Aufgabe des Sachkundigen Planers (SKP), das für das jeweilige Objekt geeignete Instandsetzungsverfahren (abhängig von der Aufgaben‐ stellung, insbesondere der Restnutzungsdauer) festzulegen oder erforderlichenfalls auch eine Kombination verschiedener Verfahren auszuwählen. Mit Erscheinen der TR Instandhaltung [1] wurden die bereits langjährig gemäß Instandset‐ zungs-Richtlinie [4] angewendeten Instandsetzungsprinzipien und -verfahren neu geregelt und in Anlehnung an die DIN EN 1504-9 [13] bezeichnet. Nicht alle Verfahren der DIN EN 1504-9 wurden in die TR IH [1] übernommen, dafür hat die TR IH einige zusätzliche Verfahren aufgestellt. Die Tabelle 11.1 soll einen Überblick über die möglichen Instandsetzungsverfahren bei Bewehrungskorrosion durch Chloride geben (Verfahren bei Bewehrungskorrosion durch Karbonatisierung sind bewusst nicht dargestellt) und deren Zuordnung zu den Regelwerken. Es wird darauf hingewiesen, dass in der Tabelle die Bezeichnungen der Verfahren nach TR IH 323 11.5 Übersicht Instandsetzungsprinzipien und -verfahren <?page no="332"?> verwendet wurden (soweit diese dort enthalten sind). Die Bezeichnungen in der DIN 1504-9 sind im Wortlaut z. T. etwas anders formuliert. Instandset‐ zungsprinzip Instandsetzungsverfahren Verfahren nach TR IH bei Chlorid Verfahren nach DIN EN 1504-9 Prinzip nach der Instand‐ setzungs -Richtlinie bei Chlorid 7. Erhalt oder Wie‐ derherstellung der Passivität 7.1 Erhöhung bzw. Teilersatz der Betondeckung mit zusätz‐ lichem Mörtel oder Beton ja 1) ja R-Cl 7.2 Ersatz von chloridhaltigem Beton ja ja 7.5 Elektrochemische Chlori‐ dextraktion nein ja ECE 7.6 Füllen von Rissen oder Hohlräumen ja 2) nein - 7.7 Beschichtung ja 1) nein - 7.8 Lokale Abdeckung von Ris‐ sen (Bandagen) ja 3) nein - 8. Erhöhung des elektrischen Wi‐ derstandes 8.1 Hydrophobierung nein ja - 8.2 Versiegelung nein ja - 8.3 Beschichtung ja ja W-Cl 9. Kontrolle katho‐ discher Bereiche 9.1 Begrenzung des Sauer‐ stoffgehaltes (an der Kathode) durch Sättigung oder Oberflä‐ chenbeschichtung nein ja O * 10. Kathodischer Schutz 10.1 Anlegen eines elektri‐ schen Potenzials ja ja K / KKS * 11. Kontrolle ano‐ discher Bereich 11.1 Anstrich der Bewehrung durch aktive pigmentierte Be‐ schichtungen nein ja - 11.2 Anstrich der Bewehrung mit Beschichtungen nach dem Barriere-Prinzip nein ja C-Cl 11.3 Anwendung von Korrosi‐ onsinhibitoren auf den oder zum Beton nein ja - 1) mit Einschränkungen 2) nur präventiv 3) Einschränkungen? ? ? * Abkürzung nicht nach Inst.-Richtlinie Tab. 11.1: Übersicht Instandsetzungsprinzipien und -verfahren 324 11 Instandsetzen chloridhaltiger Konstruktionen <?page no="333"?> Die Instandsetzungsprinzipien und -verfahren nach TR IH [1] und der Instandsetzungs-Richtlinie [4] sind in den vorangegangenen Kapiteln 6 und 7 bereits beschrieben. Die nachfolgenden Abschnitte sollen diese Verfahren hinsichtlich der Anwendung in der Praxis beleuchten, wie sie bereits seit Jahren stattfindet. Zudem wird das Verfahren 10.1 „Anlegen eines elektrischen Potenzials“ (Kathodischer Korrosionsschutz KKS), welches zwischenzeitlich zur anerkannten Regel der Technik zählt, sowie die elektrochemische Chloridextraktion (ECE) als Sonderverfahren beschrieben. 11.6 Instandsetzung in der Praxis 11.6.1 Verfahren 7.1 und 7.2 nach TR IH Bei diesen Verfahren 7.1 und 7.2 handelt es sich um die sogenannte „klassische“ Betoninstandset‐ zung mittels Betonersatz (Instandsetzungsprinzip R-Cl nach Instandsetzungs-Richtlinie [4]). Beim Verfahren 7.2 wird der chloridbelastete Beton so weit entfernt, dass nach einer Umvertei‐ lung von Chloriden aus dem verbleibenden Altbeton in den Betonersatz der korrosionsauslösende Chloridgehalt an der Bewehrung im instand gesetzten Bereich bis ans Ende der Restnutzungs‐ dauer des Objektes nicht mehr erreicht wird. Entsprechend müssen die Abtragstiefen des Betons und die Dicke des Betonersatzes vom Sachkundigen Planer individuell für jedes Bauteil festgelegt werden. Die TR IH [1] gibt hierbei vor, dass Beton mit einem Chloridgehalt größer dem korrosi‐ onsauslösendem Chloridgehalt vollständig entfernt werden muss, wenn der korrosionsauslösende Chloridgehalt nicht tiefer als 30 mm hinter die Bewehrung reicht. Reicht der korrosionsauslösende Chloridgehalt mehr als 30 mm hinter die Bewehrung, so muss zumindest bis 30 mm hinter der Bewehrung der Beton entfernt werden, der Chloridgehalt des verbleibenden Altbetons über 30 mm hinter die Bewehrung hinaus darf jedoch einen Chloridgehalt von 1,5 M-% Cl bezogen auf die Zementmasse nicht überschreiten. Beim Verfahren 7.1 wird der chloridhaltige Beton nicht entfernt, sondern es wird ein frischer alkalischer chloridfreier Beton (oder Betonersatzsystem) als „Pufferschicht“ auf die vorhandene Altbetonoberfläche aufgebracht. Ziel hierbei ist es, zum einen den Altbeton damit zu realkaliseren und zum anderen Chloride aus dem Altbeton heraus in die frische Betonschicht diffundieren zu lassen. Voraussetzungen/ Einschränkungen für dieses Verfahren sind jedoch: • Die „Front“ des kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehaltes muss mindestens 10 mm Abstand zur Bewehrungsoberfläche aufweisen. • Der Chloridgehalt im verbleibenden Altbeton darf 1,5 M-% Cl bezogen auf die Zementmasse nicht überschreiten. Andernfalls ist die Betondeckung bis zu diesem Chloridgehalt abzutra‐ gen. In der Praxis wurde dieses Verfahren bisher bereits regelmäßig angewendet, ohne dass es in der Instandsetzungs-Richtlinie explizit beschrieben war (beispielhaft Bild 11.9). 325 11.6 Instandsetzung in der Praxis <?page no="334"?> Bild 11.9: Verbreiterung des Stützenfußes mit einer alkalischen chloridfreien „Pufferschicht“ auf die vorhandene Altbetonoberfläche (entspricht heute Verfahren 7.1 nach TR IH [1]) Bild 11.10: Betonabtrag mittels Hochdruckwasserstahlen (HDW) mit dem HDW-Roboter 326 11 Instandsetzen chloridhaltiger Konstruktionen <?page no="335"?> Bild 11.11: Abgetragene Betonschicht nach Hochdruckwasserstrahlen Nach dem Betonabtrag durch z. B. mittels Hochdruckwasserstrahlen (HDW) (Bilder 11.10 und 11.11) erfolgt das Aufbringen geeigneter Instandsetzungsbetone oder -mörtel. Die neue TR IH [1] legt nun neue weitreichende Anforderungen an die zu verwendenden Produkte fest. Die verschiedenen Instandsetzungsbetone und -mörtel sind im vorangegangenen Kapitel 8 ausführlich beschrieben. Beispiele für das Reprofilieren mit verschiedenen Betonersatzsystemen zeigen die Bilder 11.12 bis 11.14. Bild 11.12: Betonersatz Bodenfläche mit Beton 327 11.6 Instandsetzung in der Praxis <?page no="336"?> Bild 11.13: Betonersatz Wandsockel mit Spritzbeton Bild 11.14: Betonersatz lokale Schadstelle mit Vergussbeton Für die Festlegung geeigneter Systeme für den Betonersatz ist nun gemäß der TR IH [1] auch die Altbetonklasse des vorhandenen Altbetons zu ermitteln. Dies ist bei der Ist-Zustandserfassung und der Planung entsprechend zu berücksichtigen. Gegebenenfalls muss korrodierte Bewehrung ersetzt werden, wenn der Restquerschnitt vom Tragwerksplaner als nicht ausreichend für die Standsicherheit über die Restnutzungsdauer angesehen wird (Bild 11.15) oder es sind statische Verstärkungen erforderlich. Wichtig ist auch, dass im Zuge der Bearbeitung (Betonabtrag) die Standsicherheit zu jeder Zeit gegeben ist. Bei Ver‐ fahren 7.2 (Ersatz von chloridhaltigem Beton) sind oftmals sehr aufwändige Abstützmaßnahmen erforderlich. Die noch tragfähige korrodierte Bewehrung muss so behandelt werden, dass sie im 328 11 Instandsetzen chloridhaltiger Konstruktionen <?page no="337"?> gesamten freigelegten Bereich den Oberflächenvorbereitungsgraden Sa 2 oder Wa 2 (Kleinflächen auch St 2 zulässig) aufweist. Bild 11.15: Deutlicher Querschnittsverlust an einem von Chloridkorrosion betroffenen Bewehrungsstab, deutlich sichtbar nach dem Strahlen der Bewehrung Zur Erhaltung der Dauerhaftigkeit wurde in der Vergangenheit vielfach je nach Anforderung auf die instand gesetzten Betonbauteile eine zusätzliche Schutzmaßnahme aufgebracht, um die Betonbauteile zukünftig dauerhaft trocken zu halten und/ oder den Eintrag neuer Chloride zu verhindern (Oberflächenschutzsysteme oder Abdichtungen, Bilder 11.16 bis 11.18). Bild 11.16: Zusätzlicher Chloridschutz mittels Oberflächenschutzsystem OS 329 11.6 Instandsetzung in der Praxis <?page no="338"?> Bild 11.17: Zusätzlicher Chloridschutz mittels Bitumenschweißbahn und anschließend aufzubringedem Gussasphalt Bild 11.18: Zusätzlicher Chloridschutz: Bitumenschweißbahn in der Fläche, Flüssigkunststoff FLK an den Wands‐ ockeln, plus anschließend aufzubringender Gussasphalt Dadurch war es auch möglich, die vielfach im Altbau nicht vorhandenen Anforderungen an die Betondeckungsmaße des Neubaus durch zusätzliche oder hochwertigere Schutzmaßnahmen plus intensivere Instandhaltung zu kompensieren. Gemäß TR IH [1] sind nun (Zitat): … die Betondeckungen für eine Nutzungsdauer von 50 Jahren deskriptiv auf Basis der relevanten Expo‐ sitionsklassen XC, XS und XD unter Einhaltung der Anforderungen an die Mindestbetondeckungen nach DIN EN 1992-1-1/ NA sowie der Anforderungen an Baustoffe und Bauausführung in den entsprechenden Normen festzulegen. 330 11 Instandsetzen chloridhaltiger Konstruktionen <?page no="339"?> Die TR IH [1] legt damit für eine Instandsetzung nach Verfahren 7.2 (Ersatz von chloridhaltigem Beton) fest, dass nach Abschluss der Instandsetzung ein dem Neubau gleichwertiger Zustand hinsichtlich der Dauerhaftigkeit vorliegt. Damit sind Unterschreitungen der Betondeckungsmaße insbesondere bei XD zunächst grundsätzlich nicht möglich. Das heißt, nach der Instandsetzung muss die Betondeckung den aktuellen Regelwerken für den Neubau entsprechen. Des Weiteren sind zusätzliche Schutzmaßnahmen bei der Instandsetzung auch dort gefordert (siehe obige Formulierung der TR IH [1]: „… Bauausführung …“), wo sie im Neubau ebenfalls gefordert werden (z. B. horizontale Verkehrsflächen). Orientieren kann man sich hierfür am DBV-Merkblatt „Park‐ häuser und Tiefgaragen“ [14] und dem DBV-Heft 42 [15]. Eine Reduzierung der Betondeckung ist nach anerkannter Regel der Technik dann nur bei Ausführung einer flächigen rissüberbrückenden Abdichtung plus Schutzschicht möglich. - Spielraum diesbezüglich hat der Sachkundige Planer nur dann, wenn der Bauherr eine kürzere weitere (Rest)Nutzungsdauer anstrebt. Sonderlösungen, die von den anerkannten Regeln der Technik abweichen, müssen in diesem Fall aber vertraglich vereinbart werden und der Bauherr ist vollumfänglich bezüglich etwaiger Risiken aufzuklären. In Bereichen eines Bauteils mit gleicher Schadenursache, gleichem Schadensbild/ Schädigungs‐ grad und gleicher Beanspruchung sollten nach Möglichkeit durchweg einheitliche Maßnahmen vorgenommen werden. Dies ist in der Praxis oftmals schwierig umzusetzen oder nicht sinnvoll - auch wenn dies von der TR IH [1] im Grundsatz gefordert wird. In der Praxis ist aber durchaus auch eine Kombination aus mehreren Instandsetzungsverfahren (z. B. lokal Verfahren 7.2, in anderen Bereichen Verfahren 7.1, 7.7 oder sogar 8.3) möglich, siehe Tabelle 11.1. 11.6.2 Verfahren 7.6, 7.7 und 7.8 nach TR IH Diese Verfahren kommen in der Praxis bei Instandsetzungen von Objekten mit starker Chlorid‐ belastung als alleiniges Verfahren i. d. R. nicht zur Anwendung. Die TR IH [1] besagt, dass das Verfahren 7.6 (Füllen von Rissen oder Hohlräumen zum Erhalt oder der Wiederherstellung der Passivität) bei Chlorideinwirkung nur präventiv zum Erhalt der Passivität angewendet werden darf. Gemäß TR IH [1] darf das Verfahren 7.7 (Beschichtung zum Erhalt oder der Wiederherstellung der Passivität) bei Chlorideinwirkung nur angewendet werden, wenn über den Zeitraum der Restnutzungsdauer keine Depassivierung der Bewehrung erfolgen kann. Dies darf als gegeben angenommen werden, wenn der Abstand der Betonzone mit kritischem korrosionsauslösenden Chloridgehalt zur Bewehrungsoberfläche mindestens 10 mm beträgt. Ferner darf der Chlorid‐ gehalt in der verbleibenden Altbetonschicht 1,5 M-% Clbezogen auf die Zementmasse nicht überschreiten. Die Einschränkungen sind identisch wie beim Verfahren 7.1 (siehe Abschnitt 11.6.1). Achtung: Dieses Verfahren 7.7 darf nicht mit dem Verfahren 8.3 (Erhöhung des elektri‐ schen Widerstandes durch Beschichtung) verwechselt werden (siehe Abschnitt 11.6.3). Dort ist das Ziel ein anderes, nämlich die Begrenzung des Wassergehaltes (Prinzip W-Cl nach Instandsetzungs-Richtlinie), nicht jedoch der Erhalt bzw. die Wiederherstellung der Passivität, die Bewehrung ist dort i. d. R. bereits depassiviert und bleibt auch nach der Instandsetzung in Korrosionsbereitschaft. Für den Autor unverständlich ist, dass das Verfahren 7.8 (Lokale Abdeckung von Rissen (Bandagen) zum Erhalt oder der Wiederherstellung der Passivität) in der TR IH [1] ohne vergleichbare Einschränkungen wie oben bei Verfahren 7.6 und 7.7 aufgeführt wird. - In der Praxis werden Rissbandagen seit vielen Jahren vor allem in Verkehrsbauten eingesetzt (Bild 11.19). Hier muss aber immer auch vom Sachkundigen Planer geprüft werden, ob bereits der kritische 331 11.6 Instandsetzung in der Praxis <?page no="340"?> korrosionsauslösende Chloridgehalt überschritten wurde. Ist dies der Fall, so muss lokal auch Betonabtrag und Betonersatz erfolgen (siehe Verfahren 7.2). Bild 11.19: Rissbandage auf einer Bodenplatte einer Tiefgarage Eine Rissbandage allein hätte nämlich bei bereits eingetretener höherer Chloridbelastung eben‐ falls das Ziel des Verfahrens 8.3 (siehe Abschnitt 11.6.3). Möglicherweise geht die TR IH [1] aber davon aus, dass Rissbandagen nach Verfahren 7.8 nur präventiv oder schnellstmöglich nach Entstehen eines Risses ausgeführt werden (analog zu Verfahren 7.6). 11.6.3 Verfahren 8.3 Erhöhung des elektrischen Widerstandes mit Beschichtung Das Instandsetzungsprinzip 8 „Erhöhung des elektrischen Widerstandes“ hat das Ziel, mittels Austrocknung des Betons dessen elektrischen Widerstand zu erhöhen. Bei chloridinduzierter Korrosion lässt die TR IH [1] nur das Verfahren 8.3. mittels Beschichtung zu. Eine Hydrophobie‐ rung ist bei XD / XS nicht erlaubt. In der Instandsetzungs-Richtlinie [4] ist dieses Verfahren 8.3 unter dem Instandsetzungsprinzip W-Cl beschrieben. In der Fachwelt war dieses Instandsetzungsprinzip schon immer umstritten, da hierbei der Chloridgehalt im Beton nicht reduziert wird und die Korrosionsprozesse noch lange Zeit weiter ablaufen, bzw. möglicherweise nie vollständig zum Stillstand kommen, weil aufgrund der hygroskopischen Wirkung der Salze im Beton eine vollständige Austrocknung nicht stattfindet. - Die Instandsetzungs-Richtlinie forderte für die Ausführung dieses Prinzips den Nachweis des Erfolges über Referenzflächen und eine regelmäßige Überprüfung des Sanie‐ rungserfolges nach der Instandsetzung, jedoch ohne konkrete Angaben, wie das erfolgen soll. Diese Forderung ist in der Praxis schwer umzusetzen, weshalb dieses Instandsetzungsprinzip auch meist nur bei Objekten mit geringer Restnutzungsdauer und bei geringen Chloridgehalten 332 11 Instandsetzen chloridhaltiger Konstruktionen <?page no="341"?> (sehr viel kleiner 2 M-% Cl bezogen auf die Zementmasse) zur Anwendung kommt. - Wurde das Verfahren bei hohen Chloridgehalten und unzureichender Austrocknung angewendet (z. B. Bodenplatten mit nachstoßender Feuchte), so waren vielfach neue Schäden (Hohllagen infolge Bewehrungskorrosion unter Beschichtungen) aufgetreten. Die TR IH [1] fordert nun für das Instandsetzungsverfahren 8.3 deshalb u. a. folgende Randbzw. Ausführungsbedingungen: • Abschätzung der Resttragfähigkeit unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Korrosion noch weiter stattfindet. • OS 2 ist nur bedingt gegen Chlorideindringen einsetzbar • Dieses Verfahren soll ab einem Chloridgehalt von 1,5 M-% Clbezogen auf die Zementmasse nicht angewendet werden. (Hinweis des Autors: Ein konkretes Verbot mittels „darf nicht“ spricht die TR IH aber nicht aus, in der Beschreibung des Verfahrens steht „soll“). Als Fußnote in der Tabelle 6 der TR IH [1] ist eine weitere Forderung zu finden, nämlich (Zitat): Dieses Verfahren sollte ab einem Chloridgehalt von 1,5 M-% bezogen auf die Zementmasse an der Bewehrung nicht angewendet werden. Es darf nur angewendet werden, wenn nach der Ausführung des Verfahrens die Auswirkung auf den Korrosionsfortschritt der Bewehrung (Einbau von Sensoren u. a.) von einem SKP über die Restnutzungsdauer überprüft wird. Hinweis des Autors: Aus dem „soll“ in der Beschreibung des Verfahrens ist in der Fußnote ein schwächeres „sollte“ geworden. Die Anforderung nach einem Korrosionsmonitoring, welches definitiv sinnvoll ist, ist in der Beschreibung des Verfahrens jedoch wiederum nicht zu finden. Diesbezüglich hätte man sich bei der Beschreibung des Verfahrens eine klarere Regelung gewünscht. Für die Praxis ändert sich mit der TR IH [1] für dieses Verfahren 8.3 nicht viel. Die Anfor‐ derung aus der Instandsetzungs-Richtlinie [4] bezüglich Referenzflächen entfällt, dafür wird die Anforderung hinsichtlich der regelmäßigen Überprüfung konkreter, da die TR IH [1] das Korrosionsmonitoring fordert. Die Empfehlungen zum maximalen Chloridgehalt sind sinnvoll. - Dennoch bleibt dieses Instandsetzungsverfahren eine Sonderbauweise, die aus Sicht des Autors nicht den anerkannten Regeln der Technik zuzuordnen ist. Dies muss vom SKP bei der Planung von Instandsetzungsmaßnahmen mit dem Verfahren 8.3 berücksichtigt werden. Er muss den Bauherren darüber aufklären und es sind unbedingt vertragliche Regelungen zu treffen. 11.6.4 Verfahren 10.1 Kathodischer Korrosionsschutz KKS In der Praxis hat sich mittlerweile das Instandsetzungsprinzip KKS (= kathodischer Korrosions‐ schutz für Stahl) bewährt, das bereits in der Instandsetzungs-Richtlinie [4] als Instandsetzungs‐ prinzip aufgeführt ist und in der DIN EN ISO 12696 [16] genormt ist. Zudem ist der aktive kathodische Korrosionsschutz nun fester Bestandteil der TR IH [1], dort als Instandsetzungs‐ verfahren 10.1 „Anlegen eines elektrischen Potenzials“ aufgeführt. Ob aus technischer und wirtschaftlicher Sicht ein KKS-System für ein bestimmtes Bauwerk oder Bauteil geeignet ist, muss stets objektspezifisch vom SKP geprüft werden. Funktionsweise von KKS Wie in den vorangegangenen Abschnitten beschrieben, ist im nicht karbonatisierten chloridfreien Beton die Bewehrung dadurch geschützt, dass sich auf der Metalloberfläche eine Passivschicht 333 11.6 Instandsetzung in der Praxis <?page no="342"?> bildet, die die Eisenauflösung verhindert. Solange dieser Zustand gegeben ist, kann keine Korrosion der Bewehrung erfolgen. Liegen in ausreichend hoher Konzentration Chloride im Beton vor, wird diese Passivschicht jedoch lokal unterbrochen und bei ausreichendem Angebot an Wasser (das Porenwasser ist in der Regel ausreichend) und Sauerstoff erfolgt die Eisenauflösung (anodische Teilreaktion der Korrosion) am Bewehrungsstahl. Bild 11.20: Prinzipskizze zum Aufbau und zur Funktionsweise des Kathodischen Korrosionsschutzes KKS Bei der Anwendung des kathodischen Korrosionsschutzes wird die anodische Teilreaktion durch einen entgegengesetzten Gleichstrom (Schutzstrom) unterbunden. Hierfür wird in der Regel ein dauerhaftes Anodensystem auf die Betonoberfläche aufgebracht und die Bewehrung wird an den Minuspol, die neue Anode an den Pluspol einer Stromquelle angeschlossen (Bild 11.20). Die Bewehrung wird dadurch zur Kathode, die Eisenauflösung ist infolge des elektronegativeren Potentials unterbunden. Bei uneinheitlichem Schädigungsund/ oder Bewehrungsgrad innerhalb eines Bauteils oder wenn unzugängliche Bewehrungslagen geschützt werden müssen, kommen für den KKS diskrete Stabanoden zur Anwendung. Diese werden in zuvor in die zu schützenden Bereiche eingebrachten Bohrlöcher montiert. Die Bohrlöcher verfüllt man dann mit einem zementgebundenen, hoch alkalischen, schwindfreien Mörtel. Er stellt den elektrischen Kontakt zwischen der Stabanode und dem zu schützenden Bauteil her. Anwendung von KKS Der kathodische Korrosionsschutz von Stahl an sich hat sich seit vielen Jahrzehnten bewährt, und zwar im Rohrleitungsbau und vergleichbaren erdverlegten baulichen Anlagen. Die Anwendung von KKS für Stahlbetonbauteile nahm in den letzten etwa 10 bis 20 Jahren verstärkt zu. Mittlerweile werden KKS-Systeme in diesem Anwendungsbereich in Deutschland häufig eingesetzt. Diese Bauweise ist in der DIN EN ISO 12696 [16] genormt und sie dort ausführlich beschrieben. 334 11 Instandsetzen chloridhaltiger Konstruktionen <?page no="343"?> Der Einsatz von KKS-Systemen erfordert im standsicherheitsrelevanten Bereich für das Ano‐ densystem einschließlich Einbettungsmörtel eine projektbezogene Zustimmung im Einzelfall durch die zuständige Bauaufsichtsbehörde. Die Instandsetzung mittels KKS sollte bei der Planung und Entscheidungsfindung als mögliche Instandsetzungsvariante immer berücksichtigt werden. Eine Entscheidung für oder gegen KKS muss dann aus technischer und wirtschaftlicher Sicht erfolgen. Um KKS installieren und erfolgreich anwenden zu können, sind Voruntersuchungen erforder‐ lich. Insbesondere sind dies: • Potenzialfeldmessungen • Bestimmung des elektrischen Widerstandes des Betons • Überprüfung, ob Reparaturbzw. Ergänzungsmaßnahmen an der Bewehrung zur Herstel‐ lung von ungehindertem Stromfluss erforderlich sind, gegebenenfalls vollständiger Beweh‐ rungsscan • Ggf.: Anlegen einer Probefläche mit Messsensoren / Monitoringsystem zur Prüfung und Beurteilung der Wirksamkeit. Diese Untersuchungen können zum Teil auch erst während der Instandsetzung realisierbar sein. Liegt an einem Bauteil vielfach korrodierte Bewehrung mit hohen Querschnitts-verlusten vor, müssen diese Bereiche zusätzlich zum KKS mittels „klassischer“ Betoninstandsetzung bearbeitet werden (Betonabtrag, Ersatz nicht mehr tragfähiger Bewehrung und Betonersatz; Verfahren 7.2) oder es ist zusätzlich eine statische Verstärkung nötig. KKS-Elemente dürfen bei späteren Arbeiten nicht beschädigt werden. Es bestehen deshalb Einschränkungen, wenn man beispielsweise Bohrungen in die mittels KKS geschützten Bauteile einbringen möchte. Aus diesem Grund muss die Lage der KKS-Elemente in der Bauphase genau eingemessen und fachgerecht dokumentiert werden. Vor der Ausführung entsprechender Arbeiten ist die betreffende Dokumentation einzusehen und es muss Rücksprache mit dem KKS-Planer und/ oder mit dem ausführenden Unternehmen gehalten werden. Des Weiteren muss man sich darüber bewusst sein, dass KKS-Systeme einer regelmäßigen Wartung und Kontrolle über die gesamte Restnutzungs-dauer des Bauwerks/ Bauteils unterliegen (KKS-Monitoring). Der Betrieb der KKS-Anlage benötigt fortwährend elektrischen Strom, wobei der Stromverbrauch gering ist. Diese o. g. Bedingungen für Wartung, Kontrolle und Betrieb sind aber hinsichtlich einer etwaigen Veräußerung des Gebäudes zu beachten. Durch KKS-Systeme können sich aus unserer Erfahrung gegebenenfalls finanzielle Nachteile ergeben, da die Akzeptanz von KKS-Systemen als solche bei Bauherren noch nicht grundsätzlich vorliegt. Unter Fachleuten wird hingegen das dauerhafte KKS-Monitoring mittlerweile als sichere und einfache Art der Bauwerksüberwachung geschätzt. Ob ein KKS-System zum Einsatz kommen soll, muss grundsätzlich der Bauherr entscheiden. Dazu muss unter anderem die Wirtschaftlichkeit von KKS-Systemen im Vergleich zu „klassischen“ Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen geprüft werden. Vollbzw. großflächige KKS-Systeme können unter Umständen auch kostenintensiver sein als eine „klassische“ Instandsetzung mittels Betonabtrag und Betonersatz. Die ggf. höheren Kosten eines KKS-Systems müssen aber anderen Vorteilen von KKS, zum Beispiel dem Verzicht auf Abstützmaßnahmen bei (Zwischen)Decken während der Bauphase, einer in der Regel kürzeren Dauer des Nutzungsausfalls, weniger Lärm sowie einem geringerem Eingriff in die Bausubstanz, gegenüber gestellt werden. 335 11.6 Instandsetzung in der Praxis <?page no="344"?> 11.6.5 Elektrochemische Chloridextraktion ECE Die elektrochemische Chloridextraktion (ECE) spielt in Deutschland in der Praxis noch eine sehr untergeordnete Rolle. Das Verfahren ist in der TR IH [1] nicht enthalten und wurde auch schon in der Instandsetzungs-Richtlinie [4] nur am Rande erwähnt. In anderen Ländern wird das Verfahren jedoch durchaus öfters angewendet. In der Literatur sind aber auch Pilotprojekte aus Deutschland beschrieben [17]. Das Verfahren ECE ist zwischenzeitlich in der DIN EN 14038-2 [18] geregelt, dessen Vorläufer, die technische Spezifikation DIN CEN/ TS 14038-2 aus dem Jahr 2011 in die Norm überführt wurde. Dadurch wird deutlich, dass es sich bei diesem Verfahren um eine sehr junge Instandsetzungsva‐ riante handelt. Das Instandsetzungsverfahren ist eine Sonderbauweise, die nicht der anerkannten Regel der Technik zuzuordnen ist. Entsprechende vertragliche Regelungen und Aufklärung des Bauherren sind erforderlich. Bild 11.21: Prinzipskizze zum Aufbau und zur Funktionsweise der elektrochemischen Chloridextraktion (ECE) Bild 11.21 verdeutlicht die Funktionsweise der elektrochemischen Chloridextraktion (ECE). Ziel ist es, die negativ geladenen Chloridionen mit Hilfe eines elektrischen Feldes aus dem Beton heraus zu transportieren. Dabei ist die Transportleistung von Chloridionen in einem elektrischen Feld (Ionenmigration) deutlich höher als die „freie“ Chloridionendiffusion im Beton. Des Weiteren findet parallel eine Realkalisierung des Betons an der Oberfläche der Bewehrung statt (Repassivierung). Auf die Betonoberfläche wird ähnlich wie beim kathodischen Korrosionsschutz eine Anode aufgebracht. Diese Anode (i. d. R. Metallgitter) befindet sich in einer Elektrolytlösung (Natrium‐ carbonat, Kaliumcarbonat, Lithiumhydroxid; i. d. R. eingebettet in Zellulosefasern). Zwischen Anode und der Bewehrung wird mittels einer Stromquelle ein elektrisches Feld erzeugt. Die Bewehrung wird zur Kathode. Die Kationen aus der Elektrolytlösung werden in den Beton und zur Bewehrung transportiert. Durch die Anreicherung von Kationen (Na + , K + und Ca ++ ) an der Oberfläche der Bewehrung sowie insbesondere durch die elektrochemischen Reaktionen an der 336 11 Instandsetzen chloridhaltiger Konstruktionen <?page no="345"?> Kathode (Bewehrung) mit der Entstehung von Hydroxidionen (OH - ) erfolgt eine starke Anhebung des pH-Wertes und dadurch eine Realkalisierung des Betons an der Bewehrung (Repassivierung): O 2 + 2H 2 O + 4e - = 4OH - Im Gegenzug werden die im Beton vorliegenden negative geladenen Chloridionen (Cl - ) mit der Spannung des elektrischen zur Betonoberfläche transportiert und in der Elektrolytlösung an der Anode aufgefangen. Auch die entstehenden Hydroxidionen (OH - ) werden zur Betonoberfläche transportiert. Zusätzliche Informationen zum elektrochemischen Chloridentzug können der weiterführen‐ den Literatur [19] und [20] entnommen werden. Der Chloridgehalt des Betons wird durch ECE verringert, eine vollständige Absenkung des Chloridgehaltes auf 0 M-% Cl bezogen auf die Zementmasse ist jedoch nicht möglich (Anwen‐ dungsgrenzen). Chloridionen aus tieferen Betonzonen (also hinter der äußeren Bewehrung) können „nach außen“ transportiert werden, wenn in tieferen Betonzonen weitere negativ polarisierte Bewehrungslagen als Kathode vorliegen. Um das Verfahren anwenden zu können, sind im Vorfeld umfangreiche Untersuchungen an den zu bearbeitenden Bauteilen erforderlich. Die DIN EN 14038-2 [18] beschreibt diese Untersuchungen sowie Anforderungen an die Randbedingungen und an das Personal. Bei diesem Verfahren ist auch der Korrosionszustand der Bewehrung zu erfassen. Bereits nicht mehr tragfähige Bewehrung kann mit diesem Verfahren nicht instand gesetzt werden. Falls die Tragfähigkeit nicht mehr gegeben ist, ist eine statische Verstärkung erforderlich, oder es muss (ggf. lokal) das Verfahren 7.2 angewendet werden und dabei die betroffene Bewehrung ersetzt werden. Während der Ausführung ist eine strenge Überwachung erforderlich. Zudem muss auch während und nach der Ausführung eine Kontrolle des Chloridgehaltes mittels mehrfacher Bohrmehlentnahme erfolgen. Die Ausführung ist in der Regel in mehrere Phasen eingeteilt, die Extraktion muss in mehreren Phasen mit dazwischenliegenden Ruhephasen erfolgen, um zum einen eine Übersäuerung der Betonrandzone zu verhindern und zum anderen um tiefer liegende Chloridionen ebenfalls erfassen zu können, die in der Ruhephase „nachdiffundieren“. Das Ende der Behandlung ist dann erreicht, wenn die festgelegten Ziele (z. B. Erreichen eines ausreichend geringen Chloridgehaltes, der unter dem korrosionsauslösenden Chloridgehalt liegt) erreicht sind (siehe DIN EN 14038-2 [18]). Zur Erhaltung der Dauerhaftigkeit sind nach Abschluss der Behandlung erforderlichenfalls Schutzmaßnahmen (z. B. Beschichtungen) aufzubringen. Ein zukünftiges Korrosionsmonitoring ist ggf. erforderlich. Die Vorteile des Verfahrens liegen darin, dass das Verfahren im Normalfall im laufenden Betrieb durchgeführt werden kann, so dass nur geringe Nutzungseinschränkungen bestehen. Des Weiteren entfallen Lärmbelästigungen und aufwändige Abstützmaßnahmen, solange die Tragfähigkeit noch gegeben ist. - Das Verfahren ist jedoch nicht für eine vollflächige Anwendung gedacht (nicht wirtschaftlich). Vielmehr ist es als Ergänzung bei einer Instandsetzung an einzelnen Bauteilen / Baubereichen sinnvoll. 11.7 Weitere Verfahren Die in der Tabelle 11.1 aufgeführten Instandsetzungsverfahren 9.1, 11.1, 11.2 und 11.3 spielen in der Praxis bei der Instandsetzung chloridbelasteter Bauteile kaum eine Rolle. 337 11.7 Weitere Verfahren <?page no="346"?> Die Begrenzung des Sauerstoffgehaltes (Verfahren 9.1; Prinzip „O“) würde zwar in der Theorie eine der drei Grundvoraussetzungen für Korrosion unterbinden, in der Praxis ist jedoch nicht zuverlässig sicherzustellen, dass der Sauerstoffgehalt im Beton ausreichend begrenzt wird. Das Instandsetzungsprinzip C-Cl nach Instandsetzungs-Richtlinie [4] mit Korrosionsschutz durch Beschichtung der Bewehrung wurde zwar lange Zeit angewendet, bei Chloridbelastung allerdings auch eher in Kombination mit Betonabtrag und Betonersatz (entspricht Verfahren 7.2). Bei fachgerechter Ausführung des Verfahrens 7.2 ist eine zusätzliche Beschichtung der Bewehrung mit z. B. Epoxidharzen allerdings heute nicht erforderlich, die TR IH [1] sieht dies auch nicht mehr vor. Weitere grundsätzliche Instandsetzungsmöglichkeiten außerhalb der TR IH [1] und der DIN EN 1504-9 [13] sind: • Einsatz von Bewehrung mit werkmäßig ausgeführter Beschichtung • Verwendung von feuerverzinkter Bewehrung • Verwendung von Bewehrung aus nichtrostendem Betonstahl • Verwendung von Bewehrung mit erhöhter Chloridbeständigkeit (z. B. Swiss Steel Top 12 mit über 12 % Chromanteil). Diese Möglichkeiten sind jedoch nur für den Neubau oder ggf. für einen Teilersatz von Bautei‐ len einsetzbar, wenn ein Chlorideinfluss über die geplante Nutzungsdauer nicht zuverlässig ausgeschlossen werden kann. Es kann dann auch auf aufwändige Schutzmaßnahmen vor eindrin‐ gendem Chlorid verzichtet werden (Achtung Sonderbauweise). - Für die Instandsetzung von bestehenden Bauteilen mit bestehender Bewehrung sind die o. g. Möglichkeiten jedoch nicht geeignet. 11.8 Chloridbelastung in WU-Bodenplatten Bei der Instandsetzung von druckwasserbelasteten WU-Bodenplatten, die durch Chloride im Beton geschädigt wurden, ist eine Instandsetzung mittels klassischem Betonabtrag und Betoner‐ satz (Verfahren 7.2) meist sehr aufwändig. Entweder muss eine Wasserhaltung über die Bauzeit erfolgen oder das Arbeiten ist nur schrittweise in kleinflächigen Feldern möglich (Pilgerschritt‐ verfahren). Wird eine weitere lange Restnutzungsdauer angestrebt, so ist eine Instandsetzung mittels Kathodischem Korrosionsschutz KKS (Verfahren 10.1) eine gute Option. Dadurch lässt sich der Betonabtrag auf die Bereiche reduzieren, bei denen die Bewehrung ergänzt werden muss. Der übrige chloridhaltige Beton kann verbleiben. Bei kürzeren Restnutzungsdauern kann auch das Aufbringen einer Beschichtung (z. B. OS 8) sinnvoll sein, um zumindest einen weiteren Chlorideintrag zu verhindern. Vorhandene Schadstellen werden nur lokal bearbeitet. In den übrigen Bereichen bleibt die Bewehrung aber in Korrsosionsbereitschaft bzw. korrodiert weiter (Chloridhaltiger Beton wird nicht entfernt). Das Instandsetzungsverfahren 8.3 wird hierbei dann nicht sicher realisiert, da die Bodenplatte feucht bleibt. Es wird also zu neuen Schadstellen kommen. Diese müssen dann über die Restnutzungsdauer Zug um Zug immer wieder bearbeitet werden (erhöhter Wartungs- und Instandsetzungsaufwand). Das Verfahren 8.3 ist z. B. bei herkömmlichen Bodenplatten ohne statische Funktion problemlos anwendbar. Bei WU-Bodenplatten muss vom Tragwerksplaner überprüft werden, ob ein weiterer Querschnittsverlust der Bewehrung die Tragfähigkeit nicht beeinträchtigt. 338 11 Instandsetzen chloridhaltiger Konstruktionen <?page no="347"?> 11.9 Planungshilfen Neben den technischen Regelwerken (TR IH [1], Instandsetzungs-Richtlinie [4]) ist für die Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen folgende Literatur vom SKP als Planungshilfen heranzuziehen: • DBV-Merkblatt: Parkhäuser und Tiefgaragen (3. überarbeitete Ausgabe 01/ 2018) [14] • DBV-Heft 27: Wartung und Instandhaltung von Parkbauten (2013) [21] • DBV-Heft 36: Dauerhafte Parkbauten in Betonbauweise (2015) [22] • DBV-Heft 39: Ist-Zustandserfassung von Parkbauten in Betonbauweise • (2017) [9] • DBV-Heft 42: Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten - Beispielsamm‐ lung (2019) [15] Die o. g. Planungshilfen beziehen sich zwar ausschließlich auf Parkbauten, da hier naturgemäß am häufigsten Schäden durch Chloride entstehen. Die dort beschriebenen Bauweisen und Instandsetzungen lassen sich jedoch auch auf andere chloridbeanspruchte Objekte übertragen. Empfehlenswert für den SKP sind auch regelmäßige Weiterbildungen bei der TAE (Technische Akademie Esslingen), insbesondere die Kolloquien „Parkbauten“ und „Erhaltung von Bauwerken“. 11.10 Instandhaltungsplan - Inspektion und Wartung Die Instandsetzungs-Richtlinie [4] forderte bereits schon immer einen sogenannten objektspezi‐ fischen Instandhaltungsplan (IH-Plan) für die Zeit nach einer Instandsetzung. Dieser sollte vom Sachkundigen Planer erstellt werden und beinhaltete hauptsächlich Angaben zur Inspektion und Wartung. Im Teil 1, Abschnitt 3.3 der Instandsetzungs-Richtlinie hieß es (Zitat): Vom Sachkundigen Planer ist für die gewählte Ausführung ein Instandhaltungsplan zu erstellen, der planmäßige Inspektionen und Angaben zu Wartung und Instandhaltungsmaßnahmen enthält. Konkrete Angaben, wie ein solcher IH-Plan auszusehen hat, enthielt die Instandsetzungs-Richt‐ linie [4] allerdings nicht. Orientieren konnte sich der Sachkundige Planer seinerzeit an den WTA Merkblättern 5-1-99 [23] und 5-7-99 [24]. Bereits in den Jahren vor Erscheinung der TR Instandhaltung [1] gewann der Begriff „Instand‐ haltungsplan“ vermehrt an Bedeutung. So forderte 2015 die DIN EN 1992-1-1/ NA/ A1 [25] in Tabelle 4.1 erstmals auch für den Neubau einen Instandhaltungsplan. In diesem nationalen Anhang wurde in Tabelle 4.1 für • Verkehrsflächen mit flächiger unterlaufsicherer Abdichtung • befahrene Verkehrsflächen mit vollflächigem Oberflächenschutz • befahrene Verkehrsflächen mit rissvermeidenden Bauweisen ohne Oberflächenschutz oder ohne Abdichtung • befahrene Verkehrsflächen mit dauerhaftem lokalen Schutz von Rissen gefordert, dass für die Sicherstellung der Dauerhaftigkeit ein Instandhaltungsplan im Sinne der Instandsetzungs-Richtlinie [4] aufzustellen ist. Das bedeutet konkret, dass für chloridbean‐ spruchte Betonbauteile von Verkehrsflächen bereits bei der Neuplanung ein Instandhaltungsplan (IH-Plan) aufgestellt werden muss. 339 11.9 Planungshilfen <?page no="348"?> Eine gute Definition für den IH-Plan liefert die DIN 18532-1 [26]. Hier heißt es in Abschnitt 10.2 (Zitat): Als Grundlage für die Instandhaltung der Abdichtung ist bei der Planung ein objektspezifischer Instandhaltungsplan zu erstellen. Im Instandhaltungsplan müssen die Inspektionsintervalle sowie die ggf. erforderlichen Wartungs- und Instandsetzungsmaßnahmen in Abhängigkeit von den Inspektionsergeb‐ nissen sowie die dazu erforderlichen Verfahrensweisen festgelegt werden. Der Instandhaltungsplan ist auf die Erfordernisse der zur Anwendung kommenden Abdichtungsbauart abzustellen. In der TR Instandhaltung [1] wird vom Sachkundigen Planer die Erstellung eines Instandhal‐ tungsplanes grundsätzlich gefordert. Gemäß der TR IH impliziert ein Instandhaltungsplan einen Inspektions- und Wartungsplan, ggf. auch einen Instandsetzungsplan. Die TR IH gibt jedoch nur einen konkreten Hinweis, welche Inhalte in einem IH-Plan festgelegt werden sollen, nämlich die Kontrollmessungen der Wirkung von Hydrophobierungen. Weitere konkrete Forderungen nach Art, Inhalt und Umfang von Inspektionen und Wartungsarbeiten - insbesondere für chloridbeanspruchte Verkehrsbauten - werden von der TR IH nicht genannt. Im Abschnitt 7.1 heißt es hier nur (Zitat): (2) Planmäßige Inspektionen/ Wartung und ggf. Instandsetzungen sind im Instandhaltungsplan anzuge‐ ben. Kann die Beständigkeit des Instandsetzungssystems über die geplante Restnutzungsdauer nicht sichergestellt werden, ist der Zustand im Rahmen von Inspektionen bzw. Wartungsmaßnahmen regel‐ mäßig zu überprüfen und es sind ggf. Instandsetzungen zu empfehlen. Der Sachkundige Planer muss sich zur Aufstellung eines IH-Planes also bei anderen Quellen bedienen. Die mittlerweile in die Jahre gekommenen WTA-Merkblätter [23] und [24] eignen sich hierfür heute nur noch bedingt. Diese sind bereits seit einiger Zeit in Überarbeitung (Stand September 2021). Neben der DIN 18532 [26] gibt das DBV-Merkblatt "Parkhäuser und Tiefgaragen“ [14] die ausführlichsten Hinweise zur Aufstellung eines objektspezifischen Instandhaltungspla‐ nes. Hilfreich sind zudem die DBV-Hefte 27 [21] und 36 [22]. Die dortigen Hinweise sind sowohl für den Neubau als auch für ein Bestandsobjekt nach erfolgter Instandsetzung verwendbar. Ziel des IH-Planes ist es, mittels regelmäßiger Inspektionen und Wartungen aufwendige In‐ standsetzungsmaßnahmen zu vermeiden und somit den Wert des Bauwerkes aufrechtzuerhalten. Durch solche Inspektionen können kleine Schäden frühzeitig entdeckt werden und dann i. d. R. kostengünstig beseitigt werden. Insbesondere in der Gewährleistungsphase von Bauleistungen ist es daher wichtig, dass die erforderlichen Inspektionen und Wartungen durchgeführt werden, um etwaige Gewährleistungsansprüche nicht zu verlieren. Nach Fertigstellung und Abnahme der Bauleistungen liegen regelmäßige Inspektionen und Wartungen im Verantwortungsbereich des Eigentümers bzw. Betreibers. Die Kosten für Inspektion und Wartung hat der Eigentümer/ Betrei‐ ber zu tragen, es sei denn die erforderlichen Maßnahmen im Zuge der Wartung resultieren aus einem Ausführungsfehler der ausführenden Firma, die die Baumaßnahme oder die Instandsetzung durchgeführt hat. In einem solchen Fall können Gewährleistungsansprüche geltend gemacht werden. - Die Abgrenzung zwischen Gewährleistungsfall (Ausführungsfehler) und üblichem Verschleiß erfolgt i. d. R. durch den Sachkundigen Planer im Zuge der Inspektion, wobei im Streitfall auch ein Sachverständiger eingeschaltet werden kann. Grundsätzlich ist für jedes Objekt ein IH-Plan für die Zeit nach der Instandsetzung vom SKP aufzustellen, nicht nur für Verkehrsbauten. Da gerade dort aber die Instandhaltung von größter Bedeutung ist, finden sich für Verkehrsbauten am ehesten Hinweise zum notwendigen Inhalt eines Instandhaltungsplanes. Grundsätzlich muss ein Instandhaltungsplan für die Zeit nach einer Instandsetzung enthalten: 340 11 Instandsetzen chloridhaltiger Konstruktionen <?page no="349"?> • Allgemeine Angaben zum Objekt • Angaben zu den instand zuhaltenden Bauteilen • Angaben über die durchgeführten Instandsetzungsarbeiten • Anweisungen zur Pflege (insbesondere Reinigung, ständige Beobachtung) • Hierbei sind die erforderlichen Reinigungsintervalle festzulegen. Hierzu gehört auch die ständige Beobachtung durch den Betreiber bzw. dessen Beauftragten und ggf. die Meldung von Unregelmäßigkeiten (Verstopfungen, von Entwässerungseinrichtungen, starke Verun‐ reinigungen, Wassereintritte etc.) • Konkrete Angaben zum Inspektionsdurchgang: - Inspektionsintervall - Beschreibung der durchzuführenden Prüfaufgaben (z. B. augenscheinliche Prüfung von Oberflächenschutzsystemen auf Verschleiß, Risse, Fehlstellen; augenscheinliche Prüfung von Stahlbetonbauteilen auf Risse, Abplatzungen, Rostfahnen, frei liegende korrodierte Bewehrung, geöffnete Bauwerkstrennfugen, Schrägstellungen, Verformun‐ gen, Verschiebungen; etc.) • Angaben zur Wartung (Routine-Instandhaltungen), z. B.: - Erneuern von Fugendichtstoffen - Aufbringen von Rissbandagen • Beschreibung von erforderlichenfalls weiterführenden Maßnahmen, die dann einzuleiten sind (z. B. lokale Instandsetzung). Hierbei ist es oftmals ausreichend, das grundsätzliche Vorgehen festzulegen (z. B. Meldung vom Betreiber; Hinzuziehung des Sachkundigen Planers) Der IH-Plan ist immer objektspezifisch auf den jeweiligen Anwendungsfall auszuarbeiten. Separat zu betrachten ist die Instandhaltung der technischen Gebäudeausrüstung. Diese ist in der Regel nicht Bestandteil des IH-Planes der Betoninstandsetzung. Weitere Angaben zum Inhalt eines IH-Planes finden sich im DBV-Merkblatt [14] sowie in den DBV-Heften 27 [21] und 36 [22]. 11.11 Literatur [1] DEUTSCHES INSTITUT FÜR BAUTECHNIK (DIBT): Technische Regel: Instandhaltung von Betonbau‐ werken (TR Instandhaltung); Teil 1 und 2; Ausgabe Mai 2020. [2] U. NÜRNBERGER: Korrosion und Korrosionsschutz im Bauwesen, Bauverlag GmbH, Wiesbaden und Berlin 1995. [3] IBAC KURZBERICHT 152: Untersuchungen zum kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalt in der Kontaktzone zwischen Stahl und Beton; Kurzberichte des Institut für Bauforschung 23 (2010) Nr. 152; RWTH Aachen University. [4] DEUTSCHER AUSSCHUSS FÜR STAHLBETON (DAFSTB) E. V.: Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs-Richtlinie); Teil 1 bis 4; Beuth Verlag; Berlin 2001. [5] J. SCHNELL, M. RAUPACH: Kritischer korrosionsauslösender Chloridgehalt - Positionspapier des DAfStb zum aktuellen Stand der Technik; Stand 08. Oktober 2015. [6] G. KAPTEINA: Modell zur Beschreibung des Eindringens von Chlorid in Beton von Verkehrsbauwerken; Dissertation Technische Universität München, 2011. [7] K.-CH. THIENEL: Werkstoffe des Bauwesens, Dauerhaftigkeit von Beton; Vorlesungsmanuskript Frühjahrstrimester 2011; Institut für Werkstoffe des Bauwesens, Fakultät für Bauingenieur- und Vermes‐ sungswesen, Universität der Bundeswehr München. 341 11.11 Literatur <?page no="350"?> [8] DEUTSCHER AUSSCHUSS FÜR STAHLBETON (DAFSTB) E. V.: Instandhaltung von Betonbauteilen (Instandhaltungs-Richtlinie) ENTWURF Stand 2015-07-31. [9] DBV-HEFT 39: Ist-Zustandserfassung von Parkbauten in Betonbauweise; Fassung Januar 2017, Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein e. V., Berlin 2017. [10] DIN EN 14629: 2007-06, Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontrag‐ werken - Prüfverfahren - Bestimmung des Chloridgehaltes in Festbeton. [11] DEUTSCHER AUSSCHUSS FÜR STAHLBETON (DAFSTB) IM DIN DEUTSCHES INSTITUT FÜR NOR‐ MUNG E. V.: Heft 401: Anleitung zur Bestimmung des Chloridgehaltes von Beton; Schnellbestimmung des Chloridgehaltes von Beton; Bestimmung des Chloridgehaltes von Beton durch Direktpotentiometrie; Beuth Verlag, Berlin, 1989. [12] DGZFP-FACHAUSSCHUSS ZERSTÖRUNGFREIE PRÜFUNG IM BAUWESEN UNTERAUSSCHUSS KORROSIONSNACHWEIS: Merkblatt B 03: Elektrochemische Potentialmessungen zur Detektion von Bewehrungsstahlkorrosion, Ausgabe April 2021; Deutsche Gesesllschaft für Zerstörungsfreie Prüfung e. V. (DGZfP). [13] DIN EN 1504-9: 2009-11, Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontrag‐ werken - Definitionen, Anforderungen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität - Teil 9: Allgemeine Grundätze für die Anwendung von Produkten und Systemen. [14] DBV-MERKBLATT: Parkhäuser und Tiefgaragen, 3. überarbeitete Ausgabe Januar 2018, Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein e. V., Berlin. [15] DBV-HEFT 42, Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten - Beispielsammlung, Fassung Januar 2019, Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein e. V., Berlin 2019. [16] DIN EN ISO 12696: 2017-05, Kathodischer Korrosionsschutz von Stahl in Beton (bzw. Entwurf 2021-03). [17] I. LINDEMANN, A. FAULHABER: Tiefgarageninstandsetzung unter Anwendung des Verfahrens Chloridentzug, TAE Tagungshandbuch 5. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken 2017. [18] DIN EN 14038-2: 2020-12, Elektrochemische Realkalisierung und Chloridextraktionsbehandlung für Stahlbeton - Teil 2: Chloridextraktion. [19] M. SIEGWART, B. MCFARLAND: Grundlagen der elektrochemischen Instandsetzung von Stahlbeton‐ bauwerken; 1. Kolloquium zur Erhaltung von Bauwerken an der Technischen Akademie Esslingen, 27.1.2009. [20] C. DAUBERSCHMIDT: Chloridbelasteter Beton - immer ein Entsorgungsfall? Regionaltagung des Deutschen Beton- und Bautechnikvereins, München, 23. Februar 2010. [21] DBV-HEFT 27, Wartung und Instandhaltung von Parkbauten, 2013, Deutscher Beton- und Bautech‐ nik-Verein e. V., Berlin 2013. [22] DBV-HEFT 36, Dauerhafte Parkbauten in Betonbauweise - Gut informiert, sicher planen und bauen, 2015, Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein e. V., Berlin 2015. [23] WTA-MERKBLATT 5-1-99/ D: Wartung von Betonbauwerken, Musterwartungsvertrag; Stand Juli 2003, redaktionell überarbeitet Januar 2015; Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerk‐ serhaltung und Denkmalpflege e. V. (WTA). [24] WTA-MERKBLATT 5-7-99/ D: Prüfen und Warten von Betonbauwerken, überarbeitete Fassung des WTA Merkblattes 5-7-92; Stand Januar 1999; Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e. V. (WTA). [25] DIN EN 1992-1-1: 2011-01, Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetont‐ ragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau; inkl. DIN EN 1992-1-1/ A1: 2015-03: A1-Änderung; DIN EN 1992-1-1/ NA: 2013-04: Nationaler Anhang, DIN EN 1992-1-1/ NA/ A1: 2015-12: A1-Änderung. [26] NORMENREIHE DIN 18532: 2017-07, Abdichtung von befahrbaren Verkehrsflächen aus Beton. 342 11 Instandsetzen chloridhaltiger Konstruktionen <?page no="351"?> 12 Oberflächenschutz M. Schröder 12.1 Einleitung Für den Schutz von Betonoberflächen wurden im Laufe der Zeit verschiedene Stoffe und Systeme entwickelt, mit denen die vielfältigen Anforderungen im Bauwesen sowohl für lediglich bewitterte Flächen als auch für stärker beanspruchte Bauteile z. B. im Brücken- und Ingenieurbau sowie im industriellen Bereich erfüllt werden können. Darüber hinaus gibt es für besondere Fälle spezielle Systeme und Anwendungstechniken, die ebenfalls behandelt werden. Hierbei wird nicht nur auf die in den Regelwerken beschriebenen Oberflächen-Schutzysteme eingegangen, sondern auch auf anderweitige Erfahrungen und daraus resultierende Systeme und Anwendungen hingewiesen. Im Kapitel 5. werden die Eigenschaften von Kunststoffen detailliert beschrieben. Hier werden die Eigenschaften noch einmal aufgezeigt, die für den Oberflächenschutz eine besondere Rolle spielen. 12.2 Erfordernis Ordnungsgemäß hergestellter Beton ist bekanntlich sehr dauerhaft und bedarf in vielen Fällen, vor allem, wenn er lediglich normaler Bewitterung ausgesetzt ist, keines Schutzüberzuges. Wenn jedoch die Herstellung einer ausreichend widerstandsfähigen Oberfläche nicht gelungen ist, z. B. aufgrund fehlender oder unzureichender Nachbehandlung, oder wenn ungenügende Betondeckung keinen dauerhaften Korrosionsschutz der Bewehrung sicherstellt, können Ober‐ flächen-Schutzmaßnahmen zur Erhöhung der Dauerhaftigkeit oder als Teil umfassender Instand‐ setzungsarbeiten notwendig sein. Weiterhin sind Schutzschichten dort erforderlich, wo die Beständigkeit von Beton im Einzelfall wegen der besonderen Beanspruchung in mechanischer oder chemischer Hinsicht schlichtweg überfordert ist. Darüber hinaus können weitere Anforderungen an die Oberfläche von Betonbauteilen gestellt werden, die mit betontechnologischen Mitteln allein nicht erfüllbar sind. Letztendlich kann eine Beschichtung auch allein aus gestalterischen Gründen vorgenommen werden, wobei die damit verbundene Schutzwirkung dem Werterhalt zwangsläufig zugutekommt. 12.3 Aufgaben Oberflächenschutzsysteme für Beton können folgende Aufgaben übernehmen: • Schutz vor Carbonatisierung • Schutz vor Tausalzeinwirkung • Abdichtung gegen Wasser <?page no="352"?> • Abdichtung gegen Gase • Abdichtung gegen Chemikalien • Abdichtung gegen Öle und Fette • Erzielung rutschhemmender Oberflächen • Erhöhung des Verschleißwiderstandes (Verringerung der Staubbildung) • Verbesserung der Reinigung (auch Dekontaminierbarkeit) • Herstellung bakteriologisch unbedenklicher Oberflächen • Erzielung optischer Wirkung (farbliche Gestaltung) • Erzielung bestimmter elektrischer Eigenschaften 12.4 Eigenschaften Um die zuvor genannten Aufgaben erfüllen zu können, sind folgende Eigenschaften der Schutz‐ systeme zu unterscheiden: • diffusionsoffen • diffusionsdicht • wasserabweisend • flüssigkeitsdicht • chemikalienbeständig • temperaturbeständig • hart • flexibel, dehnbar (rissüberbrückend) • verschleißtest • glatt • rutschhemmend • matt • glänzend • transparent • farbig • elektrisch leitfähig • elektrisch isolierend 12.5 Beschichtungsstoffe Für den Oberflächenschutz von Beton werden Beschichtungsstoffe verwendet, die in flüssiger Form verarbeitet werden und nach dem Auftragen auf dem Betonuntergrund trocknen bzw. erhärten. Nicht behandelt werden in diesem Zusammenhang Folien und Dichtungsbahnen sowie bituminöse Stoffe. Für das Gebiet des Säurebaus, des Brandschutzes sowie des anlagenbezogenen Gewässerschutzes bestehen Sonderanforderungen, die ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Zum Schutz von Beton kommen Beschichtungsstoffe auf folgender Basis zur Anwendung: 344 12 Oberflächenschutz <?page no="353"?> Reaktionsharze • Epoxide (EP) • Polyurethane (PUR) • Acrylate (AY) • Polyester (UP) • Polyurea (PEA) Physikalisch trocknende Stoffe in Form von • Polymerlösungen • Polymerdispersionen Siliciumorganische Verbindungen Anorganische Bindemittel Zur Formulierung der fertigen Beschichtungsstoffe dienen im Wesentlichen • Löse- und Dispergiermittel • Emulgatoren • Entschäumer • Hilfsstoffe und Additive • Stellmittel • Pigmente • Füllstoffe und Gesteinskörnungen Die physikalischen Kennwerte von Kunststoffen sind mehr oder weniger temperaturabhängig. Das gilt auch für die Viskosität der Einzelkomponenten und Mischungen sowie für die Verarbei‐ tungs- und Erhärtungszeiten. Die Temperatur der Stoffe, des Untergrunds und der Luft soll deshalb, von Ausnahmen abgesehen, während der Verarbeitung und Erhärtung 8 °C - 30 °C betragen. Der günstigste Temperaturbereich ist 15 °C - 25 °C. Die Temperatur des Untergrunds soll ≥ 3 K über der Taupunkttemperatur liegen. Darüber hinausgehende Eigenschaften und Kenndaten werden im Kapitel 5. auch für die im Einzelnen folgenden Stoffe ausführlich behandelt. 12.5.1 Auf Basis Epoxidharz Epoxidharz als zweikomponentiger Kunststoff ist der am häufigsten in Verbindung mit Beton ein‐ gesetzte Reaktionskunststoff. Hierfür sind die gute Verträglichkeit mit dem alkalischen Untergrund, die breite Chemikalienbeständigkeit, die relativ geringe Empfindlichkeit gegenüber Feuchte, die hohe Haftfestigkeit auf mineralischem Untergrund und Stahl, hohe Druck- und Zugfestigkeit sowie die hohe Füllbarkeil mit verschiedenen Sanden/ Granulaten zwecks Herstellung von Mörteln und Spachtelmassen maßgebend. Dadurch lassen sich Beschichtungen mit Epoxidharz als Bindemittel in annähernd beliebigen Schichtdicken ausführen, zumal die chemische Reaktion durch Polyaddition (Stufenreaktion) verhältnismäßig geringen Schrumpf zur Folge hat. Bis zu einem Mischungsverhältnis von 1 : 9 (Bindemittel : Zuschlag) werden einerseits nach guter Verdichtung noch flüssigkeitsdichte Beläge erzielt, andererseits wird die Wärmedehnung 345 12.5 Beschichtungsstoffe <?page no="354"?> bei ca. 10 % Bindemittelanteil so weit herabgesetzt, dass sie sich dem Wert des Betons stark annähert (siehe hierzu auch unter 8.3). Dadurch ist auch der Einsatz im Freien möglich. Ausgehärtetes Epoxidharz zählt aufgrund seiner hohen Vernetzung der Molekülketten zu den Duromeren. Es ist deshalb auch nicht schmelzbar, wenngleich es bei Wärme oberhalb seiner typenabhängigen Glasübergangstemperatur an Festigkeit einbüßt, was z. B. bei Wärmebelastung von Kunstharzestrichen in der Industrie zu berücksichtigen ist. Epoxidharz wird auch mit Lösemitteln verdünnt oder wässrig als Emulsion für Versiegelungen angeboten. In dieser Form eignet es sich besonders zur Überarbeitung alter Beschichtungen. Da Epoxidharze nach Aushärtung nur schwer anlösbar sind, haften Folgebeschichtungen ohne vorheriges Anrauhen der Oberfläche schlecht. Dem kann durch Abstreuen der frischen Grun‐ dierung oder Zwischenbeschichtung mit trockenem und gewaschenem Quarzsand vorgebeugt werden. Nach Erhärtung und Entfernung überschüssigen Abstreugutes kann die folgende Lage aufgebracht werden. Da die Viskosität von EP stark temperaturabhängig ist, wird empfohlen, lösemittelfreie Produkte nicht unter 10 °C zu verarbeiten, auch wenn es ab 8 °C zulässig ist. 12.5.2 Auf Basis Polyurethanharz Auch zweikomponentige Polyurethane erhärten durch Polyaddition und weisen demzufolge nur geringen Schrumpf auf. Je nach Intensität der Vernetzung resultieren Duromere oder Elastomere. Die Verwendbarkeit zur Herstellung elastischer, dehnbarer Produkte prädestinieren Polyurethane für rissüberbrückende Beschichtungen. Auch Polyurethan weist hohe chemische Beständigkeit auf, vor allem im sauren Bereich. Es reagiert jedoch im frisch angemischten Zustand mit Wasser in Form von Blasen- und Schaumbil‐ dung, so dass seine baupraktische Anwendung, vor allem im Freien, entsprechend eingeschränkt ist. Aus diesem Grund wird die Grundierung der Betonoberfläche für eine PUR-Beschichtung meist mit Epoxidharz vorgenommen. Polyurethan kommt auch einkomponentig in gelöster Form für Versiegelungen zum Einsatz, wobei die Erhärtung durch Reaktion mit der Luftfeuchte erfolgt. Was die Zwischenhaftung mehrerer Lagen anbetrifft, gilt das gleiche wie das zuvor beim Epoxidharz Gesagte. 12.5.3 Auf Basis Acrylatharz Acrylate erhärten nach Zugabe eines Starters durch Polymerisation (Kettenreaktion), wodurch ein deutlich höherer Schrumpf als bei der Polyaddition entsteht. Nach Aushärtung liegen je nach Vernetzungsgrad thermoplastische bis duromere Eigenschaften vor. Als Zweikomponenten-Produkte in ungesättigter Form für dicke Beschichtungen und Mör‐ telbeläge kommen sie nicht so häufig zum Einsatz wie EP. Es können jedoch sehr kurze Erhärtungszeiten auch bei niedrigen Temperaturen erzielt werden, so dass sie sich z. B. für Reparaturen und Beschichtungen in Bereichen, in denen nur kurze Sperrzeiten möglich oder keine ausreichend hohen Temperaturen während der Verarbeitung und Aushärtung erzielbar sind, anbieten. Die Chemikalienbeständigkeit, besonders gegenüber Lösemitteln, ist stark eingeschränkt. Die Zwischenhaftung mehrerer Lagen ist jedoch auch ohne Anrauhen oder Absanden gegeben. In bereits werkseitig polymerisierter Form, in Lösemittel gelöst oder in Wasser dispergiert, kommen Acrylate vor allem für Anstriche an Fassaden und anderen Sichtflächen zum Einsatz. 346 12 Oberflächenschutz <?page no="355"?> Dabei stehen Dispersionen den lösemittelhaltigen Produkten bezüglich Schutzwirkung und Dauerhaftigkeit inzwischen nicht mehr viel nach. Derartige Anstrichstoffe können natürlich nicht mehr bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, sondern lösemittelhaltig erst ab 8 °C, als Dispersion ab 10 °C verarbeitet werden. 12.5.4 Auf Basis Polyesterharz Auch Polyester reagiert mit Hilfe eines Katalysators durch Polymerisation. Nach Aushärtung liegt ein duromerer Kunststoff vor. Im Bauwesen kommt Polyester für GFK-Auskleidungen wegen seiner hohen Säurebeständigkeit und hohen Festigkeiten zum Einsatz. Verhältnismäßig hoher Schrumpf und geringe Alkalistabilität haben jedoch dazu geführt, dass Produkte auf dieser Basis für das direkte Beschichten von Beton kaum noch eingesetzt werden, so dass sie im Zusammenhang mit dem Oberflächenschutz von Beton hier nicht weiter behandelt werden. 12.5.5 Auf Basis Polyurea Dieser zunehmend für rissüberbrückende Beschichtungen eingesetzte Kunststoff weist neben hoher Duktilität gegenüber PUR wesentlich höhere Festigkeiten auf, so dass es möglich ist, hiermit gerissene und rissgefährdete Flächen bei gleichzeitig hoher Belastungsfähigkeit zu beschichten, ohne eine gesonderte Verschleißschicht vorsehen zu müssen. 12.5.6 Polymerlösungen Für das Versiegeln sowie Herstellen dünner Beschichtungen kommen Lösungen auf Acrylatbasis sowie andere gelöste Thermoplaste zur Anwendung. Mit Polymerlösungen lassen sich nur relativ starre Filme mit guter Witterungsstabilität, aber geringer Dehnbarkeit, also ohne rissüberbrü‐ ckende Eigenschaften, herstellen. 12.5.7 Polymerdispersionen Mehr noch als Polymerlösungen kommen Dispersionen zum Schutz gegen Witterung und Carbonatisierung des Betons zum Einsatz. Als Rohstoffe werden Acrylate sowie für dehnbare Beschichtungen verschiedene thermoplastische Copolymere eingesetzt. Mit duktilen Beschichtungen lassen sich in entsprechender Dicke oberflächennahe Risse an Betonbauteilen durchaus überbrücken, doch sollten diese Stoffe nur in zwingenden Fällen eingesetzt werden, da im Falle eines Schadens, z. B. infolge mechanischer Verletzung oder rückwärtiger Durchfeuchtung, großflächige Ablösungen entstehen können. 12.5.8 Siliziumorganische Verbindungen Hierzu zählen in der Reihenfolge ihrer Teilchengröße und Flüchtigkeit des Bindemittels • Silane • Siloxane • Silikonharz Diese Stoffe werden für Hydrophobierungen des Betons, auch unter nachfolgenden Versiegelun‐ gen und Beschichtungen, eingesetzt und mit unterschiedlichen Wirkstoffgehalten in gelöster und 347 12.5 Beschichtungsstoffe <?page no="356"?> wässriger Form angeboten. Die Erhärtung erfolgt nach dem Auftragen auf die Betonoberfläche durch Polykondensation. Während sich Silane besonders für die Hydrophobierung neuen, noch nicht carbonatisierten Betons eignen, werden Siloxane vorzugsweise bei älteren, bereits carbonatisierten Betonbauteilen eingesetzt. Silikonharze kommen wegen ihrer größeren Molekülketten nicht auf Beton, sondern vor allem auf porösem Naturstein zur Anwendung. Das auf der Betonoberfläche bei Regen zu beobachtende Abperlen des Wassers lässt mit der Zeit nach, was nicht bedeutet, dass die Hydrophobierung in der oberflächennahen Zone des Betons nicht mehr wirksam ist, was durch Prüfen des Saugverhaltens mittels Karsten'scher Röhrchen festgestellt werden könnte. Siloxan wird auch zur Modifizierung der zuvor beschriebenen Polymerlösungen eingesetzt. 12.5.9 Auf Basis anorganischer Bindemittel Hierunter versteht man mineralische Stoffe wie Kalk, Zement oder Silicate. Produkte auf dieser Grundlage werden wegen ihres geringen Diffusionswiderstandes gegenüber Kohlendioxyd nur zur optischen Gestaltung, nicht aber zum Schutz von Betonoberflächen eingesetzt, da hiermit folglich keine Reduzierung des Carbonatisierungsfortschritts erreicht wird, es sei denn, dass Kunststoff enthalten ist. Sie werden deshalb bei den Schutzsystemen für Beton nicht berücksich‐ tigt. 12.6 Untergrundvorbereitung Um einen guten Verbund der Beschichtungsstoffe zum Untergrund zu erzielen, muss dieser bestimmte Voraussetzungen erfüllen, die durch entsprechende Vorbereitungsverfahren erreicht werden können. Hierauf wird unter 4. „Untergrund von Beton und Stahl“ ausführlich eingegangen. Als Folge einer Untergrundvorbereitung muss die Betonoberfläche je nach Beschichtungs‐ system bestimmte Oberflächenzugfestigkeiten (auch als Abreißfestigkeiten der Betonunterlage bezeichnet) aufweisen, deren Werte bei den im Einzelnen beschriebenen Systemen aufgeführt sind. Es soll eine Mindest-Rautiefenklasse RT 0,3 erreicht werden. 12.7 Schutzsysteme In der Praxis wird unterschieden zwischen • Imprägnierung, hydrophobierend oder porenauskleidend (nicht filmbildend) • Anstrichen, starr oder flexibel (rissüberbrückend) • Versiegelung, Schichtdicke 0,1 - 0,3 mm • Dünnbeschichtung, Schichtdicke 0,3 - 1,0 mm • Verlaufbeschichtung, Schichtdicke 1,0 - 3,0 mm (abgestreut 2 - 5 mm) • Gießbelag, Schichtdicke 3,0 - 6,0 mm (abgestreut 4 - 8 mm) • Kunstharzestrich, Schichtdicke über 5,0 mm (vorzugsweise 8 - 12 mm) In den Regelwerken werden diese Systeme und Begriffe so nicht verwendet. In der „Instandsetzungs-Richtlinie“ wird zwischen 13 Oberflächenschutzsystemen, von denen 6 (OS A-F) mit den ZTV-ING, Teil 3, Abschnitt 4 sowie 2 weitere mit den ZTV-ING, Teil 7, Abschnitt 348 12 Oberflächenschutz <?page no="357"?> 1-3 identisch sind. In der TR kommt ein weiteres System OS 14 hinzu, während das System OS 13 entfällt. In der beigefügten Tabelle sind die Systeme einander übersichtlich gegenübergestellt. Der nachfol‐ genden Beschreibung der einzelnen Schutzsysteme liegt die Systematik der Instandsetzungs-Richt‐ linie bzw. der TR zugrunde, wobei die analogen Systeme der ZTV-ING in Klammern aufgeführt sind. In der Instandsetzungs-Richtlinie sind die ursprünglich auch enthaltenen Industrieboden-Be‐ schichtungen OS 3, OS 6, OS 8 und OS 12 nicht mehr aufgeführt. Da diese Systeme jedoch nach wie vor Anwendung finden, werden sie hier ebenfalls beschrieben. Weil OS 8 auch auf Parkflächen sowie Rampen und Spindeln eingesetzt wird, wurde dieses System 2008 durch ein Ergänzungsschreiben wieder in die Instandsetzungs-Richtlinie aufgenommen. In der TR werden für die Rissüberbrückung folgende Klassen für Verfahren B nach EN 1062-7 angegeben • Klasse B 2 für OS 5 bei -20 °C • Klasse B 3.2 für OS 11 bei -20 °C • Klasse B 4.2 für OS 14 bei -20 °C In den folgenden Kapiteln 8.1 und 8.2 werden die Oberflächenschutzsysteme im Einzelnen ausführlich beschrieben. Oberflächenschutzsysteme DAfStb BASt Kurzbeschreibung Richt‐ werte Hauptbinde‐ mittel-Grup‐ pen Rili SIB ZTV-ING d min OS 1 OS-A Hydrophobierung siliciumorgani‐ sche Verbindung OS 2 OS-B Beschichtung für nicht begehbare Flächen 80 µm Acrylat (OS 3) Versiegelung für befahrbare Flächen 50 µm Epoxid, Acrylat, Polyurethan OS 4 OS-C Beschichtung für nicht begehbare Flächen 80 µm Acrylat, Polyure‐ than-Acrylat OS 5 a OS-D II Beschichtung mit geringer Rissüberbrückung 300 µm Copolymere-Di‐ spersion OS 5 b OS-D I für nicht begehbare Flächen 2000 µm Dispersions-Ze‐ ment-Schlämme (OS 6) chemisch widerstandsfähige Beschichtung 500 µm Epoxid, Polyure‐ than OS 7 7.1 und 7.2 Beschichtung unter Dichtungsschichten 1,0 mm Epoxid OS 8 chemisch widerstandsfähige Beschichtung für befahrbare Flächen 2,5 mm Epoxid OS 9 OS-E Beschichtung mit erhöhter Rissüberbrückung für nicht begehbare Flächen 1,0 mm Polyurethan 349 12.7 Schutzsysteme <?page no="358"?> Oberflächenschutzsysteme DAfStb BASt Kurzbeschreibung Richt‐ werte Hauptbinde‐ mittel-Grup‐ pen Rili SIB ZTV-ING d min OS 10 7.3 Dichtungsschicht mit hoher Rissüberbrü‐ ckung unter Schutz- und Deckschichten 2,0 mm Polyurethan OS 11a OS-F a Beschichtung mit erhöhter dynamischer 1,5 + 3,0 mm Epoxid-Polyure‐ than OS 11b OS-F b Rissüberbrückung für befahrbare Flächen 4,0 mm (OS 12) PC Reaktionsharzmörtel für befahrbare Flächen 5,0 mm Epoxid (OS 13) Beschichtung mit nicht dynamischer Riss‐ überbrückung für befahrbare Flächen 2,5 mm Epoxid-Polyure‐ than OS 14 Beschichtung mit hoher dynamischer Riss‐ überbrückung für befahrbare Flächen 2,0 + 4,0 mm Epoxid-Polyure‐ than OS in Klammern in Instandsetzungs-Richtlinie nicht mehr enthalten, OS 7, OS 9, OS 10 und OS 13 in TR nicht enthalten, OS 14 neu in TR 12.8 Qualitätssicherung Die grundsätzliche Eignung von Oberflächen-Schutzsystemen für den nach der TR und lnstand‐ setzungs-Richtlinie vorgesehenen Einsatzbereich soll im Rahmen einer Grundprüfung erbracht werden. Hierbei werden u. a. folgende Eigenschaften für den Eignungsnachweis untersucht: • Druck- und Biegezugfestigkeit • Spannungs-Dehnungsverhalten • Rissüberbrückung • Temperaturdehnung • Schrumpfverhalten • Wasseraufnahme • Diffusionsverhalten • chemische Beständigkeit • Temperaturwechsel-Beständigkeit • Frost-Tausalz-Widerstand • Alterung • Haftfestigkeit Die Eigenschaften der zu liefernden Stoffe und deren gleichmäßige Beschaffenheit sind durch entsprechende Eigenüberwachung der Hersteller, die sich außerdem einer Fremdüberwachung unterziehen können, sicherzustellen. Gemäß TR sind in Abhängigkeit von der Rauheit des Untergrunds und zur Erfassung von Mehrverbräuchen durch Materialeigenschaften, Verarbeitungsverfahren und Verarbeitungsbe‐ dingungen für die verschiedenen Oberflächenschutzsysteme Werte für den flächenbezogenen Stoffverbrauch in die Angaben zur Ausführung von den Herstellern aufzunehmen. 350 12 Oberflächenschutz <?page no="359"?> Mit der Beurteilung und Planung von Schutz- und Instandsetzungsarbeiten muss ein sachkun‐ diger Planer beauftragt werden, der die erforderlichen Kenntnisse für Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken aufweist. Für die gewählte Ausführung soll auch ein lnstandhaltungsplan erstellt werden. Das bauausführende Unternehmen muss entsprechende Anforderungen bezüglich Personal und Geräteausstattung erfüllen. Auf jeder Baustelle muss ein geschulter, insbesondere handwerk‐ lich ausgebildeter Fachmann des Unternehmens ständig anwesend sein (SIVV-Schein). Zu dessen Aufgaben gehören auch die im Rahmen der Eigenüberwachung durchzuführenden Prüfungen sowie das Aufzeichnen und Auswerten der Ergebnisse. Die Fremdüberwachung ist durch eine Überwachungsgemeinschaft oder aufgrund eines Überwachungsvertrages mit einer Prüfstelle durchzuführen. Auf die Anforderungen an die Betriebe und die Qualitätssicherung der Ausführung wird im Kapitel 13.2 gezielt eingegangen. 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen 12.9.1 Einleitung Da an Bodenflächen andere, z. T. deutlich höhere Anforderungen gestellt werden als an nicht begeh- und nicht befahrbare Flächen, werden im Folgenden zunächst die vorwiegend für diese Oberflächen entwickelten Schutzsysteme behandelt. Bild 12.1: Schematische Darstellung von in der Praxis gebräuchlichen Oberflächen-Schutzsystemen und deren Bezeichnungen für Bodenflächen 351 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="360"?> In den Regelwerken werden diese Systeme und Begriffe so nicht verwendet, sondern die nachfolgenden Bezeichnungen und Beschreibungen aufgeführt. 12.9.2 OS 3 Versiegelung für befahrbare Flächen Als Bindemittel werden bevorzugt Epoxidharz, aber auch Polyurethan und Acrylat eingesetzt. Die Stoffe kommen lösemittelfrei oder lösemittelhaltig, mit Ausnahme von PUR auch als wässrige Emulsionen oder Dispersionen, zum Einsatz. 12.9.2.1 Eigenschaften Bodenversiegelungen dienen der Erhöhung des Verschleißwiderstandes und der Verfestigung des Betonuntergrundes. Aufgrund des dichten Films wird die Wasseraufnahme und Aufnahme von in Wasser gelösten Schadstoffen weitgehend unterbunden. Sowohl die Kohlendioxiddiffusion als auch die Wasserdampfdiffusion werden stark behindert. Es handelt sich jedoch um keine dauerhafte Maßnahme bei erhöhter mechanischer/ chemischer Exposition. Bei unpigmentierten Produkten ergibt sich eine farblich ungleichmäßige Oberfläche. Bild 12.2: : Mit Epoxidharz versiegelte Bodenfläche in einem Hangar Bild 12.3: Schemazeichnung OS 3 Versiegelung für befahrbare Flächen 352 12 Oberflächenschutz <?page no="361"?> 12.9.2.2 Anwendungsbereich Derartige Versiegelungen werden auf Fußböden und Fahrbahnen überwiegend nicht frei bewit‐ terter Flächen mit geringer mechanischer Belastung aufgebracht. 12.9.2.3 Aufbau Bodenversiegelungen erfolgen je nach Saugfähigkeit des Untergrundes in einbis mehrmaligem Auftrag eines gemäß Systembeschreibung nicht pigmentierten Reaktionsharzes. In der Praxis werden jedoch durchaus auch pigmentierte Produkte eingesetzt. Die Mindest-Schichtdicke beträgt 50 µm. Bild 12.4: Aufrollen einer Versiegelung Bild 12.5: Betonoberfläche lässt unterschiedliche Saugfähigkeit erkennen 353 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="362"?> 12.9.2.4 Anforderungen an den Untergrund Die Oberfläche muss sauber, griffig und fest sein und eine Oberflächenzugfestigkeit von min‐ destens 1,0 N/ mm² aufweisen. Die oberflächennahe Schicht soll trocken bis höchstens feucht (je nach Herstellervorschrift) sein. Ansonsten sind die unter 4. beschriebenen Voraussetzungen sicherzustellen. 12.9.3 OS 6 chemisch widerstandsfähige Beschichtung für mechanisch gering beanspruchte Flächen Dieses System ist nicht nur für Bodenflächen, sondern auch auf Wandflächen einsetzbar. Als Bindemittel kommen Epoxid- und Polyurethanharz in Frage. 12.9.3.1 Eigenschaften Es sind ähnliche Eigenschaften wie bei OS 3 gefordert, jedoch aufgrund der höheren Schichtdicke mit entsprechend stärkerer Belastbarkeit und größerer Dauerhaftigkeit. Folglich entsteht auch eine noch stärkere Reduzierung der Kohlendioxid-, jedoch ebenfalls der Wasserdampfdiffusion. 12.9.3.2 Anwendungsbereich Dieses System eignet sich für gering belastete Bodenflächen, aber auch Wände in mechanisch und chemisch belasteten Bereichen in Industrie und Gewerbe, z. B. für Werkstätten, Behälter, Kläranlagen, Garagen. Bild 12.6: OS 6-Beschichtung in einem Tierstall an Boden und Wand 354 12 Oberflächenschutz <?page no="363"?> Bild 12.7: Schemazeichnung OS 6 chemisch widerstandsfähige Beschichtung für mechanisch gering beanspruchte Flächen 12.9.3.3 Aufbau Zunächst wird eine nicht pigmentierte Grundierung auf Reaktionsharzbasis, in der Regel EP-lö‐ semittelfrei, aufgebracht. Danach erfolgt eine Spachtelung mit einem Reaktionsharz-Feinspach‐ tel zum Füllen von Fehlstellen, Lunkern und Poren. Abschließend werden ein oder mehrere Deckschichten (Sollschichtdicke 150 µm) aus lösemittelhaltigem oder wasseremulgiertem oder lösemittelfreiem Reaktionsharz, Mindestschichtdicke 500 µm, aufgetragen. 12.9.3.4 Anforderungen an den Untergrund Der Untergrund muss nach Abtrag von Schlämmen, Zementhaut und Feinmörtel sowie Öffnen von Lunkern und Poren sauber und rau sein und eine Oberflächen-Zugfestigkeit mit einem Mittelwert ≥ 1,5 N/ mm² (kleinster Einzelwert 1,0 N/ mm²) aufweisen. Die oberflächennahe Betonschicht muss trocken, in Ausnahmefällen höchstens feucht, sein. 12.9.4 OS 7 Beschichtung unter Dichtungsschichten für begeh- und befahrbare Flächen Als Bindemittel wird hierfür ausschließlich Epoxidharz eingesetzt. 12.9.4.1 Eigenschaften Im Vordergrund steht der Schutz gegen in Wasser gelöste Schadstoffe, in diesem Fall speziell Chloride von Tausalzen. Im Übrigen sind die Eigenschaften denen der für OS 6 einzusetzenden Stoffe ähnlich. In diesem Fall ist allerdings die besondere Eignung für die Temperaturbelastung durch den nachfolgenden Einbau der bituminösen Dichtungsschichten und Asphaltbeläge maß‐ gebend. 12.9.4.2 Anwendungsbereich Die Produkte werden für Grundierungen, Versiegelungen und Kratzspachtelungen als Teil der Abdichtung unter bituminösen Belägen auf Beton bei Brücken, Parkdecks und ähnlichen Bauwerken verwendet. 355 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="364"?> Bild 12.8: Schemazeichnung OS 7 (ZTV-ING 7.1 - 7.3) Beschichtung unter Dichtungsschichten bei Brücken und ähnlichen Bauwerken 12.9.4.3 Aufbauten Aufbau 1 Es wird eine Grundierung aus lösemittelfreiem Epoxidharz mit einem Verbrauch von 300 - 500 g/ m² aufgetragen, die mit ofengetrocknetem Quarzsand der Körnung 0,2 - 0,7 mm Ø, nicht im Überschuss, abgestreut wird. Nach Erhärtung wird überschüssiges, nicht in die Grundierung eingebundenes Abstreugut entfernt. Bild 12.9: OS 7-Grundierung nach Aufbau 1 Aufbau 2 Nach Grundierung und Abstreuung wie vor folgt nach Erhärtung und Entfernung überschüssigen, nicht eingebundenen Abstreugutes eine Versiegelung mit lösemittelfreiem Epoxidharz, Verbrauch 500 - 800 g/ m². Die Mindestschichtdicke beträgt 1,0 mm, die Maximalschichtdicke 2,0 mm. 356 12 Oberflächenschutz <?page no="365"?> Aufbau 3 Bei Vertiefungen bis 5 mm wird in die frische, unabgestreute Grundierung eine Kratzspachtelung aus Epoxidharzmörtel (Mischungsverhältnis 1 : 3 bis 1 : 4 mit Sand in werksmäßig abgepackten Gebinden) eingebracht, die mit ofengetrocknetem Quarzsand der Körnung 0,2 - 0,7 mm Ø, nicht im Überschuss, abgestreut wird. Nach Erhärtung wird überschüssiges, nicht in die Spachtelung eingebundenes Abstreugut entfernt. Die Maximalschichtdicke beträgt 5,0 mm (örtlich, keine durchgehende Schicht). Bild 12.10: OS 7-Kratzspachtelung nach Aufbau 3 12.9.4.4 Anforderungen an den Untergrund Es werden die gleichen Anforderungen wie bei OS 6 gestellt mit dem Unterschied, dass dieses System nur auf befahrbaren Flächen zum Einsatz kommt. 357 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="366"?> 12.9.5 OS 8 chemisch widerstandsfähige Beschichtung für befahrbare, mechanisch stark belastete Flächen Für dieses System werden vorwiegend Epoxidharze verwendet, die als gefüllte Verlaufbeschich‐ tungen aufgebracht werden. 12.9.5.1 Eigenschaften Neben den bereits für OS 6 aufgezeigten Eigenschaften, die entsprechend der jetzt höheren Schichtdicke mit größerer Sicherheit und Dauerhaftigkeit verbunden sind und somit auch höhere Belastungen ermöglichen, können zusätzlich je nach Anforderung eine oder mehrere der folgenden Eigenschaften von besonderer Bedeutung sein: - Verbesserung der Griffigkeit/ Rutschhemmung - Dekontaminierbarkeit - strahlenresistent - elektrische Ableitfähigkeit - Eignung bei rückseitiger Wassereinwirkung Bild 12.11: OS 8-Beschichtung in einem Supermarkt 12.9.5.2 Anwendungsbereich Dieses System wird vor allem für mechanisch und chemisch stark beanspruchte Bodenflächen, z. B. Fahrflächen in Parkbauten, Industrieböden, in Werkstätten, Lagerhallen u. ä. eingesetzt. Durch Beimischen von Gesteinskörnung und Abstreuen mit Quarzsand und verschiedenen Granulaten können unterschiedliche Oberflächentexturen geschaffen und hoher Verschleißwi‐ derstand erzielt werden. Solche Beschichtungen sind normalerweise elektrisch isolierend, können aber auch für elektrische Ladungen ableitend formuliert werden. Ferner ist die Herstellung 358 12 Oberflächenschutz <?page no="367"?> strahlenresistenter und dekontaminierbarer Oberflächen zum Einsatz in kerntechnischen Anla‐ gen möglich. Mit speziellen Rohstoffen und besonderen Formulierungen der Grundierung wird dauerhafte Haftung auch bei rückseitiger Durchfeuchtung erzielt. 12.9.5.3 Aufbau Bild 12.12: Aufspachteln einer Epoxidharz-Verlaufbeschichtung auf einem Industriefußboden Bild 12.13: Aufziehen einer Epoxidharz-Verlaufbeschichtung mit dem Gummischieber auf einem Parkdeck 359 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="368"?> Zuerst erfolgt eine lösemittelfreie, niedrigviskose, nicht pigmentierte Grundierung. Erforderli‐ chenfalls muss eine Spachtelung zum Ausgleich von Unebenheiten mit EP-Feinmörtel vorgenom‐ men werden. Danach werden eine oder mehrere, meist pigmentierte Deckschichten aufgetragen Bild 12.14: Abstreuen der Verlaufbeschichtung mit Quarzsand Bild 12.15: Quarzsand zum Abstreuen von Verlaufbeschichtungen 360 12 Oberflächenschutz <?page no="369"?> Bild 12.16: mit Quarzsand abgestreute Verlaufbeschichtung, rechts abgekehrt Bild 12.17: Schemazeichnung OS 8 chemisch widerstandsfähige Beschichtung für befahrbare, mechanisch stark belastete Flächen Meistens werden mit mineralischen Füllstoffen versetzte Verlaufmörtel verwendet oder auch mit Glas- oder Kunststoff-Gewebe verstärkte Beschichtungen als Deckschichten eingesetzt. In Bereichen ohne Rutschgefahr z. B. Ausstellungsräumen werden Beschichtungen ohne Abstreuung aufgebracht. Besonders dann, aber auch sonst ist zu empfehlen, die Verlaufbeschichtung im frischen Zustand mit Stachelwalzen zur Entlüftung abzurollen, um Oberflächenstörungen in Form von Blasen durch aufsteigende Luft zu verhindern. 361 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="370"?> Bild 12.18: Entlüften der frischen Beschichtung durch Abrollen mit der Stachelwalze Zur Herstellung der gewünschten Rutschhemmung werden in die noch frischen Beschichtungen z. B. Quarzsand, Schlacken, Korund oder Siliziumcarbid eingestreut. Kornform und Korngrößen richten sich nach dem gewünschten bzw. erforderlichen Rauheitsgrad. Blasenbildung ist bei Abstreuungen weniger leicht möglich. Überschüssiges Abstreugut wird nach Erhärtung entfernt. Für rutschhemmende und dennoch leicht zu reinigende Oberflächen wird eine zusätzliche Deckschicht als Deckversiegelung (auch Kopfversiegelung genannt) aufgebracht. Damit werden auch Korneinbindung und Chemiekalienbeständigkeit der abgestreuten Beschichtung verbessert, die Rutschhemmung jedoch wieder etwas herabgesetzt, was bei der Wahl des Abstreugutes zu berücksichtigen ist. Bild 12.19: Aufrollen einer Deckversiegelung auf die abgesandete Verlaufbeschichtung 362 12 Oberflächenschutz <?page no="371"?> Bild 12.20: OS 8-Beschichtung abgestreut, rechts mit Deckversiegelung Bild 12.21: OS 8-Beschichtung in einem Parkhaus. Die Mindestschichtdicke beträgt 1,5 mm bei reinen Schutzmaßnahmen im Sinne von DIN EN 13813, ansonsten 2,5 mm. Je nach Rautiefe beträgt der Schichtdickenzuschlag ≤ 1200 µm, sofern zuvor kein Rautiefenausgleich in Form einer Spachtelung vorgenommen wurde. Über 5 mm hinaus erforderliche Schichtdicken werden zweckmäßigerweise mit dem System OS 12 (nicht mehr in der Instandsetzungs-Richtlinie und TR enthalten) hergestellt. 12.9.5.4 Anforderungen an den Untergrund Gegenüber OS 6 werden in der Instandsetzungs-Richtlinie erhöhte Anforderungen an die Ober‐ flächen-Zugfestigkeit mit einem Mittelwert ≥ 2,0 N/ mm² und einem Einzelwert ≥ 1,5 N/ mm² gestellt, was eine intensivere Untergrundvorbereitung bedingen kann. In der TR sind diese Werte um jeweils 0,5 N/ mm² niedriger angegeben. 363 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="372"?> 12.9.6 OS 10 Beschichtung als Dichtungsschicht mit hoher Rissüberbrückung unter Schutz- und Deckschichten für begeh- und befahrbare Flächen Diese Produkte basieren vorwiegend auf PUR, aber auch auf PMMA. 12.9.6.1 Eigenschaften Die Beschichtung muss die Abdichtung gegen Wasser und in Wasser gelöste Stoffe, hier Chloride der Tausalze, dauerhaft sicherstellen und deshalb auch eine dauerhafte Rissüberbrückung vor‐ handener und neu entstehender Trennrisse unter temperatur- und lastabhängigen Bewegungen ermöglichen. Die Hitzebeständigkeit muss bis 250 °C (kurzzeitig) gegeben sein. Schubkräfte aus Verkehr über die Gussasphalt-Schutzschicht müssen auf die Fahrbahnplatte übertragen werden. Bild 12.22: Spritzabdichtung gemäß OS 10 auf einer Brücke 12.9.6.2 Anwendungsbereich Das System dient der Abdichtung unter befahrenen bituminösen und anderen Deckschichten bei Brücken, Trog- und Tunnelsohlen, Parkhäusern u. ä. Der Vorteil gegenüber bituminösen Dichtungsbahnen besteht darin, dass über die gesamte abzudichtende Fläche eine durchgehende nahtlose Haut flüssig aufgebracht wird einschließlich Aufkantungen, Anschlüssen an andere Bauteile wie Einläufe, Übergangskonstruktionen usw., weshalb dieses System auch als „Flüssig‐ folie“ bezeichnet wird. Die Applikation der rissüberbrückenden Beschichtung erfolgt bei großen Flächen in der Regel mit beheizten Zweikomponenten-Spritzanlagen, womit eine Erhärtung des Reaktionsharzes und Begehbarkeit der Abdichtung schon nach wenigen Minuten erzielt wird. Für derartige Arbeiten sind günstige Witterungsbedingungen oder Einhausungen erforderlich. 12.9.6.3 Aufbau Grundierung mit lösemittelfreiem, dünnflüssigem, unpigmentiertem Reaktionsharz, 300 - 500 g/ m², Kratzspachtelung bei Vertiefungen von 1,5 mm bis 5 mm mit einem Reaktionsharzmörtel (in die 364 12 Oberflächenschutz <?page no="373"?> Süddeutschland: Uwe Schneider  +49 151 2370 7738  uwe.schneider@mbcc-group.com Norddeutschland: Lars Altenburg  +49 160 9965 7436  lars.altenburg@mbcc-group.com Direktkontakt MasterSeal Traffic 2219 & 2239 Langlebige Polyurea-Parkdeckbeschichtung Die im Heißspritzverfahren applizierten Oberflächenschutzsysteme gewährleisten einen optimalen Schutz gegen die Anforderungen in Parkbauten wie Abrieb, Chlorideintrag oder rückseitig drückendes Wasser:  Rissüberbrückend bis über 2 Milimeter  Hohe chemische und mechanische Beständigkeit  Extrem verschleißfest  Beständig gegen drückendes Wasser  Sekundenschnelle Aushärtung  Je nach System mit oder ohne Deckversiegelung Master Builders Solutions Deutschland GmbH Construction Systems Donnerschweer Straße 372  26123 Oldenburg T +49 441 3402 251  F +49 441 3402 333 construction-systems-de@mbcc-group.com www.master-builders-solutions.de <?page no="375"?> frische Grundierung eingebracht), Abstreuung der Grundierung bzw. der Kratzspachtelung mit ofengetrocknetem Quarzsand der Körnung 0,2 - 0,7 mm Ø. Diese 3 Arbeitsgänge entsprechen OS 7. Bild 12.23: Schemazeichnung OS 10 (ZTV-ING 7.3) Beschichtung als Dichtungsschicht für begeh- und befahrbare Flächen unter Schutz- und Deckschichten mit hoher Rissüberbrückung Rissüberbrückende Dichtungsschicht in mindestens zwei Lagen (bei Spritzauftrag von Stoffen mit schneller Härtungszeit kann die Schicht auch durch zwei kurzfristig aufeinanderfolgende Spritzübergänge hergestellt werden). Der praktische Stoffverbrauch beträgt je nach Rautiefe der Unterlage, Art des Stoffes und Art des Auftrages ca. 3,0 - 3,5 kg/ m². Mindestschichtdicke 2 mm. Maximalschichtdicke 6 mm. Eine Verbindungsschicht (Haftvermittler) ist ggf. systembedingt erforderlich. Anschließend erfolgt eine Schutzschicht aus Gussasphalt, Deckschicht aus Gussasphalt, Asphaltbeton, Splitt‐ mastixasphalt, Verbundsteinpflaster o. ä. 12.9.6.4 Anforderungen an den Untergrund Es werden die gleichen Forderungen wie bei OS 7 erhoben. 12.9.7 OS 11 Beschichtung mit erhöhter dynamischer Rissüberbrückung für begeh- und befahrbare Flächen Als Bindemittel werden Polyurethanharze, modifizierte Epoxidharze sowie Polymethyl-Methacrylate verwendet. 365 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="376"?> 12.9.7.1 Eigenschaften Verhinderung der Wasseraufnahme und darin gelöster Schadstoffe, Überbrückung von Trennris‐ sen gemäß Rissüberbrückungsklasse B 3.2, Verbesserung des Frost-Tausalz-und Verschleiß-Wi‐ derstandes, der Griffigkeit und Schlagfestigkeit. 12.9.7.2 Anwendungsbereich Dieses Beschichtungssystem ist für frei bewitterte, rissgefährdete begeh- und befahrbare Boden‐ flächen auch im Sprüh- und Spritzbereich von Tausalzen wie Brückenkappen, Fußgänger-Brükken, Parkdecks u. ä. vorgesehen. 12.9.7.3 Aufbau Bild 12.24: Schemazeichnung OS 11 (nach ZTV-ING OS-F) Beschichtung mit erhöhter Rissüberbrückung für be‐ geh-und befahrbare Flächen Aufbau a In der Regel wird zuerst eine nichtpigmentierte, niedrigviskose, lösemittelfreie EP-Grundierung aufgetragen. Danach folgt ggf. eine Spachtelung mit EP-Quarzsand-Gemisch zum Füllen von Fehlstellen, Lunkern und Poren und zum Ausgleich von Rautiefen > 1 mm. Anschließend wird eine elastische Beschichtung als rissüberbrückende Zwischenschicht, auch als Schwimmschicht bezeichnet, mit einer Mindestschichtdicke von 1,5 mm aufgebracht. Schichtdickenzuschläge sind je nach Rautiefe mit ≤ 1000 µm vorzusehen. 366 12 Oberflächenschutz <?page no="377"?> Bild 12.25: Aufziehen der „Schwimmschicht“ von OS 11a mit Beschichtungsmaschine auf einem Parkdeck Darauf wird ein hart-elastischer, gefüllter Verlaufmörtel als Verschleißschicht aufgezogen, abgestreut zur Erhöhung der Griffigkeit mit Quarzsand, Schlackengranulat o. ä. in Korngrößen von ca. 0,8 - 1,2 mm. Die Mindestschichtdicke beträgt 3 mm. Je nach Rautiefe sind Zuschläge zur Schichtdicke von ≤ 300 µm erforderlich. Abschließend kann nach Entfernung überschüssigen Abstreugutes eine Versiegelung der Oberfläche zum besseren Einbinden des Abstreukorns gegen Herausfahren und Herauslaufen und zur Verbesserung der Reinigungsfähigkeit durchgeführt werden. Bemühungen in der Vergangenheit, zweischichtige Beläge in einem Arbeitsgang durch zeit‐ lich gezieltes Abstreuen herzustellen, waren nicht erfolgreich. Bessere Ergebnisse wurden mit Systemen erreicht, bei denen durch Beimischung eines Polymer- oder Gummigranulates eine Membrane geschaffen wird, die das Durchsacken des Abstreugutes in die rissüberbrückende Zwischenschicht behindert oder bei denen die Beschichtungsmasse so thixotropiert ist, dass das Einstreugut nur in die obere Zone der Beschichtung eindringt und somit eine untere ungefüllte Schicht mit höherer Duktilität zur Rissüberbrückung verbleibt. Bei allen derartigen Systemen liegt jedoch im Gegensatz zum Aufbau mit zuvor gesondert aufgebrachter elastischer Zwischenschicht keine exakt definierte Schichtdicke zur Rissüberbrückung vor. Auch die Verarbeitbarkeit derartig modifizierter Stoffe ist nicht so gut. Bild 12.26: Bohrkern mit Riss und OS 11a-Beschichtung 367 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="378"?> Aufbau b Grundierung und ggf. Spachtelung werden wie bei Aufbau 1 vorgenommen. Darauf erfolgt eine elastische, verschleißfeste, vorgefüllte Oberflächenschutzschicht, die wie beim Aufbau a abgestreut wird, Mindestschichtdicke 4 mm. Auch Gewebeeinlagen sind möglich. Je nach Rautiefe beträgt der Schichtdickenzuschlag ≤ 1200 µm. Nach Entfernen überschüssigen Abstreugutes wird eine Deckversiegelung wie bei Aufbau a, jedoch obligatorisch, aufgebracht. Ggf. erfolgt abermals eine Abstreuung und eine weitere Deckversiegelung. 12.9.7.4 Anforderungen an den Untergrund Es müssen die gleichen Voraussetzungen nach TR wie bei OS 8 erfüllt sein. 12.9.8 OS 12 Beschichtung mit Reaktionsharzmörtel für befahrbare mechanisch stark belastete Flächen Für dieses ebenfalls nicht mehr in der Instandsetzungs-Richtlinie und in der TR aufgeführte System kommt als Bindemittel ausschließlich Epoxidharz zum Einsatz. 12.9.8.1 Eigenschaften Dieses System zeichnet sich durch die gleichen Vorzüge wie das System OS 8 aus, jedoch mit noch höherer mechanischer Belastbarkeit und höherem Verschleiß-Widerstand. Das optische Erscheinungsbild ist bei unpigmentiertem Bindemittel von der Art der verwendeten Sande und Granulate bzw. den ggf. aufgebrachten Deckschichten abhängig. 12.9.8.2 Anwendungsbereich Auch der Anwendungsbereich entspricht dem von OS 8, besonders für Böden mit besonders starker Belastung durch Schlag und Stoß sowie rollende und schleifende Beanspruchung. Man spricht bei solchen Beschichtungen auch häufig von Kunstharz-Estrich. Bild 12.27: OS 12-Beschichtung in einem fleischverarbeitenden Betrieb 368 12 Oberflächenschutz <?page no="379"?> Die Mörtel werden entweder von Hand aufgezogen, verdichtet und geglättet oder zwischen Dis‐ tanzleisten verteilt, abgezogen und mit Flügelglättern verdichtet und geglättet. Für die Höhe der Abziehleisten müssen ca. 20 % zur angestrebten Schichtdicke für Verdichtung hinzugerechnet werden. Bild 12.28: Schemazeichnung OS 12-Beschichtung mit Reaktionsharz-Mörtel für befahrbare, mechanisch stark belastete Flächen 12.9.8.3 Aufbau In der Regel wird eine nicht pigmentierte lösemittelfreie Grundierung auf Reaktionsharzbasis, die auch gleichzeitig als Haftbrücke für den nachfolgenden Reaktionsharz-Mörtel dienen kann, auf die vorbereitete Betonoberfläche aufgebracht. Evtl. folgt aber auch der gesonderte Auftrag einer ebenfalls nicht pigmentierten, lösemittelfreien Haftbrücke, in die der Reaktionsharzmörtel mit einer Mindestschichtdicke 5 mm „frisch in frisch“ eingebracht und verdichtet wird. Die Min‐ destschichtdicke richtet sich außerdem nach der für den Mörtel verwendeten Gesteinskörnung und muss das Dreifache des Größtkorndurchmessers betragen. Mörtel mit einem Größtkorn von 2 mm Ø werden in der Regel in 8 - 12 mm Dicke verlegt. Bild 12.29: Verdichten und Glätten einer Epoxidharzmörtel-Beschichtung gemäß OS 12 mit einem Flügelglätter 369 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="380"?> Bild 12.30: Oberfläche einer OS-Beschichtung mit farbigen Sanden Zum besseren Porenschluss kann noch eine Versiegelung der Oberfläche mit einem lösemittel‐ freien Reaktionsharz-Bindemittel erfolgen und, falls erforderlich, zur Verbesserung der Griffigkeit mit verschiedenen Granulaten abgestreut und ggf. noch einmal versiegelt werden. 12.9.8.4 Anforderungen an den Untergrund Es gelten die gleichen Voraussetzungen wie für OS 8. 12.9.9 OS 13 Beschichtung mit nicht dynamischer Rissüberbrückung für begeh- und befahrbare, mechanisch belastete Flächen Dieses für Parkflächen entwickelte, in der Instandsetzungs-Richtlinie beschriebene System war stets umstritten und hat keine wirkliche Bedeutung erlangt, so dass es in der TR zu Recht nicht mehr aufgeführt wird. Deshalb wird es hier auch nicht weiter behandelt. 12.9.10 OS 14 Beschichtung mit hoher dynamischer Rissüberbrückung für begeh- und befahrbare Flächen Dieses System ist durch die TR neu eingeführt worden. Als Bindemittel werden Polyurethan- und Polyureaharze, modifizierte Epoxidharze sowie Polymethyl-Methacrylate verwendet. 12.9.10.1 Eigenschaften Wie bei OS 11a, jedoch mit noch größerer Fähigkeit zur Überbrückung von Trennrissen gemäß Rissüberbrückungsklasse B 4.2 sowie höherem Verschleiß-Widerstand. 12.9.10.2 Anwendungsbereich Wie bei OS 11a. mit höherer Rissüberbrückung. 370 12 Oberflächenschutz <?page no="381"?> Bild 12.31: Schemazeichnung OS 14 Beschichtung mit hoher Rissüberbrückung für begeh-und befahrbare Flächen 12.9.10.3 Aufbau In der Regel wird zuerst eine nichtpigmentierte, niedrigviskose, lösemittelfreie EP-Grundierung aufgetragen. Danach folgt ggf. eine Spachtelung mit EP-Quarzsand-Gemisch zum Füllen von Fehlstellen und Poren und zum Ausgleich von Rautiefen > 1 mm. Anschließend wird eine elastische Beschichtung als rissüberbrückende Zwischenschicht ähnlich OS 10, in der Regel mit Zweikomponenten-Heißspritzanlagen bei 50 °C - 80 °C, mit einer Mindestschichtdicke von 2 mm aufgebracht. Schichtdickenzuschläge sind je nach Rautiefe mit vorzusehen. Grundsätzlich ist es deshalb technisch sinnvoll, auch bei Rautiefen unter 1 mm zuvor eine Spachtelung vorzunehmen. Bild 12.32: Heißspritzen der OS 14-Schwimmschicht ≥ 2 mm dick Darauf wird ein hart-elastischer, gefüllter Verlaufmörtel als Verschleißschicht aufgezogen, abge‐ streut zur Erhöhung der Griffigkeit mit Quarzsand, Schlackengranulat o. ä. in Korngrößen von ca. 0,8 - 1,2 mm. Die Mindestschichtdicke beträgt 4 mm. Abschließend kann nach Entfernung überschüssigen Abstreugutes eine Versiegelung der Oberfläche zum besseren Einbinden des Ab‐ streukorns gegen Herausfahren und Herauslaufen und zur Verbesserung der Reinigungsfähigkeit durchgeführt werden. 371 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="382"?> Bild 12.33: Zweikomponenten-Heißspritzmaschine Bild 12.34: Aufziehen der OS 14-Verschleißschicht mit dem Gummischieber Bild 12.35: Abstreuen der OS 14-Verschleißschicht mit Quarzsand 372 12 Oberflächenschutz <?page no="383"?> Bild 12.36: OS 14-Beschichtung einschließlich Deckversiegelung Inzwischen sind Entwicklungen auf Polyurea-Basis (PEA) erfolgt, die eine Herstellung von Beschichtungen mit nur einem Produkt im maschinellen Heißspritzauftrag ohne Abstreuung ermöglichen, die sowohl die geforderte Rissüberbrückung als auch die Anforderungen an den Verschleißwiderstand und die Griffigkeit erfüllen. Allerdings werden hiermit nicht die Anforde‐ rungen an die Schichtdicke nach TR erfüllt. Bild 12.37: Polyurea-Beschichtung mit genoppter Oberfläche 373 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="384"?> 12.9.10.4 Anforderungen an den Untergrund Es müssen die gleichen Voraussetzungen wie bei OS 11 erfüllt sein. 12.9.11 Besondere Anforderungen und Problemlösungen Für Beschichtungen von Bodenflächen, vor allem in der Industrie, sind in vielen Fällen besondere Schwierigkeiten gegeben und deshalb spezielle Anforderungen zu erfüllen. 12.9.11.1 Elektrische Eigenschaften In manchen Bereichen der Fertigung und Lagerung von Werkstoffen, Geräten und Maschinen sowie anderer Betriebsabläufe können bestimmte elektrische Eigenschaften der Einrichtung und des Fußbodens, besonders aus Gründen der Sicherheit, erforderlich sein. Zementgebundene Fußböden werden in ihrem elektrischen Ableitwiderstand weitgehend durch den Feuchtigkeits‐ gehalt des Zementsteins bestimmt, so dass sich im Laufe der Zeit Veränderungen ergeben können. Aus diesem Grund können Beschichtungen erforderlich werden, mit denen bestimmte unveränderliche elektrische Kennwerte erzielt werden, ganz abgesehen von weiteren, in diesem Zusammenhang wünschenswerten Eigenschaften wie z. B. Beständigkeit gegen Chemikalien und Lösemittel, höherer Verschleißwiderstand, bessere Reinigungsmöglichkeit und optisches Erscheinungsbild. Bild 12.38: Epoxidharz-Bodenbeschichtung mit hohem elektrischem Widerstand (Isolierung) in einer Transformato‐ renfabrik Beschichtungen von zementgebundenen Fußböden mit Reaktionsharzen ohne Modifizierung mit leitfähigen Füllstoffen erhöhen in jedem Fall deren elektrischen Widerstand. Die Höhe des Widerstandes ist außer von der Zusammensetzung des Beschichtungsstoffes vom Aufbau und von der Dicke der Schichten abhängig. Isolierende Fußböden können zum Schutz gegen gefährliche Körperströme z. B. in Starkstrom‐ anlagen erforderlich sein. 374 12 Oberflächenschutz <?page no="385"?> Für die Prüfung der Isolierung von Fußböden aus Gründen des Personenschutzes ist der Standort-Übergangswiderstand nach DIN VDE 0100 T 610/ A 1 zu bestimmen. Die Anforderungen sind im Teil 410 dieser Norm beschrieben. 12.9.11.1.1 Elektrische Ladungen ableitende Bodenbeschichtungen Elektrische Ladungsanhäufungen können auf vielerlei Weise entstehen. Die Entladung gefähr‐ lich hoher elektrischer Ladungen kann infolge von Funkenbildung explosive Gas-Luft- oder Staub-Luft-Gemische zur Zündung bringen. Eine weitere Gefahr besteht in der Störung empfind‐ licher elektronischer Geräte sowie Schockreaktionen von Personal durch Stromschlag. Aus diesen Gründen ist es erforderlich, Räume, in denen derartige Bedingungen vorliegen oder auftreten können, so auszustatten, dass elektrostatische Ladungen möglichst nicht entstehen oder aber abfließen können, ohne dass es vorher zu gefährlichen Entladungen kommt. In der Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ des DAfStb Teil 2 „Bauplanung und Bauausführung“ Ausgabe 1990 werden folgende Messwerte für die Ableitfä‐ higkeit von Fußböden gefordert: 10 4 - 10 6 Ohm in Bereichen mit Explosivstoffen 10 4 - 10 8 Ohm in Bereichen mit Explosionsgefährdung Da die Neufassung dieses Regelwerks keine lndustrieboden-Beschichtungen mehr enthält, wird über Ableitfähigkeit nichts ausgesagt. Genaue Angaben über elektrostatische Aufladungen, Schutzmaßnahmen und den Ableitwiderstand von Fußbodenbelägen sind der BG-Regel BGR 132 „Vermeidung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen“ bzw. der „Technischen Regel Betriebssicherheit TABS 2135“ des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaf‐ ten HVBG zu entnehmen. Bild 12.39: schematische Darstellung des Aufbaus einer elektrostatische Ladungen ableitenden Bodenbeschichtung Die Prüfung des elektrischen Ableitwiderstandes kann gemäß DIN EN 1081 „Elastische Boden‐ beläge - Bestimmung des elektrischen Widerstandes“ bzw. nach EN 61340 „Elektrostatik - Teil 4-1: „Standard-Prüfverfahren für spezielle Anwendungen - Elektrischer Widerstand von Boden‐ belägen und verlegten Fußböden“ erfolgen. Da dieses Anwendungsgebiet sehr komplex ist und sich ständig im Fluss befindet, ist es für diesen Bereich besonders wichtig, sich jeweils über den aktuellen Stand der Regelungen zu informieren. Da, wie bereits gesagt, Reaktionsharz-Beschichtungen je nach Schichtdicke mehr oder weniger stark elektrisch isolierend wirken, sind besondere Formulierungen der Beschichtungsstoffe und spezielle Schichtenfolgen notwendig, um die geforderte Ableitfähigkeit zur erzielen. Zu diesem 375 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="386"?> Zweck werden die Beschichtungsstoffe, überwiegend auf Epoxidharzbasis, mit die Leitfähigkeit herbeiführenden Füllstoffen und Pigmenten wie Graphit, Ruß, Carbonfasern, Metallpulver so‐ wie Silizium-Carbid versehen. Für Beschichtungen mit rauer Oberfläche wird Silizium-Carbid bestimmter Korngröße als Abstreugut verwendet. Um die angestrebte Ableitfähigkeit nicht zu überschreiten, ist die Einhaltung maximaler Schichtdicken wichtig. Bild 12.40: Beschichten eines Bodens mit einem elektrostatische Ladungen ableitenden System Nach dem Aufbringen einer Grundierung auf den Beton oder Zementestrich wird durch einen hochleitfähigen Voranstrich eine leitfähige Ebene erzielt, die elektrostatische Ladungen in horizontaler Richtung, unabhängig von der Leitfähigkeit des darunter befindlichen Untergrundes, so gut ableitet, dass nur alle 10 m bis 20 m Anschlüsse an ein Erdpotential erforderlich sind. Anderenfalls muss ein ausreichend dichtes Netz z. B. aus selbstklebenden Kupferbändern unter der Beschichtung verlegt werden mit Kupferlitzen als Erdanschlüsse. Fugen müssen gegebenenfalls leitend überbrückt werden, oder es muss feldweise geerdet werden. 12.9.12 Frischbetonschutz als Grundierung für nachfolgende Beschichtungen Die Nachbehandlung von Betonbauteilen ist ein wesentlicher, wenn auch nach wie vor manchmal vernachlässigter Bestandteil deren Herstellung. Dabei hat die Nachbehandlung maßgeblichen Einfluss auf die Qualität der Betonrandzone. Diese wiederum ist von entscheidender Bedeutung für den Verbund und die Belastbarkeit später aufzubringender Deckschichten. Ist bereits in der Planungsphase oder spätestens bei Herstellung der entsprechenden Beton‐ bauteile eine nachfolgende Beschichtung mit Reaktionskunststoff vorgesehen, können durch eine Bearbeitung der frischen Betonoberfläche in Verbindung mit einer speziellen Grundierung wesentliche Vorteile für den Bauablauf, die zwischenzeitliche Nutzung, die Qualität des Verbund‐ systems „Beton/ Oberflächenschutz“ und eine Kostenreduzierung erreicht werden. Das hier vorgestellte Verfahren findet vor allem bei Industrieböden und Verkehrsflächen Anwendung. 376 12 Oberflächenschutz <?page no="387"?> 12.9.12.1 Anforderungen an den Beton Mit Reaktionskunststoff zu beschichtende Betonbauteile müssen im allgemeinen folgende Eigen‐ schaften aufweisen: • frei von arteigenen und artfremden Trennschichten • trocken • fest ≥ C 20/ 25) • mindestens vier Wochen alt • rau • ausreichende Oberflächenzugfestigkeit Zu den arteigenen Trennschichten gehören Schlämme und Feinmörtel-Anreicherungen an der Oberfläche. Diese werden üblicherweise vor Beginn der Beschichtungsarbeiten mittels einer den Baustellenverhältnissen angepassten Untergrundvorbereitung, z. B. Schleuderstrahlen, entfernt. Hiermit wird auch die für eine ausreichende Haftung des Oberflächen-Schutzsystems erforderli‐ che Rauheit der Betonoberfläche erzielt. Verschmutzungen, also artfremde Trennschichten, während des weiteren Ausbaus bzw. der Montage, z. B. durch Öl, erfordern gegebenenfalls zusätzliche Reinigungsverfahren oder die Wahl einer anderen Untergrundvorbereitung wie Flammstrahlen. Schäden am Beton müssen vor Beginn der Beschichtung ausgebessert werden. Falls die Beschichtung bereits vor Ende der Montagearbeiten durchgeführt worden sein sollte, ist mit Beeinträchtigungen der Oberfläche, zumindest optischer Art, schon vor der eigentlichen Inbetriebnahme zu rechnen. Um Beton mit gängigen Reaktionsharzen, vorwiegend Epoxidharz, beschichten zu können, darf die Randzone bis in 2 cm Tiefe eine Feuchte von 4 M% i. d. R. nicht überschreiten. Das ist normalerweise frühestens vier Wochen nach Herstellung des Betons der Fall. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Beton auch eine Festigkeit entwickelt, die das Auftreten späterer Schwindrisse weitgehend unterbindet und ausreichende Oberflächenzugfestigkeiten ermöglicht, Mit einem Frischbetonschutz, der gleichermaßen als Grundierung für nachfolgende Beschich‐ tungen dient, können wesentliche Vorteile gegenüber den zuvor aufgezählten Einschränkungen erreicht werden. Hierzu muss der einzubauende Beton allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllen, die produktabhängig sind. Die angestrebte Betonfestigkeitsklasse soll ≥ C 20/ 25 entsprechen, um die geforderte Oberflä‐ chen-Zugfestigkeit des Betons bzw. Haftzugfestigkeit der späteren Beschichtung sicherzustellen. Da vor Aufbringen des Frischbetonschutzes jedoch eine Prüfung der Abreißfestigkeit nicht möglich ist und auch höhere Oberflächen-Zugfestigkeiten (OS 8 und OS 12) gefordert sein können, empfiehlt es sich, auch entsprechend der häufig zu erwartenden stärkeren Belastung von Industrieböden und Verkehrsflächen, Beton ≥ C 25/ 30 vorzusehen. Weitere typische Anforderungen, die jedoch ebenfalls produktabhängig sind, können z. B. sein: • Der Wasser-Zementwert soll W/ Z 0,55, besser 0,5 nicht überschreiten. • Die Konsistenz des Frischbetons soll steif sein. • Als Bindemittel ist Portland-Zement (CEM 1) zu verwenden. • Zusätze sollten vermieden werden, da hierzu nicht alle Einflüsse bekannt sind. 377 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="388"?> 12.9.12.2 Bearbeiten der Betonoberfläche Der frisch eingebrachte und verdichtete Beton darf nicht geglättet werden, sondern wird mit dem Reibebrett abgerieben. Bei maschineller Bearbeitung muss anstelle eines Flügelglätters ein Scheibenglätter verwendet werden. Übermäßige Mörtelanreicherung an der Oberfläche durch zu intensive Bearbeitung ist zu vermeiden. Sobald der Beton begehbar ist, ohne Abdrücke zu hinterlassen, was nach erfolgtem Ansteifen innerhalb der Erstarrungsphase der Fall ist, wird mit einem Stahl- oder harten Kunststoffbesen abgekehrt, so dass die Oberfläche leicht aufgerissen wird und evtl. Feinmörtelanreicherungen entfernt werden. Die hierbei entstehenden Krümel werden anschließend mit weicherem Besen abgekehrt. Durch die einsetzende Hydratation des Zementleims beginnt das Schrumpfen, was zu einer Volumenverringerung innerhalb der Gelphase führt. Der zum Zementstein erstarrende Zement‐ leim saugt jetzt zusätzliche Flüssigkeit an, was den sogenannten „Hydratationssog“ zur Folge hat. Zu diesem Zeitpunkt kann sich eine geeignete spezielle Kunstharz-Grundierung besonders gut am erhärtenden Betonuntergrund verankern. 12.9.12.3 Aufbringen der Grundierung Auf die jetzt mattfeuchte Betonoberfläche, d. h. bei Normaltemperatur etwa 2 - 4 h nach Einbau des Betons, wird der Frischbetonschutz in Form eines speziellen unpigmentierten Zweikomponenten-Epoxid-Flüssigharzes aufgebracht. Das Produkt zeichnet sich durch hohe Kapillaraktivität, Feuchtigkeitsverträglichkeit und Alkalibeständigkeit aus. Bild 12.41: Aufbringen eines EP-Frischbetonschutzes mit dem Gummischieber 378 12 Oberflächenschutz <?page no="389"?> Das Material wird vorzugsweise mit einem Moosgummischieber satt, je nach Untergrundbe‐ schaffenheit mit einem Verbrauch von 200 - 400 g/ m², aufgezogen. Soll der Frischbetonschutz ausschließlich zur Nachbehandlung und zur Reduzierung des Abmehlens erfolgen, wird mit einer Nylonrolle zur Vergleichmäßigung nachgerollt. Zum Zwecke der Grundierung für spätere Beschichtungen wird nach einer Wartezeit von 2 - 24 h eine weitere Lage mit einem Verbrauch von 200 - 300 g/ m² aufgebracht und nachgerollt. Unmittelbar danach wird mit gewaschenem und getrocknetem Quarzsand abgestreut. Die hierbei verwendete Korngröße richtet sich nach der Schichtdicke des vorgesehenen Oberflächenschutz‐ systems und liegt dementsprechend zwischen 0,2 - 0,8 mm Ø. Überschüssiges Abstreukorn kann am darauffolgenden Tag entfernt werden. Die Temperaturen von Luft und Bauteil sollen 8 °C während der Applikation und Erhärtung nicht unterschreiten und 30 °C nicht überschreiten. Die günstigsten Bedingungen für die Verar‐ beitung von Reaktionskunststoffen liegen zwischen 15 °C und 25 °C. Ansonsten sind die Hinweise zur Ausführung des betreffenden Herstellers zu beachten. 12.9.12.4 Beschichtung Die so grundierte Betonoberfläche kann je nach klimatischen Gegebenheiten frühestens nach einer Wartezeit von 2 d überschichtet werden. Um die evtl. Bildung von Frühschwindrissen abklingen zu lassen, sollte jedoch ≥ 1 Woche Wartezeit vorgesehen werden. Danach kann prak‐ tisch jedes gewünschte Oberflächen-Schutzsystem zu jedem beliebigen Zeitpunkt aufgebracht werden. Zwischenzeitliche Verschmutzungen müssen selbstverständlich zuvor beseitigt werden. Im Allgemeinen wird jedoch die abschließende Beschichtung erst gegen Ende der Bauzeit kurz vor Inbetriebnahme erfolgen. Letztlich maßgebend für alle anwendungstechnischen Voraussetzungen und Maßnahmen sind die Angaben zur Ausführung des jeweiligen Lieferanten. 12.9.12.5 Qualitative und wirtschaftliche Vorteile Die wesentlichen Vorteile des vorher beschriebenen Verfahrens lassen sich wie folgt zusammen‐ fassen: • Keine Nachbehandlung des Betons durch Feuchthalten oder Abdecken erforderlich. • Der Frischbetonschutz erhöht den Abriebwiderstand der Betonoberfläche und verhindert somit Abmehlen und Absanden während der Restbauzeit. • Als „Montageschutz“ wird das Eindringen von Flüssigkeiten wie Wasser, Öl und Treibstoff verhindert. • infolge „Versiegelung“ der Betonoberfläche leichtere Reinigung während der Restbauzeit. • Der Frischbetonschutz dient gleichzeitig als Grundierung für eine spätere Beschichtung. • Abschließende Beschichtung unmittelbar vor Inbetriebnahme möglich ohne die sonst erfor‐ derliche Untergrundvorbereitung durch Strahlen (lediglich Entfernung zwischenzeitlicher Verschmutzung). • Übergabe einer „jungfräulichen“ Beschichtungsoberfläche ohne zwischenzeitliche Montage‐ schäden. Bei rechtzeitiger Planung können somit Vorteile erzielt werden, die allen am Bau Beteiligten zugutekommen. 379 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="390"?> 12.9.13 Beschichtung verölter Betonflächen Mit Reaktionskunstharzen zu beschichtende Betonbauteile müssen frei von arteigenen und artfremden Trennschichten sein. Zu den artfremden Trennschichten zählen neben Verschmutzungen vielfältiger Art Verölungen infolge langzeitiger Einwirkung von Ölen und Fetten auf ungeschützte Oberflächen. Häufig sind derartig belastete Böden zusätzlich verschlissen und mit Schmutzablagerungen behaftet. Für die weitere uneingeschränkte Nutzung stellt sich dann die Frage, ob sich diese Flächen instand setzen lassen oder ob Abbruch und Neuerstellung erforderlich sind. Abbruch würde zunächst bedeuten, dass der verunreinigte Boden abgetragen und als Sonder‐ müll entsorgt werden müsste, was mit erheblichen Kosten verbunden wäre. Die nachfolgenden Neubaumaßnahmen würden, abgesehen von den Kosten, eine entsprechende zeitliche Verzöge‐ rung für die Wiederinbetriebnahme, somit Produktionsausfall über einen längeren Zeitraum und folglich weitere Kosten mit sich bringen. Eine unmittelbare Beschichtung der verölten Böden mit für Beton- und Zementestrichflächen üblicherweise einzusetzenden Reaktionsharzsystemen kommt nicht in Frage, da die hierfür auf‐ gezeigten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Eine Untergrundvorbereitung durch Flammstrahlen hat nur im oberflächennahen Bereich bei weniger tiefgreifender Einwirkung von Ölen und Fetten Aussicht auf Erfolg. Deshalb wurden für die Instandsetzung und Beschichtung verölter zementgebundener Bauteile spezielle Systeme entwickelt, die der besonderen Problematik dieser Fälle gerecht werden. Dabei besteht die Lösung in der Kombination eines geeigneten Reinigungsverfahrens mit einer auf nasse Flächen applizierbaren, das Restöl verdrängenden Grundierung, auf die nachfolgend verschiedenartige Beschichtungen aufgebracht werden können. 12.9.13.1 Vorbereiten der Betonoberfläche Zunächst müssen Ablagerungen, die dickschichtig oder als Krusten vorliegen, sowie lose und mürbe Teile des Betons und minderfeste Schichten mechanisch entfernt und als Sondermüll entsorgt werden. Anschließend wird der Untergrund durch Spezial-Reinigungsunternehmen mit Druckwasserstrahlen unter Verwendung von biologisch abbaubaren Emulgatoren und ober‐ flächenaktiven Substanzen gereinigt. Die sogenannte Schmutzwasserflotte wird aufgesaugt, in verfahrenstypische Bioreaktoren eingebracht und dort wie in einer biologischen Kläranlage gereinigt. Anschließend kann das so gereinigte Wasser in die betriebliche Kanalisation eingeleitet werden. Je nach Kontamination des Betons wird dieser Vorgang gegebenenfalls wiederholt, evtl. auch mehrfach, so dass eine mehrere cm tief gereinigte oberflächennahe Zone resultiert. Abschließend wird mit reinem Wasser nachgereinigt. Ein mechanisches Aufrauen der Betonoberfläche erübrigt sich in den meisten Fällen, da lang‐ jährig beanspruchte Böden, um die es sich ja handelt, nach der zuvor beschriebenen Behandlung entsprechend griffige Oberflächentextur aufweisen. 12.9.13.2 Grundierung Vor dem Aufbringen der Grundierung ist stehendes Wasser, am besten durch Absaugen, zu entfernen. An der Oberfläche darf kein geschlossener Wasserfilm mehr sichtbar sein. Die Oberfläche darf jedoch keinesfalls abtrocknen, da dann das in der Tiefe evtl. noch vorhandene Restöl wieder kapillar aufsteigen könnte, was vermieden werden muss, um die Haftung der 380 12 Oberflächenschutz <?page no="391"?> Bild 12.42: Untergrundvorbereitung verölten Betons mit beheiztem Druckwasserstrahler und speziellen oberflä‐ chenaktiven Substanzen aufzutragenden Grundierung nicht zu beeinträchtigen. Diese wird mit ca. 800 g/ mm² auf den noch feuchten Untergrund satt aufgebracht und flutend mit Gummischiebern verteilt. Zur besseren Benetzung, besonders bei rauer Oberfläche, wird das Material eingebürstet. Anschließend wird die grundierte Fläche mit Quarzsand der Körnung ca. 0.3 - 0.8 mm abgestreut. 381 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="392"?> Bild 12.43: Einbürsten einer Epoxidharz-Spezialgrundierung auf den frisch von Öl gereinigten, noch feuchten Betonboden einer Werkhalle Als Material für die Grundierung wird ein spezielles lösemittelfreies Epoxid-Flüssigharz mit for‐ muliertem Aminhärter und schwerem Füllstoff verwendet. Aufgrund seiner wasserverträglichen Eigenschaften und seiner hohen Dichte von über 2 g/ cm³ verdrängt das Produkt das Wasser im oberflächennahen Bereich und wirkt somit als Sperre für aufsteigendes Öl oder Wasser. Selbstverständlich muss das Material auch eine gute Beständigkeit gegen die einwirkenden Öle, Schmier- und Treibstoffe aufweisen. 382 12 Oberflächenschutz <?page no="393"?> Bild 12.44: Bohrkerne aus einem verölten Werkstatt-Fußboden, links vor, rechts nach erfolgter Spezialreinigung Infolge der guten Penetration und wasserverträglichen Formulierung werden hohe Haftzugfes‐ tigkeiten zum Untergrund erzielt, die bei fachgerechter Ausführung über den üblicherweise geforderten Werten liegen. Soweit das trotz Kohäsionsbruch im Beton nicht der Fall sein sollte, ist davon auszugehen, dass eine zu geringe Zugfestigkeit des verbliebenen Betons keinen höheren Abreißwert trotz guter Haftung zwischen den Schichten ermöglicht, was für die mechanische Belastbarkeit des Bodens zu berücksichtigen ist. Letztlich sind auch bei diesem Verfahren für alle anwendungstechnischen Voraussetzungen und Maßnahmen die Angaben zur Ausführung des jeweiligen Herstellers maßgebend. 12.9.13.3 Beschichtung Nach Erhärtung der Grundierung, bei Normaltemperatur nach 1 d, wird überschüssiges Abstreu‐ gut entfernt. Um das Verdunsten von Restfeuchte auf der Oberfläche sicherzustellen, sollte bis zur weiteren Beschichtung jedoch noch ein weiterer Tag abgewartet werden. Dann kann auf die abgestreute und erhärtete Grundierung praktisch jedes beliebige Beschichtungssystem, z. B. auch ein elektrostatische Ladungen ableitendes, aufgebracht werden. Aus Gründen der Gewähr‐ leistung sollten alle Produkte jedoch von einem Hersteller bezogen werden. Zum Ausgleich von Unebenheiten kann zuvor das Ausfüllen von Vertiefungen oder eine ganzflächige Egalisierung mit Epoxidharzmörtel erforderlich sein. 12.9.13.4 Vor- und Nachteile des Verfahrens Als alternative Vorbereitung des Untergrundes käme das Flammstrahlverfahren in Betracht. Durch das hierbei verwendete Acetylen-Sauerstoff-Gasgemisch mit einer Flammkegeltemperatur von ca. 3200 °C werden organische Verschmutzungen und somit auch Öle und Fette in der oberflächennahen Schicht des Betons verbrannt und der Beton durch Abspratzen in 2 - 4 mm Dicke abgetragen. Da hierbei in ca. 1 cm Tiefe bei normalem Vortrieb jedoch nur noch ca. 60 °C gemessen werden, ist die Tiefenwirkung sehr begrenzt und infolge Viskositätserniedrigung durch den Wärmeeintrag mit bald wieder aufsteigendem Öl zu rechnen. Diese Art der Untergrundvor‐ bereitung hat jedoch dort Vorteile, wo nur die Randzone des Betons verölt bzw. das Einbringen größerer Wassermengen nicht tragbar ist. 383 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="394"?> Die Vorteile des vorher beschriebenen Verfahrens lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Kein kompletter Ausbau der kontaminierten Bauteile • Keine aufwendige Entsorgung des ausgebauten Betons • Kein Einbau neuer Betonbauteile • Keine Wartezeiten bis zur Erhärtung und möglichen Beschichtung • Umweltverträgliche Reinigung • Grundierung der noch feuchten Betonoberfläche • Grundierung als Sperre gegen aufsteigendes Öl und Wasser • Kurzfristige Beschichtung mit verschiedenen Reaktionsharz-Systemen möglich • Beschichtungssysteme verhindern erneutes Eindringen von Öl, Treibstoff und Chemikalien • Beschichtungssysteme reduzieren den mechanischen Verschleiß und verhindern bei sachge‐ mäßer Wartung erneute Schäden • Reparatur und Überarbeitung der Beschichtung nach entsprechender Vorbereitung jederzeit möglich Es ist jedoch bei tiefgreifender Verölung nicht auszuschließen, dass auch nach diesem Verfahren noch Öl im Unterbeton verbleibt. Hierüber können Kernbohrungen Aufschluss geben. Soweit hierdurch keine Umweltgefährdung vorliegt, sei es, dass eine darunterliegende Abdichtung vorhanden ist oder das Restöl nicht das gesamte Bauteil erfasst und somit auch nicht nach außen abgegeben werden kann, ist dieser Fall unbedenklich. Anderenfalls können Rückbau und Neubau der ausgebauten Teile erforderlich werden, so dass die aufgezählten Vorteile nicht zum Tragen kämen. 12.9.14 Maschinelle Beschichtung großer Flächen Seit den sechziger Jahren werden Beschichtungen von Betonflächen mit Reaktionsharzen großflächig durchgeführt. Diese bezogen sich zunächst vorwiegend auf den Industrie- und Brückenbau, später zunehmend auch auf Parkflächen. Dabei hatte sich im Laufe der Jahre an der Verlegetechnik, die nach wie vor überwiegend manuell erfolgte, wenig geändert. Versuche mit Verlegemaschinen für Verlaufbeschichtungen und Mörtelbeläge blieben in den Anfängen stecken, da hiermit die Qualität der „händischen“ Verlegung sowie auch deutliche wirtschaftliche Vorteile nicht erreicht wurden. 1992 jedoch wurde erstmals ein neuartiger Einbaufertiger mit patentiertem Auftragsverfahren für die großflächige Verlegung von Oberflächen-Schutzsystemen auf begeh- und befahrbaren Flächen angeboten, dessen Einsatz nach Beseitigung der nie restlos zu vermeidenden Kinder‐ krankheiten mit deutlichen qualitativen und wirtschaftlichen Vorteilen bei großen Flächen ge‐ genüber Beschichtungsarbeiten von Hand verbunden ist. Inzwischen haben Weiterentwicklungen zu Geräten mit weitgehend ausgereifter Technik geführt. 12.9.14.1 Einbaufertiger Die Geräte bestehen aus den drei wesentlichen Baugruppen • Material-Vorratstank • Antriebseinheit (Grundrahmen einschließlich Antriebsaggregaten) • Werkzeuge zur Applikation 384 12 Oberflächenschutz <?page no="395"?> Vorratstank und Auslassventile sind mit einem zusammenhängenden Polyethylen-Inliner ausge‐ kleidet, der nach jedem Arbeitstag bzw. Wechsel des Beschichtungsstoffes durch einen neuen ersetzt wird. Somit werden Verunreinigungen mit Kunststoff sowie aufwendige Säuberungsar‐ beiten dieser Geräteteile vermieden. Der Antrieb erfolgte ursprünglich über einen Benzin-, dann über einen Gasmotor und heute nur noch elektrisch, die Steuerung elektronisch-pneumatisch durch eine Bedienungsperson vom Fahrersitz aus. Die Arbeitsbreite beträgt ca. 2 m, die Fahrgeschwindigkeit je nach Art und Menge des zu verarbeitenden Materials bis 25 m/ min. Die Maschine ist auf waagerechten und bis zu 5 % geneigten Flächen einsetzbar. Die Werkzeuggruppen zur Applikation werden je nach Beschichtungssystem und Baustel‐ lenbedingungen mit unterschiedlichen Werkzeugkombinationen wie Gummilippen, gezahnten Blechleisten, Rollen und Bürsten bestückt. Hierbei spielen deren Flexibilität und Anpressdruck in Abhängigkeit von Materialeigenschaften und Untergrundbeschaffenheit eine wesentliche Rolle. 12.9.14.2 Funktion der Maschine Die fertig gemischte Beschichtungsmasse, gegebenenfalls aus mehreren Komponenten bestehend, wird zunächst in den Vorratstank des Fertigers gefüllt. Von dort fließt sie über seitliche Ventile auf den Untergrund und wird vom vorderen Applikationswerkzeug der fahrenden Maschine verteilt. Das Antriebsrad befindet sich davor, die Stützräder des Gerätes fahren durch das so vorverteilte Material, das anschließend durch eine nachfolgende weitere Gruppe von Applikationswerkzeu‐ gen nochmals intensiv bearbeitet und auf endgültige Beschichtungsdicke ausgezogen wird. Bild 12.45: Einbaufertiger beim Beschichten in einer Werkhalle (Quelle: Chemicon) Es können alle Mischungen mit selbstverlaufenden Eigenschaften von der Grundierung bis zum Verlaufmörtel bis 5 mm Dicke, jedoch keine Mörtel, die eine Verdichtung durch Rütteln oder Reiben benötigen, verarbeitet werden. 385 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="396"?> 12.9.14.3 Leistung der Maschine Einbaufertiger sind dann sinnvoll einsetzbar, wenn eine zusammenhängende Fläche von mindes‐ tens 1000 m² zu bearbeiten ist. Auch bei größeren Flächen hängt darüber hinaus die Wirtschaft‐ lichkeit stark von deren Geometrie ab. Besonders günstig ist der Einsatz dann, wenn große Flächen in durchgehenden Bahnen ohne Aussparungen und Unterbrechungen, z. B. durch Säulen, Mauervorsprünge, Treppen, Aufkantungen u ä., zügig beschichtet werden können. Weiterhin ist die Zahl der Schichten maßgebend. Je größer der Anteil der Arbeiten für den Einsatz der Maschine am Gesamtaufwand, umso wirtschaftlicher gestaltet sich die Gesamtmaßnahme. Da die Einbaufertiger z. Zt. nur die reine Beschichtungsarbeit übernehmen, ist die Kolonnen‐ größe so zu bemessen, dass für Zu-, Neben- und Nacharbeiten ausreichend Personal vorhanden ist, so dass die Maschine möglichst ohne Unterbrechungen im Einsatz sein kann. Hierzu gehört vor allem die Versorgung mit den benötigten Mengen an fertig angemischtem Material. Selbst‐ verständlich müssen somit leistungsstarke Mischaggregate zur Verfügung stehen. Inzwischen gibt es auch automatische Dosier- und Mischstationen, mit denen eine zügige Versorgung der Einbaufertiger möglich ist. Weiterhin müssen für den Einbaufertiger unzugängliche Bereiche, z. B. zwischen Säulen und Mauervorsprüngen, sowie Randbereiche vorgearbeitet werden. Verlaufbeschichtungen sind mit Stachelwalzen zwecks Entlüftung nachzurollen. Für Raubeläge sind Abstreuungen vorzunehmen und überschüssiges Abstreugut nach Erhärtung der Beschichtung zu entfernen. Die gesamte Baustelleneinrichtung und Logistik sind dementsprechend sorgfältig zu planen und durchzufüh‐ ren. Hieraus ergibt sich, dass ein Einsatz der Maschine mit weniger als 7 Mann kaum sinnvoll ist. Erfahrungsgemäß lässt sich mit dem Einbaufertiger eine Reduzierung des Zeitraums für die Beschichtungsarbeiten bei größeren Flächen, ohne Berücksichtigung der vorhergehenden Untergrundvorbereitung, auf etwa die Hälfte gegenüber Handeinbau erreichen. Umgekehrt wäre festzustellen, dass für den gleichen Beschichtungsumfang auf herkömmliche manuelle Weise im gleichen Zeitraum die vergleichsweise doppelte Anzahl an Personal erforderlich wäre. 12.9.14.4 Vorteile maschineller Beschichtung Im Vergleich zum manuellen Auftrag von Oberflächenschutzsystemen ergeben sich durch den Einsatz des Einbaufertigers folgende wesentlichen Vorteile: • Verbesserung der fertig verlegten Beschichtung durch konstante Verarbeitungsparameter • optimierter Materialverbrauch • gleichmäßige Schichtdicken • ebene Oberflächen • Verbesserung der Qualität des Arbeitsplatzes durch weniger körperliche Arbeit des Personals • weniger körperlicher Kontakt mit den Beschichtungsstoffen • höhere Qualifikationsansprüche an das Bedienungspersonal • Verbesserung der Wirtschaftlichkeit durch Steigerung der Flächenleistung • Verkürzung der Ausführungszeit • Verkürzung von Sperrzeiten 12.9.14.5 Ausblick Durch die Entwicklung von Einbaufertigern für den Oberflächenschutz größerer begeh- und be‐ fahrbarer Flächen wurde ein großer Schritt in Richtung Arbeitsplatzverbesserung, Zeiteinsparung und gleichmäßigerer Verlegequalität vollzogen. Weitere Fortschritte wären durch Verbesserungen 386 12 Oberflächenschutz <?page no="397"?> bei den Arbeitsgängen „Dosieren, Mischen, Transportieren, Entlüften, Abstreuen und Entfernen überschüssigen Abstreugutes“ möglich. So könnten sowohl die Anzahl an Personal reduziert als auch Arbeitsbedingungen und Ausführungsqualität weiter verbessert werden, wenn leistungsfä‐ higere und weniger störanfällige Dosier- und Mischaggregate, bessere Transportgeräte sowie Automaten für Entlüften, Abstreuen und Entfernen überschüssigen Abstreugutes entwickelt oder sogar z. T. mit dem Einbaufertiger kombiniert würden. 12.9.15 Rutschhemmung Für OS 8, OS 11 und OS 14 werden für die Prüfung nach dem Pendeltest für die Griffigkeit nach DIN EN 13036-4 im Außenbereich in der Klasse III > 55 im nassen Zustand geprüfte Einheiten bei der Erstprüfung vorgeschrieben. Darüber hinaus können jedoch für den Einsatz in besonders gefährlichen Bereichen weitere Anforderungen gestellt sein. Bild 12.46: Schemazeichnung Gerät zur Bestimmung der Griffigkeit mit dem Pendeltest Nach statistischen Unterlagen der Unfallversicherungsträger liegen Stolper-, Rutsch- und Sturz‐ unfälle bei betrieblichen Tätigkeiten seit Jahren an der Spitze des Unfallgeschehens. Deshalb ist der Rutschhemmung von Fußböden, die vom Material und von der Oberflächenstruktur sowie vom Grad der Verschmutzung durch gleitfördernde Stoffe beeinflusst wird, besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Hierfür ist das „Merkblatt für Fußböden in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit Rutsch‐ gefahr BGR 181“ des Hauptverbandes der gewerblichen Berufs-Genossenschaften HVBG maßge‐ bend. Dieses Merkblatt bezieht sich auf Arbeitsräume, Arbeitsbereiche und Verkehrswege, deren Fußböden nutzungsbedingt mit gleitfördernden Medien in Kontakt kommen, so dass ein Risiko des Ausrutschens zu vermuten ist. Das ist z. B. der Fall in der Genuss- und Nahrungsmittelindustrie wie Betrieben zur Herstellung von Margarine, Speisefett und Speiseöl, zur Milchverarbeitung, zur Fleisch- und Fischverarbeitung. 387 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="398"?> Bild 12.47: Schemazeichnung schiefe Ebene zu Bestimmung der Rutschhemmung Aufgrund unterschiedlicher Rutschgefahr werden Fußböden in Bewertungsgruppen unterteilt, wobei in bestimmten Bereichen wegen des Anfalls besonders gleitfördernder Stoffe ein Verdrän‐ gungsraum für die Flüssigkeiten unterhalb der Gehebene erforderlich sein kann. Der Bewertung der Rutschgefahr liegen folgende Kriterien zugrunde: • Häufigkeit des Auftretens gleitfördernder Stoffe auf dem Boden und deren Verteilung. • Art und Eigenschaft der gleitfördernden Stoffe. • Der durchschnittliche Grad, z. B. die Menge des Stoffes, der Verunreinigung des Fußbodens durch diese Stoffe. • Sonstige bauliche, verfahrenstechnische und organisatorische Verhältnisse. 12.9.15.1 Prüfung Das Verfahren zur Prüfung der Rutschhemmung ist in DIN 51130 „Prüfung von Bodenbelägen; Bestimmung der rutschhemmenden Eigenschaft; Arbeitsräume und Arbeitsbereiche mit erhöhter Rutschgefahr; Begehungsverfahren; schiefe Ebene“ geregelt. Dieses Verfahren beruht auf der Begehung des zu prüfenden Bodenbelags auf einer schiefen Ebene durch Prüfpersonen. Hierbei dient die Verwendung eines bestimmten, definierten Öles als konstanter Versuchsparameter. Die Zuordnung der Bewertungsgruppen zu den Winkelbereichen der schiefen Ebene ist nachfolgend ersichtlich, wobei die Bewertungsgruppe R 9 den geringsten und R 13 den höchsten Anforderungen an die Rutschhemmung genügen. 388 12 Oberflächenschutz <?page no="399"?> Gesamtmittelwerte Bewertungsgruppe von 8° bis 10° R 9 mehr als 10° bis 19° R 10 mehr als 19° bis 27° R 11 mehr als 27° bis 35° R 12 mehr als 35° R 13 Der Verdrängungsraum des Bodenbelags ist der zur Gehebene hin offene Hohlraum unterhalb der Gehebene. In der Regel erfordern Bodenbeläge in Arbeitsräumen und -bereichen mit hoher Rutschgefahr, hervorgerufen durch große Mengen gleitfördernder Stoffe, auch größere Verdrän‐ gungsräume. Aus der nachfolgenden Tabelle gehen die Mindestvolumina der Verdrängungsräume hervor: Bezeichnung des Verdrängungsraums Mindestvolumen des Verdrängungsraums (cm³/ dm²) V 4 4 V 6 6 V 8 8 V 10 10 Eine Prüfung der fertig verlegten Beschichtung vor Ort gemäß DIN 51130 ist nicht möglich. Hierfür steht u. a. das Gleitreibungsmessgerät „Floor-Slide-Control FSC 2000“ zur Verfügung, dessen Messwerte jedoch nicht mit den Bewertungsgruppen des Merkblattes BGR 181 des HVGB unmittelbar vergleichbar sind. 12.9.15.2 Herstellung rutschhemmender Oberflächenschutzsysteme Neben der Wahl des Beschichtungsstoffes eines Systems ist vor allem die Rauheit der Oberfläche für das Maß der Rutschhemmung ausschlaggebend. Raue Oberflächen werden bei Reaktions‐ harz-Beschichtungen in erster Linie durch Einstreuen mit trockenen und sauberen Sanden oder Granulaten wie Chromerzschlacke, Elektrokorund oder Siliziumcarbid in die frische, noch flüssige Verlaufbeschichtung hergestellt. Für die Prüfung und Beurteilung sowie entsprechende Zuord‐ nung zur Bewertungsgruppe und zum Verdrängungsraum sind die Art des Abstreuguts, dessen Korngröße und Kornform maßgebend. Überschüssiges, in die Beschichtung nicht eingebundenes Abstreugut wird nach Erhärtung des Reaktionsharzes entfernt. 389 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="400"?> Bild 12.48: Mit Quarzsand 1 - 2 mm Ø abgestreute, raue und rutschhemmende Beschichtungsoberfläche Um rutschhemmende und dennoch gut zu reinigende Beschichtungsoberflächen zu erzielen, kön‐ nen die abgestreuten Beschichtungen mit Deck- oder sogenannten Kopfversiegelungen versehen werden. Hierdurch werden allerdings die Rutschhemmung und der Verdrängungsraum reduziert, was z. T. durch die Wahl eines anderen, groberen und/ oder scharfkantigeren Abstreukornes ausgeglichen werden kann. Das Merkblatt BGR 181 des HVBG nennt Richtwerte für verschiedene Arbeitsräume und -bereiche, denen folgende Beispiele entnommen wurden: Nummer Arbeitsräume und Arbeits‐ bereiche Bewertungsgruppe der Rutschgefahr Verdrängungsraum 4 Backwaren 4.1 Teigbereitung R 11 4.3 Spülräume R 12 V 4 5 Fleischverarbeitung 5.1 Schlachthaus R 13 V 10 5.10 Geflügelverarbeitung R 12 V 6 12.9.16 Qualitätssicherung Bezüglich Qualitätssicherung der Produkte siehe unter 12, bezüglich Ausführung siehe unter 12.2. 12.9.17 Literatur [1] Schröder, M.: Herstellung von Industriefußböden mit Kunstharzen von der Imprägnierung bis zum Kunststoffestrich. Kunststoffe im Bau 3/ 79. [2] Schröder, M.: Schutz und Instandsetzung von tausalzbeanspruchtem Beton an Brückenbauwerken mit Reaktionskunststoffen. Straßen- und Tiefbau 1/ 80. 390 12 Oberflächenschutz <?page no="401"?> [3] Schröder, M.: Untergrundvorbereitung für Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen an Betonbauteilen. Bautenschutz + Bausanierung 4/ 1987. [4] Zentralstelle für Unfallverhütung und Arbeitsmedizin. ZH 1/ 200 = BGR 132. Richtlinien für die Vermei‐ dung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen - Richtlinien „Statische Elektrizität“. Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften Oktober 1989. [5] Concretin SYSTEM INFO. Grundierungs-Spezialitäten 3/ 94. [6] Concretin praxis aktuell 15; Beschichtung verölter Betonflächen nach umweltverträglicher Vorreini‐ gung. [7] Säureschutz GmbH, Leipzig. Technisch-ökologische Betonflächensanierung (TÖS). [8] Concretin praxis aktuell 16. Innovative Lösungen für Industrieböden [9] Göhre, D.: Beton nachbehandeln und grundieren: Beschleunigt den Bauablauf. Neues Verfahren: Frischbetonschutz auf EP-Basis. Concretin System-Info. [10] Concrete Chemie. WG Werkzeuge + Geräte, K 200 Einbaufertiger, 01/ 1994. [11] Schäper, M., Urban, F.: Einbaufertiger für die Beschichtung von Industrieböden - Qualitätsmerkmale der erzielten Beschichtung, Veröffentlichungen aus Lehre, angewandter Forschung und Weiterbildung. Band 23, Fachhochschule Wiesbaden, 1994. [12] Schröder, M.: Rissüberbrückend - Beschichtungen auf Fahr- und Standflächen in Parkhäusern. bausubstanz Heft 6, Juni 1994, 10. Jahrgang. [13] Helf, Chr.: Ein Fertiger für Beschichtungen, Manuskript für Veröffentlichung in Bautenschutz + Bausanierung Januar 1995. [14] Schröder, M.: Schutz und Instandsetzung von Beton. Teil 3 „Oberflächenschutz“. Bautenschutz + Bausanierung 18. Jahrgang Nr. 5, August 1995. [15] Schröder, M.: Schutz und Instandsetzung von Stahlbeton. Teil 5 „Oberflächenschutz von Beton mit Beschichtungssystemen“. Bautenschutz VBK Nr. 6, Dezember 1995. [16] Fachausschuss „Bauliche Einrichtingen“ der BGZ. ZH 1/ 571 = BGR 181. Merkblatt für Fußböden in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit Rutschgefahr. HVBG Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften. Fassung 1998. [17] J. Magner: Ableitfähige Fußbodenbeschichtungen. 5th International Colloquium „MSR ’99 - Materials Science and Restoration. Technische Akademie Esslingen. 30.11. - 02.12.1999. [18] J. Magner: Rutschsicherheit von Industriefußböden. 5th International Colloquium „MSR ’99 - Materials Science and Restoration. Technische Akademie Esslingen. 30.11. - 02.12.1999. [19] Schriftenreihe der Zement- und Betonindustrie. Stahlbetonoberflächen schützen, erhalten, instandset‐ zen. Verlag Bau+Technik GmbH 2008. [20] F. Fingerloos, L. Meyer, U. Wiens: Zur Notwendigkeit von Gefällen bei Parkdecks. Beton- und Stahlbetonbau 105, Heft 11. Verlag Ernst & Sohn 2010. [21] Schriftenreihe der Zement- und Betonindustrie. Beton - Herstellung nach Norm. Arbeitshilfe für Ausbildung, Planung und Baupraxis. Verlag Bau+Technik GmbH 19. überarbeitete Auflage 2012. [22] M. Schröder: Eine Frage der Haftung. Betonoberflächen für Beschichtungen vorbereiten. B+B Bauen im Bestand. 37. Jahrgang März 2014 Verlagsgesellschaft Rudolf Müller. [23] M. Schröder und 7 Mitautoren: Schutz und Instandsetzung von Stahlbeton Anleitung zur sachkundigen Planung und Ausführung. 7., überarbeitete Auflage. expert verlag 2015. [24] Schröder, M.: Mängel an Reaktionsharzbeschichtungen. bauhandwerk 6.2015 Bauverlag. 391 12.9 Oberflächenschutz für Bodenflächen <?page no="402"?> 12.10 Oberflächenschutz für Wand- und Deckenflächen M. Schröder 12.10.1 Einleitung An den Oberflächenschutz für nicht begeh- und nicht befahrbarer Flächen werden viele der Anforderungen nicht gestellt, die in 12.9 erhoben werden. Dafür spielen Eigenschaften wie Gasdiffusion, besonders an Fassaden, eine große Rolle, so dass hierfür bestimmte Kennwerte ausgewiesen werden müssen. Mit „nicht begeh- und befahrbar“ sind hier keine Flächen gemeint, die man nicht begehen oder befahren darf, sondern die man nicht begehen oder befahren kann, weil sie senkrecht, stark geneigt oder über Kopf angeordnet sind, also z. B. Wände oder Deckenunterseiten. Für Verarbeitung und Erhärtung soll die Temperatur von Luft und Untergrund für zementge‐ bundene Stoffe, auch mit Kunststoffzusatz, also z. B. Spachtelmassen und Schlämmen, 5 °C - 30 °C betragen, und Windgeschwindigkeit soll bei ≤ 3 Beaufort = ≤ 5 m/ s liegen, um vorzeitiges Austrocknen zu vermeiden. Für kunststoffgebundene Stoffe soll die Temperatur 8 °C - 30 °C betragen und ≥ 3 K über der Taupunkttemperatur liegen. Für zementgebundene Stoffe, auch mit Kunststoffzusatz, soll der Untergrund zum Zeitpunkt der Applikation mattfeucht, für kunststoff‐ gebundene Stoffe trocken sein Nachfolgend werden die in den Regelwerken beschriebenen Systeme im Einzelnen betrachtet und deren Eigenschaften, Anwendungsbereiche, Aufbauten und Anforderrungen an den Unter‐ grund aufgezeigt. 12.10.2 OS 1 Hydrophobierung Als Bindemittel kommen die siliziumorganischen Verbindungen Silan und Siloxan zur Anwen‐ dung. Die Produkte werden unverdünnt mit 100 % Wirkstoffanteil, gelöst in Lösemittel und wässrig, auch als Pasten, angeboten. 12.10.2.1 Eigenschaften Hydrophobierungen bewirken durch Erhöhung der Oberflächenspannung eine zeitlich begrenzte Reduzierung der kapillaren Wasseraufnahme und demzufolge eine temporäre Verbesserung des Frost- und Frost-Tausalz-Widerstandes. Gleichzeitig wird die Aufnahme von in Wasser gelösten Schadstoffen, vor allem Salzen, verringert, wodurch die Gefahr der durch Chloride verursachten Bewehrungskorrosion (Lochfraß) herabgesetzt wird. Da es sich um keine filmbildende Maßnahme handelt und die Diffusion von Kohlendioxid hier‐ durch nicht gebremst, sondern infolge der geringeren Durchfeuchtung eher begünstigt wird, kann hieraus ein größerer Carbonatisierungsfortschritt im Vergleich zu nicht hydrophobiertem Beton im Freien resultieren. Die Wasserdampfdurchlässigkeit wird nicht beeinflusst. Ebenso findet keine Veränderung des optischen Erscheinungsbildes statt, davon abgesehen, dass die Oberflächen von Sichtbeton aufgrund fehlender Durchfeuchtung bei Regen ansehnlicher erscheinen. 392 12 Oberflächenschutz <?page no="403"?> Bild 12.49: Auf hydrophobierter Betonoberfläche perlt Wasser ab Falls kein Abperlen auf der Bauteiloberfläche mehr zu beobachten ist, bedeutet das noch nicht, dass die Hydrophobierung nicht mehr wirksam ist und Wasser eindringt. Ob das der Fall ist, kann man mit Karstenschen Röhrchen prüfen, die auf die Bauteiloberfläche aufgeklebt und mit Wasser gefüllt werden. Hierbei sollte parallel ein Nullversuch mit Abdichtung am Untergrund vorgenommen werden. 393 12.10 Oberflächenschutz für Wand- und Deckenflächen <?page no="404"?> Bild 12.50: Schemazeichnung OS 1 (nach ZTV-ING OS-A) Hydrophobierung 12.10.2.2 Anwendungsbereich Hydrophobierende Imprägnierungen dienen dem Feuchteschutz bei vertikalen und geneigten, frei bewitterten, besonders durch Tausalz beanspruchten Betonflächen, z. B. an Brückenbauwerken. Als eigenständige Maßnahme sollte mindestens die Betonfestigkeitsklasse C 20/ 25 vorliegen. Die Anwendung erfolgt vor allem bei neuen Bauteilen vor dem ersten Winter, um den Widerstand des noch jungen und noch nicht ausreichend festen Betons gegen den Frost-Tausalz-Angriff zu erhöhen. Hydrophobierungen sind nicht wirksam bei drückendem Wasser. 12.10.2.3 Aufbau Die Applikation erfolgt in mindestens zweimaligem Auftrag durch Fluten oder vergleichbares Verfahren, soweit es sich nicht um Pasten handelt. 12.10.2.4 Anforderungen an den Untergrund Die Betonoberfläche muss sauber sein, was bei neuem Beton meistens der Fall ist. Anderenfalls muss mit Druckwasser, gegebenenfalls beheizt und mit oberflächenaktiven Substanzen versehen, zuvor gereinigt werden. Die Windgeschwindigkeit sollte im Gegensatz zu anderen Kunststoffen ≤ 5 m/ s betragen, um besonders bei Silan das Verdunsten des relativ flüchtigen Wirkstoffes zu verhindern, bevor eine Polykondensation im Beton stattgefunden hat. 394 12 Oberflächenschutz <?page no="405"?> 12.10.3 OS 2 Beschichtung für nicht begeh- und nicht befahrbare Flächen Als Bindemittel kommen vorwiegend Acrylate in Form von Dispersionen zum Einsatz. 12.10.3.1 Eigenschaften Auch hiermit wird eine, jedoch deutlich stärkere und langlebigere, Reduzierung der Wasserauf‐ nahme und der Aufnahme von in Wasser gelösten Schadstoffen erzielt. Darüber hinaus erfolgt ein starkes Bremsen der Kohlendioxiddiffusion und somit der Carbonatisierung. Frost- und Frost-Tausalz-Widerstand werden erheblich verbessert. Die äquivalente Luftschichtdicke für Wasserdampfdiffusion SD H 2 O soll ≤ 5 m betragen, um Schäden infolge ungenügender Durchlässigkeit für Wasserdampf zu verhindern. Der CO 2- Dif‐ fusion soll eine äquivalente Luftschichtdicke von SD C0 2 ≥ 50 m entgegenwirken, um die Carbonatisierung praktisch zu unterbinden. Lunker und Poren der Betonoberfläche ermöglichen jedoch keinen fehlstellenfreien, geschlos‐ senen Film, was die Wirksamkeit als Carbonatisierungsbremse eingrenzt. In Verbindung mit einer vorhergehenden Hydrophobierung der Betonoberfläche wird die Aufnahme drucklosen Wassers und hierin gelöster Stoffe über Lunker und Poren verhindert und die Dauerhaftigkeit des Systems durch die hierdurch erzielte Grenzflächenverlagerung bei Feuchtigkeitshinterwanderung erhöht. Durch farbige Gestaltung können entsprechende optische Wirkungen erzielt werden. 12.10.3.2 Anwendungsbereich Derartige Beschichtungen dienen dem vorbeugenden Schutz und der optischen Gestaltung von freibewitterten Betonflächen im Neubaubereich für senkrechte Flächen und Unterseiten. Als Beschichtungssystem in Zusammenhang mit Instandsetzungen sind sie jedoch nur bedingt ge‐ eignet, da eine reparierte Fläche ohne Spachtelung oder Schlämme keinen gleichmäßig saugenden Untergrund darstellt, die Oberfläche der Reparaturstellen verhältnismäßig dicht und geschlossen ist im Vergleich zum übrigen porösen und lunkerhaltigen Sichtbeton und letztendlich hierdurch auch kein gleichmäßiges Erscheinungsbild erzielt wird. Bild 12.51: OS 2-Beschichtung an einem Brückenneubau 395 12.10 Oberflächenschutz für Wand- und Deckenflächen <?page no="406"?> 12.10.3.3 Aufbau Zunächst erfolgt eine hydrophobierende Imprägnierung gemäß OS 1 in einbis zweimaligem Auftrag, je nach Saugfähigkeit des Untergrundes, danach ggf. eine nicht pigmentierte, farb‐ lose Grundierung zur Reduzierung der Saugfähigkeit und zur Verfestigung des Untergrundes. Abschließend werden mindestens zwei farblose, lasierende oder pigmentierte Deckschichten aufgetragen, deren Mindestschichtdicke 80 µm betragen soll. Hierfür beträgt der praktische Stoffverbrauch je nach Dichte und Festkörpergehalt 200 - 400 g/ m². Je nach Rautiefe beträgt der Schichtdickenzuschlag bis 70 µm. „Hydrophobierende Imprägnierung“ und „verfestigende Grundierung“ können alternativ auch mit einem SI-AY-Kombinationsprodukt in einem Arbeitsgang durchgeführt werden. Bild 12.52: Schemazeichnung OS 2 (nach ZTV-ING OS-B) Beschichtung für nicht begeh- und befahrbare Flächen 12.10.3.4 Anforderungen an den Untergrund Die Betonbauteile müssen sauber sein und eine Oberflächenzugfestigkeit mit einem Mittelwert ≥ 0,8 N/ mm² und einem Einzelwert ≥ 0,5 N/ mm² aufweisen. Die oberflächennahe Schicht des Betons soll „trocken“ bis höchstens „feucht“ sein je nach Angaben zur Ausführung des Herstellers. 12.10.3.5 Anforderungen an die Haftung Haftzugfestigkeit analog Oberflächenzugfestigkeit des Untergrunds Gitterschnitt-Richtwert i. M. GT ≤ 2 396 12 Oberflächenschutz <?page no="407"?> 12.10.4 OS 4 Beschichtung mit erhöhter Dichtheit für nicht begeh- und befahrbare Flächen Als Bindemittel wird, wie bei OS 2, vor allem Acrylat verwendet. Überhaupt handelt es sich prinzipiell um das gleiche System, jedoch mit dem Unterschied, dass durch eine vorherige Egali‐ sierung der Betonoberfläche ein dichter und gleichmäßig saugender Untergrund geschaffen wird, der eine dementsprechend gleichmäßig dichte und einheitlich dicke Beschichtung ermöglicht. 12.10.4.1 Eigenschaften Wie bei OS 2, jedoch mit erhöhter Sicherheit infolge geschlossener, egalisierter Betonoberfläche und somit gleichmäßigerer Qualität der Beschichtung, was Schichtdicke und Porenfreiheit anbetrifft. 12.10.4.2 Anwendungsbereich Das System wird bei Fassaden, Sichtflächen von Ingenieurbauwerken sowie anderen nicht befahrbaren, mechanisch nicht belasteten, freibewitterten Betonflächen eingesetzt. Die Systeme können auch bei tausalzbeaufschlagten Betonbauteilen angewendet werden, die Eignung muss aber gesondert nachgewiesen werden. Es handelt sich um die Regelmaßnahme für den Schutz reprofilierter Oberflächen bei Instandsetzungen, wenn der Untergrund rissfrei ist bzw. eine rissüberbrückende Beschichtung nicht für erforderlich gehalten wird. Bild 12.53: mit OS 4 geschützte Balkonbrüstungen und Pflanztröge 397 12.10 Oberflächenschutz für Wand- und Deckenflächen <?page no="408"?> 12.10.4.3 Aufbau Nach vorheriger Untergrundvorbereitung erfolgt zunächst eine Spachtelung zum Füllen von Fehlstellen, Lunkern und Poren und zur Egalisierung von Unebenheiten. Falls Grate und Wulste z. B. einer Brettschalstruktur erhalten bleiben sollen, kann alternativ zur Spachtelung auch eine kunststoffmodifizierte Zementschlämme mit der Bürste aufgetragen werden. Hieraus resultieren zwar etwas weichere Konturen der Grate und Wulste, ohne dass jedoch der Charakter einer Brettschalung verloren geht. Dieses Verfahren wird in den Regelwerken jedoch nicht beschrieben. Bild 12.54: Schemazeichnung OS 4 (nach ZTV-ING OS-C) Beschichtung mit erhöhter Dichtheit für nicht begeh- und befahrbare Flächen 398 12 Oberflächenschutz <?page no="409"?> Bild 12.55: Abreiben der Spachtelung als Bestandteil von OS 4 Bild 12.56: Mit einer Schlämme überzogene Brettschalstruktur einer Deckenuntersicht 399 12.10 Oberflächenschutz für Wand- und Deckenflächen <?page no="410"?> Der Auftrag eines Egalisierungs-Feinmörtels ist auch durch Sprühen mit einer Putzmaschine möglich, wobei die erste Lage mit der Traufel aufgekratzt werden sollte, um Lunker und Poren fehlstellenfrei zu schließen. Die Deckschicht kann sowohl geglättet als auch spritzrau belassen werden. Auch hierüber lassen sich die Regelwerke allerdings nicht aus. Danach wird ggf. eine hydrophobierende Imprägnierung gemäß OS 1 und ggf. eine nicht pigmentierte, ungefüllte Grundierung zur Reduzierung der Saugfähigkeit und Verfestigung des Untergrundes aufgebracht. Es folgen mindestens zwei pigmentierte Deckschichten mit der Mindestschichtdicke von 80 µm. Der Schichtdickenzuschlag beträgt je nach Rautiefe ≥ 70 µm. Liegt keine Tausalzbelastung vor, so entfällt i. d. R. die zuvor erwähnte hydrophobierende Imprägnierung. Es kann auch hier wie bei OS 2 ein SI-AY-Kombinationsprodukt angewendet werden, wodurch Imprägnierung und Grundierung in einem Arbeitsgang erfolgen. Bild 12.57: Aufbringen der Deckanstriche von OS 4 auf eine Schlämme an einem Schornstein 400 12 Oberflächenschutz <?page no="411"?> Bild 12.58: mit OS 4 unter Verwendung einer Schlämme geschützte Fassade (Brettschalstruktur) 12.10.4.4 Anforderungen an den Untergrund Der Untergrund ist zu strahlen, um ihn aufzurauen, Zementhaut abzutragen sowie Lunker und Poren für die zunächst aufzubringende Spachtelung oder Schlämme zu öffnen. Danach soll eine Oberflächen-Zugfestigkeit von im Mittel ≥ 1,3 N/ mm 2 mit einem kleinsten Einzelwert von 0,8 N/ mm 2 vorliegen. Die Betonoberfläche muss am Tag zuvor gründlich sowie noch einmal unmittelbar vor dem Spachteln oder Schlämmen vorgenässt werden, damit dem kunststoffmodi‐ fizierten Zement-Feinmörtel nicht das Zugabewasser entzogen wird. 12.10.4.5 Anforderungen an die Haftung Haftzugfestigkeit im Mittel ≥ 0,8 N/ mm 2 , Einzelwert ≥ 0,5 N/ mm 2 (für den Feinspachtel ≥ 1,3 N/ mm 2 , Einzelwert ≥ 0,8 N/ mm 2 ) Gitterschnitt-Richtwert i. M. ≤ GT 2 12.10.5 OS 5 Beschichtung mit geringer Rissüberbrückung für nicht begeh- und befahrbare Flächen Als Bindemittel werden verschiedene Copolymere in Form von Dispersionen sowie auch Disper‐ sions-Zement-Schlämmen verwendet. 12.10.5.1 Eigenschaften Neben den für OS 4 geforderten Eigenschaften soll die Überbrückung von oberflächennahen Rissen des Betons gemäß Rissüberbrückungsklasse B 2 möglich sein. 12.10.5.2 Anwendungsbereich Dieses Beschichtungssystem wird angewendet, wenn zusätzlich zu OS 4 mindestens geringe Rissüberbrückungsfähigkeit gefordert wird. Folglich handelt es sich auch um die Regelmaßnahme für den Schutz reprofilierter Betonbauteile, falls Risse vorliegen. Gemäß DIN 18349 soll dieses 401 12.10 Oberflächenschutz für Wand- und Deckenflächen <?page no="412"?> System grundsätzlich anstelle OS 2 bzw. OS 4 angewendet werden. Man muss sich jedoch darüber im Klaren sein, dass sich duktile Schichten im Schadensfall ähnlich einer Folie großflächig ablösen können, insbesondere bei Feuchtigkeits-Hinterwanderung oder Haftminderung z. B. infolge Taupunktunterschreitung während der Applikation, so dass diese Regelung für nicht gerissene oder nicht rissgefährdete Flächen fragwürdig erscheint. Bild 12.59: Ablösung einer rissüberbrückenden Beschichtung OS 5a an der Unterseite einer Brücken-Fahrbahnplatte Bild 12.60: Schemazeichnung OS 5 (nach ZTV-ING OS-D) Beschichtung für nicht begeh- und befahrbare Flächen mit geringer Rissüberbrückung 402 12 Oberflächenschutz <?page no="413"?> Deshalb ist es ratsam, Deckenuntersichten, wenn sie von der Oberseite her wasserbelastet sind wie Brückenfahrbahnplatten und Balkone, nicht mit rissüberbrückenden Beschichtungen zu versehen, zumal Risse und Undichtigkeiten später als bei starren Beschichtungen erkennbar werden. In den ZTV-ING ist auch ein entsprechender Hinweis zu finden. 12.10.5.3 Aufbauten Aufbau a (in ZTV-ING II) Im Rahmen einer Instandsetzung wird zunächst wie bei OS 4 eine Spachtelung des Untergrunds zum Füllen von Fehlstellen, Poren und Lunkern und zum Erreichen einer ebenen, gratfreien Oberfläche durchgeführt. Ebenso kann stattdessen eine Schlämme aufgebracht werden, falls die Struktur des Untergrunds erhalten bleiben soll. Bild 12.61: Aufbringen von OS 5a auf die Fassade eines Wohnkomplexes Bild 12.62: Abreißstempel mit anhaftender OS 5a-Beschichtung, abperlender Wassertropfen auf Rückseite der Spachtelung infolge hydrophobierender Grundierung 403 12.10 Oberflächenschutz für Wand- und Deckenflächen <?page no="414"?> Danach ist zunächst eine Hydrophobierung zu empfehlen, um eine Grenzflächenverlagerung für rückseitige Wasserbelastung zu erzielen. Dann folgt in der Regel eine nicht pigmentierte, verfestigende Grundierung zur Reduzierung der Saugfähigkeit und Verfestigung des Untergrun‐ des. Anschließend werden mindestens zwei Deckschichten, Mindest-Schichtdicke 300 µm, aufge‐ bracht. Je nach Rautiefe beträgt der Schichtdickenzuschlag ≤ 100 µm. Ggf. erfolgt abschließend noch eine Deckversiegelung. Aufbau b (in ZTV-ING I)) Ggf. ebenfalls nach einer Spachtelung oder Schlämme wie beim Aufbau a wird eine Kunststoff-Ze‐ ment-Dichtungsschlämme auf abermals vorgenässtem Untergrund in mindestens 2 Arbeitsgän‐ gen mit einer Mindestschichtdicke von 2 mm aufgebracht. Der Schichtdickenzuschlag beträgt je nach Rautiefe ≤ 600 µm. Ggf. erfolgt auch hier abschließend eine Deckversiegelung. Bild 12.63: Aufsprühen von OS 5b an einem Brückenüberbau Derartige Beschichtungen kommen vor allem bei Ingenieurbauwerken zum Einsatz, bei denen keine hohen Anforderungen an die Oberflächengestaltung gestellt werden, sondern allein die Schutzwirkung maßgebend ist. 404 12 Oberflächenschutz <?page no="415"?> Solche Produkte werden fälschlicherweise als „elastische Zementschlämmen“ bezeichnet. Tatsächlich überwiegt jedoch der Kunststoff als Bindemittel, so dass es besser wäre, von „zement‐ modifizierten Kunststoffschlämmen“ zu reden. 12.10.5.4 Anforderungen an den Untergrund Der Untergrund muss die gleichen Voraussetzungen wie bei OS 4 aufweisen, jedoch bei ei‐ ner Oberflächenzugfestigkeit mit dem Mittelwert ≥ 1,0 N/ mm² und dem kleinsten Einzelwert 0,6 N/ mm², falls kein Feinspachtel oder eine Schlämme eingesetzt wird. Für Spachtel oder Schlämme gelten die gleichen Anforderungen wie bei OS 4. 12.10.5.5 Anforderungen an die Haftung Hierfür gelten die gleichen Werte wie für die Oberflächenzugfestigkeit. Gitterschnitt-Kennwert für OS 5a GT ≤ 2 12.10.6 OS 6 chemisch widerstandsfähige Beschichtung für mechanisch gering beanspruchte Flächen Dieses System ist das gleiche wie schon in 12.1 beschrieben, kann aber auch für Wand- und Deckenflächen ebenso wie für Bodenflächen eingesetzt werden. Erforderlichenfalls ist die Be‐ schichtungsmasse mit Stellmittel zu thixotropieren, um die angestrebte Schichtdicke zu erzielen. Bild 12.64: Kläranlage mit OS 6 beschichtet 12.10.7 OS 9 Beschichtung mit erhöhter Rissüberbrückung für nicht begeh- und befahrbare Flächen Als Bindemittel hierfür werden vorzugsweise Polyurethane, aber auch modifizierte Epoxidharze, Polymerdispersionen und Polymethylmethacrylate verwendet. 405 12.10 Oberflächenschutz für Wand- und Deckenflächen <?page no="416"?> 12.10.7.1 Eigenschaften Neben den für OS 6 geforderten Eigenschaften muss eine Rissüberbrückung vorhandener und neu entstehender oberflächennaher Risse und Trennrisse unter temperaturund/ oder lastabhängigen Bewegungen sichergestellt werden, was nur mit entsprechend hohen Schichtdicken möglich ist. Demzufolge ist auch von einem erhöhten Wasserdampf-Diffusionswiderstand auszugehen. 12.10.7.2 Anwendungsbereich Dieses System wird bei Ingenieurbauwerken im Bereich von nicht befahrbaren, mechanisch nicht belasteten, rissgefährdeten, freibewitterten, auch spritzwasser- und tausalzbeaufschlagten Betonflächen angewendet. Bei Trennrissen an Fassaden ist die Anwendung auf den Rissbereich begrenzt. Insgesamt kommen derartig aufwändige Beschichtungen relativ selten zur Anwendung. 12.10.7.3 Aufbau Zuerst wird eine Spachtelung zum Füllen von Fehlstellen, Lunkern und Poren und zum Ausgleich von Rautiefen und Unebenheiten, vorzugsweise mit Epoxidharz-Feinmörtel, vorgenommen. In der Regel folgt eine nicht pigmentierte, ungefüllte, verfestigende Grundierung auf EP- oder PUR-Basis, ggf. mit Abstreuung. Danach werden mindestens 2 Lagen einer lösemittelfreien, pigmentierten Beschichtungsmasse mit einer Mindestschichtdicke von 1,0 mm aufgebracht. Der Schichtdickenzuschlag beträgt je nach Rautiefe ≤ 400 µm. Bild 12.65: Schemazeichnung OS 9 (nach ZTV-ING OS-E) Beschichtung für nicht begeh- und befahrbare Flächen mit erhöhter Rissüberbrückung 406 12 Oberflächenschutz <?page no="417"?> Bei Spritzauftrag von Stoffen mit sehr schneller Härtungszeit kann evtl. auf die Spachtelung verzichtet werden. Die Beschichtung wird dann in einem Arbeitsgang durch zwei kurzfristig auf‐ einanderfolgende Spritzübergänge unter Verwendung einer Zweikomponentenanlage hergestellt. Falls erforderlich, wird abschließend eine pigmentierte PUR-AY-Deckversiegelung als UV-Schutz gegen Vergilbung aufgebracht. Bild 12.66: Polyurethan-Beschichtung gemäß OS 9 an einer Stützmauer im Spritzbereich einer Autotunnel-Einfahrt 12.10.7.4 Anforderungen an den Untergrund Es werden die gleichen Forderungen wie bei OS 4 erhoben, wenn ein Feinspachtel auf Zementbasis verwendet wird. Wenn mit Epoxidharz-Feinmörtel egalisiert wird, muss der Untergrund trocken sein, bei 8 °C - 30 °C und 3 K über der Taupunkttemperatur liegen und Oberflächen-Zugfestig‐ keiten von im Mittel ≥ 1,5 N/ mm² bei Einzelwerten ≥ 1,0 N/ mm² aufweisen. 407 12.10 Oberflächenschutz für Wand- und Deckenflächen <?page no="418"?> 12.10.7.5 Anforderungen an die Haftung Haftzugfestigkeit i. M. ≥ 1,3 N/ mm² Einzelwert ≥ 0,8 N/ mm² 12.10.8 Anforderungen an das Diffusionsverhalten Oberflächenschutzsysteme für Sichtbetonflächen, insbesondere an Fassaden, sollen einen hohen Widerstand gegen die Diffusion von Kohlendioxyd aufweisen, um die Carbonatisierung weit‐ gehend zu unterbinden, andererseits ausreichend diffusionsoffen für Wasserdampf sein, um Feuchteschäden, besonders bei Taupunkttemperaturunterschreitung, zu vermeiden. Deshalb sind für die Systeme nicht begeh- und nicht befahrbarer Flächen OS 2, OS 4 und OS 5 Werte festgelegt, bei denen der Widerstand gegen die Gasdiffusion mit dem Widerstand von entsprechenden Luftschichtdicken verglichen wird. Der in der TR genannte Wert für die diffusionsäquivalente Luftschichtdicke soll für Wasserdampf S D H 2 O ≤ 5 m (in anderen Regelwerken ≤ 4 m) und für Kohlendioxyd S D CO 2 ≤ 50 m betragen. Diese Werte S D (m) ergeben sich aus Diffusionswiderstandszahl µ x Schichtdicke (m) = diffusionsäquivalente Luftschichtdicke Dabei ist die Diffusionswiderstandszahl ein Faktor, der angibt, um wievielmal dichter der jeweilige Stoff gegenüber Diffusion für ein bestimmtes Gas ist als Luft. 12.10.9 Literatur [1] M., Schröder: Untergrundvorbereitung für Schutz- und lnstandsetzungsmaßnahmen an Betonbauteilen. Bautenschutz + Bausanierung, 4/ 1987. [2] Stenner, R.: Oberflächenschutz, TAE in Ostfildern. Februar 1993. [3] M., Schröder: Schutz und Instandsetzung von Beton. Teil 3 „Oberflächen schutz“. Bautenschutz + Bausanierung 18. Jahrgang Nr. 5. August 1995. [4] M., Schröder: Schutz und Instandsetzung von Stahlbeton, Teil 5 Oberflächenschutz von Beton mit Beschichtungssystemen. Bautenschutz VBK Nr. 6, Dezember 1995. [5] M. Schröder: Betoninstandsetzen: Aktuelle Themen mit Beiträgen von: M. Werner, V. Kauw, G. Haroske, W.-P. Ettel, R. Stenner, R. P. Gieler, M. Schmidt, H.-J. Badzong, J. A. Roti, F. Stöckl: WTA-Schriftenreihe Heft 9, Aedificatio Verlag GmbH 1996. [7] Instandsetzen von Stahlbetonoberflächen, Ein Leitfaden für den Auftraggeber. Bundesverband der Deutschen Zementindustrie. Köln 1997. [8] Schriftenreihe der Zement- und Betonindustrie: Stahlbetonoberflächen - schützen, erhalten, instand‐ setzen. Verlag Bau + Technik GmbH 2008. [9] M., Schröder u. 7 Mitautoren: Schutz und Instandsetzung von Stahlbeton. Anleitung zur sachkundigen Planung und Ausführung. 7., überarbeitete Auflage expert verlag 2015 408 12 Oberflächenschutz <?page no="419"?> 12.11 Schichtdicken bei Polymerbeschichtungen H. Eisenkrein-Kreksch 12.11.1 Einleitung Der Schutz der Oberflächen mittels polymerer und zementöser Beschichtungsstoffe hängt von der Sorgfalt bei der Applikation, von der Eignung der Beschichtungssoffe sowie einigen anderen Faktoren ab. Die Leistungsmerkmale, wie Diffusionswiderstand, Rissüberbrückungfähigkeit, Verschleiß und chemische Beanspruchbarkeit sowie die Dauerhaftigkeit des Oberflächenschutzes stehen in einem engen Zusammenhang mit der Schichtdicke des Systems. Aus diesem Grund ist die Festlegungen der Schichtdicken sowie die Einhaltung und die Bemessung von Schichtdicken‐ parametern unumgänglich. In folgenden Kapiteln werden Definitionen und Bemessungsgrund‐ lagen beschrieben sowie anhand einiger Beispiele die Schichtdickenbestimmungen erläutert. 12.11.2 Definition der Schichtdicke In den gängigen Richtlinien [1], [2] und [3] sind die Schichtdicken wie folgt definiert. • systemspezifische Mindestschichtdicke d min,s , • produktspezifische Mindestschichtdicke d min,p , • produktspezifische Maximalschichtdicke d max,p , • mittlere Schichtdicke d ist,m , • Sollschichtdicke d soll , als Mindestschichtdicke Diese Schichtdickendefinitionen beziehen sich immer auf eine Trockenschichtdicke, welche nach der Reaktion des Beschichtungsstoffes und nach dem Entweichen aller flüchtigen Bestandteile an der Beschichtung zu messen ist [4]. Von ganz entscheidender Bedeutung für die Beurteilung des Leistungsvermögens der OS-Maß‐ nahme ist, welche Schichtdicke dafür herangezogen wird und wie diese definiert ist. In der folgenden Tabelle ist die Zuordnung der Schichtdicken zu den Leistungsmerkmalen zugeordnet. Leistungsmerkmal Schichtdickenzuordnung Diffusionseigenschaft für CO 2 produktspezifische Mindestschichtdicke d min,p / mittlere Schichtdicke d ist,m (für die baupraktische Anwendung) Diffusionseigenschaft für H 2 O produktspezifische Maximalschichtdicke d max,p / mittlere Schichtdicke d ist,m (für die baupraktische Anwendung) Rissüberbrückungseigenschaft produktspezifische Mindestschichtdicke d min,p Brandverhalten produktspezifische Maximalschichtdicke d max,p , Mechanische/ Chemische Widerstandsfähig‐ keit produktspezifische Mindestschichtdicke d min,p Wetterbeständigkeit produktspezifische Mindestschichtdicke d min,p Tab. 12.1: Zuordnung der Schichtdicken zu Leistungsmerkmalen 409 12.11 Schichtdicken bei Polymerbeschichtungen <?page no="420"?> In Technischen Merkblättern der Beschichtungsstoffe und in Auftrags-Leistungsbeschrieben wird als Maß für die Dicke häufig der Begriff “Schichtdicke” und manchmal auch nur die damit im Zusammenhang stehende “Auftragsmenge” des flüssigen Beschichtungsstoffes herangezogen. Aus diesen Angaben lassen sich mehrere Faktoren für Verbrauchsmenge, Schichtdickenzuschläge etc. ableiten. Um eine gleichmäßige und geschlossene Schichtdicke zu erzielen und um die Schichtdicken‐ verteilung günstig steuern zu können, muss der Verarbeiter die Parameter, die auf die Schicht‐ dickenverteilung einen wesentlichen Einfluß haben, kennen. Hier sind im Wesentlichen drei Kriterien zu nennen: • Applikation, • Untergrundbeschaffenheit, • Stoffeigenschaften des Beschichtungsstoffes. In dieser Reihenfolge liegt eine abnehmende Priorität vor. Diese Einflüsse sind in Bild 12.67 in einem Verteilungsdiagramm [5] angedeutet. Die Schichtdickenverteilung folgt überwiegend einer Gauß´schen Glockenkurve. Bei der engen Verteilung der Schichtdicken um den Mittelwert liegt eine optimale Steuerung, bei der breiten Verteilung eine schlechte Steuerung vor. Bild 12.67: Parameterwahl als Einflußgröße für die Gleichmäßigkeit des Schichtdickenergebnisses [5] In folgenden Absätzen werden die Parameter, welche für die Schichtdickenoptimierung verant‐ wortlich sind, näher beschrieben. Die Rauigkeit des zu beschichtenden Untergrundes spielt für die Gleichmäßigkeit der Schicht‐ dicke eine bedeutende Rolle. Zum einen ist die effektive Fläche eines zu beschichtenden, rauhen Bauteiles größer als diejenige eines glatten Bauteils - gleiche Abmessungen zur Länge, Breite etc. des Bauteils vorausgesetzt. Zum anderen verursachen rauhe Oberflächengeometrien, solange sie durch den Beschichtungsstoff nicht egalisiert werden, deutlich ausgeprägtere Schwankungen der Dicken einer Beschichtung gegenüber einem ebeneren Substrat. [5] 410 12 Oberflächenschutz <?page no="421"?> Das Applikationsverfahren geht in das Schichtdickenergebnis ein, wobei unter den gängigs‐ ten Verfahren das Airless-Spritzen die gleichmäßigste Schichtdickenverteilung erwarten lässt. Wird ein Beschichtungsstoff durch Pinselapplikation aufgetragen, resultiert daraus wegen der hinterlassenen „Pinselfurchen“ bereits eine geringere Gleichmäßigkeit. Bei der Rollenapplikation muss man mit den größten Schichtdickenschwankungen rechnen. Diese werden durch den Flor der Rolle verursacht, der grob strukturierte bis feinkörnige Dickenschwankungen (Orangenscha‐ leneffekt) hinterlässt. Aus ökonomischer, umfeldschonender und handwerklicher Sicht hat sich aber gerade diese Applikationsmethode zu dem am meisten angewendeten bzw. anwendbaren Verfahren entwickelt. Es wirkt sich erfahrungsgemäß gleichermaßen kontraproduktiv auf die Schichtdickentreffsicherheit (ausreichend dicke Schicht) und auf die Schichtdickengleichmäßig‐ keit aus, insbesondere bei der Anwendung der weitverbreiteten, strukturviskosen, wässrig formulierten Beschichtungsstoffe. Die Gleichmäßigkeit der Schichtdickenverteilung zeigt die nachfolgende Aufstellung. Applikationsverfahren Schichtdicke Airless-Spritzen gleichmäßig Streichen ↓ Rollen ungleichmäßig Tab. 12.2: Applikationsbedingte Schichtdickenverteilung Einen ganz wesentlichen, oft weit gefächerten Einfluss auf die Schichtdickengleichmäßigkeit übt das handwerkliche Geschick des Anwenders aus, und zwar bei allen genannten Applikationsver‐ fahren. Die nachweislich erbrachte Qualifikation des Handwerkers, manchmal auch nur seine Motivation, sichern noch am ehesten das zu verfolgende Schichtdickenziel. Die rheologischen Eigenschaften des flüssigen Beschichtungsstoffes nehmen Einfluss auf das Schichtdickenziel. Fließfähigkeit und Oberflächenspannung (Verlaufsvermögen) des Beschich‐ tungsstoffes als Flüssigkeit einerseits und strukturviskoses Stoffverhalten zur Erzielung standfes‐ ter Nassfilme an senkrechten und geneigten Flächen andererseits, bilden die beiden Grenzen für den Beschichtungsstoff-Formulierer. Bei praktisch keiner Applikationsmethode (weder unter Baustellenbedingungen noch unter den stationären Bedingungen einer werksmäßigen Herstellung) gelingt es, den gesamten zur Anwendung vorgesehenen Beschichtungsstoff auch auf das Objekt zu bringen. Teile davon verbleiben in den Gebinden, in der Applikationsanlage, in den Verarbeitungswerkzeugen oder gehen beim Applikationsvorgang schlicht daneben. Dieser sogenannte Verarbeitungsverlust mindert das Schichtdickenergebnis. In Bild 12.67 sind alle diese Einflüsse auf das Schichtdickenziel zusammengefasst. Die gewünschte Dicke einer Beschichtung kann also grundsätzlich über den Verbrauch an Beschichtungsstoffen gesteuert werden. Um dies rechnerisch zu bewältigen, müssen die Kennwerte wie Festkörpervolumen und Dichte des Beschichtungsstoffes bekannt sein. Darüber hinaus sollte noch, wie oben beschrieben, hinreichend genau abgeschätzt werden, welcher Verlust an Material bei der gewählten Applikationsart auftreten wird und wie hoch die Rauigkeit der Oberfläche ist. Die Bestimmung der Verbrauchsmenge für die gewünschte Schichtdicke ist im folgenden Kapitel detailliert beschrieben. 411 12.11 Schichtdicken bei Polymerbeschichtungen <?page no="422"?> 12.11.3 Bestimmung der Verbrauchsmenge Zur Ermittlung von Auftragsmengen zur Erreichung der geforderten Mindestschichtdicken können folgende Gleichungen angewendet werden. ( 1 ) Für d min,P → m" = FV (dmin,P + 1,64 ssa) (1 + α) (1 + β) [g/ m²] ρ f l ( 2 ) Für d mit → m" = FV dmit (1 + α) (1 + β) [g/ m²] ρ f l Darin bedeuten: d mit Mittlere Schichtdicke [µm] d min,P produktspezifische Mindestschichtdicke [µm] m“ Auftragsmenge [g/ m²] ssa maximale Stichprobenstandardabweichung [µm] ρ fl Dichte des Beschichtungsstoffes [g/ cm³] FV Festkörpervolumen des Beschichtungsstoffes [-] α Zuschlag zur Berücksichtigung des Verarbeitungsverlusts [-] ß Zuschlag zur Berücksichtigung der Untergrundrauheit [-] Oberflächenschutzsystem Mindestschichtdicke d min,P der hwO [µm] ssa bei VK 15% - 20% [µm] Zuschlag α [-] Zuschlag ß [-] OS 2 (OS B) 80 24 - 35* 0,03 0,20 OS 4 (OS C) 80 24 - 35* 0,03 0,10 OS 5a (OS DII) 300 60 - 90 0,03 0,10 OS 5b (OS DI) 2 000 400 - 600 0,03 0,10 OS 8 2 500 500 - 750 0,01 0,10 OS 9 (OS E) 1 000 200 - 300 0,01 0,20 OS 14 Verschleißschicht 2 000 600 - 900 0,01 0,05 elastische Oberflächen‐ schutzschicht 4 000 800 - 1200 0,01 0,20 OS 11a (OS F a) Verschleißschicht 1 500 600 - 900 0,01 0,05 elastische Oberflächen‐ schutzschicht 3 000 300 - 450 0,01 0,20 OS 11b (OS F b) 4 000 800 - 1200 0,01 0,20 OS 13 2 500 500 - 750 0,01 0,20 *Abweichung wegen Untergrundrauheit und/ oder Verarbeitungsmaterial und Menge Tabelle 12.3: Exemplarische Parameter zur Bestimmung der Verbrauchsmenge 412 12 Oberflächenschutz <?page no="423"?> (3) Die gemachten Ausführungen finden nur bei den hauptsächlich wirksamen Oberflächenschutz‐ schichten (hwO) Anwendung. Relevante Schichtdickenparameter für die Oberflächenschutzsys‐ teme enthält Tabelle 12.3. Die Parameter ssa und α liegen überwiegend im Verantwortungsbereich des Ausführenden, weil sie durch handwerkliche Fertigkeit bei der Anwendung auf das statistisch unvermeidliche Maß reduziert werden können. Der Parameter ß ist dominant von der Beschaffenheit des zu beschichtenden Untergrundes abhängig. Soweit eine Untergrundvorbereitung (Schaffung von Rauheit) und eine Untergrund‐ vorbehandlung (Schaffung von Ebenheit) vorgesehen sind, liegt die Verantwortung für die Findung des angepassten ß-Wertes beim ausführenden Unternehmen. Zwischen Auftraggeber und ausführendem Unternehmen kann im Einvernehmen mit dem Sachkundigen Planer ein ß-Wert festgelegt werden. Aus technischer und ökonomischer Sicht erscheint es sinnvoll, die Streuung von Schichtdicken‐ verteilungen über den Variationskoeffizienten (VK) (Gl. 3) zu beeinflussen, d. h. zu minimieren. Der Variationskoeffizient ist im Regelfall bei 0,15 und sollte 0,20 nicht übersteigen. V K = ssa d ist, m [ − ] 12.11.4 Bestimmung der Schichtdicke mittels Prüfungen Unter Zuhilfenahme bestimmter Meßgeräte kann eine direkte Schichtdickenmessung in situ durchgeführt werden [6]. Zerstörungsfrei lassen sich Schichtdicken magnetinduktiv gegenwärtig nur auf Stahl messen. Die Oberflächenschutzschichten auf Beton müssen zerstörend erfasst werden. Meßmethode Gerät Norm/ Richtlinie Bemerkungen Nassschichtdicke, mecha‐ nisch Messkamm ASTM D 4414 [9] meistens bis 2 mm Dicke Trockenschicht-dicke, mechanisch Tiefen-messuhr - Nur für elastische Be‐ schichtung Trockenschicht-dicke, op‐ tisch, Querschnitt Bohrkern, Mikro‐ skop DIN EN ISO 1463 [8] Auswertung im Labor Trockenschicht-dicke, op‐ tisch, Keilschnitt PIG, Paintbohrer DIN EN ISO 19399 [7] bis 500 µm, starre Be‐ schichtung, Sofortergeb‐ nis Tabelle 12.4: Übersicht der gängigen Methoden zur Schichtdickenbestimmung Als Messmethode wird für starr formulierte, nicht begehbare Beschichtungen bis 500 μm das Keilschnittverfahren gemäß DIN EN ISO 19399 [7] eingesetzt. Für dickschichtige (> 500 μm) oder flexibel formulierte Beschichtungen wird die Methode der Spanentnahme angewendet. Die Proben werden mit einer Schieblehre oder unter einem Kleinmikroskop untersucht und vermessen. Für begehbare Beschichungen wird die Schichtdicke am Querschnitt der Bohrkerne in Anleh‐ nung zu DIN EN ISO 1463 [8] gemessen. Die Schichtdickenmessung im Labor an entnommenen 413 12.11 Schichtdicken bei Polymerbeschichtungen <?page no="424"?> Bohrkernen ist vom Ergebnis vergleichbar mit dem zerstörenden Keilschnittverfahren für nicht begehbare Beschichtungen, lässt sich aber an dickeren Schichten gut durchführen. Jedoch führt diese Meßmethode zu einer sehr starken Zerstörung des Objektes und ist somit auf das Mindestmaß zu begrenzen. Die Auswertung der Ergebnisse wird im folgenden Kapitel beschrieben. Die Tabelle 12.4 gibt einen Überblick über die gängigen Messmethoden. 12.11.5 Messung und Auswertung der Schichtdicke Der Nachweis der Schichtdicken d ist,min bzw. d ist,mit erfolgt durch qualifiziertes Prüfpersonal des ausführenden Unternehmens bzw. durch entsprechend qualifizierte Dritte, die vom Auftraggeber eingeschaltet sind. Messwerterfassung und Auswertung erfolgen nach dem Modell der Stichprobe. Gemessen an üblichen Arbeitsabschnitten sollte die Messwertmenge n nicht kleiner als 30 sein. Mit der Erhöhung der Messwerte erhöht sich auch die Genauigkeit der Messungsauswertung. Zur Kontrolle von Schichtdicken auf Bauteiloberflächen sind drei verschiedene Schichtdicken‐ definitionen erforderlich. Alle drei Definitionen basieren auf der Annahme, dass auf einer zu betrachtenden, beschichteten Betonoberfläche eine Grundbzw. eine Stichprobengesamtheit an Schichtdicken entsprechend einer Gauß’schen Verteilung (Normalverteilung) gemäß Bild 12.68 vorliegen. Bild 12.68: Definition der Schichtdickengrenzwerte d mit : Mittlere (arithmetische) Schichtdicke als größte Häufigkeit. 414 12 Oberflächenschutz <?page no="425"?> (4) (5) (6) d mit = 1 n Σd i [µm] Darin bedeuten: d i Schichtdickenvariable der Stichprobengesamtheit [µm] n Zahl der Schichtdickenvariablen der Stichprobengesamtheit [-] d min : Mindestschichtdicke als 5 % Fraktile der Gauß`schen Verteilung. Dabei wird angestrebt, das Schichtdickenziel mit 95 %-iger Wahrscheinlichkeit zu erreichen. Der Zusammenhang zwischen d ist,m und d ist,min ergibt sich über die Grenzen der Standardnor‐ malverteilung d min = d mit −1,64 × ssa [µm] Darin bedeutet: ssa = ∑ d ist ‐d mit ) 2 n‐1 − − [µm] ssa Stichprobenstandardabweichung [µm] d max : Maximalschichtdicke als 95 % Fraktile. d max generiert sich in der Normalverteilung durch Spiegelung von d min über die Achse des arithmetischen Mittelwertes. Dieser Schichtdicken‐ grenzwert wird im Bedarfsfall zur Begrenzung von Überschichtdicken und zur Ermittlung der Maximalschichtdicke im Brandfall angewendet. Unter Einbeziehung relevanter Werkstoff- und Anwendungsparameter sind die zwei wichtigs‐ ten Schichtdicke wie folgt definiert: ( 7 ) m" ⋅ FV ρfl (1+α) (1+ß) ⋅ [µm] d mit = ( 8 ) m" ⋅ FV ρfl (1+α) (1+ß) d min = - 1,64 ssa [µm] Darin bedeuten: d mit ermittelte Mittlere Schichtdicke [µm] d min ermittelte Mindestschichtdicke als 5 % Fraktile [µm] m“ Auftragsmenge [g/ m²] ssa Stichprobenstandardabweichung [µm] 415 12.11 Schichtdicken bei Polymerbeschichtungen <?page no="426"?> ρ fl Dichte des Beschichtungsstoffes [g/ cm³] FV Festkörpervolumen des Beschichtungsstoffes [-] α Zuschlag zur Berücksichtigung des Verarbeitungsverlusts [-] ß Zuschlag zur Berücksichtigung der Untergrundrauheit [-] 12.11.6 Berechnung der Verbrauchsmengen Am Beispiel eines Beschichtungssystems für Kühlturm-Schaleninnenseiten analog zu OS 7 wird im Folgenden die Verbrauchsmenge in Abhängigkeit von bekannten Parametern errechnet. Dabei wird die Differenz der beiden Messwerte und die Folgen für die Baustelle näher betrachtet. Es wird die Schaleninnenseite eines Naturzugkühlturms mit Abgaseinleitung beschichtet [10]. Da der Zeitraum der Beschichtung sich auf wenige Wochen begrenzt, muss im Vorfeld die Planung abgeschlossen sein sowie die gesamten Beschichtungsstoffe bereits auf der Baustelle vorliegen. Bei der Schale handelt es sich um ca. 24.000 m² Oberfläche. Es soll eine Epoxidharzbeschichtung mit einer Mindestschichtdicke von 300 µm appliziert werden. Die relevanten technischen Daten der Beschichtung sind in der folgenden Tabelle dargestellt. Art Prüfnorm Kennwert Dichte DIN 53217 1,3 g/ cm³ Festkörpergehalt DIN 53216 75,5 Gew.-% Festkörpervolumen rechnerisch 63 Vol.-% Tab. 12.5: relevante Kennwerte der Epoxidharzbeschichtung In der folgenden Tabelle 12.6 werden die unterschiedlichen Applikationsformen und Untergrund‐ vorbereitungsgrade einander gegenübergestellt. Die Schaleninnenseite war, analog zum Bild 12.69 nur bis zur Taille mit einem Egalisierungsmörtel versehen. Unterhalb der Taille wurde die Beschichtung auf eine raue Oberflächenstruktur appliziert. Im oberen Bereich des Kühlturms wurde die Beschichtung aufgrund der Gefahr des Materialaustrages nach außen infolge Aufwinde, gerollt. Unterhalb der Taillie konnte die Beschichtung im Airless-Strahlverfahren appliziert werden. Dadurch ergaben sich unterschiedliche Parameter für die Zuschläge α und ß. Die Ausfüh‐ rungsfirma gehört zu den etablierten Firmen auf dem Beschichtungssektor für Kühltürme, so dass die gleichmäßigkeit der Beschichtung sowohl für Airless-Spritzen als auch für Rollenapplikation im gleichmäßigen Bereich liegen. 416 12 Oberflächenschutz <?page no="427"?> Bild 12.69: Schalenabwicklung mit unterschiedlichen Beschichtungszonen Gemäß der Formel (1) lässt sich die zu applizierende Beschichtungsmenge für unterschiedliche Schalenabschnitte berechnen: ( 9 ) d min = 300 μm → m" = FV (dmin,P + 1,64 ssa) (1 + α) (1 + β) [g/ m²] ρ f l Berechnungsfaktoren Schale oberhalb der Taille Schale unterhalb der Taille Rohdichte 1,3 g/ cm³ 1,3 g/ cm³ Festkörpervolumen 63 Vol.-% 63 Vol.-% Standardabweichung geschätzt 80 µm 60 µm Zuschlag zur Berücksichtigung des Verarbeitungsverlustes α 2 % (0,02) 5 % (0,05) Zuschlag zur Berücksichtigung der Untergrundrauheit ß 5 % (0,05) 20 % (0,20) Auftragsmenge m“ Oben 1, 3 0, 63 • 300 + 1,64∙80 1 + 0, 02 1 + 0, 05 = 953g/ m² Unten 1, 3 0, 63 • 300 + 1,64∙60 1 + 0, 05 1 + 0, 20 = 1.036g/ m² Auftragsmenge bezogen auf 10.000 m² 9.530 to 10.360 to Tabelle 12.6: Parameter für Mengenbestimmung 417 12.11 Schichtdicken bei Polymerbeschichtungen <?page no="428"?> Anhand dieses Beispiels wird verständlich, dass bei einer vorhergehenden falschen Bemessung der Verbrauchsmengen auf der Baustelle mehrere Tonnen des Beschichtungsstoffes fehlen könnten. 12.11.7 Beispiele zur Berechnung der Schichtdicke Im Folgenden wird an einem Beispiel gezeigt, zu welchen Schichtdicken und Schichtdickenab‐ weichungen eine Messung an einem Objekt mit gleicher Verbrauchsmenge führen kann und wie die Ergebnisse der Mindestschichtdickenberechnung nach einer statistschen Auswertung aussehen können. Gemäß Kapitel Bestimmung der Schichtdicke mittels Prüfungen müssen die Messungen so angelegt sein, dass zwei Bedingungen erfüllt sind. Zum einen muss die Erhebung, bezogen auf die Fläche des applizierten Oberflächenschutzsystems repräsentativ sein und zum anderen muss eine ausreichend große Anzahl an Meßwerten nach dem Prinzip der zufälligen Meßwerterhebung ermittelt werden. An dem oben beschriebenen Kühlturm wurden nach der Fertigstellung der Beschichtungsarbei‐ ten die Schichtdicken mittels Keilschnitt bestimmt. Dabei wurden an mehreren Meridianbahnen und Ringen eine repräsentative Menge an Messungen durchgeführt. Anhand der folgenden Tabellen werden die Unterschiede in den Messungen an zwei Bereichen gezeigt, an denen zwar die gemessenen Schichtdicken nie den Wert 300 µm unterschreiten, jedoch im ersten Fall die Mindestschichtdicke eingehalten und im zweiten Fall eine Unterschreitung der Mindestschichtdicke berechnet wird. Die fett gedruckten Messwerte zeigen jeweils den höchsten und den niedrichsten gemessenen Wert. Messort Messwerte [µm] M 71 - M 73, R 76 500 ; 400 ; 500 ; 520 ; 530 ; 650 M 71 - M 73, R 78 360 ; 500 ; 520 ; 700 ; 720 ; 590 M 83 - M 85, R 76 410 ; 400 ; 580 ; 510 ; 600 ; 540 M 83 - M 85, R 78 530 ; 540 ; 450 ; 650 ; 630 ; 700 M 18 - M 20, R 76 600 ; 410 ; 300 ; 400 ; 500 ; 500 M 18 - M 20, R 77 500 ; 460 ; 510 ; 550 ; 500 ; 470 M 2 - M 120, R 77 480 ; 450 ; 580 ; 500 ; 450 ; 490 Tabelle 12.7: Zusammenstellung der Messwerte im Fall 1 Die Berechnung der Mindestschichtdicke erfolgt analog zu dem Kapitel Messung und Auswer‐ tung der Schichtdicke. d min = d ist,m - 1,64 × ssa = 516 - 1,64 × 92 = 366 µm > d soll Darin sind folgende Werte enthalten: d mit als Mittelwert der gemessenen Schichtdicken: 516 µm ssa als Standardabweichung, die nach der Formel (6) oder mittels z. B. Excel ermittelt werden kann: 92 µm 418 12 Oberflächenschutz <?page no="429"?> In Bild 12.70 ist die Schichtdickenverteilung im Diagramm dargestellt. Die Verteilung folgt einer Gauß´schen Normalverteilung und ist kompakt gehalten. Betrachtet man den Variationskoeffizi‐ enten mit V K = ssa d ist, m = 18 % wird ersichtlich, dass die Applikation gleichmäßig durchgeführt wurde. Bild 12.70: Auswertung der Schichtdickenverteilung für Fall 1 Im zweiten Fall wurde an einem anderen Abschnitt des Bauwerks die Schichtdickenmessung mittels Keilschnitt durchgeführt. In der Tabelle 12.8 sind die Werte dieser Messung zusam‐ mengestellt. Bild 12.71 zeigt die Schichtdickenverteilung dieser Messung und das Ergenis der Mindestschichtdickenberechnung. Messort Messwerte [µm] M 19 - M 20, R 25 400 ; 450 ; 500 ; 420 ; 600 ; 570 M 19 - M 20, R 32 390 ; 510 ; 500 ; 370 ; 560 ; 360 M 19 - M 20, R 40 420 ; 600 ; 350 ; 390 ; 700 ; 700 M 19 - M 20, R 44 400 ; 420 ; 390 ; 490 ; 450 ; 500 M 115 - M 119, R 39 750 ; 500 ; 540 ; 590 ; 370 ; 500 M 115 - M 119, R 30 620 ; 610 ; 600 ; 520 ; 310 ; 400 M 115 - M 119, R 24 400 ; 460 ; 720 ; 650 ; 700 ; 380 M 60 - M 63, R 43 400 ; 420 ; 400 ; 410 ; 400 ; 460 419 12.11 Schichtdicken bei Polymerbeschichtungen <?page no="430"?> M 60 - M 63, R 35 430 ; 310 ; 400 ; 310 ; 450 ; 440 M 60 - M 63, R 24 390 ; 400 ; 500 ; 520 ; 310 ; 350 M 81 - M 84, R 42 420 ; 350 ; 400 ; 450 ; 500 ; 360 M 81 - M 84, R 34 530 ; 600 ; 700 ; 450 ; 350 ; 450 M 81 - M 84, R 24 680 ; 650 ; 600 ; 630 ; 630 ; 680 Tab. 12.8: Zusammenstellung der Messwerte im Fall 2 Bild 12.71: Auswertung der Schichtdickenverteilung für Fall 2 d min = d ist,m - 1,64 × ssa = 486 - 1,64 × 118 = 294 µm < d soll Die Auswertung ergibt eine Mindestschichtdicke von 294 µm, obwohl der kleinste der ge‐ messenen Werte bei 310 µm liegt. Statistisch betrachtet wurde aber die Mindestschichtdicke nicht erreicht. Ferner liegt der Variationskoeffizient mit 24 % über der 20 % Marke, welche als Obergrenze für die Gleichmäßigkeit der Schichtdickenverteilung angegeben ist. Wie mit der Unterschreitung der Schichtdickenvorgabe umzugehen ist, muss von dem Sach‐ kundigen Planer situations- und bauwerksabhängig beurteilt werden. Zur Verdeutlichung der Schichtdickenverteilungen sind in den folgenden Abbildungen die Schichtdicken mikroskopisch an Spannproben fotodokumentiert worden. Dabei werden die Schwankungen der Schichtdicken ersichtlich. Werden in diesen Bereichen Schichtdickenmessun‐ gen durchgeführt ist es zu erwarten, dass sich die Gauß´sche Verteilung analog zum Bild 12.67 mit hoher und geringer Schichtdickenverteilung auftreten wird. 420 12 Oberflächenschutz <?page no="431"?> Bild 12.72: Darstellung einer gleichmäßigen Schichtdickenverteilung Bild 12.73: Darstellung einer sehr hohen Schichtdickenschwankung auf nicht egalisiertem Untergrund 12.11.8 Literatur [1] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton im DIN e. V. (Hrsg): DAfStb-Richtlinie Schutz- und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungsrichtlinie). Berlin: Oktober 2001. [2] DEUTSCHES INSTITUT FÜR BAUTECHNIK, „Technische Regel - Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instand-haltung): Teil 1 - Anwendungsbereich und Planung der Instandhaltung“, Berlin, 05.2020. [3] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten (ZTV-ING), Berlin, Baudurchführung, Stand: 2019/ 04. [4] Engelfried, R.; Eisenkrein, H, „Schäden an polymeren Beschichtungen, Kapitel 3.6.5, Seite 130,“ Schaden‐ freies Bauen, (Hrsg. Ralf Ruhnau), Fraunhofer IRB Verlag, Band 26, 2012. 421 12.11 Schichtdicken bei Polymerbeschichtungen <?page no="432"?> [5] R. Engelfried, Dissertationsschrift: Über den Einfluss der Schichtdicke und der Alterung auf die Wirksamkeit von Oberflächenschutzsystemen für Betonbauteile, Dortmung: Shaker Verlag GmbH, 2000. [6] DIN EN ISO 2808: 2019-12 , Beschichtungsstoffe - Bestimmung der Schichtdicke (ISO 2808: 2019); Deutsche Fassung EN ISO 2808: 2019, Berlin: Beuth-Verlag, 12.2019. [7] DIN EN ISO 19399: 2018-02 , Beschichtungsstoffe - Bestimmung der Trockenschichtdicke mit dem Keilschnittverfahren (Ritz- und Bohrmethode) (ISO 19399: 2016); Deutsche Fassung EN ISO 19399: 2017, Berlin: Beuth Verlag, 2018-02. [8] DIN EN ISO 1463: 2021-08 , Metall- und Oxidschichten - Schichtdickenmessung - Mikroskopisches Verfahren (ISO 1463: 2021); Deutsche Fassung EN ISO 1463: 2021, Berlin: Beuth Verlag, 2021-08. [9] ASTM D 4414: 1995 , Messung der Naßschichtdicke, Beuth Verlag, 1995 reapproved 2020, Englisch. [10] Robert Engelfried, Franz Sage, Helena Eisenkrein, Naturzugkühlturm mit Abgaseinleitung - Planung und Umsetzung von Schutzmaßnahme und Aussehensoptimierung, Ostfildern: TAE Tagungsband 2011 zum 2. Kolloquium „Erhaltung von Bauwerken“, 2011. 422 12 Oberflächenschutz <?page no="433"?> 12.12 Blasen und Beulen in Polymerbeschichtungen H. Eisenkrein-Kreksch Zusammenfassung Beim Anblick von Blasen drängt sich aufgrund von deren Form der Eindruck auf, dass sie durch Druck entstanden sind. Dies ist in der Regel auch richtig, jedoch kann dieser Druck auf ganz unterschiedliche Ursachen zurückgehen. Blasen in Beschichtungen sind stets ungeplante Erscheinungen. Deshalb sind sie meist auch inakzeptabel. Sind sie aber auch in jedem Fall hinsichtlich des Zwecks der Beschichtung funkti‐ onsbeeinträchtigend? Die Beulen treten sowohl in horizontalen als auch in vertikalen Bereichen auf und sind um ein Vielfaches größer als Blasen. Hier kann häufig bereits eine großformatige Ablösung vom Untergrund erkannt werden. Welche Folgen für den Weiterbetrieb des Bauteils lassen sich aufgrund dieser Beulen ableiten? Um solche und weitere Fragestellungen beantworten zu können, ist es zwingend erforderlich die Ursachen der Entstehung von inneren Drücken zu finden und die daraus folgenden spezifi‐ schen Mechanismen der Erzwingung von Blasenverformungen zu definieren. In jedem Fall setzt dies voraus, dass man relevante werkstoffkundliche Daten zum System Beschichtung und Untergrund sowie beanspruchungsabhängige Umgebungseinwirkungen kennt bzw. in Erfahrung bringt. Wichtige Hinweise ergeben sich auch aus einer möglichst genauen Kenntnis von mikrosko‐ pisch darstellbaren Schichtquerschnitten der Blasenbereiche und ggf. von Analysen von Substan‐ zen, die aus Blasen entnommen werden können. Es lassen sich Rückschlüsse zu Entstehung von Beulen auf Grundlage der Untersuchungen an Beulenausschnitten ziehen. Die vorgetragenen Fälle demonstrieren die Nachweise druckinduzierter Blasen und Beulen aus unterschiedlichen Ursachen, mit den daraus folgenden spezifischen Entstehungsmechanismen und im Zusammenhang mit ihren Erkennungsmerkmalen/ Erscheinungsformen in situ. 12.12.1 Pinholes und Pinblisters 12.12.1.1 Einleitung Treten nach der Applikation von Feinmörteln oder Beschichtungsstoffen auf porösen Baustof‐ fen kleine Blasen (Pinblisters) oder stecknadelkopfgroße Löcher (Pinholes) auf, müssen diese Fehlstellen in den Oberflächenschutzsystemen als potenzielles Risiko für eine Unterwanderung des Systems, Eintrag von Stoffen sowie mögliches Untergrundversagen angesehen werden, insbesondere wenn das Bauteil bestimmten Einwirkungen wie einer Chloridbeanspruchung oder einem Säureangriff ausgesetzt ist. Die unter Bauschaffenden kursierenden Erklärungen, wie diese kleinen Blasen und Löcher entstehen, beziehen sich häufig entweder auf die eingeschlossene Luft, die „heraus will“, oder auf die „rapide Erhöhung“ der Bauteiltemperatur. Letzteres solle bewirken, dass sich die Luft in den Poren des Betons ausdehne und so gegen die noch flüssige Beschichtung drücke. Die tatsächliche Ursache für das Entstehen der Pinholes und Pinblisters liegt aber dazwischen. Sie lässt sich physikalisch erklären. Kennt man die bei diesen Vorgängen ablaufenden Mechanis‐ 423 12.12 Blasen und Beulen in Polymerbeschichtungen <?page no="434"?> men, lässt sich auch eine Strategie entwickeln, wie sich diese Fehlstellen vermeiden lassen. Dies soll im Folgenden an einigen objektbezogenen Beispielen veranschaulicht werden. 12.12.1.2 Erscheinung Pinholes Auf der Schaleninnenseite eines Naturzugkühlturms aus Stahlbeton wurde großflächig mehrere Zentimeter dick Betonersatz mit Spritzmörtel - SPCC nach ZTV ING [1] oder SRM nach TR-Instandhaltung [2] ausgeführt [3]. Bereits während des Spritzvorganges stellte man fest, dass der SPCC-Verarbeiter eine raue und porenreiche Oberfläche hinterließ. Systemspezifisch wurde anschließend noch ein PCC-Feinmörtel appliziert, um einen beschichtungsgerechten Untergrund herzustellen. In der egalisierten Oberfläche bildeten sich Pinholes deckungsgleich mit den im SPCC vorhanden Poren (Bild 12.74). Bild 12.74: Im PCC-Feinmörtel (rechts) bildeten sich Poren, die mit denen im darunter liegenden SPCC (links) deckungsgleich waren. Hauptursächlich für das Entstehen dieser Pinholes war der zu hohe W/ Z-Wert des Feinmörtels. Dieser wurde auf die Oberfläche aufgeschlämmt, weil man einen zu hohen Kraftaufwand vermei‐ den wollte. Der verflüssigte Feinmörtel wies aber nur einen geringen Verformungswiderstand auf, was schließlich die Pinhole-Bildung verursachte. Ohne die Pinholes zu beachten, wurde auf der egalisierten Fläche in vier Arbeitsgängen noch eine Schutzbeschichtung aufgetragen. In je zwei Einzellagen applizierten die Verarbeiter zuerst eine Epoxidharz- und danach eine Polyurethanbeschichtung. Die im Feinmörtel-Untergrund vorhandenen Pinholes setzen sich bis in die letzte Deckbeschich‐ tung fort. Zuerst bildeten sich an diesen Stellen Bläschen, die im Regelfall aufplatzten. In jedem Pinhole wurde ein Zugang zum mineralischen Untergrund in Form einer Kanüle festgestellt. 12.12.1.3 Erscheinung Pinblisters An der Schalenaußenseite eines Naturzugkühlturms wurde ein OS 2 zum Oberflächenschutz appliziert. Die hydrophobierte Oberfläche sollte in zwei Lagen mit einer Acrylatbeschichtung versehen werden [4]. Nach der Applikation der zweiten Beschichtungslage traten unzählige Pinblisters auf einem Teil der Kühlturmschale auf. Der Vorgang lief wie folgt ab: Kurz nach Aufbringen der ersten Beschichtungslage benetzte ein Regenschauer die Oberfläche. Sie trocknete schnell ab, so dass die Ausführungsfirma beschloss, die Beschichtungsarbeiten fortzusetzen. Dabei wurde nicht bedacht, dass sich trotz trockener Oberfläche noch Wasser in den offenen Poren des Betons befand. 424 12 Oberflächenschutz <?page no="435"?> Bild 12.75: Links ist der Blasendeckel geschlossen, rechts sind nach dessen Abnahme die Poren zu erkennen Bereits während der Applikation der zweiten Beschichtungslage traten auf der gesamten Fläche Pinblisters auf (Bild 12.75). Die Beteiligten konnten sich das nicht erklären, da sie an einem bewölkten Tag ohne Sonneneinstrahlung bei konstanter Lufttemperatur gearbeitet hatten. Beim Öffnen des Blasendeckels wurde unter den Blasen stets eine Betonpore gefunden. 12.12.1.4 Ursache und Mechanismen Die Ursache von Pinholes und Pinblisters während der Filmbildungs- und Erhärtungsphase der Beschichtung wird häufig falsch begründet. In mehreren Technischen Hersteller-Merkblättern heißt es, dass sich die Blasen vermeiden lassen, wenn nicht bei steigenden Temperaturen beschich‐ tet wird. In anderen Quellen wird behauptet, dass sich eingeschlossene Luft bei Erwärmung des Bauteils ausdehnt und gegen die Beschichtung drückt. Diese Annahmen sind nicht zielführend. Pinholes und Pinblisters entstehen innerhalb eines kurzen Zeitfensters von Minuten. Daher kommt die Bauteilerwärmung als Ursache der Blasenbildung nicht infrage, denn an einem massigen Bauteil kann die Temperatur nicht schnell genug ansteigen, um die im Bauwerk eingeschlossene Luft innerhalb einiger Minuten zu erwärmen. Richtig ist aber, dass die Temperatur an der Bildung von Pinholes und Pinblisters mitwirkt. Wegen der Porenstruktur der Betonrandzone und des „Hinterlandes“ kann sich nach Verschluss der Poren mit einem Mörtel oder einer Beschichtung in ihnen der sogenannte Sattdampfdruck bilden. Dem liegt folgender Prozess zugrunde: Das dynamische Gleichgewicht zwischen Flüssigwasser und Luft bewirkt, dass Wassermole‐ küle in die Luft diffundieren. Die maximale Konzentration an Wassermolekülen in der Luft ist von der Temperatur der Luft abhängig. Er beträgt zum Beispiel bei 20 °C warmer Luft 17,3 g/ m³ [5]. Den Zustand der maximalen Wasserdampfaufnahme nennt man Sättigungsfeuchte. Bei einer Übersättigung der Luft mit Wasserdampf fällt Wasser als Nebel oder Niederschlag aus, es kondensiert. Die 100 Kilometer hohe Luftschicht der Erde übt infolge der Gravitation auf die Erdoberfläche einen Druck aus (barometrischer Druck). Weil die Luftschicht auch Wasserdampf enthält, übt auch dieser anteilig einen Druck auf die Erdoberfläche aus. Man nennt ihn den Partialdruck des Wassers. Diesen Zusammenhang zwischen der Konzentration des Wasserdampfes in der Luft und dem Teildruck des Wasserdampfs in der Luft auf die Erdoberfläche stellt Gleichung (1) dar: 425 12.12 Blasen und Beulen in Polymerbeschichtungen <?page no="436"?> ϕ = c c s = p p s Darin bedeutet: φ: relative Luftfeuchte, c: aktuelle Konzentration des Wasserdampfs, c s : maximale Konzentration des Wasserdampfs, p: tatsächlicher Dampfdruck, p s : Sattdampdruck. Aus dem Zusammenhang 1 bar = 100.000 Pa = 0,1 N/ mm² = 10 m Wassersäule und der Kenntnis der Sättigungsfeuchte kann der Sattdampfdruck in Abhängigkeit von der Temperatur abgelesen werden (Bild 12.76). Bild 12.76: Sattdampfdruckkurve beziehungsweise Sättigungskurve für Wasser als Funktion der Temperatur • 20 °C: c s = 17,3 g/ m³, p s = 0,0234 bar = 23,4 mbar, • 30 °C: c s = 30,3 g/ m³, p s = 0,0424 bar = 42,4 mbar, • 40 °C: c s = 51,1 g/ m³, p s = 0,0738 bar = 73,8 mbar. Um den Druckanstieg in der Pore nach ihrem Verschluss mit einem Mörtel oder einer Beschich‐ tung nachzuweisen, wurde ein Experiment durchgeführt. Ein Glasbehälter mit Seitenausgang wurde bei 20 °C Außentemperatur halb voll mit Wasser von 20 °C gefüllt. Hält man die Temperatur konstant, stellt sich nach Verschließen des Behälters mit einem Deckel im Luftraum eine Wasserdampfkonzentration von 17,3 g/ m³ ein. Ist die Luft anfangs wasserdampffrei stellt man am Manometer einen absoluten Druckanstieg von 0,0234 bar = 23,4 cm Wassersäule fest. Dieses Experiment wurde mit verschiedenen Arten von Flüssigkeiten, wie Lösemittel oder Beschichtungsbestandteilen, wiederholt: Gemessen wurde jeweils der Druckanstieg beim langsa‐ men Verschließen des Deckels. Bild 12.77 zeigt die Messergebnisse im Verlauf von zehn Minuten. Bemerkenswert ist, wie schnell der Druck ansteigt. Sinn dieser Experimente war es, die Druckerhöhung in der Pore nach dem Verschluss mit einem in der Erhärtungsphase verformbaren „Deckel“ aus Mörtel oder Beschichtung nachzustellen. 426 12 Oberflächenschutz <?page no="437"?> Aus der physikalischen Gesetzmäßigkeit des Gesamtgleichgewichts, den Erkenntnissen aus dem beschriebenen Versuch und den Beobachtungen am Bauwerk, kann für das Entstehen von Pinholes und Pinblisters ein ursächlicher Zusammenhang nachgewiesen werden. Die in einem mineralischen Baustoff wie Beton oder Mörtel vorhandenen Poren haben durch Kanülen, Kavernen und Lunker ein definiertes, größtenteils abgeschlossenes Volumen. Diese Porenstruktur ist die Voraussetzung zur Entstehung der Pinholes und Pinblisters. Bild 12.77: Geschwindigkeit und Höhe des Sattdampfdruckanstiegs Bei unebenen Untergründen wird die Oberfläche mit einem Feinmörtel egalisiert, um sie beschich‐ tungsgerecht vorzubereiten. Auch bei diesen Egalisierungsmörteln treten jedoch - wie oben beschrieben - Pinholes auf. Bei OS-Systemen verschließt der Beschichtungsstoff die Poreneingänge und unterbricht so den Luftaustausch zwischen Poreninnenraum und Außenluft. Im Porenraum entsteht aufgrund der flüchtigen Anteile, die aus der Flüssigphase des Wassers in den Porenraum verdampfen, ein Überdruck bis maximal zum Sattdampfdruck. Abhängig vom Verformungswiderstand des Beschichtungsstoffs kann der Überdruck in der Pore erzwingen, dass sich an der Oberfläche des Mörtels oder Beschichtungsstoffs Bläschen (Pinblister) bilden. Verfügen die eingesetzten Materialien nur über geringe Kohäsionskräfte, bricht das Bläschen auf und es entsteht ein Pinhole. Die Intensität der Pinhole- und Pinblister-Bildung ist tatsächlich auch von der Temperatur abhängig. Denn aus höheren Temperaturen resultieren auch höhere Sattdampfdrücke (Bild 12.76). Diese bilden sich in der Pore schneller und intensiver aus, so dass die Pinhole- und Pinblister-Bildung rascher voranschreitet. Die Sattdampfdruckkurve in Bild 12.76 sagt jedoch nur etwas über den Zusammenhang zwischen Temperatur und Sattdampfdruck aus. Das Diagramm kann nicht dazu verwendet werden, den Druckanstieg abzulesen, der in einem Hohlraum durch die Erwärmung des Bauteils entsteht. Nur wenn man die Ausgangsbedingungen kennt, kann man den Druckanstieg in der Pore abschätzen. Zu diesen Bedingungen gehören zum Beispiel die relative Luftfeuchte, die Bauteil- und Außenlufttemperatur, die flüchtigen Anteile des Beschichtungsstoffs und der Feuchtegehalt des Baustoffs. 427 12.12 Blasen und Beulen in Polymerbeschichtungen <?page no="438"?> Es ist also richtig, dass bei hohen Temperaturen - im Sinne eines höheren Temperaturlevels - häufiger Blasen entstehen. Es ist aber nicht richtig, dass die Blasenbildung einen Zusammenhang mit einem Temperaturanstieg des Bauteils aufweist. Denn in einem massiven Betonbauteil tritt innerhalb von Minuten kein ausreichender Temperaturanstieg auf, um in der Pore einen ausreichenden Überdruck durch die eingeschlossenen Gase zu bewirken und das Entstehen einer Blase zu erzwingen. 12.12.1.5 Vermeidung der Bildung von Pinholes und Pinblisters Pinholes und Pinblisters lassen sich vermeiden, wenn handwerkliche und werkstofftechnische Mindeststandards eingehalten werden. Grundsätzlich ist ein mineralischer Untergrund nur dann beschichtungsgerecht, wenn er eine geschlossene Oberfläche aufweist. Das Porensystem muss daher im Zuge der Untergrundvorbehandlung mit geeigneten Egalisierungs- oder Kratzspachte‐ lungen geschlossen werden. Die anzuwendenden Mörtel müssen im Verarbeitungszustand einen hohen Verformungswider‐ stand aufweisen, um dem Druck aus der Pore standzuhalten. Diese Forderung kann mit einem niedrigen Wasser/ Zement-Wert erfüllt werden. Gegebenenfalls sind dem Mörtel verflüssigende Additive hinzuzugeben. Die Oberfläche der Egalisierungsspachtelung darf nachträglich nicht mit Wasser geglättet werden. Diese Methode bewirkt zwar eine ebenere Oberfläche, birgt jedoch die Gefahr der Verwässerung und somit des geringen Verformungswiderstands in sich. Außerdem führt sie zu einer qualitätsmindernden Gefügestörung in der Randzone. 12.12.2 Schaumblasen 12.12.2.1 Einleitung Die Entstehung von Schäumen ist in der Injektionstechnik bekannt und gewollt. Am Bauwerk in Beschichtungsstoffen auftretenden Schaumblasen stellen einen Mangel da, der zu einem Schaden und Versagen des Oberflächenschutzsystems führen kann. Das Auftreten dieser Schaumblasen bedingt bestimmte Umgebungsparameter, welche nur selten auftreten. Nichtdestotrotz wird diese Blasenbildung anhand eines Beispiels im Folgenden vorgestellt, um die Zusammenstellung der auftretenden Blasen zu vervollständigen. 12.12.2.2 Erscheinung Beim Mischungsansatz sowie bei der Applikation von Dickbeschichtungen kann Luft in den Beschichtungsstoff gelangen. Sind diese Arbeitsschritte einschließlich der Stoffrezeptur nicht dahingehend optimiert, das Entweichen der Luft zu fördern, bevor ein kritischer Viskositäts‐ anstieg zur Filmbildung einsetzt, wird die Luft in Bläschenform eingeschlossen. Dass es sich dann um Einschlüsse von Luft handelt, erkennt man an der relativ geringen Anzahl der Bläschen, deren Größe (1 bis 2 mm) und an deren grober Verteilungsstruktur im Querschnitt der Beschichtung. Bei Naturzugkühltürmen werden für besondere Beanspruchungen durch den Betrieb und durch Umgebungseinwirkungen 2K PUR Beschichtungen zum Einsatz gebracht. Dabei wird ein Mischungsansatz aus niedermolekularen Isocyanaten mit Polyolen auf Beton appliziert. Die funktionellen Gruppen gehen dann eine räumliche Vernetzung zu Polyurethan bzw. zu 428 12 Oberflächenschutz <?page no="439"?> Polyharnstoffstrukturen ein und bilden dadurch hochresistente Oberflächenschutzsysteme gegen Betriebs- und Umgebungseinwirkungen. Gelingt dies nicht, oder kommt es zu Störreaktionen bei der Vernetzung, kann es, wie im vorliegenden Fall der Beschichtung eines Kühlturms zu folgenschweren Fehlleistungen kommen: Bild 12.78 zeigt den Ausschnitt der Schaleninnenseite im oberen Bereich. Dort ist eine 2-K Polyurethan-Beschichtung durch Airless-Spritzen appliziert worden. Bild 12.78: Ausschnitt einer Kühlturmschaleninnenseite. Schwadeneinbrüche vom Nachbarkühlturm Luvseitig (Südwest) steht ein weiterer Kühlturm, der zu diesem Zeitpunkt im Betrieb war. Die Wetterlage war zur Applikation günstig. Böiger Wind trieb jedoch den Schwaden alter‐ nierend leeseitig (Nordost) über das Beschichtungsobjekt. Dort kam es wegen des erwärmten, wasserübersättigten Kühlturmschwadens (in dieser Konstellation ist dieser schwerer als die Luft im Kühlturm) zu Schwadeneinbrüchen. In Bild 12.78 sind diese als weiße, neblige Trübungen erkennbar. Die fallenden Kühlturmschwaden gelangten so in das Airless-Spritzfeld der Applika‐ teure, die diese „Bedrohung“ offensichtlich nicht wahrnahmen oder auch in ihrer Wirkung nicht entsprechend einschätzen konnten. 429 12.12 Blasen und Beulen in Polymerbeschichtungen <?page no="440"?> Bild 12.79: Bienenwabenartige Schaumstruktur in PUR Deckschicht Auf einer Fläche von ca. 1000 m² hat man anlässlich einer Kontrollbefahrung zwei Tage später den auf Bild 12.80 gezeigten Schichtaufbau nach einem Stahlklingenschnitt festgestellt. Die beiden EP-Zwischenschichten und die erste PUR Deckschicht sind planmäßig und nahezu hohlraumfrei verfestigt. Die zweite PUR Deckschicht hat eine ausgeprägte Schaumstruktur und ihre Schichtdicke ist wenigstens dreimal so hoch wie planmäßig zu erwarten war. Bild 12.80: Vierlagiges Beschichtungssystem, letzte Lage ist mit CO 2 -Schaumblasen durchsetzt 430 12 Oberflächenschutz <?page no="441"?> 12.12.2.3 Ursache und Mechanismen Die ausgeprägte Schaumbildung konnte dadurch entstehen, dass der Airless-Spritzstrahl in Form der feinen Tröpfchen des Beschichtungsstoffgemisches die Aerosole des Schwadens durchschos‐ sen und sich dabei mit Wasser aufgeladen haben. Dieses Aufladen war sehr effektiv, weil einerseits eine große Fläche (viele kleine Tröpfchen) von PUR Beschichtungsstoff und andererseits eine große Fläche von Wasser (auch viele kleine Tröpfchen) aufeinandertrafen. Bild 12.81: Versprödung der PUR Deckschicht nach zweijähriger Betriebsbeanspruchung Der Überschuss an Wasser im Kontakt mit dem flüssigen PUR führte dann zu einer Nebenreak‐ tion dergestalt, dass sich aus dem eingefangenen Wasser und Kohlenwasserstoffen des PUR Mischungsansatzes als Nebenreaktion Kohlendioxid bildete, welches sich nach dem Gesetz von Avogadro [6] aus dessen Molmasse von 44 g auf ein Molvolumen von 22,41 Liter CO 2 -Gas vergrößerte. Dadurch ist die auf dem Betonuntergrund aufgetroffene PUR Beschichtung zu der Schaumstruktur aufgebläht worden, die in Bild 12.79 mikroskopisch und im Bild 12.81 fotografisch im Schnittbild gezeigt ist. Bei dieser ausgeprägten Schaumbildung liegt die Annahme auf der Hand, dass die sonst bekannten Leistungsmerkmale der Polyurethanbeschichtung zum Schutz der Betonschale gegen die Betriebs- und Umgebungsbeanspruchungen nicht mehr vorhanden sind. Bild 12.81 zeigt eine fotografische Aufnahme des betreffenden Schalenausschnittes nach zwei Jahren des Betriebs des Kühlturms. Die Untersuchung ergab, dass sich zahlreiche Oberflächen‐ risse in netzartiger Feinstruktur gebildet hatten. Diese gehen darauf zurück, dass, vorgegeben durch die Hohlraumstruktur und durch die wegen der störenden Nebenreaktionen geschwächte Bindemittelmatrix, die Oberfläche netzartig aufgebrochen ist. 431 12.12 Blasen und Beulen in Polymerbeschichtungen <?page no="442"?> 12.12.3 Osmotische Blasen 12.12.3.1 Einleitung Die osmotisch generierte Blasenform ist am weitesten verbreitet. Sie kann sowohl nach der Verfestigung von physikalisch trocknenden als auch in chemisch vernetzenden Polymerbeschich‐ tungen auftreten. Ihre Entstehung geht auf relativ hohe innere Überdrücke zurück. An örtlich geschwächtem Haftverbund zum Untergrund bzw. zwischen den einzelnen Lagen eines Schicht‐ aufbaus hebt der Überdruck die Beschichtung gegen die Biegesteifigkeit der Deckschicht an und erzwingt eine Blase. Diese Blasen treten sowohl auf porösen mineralischen als auch auf metallischen Untergründen auf. Sie sind immer mit Flüssigkeit gefüllt, deren Zusammensetzung bedeutend hinsichtlich Ursache und Entstehung der Blase ist. Im Folgenden wird anhand eines Beispiels die Entstehuing der osmozischen Blasenbildung erläutert und sowohl die Ursache als auch die Vermeidung beschrieben. 12.12.3.2 Erscheinung Im Zuge der Errichtung eines Kernkraftwerks ist der Ölabscheider in Stahlbetonbauweise unterhalb Gelände eingebaut und dann mit Erdreich überdeckt worden. Nach zwanzig Jahren des Betriebs ist die Innenauskleidung erneuert worden. Dazu hat man durch Schleifen, Strahlen und der Anwendung weiterer Abtragsmethoden das defekte Bestandsbeschichtungssystem entfernt. Zur Schaffung eines beschichtungsgerechten Untergrundes ist eine Untergrundvorbehandlung unter Verwendung eines PCC-Mörtels vorgenommen worden. Auf diesen Untergrund ist eine Dickbeschichtung mit folgender Werkstoffcharakterisierung (Herstellerangabe) appliziert worden: Kunststoffmodifiziertes Polymersilikat, welches mittels Rollapplikation appliziert wird. Als Schichtdicke gab das Technische Merkblatt den Grenzwert „Mind. 2 mm“ vor. Eine maximal einzuhaltende Zeitfolge zwischen Applikation der beiden Lagen, wie dies zwecks Erzielung eines gesicherten Haftverbunds bei 2 K Beschichtungsstoffen nach den anerkannten Regeln der Beschichtungstechnik in der Regel erforderlich ist, wird im Technischen Merkblatt nicht genannt. Nach der Dokumentation der Beschichtung sind zwischen den Applikationsgängen Wartezei‐ ten zwischen 1 Tag und 23 Tagen praktiziert worden. Nach einer nicht näher bekannten Betriebszeit kam es zur Blasenbildung An dem Behälter wurden Untersuchungen durchgeführt. Diese Statusaufnahme diente der Ermittlung der Ursache dieser Erscheinungen. Im Bild 12.82 ist die Behälterinnenansicht gezeigt. Die linke Wand grenzt an Erdreich, die restlichen drei Wände grenzen an Nachbarkammern. Der Boden liegt auf Erdreich und auf der Decke grenzt außenseitig eine ca. ein Meter hohe Erdschicht an. Die Behälterinnenbeschichtung ist dunkelgrau, hat applikationsbedingte Aufhellungen und weist an den Wänden örtlich strukturell stark ausgeprägte Läuferbildungen auf. In größerem Umfang liegen an den Wänden Blasen mit Durchmessern von 3 mm bis ca. 30 mm vor. Diese sind flüssigkeitsgefüllt und stehen unter einem inneren Überdruck. Der pH-Wert der Flüssigkeit liegt bei 9. Bild 12.83 zeigt einen Flächenausschnitt der Decke. Auch dort haben sich in der Beschichtung zahlreiche, flüssigkeitsgefüllte Blasen gebildet. Des Weiteren erkennt man auf Bild 12.84 knopfartige, runde Erscheinungen mit nach unten gerichteten Kegelspitzen aus erstarrtem Beschichtungsstoff. 432 12 Oberflächenschutz <?page no="443"?> Bild 12.82: Behälterinnenansicht, Boden - Wände - Decke Bild 12.83: Decke, größere Durchmesser sind Blasen, kleinere Durchmesser sind Tropfen 433 12.12 Blasen und Beulen in Polymerbeschichtungen <?page no="444"?> Am Boden der Kammer liegt ein ebener und glatter Oberflächenzustand vor, frei von Strukturen, die etwa durch Applikationswerkzeuge hätten hinterlassen werden können. Des Weiteren lagen am Boden keine Blasen oder andere auffällige Oberflächenimperfektionen vor. Bei der Bauwerksuntersuchung wurden mehrere Bohrkerne mit einem Durchmesser von 100 mm aus geschädigten und schadensfreien Bereichen entnommen. An diesen Bohrkernen sind an den beschichteten (oberen) Enden ca. 2 cm dicke Scheiben abgesägt worden. Diese sind dann mit einer diamantbesetzten Säge mittig durchtrennt worden. Von den Schnittflächen wurden zwei verschiedene Aufnahmen gemacht: a. Fotografische Aufnahme des Aufbaus Beton + PCC-Mörtel + Polymersilikat Beschichtung. b. Mikroskopische Aufnahme des Aufbaus Beton + PCC-Mörtel +Polymersilikat Beschichtung. In den Bildern 3.3 und 3.5 sind die Querschnitte zur Übersichtsdarstellung fotografisch gezeigt, während die Bilder 3.4 und 3.6 die Querschnitte mikroskopisch detailliert darstellen. Auf Bild 12.84 und Bild 12.85 erkennt man fotografisch und mikroskopisch langgezogene Hohl‐ räume, die genau zwischen zwei Lagen der Beschichtung durch Bildung eines Adhäsionsbruches entstanden sind. Bild 12.84: Fotografische Aufnahme des Bohrkernquerschnitts der Wand am Oberflächenrand Bild 12.85: Detail von Bild 12.85, Mikroskopische Aufnahme der beiden blasenbildenden Lagen 434 12 Oberflächenschutz <?page no="445"?> Bild 12.86: Fotografische Aufnahme des Bohrkernquerschnitts des Bodens am Oberflächenrand Bild 12.87: Detail von Bild 12.86. Mikroskopische Aufnahme der Polymersilikatschicht des Bodens als einlagige, strukturell homogene Schicht, blasen- und hohlraumfrei Von der Regel der Blasenbildung und dann als Adhäsionsbruch weicht der auf Bild 12.86 und 12.87 fotografisch und mikroskopisch abgebildete Schichtquerschnitt signifikant ab. Er entstammt der Bodenbeschichtung. Die Polymersilikat-Beschichtung wurde dort in einer gleichförmigen Schichtdicke mit kaum messbarer Schichtdickenvarianz appliziert, gestützt sicher auch durch die besonderen Verlaufseigenschaften des Werkstoffes auf dem quasi horizontalen Boden. Aus diesem einheitlich strukturierten Schnittbild lässt sich ableiten, dass die Bodenbeschichtung in einem einzigen Applikationsgang aufgetragen wurde und sich dann auch in einem einheitlichen Zeitabschnitt chemisch vernetzen und verfestigen konnte. In diesem Schichtquerschnitt haben sich während der Betriebszeit keine Blasen oder andere Hohlräume gebildet. Daraus ergeben sich grundsätzliche Hinweise für die Ursache der Blasenbil‐ dung in den Aufbauten von Decke und Wänden im Gegensatz zur völlig blasenfreien Bodenfläche des Behälters. 435 12.12 Blasen und Beulen in Polymerbeschichtungen <?page no="446"?> 12.12.3.3 Ursache und Mechanismen Die Zusammenhänge der Osmose sind vom Botaniker Wilhelm Pfeffer [2] im 19-ten Jahrhundert erstmals beschrieben worden. Den Nachweis führte Pfeffer in einer Versuchsapparatur, die im Bild 12.88 gezeigt und nach ihm als Pfeffer‘sche Zelle benannt ist: Das Kernstück ist ein Zylinder aus porösem, gebranntem Ton. Die Wand und Boden des Zylinders besteht aus einer semipermeablen (halbdurchlässige) Membran, die durch Ausfällung eines unlöslichen Gels aus Eisencyanatverbindung der Gefäßlösung entstanden ist. Diese Membran ist für Wassermoleküle außerhalb der Zelle durchlässig, wogegen die im Inneren des Tongefäßes gebildete Salzlösung mit größeren Molekülen und Ionen nicht zurück kann. Bildlich gesprochen hat sich dadurch eine Einbahnstraße für den Stofftransport gebildet. Bild 12.88 Angetrieben vom Bestreben, die Salzlösung zu verdünnen, baut sich wegen der Einbahnstraße ein sogenannter osmotischer Druck auf, der am Manometer (Druckmessgerät) abgelesen werden kann. Beim Erreichen eines Gleichgewichts zwischen dem entstandenen Druck und der verdünnten Salzlösung im Tonzylinder, kommt es dann zum Stillstand des Prozesses. Dieses Gleichgewicht kor‐ reliert mit einem ganz bestimmten Druck, den man als osmotischen Druck bezeichnet. Sogenannte Aktivitäten (Beweglichkeit) der Wassermoleküle in einer Lösung sowie blasenrelevante osmotische Drücke finden sich in [6]. Daraus ergibt sich, dass der osmotische Druck in guter Näherung linear mit der Salzkonzentration zu und mit der Aktivität der Wassermoleküle abnimmt. Wassermoleküle können semipermeable Membranen nur im Gefälle ihrer Aktivität passieren. Beim Angleichen der Aktivitäten kommt das Durchdringen der semipermeablen Membran zum Erliegen. In Polymerbeschichtungen auf Beton treten unter kritischen Feuchtebedingungen z. B. aus dem Untergrund oder aus der Nutzung Blasen auf. Stehen diese Blasen unter einem inneren Überdruck und sind flüssigkeitsgefüllt, geht deren Ursache sehr häufig auf eine osmotische Generierung zurück. Nach der Objektuntersuchung, der Beprobung und den gezielt vorgenommenen Laboruntersuchungen, verdichteten sich die Hinweise für diese Ursache signifikant. Es bedarf dann jedoch immer noch des Nachweises dazu, ob die Parameter zur Erfüllung der osmotischen Generierung vorliegen und in welcher Priorität sie den Mechanismus der Blasen ausgelöst haben könnten. 436 12 Oberflächenschutz <?page no="447"?> Auf Basis langjähriger Erfahrungen und gesicherter Erkenntnisse lassen sich die komplexen physikalisch, chemischen Zusammenhänge der osmotischen Blasenbildung analysieren. Mittels einer modellhaften Darstellung im Bild 12.89 können die häufigsten Varianten und die wichtigsten Parameter zur Entstehung nachgewiesen werden. Bild 12.89: Osmotische Generierung von Blasen Blasenparameter: a) Wasser b) Semipermeable Membran c) Adhäsions- Kohäsionsschwäche d) Verformbarkeit der Beschichtung e) Blasenkeime (hydrophile Stoffe, o. Ä.) Stellt man das im Bild 12.89 gezeigte Modell den fotografischen und mikroskopischen Ansichten und Querschnitten der Bilder 12.82 bis 12.87 gegenüber, ergeben sich Übereinstimmungen der Parameter des Modells zu den geschädigten Wand- und Deckenaufbauten. Das Modell sieht als mögliche semipermeable Membran sowohl die direkt auf dem Beton applizierte Grundbeschichtung als auch die an die Oberfläche angrenzende Deckbeschichtung vor. Für das Bauobjekt Ölabscheider werden Grund- und Deckbeschichtung als eine zunächst bestehende Einheit aus der in zwei Lagen applizierten Polymersilikat Beschichtung angesehen. Der Beton des Behälters kommt als Feuchtelieferant praktisch nicht in Frage. Die Wand- und Deckenaußenseiten grenzen zwar an Erdreich und könnten bei einer angenommenen rückwärtigen Durchfeuchtung Wasser „liefern“. Dagegen spricht jedoch die Tatsache, dass der Blaseninhalt einen pH-Wert <9 aufwies. Er müsste einen pH-Wert von ca. 12,5 aufweisen, wenn mitwirkendes Wasser aus dem Beton an der Blasenbildung beteiligt gewesen wäre. Auf der Vorderseite, d. h. der Kammerinnenseite steht bis zum Regelwasserstand langfristig permanent Wasser von 10 °C und drei Tage vor einer geplanten Revision Wasser von 40 °C an, und zwar in flüssiger Form als Betriebsmedium und in Form hoher Luftfeuchte mit Tauwasserbildung an der Beschichtungsoberfläche des Luftraums. Mit dieser Konstellation sind die Parameter a) und b) des Modells definiert und hinsichtlich der Blasenbildung funktional erfüllt. Der Werkstoffhersteller charakterisiert in den Technischen Unterlagen den Beschichtungsstoff Polymersilikat als kunststoffmodifiziertes Polymersilikat aus der Bindemittelkomponente zweier Isocyanate, dem Lösemittel Ethylacetat und der Härterkomponente Kieselsäure, Kaliumsalz 437 12.12 Blasen und Beulen in Polymerbeschichtungen <?page no="448"?> (Wasserglas). Das technische Merkblatt beschreibt die Bearbeitung so, dass Bindemittel- und Härterkomponente nach einem vorgegebenen Mischungsverhältnis angesetzt, mittels Rührwerk homogenisiert und im Rollapplikationsverfahren appliziert werden. Den weiteren Herstellerangaben zufolge sollte das Gemisch in zwei Lagen angewendet werden, wobei zwischen erster und zweiter Lage eine Wartezeit von mindestens 6 Stunden einzuhalten war, um den Beschichtungsstoff „ausgasen“ zu lassen. Als Schichtdicke gibt das Technische Merkblatt den Grenzwert „Mind. 2 mm“ vor, wobei dann die Trockenschichtdicke gemeint ist. Eine maximal einzuhaltende Zeitfolge zwischen der Applikation der beiden Lagen, wie dies zwecks Erzielung eines gesicherten Haftverbunds bei 2 K Beschichtungsstoffen nach den anerkannten Regeln der Beschichtungstechnik in der Regel erforderlich ist, wird im Technischen Merkblatt nicht genannt. Die Beschichtung der Kammer erfolgte nach der „Dokumentation im Zeitraum von ca. zwei Monaten. Dabei kam es nach den Aufzeichnungen zwischen den Applikationsgängen zu Wartezeiten zwischen 1 Tag und 23 Tagen. Nach einer nicht näher bekannten Betriebszeit (Wochen bzw. Monate) kam es zur Blasenbil‐ dung, d. h. Enthaftung und Verformung waren möglich. Damit waren dann auch die Parameter c) und d) definiert und erfüllt. Die Polymersilikat-Beschichtung enthält in ihrer Bindemittelkomponente niedermolekulare organische Verbindungen mit fuktionellen Isocyanatgruppen, die planmäßig mit der Wasserglas‐ härterkomponente eine Reaktion zu polymeren Strukturen eingehen. Dabei verbleiben in der Regel niedermolekulare Anteile unvernetzt zurück. Unverändert zurückbleiben werden auf jeden Fall gewisse Anteile des in der Bindemittelkomponente von Anfang an enthaltenen flüchtigen Stoffes Ethylacetat, dessen Retention von den Parametern Temperatur, Schichtdicke etc. bestimmt wird. Diese niedermolekularen Inhaltsstoffe sind partiell wassermischbar und können in Form einer Pfeffer´schen Zellenbildung [6] osmotisch generierte innere Drücke auslösen. Somit wäre auch der Parameter e) definiert und bezüglich der Blasenbildung funktional erfüllt. Wäre es bei der Festlegung der Betriebsbedingungen, bei der Werkstoffwahl bzw. bei der Rezep‐ tur der Beschichtung gelungen, nur einen der genannten Parameter konsequent auszuschalten, wäre es nicht zu den Blasenbildungen gekommen. Die ausschlaggebende besondere Rolle hat dabei die Tatsache gespielt, dass die zweilagige Applikation der Polymersilikat Beschichtung mit der ca. mittig liegenden Grenzfläche (siehe 12.85) eine Kohäsionsschwäche besaß, die im Betriebszustand durch Quellung noch intensiviert worden ist (Parameter c). Die im Quellungszustand sich einstellende partielle Plastifizierung der Polymersilikat-Be‐ schichtung hat es dann schließlich zugelassen, dass der osmotische Druck die Membran zur Blase verformen konnte. Dieses Postulat wird durch die Tatsache gestützt, dass es bei der Beschichtungsanwendung am Boden - siehe dazu die Bilder 12.86 und 12.87 - durch die homogene Einlagigkeit der Polymersilikat Beschichtung nicht zur Blasenbildung gekommen ist. Bei gleicher stofflicher Beschaffenheit sind die Parameter a, b, d und e wirkungslos geblieben, weil im bekannten Schichtaufbau kein Ansatz für eine Hohlraumerzwingung gegeben war. Daraus kann für den vorliegenden Anwendungsfall die Schlussfolgerung gezogen werden, dass mit dem beschriebenen Polymerbeschichtungsstoff unter den bekannten Filmbildungsbe‐ dingungen an Decke und Wänden alle Parameter (a, b, c, d, e) wirksam wurden, der gleiche Beschichtungsstoff unter den Anwendungsbedingungen des Bodens jedoch nicht zur Blasenbil‐ dung führte, weil der Parameter d komplett unterdrückt wurde. 438 12 Oberflächenschutz <?page no="449"?> 12.12.3.4 Vermeidung von osmotischer Blasenbildung Können bei der Applikation der Beschichtungsstoffe alle fünf oben im Bild 12.89 gennanten Parameter, welche zur Entstehung der Blasenbildung notwendig sind, unterdrückt oder ausge‐ schlossen werden, kommt es nicht zur Bildung der osmotisch generierten Blasen. 12.12.4 Beulen 12.12.4.1 Einleitung Aufgrund von Ausführungsfehlern, aber auch durch Planungsdefizite treten bei Beschichtungen auf thermisch beanspruchten Bauteilen Beulen und Aufwölbungen auf. Diese können sich in Größe und Ausbeulung stark unterscheiden: Manchmal handelt es sich um tellergroße Erhebun‐ gen, häufig auch um Beulen, die einen Durchmesser bis zu über einen Meter aufweisen. Der Hergang der Beulenentstehung ist überwiegend gleich, so dass an zwei sehr unterschied‐ lichen Beispielen die Ursach für solche Beulenbildung erläutert wird 12.12.4.2 Erscheinung im Stahlbetonbecken Wenn zwischen Untergrund und Beschichtung Hohlräume entstehen, spricht man bei kleineren Durchmessern (max. 5 cm) von Blasen, bei größeren Durchmessern von Beulen. Der vorliegende Fall behandelt die Beulenbildung in einer rissüberbrückenden Polyurethan-Innenbeschichtung eines Stahlbetonbeckens. Die beteiligten Parteien waren der Überzeugung, dass Dampfdruck oder Osmose die Ursache der Schadenserscheinungen ist. Die eingehende Analyse ergab jedoch eine ganz andere Ursache. Die Wandinnenseite eines kreiszylindrischen Stahlbetonbehälters einer Kläranlage ist mit einem rissüberbrückenden, chemikalienbeständigen Oberflächenschutzsystem beschichtet wor‐ den. Nach dem Leistungsverzeichnis waren folgende Arbeitsgänge auszuführen: • Vorbereitung des Betonuntergrundes durch Druckluftstrahlen mit festem Strahlmittel (Her‐ stellung der Tragfähigkeit). • Vorbehandlung des Betonuntergrundes durch Grundbeschichtung sowie Kratz- und Lunker‐ spachtelung auf Bindemittelbasis eines lösemittelfreien 2K-Epoxidsystems • Deckbeschichtung durch Spritzapplikation eines 2-K-Polyurethan-Beschichtungssystems in einer Schichtdicke von 2 mm. Die Ausführungszeit lag zwischen Mitte Oktober bis November. Aus den Einträgen im Bautage‐ buch war zu entnehmen, dass trotz der Einhausung Wassereinbrüche aus Beregnung aufgetreten sind. Das Becken ist ein halbes Jahr nach Fertigstellung in Betrieb genommen worden. Die Tempe‐ ratur der permanent die Beschichtung in konstanter Füllhöhe beaufschlagenden Prozesswässer schwankte zwischen 30 und 35 °C. 439 12.12 Blasen und Beulen in Polymerbeschichtungen <?page no="450"?> Bild 12.90: Vertikale Wölbungswülste. Oben horizontal verlaufende Verletzung Bild 12.90 zeigt einen Ausschnitt des Beckenwandbereiches im Abschnitt Nordwest. In der Beschichtung haben sich vertikal orientierte Verwölbungen eingestellt. Die Wölbungswülste endeten meist auf einem Drittel der Höhe der Beckenwand. Außerdem war die Beschichtung nahe der Oberkante des Beckens örtlich horizontal verlaufend verletzt. Diese Verletzungen waren deckungsgleich mit den horizontalen Markierungen des Radlaufs des Räumers. Bild 12.91: Aus vertikalem Wölbungswulst herausgeschnittener Streifen zeigt hell-dunkel Unterschied auf der Spachtelschicht Bild 12.91 zeigt ausschnittsweise einen vertikalen Verwölbungswulst, aus welchem eine rechteckige Fläche herausgeschnitten worden ist. Wie hier waren die Wulsthohlräume überwiegend nicht 440 12 Oberflächenschutz <?page no="451"?> flüssigkeitsgefüllt. Wenn, dann hatten sich am jeweils unteren Wulstende kleine Wassersäcke gebildet. Die Beschichtung konnte im links und rechts angrenzenden Bereich mit geringer bis mittlere Kraftanstrengung als große zusammenhängende Lappen abgezogen werden. Die Beschichtung zeigte keine Anzeichen der Zersetzung. Im Bereich der Aufwölbung war die sandraue Kratz- und Lunkerspachtelung hellgrau in den angrenzenden Bereichen dagegen etwas dunkler. Bild 12.92: Verrundete Raustruktur der Rückseite der abgelösten Deckschicht Bild 12.93: Scharfkantig und gezackt strukturierte Oberfläche der Spachtelschicht mit Quarzsandabstreuung (Gegenfläche von Bild 12.93) Mehrere Filmstücke der am Objekt abgezogenen PUR-Deckbeschichtung sowie mehrere aus der Beckenwand herausgetrennte Stücke der EP-Egalisierungsschicht sind unter dem Stereomikro‐ skop betrachtet worden. 441 12.12 Blasen und Beulen in Polymerbeschichtungen <?page no="452"?> Bild 12.92 zeigt die Rückseite der abgelösten PUR-Deckschicht unter einer flachen Lichtein‐ strahlung. Man erkennt eine stark verrundete Raustruktur. Bild 12.93 zeigt unter flacher Lichteinstrahlung die Oberfläche der EP-Kratzspachtelschicht. Gegenüber Bild 12.92 hat die Kratzspachtelschicht eine charakteristische, scharfkantig gezackt strukturierte Oberfläche. 12.12.4.3 Erscheinung im Asphaltestrich In einer Industriehalle war vor circa 30 Jahren auf einer 15 Zentimeter dicken Stahlbeton-Bodenplatte in zwei Lagen ein Gussasphaltestrich aufgebracht worden [7]. In der Halle wurden nachfolgend zunächst Wirtschaftsgüter gelagert, später dann Lebensmittel deponiert und vertrieben. Dafür wurde die Temperatur im Innenraum dauerhaft auf etwa 10 °C abgesenkt. Zur Sicherstellung der Hygienevorschriften musste die Reinigung des Bodens maschinell mit rotierenden Bürsten unter Verwendung von heißem Wasser erfolgen. Dabei lag die Innenraumtemperatur bei 10 °C. Bild 12.94: Geschädigte Teilflächen des Bodens Durch die dauernde Nutzung des Bodens mit Elektrohubwagen sowie die Begehung und Lagerung war der Asphaltestrich schließlich so weit verschlissen, dass im Jahr 2009 eine umfassende Fußbodensanierung notwendig wurde. Die „Bauwerksuntersuchung“, „Instandsetzungsplanung“ und Sanierung wurde von einem im Internet recherchierten „Fachunternehmen“ ausgeführt. Dieses erstellte nach der Inaugenscheinnahme der Bodenflächen folgende „Ausführungsplanung“ und bot die Leistungen entsprechend an: - Untergrundvorbereitung mittels Kugelstrahlen, Fräsen, Schleifen, Brennen (optional nach Bedarf), - Untergrundvorbehandlung durch Egalisieren mittels EP-Kratzspachtelmassen, - EP-Grundbeschichtung mit Colorquarzeinstreuung, - EP-Schlussbeschichtung, rutschhemmend (R12). 442 12 Oberflächenschutz <?page no="453"?> Die im Angebot genannten Werkstoffe waren vom Bieter in Abstimmung mit dem Werkstoffher‐ steller gewählt worden. Basierend auf dem Angebot erteilte der Betreiber dem Bieter den Auftrag zur Ausführung. Bild 12.95: Kreisförmiger Ausbruch einer Beschichtungsbeule nach mechanischer Beanspruchung Bereits nach kurzer Zeit sind im Boden Unebenheiten und beulenartige Verformungen sowie Hohlstellen entstanden. Durch die Weiternutzung des Bodens sind im Laufe des Betriebes immer mehr Bereiche ausgebrochen und lagen offen vor, wie in den Bildern 12.95 und 12.96 dargestellt. Beim Durchbohren der noch intakten Beulen und Hohlstellen, konnte immer ein Spalt im Asphaltestrich festgestellt werden, wie das Bild 12.97 zeigt. Bild 12.96: Hohllage wegen klaffendem Spalt im Asphaltestrich 443 12.12 Blasen und Beulen in Polymerbeschichtungen <?page no="454"?> 12.12.4.4 Ursache und Mechanismen Am Stahlbetonbecken sind einige Untersuchungen durchgeführt worden. Mehrere Filmstücke der am Objekt abgezogenen PUR-Deckbeschichtung sowie mehrere aus der Beckenwand herausge‐ trennte Stücke der EP-Egalisierungsschicht sind unter dem Stereomikroskop betrachtet worden. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus in situ - und Laboruntersuchungen, der Informa‐ tionen zum Ablauf der Beschichtungsmaßnahmen sowie in Kenntnis der Betriebsbedingungen lässt sich die Ursache der Aufwölbungen wie folgt rekonstruieren: Die sandgraue Kratz- und Lunkerspachtelschicht auf EP-Basis ist im 2K-Hochdruckspritzver‐ fahren mit einer PUR-Deckschicht in einer mittleren Schichtdicke von 2 mm versehen worden. Während der Applikation der PUR-Deckschicht herrschte eine Umgebungs- und Bauteiltempe‐ ratur von 10 °C und darunter. Zwischen der Einbautemperatur und der Betriebstemperatur von 30 °C bis 35 °C liegt eine Temperaturerhöhung von Δϑ ~ 25K. Wegen des höheren thermischen Längenänderungskoeffizienten αϑ der PUR-Deckschicht gegenüber Beton und wegen des Temperaturgradienten im Wandquerschnitt hat sich in der Ebene der PUR-Deckschicht ein Ausdehnungsbestreben eingestellt, welches größer ist als dasjenige der Stahlbetonschale. Solange zwischen der PUR-Deckschicht und der Stahlbetonschale ein Haftverbund gegeben ist, wird eine Ausdehnung der Beschichtung behindert. In der Beschichtung entstehen parallel zur Stahlbetonschale Druckspannungen, die man wie folgt beschreiben kann: β D = E ⋅ ε = E ⋅ α ⋅ Δϑ [N/ mm²] Der Elastizitätsmodul E der PUR-Deckschicht liegt in der Größenordnung von 102 N/ mm². Der thermische Längenänderungskoeffizient [α∙Δϑ] kann effektiv mit 10 -4 K -1 angenommen werden. Die Druckspannungen betragen dann ca. 0,25 N/ mm². Die Tatsache, dass während des Betriebs auf die PUR-Deckschicht Wasser mit erhöhter Temperatur einwirkt, hat eine Quellung zur Folge, die expandierend wirkt und somit die temperaturgenerierten Druckspannungen parallel zur Beschichtungsebene noch weiter erhöht. Die Druckspannungen in der PUR-Deckschicht verursachen in der Grenzfläche zur EP-Kratz‐ spachtelschicht Scherkräfte, die in senkrecht gerichtete Haftzugspannungen ß HZ umgelagert werden. Wenn der Haftverbund überwunden ist, kommt es zu einer Aufwölbung der am Ausdehnen behinderten Schicht. In Kenntnis der Weglänge l eines potenziell geschwächten Haftverbundes und der Dicke d der PUR-Deckbeschichtung lässt sich abschätzen, wie hoch die kritische Wölbspannung ß K ist, die zur Beulenbildung überwunden werden muss. β K = π² 6 ⋅ E ⋅ d1 ² [N/ mm²] Setzt man wiederum den E-Modul 102 N/ mm² sowie eine Dicke von 2 mm und eine Weglänge von 0,5 m ein (Breite eines vertikal orientierten Wölbungswulstes), beträgt die zum Aufwölben notwendige Spannung 0,003 N/ mm². Im Vergleich dazu würde die kritische Wölbspannung bei einer Weglänge von 10 cm 0,07 N/ mm² betragen. Weiterhin lässt sich rechnerisch abschätzen, bei welchem kritischen Temperaturintervall ΔϑK eine Aufwölbung eintreten würde, immer vorausgesetzt, der Haftverbund zum Untergrund sei überwunden: 444 12 Oberflächenschutz <?page no="455"?> Δϑ K = π ² 6 ⋅ 1 α ⋅ dl ² [ K ] Für die Weglänge von 0,5 m beträgt das kritische Temperaturintervall 0,3 K und für die Weglänge von 10 cm ca. 7 K. Schließlich lässt sich dann auch noch rechnerisch abschätzen, welches Stichmaß h die Beule mittig erreichen wird, wenn die PUR-Deckschicht einem Temperaturintervall von 25 K ausgesetzt wird: ℎ = 0, 61 ⋅ l ⋅ α ⋅ Δϑ [mm] Für die Weglänge 0,5 m: 15,3 mm Für die Weglänge 0,1 m: 3,0 mm Diese modellhafte Darstellung zeigt, dass eine durch Temperaturerhöhung erzwungene Aufwöl‐ bung realistisch erscheint, zumal dann, wenn die Beschichtung durch die Prozesswässer noch gequollen wird. Die abgeschätzten Stichhöhen stimmen mit den beobachteten Aufwölbungen überein. Die temperatur- und quellungsbedingt aufgetretenen Druckspannungen liegen oberhalb der kritischen Wölbspannungen und die kritischen Temperaturintervalle werden weit überschrit‐ ten. Eigentlich müsste man davon ausgehen können, dass die Beulen nach Rückgang der hohen Temperatur wieder zurückgehen. Dies ist nicht bzw. nur zu einem geringen Teil der Fall. Der Hauptgrund liegt an dem plastoelastischen Verformungsverhalten der PUR-Deckschicht und in dem damit verbundenen Kriechverhalten. Dadurch stellt sich eine irreversible Formänderung (Beule) ein. Der Grund dafür, dass im unteren Wandbereich keine bzw. deutlich weniger Aufwölbungen aufgetreten sind, hängt mit dem hydrostatischen Druck des Prozesswassers zusammen. Dieser setzt dem Aufwölbungsbestreben der Beschichtung einen mechanischen Widerstand entgegen, der dann die Beulenbildung ab einer bestimmten Entfernung von der Wasserlinie nicht mehr zulässt. Die Aufwölbung setzt allerdings voraus, dass der Verbund der PUR-Deckschicht zur EP-Kratz‐ spachtelschicht erheblich geschwächt bzw. aufgehoben ist. Es ergeben sich mehrere signifikante Hinweise dafür, dass der Haftverbund nicht planmäßig zustande kam bzw. im Laufe der Zeit geschwächt worden ist. • Die stereomikroskopischen Aufnahmen von Bild 12.93 und 12.94 zeigen, dass die gewollte, zerklüftete Oberflächengeometrie der sandabgestreuten EP-Kratzspachtelschicht durch den Beschichtungsstoff der PUR-Deckschicht nicht optimal benetzt worden ist. Wäre dies geschehen, müsste die Oberflächenstruktur der Rückseite der PUR-Deckschicht ein ana‐ log gezacktes Bild aufweisen. Dies ist nicht der Fall. Die Rückseite besitzt dagegen eine stark verrundete Rauheit. Die von der PUR-Deckschicht mit der EP-Kratzspachtelschicht eingegangene Haftverbundfläche ist somit deutlich kleiner als die maximal mögliche, was eine entsprechende Haftverbundminderung bedeutet. Die Ursache dafür liegt in der hohen Reaktionsgeschwindigkeit des im 2-K Hochdruckspritzverfahren applizierten PUR Beschichtungsmaterials. Die schnelle Vernetzung zum Polymer verkürzt die Benetzungszeit des zuvor flüssigen Materials. Eine schnelle Vernetzung ist andererseits gewollt, damit die 445 12.12 Blasen und Beulen in Polymerbeschichtungen <?page no="456"?> erforderliche Standfestigkeit des an senkrechten Flächen in hoher Schichtdicke (ca. 2 mm) applizierten Beschichtungsmaterials schon nach kurzer Zeit gewährleistet ist. • Während der Ausführung im Herbst traten gemäß den Eintragungen im Bautagebuch immer wieder Regeneinbrüche auf, weil die Einhausung nicht funktionsgerecht war. So kam es höchstwahrscheinlich örtlich zu einer weiteren Minderung des Haftverbundes, weil die Oberfläche der EP-Kratzspachtelschicht zum Zeitpunkt der Applikation der PUR-Deck‐ schicht feucht war. Die vertikal strukturierten Wölbungswülste (Bild 12.91) und die hellgraue Beschaffenheit der Kratzspachtelschicht (Bild 12.92) deuten darauf hin, dass Wasser örtlich an den Wänden abgelaufen und vor der Beschichtungsstoff-Applikation nicht vollständig abgetrocknet ist. • Einschnitte in die PUR-Deckschicht, verursacht durch die Räder des Räumers, haben zu einer Verletzung geführt und im Gefolge dazu eine Unterwanderung der PUR-Deckschicht durch Niederschlagswasser ermöglicht. Die Unterwanderung der PUR-Deckschicht wurde erleichtert, weil der Kontakt zum Untergrund nur teilflächig war (Bild 12.92) und somit ein Kapillartransport von Wasser entstehen konnte. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Haftverbundschwächen, die z. T. aus Besonderheiten der Beschichtung resultieren und z. T. applikationsbedingt waren, unterstützt durch Unterwanderung an betriebsbedingt entstandenen Fehlstellen die Voraussetzung waren, dass durch die thermische Einwirkung der Prozesswässer und durch Quellvorgänge parallel zur Beschichtungsebene Druck‐ spannungen auftraten, welche zur Beulenbildung mit vertikal orientierter Wulststruktur führten. Im Fall der Schäden am Industriebodenhat der Asphaltestrich nach jahrelanger Benutzung die innere Zugfestigkeit (Kohäsionsverbund) verloren. Die Struktur des Estrichs wurde durch die Überfahrten mit dem Stapler sowie die Verschiebung der Waren zermürbt. Vor der Ausführung der Deckbeschichtung wurde der Untergrund jedoch nicht auf Zugfestigkeit geprüft, so dass die Beschichtung teilweise auf ein „Sandbett“ verlegt wurde. Die Nutzung des Bodens erfolgte bei 10 °C. Der Boden wurde jedoch mit viel höherer Temperatur gereinigt, so dass große Temperaturschwankungen von bis zu Δϑ ~ 15 K in den Untergrund eingebracht wurden. Für die Mechanismen der Schadensentstehung sind die gleichen thermischen Vorgänge ursäch‐ lich gewesen, wie die bereits oben bei der Beulenbildung in der PUR-Beschichtung beschrieben wurden. In diesem Fall liegt am Boden ein Oberflächenbelag vor, welcher nur eine teilflächige Haftung zum intakten Untergund aufweist. Bei der thermischen Ausdehnung, während der Warmreinigung, kann der Belag gemäß Bild 12.98 sich irreversibel vom Untergrund abheben. Für die Bestimmung der im Bild angegebenen Parameter, können die oben beschriebenen Formeln eingesetzt werden. Bild 12.97: Temperaturgenerierte Aufwölbung 446 12 Oberflächenschutz <?page no="457"?> 12.12.4.5 Vermeidung von Beulenbildung Allen diesen Problemen wäre man aus dem Weg gegangen, wenn bei der Instandsetzung des Industriebodens der Untergrund richtig vorbereitet gewesen wäre, also vollständiger Abtrag des Asphaltestrichs und ein Neuaufbau des Bodens erfolgt wäre. Im Vorfeld hätten die „Planer“ wissen müssen, dass der Einbau der Deckschicht auf einen nicht tragfähigen Untergrund eine Enthaftung verursacht und somit zum Mangel und evtl. zum Schaden führen wird. Bei der Beschichtung des Wasserbehälters waren die Ausführer nicht aufmerksam genug, um den Schaden zu vermeiden. Hätten sie gemerkt, dass auf einem gut ausgeführten Untergrund ein Feuchtefilm vorliegt, hätten sie keine Beschichtung appliziert. Der Vorwurf der mutwilligen Nichteinhaltung der Regeln wird hier nicht gestellt. So entstand an den feuchten Stellen kein Verbund zwischen dem Untergrund und der applizierten PUR-Deckschicht, was zu der Verwöl‐ bung der flexiblen Beschichtung und im Endeffekt zur Ablösung dieser vom Untergrund führte. 12.12.5 Literatur [1] Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten (ZTV-ING), bast, Baudurchführung, Stand: 2019/ 04. [2] DEUTSCHES INSTITUT FÜR BAUTECHNIK, „Technische Regel - Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instand-haltung): Teil 1 - Anwendungsbereich und Planung der Instandhaltung“, Berlin, 05.2020. [3] Engelfried, R.; Eisenkrein, H., Surface Protection Systems on Natural Draught Cooling Towers with Flue Gas Discharge (FGD), WTA-Proceedings of the International Conference of Sustainable Building Restoration and Building Physics, September 26 - 27 2008, Tongii Univesity, Shanghai: WTA e. V., September 2008. [4] Engelfried, R., Sage, F., Eisenkrein, H., Naturzugkühlturm mit Abgaseinleitung - Planung und Umsetzung von Schutzmaßnahme und Aussehensoptimierung, Tagungsband 2. Kolloquium Erhaltung von Bauwer‐ ken: Technische Akademie Esslingen, Januar 2011. [5] Klopfer, H; Homann, M., Lehrbuch der Bauphysik, Kapitel III Feuchte, 7. Ausgabe, Wiesbaden: Willems, W. Vieweg+Teubner Verlag, 2012. [6] Näser, Karl-Heinz; Lempe, Dieter; Regen, Otfried: , Physikalische Chemie für Techniker und Ingenieure, Wiley-VCH Verlag, 1990. [7] Engelfried, R.; Eisenkrein, H, „Schäden an polymeren Beschichtungen, Kapitel 3.6.5, Seite 130,“ Schaden‐ freies Bauen, (Hrsg. Ralf Ruhnau), Fraunhofer IRB Verlag, Band 26, 2012, . [8] R. Engelfried, Bodenbeschichtung eines Asphaltestrichs in einem Lebensmittelbetrieb. Schäden we‐ gen Nichtbeachtung gewichtiger Randbedingungen, Reguvis, Fraunhofer IRB, Der Bausachverständige 2/ 2013. 447 12.12 Blasen und Beulen in Polymerbeschichtungen <?page no="459"?> 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen 13.1 Planung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen C. Helf 13.1.1 Einleitung Die Ausführung von Schutz- und Instandsetzungsarbeiten an tragenden Stahlbetonbauteilen ist eine komplexe Aufgabe, bei der eine Fülle von besonderen Randbedingungen sowie einschlägigen Vorschriften und Regelwerken zu beachten sind. Dies ist sowohl von den ausführenden Unterneh‐ men bei der Arbeitsvorbereitung als auch bereits im Vorfeld durch den Sachkundigen Planer bei der Erstellung des Instandsetzungskonzeptes und der Leistungsbeschreibung zu berücksichtigen. Da es sich aktuell bei einem erheblichen Teil der Instandsetzungsprojekte um Parkhäuser und Tiefgaragen handelt, werden im nachfolgenden Kapitel am Beispiel von Parkhausinstandsetzun‐ gen einige besondere Aspekte der Ausführung aufgezeigt. Bild 13.1: Übermäßiger Einsatz von Tausalzen auf einem Parkdeck Als häufiges Schadensbild bei Parkbauten ist vor allem die chloridinduzierte Korrosion aufgrund von eingeschleppten Tausalzen zu nennen, die zu der typischen Lochfraßbildung an der Beweh‐ rung und somit zu standsicherheitsrelevanten Schäden an dem Tragwerk führt. <?page no="460"?> Bild 13.2: Eingeschlepptes chloridhaltiges Schmelzwasser in Tiefgarage So ist bei Schneefall durch Schneematsch in den Radkästen ein Eintrag von bis zu 25 Liter chloridhaltigem Wasser je Fahrzeug zu erwarten [1] Bild 13.3: Bewehrungsstahl mit typischer Lochfraßbildung Bei Überschreitung der entsprechenden Grenzwerte für den Chloridgehalt im Beton muss der chloridhaltige Beton üblicherweise abgetragen werden und durch Betonersatz oder neuen Beton ergänzt werden. 13.1.2 Baustelleneinrichtung - Bauablauf 13.1.2.1 Abtragsverfahren Für den Abtrag des geschädigten, chloridhaltigen Betons kommen je nach zu bearbeitendem Bauteil und Schädigungsgrad grundsätzlich verschiedene Verfahren wie Stemmen, Fräsen, Hochdruckwasserstrahlen (hydrodynamischer Abtrag) oder auch schwere Abbruchwerkzeuge in Frage. Gerade bei großflächigem Abtrag ist das Hochdruckwasserstrahlen, meist mit Abtrags‐ 450 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="461"?> roboter, hierbei die gängige Methode. Daher wird in dem folgenden Abschnitt der Bauablauf hauptsächlich im Hinblick auf einen Betonabtrag mit Hochdruckwasserstrahlen betrachtet, da dieses Verfahren auch die höchsten Ansprüche an die Arbeitsvorbereitung stellt und den höchsten Aufwand bei der Baustelleneinrichtung und den Bauhilfsmaßnahmen erfordert. Bei dem Hochdruckwasserstrahlen werden die Hochdruckpumpen-Aggregate aufgrund Ihrer Größe und weiterer Randbedingungen, wie zum Beispiel dem Abgasausstoß, in der Regel außerhalb des Bauwerks platziert und versorgen den Abtragsroboter über einen Hochdruckschlauch mit dem benötigten Strahlwasser. An dem Abtragsroboter läuft die Hochdruckdüse, aus welcher der Wasserstrahl austritt, auf einer Führungsschiene alternierend quer zu Fahrtrichtung, während der Roboter schrittweise nach hinten fährt, sodass die Bauteiloberfläche schrittweise großflächig bearbeitet wird. Typische Kennwerte für HDW-Roboter-Aggregate sind in Tabelle 13.1 aufgeführt. Bild 13.4: HDW-Pumpenaggregate Typische Kennwerte HDW-Roboter-Aggregate Wasserdruck >2.000 bar Wasserdurchsatz ca. 100 Liter/ min (6 m³/ h ! ) Motorleistung ca. 300 - 550 KW / 450 - 700 PS Abtragsleistung ca. 5 m³ Beton/ Tag Tabelle 13.1: Typische Kennwerte HDW-Roboter-Aggregate 451 13.1 Planung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="462"?> Bild 13.5: HDW-Roboter 13.1.2.2 Abtrag Die maßgeblichen Strahlparameter der Robotereinheit wie z. B. Düsentyp, Düsendruck, Wasser‐ durchsatz, Vorschubgeschwindigkeit usw. werden zu Beginn der Arbeiten unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten und im Hinblick auf die gewünschte Abtragstiefe vor Ort einjustiert. Gegebenenfalls müssen die passenden Parameter vorab an kleineren Versuchsflächen ermittelt werden. Da die Festigkeit der Betonoberfläche werkstoff- und einbaubedingt mehr oder weniger großen Schwankungen unterliegt, muss man bei dem großflächigen Betonabtrag mit HDW-Ro‐ botern in der Praxis auch entsprechende Schwankungsbreiten in der Abtragstiefe hinnehmen, da die punktuell erzielten Abtragstiefen sozusagen ein „Spiegelbild“ der tatsächlich vorhandenen punktuellen Betonfestigkeit darstellen. Sind in der Abtragsfläche minderfeste Bereiche wie zum Beispiel Kiesnester oder Risse vorhanden, kommt es an diesen Stellen schlagartig zu einem erheblich höheren Abtrag bis hin zu sogenannten „Durchschüssen“, also einem Abtrag des kompletten Betonquerschnittes. Nach Momber (Handbuch der Oberflächenbearbeitung Beton [2]) funktioniert der Abtragsmecha‐ nismus beim Hochdruckwasserstrahlen so, dass das unter hohem Druck aus der Düse austretende Strahlwasser in Mikrorisse und/ oder Fehlstellen in der Betonmatrix eindringt, diese aufweitet und so zu einem lokalen Materialversagen/ Ausbrechen von Betonpartikeln oder -Brocken aus der Struktur führt. Da die Bewehrungslage auch eine „Störzone“ in der Betonstruktur mit kleinen Hohlräumen und Mikrorissen darstellt, bildet sich häufig in Höhe der Bewehrungslage ein Abtragshorizont aus. Je nach Festigkeit des Betongefüges ist die durch das HDW-Strahlen erzeugte Oberfläche sehr un‐ regelmäßig. Insbesondere bei „weichen“ Betonen, bei welchen die Zementmatrix herausgespült und Zuschlagkörner ungebrochen freigelegt werden, entstehen verfahrensbedingt große Unebenheiten mit einer Schwankungsbreite in Höhe des Größtkorndurchmessers oder noch höher. Ein wesentlicher Vorteil des HDW-Verfahrens, z. B. im Gegensatz zum Stemmverfahren, besteht darin, dass der Beton abgetragen werden kann, ohne dass der Bewehrungsstahl nennenswert 452 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="463"?> geschädigt wird. Gleichzeitig wird der Bewehrungsstahl gesäubert und entrostet, sodass meist ein Oberflächenreinheitsgrad SA2 (nach ISO 12944-4 [20]) erzielt wird. Bild 13.6: Betonoberfläche nach HDW-Abtrag Bild 13.7: HDW-Abtrag - Vollflächig 453 13.1 Planung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="464"?> Bild 13.8: „Durchschüsse“ in Zwischendecke durch HDW-Abtrag 13.1.2.3 Handlanze Für kleinteilige Abtragsmaßnahmen, zum Beispiel für die Bearbeitung von Stützenfüßen, Wandsockeln, kleineren Teilflächen oder zum Nachbearbeiten von „Roboterflächen“ kommen auch handgeführte Hochdrucklanzen mit geringeren Wasserdurchsatzmengen zum Einsatz. Typische Kennwerte für Handlanzen-Aggregate sind in Tabelle 13.2 aufgeführt. Typische Kennwerte HDW-Handlanzen-Aggregate Wasserdruck >2.000 bar Wasserdurchsatz ca. 25 Liter/ min (1,5 m³/ h) Motorleistung ca. 100 - 130 KW / 135 - 175 PS Abtragsleistung ca. 1 m³ Beton/ Tag Tabelle 13.2: Typische Kennwerte HDW-Handlanzen-Aggregate 454 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="465"?> Bild 13.9: HDW - Handlanze 13.1.2.4 Gefährdung Aufgrund der hohen Wasserdrücke und der somit an der Düse freigesetzten Energie herrscht im Einsatzbereich der Geräte ein hohes Gefährdungspotential für Personen. Daher dürfen die Einsatzbereiche nur durch fachkundiges, für die Arbeit mit den Hochdruckwasserstrahlgeräten unterwiesenes Personal betreten werden und müssen entsprechend abgesperrt und gekennzeich‐ net werden. Das Personal muss durch entsprechende Schutzkleidung und ggf. weitere technische Maßnahmen vor Verletzungen geschützt werden. Durch den extrem hohen Wasserdruck wird auch Abbruchmaterial wie Betonbruchstücke oder Zuschlagkörner regelmäßig mit hoher Geschwindigkeit weggeschossen, so dass in der Nähe befindliche Bauelemente und Gebäudeausstattungen vor Beschädigungen geschützt werden müs‐ sen. Auch kommt es durch die freigesetzte Energie und die damit verbundene Wärmeentwicklung zu einer erheblichen Wasserdampfbildung, die zu einer Sichtbeeinträchtigung führt. 455 13.1 Planung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="466"?> Bild 13.10: Absperrmaßnahmen - Einhausung Bild 13.11: Schäden an Rohrisolierungen durch HDW 13.1.2.5 Wasserhaltung Bei Hochdruckwasserstrahlarbeiten können große Mengen (je nach Randbedingungen 50 m³ pro Tag und mehr) an Strahlwasser anfallen, die stark mit Schlamm bzw. Schwebstoffen belastet sind und zudem aufgrund der Restalkalität des Betons einen hohen PH-Wert aufweisen können. Dieses Strahlwasser muss aufgefangen werden und vor einer Einleitung in einen Vorfluter entsprechend aufbereitet und gereinigt werden. Hierfür sind im Rahmen der Baustelleneinrichtung umfangrei‐ che Wasserhaltungsmaßnahmen wie zum Beispiel der Bau von Rohrleitungen, Auffang-, Absetz- und Neutralisationsbecken, die Vorhaltung von Schmutzwasserpumpen usw. vorzusehen. 456 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="467"?> Bild 13.12: Wasserhaltung für HDW-Arbeiten - Rohre und Auffangbehälter Bild 13.13: Wasserhaltung für HDW-Arbeiten - Schlammpumpe Je nach Einsatzzweck, Art und Umfang der Abtragsarbeiten sind auch vorgefertigte Absetz- und Filtervorrichtungen, zum Beispiel in Form von Absetzcontainern, auf dem Markt verfügbar. 13.1.2.6 Standsicherheit im Bauzustand Im Regelfall wird von dem zu bearbeitenden Betonbauteil ein erheblicher Querschnitt abgetragen, die Abtragszone reicht hier meist bis in Tiefe der ersten Bewehrungslage oder darüber hinaus. Somit ist die Standsicherheit des Bauteils oder gar des ganzen Gebäudes durch diese Abtrags‐ maßnahmen im Bauzustand in Frage gestellt, sodass rechtzeitig ein Statiker in die Arbeiten mit einzubeziehen ist und diese bei Bedarf laufend überwachen muss. 457 13.1 Planung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="468"?> Häufig sind vor Beginn der Arbeiten temporäre Abstützmaßnahmen durchzuführen, wie zum Beispiel eine flächige Abstützung unter Zwischendecken. Diese muss so bemessen sein, dass sowohl die Eigenlasten der durch den Abtrag geschwächten Decke als auch die „Verkehrslast“ des HDW-Roboters aufgenommen werden können. Bild 13.14: Flächenabstützung unter Zwischendecke Bei der Bearbeitung von Stützen ist zu beachten, dass mit dem Abtrag der Oberfläche eine erhebliche Querschnittsminderung einhergeht, sodass der verbleibende Querschnitt je nach Abtragstiefe nur noch einen Bruchteil der ursprünglichen Tragfähigkeit besitzt. Bild 13.15: Querschnittsminderung Stahlbetonstütze bei Betonabtrag Werden zum Beispiel an einer Stahlbetonstütze mit einem Querschnitt von 60 cm x 40 cm = 2.400 cm² rundum 6 cm Beton abgetragen, verbleibt noch ein Querschnitt von 18 cm x 28 cm = 1.344 cm², somit also nur noch 56 % der ursprünglichen Fläche. 458 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="469"?> Bei einem schlankeren Querschnitt von 30 cm x 30 cm verbleiben sogar nur noch 36 % des ursprünglichen Querschnitts. Hinzu kommt noch, dass der Bewehrungsstahl in der Regel freigelegt wird und somit durch die fehlende Verbundwirkung nicht mehr zur Lastabtragung herangezogen werden kann. Daher werden regelmäßig eine oder mehrere Hilfsstützen aus Stahl oder Holz, in besonderen Fällen auch massive Stahlprofile zur Entlastung des Stützenquerschnitts vorgesehen. Bild 13.16: Hilfsstützen aus Rundholz-Stämmen Alternativ oder zusätzlich zur Hilfsabstützung kann eine Bearbeitung des Stützenquerschnittes im Pilgerschrittverfahren erfolgen. Der Begriff „Pilgerschritt“ wurde angeblich von der Schrittfolge bei der Echternacher Springprozession abgeleitet und bezeichnet eine Arbeitsabfolge, bei der zunächst nur ein Teil des Querschnittes abgetragen und wieder ergänzt wird und der nächste Teil erst nach Aushärtung des erstens Teils bearbeitet wird. Hierbei ist möglichst auf eine symmetrische Aufteilung der Teilabschnitte zu achten (siehe Bild 13.17). Bild 13.17: Pilgerschritte bei Abtrag und Reprofilierung einer Stahlbetonstütze 459 13.1 Planung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="470"?> Bei der Ausführung solcher Hilfsabstützungen muss die Lastabtragung unter Umständen über mehrere Etagen erfolgen. Auch muss ggf. eine setzungsfreie Lasteinleitung in die Fundamente bzw. in den Baugrund sichergestellt werden. Bild 13.18: Prinzipskizze einer Hilfsabstützung über mehrere Etagen mit Vorspannung Auch ist bei der Erstellung der Abstützkonzepte zu überprüfen, ob durch die Lastumlagerungen infolge der Querschnittsminderungen und Instandsetzungsplomben ungewünschte Verformun‐ gen in dem Tragwerk auftreten können. Gegebenenfalls muss die Hilfsabstützung vor Beginn bzw. während der Abtragsarbeiten „vorgespannt“ werden, um Verformungen zu kompensieren. Die benötigte Vorspannung wird in der Regel durch hydraulische Pressen erzeugt. Die eingebrachte Kraft kann hierbei durch den Pressendruck gesteuert und überwacht werden (siehe Bild 13.19 und 13.20). 460 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="471"?> Bild 13.19: Entlastung eines Konsollagers mittels Schwerlast-Systemstütze mit Hydraulikpresse Bild 13.20: Druck- / Kraftanzeige 461 13.1 Planung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="472"?> Je nach Schädigungsgrad der Deckenkonstruktion kann es erforderlich werden, ganze Deckenfelder auszutauschen. In diesem Fall ist auch zu überprüfen, ob aufgrund der dann fehlenden Durchlauf‐ wirkung benachbarte Deckenfelder bzw. Unterzüge abgestützt werden müssen. Bild 13.21: Abbruch kompletter Deckenfelder eines Parkdecks in Stahlverbundbauweise Generell muss vor Beginn tiefgreifender, statisch relevanter Abbrucharbeiten ein Abbruchkonzept mit einer schriftlichen Abbruchanweisung vorliegen, in der die erforderlichen Arbeitsschritte in der bei der Ausführung zu beachtenden Reihenfolge festgelegt sind. Diese Abbruchanweisung muss durch den einbezogenen Statiker erstellt oder zumindest freigegeben werden. Zudem ist bei solchen erheblichen Eingriffen in die Bausubstanz bzw. in das statische System zu prüfen, ob eine Baugenehmigung und / oder die Einschaltung eines Prüfstatikers erforderlich sind. Sofern im Zuge der Instandsetzungmaßnahme größere bauliche Veränderung oder Nutzungsänderungen durchgeführt werden, dürfte eine Baugenehmigung auf jeden Fall erforderlich sein. Dies zieht unter Umständen weitere formelle Schritte und Pflichten nach sich, wie zum Beispiel die Überprüfung von Brandschutzkonzepten oder die Erstellung von Lärmprognosen hinsichtlich der bei der Baumaßnahme zu erwartenden Schallimmissionen. Bild 13.22: Prinzipskizze: Abbruch Deckenfeld mit Durchlaufwirkung - Abstützung benachbarter Deckenfelder 462 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="473"?> Bild 13.23: Prinzipskizze: Sicherung Bodenplatte gegen Auftrieb Auch bei Arbeiten an Bodenplatten von Gebäuden muss vor Beginn geprüft werden, ob es sich hierbei um statisch relevante Bauteile wie zum Beispiel Weiße Wannen handelt, die ggf. gegen Auftrieb oder Biegebeanspruchungen aufgrund von anstehendem Wasserdruck zu sichern sind. Auch können Bodenplatten oder auch Zwischendecken häufig eine aussteifende Funktion für angrenzende Außenwände gegen den anstehenden Erd- oder Wasserdruck besitzen, sodass ein Abbruch oder eine Querschnittsschwächung bei diesen Bauteilen nur mit vorhergehenden Abstützmaßnahmen vorgenommen werden kann. 13.1.2.7 Lärmemission Bei dem Abtrag von massiven Bauteilen aus Stahlbeton wird zwangsläufig viel Energie unter zum Teil extremer Lärmentwicklung freigesetzt. Hierbei muss unterschieden werden zwischen der Lärmemission der Druckerzeuger (Hochdruckpumpen), welche mit sehr starken Dieselmotoren mit Motorleistungen von 600 KW (800 PS) und mehr angetrieben werden, sowie dem Lärm, der an der Abtragsstelle durch die schlagartige Entspannung des Wasserstrahls, der häufig mit Überschallgeschwindigkeit aus der Strahldüse austritt, entsteht. Die Lärmentwicklung am Druckerzeuger kann durch bauliche Maßnahmen wie die Anord‐ nung von Schallschutzwänden oder Einhausung mit schalldämmenden Konstruktionen deutlich gemindert werden. Bei üblichen Hochdruckaggregaten liegt der Schalldruckpegel, gemessen im Abstand von 3 m in der Größenordnung von 85 bis 90 [db(A)], bei neueren, sogenannten Super-Si‐ lent-Geräten bei 72 bis 75 [db(A)]. Die an der Abtragsstelle entstehende Lärmemission hängt sehr stark von den baulichen Gegebenheiten ab. Es handelt sich im Wesentlichen um Luftschall, der an der Strahldüse sowie durch das Ablösen von Betonbrocken entsteht. Zusätzlich entstehen bei Durchschüssen sehr laute Knallgeräusche durch die schlagartige Entspannung des Wasserstrahls. Der Luftschall kann, vor allem bei der Arbeit in geschlossenen Räumen wie zum Beispiel Tiefgaragen, relativ gut durch bauliche Maßnahmen wie Schallschutzeinhausungen, Anordnung von Schallschutzwänden usw. eingedämmt werden. Ein Vorteil des Hochdruckwasserstrahlens liegt im Vergleich zu anderen Abtragsverfahren wie Fräsen oder Stemmen darin, das so gut wie kein Körperschall und keine Erschütterungen entstehen, die durch die Gebäudekonstruktion in andere Gebäudeteile weitergeleitet werden. 463 13.1 Planung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="474"?> 13.1.2.8 Aufnehmen Abtrag Bei dem durch das Hochdruckwasserstrahlen von Stahlbeton entstehenden Abbruchmaterial handelt es sich um ein Gemisch aus Schlamm und kleinen Betonbrocken. Bezogen auf das ursprüngliche Festkörpervolumen ist ein Auflockerungsfaktor von 1,5 bis 2 für das Volumen an Abbruchmaterial anzusetzen. Auch bei der Gewichtsmenge ist aufgrund der Wasseraufnahme des Abbruchmaterials eine Vergrößerung um den Faktor 1,1 bis 1,3 anzusetzen. Die Konsistenz des Abbruchmaterials reicht von erdfeucht über nass bis schlammig. Daher erfolgt das Verbringen des Abbruchs in Entsorgungscontainer überwiegend mittels Radlader (Schaufel) oder - bei hohen Schlamm-Anteilen - durch Aufsaugen mit Vakuum-Sauggeräten. Bild 13.24: Abtransport HDW-Abtrag 13.1.2.9 Dokumentation Bild 13.25: Auswertung Fächennivellement Damit der Ursprungszustand und die verschiedenen Bauzustände rekonstruiert werden, ist es sinnvoll, vor Beginn der Abtragsarbeiten und gegebenenfalls nach jedem Arbeitsschritt die 464 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="475"?> Abmessungen (Geometrie) und den Zustand des zu bearbeitenden Bauteils zu dokumentieren. Hierdurch kann auch das Abtragsvolumen bestimmt oder zumindest plausibilisiert werden. Dies kann durch engmaschige Flächennivellements oder durch 3D-Laserscan-Verfahren erfolgen. Bei Bedarf sind vor Einbau des Betonersatzes bzw. neuer Aufbetonschichten neue Höhenlagen oder -Profile zu planen. 13.1.2.10 Anzahl Bauabschnitte Ein entscheidender Punkt bei der Planung einer Instandsetzungsmaßnahme ist die Festlegung der Anzahl der Bauabschnitte und deren Geometrie. Hierbei ist eine Reihe von Abhängigkeiten zu beachten. So ist bei Abtragsarbeiten an der Oberseite einer Zwischendecke in der Regel eine flächige Abstützung in der darunter liegenden Ebene erforderlich. Auch ohne flächige Abstützung kommt eine weitere Nutzung der unteren Ebene während der Abtragsarbeiten aus Sicherheitsaspekten meist nicht in Betracht. Hinzu kommt, dass zum Beispiel bei einer abschnitts‐ weisen Weiternutzung eines Parkhauses die notwendigen Zufahrtswege sowie Ein- und Ausgänge freigehalten und gesichert werden müssen. Für den Bauherrn ist aus wirtschaftlichen Gründen üblicherweise ausschlaggebend, wieviel Mietfläche oder Parkplätze während der Bauarbeiten weiter genutzt werden können und wie lange die Sperrzeiten und die Beeinträchtigung der Mieter durch die Baumaßnahmen andauern. Bild 13.26: Parkebene im Grundriss Um die Anzahl und Anordnung der Bauabschnitte mit dem Bauherrn diskutieren zu können, ist es häufig sinnvoll, die Abschnitte in 3D-Modellen zu visualisieren. 465 13.1 Planung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="476"?> Bild 13.27: Visualisierung von Bauabschnitten über mehrere Ebenen (2 BA) Bild 13.28: Visualisierung von Bauabschnitten über mehrere Ebenen (6 BA) In Bild 13.29 -13.31 wird exemplarisch anhand eines fiktiven Instandsetzungsprojektes (Tiefgarage mit 480 Stellplätzen auf 2 Ebenen) aufgezeigt, welche Auswirkungen die Anzahl der Bauabschnitte auf den Mietausfall, aber auch auf die Bauzeit und die damit einhergehende Beeinträchtigung der Parkhausnutzer durch den Baubetrieb hat. 466 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="477"?> In Bild 13.29 sind zunächst die für den Bauablauf getroffenen Annahmen aufgeführt: Bild 13.29: Fiktives Instandsetzungsprojekt - Annahmen In Bild 13.30 sind die benötigten Arbeitstage (Werktage / Kalendertage) für die einzelnen Arbeits‐ schritte in Abhängigkeit von der Flächengröße der einzelnen Abschnitte aufgelistet. Hierbei ist zu beachten, dass sich die Flächen- / Tagesleistung in Abhängigkeit der zu bearbeitenden Fläche nicht proportional verhält, sondern bei kleineren Teilflächen tendenziell sinkt. Weiterhin sind bei der Flächenaufteilung Überschneidungsflächen, bedingt durch notwendige Lager- und Baustelleneinrichtungsflächen sowie Schutzwände und Überlappungsbereiche zu berücksichtigen (siehe Bild 13.31). Daher verhält sich die tatsächlich bearbeitete Abschnittsflä‐ chengröße nicht linear zur Abschnittsanzahl, sondern unterproportional. Bild 13.30: Fiktives Instandsetzungsprojekt - Abschnittsgrößen, Zeitansätze 467 13.1 Planung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="478"?> In Bild 13.31 sind als Ergebnis die Dauer der Baumaßnahme (Sperrtage) sowie die Mietverluste aufgeführt. Es ist deutlich zu erkennen, dass bei einer Zergliederung der Maßnahme in viele, klei‐ nere Abschnitte die Sperrdauer erheblich zunimmt, wogegen der Mietverlust abnimmt. Hierbei ist auch zu bedenken, dass durch die Zergliederung, unter anderem durch Zusatzaufwendungen für die verlängerte Baustelleneinrichtung und die Abschottung der Bauabschnitte, die Baukosten steigen. Diese Kostensteigerung ist in dieser Modellrechnung noch nicht berücksichtigt und sehr stark vom Einzelfall abhängig. Bei einem konkreten Projekt sollte diese jedoch durch Varianten‐ betrachtungen im Rahmen der Kostenschätzung bzw. Vergabe ermittelt werden. Auch ist häufig die verlängerte Beeinträchtigung der Mieter (Nutzer) durch Baulärm, Schmutz/ Staubbildung und Erschwernisse in der Zufahrt bzw. Zugänglichkeit ein entscheidender Aspekt. Letztendlich muss der Bauherr für sein jeweiliges Projekt eine Abwägung treffen, ob eine kurze, schnelle Abwicklung der Baumaßnahme mit einer zeitlich beschränkten Beeinträchtigung der Nutzer oder eine Minimierung der Mietverluste mit im Gegenzug höheren Baukosten für ihn vorrangig sind. Bild 13.31: Fiktives Instandsetzungsprojekt - Sperrtage, Mietverlust 13.1.3 Schadstoffe 13.1.3.1 Arten von Schadstoffen, Vorkommen Durch fortschreitende Erkenntnisse über die Verbreitung und Wirkung gesundheitsgefährdender Stoffe und die damit einhergehende laufende Verschärfung der Regelwerke sowie Herabsetzung der zulässigen Grenzwerte muss man sich bei der Bauwerksinstandsetzung zunehmend auch mit dem Thema Gebäudeschadstoffe auseinandersetzen. Die im Rahmen von Instandsetzungsarbeiten häufig anzutreffenden Schadstoffe sowie Bei‐ spiele für deren Einsatzzweck sind in der Tabelle 13.3 aufgelistet. 468 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="479"?> Schadstoff: Einsatzzweck, Bauteile: Asbest Dämmstoffe, Lüftungsanlagen, Fliesenkleber, Estri‐ che, Brandschutz (z. B. Torfüllungen) PAK (Teer) Beschichtungen, Korrosionsschutz, Fugenmassen, Parkettkleber, Abdichtungen, Dämmstoffe PCB Fugenmassen, Fugenbänder, Anstriche KMF (künstliche Mineralfasern) Dämmstoffe, Lüftungsanlagen, Rohrisolierungen Biologische Schadstoffe Taubenkot (z. B. Dachräume) Schimmelpilze Tabelle 13.3: Schadstoffe - Einsatzzweck Bild 13.32: Taubenkot im Treppenhaus eines entkernten Hochhauses 13.1.3.2 Regelwerke, Vorschriften In Tabelle 13.4 sind die aktuell wichtigsten, bei dem Umgang mit Gebäudeschadstoffen zu beach‐ tenden Regelwerke und Vorschriften aufgelistet. Die „TRGS 519 - Asbest: Abbruch-, Sanierung- oder Instandhaltungsarbeiten“ wurde zuletzt im Oktober 2019, die Gefahrstoffverordnung im Juli 2021 aktualisiert. Alle aufgeführten Regelwerke können aktuell im Internet heruntergeladen wer‐ den. Die vollständigen Literatur- und Quellenangaben sind im Literatur- und Quellenverzeichnis aufgelistet. Schadstoff Regelwerk, Vorschrift Allgemein • TRGS 524 - Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten in kontaminierten Bereichen [5] • DGUV Regel 101-004 - Kontaminierte Bereiche [3] • Gefahrstoffverordnung - GefStoff V [4] Asbest • TRGS 519 - Asbest: Abbruchs-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten [6] • Leitlinie für die Asbesterkundung zur Vorbereitung von Arbeiten in und an älteren Gebäuden [7] 469 13.1 Planung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="480"?> Schadstoff Regelwerk, Vorschrift PAK (Teer) • BG Bau Handlungsanleitung PAK-haltige Klebstoffe [8] • PAK - Handlungsanleitung LAGetSi [9] Taubenkot • DGUV 201-031 Handlungsanleitung zur Gefährdungsbeurteilung nach BioStoff V [10] Tabelle: 13.4 Schadstoffe - Regelwerke, Vorschriften Das maßgebliche Regelwerk für die Ausführung von Bauarbeiten in kontaminierten Bereichen ist die TRGS 524 - Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten in kontaminierten Bereichen [5], heraus‐ gegeben durch den Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Diese Technischen Regel für Gefahrstoffe konkretisiert im Rahmen ihres Anwendungsbereichs Anforderungen der Gefahrstoffverordnung und der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vor‐ sorge. Bei Einhaltung der TRGS kann der Arbeitgeber insoweit davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnungen erfüllt sind. In dieser Regel sind in den ersten Kapiteln nach der Definition des Anwendungsbereiches wesentliche Begriffsbestimmungen wie z. B. „Kontaminierte Bereiche“, „Auftraggeber“, „Auftragnehmer“ u.v.m. aufgeführt. Bild 13.33: Auszug aus TRGS 524 [5] - 3.2.1. Vorwegmaßnahmen 470 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="481"?> Bild 13.34: Auszug aus TRGS 524 [5] - 3.2.2. Maßnahmen in der Ausschreibung und bei der Ausführung In Kapitel 3 sind Allgemeine Grundsätze, Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten sowie Vorwegmaßnahmen des Auftraggebers in der Planungsphase definiert. Hiernach ist der Auftrag‐ geber verpflichtet zu ermitteln, ob in den an den Auftragnehmer zur Bearbeitung übergebenen Materialien (Bauteilen) Gefahrstoffe enthalten sein können. Führt diese Ermittlung zu dem be‐ gründeten Verdacht, dass in den zu bearbeitenden Bauteilen Gefahrstoffe enthalten sein können, ist vom Auftraggeber das mögliche Gefährdungspotenzial zu beschreiben. Dies bedeutet, dass bereits in der Planungsphase im Hinblick auf die entsprechende Bau- und Nutzungsgeschichte Erkundungen und Beurteilungen der zu bearbeitenden Materialien (Untergrund, Bausubstanz, Anlagen) durchzuführen sind. Die für die Gefährdungsbeurteilung relevanten Eigenschaften der Gefahrstoffe sind, zum Beispiel in einem Gefahrstoffkataster, zu beschreiben. Auf Basis dieser Ermittlung ist in der Planungsphase ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzkonzept (Arbeits- und Sicherheitsplan) zu erarbeiten. Die gemäß den Festlegungen des Arbeits- und Sicherheitsplanes zu treffenden Maßnahmen sind in der Ausschreibung des Auftraggebers entweder im Einzelnen zu beschreiben oder der Arbeits- und Sicherheitsplan wird Bestandteil der Ausschreibung. Liegen solche Ermittlungen nicht vor, muss der Arbeitgeber (Auftragnehmer) gemäß § 7 i.V.m. § 17 Abs. 4 der Gefahrstoffverordnung [4] bei der Informationsermittlung insbesondere beim Auftraggeber Angaben darüber einholen, ob bei den durchzuführenden Arbeiten Gefahrstoffe freigesetzt werden können. Besonders zu erwähnen sind die Auswirkungen, die sich durch die Aktualisierung der TRGS 519 - Asbest: Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten, Stand 10/ 2019 [6] ergeben. Hiernach unterliegen alle Gebäude, deren Baubeginn vor Ende 1993 liegt einem „Generalverdacht“, da hier - sofern keine Erkundung und Beprobung mit negativem Analysebefund durchgeführt wurde - davon ausgegangen werden muss, dass in diesen Gebäuden Asbest verbaut wurde (siehe auch: Generalverdacht Asbest, Beitrag in Der Maler und Lackierermeister 6/ 2020 [15]). Eine Planungshilfe mit Empfehlungen für Arbeiten und Tätigkeiten, bei denen Asbest in Bauteilen und Gebäuden vermutet wird, gibt die „Leitlinie für die Asbesterkundung zur Vorbereitung von Arbeiten in und an älteren Gebäuden“ [7]. In Bild 2 dieser Leitlinie ist eine Schautafel mit der Vorgehensweise bei der Asbesterkundung dargestellt (Siehe Abb.: 13.35). 471 13.1 Planung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="482"?> Bild 13.35: Auszug aus Leitlinie für Asbesterkundung - Abbildung 2 [7] Einen guten Überblick über typische Gebäudeszenarien mit schadstoffhaltigen Werkstoffen kann man sich in dem Buch „Gebäudeschadstoffe im Bild“ [14] verschaffen. Hier sind in zahlreichen 472 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="483"?> Abbildungen typische Situationen in Gebäuden aufgezeigt, gegliedert nach verschiedenen Schad‐ stoffen, aufgezeigt. Beispielhaft für die Betoninstandsetzung kann man Betonbau-Hilfsteile wie Bewehrungsabs‐ tandshalter (sog. „Knochen“), Wandstärkenspreizrohre usw. nennen, die bei Einbau vor 1994 Asbestfasern enthalten können. 13.1.3.3 Einfluss auf den Bauablauf Sobald vor oder während einer (Instandsetzungs-) Baumaßnahme eine Kontamination der baulichen Anlage durch Schadstoffe festgestellt wird, hat dies erhebliche Auswirkungen auf den Bauablauf zur Folge. Neben der TRGS 524 sind dann die Vorgaben der DGUV Regel 101-004 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung / Berufsgenossenschaften [3] zwingend zu beachten: Sofern in den kontaminierten Bereichen mehrere Unternehmen, gegebenenfalls auch Subunter‐ nehmer tätig sind, hat der Auftraggeber (Bauherr) schriftlich einen Koordinator zu bestellen, der für die Vermeidung möglicher gegenseitiger Gefährdungen und für die Koordinierung einer lückenlosen sicherheitstechnischen Überwachung der verschiedenen Arbeiten verantwortlich ist. Bild 13.36: Auszug aus DGUV Regel 101-004 [2] - Koordinator - Bestellung Dieser Koordinator ist nicht mit dem Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator (SiGeKo) nach Baustellenverordnung (BaustellV) [11] zu verwechseln. In diesem Fall muss der Koordinator eine ausreichende Sachkunde für den Sicherheits- und Gesundheitsschutz bei der Arbeit in kon‐ taminierten Bereichen sowie bei der Sanierung von Gebäudeschadstoffen nachweisen können. 473 13.1 Planung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="484"?> Bild 13.37: Auszug aus DGUV Regel 101-004 [3] - Koordinator - Aufgaben, Eignung Weiterhin dürfen mit der Ausführung der Arbeiten nur solche Firmen beauftragt werden, die entsprechende Erfahrungen nachweisen können und über geeignetes Personal und technische Ausrüstungen verfügen. Bild 13.38: Auszug aus DGUV Regel 101-004 [3] - Vergabe von Aufträgen Nach Abschnitt 4.2.4 DIN 18 299 „VOB Verdingungsordnung für Bauleistungen; Teil C: Allge‐ meine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV); Allgemeine Regelungen für Bauarbeiten jeder Art“ sind die besonderen Schutzmaßnahmen für Arbeiten in kontaminierten Bereichen Besondere Leistungen. Daher sind die erforderlichen Maßnahmen in Einzelpositionen 474 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="485"?> auszuschreiben. Hierfür sind unter anderem bei der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) entsprechende Musterausschreibungstexte erhältlich (URL: https: / / www.bgbau.de/ service/ angebote/ medien-center-suche/ medium/ sicherheit-am-bau-ausschreibungstexte/ , letzter Zugriff 10/ 2021). Bei der Planung von Arbeiten in kontaminierten Bereichen sind auch mögliche Einflüsse der erforderlichen Maßnahmen auf die Bauzeit wie beispielsweise Zeitbedarf für Untersuchungen und Konzeptentwicklungen, Mehraufwand bei der Ausführung aufgrund von Rüstzeiten, Arbeitszeit‐ begrenzungen (Tragzeitbegrenzungen der persönlichen Schutzausrüstung - PSA) usw. mit zu berücksichtigen. In Abschnitt 11 der DGUV Regel 101-004 sind eine Reihe von Punkten aufgeführt, die bei der Durchführung von Bauarbeiten in kontaminierten Bereichen zu beachten sind. Hierzu gehören neben technischen und organisatorischen Maßnahmen auch besondere Anzeigenpflichten. So hat der Bauherr zunächst geplante Bauarbeiten in kontaminierten Bereichen rechtzeitig vor Beginn beim zuständigen Amt für Arbeitssicherheit (AFAS) anzuzeigen. Das ausführende Unternehmen muss spätestens vier Wochen vor Beginn der Arbeiten diese bei der zuständigen Berufsgenos‐ senschaft schriftlich anzeigen. Darüber hinaus sind zum Beispiel noch Anzeigepflichten nach Baustellenverordnung und Biostoffverordnung zu nennen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine mögliche Kontamination der instand zu setzenden Bauteile bzw. Gebäudeteile möglichst frühzeitig geklärt werden sollte, um Störungen im Bauablauf und daraus resultierende Arbeitsunterbrechungen, Bauzeitverlängerungen, zusätzliche Leistun‐ gen usw. zu verhindern bzw. rechtzeitig mit einplanen zu können. 13.1.4 Schutz der Umgebung Bei der Ausführung von Instandsetzungsarbeiten ist die Emission von verschiedenen Störfaktoren in die Umwelt, insbesondere bei Abbruch- und Abtragsarbeiten, meist nicht zu vermeiden. Als häufigste Störfaktoren sind • Stäube • Abgase, Wärme • Abwässer • Lärm zu nennen. Besonders bei der Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen in Innenstadtlagen führen die Emissionen aufgrund der dichten Bebauung und beengter Platzverhältnisse zu Belästigungen von Anwohnern und angrenzenden Einzelhandelsgeschäften, Büros, Arztpraxen, gastronomi‐ schen Einrichtungen u. v. m. 475 13.1 Planung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="486"?> Bild 13.39: Baustelleneinrichtungsflächen einer Tiefgarageninstandsetzung in Innenstadtlage [22] Die Stärke der Emissionen kann bereits an der Quelle durch die Wahl entsprechender Geräte und Maschinen reduziert werden. Zudem werden meist zusätzliche Maßnahmen wie Staub‐ schutzeinhausung, Vorhaltung von Staub-Absauganlagen in ausreichender Dimensionierung, Aufbau von Schallschutzwänden usw. vorgesehen. Da die bei dem Betrieb großer Aggregate wie Druckluftkompressoren oder Hochdruckwasserpumpen entstehenden Abgase aufgrund der Intensität und der ausgedehnten Betriebszeiten meist zu erheblichen Beeinträchtigungen der Umgebung führen, sind auch hierfür oft zusätzliche Maßnahmen wie der Bau von Abluftkaminen, die über die angrenzende Bebauung reichen, vorzusehen. Auf die besondere Lärmentwicklung bei Hochdruckwasserstrahlarbeiten wurde bereits in Abschnitt 13.2.7. eingegangen. Generell gilt für den Betrieb von Baumaschinen auf Baustellen die AVV Baulärm [16]. In dieser Verwaltungsvorschrift sind Immissionsrichtwerte in Form von Schallwerten festgesetzt. Es wird hierbei zwischen verschiedenen Gebieten (Nutzungsformen) von Industrie- und Gewerbegebieten über Wohngebiete bis hin zu Kurgebieten sowie zwischen Tag- und Nachtzeiten unterschieden. Die Einordnung der Gebiete erfolgt nach den Festsetzungen im Bebauungsplan bzw. nach der tatsächlichen Baulichen Nutzung. Die Immissionsrichtwerte sind als Schalldruckpegel in dB(A) angegeben. Diese sollen nach Möglichkeit am Immissionsort gemessen werden. Die Grenzwerte betragen zum Beispiel in Industriegebieten tagsüber 65 dB(A), in reinen Wohngebieten 50 dB(A). Im Gegensatz zu dem vor Ort bzw. in einem gewissen Abstand zu der Lärmquelle gemessenen Schalldruckpegel wird bei vielen Baumaschinen auch der Schallleistungspegel (LWA) angegeben. Dieser gibt an, wie groß der Schallpegel direkt an der Geräuschquelle ist. Der Schall nimmt jedoch mit zunehmendem Abstand von der Quelle ab. Zur besseren Einordnung sind in Tabelle 13.5 die Schallleistung und die Schallleistungspegel verschiedener Schallquellen aufgelistet. Hierbei wird deutlich, dass auch Alltagsgeräusche wie 476 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="487"?> spielende Kinder oder das Tippen einer Schreibmaschine bereits erhebliche Schallleistungen erzeugen. Daher müssen bei Schallmessungen zur Beurteilung der Baulärmimmission vorhandene Alltagsgeräusche, Verkehrslärm o. ä. herausgefiltert werden. Situation und Schallquelle Schallleistung P ak Watt Schallleistungspegel L w dB re 10 −12 Watt Raketentriebwerk 1.000.000 W 180 dB Strahltriebwerk 10.000 W 160 dB Sirene 1.000 W 150 dB Schiffs-Dieselmotor 100 W 140 dB Maschinengewehr 10 W 130 dB Presslufthammer 1 W 120 dB Bagger, Trompete 0,3 W 115 dB Kettensäge (Verbrennungsmotor) 0,1 W 110 dB Hubschrauber 0,01 W 100 dB laute Sprache 0,001 W 90 dB Unterhaltungssprache, Schreib‐ maschine 10 -5 W 70 dB Kühlschrank 10 -7 W 50 dB Tabelle 13.5: Schallleistungspegel diverser, alltäglicher Schallquellen - Quelle: Wikipedia [17] Bei einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte um mehr als 5 dB(A) sollen Maßnahmen zur Minderung der Geräusche angeordnet werden. Hierfür können Maßnahmen bei der Einrichtung der Baustelle (Lärmschutzeinhausungen), an den Baumaschinen, die Verwendung lärmarmerer Baumaschinen und Bauverfahren sowie die Beschränkung der Betriebszeit lautstarker Bauma‐ schinen in Betracht kommen. Die Stilllegung von Baumaschinen kommt nur als äußerstes Mittel in Betracht. 13.1.5 Umgebungsbedingungen Bei der Verarbeitung von Betoninstandsetzungs- und Oberflächenschutzsystemen sind die Umge‐ bungsbedingungen ein entscheidender Faktor dafür, dass die Bauprodukte nach ihrer Aushärtung bzw. Reaktion die geforderten Endeigenschaften aufweisen. Daher sind in der Regel die in Tabelle 13.6 aufgeführten Umgebungsbedingungen, gegebenenfalls durch geeignete zusätzliche Maßnahmen wie Einhausung und Temperierung / Klimatisierung, sicher zu stellen. 477 13.1 Planung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="488"?> Umgebungsbedingung Kopfzeile Temperatur (Luft, Boden, Material) 8° - 30 °C Luftfeuchte < 75 % (rel.) (bei 1K-PU > 30 %) Witterung Trocken (kein Niederschlag oder Nebel) Restfeuchte Untergrund Reaktionsharze: < 4 % Mineralische Systeme: mattfeucht Sonstige Anforderungen bei der Verarbeitung von Betoninstandsetzungs- und Oberflächenschutzsys‐ temen Staubfreiheit Vermeidung von Zugluft Tabelle 13.6: Umgebungsbedingungen Diese Umgebungsbedingungen müssen nicht nur während der Verarbeitung der Materialien, sondern auch während der Aushärtungsphase eingehalten werden. 13.1.6 ATV DIN 18349 Die VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil C besteht aus zahlreichen Allge‐ meinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV), welche gleichzeitig auch als DIN-Normen herausgegeben werden. Für die Ausführung von Schutz- und Instandsetzungsmaß‐ nahmen ist im Wesentlichen die „ATV DIN 18349 Betonerhaltungsarbeiten“ maßgeblich. Diese gilt für Arbeiten zur Erhaltung und Instandsetzung von Bauwerken und Bauteilen aus bewehrtem oder unbewehrtem Beton sowie für das Aufbringen zugehöriger Oberflächenschutzsysteme und wird vom DIN im Auftrag des Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA) herausgegeben. 13.1.6.1 Abschnitt 0: Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung In Abschnitt 0 sind Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung aufgeführt. Hier findet der Sachkundige Planer konkrete Hinweise, welche Angaben in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen sind. Neben Angaben zur Baustelle und zur Ausführung, wozu unter anderem auch das Instandsetzungskonzept sowie der Instandsetzungsplan gemäß Instandsetzungsricht‐ linie des DAfStb [19] zählen, sind hier auch die Abrechnungseinheiten aufgelistet, die im Leistungsverzeichnis vorzusehen sind. So ist vorgegeben, welche Leistungen nach Flächenmaß, Längenmaß und Anzahl (Stück) oder Masse (Gewicht) auszuschreiben sind. Die Bearbeitung von örtlich begrenzten Fehlstellen (Schadstellen, Ausbruchstellen) ist zum Beispiel in verschiedenen Einzelpositionen nach Anzahl, getrennt nach verschiedenen Größenklassen und der größten Einzeltiefe zu erfassen. Dies ist auch insofern zu beachten, da die Abrechnungsregeln in Abschnitt 5 der ATV auf diese Vorgaben abgestimmt sind. 13.1.6.2 Abschnitt 3: Ausführung Im Abschnitt Ausführung sind zunächst verschiedene Normen und Regelwerke aufgeführt, die für die Ausführung von Betonerhaltungsarbeiten gelten. Weiterhin sind verschiedene Aspekte, wie z. B. eine erkennbare Gefährdung der Standsicherheit, Abweichungen des Bestandes gegenüber 478 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="489"?> den Vorgaben, ungeeignete vorgegebene Vorbereitungsverfahren, ungeeignete klimatische oder äußere Bedingungen usw. aufgeführt, die zu Bedenken des Auftragnehmers nach §4 Abs. 3 VOB/ B [12] und zu Besonderen Leistungen (vergütungspflichtig) führen können. In Abschnitt 3.2.ff finden sich konkrete Hinweise zur Untergrundvorbereitung, zur Behandlung des Stahls im Beton, zur Betoninstandsetzung, zum Füllen von Rissen und Hohlräumen sowie zu Fugenabdichtungen mit elastischen Fugenbändern. 13.1.6.3 Abschnitt 4: Nebenleistungen, Besondere Leistungen In Abschnitt 4 ist definiert, welche Leistungen zu den Nebenleistungen zählen (Abschnitt 4.1), und bei welchen Leistungen es sich um Besondere Leistungen (Abschnitt 4.2) handelt. Neben den erforderlichen Leistungen für erhöhte Ebenheitsanforderungen (3.1.4) und zusätzlichen Leistun‐ gen bei nicht Erreichen der geforderten Oberflächenzugfestigkeit nach (Kugel-) Strahlen in einer Abtragstiefe bis 2 mm sind als Besondere Leistungen vor allem Maßnahmen zum besonderen Schutz von Bau- und Anlagenteilen, Einsatz von Filter- und Absauganlagen, Schutzmaßnahmen vor ungeeigneten klimatischen Bedingungen (Einhausung, Beheizung), Kosten für Fremdüber‐ wachungen sowie das Beseitigen und Entsorgen verfahrensbedingter Vermischungen, z. B. bei Strahlarbeiten. zu nennen. Diese Besonderen Leistungen sind in gesonderten Leistungspositionen auszuschreiben und gesondert zu vergüten. Hierzu zählen auch das Entfernen von störenden Fremdkörpern aus dem Beton, z. B. Bindedraht, Nägel, Kunststoffteile, Holzteile. 13.1.6.4 Abschnitt 5: Abrechnung Im Abschnitt 5 der DIN 18349 findet man eine Reihe von Abrechnungsregeln, die auf die Betonerhaltungsarbeiten abgestimmt sind. Diese sind bei Vereinbarung der VOB/ C im Bauvertrag Vertragsbestandteil und somit zwingend durch die am Bau Beteiligten zu beachten. Beispielhaft für die Besonderheiten bei der Abrechnung von Betonerhaltungsarbeiten ist die Regelung unter Punkt 5.5.9 für die Abrechnung von Einzelflächen wie etwa örtlich begrenzte Fehlstellen (Ausbruchstellen) zu nennen. Bei der Abrechnung von beliebig geformten Einzelflä‐ chen ist demnach zur Ermittlung der Maße das kleinste umschriebene Rechteck zugrunde zu legen. Dies führt dazu, dass die abgerechnete Fläche in der Praxis deutlich größer als die tatsächlich bearbeitete Fläche ausfallen kann, insbesondere, wenn auch noch verschiedene Tiefenklassen vorgegeben sind. Man könnte also den Eindruck gewinnen, dass die Abrechnungsregeln nach DIN 18349 hier vorteilhaft für den Auftragnehmer gestaltet wurden. Da diese „Spielregel“ jedoch dem fachkundigen Kalkulator vorab bekannt ist und somit in die Kalkulation mit einfließt, ist dieser Vorteil in der Regel bereits „eingepreist“ und eine Ausgewogenheit gegeben. Als hilfreich für die Anwendung und Auslegung der Abrechnungsregeln ist die VOB im Bild - Hochbau- und Ausbauarbeiten [21] zu nennen, die mittlerweile in der 23. Auflage erschienen ist. 13.1.7 Brandschutz Bei der Planung und Ausführung von Instandsetzungsmaßnahmen sollte immer auch der bauliche Brandschutz betrachtet werden. Insbesondere bei baulichen Veränderungen oder Nutzungsände‐ rungen kann der Bestandsschutz der baulichen Anlage entfallen, sodass gegebenenfalls auch die Brandschutzkonzepte anzupassen sind. Insbesondere die folgenden Punkte sind aus brandschutztechnischer Sicht zu beachten und auch im Bauzustand während der Baumaßnahme sicherzustellen: 479 13.1 Planung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="490"?> • Betondeckung • Wahl des geeigneten Instandsetzungsmörtels (Baustoffklasse A) • Verschluss von Durchdringungen • brandschutztechnische Ausbildung von Fugen • Abschottung von Brandabschnitten • Funktion von Brandschutztoren und -Türen • Funktion von Brandmelde- und Löscheinrichtungen Gegebenenfalls sind vor Beginn der Baumaßnahme Abstimmung der Vorgehensweise bzw. Maßnahmen mit Feuerwehr, Gebäudeversicherung usw. erforderlich. 13.1.8 Literatur [1] Lohmeyer, G., Ebeling, K.: „Parkdecks - Hinweise und Empfehlungen zur Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit für Parkbauten aus Beton“, Verlag Bau+Technik, 2011. [2] Andreas W. Momber, Rolf-Rainer Schulz. Handbuch der Oberflächenbearbeitung Beton. Birkhäuser Verlag, Basel 2006. [3] DGUV Regel 101-004 (vormals BGR 128) Kontaminierte Bereiche. Ausgabe: April 1997 - aktualisierte Fassung Februar 2006, Fachbereich „Bauwesen“, Sachgebiet: Sanierung und Bauwerksunterhalt der DGUV. URL: www.bgbau.de/ service/ angebote/ medien-center-suche/ medium/ kontaminierte-bereiche/ , letzter Zugriff 10/ 2021. [4] Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung - GefStoff V). Ausgabe Juli 2021. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). URL: www.baua.de/ DE/ Themen/ Arbeitsgestaltung-im-Betrieb/ Gefahrstoffe/ Arbeiten-mit-Gefahrstoffe n/ Gefahrstoffverordnung/ Gefahrstoffverordnung_node.html, letzter Zugriff 10/ 2021. [5] TRGS 524 - Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten in kontaminierten Bereichen, Ausgabe: Februar 2010, zuletzt geändert und ergänzt: 2011. Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS). URL: www.baua.de/ DE/ Angebot e/ Rechtstexte-und-Technische-Regeln/ Regelwerk/ TRGS/ TRGS-524.html, letzter Zugriff 10/ 2021. [6] TRGS 519 Asbest: Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten, Ausgabe Januar 2014, zuletzt geändert und ergänzt: Oktober 2019. URL: www.baua.de/ DE/ Angebote/ Rechtstexte-und-Technische-Re geln/ Regelwerk/ TRGS/ TRGS-519.html, letzter Zugriff 10/ 2021. [7] Leitlinie für die Asbesterkundung zur Vorbereitung von Arbeiten in und an älteren Gebäuden. 1. Auflage 2020. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) und Umweltbundesamt (UBA). [8] Sanierung PAK-haltiger Klebstoffe - Handlungsanleitung zum Entfernen PAK-haltiger Kleb‐ stoffe für Holzfußböden. Ausgabe 4/ 2015. BG Bau - Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft. URL: www.bgbau.de/ service/ angebote/ medien-center-suche/ medium/ sanierung-pak-haltiger-klebstoffe -handlungsanleitung-zum-entfernen-pak-haltiger-klebstoffe-fuer-hol/ , letzter Zugriff 10/ 2021. [9] Umgang mit teerhaltigen Materialien im Hochbau: PAK-Handlungsanleitung; Umbau - Instandhaltung - Rückbau / Hrsg.: LAndesamt für Arbeitsschutz, GEsundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin (LAGetSi). Text Markus Klug. Berlin 2007. Nicht mehr aktualisiert! Quelle: Zentral- und Landesbibliothek Berlin. URL: digital.zlb.de/ viewer/ metadata/ 15484173/ 1/ , letzter Zugriff 10/ 2021. [10] DGUV Information 201-031 (bisher BGI 892) - Handlungsanleitung zur Gefährdungsbeurteilung nach Biostoffverordnung (BioStoff V) - Gesundheitsgefährdungen durch Taubenkot. Ausgabe November 2006, Fachbereich „Bauwesen“, Sachgebiet: Sanierung und Bauwerksunterhalt der DGUV. URL: www.bgbau-m edien.de/ handlungshilfen_gb/ daten/ dguv/ 201_031/ titel.htm, letzter Zugriff 10/ 2021. 480 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="491"?> [11] Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen (Baustellenverordnung - BaustellV). Stand: 10.06.1998, zuletzt geändert 27.06.2017. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. URL: www.gesetze-im-internet.de/ baustellv/ BJNR128300998.html , letzter Zugriff 10/ 2021. [12] VOB - Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen - Teil A (DIN 1960), Teil B (DIN 1961), Teil C (ATV). DIN Deutsches Institut für Normung, Berlin, Beuth Verlag GmbH, Berlin, Ausgabe 2019. [13] DIN 18299: 2019-09 - VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen - Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) - Allgemeine Regelungen für Bauarbeiten jeder Art. DIN Deutsches Institut für Normung, Berlin, Beuth Verlag GmbH, Berlin, Ausgabe 2019-09. [14] Hans-Dieter Bossemeyer, Gebäudeschadstoffe im Bild, Asbest, KMF, PCB, PAK und weitere Schadstoffe in Gebäuden erkennen. Verlagsgesellschaft Rudolf Müller GmbH & Co. KG, Köln 2020. [15] Hans-Joachim Rolof, Generalverdacht Asbest. Beitrag in Der Maler und Lackierermeister 6/ 2020, Verlag W. Sachon, Mindelheim. [16] AVV Baulärm - Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm - Geräuschimmissionen - vom 19. August 1970. Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI). URL: www.verwaltu ngsvorschriften-im-internet.de/ bsvwvbund_19081970_IGI7501331.htm, letzter Zugriff 10/ 2021. [17] Artikel „Schallleistung“, Wikipedia, letzte Bearbeitung 11.Juli 2021, URL: de.wikipedia.org/ wiki/ Schall leistung. [18] DIN 18349: 2019-09 - VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen - Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) - Betonerhaltungsarbeiten. DIN Deutsches Institut für Normung, Berlin, Beuth Verlag GmbH, Berlin, Ausgabe 2019-09. [19] Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs-Richtlinie) Teil 1 - 4. Deutscher Ausschuss für Stahlbeton - DAfStb im DIN Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin. 2. Berichtigung 12/ 2005. [20] (DIN EN) ISO 12944-4: 2017-11 Beschichtungsstoffe - Korrosionsschutz von Stahlbauten durch Be‐ schichtungssysteme - Teil 4: Arten von Oberflächen und Oberflächenvorbereitung. Beuth Verlag GmbH, Berlin, Ausgabe 2017-11. [21] Franz, R., Nolte, J., VOB im Bild - Hochbau- und Ausbauarbeiten, Abrechnung nach der VOB 2019. Verlagsgesellschaft Rudolf Müller, Köln. Ausgabe 2020-05. [22] Kartenausschnitt aus OpenStreetMap.org, letzter Zugriff 04/ 2022, Lizenz: Open Data Commons Open Database Lizenz (ODbL). 481 13.1 Planung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="492"?> 13.2 Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen C. Helf 13.2.1 Grundlagen Grundlage für die Qualitätssicherung bei der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaß‐ nahmen sind die Vorgaben der einschlägigen Regelwerke. Hier sind zunächst die „Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung), Teil 1 und 2“ [1], [2] sowie die „Richtlinie Schutz- und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs-Richtlinie) Teil 1 - 4“ [3] maßgebend. Die Regelungen der im Januar 2021 neu eingeführten TR Instandhaltung haben hierbei Vorrang vor der älteren Instandsetzungs-Richtlinie, wobei in der neuen TR Instandhaltung nicht genannte Sachverhalte, die in der Instandsetzung-Richtlinie enthalten sind, weiter gelten. 482 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="493"?> Bild 13.40: Deckblatt TR Instandhaltung Die neue TR Instandhaltung wurde bisher (Stand August 2022) allerdings erst in 13 von 16 Bundesländern bauaufsichtlich eingeführt. Der aktuelle Stand der Einführung bzw. Umsetzung 483 13.2 Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="494"?> der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) in den einzelnen Bundesländern kann auf der Homepage des Deutschen Institutes für Bautechnik (DIBt) abgerufen werden (URL: www.dibt.de). Auch muss darauf hingewiesen werden, dass das neue Regelwerk von Teilen der Fachwelt kritisch gesehen und kontrovers diskutiert wird. So ist die TR Instandhaltung nach Auffassung der Deutschen Bauchemie e. V., dem Interessenverband der in Deutschland ansässigen Hersteller bauchemischer Produkte, nicht mit EU-Recht konform, sodass für die am Bau Beteiligten keine Rechtssicherheit bei Anwendung des Regelwerks besteht. Aus diesem Grund haben Mitgliedsunternehmen der Deutschen Bauchemie inzwischen ein Normenkontrollverfah‐ ren gegen die TR Instandhaltung eingeleitet und beantragt, die produktbezogenen Teile der TR Instandhaltung und der Instandhaltungs-Richtlinie für unwirksam zu erklären (siehe Pressemit‐ teilungen der Deutschen Bauchemie vom 03.02.2021 [4] und 28.10.2021 [6]. Auf der anderen Seite haben der Deutsche Beton- und Bautechnik-Verein E. V. (DBV) und acht weitere Bau-Verbände im Februar 2021 ein gemeinsames Positionspapier zum Thema Betoninstandsetzung veröffentlicht [5], in dem zur Erleichterung der praktischen Umsetzung der Regelwerkssituation eine von den Produktherstellern zu erfolgende Beauftragung von unabhängigen Bewertungen der Produktan‐ gaben befürwortet wird, mit welchen der Nachweis der Erfüllung der Bauwerksanforderungen bei Verwendung CE-gekennzeichneter Instandsetzungsprodukte erbracht werden kann. In der täglichen Arbeit sind nach derzeitigem Stand aufgrund der Einführung der TR Instandhal‐ tung durch das DIBt dennoch beide Regelwerke zu berücksichtigen. Somit sind die Planung der Instandhaltung von Betonbauwerken sowie die Anforderungen an Produkte und Systeme in der TR Instandhaltung geregelt, die Ausführung von Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen, die Anforderungen an die Betriebe und die Überwachung der Ausführung in Teil 3 sowie die ausführungsbezogenen Inhalte im Teil 2 der Instandsetzungs-Richtlinie. Die Instandhaltung von Bauteilen aus Leichtbeton ist in der TR Instandhaltung nicht geregelt. Für die Instandhaltung von Betonbauteilen, die besonderen Beanspruchungen oder weitergehen‐ den Anforderungen als diese in der Technischen Regel definiert sind unterliegen, können weitere Leistungen aus anderen technischen Regeln abgeleitet werden. Dies gilt z. B. für Betonbauteile • aus dem Abwasserbereich; • von Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen; • aus dem Trinkwasserbereich; • an Kühltürmen, Kaminen und Schornsteinen. Neben der TR Instandhaltung, die über die Landesbauordnungen für allgemeine Bauwerke gilt, sind im Zuständigkeitsbereich des „Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur“ die Regelungen der • ZTV-ING - Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbau‐ ten [7] sowie • ZTV-W 219 - Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen - Wasserbau für die Instandset‐ zung der Betonbauteile von Wasserbauwerken [8] zu beachten. In den nachfolgenden Ausführungen wird jedoch im Wesentlichen auf die Regelungen der TR Instandhaltung und der Instandsetzung-Richtlinie eingegangen. 484 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="495"?> Die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Planung und Ausführung von Instandhaltungsmaß‐ nahmen ist in Abschnitt 1, Abbildung 1 der TR Instandhaltung (Bild 13.41) dargestellt. Bild 13.41: TR Instandhaltung - Teil, Abbildung 1 - Grundsätzliche Vorgehensweise bei der Planung und Ausführung von Instandhaltungsmaßnahmen In Abschnitt 2 der TR Instandhaltung Teil 1 wird vorausgesetzt, dass jede Instandhaltungsmaß‐ nahme (Inspektion, Wartung, Instandsetzung, Verbesserung) durch einen sachkundigen Planer (SKP) geplant wird. Diese Planung ist in einem Instandsetzungsplan zu dokumentieren. Der SKP muss auch die Ausführung der Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen begleiten. Zudem muss durch den Auftraggeber in jeder Phase von Planung und Ausführung festgelegt sein, wer die Fragen der Standsicherheit (Statik) verantwortlich beurteilt und wer die dazu erforderlichen Maßnahmen plant und ausführt. Diese Grundlagen und Festlegungen sind Voraussetzung für eine umfassende Qualitätssicherung bei der anschließenden Ausführung. Detaillierte Angaben zu der Überwachung der Ausführung sowie zu den Anforderungen an das Personal und die Ausstattung der ausführenden Unternehmen sind in Teil 3 der Instandsetzungs‐ richtlinie zu finden. Um die ordnungsgemäße Ausführung, Überwachung, Prüfung und Dokumentation von Instand‐ setzungsarbeiten sicherzustellen, fordert das Regelwerk von dem ausführenden Unternehmen den Einsatz einer qualifizierten Führungskraft (Fachbauleiter) sowie von Baustellenfachpersonal mit ausreichenden Kenntnissen und Erfahrungen in diesem Bereich (Instandsetzungs-Richtlinie, 485 13.2 Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="496"?> Abschnitt 1.2.). Der Nachweis der ausreichenden Kenntnisse für das Baustellenfachpersonal erfolgt mindestens durch den sogenannten SIVV-Schein. Hierbei handelt es sich um einen Weiterbildungs‐ lehrgang für den Befähigungsnachweis zum Schützen, Instandsetzen, Verbinden und Verstärken von Betonbauteilen gemäß der Ausbildungs- und Prüfungsordnung des Ausbildungsbeirat Schutz und Instandsetzung im Betonbau beim Deutschen Beton- und Bautechnik-Verein E.V. Für die Führungskräfte können die Kenntnisse durch Teilnahme an einem Lehrgang gemäß der Prüfungsordnung zur Erlangung der Qualifikation „Qualifizierte Führungskraft/ Fachbauleiter in der Betoninstandhaltung nach DAfStb-Richtlinie“ der Zertifizierung Bau GmbH, Berlin nachge‐ wiesen werden. Darüber hinaus können noch weitere Qualifikationsnachweise für das Personal der ausführenden Unternehmen erforderlich sein, wie zum Beispiel: • SPCC-Düsenführerschein: Befähigungsnachweises zum Verarbeiten von Spritzmörtel und Spritzbeton mit Kunststoffzusätzen gemäß Teil 3, Abschnitt 4 der Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten (ZTV-ING) des Bundesministeri‐ ums für Verkehr [7] • Eignungsnachweis zum Verstärken von Betonbauteilen mit CFK-Lamellen und Stahllaschen gemäß DAfStb-Richtlinie „Verstärken von Betonbauteilen mit geklebter Bewehrung (Verstär‐ ken-Richtlinie)“ [9]. • Sachkundeprüfung für betrieblich verantwortliche Personen in WHG-Fachbetrieben gemäß §62 der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) [10] • Eignungsnachweis für die Herstellung nachträglicher Bewehrungsanschlüsse mit Injekti‐ onsmörteln • Prüfbescheinigung als Schweißtechnisches Personal/ Betonstahlschweißer für Schweißarten (Stumpfstoß, Überlappstoß usw.) nach DIN EN ISO 17660-1 [12] • Schulung im Fachgerechten Einbau von Brandschutzsystemen, zum Beispiel zur Abschot‐ tung von Gebäudefugen. Weiterhin müssen auf der Baustelle diejenigen Geräte und Einrichtungen funktionsfähig vorhan‐ den sein, die eine ausreichende Vorbereitung des Betonuntergrundes, eine fachgerechte Ausfüh‐ rung der Arbeiten sowie die Ermittlung der geforderten Eigenschaften der Baustoffe und die Überprüfung der Arbeitsergebnisse ermöglichen. Für Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen ist immer eine Überwachung durch das ausführende Unternehmen (Eigenüberwachung) erfor‐ derlich, gegebenenfalls auch eine Überwachung durch eine dafür anerkannte Überwachungsstelle (Fremdüberwachung). Die empfohlene Ausstattung der Betriebe mit einer Zuordnung der Geräte zu den verschiedenen Arbeitsschritten bzw. Bauproduktgruppen ist in Teil 3, Anhang E der Instandsetzungs-Richtlinie aufgelistet. In dieser Tabelle sind in den Zeilen 1 bis 29 verschiedene Gerätearten, angefangen von Geräten für Konsistenzprüfungen über Geräte zur Bestimmung der Oberflächen-/ Haftzugefestigkeit oder Mischgeräte für PC und PCC bis hin zu Geräten zur Messung des Luftgehalts von Mörteln aufgelistet. Diese Geräte sind über die in den Spalten 2 bis 9 den dort aufgeführten, typischen Arbeitsschritten und Instandsetzungsstoffen zugeordnet. Die Anforderungen an das Personal und die Ausstattung der ausführenden Unternehmen gelten selbstverständlich auch für eventuell mit Instandsetzungsmaßnahmen beauftragte Nach‐ unternehmer. 486 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="497"?> 13.2.2 Eigenüberwachung Art und Umfang der Überwachung der Ausführung durch das ausführende Unternehmen, der sogenannten Eigenüberwachung, wie zum Beispiel • das fortlaufende Führen von prüfbaren Aufzeichnungen (Bautagebuch) • Art, Umfang und Häufigkeit der Prüfungen und Dokumentationen sind in Teil 3, Abschnitt 2.2 der Instandsetzungs-Richtlinie näher beschrieben. In Teil 3, Anhang A der Instandsetzungs-Richtlinie sind die im Rahmen der Eigenüberwachung durch das ausführende Unternehmen durchzuführenden Prüfungen, gegliedert nach einzelnen Arbeitsschritten bzw. Prüfgegenständen, Angabe von Art der Prüfung und Prüfgröße (Zeilen 1 bis 9), Anforderungen, ggf. mit Angabe der Sollwerte, Erfordernis und Häufigkeit detailliert aufgelistet. In den Spalten 3 bis 10 erfolgt eine Zuordnung der einzelnen Prüfungen zu den verschiedenen Bauproduktgruppen, die bei der Betoninstandsetzung Anwendung finden. Die Umsetzung und Überwachung der durchzuführenden Eigenüberwachungsprüfungen er‐ folgt in der Regel mittels eines projektspezifischen Prüfplans. In dieser individuell anzupassenden Checkliste werden die bei dem jeweiligen Projekt erforderlichen Prüfungen mit Angabe der Prüfkriterien, Zuständigkeiten, Häufigkeiten und ggf. konkreter Prüfungstermine aufgelistet und dokumentiert. Der Prüfplan sollte unter anderem Angaben zu Material- und Stoffprüfungen, zur Prüfung von Geräten (hinsichtlich Funktion und Arbeitssicherheit), zu Prüfungen während der Ausführung und an den ausgehärten Stoffen bzw. fertigen Leistungen sowie zu den Baustellen- und Dokumentationsunterlagen enthalten. Ein Auszug aus einem solchen Prüfplan ist in Bild 13.42 abgebildet. Bild 13.42: Auszug aus einem Prüfplan 487 13.2 Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="498"?> 13.2.3 Prüfverfahren Die Prüfverfahren sind in Teil 3, Abschnitt 3 im Einzelnen beschrieben und in den Anhängen C, D und F zum Teil noch näher erläutert. In Teil 3, Anhang B wird eine Übersicht über die bei der Ausführung anzuwendenden Prüfverfahren gegeben. Hierbei sind in der ersten Spalte 19 verschiedene Prüfmethoden bzw. zu prüfende Eigenschaften aufgelistet. In Spalte 2 wird angegeben, wer die Prüfung durchzuführen hat (Baustelle oder Prüfstelle), und in Spalte 3 und 4 sind die Quellen der jeweiligen Prüfvorschriften bzw. Verweise auf die betreffenden Abschnitte in der Instandsetzungs-Richtlinie., in welchen das jeweilige Prüfverfahren genauer beschrieben ist, aufgelistet. Auf die wichtigsten Prüfverfahren wird nachfolgend näher eingegangen: 13.2.3.1 Oberflächenzug- / Haftzugfestigkeit Die Vorgehensweise bei der Durchführung der Abreißprüfung zur Ermittlung der Oberflächen‐ zugfestigkeit und der Haftzugfestigkeit ist in Teil 3, Anhang C der Instandsetzungs-Richtlinie beschrieben. Hier findet man genaue Angaben zu den Prüfstempeln, den Prüfgeräten (Zugvor‐ richtungen), der Festlegung und Vorbereitung der Prüfflächen, den zu verwendenden Klebstoffen und der einzustellenden Kraftsteigerung. Weiterhin sind hier die unterschiedlichen Bruchformen beschrieben und es ist festgelegt, welche Angaben im Prüfbericht enthalten sein müssen. Bild 13.43 zeigt ein Haftzugprüfgerät im praktischen Einsatz inkl. Prüfstempel mit anhaftendem Ausbruch der Betonrandzone. Bild 13.43: Haftzugprüfgerät mit Prüfstempel 488 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="499"?> Die zu erfüllenden Anforderungen an die Oberflächenzugfestigkeiten des Betonuntergrundes nach der Untergrundvorbereitung sind in Tabelle 7 der TR Instandhaltung Teil 1 (siehe Bild 13.44) aufgeführt. Bild 13.44: TR Instandhaltung - Teil 1, Tabelle 7 Als Häufigkeit für die Prüfung der Oberflächenzugfestigkeit sind in Teil 3, Anhang A der Instandsetzungsrichtlinie für die Prüfung des Betonuntergrundes 3 Einzelprüfungen je angefan‐ gene 250 m 2 festgelegt. Für die Prüfung der weiteren Arbeitsschritte bzw. Lagen wie Betoner‐ satzsysteme, Feinspachtel oder Oberflächenschutzsysteme soll die Prüfhäufigkeit durch den sachkundigen Planer festgelegt werden. Als Formblatt zur Dokumentation der Abreißfestigkeitsprüfung hat sich das Formblatt B.1.3.2. in der ZTV-ING Teil 1 - Abschnitt 3 - Anhang B [7] bewährt (siehe Bild 13.45). In diesem Formblatt sind Felder für alle wesentlichen Angaben, die in einem Prüfbericht zur Dokumentation der Abreißfestigkeit enthalten sein müssen, vorgegeben. 489 13.2 Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="500"?> Bild 13.45: ZTV-ING - Teil 1, Abschnitt 3- Anhang B, Formblatt B 1.3.2 490 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="501"?> 13.2.3.2 Feuchtegehalt des Betonuntergrundes Ein mögliches Verfahren zur Bestimmung des Feuchtegehaltes des Betonuntergrundes ist die Prüfung nach der Carbid-Methode mit dem CM-Gerät. Dieses Verfahren ist in Anhang F der Instandsetzungs-Richtlinie, Teil 3, oder in der ZTV-ING - Teil 3 Massivbau, Abschnitt 4, Anhang A, mit Angaben zu Geräten und Hilfsmitteln, der Durchführung und Fehlermöglichkeiten beschrieben. Bild 13.46: CM-Gerät mit Hilfsmitteln Das Verfahren funktioniert so, dass Betonstücke aus dem zu prüfenden Betonuntergrund in einer Tiefe von ca. 2 cm entnommen und in einer Mörserschale zerkleinert, abgesiebt und abgewogen werden. Die Einwaagemenge ist aus Tabelle F. in Anhang F 1 der RiLi SIB oder Tabelle A.3.4.1 der ZTV-ING (siehe auch Bild 13.47) zu entnehmen und richtet sich nach dem Größtkorn des Betonuntergrundes sowie dem geschätzten Feuchtegehalt. Die Einwaage wird zusammen mit einer Glasampulle mit 5 g Calciumcarbid und Stahlkugeln in eine Druckflasche gegeben. Durch kräftiges Schütteln der Druckflasche wird die Glasampulle zerstört und das Prüfgut mit dem Calciumcarbid vermischt. Aufgrund der chemischen Reaktion zwischen der im Prüfgut vorhandenen Restfeuchte und dem Calciumcarbid bildet sich Acetylengas. Der entstehende Gasdruck ist abhängig vom Feuchtegehalt des Probenmaterials und kann nach entsprechender Wartezeit von 15, 20 oder 25 min (je nach Einwaagemenge), an dem an der Druckflasche angebrachten Manometer abgelesen werden. 491 13.2 Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="502"?> Bild 13.47: Carbid-Methode (CM-Gerät) - Erforderliche Einwaage Bild 13.48: Druck-Manometer CM-Gerät 492 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="503"?> Wichtig ist, dass der Feuchtegehalt nicht direkt an den Feuchteskalen des Manometers (siehe Bild 13.48) abgelesen wird. Diese Skalen sind lediglich für die Feuchtebestimmung an Estrichproben bestimmt und liefern bei Betonproben keine zutreffenden Ergebnisse. Stattdessen ist der Druck in [bar] abzulesen. Mit diesem Ablesedruck kann dann der entsprechende Feuchtegehalt in Abhängigkeit von Größtkorn des Betonuntergrundes, Einwaagemenge und Wartezeit aus den Tabellen F.2 bis F.4 in Anhang F der RiLi-SIB oder den Tabellen A 3.4.2., A 3.4.3. oder A 3.4.4 der ZTV-ING entnommen werden (siehe auch Bild 13.49). Bild 13.49: Carbid-Methode (CM-Gerät) - Tabelle Ermittlung Feuchtegehalt bei Größtkorn > 8 mm Missverständlich ist die Überschrift „Druck in bar bei Größtkorn bis 16 mm“ über der Tabelle F.4 in Anhang F der Instandsetzungs-Richtlinie, da in der Praxis ja meist Betone mit Größtkorn > 16 mm zum Einsatz kommen. Ein Vergleich mit der identischen Tabelle A 3.4.4 der ZTV-ING - Teil 3 - Abschnitt 4, Anhang A zeigt, dass die Tabelle F 4 für Betonuntergründe mit Größtkorn > 8 mm zu verwenden ist (siehe auch Bild 13.49). In der Praxis können sich auch Anwendungsfälle - wie zum Beispiel bei Untergründen aus Leichtbeton - ergeben, bei welchen das CM-Verfahren keine verwendbaren Prüfergebnisse liefert. In diesem Fall kann die Bestimmung des Feuchtegehaltes nach der Darr-Methode erfolgen. Hierfür wird eine Probe des zu prüfenden Untergrundes entnommen, luftdicht verpackt und in der Regel in ein Prüflabor gebracht. Dort wird die Probe gegebenenfalls zerkleinert und deren Gewicht mit einer Analysewaage mit hoher Genauigkeit bestimmt. Anschließend wird die Probe über 493 13.2 Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="504"?> einen längeren Zeitraum in einem Trockenofen gelagert und regelmäßig der Gewichtsverlust durch Nachwiegen bestimmt. Dies muss so lange erfolgen, bis das Gewicht der Probe konstant bleibt. Die Trockentemperatur hängt von der Zusammensetzung des Untergrundes ab und muss so gewählt werden, dass keine unerwünschten thermischen Veränderungen der Bestandteile eintreten. Bei üblichen Betonproben liegt diese knapp über 100 °C. Nach Eintritt der Gewichts‐ konstanz wird der durch den entwichenen Wasseranteil eingetretene Masseverlust gemessen und daraus der Feuchtegehalt vor Beginn der Trocknung ermittelt. Unter Baustellenbedingungen kann der Feuchtegehalt näherungsweise durch Trocknen der Proben mit kleinen, transportablen Umluftöfen bestimmt werden (siehe Bild 13.50). Bild 13.50: Umluftofen zum Darren von Materialproben unter Baustellenbedingungen Die Bestimmung der Feuchte des Betonuntergrundes soll gemäß Teil 3, Anhang A der Instand‐ setzungs-Richtlinie jeweils vor Beginn der nachfolgenden Arbeiten und in Zweifelsfällen, z. B. bei Wetteränderungen, erfolgen. 13.2.3.3 Bestimmung der Rautiefe Die Rautiefe gibt die mittlere Rauheit einer Oberfläche in [mm] an. Sie entspricht dem Material‐ volumen, welches zum Egalisieren der Rauheit des Untergrundes bei Oberflächenschutzsystemen benötigt wird (siehe Bild 13.51). 494 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="505"?> Bild 13.51: Rautiefe einer Betonoberfläche - Materialvolumen Weiterhin ist eine „Mindest-Rautiefe“ wichtig, um einen Adhäsionsverbund durch die mecha‐ nische Verzahnung zwischen Instandsetzungssystemen, also Betonen, Mörteln und Feinspach‐ telschichten und dem Betonuntergrund sicherzustellen (siehe Bild 13.52). Aus diesem Grund sind in Teil 1, Abschnitt 7.2 der neuen TR Instandhaltung Anforderungen an die Rauheit des Betonuntergrundes definiert. Bild 13.52: Rautiefe einer Betonoberfläche - Verzahnung Hierzu sind in Tabelle 8 der TR Instandhaltung Teil 1 (siehe Bild 13.53) Rautiefeklassen mit Anforderungen an die mittlere Rautiefe R t definiert. 495 13.2 Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="506"?> Bild 13.53: Rautiefeklassen gemäß TR Instandhaltung - Teil 1, Tabelle 8 In Tabelle 9 der TR Instandhaltung Teil 1 (siehe Bild 13.54) sind anschließend Anforderungen an die Rauheit des Betonuntergrundes bei Adhäsionsverbund mit der Angabe von Mindest-Rautie‐ feklassen für die verschiedenen Instandsetzungssysteme festgelegt. Bild 13.54: Anforderungen an die Rauheit des Betonuntergrundes gemäß TR Instandhaltung - Teil 1, Tabelle 9 Die Bestimmung der Rautiefe auf horizontalen Flächen erfolgt in der Regel mit dem sogenannten Sandflächenverfahren, welches in Teil 3, Abschnitt 3.2.5 der Instandsetzungs-Richtlinie beschrie‐ ben ist. Hierbei wird ein feinkörniger Sand (Körnung 0,1 - 0,3 mm) mit einem definierten Volumen (V) auf der zu prüfenden Oberfläche kreisförmig so verteilt, dass die Vertiefungen gerade gefüllt sind. Bild 13.55 zeigt eine solche Prüfung auf einer Betonoberfläche eines Betons mit Leichtzuschlägen. Anschließend ist der Durchmesser des so entstandenen Sandkreises zu messen. Die mittlere Rautiefe Rt [mm] wird aus dem Sandvolumen V [cm 3 ] und dem Durchmesser d [cm] mit der folgenden Formel berechnet: R t = (40 x V) / (p x d 2 ) [mm] Die so ermittelte Rautiefe in [mm] ist in einem Prüfbericht zu dokumentieren. 496 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="507"?> Bild 13.55: Bestimmung der Rautiefe mit dem Sandflächenverfahren Als Häufigkeit für die Prüfung der Rautiefe des Betonuntergrundes sind in Teil 3, Anhang A der Instandsetzungsrichtlinie 3 Einzelprüfungen je angefangene 250 m 2 festgelegt (Analog der Oberflächenzugfestigkeit). An senkrechten Flächen kann die Prüfung in modifizierter Form erfolgen, indem man zum Beispiel eine bestimmte Menge mit einem definierten Volumen eines angemischten Feinspachtels nimmt und diesen ebenso kreisförmig auf der zu prüfenden Oberfläche verstreicht, bis die Vertiefungen gerade gefüllt sind. Anschließend kann wiederum der Durchmesser des Kreises gemessen und die Rautiefe berechnet werden. Bild 13.56 zeigt eine solche Prüfung auf einer mittels Hochdruckwasser-Strahlen vorbereiteten senkrechten Betonoberfläche. 497 13.2 Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="508"?> Bild 13.56: Rautiefenmessung auf senkrechter Betonoberfläche 13.2.3.4 Prüfung der Verarbeitungsbedingungen Die Prüfung der Verarbeitungsbedingungen ist in Teil 3, Abschnitt 3.2.8. der Instandset‐ zungs-Richtlinie beschrieben. Hierzu zählen Temperatur und Feuchtigkeit der Luft (relative Luftfeuchte), die Temperatur des Bauteils sowie die Taupunkttemperatur. Zum Messen der Lufttemperatur dürfen handelsübliche Thermometer verwendet werden. Die Ablesegenauigkeit soll mindestens 1 K betragen. Die relative Luftfeuchte darf gemäß der Instand‐ setzungsrichtlinie mit Haarhygrometern, Digitalhygrometern oder Hygrographen gemessen werden. Für die Messung der Bauteiltemperatur sind Thermometer mit Kontaktfühler bzw. Infra‐ rotthermometer zu verwenden. Die Messungen sollen in unmittelbarer Nähe zur Bauausführung durchgeführt werden. In Anhang D der Instandsetzungs-Richtlinie, Teil 3 ist eine Taupunkttabelle abgebildet, in welcher die Taupunkttemperatur in Abhängigkeit von der gemessenen Lufttempe‐ ratur und -Feuchte abgelesen werden kann. Seit einigen Jahren sind universell verwendbare Digital-Thermo-Hygrometer mit Luftsensoren für Lufttemperatur und -Feuchte sowie gleichzeitigen Infrarotsensor zur Messung der Oberflä‐ chentemperatur im Handel verfügbar, die auch die Taupunkttemperatur errechnen und den Taupunktabstand anzeigen können. Mit dem Infrarotsensor kann zudem auch die Materialtem‐ peratur überwacht werden. Ein solches Gerät ist in Bild 13.57 gezeigt. 498 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="509"?> Bild 13.57: Digital-Thermo-Hygrometer mit Infrarotsensor für die Messung von Oberflächentemperaturen Bei stark schwankenden Temperaturen oder der Dokumentation von längeren Zeiträumen macht der Einsatz von selbstschreibenden Geräten Sinn. Früher wurden hierfür mechanisch aufzeichnende Geräte verwendet. Ein solcher Thermo-Hygrograph ist auf Bild 13.58 gezeigt. Bild 13.58: Thermo-Hygrograph (mechanisch) Dieses Gerät besitzt zwei Schreibfedern, die Temperatur und Luftfeuchte kontinuierlich auf eine rotierende Walze, auf welche ein Diagrammblatt gespannt ist, aufzeichnen. Je nach Dreh‐ geschwindigkeit und Skalenunterteilung des Diagrammblatts kann ein Zeitraum von sieben Tagen oder 24 Stunden (mit höherer Genauigkeit) aufgezeichnet werden. Die Temperatur wird hierbei über ein Bimetall-Element gemessen, die Luftfeuchte über einen Haarstrang. Diese Geräte mit „mechanischen“ Sensoren sind sehr empfindlich gegenüber Erschütterungen und Ver‐ 499 13.2 Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="510"?> schmutzungen und daher unter Baustellenbedingungen sehr anfällig für Messfehler. Heutzutage kommen meist sogenannten Datenlogger zum Einsatz, welche Temperatur und Luftfeuchte mit elektronischen Fühlern messen und die Messwerte in regelmäßigen, wählbaren Zeitabständen digital speichern. Bei der Auswahl der Messgeräte ist zu beachten, dass diese die erforderliche Messgenauigkeit aufweisen. In Bild 13.59 sind beispielhaft die technischen Daten eines Digital-Thermo-Hygrome‐ ters mit Infrarot-Oberflächentemperatursensor gezeigt, welches die erforderliche Genauigkeit aufweist. Bild 13.59: Datenblatt für Digital-Thermo-Hygrometer mit Infrarot-Oberflächentemperatursensor Zur Sicherstellung zuverlässiger Messergebnisse müssen die Messgeräte vor Arbeitsbeginn auf Ihre Funktion hin kontrolliert und in regelmäßigen Abständen kalibriert werden. Die einzuhaltenden Grenzwerte für die Luft- und Bauteiltemperaturen sind, unterschieden nach Stoffarten, in Tabelle 11 der TR Instandhaltung - Teil 1 (siehe Bild 13.60) aufgeführt. 500 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="511"?> Bild 13.60: TR Instandhaltung - Teil 1, Tabelle 11 Für die relative Luftfeuchte sind in der TR Instandhaltung keine Grenzwerte vorgegeben, jedoch ist auf Grundlage der Luftfeuchte und der Lufttemperatur die Taupunkttemperatur zu ermitteln, die gemäß Tabelle 10 der TR Instandhaltung, Teil 1 (sieh Bild 13.61) bei der Verarbeitung kunststoffgebundener Stoffe mindestens 3K über dem Taupunkt liegen muss. Bild 13.61: TR Instandhaltung - Teil 1, Tabelle 10 Neben den allgemeinen Vorgaben der Regelwerke betreffend Temperaturen und Umgebungsbe‐ dingungen sind zudem auch die produktbzw. systemspezifischen Vorgaben in den Technischen Merkblättern und / oder Ausführungsanweisungen („Angaben zur Ausführung“) der Materialher‐ steller zu beachten. 13.2.3.5 Bestimmung von Schichtdicken Die Dicke von Oberflächenschutzsystemen, gegebenenfalls auch einzelner Schichten eines Sys‐ tems, hat einen wesentlichen Einfluss auf die Leistung und Dauerhaftigkeit des Oberflächen‐ schutzsystems. Daher sind zur Sicherstellung bestimmter Leistungsmerkmale wie zum Beispiel einer bestimmten Rissüberbrückung, einer Verschleißfestigkeit oder eines Diffusionswiderstan‐ des bestimmte Mindestschichtdicken und ggf. Maximalschichtdicken erforderlich. Die Einhaltung dieser Dicken ist während und nach der Ausführung zu überwachen bzw. zu prüfen. Die Bestimmung der Schichtdicken von Oberflächenschutzsystemen bzw. der einzelnen Schichten ist gemäß Abschnitt 3.4.1 der Instandsetzungs-Richtlinie Teil 1 sowohl über den Verbrauch pro Flächeneinheit unter Berücksichtigung der Rautiefe als auch über die Messung der Nassschicht‐ dicke durchzuführen. In der Praxis hat sich allerdings herausgestellt, dass bei der Messung der Nassschichtdicke, zum Beispiel mit Messkämmen aus Metall oder Kunststoff, bei den üblichen, meist gefüllten Beschichtungssystemen nur relativ ungenaue Ergebnisse erzielt werden. Auch ist 501 13.2 Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="512"?> es bei abgesandeten Beschichtungen kaum möglich, Messungen während der Ausführung in der noch nicht ausgehärteten Beschichtung durchzuführen. Nicht zerstörungsfreie Prüfungen sind gemäß der Instandsetzung-Richtlinie auf Ausnahmefälle zu beschränken. In begründeten Fällen, z. B. bei Unregelmäßigkeiten während der Ausführung, sollen Bohrkerne kleinen Durchmessers (50 mm oder kleiner) entnommen werden. Die Schichtdicke wird an der Mantelfläche mit Hilfe einer Messlupe oder eines Messmikroskops bestimmt. Zur genauen Ermittlung dünner Schichtdicken und von Einzelschichtdicken mehrschichtiger Systeme müssen die Proben in einem Fachlabor mit besonderen Geräten zersägt werden und die Prüfflächen angeschliffen werden. Anzahl und Lage der Proben bzw. Prüfstellen müssen durch den sachkundigen Planer festgelegt werden. Bild 13.62 zeigt die Bestimmung der Schichtdicke eines OS 8-Systems mit einer Messlupe an der Mantelfläche eines Bohrkerns. Auf Bild 13.63 ist eine angeschliffene Probe eines OS 11a-Systems bestehend aus Grundierung, elastischer Oberflächenschutzschicht (hwO), Deckschicht (Verschleißschicht) und Deckversiegelung zu sehen. Bild 13.62: Bestimmung Schichtdicke mit Messlupe 502 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="513"?> Bild 13.63: Bestimmung Schichtdicke an geschliffener Probe mit Auflichtmikroskop In Tabelle A.1 der TR Instandhaltung Teil 2 (siehe Bild 13.64) sind die geforderten Mindestschicht‐ dicken d min,S der Oberflächenschutzschichten vorgegeben. Bild 13.64: Mindestschichtdicken gemäß TR Instandhaltung - Teil 2, Tabelle A.1 503 13.2 Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="514"?> Neben den allgemeinen Vorgaben zu den Schichtdicken in Tabelle A.1 sind zudem auch die produktbzw. systemspezifischen Vorgaben in den Technischen Merkblättern und / oder Ausfüh‐ rungsanweisungen („Angaben zur Ausführung“) der Materialhersteller zu beachten. Hier werden in der Regel neben den produktspezifischen Mindestschichtdicken d min,P auch produktspezifische Maximalschichtdicken d max,P angegeben. Maßgeblich hierfür sind unter anderem die geforderten H2O-Diffusionseigenschaften und das Brandverhalten. Zur Beurteilung bzw. Berücksichtigung von in Abhängigkeit von der Rauheit des Untergrundes, von verschiedenen Produktbzw. Materialeigenschaften, Verarbeitungsverfahren und Verarbei‐ tungsbedingungen bedingten Mehrverbräuchen müssen die Materialhersteller Werte für den flächenbezogenen Stoffverbrauch für die verschiedenen Oberflächenschutzsysteme in die Anga‐ ben zur Ausführung mit aufnehmen. 13.2.4 Fremdüberwachung Die Überwachung von Instandsetzungsarbeiten an Stahlbetonbauteilen durch eine dafür anerkannte Überwachungsstelle („Fremdüberwachung“) ist in Abschnitt 2.3. der Instandset‐ zungs-Richtlinie - Teil 3 geregelt. Nachfolgend werden die wichtigsten Punkte aus diesem Abschnitt auszugsweise zitiert: Zunächst hat die Überwachungsstelle vor Aufnahme der Überwachung zu prüfen, ob das ausführende Unternehmen über die personelle und gerätemäßige Ausstattung zur Sicherstellung einer fachgerechten Ausführung der Arbeiten verfügt. Der Überwachungsstelle sind überwachungspflichtige Maßnahmen vor Beginn der Arbeiten vom ausführenden Unternehmen mit den folgenden Angaben schriftlich anzuzeigen: • Bezeichnung der Baustelle, qualifizierte Führungskraft, Bauleiter, Baustellenfachpersonal • Art und Umfang der auszuführenden Maßnahmen • Art und Menge der vorgesehenen Baustoffe • der beabsichtigte Beginn und das voraussichtliche Ende der Arbeiten • ggf. beauftragte Prüfstelle für die Überwachung durch das ausführende Unternehmen • bei längerer Unterbrechung ist der Wiederbeginn der Arbeiten anzuzeigen Jede angezeigte Schutz- und Instandsetzungsmaßnahme ist durch die Überwachungsstelle ohne vorherige Ankündigung im Regelfall mindestens einmal zu überprüfen. Bei länger andauernden Maßnahmen sind weitere Überprüfungen in angemessenen Zeitabständen durchzuführen. Die Häufigkeit der Überprüfungen liegt im Ermessen der Überwachungsstelle und richtet sich u. a. nach den Feststellungen und Ergebnissen bei den vorhergehenden Überprüfungen. Dabei sind die Zuverlässigkeit der Überwachung durch das ausführende Unternehmen sowie die projektspezi‐ fischen Anforderungen an die Ausführung und an die Stoffe und Stoffsysteme zu berücksichtigen. Bei wesentlichen Beanstandungen ist eine Wiederholungsprüfung durchzuführen. Der Beauftragte der Überwachungsstelle hat in die Ausführungsunterlagen und Aufzeichnungen der Überwachung durch das ausführende Unternehmen („Eigenüberwachung“) Einblick zu nehmen. Weiterhin hat er, soweit möglich, die Durchführung der Instandsetzungsmaßnahmen zu überprüfen. In begründeten Zweifelsfällen muss er die in dieser Richtlinie festgelegten Probenahmen und Prüfungen durchführen oder durchführen lassen. 504 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="515"?> Die bei der Überwachung getroffenen Feststellungen und deren Auswertungen sind durch den Beauftragten der Überwachungsstelle in einem Überwachungsbericht zu dokumentieren. Angaben zum Inhalt eines solchen Überwachungsberichtes sind in Abschnitt 2.3.4 der Instand‐ setzungs-Richtlinie aufgeführt. Baustellen, die durch eine Überwachungsstelle nach der Instandsetzungs-Richtlinie überwacht werden, müssen an deutlich sichtbarer Stelle durch eine Hinweistafel mit mindestens den folgenden Angaben gekennzeichnet werden: • ÜBERWACHT • DAfStb-Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen • Name und Anschrift der anerkannten Überwachungsstelle (ggf. mit Symbol). Die Überwachungsstellen, welche eine Überwachung von Instandsetzungsarbeiten an Stahlbe‐ tonbauteilen durchführen, müssen hierfür die Anerkennung der obersten Bauaufsichtsbehörden besitzen. Dies wird durch einen entsprechenden Bescheid des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) dokumentiert. Ein aktuelles Verzeichnis der Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstellen nach den Lan‐ desbauordnungen (PÜZ-Verzeichnis) kann auf der Homepage des DIBt heruntergeladen wer‐ den (URL: https: / / www.dibt.de/ fileadmin/ dibt-website/ Dokumente/ Referat/ P4/ LBO/ PUEZ-Verze ichnis.pdf, letzter Zugriff 10/ 2021). Die für die Überwachung der Instandsetzung von tragenden Betonbauteilen, deren Standsicherheit gefährdet ist, zertifizierten Überwachungsstellen sind in Teil 5, Lfd. Nr. 2 der Liste aufgeführt. Ein großer Teil der in der Instandhaltung von Betonbauwerken tätigen Firmen hat sich in 2 Überwachungsgemeinschaften (Vereinen) zusammengeschlossen, deren Ziel die Erarbeitung und Weiterentwicklung von Güte- und Prüfbestimmungen sowie die Durchführung der Über‐ wachung der Arbeiten ihrer Mitgliedsunternehmen und auch für Nichtmitglieder ist. Diese Vereine besitzen die Anerkennung der obersten Bauaufsichtsbehörden für die Überwachung der Instandsetzung von Betonbauteilen und weiterer Überwachungsgegenstände. Hier sind zum einen die regionalen Landesgütegemeinschaften „Betoninstandsetzung“ zu nennen, die sich in der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken e. V. („iB“) zusammengeschlossen haben, zum anderen die bundesweit tätige Gemeinschaft für Überwachung im Bauwesen E. V. (GÜB). Die Gütegemeinschaften stellen den überwachten Unternehmen auf Antrag und nach Überprü‐ fung der Erfüllung der vorgegebenen Kriterien wie Sachkunde und Erfahrung des Personals sowie der Geräte-Ausstattung ein befristetes, bauordnungsrechtliches Zertifikat über Eignungs‐ nachweis auf Grundlage der Muster- Hersteller- und Anwenderverordnung (MHAVO) [13] aus. Darüber hinaus werden bei Erfüllung satzungsgemäßer Qualitätsanforderungen gemäß besonderer Gütezeichensatzungen auf Antrag zusätzlich privatrechtliche Gütezeichen an Mit‐ gliedsunternehmen verliehen. Neben der Überwachung von Instandsetzungsarbeiten an Stahlbetonbauteilen nach Abschnitt 2.3. der Instandsetzungs-Richtlinie - Teil 3 können noch weitere bauordnungsrechtliche und privatrechtliche Zertifizierungen des ausführenden Unternehmens gefordert werden, wie z. B. der Eignungsnachweis zum Verstärken von Betonbauteilen durch Ankleben von Stahllaschen und CFK-Lamellen bzw. CFK-Gelegen oder der Fachbetriebsnachweis für Arbeiten an Auffangwannen nach §62 Wasserhaushaltsgesetz. 505 13.2 Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="516"?> In Bild 13.65 ist ein Beispiel für ein Zertifikat über den positiven Eignungsnachweis entspre‐ chend Muster-Hersteller- und Anwenderverordnung (MHAVO) gezeigt, in Bild 13.66 ein Beispiel für ein Gütezeichen. Bild 13.65: Zertifikat entsprechend MHVO der Gemeinschaft Überwachung im Bauwesen e.V. 506 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="517"?> Bild 13.66: RAL-Gütezeichen der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Bauwerken 13.2.5 Weitergehende Qualifikationen der ausführenden Unternehmen Die fachliche Qualifikation der ausführenden Unternehmen für die Instandsetzung von Beton‐ bauteilen wird im Rahmen der Fremdüberwachung durch die Überwachungsstelle überprüft. Darüber hinaus sind für bestimmte Leistungen, wie zum Beispiel für • die Abdichtung von Auffangräumen nach § 62 Wasserhaushaltsgesetz [11] bzw. § 62 AwSV [10], • das Verstärken von Betonbauteilen mit geklebter Bewehrung gemäß DAfStb-Richtlinie, • das Herstellen nachträglicher Bewehrungsanschlüsse, • das Schweißen von Betonstahl nach DIN EN ISO 17660-1 (Stumpfstöße, Überlappungsstöße usw.), • weitere spezielle Fachbetriebs-Zertifizierungen und Eignungsnachweise erforderlich. Zusätzlich können je nach Art, Umfang und Schwierigkeitsgrad der geplanten Arbeiten zusätz‐ liche Qualifikationen des Unternehmens, wie zum Beispiel der Nachweis von Referenzen über erfolgreich durchgeführte Projekte mit vergleichbaren Anforderungen, erforderlich sein. Auch können die Auftraggeber weitere Anforderungen, wie zum Beispiel den Nachweis von betriebs‐ wirtschaftlichen Kenngrößen wie Umsätze der letzten Jahre in bestimmten Leistungsbereichen oder von bestimmten Managementsystemen, stellen. In den nachfolgenden Absätzen sind hierzu einige Beispiele erläutert. 13.2.5.1 PQ-Verfahren Ein mögliches Instrument für die Beurteilung der Eignung der Unternehmen bei der Vergabe von Bauleistungen ist die Präqualifikation auf Grundlage der „Leitlinie des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für die Durchführung eines Präqualifikationsverfahrens“ (PQ VOB). Im Rahmen der Präqualifizierung werden durch die Präqualifizierungsstellen sowohl fachliche Nachweise wie Referenzbescheinigungen für ausgeführte Leistungen als auch „betriebs‐ wirtschaftliche“ Nachweise wie (unter anderem) Angaben zu Umsätzen, Mitarbeiterzahl sowie Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Sozialkassen angefordert und geprüft. Bei den Referenz‐ bescheinigungen werden die Bauleistungen definierten Leistungsbereichen zugeordnet, für jeden 507 13.2 Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="518"?> präqualifizierten Leistungsbereich muss das Unternehmen mindestens drei durch Referenzgeber bestätigte Referenzen in einer standardisierten Form vorlegen und spätestens alle fünf Jahre aktualisieren. Für die Instandsetzung von Betonbauteilen im Sinne der Instandhaltung-Richtlinie ist eine Präqualifizierung in den Leistungsbereichen • 311_11 Betonerhaltungsarbeiten (Ing.-Bau) • 112-10 Maler-, Lackierarbeiten, Beschichtungen und Tapezierarbeiten • 311-4 Spritzbetonarbeiten maßgeblich. Weitere Informationen über das Präqualifizierungsverfahren PQ-VOB sind auf der Homepage des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e. V, Bonn - URL: www.pq-verein.de (letzter Zugriff 10/ 2021) zu finden. Auf dieser Liste kann auch die PQ-Liste, die alle präqualifizierten Unternehmen des amtlichen Verzeichnisses PQ-VOB enthält, eingesehen und selektiert werden. 13.2.5.2 Qualitätsmanagementsysteme (nach DIN EN ISO 9001) Ziel der Einführung eines Qualitätsmanagementsystems („QM-System“) in einem Unternehmen ist es, die bestehenden Strukturen, Arbeitsabläufe und Unternehmensprozesse zu erfassen, zu dokumentieren und kontinuierlich zu verbessern, um die Anforderungen der Kunden und des Marktes bestmöglich zu erfüllen. Hierfür werden zunächst die Unternehmensprozesse in Organigrammen und Ablaufdiagrammen sowie Checklisten und Formblättern dargestellt und in einem sogenannten Qualitätsmanagementhandbuch oder Prozessmanagementhandbuch zusam‐ mengefasst. Hierbei werden bei Bauunternehmen im Wesentlichen die operativen Unternehmens‐ prozesse, also angefangen von der Akquisition/ Angebotsbearbeitung über die Abwicklung der Bauprojekte bis hin zur Schlussabrechnung und Gewährleistungsphase betrachtet. Zudem werden unterstützende Prozesse wie Prüfmittel- und Geräteorganisation, Überwachung von Geräten und Fuhrpark zum Beispiel im Hinblick auf UVV-Prüfungen, sowie Unternehmensführungsprozesse wie zum Beispiel die Organisation von regelmäßigen Weiterbildungen und Qualifikationen dokumentiert. In Bild 13.67 ist ein Auszug aus einem Prozessmanagementhandbuch dargestellt. Hier ist ein Ablaufdiagramm zur Prüfmittel- und Geräteorganisation zu sehen, in dem die wesentlichen Ablaufschritte schematisch dargestellt sind und daneben die Zuständigkeiten für die einzelnen Schritte definiert sind. Nach der Dokumentation der Prozesse und Zuständigkeiten in einem QM- oder Prozessmana‐ gementhandbuch sowie der Durchführung von internen Audits zur Überprüfung der Abläufe und der Organisationsstruktur kann das Managementsystem im Rahmen eines externen Audits durch unabhängige Auditoren regelmäßig überprüft und bestätigt („Zertifiziert“) werden, sodass die Organisationsstruktur auch für Außenstehende dokumentiert und nachgewiesen wird. In der internationalen Norm DIN EN ISO 9001 - Qualitätsmanagementsysteme [14] sind grund‐ legende Anforderungen an ein solches Managementsystem festgelegt. 13.2.5.3 Arbeitsschutzmanagementsysteme Neben den Qualitäts- oder Prozessmanagementsystemen gewinnen zunehmend auch Arbeits‐ schutzmanagementsysteme (AMS) an Bedeutung. Da die sicherheitstechnische Ausstattung der Arbeitsmaschinen und Geräte im Laufe der Zeit immer weiter optimiert wurde, lassen sich die Un‐ 508 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="519"?> Bild 13.67: Auszug aus einem Prozessmanagementhandbuch- Ablaufdiagramm Prüfmittel- und Geräteorganisation fallursachen und Defizite im Arbeits- und Gesundheitsschutz zunehmend dem organisatorischen und personellen Bereich zuordnen. Durch die Einführung und Zertifizierung von AMS-Syste‐ men soll die organisatorische Ausrichtung des Unternehmens im Hinblick auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz verbessert werden. Somit werden parallel zu dem Prozessmanagement eine rechtssichere Organisationsstruktur für den Arbeits- und Gesundheitsschutz etabliert und Verantwortungs- und Aufgabenbereiche festgelegt. Damit sollen unter anderem die systemati‐ sche Ermittlung und Beurteilung von Gefährdungen und davon ausgehend die Ableitung und Umsetzung von Maßnahmen und deren Kontrolle sowie die regelmäßige Arbeitsmedizinische Vorsorge und die sicherheitstechnische Qualifizierung, Schulung und Unterweisung des Personals sichergestellt werden. Als branchenspezifisches Arbeitschutzmanagementsystem für Bauunternehmen wird mittler‐ weile in vielen Unternehmen das System AMS BAU der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) eingeführt. Das Konzept AMS BAU basiert auf dem in der Bundesrepublik Deutschland im Juni 2002 beschlossenen „Nationalen Leitfaden für Arbeitsschutzmanagementsysteme (NLF)“ [15], welcher wiederum weitgehend den Leitfaden für Arbeitsschutzmanagementsysteme der International Labour Organization ILO-OSH 2001 (ILO, Arbeitsschutzorganisation der UN) umsetzt. 509 13.2 Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="520"?> Nach einer Bestandaufnahme und der Umsetzung von elf Arbeitsschritten und der Durchführung von internen Überprüfungen (Audits) kann auf Wunsch des Unternehmens eine Begutachtung (Audit) durch die BG BAU erfolgen. Nach erfolgreich abgeschlossener Begutachtung erhält das Unternehmen eine Bescheinigung, dass es die Anforderungen an einen systematischen und wirksamen Arbeitsschutz erfüllt. In Bild 13.68 ist das Logo des AMS Bau gezeigt. Bild 13.68: Logo AMS Bau der BG Bau Neben dem System AMS Bau der BG Bau wird im Bereich der Bauwirtschaft, insbesondere für eine Tätigkeit in großen Industriebetrieben, manchmal auch eine Prüfung bzw. Zertifizierung des Personals bzw. des Unternehmens nach dem SCC-Standard gefordert. SCC bedeutet Sicherheits Certifikat Contraktoren (Kontraktoren ist eine übliche Bezeichnung für technische Dienstleister in Industriebetrieben). Dieses System wurde ursprünglich in den 90er Jahren in der Petro- und Großchemie in den Niederlanden entwickelt. Die Zertifizierung erfolgt durch entsprechende, anerkannte Prüf- und Zertifizierungsstellen. 13.2.6 Leistungsmerkmale und Verwendbarkeitsnachweise der Produkte und Systeme In Abschnitt 13.1 wurde bereits darauf hingewiesen, dass die neue TR Instandhaltung von Teilen der Fachwelt, insbesondere auf Seiten der Produkthersteller, kritisch gesehen und kontrovers diskutiert wird. Dies hat dazu geführt, dass ein Normenkontrollverfahren gegen die TR Instand‐ haltung eingeleitet und beantragt wurde, die produktbezogenen Teile der TR Instandhaltung und der Instandhaltungs-Richtlinie für unwirksam zu erklären [6]. Auch bereits vor Einführung der TR Instandhaltung herrschte im Bereich der Regelwerke für Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen, zum Beispiel durch veraltete europäische Produktnormen und das EuGH-Urteil vom 16.10.2014 (Rechtssache C-100/ 13), in dessen Folge u. a. die Bauregellisten abgeschafft werden mussten, große Unsicherheit. Die Informationen, die insbesondere zu dem Thema der regelkonformen Nachweisführung der Verwendbarkeit von CE-gekennzeichneten Bauprodukten von Seiten der Baubehörden und der Produkthersteller veröffentlicht wurden und werden, sind unvollständig, zum Teil widersprüchlich und in der Baupraxis kaum anwendbar. Daher kann an dieser Stelle (Stand August 2022) keine konkrete Vorgehensweise für einen rechtssicheren und regelkonformen Nachweis der Verwendbarkeit der Bauprodukte aufgezeigt werden. Nachfolgend wird dennoch versucht, die Vorgaben der zur Zeit gültigen Regelwerke aufzuzeigen: Gemäß der TR Instandhaltung, Teil 1 hat der Sachkundige Planer eine Leistungsbeschreibung zu erstellen und hierin die zu verwendenden Bauprodukte und -Systeme sowie die Applikationsver‐ fahren unter Beachtung der baulichen Randbedingungen anzugeben sowie die durch die Produkte 510 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="521"?> zu erfüllenden Leistungsmerkmale mit Angabe der Expositionsklassen festzulegen. Hinweise zur Auswahl der Bauprodukte und -Systeme und den zu beschreibenden Merkmalen finden sich unter anderem in den folgenden Tabellen der TR Instandhaltung - Teil 1: • Tabelle 12: Verwendung von Oberflächenschutzsystemen • Tabelle 13: Verwendung von Rissfüllstoffen zum Füllen von Rissen und Hohlräumen • Tabelle 14: Füllstoffspezifische Verwendungsbedingungen für Rissfüllstoffe • Tabelle 15: Verwendung von Betonersatz bekannter und unbekannter Zusammensetzung für die flächige Instandsetzung In Teil 2 der TR Instandhaltung sind in den Anhängen • Anhang A - Anforderungen an Produkte und Systeme für den Oberflächenschutz • Anhang B - Anforderungen an Produkte und Systeme für das Schließen, Abdichten und Verbinden von Rissen / Rissflanken mit kraftschlüssigen und dehnbaren Rissfüllstoffen • Anhang C - Anforderungen an Produkte und Systeme für die Instandsetzung mit Betonersatz in zahlreichen Tabellen die Verfahren zur Sicherstellung der Zuverlässigkeit und Genauigkeit der erklärten Leistung, im Wesentlichen mit Bezugnahme auf Prüfverfahren bzw. Prüfnormen, aufgelistet. Eine reine CE-Kennzeichnung der Bauprodukte reicht für den Nachweis nicht aus, da hierdurch in der Regel nur eine Leistung erklärt wird, nicht jedoch die Vielzahl der üblicher Weise geforderten Merkmale. Neben einer Erst- oder Grundprüfung zum Nachweis der geforderten Merkmale muss auch die Übereinstimmung der gelieferten Produkte mit der ursprünglich grundgeprüften Produktcharge sichergestellt sein. Hierzu muss in der Regel beim Produkthersteller eine geeignete werkseigene Produktionskontrolle (WPK) erfolgen, die regelmäßig durch eine externe Prüfstelle zu überprüfen und zu zertifizieren ist. Dieser Verwendbarkeitsnachweis ist durch das ausführende Unternehmen zu führen, welches jedoch auf die Vorlage entsprechende Nachweise durch den Produkthersteller angewiesen ist. Für die Baupraxis empfiehlt es sich, rechtzeitig zu prüfen, ob die im LV ausgeschriebenen Produkte aktuell auch am Markt verfügbar sind, und sich von den in Frage kommenden Produktherstellern entsprechende Nachweise wie Prüfzeugnisse, Übereinstimmungsnachweise und Zertifikate über eine bestehende WPK bzw. Fremdüberwachung vorlegen zu lassen. Weiterhin müssen die Produkthersteller „Angaben zur Ausführung“ mit Produktbzw. Systemspezifischen Angaben zu Systemaufbauten, Materialverbräuchen, Umgebungsbedingungen, Wartezeiten uvm. zur Verfügung stellen. Vorgaben hierfür sind ebenfalls in den Tabellen in den Anhängen A, B und C der TR Instandhaltung - Teil 2 aufgeführt. Nach Vorlage dieser Unterlagen und Nachweise beim Sachkundigen Planer und gegebenenfalls beim Bauherrn sollte vor Beginn der Ausführung eine Freigabe der vorgesehenen Produkte und Instandsetzungssysteme durch den Sachkundigen Planer erfolgen, um den Erfolg der Instandsetzungsmaßnahme sicher zu stellen. 13.2.7 Erkundung - Beweissicherung - Dokumentation Eine wesentliche Voraussetzung für eine fundierte Instandsetzungsplanung sind eine lücken‐ lose Erkundung und Beweissicherung des Instandsetzungsprojektes anhand von vorhanden Planunterlagen und durch Ortsbegehungen. Vielfach sind jedoch keine oder nur noch unvoll‐ ständige Bestandsunterlagen der Bauwerke vorhanden. Auch wenn diese vorliegen, stimmen die Planunterlagen häufig nicht mit der tatsächlichen Ausführung in der Örtlichkeit überein. 511 13.2 Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="522"?> Zudem ist es wichtig, den Zustand der baulichen Anlage und der Gebäudeausrüstung vor Beginn der Baumaßnahme in Form einer Beweissicherung zu dokumentieren, um zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls Schadensbilder rekonstruieren zu können und auch eventuell strittige Schäden, zum Beispiel an angrenzenden Bauteilen oder Bauelementen, zuordnen zu können. Neben der klassischen Vorgehensweise mit Fotodokumentation und Checklisten bzw. Schadensaufstellungen kann eine Bauwerksaufnahme im 3D-Laserscan-Verfahren sehr effizient und hilfreich sein. Hier sind seit einigen Jahren kompakte, leistungsfähige Geräte für den Einsatz im Bauwesen verfügbar. Die Bild 13.69 zeigt den Einsatz eines 3D-Laserscanners an einer Hochbau-Fassade mit einer Darstellung der erzeugten Rohdaten. Bild 13.69: 3D-Laserscanverfahren Der Scanner ist von der Größe her vergleichbar mit einem Nivelliergerät und wird am Objekt auf einem 3-Bein-Stativ aufgestellt. Bei dem Scanvorgang dreht sich das Gerät 360° um die senkrechte Achse, während ein Prisma sich gleichzeitig um die vertikale Achse dreht und den Laser-Messstrahl sternförmig (Polar) ablenkt. Bei einem 360° Scanvorgang erfasst der Scanner je nach eingestellter Auflösung in kurzer Zeit (ca. 3 bis 5 min) ca. 3 Millionen Oberflächenpunkte und speichert diese mit Vektorkoordinaten ab. Zur Kompensation von Verschattungen bei zergliederten Oberflächen muss der Scanvorgang gegebenenfalls von mehreren Scan-Standorten („Stationen“) durchgeführt werden. Durch jeden weiteren Scanvorgang wird zudem die Messge‐ nauigkeit erhöht. Zusätzlich zu der Laservermessung kann über eine eingebaute Farbkamera ein 360°-Foto erstellt werden, sodass die Oberflächen 3-dimensional fotorealistisch dargestellt werden können. Die auf SD-Karten gespeicherten Vektorkoordinaten der einzelnen Stationen können anschließend auf Grafikrechnern mit verschiedenen Softwarelösungen zu einer „Punktewolke“ zusammengefügt und ausgewertet werden. Somit erhält man ein digitales 3D-Modell des gescann‐ ten Objektes, das für vielfältige Zwecke wie zum Beispiel Dokumentation von Bauzuständen, 512 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="523"?> Längen- und Volumenermittlung (Aufmaß), Ebenheitsauswertungen, Erstellung von Grundrissen und Schnitten uvm. genutzt werden kann. Bild 13.70: 3D-Modell eines mehrgeschossigen Gebäudekomplexes Die Bild 13.70 zeigt 3D-Modell eines älteren, zergliederten Gebäudekomplexes. In Bild 13.71 ist ein Ausschnitt aus einem 3D-Modell einer Tiefgarage gezeigt, auf der linken Seite sind die verschiedenen Stationen des Scan-Vorgangs im Grundriss dargestellt. Für das Erfassen einer Tiefgarage von ca. 1.500 m² Grundfläche werden ca. 30 Einzelscans (Stationen) benötigt. Der Zeitbedarf für das Scannen vor Ort sowie die Auswertung am Grafikrechner beträgt wenige Stunden. Bild 13.71: 3D-Modell einer Tiefgarage mit Übersicht der Scan-Stationen In Bild 13.72 ist die Ebenheitsauswertung der Bodenfläche eines Parkdecks in Form eines Höhenschichtmodells gezeigt. Die Höhenwerte sind mit einer Farbskala dargestellt, wobei die Abstufung und die Farbauswahl der Skala frei gewählt werden kann. Bei diesem Beispiel sind die 513 13.2 Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="524"?> Tiefpunkte in Blau und die Hochpunkte in Rot dargestellt. Jede Farbabstufung entspricht einem Höhenunterschied von 2 mm. Es ist gut erkennbar, dass die Abläufe - so wie es sein soll - in den Tiefpunkten liegen. Durch eingeblendete Rasterlinien können einzelne Punkte bei Bedarf in der Örtlichkeit eingemessen werden oder auch zum Beispiel Gefälle bzw. Steigungen der Oberfläche ermittelt werden. Bild 13.72: Ebenheitsauswertung mit Höhenschichtmodell (Heat-Map) Um die Notwendigkeit einer umfassenden Erkundung der baulichen Anlage zu verdeutlichen, werden nachfolgend 3 kurze Praxisbeispiele mit häufig übersehenen Sachverhalten aufgezeigt: In Bild 13.73 ist als erstes Beispiel die unterste Ebene einer Tiefgarage zu sehen. An einer Seiten‐ wand ist eine kleine Tür erkennbar, die im Rahmen der Instandsetzungsplanung nicht weiter beachtet wurde. Nach Beginn der Arbeiten wurde die Tür geöffnet und es wurde festgestellt, dass sich dahinter ein Lüftungsschacht befindet, der ca. 1,50 m unter die Bodenplatte reicht und an einen Lüftungskanal von ca. 2 m Breite und 1 m Höhe anschließt. 514 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="525"?> Bild 13.73: Blick in die unterste Ebene einer Tiefgarage Dieser Lüftungskanal läuft unter der Bodenplatte über die komplette Gebäudebreite von ca. 35 m bis zur anderen Seite der Tiefgarage und mündet dort in einen weiteren Schacht (siehe Bild 13.74). Bild 13.74: Grundriss mit Lüftungsschacht unter der Bodenplatte Durch diesen Lüftungskanal handelt es sich in diesem Bereich der Bodenplatte nicht - wie ursprünglich angenommen - um eine erdberührte, nicht tragende Bodenplatte, sondern um eine „Zwischendecke“. Somit musste die Instandsetzungsplanung überarbeitet werden und es wurden zusätzliche Leistungen für die Instandsetzung und die Abdichtung dieser Zwischendecke erforderlich. Die Bild 13.75 zeigt als zweites Beispiel eine freibewitterte Zufahrtsrampe zu einer Tiefgarage unter einem mehrgeschossigen Bürohaus. Der Asphaltbelag der Rampe war durch mehrere Fugen zergliedert, die augenscheinlich nur leichte Beschädigungen aufwiesen. Bei einer Begehung der an die Tiefgarage angrenzenden Kellerräume nach Beginn der Instandsetzungsmaßnahme wurde ein Kriechkeller entdeckt, der unter der Einfahrtsrampe lag. 515 13.2 Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="526"?> Bild 13.75: Zufahrtsrampe einer Tiefgarage An der schrägen Deckenunterseite waren erhebliche Kalkaussinterungen und Korrosionsspuren vorhanden, die darauf hindeuteten, dass bereits über einen längeren Zeitraum chloridhaltiges Wasser durch die undichten Fugen in dem Belag der Einfahrtsrampe in die tragende Stahlbeton‐ decke eingedrungen war und zu Korrosionsschäden geführt hatte (Bild 13.76). Auch in diesem Fall wurden zusätzliche Leistungen zur Instandsetzung der tragenden Rampenkonstruktion sowie zur Erneuerung des Rampenbelages und der Fugen erforderlich. Bild 13.76: Deckenunterseite Stahlbetonplatte der Einfahrtsrampe 516 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="527"?> Bei dem dritten Beispiel handelt es sich um die Komplettinstandsetzung einer mehrgeschossigen Tiefgarage unter einem Geschäftshaus in einer Innenstadtlage. Die Bild 13.77 zeigt die Decken‐ untersicht der Decke über dem 1. Untergeschoss, die zum Teil unter einer Vorfahrt bzw. unter einem freibewitterten, in eine Fußgängerzone reichenden Arkadenbereich lag. Bild 13.77: Untersicht einer geschädigten, freibewitterten und befahrenen Tiefgaragendecke Zu Beginn der Baumaßnahme war die Deckenuntersicht noch mit Blechrinnen verkleidet, die das durch die undichten Bauwerksfugen eindringende Wasser abfangen sollten. Nachdem die Blechrinnen und -Abdeckung entfernt waren, konnte man bei genauer Betrachtung feststellen, dass die Gebäudefugen durch die Stahlbetonstützen fortgeführt waren und diese Konstruktion konsequent über alle Tiefgeschosse bis in die Fundamente durchgezogen war (siehe Bild 13.78). 517 13.2 Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="528"?> Bild 13.78: Gebäudefugen in Tiefgaragendecke und Doppelstütze Eine weitere Recherche hat dann ergeben, dass sich der auf einer Seite der Bauwerksfuge liegende Tiefgaragenteil unter dem Geschäftshaus befand und zu der Immobilie gehörte, der auf der anderen Seite liegende Teil unter öffentlichem Verkehrsraum lag und Eigentum der Stadt war. Da es sich nun also um zwei unterschiedliche Eigentümer handelte, von denen der eine bisher noch nicht in die Baumaßnahme eingebunden war, musste die Baumaßnahme zunächst gestoppt werden. Nach Klärung der vertraglichen Verhältnisse, Aufteilung und Übernahme der Kosten usw. konnten die Arbeiten erst mit erheblicher Verzögerung wieder aufgenommen werden. In allen drei oben aufgeführten Fällen hätte eine umfassende Erkundung im Vorfeld der Bau‐ maßnahmen eine Unterbrechung des Bauablaufes und die nach Vertragsabschluss entstandenen Zusätzlichen Leistungen und Mehraufwendungen verhindert. 13.2.8 Literatur [1] Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung), Teil 1 - Anwendungsbe‐ reich und Planung der Instandhaltung. Deutsches Institut für Bautechnik. Mai 2020. URL: www.dibt.de / fileadmin/ dibt-web-site/ Dokumente/ Referat/ I4/ TR_Instandhaltung_Betonbauwerke_Teil1.pdf , letzter Zugriff 10/ 2021. [2] Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung), Teil 2 - Merkmale von Produkten oder Systemen für die Instandsetzung und Regelungen für deren Verwendung. Deutsches Institut für Bautechnik. Mai 2020. URL: www.dibt.de/ fileadmin/ dibt-web-site/ Dokumente/ Referat/ I4/ TR _Instandhaltung_Betonbauwerke_Teil2.pdf , letzter Zugriff 10/ 2021. 518 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="529"?> [3] Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs-Richtlinie) Teil 1 - 4. Deutscher Ausschuss für Stahlbeton - DAfStb im DIN Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin, 2001 und Berichtigungen 2002-01, 2005-12 und 2014-09. [4] DIBt führt rechtswidriges Regelwerk zur Instandhaltung von Betonbauwerken ein. Presseinformation, Deutsche Bauchemie. Frankfurt, 03.Februar 2021. URL: deutsche-bauchemie.de/ pm-aktuell/ details/ dibt-f uehrt-rechtswidriges-regelwerk-zur-instandhaltung-von-betonbauwerken-ein , letzter Zugriff 11/ 2021. [5] Gemeinsames Positionspapier der Verbände zum Thema Betoninstandsetzung. Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V und 8 weitere Verbände. URL: dbv.ext-tech-team.de/ uploads/ positionspapier_ver baende_betoninstandsetzung_6a8655461e.pdf, letzter Zugriff 11/ 2021. [6] Normenkontrollverfahren gegen „TR Instandhaltung“ in Bayern und Nordrhein-Westfalen eingeleitet. Presseinformation, Deutsche Bauchemie. Frankfurt, 28.Oktober 2021. URL: deutsche-bauchemie.de/ file admin/ user_upload/ DBC-PM-2021-10-28_Normenkontrollverfahren_TR_IH_eingel_rev.pdf, letzter Zu‐ griff 10/ 2021. [7] ZTV-ING - Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten, Teil 1 - 10. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach, Juli 2021. URL: www.bast.de/ BASt_2017/ DE/ Publikationen/ Regelwerke/ Ingenieurbau/ Baudur chfuehrung/ ZTV-ING-Gesamtfassung.pdf ? __blob=publicationFile&v=16, letzter Zugriff 10/ 2021. [8] ZTV-W 219 - Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen - Wasserbau für die Instandsetzung der Betonbauteile von Wasserbauwerken (Leistungsbereich 219). Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Abteilung Wasserstraßen, Schifffahrt; Informationszentrum Wasserbau (IZW) der Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe, Ausgabe 2017. URL: izw.baw.de/ publikationen/ stlk-w_ztv-w/ 0 / ZTV-W_LB219_Ausgabe_2017.pdf, letzter Zugriff 10/ 2021. [9] DAfStb-Richtlinie Verstärken von Betonbauteilen mitgeklebter Bewehrung (Verstärken-Richtlinie). Ausgabe März 2012, 1. Berichtigung Oktober 2020. Beuth Verlag GmbH, Berlin, Oktober 2020. [10] Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV), Stand 18.04.2017, Änderung vom 19.06.2020. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sowie Bundesamt für Justiz. URL: www.gesetze-im-internet.de/ awsv/ , letzter Zugriff 10/ 2021. [11] Wasserhaushaltsgesetz (Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts), Änderung vom 18.08.2021. Bundes‐ ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sowie Bundesamt für Justiz. URL: www.gesetze-im-in ternet.de/ whg_2009/ index.html, letzter Zugriff 10/ 2021. [12] DIN EN ISO 17660-1 - Schweißen - Schweißen von Betonstahl - Teil 1: Tragende Schweißverbindun‐ gen. DIN Deutsches Institut für Normung, Berlin, Beuth Verlag GmbH, Berlin, Ausgabe - Berichtigung 1 - 2007-08. [13] Muster-Hersteller und Anwenderverordnung (MHAVO), Bauministerkonferenz - ARGEBAU, Fassung 06.03.2018. URL: www.is-argebau.de/ IndexSearch.aspx? method=ge t&; File=b8a892y3y8b984808abb92b8y9ya8ayyb9y884b992a2a0a14949aa48ab4b80b8y0mmynmzreljzwza‐ vovlm0bxj1, letzter Zugriff 10/ 2021. [14] DIN EN ISO 9001: 2015-11 - Qualitätsmanagementsysteme - Anforderungen. DIN Deutsches Institut für Normung, Berlin, Beuth Verlag GmbH, Berlin, Ausgabe 2015-11. [15] Leitfaden für Arbeitsschutzmanagementsysteme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Ar‐ beit (BMWA), der obersten Arbeitsschutzbehörden der Länder, der Träger der gesetzlichen Unfallver‐ sicherung und der Sozialpartner. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund, Stand 2002-12. URL: www.baua.de/ DE/ Themen/ Arbeitswelt-und-Arbeitsschutz-im-Wandel/ Organisa tion-des-Arbeitsschutzes/ Organisation-betrieblicher-Arbeitsschutz/ pdf/ Leitfaden-AMS.pdf ? __blob=pub licationFile&; v=3, letzter Zugriff 10/ 2021. 519 13.2 Qualitätssicherung der Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="530"?> 13.3 Praxisbeispiele mit technisch anspruchsvollen Aufgabenstellungen C. Helf 13.3.1 Einleitung Die Ausführung von Instandsetzungs- und Oberflächenmaßnahmen führt aufgrund der vielfälti‐ gen, komplexen Randbedingungen in der Praxis oft zu ungewöhnlichen Aufgabenstellungen, für die häufig projektbezogene, unkonventionelle Lösungen entwickelt werden müssen. In dem nachfolgenden Kapitel sind fünf Praxisbeispiele mit anspruchsvollen Aufgabenstel‐ lungen dargestellt, an welchen beispielhaft die vorgegebenen Randbedingungen und mögliche Grundbedingungen aufgezeigt werden sollen. 13.3.2 Instandsetzung eines 10-geschossigen Parkhauses in Innenstadtlage unter laufendem Verkehr Bei dem ersten Projekt handelt es sich um ein 10-geschossiges Parkhaus mit halb versetzten Ebenen („Splitt-Level-Bauweise“) in Innenstadtlage in einer Großstadt. Bild 13.79: Innenstadtlage des Parkhauses Bei solchen Innenstadt-Projekten inmitten einer engen Bebauung ist typischer Weise kaum Raum für Baustelleneinrichtungs- und Lagerflächen gegeben. Weiterhin wurde bei diesem Projekt der Handlungsspielraum durch unmittelbar angrenzende bzw. in der Nähe liegende Einzelhandels- und Büroflächen, Theater sowie durch ein Luxushotel sehr eingeschränkt. Hinzu kam, dass sich in den oberen Geschossen des Gebäudes noch sieben Büro-Etagen mit einer Anwaltskanzlei 520 13 Ausführung von Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen <?page no="531"?> befanden, die aufgrund einer internationalen Tätigkeit „rund um die Uhr“ genutzt wurden. Somit musste die Lärmentwicklung auf der Baustelle praktisch zu j