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Konfliktmanagement in der Technik

Betriebliches Konfliktgeschehen ganzheitlich als Chance zur persönlichen und organisatorischen Weiterentwicklung nutzen

0424
2023
978-3-8169-8534-1
978-3-8169-3534-6
expert verlag 
Dieter Brendt
10.24053/9783816985341

Das Thema "Konfliktmanagement" ist für Mitarbeiter:innen und Führungskräfte in der Technik besonders relevant, da diese stark dazu neigen, das betriebliche Konfliktgeschehen so anzugehen, als würden sie technische Probleme lösen. Voll auf die Sachebene fokussiert werden Fakten gesichtet, kritisch analysiert und Maßnahmenpläne entwickelt. Auf der Strecke bleibt dabei allzu oft die Beziehungsebene, wo auf der Basis gegenseitiger Wertschätzung Win-win-Lösungen erzielt werden können. Nur so werden Konflikte zu Chancen der persönlichen und organisatorischen Weiterentwicklung. Dieses Buch vermittelt das erforderliche psychologische und methodische Know-how.

ISBN 978-3-8169-3534-6 Das Thema „Konfliktmanagement“ ist für Mitarbeiter: innen und Führungskräfte in der Technik besonders relevant, da diese stark dazu neigen, das betriebliche Konfliktgeschehen so anzugehen, als würden sie technische Probleme lösen. Voll auf die Sachebene fokussiert werden Fakten gesichtet, kritisch analysiert und Maßnahmenpläne entwickelt. Auf der Strecke bleibt dabei allzu oft die Beziehungsebene, wo auf der Basis gegenseitiger Wertschätzung Win-win-Lösungen erzielt werden können. Nur so werden Konflikte zu Chancen der persönlichen und organisatorischen Weiterentwicklung. Dieses Buch vermittelt das erforderliche psychologische und methodische Know-how. Der Inhalt Konflikte in der Technik: innere und zwischenmenschliche in Paaren, Triade, Gruppen und Organisationen - Methodik der Konfliktlösung - methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung - negative Konfliktstrategien/ Mobbing - Konfliktprophylaxe Die Zielgruppe Mitarbeiter: innen und Führungskräfte in der Technik Der Autor Dieter Brendt: vielseitige Berufserfahrungen als Techniker in leitenden Positionen, Studium der Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie, Supervisor BDP, seit 1989 freiberuflicher Trainer, Berater und Coach DIETER BRENDT Konfliktmanagement in der Technik DIETER BRENDT Konfliktmanagement in der Technik Betriebliches Konfliktgeschehen ganzheitlich als Chance zur persönlichen und organisatorischen Weiterentwicklung nutzen Konfliktmanagement in der Technik Dieter Brendt Konfliktmanagement in der Technik Betriebliches Konfliktgeschehen ganzheitlich als Chance zur persönlichen und organisatorischen Weiterentwicklung nutzen DOI: https: / / www.doi.org/ 10.24053/ 9783816985341 © expert verlag 2023 ‒ ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Überset‐ zungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.expertverlag.de eMail: info@verlag.expert CPI books GmbH, Leck ISBN 978-3-8169-3534-6 (Print) ISBN 978-3-8169-8534-1 (ePDF) ISBN 978-3-8169-0128-0 (ePub) Umschlagabbildung: © iStock.com/ LeonidKos Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio‐ nalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® 7 1 9 2 13 2.1 15 2.2 20 2.2.1 24 2.2.2 25 2.2.3 30 2.2.4 33 2.3 42 2.4 44 2.5 51 3 59 3.1 60 3.1.1 60 3.1.2 66 3.1.3 68 3.1.4 74 3.2 75 3.2.1 75 3.2.2 79 3.2.3 86 3.2.4 93 4 103 4.1 109 Inhalt Vorwort des Autors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitendes zur Zielsetzung und den Inhalten des Buches . . . . . . . . . . . Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung . . . . . Innere Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenmenschliche Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigene Identität gegenüber Symbiose . . . . . . . . . . . . . . . Nähe und Distanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungsrichtungen und Tempo . . . . . . . . . . . . . . . Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Triade: Koalition, Rivalität und Dramadreieck . . . . . . . . . . . . . Gruppe: Revier, Rangordnung und Führung . . . . . . . . . . . . . . . Organisatorische Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodik der Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drei Stufen zur Konfliktbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Konfliktanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konfliktdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interventionen zur Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . Übung zur Drei-Stufen-Methode der Konfliktbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betrachtung des Konfliktgeschehens mit der Transaktionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Ich-Zustands-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transfer der Transaktionsanalyse auf die betriebliche Praxis in der Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einflussfaktoren auf den Umgang mit Konflikten . . . . Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kooperative Konfliktbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 134 4.2.1 135 4.2.2 138 4.2.3 145 4.3 147 5 151 6 157 7 159 8 165 166 169 171 Konfliktmoderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungen an Moderatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regeln zur Konfliktmoderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fahrplan zur Konfliktmoderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konfliktschlichtung / Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Negative Konfliktstrategien / Mobbing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konfliktprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autorenprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt Vorwort des Autors Die Daten und Beispiele in diesem Buch stammen zumeist aus meiner Zu‐ sammenarbeit mit mittelständischen Unternehmen und Konzernen und deren Töchtern aus der metallverarbeitenden und elektronischen Industrie sowie aus der IT-Branche. Bei der Veröffentlichung von Zahlen, Daten und Fakten ist stets darauf geachtet worden, meine Verpflichtung, betriebliche Interna zu schützen, strikt einzuhalten. Soweit hier Beispiele von Einzelpersonen genannt werden, sehe ich mich in der Pflicht, deren Persönlichkeitsrechte durch diese Veröffentlichung nicht zu verletzen. Daher habe ich alle Beispiele in diesem Buch so verändert, dass Ähnlichkeiten mit lebenden Personen rein zufällig wären. Meine Leser: innen mögen es mir nachsehen, dass ich weitgehend die männ‐ liche Form (z. B. „der Mitarbeiter“) gewählt habe. Es erscheint mir stilistisch vorteilhafter und es erleichtert das Lesen. Natürlich lade ich Leserinnen und Leser gleichermaßen dazu ein, sich von diesem Band angesprochen zu fühlen. Mein Dank gilt all meinen direkten Ansprechpartner: innen in den beauf‐ tragenden Unternehmen, den Teilnehmenden in Workshops, Seminaren, Co‐ achings und Assessment-Centern, die durch ihre Fragen, Beiträge und ihre persönlichen Beispiele Anregungen zu diesem Buch gaben. Persönlich und ausdrücklich möchte ich mich sowohl bei meinem Sohn Johannes für dessen geduldige Mitarbeit und bei Herrn Patrick Sorg für seine engagierte Unterstützung bedanken. Aachen, im März 2023 Dieter Brendt 1 Einleitendes zur Zielsetzung und den Inhalten des Buches Die Idee, ein Buch zum Thema Konfliktmanagement speziell abgestimmt auf Mitarbeitende und Führungskräfte in der Technik zu schreiben, resultiert aus Eindrücken und Erhebungen, die ich in den letzten Jahrzehnten in Koopera‐ tionen mit Auftraggebern aus Industrie- und Gewerbebetrieben gewonnen habe. Meine Erfahrungen legen nahe, dass Techniker: innen stark dazu neigen, das betriebliche Konfliktgeschehen so anzugehen, als ginge es darum, technische Probleme zu lösen. Tendenziell mehr auf die Sachebene fokussiert, werden Fakten gesichtet, kritisch analysiert und Maßnahmenpläne entwickelt. Auf der Strecke bleibt dabei allzu oft die Beziehungsebene, wie ein Beispiel aus einem Führungsse‐ minar exemplarisch zeigt, in dem Teilnehmende Gelegenheit erhalten haben, problematische Beispiele aus ihrer betrieblichen Praxis zu skizzieren. Ihre Fälle sind dann von anderen Teilnehmenden im Hinblick auf Lösungsvorschläge be‐ arbeitet worden, bevor sie im Anschluss gemeinsam mit dem Trainer diskutiert worden sind. In unserem Beispiel geht es um eine 25-jährige Führungsnachwuchskraft, die nach ihrem Bachelor-Abschluss zwar etwa ein Jahr lang in einer Behörde erste berufliche Erfahrungen gemacht hat, aber keinerlei Praxiserfahrungen in der für sie vorgesehenen Position eines Bauleiters vorweisen kann. Sie sei sehr ausführlich eingewiesen worden und man habe ihr klare Aufgaben erteilt, die sie jedoch nicht umgesetzt habe. Trotz mehrerer persönlicher Gespräche habe sich die Situation nicht wesentlich verbessert. Die Führungsnachwuchskraft scheue sich davor, Verantwortung zu übernehmen und lege eine „Egal-Einstellung“ an den Tag. Was also tun? Als Ursache für diesen Fall haben die problemlösenden Teilnehmenden schnell die „mangelnde Begeisterung“ des künftigen Bauleiters ausgemacht. Auf einer Flipchart skizzieren sie ihre Lösungsvorschläge wie folgt: ● „arbeitsbegleitende dauerhafte Kontrolle (sagen, informieren, lehren) - dann weiter - Aufgabe - Tutor - Vertrauen ● den Berufsalltag verdeutlichen ● tägliche Rücksprachen zur Baustellensituation, zu Vorgehensweisen, zu anstehenden Aufgaben einfordern und kontrollieren! ● langsame Eingliederung in notwendige Aufgaben“ Wie sich deutlich zeigt sind die problemlösenden Teilnehmenden schnell mit dem Entwurf zu einer Art Lehrplan bei der Hand, wobei sie versäumen, die von ihnen selbst benannte Ursache „mangelnde Begeisterung“ zu klären. Statt auf der Basis gemeinsamer Wertschätzung flexibel Möglichkeiten zu Win-win-Lö‐ sungen anzudenken, wird eine Schritt-für-Schritt-Anleitung vorgeschlagen, um fachliche Lücken des künftigen Bauleiters zu schließen. Allerdings wird der Konflikt so kaum zu einer Chance zur persönlichen und organisatorischen Wei‐ terentwicklung, was denn auch die Teilnehmenden am Ende der Lehrdiskussion so sehen und eine alternative Lösung vorschlagen: ● „Stärken und Schwächen herausfinden (Interessen) ● Wie stellt die Führungsnachwuchskraft sich den Beruf vor? ● Intern ggf. nach Alternativen suchen: Einsatz in der Arbeitsvorbereitung, Kalkulation o.-ä.“ Um den Blick vor derartigen Lösungen nicht zu verschließen, bedarf es über der Lösungssuche auf der sachlichen Ebene hinaus der besonderen Beachtung der Beziehungsebene und dem Einsatz von psychologischem und methodischem Know-how. Und genau hierhin liegt die Zielsetzung dieses Buches: Mitarbeitenden und Führungskräften in der Technik Wissen an die Hand geben, betrieb‐ liches Konfliktgeschehen ganzheitlich zu betrachten und als Chance zur persönlichen und organisatorischen Weiterentwicklung zu nutzen. Dieser Zielsetzung entsprechend werden in Kapitel 2 nach einer Begriffsklärung mögliche Elemente von Konflikten in der betrieblichen Praxis und Konfliktei‐ genschaften dargestellt. Zudem wird aufgezeigt, wie sich mit psychologischem Know-how das Konfliktmanagement seelischer, zwischenmenschlicher und organisatorischer Konflikte in der Technik optimieren lässt. Kapitel 3 widmet sich der in zahlreichen Seminaren und Coachings be‐ währten Methodik der Konfliktlösung mit der „Drei-Schritt-Methode“ nach Crisand/ Reinhard: ● Konfliktanalyse ● Konfliktdiagnose ● Konfliktbewältigung, inkl. konkreter Maßnahmen. Daran anknüpfend werden die Betrachtung des Konfliktgeschehens mit der Transaktionsanalyse sowie der Umgang mit Konflikten im Hinblick auf die Einstellung zu Ihnen, ihre Wahrnehmung und durch sie ausgelöste Gefühlsrich‐ tungen und Verhaltensweisen erörtert. 10 1 Einleitendes zur Zielsetzung und den Inhalten des Buches Methodisches Know-how zur kooperativen Konfliktbewältigung in der Technik wird in Kapitel 4 ebenso dargestellt wie ein Fahrplan zur Konflikt‐ moderation, Schritte zur Konfliktschlichtung und die Konfliktregelung durch Führungskräfte. Im Einzelnen wird zur kooperativen Konfliktbewältigung ein Kreislauf vorgeschlagen, in dem sechs Stufen eingehend vorgestellt werden: ● Erregung kontrollieren ● Vertrauen bilden ● Offen kommunizieren ● Problem lösen ● Vereinbarung treffen ● Persönlich verarbeiten Der Fahrplan zur Konfliktmoderation enthält die Stationen: ● Vorbereitung der Konfliktmoderation ● Eröffnung der Konfliktmoderation ● Konfrontation der Sichtweisen ● Auswertung des Konfliktgeschehens ● Konfliktverhandlung ● Konfliktcontrolling Zum Thema „Konfliktschlichtung“ wird das Verfahren der Mediation als Al‐ ternative zur Konfliktmoderation, oder auch als zusätzliche Möglichkeit zur Bearbeitung stark verfestigter, noch ungelöster Konflikte vorschlagen. Kapitel 5 widmet sich dem Themenbereich „Negative Konfliktstrategien“, wobei insbesondere Mobbing mit all seinen Facetten behandelt wird: ● Mobbing als negative Konfliktstrategie ● Arten der Mobbing-Attacken ● Phasen des Mobbingprozesses ● Betriebliche Prävention ● Mobbingspezifische Behandlungskonzepte In Kap. 6 werden Möglichkeiten zur Veränderung des Konfliktpotenzials orga‐ nisatorischer Konflikte erörtert, wie die Konfliktreduktion bei Wert-, Sach-, Beziehungs-, Verteilungs- und Entscheidungskonflikten. Die Kapitel enthalten Möglichkeiten zur Selbstreflexion, Übungen und Checklisten. Literatur-, Stichwort-, Abbildungs- und Tabellenverzeichnis sowie Hinweise zum Autor stehen am Ende unseres Buches. 1 Einleitendes zur Zielsetzung und den Inhalten des Buches 11 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung Im Zusammenhang mit dem Thema Konflikt wird häufig Buridans Esel bemüht. Genau mittig zwischen zwei Heuhaufen platziert, fühlt er sich gleichermaßen sowohl nach links als auch nach rechts hingezogen. Ohne Positionswechsel würde er wohl wegen der gleich starken Anreize hin- und hergerissen zwischen beiden Heuhaufen verhungern müssen. Um sich für die eine oder andere Seite zu entscheiden, bedarf es eines weiteren inneren oder äußeren handlungssteu‐ ernden Antriebs, wie z. B. einer Berührung, eines Dufts oder eines Geräuschs. Angelehnt an das Bild von Buridans Esel werden Konflikte in der Psychologie und den Sozialwissenschaften zumeist so definiert: Wir sprechen im zwischenmenschlichen Bereich von Konflikten ● wenn zwei Elemente gleichzeitig gegensätzlich oder unvereinbar sind und ● jemand sich und/ oder andere aus innerem Antrieb und/ oder äußeren Forde‐ rungen drängt, Stellung zu beziehen. Teilnehmende an meinen Coachings und Seminaren haben mir eigene und fremde Beispiele für Konfliktelemente in der Technik berichtetet: ● Gedanken: Ein Projektleiter denkt, sich mit der Übernahme eines Auftrages total übernommen zu haben, ist aber auch gleichzeitig überzeugt, den Job schaffen zu können. ● Wünsche: Eine ehrgeizige Ingenieurin strebt einerseits eine höherwertige Position an, in der jedoch mehr Dienstreisen und längere Abwesenheiten gefordert sind als in ihrer derzeitigen Stelle, möchte aber andererseits auch nicht ihr schulpflichtiges Kind vernachlässigen. ● Verhaltensweisen: Ein unter Termindruck stehender Montageleiter nimmt wahr, wie ein langjähriger Mitarbeiter, „ein alter Hase“, gegen Ende des Arbeitstages sicherheitswidrig eine Arbeit „mal eben schnell fertig macht“. Um seiner Sicherheitsverantwortung gerecht zu werden, müsste er die Arbeit des Monteurs unterbrechen und würde so die zeitnahe Fertigstellung gefährden, wobei er das Unfallrisiko verringern würde. „Übersieht“ er das sicherheitswidrige Verhalten, schätzt er, dass der Monteur bei einem zwar erhöhten Sicherheitsrisiko wahrscheinlich rechtzeitig fertig wird. Zudem bräuchte er sich nicht auf einen „leidigen Disput mit dem Monteur über die Notwendigkeit der Unfallverhütungsvorschriften (UVV) in diesem speziellen Fall und überhaupt“ einlassen. ● Absichten: Ein Bauleiter möchte im Projekteröffnungsgespräch alle betei‐ ligten Gewerke, Sub- und Nachunternehmer auf ein gemeinsames Ziel einschwören, was nicht bei allen gleichermaßen auf Gegenliebe stößt. Bei ihnen steht im Vordergrund, möglichst schnell und profitabel ihren Part zu erledigen. ● Beurteilungen: Im Mitarbeiterjahresgespräch fokussiert die technische Füh‐ rungskraft stark das Leistungsergebnis des Mitarbeiters, orientiert an Zahlen, Daten, Fakten zu Quantität und Qualität. Ihr Mitarbeiter wünscht demge‐ genüber vor allem darüber hinaus ein mehr ganzheitliches Feedback, also Rückmeldung zu „Soft Skills“, wie beispielsweise sein Engagement, seine Eigeninitiative und Flexibilität und seine soziale Kompetenz gesehen werden. ● Bewertungen: Im Rahmen des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) reicht ein Mitarbeiter aus der Fertigung einen, aus seiner Sicht durch‐ dachten und realisierbaren Vorschlag ein, der nach seiner Überzeugung nicht nur die Fertigungsabläufe vereinfachen, sondern auch die Arbeit selbst erleichtern würde. Seine Führungskraft bewertet den Vorschlag als zu aufwändig und finanziell nicht realisierbar. ● Personen: Eine IT-Systemanalytikerin übergibt dem Betriebsrat einen Brief, in dem ihr Vorgesetzter ihr seine Liebe erklärt. Sie könne nicht damit umgehen und es sei ihr seither nicht mehr möglich, in der bisherigen Konstellation mit ihm zusammenarbeiten. ● Gruppen: Die Techniker eines mittelständigen Unternehmens für Kommu‐ nikationslösungen werfen ihren Vertrieblern vor, den Kunden immer wieder Lösungen zu versprechen, die so nicht umsetzbar seien. Die Vertriebler erklären demgegenüber, dass die Techniker nicht auf dem Stand der Technik seien und deshalb die Kundenwünsche nicht erfüllen könnten. Alle Beispiele unterstreichen den ersten Satz der Konfliktdefinition, dass die bei‐ spielhaft angeführten Konfliktelemente entweder nicht zum gleichen Zeitpunkt verwirklicht werden können oder in sich gegensätzlich oder unvereinbar sind. Allen Fällen gemeinsam ist zudem, dass Lösungsdruck erzeugt worden ist, der entweder aus innerem Antrieb oder äußeren Forderungen oder Bedingungen erfolgt. Die Beispiele zeigen zudem, dass sich Konflikte auch als Störungen des Handlungsablaufs begreifen lassen, die dazu zwingen, sich zu orientieren. Un‐ weigerlich werden Gefühle ausgelöst - Konfliktbeteiligte fühlen sich innerlich angespannt, unter Druck stehend, ängstlich oder gereizt. Es ist nicht möglich, Konflikte einfach nur auf sich beruhen zu lassen - sie müssen bewältigt werden, zumal sie ungelöst die Tendenz haben zu eskalieren. Um wieder vollumfänglich 14 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung handlungsfähig zu werden, ist es von daher unbedingt erforderlich, Stellung zu beziehen. Wie sich auch aus der Reihe der angeführten Konfliktbeispiele entnehmen lässt, lassen sich Konflikte in innere (seelische oder intrapersonelle) und äußere (zwischenmenschliche, soziale oder interpersonelle), sowie organisatorische einteilen. Nach Berkel sind detailliert zu betrachten: Innere Konflikte ● Annäherung - Annäherung ● Vermeidung - Vermeidung ● Annäherung - Vermeidung Zwischenmenschliche Konflikte ● Paar: Identität, Nähe, Entwicklung, Kommunikation ● Triade: Koalition, Rivalität und Dramadreieck ● Gruppe: Revier, Rangordnung und Führung Organisatorische Konflikte ● Sache ● Beziehung ● Werte ● Verteilung ● Rolle 2.1 Innere Konflikte Nach Kurt Lewin lassen sich innere Konflikte, auch häufig als intrapersonelle oder seelische bezeichnet, danach einteilen, in welcher Richtung auf Personen Kräfte einwirken. Wir unterscheiden drei Konflikttypen: 1. Beim Annäherungs-Annäherungs-Konflikt steht die betroffene Person wie der bereits erwähnte Esel Buridans zwischen zwei positiven Möglichkeiten, die er gleichermaßen für wertvoll hält, aber gleichzeitig nicht erreichen oder anstreben kann. Statt der gleich weit entfernten Heuhaufen in Bu‐ ridans Beispiel konkurrieren hier jedoch zumeist zwei attraktive Ziele miteinander. So möchte manch einer beruflich zwar einerseits gerne und schneller weiterkommen, andererseits aber auch nicht auf eine gut ausgewogene Work-Life-Balance verzichten. 2.1 Innere Konflikte 15 2. Wir sprechen von einem Vermeidungs-Vermeidungs-Konflikt, wenn die betroffene Person sich aus ihrer Sicht zwischen zwei Übeln, sprichwört‐ lich „zwischen Pest und Cholera“ entscheiden muss. Im betrieblichen Kontext resultieren derartige Konflikte zumeist daraus, dass zwei Pflichten einander gegenüberstehen. Wird der dienstältere, verdienstvolle Gruppen‐ leiter beispielsweise mit einer Terminarbeit voraussichtlich nicht fertig, muss sein jüngerer Vorgesetzter seinen ehemaligen Mentor entweder darauf ansprechen, was ihm schon Bauchschmerzen bereitet. Oder aber er erledigt die Arbeit selbst, was seine Frau verstimmen dürfte, die sich auf eine gemeinsame Freizeitaktivität freut. Je nachdem wie sich der Vor‐ gesetzte entscheidet, könnte sein Dilemma eskalieren und einen tragischen Verlauf nehmen. 3. Bei einem Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt wird die betroffene Person vor eine Entscheidung gestellt, die für sie gleichermaßen positives wie auch negatives enthält. So ist einem meiner Coachees eine höherwertige Stelle in Aussicht gestellt worden, wenn er als Meister berufsbegleitend die zum nächsten Karriereschritt erforderliche Ausbildung zum techni‐ schen Betriebswirt erfolgreich absolviert. Dem High Potential winken als Nachfolger seines in absehbarer Zeit ausscheidenden Chefs neben einem höheren Gehalt größere Entscheidungs- und Handlungsspielräume. Allerdings würde dem frischgebackenen Vater von Zwillingen durch die nebenberufliche Ausbildung seine ohnehin schon sehr beschnitte Zeit für die Familie noch weiter verkürzt. Zudem zweifelt er, ob er den Anforde‐ rungen der Ausbildung und den damit einhergehenden Belastungen für sich und seine junge Familie gewachsen sein wird. Im oben angeführten Beispiel zum Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt ver‐ deutlicht sich eine Gemeinsamkeit der drei Typen innerer Konflikte: ihre Ambivalenz. Jede der betroffenen Personen befindet sich in einer Entschei‐ dungssituation und ist gefordert, sich dort mit widerstreitenden positiven und/ oder negativen Gefühlsregungen auseinanderzusetzen. Die Bewältigung ambivalenter Entscheidungskonflikte erfordert zudem von jeder betroffenen Person, auch mit negativen Folgen ihrer Entscheidung zurechtzukommen, sprich: innerlich mit ihnen fertig zu werden. Sowohl im Hinblick auf die Entscheidungsfindung als auch auf deren Eva‐ luation und der damit einhergehenden Verarbeitung der Folgen hat sich in meinen Coachings für Fach- und Führungskräfte in der Technik der Einsatz einer Entscheidungsmatrix bewährt, welche 16 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung ● ein Hilfsmittel in tabellarischer Darstellungsform darstellt, einfach in Excel herstellbar, ● unterschiedliche Optionen anhand von nachvollziehbaren Kriterien ver‐ gleicht, ● hilft, die beste Alternative herauszufiltern, ● Entscheidungen visualisiert und untermauert, sowie ● den gesamten Verlauf der Entscheidungsfindung dokumentiert und last but not least ● Fach- und Führungskräften in der Technik als Tool wohl bekannt ist und von ihnen u. a. im Shopfloor Management, als Qualitätstechnik oder bei der Fehler-Möglichkeits- und Einfluss-Analyse (FMEA) eingesetzt wird. Nehmen wir als Beispiel einen Techniker, der sich beruflich neu orientieren möchte und dem zwei lukrative Jobangebote vorliegen. Eine Matrix zur Ent‐ scheidungsfindung bei diesem Annäherungs-Annäherungs-Konflikt lässt sich problemlos mit einer Excel-Tabelle in fünf Schritten ausführen (vgl. Tabelle 1: Jobangebote). 1. In der ersten Spalte werden Kriterien festgelegt, die bei der Entscheidungs‐ findung zu berücksichtigen sind, wie z. B. Gehalt, Arbeitszeit, Aufgaben‐ bereich, Handlungsspielraum, Position, betriebliche Weiterbildungsange‐ bote, Perspektiven etc. Bei der Erstellung der Kriterienliste hat sich ein „Brainstorming mit sich selbst“ als hilfreich erwiesen, in dem zunächst einmal alle Aspekte ohne Wertung erfasst werden, die der betroffenen Person im Hinblick auf die zu treffende Entscheidung spontan einfallen. Zudem empfiehlt sich, die Kriterienliste anderen Personen vorzustellen und gemeinsam mit ihnen zu evaluieren. Der Fokus ist dabei auf eine möglichst für die vom inneren Konflikt betroffene Person relevante Krite‐ rienliste zu legen. 2. Jedes Kriterium wird auf einer Skala von 1 bis 5 gewichtet (1: sehr geringe Bedeutung, 5: sehr hohe Bedeutung). 3. Jede Gewichtung wird mit der maximal erreichbaren Punktzahl 5 multi‐ pliziert. Durch Addition aller Multiplikatoren ergibt sich die maximal erreichbare Gesamtsumme am Ende der Spalte. 4. Für jedes Jobangebot wird pro Kriterium die Übereinstimmung mit den eigenen Vorstellungen auf einer Skala von 1 bis 5 ermittelt (1: sehr geringe Übereinstimmung, 5: sehr hohe Übereinstimmung). 5. Die pro Kriterium ermittelte Punktzahl wird mit der in Schritt 2 verge‐ benen Gewichtung multipliziert. Die Gesamtsumme aller nun gewichteten 2.1 Innere Konflikte 17 Punktzahlen am Ende der Spalte kann nun mit der maximal erreichten Gesamtsumme der erreichbaren Punkte aus Schritt 3 verglichen werden. Unter der Voraussetzung, über eine Liste zu verfügen, in der nach Möglichkeit alle relevanten Kriterien erfasst und angemessen gewichtet werden, bietet die in Tabelle 1 skizzierte Entscheidungsmatrix dem Techniker über den Vergleich der Summe von maximal erreichbaren Punkten in Spalte 3 mit der gewichteten Ge‐ samtpunktzahl in den Spalten 5 und 7 in seinem Annäherungs-Annäherungs-Kon‐ flikt eine Entscheidungshilfe im Hinblick darauf, welches Jobangebot alles in allem eher seinen Vorstellungen entspricht. In unserem Beispiel sollte Jobangebot 1 mit der geringeren Differenz zwischen der Summe der gewichteten Punktzahl zur Summe der maximalen Punkte wohl eher den Techniker ansprechen. 1. 2. 3. 4. 5. - - Jobangebot 1 Jobangebot 2 Krite‐ rienliste Gewich‐ tung Max. Punkte Erreichte Punkt‐ zahl Gewich‐ tete Punkt‐ zahl Erreichte Punkt‐ zahl Gewich‐ tete Punkt‐ zahl Gehalt 3 15 2 6 4 12 Arbeits‐ zeit 5 25 4 20 2 10 Position 2 10 5 10 3 6 usw., usf. 4 + X 20 + X 4 + X 16 + X 3 + X 12 + X Summe - 60 + X - 52 + X - 40 + X Tab. 1: Annäherungs-Annäherungs-Konflikt „Jobangebot“ Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass der Einsatz einer Entscheidungsmatrix bei der Entscheidungsfindung bei allen Arten von inneren Konflikten der betrof‐ fenen Person eine strukturierte und logisch nachvollziehbare Entscheidungshilfe bietet, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Erstellung vermag insbesondere bei komplexen inneren Konflikten allerdings nicht zu verhindern, dass Zweifel an der eigenen Entscheidung und zuweilen auch Angst vor möglichen negativen Konsequenzen wegen der vermeintlich falsch getroffenen Entscheidung auftreten. Nicht selten fragen sich die von einem internen Konflikt betroffenen Personen nach ihrer Entscheidung immer wieder: „Was wäre, wenn …“. Diesem Gedanken, 18 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung der schlimmstenfalls zum ständigen Begleiter werden kann, sollte bewusst entge‐ gengetreten und Einhalt geboten werden. Von daher sollten von einem inneren Konflikt betroffene Personen schon bei der Erstellung der Kriterienliste zur Entscheidungsfindung der Tatsache Rechnung tragen, dass es fast unmöglich ist, alle Entscheidungsfaktoren und Konsequenzen bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Deshalb sind mit Mut zur Lücke insbesondere diejenigen Kriterien zu listen, die relevant für den Entscheider sind, womit gleichzeitig bereits zu Beginn des Entscheidungs‐ prozesses akzeptiert wird, dass bei Entscheidungsfindungen immer eine gewisse Unsicherheit bleibt. Als hilfreich hat sich auch erwiesen, einen klaren Zeitpunkt zu benennen, bis zu dem die Entscheidung zu treffen ist. Wer Entscheidungen zu lange vor sich her schiebt, verunsichert sich selbst und erschwert damit seine Entscheidungs‐ findung. Cui bono - wem nützt es, so fragten schon die alten Römer, und so sollte auch bei allen Handlungsoptionen im Hinblick auf andere und sich selbst gefragt werden. Die Bedeutsamkeit dieser Frage dürfte jedem klar sein, der wie der Protagonist in unserem obigen Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt einerseits eine höherwertige Stelle anstrebt, andererseits aber vermeiden möchte, seine Familie zu vernachlässigen. Da durch die Ambivalenz jeder Konfliktsituation unweigerlich Gefühle ausgelöst werden, sind selbstverständlich auch Emotionen zu berücksichtigen. Deshalb sollten von inneren Konflikten betroffene Personen sich in die Situation nach der Entscheidungsfindung versetzen und sich damit auseinandersetzen, wie sie sich nach der einen oder anderen Entscheidung wohl fühlen werden. Es lohnt sich durchaus, auch auf sein Bauchgefühl zu hören. Wer möchte nach einer getroffenen Entscheidung nicht gerne sagen: „Das fühlt sich richtig an! “ Wer Entscheidungen trifft, entscheidet sich nicht nur für, sondern stets auch gegen etwas. Von daher schaffen Entscheidungen insofern Klarheit, als sie aufzeigen, wovon die vom Entscheidungskonflikt betroffenen Personen sich zu dem Zeitpunkt mehr Profit für sich erhoffen. Ansonsten hätten sie eine andere Entscheidung getroffen. Da sich allerdings nicht nach jeder Entscheidung der erhoffte Erfolg einstellt, lohnt es sich, sein Entscheidungsverhalten regelmäßig zu reflektieren. In Anlehnung an die „Übung zu inneren Konflikten im Beruf “ nach Berkel empfiehlt sich zum Einstieg in eine kontinuierliche Selbstreflexion folgende Vorgehensweise: 1. Stellen Sie fünf Situationen aus ihrem beruflichen Alltag zusammen, in denen Sie mit Erwartungen und Anforderungen konfrontiert sind oder waren, die sie nicht (oder nicht so) erfüllen wollen bzw. erfüllen wollten. 2.1 Innere Konflikte 19 2. Analysieren Sie jede Situation danach, welcher Konflikttyp vorherrscht. 3. Erstellen Sie eine Entscheidungsmatrix und vergleichen Sie sie damit, wie Sie sich gewöhnlich in solchen Situationen verhalten. 4. Bei Unstimmigkeiten prüfen Sie Möglichkeiten, sich in ähnlichen Situa‐ tionen anders zu verhalten, um innere Konflikte zu bewältigen. 5. Beachten Sie: Nobody is perfect! Und: „falsche Entscheidungen“ kann es so eigentlich gar nicht geben, da sie in dem Moment, in dem sie getroffen werden, die beste Option darstellen. Wer diese fünf Schritte beherzigt, kann mit unerwarteten Konsequenzen ange‐ messener umgehen und die vermeintlichen Fehler nutzen, um daraus zu lernen und immer wieder neue Lösungen zu finden. 2.2 Zwischenmenschliche Konflikte Wir sprechen von zwischenmenschlichen, oder auch interpersonellen Kon‐ flikten, wenn unterschiedliche Strebungen zwischen zwei oder mehreren Per‐ sonen vorliegen. Bevor wir im Einzelnen auf Zweier- oder Paarkonflikte, Dreier- oder Dreieckskonflikte und Gruppenkonflikte eingehen, soll der Zusammen‐ hang zwischen inneren und zwischenmenschlichen Konflikten anhand des Teufelskreismodells von Schulz von Thun aufgezeigt werden (vgl. Abb. 1). Abb. 1: Vorgesetzter (VG) und Mitarbeiter (MA) im Teufelskreis Im Teufelskreis befinden sich ein junger Ingenieur (VG) und dessen Mitarbeiter (MA), ein Industriemeister, den er bereits aus der Zeit kennt, als er als Student in der Fertigung gejobbt und währenddessen alle Arbeiten im Sinne seines da‐ maligen Vorgesetzten ausgeführt hat. Nachdem der frischgebackene Ingenieur 20 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung nach seiner Anstellung zunächst wohlwollend willkommen geheißen wurde, ändert sich die Situation eskalierend, als er seine Vorstellungen zur Optimierung der Fertigungsabläufe einbringt, die bei seinem Mitarbeiter auf eher wenig Gegenliebe stoßen. Insbesondere nach Einführung des vom Mitarbeiter für überflüssig und nur zeitraubend empfundenen Shopfloor Managements eska‐ liert die Konfliktsituation zusehends und entwickelt sich zu einem Teufelskreis, geprägt von Misstrauen, Gereiztheit und Vorwürfen. Man sieht zu, dem anderen möglichst aus dem Weg zu gehen. Nach außen zeigt sich auf der Verhaltensebene, dass der Mitarbeiter sich selbstbehauptend, kämpferisch und teils auch wütend den Neuerungen entge‐ genstemmt, wodurch sich sein Vorgesetzter nicht für voll genommen und herausgefordert fühlt. Empört schiebt er dem Verhalten des Mitarbeiters einen Riegel vor, wobei er sich selbst abweisend und geringschätzig verhält. Dies wiederum löst beim Mitarbeiter aus, dass er sich abgeschmettert, von oben herab behandelt und nicht gewürdigt fühlt, was dazu führt, dass er sich nun erst recht kämpferisch dem Vorgesetzten und seinen Neuerungen widersetzt, was bei diesem verstärkt, dass er sich noch mehr herausgefordert fühlt und verschärft reagiert, wodurch sich der Mitarbeiter noch stärker abgelehnt fühlt, so dass er … Es resultiert ein Teufelskreis, der jede Konfliktpartei mehr und mehr belastet und ein zielgerichtetes, ergebnisorientiertes Miteinander erheblich erschwert. Das Teufelskreis-Modell verdeutlicht den Zusammenhang zwischen inneren und zwischenmenschlichen Konflikten. Die dargestellte Eskalationstendenz zeigt sich sowohl nach Außen in der Beziehung zwischen den Beteiligten durch deren sich zunehmend ablehnendes und verschärfendes Verhalten als auch in ihrem Inneren, wo jeder der beiden sich angegriffen fühlt, verunsichert und belastet, sowie Druck empfindet, sich zu behaupten und sich ausmalt, was geschehen würde, wenn … - den typischen Merkmalen innerer Konflikte. Innen- und Außenseite des Konfliktgeschehens beeinflussen sich wechselseitig. Alles, was sich zwischenmenschlich ereignet, wird innerlich verarbeitet. Um Teufelskreise der geschilderten Art erst gar nicht entstehen zu lassen, bzw. sukzessive aus ihnen auszusteigen, empfiehlt sich der Einsatz von Ich-Bot‐ schaften statt der bedrängenden Du-Botschaften, die den anderen sofort in eine Rechtfertigungs- oder Verteidigungsposition drängen. So spricht der Vor‐ gesetzte in unserem Beispiel seinen Mitarbeiter auf ein Versäumnis an: „Du hast schon wieder die Zahlen auf den Shopfloor Board nicht aktualisiert! “ Der Mitarbeiter fühlt sich in die Ecke gedrängt und reagiert wütend, getreu der Devise „Angriff ist die beste Verteidigung“: „Meine Güte, nochmal! Wie Du eigentlich wissen müsstest, habe ich gerade jetzt alle Hände voll zu tun und 2.2 Zwischenmenschliche Konflikte 21 kann nun wirklich nicht an alles denken. Es ist jedes Mal das Gleiche mit Dir! “ Und schon ist eine neue Runde im Teufelskreis eingeläutet worden. Es reicht nun allerdings nicht, wenn der Vorgesetzte das „Du“ durch ein „Ich“ ersetzt: „Ich möchte, dass Du die Zahlen rechtzeitig lieferst.“ In diesem Fall hätten wir es mit einer falschen Ich-Botschaft zu tun, die zwar grammatikalisch richtig mit „Ich“ anfängt, aber auch nichts anderes ist als eine „Du-sollst-gefälligst-Botschaft“, die zumeist alles nur noch schlimmer macht, weil sie mit unterdrückter Wut, innerlich kochend an den Mann gebracht wird. Demgegenüber enthält eine echte Ich-Botschaft nach Thomas Gordon, der den Begriff einführte, vielmehr eine Selbstoffenbarung. Ihm zufolge gibt eine Ich-Botschaft persönliche Eindrücke (Wahrnehmungen) wieder, erklärt was das Verhalten des anderen für Gefühle bei einem selbst erweckt (hat) und drängt den anderen nicht in die Defensive. Eine echte Ich-Botschaft ist ehrlich, mutig und authentisch. Allerdings ist es gerade für Fach- und Führungskräfte in der Technik zunächst ungewohnt, sich selbst zu zeigen. Schließlich haben sie gelernt, sich professionell und sachlich zu verhalten und sind es eher nicht gewohnt, eigene Bedürfnisse und Gefühle offen auszusprechen. Betrachten wir deshalb doch einmal eine echte Ich-Botschaft zu unserem obigen Beispiel, wo der Mitarbeiter wegen der fehlenden Zahlen auf dem Shopfloor Board angesprochen wird. Wie im Coaching geübt spricht der Vorgesetzte seinen Mitarbeiter mit einer Ich-Botschaft an: „Bei der Vorbereitung der Präsentation am Shopfloor Board habe ich bemerkt, dass nicht alle Zahlen und Daten aktualisiert sind und mich total geärgert, weil ich mich so nur unzureichend vorbereiten konnte. Ich fühle mich nicht ernstgenommen und respektiert, wenn Du unsere Termine nicht einhältst. Da es mir ein echtes Anliegen ist, das Shopfloor Board zur Verbesserung unserer Abläufe und Prozesse zu nutzen, würde ich mir wünschen, zukünftig alle Daten und Fakten rechtzeitig vorliegen zu haben.“ So eröffnet sich die Chance, dass die Gesprächsebene weg von der Eskalation hin zur Deeskalation durch geschickte Dialogführung mittels echter Ich-Botschaften wechselt. Tatsächlich hat der Mitarbeiter dann auch so geantwortet: „Das tut mir leid. Ich wollte Dich nicht kränken und sehe zu, dass Du die Zahlen und Daten rechtzeitig erhältst.“ Auf den Punkt gebracht, lautet die Erfolgsformel für echte Ich-Botschaften: Ich + Sachaussage + meine Bedürfnisse und Gefühle + mein Appell 22 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung Wenn Sie es dem Ingenieur in unserem Beispiel gleichtun möchten und Ich-Bot‐ schaften als Methode zur Konfliktreduktion einüben möchten, dürfte Ihnen die folgende Übungsanleitung eine Hilfe sein. 1. Orientieren Sie sich an den Hinweisen zur Erfolgsformel in Tabelle 2 zur Formulierung von Ich-Botschaften. Erfolgsformel Beschreibung Beispiele Ich + Sachaussage + Die eigene Wahrneh‐ mung ohne Bewertung beschreiben - stets auf der Beschreibungsebene bleiben, weder bewerten noch erklären • Ich nehme … wahr • Ich sehe, dass … • Mir fällt auf, dass … Meine Bedürfnisse und Ge‐ fühle + Gefühle und Bedürfnisse erklären - schließlich ent‐ stehen negative Gefühle, weil eigene Bedürfnisse nicht erfüllt werden und nicht, weil der andere ein schlechter Partner ist • Das verursacht bei mir … • Irgendwie wirkt es auf mich als … • Ich finde es irritierend, dass … Mein Appell Einen Vorschlag für die zu‐ künftige Vorgehensweise unterbreiten - Eine Bitte ist keine Forderung und deshalb sollten einfache, erfüllbare Wünsche geäu‐ ßert werden • Ich würde mir für die Zukunft wünschen, … • Mir wäre es sehr Recht, wenn wir … verein‐ baren könnten • Ich bitte Sie, mir zu sagen, ob Sie … Tab. 2: Hinweise zur Erfolgsformel für Ich-Botschaften 2. Wenden Sie die Erfolgsformel auf typische Situationen im betrieblichen Alltag an, wo Sie sich über das Verhalten eines Mitarbeiters, Kollegen oder Vorgesetzten geärgert haben bzw. ärgern. So könnten Sie beispielsweise bei einem unpünktlichen Kollegen anstelle der Du-Botschaft „Du bist schon wieder unpünktlich“ auf eine gut überlegte Ich-Botschaft zurückgreifen, bzw. diese schnell formulieren, etwa so: „Ich habe hier bereits 30 Minuten auf Dich gewartet, was mich schon sehr ärgert, zumal ich zurzeit stark eingespannt bin und mächtig viel um die Ohren habe. Ich fühle mich nicht ernstgenommen und nicht respektiert, wenn Du Dich nicht an unsere Termine hältst. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, termingerecht zu beginnen.“ 2.2 Zwischenmenschliche Konflikte 23 3. Nutzen Sie Ich-Botschaften auch im Mailverkehr, insbesondere dann, wenn Sie, was auch immer anmahnen. Gerade Emails sind eine gute Möglichkeit, Ich-Botschaften einzuüben, da Sie hier genügend Zeit zur bewussten Formulierung haben. 4. Zudem stellen Ich-Botschaften auch bei Videokonferenzen ein probates Mittel dar, um beispielsweise die Einhaltung von Regeln zu erbitten. So empfiehlt sich statt der verdeckten Du-Botschaft nach einer Videokonfe‐ renz „Ich bitte Dich, nicht immer so lange zu reden, damit sich die Einstiegs‐ runde nicht unnötig verlängert“ eine Ich-Botschaft im anschließenden Vier-Augen-Gespräch: „Die Einstiegsrunde hat heute länger gedauert als vereinbart war. Das verursacht bei mir schon eine gewisse Unzufriedenheit und ärgert mich auch. Ich habe mich bemüht, mich an meine zwei Minuten zu halten und wünsche mir auch von Dir, dass Du Dich daran hältst, damit wir unseren Zeitplan künftig einhalten können.“ 2.2.1 Eigene Identität gegenüber Symbiose Wie die vorangegangenen Überlegungen zum Zusammenhang zwischen in‐ neren und zwischenmenschlichen Konflikten im betrieblichen Kontext zeigen, treten Paarkonflikte nicht nur in klassischen Mann-Frau-Beziehungen auf, sondern auch am Arbeitsplatz zwischen Kollegen und Vorgesetzten und Mitar‐ beitenden. Bei einem Identitätskonflikt stellt sich die Frage, ob und inwieweit einer der Partner seine Identität in einer Symbiose mit dem anderen aufgibt. Im betrieblichen Kontext geht es dabei zumeist um die Frage, ob eigene Entscheidungen getroffen werden dürfen, ohne die Beziehung zum Kollegen oder Vorgesetzten zu gefährden oder ob völlig darauf verzichtet wird. In der betrieblichen Praxis zeigt sich immer wieder aufs Neue, dass durch eingeschränkte Entscheidungsspielräume Symbiosen erleichtert werden. Statt dem Partner die Chance zu geben, sich eigenständig und selbstbewusst in ein konstruktives Miteinander einzubringen, entlässt man ihn aus der Verantwor‐ tung und erledigt dessen Aufgaben selbst, weil es ohnehin schneller geht, als sich mit ihm auseinanderzusetzen. Den Profit geringeren Arbeitsaufkommens in der symbiotischen Beziehung bezahlt der Partner dann im Zuge der sich ent‐ wickelnden Symbiose mit dem zunehmenden Verlust seines Selbstwertgefühls und seiner Leistungsbereitschaft. Was soll er sich denn auch anstrengen, wenn andere ihm nichts zutrauen und seine Arbeit tun? Er darf ohnehin nichts ohne die Zustimmung des Partners, mit dem er es sich auf keinen Fall verderben möchte. Und das nutzt er dann auch weidlich aus, indem er sich selbst unter Wert verkauft und so seinen Partner immer wieder in die Symbiose einlädt. 24 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung Eine solche Einladung ruft bei unterstützenden Helfern durchaus positive Ge‐ fühle hervor. Schließlich werden sie gebraucht und können sich als hilfsbereite und kollegiale Kollegen zeigen. Aber jede Unterstützung bedeutet gleichzeitig auch ein Mehr an Arbeit, bis hin zur Überlast. Zudem wird mit jeder weiteren Unterstützung dazu beigetragen, dass die Unterstützten immer weniger eigen‐ ständig und selbstbewusst handeln. Dementsprechend wendet sich auf Dauer dann auch das Verhältnis der Partner. Beide sind nicht so recht glücklich mit ihrer symbiotischen Beziehung. Wer aus solchen Symbiosen aussteigen bzw. erst gar nicht in sie einsteigen und stattdessen mitdenkende und motiviert mitarbeitende Partner in seinem Team haben möchte, sollte seinen Partnern im Rahmen angemessener Hand‐ lungs- und Entscheidungsspielräume auch die Chance einräumen, aus Fehlern zu lernen. Gleichzeitig sollte er selbst sorgfältig darauf achten, sich nicht in symbiotische Beziehungen einladen zu lassen. Salopp ausgedrückt: Gehen Sie ihrem Mitarbeitenden oder Kollegen nicht auf den Leim, wenn sie sich dümmer stellen als sie sind. Letztlich tun symbio‐ tische Beziehungen weder Ihnen noch ihren Mitarbeitenden oder Kollegen gut! Beherzigen Sie, dass zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit sowohl ein eigenständiges Selbstbewusstsein und eine persönliche Identität als auch die kollegiale Verbundenheit mit ihrem Partner gehören. 2.2.2 Nähe und Distanz Wie in allen Zweierbeziehungen spielt auch am Arbeitsplatz die emotionale Distanz eine große Rolle. Im Vier-Felder-Schema zur emotionalen Distanz ver‐ deutlichen sich die auch im beruflichen Kontext vorherrschenden Gegensätze (vgl. Abb. 2) zwischen Harmoniebedürfnis und Autonomiestreben (vertikale Achse) sowie zwischen der Tendenz, neue Wege zu gehen und der Neigung, an Bewährtem (horizontale Achse) festzuhalten. 2.2 Zwischenmenschliche Konflikte 25 Abb. 2: Vier-Felder-Schema zur emotionalen Distanz Die Abstände, die Partner voneinander brauchen, sowie auch der Standort im Hinblick auf die Hinwendung zu Neuem oder Bewährten können sich im Laufe der beruflichen Entwicklung ändern. Jede Änderung kann dabei zu einem Konflikt führen. Das ist im besonderen Maße gegeben, wenn in der Technik eine Fachzur Führungskraft aufsteigt. Schließlich erfordert eine derartige Beförderung nicht nur die Übernahme völlig neuer Aufgaben, sondern auch eine Veränderung des eigenen Rollenverständnisses. Dies bedeutet, dass neue, aus dem Kreis der Kollegen aufgestiegene Führungskräfte akzeptieren müssen, dass sich die Beziehung zu ihren bisherigen Kollegen grundsätzlich verändert. Während der neue Chef vor noch nicht allzu langer Zeit als Mitglied des Teams gemeinsam mit den anderen „Projekte angegangen und durchgezogen hat", mit ihnen zusammen gefeiert und möglicherweise sogar mit ihnen über die „obere Etage“ gelästert hat, gehört er nun selbst zu „denen da oben“. Kein Wunder, dass er nun von seinen ehemaligen Mitstreitern besonders kritisch beäugt wird. Sicher dürfte auch Neid bei dem einen oder anderen eine Rolle spielen. Selbst wohlgesonnene ehemalige Kollegen gehen zunehmend in eine vorsichtige und eher zurückhaltende Distanz. Recht bald verändert sich die soziale Stellung des ehemals gut integrierten Kollegen hin zu einer Außenseiterrolle. Einige meiner Coachees, die in einer ähnlichen, für sie durchaus als schwierig und druckvoll erlebten Situation gestanden haben, berichten, dass sie nach ihrer Beförderung zunächst noch versucht hätten, sich als „Primus inter Pares“ (Erster unter Gleichen) zu positionieren: „Leute, ich bin doch weiter einer von euch, meine Beförderung ist doch nicht mehr als nur eine reine Formsache.“ Allerdings hätten sie dann aber recht bald erfahren müssen, dass ihre diesbezüglichen Bemühungen eher als Anbiederung, denn als echtes Kooperationsangebot an‐ gesehen worden seien. Spätestens als ihr Entgegenkommen ausgenutzt worden 26 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung sei, um negativen Konsequenzen zu entgehen („So schlimm war das doch gar nicht. Du hast doch früher auch schon sowas gemacht“), sei ihnen klar geworden, dass der von ihnen eingeschlagene Weg sowohl ihre Autorität als Führungskraft als auch ihren Führungserfolg in Frage stellte. Folgerichtig und konsequent haben sie sich entschieden, der Empfehlung im Coaching nachzukommen, und ihren Nähe-Distanz-Konflikt in Richtung Distanz zu lösen, wobei sie sich an vier Leitsätzen orientieren: 1. Ich akzeptiere, dass sich meine Beziehung zu meinen bisherigen Kollegen grundsätzlich verändert (hat). 2. Um nicht in der dünneren Luft meiner neuen, nun hierarchisch höheren Position zu vereinsamen, baue ich mir schnellstens ein Netzwerk aus internen und externen Führungskräften auf, die in ähnlicher Hierarchie‐ höhe arbeiten, bzw. gearbeitet haben. Dabei nutze ich insbesondere auch informelle Möglichkeiten, wie beispielsweise monatliche Treffen, wo ich meine Erfahrungen reflektieren und ggf. Unterstützung erfahren kann. 3. Ich betrachte Führung als eigenes Fachgebiet, dass ich genauso gut beherr‐ schen will wie mein bisheriges Fachgebiet und reserviere ausreichend Zeit zum Lernen, um auf der Grundlage bewährten theoretischen Wissens mein Führungshandeln kontinuierlich zu verbessern. Hierbei beziehe ich sowohl externe Coaches als auch meine Vorgesetzten als interne Coaches ein. 4. Mir ist bewusst, dass meine neue Rolle eine veränderte Perspektive erfor‐ dert. Statt Exzellenz als Fachkraft ist nun mehr und mehr mein Führungs‐ handeln gefragt, insbesondere meine zwischenmenschlichen Fähigkeiten. Um meine Mitarbeiter zum Erfolg zu führen, arbeite ich deshalb auch an meinem Selbstverständnis als Führungskraft, um mit persönlicher Auto‐ rität situationsgerecht zu priorisieren, mitarbeiterorientiert zu delegieren, zielgerichtet zu motivieren und kooperativ Konflikte zu lösen. Da sich durch die Entscheidung, den Nähe-Distanz-Konflikt in Richtung zu mehr Distanz zu lösen, unweigerlich der Umgang mit den früheren Kollegen wandelt, sind insbesondere in den berühmt-berüchtigten ersten hundert Tagen des Wandels einige Aspekte von besonderem Belang, das neue Miteinander für beide Seiten zufriedenstellend zu gestalten. So ist darauf zu achten, weiterhin glaubwürdig und authentisch zu bleiben und keine 180°-Wendungen im Hinblick auf Aussagen und Verbesserungsvor‐ schläge zu vollziehen, die in der vorherigen Rolle befürwortet worden sind. Da sich in der neue Rolle eine Teilnahme am „Flurfunk“ wohl kaum empfiehlt und von daher alle Informationen verloren gehen, die früher auf diese Weise geteilt worden sind, sollten regelmäßige Termine zum Austausch mit den 2.2 Zwischenmenschliche Konflikte 27 Mitarbeitenden vereinbart werden. Um sich gegenseitig auf den neuesten Stand bringen zu können, sollte den Mitarbeitenden gut zugehört und ihnen mit Rat und Tat zur Seite gestanden werden. Zudem sollten die Mitarbeitenden über für sie relevante Neuigkeiten zeitnah informiert werden. Da ein neuer, größerer Verantwortungsbereich auch ein Mehr an wichtigen eigenen Aufgaben erfordert, die zu erledigen sind, sollte sich nicht gescheut werden, Aufgaben an die vorherigen Kollegen zu delegieren. Hierzu sollte Zeit investiert werden, um die Mitarbeitenden einzuarbeiten, so dass von ihnen die übertragenen Aufgaben auch angemessen bearbeitet werden können. Vorschläge, anders an die Dinge heranzugehen, sind dabei wertschätzend zu würdigen und zu prüfen. Sollte das „Du“ vor der Beförderung üblich gewesen sein, sollte es unbedingt auch weiter beibehalten werden. So wird der Gefahr entgangen, dass einem nachgesagt wird, sich wohl nach der Beförderung „für etwas Besseres“ zu halten. Professionalität zeigt sich dann darin, dass die ehemaligen Kollegen nicht bevorzugt und genauso behandelt werden wie alle anderen. Möglicherweise ist es vor diesem Hintergrund keine schlechte Idee, auch neuen Mitarbeitenden bei passender Gelegenheit das „Du“ anzubieten. Da gerade die Übergangsphase viel Energie kostet und aufgrund des höheren Verantwortungsbereichs beinahe zwangsläufig Überstunden zu leisten sind, ist dafür Sorge zu tragen, gezielt Freiräume zu schaffen, wo es möglich ist, sich zu erholen. Denn nur wer gut auf sich selbst achtet, kann auch gut auf andere achten. Betroffenen bieten die Empfehlungen für neue Chefs in Tabelle 3 zu verschie‐ denen, der oben angeführten Aspekte nach der Entscheidung, den Nähe-Dis‐ tanz-Konflikt nach der Beförderung in Richtung zu mehr Distanz zu bearbeiten und die neue Führungsrolle erfolgreich zu gestalten, wichtige Leitgedanken, die von den Teilnehmenden unseres Seminars „Vom Mitarbeitenden zur Führungs‐ kraft“ in Kleingruppen erarbeitet sowie stichwortartig auf Flipcharts skizziert worden sind und sich später nach Rückmeldung der Teilnehmenden in deren betrieblicher Praxis bewährt haben. Aspekte zur neuen Chef-Rolle Leitgedanken zur Umsetzung in die betriebliche Praxis Führungsrolle annehmen • Blickwinkel verändern: Akzeptieren, dass sich die Beziehung zu den bisherigen Kol‐ legen grundsätzlich verändert • Eine vertrauensvolle und wohlwollende Atmosphäre schaffen, um die Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbei‐ tenden zu fördern 28 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung Aspekte zur neuen Chef-Rolle Leitgedanken zur Umsetzung in die betriebliche Praxis • Frühzeitig mit den ehemaligen Kollegen über die neue Rolle und die Beziehung zueinander reden • Sich bewusst Zeit nehmen, um sich mit den Wünschen der ehemaligen Kollegen und der neuen Mitarbeitenden im Hinblick auf ihre Führung wertschätzend auseinander‐ zusetzen • Darstellen, was einem als Führungskraft besonders wichtig ist • Entscheidungen treffen und bei unlieb‐ samen Entscheidungen, den Unmut der Mitarbeitenden aushalten • Unerwünschtes Verhalten sanktionieren • Verantwortung übernehmen, d.-h., sich be‐ wusst sein, dass Erfolge zwar im Team erzielt werden, Fehler jedoch letztlich der Führungskraft zugeschrieben werden (Bundesligatrainer wissen davon ein Lied zu singen) • Vollmundige Versprechungen vermeiden, die eher zu Unmut und Resignation führen Zeitfenster für Führungsaufgaben einrichten • Selbstorganisation reflektieren. Ausrei‐ chend „Pufferzeit“ bei der Wochenpla‐ nung einrichten, um für Mitarbeitende er‐ reichbar und flexibel zu bleiben, denn wer ständig verplant und kaum erreichbar ist, wirkt schnell gehetzt und überfordert • Zeit zum Austausch mit den Mitarbei‐ tenden einplanen Mitarbeitende einbeziehen • Ziele gemeinsam entwickeln • Bedürfnisse und Fähigkeiten der Mitarbei‐ tenden berücksichtigen, dabei Empathie für deren Perspektive und deren Sicht der Dinge zeigen • Das Selbstvertrauen der Mitarbeitenden in ihre eigene Fähigkeiten durch Anerken‐ nung und Lob fördern • Regelmäßig Feedback geben, um die Ent‐ wicklung der Mitarbeitenden zu fördern • Klar kommunizieren und Mitarbeitende früh zu Veränderungen informieren, die sie betreffen, um „Flurfunk“ zu vermeiden • Brainstormings oder andere adäquate Me‐ thoden nutzen, um gemeinsame Lösungen zu kreieren und im Anschluss Verantwort‐ lichkeiten abzustimmen 2.2 Zwischenmenschliche Konflikte 29 Aspekte zur neuen Chef-Rolle Leitgedanken zur Umsetzung in die betriebliche Praxis Aufgaben delegieren • Lernen, Aufgaben konkret und eindeutig zu delegieren, um Zeit für Führungsaufgaben zu gewinnen • Tätigkeitenliste erstellen und Prioritäten ermitteln - was ist wichtig und dringend und muss von mir selbst erledigt werden und was ist „delegationsfähig“ und wer ist für die Übertragung der Aufgabe geeignet • Statt Aufgaben selbst zu erledigen, „de‐ legationsfähige“ Mitarbeitende in ausge‐ machten Bereichen Aufgaben übertragen, so eigene Ressourcen freisetzen und den Mitarbeitenden eigene Kompetenzbereiche zugestehen Reflexionsmöglichkeiten nutzen • Netzwerk aufbauen: Kontakt zu anderen Führungskräften in ähnlichen Situationen suchen und lernen, wie andere mit Kon‐ fliktsituationen umgehen, bzw. was man besser machen könnte • Internes und externes Coaching in An‐ spruch nehmen Vorbild sein • Vorleben, was von den Mitarbeitenden ein‐ gefordert wird • Zusagen einhalten, sich stets verlässlich und berechenbar verhalten Durchhalten • Beharrlich bleiben, Fehler vor sich und den Mitarbeitenden eingestehen, um zu lernen, es beim nächsten Versuch besser zu ma‐ chen, denn: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen Tab. 3: Empfehlungen für neue Chefs 2.2.3 Entwicklungsrichtungen und Tempo Nicht selten erfahren junge, aber durchaus auch erfahrene Führungskräfte, die sich dafür entschieden haben, externes Coaching in Anspruch zu nehmen oder an Führungsseminaren teilzunehmen, dass die dort vermittelten Anregungen zur Optimierung ihres Führungshandelns in ihrer betrieblichen Praxis auf wenig Gegenliebe stoßen. Sowohl ihre Ideen als auch das Tempo bei der Einführung werden eher kritisch beäugt, gefährden sie doch den Status-quo. Schließlich hat man gelernt, sich mit dem Führungsstil bis dato mehr oder weniger gut zu arrangieren. Bestenfalls hat man sich eine Comfort-Zone eingerichtet, die nun 30 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung durch die von der Führungskraft selbst durchaus wohlgemeinten Änderungs‐ bestrebungen in Frage gestellt wird. Infolgedessen sieht sich die Führungskraft nun Bestrebungen seiner Mitarbeitenden gegenüber, die alles Mögliche dafür tun, dass alles so bleibt, wie es war. Diese stehen im direkten Widerspruch zu den Optimierungsideen der Führungskräfte. Es resultiert ein Konflikt zwi‐ schen der Optimierung des eigenen Führungshandelns auf der einen Seite und dem Festhalten an der alten Führungssituation durch die Mitarbeitenden auf der anderen Seite. Verfolgen die Führungskräfte nicht weiter beharrlich ihre Veränderungsideen, werden sie über kurz oder lang am Widerstand ihrer Mitarbeitenden scheitern. Konflikte dieser Art, wo es um unterschiedliche Positionen im Hinblick auf die Entwicklungsrichtung und das Tempo geht, sind auch Managern von Change-Prozessen wohlbekannt. Der von Heraklit bereits 500 vor Christus geprägte Satz „Nichts ist bestän‐ diger als der Wandel“ gilt im besonderen Maße für das Geschehen in der Technik. In keiner anderen Branche werden alle Mitarbeitenden schon weit über Jahrzehnte hinaus immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt. Demographischer Wandel, Fachkräftewandel, strukturelle Umstellungen durch Digitalisierung, gestiegene Erwartungen der Arbeitnehmer, geänderte Einstel‐ lung zu Führung und Autoritäten, hohe Fluktuation usw. bestimmen bereits seit langem die Situation. Zum Zeitpunkt dieser Niederschrift kommen die Auswir‐ kungen der Corona-Pandemie (fehlende Mitarbeitende) sowie die Energiekrise aufgrund des Ukrainekrieges hinzu. Die Mitarbeitenden sollen sich ständig anpassen und weiterbilden. Viele fragen sich, wie sie noch mitkommen sollen und wie lange sie das Ganze noch schaffen. Ein „Change“ jagt den anderen. Jedes zweite größere Unternehmen steckt in einer sogenannten Restrukturierung. Das zunehmende Change-Tempo ist gefährlich, selbst für Mitarbeitende, die sich grundsätzlich flexibel und veränderungsbereit zeigen. Etwa 80 % der Führungs- und Fachkräfte werden durch Veränderungsprozesse nicht entlastet. Sie entscheiden sich ja auch nicht dazu - sie werden ihnen in der Regel seitens der Geschäftsführung vorgegeben. Es resultieren Kontrollverlust, Stress und Verunsicherung. Manch einer fragt sich, ob er die neuen Aufgaben bewältigen und den Erwartungen gerecht werden kann. Vor diesem Hintergrund baut sich allzu häufig Widerstand auf. Es resultieren Konflikte im Hinblick auf die Entwicklungsrichtungen und das Tempo der Einführung. Während die einen neue Ideen voranbringen und manches anders anpacken wollen, können andere dem aber nicht, oder nur sehr schwer folgen. In dieser Gemengelage stehen die technischen Führungskräfte im mittleren Management im besonderen Fokus. Mit unternehmerischer Verantwortung entwickeln deren Vorgesetzte Visionen, Ziele und Vorgaben, die sie an ihre 2.2 Zwischenmenschliche Konflikte 31 mittleren Führungskräfte weitergeben, deren Verantwortung es nun ist, diese Vorgaben und Ziele umzusetzen und sich dabei zugleich sowohl loyal dem Unternehmen als auch ihren Mitarbeitenden gegenüber auszurichten. Das dabei eigene Bedürfnisse und Ängste eine Rolle spielen, liegt auf der Hand und schürt das Konfliktgeschehen. Die mittleren technischen Führungskräfte stehen allzu häufig Mitarbeitenden mit Veränderungsängsten gegenüber, die um ihre so‐ zialen und materiellen Bedürfnisse fürchten und Widerstände und Selbstzweifel entwickeln. Mir ist noch deutlich der halblaute Ausruf eines Teilnehmenden in einem Workshop in den Ohren: „Ach, changed mich doch sonstwo! “ In ihrer „Sandwichposition“ sind die mittleren Führungskräfte gefordert, die Konflikte zwischen Vorgaben von oben, ihren eigenen Bedürfnissen und Ängsten und Widerstand von unten zu bewältigen, indem sie: ● ihre Mitarbeitenden dazu anleiten, innerhalb ihres Bereiches und darüber hinaus unter den Bedingungen wirtschaftlichen Handelns bestimmte Ziele zu erreichen, ● auf der inhaltlichen Ebene die Richtung zu bestimmen, ● auf der Beziehungsebene Menschen dafür in Bewegung zu setzen, ● komplexe Umweltfaktoren zu jonglieren und ● das gesamte Vorgehen ethisch vertretbar anzupacken. Neben Fachkompetenz und Managementskills sind zur Bewältigung von Kon‐ flikten, wie sie häufig in Changeprozessen auftreten, vor allem soziale Kompe‐ tenz und Selbstreflexion gefragt, nämlich: ● überzeugend sprechen (rhetorische Fähigkeiten und Fertigkeiten), ● Ich-Botschaften vermitteln, ● Fragetechnik beherrschen, ● aktiv und passiv zuhören können, ● Argumentationstechnik anwenden, ● Begeisterungsfähigkeit = intrinsisch motivieren, ● authentisch auftreten und ● Feedback geben und nehmen. Die Formulierung dieser Erwartungen ist das eine, ihre Umsetzung das andere. Schließlich befinden wir uns im Bereich der Kommunikation, wo sich für zwischenmenschliche Konflikte vielfältige Möglichkeiten auftun. 32 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung 2.2.4 Kommunikation Jeden Austausch von Nachrichten zwischen einem Sender und einem Emp‐ fänger - wobei Sender und Empfänger ihre Rollen wechseln - bezeichnen wir als Kommunikation. Jede Kommunikation leidet darunter, dass der Sender seine Gedanken in Sprache übertragen muss und diese vom Empfänger wiederum zu entschlüsseln sind, um den Sinn zu erfassen. An beiden Stellen der Verschlüs‐ selung und Entschlüsselung können Störungen auftreten. Abb. 3: Sender-Empfänger-Modell der Kommunikation Was der Sender sagt, muss nicht genau das treffen, was er meint, und: Was der Empfänger der Nachricht entnimmt, muss nicht unbedingt mit ihr iden‐ tisch sein. Konfliktpotenzial resultiert auch daraus, dass viele Begriffe unserer Sprache mehrfache Bedeutungen (z. B. Krone) haben, Worte im übertragenen Sinn (schwimmen) benutzt und relative Angaben verwendet werden, ohne den Maßstab zu nennen (schnell - was ist schnell? ). Missverständnissen werden Tür und Tor geöffnet, wie sich deutlich zeigt, als ein Mitarbeitender aus der Fertigung seinen Kollegen aus der Instandhaltung bittet: „Kannst Du gleich mal vorbeischauen. Die Maschine zeigt schon wieder die Fehlermeldung 0014 an.“ „Kein Thema. Bin gleich bei Dir“ lautet dessen Antwort. Eine halbe Stunde später wird er erneut angerufen: „Wo bleibst Du? Du hast doch gesagt, Du würdest gleich kommen.“ „Habe ich ja auch weiterhin vor. Ich mache vorher nur noch schnell die Wartung in Halle 9 fertig und bin dann gleich bei Dir.“ Gleich ist hier alles andere als gleich. Hinzu kommt, dass beim zweiten Anruf sowohl über die Formulierung als auch über die Betonung Zusatzinformationen mitgeteilt werden, so dass hier durchaus ein Vorwurf mitschwingt, dem der Kollege in seiner Antwort ungehalten begegnet, wodurch letztlich ein Zwist hervorgerufen wird. Wie sehr der Inhalt einer Aussage durch die Betonung verändert werden kann, verdeutlicht sich an dem Beispielssatz: „Ich habe nicht gesagt, dass Du lügst.“ Legt der Sender die Betonung auf „Ich“ fragt sich der Empfänger: „Wer dann? “ Wird „gesagt“ betont, wird „aber gedacht“ geschlussfolgert. Bei einer Betonung des „Du“ ist fraglich, wer denn sonst wohl gelogen hat. 2.2 Zwischenmenschliche Konflikte 33 Der Mehrdeutigkeit von Informationen trägt Schulz von Thun in seinem Modell zu den vier Aspekten der Sprache Rechnung (vgl. Abb. 4: Vier Dialog‐ seiten mit Konfliktpotenzial). Dem Modell zufolge kann es zu Konflikten in der Kommunikation nicht nur wegen mehrdeutiger oder missverstandener Sacha‐ ussagen der oben geschilderten Art kommen, sondern insbesondere deswegen, weil mit jeder Nachricht auch emotionale Botschaften gesendet werden. An einem Beispiel sei aufgezeigt, dass jede Nachricht außer dem Sachinhalt auch von drei emotionalen Botschaften begleitet wird. Abb. 4: Vier Dialogseiten mit Konfliktpotenzial Während einer Baubesprechung stellt der Bauleiter fest: „Die Lageskizze fehlt.“ Sein Mitarbeiter kann daraus entnehmen: 1. Die Sachinformation: Die Skizze liegt dem Bauleiter nicht vor. 2. Eine Selbstoffenbarung: Der Bauleiter ist verärgert. 3. Eine Beziehungsaussage: Der Bauleiter wirft dem Mitarbeiter vor, dass er ihm die Skizze nicht vorgelegt hat. 4. Einen Appell: Der Bauleiter erwartet, dass sein Mitarbeiter die Skizze besorgt. Was der Hörer, in unserem Fall der Mitarbeiter, letztlich der Nachricht ent‐ nimmt, wird durch weitere Faktoren beeinflusst: ● durch die körpersprachlichen Nachrichtenteile wie die begleitende Mimik, die Betonung, Stimmlage usw. ● durch die Erwartungen des Empfängers, die er aufgrund seiner Erfahrungen und grundlegenden Einstellungen gebildet hat (z. B. „Vorgesetzte wollen immer perfekte Arbeit” - um bei unserem Beispiel zu bleiben). 34 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung Wenn der Bauleiter seinem Mitarbeiter sagt, dass die Lageskizze fehlt, entnimmt der Mitarbeiter der Stimme, ob sein Vorgesetzter aufgeregt oder ruhig ist, und er weiß aus Erfahrung, ob er ein eher geduldiger oder ungeduldiger Mensch ist. Mit diesen Zusatzinformationen interpretiert er die Nachricht. Inwieweit unsere Erwartungen aber mit der Wirklichkeit übereinstimmen, wissen wir häufig nicht. Wir neigen zu Verallgemeinerungen und zeitweise übernehmen wir die Botschaft, die gerade zu unserer Stimmung passt. Ist der Mitarbeiter in unserem Beispiel selbst schon nervös, wird er eher zu der Annahme neigen, dass sein Vorgesetzter ihm einen Vorwurf macht. Das Kommunikationsschema legt nahe, rückzufragen was der Sender aus‐ drücken wollte, sobald der Empfänger glaubt, eine negative Botschaft wahrzu‐ nehmen. Der Mitarbeiter könnte z. B. fragen: „Wann brauchen Sie die Skizze? ”. Die Antwort klärt, wie dringend es seinem Vorgesetzten ist. Reagiert der Mitarbeiter dagegen auf die wahrgenommene Verärgerung seines Vorgesetzten mit gleicher Münze und sagt z. B.: „Suchen Sie die Skizze am besten zwischen den anderen Papieren da! ”, wird sich die Spannung zwi‐ schen beiden steigern. Den Ärger werden sie bei der nächstbesten Gelegenheit entladen - z. B. gegenüber Dritten, indem der Vorgesetzte über unzuverlässige Mitarbeiter schimpft und der Mitarbeiter sich bei Kollegen über die Anmaßung des Chefs beklagt. Treten solche Verstimmungen zwischen zwei Partnern wiederholt auf, bilden sich negative Vormeinungen. Das könnte sich in dem Satz ausdrücken: „Eigent‐ lich ist er ein guter Mitarbeiter, aber ich komme einfach nicht klar mit ihm”. In solchen Fällen würde wohl nur ein klärendes Gespräch zwischen beiden in ruhiger Stunde helfen. Kritisch wird die Verständigung dann, wenn der Inhalt und die Form einer Nachricht sich widersprechen, oder wenn die Aussage mit dem Vorgang nicht übereinstimmt. Sagt der Vorgesetzte z. B. zu seinem Mitarbeiter: „Sie schaffen es immer wieder mich aufzumuntern! ”, wird er das im Hinblick auf die fehlende Lageskizze nicht positiv meinen. Der Mitarbeiter spürt das, ärgert sich, kann aber die Aussage nicht angreifen. Ähnliches resultiert, wenn z. B. der Mitarbeiter seinem Vorgesetzen lächelnd, ohne sich weiter zu bemühen antwortet: „Das tut mir leid”. Der Vorgesetzte wird diesen Worten wohl kaum glauben, sondern sie eher für Ironie halten. Diese Überlegungen verdeutlichen nicht nur, wie vielschichtig Kommuni‐ kation ist, sondern auch wie viel Konfliktpotenzial in ihr liegt. Fassen wir abschließend noch einmal die wichtigsten Aspekte zusammen: 2.2 Zwischenmenschliche Konflikte 35 Kommunikation verläuft auf zwei Ebenen, nämlich der Sachebene (rationale Ebene) und der Beziehungsebene (emotionale Ebene). Gesendet wird über die Worte (die verbale Kommunikation), aber ebenso über nonverbale Signale wie sprachliche Betonung, Mimik, Gestik etc. Die emotionale Ebene ist zu untergliedern in drei Aspekte. Der Sender sagt ● etwas über sein Befinden (Selbstoffenbarung), ● etwas über seine Beziehung zum Partner (Beziehungsaspekt), ● er vermittelt auch, was er vom anderen wünscht (Appell). Ebenso verfügt der Empfänger über entsprechende Eingangskanäle. Er hört oder nimmt wahr: ● was ist das für einer (seine Selbstoffenbarung) ● wie geht er mit mir um (sein Beziehungsaspekt) ● was erwartet er von mir (sein Appell) Welchen Kanal er vordinglich auf Aufnahme schaltet, hängt von seinem Be‐ finden, seinen Bedürfnissen und dem jeweiligen Umfeld ab. Soweit uns diese Kommunikationseinflüsse bewusst sind, können wir unsere eigenen Reaktionen auf eine Nachricht besser kontrollieren, für den Partner mehr Verständnis entwickeln, sowie durch Rückmeldungen oder Rückfragen die Beziehungsbot‐ schaften besser klären - wofür wir allerdings einige Energie aufwenden müssen. Es bedarf eines Perspektivenwechsels, denn es kommt nicht darauf an, wie wir meinen, was wir sagen, sondern viel mehr darauf, wie es beim Partner ankommt. Oder - wie der Volksmund weiß: ● Der Ton macht die Musik, und ● wie wir in den Wald hineinrufen, so schallt es auch heraus. Zudem können wir aus dem, was Menschen zueinander sagen, entnehmen, ob sie sich als gleichrangig betrachten bzw. ob sie als Partner miteinander umgehen können oder ob einer von beiden sich über den anderen gestellt fühlt. Prüfen Sie bitte folgende Aussagen: 1. Kommen Sie doch bitte näher! 2. Wie wollen wir das Problem angehen? 3. Wäre es Ihnen möglich, bei mir reinzuschauen? 4. Würden Sie das bitte erläutern? 5. Haben Sie das verstanden? 6. Ich weiß nicht, ob ich mich klar ausgedrückt habe. 7. So können Sie das nicht durchführen. 36 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung Die 2., 3., 4. und 6. Aussage könnte ein Vorgesetzter zum Mitarbeiter sagen und umgekehrt der Mitarbeiter zum Vorgesetzten. Die anderen Aussagen werden kaum gegenüber Höhergestellten angewendet werden. Sie sind nicht umkehrbar. Werden sie dennoch getätigt, erhöht sich das Konfliktpotenzial. Was also tun? Auf jeden Fall dürfte es hilfreich sein, sich grundlegend mit den Themen Körpersprache und Rhetorik auseinanderzusetzen. Beginnen wir mit der Körpersprache und blicken zurück. Wir vermitteln auf zwei Wegen Informationen über uns: ● indem wir unsere Gedanken, Vorstellungen, Urteile, Wünsche und Gefühle in Worte fassen. ● indem wir durch Mimik, Gestik und Körperbewegungen unser Befinden und Wesen ausdrücken. Während wir gut gelernt haben, unsere gesprochenen Äußerungen zu steuern und zu kontrollieren, entstehen die Signale unseres Körpers überwiegend unbewusst und sind deshalb in ihrem Aussagegehalt grundsätzlich verlässlicher. Unser Körper lügt nicht! Um Körpersprache zu deuten, bedienen wir uns der Kinesik - der Wissenschaft von der Körpersprache. Unter Körpersprache verstehen wir bewusste und/ oder unbewusste Bewegungen des Körpers oder seiner Teile, mit denen bestimmte Ziele erreicht werden sollen oder Gefühle ausgedrückt werden. Es besteht eine enge Kopplung zwischen unseren Gefühlen, Stimmungen und Befindlichkeiten und unserer Körpersprache. Wer traurig, enttäuscht und niedergeschlagen ist, kann wohl kaum ein fröhliches Lachen zeigen. Das gilt auch umgekehrt: Wer bewusst eine heitere Mimik, ein Lächeln aufsetzt, kann nicht zugleich Trauer und Trübsinn empfinden. Wir können diesen Zusammenhang zwischen Befinden einerseits und kör‐ persprachlichem Ausdruck andererseits nutzen, um z. B. unser Selbstbewusst‐ sein zu stärken. Wer in aufrechter Haltung mit festem und zielstrebigem Schritt geht, verspürt das Aufkommen von Sicherheit, wer den Blick offen und fest auf seinen Partner richtet (ohne ihn anzustarren), gewinnt Ruhe und Sicherheit. Indem wir unseren Körper steuern, vermögen wir kritische Situationen angemessener zu überstehen und besser zurechtzukommen, wenn wir uns in einem „Tief ” befinden. Bereits Immanuel Kant verwies darauf, dass unsere Gefühle der körperlichen Haltung folgen. Überprüfen Sie nun unsere Überlegungen zum Zusammenhang zwischen Körper und Gefühl, indem Sie zwei Übungen nachvollziehen, die der Pantomime Samy Molcho in seinem Buch „Körpersprache als Dialog” vorschlägt. 2.2 Zwischenmenschliche Konflikte 37 Umkreisen Sie langsam und genüsslich mit der Zungenspitze Ihre Lippen und versuchen Sie gleichzeitig an eine üble Begebenheit zu denken. Sie werden feststellen - es geht nicht, denn die Bewegung Ihrer Zunge als Teil eines unausgesprochenen Gedankens stimmt Ihren Geist „genüsslich”. Ziehen Sie Ihre Augenbrauen hoch und versuchen mit dieser Mimik aggressiv zu sein. Auch hier werden Sie feststellen, dass es nicht funktioniert, weil durch das Hochziehen der Augenbrauen eine Öffnung der Ringmuskulatur veranlasst wird. Diese signalisiert, dass wir auf mehr Informationen aus sind. Nur - wenn wir Informationen suchen, können wir nicht gleichzeitig Entscheidungen treffen und genau dies ist eine notwendige Bedingung für Aggressivität - schließlich müssen wir entschieden gegen den anderen vorgehen. Naturgemäß haben wir ein Bedürfnis, unsere Kontaktpartner einzuschätzen, und zwar im Hinblick auf Ehrlichkeit, Vertrauenswürdigkeit, Hilfsbereitschaft und der Fähigkeit, zu verstehen und zu urteilen. Wir möchten wissen, wie andere auf uns reagieren und ob, bzw. wie sie von sich aus aktiv werden. Schon der erste Eindruck löst in uns bestimmte Vorstellungen über den anderen und damit verbunden auch Gefühle der Sympathie oder Antipathie aus. Solange solche Vorgänge unbewusst und unkontrolliert ablaufen, können sich erhebliche Fehlurteile einschleichen, die zu Konflikten führen. Menschen, die wenig Ähnlichkeit mit Personen unserer bisherigen Umwelt haben, werden wir nur schwer gefühlsmäßig einschätzen können. Soweit wir keine Ähnlichkeiten finden, zwischen dem, was wir beobachten und dem, was in unserem Gedächtnis gespeichert ist, zeigen wir entweder die intuitive Abwehr des Pessimisten oder die Neugierde des Optimisten. Tabelle 4 hilft dabei, sich bewusst zu machen, wie wir Körpersprache erleben. Körpersprache Ausprägung Mimik freundlich, angespannt, vergrämt, streng, pfiffig, iro‐ nisch, erschrocken, ängstlich, etc. Blick offener, klarer Blick; fester, beständiger Blickkontakt; schweifender, abgewendeter Blick; unruhiger Blick; nie‐ dergeschlagener Blick, etc. Gestik lockere Armbewegungen; Arme verschränkt; harmoni‐ sche, lebhafte, hektische oder fahrige Gestik; Hände geöffnet, gefaltet, versteckt, etc. Körperhaltung aufrecht, locker, angespannt, schlaff, gekrümmt; zu‐ ckende, eckige oder geschmeidige Bewegungen; Kopf‐ haltung verkrampft, geknickt, hoch erhoben, etc. 38 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung Körpersprache Ausprägung Gang straff, schleppend, bummelnd, zielstrebig, verspielt, ruhig und fest, etc. Tab. 4: Körpersprachliche Ausprägungen Zum Körperausdruck können wir auch noch die Stimme hinzunehmen. Spräche unser Partner eine völlig fremde Sprache, könnten wir doch aus der Art, wie er spricht, viele Informationen gewinnen (vgl. Tab. 5). Sprechweise Ausprägung Sprechtempo schnell, verzögert, langsam, hastig, ruckweise Lautstärke kräftig, zaghaft, leise, behäbig Betonung deutlich, monotone Sprechweise Pausen treten häufig, selten, gar nicht auf Stimmlage schroff, rau, piepsig, hoch, sonor, voll Tab. 5: Stimmliche Ausprägungen Der Versuch, den einzelnen Ausprägungen zu dem einen oder anderen As‐ pekt des körpersprachlichen oder stimmlichen Ausdrucks einen spezifischen Aussagewert zuzuordnen, muss fehlschlagen. Jede einzelne Facette kann auf unterschiedliche Befindlichkeiten zurückzuführen sein. Die verschränkte Arm‐ haltung kann ebenso auf eine gemütliche innere Haltung, wie auf ein sich Verschließen hinweisen. Ein Lächeln kann aus Freundlichkeit, aber auch aus Verlegenheit/ Unsicherheit auftreten. Dennoch vermögen wir andere einzuschätzen, wenn wir darauf achten, ob mehrere gleichsinnige Merkmale gemeinsam auftreten. Wer auch in Plaudersi‐ tuationen schnell spricht, rasch geht, lebhafte Gestik zeigt, für den ist sicher ein hohes persönliches Tempo charakteristisch. Wahrscheinlich wird er auch schnell auffassen, schnell reagieren und ziemlich sicher schnell essen und arbeiten. Am besten werden wir den körpersprachlichen Ausdruck unserer Mitmen‐ schen verstehen, wenn wir ihr Verhalten nachahmen und dann unser Empfinden beachten und bewusst machen. Testen Sie es mit den verschiedenen Formen des Lächelns: 2.2 Zwischenmenschliche Konflikte 39 ● Was besagt ein zaghaftes, ein erstarrtes, ein sanftes oder ein verschmitztes Lächeln? ● Wie genau sieht es aus? ● Was empfinden Sie dabei? Je besser wir uns selbst kennen, desto besser verstehen wir andere! Einfühlungsvermögen und Verständnis reduzieren das kommunikative Kon‐ fliktpotenzial um ein erhebliches Maß. Schließlich sagt uns in einem Gespräch mit einem anderen die Körpersprache, ob dessen Worte ernst gemeint sind oder ob er uns möglicherweise provozieren will, ob er aufnahmebereit für unsere Worte ist oder abgelenkt, ob er unsere Rückmeldungen richtig aufnimmt, ob wir ihn verletzen oder ob er unsere Ausführungen anzweifelt. Wir selbst können andere besser überzeugen, wenn wir unsere Worte durch die entsprechende Betonung, Mimik und Gestik begleiten. Häufig können wir auch ohne Worte ausdrücken, was wir denken - z. B. durch den offenen, fragenden Blick, ein verständnisvolles Lächeln oder eine enttäuschte Mimik mit gleichzeitig schlaffer Körperhaltung. Durch einen sicheren Auftritt und eine überzeugende Darstellung wird nicht nur unsere Argumentation erfolgreicher, sondern auch das Konfliktpotenzial in unserer Kommunikation vermindert. Von daher macht es mehr als Sinn, sich auch in diesem Kontext mit den Techniken der Redekunst, der Rhetorik, auseinanderzusetzen. Zum überzeugenden Reden gehört aber auch, dass wir als Redner etwas zu sagen haben. Wir brauchen Sachverstand, eine eigene Meinung und ein Ziel, was wir mit einem guten Wortschatz vermitteln wollen. Unsere Wirkungsmittel sind unser Auftreten, unsere Stimme und unsere Sprechweise und Sprache. Gleich ob wir im Vortrag, im Gespräch mit anderen, bei Diskussionsbeiträgen oder bei Begrüßungen unsere Gedanken vermitteln - unsere Darstellungsweise lässt sich schrittweise verbessern, wenn wir unser Verhalten an Empfehlungen zum sicheren und überzeugenden Einsatz unserer Wirkungsmittel überprüfen. Zur Körpersprache zählen wir Haltung und Auftreten, Gestik, Mimik, Ge‐ bärde und Blickkontakt. Sicher auftreten heißt: ● Frei stehen, ohne sich abzustützen, ● Eine lockere, aufrechte Haltung einnehmen, nicht von einem Fuß auf den anderen treten, ● Die eigenen Ausführungen durch eine ruhige, den Aussagen entsprechende Gestik unterstützen, ● Blickkontakt halten, um Rückmeldungen zu verarbeiten. 40 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung Gute stimmliche Qualitäten zeigen sich in Lautstärke, Betonung, Sprech‐ rhythmus, Klangfarbe, Sprechtempo und Pausen: ● Lautstärke und Tonlage angemessen wählen, ● Die Lautstärke nach der Bedeutsamkeit der Aussagen variieren, ● Auf eine den Sinn verdeutlichende Betonung achten - Monotonie verhin‐ dert die Überzeugung, ● Atmosphäre über die Klangfarbe schaffen, die Stimme sollte locker und moduliert klingen, ● Nicht zu schnell sprechen, der Zuhörer soll die Aussagen verarbeiten können - das Tempo nach der Bedeutsamkeit der Aussagen variieren, ● Besonders auf Pausen achten - sie entsprechen den Absätzen in der Schriftform. Vor oder nach wichtigen Sätzen eine Pause einlegen, sie dient der Konzentration der Hörer. Zum Komplex Sprechen und Sprache gehören Artikulation, Satzlänge, Wort‐ wahl und Anschaulichkeit der Darstellung: ● Den Mund zu einer deutlichen Aussprache öffnen, ähnlich klingende Mit‐ laute deutlich aussprechen, ● Endsilben nicht verschlucken. ● Die deutliche Aussprache der Selbstlaute gibt Ihrer Stimme den Klang. ● Kurze Sätze wählen---nicht verschachteln. ● Eine aktive Ausdrucksweise durch Verwendung von Tätigkeitswörtern beherrschen - „Hauptwörterei” vermeiden. ● Durch Eigenschaftsworte veranschaulichen. ● Bildliche Vergleiche benutzen, um abstrakte Aussagen zu veranschaulichen: bildhafte Ausdrucksweise trainieren. ● Wichtige Aussagen in geringer Variation wiederholen. ● Flüssig sprechen. ● Thema voll beherrschen und selbst überzeugt sein. ● So weit möglich die lebendige Zeitform der Gegenwart wählen. ● Fremdworte vermeiden, ggf. Fachbegriffe zur Verdeutlichung umschreiben. ● Den eigenen Wortschatz vergrößern, z. B. durch das Sammeln von Worten mit gleicher oder ähnlicher Bedeutung. Zum Aufbau einer Rede bzw. eines Redebeitrags gehören Sachlogik, jeweilige Zielgruppe bzw. Zielperson, das eigene Ziel: ● Begrüßung, im Gespräch mit Namen ansprechen. ● Das Thema nennen und erläutern. ● Begründen, warum das Thema für die Zuhörer wichtig ist. 2.2 Zwischenmenschliche Konflikte 41 ● Darstellung des Sachverhaltes, der Problematik - Spannung kann durch das Aufzeigen von Gegenargumenten erzeugt werden, durch provozierende Angaben. ● Bezug zum Vorwissen und den Interessen der Zuhörer herstellen. ● Ausführung der eigenen Vorstellungen mit „Beleg”, „Zeugnissen”. ● Zusammenfassung, Schluss, Aufruf zum Handeln. ● Beachten: Veranschaulichen ist besser als argumentieren, demonstrieren besser als veranschaulichen. Ein Tipp zum Schluss dieses Kapitels: Prüfen und optimieren Sie Ihre rhetorische Kompetenz durch die Teilnahme an einem Videotraining. Auf Wunsch stehe ich gerne als Trainer für Gruppen um zwölf Teilnehmende zur Verfügung: BRENDT-TRAINING@t-online.de 2.3 Triade: Koalition, Rivalität und Dramadreieck „Ich sei, gewährt mir die Bitte, in Eurem Bunde der Dritte“ lässt Friedrich Schiller am Ende seiner Ballade „Die Bürgschaft“ den Tyrannen sprechen, nachdem zwei Gefährten ihm eindrucksvoll den todesmutigen Beweis ihrer Freundschaft erbracht haben. Ob er als Dritter dann glücklich geworden wäre, sollte zumindest in Frage gestellt werden. Denn wenn drei Personen eine Triade bilden, entstehen neue soziale Qualitäten mit neuen Konfliktformen. So können sich zwei gegen den Dritten verbünden, welcher sich dann durch ihre Koalition ins Abseits gestellt fühlt. Sein Ausschluss birgt Konfliktpotenzial vielfältiger Art, nicht selten gepaart mit Eifersucht, Missgunst und Neid. Ist ein Vorgesetzter an einem derartigen Dreierkonflikt beteiligt, könnte er durchaus auf die Idee kommen, sich Caesars „Divide et impera“ zu Herzen zu nehmen und die in seinen Augen zu enge Kooperation zwischen zwei Kollegen aufzubrechen, indem er sie gegeneinander ausspielt und sich auf diesem Weg Rivalität zwischen den beiden um seine Gunst entwickelt. Koalitionen und Rivalitäten in Triaden sind dabei keineswegs auf bestimmte Personen fixiert, sondern können im Verlauf eines Dreieckskonflikts durchaus wechseln. Ein Modell aus der Transaktionsanalyse trägt diesem Geschehen Rechnung - das Drama-Dreieck (vgl. Abb. 5). 42 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung Abb. 5: Das Drama-Dreieck Das Modell resultiert aus der Analyse von Theater-Dramen, in denen Spannung dadurch erzeugt wird, dass die klassischen Rollen des Opfers, des Verfolgers und Retters wechseln. Durch Rollenwechsel, beispielsweise von der Opfer-Rolle zur Verfolger-Rolle ergibt sich die Dramaturgie. Übertragen wir dieses Modell auf ein Beispiel aus dem Bereich der Technik. Ein Vorgesetzter (Verfolger) überträgt seinem Mitarbeitenden (Opfer) ein Projekt, das zwar in seinen Aufgabenbereich fällt, seine Kompetenz jedoch überschreitet, weshalb er heimlich um Hilfe bei einem Kollegen (Retter) nach‐ sucht. Somit befindet sich der Mitarbeitende gleichzeitig in der Opfer- und Verfolgerrolle. Überzeichnet der Mitarbeitende nun seine Verfolgerrolle, indem er beispielsweise den Kollegen so stark beansprucht, dass er seine eigene Arbeit vernachlässigt, wird dieser spätestens dann vom Retter zum Opfer, wenn er wegen der liegen gebliebenen Arbeit vom Vorgesetzten angesprochen wird. Prompt wechselt der Kollege von der Opferrolle in die Verfolgerrolle und weist dem Mitarbeitenden eine Retterrolle zu, indem er dem Vorgesetzten von seiner Unterstützung berichtet. Der Vorgesetzte spricht nun diesen wiederum an und setzt ihn zurück in die Opferrolle. Und dieses Spiel kann durchaus noch eine Weile so weitergehen, wenn der Mitarbeitende seinerseits wieder in die Verfolgerrolle schlüpft und seinen Kollegen so anspricht, dass dieser sich wieder in der Opferrolle wiederfindet und sich erneut an den Vorgesetzten wendet und ihn so in eine Retterrolle setzt, usw., usw. Im Verlauf eines Drama-Dreiecks wird so jeder für den anderen zugleich Opfer, Retter und Verfolger. Ein Ausstieg aus dem Spiel ist erst dann möglich, wenn sich die Protagonisten darauf einigen, ein offenes Konfliktlösungsge‐ spräch zu führen. Der Gesprächsleitfaden in Tab. 6 bietet im Hinblick auf den Aufbau und Ablauf eines solchen Gesprächs wichtige Orientierungshilfen. 2.3 Triade: Koalition, Rivalität und Dramadreieck 43 Aufbau und Ablauf Aspekte Vorbereitung des Gesprächs Termin und Ort, ggf. Service, Thema und Gesprächsziel benennen Kontaktaufnahme Einleitung des Gesprächs: Begrüßung, ggf. Getränke anbieten Festlegung des Gesprächsthemas Einvernehmen über das Gesprächsthema herstellen Strukturierung des Themas Gliederung inhaltlich zusammengehö‐ render Teilprobleme Analyse der Ausgangssituation Ist-Zustand beschreiben: Interessenlage der Beteiligten, Daten und Fakten Präzisierung der Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten Perspektiven der Beteiligten erfassen Erarbeitung von Änderungsmöglich‐ keiten Konkrete Maßnahmen zur Verminderung und Beseitigung der Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten erörtern Abwägung der Argumente Bestmögliche Lösung ermitteln Feststellung der Gesprächsergebnisse Gründe und Lösungen, sowie Argumente für bestimmte Maßnahmen und offene Punkte protokollieren Schlusskontakt Freundliche Verabschiedung, evtl. ein weiteres Gespräch vereinbaren Tab. 6: Leitfaden für ein Konfliktlösungsgespräch In der betrieblichen Praxis hat sich bewährt, wenn alle Beteiligten zu den einzelnen Stichpunkten in der linken Spalte des Leitfadens eigene Gedanken und Ziele notieren, die für sie im Gespräch wichtig sind. Zudem ist die Bedeutung eines schriftlichen Protokolls nicht zu unterschätzen. 2.4 Gruppe: Revier, Rangordnung und Führung Der vergleichende Verhaltensforscher Konrad Lorenz hat in der von ihm so benannten „Urhorde“ Konflikte ausgemacht, die im übertragenen Sinn auch in Gruppen am Arbeitsplatz auftreten. Als Revier wird ein Bereich bezeichnet, den die Mitglieder der Gruppe für sich beanspruchen und mit allen ihnen zur Ver‐ fügung stehenden Mitteln verteidigen, wenn die Grenzen des Reviers gefährdet 44 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung werden. Im Bereich der Technik handelt es dabei weniger um räumliche Reviere, sondern mehr um Zuständigkeiten und Kompetenzen. So sind beispielsweise in produzierenden Unternehmen konfliktträchtige Probleme zwischen Konstruk‐ tion und Fertigung oft ebenso häufig anzutreffen wie Schnittstellenproblema‐ tiken zwischen Arbeitsvorbereitung und Fertigung oder Einkauf und Fertigung usw. Im Konfliktfall sind deutliche Abgrenzungen und Schuldzuweisungen zwischen den jeweiligen Bereichen typisch. Gleiches gilt für den Innen- und Außendienst von Montagebetrieben. Sowohl zwischen Vertrieb und Innendienst als auch zwischen ausführender Technik und Innendienst und nicht zuletzt auch zwischen Vertrieb und Technik kommt es immer wieder zu Konflikten, die zuweilen an das unter 2.3 beschriebene „Drama-Dreieck“ erinnern. Im Hinblick auf die Bearbeitung derartiger Konflikte empfehlen sich Work‐ shops mit Metaplantechnik gemäß folgendem Ablaufschema: Nach der Beschreibung des Ist-Zustandes erfolgt die Formulierung der Ausgangsfrage, z.-B.: Wenn ich vor dem Hintergrund der dargestellten Ist-Situation an die Zusam‐ menarbeit zwischen Konstruktion und Fertigung denke … Was läuft gut, sollte beibehalten und gesichert werden (grüne Karten)? Was sehe ich kritisch, wo ist Handlungsbedarf (rote Karten)? Zur Beantwortung der Ausgangsfragen äußern die Teilnehmenden ihre Beiträge nicht - wie meistens üblich - mündlich, sondern überwiegend schriftlich. Alle Teilnehmenden schreiben ihre Ideen zur Vorstellung im Plenum auf Karten, wobei Regeln einzuhalten sind: ● Deutlich schreiben; ● Ein Gedanke pro Karte; ● Auf sieben Wörter pro Karte beschränken; ● Zweibis dreizeilig schreiben; ● Groß- und Kleinbuchstaben verwenden; ● Dicke Seite des Filzstiftes benutzen. Im Anschluss an die erste Ideensammlung fassen die Teilnehmenden die Gedanken mit Hilfe des Moderators in Themengruppen (Cluster) zusammen und schaffen damit eine Voraussetzung für die weitere Bearbeitung nach Schwerpunkten. Der nächste Schritt ist die Bildung von Kleingruppen für die stufenweise Bearbeitung einzelner Themenblöcke. Auch für die Kleingruppen gilt die Regel, Beiträge in Form beschrifteter Karten zu leisten. Die Metaplantechnik liefert 2.4 Gruppe: Revier, Rangordnung und Führung 45 dafür umfangreiches Darstellungsmaterial. Die Arbeiten in den Kleingruppen folgen einem Stufenplan: ● Themenblock sichten. ● Erste Ideen zur Ausgangsfrage (stichwortartige Textvorschläge) entwickeln. ● Erste Arbeitsergebnisse der Kleingruppen dem Plenum in einer Zwischen‐ präsentation vorstellen, damit alle Workshopteilnehmenden für alle The‐ menblöcke Ideen zur weiteren Bearbeitung einbringen. ● Kritische Würdigung der Textvorschläge. ● Nach einer Fortsetzung der Kleingruppenarbeit erfolgt zum Feinschliff der Texte---wiederum im Plenum---die Abschlusspräsentation. ● Konkrete Vorschläge zu Maßnahmen und Aktionen vereinbaren. Die zweite Hinterlassenschaft der „Urhorde“ betrifft die Rangordnung, welche jede Gruppe unmittelbar nach ihrer Zusammenkunft ausbildet und ohne die sie nicht arbeitsfähig ist. Bekannte Rangpositionen sind Alpha (Führer), Beta (Experte), Gamma (Gefolgsmann) und Omega (Außenseiter). Bei jeder neuen Gruppenkonstellation, wie beispielsweise bei einem Projekt oder nach einer Umorganisation in der Technik, wird nach dem Modell von Tuckman ein Entwicklungsprozess in fünf Phasen durchlaufen: 1. In der Orientierungs- oder Formierungsphase - Forming - geht es vor allem um das gegenseitige Kennenlernen und erste Annäherungen, in der sich die Gruppenmitglieder immer wieder fragen, wer die anderen sind, was sie wollen, was in der Gruppe gilt, wer was darf, welche Ziele gelten, wer über welche Kompetenzen verfügt, ob es gerecht zugehen wird und was man dafür tun muss, um angenommen zu werden. Verhaltensunsicherheit, aber auch Neugierde und Vorfreude kennzeichnen diese Phase, in der eher förmlich kommuniziert wird. Den üblichen Verhaltensregeln entsprechend wird sich freundlich begrüßt und im Smalltalk beispielsweise über das Wetter oder den letzten Urlaub gesprochen. 2. Die Sturm- oder Konfliktphase - Storming - ist durch Meinungsverschie‐ denheiten, Auseinandersetzungen und Konflikte wegen unterschiedlicher Vorstellungen, Bedürfnisse und Werthaltungen geprägt. Die gegensätzli‐ chen Standpunkte bedürfen der Klärung. Ein Zusammengehörigkeitsge‐ fühl hat sich noch nicht ausgebildet. Gleichgesinnte werden gesucht, zu nicht Gleichgesinnten wird auf Distanz gegangen. Manche scheuen die offene Auseinandersetzung mit anderen. Andere versuchen mehr oder weniger heimlich ihre Ziele und ihre Meinung durch Cliquenbildung durchzusetzen. Es besteht die Gefahr, dass sich die Gruppe auflöst, wenn es nicht gelingt, offen und fair miteinander zu kommunizieren. Wird die 46 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung persönliche Konfrontation gescheut, bleibt die Gruppe mehr oder weniger in dieser Phase hängen. 3. Sind die einzelnen Standpunkte in der Gruppe geklärt, werden in der Integrations- oder Normierungsphase - Norming - gemeinsame Ziele definiert und Aktivitäten koordiniert. Es entstehen Gruppennormen, die gefundenen Rollen werden konsolidiert, ein Teamkodex erarbeitet und gemeinsame Regeln aufgestellt. Die Gruppe kontrolliert und sanktioniert die Einhaltung ihrer Normen. Das Streben nach Gemeinsamkeit rückt in den Vordergrund. Gruppenidentität und Gemeinschaftsgefühl entwickeln sich. Im Team ist Klarheit geschaffen worden, so dass schneller und ohne Eskalation Lösungen gefunden und Konflikte vermieden werden können. 4. Nach erfolgreicher Normierungsphase folgt die Arbeitsphase - Performing - in der das Team Ziele verfolgt, zusammenhält, sich unterstützt und offen und wertschätzend miteinander kommuniziert. Strukturen und Ab‐ läufe verfestigen sich, Aufgaben werden kooperativ erledigt und Entschei‐ dungen integrativ getroffen. 5. In der Auflösungsphase - Adjourning - beispielsweise nach Beendigung eines Projekts werden Erfolge und Misserfolge der Teamarbeit bilanziert. In Tab.7: Handreichungen zur Gruppenentwicklung sind Anregungen für jede der einzelnen Phasen stichwortartig gelistet. Phase Handreichungen für Team- und Projektleiter Forming Orientierung geben Kennenlernen organisieren Positives, gelöstes Klima schaffen Storming Ein hohes Maß an Empathie einbringen Bei Konflikten vermitteln Offen mit allen über Konflikte, Teamfähigkeit und Teamarbeit kommunizieren Das gemeinsame Ziel im Auge behalten und stets darauf ver‐ weisen Norming Formulierung von Regeln und von einem Teamkodex (Leitbild) unterstützen, ggf. diesbezügliche Workshops moderieren Sich als Prozessbegleiter verstehen Performing Sich als Führungskraft zurücknehmen Verantwortung an das Team geben Nur in Extremfällen, z.-B. bei schweren Konflikten eingreifen 2.4 Gruppe: Revier, Rangordnung und Führung 47 Phase Handreichungen für Team- und Projektleiter Adjourning Evaluation anstoßen und moderieren und so wertvolle Impulse für zukünftige Projekte geben Tab. 7: Handreichungen zur Gruppenentwicklung Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass jede neue Gruppenkonstellation einen Prozess zur Festlegung der Rangordnung benötigt, in dem über die Pro‐ duktivität des Teams entschieden wird. Fehlen Akzeptanz und Funktionalität der internen Rangordnung resultieren Konflikte, die Reibungsverluste herbeiführen und den Teamerfolg gefährden. Prüfen Sie deshalb sorgfältig, wie genau sich die dargestellten Handreichungen zur Gruppenentwicklung in Ihrer betrieblichen Praxis realisieren lassen. Neben Konflikten um das Revier und die Rangordnung ist das Thema Führung als drittes Erbe der „Urhorde“ auch für Gruppen in der Technik von Bedeutung. Um den Bestand einer Gruppe zu erhalten, sind von Gruppenführern zwei Funktionen unbedingt zu erfüllen. Bei der Lokomotion geht es um die Förderung der Aufgabenerfüllung und Zielerreichung, bei der Kohäsion um die Integration und den Zusammenhalt der Gruppe. Bei der Führung einer Gruppe kommt es darauf an, beide Funktionen in optimaler Weise auszufüllen. Tab. 8: Aspekte zu Lokomotion und Kohäsion zeigt stichwortartig wie dies in einem Projekt zu realisieren ist. Lokomotion Kohäsion Die für das Projekt Teilnehmenden aus‐ wählen: Die richtige Person am richtigen Platz Faire und vertrauliche Arbeitsatmosphäre sicherstellen - Alle erforderlichen Ressourcen zur Verfü‐ gung stellen Gruppenprozesse diagnostizieren und steuern Die Projektbeteiligten über alle zur Auf‐ gabenerfüllung und Zielerreichung rele‐ vanten Zahlen, Fakten und Daten in‐ formieren. Einen hohen Kenntnisstand sichern. Gefühlsbetonte Äußerungen aufnehmen und versachlichen Meinung und Ansichten der Projektbetei‐ ligten erfragen und dazu auffordern, sich am Projekt mit ihren Ideen zu beteiligen Gegenseitiges Akzeptieren und Unter‐ stützen fördern und weiter entwickeln Meinungen und Ansichten integrieren Verdeckte Gruppenkonflikte aufdecken und thematisieren 48 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung Lokomotion Kohäsion Eigene Vorschläge einbringen, Initiative ergreifen Spannungen in der Gruppe klären, ver‐ mitteln und entschärfen Richtige Entscheidungen zur richtigen Zeit treffen Methoden zur Konfliktbearbeitung ein‐ führen Tab. 8: Aspekte zu Lokomotion und Kohäsion Ob durch die Gestaltung der Zusammenarbeit von Führungskräften und Mitar‐ beitenden in der Technik Ziele in gemeinsamer Arbeit erreicht und Aufgaben bewältigt werden, lässt sich durch Mitarbeiterbefragungen an Indikatoren für die Führungsfunktionen ablesen. Im Hinblick auf die Lokomotion ist zu prüfen, wie ● der Grad der Informationsversorgung der Mitarbeitenden ausgebildet ist, ● produktiv das Team arbeitet und ● sich die Qualität der Aufgabenerfüllung darstellt. Indikatoren der Kohäsion sind ● die Qualität des Teamklimas, ● der Grad der Integration der Teammitglieder sowie ● inwieweit sich die Mitarbeitenden mit ihrem Team identifizieren. Wo eine Führungskraft beide Funktionen nicht gleich gut realisiert bzw. reali‐ sieren kann, entstehen nicht selten Führungsduale, wie z.-B. technischer Leiter - kaufmännischer Leiter. Solange diese Tandems gut kooperieren, gibt es keine Probleme. Problematischer und konfliktträchtiger ist es, wenn ein sogenannter informeller Führer sich neben dem offiziellen Vorgesetzten etabliert, weil dieser beispielsweise in zwischenmenschlicher Hinsicht den Ansprüchen nicht gerecht wird. Nicht selten resultiert ein Führungsduell, das sich beeinträchtigend auf die ganze Gruppe auswirkt. Kommt es wegen derartiger Führungsduelle, wegen Revierkämpfen zwischen Abteilungen zu wiederkehrenden Konflikten und/ oder tritt das Team in der weiter oben beschrieben Sturm- und Konfliktphase wegen Rangordnungsstrei‐ tigkeiten auf der Stelle empfiehlt es sich, Szenische Medien einzusetzen. Angeregt durch die Skulpturtechnik von Satir und das Psychodrama von Moreno kann durch ihre Verwendung auf die Beziehungsebene eines Gruppensystems ge‐ gangen werden, um mit einem distanzierten Blick Ressourcen und Lösungen zu finden. Bei dem Material zur Darstellung der Gruppe handelt es sich um Holzfiguren und -podeste, die Personen, Rollen und Funktionen repräsentieren. 2.4 Gruppe: Revier, Rangordnung und Führung 49 Durch ihre Aufstellung lassen sich aus Distanz und Nähe zueinander, Konflikte und die Qualität des Miteinanders darstellen. Abb. 6 zeigt eine Gruppenaufstel‐ lung mit szenischen Medien. Ergänzend können dazu mit verschiedenfarbigen Richtungssymbolen und Fäden die Richtung und Dynamik der Kommunikation veranschaulicht werden. Die Materialien stehen dem Anwender in einer trag‐ baren Kiste einschließlich eines ausführlichen Manuals zur Verfügung. Abb. 6: Gruppenaufstellung mit szenischen Medien Für den Einsatz der szenischen Medien werden folgende Instruktionen vorge‐ schlagen: ● Stellen Sie mit Hilfe der Figuren Ihr soziales System dar. ● Wenn Sie einem Außenstehenden mit Hilfe der Figuren ihr Beziehungsge‐ flecht erläutern sollten: Welche Figurengrößen und -typen würden Sie nehmen? Wie könnte man das Typische ihrer Hierarchie, die Nähe oder Distanzen zueinander, die Art der Zusammenarbeit mit Hilfe der verschie‐ denfarbigen Richtungssymbole und Fäden beschreiben? ● Stellen Sie sich das soziale System in seiner Gesamtheit aus der Vogelper‐ spektive betrachtet vor. In der Mitte ist das Zentrum des Geschehens, um das sich die verschiedenen Teile gruppieren. ● Grübeln Sie nicht zu lange, wie es „richtig“ aussehen sollte. Es geht um die Art, wie Sie es erleben. ● Fangen Sie am besten irgendwo an, z. B. mit einem relativ einfachen Teil des Systems. Die schwierigen Teile kommen dann später dran. ● Sie müssen sich nicht gleich festlegen. Die Figuren können jederzeit wieder umgruppiert werden. 50 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung Als typisches Beispiel für den Einsatz szenischer Medien seien hier die Aus‐ gangsfragen unseres letzten diesbezüglichen Auftrags zitiert, die ein Projekt‐ team aus der Technik sich gestellt hat: 1. „Wie gelingt es uns, mehr als Team zu arbeiten, statt uns darauf zu beschränken, ‚nach oben‘ etwas zu präsentieren? “ 2. „Haben wir alle die ‚gleiche Sicht‘? “ 3. „Wie schaffen wir es, dass jeder sich öffnet? “ 4. „Wie bringen wir auch mehr kritische Themen auf den Tisch, statt sie unter den Tisch zu kehren? “ Wie auch hier haben unsere Erfahrungen mit dem Einsatz szenischer Medien bei derartigen Fragestellungen in der Technik recht gute Ergebnisse erzielt. Wir führen das darauf zurück, dass sowohl die Erstellung als auch die Visualisierung der Beziehungsgeflechte Technikern besonders liegen. Schließlich kommuni‐ zieren Techniker über Zeichnungen und nutzen 3-D-Bilder bei ihrer Arbeit. 2.5 Organisatorische Konflikte Organisatorische Konflikte lassen sich dahingehend unterscheiden, ob es im sachlichen Bereich um Aufgaben und Ziele, im zwischenmenschlichen Bereich um Rollen und Beziehungen und im organisatorisch-strukturellen Bereich um Visionen, Unternehmenskultur oder Werte geht. Wenn es in betrieblichen Konflikten um die Sache geht, verfügen die Kon‐ fliktparteien zumeist über ein gemeinsames Ziel. Uneinigkeit besteht dann bei‐ spielsweise darüber, auf welchen Weg dieses Ziel erreicht werden kann, welche Mittel und Ressourcen einzusetzen sind oder mit welcher Methode vorgegangen werden soll. Prinzipiell sind Sachkonflikte lösbar, wobei es überaus hilfreich ist, sich an der Harvard-Methode zu orientieren, um der Gefahr entgegenzuwirken, dass ein reiner Sachkonflikt sich personalisiert und auf der Beziehungsebene eskaliert. Wie der Name vermuten lässt, ist das Harvard-Konzept von Fisher und Ury an der US-amerikanischen Harvard-Universität entwickelt worden. Es handelt sich um einen sachbezogenen Verhandlungsansatz, der darauf abzielt, dass alle Beteiligten gemeinsam, konstruktiv und friedlich auf eine Lösung hinarbeiten, die alle zufriedenstellt - eine Win-win-Situation. Unter der Grundregel „Hart in der Sache - weich zu den Menschen“ werden vier Prinzipien benannt: 1. Mensch und Problem sind getrennt voneinander zu behandeln, um erfolgreich zu kommunizieren und störungs- und konfliktfrei zu kooperieren. Wie 2.5 Organisatorische Konflikte 51 das folgende Beispiel aus der Technik zeigt, entstehen Konflikte in der Technik zumeist dann, wenn die Sach- und Beziehungsebene vermischt wird. Werden Einkauf oder Materialbeschaffung Vorwürfe gemacht, dass die benötigten Materialien erneut nicht rechtzeitig vor Ort sind, droht die Gefahr weiterer Eskalation. Die Schuldzuweisungen auf der einen Seite führen zu Abgrenzungen und Abwehrreaktionen auf der anderen Seite. Dem ersten Harvard-Prinzip folgend, sollte stattdessen der vorgeschalteten Stelle erläutert werden, welche Folgen die Verspätung in der Fertigung hat, und sie bitten, gemeinsam nach einer Lösung für die Zukunft zu suchen. So wird das Gegenüber nicht zum Gegner, der in eine Verteidigungsposition gedrängt wird, sondern zum Lösungspartner für ein für beide Seiten zufriedenstellendes Verhandlungsergebnis. 2. Nicht Positionen, sondern Motive sind zu klären und Bedürfnisse zu verhan‐ deln, um die wahren Interessen offen zu kommunizieren und zu berücksich‐ tigen. So lässt sich auch Konfliktpotenzial minimieren, wie sich am Beispiel einer Gehaltsforderung eines Technikers zeigen lässt. Einerseits möchte der Mitarbeitende beispielsweise 500 Euro mehr Gehalt, andererseits ist sein Chef gehalten, zu sparen und sein diesjähriges, schon arg strapaziertes Budget nicht noch weiter zu belasten. Statt nun um die Höhe der Gehalts‐ forderung zu feilschen und einen für beide Seiten abträglichen Kompromiss anzustreben, klärt der Vorgesetzte was noch hinter der Gehaltsforderung steckt. So erfährt er, dass seinem Mitarbeiter nicht nur das gemeinsame In‐ teresse an einer guten Arbeitsbeziehung wichtig ist, sondern er sich zudem mehr Wertschätzung in Form eines erweiterten Aufgabenfeldes mit mehr Verantwortung wünscht. Dem Mitarbeitenden wird daraufhin die Leitung eines anspruchsvollen Projekts übertragen und sein Gehaltswunsch auf das nächste Geschäftsjahr verschoben - eine mögliche Win-win-Lösung ist gefunden, zumal sich hinter der Gehaltsforderung des Mitarbeitenden auch verbirgt, dass seine Familie im nächsten Jahr Nachwuchs erwartet. 3. Verschiedene Optionen sind zu entwickeln, um wie beim Brainstorming möglichst viele Alternativen zu entwickeln, statt nur nach einer „per‐ fekten“ Lösung zu suchen. Im obigen Beispiel könnten das beispielsweise das Angebot eines größeren Dienstwagens oder die Finanzierung einer Weiterbildung als Formen der Wertschätzung und Anerkennung sein. 4. Objektive Beurteilungskriterien sind zu nutzen, um zu prüfen, welche Lö‐ sungsansätze wichtig bzw. weniger wichtig sind, damit beide Seiten die gefundene Lösung als fair empfinden. Möglicherweise ist nämlich der größere Dienstwagen in unserem Beispiel die bessere Alternative wegen 52 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung des erwarteten Familienzuwachses des Mitarbeitenden. Und der kostet deutlich weniger als die geforderten 500 Euro plus Sozialabgaben im Monat. Da das Harvard-Konzept leider keine hundertprozentige Garantie für eine Win-win-Lösung bietet, sollte man sich bereits im Vorfeld darüber Gedanken machen, welche realistische Alternative jenseits der konfliktlösenden Verhand‐ lung besteht, um so souveräner und unabhängiger verhandeln zu können. Zusammenfassend sei demgegenüber noch einmal herausgestrichen, dass es nach dem Harvard-Konzept keine Verlierer gibt, beide Seiten zusammenarbeiten und sich ernst nehmen - wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Lösung von Sachkonflikten. Anders als Sachkonflikte können Konflikte um die Beziehung im betriebli‐ chen Kontext nicht durch eine systematische Analyse gelöst, sondern nur beigelegt und bestenfalls „geheilt“ werden. Dazu ist das persönliche Engagement aller Beteiligten erforderlich. Im Vier-Augen-Gespräch sollten mutig Ich-Bot‐ schaften (vgl. Punkt 2.2) formuliert werden, um deutlich auszudrücken, welche Auswirkungen das Verhalten des anderen auf einen selbst hat. Der andere sollte dies nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern sich für das verletzende Verhalten entschuldigen. Die Entschuldigung sollte dann auch großmütig ent‐ gegengenommen werden und ohne weiteren Rückgriff auf das Geschehene weiter zusammengearbeitet werden. Um dem Auftreten von Beziehungskonflikten in Gruppen proaktiv entgegen‐ zuwirken, empfiehlt es sich, sich an der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Cohn zu orientieren. Demnach wird jede Gruppendiskussion und jede Arbeits‐ leistung in Gruppen durch die in Abb. 7 dargestellten drei Faktoren „Thema“ (Arbeitsziel) der Teamarbeit, das „Ich“ des einzelnen Teammitglieds und das „Wir“ des Teams bestimmt. Die Schnittmengen der drei Kreise zeigen an, dass diese drei Faktoren sowohl durch den Teamleiter als auch die Teammitglieder auszubalancieren sind. 2.5 Organisatorische Konflikte 53 Abb. 7: Drei Faktoren der Themenzentrierten Interaktion in der Balance Um eine optimale Balance zu erzielen sind die folgenden als Gebote formulierten zehn Punkte wichtig, die nicht im Einzelnen, sondern nur im Zusammenhang zu verstehen sind. Teilweise widersprechen sich einzelne Punkte (z. B. „Störungen haben Vorrang! “ - „Es kann nur einer zurzeit reden! “). Diese Widersprüche sind auszubalancieren. Die Gebote 1 bis 4 betreffen den Ich-Bereich, 5 bis 7 den kommunikativen Bezug zu anderen und 8 bis 10 die Kommunikationsregelung in der Gruppe. 1. Seien Sie Ihr eigener Vorgesetzter! Bestimmen Sie selbst, wann Sie reden wollen. Sprechen oder schweigen Sie, wenn Sie es wollen. Versuchen Sie in dieser Gruppe und bei dieser Aufgabe das zu geben und zu empfangen, was Sie selbst geben und erhalten wollen. Seien Sie Ihr eigener Vorgesetzter - und richten Sie sich nach Ihren Bedürfnissen, im Hinblick auf das Thema und das, was für Sie wichtig ist. Diese Regel soll zwei Dinge bewusst machen. Zum einen, dass Sie die freie Entscheidung und Verantwortung haben, was Sie aus dieser Zeit machen. Und zum anderen, dass Sie sich nicht zu fragen brauchen, ob das, was Sie wollen, den anderen passt. Sagen Sie, was Sie wollen. Die anderen sind auch „ihre eigenen Vorgesetzten“ und werden Ihnen mitteilen, wenn sie etwas anderes wollen als Sie. 2. Experimentieren Sie mit Ihrem Verhalten: Bleiben Sie lernfähig! Versuchen Sie einen optimalen Beitrag zum Gruppenziel zu erbringen. Bleiben Sie umstellfähig. Fragen Sie sich, ob Sie sich so verhalten, wie Sie es wirklich wollen, oder ob Sie sich eigentlich anders verhalten wollen, es aber nicht 54 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung tun. Versuchen Sie, auch einmal neues Verhalten auszuprobieren, und riskieren Sie das „Kribbeln“, das dabei auftauchen kann. 3. Beachten Sie ihre Körpersignale und horchen Sie in sich hinein! Um besser herauszubekommen, was Sie im Augenblick fühlen und wollen, achten Sie auf Ihren Körper. Er kann Ihnen manchmal mehr über Ihre Gefühle und Bedürfnisse sagen als Ihr Kopf. - Versuchen Sie sich Ihres inneren Zustands bewusst zu werden. Konzentrieren Sie sich nicht nur auf die Gruppenleistung und die anderen, sondern auch auf sich selbst, auf Ihr inneres Erleben. 4. Beachten Sie Ihre Störungen! Unterbrechen Sie das Gespräch, wenn Sie nicht wirklich teilnehmen können, z. B., wenn Sie durch das Vorgehen der Gruppe gelangweilt, ärgerlich oder aus einem anderen Grund unkonzen‐ triert sind. Ein „Abwesender“ verliert nicht nur seine Möglichkeiten in der Gruppe, sondern bedeutet auch einen Verlust für die ganze Gruppe. Diese Regel muss mit Vorsicht behandelt werden: Bearbeitet eine Gruppe nur noch ihre Störungen, so ist sie als Gruppe nicht mehr arbeitsfähig. 5. Sagen Sie „Ich“ statt „Man“ oder „Wir“! Sprechen Sie über Ihre persönliche Meinung nicht als „man“ oder „wir“, weil Sie sich hinter diesen Sätzen verstecken und die Verantwortung nicht für das zu tragen brauchen, was Sie sagen. Zeigen Sie sich als Person und sprechen Sie als „Ich“. Außerdem sprechen Sie in „man“ - oder „wir“ - Sätzen für andere mit, von denen Sie meist gar nicht wissen, ob Sie das wünschen. 6. Sagen Sie Ihre Meinung (statt zu fragen)! Wenn Sie eine Frage stellen, sagen Sie, warum Sie sie stellen. Eröffnen Sie dem anderen Ihre Vermutungen und Beweggründe. Auch Fragen sind oft eine Methode, sich und seine eigene Meinung nicht zu zeigen. Außerdem können Fragen oft inquisitorisch wirken und den anderen in die Enge treiben. Äußern Sie aber Ihre eigene Meinung, geben Sie ihm die Möglichkeit, Ihnen zu widersprechen oder sich Ihrer Meinung anzuschließen. - Wenn Sie nicht versuchen, andere durch Fragen zu manipulieren und die „Oberhand“ im Gespräch zu behalten, müssen Sie auch nicht gegen so hervorgerufene (häufig verborgene) Widerstände bei den anderen ankämpfen. 7. Sprechen Sie direkt! Wenn Sie jemandem in der Gruppe etwas mitteilen wollen, sprechen Sie ihn besser direkt an und zeigen ihm (durch Blickkon‐ takt), dass Sie ihn meinen. Sprechen Sie nicht über einen Dritten zu einem anderen und sprechen Sie nicht zur Gruppe, wenn Sie einen bestimmten Teilnehmer in der Gruppe meinen. - Setzen Sie sich direkt und persönlich mit allen Mitgliedern der Gruppe auseinander. 2.5 Organisatorische Konflikte 55 8. Geben Sie Feedback über Ihre Wahrnehmungen und Meinungen! Löst das Verhalten eines Gruppenmitgliedes angenehme oder unangenehme Ge‐ fühle bei Ihnen aus, so teilen Sie es ihm besser (sofort) direkt mit - und nicht später einem Dritten. Wenn Sie Feedback geben, sprechen Sie in angemessener Weise nicht „über“ das Verhalten des anderen; denn Sie wissen zunächst nicht, ob Sie sein Verhalten so wahrgenommen haben wie die anderen. Bewerten Sie das Verhalten des anderen nicht, vermeiden Sie Interpretationen und Spekulationen über den anderen. Sprechen Sie von den Gefühlen und Eindrücken, die durch das Verhalten des anderen in Ihnen ausgelöst werden. Versuchen Sie, das Verhalten des anderen so genau und korrekt wie möglich zu beschreiben, damit er begreifen kann, was an seinem Verhalten Ihre Gefühle und Eindrücke ausgelöst hat. Sie brauchen keine objektiven Tatsachen oder Beweise - auf Ihre subjektiven Gefühle kommt es an. Vergessen Sie aber auch nie, dass Sie keine „objektiven Befunde“ verkünden können. 9. Hören Sie ruhig zu, wenn Sie Feedback erhalten! Versuchen Sie nicht gleich, sich zu verteidigen oder die Sache „klarzustellen“, wenn Sie Feedback erhalten. Denken Sie daran, dass Ihnen subjektive Gefühle des anderen und keine objektiven Tatsachen mitgeteilt werden. Freuen Sie sich, dass Ihr Gesprächspartner Ihnen seine Wahrnehmungen von Ihnen sagt. Versuchen Sie ruhig zuzuhören und überlegen Sie, ob Sie verstanden haben, was er meint. 10. Es kann nur einer zur gleichen Zeit reden! Wenn mehrere Gruppenmitglieder gleichzeitig sprechen, muss sofort eine Lösung für diese Situation gefunden werden. Die Beachtung dieser zehn Gebote für Gruppendiskussionen kann eine effek‐ tive Möglichkeit sein, die Arbeit in Gruppen intensiver und konfliktfreier zu gestalten. Die Wichtigkeit der einzelnen Gebote oder Regeln ist unterschiedlich. In manchen Situationen können Widersprüche bei der Beachtung der Regeln entstehen. Zu beachten ist zudem, dass einzelne Regeln wichtiger sind als andere und jedes einzelne Gruppenmitglied für sich selbst entscheiden muss, welchen Regeln es den Vorrang gibt. Zudem können einzelne Regeln bei übertriebener Auslegung den Arbeitsprozess lähmen, z. B. Regel 1 und Regel 4. Widersprüche zwischen den Regeln müssen erkannt und „ausbalanciert“ werden. Entscheiden nun Sie selbst vor Ihrem betrieblichen Hintergrund: ● Welche Regeln sind die wichtigsten? ● Welche Regeln sind am schwersten anzuwenden? ● Gegen welche Regel wird am häufigsten verstoßen? 56 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung Abschließend sei noch angemerkt, dass Rückmeldungen von Teilnehmenden unserer Konfliktmanagement-Seminare, in denen wir u. a. auch trainieren, die TZI-Regeln anzuwenden, uns in der Überzeugung bestärken, dass Gruppen ihr Miteinander erfolgreicher und konfliktfreier gestalten, wenn sie sich an den TZI-Regeln orientieren, was auch bei den weiteren Facetten des organisatori‐ schen Konfliktgeschehens der Fall sein dürfte. Bei Konflikten um Werte geht es um unvereinbare Ziele, Prinzipien oder Grundsätze, wie zum Beispiel, wenn es darum geht, Teile der Produktion ins Ausland zu verlagern oder den heimischen Standort auszubauen. Letztlich lassen sich Wertkonflikte nicht lösen. Entweder einigen sich alle Beteiligten auf einen Vorschlag oder aber es wird vom Topmanagement eine Entscheidung her‐ beigeführt. Schließlich muss das Unternehmen auch bei sich ausschließenden Werten weiter handlungsfähig bleiben. Konflikte um die Verteilung sind dadurch gekennzeichnet, dass sich der Gewinn des einen und der Verlust des anderen zu Null addieren, was beispiels‐ weise der Fall ist, wenn zwei Mitarbeitende zur gleichen Zeit Urlaub nehmen möchten, aber nur einer abkömmlich ist. Verteilungskonflikte lassen sich im betrieblichen Kontext durch einen Kompromiss beenden, der bei Einhaltung klarer Regeln gemeinsam ausgehandelt wird. Auch die Anwendung der weiter oben beschriebenen Prinzipien des Harvard-Konzeptes dürfte hilfreich sein, um eine für beide Seiten verbindliche Einigung herbeizuführen. Eine Rolle umfasst das Bündel an Erwartungen, die an den Inhaber einer Position gestellt werden. Der Rolleninhaber steht im Schnittpunkt vielfältiger Erwartungen, die in sich selbst klar, mehrdeutig oder widersprüchlich sein können. Rollenkonflikte resultieren, wenn ● ein Einzelner vom Rolleninhaber Widersprüchliches erwartet, z. B. Termine einhalten, aber keine Überstunden leisten, ● zwei verschiedene Personen unvereinbare Erwartungen stellen, z.-B. wenn ein Techniker in einer Matrix-Organisation zwei Vorgesetzten unterstellt ist, die unterschiedliche Leistungen einfordern, ● aus verschiedenen Systemen gleichzeitig widersprüchliche Erwartungen an den Rolleninhaber gerichtet werden, beispielsweise wenn der Vertrieb vom Techniker beim Kunden kleine Zusatzleistungen erwartet, der Innendienst aber peinlich genau alles abrechnen möchte, ● der Rolleninhaber sich mit Erwartungen konfrontiert sieht, die ihn mit seinen persönlichen Werten in Konflikt bringen, z. B., wenn er als Bauleiter auf einer Baustelle mit Mitarbeitenden eines Nachunternehmens koope‐ rieren soll, deren Arbeitserlaubnis nicht vorliegt, bzw. immer noch nicht vorgelegt worden ist, 2.5 Organisatorische Konflikte 57 ● die an den Rollenträger gerichteten Erwartungen vage und mehrdeutig sind, so nach dem Motto „Du machst das schon“ oder ● der Rollenträger sich zu viele Rollen zugemutet hat. Rollenkonflikte habe die Tendenz, sich zu Beziehungs- oder Verteilungskonf‐ likten zu wandeln, wo dann mit der Harvard-Methode oder den TZI-Regeln an deren Lösung gearbeitet werden sollte. 58 2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung 3 Methodik der Konfliktlösung Vor dem Hintergrund des im vorangegangenen Kapitel dargestellten betriebli‐ chen Konfliktgeschehens drängt sich die Frage auf, wodurch in der Technik Konflikte verursacht werden. Eben diese Frage ist 72 Teilnehmenden von mehreren Konfliktmanagementseminaren eines großen Stahlkonzerns gestellt worden und von ihnen so beantwortet worden: ● Unzureichende Kommunikation ● Gegenseitige Abhängigkeit ● Gefühl, ungerecht behandelt zu werden ● (Rollen-)Mehrdeutigkeit aufgrund der Verantwortung ● Wenig Gebrauch von konstruktiver Kritik ● Misstrauen ● Unvereinbare Persönlichkeiten und Einstellungen ● Kämpfe um Macht und Einfluss ● Groll, Ärger, Empfindlichkeit ● Mitgliedschaft in unterschiedlichen Einheiten ● Auseinandersetzung über Zuständigkeiten ● Belohnungssystem ● Gesichtsverlust ● Wettbewerb um knappe Ressourcen Angesichts der sicher auch noch erweiterbaren Länge der Liste sollte ein Vorschlag zur systematischen Konfliktlösung nicht nur darauf abzielen, das Konfliktgeschehen selbst detailliert und möglichst umfassend zu erfassen, sondern sich auch den Konfliktursachen widmen. Denn gerade in der Technik weiß man, dass ein Problem bereits halbwegs gelöst ist, wenn alle möglichen Ursachen geklärt sind. Diesem Gedankengang folgend arbeiten wir in unseren Konfliktmanagement-Trainings mit einer dreistufigen Methodik der Konflikt‐ beschreibung und -ergründung zur Ableitung von Lösungsvorschlägen, die sich nicht nur in den Trainings, sondern auch nach Rückmeldung der Teilnehmenden in ihrer Praxis bewährt hat. 3.1 Drei Stufen zur Konfliktbearbeitung Wie aus Abb. 8 ersichtlich erfolgt die Methodik der Konfliktlösung in Anleh‐ nung an Crisand und Reinhard in drei Schritten: Abb. 8: Methodik der Konfliktlösung in drei Schritten 3.1.1 Die Konfliktanalyse Ob in Schritt 2 zutreffend erklärt und nach Schritt 3 erfolgreich interveniert werden kann, hängt in entscheidendem Maß von der Qualität der Analyse in Schritt 1 ab. Wir schlagen daher in Tab. 9 ein Raster mit Leitfragen vor, um eine vollständige Informationssammlung zu sichern. Aspekte zur Beschreibung des Kon‐ fliktgeschehens Leitfragen Informationen zur Person und zur Situa‐ tion Um wen handelt es sich? Wie alt? Wie lange in der Firma? Welche Position? Wie lässt sich die Person kurz charakteri‐ sieren? Wie werden sein Leistungsvermögen und seine Leistungsbereitschaft beurteilt? Was ist vorgefallen? Zeitbezug Wann, wie oft und im Zusammenhang womit treten Kon‐ flikte auf ? Verhalten Wie verhält sich die Person in der Kon‐ fliktsituation? Wie allgemein? 60 3 Methodik der Konfliktlösung Aspekte zur Beschreibung des Kon‐ fliktgeschehens Leitfragen Konfliktart Sach- oder Beziehungskonflikt? Gruppenstrukturen und -verhältnisse Inwiefern sind sein Team oder teamüber‐ greifende Andere in welcher Art und Weise involviert? Kommunikation Wie gestaltet sich das Miteinander vor, während und nach dem Konfliktge‐ schehen? Wie wird miteinander geredet? Privat Was ist über das Privatleben bekannt? Tab. 9: Aspekte zur Beschreibung des Konfliktgeschehens Mit der so durchgeführten, weitgehend wertungsfreien Informationssammlung erschließt sich nicht nur die Möglichkeit zu einer zutreffenden Diagnose und eines darauf aufbauenden Vorschlags zu einer angemessenen Intervention, sondern auch der wohl vorbereitete Einstieg in die kooperative Konfliktbewäl‐ tigung. Zudem sichert diese Vorgehensweise, dass der Konfliktlöser mit der zwingend notwendigen professionellen Distanz an die Konfliktbearbeitung herangeht. Anhand eines erinnerten Gesprächsprotokolls zwischen einem Teilnehmenden (TN) und mir, seinem Coach (BT), sei die Vorgehensweise beispielhaft erläutert. Beginnen wir mit dem Arbeitsauftrag. TN: „Ich möchte heute über ein Thema sprechen, das mir insofern sehr am Herzen liegt, weil sich die Thematik um eine Person dreht, die mir als Jungin‐ genieur in der Vergangenheit vor allem während meiner Einarbeitungsphase in meine neue Rolle als Abteilungsleiter sehr hilfreich zur Seite gestanden hat. Aktuell bin ich mir unsicher, ob ich die Person ansprechen oder es erstmal lieber bleiben lassen soll. Es geht um das Thema Alkohol.“ BT: „Um wen handelt es sich? “ TN: „X ist Industriemeister und leitet eins meiner Teams in der Fertigung.“ BT: „Wie alt ist er? “ TN: „Kürzlich 44 Jahre alt geworden. Ich weiß das so genau, weil er sich nicht lange hat bitten lassen, seine ‚Schnapszahl‘ nach Feierabend ausgiebig mit den Kollegen zu feiern.“ BT: „Wie lange ist er bereits in der Firma? “ TN: „X ist vor 15 Jahren von einem Wettbewerber in unsere Firma gewechselt, weil er dort nach seiner Meisterprüfung keine adäquate Stelle angeboten bekommen hat.“ 3.1 Drei Stufen zur Konfliktbearbeitung 61 BT: „Welche Position bekleidet er jetzt? “ TN: „Er arbeitet im mittleren Management und führt ein Team von 18 Mitarbei‐ tenden in der Fertigung. Zudem ist er an zwei Projekten beteiligt, in einem von ihnen als Leiter.“ BT: „Wie lässt sich X kurz charakterisieren? “ TN: „Bevor ich als Abteilungsleiter eingestellt worden bin, hat X die Abteilung über mehrere Monate hinweg kommissarisch weitergeführt, nachdem mein Vorgänger unerwartet die Firma verlassen hatte. X hat mich bereitwillig und vorbehaltlos an seiner Betriebserfahrung teilhaben lassen und mir engagiert, zuvorkommend, geduldig und stets hilfsbereit den Einstieg in die neue Position erleichtert. Seine freundliche und entgegenkommende Art hat er mir gegenüber auch weiter beibehalten und ist deswegen auch im Kreis seiner Kollegen und Mitarbeitenden beliebt.“ BT: „Wie beurteilen Sie die Leistungsbereitschaft und das Leistungsvermögen von X? “ TN: „Während ich ihm im vorletzten Mitarbeiterjahresgespräch vorbehaltlos eine durchweg positive Rückmeldung zu seinem gesamten Leistungsverhalten gegeben habe, hätte ich im letzten Mitarbeiterjahresgespräch eigentlich schon Abstriche machen müssen, habe aber noch einmal ‚Fünf gerade sein lassen‘ und seinen durchaus schon bemerkbaren, jedoch noch nicht allzu sehr gravierenden Leistungsabfall nicht eingehend thematisiert. Im nächsten Mitarbeiterjahresge‐ spräch werde ich allerdings nicht mehr darum herumkommen mit ihm über augenscheinliche Verminderungen seines Leistungsverhaltens zu sprechen.“ BT: „Was ist vorgefallen? “ TN: „X verliert zunehmend die Übersicht in seinem Arbeitsbereich, so dass es immer wieder zu Engpässen kommt, die zumeist von seinem Team dann gerade noch abgefangen werden können. Seine Projektleitung vernachlässigt er sehr, zeigt kaum mehr Initiative und Willen, das Projekt voranzutreiben. Im zweiten Projekt erscheint er nur noch sporadisch und bringt sich nur noch dann ein, wenn er ausdrücklich um seine Expertise gefragt wird.“ BT: „Wann, bzw. seit wann und wie oft treten die beschriebenen Leistungsmin‐ derungen im Zusammenhang mit Alkoholauffälligkeiten auf ? “ TN: „Um es salopp zu sagen, X hat schon immer gerne Alkohol getrunken und sich dazu auch bekannt, getreu seinem Spruch: ‚Ein Gläschen in Ehren darf niemand verwehren‘. Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Alkoholkonsum treten seit etwa zwei Jahren auf und haben im weiteren Verlauf an Häufig‐ keit zugenommen. Das erste Mal ist er mit einer deutlich wahrnehmbaren Alkoholfahne am Arbeitsplatz erschienen, nachdem ihm mitgeteilt worden ist, dass seine Bewerbung auf eine interne Ausschreibung als Leiter des Quali‐ 62 3 Methodik der Konfliktlösung tätsmanagements abschlägig beschieden worden ist, weil die Geschäftsleitung höherwertige Positionen nur mit Akademikern besetzen wolle. Von einem kol‐ legialen Freund auf seinen desolaten Zustand angesprochen, hat X im Dabeisein mehrerer Kollegen heftig reagiert: ‚Man wird sich ja wohl noch einmal die Kante geben dürfen, wenn einem schon wieder so ein Jungspund vor die Nase gesetzt wird, nur weil der auf der Uni gewesen ist. Unsereins reißt sich hier seine vier Buchstaben aus, bringt sich ein, tut und macht, und was hat er davon? Mit Wertschätzung hat das ja wohl kaum was zu tun‘. Seither treten immer wieder Probleme im Arbeitsumfeld von X auf, bei denen wohl auch Alkohol mit im Spiel ist.“ BT: „Wie verhält sich X in solchen Situationen und wie allgemein? “ TN: „Lassen Sie es mich an einem Beispiel erläutern. X, einige Kollegen und meine Wenigkeit haben kürzlich an einer mehrtägigen externen Fortbildungs‐ veranstaltung teilgenommen. Wie bei derartigen Veranstaltungen üblich, haben wir uns nach dem Abendessen zu einem ‚Absacker‘ an der Bar des Seminarhotels getroffen, bei dem es zumeist nicht geblieben ist, weil unsere Firma ‚all-inklusiv‘ alle Bewirtungskosten übernimmt. Vor der Theke war X ‚der König‘, eloquent, schlagfertig und äußerst trinkfest. Anderntags ist er dann zu spät erschienen und immer wieder einmal während des einen oder anderen Vortrages eingeschlafen. Daraufhin angesprochen erklärt X: ‚Na hör mal, Du hast doch gestern auch nicht gerade wenig getrunken. Ich weiß eigentlich gar nicht, was ausgerechnet Du von mir willst. Also halt Du erstmal Deine Füße still. Dass ich da einen leichten Aussetzer gehabt habe, ist doch wohl normal, oder‘? Mit diesem ‚Wir trinken doch alle, also was willst Du‘ begegnet X ein fürs andere mal meinen Vorbehalten.“ BT: „Vor dem Hintergrund dieser Informationen - mit was für einer Konflikt‐ gemengelage genau haben wir es hier zu tun? “ TN: „Ausgangspunkt dürfte wohl ein Wertkonflikt sein, der daraus resultiert, dass ‚von oben‘ entschieden worden ist, höherwertige Positionen nur durch Akademiker zu besetzen. Statt unter den so gegebenen Voraussetzungen mit X unter Anwendung der Harvard-Methode dennoch eine Win-win-Lösung anzu‐ streben, ist es bei einer Mitteilung über den abschlägigen Bescheid geblieben. Es resultiert ein Beziehungskonflikt, der bei mir wiederum einen inneren Konflikt ausgelöst hat: Einerseits möchte ich das alkoholbedingte Fehlverhalten abstellen, andererseits möchte ich vermeiden, in eine kritische Situation mit meinem damaligen Mentor, dem ich viel zu verdanken habe, zu geraten.“ BT: „Hat das Verhalten von X Auswirkungen auf sein Team oder auch team‐ übergreifend auf andere? “ 3.1 Drei Stufen zur Konfliktbearbeitung 63 TN: „X verliert zunehmend den Überblick über das, was in seinem Arbeitsbe‐ reich gerade ansteht. Es fällt ihm schwer, Entscheidungen zu treffen und sein Team zu führen. Seine Mitarbeitenden lehnen ihn mehr und mehr ab. Es kommt vor, dass sie seine Anweisungen ignorieren. Hinter seinem Rücken wird über ihn gesprochen. Das Klima im Team verschlechtert sich zusehends. Auch in den Projektteams wird über ihn getratscht. Sogar im Kontakt mit Kunden oder Nachunternehmern ist er schon auffällig geworden.“ BT: „Wie gestaltet sich das Miteinander zwischen X und Ihnen, wenn sich Auffälligkeiten zeigen? “ TN: „Es kommt immer einmal wieder vor, dass wir auswärtige Besucher bei längeren Aufenthalten in unserem Haus zu einem Essen in ein nahegelegenes Restaurant einladen. So auch letztens, als ein Kunde gemeinsam mit X über Lösungen im Hinblick auf Schnittstellenproblematiken nachgedacht hat. Ich be‐ gegnete X, als er sichtlich alkoholisiert vom anschließenden Restaurantbesuch zurück in die Firma kam, um in seinem Arbeitsbereich noch einmal nach dem Rechten zu sehen. Von mir auf seinen alkoholisierten Zustand angesprochen, hat er lapidar erklärt, dass es ja wohl selbstverständlich sei, dass er mit dem einen oder anderen Besucher auch etwas trinke, wenn er sie im Auftrag der Firma bewirte. Wie schon bei anderen Gelegenheiten vorher, hat er auch hier seinen Alkoholkonsum verharmlost, heruntergespielt und entschuldigt. Mit meiner Ansprache habe ich offensichtlich nichts bewirken können, eher im Gegenteil. Am nächsten Tag hat er mit einer deutlich wahrnehmbaren Fahne vom Restalkohol seine Arbeit aufgenommen. Bevor ich ihn ansprechen kann, poltert er getreu dem Motto, dass Angriff die beste Verteidigung ist, gleich los, dass er nach Dienstschluss ‚noch auf ein Bier‘ in die Kneipe gegangen sei. Und das müsse ja wohl noch erlaubt sein.“ BT: „Was ist Ihnen über das Privatleben von X bekannt? “ TN: „In der Ehe hat es wohl schon lange gekriselt, bis sich dann vor etwa einem Jahr die Ehefrau von X getrennt hat. Sie sei wohl mit der beruflichen Situation von X nicht zufrieden gewesen, hätte ihm stets vorgeworfen, dass er nicht annähernd so erfolgreich sei wie ihr Bruder, Bereichsleiter bei einem Anlagenbauer, oder ihr Vater, Kämmerer bei der Stadt. Als seine Bewerbung zum Leiter Qualitätsmanagement abgelehnt worden sei, sei die eheliche Situation eskaliert. Seine ehrgeizige Ehefrau habe ihm immer wieder vorgehalten, dass er es zu nichts bringen würde, was X dann mit zunehmendem Rückzug aus der familiären Situation und wohl auch mit vermehrten Alkoholkonsum quittiert habe. Vermutlich hat sich die Noch-Ehefrau genau deswegen entschieden, X mit den beiden gemeinsamen Kindern zu verlassen. Seinen 16-jährigen Sohn und seine 14-jährige Tochter sehe X nur noch sehr selten, weil sich beide stark von 64 3 Methodik der Konfliktlösung ihrem Vater distanziert hätten. Zudem sei seine Ehefrau im Trennungsjahr eine neue Beziehung eingegangen, und zwar ausgerechnet mit meinem Vorgänger, dem ehemaligen Vorgesetzten von X.“ Die in der Analyse gewonnenen Informationen zeigen, dass die Gründe für den Alkoholmissbrauch von X sowohl in seiner beruflichen als auch seiner privaten Situation liegen. Bevor wir uns der Konfliktdiagnose als zweiten Schritt zuwenden, sei an dieser Stelle auf Abb. 9 hingewiesen, in der die wichtigsten Aspekte der Konfliktdiagnose noch einmal zusammengefasst sind. Abb. 9: Aspekte zur Konfliktanalyse Möglicherweise ist dem einen oder anderen die Arbeit mit den beispielhaft skizzierten Leitfragen zu aufwändig. Mit Mut zur Lücke ist es durchaus auch möglich, sich wie die Teilnehmenden in unseren Workshops zum Konfliktma‐ nagement darauf zu beschränken, sich an der Darstellung in Abb. 9 zu orien‐ tieren und die entscheidenden Punkte stichwortartig herauszuarbeiten. Wie dies aussehen könnte, zeigt das Beispiel in Tab. 10. Die Flipchartabschrift beschreibt das Konfliktgeschehen zwischen dem Teilnehmenden, einem Bauleiter, und einer Bauassistentin. Aspekte zur Konfliktanalyse Stichpunkte zur Bauassistentin Informationen zur Person und Situation KP ist 53 Jahre alt, seit 20 Jahren im Be‐ trieb, sitzt im „Vorzimmer“ des Niederlas‐ sungsleiters (NL), mit dem sie sich gut versteht, Leistungsvermögen: 5 von 10 Punkten, fühlt sich wegen der langen Be‐ triebszugehörigkeit sicher 3.1 Drei Stufen zur Konfliktbearbeitung 65 Aspekte zur Konfliktanalyse Stichpunkte zur Bauassistentin Zeitbezug Schon immer, bei jedem Kontakt Verhalten Überschätzt sich selbst, legt „Chefallüren“ an den Tag, launisch, versucht, ihr feh‐ lendes Leistungsvermögen zu kaschieren, Sach- oder Beziehungsproblem Beziehungskonflikt Gruppenstrukturen und -verhältnisse Grenzt Personen nach Gutdünken aus, sucht sich „Verbündete“, um besser dazu‐ stehen, NL toleriert das Verhalten von KP trotz mehrmaliger Hinweise Kommunikation Konfliktgespräche sind nicht möglich Privat Geschieden, allein lebend Tab. 10: Stichpunkte zum Konflikt zu Aspekten der Konfliktanalyse Auch wenn die Angaben auf der Flipchartabschrift nicht so detailliert und umfangreich sind wie bei der obigen Nachschrift zu einem halbstandardisierten Interview decken sie schon die wesentlichen Aspekte des Konfliktgeschehens ab. Somit stellen sie durchaus ein probates Mittel dar, um sich schnell einen Eindruck vom Konfliktgeschehen zu machen, eine Diagnose abzuleiten und mögliche Maßnahmen zu erwägen. Doch kehren wir nun zur Konfliktdiagnose unseres Falles zurück, der sich um das Thema Alkohol dreht. 3.1.2 Konfliktdiagnose Bei der Konfliktdiagnose geht es darum, mit psychologischem Wissen und gesundem Menschenverstand das Konfliktgeschehen zu erklären: Warum ist das so? Abb. 10 veranschaulicht die Vorgehensweise. 66 3 Methodik der Konfliktlösung Abb. 10: Konfliktdiagnose Aufgrund der gewonnenen Informationen wird hinterfragt, welche unbefrie‐ digten Motive die Frustration hervorrufen. In unserem Beispielfall dürften diese sowohl im beruflichen als auch privatem Kontext zu suchen sein. Aus Sicht des Vorgesetzten spreche vieles dafür, dass der Auslöser für den Alkoholmissbrauch in der kriselnden ehelichen Situation liegt. So sei es durchaus denkbar, dass die Ehefrau dem Mitarbeitenden immer wieder vorgeworfen habe, anders als die erfolgreichen Männer in ihrer Herkunftsfamilie beruflich auf der Stelle zu treten und es nur bis zum Meister gebracht zu haben. Nachdem er sich zunächst stark in der Firma eingebracht habe, den Bereich seines jetzigen Vorgesetzten kommissarisch bis zu dessen Einstellung geleitet habe und ihn dann auch noch tatkräftig bei seiner Einarbeitung unterstützt habe, sei er spätestens bei seiner gescheiterten Bewerbung zum Leiter des Qualitätswesens frustriert in eine Abwärtsspirale geraten. All seine Bemühungen beruflich aufzusteigen seien durch die im Wertkonflikt getroffene Grundsatzentschei‐ dung der Geschäftsführung, höherwertige Stellen ausschließlich mit Akade‐ mikern zu besetzen, vergeblich gewesen. Er habe sich nicht wertgeschätzt und zurückgesetzt gefühlt. Sein Motiv, durch den beruflichen Aufstieg einen höheren sozialen Status zu erreichen, sei unbefriedigt geblieben. Frustriert sei er wohl in eine Abwärtsspirale geraten, die sich durch die Vorhaltungen und die zum beruflichen Misserfolg annähernd gleichzeitige, vermutlich auch im Zusammenhang mit seinem Alkoholkonsum stehende Trennung seiner Frau von ihm dann noch weiter verschärft habe. Äußerungen wie „Du kannst Dich hier auf den Kopf stellen und musst am Ende dann doch erkennen, dass alles für 3.1 Drei Stufen zur Konfliktbearbeitung 67 die Katz gewesen ist“ unterstreichen seine Frustration. Sein Selbstwertgefühl (SWG) ist massiv bedroht und er greift zum Abwehrmechanismus „Flucht in den Alkohol“. Sein zunehmender Alkoholmissbrauch bedingt eine deutliche Leistungsminderung. Er ist kaum mehr in der Lage, sein Team zu führen und notwendige Entscheidungen zu treffen. Das Teamklima verschlechtert sich. Um mit der nun offensichtlichen Überforderung klarzukommen und sich vor weiteren Bedrohungen seines Selbstwertgefühls zu schützen, greift der Meister immer häufiger zur Flasche. Aus der durch die Entscheidung im Wertkonflikt hervorgerufene Sachproblematik, höherwertige Stellen nur mit Akademikern zu besetzen, ist längst ein Beziehungskonflikt geworden, welcher zudem beim Vorgesetzten des Meisters einen inneren Konflikt bedingt. 3.1.3 Interventionen zur Konfliktlösung Vor der Erwägung von Lösungsvorschlägen im Hinblick auf die Alkoholprob‐ lematik wird im ersten Schritt der Annäherungs-Vermeidungskonflikt des Vor‐ gesetzten in Betracht gezogen. Einerseits weiß der Vorgesetzte, dass er wegen der Alkoholproblematik tätig werden muss, andererseits möchte er vermeiden, mit seinem ehemaligen Mentor in eine kritische Situation zu geraten. Um den Vorgesetzten eine Orientierungshilfe zur Lösung seines inneren Konflikts an die Hand zu geben, wird ihm ein vierstufiges Modell zur Thematik „Alkoholismus als Krankheit“ vorgestellt. In der voralkoholischen Phase wird Erleichterung in Form von Spannungsabbau sowie Beseitigung von Angst, Unsicherheit und Minderwertigkeitsgefühlen erlebt. Gelegenheiten zum Alkoholkonsum werden aufgesucht, täglich wird mit gesteigertem Bedarf zur Erleichterung Alkohol konsumiert. In der zweiten Phase, der Anfangsphase, stellen sich Erinnerungs‐ lücken und Schuldgefühle ein, dauernd wird an Alkohol gedacht und gierig getrunken, Anspielungen zum Thema Alkohol werden vermieden oder der Konsum wird heruntergespielt und verleugnet. Heimliches Trinken beginnt. In der dritten, der kritischen Phase, kommt es zu ● Kontrollverlust, ● Erklärungsversuchen, ● Erklärungssystem, ● übergroßer Selbstsicherheit, ● aggressivem Verhalten, ● dauernder Zerknirschung, ● vorübergehender Abstinenz, ● Änderung des Trinksystems, ● Isolation, 68 3 Methodik der Konfliktlösung ● Interessenverlust, ● Selbstmitleid, ● Flucht, ● Änderungen im Familienleben, ● grundlosem Unwillen, ● Sichern des Alkoholvorrates, ● Vernachlässigung der Ernährung, ● Krankenhauseinweisung, ● Abnahme des Sexualtriebes und/ oder ● morgendlichem Trinken. Angesichts der Liste erkennt der Vorgesetzte nicht nur viele Aspekte wieder, die das Trinkverhalten seines Mitarbeitenden kennzeichnen, sondern sieht auch den bereits sich abzeichnenden fließenden Übergang in die vierte, chronische Phase, wo sich beim Mitarbeitenden der Verlust der Alkoholtoleranz, undefi‐ nierbare Ängste und Zittern sowie das Versagen des Erklärungssystems zeigen. Dem Vorgesetzten wird so deutlich vor Augen geführt, dass er sich aus seinem inneren Konflikt lösen und die Initiative ergreifen muss, denn: Treten Probleme immer wieder in Zusammenhang mit Alkohol auf, sind nicht die Probleme das Problem, sondern der Alkohol! Gemeinsam mit dem Vorgesetzten wird nun die weitere Vorgehensweise da‐ hingehend abgestimmt, der wohl häufigsten Expertenmeinung zu folgen und bei Alkoholismus keine Nachsicht zu zeigen, sondern systematisch, klar und deut‐ lich mit der nötigen Konsequenz vorzugehen, selbstverständlich in jedem Schritt gepaart mit Hilfsangeboten für den Betroffenen. Zur Vorbereitung reicht nicht die Bereitschaft dem intuitiven Unbehagen nachzugehen. Nachlassende Leis‐ tungen und alkoholbedingte Auffälligkeiten sind zu dokumentieren sowie ein Nüchternheitsgebot zu vereinbaren. Gemäß dem Motto „Wir arbeiten nüchtern“ wird, wer dem Vorgesetzten nicht nüchtern erscheint, nicht eingesetzt, sondern Mitarbeitende, die sich an dieses Gebot nicht halten, werden konsequent, am besten per Taxi nach Hause geschickt bzw. nach Hause begleitet. So wird auch vermieden, dass der Meister in unserem Beispielsfall nach dem Geschäftsessen alkoholisiert weiter auf dem Betriebsgelände tätig ist. Nebenher bemerkt stellt die stillschweigende Billigung der Anwesenheit des alkoholisierten Meisters auch einen Verstoß gegen die derzeit geltenden Unfallverhütungsvorschriften dar. Hier steht der Vorgesetzte in der Führungsverantwortung, den Verweis vom Arbeitsplatz durchzusetzen und sein Führungshandeln somit an seiner Fürsorgepflicht auszurichten. Nach einer solchen Intervention ist es zwingend erforderlich, zeitnah ein Gespräch zu vereinbaren, und ggf. in die abgestufte Vorgehensweise bei alkoholbedingten Anlässen einzusteigen. 3.1 Drei Stufen zur Konfliktbearbeitung 69 Bei der abgestuften Vorgehensweise werden Hilfsangebote und Maßnahmen eskalierend kombiniert. Nach der Problemwahrnehmung werden bei weiter anhaltenden alkoholbedingten Auffälligkeiten diese Prozessschritte aufeinan‐ derfolgend ausgeführt: ● Erstes vertrauliches Gespräch ● Erneutes Gespräch, ggf. unter Beteiligung eines Suchtkrankenhelfers ● Mündliche Verwarnung ● Therapieangebot bei gleichzeitiger schriftlicher Abmahnung ● Androhung der Kündigung ● Kündigung (mit Wiedereinstiegsklausel) In jedem Prozessschritt sollten sich die Mitarbeitendengespräche bei Auffällig‐ keiten auf Probleme, Fakten und Ziele fokussieren, Konsequenzen benennen, Unterstützung anbieten und Vereinbarungen treffen. Dem Vorgesetzten in unserem Beispielfall haben die in Tabelle 11 aufgeführten Leitfragen für das erste vertrauliche Gespräch geholfen. Leitfragen Was ist aufgefallen? Was stört mich, bzw. die Abläufe, bereitet mir Sorge? Fakten und Dokumente zusammengetragen? Was genau will ich in diesem Gespräch erreichen? Was kann ich anbieten? Was werde ich mitteilen? Möglichen Reaktionen? Worst case? Wie stelle ich mich darauf ein? Benötige ich selbst Unterstützung oder Coaching? Tab. 11: Leitfragen für das Erstgespräch bei Alkoholauffälligkeiten Im Gespräch selbst ist der Vorgesetzte gehalten, sich auf Probleme und Fakten sowie den Zielzustand zu konzentrieren. Gesprächsanlass und Kontext sind deutlich zu benennen. Es sollte tunlichst vermieden werden, selbst eine Dia‐ gnose zu stellen. Stattdessen sollten konkret die aufgetretenen Probleme be‐ 70 3 Methodik der Konfliktlösung schrieben werden sowie mittels Ich-Botschaften deren Auswirkungen auf das Verhältnis zum Mitarbeitenden und den Arbeitsbereich. Der Veränderungsbe‐ darf ist klar herauszustellen und die Erwartungen sind deutlich zu benennen. Besondere Auflagen sollten erwogen und Verbindlichkeit über die Erwartungen hergestellt werden. Zudem sind Konsequenzen zu benennen, für den Fall, dass es beim Status-quo bleibt. Das Erstgespräch stellt sozusagen „einen Schuss vor den Bug“ dar. In seltenen Fällen reicht dieser aus, um eine Verhaltensänderung hervorzurufen. Meist stellt sich jedoch eine Entwicklung ein, wie sie im Verlaufsschema in Abb. 11 skizziert wird. Nach einer mehr oder weniger langen Phase der Abstinenz stellt sich erneut ein labiles Gleichgewicht wieder her, das letztlich wieder in einen unerträglichen Zustand mündet. Der Rückfall in altes Trinkverhalten ist quasi vorprogrammiert. Abb. 11: Verlaufsschema „Rückfall“ Abhilfe schafft nur die weiter oben schon skizzierte Umsetzung der Prozess‐ schritte vom Erstgespräch über Ermahnungen und Abmahnungen bis hin zur Kündigung mit Wiedereinstiegsklausel. Es sei noch einmal betont, dass bei jedem Prozessschritt insofern Hilfe angeboten werden sollte, als eindringlich auf interne (soweit vorhanden) und externe Hilfsangebote hingewiesen, zur Kontaktaufnahme ermutigt bzw. ggf. der Erstkontakt dorthin hergestellt wird. Dies erfordert nicht nur die betriebliche Fürsorgepflicht, sondern ist auch 3.1 Drei Stufen zur Konfliktbearbeitung 71 zur arbeitsrechtlichen Absicherung der möglichen Kündigung am Ende der Prozessschritte erforderlich. Eine schriftliche Dokumentation der verbindlichen Vereinbarungen versteht sich vor diesem Hintergrund von selbst. Neben den personellen Interventionen sind parallel auch organisatorische Maßnahmen zu treffen. Den weiter oben ausgeführten Angaben zur Konflikt‐ analyse lässt sich für das Unternehmen in unserem Beispielfall entnehmen, dass hier von einer hohen Akzeptanz und auch einem hohen Konsum von Alkohol ausgegangen werden kann. Das gemeinsame gemütliche Beisammen‐ sein mit betrieblich gesponserten Getränken am Abend nach Fortbildungstagen und die stillschweigende Akzeptanz zum Konsum alkoholischer Getränke bei Gästebewirtungen unterstreichen diese Annahme. Wie in Abb. 12 dargestellt werden Mitarbeitende mit Alkoholproblemen in Organisationseinheiten mit hohen Alkoholkonsum erst später erkannt. Abb. 12: Wahrnehmung von Alkoholproblemen Von daher sind zur Sensibilisierung der Mitarbeitenden umfassende Informa‐ tionen zu erwägen, z.-B.: ● Lehrveranstaltungen (z.-B. ein „Trockener“ erzählt) ● Referate/ Filme auf Betriebsversammlungen ● Aufnahme in die mindestens jährlich durchzuführende Arbeitsschutz-Un‐ terweisung nach § 7 BGV A 1 ● Broschüren ● Plakate an ausgesuchten, stark frequentierten Stellen ● Videovorführung ● Werkszeitung ● Stellwände/ Infostände z.-B. in der Kantine ● Mitarbeiterbefragungen 72 3 Methodik der Konfliktlösung ● Innerbetriebliche Preisausschreiben In unserem Beispielsfall sind zudem „Suchtbeauftragte“ ernannt und ausgebildet worden, die seither Betroffenen und deren Vorgesetzten beratend zur Seite stehen, ein Hilfesystem über die Vernetzung mit externen Beratern und Ein‐ richtungen installieren und die Betroffenen bei der Reintegration unterstützen, indem sie sie in der Klinik besuchen, Maßnahmen bei ihrer Rückkehr mit ihnen absprechen, die Kollegen informieren und auf die Rückkehr vorbereiten. Nach dem Arbeitsaufnahmegespräch helfen sie bei Nachsorge und Kontaktaufnahme zu Selbsthilfegruppen, wobei sie darauf achten, nicht Sozialarbeiter zu spielen. Die Vorgesetzten der Betroffenen sind gehalten, diese ebenfalls zu unter‐ stützen, sie jedoch weder „zu bemuttern“ noch in „Watte zu packen“. Auch sollten sie Verhalten, Anwesenheit und Leistung beobachten und Probleme und Mutmaßungen sofort ansprechen. Sie sollten durchaus mit einem Rückfall rechnen, diesen aber nicht herbeireden, jedoch weiter wachsam sein. Bei erneuten Problemen ist ein sehr zeitnahes Konfrontationsgespräch zu führen, in dem noch einmal eine Bewährungschance mit klaren Auflagen gegeben wird. Bei erneutem Rückfall sollte innerhalb einer Woche eine erneute Entgiftung oder Anmeldung zur stationären Therapie erfolgen, oder auch die sofortige Kündigung. In unserem Beispielsfall ist genau dies bei dem betroffenen Meister geschehen, bis er dann schließlich zum „trockenen Alkoholiker“ geworden ist. Als solcher berichtet er heute in unserer gemeinsamen Seminarveranstaltung „Wenn Alkohol Probleme macht“ über seinen Weg in die und aus der Sucht. Des Weiteren hat sich die Unternehmensleitung in unserer Beispielfirma nach unserer Empfehlung dazu entschieden, gemeinsam mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung „Sucht“ zu verfassen, um auch auf diesem Weg betroffenen Führungskräften im Bedarfsfall den Rücken zu stärken. Bestandteile solcher Betriebsvereinbarungen sind: ● Geltungsbereich ● Zielsetzung ● Maßnahmenkatalog für bestimmte Situationen: Alkoholtests, Alkoholaus‐ schank, Sofortmaßnahmen und Fürsorgepflicht ● Vorbeugende Maßnahmen: Vorgesetztenschulung, Belegschaftsinforma‐ tion, Beseitigung suchtfördernder Arbeitsbedingungen ● Maßnahmen und Hilfen für Beschäftige mit Suchtproblemen ● Wiedereingliederung Therapierter ● Verhalten bei Rückfall ● Bildung eines betrieblichen Arbeitskreises „Alkohol“ 3.1 Drei Stufen zur Konfliktbearbeitung 73 ● Einsetzung, Funktion und Aufgaben von Suchtbeauftragten und Suchtkran‐ kenhelfern ● Schweigepflicht, Umgang der Vertraulichkeit ● In-Kraft-Treten und Geltungsdauer 3.1.4 Übung zur Drei-Stufen-Methode der Konfliktbearbeitung Nach der ausführlichen Darstellung der drei Stufen zur Konfliktbearbeitung an dem vielschichtigen Konfliktgeschehen zum Thema „Alkohol“ aus unserer Beratungspraxis laden wir Sie nun ein, die drei Stufen zur Konfliktbearbeitung an eigenen Fällen anzuwenden. Wählen Sie dazu bis zu drei Konflikte aus, die Sie in letzter Zeit in ihrem Arbeitsbereich erlebt haben bzw. gerade erleben. Halten Sie sich zur Konflikt‐ bearbeitung an die drei Stufen: 1. Konfliktanalyse - zur ausführlichen Beschreibung des Konfliktgeschehens orientieren Sie sich an den Leitfragen in Tab. 9, oder aber, um sich schnell einen Überblick zu verschaffen, notieren Sie zu den Konfliktfacetten Stichpunkte wie in Tab. 10. 2. Konfliktdiagnose - vergegenwärtigen Sie sich die in Abb. 10 skizzierte Vorgehensweise, um die gesammelten Fakten mit gesundem Menschen‐ verstand und psychologischem Wissen zu erklären. 3. Interventionen zur Konfliktlösung - erwägen Sie, was in personeller und organisatorischer Hinsicht zu tun ist, um den Konflikt zu lösen. Auf diese Weise können Sie Ihr Vorgehen bei der Konfliktbearbeitung vergan‐ gener Konflikte reflektieren und sich so Hinweise zum Vorgehen bei künftigen Konflikten erschließen oder aber Sie nutzen ihre Überlegungen, um gut vorbe‐ reitet einen aktuellen Konflikt zu lösen. Wenn Sie dann in ein Konfliktlösungsgespräch gehen, sollten Sie sich nicht nur auf die vorbereiteten Argumente und Lösungsvorschläge konzentrieren, sondern auch fokussieren, wie die Kommunikation verläuft. In dieser Hinsicht werden Sie von den Ausführungen zur Transaktionsanalyse profitieren. 74 3 Methodik der Konfliktlösung 3.2 Betrachtung des Konfliktgeschehens mit der Transaktionsanalyse Nach Berne sind Transaktionen als Grundeinheit aller sozialen Verbindungen zu definieren und kommen somit selbstverständlich auch in Konflikten zum Ausdruck. Ihm zufolge gilt: Begegnen zwei oder mehr Menschen einander, dann beginnt früher oder später einer von ihnen zu sprechen oder in irgendeiner Form von der Gegen‐ wart des bzw. der anderen Notiz zu nehmen. Diesen Vorgang nennt man Transaktions-Stimulus. Sagt oder tut eine von den anderen Personen etwas, was sich in irgendeiner Form darauf bezieht, bezeichnet man diesen Vorgang als Transaktions-Reaktion. Die Transaktionsanalyse liefert die Methode zur Untersuchung dieser einen Transaktion ● in der ich dir etwas tue und ● du mir wieder etwas tust. 3.2.1 Das Ich-Zustands-Modell In den Transaktionen zeigt sich, welcher Teil des vielgesichtigen Individuums zum Vorschein kommt. Dieses vielgesichtige Individuum äußert sich in drei Ich-Zuständen, die sich während des Heranwachsens eines Menschen entwi‐ ckeln, sich im Laufe seines Lebens differenzieren und/ oder verfestigen (vgl. Abb. 13: Das vielgesichtige Individuum). Abb. 13: Das vielgesichtiges Individuum Das Eltern-Ich (EL) wird von den Bezugspersonen in der Kindheit übernommen. Bezugspersonen sind zumeist zunächst einmal die Eltern, können aber auch 3.2 Betrachtung des Konfliktgeschehens mit der Transaktionsanalyse 75 Verwandte oder Pflegepersonal sein. Das Kind nimmt wahr, was seine Bezugs‐ personen sagen und tun und speichert dies dauerhaft ab - es resultiert ein angelerntes Lebenskonzept. Das kritische EL wertet, verallgemeinert, kritisiert, befiehlt, moralisiert, bestraft und belehrt. Das unterstützende EL hört zu, hat Verständnis und Geduld, hilft, beruhigt, ermutigt und tröstet. Wir befinden uns in dem einen oder anderen Eltern-Ich, wenn wir so denken, sprechen, handeln, reagieren und fühlen, wie es unsere Bezugspersonen in unserer Kindheit getan haben. Beispielsweise agiert ein Meister aus dem (über)kritischen Eltern-Ich, wenn er zu seinem Mitarbeitenden sagt: „Müssen Sie eigentlich immer nur Mist bauen? “. Er könnte sich auch entscheiden, aus dem unterstützenden Eltern-Ich heraus zu agieren: „Timo, versuch es in aller Ruhe noch einmal, du schaffst das schon! “ In beiden Fällen liefert er einen Transaktions-Stimulus. Für welche Variante er sich entscheidet, hängt einerseits davon ab, wie er es in seiner Kindheit erfahren hat. Andererseits hat er jedoch auch jederzeit die Wahl, aus einen alternativen Ich-Zustand heraus zu agieren. In Tab. 12 sind beispielhaft typische nonverbale und verbale Transaktionen aus dem Eltern-Ich aufgeführt. Transaktions-Stimuli, bzw. -Reaktionen aus dem Eltern-Ich Nonverbal Verbal • Gerunzelte Brauen • Stirnfalten • Gespitzte Lippen • Der ausgestreckte Zeigefinger • Der „entsetzte“ Augenaufschlag • Mit dem Fuß auf den Boden klopfen • Zungenschnalzen • Seufzen • Einem anderen den Kopf tätscheln • Schulterklopfen • Die Arme in die Seiten stemmen • Die Arme vor der Brust verschränken • Ich werde dafür sorgen, dass das ein für allemal aufhört • Ich kann es auf den Tod nicht leiden, dass … • Du musst immer daran denken, dass … • Du darfst nie vergessen, dass … • Wie oft habe ich Dir schon gesagt, dass … • Wenn ich Du wäre … • Eingefleischte Vorurteile: dumm, böse, unartig, lächerlich, ekelhaft, widerlich … • „Na, na! “ • „Und jetzt? “ Tab. 12: Analyse des Eltern-Ich Wenden wir uns nun dem Kindheits-Ich (K) zu, welches im Kleinkindalter durch gefühlsmäßige Reaktionen auf äußere Reize und Empfindungen (= Transaktionen aus dem Eltern-Ich) entsteht und als gefühltes Lebenskonzept aufgezeichnet wird. Alle Ausprägungen des Kindheits-Ichs treten auf, differen‐ zieren und/ oder verfestigen sich im weiteren Leben. Das natürliche Kindheits-Ich äußert sich spontan, impulsiv, direkt, egozentrisch, rebellisch und aggressiv, 76 3 Methodik der Konfliktlösung z. B., wenn ein Mitarbeitender fröhlich vor sich hersummend und mit dem Finger schnipsend über den Betriebshof geht. Das rebellische Kindheits-Ich äußert sich extrem trotzig, wenn beispielsweise ein Mitarbeitender zu seinem Vorgesetzten, der ihm gerade eine Aufgabe übertragen hat, murrt: „Wieso immer ich? Eigentlich sehe ich das gar nicht ein. Das könnte doch auch einmal der Kollege Schmitz übernehmen.“ Demgegenüber gibt ein Mitarbeitender im angepasste(n) Kindheits-Ich nach, verzichtet, traut sich nicht, hat Angst und lächelt unterwürfig, wenn die gleiche Aufgabe an ihn übertragen wird: „Selbstverständlich. Sehr gerne! “ Der kleine Prof. ist schlau, pfiffig, listig, kreativ und manipuliert. Beispiele für nonverbale und verbale Transaktions-Stimuli und/ oder -Reaktionen aus dem Kindheits-Ich sind in Tab. 13 gelistet. Transaktions-Stimuli, bzw. -Reaktionen aus dem Kindheits-Ich Nonverbal Verbal • Tränen • Zitternde Lippen • Schmollen • Wutanfälle • Hohe weinerliche Stimme • Rollende Augen • Niedergeschlagene Augen • Achselzucken • Betteln • Entzücken • Lachen • Die Hand heben, wenn man etwas sagen möchte • Nägelkauen • Grimassen schneiden • Kichern und glucksen • Ich will • Ich wünsche mir • Ich möchte • Weiß ich doch nicht! • Ich tu jetzt … • Mir doch egal! • Ich denk mir … • Wenn ich groß bin … größer … am größten Tab. 13: Analyse des Kindheits-Ich Beim Erwachsenen-Ich (ER) handelt es sich um eine ständig aktualisierte Daten‐ bank, die in etwa ab dem zehnten Lebensmonat Entscheidungen nach Wahr‐ scheinlichkeit trifft. Es wird geprüft, ob die von den Bezugspersonen zunächst noch ungeprüft übernommenen Normen, Gesetze oder Regeln so stimmen und inwieweit die gefühlsmäßige Reaktion darauf denn auch noch angemessen ist. Transaktions-Stimuli oder -Reaktionen aus dem Erwachsenen-Ich heraus sind dann sachbezogen, anpassungsfähig, intelligent und realitätsbezogen. Es werden Fragen gestellt. Es wird beobachtet, wertfrei formuliert und abgewogen differenziert. Typische Äußerungen von Vorgesetzten zu Mitarbeitenden sind: „Herr Schmitz, die Unfallstatistik in ihrer Abteilung weist folgende Zahlen 3.2 Betrachtung des Konfliktgeschehens mit der Transaktionsanalyse 77 aus“ oder „Wie viel Zeit veranschlagen Sie für …? “ Wer in einer Teamsitzung vorschlägt, „Ich erkenne im Moment verschiedene Dinge, die zu tun sind. Was halten Sie davon, diese gemeinsam zu listen und festzulegen, wer was übernimmt“, agiert ebenfalls aus dem Erwachsenen-Ich. Tab. 14 listet nonver‐ bale und verbale Beispiele für Transaktions-Stimuli oder -Reaktionen aus dem Erwachsenen-Ich auf. Transaktions-Stimuli, bzw. -Reaktionen aus dem Erwachsenen-Ich Nonverbal Verbal • Offenes Gesicht • Dem Partner zugewendet • Aktives Zuhören wird angewendet • W-Fragen • Einschätzungen wie: verhältnismäßig, richtig, wahr, verkehrt, falsch • Relativierungen wie: ich denke, ich glaube, wahrscheinlich, möglich, un‐ bekannt, objektiv, ich finde, ich meine Tab. 14: Analyse des Erwachsenen-Ich Mit der Übung zu den Ich-Zuständen in Tab. 15 gebe ich Ihnen die Möglichkeit, vorgegebene Aussagen den drei Ich-Zuständen zuzuordnen. Beim Eltern-Ich (EL) notieren Sie bitte ein „k“ für kritisches EL oder ein „w“ für wohlwollendes EL in die vorgesehene Spalte. In die für das Kindheits-Ich (K) vorgesehene Spalte tragen Sie bitte ein „n“ für natürliches K, ein „a“ für angepasstes K, ein „r“ für rebellisches Kind, ein „P“ für den kleinen Prof. ein. Nutzen Sie für die Zuordnung die obigen Ausführungen und auch die Angaben in den Tabellen 12, 13 und 14. Sie werden, wie vor Ihnen schon viele Teilnehmende, denen wir in ähnlicher Weise in unseren Konfliktmanagementseminaren die Transaktionsanalyse nähergebracht haben, feststellen, dass die Zuordnung zu den Ich-Zuständen keine besondere Schwierigkeit darstellt. Aussage EL ER K 1. Wie wollen wir das lösen? - - - 2. Ich mag diese Übung nicht! - - - 3. Sind Sie taub? Ich habe doch gesagt, wie sie das machen sollen. - - - 4. Das ist doch lächerlich! Sie dürfen nicht gleich verzweifeln. - - - 5. Dabei habe ich immer so gut aufgepasst. - - - 78 3 Methodik der Konfliktlösung Aussage EL ER K 6. Und das meinen Sie also ernst? - - - 7. Merk Dir, mein Lieber, die Bäume wachsen nicht in den Himmel! - - - 8. Wahrscheinlich ist es zu spät zum Handeln. - - - 9. Lass mich in Ruhe! - - - 10. Mehr können wir nicht schaffen, was meinen Sie? - - - Tab. 15: Übung zu den Ich-Zuständen Wir stimmen überein, wenn Sie wie folgt die Zuordnung vorgenommen haben: 1. ER; 2. n/ rK; 3. kEL; 4. wEL; 5. aK; 6. kEL; 7. wEL; 8. ER; 9. n/ rK, 10. ER Den Vorgaben der Transaktionsanalyse folgend, können wir nicht nur sprach‐ liche und körpersprachliche Äußerungen den Ich-Zuständen zuordnen, sondern wir können uns auch frei entscheiden, welchen Ich-Zustand wir besetzen möchten, um eine Transaktion einzuleiten bzw. auf eine solche zu reagieren. Da jeder Ich-Zustand Vor- und Nachteile hat und es auch keinen guten oder schlechten Ich-Zustand gibt, sollten wir stets jeden Ich-Zustand zur freien Verfügung haben, um erfolgreich zu kommunizieren. Von daher sollten Sie für sich überprüfen, ob Sie insbesondere in Konflikt-Situationen über alle Ich-Zustände frei verfügen können. Wenn nicht, sollten Sie daran arbeiten und mit unterschiedlichen Möglichkeiten in sensu jonglieren, bevor Sie eine Kon‐ fliktsituation angehen, um sich dort dann angemessen zu verhalten. Setzen Sie bewusst den Ich-Zustand ein, von dem Sie sich den meisten Erfolg versprechen, auch wenn es anfänglich gestelzt und aufgesetzt wirken kann. 3.2.2 Die Transaktionen Nachdem wir bislang Ich-Zustände definiert und dazugehörende einzelne Transaktions-Stimuli und -Reaktionen identifiziert haben, wenden wir uns nun der eigentlichen Transaktionsanalyse zu, welche den Umgang von min‐ destens zwei Menschen miteinander unter die Lupe nimmt und betrachtet, aus welchem Ich-Zustand eine Person einen Transaktions-Stimulus liefert, auf den die andere Personen mit einer Transaktions-Reaktion entweder aus dem gleichen oder einem anderen Ich-Zustand antwortet. Erfolgt die Antwort aus dem gleichen Ich-Zustand sprechen wir von einer parallelen Transaktion, erfolgt die Reaktion aus einem anderen Ich-Zustand sprechen wir von einer gekreuzten 3.2 Betrachtung des Konfliktgeschehens mit der Transaktionsanalyse 79 Transaktion. Einen Sonderfall stellt die verdeckte Transaktion dar. Die Adjektive parallel, gekreuzt und verdeckt leiten sich aus der in der Transaktionsanalyse üblichen graphischen Darstellungsform der Transaktionen ab. Pfeile zeigen an, aus welchem Ich-Zustand zwischen zwei gegenüber gestellten Formationen von drei untereinander angeordneten Kreisen für die Ich-Zustände Eltern-Ich (EL), Erwachsenen-Ich (ER) und Kindheits-Ich (K) Transaktions-Stimuli und -Reaktionen erfolgen. Bei parallelen Transaktionen zwischen den Erwachsenen-Ichs (ER) zweier Kollegen, wie in Abb. 14 beispielhaft gezeigt, findet echter Austausch statt, ratio‐ nale Einschätzungen und fundierte Meinungen werden geteilt, Informationen ausgetauscht und Probleme gelöst. Das Gespräch bleibt komplikationslos auf der sachlichen Ebene. Abb. 14: Parallele Transaktionen zwischen zwei ER Sowohl in der vorangegangen als auch in der in Abb. 15 dargestellten parallelen Transaktion zwischen den beiden Eltern-Ichs (EL) von zwei dienstalten Ausbil‐ dern einer überbetrieblichen Ausbildungsstätte des Bauhandwerks lässt sich entnehmen, dass komplementäre Transaktionen zwischen zwei gleichen, hori‐ zontal gegenüber gestellten Ich-Zuständen von beiden Gesprächspartnern nicht nur als angenehm und befriedigend erlebt werden, sondern auch unendlich weitergeführt werden könnten. 80 3 Methodik der Konfliktlösung Abb. 15: Parallele Transaktion zwischen zwei EL Die wohl angenehmste und befriedigendste Kommunikation entdecken wir in Abb. 16, wo zwei Techniker der Stadtwerke unter einem Zelt in einem Erdloch tätig sind und eine Transaktion zwischen zwei Kindheits-Ichs sie zum Tagträumen einlädt. Dort, wo sich, wie in unserem Beispiel, das natürliche Kind beider Protagonisten ungehindert äußert, wird sich äußerst harmonisch miteinander ausgetauscht. Abb. 16: Parallele Transaktion zwischen zwei K 3.2 Betrachtung des Konfliktgeschehens mit der Transaktionsanalyse 81 Beim nächsten Beispiel einer parallelen Transaktion handelt es sich insofern um eine verschobene, als ein Mitarbeitender seinen Kollegen gerne zu einer Eltern-Ich-Transaktion einladen möchte, dieser jedoch aus seinem Kindheits-Ich reagiert (vgl. Abb. 17). Solche Transaktionen sind zwar noch weitgehend konfliktfrei. Da jedoch das Gefühl mitschwingt, dass hier aneinander vorbeige‐ redet wird, besteht die Gefahr, dass sich ein Annäherungs-Vermeidens-Konflikt entwickelt: „Einerseits sollte ich den Kollegen schon zu verstehen geben, dass er mir ausweicht, andererseits möchte ich mein Verhältnis zu ihm nicht dadurch belasten, dass ich nachfasse und ihn zu sehr bedränge, Flagge zu zeigen.“ Abb. 17: Parallele Transaktion - verschoben: S auf EL-, R auf K-Ebene Das letzte, hier dargestellte Beispiel einer parallelen Transaktion in Abb. 18 findet diagonal zwischen dem kritischen Eltern-Ich einer Führungskraft und dem angepassten Kindheits-Ich eines Mitarbeitenden statt. Allerdings verläuft diese komplementäre Transaktion insofern asymmetrisch, als sich hier ein Beziehungs- und Machtgefälle andeutet. 82 3 Methodik der Konfliktlösung Abb. 18: Verlauf einer parallelen diagonalen Transaktion Auch wenn die Kommunikation in diesem Beispiel wohl kaum so harmonisch verläuft, wie in unserem Beispiel in Abb. 16, wo die beiden Techniker von einem Motorrad-Ausflug träumen, gilt auch hier, wie bei allen anderen parallelen Transaktionen im Modell der Transaktionsanalyse (TA) die 1. TA-Kommunikationsregel: Parallele Transaktionen können unendlich weitergehen Dies ist bei gekreuzten Transaktionen anders. Hier gilt die 2. TA-Kommunikationsregel: Nach einer gekreuzten Transaktion bricht die Kommunikation vorübergehend zusammen Wie aus unserem Beispiel in Abb. 19, in dem eine gekreuzte Transaktion zwischen einem Mitarbeitenden und seinem Vorgesetzten dargestellt wird, sind gekreuzte Transaktionen als typisch für konflikthafte Kommunikationen und/ oder sogar für gestörte zwischenmenschliche Beziehungen zu betrachten. 3.2 Betrachtung des Konfliktgeschehens mit der Transaktionsanalyse 83 Abb. 19: Gekreuzte Transaktion Den gekreuzten Transaktionen ähnlich sind angulare oder Dreiecks-Transak‐ tionen, die zumeist bei Missverständnissen oder wie in unserem Beispiel in Abb. 20 bei versteckten Angriffen auftreten. Abb. 20: Anguläre Transaktion Verdeckte Transaktionen zeigen sich in Situationen, in denen auf der sozialen Ebene ein Gespräch anscheinend ganz vernünftig verläuft, während auf der psychologischen Ebene nonverbale, nicht direkt ausgesprochene zusätzliche Informationen ausgetauscht werden. In unserem Beispiel in Abb. 21 sind die verdeckten Transaktionen durch gestrichelte Pfeile gekennzeichnet. 84 3 Methodik der Konfliktlösung Abb. 21: Verdeckte Transaktion Die verdeckten Transaktionen (S2 und R2) erschließen sich mittelbar, wenn zu der vordergründigen Transaktion auf Erwachsenen-Ich-Ebene fokussiert wird, auf welche Weise sowohl der Transaktions-Stimulus (S1) als auch die Transaktions-Reaktion (R2) geäußert werden. So stellt die Führungskraft ihre Frage mit einem gedehnten Unterton und blickt dabei an den Mitarbeitenden vorbei mit einer hinweisenden Kopfbewegung und verschränkten Armen in Richtung Vorrichtungsbau. Vor seiner Antwort rollt der Mitarbeitende kaum merklich mit den Augen, schnaubt leicht und ballt seine Fäuste, während er spricht. Somit zeigt sich in unserem Beispiel neben der offenkundigen sozialen Ebene eine verdeckte, auf der zusätzlich noch etwas mitschwingt - die psychologische Ebene. Für verdeckte Transaktionen gilt die 3. TA-Kommunikationsregel: Verdeckte Transaktionen werden auf der verdeckten Ebene entschieden Damit befindet sich das Modell der Transaktionsanalyse nicht nur in bester Gesellschaft mit dem bereits unter Punkt 2.2.4 dargestellten Modell nach Schulz von Thun „Die vier Seiten einer Botschaft“, sondern auch mit dem Eisbergmodell nach Watzlawik (vgl. Abb. 22). 3.2 Betrachtung des Konfliktgeschehens mit der Transaktionsanalyse 85 Abb. 22: Das Eisberg-Modell Dem Eisbergmodell zufolge steckt in jeder inhaltlichen Mitteilung von Zahlen, Daten und Fakten ein soziales Beziehungsangebot, in dem sich Wertvorstel‐ lungen, Gefühle, Instinkte, Erfahrungen und Interpretationen verstecken. Wird nicht authentisch kommuniziert und werden, wie in unserem Beispiel, immer wieder verdeckte Transaktionen ausgeführt, so wird auf der Beziehungsebene geklärt: „So stehen wir zueinander! “ Dementsprechend wird sich das Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden in Sinne einer self-fulfilling pro‐ phecy dahingehend entwickeln, dass die Führungskraft von ihrem Mitarbei‐ tenden annimmt, dass er ohne zusätzlichen Druck seine Termine nicht einhalten kann, während der Mitarbeitende sich trotz bester Bemühungen nicht wertge‐ schätzt fühlt, was sich dann in den verdeckten Transaktionen niederschlägt. Es resultiert ein langfristiger zwischenmenschlicher Konflikt, der in einem Teufelskreis mündet (vgl. hierzu die Ausführungen zu Abb. 1 unter Punkt 2.2) und nicht nur das Verhältnis der beiden belastet, sondern auch zu ständigen Reibungsverlusten führt. 3.2.3 Transfer der Transaktionsanalyse auf die betriebliche Praxis in der Technik Aus der Weiterführung der bisherigen Ausführungen zur Transaktionsanalyse resultieren zusammenfassend einige wichtige Hinweise und praktische Tipps für das Konfliktgeschehen nicht nur, wohl aber auch in der Technik: 86 3 Methodik der Konfliktlösung ● Transaktionen sind wertneutral zu betrachten. Jede Transaktion hat po‐ sitive und negative Aspekte. Es gibt weder gute noch schlechte Transak‐ tionen, wohl aber situationsangemessene, kommunikationsfördernde und hilfreiche. Lernen Sie daher, mit den Ich-Zuständen zu jonglieren. Zur Übung könnten Sie sich vergangene Konfliktsituationen in Erinnerung rufen und die Transaktionsanalyse nutzen, um das Konfliktgeschehen zu beschreiben. Hilfreich ist auch, sich für Transaktionen zu sensibilisieren, indem Sie diagnostizieren, welche verschiedenen Transaktions-Arten sich beispielsweise in den Dialogen der einen oder anderen TV-Serie immer wieder zeigen. ● Der Wechsel der Ich-Zustände während einer Kommunikation ist durchaus normal, selbst wenn darin verdeckte Transaktionen ausgetauscht werden. Lassen Sie sich dadurch nicht beirren, sondern streben Sie möglichst rasch problemlösungsorientiere Transaktionen auf Erwachsenen-Ich-Ebene an. Hier dürfte es hilfreich sein, gekreuzte Transaktionen aus dem Erwach‐ senen-Ich mit W-Fragen zu bilden, also solche Fragen, die mit Fragefür‐ worten eingeleitet werden, die allesamt mit einem „W“ beginnen, wie „wie“, „weshalb“ oder „warum“, z. B.: „Wie haben Sie es denn bisher gemacht? “ oder „Wie wollen wir vorgehen? Was schlagen Sie vor? “. Der dadurch bedingte kurzzeitige Zusammenbruch der Kommunikation nach diesem Transaktions-Stimulus sollte dabei in Kauf genommen werden, weil in der Regel nach einer gewissen Pause eine parallele Transaktions-Reaktion von Erwachsenen-Ich zu Erwachsenen-Ich erfolgt. ● Alles in allem geht es vor allem darum, in kritischen Situationen flexibler agieren oder reagieren zu können. Das kann zugegebenermaßen durchaus das eine oder andere Mal unbequem sein. Aber Sie haben nur dann eine Chance, andere dahingehend zu überzeugen, dass sie in Ihrem Sinne handeln, wenn Sie selbst sich bewegen. Schließlich ist dem Gesetz von Aktion und Reaktion entsprechend die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie eine veränderte Reaktion des anderen erhalten, nachdem Sie ihr eigenes Verhalten geändert haben. Möglicherweise nicht gleich beim ersten Mal oder sofort. Und vielleicht ist es auch geboten, dass Sie Ihr Verhalten noch einmal verändern und aus einem anderen Ich-Zustand heraus agieren. ● Parallele Transaktionen anzustreben, dürfte in vielen Fällen Sinn machen, auf Dauer können sie aber auch langweilig sein. Wie dem auch sei, sie verlaufen zumeist weitgehend konfliktfrei. ● Werden gekreuzte Transaktionen bewusst und angemessen, also kon‐ struktiv eingesetzt, sind sie durchaus als nützlich zu betrachten. Sie bein‐ halten aber auch Konfliktpotenzial. 3.2 Betrachtung des Konfliktgeschehens mit der Transaktionsanalyse 87 ● Verdeckte Transaktionen können dann durchaus sinnvoll und kommunika‐ tionsfördernd sein, wenn auf der verdeckten Ebene Sympathie mitschwingt, z. B.: „Ich arbeite gerne mit Ihnen zusammen.“ Sie sind tunlichst zu ver‐ meiden, wenn auf der verdeckten Ebene Ärger oder Kritik mitschwingen. Stattdessen sollte Ärger in Form einer Ich-Botschaft und Kritik offen und direkt, in angemessener Form geäußert werden. So werden Beziehungen offen geklärt. ● Der allzu häufige Einsatz des kritischen Eltern-Ichs sollte tunlichst ver‐ mieden werden, da der andere sich dadurch in eine Kindrolle gedrängt fühlt und entweder aus dem rebellischen Kind-Ich reagiert oder aber seinerseits aus dem kritischen Eltern-Ich „zurückschießt“. Wer selbst Opfer eines kritischen Eltern-Ichs wird, sollte am besten aus dem Erwachsenen-Ich kreuzen. Voraussetzung für die Umsetzung all dieser Hinweise vor dem Hintergrund des Konfliktgeschehens in der Technik ist die Bereitschaft, sich situationsgerecht dafür zu entscheiden, von der Möglichkeit zum freien Einsatz und/ oder Wechsel der Ich-Zustände Gebrauch zu machen. Dass dies durchaus erfolgversprechend sein kann, sei an einem Konflikt aufgezeigt, den ein noch nicht sehr erfahrener Jungingenieur in einem unserer Konfliktmanagement-Seminare eingebracht hat. Vordergründig geht es in dem Konflikt um den Einsatz einer alternativen Software. Der Jungingenieur ist von der Bereichsleitung beauftragt worden, diese in einem Projekt, das von einem älteren, erfahrenen Kollegen geleitet wird, einzusetzen. Zum Leidwesen des Jungingenieurs zeigt sich dieser alles andere als kooperativ. Der Konflikt ist im Seminar mit der bereits unter Punkt 3.1 dargestellten 3-Stufen-Methode „Beschreibung, Diagnose, Intervention“ bearbeitet worden. In Tab. 16 sind die Stichpunkte zur Konfliktbeschreibung so wiedergegeben, wie sie von dem Jungingenieur auf einem Flip-Chart notiert worden sind. Aspekte zur Konfliktanalyse Stichpunkte zum älteren Kollegen Informationen zur Person und Situation Etwa 50 Jahre alt, berufserfahren, insbe‐ sondere im Hinblick auf die Abwicklung von „kleineren“ Baustellen. Zeitbezug Seit ungefähr fünfzehn Jahren in der Firma. Beklagt sich seit geraumer Zeit bei seinen Arbeitskollegen über seine Ar‐ beit. Hat an allem etwas auszusetzen, hält sich für schlecht bezahlt, klagt über seine Arbeitsfülle und die mangelnde Anerken‐ 88 3 Methodik der Konfliktlösung Aspekte zur Konfliktanalyse Stichpunkte zum älteren Kollegen nung, die ihm seitens der Bereichsleitung entgegengebracht wird. Verhalten Unzufrieden mit seiner derzeitigen Tätig‐ keit, die er routiniert und wenig engagiert ausführt, langweilt sich offensichtlich, hat bereits mehrfach den Wunsch geäußert, in größeren Bauprojekten mehr Verantwor‐ tung übernehmen zu wollen (was ihm die Bereichsleitung jedoch nicht zutraut, auch seine Kollegen habe da ihre Zweifel). Sach- oder Beziehungsproblem Beziehungskonflikt Gruppenstrukturen und -verhältnisse Im Kollegenkreis eher ein Außenseiter, der so vor sich hinwurstelt und seine Kol‐ legen mit seiner Unzufriedenheit nervt. Kommunikation Renitent und verständnislos für das An‐ liegen des Jungingenieurs, blockt, gibt an, von nichts zu wissen, Bereichsleitung hält sich bislang raus, schlichtet auch nicht, als ein Gespräch lautstark eskaliert. Privat Verheiratet, zwei Kinder, die auswärts stu‐ dieren. Nach ihrem beruflichen Wieder‐ einstieg, ist seine Frau kürzlich zur As‐ sistentin der Geschäftsführung befördert worden. Tab. 16: Beschreibung des Konflikts zum Thema „Alternative Software“ Gemäß den Ausführungen zur Abb. 10 unter Punkt 3.1.2 werden die in der obigen Konfliktbeschreibung dargelegten Informationen mit gesundem Men‐ schenverstand und psychologischem Wissen in der Konfliktdiagnose unter‐ sucht, um zu klären, warum der ältere Kollege sich wohl so verhält. Es zeigt sich, dass ihm seine Tätigkeit nicht befriedigt, er sich zunehmend langweilt und den Bezug zu seiner Arbeit verliert. Seine Tätigkeit macht ihm keinen Spaß mehr. Er will höherwertige Tätigkeiten ausführen, die ihm jedoch verwehrt werden, was ihn alles andere als befriedigt (= unbefriedigtes Motiv). Frustriert reagiert er mit dem Abwehrmechanismus „Widerstand“, um sein Selbstwertgefühl zu schützen. Er hat an allem etwas auszusetzen und nervt damit sein berufliches Umfeld. Im Laufe der Zeit verschärft sich der Konflikt noch, da Zustimmung, Unterstützung und Anerkennung aus dem beruflichen Umfeld ausbleiben und damit einhergehende Motive unbefriedigt bleiben. Er wird zusehends zum Au‐ ßenseiter und reagiert zum Schutz seines Selbstwertgefühls nun auch mit dem 3.2 Betrachtung des Konfliktgeschehens mit der Transaktionsanalyse 89 Abwehrmechanismus „Resignation“, sprich: Desinteresse. Die Konfliktsituation eskaliert als der Jungingenieur ihn auf Geheiß der Bereichsleitung wiederholt auffordert, eine alternative Software in seinem Projekt einzusetzen. Zur Konfliktintervention ist im Seminar vorgeschlagen worden, die Bereichs‐ leitung um Unterstützung zu bitten. Sie solle zunächst mit dem Kollegen in einem offenen Gespräch über seine offenen Bedürfnisse sprechen und gemeinsam mit ihm analysieren, ob bzw. inwieweit und unter welchen Be‐ dingungen seinem Wunsch nach einer verantwortungsvolleren Tätigkeit mit entsprechender höherer Honorierung entsprochen werden kann. Im Hinblick auf den Einsatz der alternativen Software sollte zudem erwogen werden, dem Kollegen eine Schulung anzubieten, wenn sich im Gesprächsverlauf herausstellt, dass „Angst vor Neuem“ mitschwingt. Genau genommen würde der Jungingenieur damit den Konflikt jedoch nicht selbst lösen, sondern nur verschieben. Erst durch die Betrachtung des Konflikt‐ geschehens mit der Transaktionsanalyse erschließt sich ihm eine Alternative zur Konfliktverschiebung. Hierzu werden zunächst die für die Kommunikation in der Konfliktsituation aufgetretenen Transaktionen zwischen Jungingenieur und älterem Kollegen dargestellt (vgl. Abb. 23). Abb. 23: Typische Transaktionen im Konflikt „Alternative Software“ Die Darstellung der verdeckten Transaktionen resultiert aus den Schilderungen des Jungingenieurs über die nonverbale Begleitung des Austauschs auf der sozialen Ebene. Unumwunden gibt er zu, durchaus ungehalten auf seinen älteren Kollegen zugegangen zu sein, was ja wohl auch verständlich sei, denn man habe ihm vorher zugetragen, dass sein älterer Kollege sich im Kollegenkreis 90 3 Methodik der Konfliktlösung insofern abfällig über ihn geäußert habe, als er nun auch noch zu allem Überfluss mit einem Jungingenieur arbeiten müsse, dem es an Kompetenz fehle. Vor der Antwort auf die Frage des Jungingenieurs seufzt der ältere Kollege und beginnt bereits während des Sprechens, den Blick abzuwenden und seine Zeichnungen auf dem Schreibtisch zu sortieren. Hierin zeigt sich deutlich, dass er die verdeckte Transaktion des Jungingenieurs von EL zu K, wie in Abb. 23 dargestellt, auf gleiche Weise verdeckt kreuzt. Selbst mit dem Abstand zu der Situation ist dem Jungingenieur noch seine Empörung anzumerken, als er weiter ausführt, dass er sich „von dem Gehabe“ des älteren Kollegen provoziert gefühlt habe und daraufhin vehement und „durchaus auch etwas lauter“ von ihm gefordert habe, endlich die alternative Software einzusetzen. Auf die Ermahnung des Jungingenieurs reagiert der ältere Kollege mit einer Belehrung, indem er mit ebenfalls angehobener Lautstärke erklärt, dass der Jungingenieuer ihm gar nichts zu sagen habe und sich gefälligst gedulden solle. Somit zeigt sich, dass sich die zu Beginn noch verdeckten Transaktionen von EL auf K zwischen beiden Kontrahenten nunmehr offen kreuzen. Bevor es zu einer weiteren Konflikteskalation kommt, entscheidet sich der Jungingenieur dafür, Stand jetzt, erst einmal nachzugeben und das Gespräch vorläufig an dieser Stelle abzubrechen. Unter Verweis auf die weiter oben gelisteten Hinweise zum Transfer der Transaktionsanalyse auf betriebliches Konfliktgeschehen sei an dieser Stelle insbesondere das Gesetz von Aktion und Reaktion hervorgehoben, wonach die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sich eine veränderte Reaktion des anderen zeigt, nachdem das eigene Verhalten geändert wird. Da jeder Ich-Zustand frei wählbar ist, sollte der Jungingenieur demzufolge erwägen, alternativ dazu, die Bereichsleitung um eine Konfliktvermittlung zu bitten, dem älteren Kollegen in einem neuen Gesprächsanlauf aus einem anderen Ich-Zustand als dem bis‐ herigen verdeckten, später sogar offenen kritischem Eltern-Ich zu begegnen. Es ist davon auszugehen, dass der ältere Kollege sein Eltern-Ich stark besetzt, was sich auch darin zeigt, dass er, von seinem Leistungsvermögen absolut überzeugt, eine Würdigung seiner hohen Kompetenz und langjährigen Erfahrung durch eine ihm angemessenere und verantwortungsvollere Tätigkeit bei besserer Bezahlung anstrebt. Um seinem Bedürfnis nach Anerkennung Rechnung zu tragen, empfiehlt es sich, in einem ersten Schritt, wie in Abb. 24 skizziert, sein Eltern-Ich aus dem Kindheits-Ich anzusprechen. 3.2 Betrachtung des Konfliktgeschehens mit der Transaktionsanalyse 91 Abb. 24: Ansprache aus dem Kindheits-Ich im Konflikt „Alternative Software“ Mit diesem Vorgehen wird auch dem Eisberg-Modell (vgl. Abb. 22) entsprochen, wonach erst die Beziehungsebene zu klären ist, bevor das Problem auf der Sachebene gelöst werden kann. Der Erfolg der Ansprache aus dem Kindheits-Ich steht und fällt damit, wie authentisch und glaubwürdig diese erfolgt. Hilfreich dabei ist es, wenn sich die Anerkennung, wie im Beispiel dargestellt, an einem konkreten Verhalten des Gelobten festmacht. Erst wenn der Gelobte signalisiert, dass er die Anerkennung annimmt und sich wohlwollend aus dem Eltern-Ich zur Unterstützung bereit erklärt, erfolgt im zweiten Schritt der Wechsel von der diagonalen, parallelen und öffnenden K-EL-Ebene zur parallelen und problem‐ lösenden ER-ER-Ebene, wie in Abb. 24 durch die Strich-Punkt-Linie angedeutet. Als der Jungingenieur den Erfolg eines derartigen Ich-Zustands-Wechsels in Zweifel zieht, melden sich zwei seiner Seminarkolleg: innen zu Wort. Ein etwa vierzigjähriger, im Tiefbau tätiger Bauleiter gibt an: „Mir ist bei Leibe nicht bewusst gewesen, dass sich das so erklären lässt, aber genauso gehe ich vor, wenn ich meine gestandenen Baggerführer anspreche, damit sie die eine oder andere Überstunde dranhängen, um die Tiefbauarbeiten noch ein wenig weiter voranzutreiben. Das sind alles kernige Typen, die sich zumeist im Eltern-Ich aufhalten und ‚wissen, wie der Hase läuft‘. Sie wollen einfach um Unterstützung gebeten werden, und - bitte verstehen Sie mich nicht falsch - wenn ich den Baggerführern, salopp gesprochen, genau diesen Gefallen tue, und ihnen erkläre, dass ich ein Problem habe, wobei ich ihre Unterstützung brauche. Zumeist erfolgt dann in etwa so eine Antwort wie: ‚Womit kann ich Dir 92 3 Methodik der Konfliktlösung denn helfen? ‘ Manchmal glaube ich sogar wahrzunehmen, dass ‚minge Jong‘ mitschwingt.“ Eine im Hochbau tätige Bauleiterin, um die dreißig Jahre alt, ergänzt: „Auch mir ist diese 2-Schritt-Methode bislang so nicht bekannt gewesen, aber ich verhalte mich genauso, wenn ich es mit dienstalten Polieren zu tun habe. Sie können mir glauben, dass mir eine direkte Kommunikation auf Erwach‐ senen-Ich-Ebene lieber ist, aber ich breche mir auch keinen Zacken aus der Krone, wenn ich das anwende, was ich selbst für mich die ‚Nette, unerfahrene, junge Frau braucht Hilfe - Methode‘ genannt habe. Und bislang hatte ich immer Erfolg, wenn ich so vorgegangen bin, also, wie ich jetzt gelernt habe, aus dem Kindheits-Ich das Eltern-Ich des Poliers ‚geknackt‘ habe, um dann das Problem auf Erwachsenen-Ich-Ebene zu lösen.“ Ob der Jungingenieur aufgrund der bekräftigenden Wortbeiträge seiner Seminarkolleg: innen seine zweifelnde Haltung aufgibt und einen Ich-Zu‐ stands-Wechsel im nächsten Gesprächsanlauf vollzieht, dürfte auch damit zusammenhängen, wodurch sein Umgang mit Konflikten bislang beeinflusst worden ist. 3.2.4 Einflussfaktoren auf den Umgang mit Konflikten Abb. 25 zeigt ein Schema zum Umgang mit Konflikten. Demzufolge wird die Einstellung zu Konflikten von den Erfolgen bei der Konfliktbewältigung beeinflusst, die wiederum in Zusammenhang mit der Konfliktwahrnehmung, den durch den Konflikt ausgelösten Gefühlen und Verhaltensweisen stehen. Abb. 25: Umgang mit Konflikten Nach Deutsch lassen sich im Hinblick auf die Einstellungen zu anderen Men‐ schen wie in Tab. 17 aufgeführt, drei grundlegende Orientierungen unter‐ scheiden. 3.2 Betrachtung des Konfliktgeschehens mit der Transaktionsanalyse 93 kooperativ individualistisch konkurrierend Die Beziehung zu anderen so gestalten wollen, dass … alle Beteiligten davon pro‐ fitieren die eigene Unabhängigkeit gewahrt bleibt vor allem der eigene Nutzen herausspringt • Ziele werden von allen geteilt • Probleme gehen alle an • Gleichgewicht statt Überlegenheit • Gerechtes teilen statt egoistisches Übervor‐ teilen • Sich wechselseitig för‐ dern statt sich gegen‐ seitig behindern • Weder anderen noch der Beziehung Wert bei‐ messen • Es interessiert nur, was der persönlichen Zieler‐ reichung dient • Auf andere wenig oder gar nicht setzen • Eigenen Vorteil ggf. auf Kosten anderer oder der Beziehung wahr‐ nehmen • Eigene Ziele auf Kosten anderer verfolgen • Andere grundsätzlich als Gegner der eigenen Ziele bekämpfen • Abstand zu anderen zu vergrößern trachten • Andere nach Kräften hindern, ihre Ziele zu erreichen Tab. 17: Einstellungen zu anderen Kommen wir noch einmal auf unser Beispiel zum Thema „Alternative Soft‐ ware“ aus Punkt 3.2.3 zurück, so dürfte eine individualistische Einstellung von unserem Jungingenieur auf Dauer nicht durchgehalten werden können. Schließlich benötigt er die fachliche Unterstützung des älteren Kollegen. Er müsste also zu einer konkurrierenden oder kooperativen Einstellung wechseln. Bei einem Wechsel zu einer konkurrierenden Einstellung würde er ein partner‐ schaftliches Miteinander untergraben und stattdessen ein Freund/ Feindbzw. Gewinner/ Verlierer-Denken in die Beziehung zum älteren Kollegen einführen. In diesem Fall dürfte er sich dafür entscheiden, die Bereichsleitung um Unter‐ stützung zu bitten, wenn er sich davon Vorteile für einen möglichen „Sieg“ erhoffte. Allerdings eröffnet nur die kooperative Einstellung die Chance, den Konflikt konstruktiv zu bewältigen. Hier wäre dann zunächst ein weiterer Gesprächsanlauf mit einem Ich-Zustands-Wechsel anstrebenswert, bevor bei weiteren gescheiterten Versuchen dann möglicherweise doch noch als zusätz‐ liche Option die Bereichsleitung um Vermittlung gebeten werden muss. Ob sich ein Ich-Zustands-Wechsel wie in unserem Beispielsfall überhaupt erschließt, hängt entscheidend von der Wahrnehmung aller Facetten des Kon‐ fliktgeschehens ab. Da bei der Entstehung von Differenzen und Konflikten Wahrnehmungsvorgänge eine bedeutsame Rolle spielen, sollten wir uns be‐ wusst mit ihnen auseinandersetzen. Anregungen hierzu erhalten wir, wenn wir Darstellungen aus der Gestalt-Theorie auf die Konfliktthematik transferieren. So zeigt Abb. 26 eine unmögliche Figur, die nur auf dem Papier irgendwie passt, 94 3 Methodik der Konfliktlösung nicht jedoch, wenn sie dreidimensional in die Wirklichkeit übertragen werden soll. Abb. 26: Unmögliche Figur Dass eine einseitige Betrachtungsweise nicht nur zur Konfliktentstehung, son‐ dern auch zu seiner Verfestigung beitragen kann, lässt sich an unserem obigen Beispiel aufzeigen, in dem der ältere Kollege von vielen anderen in seinem beruflichen Umfeld als jemand wahrgenommen wird, „der unzufrieden vor sich hinwurstelt und sich durch sein miesepetriges Geschwätz selbst in eine Außen‐ seiterposition bugsiert hat“. Im Zitat spiegelt sich die weitverbreitete Neigung, das Verhalten anderer als Ausdruck ihrer Persönlichkeit wahrzunehmen, ohne die Umstände zu berücksichtigen, in dem es eigebunden ist. Dass hinter dem Verhalten des älteren Kollegen unbefriedigte Motive und Abwehrmechanismen stecken, um das Selbstwertgefühl zu schützen, entzieht sich einer solch eher oberflächlichen Wahrnehmung. Kippfiguren wie die in Abb. 27 zeigen, was zu tun ist, um sich vielschichtigere Perspektiven zu erschließen. 3.2 Betrachtung des Konfliktgeschehens mit der Transaktionsanalyse 95 Abb. 27: Kippfigur Der Kippeffekt in Abb. 27 zeigt sich darin, dass wir sowohl einen Saxofonisten als auch das Gesicht einer jungen Frau sehen können. Durch einen Wechsel der Blickrichtung können sich Dinge und Menschen ganz anders darstellen. Übertragen wir das auf den älteren Kollegen in unserem Fallbeispiel, so ist durchaus denkbar, dass er anders gesehen wird, wenn man sein Verhalten als Ausdruck seiner Enttäuschung über mangelnde Wertschätzung und fehlende Anerkennung betrachtet. Dass es manchen nicht leicht fällt, einen Kippeffekt zu erzeugen, mag ein kleines Experiment verdeutlichen. Wenn Sie in Abb. 28 die links angeordneten fünf Zeilen betrachten, werden Sie das O in der dritten Zeile als zweiten Buchstaben des Wortes LOVE wahrnehmen. 96 3 Methodik der Konfliktlösung Abb. 28: Bezugsrahmen Wenn Sie jedoch den Bezugsrahmen verändern, indem Sie, wie in Abb. 28 erbeten, die Buchstaben V und E abdecken, dürften Sie das O als Ziffer in einer fünfzeiligen Doppelspalte wahrnehmen. Bei einem sehr dominanten Bezugsrahmen dürfte es mehr als schwer sein, die Perspektive zu wechseln. So auch in unserem Fallbeispiel. Wer sich immer wieder „durch das miesepetrige Geschwätz“ des älteren Kollegen „genervt“ fühlt, wird wohl eher weniger bereit sein, zusätzliche Informationen (das V und das E) bei seiner Einschätzung zu berücksichtigen. Wegen des festen Bezugsrahmens verfestigt sich auch das Bild des anderen. Aus dem breiten Feld der optischen Täuschungen wissen wir zudem, dass wir wie in Abb. 29 Dinge wahrnehmen, die tatsächlich nicht gegeben sind. Mit Pippi Langstrumpf machen wir uns die Welt, wie sie uns gefällt. 3.2 Betrachtung des Konfliktgeschehens mit der Transaktionsanalyse 97 Abb. 29: Optische Täuschung So sehen wir im Kreuz der waage- und senkrechten Striche Kreise, die tat‐ sächlich nicht da sind. Ebenso dürfte es dem einen oder anderen in unserem Fallbeispiel bei der Wahrnehmung des älteren Kollegen gegangen sein. Passen Informationen nicht ins Bild, werden sie eben passend gemacht. Schließlich nervt er und das sehen ja auch alle so. Somit dürften auch alle mit dazu beige‐ tragen haben, dass der ältere Kollege weiter unzufrieden vor sich „hinwurstelt“ und sich als Außenseiter wohl kaum zu seinen Kollegen hingezogen fühlt. Und somit wären wir bei einer weiteren Thematik, die sich im Hinblick auf den Umgang mit Konflikten auswirkt, den Gefühlsrichtungen (vgl. Abb. 25). Nach Horney lassen sich drei Gefühlsrichtungen unterscheiden. In Tab. 18 sind sie als „Hin zu anderen“, „Weg von anderen“ und „Gegen andere“ dargestellt. 98 3 Methodik der Konfliktlösung Hin zu anderen Weg von anderen Gegen andere Die Hinwendung zu an‐ deren entspringt dem Ver‐ langen, von ihnen be‐ achtet, angenommen und gemocht zu werden, denn nur wer von anderen ak‐ zeptiert wird, kann sich si‐ cher und wertvoll fühlen. Kritik und Distanz wird als Zeichen der Ablehnung empfunden, die nur schwer oder gar nicht zu ertragen ist. Konkurrenz und Aus‐ einandersetzung bedrohen die gesuchte Nähe und werden daher tunlichst ge‐ mieden. Die Abwendung von an‐ deren entstammt dem starken Bedürfnis nach Un‐ abhängigkeit und Selbst‐ genügsamkeit. Nähe und emotionale Hinwendung engen ein und machen abhängig. Sich in andere einzufühlen und sie ver‐ suchen zu verstehen be‐ droht schon die eigene Entscheidungsfreiheit. Mit Intellekt und Sachlichkeit werden andere auf Distanz gehalten, Gefühle werden so gut es geht vermieden. Die Wendung gegen an‐ dere resultiert aus einer tiefen Abneigung und dem aggressiven Bedürfnis, an‐ dere zu bekämpfen und zu unterwerfen. Jedes Zu‐ sammentreffen weckt die Neigung, andere zu ernied‐ rigen. Soziale Kontakte nehmen unweigerlich die Form des Kampfes an: „homo homoni lupus“. Frieden und Harmonie werden verachtet und ver‐ mieden. Tab. 18: Gefühlsrichtungen Übertragen wir die stellenweise schon martialische Unterscheidung von Horney auf unser Fallbeispiel, so dürfte unser Jungingenieur eher in Richtung Hinwen‐ dung tendieren. Als noch unerfahrener Mitarbeiter strebt er nach Akzeptanz und Anerkennung, oftmals bedingt durch sein in beruflicher Hinsicht noch schwa‐ ches Selbstbewusstsein. Er leidet unter Kritik und Ablehnung und versucht, Konkurrenz und Auseinandersetzungen nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen. Demgegenüber dürfte unser älterer Kollege sich im beruflichen Umfeld eher in Richtung Abwendung oder sogar Gegenwendung bewegen. Bei der Abwendung sind Distanz und Unabhängigkeit wichtig. Emotionale Bindungen im beruflichen Umfeld werden von dem älteren Kollegen in unserem Fallbeispiel eher als Bedrohung empfunden, von anderen abhängig zu werden. Sich in andere einzufühlen, fällt ebenso schwer, wie in sich selbst hineinzuhören. Wünscht der ältere Kollege Abstand und will er lieber allein arbeiten, wird dies von anderen als Ablehnung empfunden. Hieraus resultiert, dass sich der ältere Kollege gegen den einen oder anderen wendet. Möglichst viele Gelegenheiten nutzt er zu teils sogar aggressiven Äußerungen und Verhaltensweisen und pocht dabei ein ums andere Mal auf sein formales Recht, um die anderen, in unserem Fall insbesondere den Jungingenieur zu dominieren. Abb. 30 zeigt, wie sich die Feindseligkeit zwischen zwei anfänglich noch freundlich zueinander gestimmten Personen von Mal zu Mal verschärft. 3.2 Betrachtung des Konfliktgeschehens mit der Transaktionsanalyse 99 Abb. 30: Entwicklung von Feindseligkeit Im Diagramm-Modell für Verhaltensweisen beim Umgang mit Konflikten wird jeweils auf einer Achse für die Personen A und B mit Freundlichkeit und Feindseligkeit die fundamentale Dimension menschlicher Beziehungen darge‐ stellt. Da auch Beziehungen durch das Gesetz von Aktion und Reaktion geprägt werden, zeigt sich, dass jede Abnahme von Freundlichkeit bei A zu einer entsprechenden Reaktion von B führt, die dann im weiteren Verlauf letztlich zu gegenseitiger Feindschaft führt. Das Modell erklärt auch die Entwicklung von Feindseligkeit zwischen dem Jungingenieur und seinem älteren Kollegen in unserem Fallbeispiel. Der Smiley im Ausgangspunkt des Verlaufs steht für das anfänglich noch freundliche Verhältnis der beiden. Der erste Punkt links vom Smiley zeigt, dass der Jungingenieur (A) zwar weiterhin freundlich auf seinen älteren Kollegen (B) zugeht, aber mit seinem Anliegen, die alternative Software einzusetzen, auf wenig Gegenliebe stößt. Als A dann erneut auf B zugeht, ist die Freundlichkeit beider deutlich abgekühlt, was sich im zweiten Punkt zeigt, der die Skala „Freundlichkeit“ deutlich herabsetzt. Als A dann noch einmal, aber immer noch freundlich wegen seines Anliegens B anspricht, schlägt dessen anfängliche Freundlichkeit in Feindseligkeit um, was sich in verdeckt ausgeführten Transaktionen zeigt. Dies wiederum sorgt dafür, dass der noch im linken oberen Quadranten liegende Punkt durch die Reaktion von A ebenfalls in Form einer verdeckt ausgeführten Transaktion herabgesetzt wird und sich beiderseitige Feindseligkeit entwickelt, die zunehmend eskaliert, was sich im Diagramm durch die im linken unteren Quadranten angeordneten Punkte zeigt. 100 3 Methodik der Konfliktlösung Jeder der Punkte steht für eine Konfliktepisode, die zumeist wie in Abb. 31 dargestellt verläuft. Abb. 31: Konfliktepisode Die Darstellung ist selbstverständlich auch auf unser Fallbeispiel übertragbar. Das Konfliktpotenzial im latenten Konflikt resultiert aus der Meinung der beiden Parteien über den Konfliktpartner. Der ältere Kollege spricht dem Jung‐ ingenieur die fachliche Kompetenz ab, dieser seinem Gegenüber den Willen zur Kooperation. Als auslösendes Ereignis ist der geforderte Einsatz der alternativen Software zu betrachten, die einerseits als Bedrohung aufgefasst wird und andererseits wegen der Verweigerung Frustration auslöst. Dementsprechend werden die oben beschriebenen, in Abb. 31 dargestellten Verhaltensweisen hervorgerufen, die im Ergebnis langfristig wohl eher das Konfliktpotenzial in einer Konfliktspirale stetig erhöhen, wie sie Abb. 32 dargestellt ist. 3.2 Betrachtung des Konfliktgeschehens mit der Transaktionsanalyse 101 Abb. 32: Konfliktspirale Wie der Ausstieg aus derartigen Konfliktspiralen gelingt und auch solche Konfliktsituationen bewältigt werden können, wird im Folgekapitel erörtert. 102 3 Methodik der Konfliktlösung 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung Das hier vorgestellte methodische Know-how zur Konfliktbewältigung umfasst ausgewählte Konzeptionen und Methoden. Es unterstützt nicht nur Konflikt‐ beteiligte selbst, sondern auch Moderatoren, Schlichter und Vermittler im Hinblick darauf, Konflikte so anzugehen, dass sie sich allein oder gemeinsam mit anderen wieder situationsgerecht verhalten und zielorientiert handeln können. Schließlich unterbrechen Konflikte den Handlungsablauf und wirken sich zumindest kurzfristig auf die Konfliktbeteiligten irritierend und störend aus. Ob und wie diese Störungen bearbeitet werden können, hängt entscheidend davon ab, welche Erfahrungen die Konfliktbeteiligten bislang damit gemacht haben, eher konfliktträchtig oder aber konfliktfähig vorzugehen. In Tab. 19 sind in Anlehnung an Berkel Merkmale von Personen dargestellt, die stark konfliktträchtig vorgehen. Wer mehrere dieser Merkmale aufweist, dürfte nicht nur leichter mit anderen in Konflikt geraten, sondern sich auch schwerer damit tun, im Hinblick auf das Konfliktgeschehen flexibel zu kooperieren. Zudem sind den in Tab. 19 aufgeführten Merkmalen beobachtbare Äußerungen zugeordnet. Merkmal Äußerung Mangelnde Kontaktfähigkeit Ist kontaktscheu und stellt sich nicht oder nur sehr schwer auf unterschiedliche Menschen ein Geringe Flexibilität Ist selten kompromissbereit, zeigt sich oft uneinsichtig und toleriert nicht oder nur in geringem Ausmaß die Eigenheiten an‐ derer Überzogener Ranganspruch Strebt nicht nur übermäßig nach Aner‐ kennung, sondern strebt auch danach, die eigene Unentbehrlichkeit zu beweisen Geltungsstreben Mischt sich überall ein und übergeht bzw. behindert andere Fehlende Frustrationstoleranz Erträgt mehrdeutige und unbestimmte Si‐ tuationen kaum und neigt zu vorschnellen und extremen Reaktionen, Urteilen und Wertungen Geringe Belastbarkeit Fühlt sich eher in vertrauter Umgebung wohl, bevorzugt klare Regeln sowie ein‐ deutig definierte Situationen und lässt Merkmal Äußerung sich von Enttäuschungen und Misser‐ folgen leicht entmutigen Überzogenes Konformitätsstreben Richtet sein Verhalten ganz nach der Mei‐ nung anderer, insbesondere dem Urteil von Autoritätspersonen aus Ja-Sagertum Neigt zum Ja-Sagen, äußert selten Kritik, ist bereit, je nach Situation rasch Prinzi‐ pien und Grundsätze über Bord zu werfen und macht sich in Gruppen und Bespre‐ chungen kaum bemerkbar Pessimismus Äußert sich häufig missmutig, schlecht gelaunt, pessimistisch und resigniert leicht Defätismus Hat an vielem etwas auszusetzen, äußert sich häufig jammernd, nörgelnd und ab‐ lehnend, wird kaum selbst initiativ, wertet jedoch häufig Vorschläge und Ideen an‐ derer ab Tab. 19: Konfliktträchtige Persönlichkeit Dem engen und eingeschränkten Persönlichkeitsspektrum konfliktträchtiger Personen stellt Berkel die Züge einer konfliktfähigen Persönlichkeit gegenüber. Eine Person ist konfliktfähig, wenn sie über Fähigkeiten verfügt, die es ihr ermöglichen, trotz der durch das Konfliktgeschehen verursachten Anspannung variabel zu handeln und zu reagieren. In Tab. 20 sind, wiederum in Anlehnung an Berkel, Merkmale einer konfliktfähigen Persönlichkeit aufgeführt. Diesen sind beobachtbare Äußerungen zugeordnet. Merkmal (jeweils gut ausgeprägt) Äußerung Flexibilität Stellt sich auf unterschiedliche Menschen und Situationen ein Identität Verliert die eigenen Ziele in wechselnden Situationen nicht aus den Augen Selbstwert Weiß um die eigenen Stärken und besinnt sich auf sie Dienst Dient einer Idee und ist bestrebt, auch anderen von Nutzen zu sein 104 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung Merkmal (jeweils gut ausgeprägt) Äußerung Belastbarkeit Hält auch unklare oder widersprüchliche Situationen aus Zielgerichtetheit Trifft Entscheidungen wohlüberlegt und setzt sie konsequent um Selbstbestimmung Bildet sich eine unabhängige Meinung und vertritt diese auch in Gruppen und gegenüber Autoritäten Einsicht Hat gelernt, eigene Annahmen in Frage zu stellen und kompromissbereit zu sein Zuversicht Verfügt über Vertrauen, sich, andere und die Zukunft zu entwickeln Realitätssinn Rechnet durchaus auch mit Enttäu‐ schungen und Misserfolgen und kommt damit zurecht Wertorientierung Verpflichtet sich auf objektive Werte Toleranz Ist fähig und bereit, unterschiedliche Werte zu vertreten und mehrere Lebens‐ ziele zu verfolgen Tab. 20: Konfliktfähige Persönlichkeit Wie sich eine konfliktträchtige von einer konfliktfähigen Persönlichkeit in ihrem Handeln unterscheidet, lässt sich zeigen, wenn wir das Spannungsfeld einer Kontroverse betrachten (vgl. Abb. 33). Abb. 33: Spannungsfeld einer Kontroverse 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung 105 Eine konfliktträchtige Persönlichkeit wird eher darum kämpfen, die eigenen Ziele entschieden zu verfolgen und beharrlich auf den eigenen Vorschlägen bestehen als eine konfliktfähige. Diese wird eher flexibel und aktiv nach neuen Alternativen suchen und in seine Kooperation die Ziele der Gegenseite einbeziehen. Oder bildlich gesprochen - konfliktträchtige Personen bewegen sich stark im linken unteren Quadranten der Darstellung, konfliktfähige mehr im oberen rechten Quadranten. Zum Transfer der Überlegungen zu den Persönlichkeitszügen in Ihre be‐ triebliche Praxis sollten Sie eine kontrovers geführte Verhandlung oder einen Konflikt aus Ihrem Arbeitsbereich skizzieren. Reflektieren Sie, ob und inwieweit konkret beobachtbare Verhaltensweisen bei den Beteiligten aufgetreten sind, die auf Persönlichkeitszüge der vorgestellten Art (vgl. Tab. 19 und 20) hin‐ weisen. Analysieren Sie dann, inwieweit so zieladäquat und ergebnisorientiert gehandelt worden ist, dass alle Beteiligten mit dem Ergebnis leben konnten. Möglicherweise fallen Ihnen auch noch weitere konfliktträchtige Situationen mit den gleichen Beteiligten ein, die ähnlich verlaufen sind. Wenn dem so ist, haben Sie Merkmale der für die Beteiligten typischen Konfliktstile identifiziert. Analog zum Führungsstil-Verhaltensgitter nach Blake und Mouton lassen sich auch für das Konfliktgeschehen zwei Dimensionen beschreiben. In Abb. 34 bildet die X-Achse die „Orientierung an eigenen Zielen und Belangen“ neunstufig skaliert ab. Ebenfalls neustufig skaliert wird auf der Y-Achse die „Orientierung an den Zielen und Belangen der Gegenpartei“ dargestellt. Es werden fünf Konfliktstile unterschieden: 106 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung 1.1 Rückzug / Vermeidung 1.9 Nachgeben 9.1 Durchsetzung (kompetitiv) 5.5 Kompromiss 9.9 Problemlösung (kooperativ) Abb. 34: Konfliktstile Der auf den ersten Blick wohl einfachste Konfliktstil ist 1.1 Rückzug / Vermei‐ dung. Wer Konflikte vermeidet, verdrängt, sie unter dem Teppich kehrt oder den Kopf in den Sand steckt und gar nichts tut, löst sie jedoch keinesfalls. Konflikte werden so nur auf einen späteren Zeitpunkt verlegt und können in der Zwischenzeit möglicherweise schwelend weiter so stark eskalieren, dass sie dann kaum noch lösbar sind. Dennoch kann auch der Rückzug durchaus eine Option sein, wenn beispielsweise von der Gegenpartei eine reine Durchset‐ zungs-Strategie verfolgt wird und die Sache es schlicht und ergreifend nicht wert ist, dass weitere Energien in sie investiert werden. Einer dementsprechenden Entscheidung sollte allerdings eine gründliche Analyse im Hinblick auf das Für und Wider eines Rückzugs vorausgegangen sein. Hinter dem Konfliktstil 1.9 Nachgeben verbirgt sich eine wesentliche Voraus‐ setzung für jede vernünftige Konfliktlösung - das Nachgeben! Allerdings ist wohl zu überlegen, wie weit nachgegeben werden kann, wie sehr auf eigene Ziele verzichtet und wie harmoniebetont Meinungsverschiedenheiten geglättet werden, sowie auch, wie stark man sich der Gegenpartei unterordnet. Denn es zeigt sich immer wieder, dass der, der zu früh nachgibt, bereits verloren hat, wenn er seine eigenen Interessen zu wenig vertritt und der Gegenpartei 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung 107 das Verhandlungsfeld überlässt. Bei unumgänglichen Sachzwängen dürfte es in einer Konfliktsituation jedoch durchaus Sinn machen nachzugeben. Mit Rückzug und Nachgeben hat der Konfliktstil 9.1 Durchsetzung (kompe‐ titiv) eher wenig am Hut, ist derjenige, der so verfährt, doch eher bestrebt, eigene Vorstellungen auch auf Kosten der Gegenpartei mit Drohungen, Druck, Sanktionen und der Ausübung von Macht durchzusetzen bzw. zu erzwingen. Für ihn gilt „Ich oder Du“, nur Sieg oder Niederlage kommen in Frage. Ursachen des Konflikts oder eigene Anteile am Konfliktgeschehen werden nicht in Betracht gezogen. Ganz anders der Konfliktstil 5.5 Kompromiss. Denn wer versucht, Kom‐ promisse einzugehen, ist bereit, anderen Parteien ein Stück weit entgegenzu‐ kommen. Allerdings werden durch das Abrücken von Maximalforderungen, durch sachliche Argumentation ohne Vorverurteilung und Angebote an die Ge‐ genseite in Form einer Kompromiss-Formel nicht unbedingt die Ursachen eines Konflikts geklärt oder gar die eigenen Anteile am Konfliktgeschehen reflektiert, sondern durch die Bereitschaft zum Kompromiss lediglich entschärft. Erfolgversprechender ist da der Konfliktstil 9.9 Problemlösung (kooperativ), wird hier doch auf kreative Zusammenarbeit gesetzt und trotz Widerständen und Rückschlägen eine für beide Seiten optimale Lösung gesucht. Diese Art der Konfliktbewältigung erfordert möglicherweise eine langwierige Problem‐ analyse, bei der versucht wird, den Konflikt als ein Geschehen zu begreifen, der beide Seiten gleichermaßen betrifft und die Konfliktursache nicht nur bei einer Seite zu sehen. Da in verschiedenen Situationen jeweils ein anderer Stil angemessen sein könnte, kann kein Stil als der einzig optimale betrachtet werden. Auch wenn die Stile relativ überdauernde Verhaltenstendenzen darstellen, werden Konflikte wohl eher bewältigt, wenn die Beteiligten je nach Situation zwischen den Stilen wechseln. Selbst für diejenigen, die sonst zur Durchsetzung tendieren, dürfte es durchaus geraten sein, sich zum Nachgeben zu entscheiden, oder Kompro‐ missbereitschaft anzuzeigen, wenn ein Konfliktgegner zu mächtig ist und mit schwerwiegenden Konsequenzen droht. Hat sich ein Konflikt extrem stark entwickelt, sollten auch sonst durchaus kompromissbereite Konfliktpartner den Durchsetzungsstil in Erwägung ziehen, wenn sonst zu starke eigene Verluste in Kauf genommen werden müssten. Konfliktparteien sollten sich eher an problemlöseorientierten Konfliktbewältigungen orientieren, wenn die weitere Kooperation mit dem oder den anderen weiterhin wichtig ist, wie das beispielsweise häufig bei Projekten in der Technik der Fall ist. Wird jedoch kein Kompromiss bzw. keine Problemlösung gefunden, zeigt sich immer wieder, dass Konfliktparteien dann auf einen der grundlegenden biologischen Stile 108 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung zurückfallen, nämlich 1.1 Flucht, 1.9 Unterwerfung oder 9.1 Kampf. Dabei lernt jeder, mit welchem Stil er einen Konflikt angeht und auf welchen er wechselt, wenn er zunächst erfolglos bleibt. 4.1 Kooperative Konfliktbewältigung Um den in der Technik präferierten Stil des gemeinsamen Problemlösens gleich erfolgreich anwenden zu können und nicht in einen anderen Konfliktstil wechseln zu müssen, sollten sich Konfliktparteien an dem in Abb. 35 skizzierten Kreislauf zur kooperativen Konfliktbewältigung nach Berkel orientieren. Abb. 35: Kooperative Konfliktbewältigung In Anlehnung an Cohns „Themenzentrierte(r) Interaktion“ (vgl. auch die Aus‐ führungen zu Abb. 7 unter Punkt 2.5) sind im Hinblick auf die emotionale Dimension die Person selbst, bezogen auf soziale Dimension die Beziehung und hinsichtlich der rationalen Dimension die Sache als Bestandteile eines Kreislaufes mit sechs Phasen zur kooperativen Konfliktbewältigung dargestellt. Zur ersten Übersicht sind in Tab. 21 diesen Phasen Empfehlungen zugeordnet, die dazu beitragen, erfolgreich von Phase zu Phase voranzuschreiten. Phase Empfehlungen zu den Phasen A. Erregung kontrollieren • Auf die eigenen körperlichen Warnsi‐ gnale achten • Die Reizworte kennen, die einen leicht auf die Palme bringen 4.1 Kooperative Konfliktbewältigung 109 Phase Empfehlungen zu den Phasen • Vorwürfe überhören und übergehen • Sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen lassen • Zwischen der (Verhandlungs-) Rolle des anderen und seiner Person unter‐ scheiden B. Vertrauen bilden • Sich öffnen: eigene Vorstellungen und Empfindungen mitteilen • Mit realistischen Vorschlägen dem an‐ deren entgegenkommen • Chancen, den anderen über den Tisch zu ziehen, bewusst nicht nutzen, aber signalisieren, dass man es hätte tun können • Sicherstellen, dass die eigenen Motive und Absichten nicht als Täuschung verstanden werden C. Offen kommunizieren • Sorgfältig zuhören und nachfragen • Sich bisheriger Ergebnisse durch Zu‐ sammenfassen vergewissern • Details beachten und registrieren (evtl. durch Notizen) • Psychospiele beim Namen nennen • Humorvolle Gesten und lockere Be‐ merkungen einflechten D. Problem lösen • Die Mussziele von den Wunschzielen jeder Seite trennen • In Tausch und Gegentausch eintreten • Das „Gesamtpaket“, das übergeordnete Ziel, nicht aus den Augen verlieren • Immer wieder Nutzen und Vorteile vorführen, die jede Seite von einer Einigung hat • Das Risiko bedenken, wenn es zu keiner Einigung kommt E. Vereinbarung treffen • Schon kleine Ergebnisse als Erfolg ver‐ buchen • Aber auch: sich nicht mit vorschnellen Entscheidungen zufrieden geben • Über den eigenen Schatten springen • Vereinbarung klar und unmissver‐ ständlich formulieren • Besprechen, wie beide reagieren, wenn das Ergebnis in der eigenen Abteilung kritisiert wird F. Persönlich verarbeiten • Sich nach der Decke strecken 110 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung Phase Empfehlungen zu den Phasen • Das Mögliche von dem Gewünschten unterscheiden • Rachegefühle verbannen • Mit Enttäuschungen fertig werden • Innerlich zur Vereinbarung „ja“ sagen Tab. 21: Phasen des Kreislaufs zur kooperativen Konfliktlösung Bei eingehender Betrachtung der Stichworte zu den Phasen finden sich weiter‐ gehende Hinweise für den Transfer in die betriebliche Praxis. Beginnen wir mit dem Ausgangspunkt des Kreislaufs: A. Erregung kontrollieren Wie bereits unter Punkt 2 ausgeführt, lassen sich Konflikte als Störungen des Handlungsablaufes begreifen, die Lösungsdruck erzeugen, der entweder aus innerem Antrieb oder äußeren Forderungen oder Bedingungen erfolgt. Unweigerlich werden Gefühle ausgelöst - Konfliktbeteiligte fühlen sich inner‐ lich angespannt, unter Druck stehend, ängstlich, gereizt oder auch wütend. Um diesem Gedankengang nachzuvollziehen, dürfte es reichen, wenn Sie sich vorstellen, was in Ihnen ausgelöst wird, wenn ● Gespräche verstummen, wenn Sie den Raum betreten, ● Ihr Chef Ihnen sagt, dass er die nächste Projektleitung einem anderen Kollegen überträgt, weil er mit Ihnen unzufrieden ist oder aber ● Sie sich wieder einmal auf die Suche nach einem Werkzeug begeben müssen, weil Ihr Kollege es nicht da hingelegt hat, wo es hingehört. Ich weiß zwar nicht, wie es Ihnen geht, aber mit wäre es nicht möglich, solche Dinge einfach nur auf sich beruhen zu lassen - Konflikte müssen bewältigt werden, zumal sie ungelöst die Tendenz haben zu eskalieren. Um wieder voll‐ umfänglich handlungsfähig zu werden, ist es von daher unbedingt erforderlich, Stellung zu beziehen. Dabei dürfte es allerdings wohl kaum von Vorteil sein, zu emotionsgeladen den anderen anzusprechen. Vielmehr empfiehlt es sich, seine Erregung zu kontrollieren und auf die eigenen körperlichen Warnsignale zu achten. In dieser Hinsicht liefert das Konzept der Achtsamkeit wertvolle Anregungen, seine Sinne in dieser Hinsicht zu schärfen. Nach Kabat-Zinn lässt sich Achtsamkeit so definieren: „Man kann sich Achtsamkeit als nicht urteilendes Gewahrsein von Moment zu Moment vorstellen, ein Gewahrsein, das kultiviert wird, indem man auf eine bestimmte Weise 4.1 Kooperative Konfliktbewältigung 111 aufmerksam ist, das heißt im gegenwärtigen Augenblick und so wenig reaktiv, so wenig urteilend und so offenherzig wie möglich.“ Viel mehr als eine bloße Technik ist Achtsamkeit auch eine Grundhaltung, aus der heraus wir uns selbst und anderen gegenüber mit Interesse, Wohl‐ wollen, Geduld, Empathie und Vertrauen begegnen. Bei den Übungen zur Achtsamkeit geht es um eine ganzheitliche Wahrnehmung des Erlebens im Hier und Jetzt unter Verzicht auf möglichst jegliches Urteil. Alles soll gleicher‐ maßen bewusst wahrgenommen werden, unabhängig davon, ob es angenehm oder unangenehmen, schmerzhaft oder erfreulich ist. Allem ist der gleiche Wert beizumessen. Indem wir bewusst wahrnehmen und der gegenwärtigen Erfahrung mit einer freundlich-akzeptierenden Grundhaltung, ohne zu urteilen begegnen, gelingt uns auch, unsere Wahrnehmung „kippen“ zu lassen (vgl. diesbezüglich auch die Ausführungen zu den Abb. 26-29 unter Punkt 3.2.4) und auch Positives bewusster wahrzunehmen. Beim Üben von Achtsamkeit gestatten wir uns auch, zuzulassen, dass wir abschweifen und kehren mit Geduld durch Innehalten, Wahrnehmen und Zurückkehren wieder zur gegenwärtigen Erfahrung zurück. Eine Übung zur Achtsamkeit ist der Body Scan. Hierbei geht man mit der Aufmerksamkeit zumeist liegend systematisch durch die einzelnen Körperteile und übt sich so darin, sein Körpergefühl zu erspüren. Und genau dieses Wissen um das körperliche Geschehen ist überaus hilfreich, wenn es dann beim Einstieg in die kooperative Konfliktbewältigung darum geht, seine Erregung zu kontrollieren. Wer sich in dieser Hinsicht optimieren möchte, findet in gut sortierten Buchhandlungen zahlreiche Veröffentlichungen mit Übungsanleitungen zur Achtsamkeit. Zum Einstieg empfiehlt sich die in der Literaturliste aufgeführte Broschüre „Achtsamkeit üben“. Die Beschäftigung mit dem Thema Achtsamkeit ist zudem insofern hilfreich, als der Prozess der kooperativen Konfliktbewältigung ganz elementar mit der eigenen Fähigkeit beginnt, nicht jeden Zorn und Ärger umgehend am anderen auszulassen. Dazu gehört auch, sich selber daran zu hindern, den anderen anzugreifen und zu verletzen, wenn er Reizworte verwendet, die die Emotionen hochkochen lassen. In dieser Hinsicht ist es durchaus erfolgversprechend, den provozierenden Äußerungen transaktionsanalytisch zu begegnen (vgl. diesbe‐ züglich auch die Ausführungen unter Punkt 3.2.2). Nehmen wir an, eins dieser Reizworte sei „unpünktlich“ in immer wieder geäußerten Vorwürfen, ohne die Umstände zu beachten, wie eine Verzögerung zustande gekommen ist. Die transaktionsanalytische Antwort auf den Vorwurf ist in Abb. 36 dargestellt. 112 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung Abb. 36: Konfliktösende Überkreuz-Transaktion Wie dargestellt soll die zunächst parallel ausgeführte Reaktion dazu dienen, die Überkreuz-Transaktion abzumildern, um den Wechsel auf die konfliktlösende Erwachsenen-Ich-Ebene nicht zu überraschend oder allzu schroff erscheinen zu lassen. Um selbst im Hinblick auf Reizwörter gewappnet zu sein, die als Transak‐ tions-Stimulus geäußert werden, sollten Sie zur Übung eine Liste mit Reizwör‐ tern erstellen, die Sie auf die Palme bringen. Erinnern Sie sich an Situationen, in denen Sie mit diesen Reizwörtern konfrontiert worden sind und spielen Sie in Gedanken Möglichkeiten für konfliktlösende Überkreuz-Transaktionen durch. Erstellen Sie zu jedem Reizwort eine Überkreuz-Transaktion, indem Sie das Schema der drei gegenüber gestellten Ich-Zustände verwenden. Indem Sie die Ergebnisse dieser Übung verinnerlichen, erschließen Sie sich Möglichkeiten, bei der nächsten provozierenden Konfrontation schlagfertiger und erfolgverspre‐ chender zu reagieren. Alternativ und, oder auch in Ergänzung zu diesem Vorschlag können Sie sich selbstverständlich auch dafür entscheiden, an Sie gerichtete Vorwürfe zu überhören oder zu übergehen. Allerdings laufen Sie dann Gefahr, schlechte Gefühle anzusammeln bzw. bereits angesammelt zu haben, was sich beein‐ trächtigend auswirken könnte, wenn Sie in den Prozess zur kooperativen Kon‐ fliktbewältigung einsteigen. In diesem Zusammenhang sei auf eine Analogie hingewiesen, die Berne in Rahmen der Transaktionsanalyse als Rabattmarken sammeln eingeführt hat. Seinerzeit und auch noch in meiner Kindheit und Jugend ist es üblich gewesen, im Einzelhandel bei einem Einkauf Rabattmarken zu erhalten, die dann in ein Buch einzukleben waren. Für ein volles Buch hat es dann einen bestimmten Betrag gegeben. In der Transaktionsanalyse sind die 4.1 Kooperative Konfliktbewältigung 113 Rabattmarken angesammelte ungute Gefühle, die von anderen hervorgerufen worden sind. Irgendwann ist dann auch dieses Rabattmarkenbuch voll und der Sammler hat das Recht auf eine Auszahlung erworben. Im Volksmund spricht man davon, dass der letzte Tropfen das Fass zum Überlaufen gebracht hat, wie das folgende Bespiel aus der Fertigung eines Produktionsunternehmens zeigt, in dem SOS als ein für alle verpflichtendes Prinzip eingeführt worden ist: Sauberkeit, Ordnung, Sicherheit. Für die Einhaltung von SOS sind die Vorgesetzten in ihrem Verantwortungsbereich verantwortlich, in unserem Fall ein Meister in der Dreherei. Bei seinem feierabendlichen Rundgang durch seinen Bereich sieht er, dass einer seiner Mitarbeitenden seinen Arbeitsplatz trotz gegenteiliger Vereinbarung ungesäubert verlassen hat. Obwohl er sich geärgert hat, spricht der Meister seinen Mitarbeitenden anderntags nicht an, weil er sich denkt, dass man als Vorgesetzter hin und wieder auch mal fünf gerade sein lassen soll. Allerdings entdeckt er auf dem Weg durch die Halle zu einer Besprechung, dass eine Box mit Werkstücken vom gleichen Mitarbeitenden auf dem markierten Sicherheitsweg abgestellt worden ist. Er entschuldigt dies mit dem hohen Arbeitsanfall des Mitarbeitenden, ärgert sich aber doch, dass ein weiteres Mal gegen die SOS-Regeln verstoßen worden ist. Somit hat er seine zweite Rabattmarke in sein Buch geklebt. Weitere Rabattmarken folgen in den nächsten Tagen, als er immer wieder mehr oder weniger kleine Verstöße gegen die SOS-Regeln entdeckt, diese aber jedes Mal irgendwie entschuldigt und nicht anspricht. Das Rabattmarkenbuch ist voll, als der Meister zu guter Letzt über ein herumliegendes Verlängerungskabel stolpert. Seine Auszahlung besteht nun darin, dass er lautstark aus dem kritischen Eltern-Ich seinen Mitarbeitenden angeht: „Meine Fresse! Nun reicht es! Ständig ist hier Unordnung, nie aufge‐ räumt. Das ist das Letzte! Ich lasse mir das einfach nicht mehr bieten! “ Für den Mitarbeitenden ist der Ausbruch seines Meisters nahezu unverständlich. Schließlich sieht er nur das letzte Geschehen und fragt sich, warum sein Meister so heftig reagiert. Schließlich hat das Verlängerungskabel das erste Mal dort gelegen. Nicht nur er, sondern auch seine Kollegen, die natürlich den Ausbruch des Meisters mitbekommen haben, fragen sich, was das ganze Theater soll und warum er sich überhaupt so aufregt. Statt Störungen in Form von Ich-Botschaften gleich anzusprechen, hat der Meister durch Rabattmarkensam‐ meln ungute Gefühle angehäuft, die nun das Teamklima empfindlich stören. Für den Einstieg in die Phasen der kooperativen Konfliktbewältigung wäre es fatal mit einem gut gefüllten Rabattmarkenbuch auf andere zuzugehen. Ein Reizwort würde möglicherweise reichen, an die Decke zu gehen und die angestrebte kooperative Konfliktbewältigung erheblich belasten. Von daher sollte ein jeder der sich dazu entscheidet, in den Kreislauf zur kooperativen 114 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung Konfliktbewältigung einzusteigen, im Vorfeld sein Rabattmarkenkonto nicht nur checken, sondern zusehen, dass er es entweder erst gar nicht aufbaut, indem er Störungen in der Kooperation den Vorrang gibt, oder zusehen, dass er es möglichst vor dem Einstieg abbaut, damit er nicht frühzeitig aus dem Gleichgewicht gebracht wird. Zu guter Letzt dürfte es für eine erfolgreiche Umsetzung der Vorgaben zur ersten Phase „Erregung kontrollieren“ bedeutsam sein, zwischen der (Ver‐ handlungs-)Rolle des anderen und seiner Person zu unterscheiden. In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf das Harvard-Prinzip verwiesen, wonach Mensch und Problem getrennt voneinander zu behandeln sind, um erfolgreich zu kommunizieren und konfliktfrei zu kooperieren. Nicht Positionen, sondern Motive und Bedürfnisse stehen zur Debatte, um die wahren Interessen offen zu kommunizieren und zu berücksichtigen (vgl. diesbezüglich auch die Ausfüh‐ rungen unter Punkt 2.5). Bei der zweiten Phase des Kreislaufs zur kooperativen Konfliktbewältigung geht es um: B. Vertrauen bilden. Im Hinblick darauf, sich zu öffnen, eigene Vorstellungen und Empfindungen mitzuteilen und mit realistischen Vorschlägen dem anderen entgegenzu‐ kommen, lassen sich wertvolle Hinweise aus dem Modell zur gewaltfreien Kommunikation (GfK) nach Rosenberg ableiten. Demzufolge ist GfK ● ein Prozess, der Menschen ermöglicht, so miteinander umzugehen, dass der Kommunikationsfluss zwischen ihnen verbessert wird, ● keine Technik, sondern eine Grundhaltung, bei der eine wertschätzende Beziehung im Vordergrund steht. Rosenberg nutzt Wolf und Giraffe als Metaphern für Verhaltensweisen von Menschen. Tab. 22 beschäftigt sich mit dem Thema „Aufrichtigkeit“ von Giraffe und Wolf und zeigt die unterschiedlichen Grundhaltungen. Giraffe Wolf Ich sage Dir mal ganz ehrlich und aufrichtig … Wie es mir geht: „Ich mache mir Sorgen um Deine Gesund‐ heit.“ Was mit Dir nicht stimmt: „Du bist zu dick.“ Was ich brauche: „Ich bin sauer und wünsche mir mehr Ordnung.“ Was ich über Dich denke: „Du bist ein ganz großer Schlamper.“ 4.1 Kooperative Konfliktbewältigung 115 Giraffe Wolf Was meine Bitte an Dich ist: „Ich bin verletzt, weil ich Unterstützung brauche.“ Welche Urteile und Bewertungen ich über Dich habe: „Du bist egoistisch und rücksichtslos.“ Tab. 22: Aufrichtigkeit als Giraffe oder Wolf Während der angriffslustige Wolf mit provozierenden Du-Botschaften operiert, zeigen sich bei der Giraffe deeskalierende Ich-Botschaften (vgl. diesbezüglich auch die Ausführungen unter Punkt 2.2). Die Giraffe hat in ihrer Weitsicht vier Schritte zur gewaltfreien Kommunikation im Auge: ● Beobachtung ● Gefühl ● Bedürfnis ● Bitte Die Beobachtung fokussiert, wie wir Fakten wahrnehmen, wenn wir die Realität beschreiben, was wir sehen, hören, fühlen, riechen, schmecken. Dementspre‐ chend stellen wir statt „Unser Chef ist ein großzügiger Mensch“ ohne Bewertung fest: „Wenn wir außerplanmäßig am Wochenende arbeiten, um Rückstände in der Produktion aufzuholen, kommt unser Chef vorbei und gibt uns ein leckeres zweites Frühstück aus“. Wir greifen auch den anderen nicht dadurch an, dass wir ihn mit „Du bist total vulgär“ abkanzeln, sondern stellen fest: „Du hast jetzt das dritte Mal gesagt: ‚Ist mir doch scheißegal‘.“ Der erste Schritt zur gewaltfreien Deeskalation besteht also darin, auf Beobachtung, statt auf Bewertung zu setzen und dies auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen. Konkret heißt dies auf bewertende Aussagen wie „Armin war gestern völlig grundlos sauer auf mich“ gehen wir auf die beobachtende Ebene: „Armin hat mich während des gesamten Meetings nicht einmal um meine Meinung gefragt.“ Prüfen Sie nun Ihr Vermögen zwischen Beobachtung und Bewertung zu unterscheiden, indem Sie zu den Aussagen in Tab. 23 angeben, bei welchen es sich um Beobachtungen handelt und bei welchen nicht. Aussage Beobachtung? 1. Andreas nimmt sich immer ein „Raucherpäuschen“ - 1. Christian war in dieser Woche jeden Tag der Erste am Shopfloor-Board - 1. Michael mutet sich viel zu viel zu - 116 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung Aussage Beobachtung? 1. Dirk hat mich während des Team-Meetings nicht um meine Expertise gefragt - 1. Timo hat zu mir gesagt, dass er den Termin nicht einhalten kann - Tab. 23: Beobachtung oder Bewertung? Wir stimmen überein, wenn Sie die Aussagen 2, 4 und 5 als Beobachtungen markiert haben. In Aussage 1 deutet „immer“ eine Bewertung an. Eine Beobach‐ tung ohne Bewertung wäre: „Ich habe heute vier Mal gesehen, dass Andreas zum Rauchen vor die Tür gegangen ist“. In Aussage 3 weist „viel zu viel“ auf eine Bewertung hin. Eine Beobachtung ohne Bewertung wäre: „Michael hat ein weiteres Projekt übernommen. Er war in dieser Woche über 60 Stunden am Arbeitsplatz.“ Im zweiten Schritt geht es darum, das mit dem Geschehen einhergehende Gefühl zu artikulieren. Im Kontext des Modells zur gewaltfreien Kommunikation sind Gefühle Signale unseres Körpers, die anzeigen, ob sich unsere Bedürfnisse erfüllt haben, bzw. werden oder aber nicht. In Tab. 24 sind ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit dementsprechende Adjektive benannt. Sie sind gerne eingeladen, die Liste zu verlängern, was Ihnen sicherlich nicht schwer‐ fallen wird, denn „in unserer Sprache gibt es mehr Adjektive als in der Schweiz Katzen“, wie Mark Twain es einmal so treffend formuliert hat. Wie wir uns wahrscheinlich fühlen (werden), wenn sich unsere … Bedürfnisse erfüllen Bedürfnisse nicht erfüllen Angeregt Fasziniert Motiviert Selbstsicher Erleichtert Zuversichtlich Zufrieden … Frustriert Sorgenvoll Hilflos Ausgelaugt Irritiert Alarmiert Beklommen … Tab. 24: Gefühle bei befriedigten und unbefriedigten Bedürfnissen Indem wir einen Wortschatz entwickeln, der uns ermöglicht, unsere Gefühle klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen, können wir mit anderen leichter in Kontakt treten. Gefühle zu verbalisieren, hilft unserem Gegenüber, uns besser 4.1 Kooperative Konfliktbewältigung 117 zu verstehen. Zudem kann es bei der Konfliktbewältigung durchaus hilfreich sein, wenn wir uns selbst zugestehen, durch die Beschreibung unserer Gefühle auch unsere Verletzlichkeit zu offenbaren, bildlich gesprochen, dem anderen mit offenem Visier zu begegnen. Dabei sollte jedoch beachtet werden, zwischen echten Gefühlsäußerungen und Aussagen zu unterscheiden, die Gedanken, Einschätzungen oder Interpretationen wiedergeben, wie beispielsweise, wenn wir sagen: „Ich habe das Gefühl, dass ich immer wieder im Stich gelassen werde“, „Ich fühle mich nicht ernstgenommen“ oder „Ich fühle mich wie vom Zug überrollt“. Formulierungen wie „Ich habe das Gefühl x …“, „Ich habe das Gefühl, dass / als ob …“ oder „Ich fühle mich wie …“ drücken im Allgemeinen keine Gefühle aus. Beispiele für Gefühlsäußerungen sind „Ich bin froh, dass …“ oder „Ich fühle mich verzweifelt“. Anhand der Übung in Tab. 25 können Sie Ihr Vermögen prüfen, zwischen dem Ausdruck von Gefühlen und Gedanken, Einschätzungen und Interpretationen zu unterscheiden, indem sie angeben, wo Gefühle ausgedrückt werden. Aussage Gefühl? 1. Ich bin traurig, dass Du uns verlässt. - 1. Wenn Du mich nicht grüßt, fühle ich mich herabgesetzt. - 1. Ich freue mich, dass Du es doch noch einrichten konntest … - 1. Ich fühle mich missverstanden. - 1. Ich habe Lust, Dich vor die Tür zu setzen. - Tab. 25: Ausdruck eines Gefühls oder nicht? Wir stimmen überein, wenn Sie angegeben habe, dass in den Äußerungen 1 und 3 Gefühle ausgedrückt werden. Aussage 2 beschreibt nach meinem Dafürhalten kein Gefühl, sondern es wird eher ausgedrückt, was dem Sprecher widerfährt, nämlich vom anderen herabgesetzt zu werden. Ein Gefühl könnte beispielsweise so ausgedrückt werden: „Wenn Du mich nicht grüßt, bin ich enttäuscht.“ Bei Aussage 4 wird eher mitgeteilt, was der Sprecher denkt, was der andere macht (er missversteht) und nicht wie der Sprecher sich fühlt. Das könnte so klingen: „Ich bin frustriert.“ In Aussage 5 wird eher kundgetan, was sich der Sprecher vorstellen könnte zu tun (Lust haben, den anderen vor die Tür setzen) als ein Gefühl auszudrücken. Das würde sich so anhören: „Ich bin sauer auf Dich.“ Nach dem bewertungsfreien Beobachten und dem Ausdruck echter Gefühle besteht die dritte Komponente der gewaltfreien Kommunikation aus dem 118 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung Erkennen und Akzeptieren der Bedürfnisse hinter unseren Gefühlen. Indem wir Bedürfnisse formulieren, übernehmen wir Verantwortung für die eigenen Gefühle. Wie bereits weiter oben ausgeführt, resultieren Gefühle daraus, dass Bedürfnisse erfüllt werden oder eben auch nicht. Wenn wir über das sprechen, was wir brauchen statt darüber, was mit dem anderen nicht stimmt, erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit, dass beide Seiten von der Erfüllung der Bedürfnisse profitieren. Schließlich haben alle Konfliktbeteiligten gleiche Bedürfnisse, wie beispielsweise: ● Ruhe ● Autonomie ● Liebe ● Nähe ● Klarheit ● Verständnis ● Unterstützung ● Respekt ● Wertschätzung ● Ehrlichkeit ● Verlässlichkeit ● Verbindlichkeit ● Verbindung ● Leichtigkeit Die Auflistung zeigt, dass Bedürfnisse allgemein und abstrakt sind, unabhängig von Zeit und Raum. In unseren Aussagen kommt es darauf an, unsere Gefühle mit unseren Bedürfnissen zu kombinieren, damit andere Verständnis für uns entwickeln. Statt anderen die Schuld zu geben, wenn wir beispielsweise sagen „Nicht in diesem Ton, das ist unverschämt! “ verknüpfen wir unser diesbezügli‐ ches Gefühl sauer, genervt, frustriert oder hilflos mit unserem Bedürfnis nach Respekt und wertschätzendem Umgang: „Ich bin sauer, weil mir ein wertschät‐ zender Umgang wichtig ist.“ Wir selber entwickeln Verständnis für den anderen, indem wir auf empathische Vermutungen setzen. Wenn sich beispielsweise ein Kind weigert „Nein, ich räume das Zimmer nicht auf! “ ist zu vermuten, dass sein Gefühl sauer, genervt oder frustriert durch Bedürfnisse wie Spaß, Spiel, Leichtigkeit oder Autonomie ausgelöst worden ist. Eine empathische Vermutung im Sinne der gewaltfreien Kommunikation sollte dann so klingen: „Bist Du sauer, weil Du spielen möchtest? “ Indem wir Bedürfnisse erkennen und akzeptieren eröffnen sich uns Wege zur deeskalierenden Kommunikation. Dabei ist es hilfreich, Sprachmuster zu erkennen, die die Tendenz aufweisen, 4.1 Kooperative Konfliktbewältigung 119 Verantwortung für unsere Gefühle zu verdecken. Dies ist bei der Verwendung unpersönlicher Pronomen wie „es“ oder „das“ der Fall, wenn wir beispielsweise äußern „Es macht mich echt sauer, wenn die Technik im Besprechungszimmer nicht eingerichtet ist“ oder „das nervt mich total“. Konstatieren wir „Ich fühle mich (hier wird dann ein Gefühl eingefügt), weil …“ und lassen ein anderes Personalpronomen als „ich“ oder eine andere Person folgen, verdecken wir ebenfalls unsere Gefühle, z. B.: „Ich fühle mich verletzt, weil Du gesagt hast, dass Du lieber jemand anderen im Projekt mit dabei hättest“ oder „Ich bin wütend, weil unser Chef seine Zusagen nicht eingehalten hat“. Auch in Aussagen, in denen nur Handlungen anderer vorkommen, übernehmen wir keine Verantwor‐ tung für unsere Gefühle: „Wenn Du mir nicht zum Geburtstag gratulierst, bin ich verletzt“ oder „Der Meister ist enttäuscht, weil Du mit dem Werkstück nicht termingerecht fertig geworden bist“. Prüfen Sie nun Ihr Vermögen, Bedürfnisse zu erkennen und zu akzeptieren, indem Sie zu den Aussagen in Tab. 26 angeben, ob die sprechende Person Verantwortung für ihre Gefühle übernommen hat. Aussage Verantwortungsübernahme? 1. Ich bin enttäuscht darüber, dass Du den Termin abgesagt hast, weil ich gehofft hatte, wir könnten in unserem Projekt einen Schritt weiterkommen. - 2. So kleine Sticheleien am Rande, die hin und wieder von dem einen oder anderen geäußert werden, verletzten mich. - 3. Ich bin ärgerlich, wenn Sie das äußern, weil ich Respekt möchte und ich verstehe Ihre Äußerung als Ausdruck der Gering‐ schätzung. - 4. Sie verärgern mich, wenn Sie den Bespre‐ chungsraum unaufgeräumt verlassen. - 5. Ich bin frustriert, wenn Du mich ein aufs andere Mal im Regen stehenlässt. - Tab. 26: Bedürfnisse erkennen und akzeptieren Wir stimmen überein, wenn Sie zu den Äußerungen 1 und 3 angekreuzt haben, dass der Sprecher die Verantwortung für seine Gefühle übernommen hat. Um seine Bedürfnisse oder Gedanken auszudrücken, die seinen Gefühlen zugrunde liegen, hätte der Sprecher in Aussage 2 beispielsweise sagen sollen: „Hin und 120 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung wieder, wenn jemand so kleine Bemerkungen wie … fallen lässt, fühle ich mich verletzt, weil ich gerne anerkannt und akzeptiert werden möchte.“ In Aussage 4 wird eine Feststellung ausgedrückt, der zufolge allein das Verhalten des anderen dafür verantwortlich ist, dass sich der Sprecher verärgert fühlt. Die Bedürfnisse oder die Gedanken des Sprechers, die zu seinen Gefühlen beitragen, werden jedoch nicht offengelegt. Dies wäre geschehen, wenn der Sprecher sagte: „Wenn Sie den Besprechungsraum unaufgeräumt verlassen, bin ich verärgert, weil mir gegenseitige Unterstützung und Respekt wichtig sind.“ Auch Aussage 5 hätte anders lauten sollen, um Bedürfnisse und Gedanken, die hinter den Gefühlen liegen, auszudrücken: „Wenn Du Dich in jedem zweiten Teammeeting kurzfristig entschuldigst, bin ich frustriert, weil ich gehofft hatte, von Dir Unterstützung zu erfahren.“ Bei der vierten Komponente der gewaltfreien Kommunikation geht es darum, an die drei vorherigen anzuknüpfen und eine Bitte in klarer, positiver, konkreter Handlungssprache so zu formulieren, das zutage tritt, was wir wirklich wollen. Dabei sind vage, abstrakte oder zweideutige Formulierungen möglichst zu vermeiden. Zudem benutzen wir eine positive Handlungsansprache, um genau das zu sagen, was wir wollen und nicht das auszudrücken, was wir nicht wollen. Statt „Bitte, machen Sie nicht so lange Mittagspause“ formulieren wir klar und eindeutig „Bitte seien Sie um 13 Uhr wieder da“ und erbitten konkret beobachtbares Verhalten, z. B. statt „Hör mir doch endlich mal zu“ sagen wir „Kannst du mir bitte sagen, was Du verstanden hast“. Und, last but not least, wir eröffnen dem anderen die Möglichkeit, auch „Nein“ sagen zu dürfen. Wollen wir beispielsweise, dass unser Gegenüber, sich mit mehr Zeit in ein gemeinsames Projekt einbringt, bitten wir konkret: „Können wir uns einmal pro … (Zeiteinheit X) zusammensetzen, um … (Y zu tun)? Einverstanden? “ Statt zu äußern „Ich möchte nicht, dass Du in dieser Lautstärke mit mir sprichst“ erbitten wir konkret in der gewünschten Lautstärke: „Könntest Du bitte in dieser Lautstärke mit mir sprechen? “ Nutzen Sie die Übung in Tab. 27, um anhand der dort aufgeführten Aussagen zu entscheiden, ob der Sprecher konkret darum bittet, dass eine vorgeschlagene Handlung ausgeführt wird. Aussage Konkrete Bitte? 1. Butter bei die Fische, sei bitte ehrlich zu mir im Hinblick auf die gestrige Präsentation. - 2. Ich möchte, dass Du mich verstehst. - 3. Bitte nenn‘ mir eine Sache, die ich angegangen bin und die Du schätzt. - 4.1 Kooperative Konfliktbewältigung 121 Aussage Konkrete Bitte? 4. Bitte respektiere meine Privatsphäre. - 5. Es wäre mir lieb, wenn Du nicht schneller als erlaubt fährst. - Tab. 27: Bitten aussprechen Wir stimmen überein, wenn Sie die Aussagen 3 und 5 als solche erkannt haben, in denen der Sprecher eindeutig darum bittet, dass eine bestimmte Handlung ausgeführt wird. Demgegenüber wird in Aussage 1 mit „ehrlich zu mir“ nicht so eindeutig um eine machbare Handlung gebeten wie beispielsweise bei einer Bitte wie: „Bitte sage mir, welches meiner Statements Du eher kritisch siehst und was ich hätte besser machen können“. Da in Aussage 2 mit „verstehst“ nicht eindeutig um eine machbare Handlung gebeten, wäre alternativ zu for‐ mulieren: „Ich möchte Dich bitten, mir zu sagen, was Du meinen Ausführungen entnommen hast.“ Auch in Aussage 4 wird nach meinem Dafürhalten mit „meine Privatsphäre akzeptieren“ nicht eindeutig um eine machbare Handlung gebeten. Alternativ dazu könnte beispielsweise gesagt werden: „Ich möchte gerne Deine Zustimmung dafür, dass Du an meine Bürotür klopfst, bevor Du eintrittst.“ Fassen wir unsere Erörterungen zu den Komponenten der gewaltfreien Kom‐ munikation Wahrnehmung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte zusammen, resultiert nach Rosenberg die Erfolgsformel: Wenn a (Wahrnehmung), dann fühle ich mich b (Gefühl), weil ich c (Be‐ dürfnis) brauche. Deshalb möchte ich gerne d (Bitte). Bringen wir das Modell der gewaltfreien Kommunikation auf den Punkt, ermöglicht es insofern eine wertschätzende Kommunikation, als es hilft, sich dem anderen zu öffnen, ihm mit realistischen Vorschlägen entgegenzukommen und somit Vertrauen aufzubauen. Der Transfer des Modells in die Praxis in der Technik ermöglicht, dass Konfliktbeteiligte dort in ihren Bedürfnissen gehört, verstanden und ernst genommen werden. Sie können frei entscheiden, wie sie auf eine Bitte reagieren und ihrem Gegenüber ohne Bewertung und Kritik signalisieren, was ihr Anliegen ist, indem sie auf eine Bitte selbst wieder mit einem Gefühl, einem Bedürfnis und einer eigenen Bitte reagieren: „Wenn ich Dich das sagen höre (Wahrnehmung) … fühle ich mich betroffen (oder sonstwie) … weil ich mir wünsche, dass ich ernst genommen werde (oder was auch immer) und deshalb hätte ich gerne, dass Du sagst, was genau Dich irritiert 122 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung oder ärgert (oder was auch immer).“ Zudem bietet das Modell der GfK die Möglichkeit zur empathischen Vermutung, um Vertrauen zu bilden, indem dem Gegenüber signalisier wird, wie weiter oben bereits ausgeführt, dass sein Bedürfnis gehört, sich bemüht wird, es zu verstehen und ausgedrückt wird, dass es ernst genommen wird, getreu den beiden Steps „Bist Du + Gefühl“ und „Weil Du + Bedürfnis brauchst“. Wenn zudem Chancen, den anderen über den Tisch zu ziehen, nicht bewusst genutzt worden sind, ihm aber signalisiert worden ist, dass die Möglichkeit dazu bestanden hätte und sichergestellt worden ist, dass die eigenen Motive und Absichten nicht als Täuschung eingesetzt worden sind, sollte zur nächsten Phase im Kreislauf der kooperativen Konfliktbewältigung übergegangen werden: C. Offen kommunizieren. Der Einstieg in die Phase der offenen Kommunikation wird erleichtert, wenn es gelingt, dem Gegenüber aufrichtiges Interesse entgegenzubringen. Unabding‐ bare Voraussetzung hierfür ist neben einem angemessenen Blickkontakt die innerliche und äußerliche Zuwendung zum Partner durch gut getimtes Spiegeln. In dieser Hinsicht wird im Neuro-Linguistischen Programmieren (NLP) von Pacen gesprochen, einem Vorgehen, in dem eine Angleichung zum sprachlichen und/ oder nichtsprachlichen Ausdruck, sowie den Verhaltensweisen des Gegenübers vollzogen wird, um das bewusst herzustellen, was im NLP Rapport genannt wird. Auf der nonverbalen Ebene können Haltung, Atemrhythmus, Mimik, Gestik und Sprechtempo gespiegelt werden. Um erst gar nicht ein Gefühl des Nachäffens aufkommen zu lassen, sollte man dabei, statt das Gegenüber stupide zu kopieren, eher behutsam vorgehen. Auf der verbalen Ebene bedeutet Pacen, sich in der Darstellung an der Ausdrucksweise des Gegenübers anzugleichen. Bei Techni‐ kern als Gesprächspartnern empfiehlt es sich, häufig Prädikate und Adjektive aus dem visuellen Wahrnehmungsbereich zu nutzen, weil sie es gewohnt sind, über Zeichnungen, Vorstellungen und Bilder zu kommunizieren. Von Vorteil ist auch eine Platzierung des Gesprächspartners rechts oder links von der eigenen Position, um so die Möglichkeit zu schaffen, auf einem bereitgelegten Block schnell die eine oder andere Skizze so auszuführen, dass ihr Entwurf von beiden gleichermaßen verfolgt werden kann, ohne über Kopf schauen zu müssen. Zudem wird durch eine solche 90°-Platzierung dokumentiert, dass man nicht konfrontativ, sondern kooperativ miteinander kommunizieren möchte. Nebenher wird auf diese Weise auch die Gefahr minimiert, dass das Pacen als Nachäffen empfunden wird. Alles in allem wird so durch den bewusst vollzogenen Rapport eine Atmosphäre ermöglicht, in der persönliche Akzeptanz geschaffen und ein übergreifendes Vertrauensverhältnis aufgebaut wird. Zudem 4.1 Kooperative Konfliktbewältigung 123 ermöglicht das Pacen auch, sich besser in das Gegenüber einzufühlen, denn durch das Spiegeln, insbesondere der Körpersprache, verdeutlicht sich, in welcher Stimmungslage einem andere gegenübertreten. Nachdem so eine gute Grundlage für ein entspanntes Gesprächsklima ge‐ schaffen worden ist, sollte dem Konfliktpartner verdeutlicht werden, dass er und seine Argumentation ernstgenommen werden. Voll auf den Anderen konzen‐ triert, sollte angestrebt werden, alles Verbale und Nonverbale wahrzunehmen sowie ihm durch Verständnisfragen zu signalisieren, dass ihm gut zugehört worden ist. Wer sorgfältig zuhört, orientiert sich dabei an den zehn Geboten guten Zuhörens und ihrer Erläuterung in Tab. 28. Gebot Erläuterung 1. Nicht sprechen! Man kann nicht zuhören, wenn man spricht. 2. Den Gesprächspartner entspannen! Zeigen Sie ihm, dass er frei sprechen kann. Schaffen Sie eine „erlaubende“ Um‐ gebung. 3. Zeigen Sie, dass Sie zuhören wollen! Zeigen Sie Interesse. Lesen Sie z.-B. wäh‐ rend des Gespräches nicht in Ihren Un‐ terlagen. Man muss zuhören, um zu ver‐ stehen und nicht um zu opponieren. 4. Halten Sie Ablenkung fern! Zeichnen Sie z.-B. keine Kritzeleien, sta‐ peln oder durchblättern Sie keine Papiere. Achten Sie darauf, Störungen von Außen fernzuhalten. 5. Stellen Sie sich auf den Partner ein! Versuchen Sie, sich in seine Situation zu versetzen, damit Sie seinen Standpunkt verstehen. Pacen Sie, um bewusst Rapport herzustellen. 6. Geduld! Nehmen Sie sich Zeit. Unterbrechen Sie nicht. Seien Sie nicht auf dem Sprung. 7. Beherrschen Sie sich! Wenn Sie sich ärgern, laufen Sie Gefahr, die Worte Ihres Gesprächspartners falsch zu verstehen. 8. Halten Sie Balance! Lassen Sie sich durch Vorwürfe und Kritik nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Das bringt Ihren Gesprächspartner in Zugzwang. Streiten Sie nicht. Auch wenn Sie gewinnen, haben Sie verloren. Orien‐ tieren Sie sich stattdessen an der Erfolgs‐ formel der gewaltfreien Kommunikation. 124 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung Gebot Erläuterung 9. Fragen Sie! Das ermutigt Ihren Partner und demons‐ triert Ihr Interesse. Es kann das Gespräch vertiefen. 10. Nicht sprechen! Dies ist das erste und letzte Gebot und alle anderen hängen davon ab. Man kann nicht gut zuhören, solange man selbst spricht. Tab. 28: Zehn Gebote guten Zuhörens Des Weiteren sollten Sie sich bisheriger Ergebnisse durch Zusammenfassen vergewissern. Nutzen Sie dabei auch das Aktive Zuhören. Beim Aktiven Zuhören geht es darum, dem Gegenüber verbal vor Augen zu führen, wie er verstanden worden ist: „Wenn ich Deine Ausführungen zu X richtig verstanden habe, meinst Du Y. Stimmt das so? … Ok, dann lass uns festhalten, dass wir …“. Beachten Sie dabei Details und halten das Zusammengefasste schriftlich, für den Konfliktbeteiligten einsehbar, beispielsweise gleich auf ihrem Laptop, fest. Sollte die offene Kommunikation beispielsweise durch Ja-Aber-Spiele gefährdet werden, scheuen Sie sich nicht, dies konkret anzusprechen und gemeinsam nach Möglichkeiten zur Abhilfe zu suchen. Dabei kann es durchaus auch hilfreich sein, humorvolle Gesten und lockere Bemerkungen einzuflechten. Nach Reali‐ sierung der unterstützenden Anmerkungen zur Phase „Offen kommunizieren“ kann die nächste Phase angegangen werden: D. Problem lösen. In dieser Hinsicht sei noch einmal auf die vier Prinzipien zum Harvard-Konzept hingewiesen (vergleiche diesbezüglich die ausführlichen Erörterungen unter Punkt 2.5), die dabei unterstützen, Mussziele von den Wunschzielen jeder Seite zu trennen, in Tausch und Gegentausch einzutreten und dabei das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen zu lassen: 1. Mensch und Problem getrennt voneinander behandeln, 2. Nicht Positionen, sondern Motive klären und Bedürfnisse verhandeln, 3. Verschiedene Optionen entwickeln, 4. objektive Beurteilungskriterien nutzen. Ergänzend sind im Hinblick auf bedeutsame Aspekte zur Kommunikation im Problemlöseprozess in Tab. 29 Orientierungshilfen dargestellt. 4.1 Kooperative Konfliktbewältigung 125 Aspekt - nach Möglichkeit … Orientierungshilfe Nicht widersprechen • Auf Einwände weich eingehen • Selbstbeherrschung • Die andere Sicht des Partners er‐ kennen und anerkennen • Verständnis für das Gegenargument zeigen Prestige-Diskussion vermeiden • Nicht glänzen wollen • Nicht das eigene Recht hervorkehren • Bescheiden bleiben • Weder fachlich noch moralisch schul‐ meistern Gleichgewicht im Gespräch schaffen • Jeder soll sich frei äußern können • Nicht monologisieren • Immer Dialog anstreben • Auf ausgeglichenes Verhältnis der Sprechmengen achten • Pro- und Contra-Argumente gut ver‐ teilen Nicht nur behaupten, sondern erläutern • Aussagen begründen • Erklären • Den Partner gedanklich zum Ziel hin‐ führen • Mit Beispielen verdeutlichen • Möglichst Fragen begründen Das „Ich“ im anderen schaffen • Das Selbstwertgefühl des Partners nicht verletzen • Angemessen bestätigen • Immer den Eindruck vermitteln: „Ich nehme Dich und Deine Aussage ernst“ Tab. 29: Aspekte zur Kommunikation im Problemlösungsprozess Wegen der Bedeutung im Problemlöseprozess sei an dieser Stelle das Thema Einwandbehandlung besonders herausgestellt. Einwände des Konfliktbeteiligten heißen noch lange nicht, dass er sich nicht überzeugen lassen will. Sie beweisen vielmehr, dass es noch nicht gelungen ist, ihn zu überzeugen. Sie haben noch nicht so viel Beweise und Tatsachen vorgebracht, dass er zufriedenge‐ stellt ist. Einwände zu meistern, ist im Grunde das Problem der geplanten Schlagfertigkeit. Diese lässt sich kaum durch Forschheit ersetzen. Gerade die Schlagfertigkeit gilt vielen als selbstverständliche Eigenschaft im Kontakt zu anderen. Das ist sie aber nicht! Schlagfertigkeit ist eine besondere Gabe, ein Talent, das aus innerer Sicherheit, Intuition und Fantasie geboren ist, gepaart mit Sprachgewandtheit in gelöster Atmosphäre, die nur wenigen gegeben ist. 126 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung Der einzige gangbare Weg zu einem Mehr an Schlagfertigkeit besteht darin, sich auf Einwände planmäßig vorzubereiten. Dies ist ein durchaus realistisches Unterfangen, denn die Zahl der stereotyp immer wiederkehrenden Einwände von Konfliktbeteiligten ist begrenzt. Sie hören sie immer wieder, kennen sie genau. Indem Sie sich nicht auf Improvisationen verlassen und vermeiden zu denken, dass Ihnen schon etwas einfallen wird, legen Sie den Grundstein für ein Mehr an Schlagfertigkeit in immer wiederkehrenden Gesprächssituationen. Lassen Sie sich daher von Abb. 37 zu einer Übung anregen. Abb. 37: Übung zur geplanten Schlagfertigkeit Neben der Einwandbehandlung ist es auch wichtig, sich im Hinblick auf seine Argumente zu überlegen, welchen Nutzen oder welche Vorteile Konfliktbetei‐ ligte haben, wenn sie sich auf ihre Argumentation einlassen. Um dem Gebot der humorvollen und lockeren Vorgehensweise zu entsprechen, lassen wir das Strichmännchen in Abb. 37 Ihnen diesbezüglich den Schlüssel zum Erfolg zeigen. 4.1 Kooperative Konfliktbewältigung 127 Abb. 38: Nutzen bieten Fragen Sie sich, was Ihr Konfliktpartner davon hat, wenn er sich auf Ihr Argument einlässt und verpacken Sie es in eine Sie-Ansprache, indem Sie Formulierungen nutzen wie „Durch X gewinnen Sie …“, „Y unterstützt Sie …“ oder „Mit Z erreichen Sie …“ und verknüpfen Sie so Ihr Argument mit einem Vorteil ihres Gegenübers oder einem beiderseitigen Nutzen „Durch … schaffen wir gemeinsam, dass …“. Wichtig dabei ist, dass Sie sich in den anderen hineinversetzen und sich vor Augen führen, worin er und nicht Sie selbst einen Nutzen sehen könnte, gemäß der Formel: Argument + Sie-Ansprache + Vorteil für den/ die Konfliktbeteiligten Erörtern Sie zudem gemeinsam mit Ihrem Konfliktpartner, welches Risiko besteht, wenn es zu keiner Einigung kommt. Sollte er anders als Sie kein Problem sehen, gilt der Hinweis unseres Strichmännchens in Abb. 38. 128 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung Abb. 39: Problembewusstsein vermitteln Bei Realisierung der Tipps zum Problemlösevorgehen gehen Sie gut gewappnet in die nächste Phase des Kreislaufs zur kooperativen Konfliktbewältigung: E. Vereinbarung treffen. In dieser Hinsicht ist es erforderlich, einerseits schon kleine Ergebnisse als Erfolge zu verbuchen und andererseits sich nicht mit vorschnellen Ergebnissen zufrieden zu geben. Auch sollte reflektiert werden, inwieweit es gelungen ist, über den eigenen Schatten zu springen und sich genügend mit der Sicht des Konfliktpartners auseinandergesetzt und seine Interessenlage geklärt zu haben. Unser Strichmännchen in Abb. 40 bringt es lapidar auf den Punkt. 4.1 Kooperative Konfliktbewältigung 129 Abb. 40: Interessenlage klären Jede kooperative Konfliktbewältigung steht und fällt damit, ob es gelingt, sich, bildlich gesprochen, auf den Stuhl des Anderen zu setzen und von dort aus seine eigene Argumentation offen, partnerorientiert und zielgerichtet zu führen, um so eine gemeinsame Lösung anzustreben. Diese sollte mit der Checkliste in Tab. 30 geprüft werden, bevor die Vereinbarung festgezurrt wird. Kontrollfrage Ja? Nein? Richtet sich die Vereinbarung oder Regelung gegen zentrale Inter‐ essen oder grundlegende Vorstellungen eines Konfliktbeteiligten? - - Besteht ein genügend hohes Maß an Vertrauen zwischen den Konfliktbeteiligten? - - Sind die Vereinbarungen klar, eindeutig und wiederspruchsfrei formuliert? - - Sind die Vereinbarungen auch anderen mittelbar Betroffenen be‐ kannt? - - Ist festgelegt, was jede Seite zu tun oder zu unterlassen hat? - - Sind Sanktionen erwogen worden, falls die Vereinbarungen nicht eingehalten werden? - - Wird die Beachtung der Regeln durch eine ungehinderte und störungsfreie Arbeitsbeziehung belohnt? - - Tab. 30: Checkliste zur Prüfung von angestrebten Vereinbarungen 130 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung Es besteht Handlungsbedarf, wenn Fragen mit „Nein“ beantwortet worden sind. In dem Fall empfiehlt sich ein erneuter Einstieg in den Kreislauf zur koopera‐ tiven Konfliktbewältigung. Lassen sich alle Fragen mit „Ja“ beantworten, geht es in die letzte Phase des Kreislaufes: F. Persönlich verarbeiten. Selbst wenn eine für beide Seiten eigentlich akzeptable Lösung auf der zwi‐ schenmenschlichen Ebene gefunden worden ist, bedeutet das noch nicht, dass die gefundene Konfliktlösung von jedem Konfliktbeteiligten auch innerlich als abgeschlossen betrachtet wird. Je nachdem wie das vorangegangene Konflikt‐ geschehen von dem einen oder anderen erlebt worden ist, schwingen noch Dinge mit, die es weiterhin erschweren innerlich zur Vereinbarung „Ja“ zu sagen. Es fällt beispielsweise schwer, mit den erlittenen Enttäuschungen fertig zu werden und es gelingt auch nicht so recht, Rachegefühle zu verbannen. Möglicherweise gibt es da auch ein Gefühl, sich doch zu sehr nach der Decke gestreckt zu haben, jetzt wo das Konfliktbewältigungsgespräch mit einem zeitlichen Abstand noch einmal betrachtet wird. Wie auch immer - erst wenn die persönliche Verarbeitung abgeschlossen worden ist, kann auch der Kreislauf zur kooperativen Konfliktbewältigung als erfolgreich beendet betrachtet werden. Ansonsten ist ein erneuter Einstieg in die Phasen zur Konfliktbewältigung erforderlich, um eine vertiefende Konflikteskalation einzudämmen und besten‐ falls zu vermeiden, die ihren Ursprung in der Verstimmung oder Verärgerung über das vermeintlich erlittene Unrecht im vorangegangen Konfliktgeschehen hat, das nach wie vor mitschwingt und den betrieblichen Alltag in der Technik belastet. Ohne erneute Intervention entstehen stets aufs Neue kritische Situationen, in deren Verlauf die Argumente der einen Seite von der anderen immer weniger akzeptiert werden. Es wird zunehmend in Frage gestellt, was der andere sagt. Gegenseitige Unterstellungen prägen die Diskussion, in der mehr und mehr Emotionen ins Spiel kommen. Die Situation eskaliert, sobald sich ein Konfliktbeteiligter beleidigt oder herabgesetzt fühlt. Es resultieren Gefühle der Wut, des Ärgers und/ oder der Empörung, die die Energie dazu liefern, stark engagiert daran zu arbeiten, dem Gegner zu schaden und zu isolieren. Die Kommunikation wird im Prinzip abgebrochen und der rationalen Kontrolle entzogen. Beide Seiten nehmen nur noch äußerst selektiert wahr. Sie regis‐ trieren nur noch das, was in ihr Bild, ihr Vorurteil über den Konfliktgegner passt. Der Konflikt verhärtet sich. Das Verhältnis der Konfliktparteien kühlt deutlich ab und chronifiziert sich zu einem kalten Konflikt. Die Konstanz dieses Zustands, insbesondere die mangelnde Kommunikation und Kooperation 4.1 Kooperative Konfliktbewältigung 131 zwischen den Konfliktparteien erzeugt enorme Reibungsverluste und kostet unerhört viel Zeit, Geld und Nerven auf jeder Seite. Im weiteren Verlauf kann der kalte Konflikt zu einem heißen Konflikt eskalieren, zur gezielten aggressiven Auseinandersetzung. Zur Bearbeitung von eskalierenden Konfliktsituationen der geschilderten Art eignen sich die in Tab. 31 vorgestellten Möglichkeiten: Prophylaxe, Moderation, Mediation und Machtwort. Möglichkeit Hinweise zur Methode Prophylaxe Wir werden nie in einer konfliktfreien Welt leben und sollten es auch nicht. Schließlich lassen sich Konflikte als Chancen zu Optimierung begreifen. Von daher benötigen wir Sensoren, um Konflikte möglichst früh wahrzunehmen und ihre Eskalation zu verhindern. Moderation Konfliktmanager = Moderator = prozessverantwortlicher Be‐ rater. Die Lösungen des Konflikts müssen die Betroffenen selbst finden. Mediation Klassisches Schlichtungsverfahren (z.-B. Tarifverhandlung), in dem der Konfliktmanager = Mediator = Konfliktvermittler ak‐ tiver als ein Moderator agiert und eigene Lösungsvorstellungen in die Gespräche mit den Konfliktbeteiligten einbringt und zur Diskussion stellt. Machtwort Wenn die Konfliktbeteiligten selbst keine Möglichkeiten mehr zur Konfliktbewältigung finden und auch kein Schlichtungs‐ verfahren mehr hilft, wird ihnen in der Regel eine Lösung vorgeschrieben. Diese kann auch von dem einen oder anderen Konfliktbeteiligten als Strafe angesehen werden. Selbstverständ‐ lich funktioniert das Machtwort nur, wenn der, der es spricht, auch tatsächlich Macht über die Konfliktbeteiligten hat und in der Lage ist, es durchzusetzen. Tab. 31: Methoden zur Bearbeitung eskalierender Konfliktsituationen Nach meinem Dafürhalten sollte das Machtwort nur als letzte aller Möglich‐ keiten in Betracht gezogen werden, zumal die Gefahr besteht, dass die Betrof‐ fenen viel Energie und Kreativität dafür einsetzen werden, es in irgendeiner Weise zu umgehen. Stattdessen sollte nach einem gescheiterten Kreislauf zur kooperativen Konfliktbewältigung die bereits prophylaktisch ausgebildeten Sensoren zur Registrierung sich entwickelnder kalter und heißer Konflikte als Warnsignale genutzt werden, um möglichst frühzeitig mit einer Konflikt‐ moderation oder einer Mediation zu beginnen. In Tab. 32 sind Merkmale gelistet, die kalte Konflikte kennzeichnen und Ansatzpunkte für Moderatoren oder Mediatoren benannt, in Tab. 33 Merkmale und Ansatzpunkte zu heißen Konflikten. 132 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung Merkmale kalter Konflikte Ansatzpunkte • Voneinander enttäuschte und desillu‐ sionierte Konfliktbeteiligte • zweifeln an sich selbst, • haben den Glauben an eine Konfliktlö‐ sung verloren, • behindern und blockieren sich, wo sie nur können, • äußern sich sarkastisch und zynisch über die andere Seite, • empfinden tiefe Aversionen gegenein‐ ander, • gehen einem direkten Kontakt aus dem Weg und ziehen sich auf unpersönliche Formalien, Regeln und Dienstwege zu‐ rück. • Zuerst die Parteien befähigen, den Konflikt miteinander auszutragen: dazu muss ihr Selbstwertgefühl ge‐ stärkt werden. Direkte Konfrontation oder Datenrückkopplung rufen zu Be‐ ginn massive Abwehr und Ablehnung hervor. • Zukunftsszenarien entwickeln lassen, um die Parteien anzustoßen, die Verantwortung für die Folgen des (Nicht-)Handelns zu übernehmen. • Umgehungs- und Vermeidungsproze‐ duren direktiv abändern, um den Gang zur Isolierung und den gewohnten Rückzug zu unterbinden. Tab. 32: Kalte Konflikte Merkmale heißer Konflikte Ansatzpunkte • Überhitzte Parteien • erhitzen sich für ihre Ziele, • dünken sich überlegen, • suchen die direkte Konfrontation, • wollen die andere Seite partout be‐ zwingen, • empfinden Regeln und Prozeduren als hinderlich, • explodieren im Kontakt miteinander und • suchen Anhänger zu gewinnen. • Zuerst die persönlichen Beziehungen klären, weil der Konflikt hochgradig personalisiert ist. • Sind die Parteien bereit zu offener Aus‐ sprache und Überprüfung ihrer Stand‐ punkte und Meinungen, möchten sie in dieser Phase ungern über externe Bedingungen sprechen. • Erst später sind die Parteien bereit, auf organisatorische Aspekte und Rah‐ menbedingungen einzugehen. Tab. 33: Heiße Konflikte Um erfolgreich an den in Tab. 32 und 33 aufgeführten Ansatzpunkten anzu‐ knüpfen sollten sowohl Führungskräfte, die intern als Konfliktmoderatoren hinzugezogen werden, als auch bestellte externe Konfliktmanager sich an den Anforderungen an Konfliktmoderatoren messen lassen, sich an die Regeln zur Durchführung einer Konfliktmoderation orientieren und den Fahrplan zur Konfliktmoderation einhalten. 4.1 Kooperative Konfliktbewältigung 133 4.2 Konfliktmoderation Das aus dem Lateinischen „moderari“ abgeleitete „moderieren“ bedeutet in erster Linie „mäßigen“, hat aber auch die Facetten „beherrschen; leiten; lenken“, dementsprechend ist der Moderator ein Mäßiger, Lenker, Handhaber. Umgangs‐ sprachlich denken wir bei der Verwendung der Bezeichnung an einen Rund‐ funk- oder TV-Redakteur. Dementsprechend verstehen wir in diesem Kontext unter einem Moderator jemanden, der eine Sendung mit einleitenden und ver‐ bindenden Sätzen versieht. Einen Moderator gibt es auch in der Kernphysik, wo er den Stoff bezeichnet, der Neutronen mit hoher Energie abbremst. Sowohl aus der Wortherleitung als auch aus der Analogie lassen sich die wichtigsten Attri‐ bute für einen Moderator ableiten, der im zwischenmenschlichen Bereich tätig ist. Demnach sollten moderierende Personen eher gemäßigt, bescheiden und keinesfalls aufdringlich, machtvoll oder beherrschend sein, sondern mehr im Hintergrund agieren. Im Vordergrund geht es darum, bei der Moderation einer Gruppe von Konfliktbeteiligten für Klarheit zu sorgen, Zusammenhängendes zu verbinden und zwischen den Arbeitsschritten überzuleiten. Moderatoren leisten Hilfe für andere und haben insofern eine Art Hebammenfunktion als Dienstleister für die Gruppe. Sie verstehen sich als Prozessbegleiter. Im Hinblick auf die Moderation von Konflikten resultiert daraus, dass den Konfliktbetei‐ ligten keine inhaltlichen Lösungswege aufgezeigt werden. Stattdessen werden sie dabei unterstützt, eigene Erklärungen und Möglichkeiten zur Bewältigung des Konflikts zu finden. Auf den Punkt gebracht kommt es bei der Konflikt‐ moderation nicht darauf an, wer zuerst eine Problemlösung entwickelt oder wer seine Vorstellungen am nachdrücklichsten vertreten kann, sondern darauf, dass die Gruppe gemeinsam das Konfliktgeschehen bearbeitet. Die Erfahrung zeigt, dass sich komplexe Anforderungen wie die Bewältigung eskalierender kalter oder heißer Konflikte meist nur durch Gemeinschaftsleitungen optimal bewältigen lassen. Abgesehen von wenigen Ausnahmen erreichen Gruppen mehr als einzelne Experten („Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“), wenn jeder sich bereitwillig in den Konfliktlösungsprozess einfügt. Im Kern geht es darum, die Konfliktbeteiligten dazu zu unterstützen, ● ihre Sicht der Dinge einbringen zu können, ● eine Wir-Haltung zu entwickeln, ● sich mit positiver Einstellung an der Konfliktbewältigung zu beteiligen, ● Geduld zu zeigen, ● systematisch vorzugehen und ● ihr Fachwissen einzubringen. 134 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung 4.2.1 Anforderungen an Moderatoren Ob es gelingt, einen konstruktiven Konfliktbewältigungsprozess in Gang zu setzen, hängt in entscheidendem Maße davon ab, ob Moderatoren folgenden Anforderungen an ihre Rolle gerecht werden: ● Starkes Engagement ● Durchhaltevermögen ● Positive Einstellung zur Leistung der Konfliktbeteiligten ● Fähigkeit zum systematischen Vorgehen ● Sprachliche Ausdrucksfähigkeit ● Fachkompetenz und Fähigkeit zur Selbstkritik ● Persönliche Autorität Moderatoren verfügen genau dann über ein angemessen starkes Engagement, wenn sie darauf achten, extreme Einstellungen zu vermeiden. So sollten sie nicht übermotiviert, d. h. kritiklos, fanatisch und ohne Widerspruch zu dulden ans Werk gehen. Es gibt weder für die Führung einer Gruppe noch für die Lösung der anstehenden Problemstellungen Patentrezepte - zu radikales Vorgehen bei der Ein- und Durchführung von Konfliktmoderationen provoziert Widerstand und Widerspruch. Konfliktmoderatoren sollten vor allem in der Einführungsphase darauf achten, skeptischen Einstellungen im Hinblick auf die Erfolgsaussichten der Arbeit offen und partnerschaftlich zu begegnen. Es gilt Zweifeln, kritischen Fragen und Einwänden standzuhalten, überzeugend zu argumentieren und dabei die Probleme der anderen ernst zu nehmen und sich fair mit ihnen auseinanderzusetzen. Schließlich signalisieren die Einwände Interesse - solange jemand sich kritisch mit der Arbeit auseinandersetzt, beschäftigt er sich damit. Skeptiker bieten über ihr bekundetes Interesse an, sie im partnerschaftlichen Gespräch zu überzeugen. Diese Chance muss als solche erkannt und zur Vertiefung des kooperativen Miteinanders im Konfliktlösungsprozess genutzt werden. Bei der Implementierung von Veränderungsprozessen wird es beinahe zwangsläufig nach der ersten Begeisterung zu zeitweiligen Rückschlägen kommen. Dies liegt in der Natur der Sache - schließlich müssen viele Men‐ schen ihr Miteinander regeln, sich aufeinander einstimmen, nicht nur ihr berufliches, sondern auch ihr soziales Handeln reflektieren und sich aus überkommenen Positionen lösen, um gemeinschaftlich neue Wege zu finden und einzuschlagen: Frustrationen sind beinahe vorprogrammiert. Hier ist ins‐ besondere das Durchhaltevermögen des Konfliktmoderators gefragt, indem er bei der Konfliktbearbeitung Frustrationen so verarbeitet, dass sie ihm dazu verhelfen, den Konfliktlösungsprozess zu optimieren - Rückschläge sind keine 4.2 Konfliktmoderation 135 Niederlagen, sondern Wegweiser für die zukünftige Arbeit und zugleich Anker, um neue Sichtweisen zu erschließen. So gesehen sind sie sogar Kraftquelle für die weitere Zusammenarbeit. Sowohl beim Analysieren von Problemen als auch bei der Lösung be‐ gegnen Konfliktmoderatoren den Konfliktbeteiligten partnerschaftlich und aufgeschlossen. Mit einer positiven Einstellung zur Leistung der Konfliktbetei‐ ligten sichern sie diese durch die Wahl geeigneter Methoden und Techniken. Selbstkritisch sollten sie davon ausgehen, dass sie von den Konfliktbeteiligten eher autoritärer wahrgenommen werden als sie selbst glauben. Dies bedeutet jedoch keineswegs den Verzicht auf die Führung der Gruppe - diese muss geführt werden, jedoch partnerschaftlich und verantwortungsbewusst ohne Manipulationsversuche. Um systematisch Konfliktmanagement zu betreiben, sind logisches Denken und die Fähigkeit zum systematischen Vorgehen Grundvoraussetzungen. Es gilt, eine klare Linie zu halten ohne in bevormundendes, starres Vorgehen zu verfallen oder unsystematisch und oberflächlich Problemstellungen zu bear‐ beiten. Kreativität und Einfallsreichtum der Konfliktbeteiligten werden sonst blockiert. Konfliktmoderatoren sollte zudem in der Lage sein, einen Tatbestand verständlich, klar, präzise und eindeutig auszudrücken, kurz gesagt über eine gute sprachliche Ausdrucksfähigkeit verfügen. Schließlich wird diese Fähigkeit in der Gruppe der Konfliktbeteiligen immer wieder abgefordert, zum Beispiel, wenn ● Konfliktbeteiligte sich sprachlich nicht deutlich genug ausdrücken können. Hier sollten sich Moderatoren in deren Gedankenwelt einfühlen und in ihrem Sinn für alle neu und verständlich formulieren. ● es innerhalb der Gruppe der Konfliktbeteiligten unterschiedliche Mei‐ nungen zu dem einen oder anderen Thema gibt. Hier gilt es, eine für alle akzeptable Kompromisslösung zu finden und überzeugend vorzutragen. ● die erarbeiteten Lösungsansätze schriftlich protokolliert und in einen Maßnahmenkatalog übertragen werden müssen. Hier müssen eindeutige Formulierungen gefunden werden, so dass der Text auch im Nachhinein ohne weitere Erklärung verstanden werden kann. Fachkompetenz und Fähigkeit zur Selbstkritik sind insbesondere dann gefragt, wenn Führungskräfte in ihrer Rolle als Moderatoren selbst Experten auf einem Gebiet sind, das kontrovers von den Konfliktbeteiligten behandelt wird. Es kann zu Unstimmigkeiten führen, wenn es dem einen oder anderen Kon‐ fliktbeteiligten an dem nötigen Hintergrundwissen fehlt. Hier muss darauf geachtet werden, Wissenslücken sachorientiert zu schließen, damit alle die 136 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung zur Problemlösung nötigen Vorkenntnisse besitzen. Unstimmigkeiten können auch dann entstehen, wenn Konfliktbeteiligte ausgewiesene Spezialisten sind und es den moderierenden Führungskräften bei den behandelten Streitpunkten an Fachwissen fehlt. In diesem Fall sollten sie selbstbewusst ihr Nichtwissen eingestehen und ihre Partner bitten, ihre fachliche Kompetenz der Gruppe zur Verfügung zu stellen. In jedem Fall liegt der Schlüssel zur erfolgreichen Arbeit nicht im besserwisserischen oder belehrenden Tun, sondern im kooperativen Miteinander. Gleich ob als Vorgesetzter oder als Kollege der gleichen Hierarchiestufe - Führungskräfte werden sich als Konfliktmoderatoren in ihrem Unternehmen profilieren können, wenn es ihnen gelingt, Gemeinschaftsleistungen zu erzielen. Hierzu ist persönliche Autorität mehr gefragt als hierarchische. Mit zuneh‐ menden Erfolgen wird persönliche Autorität gefestigt und soziale Kompetenz wachsen. Um souverän aufzutreten, helfen dabei die zehn Gebote für Konflikt‐ moderatoren: 1. Aufmerksamkeit und Interesse sichern, ggf. Atmosphäre entspannen, 2. Diskussion in Gang setzen, 3. Diskussion im Hinblick auf Art und Menge der Beiträge steuern: Alle ermuntern, ihre Meinung zu äußern ohne Antworten zu erzwingen, 4. Aussprache versachlichen: positive Emotionen fördern, negative abbauen, Vorurteile verdeutlichen, persönliche Angriffe zurückweisen und ent‐ schärfen = Eskalationen frühzeitig unterbinden, 5. Helfen, ohne zu tadeln: Meinungen gleichberechtigt würdigen, beim Formulieren unterstützen, Diskussionsbeiträge weder durch Äußerungen noch durch Körpersprache abwerten, 6. Spielregeln benennen und einhalten: Worterteilung flexibel gestalten, so dass spontane Reaktionen möglich bleiben, Nebendiskussionen verhin‐ dern. Behutsamkeit vor Forschheit aber auch Machtwort vor Chaos, 7. Zeit beachten: Straffen und forcieren, 8. Zwischenzusammenfassungen durchführen, präsentieren und visuali‐ sieren, um Ruhe und Abstand herzustellen, 9. Am Ende zusammenfassen und Maßnahmenkatalog vereinbaren, 10. Dank an die Konfliktbeteiligten und ggf. an Fachreferenten. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass eine konsequente Konfliktmo‐ deration als wesentliche Bedingung für optimale Gemeinschaftsleistungen zur Konfliktbewältigung zu betrachten ist. Mit der Konfliktmoderation steht und fällt diese Gemeinschaftsleistung. Unter Moderation werden alle Bemühungen eines oder mehr Menschen verstanden, den Meinungs- und Willensbildungs‐ 4.2 Konfliktmoderation 137 prozess einer Gruppe zu ermöglichen und zu erleichtern, ohne inhaltlich einzugreifen und zu steuern. Konfliktmoderatoren verstehen sich als methodische Helfer, die ihre eigenen Meinungen, Ziele und Wertungen zurückstellen. Sie ● schaffen Atmosphäre, indem sie für geeignete Rahmenbedingungen sorgen, um ein offenes, faires und ehrliches Miteinander zu ermöglichen ● organisieren Kommunikation, sprechen Störungen offen an und versachli‐ chen Konflikte ● entwickeln Spielregeln für den Umgang miteinander ● fördern Informationsaustausch durch Fragen nach Fakten, Bedürfnissen und Interessen ● entschärfen starre Positionen, indem sie Forderungen in Wünsche oder Erwartungen umformulieren ● ermöglichen konstruktive Mitwirkung an der Lösungsfindung ● suchen gemeinsam mit den Teilnehmenden nach Lösungsalternativen ● setzen Problemlösetechniken und Gewinner-Gewinner-Strategien ein und ● stellen Realisierung und Erfolgskontrolle sicher. 4.2.2 Regeln zur Konfliktmoderation Um erfolgreiche Konfliktmoderationen durchzuführen, sollten Konfliktmode‐ ratoren die Regeln zu Konfliktmoderation kennen, beherzigen und umsetzen. 1) Fragen statt sagen Durch Fragen wird Kommunikation in Gang gesetzt. Die Konfliktbeteiligten bringen im Prinzip alles mit, was benötigt wird: Fachkompetenz in Theorie und Praxis, Willen, Kreativität und die Fähigkeit, zu suchen was fehlt und aus allem zu lernen. Konfliktmoderatoren organisieren den Austauschprozess, öffnen Türen und räumen Blockaden aus. Ihre Aufgabe besteht darin, Bedürfnisse, Ziele und Meinungen zu verdeutlichen, auf den Punkt zu bringen und diskutierbar darzustellen. Dabei müssen Unterschiede und Gemeinsamkeiten bewusst wahr‐ genommen werden, um den Rahmen für Lösungsmöglichkeiten abzustecken. Gemeinsames Handeln wird auf der Basis gegenseitigen Vertrauens ermöglicht oder es wird sichtbar, wo die Grenzen gemeinsamen Vorgehens liegen. Den Anstoß dazu geben Konfliktmoderatoren mit ihrer Fragetechnik. Bestimmte Fragen dienen dem Austauschprozess, andere sind ungeeignet, verhindern ihn geradezu. Die Kunst besteht darin, im richtigen Augenblick die richtige Frage zu stellen. Wer fragt, 138 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung ● will etwas wissen, was er noch nicht weiß - daher keine Lehrerfragen, keine Fang- und auch keine Suggestivfragen. ● ist neugierig und will auf die Antworten neugierig machen, daher keine banalen, langweiligen Fragen, keine Wissens- und auch keine peinlichen Fragen. ● will Aufmerksamkeit wecken - daher weder Killernoch Rechtfertigungs‐ fragen. ● möchte Auskunft über viele, unterschiedliche Meinungen - daher weder Ja-Nein-Fragen noch theoretische oder hypothetische Fragen. ● setzt auf Vertrauen - daher keine „Wer-ist-Schuld-Fragen“ und keine ab‐ wertenden und/ oder beschönigenden Fragen. ● will nicht einzelne in einer Gruppe beschämen, verletzen oder ausschließen - daher keine Fragen, die zu Gesichtsverlust führen oder einzelne hervor‐ heben. 2) Aus der richtigen Grundhaltung heraus handeln In der Art und Weise wie gefragt wird verdeutlicht sich auch die Grundhal‐ tung der Konfliktmoderatoren zu Gruppe der Konfliktbeteiligten. Es ist hoch bedeutsam, zu reflektieren, aus welchem Menschenbild heraus auf die Gruppe zugegangen wird. Dieses wird in der Gruppe im Verhalten und der Stimmung gespiegelt. Die Gruppe reagiert sensibel auf „Kleinigkeiten“ im Verhalten der Konfliktmoderatoren. Selbst wenn es keinem unmittelbar bewusst ist - in Blick, Bewegung, Tonfall, Ruhe und Hektik drückt sich die Meinung der Konfliktmoderatoren und ihr Gefühl für und in der Gruppe aus. Dabei kann und sollte es jedoch nicht Aufgabe der Konfliktmoderatoren sein, sich zu verstellen oder ihre Befindlichkeit zu verdecken. Für sie geht es vielmehr darum, sich ihrer Haltung bewusst zu werden und zu erkennen, welchen Anteil ihr Verhalten an möglichen Problemen in der Gruppe hat, statt nur bei den Teilnehmenden die Schuld zu suchen. Die eigene Grundhaltung hinterfragen bedeutet gleichzeitig, sich der eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu sein - was verursacht persönlichen Ärger, was verletzt und wann besteht Gefahr, sich aus Machtstreben, Ehrgeiz, Eitelkeit oder Sympathie menschlich verwickeln zu lassen. Alles, was Konfliktmoderatoren tun, wirkt auf die Gruppe. Sie sollten wissen, was mit ihnen geschieht, was bei ihnen im Gruppenprozess abläuft, um nicht unnötig in Fettnäpfchen zu treten oder sich selbst und der Gruppe böse Fallen zu stellen. Fürchten sich Konfliktmoderatoren beispielsweise vor heftigen Auseinandersetzungen, werden sie alles versuchen, Konflikte schon im Vorfeld zu unterbinden. Die Gruppenatmosphäre bleibt zwar ruhig, es geht aber auch nicht weiter. Hier sollten Konfliktmoderatoren ihre Angst entweder selbst überwinden, oder sich für konfliktträchtige Problemstellungen einen 4.2 Konfliktmoderation 139 Co-Moderator suchen, der ihnen unterstützend unter die Arme greifen kann, so dass sie nach und nach lernen, ihre Angst besser zu steuern. 3) Die Gruppe anleiten und nicht bekämpfen Es ist beinahe ein Naturgesetz - kaum steht jemand vor einer Gruppe, neigt er dazu, sie zu lenken, zu steuern oder gar zu manipulieren. Allein schon die Position „Leiter“ oder „Moderator“ verführt dazu, zu glauben, man selbst wisse am besten, wo es langgeht und was am besten zu tun ist. Guten Konflikt‐ moderatoren ist demgegenüber bewusst, dass sie zwar das Steuerrad in ihren Händen halten und wissen, wie die Maschine funktioniert, die Gruppe jedoch den Kurs bestimmt. Als methodische Helfer halten sie sich inhaltlich eher bedeckt und zurück - keine einfache Aufgabe für fachkompetente Moderatoren. Schließlich entspricht es dem Normalverhalten eher, entweder sprachlich oder auch nicht-sprachlich über die Körpersprache mitzuteilen, welche Meinung man zu Problemstellungen des eigenen Fachgebietes hat. Von daher sollten sich Konfliktmoderatoren von im „normalen“ betrieblichen Alltag sehr nützlichen Ich-Behauptungsmaßnahmen nicht nur lösen, sondern davon loslassen ● dass sie es sind, die die Gruppe irgendwohin haben wollen - Sie sollten in das Wissen, die Fähigkeiten und den Willen der Teilnehmenden Vertrauen investieren und haben, ● ihren eigenen Ehrgeiz und den Leistungsdruck, dass doch etwas heraus‐ kommen muss, auf die Gruppe zu übertragen, und stattdessen schauen, was von der Gruppe thematisiert wird und was zu fördern ist, ● ihre eigene Meinung zum Thema und ihr Engagement in die Zielsetzung zu dämpfen und jede Meinung, so wie sie ist, annehmen und gelten zu lassen. Gute Moderatoren verstehen sich als „Hebammen“ der Gruppe, sie sind sich stets der Gefahr der Manipulation bewusst, reflektieren entsprechend ihr Verhalten und bremsen rechtzeitig eigene Manipulationsabsichten. Zudem orientieren sie sich an den Leitsätzen in Tab. 34. Statt … unterstützen wir, indem wir … • alte Problemgeschichten im Verhältnis der Konfliktbeteiligten zueinander aufzuwärmen und zu bearbeiten • das Gespräch konstruktiv auf gemein‐ same Ziele ausrichten • Misstrauen zu fördern • „Vorschussvertrauen“ hervorheben, um eine offene Kommunikation in der Gruppe zu fördern • gegen Sturheit anzukämpfen • auf Beweglichkeit positiv eingehen, wenn sich zeigt, dass Konfliktbetei‐ 140 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung Statt … unterstützen wir, indem wir … ligte damit beginnen, eigene vorge‐ fasste Meinungen zu hinterfragen • auf Einzelinteressen einzugehen • übergeordnete Interessen benennen, welche zur Entwicklung eines gemein‐ samen Verständnisses beitragen • relative Vorteile für die eine oder an‐ dere Seite zu thematisieren • den Gewinn für beide Seiten betonen • Demaskierungen zuzulassen • dabei helfen, dass die Parteien ihre Gesichter wahren können Tab. 34: Leitsätze zur Konfliktmoderation 4) Störungen Vorrang geben Jede körperliche Störung, sei es Hunger, Durst, Kälte, Schmerz oder ähnliches und jede psychische Störung, z. B. Angst, Ärger oder Traurigkeit wirkt sich als Hindernis im Lern- und Kommunikationsverhalten aus. Werden Störungen nicht beachtet, entsteht die Gefahr, dass Problemlösungen verhindert oder verfälscht werden, und zwar sowohl bei Einzelnen als auch bei der Gruppe. Je stärker eine Störung unterdrückt wird, desto mehr wird sie indirekt vor‐ herrschen: Paralleldiskussionen entstehen, Rechtfertigungsstrategien werden entwickelt, Nebenkriegsschauplätze eröffnet und Scheingefechte ausgekämpft. Die Konfliktbearbeitung wird verhindert, weil die Störung unbewusst das Gruppengeschehen dominiert. Erkannte Störungen müssen offensiv, rechtzeitig und direkt angegangen werden - selbst wenn sie überhaupt nichts mit dem Thema, was zu bearbeiten ist, zu tun haben. Es hat sich immer wieder gezeigt, dass die Bearbeitung von Problemstellungen besser, schneller und einfacher gelingt, wenn vorher die Störung aus dem Weg geräumt wurde. Oft reicht schon, auf die erkannte Störung hinzuweisen, sie bewusst zu machen, das damit verbundene Unbehagen kundzutun, um die Gruppe wieder auf die Bearbeitung des Themas zu konzentrieren. Störungen liegen sozusagen „in der Luft“. Sie teilen sich als Eindruck von der Gruppenatmosphäre dem Gefühl mit. Werden Ausdruck und Verhalten der Teil‐ nehmenden, sprachliche und nicht-sprachliche Signale sensibel wahr- und ernst genommen, lassen sich Störungen rechtzeitig erkennen. Durch ein „Blitzlicht“ in der Gruppe, eine kurze Stellungnahme jedes einzelnen zur thematisierten Störung, lässt sich das mit der Störung verbundene Unbehagen verdeutlichen und behandeln. 4.2 Konfliktmoderation 141 5) „Wahrnehmen“, „Vermuten“ und „Bewerten“ unterscheiden Die meisten Missverständnisse zwischen Menschen resultieren daraus, dass Vermutungen über die Wirklichkeit nicht von der Wahrnehmung der Realität unterschieden werden und dann die Vermutungen sehr schnell in Bewertungen umgewandelt werden. Es gilt, die Ebenen „Wahrnehmen“, „Vermuten“ und „Bewerten“ zu trennen, um Missverständnissen bei der Konfliktbearbeitung vorzubeugen. Nehmen wir beispielsweise einen Moderator, der wahrnimmt, dass die teilnehmenden Konfliktbeteiligten stumm und mit verschränkten Armen auf ihren Stühlen sitzen und einige sogar zum Fenster hinausschauen. Er vermutet von daher, dass sie sich langweilen und reagiert ärgerlich. Schließlich redet er doch nicht langweilig! Infolgedessen bewertet er das Verhalten der Gruppe als beleidigendes Desinteresse an seinen wirklich wichtigen und auch interessanten Ausführungen. Spricht der Moderator die Gruppe gemäß der vorherigen Regel, wonach Störungen Vorrang zu geben ist, auf seine Vermutung hin direkt an, dass seine Ausführungen wohl langweilig für sie seien, drängt er die Gruppe in eine Verteidigungsposition und damit gegen sich. Und das alles, obwohl auch durchaus denkbar ist, dass die Teilnehmenden müde oder aus irgendeinem anderen Grund bedrückt oder nicht ganz bei der Sache sind. Um angemessen auf das Verhalten in der Gruppe zu reagieren, sollte von daher die Beobachtung entweder in eine Frage umgemünzt oder als subjektive Interpretation verkleidet angeboten werden. Dadurch wird der Gruppe Raum gegeben, eine eigene Antwort zu finden und/ oder die Wahlmöglichkeit eröffnet, sich den Schuh anzuziehen oder auch nicht. Dieses Verhalten lässt sich gut üben, indem zu jeder Wahrnehmung im Gruppenprozess grundsätzlich drei Vermutungen gesucht werden, bevor reagiert wird. So wird auch die Natur der eigenen Wahrnehmungen deutlich. Denn oft resultieren Vermutungen aus früheren Geschichten, die nichts mit dem aktuellen Geschehen zu tun haben. Je bewusster mit diesen Geschichten umgegangen wird, umso klarer kann im Hier und Jetzt entschieden werden, was wichtig ist und was nicht in das Gruppengeschehen hineingehört. 6) Persönlich statt allgemein sprechen Allgemeines Sprechen verdichtet sich in einem kleinen Wörtchen: „man“. Es reicht schon, einfach all die Sätze, in denen „man“ verwendet wird, neu zu formulieren: „Ich“ statt „man“, um zu erkennen, wie nützlich es ist, persönlich zu sprechen. Verwandeln sich alle „man soll“, „man muss“ oder „man tut nicht“ in „ich soll“, „ich muss“ oder „ich tue nicht“, wird deutlich, dass die Ausführungen nur eine, nämlich „meine Sicht“ der Dinge widerspiegeln. Ob und inwieweit diese Sichtweise auch für andere gültig ist, ist ein ganz anderes Problem. Mit der Regel „ich statt man“ verfügt jeder, der am Prozess zur Konfliktbearbeitung 142 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung beteiligten Personen über ein Hilfsmittel, mehr Eigenverantwortung für das Gesagte zu übernehmen und es nicht jemanden anderen in die Schuhe zu schieben. Diese Haltung ist selbstverständlich eine unabdingbare Voraussetzung für Konfliktmoderatoren, um das Gruppengeschehen moderieren zu können. Schließlich sollten gerade sie für ihr Handeln Verantwortung übernehmen und sich von den Ansprüchen, Gefühlen und Spielen, die im Prozess der Konfliktbearbeitung auftauchen können, möglichst frei halten. Zudem zeigt sich immer wieder, dass Konfliktmoderatoren der Gruppe die meiste Angriffsfläche bieten. Nicht selten werden sie mit solchen Ansprüchen konfrontiert, dass sie zu führen haben, den Überblick behalten sollen, auf Disziplin achten, durchgreifen zu sollen und, und, und. Diese Ansprüche stellen ihnen Fallen, in die sie nicht ahnungslos hineintappen dürfen. Es ist für sie zwingend notwendig zu wissen, wo sie selbst stehen, was sie selber müssen und wollen und wofür sie Verantwor‐ tung zu übernehmen haben. Mit „ich statt man“ verfügen Konfliktmoderatoren über ein gutes Hilfsmittel, sich darüber Gewissheit zu verschaffen. 7) Körpersprache beachten Ständig werden Informationen auf dem nicht-gesprochenen Weg über die Körpersprache vermittelt und wahrgenommen. Anders als sprachliche sind kör‐ persprachliche Informationen nicht oder nur sehr schwer zu verfälschen, von daher also sehr verlässlich - wenn sie richtig gedeutet und verstanden werden. Widerspricht der körpersprachliche Ausdruck, also Mimik, Gestik, Haltung und Bewegung des gesamten Körpers den gesprochenen Ausführungen, gilt: Der Körper lügt nicht! Wer sich am Kopf kratzt, die Nase reibt, die Stirn runzelt, die Augen niederschlägt oder mit dem Finger in die Luft sticht, so, als würde er sein Gegenüber aufspießen, teilt den anderen Konfliktbeteiligten deutlich mit, was im Augenblick mit ihm los ist. Um mit diesen Signalen umgehen zu können, ist es wichtig, in bedeutsamen Situationen den Schwerpunkt der Konzentration auf die Körpersprache zu verlegen. Normalerweise wird nämlich stärker auf die Inhalte als auf die Form geachtet. Die körpersprachlichen Botschaften wirken unterschwellig, ohne dass sie bewusst wahrgenommen werden. Als Übung zur Schulung der bewussten Wahrnehmung der Körpersprache empfiehlt sich, in alltäglichen Gesprächssituationen die verbale Kommunikation wie Hinter‐ grundmusik aufzunehmen und sich auf nicht-gesprochene Informationen zu konzentrieren. Nehmen Konfliktmoderatoren körpersprachliche Signale des Unbehagens wahr, besteht ihre Aufgabe darin, den Konfliktbeteiligten die Mög‐ lichkeit zu geben, ihre Stimmung auszudrücken, indem sie ihre Wahrnehmung thematisieren. 4.2 Konfliktmoderation 143 8) Bewertungen und Beurteilungen vermeiden Selbstverständlich sind auch Konfliktmoderatoren ganz normale Menschen mit Wertungen, Meinungen und Vorurteilen. Solange sie moderieren, sollten sie jedoch persönliche Bewertungen zurückstellen und jeden im Kreis der Konfliktbeteiligten und jede Meinung gleich wichtig und neutral annehmen. Neutralität ist unabdingbare Voraussetzung für erfolgreiche Moderationen. Nur wenn es Konfliktmoderatoren gelingt, Meinungen inhaltlich nicht zu werten, wird jeder im Kreis der Konfliktbeteiligten Vertrauen zu ihnen fassen. „Nicht bewerten und beurteilen“ gilt nicht nur für Meinungen, sondern auch für das Verhalten der Konfliktbeteiligten. Schließlich weist jedes Verhalten auf wichtige Stellungnahmen, Probleme, Störungen oder Unbehagen hin und ist insofern bedeutsam für die Moderation. Signale der Konfliktbeteiligten müssen, so wie sie sind, angenommen und in der Moderation umgesetzt werden, z. B. indem eine Störung Vorrang erhält und bearbeitet wird oder ein Konflikt verdeutlicht wird. Zudem sollten Konfliktmoderatoren moralische Vorhaltungen und Appelle vermeiden, weil sie verhindern, dass angemessen auf den Gruppenprozess reagiert werden kann. Durch sie werden wichtige Botschaften ignoriert und die Gruppe am Ende in eine Rechtfertigungsposition gebracht. Sie provozieren geradezu Widerstand. Eine sinnvolle Steuerung der Diskussion wird wegen des resultierenden mehr oder weniger versteckten Kampfes zwischen Konfliktmo‐ deratoren und der Gruppe der Konfliktbeteiligten wohl kaum mehr möglich. 9) Sich nicht rechtfertigen „Wer sich verteidigt (entschuldigt), klagt sich an“ - so die Übersetzung eines alten französischen Sprichwortes, welches für die Konfliktmoderation volle Gültigkeit hat. „Sich rechtfertigen“ ist meist überflüssig und führt nur zu einem unnötigen Hin- und Herschieben von Vorwürfen und Vorhaltungen. Werden im Prozess der Konfliktbewältigung Situationen provoziert, die Kon‐ fliktmoderatoren veranlassen sollen, sich oder ihr Vorgehen zu rechtfertigen, geht es in Wahrheit meist darum, einen Sündenbock für Schwierigkeiten zu finden, denen sich die Gruppe der Konfliktbeteiligten nicht stellen möchte. Gehen Konfliktmoderatoren der Gruppe auf den Leim und versuchen sich zu rechtfertigen, beginnt ein Sieger-Verlierer-Spiel, welches die Gruppe als Ankläger gewinnen will. Egal ob es ihr gelingt oder nicht, in jedem Fall leidet durch das Spiel das Vertrauen, das die Gruppe in den Konfliktmoderator hat. Hier empfiehlt es sich, die wahren Hintergründe für die Provokation zu erfragen, also die Störung zu bearbeiten und die durch das beginnende Spiel gebundene Energie wieder zur Diskussion der anstehenden Themen einzusetzen. 144 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung 10) Die Methode bestimmen und nicht diskutieren Wird über die Methoden diskutiert ist das so, als ob zwei Liebende über die Liebe reden, statt zu lieben. Moderieren heißt methodisch handeln und nicht darüber diskutieren, wie methodisch vorgegangen werden soll. Lassen sich Konfliktmo‐ deratoren darauf ein, über die Methode zu reden, kann es lange dauern, bis sie zum Moderieren kommen. Mit dem „über die Methode reden wollen“ wird in der Regel ein Nebenkriegsschauplatz eröffnet; es wird aus welchen Gründen auch immer signalisiert: „Wir wollen nicht an das Problem heran! “ Es empfiehlt sich, nicht in die Methodendiskussion einzusteigen, sondern herauszuarbeiten, was der Problembearbeitung im Weg steht, warum die Gruppe blockt. Provoziert nur eine einzelne Person, kann oft eine einfache Handlung wie das Austeilen von Karten und Filzstiften und eine darauf folgende Arbeitsanweisung genügen, um die Klippe geschickt zu umschiffen. Selbstverständlich kann in den Pausen oder in extra dafür vorgesehenen Zeiten über die eingesetzten Methoden und Techniken gesprochen werden - schließlich interessiert es ja die Konfliktbetei‐ ligten, warum so und nicht anders vorgegangen wurde. Sinnvollerweise sollte dies immer erst geschehen, wenn die Teilnehmenden die Methode erlebt haben. 4.2.3 Fahrplan zur Konfliktmoderation Bei Einhaltung der Regeln zur Konfliktmoderation sollten die Stationen ihres Fahrplans systematisch abgefahren werden: 1. Vorbereitung der Konfliktmoderation 2. Eröffnung der Konfliktmoderation 3. Konfrontation der Sichtweisen 4. Auswertung des Konfliktgeschehens 5. Konfliktverhandlung 6. Konfliktcontrolling In Tab. 35 sind in Anlehnung an König und Haßelmann zu jeder Station des Fahrplans in einer Checkliste stichwortartig Verhaltenshinweise aufgeführt, an denen sich Konfliktmoderatoren orientieren sollten. Station Verhaltenshinweise 1. Vorbereitung der Konfliktmodera‐ tion • Verbindung zu den Konfliktbeteiligten herstellen • Versuchen in Einzelgesprächen die Hintergründe des Konflikts zu ver‐ stehen 4.2 Konfliktmoderation 145 Station Verhaltenshinweise • Voraussetzung für direkte Gespräche schaffen • Bestimmte Ergebnisse, die sich aus der Konfliktanalyse ergeben haben, vertie‐ fend bearbeiten 2. Eröffnung der Konfliktmoderation • Sich an den „runden Tisch“ begeben und gemeinsam klären: • Ausgangslage • Ziel der Konfliktmoderation • Einzelnen Schritte des Vorgehens • Spielregeln • Rolle des Konfliktmoderators • Rollen der Konfliktbeteiligten • Zeitplan 3. Konfrontation der Sichtweisen • Die Konfliktbeteiligten legen ihre Sicht der Dinge dar, d.-h. • Ihre konkreten Erlebnisse und Erfah‐ rungen, sowie • Damit verbundene Gefühle 4. Auswertung des Konfliktgeschehens • Alles auf den Tisch legen, was die Kon‐ fliktbeteiligten an Erfahrungen und Gefühlen mitgeteilt haben und das ge‐ samte Material gemeinsam • Sichten • Ordnen • Auswerten 5. Konfliktverhandlung • Klären, welches die echten Anliegen sind • Darstellen, welche sachlichen Inter‐ essen und emotionalen Bedürfnisse vorliegen • Nur wenn alle Konfliktbeteiligten die Prioritäten der anderen verstanden haben, kann das Aushandeln einer Lö‐ sung mit Aussicht auf Erfolg beginnen • Das Ergebnis besteht in einem Kom‐ promiss, bestenfalls einer integrativen Lösung 6. Konfliktcontrolling • Da das Tagesgeschäft seine Tücken hat und sich alte Verhaltensweisen wieder einschleichen können … • Konfliktbeteiligte auf Herz und Nieren prüfen, ob sie es mit der neu gere‐ gelten, offenen Zusammenarbeit ernst meinen Tab. 35: Checkliste zum Fahrplan der Konfliktmoderation 146 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung Bei der Konfliktmoderation von betrieblichen Gruppen in der Technik gemäß umgesetzter Ansprüche und eingehaltener Regeln und gut durchgeführtem Fahrplan hat sich immer wieder gezeigt, dass 1. Kommunikation und Zusammenarbeit sich verbessern, 2. Reibungsverluste zwischen Gruppen und Abteilungen abnehmen, 3. Arbeitszufriedenheit zunimmt, 4. sich die Fähigkeit steigert, Probleme zu erkennen und mit eigenen Mitteln abzustellen, 5. sich Arbeitserleichterungen für Mitarbeitende ergeben, 6. Abwesenheitsraten sinken, 7. Führungskräfte kooperativer führen, 8. Reklamationen weniger werden, 9. Kulanzkosten sich verringern, 10. Kunden sich zufriedener äußern und/ oder 11. sich die Gesamtleistung optimiert. Elf Punkte, die verdeutlichen, dass der zunächst beschwerliche Weg der Kon‐ fliktmoderation ein überaus lohnender ist - stehen an seinem Ende doch über die Konfliktbewältigung hinaus auch die Verbesserung des Unternehmenser‐ gebnisses, der Qualität und der Mitarbeitermotivation. 4.3 Konfliktschlichtung / Mediation Als Alternative zur Konfliktmoderation bietet sich zur Konfliktschlichtung die Mediation an. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren zur außergerichtlichen Bearbeitung von Konflikten, mit dem sich auch der Gesetzgeber beschäftigt hat. So wird im „Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung“ in § 1 definiert: „Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Par‐ teien mit Hilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwort‐ lich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben.“ „Ein Mediator ist eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungs‐ befugnis, die die Parteien durch die Mediation führt.“ Als entscheidende Voraussetzung für den Erfolg einer Mediation ist neben der fachlichen Kompetenz und Integrität des Mediators insbesondere seine Akzeptanz bei den Konfliktbeteiligten zu betrachten. Seine Kernaufgabe besteht darin, als neutrale Person ähnlich wie ein Konfliktmoderator nicht in den Entscheidungsprozess einzugreifen, sondern die Konfliktbeteiligten dabei zu 4.3 Konfliktschlichtung / Mediation 147 unterstützen, eine Win-win-Lösung zu finden, in der die Interessen der Konflikt‐ parteien berücksichtigt werden. In seiner beratenden Funktion als unbeteiligter, sachlicher Dritter, der der Vertraulichkeit unterliegt, sorgt er im Verlauf der Mediation für einen fairen Austausch zwischen den Konfliktbeteiligten. Vor dem Hintergrund der betrieblichen Praxis in der Technik sollte nach meinem Dafürhalten der Einsatz eines ausgebildeten Mediators erst dann erwogen werden, wenn ein Konflikt festgefahren ist, alle anderen Möglichkeiten zur ko‐ operativen Konfliktbewältigung ausgeschöpft worden sind und kein rechtliches Verfahren eingeleitet werden soll. Schließlich stehen die Konfliktbeteiligten in einer Beziehung zueinander, die sie aufrechterhalten müssen. Von daher ist davon auszugehen, dass sie auch bereit sein sollten, ihre Kooperation durch eine gemeinsame Lösung zu optimieren. Die Mediation selbst verläuft zumeist in den fünf Phasen, die in Tab. 36 dargestellt sind. Phase Aufgaben des Mediators 1. Eröffnung • Aufklärung über Ablauf und Regeln der Mediation • Abschluss eines Mediationsvertrags, der essenzielle Regeln wie „Ausreden lassen“ und „Verzicht auf Beleidi‐ gungen“ enthält 2. Klärung / Sammlung von Themen • Erfassen der Konfliktsituation und der abzuarbeitenden Themen • Darstellung der Standpunkte und Sichtweisen durch die Konfliktbetei‐ ligten, dabei auf Einhaltung der Regeln und Ausgewogenheit im Hinblick auf Redeanteile achten • Zusammenfassung und Veranschauli‐ chung der Eindrücke zum Konfliktge‐ schehen 3. Hintergründe • Klärung der Motive, Gefühle, Wün‐ sche, Interessen und Bedürfnisse der Konfliktbeteiligten, die für das Kon‐ fliktgeschehen bedeutsam sind, durch • direkte Kommunikation zwischen den Konfliktparteien oder • Einzelgespräche, wenn der Klärungs‐ prozess nicht vorankommt 4. Erarbeiten von Lösungen • Brainstorming nach Lösungswegen durch die Konfliktbeteiligten • Bewertung der Vorschläge und • Prüfung der Realisierbarkeit durch die Konfliktparteien 148 4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung Phase Aufgaben des Mediators 5. Einigung • Schriftliche Fixierung des Abschluss‐ vertrages, dessen Inhalt die Konflikt‐ beteiligten selbst bestimmt haben • Unterzeichnung des Dokuments durch die Konfliktbeteiligten, sowie auf Wunsch • Überprüfung der Vereinbarung durch einen Anwalt Tab. 36: Fünf-Phasen-Modell der Mediation Wird nach dem Fünf-Phasen-Modell verfahren, erschließt sich in dem einen oder anderen Konfliktfall eine Lösung, die es ansonsten möglicherweise nicht gegeben hätte. Ungelöst hätte das Konfliktgeschehen durchaus nachhaltigen Schaden anrichten können. Als Alternative könnte zwar noch der juristi‐ sche Weg eingeschlagen werden, an dessen Ende es in der Regel zu einer „Gewinner-Verlierer-Situation“ kommt, die sich weiterhin nachteilig auf die Konfliktbeteiligten auswirken würde, die insbesondere innerhalb der Technik doch Hand in Hand zusammenarbeiten sollten. Da empfiehlt sich doch eher die Mediation, die laut Umfragen in 80 % der Fälle zu einer Einigung der Konfliktparteien führt. 4.3 Konfliktschlichtung / Mediation 149 5 Negative Konfliktstrategien / Mobbing Ein besonders perfides Beispiel für eine negative Konfliktstrategie ist mir einmal zu Ohren gekommen, als ich einen Seminarteilnehmenden zu einem anderen sagen hörte: „Das mag zwar alles schön und gut sein mit der kooperativen Konfliktbewältigung. Aber, offen gesagt, wenn ich es mit einem Mitarbeiter zu tun hätte, der mir so auf die Nerven ginge, wie der in deinem Fall, würde ich zusehen, dass ich ihn loswerde. Und ich wüsste auch schon genau wie. Ich würde ihm ein Werkzeug in seine Tasche schmuggeln und dann der Security am Werkstor einen Tipp geben …“ Lassen wir die Verwerflichkeit eines solchen Handelns unbeachtet, zeigen sich in dem Vorschlag des Seminarteilnehmenden wesentliche Aspekte von Mobbing, wenn er dann in die Tat umgesetzt würde. Es gibt eine Täter-Opfer-Beziehung, den unbedingten Wunsch das Opfer loszu‐ werden und eine Attacke (to mob: sich auf etwas stürzen, über etwas/ jemanden herfallen). Als negative Konfliktstrategie beinhaltet Mobbing im beruflichen Umfeld, dass jemand am Arbeitsplatz von Kollegen, Vorgesetzten oder Untergebenen schikaniert, belästigt, drangsaliert, beleidigt, ausgegrenzt oder mit kränkenden Arbeitsaufgaben bedacht wird und die vom Mobbing betroffene Person un‐ terlegen ist. Will man etwas als Mobbing bezeichnen, sollte es häufig und wiederholt auftreten und sich über einen längeren Zeitraum erstrecken (z. B. mindestens einmal pro Woche und mindestens ein halbes Jahr lang). Mobbing impliziert grundsätzlich die Täterabsicht, das Opfer bzw. sein Ansehen zu schä‐ digen und ggf. aus seiner Position zu vertreiben. Aber auch ohne Schikaneab‐ sicht des Täters können dessen „normale“ Handlungen von sensiblen Personen missverstanden und als Mobbing empfunden werden, wie beispielsweise die durchaus auch berechtige Kritik eines Vorgesetzten an seinem Mitarbeitenden. Es handelt sich nicht um Mobbing, wenn zwei gleich starke Parteien in Konflikt geraten. Die erste Konzeptualisierung zu Mobbing stammt von Leymann, der 1993 in einer Untersuchung in Schweden 48 Arten des Angriffs ausgemacht hat, die in Tab. 37 dargestellt sind und weiterhin in der aktuellen Literatur zum Thema angeführt werden. Angriffe auf … und zwar im Einzelnen die Möglichkeiten sich mitzuteilen • Vorgesetzte schränken Möglichkeiten ein, sich zu äußern Angriffe auf … und zwar im Einzelnen • Ständiges Unterbrechen • Kollegen schränken Möglichkeiten ein, sich zu äußern • Anschreien oder lautes Schimpfen • Ständige Kritik an der Arbeit • Ständige Kritik am Privatleben • Telefonterror • Mündliche Drohungen • Schriftliche Drohungen • Kontaktverweigerung durch abwer‐ tende Bitten oder Gesten • Kontaktverweigerung durch Andeu‐ tungen, ohne dass etwas direkt ausge‐ sprochen wird die sozialen Beziehungen • Es wird nicht mehr mit dem Betrof‐ fenen gesprochen • Es wird vermieden, sich ansprechen zu lassen • Versetzung in einen Raum, weitab von den Kollegen • Arbeitskollegen wird verboten, den Betroffenen anzusprechen • Der Betroffene wird wie Luft behan‐ delt das soziale Ansehen • Hinter dem Rücken des Betroffenen wird schlecht über ihn gesprochen • Es werden Gerüchte verbreitet • Der Betroffene wird lächerlich ge‐ macht • Der Betroffene wird verdächtigt, psy‐ chisch krank zu sein und • will ihn zu einer psychiatrischen Un‐ tersuchung zwingen • Es wird sich über eine Behinderung des Betroffenen lustig gemacht • Gang, Stimme oder Gesten werden imitiert, um sich über den Betroffenen lustig zu machen • Die persönliche oder reliöse Einstel‐ lung wird angegriffen • Es wird sich über das Privatleben des Betroffenen lustig gemacht • Es wird sich über die Nationalität lustig gemacht • Der Betroffene wird gezwungen, Ar‐ beiten auszuführen, die sein Selbst‐ wertgefühl verletzen • Der Arbeitsplatz wird in falscher und kränkender Weise beurteilt 152 5 Negative Konfliktstrategien / Mobbing Angriffe auf … und zwar im Einzelnen • Entscheidungen des Betroffenen werden in Frage gestellt • Dem Betroffenen werden obszöne Schimpfworte oder andere entwürdi‐ gende Ausdrücke an den Kopf ge‐ worfen • Sexuelle Annäherungen oder verbale sexuelle Angebote die Qualität der Berufs- und Lebenssitua‐ tion • Dem Betroffenen werden keine Ar‐ beitsaufgaben zugewiesen, • ihm wird jede Beschäftigung am Ar‐ beitsplatz genommen, so dass er sich nicht einmal selbst Aufgaben aus‐ denken kann, • es werden ihm sinnlose Arbeitsauf‐ gaben zugewiesen oder • Aufgaben weit unter seinem eigentli‐ chen Können • Dem Betroffenen werden ständig neue Aufgaben gegeben, • kränkende Aufgaben oder • Arbeitsaufgaben, die seine Qualifika‐ tion übersteigen, um ihn zu diskredi‐ tieren die Gesundheit • Zwang zu gesundheitschädlichen Ar‐ beiten • Androhung körperlicher Gewalt • Anwendung leichter Gewalt, um je‐ manden einen Denkzettel zu ver‐ passen • Körperliche Misshandlung • Verursachung von Kosten, um den Be‐ troffenen zu schaden • Physischer Schaden wird im Heim oder am Arbeitsplatz des Opfers ange‐ richtet • Sexuelle Handgreiflichkeiten Tab. 37: Arten des Angriffs nach Leymann In meinen Seminaren zur Thematik habe ich Teilnehmende gebeten, die von Leymann postulierten Arten des Angriffs anhand von Beispielen aus ihrer betrieblichen Praxis zu konkretisieren und musste zu meinem Erstaunen fest‐ stellen, wie leicht es ihnen fiel, solche zu finden. Selbst Teilnehmenden, die nach eigenen Angaben über keine direkten Berührungen mit dem Thema Mobbing verfügten, zeigten sich hoch kreativ darin, Mobbingattacken zu „erfinden“. Legt 5 Negative Konfliktstrategien / Mobbing 153 man zugrunde, dass nach jüngeren Studien etwa jeder neunte Arbeitnehmer angibt, bereits einmal von Mobbing betroffen zu sein, ist mein Eindruck aus den Seminaren wenig verwunderlich. Erhebungen in psychosomatischen Kliniken zeigen zudem, dass weit über ein Viertel der dortigen Patienten über Probleme am Arbeitsplatz klagen und ein Großteil von ihnen auch von Mobbing berichtet. Besonders erschreckend zeigt sich in Befragungen, dass in mehr als der Hälfte aller Fälle Vorgesetzte beteiligt gewesen sind, die doch eigentlich gefordert sind, sich im Rahmen ihrer betrieblichen Fürsorgepflicht darum zu kümmern, Mobbing zu verhindern. Im Bereich der Technik sind von Betroffenen typische Anzeichen und Alarmsignale für drohendes Mobbing benannt worden, auf die potenzielle Opfer frühzeitig reagieren, gegensteuern und sich diesbezüglich ggf. auch um Unterstützung kümmern sollten. Auf der zwischenmenschlichen Ebene tritt besonders häufig auf, dass ● Gespräche plötzlich verstummen, wenn der Betroffene dazu stößt, ● unsachliche Andeutungen gemacht und Gerüchte gezielt in Umlauf ge‐ bracht werden, ● der Betroffene weder gegrüßt noch sein Gruß erwidert wird und seine Aussagen verfälscht wiedergegeben werden und ● im Beisein oder auch hinter dem Rücken des Betroffenen üble Nachrede erfolgt. Auf der betrieblichen Ebene werden ● Informationen über betriebliche Belange abgestellt, ● die Zusammenarbeit boykottiert, ● kleine Fehler und Versäumnisse aufgebauscht und ● unwichtige Arbeiten zugewiesen oder ● der Arbeitsplatz in eine entfernte, wenig attraktive Ecke der Firma verbannt. Auf den Punkt gebracht wird Mobbing nicht nur, aber auch im Bereich der Technik als organisatorische Maßnahme eingesetzt, die schwerpunktmäßig die soziale Isolierung und die Arbeitsaufgaben betrifft, um unliebsame Mitarbei‐ tende zu diskreditieren und loszuwerden. Leymann zufolge lassen sich dabei vier Phasen ausmachen: 1. Am Anfang steht ein ungelöster oder schlecht bearbeiteter Konflikt. Zu‐ nächst wird noch versucht, den Konflikt „vernünftig“ und sachorientiert zu lösen. Teilweise ist den Beteiligten das Vorliegen eines Konflikts nicht klar bewusst. 154 5 Negative Konfliktstrategien / Mobbing 2. Der Konflikt wird personifiziert. Anstelle des Konflikts treten einzelne Personen, die immer häufiger als Ursache für auftretende Probleme be‐ trachtet werden. Die Betroffenen werden immer häufiger gekränkt, ihr Selbstbewusstsein nimmt ab und sie geraten in eine Außenseiterposition. 3. Die Entwicklung eskaliert. Durch die ständige Herabsetzung ist das Opfer so verunsichert, dass darunter die Arbeitsleistung leidet. Der Betroffene wird jetzt als „Problemmitarbeiter“ angesehen, er gilt als Querulant, Bes‐ serwisser oder „Sensibelchen“. Möglicherweise drohen ihm bereits jetzt arbeitsrechtliche Maßnahmen. 4. In der Endphase fühlen die Betroffenen sich dem wachsenden Druck und den beruflichen Anforderungen nicht mehr gewachsen. Es kommt zu verzweifelten Überreaktionen. Von betrieblicher Seite wird mit Verset‐ zungen, Abmahnungen oder Kündigung reagiert. Nicht selten kündigen die Betroffenen selbst oder willigen in einen Auflösungsvertrag ein. Die meisten leiden unter erheblichen psychosomatischen Beschwerden, häufig mit langen Krankschreibungen. Am Ende steht oft auch ein vorzeitiges Verlassen des Arbeitsmarktes durch eine Erwerbsunfähigkeitsrente. In Anlehnung an Mittelstaedt lässt sich der Mobbingprozess als „emotions‐ geladene Konfliktbewältigungsstrategie in Organisationen“ begreifen. Nach der Konfliktverfestigung als Mobbingvoraussetzung entscheiden sich Täter bewusst für Mobbinghandlungen, die aus ihrer Sicht notwendig sind, um sich selbst zu verteidigen. Im Verlauf wird zunehmend die Gegnervernichtung als Ziel in einem mehr oder weniger offenen Mobbingklima fokussiert. Täter nutzen Mobbing als inoffizielle Personalarbeit zur Entfernung missliebiger Mitarbeiter oder Kollegen. Es stellt für sie auch eine Strategie zur Selbstwertstabilisierung dar. Den Ausgangspunkt hierfür liefert ein Gefühl des Bedrohtseins in einem für den Selbstwert relevanten Bereich. Täter handeln insofern aus Angst und nutzen Mobbing auch zur Statussicherung. Für Mängel und Fehler können Sündenböcke verantwortlich gemacht werden. Bei einem nicht bewussten Mobbing führen ungenügend wahrgenommene, ungeklärte Konflikte zu sich anstauendem Ärger, gefolgt von kränkenden oder schädigenden Handlungen, über deren Wirkungen sich der Täter zwar nicht bewusst ist, die aber letztlich zum gleichen Ergebnis wie bewusste Mobbinghandlungen führen. Als Pendant zu den Tätern lassen sich unter den Mobbingopfern häufig Personen finden, die Leistungsprobleme, in der Persönlichkeit begründete Probleme wie eine geringe soziale Kompetenz, ein niedriges Selbstwertgefühl, starke Stimmungsschwan‐ kungen, eine gewisse Neigung zur Depressivität und dazu, leicht gekränkt zu sein oder aggressiv überzureagieren sowie soziale Anpassungsprobleme haben. Zudem zeigen sich bei Mobbingopfern oft Besonderheiten in der äußeren 5 Negative Konfliktstrategien / Mobbing 155 Erscheinung oder Lebensgestaltung, sowie Krankheiten oder Körperbehinde‐ rungen. Im Hinblick auf die betriebliche Prävention von Mobbing sollte eine Op‐ timierung der Arbeitsorganisation durch größere Handlungs- und Entschei‐ dungsspielräume, klare Zuständigkeiten, transparente Entscheidungsprozesse und rechtzeitige, umfassende und zeitnahe Informationen angestrebt werden. Zudem könnte eine Betriebsvereinbarung erwogen werden, in der auch die Bestellung eines Konfliktbeauftragten als unabhängige Anlaufstelle zur Kon‐ fliktmoderation, bzw. Mediation geregelt wird. Last but not least sollten die Vorgesetzten aufgeklärt und im Hinblick auf einen situationsangemessenen kooperativen Führungsstil geschult werden sowie sich zur Pflege des Betriebs‐ klimas verpflichtet fühlen und gegenseitige Unterstützung wertschätzend aner‐ kennen und Intrigen unterbinden. Des Weiteren sollten sie mobbingspezifische Behandlungskonzepte kennen und so in die Lage versetzt werden, eine indivi‐ duelle Verhaltens- und Bedingungsanalyse und konkrete Zielplanung erstellen zu können, sowie relevante Informationen zur Mobbing-Thematik an ihre Mit‐ arbeitenden weiterzugeben und ggf. auch in gewisser Weise Psychoedukation betreiben. Zudem sollten sie zur Mobbinganalyse befähigt werden und mit ihr die Situation am Arbeitsplatz und die Anteile des Mobbers und des Mobbing‐ betroffen reflektieren können. Diesbezügliche Leitfragen zur Ursachenanalyse und Maßnahmenplanung lauten: ● Was macht ● Wer ● Wie oft und wie lange ● Warum und zu welchem Zweck? ● Welche vorbeugenden und kurativen Maßnahmen können Mobbing er‐ schweren? Auch sollten Führungskräfte daran arbeiten, Konfliktstrategien und Problemlö‐ sungskompetenzen aufzubauen bzw. zu stärken. 156 5 Negative Konfliktstrategien / Mobbing 6 Konfliktprophylaxe Lassen Sie sich in unserem letzten Kapitel durch die in Tab. 38 dargestellten Leitsätze zu unterschiedlichen Konfliktarten dazu anregen, durch Konfliktpro‐ phylaxe Veränderungen des Konfliktpotenzials zu erzielen, um unnötige Rei‐ bungsverluste, Doppelarbeit, zeitraubende Besprechungen, unklare Zielvorstel‐ lungen, Unzufriedenheit und Misserfolge zu reduzieren oder sogar zu vermeiden und so einen Beitrag zur Konfliktreduktion zu leisten. Konfliktreduktion bei einem … durch … Wertekonflikt • Eine überzeugende Vision und klare Mission vertreten, mit der sich Mitar‐ beitende identifizieren können • Wertvorstellungen und Spielregeln klären, die für alle verbindlich sind • Mitarbeitende in die Entwicklung ge‐ meinsamer Zielperspektiven und Stra‐ tegien einbinden • Kritische Loyalität fordern und för‐ dern Sachkonflikt • Klare und überprüfbare Ziele verein‐ baren • Wo dies nicht möglich ist: Grenzen und Bewegungsspielräume verbindlich ab‐ stecken • Besprechungen so führen, dass Kon‐ troversen kreativ stimulieren und als bereichernd erlebt werden • Den horizontalen und vertikalen Infor‐ mationsaustauch verstärken • Regelmäßige Treffen festlegen, um Probleme und Spannungen schon im Vorfeld zu entdecken, zu klären und gemeinsam anzugehen Beziehungskonflikt • Offenheit und Vertrauen fördern, am besten durch das eigene Beispiel vor‐ angehen • Konflikte und Unstimmigkeiten auf‐ greifen und zur Sprache bringen • Klare Kompetenz- und Verantwor‐ tungsbereiche schaffen • Rückmeldung über Ergebnisse, Leis‐ tung und Verhalten rechtzeitig und begründet geben Konfliktreduktion bei einem … durch … • Kritikrunden arrangieren (360°-Feed‐ back) Verteilungskonflikt • Durch Anreize den sportlichen Ehr‐ geiz wecken, nicht durch Drohungen die Aktivitäten gegeneinander richten • Spielregeln festlegen, die konkurrie‐ renden Aktivitäten regeln und binden • Prinzipien der Gerechtigkeit und Fair‐ ness verdeutlichen und einfordern Entscheidungskonflikt • Mitarbeitende nach Kriterien aus‐ wählen und (be)fördern, die die ge‐ meinsamen Werte aktiv mittragen • Mut und Risikobereitschaft belohnen, die die Organisation ihrer Vision näher bringen • Intelligente Fehler tolerieren, aus denen alle lernen können Tab. 38: Konfliktreduktion bei verschiedenen Konfliktarten 158 6 Konfliktprophylaxe 7 Literaturliste Altmann, G. et al. 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(2016) Trainingsbuch Gewaltfreie Kommunikation (8. Überarbeitete und erwei‐ tere Auflage, Paderborn: Junfermann Hossiep, R. et al. (2008), Mitarbeitergespräche, Göttingen: Hogrefe Mampka, A. (2007), Keine Angst vor Mobbing, Stuttgart: Klett-Cotta Mittelstaedt, I. (1998), Mobbing und Emotionen, München: Hampp Kellner, H. (2000), Konflikte verstehen, verhindern, lösen, München: Hanser König, R., Haßelmann U. (2004), Konflikte managen am Arbeitsplatz, Göttingen: Van‐ denhoeck & Ruprecht Kowalzik, U. (2005) Erfolgreiche Personalentwicklung, Hannover, Schlütersche Verlags‐ gesellschaft Kraft, P. (1998), NLP Handbuch für Anwender, Paderborn: Junfermann Kytzler B.; Redemund L. (1992), Unser tägliches Latein, (6. Überarbeitete Auflage), Mainz: Lizenzausgabe für die Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Leyendecker B., Pötters, P. (2018), Shopfloormanangement, München: Hanser Lewin, K. (1935), A Dynamic Theory of Personality, Columbus OH: McGraw- Hill Leymann, H. 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(1997), Konfliktmoderation, Hamburg: Windmühle Verlag Redlich, A., Elling, J. R., (2000), Potential Konflikte, Hamburg: Windmühle Verlag Regnet, E. (2017), Konflikt und Kooperation, Göttingen: Hogrefe Riechert, I. (2011), Psychische Störungen bei Mitarbeitern, Berlin: Springer Rosenberg, M. B. (2016), Gewaltfreie Kommunikation (12. Überarbeitete und erweiterte Auflage), Paderborn: Junfermann Rüttinger, R.; Kruppa, R. (1998), Übungen zur Transaktionsanalyse, Hamburg: Wind‐ mühle Verlag Scherm, M. (2005), 360-Grad-Beurteilungen, Göttingen: Hogrefe Schmidt, R.(1998), Immer richtig miteinander reden, Paderborn: Junfermann Schuler, H. (Hrsg.) (2001), Lehrbuch der Personalpsychologie, Göttingen: Hogrefe 160 7 Literaturliste Schulz von Thun, F. (2001), Miteinander reden: Kommunikationspsychologie für Füh‐ rungskräfte (2.Aufl.), Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Sperling, J.B. (1997), Führungsaufgabe Moderation (2. Aufl.), Planegg: WRS Atewrt, J.; Joines, V. (1990), Die Transaktionsanalyse, Freiburg: Herder Stockinger, T. (2014), Personalentwicklung, Heidelberg: Springer Stroebe, R.W. (1995), Arbeitsmethodik 1 (7. Aufl.), Heidelberg: Sauer Stroebe, R.W. (1993), Arbeitsmethodik 2 (5. Aufl.), Heidelberg: Sauer Thomas, A.M. (1998), Coaching in der Personalentwicklung, Bern: Huber Thomas, R. F. (1993), Chefsache Mobbing, Wiesbaden: Gabler Tosch, M. (1997), Besprechungen moderieren, Eichenzell: Neuland Zuschlag, B.; Thielke, W. (1989) Konfliktsituationen im Alltag, Göttingen: Verlag für Angewandte Psychologie Zuschlag, B. (2001) Mobbing (3. Überarbeitete Auflage), Göttingen: Hogrefe 7 Literaturliste 161 Fitte Mitarbeitende & Fitte Unternehmen Unser Coaching ist keine Beratung „von der Stange“, sondern richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen der Teilnehmenden im Rahmen der Zielsetzung des Beratungsauftrages, zielt immer auf die Förderung von Selbstreflexion und -wahrnehmung, Bewusstsein und Verantwortung, dient zur Erweiterung und/ oder Flexibilisierung ihrer Möglichkeiten Unsere Themen: Sich selbst und Mitarbeitende gesundheitsgerecht führen Stressbewältigung Burnout-Vermeidung Management des Arbeits- und Gesundheitsschutzes Implementierung gesundheitsgerechter Arbeitsbedingungen Förderung von Arbeitsmotivation und Gesundheit Betriebliche Suchtprävention Problembezogene Maßnahmen bei kontraproduktiven Verhaltensweisen Teilnehmende und Coach arbeiten auf gleicher „Augenhöhe“ auf der Basis einer tragfähigen und durch gegenseitige Akzeptanz und Vertrauen gekennzeichneten Beratungsbeziehung. Die Teilnehmenden erhalten „Hilfe zur Selbsthilfe“ in Form von Prozessberatung. Optimieren Sie Ihre Personalentwicklung durch die Kompetenz unserer Profit-Coachs Dipl.-Psych. D. Brendt Brendt Training, Aachen Nach langjährigen vielseitigen Berufserfahrungen in leitenden Positionen auf dem zweiten Bildungsweg Studium der Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie. Fort- und Weiterbildungen in Transaktionsanalyse, NLP, Rational-Emotives Training, Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung. Supervisor BDP. Seit 1989 freiberuflicher Trainer, Berater und Coach. Kontakt: BRENDT-TRAINING@t-online.de 8 Autorenprofil Dieter Brendt, geb. 1954, Diplompsychologe, ABO-Psychologie, RWTH Aachen, Supervisor, BDP Aus einer traditionsreichen Handwerkerfamilie stammend kann der Autor nach einer Lehre zum Fernmeldehandwerker auf langjährige Berufserfahrungen als Techniker (zuletzt in leitenden Positionen beim Deutschen Wetterdienst und in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung) zurückgreifen. Sein Studium der Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie auf dem 2. Bildungsweg hat er über unternehmerische Tätigkeiten im Baugewerbe finanziert. Ab 1989 als Trainer, Coach und Personalberater in unterschiedlichen Branchen tätig. Tätigkeitsfelder: Zeit- und Selbstmanagement Betriebliche Gesundheitsförderung Führung Kommunikation, Kooperation, Konfliktmanagement Coaching Train the Trainer Zu den ersten drei Themen liegen zahlreiche Veröffentlichungen (zumeist im expert verlag) vor. Kontakt: BRENDT-TRAINING@t-online.de Register Absichten-14, 123 Abwendung-99 Adjourning-47 Aktives Zuhören-125 angepasstes Kindheits-Ich-77 Annäherungs-Annäherungs-Konflikt-15, 17 f. Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt-16, 19 Beschreibung-45, 61, 74, 88 f., 118 Beurteilungen-14, 144, 160 Bewertung-116 f., 122 Bewertungen-14, 142, 144 Beziehung 15, 21, 24-27, 36, 53, 65, 94, 109, 115, 148, 151 Buridans Esel-13, 15 Change-31 Drama-Dreieck-42 f., 45 Du-Botschaften-21, 116 Durchhaltevermögen-135 Einwandbehandlung-126 f. Eltern-Ich (EL)-75, 78, 80 empathische Vermutungen-119 Entscheidungsmatrix-16, 18, 20 Erwachsenen-Ich (ER)-77, 80 Forming-46 Führung-15, 27, 31, 44, 48, 135 f., 159, 165 Gedanken-13, 18, 33, 37, 40, 44 f., 53, 113, 118, 120 gefühltes Lebenskonzept-76 Gegenwendung-99 gekreuzten Transaktion-80, 83 f. Gruppen-14, 42, 44, 46, 48, 53, 56 f., 134, 147 Harvard-Methode-51, 58, 63 Hinwendung-26, 99 Ich-Botschaften 21-24, 32, 53, 71, 114, 116 Identitätskonflikt-24 Innere Konflikte-15 Kindheits-Ich (K)-76, 78, 80 kleiner Prof-77 Koalition-15, 42 Kohäsion-48 f. Konfliktstile-107 ff. kritische EL-76 Lokomotion-48 f. Mediation-11, 132, 147, 149, 156, 159 Mediator-147 natürliches Kindheits-Ich-76 Neuro-Linguistisches Programmieren (NLP)-123 Norming-47 Organisatorische Konflikte-15, 51 Pacen-123 parallelen Transaktion-79 f., 82 f. Performing-47 Personen-7, 14-20, 38, 42, 49, 57, 75, 79, 99 f., 103 f., 106, 134, 143, 151, 155 Rangordnung-15, 44, 46, 48 rebellisches Kindheits-Ich-77 Retterrolle-43 Revier-15, 44, 48 Rivalität-15, 42 Rolle-15, 25 ff., 32, 43, 57, 61, 94, 115, 135 f. self-fulfilling prophecy-86 starkes Engagement-135 Storming-46 Szenische Medien-49 Themenzentrierten Interaktion (TZI)-53 Transaktionsanalyse-10, 42, 74 f., 78 f., 83, 85 ff., 90 f., 113, 160 f. Triade-15, 42 unterstützende EL-76 verdeckte Transaktion-80, 85 ff., 91 Verhaltensweisen-10, 13, 93, 99 ff., 106, 115, 123 Vermeidungs-Vermeidungs-Konflikt-16 Verteilung-15, 57 Vielgesichtiges Individuum-75 Wahrnehmung 10, 94 f., 98, 112, 122, 142 f. Werte-15, 51, 57 Win-win-Situation-51 Wünsche-13, 37, 138 Zwischenmenschliche Konflikte-15, 20 Register 167 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Vorgesetzter (VG) und Mitarbeiter (MA) im Teufelskreis . . 20 Abb. 2: Vier-Felder-Schema zur emotionalen Distanz . . . . . . . . . . . 26 Abb. 3: Sender-Empfänger-Modell der Kommunikation . . . . . . . . . 33 Abb. 4: Vier Dialogseiten mit Konfliktpotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Abb. 5: Das Drama-Dreieck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Abb. 6: Gruppenaufstellung mit szenischen Medien . . . . . . . . . . . . . 50 Abb. 7: Drei Faktoren der Themenzentrierten Interaktion in der Balance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Abb. 8: Methodik der Konfliktlösung in drei Schritten . . . . . . . . . . . 60 Abb. 9: Aspekte zur Konfliktanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Abb. 10: Konfliktdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Abb. 11: Verlaufsschema „Rückfall“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Abb. 12: Wahrnehmung von Alkoholproblemen . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Abb. 13: Das vielgesichtiges Individuum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Abb. 14: Parallele Transaktionen zwischen zwei ER . . . . . . . . . . . . . . 80 Abb. 15: Parallele Transaktion zwischen zwei EL . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Abb. 16: Parallele Transaktion zwischen zwei K . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Abb. 17: Parallele Transaktion - verschoben: S auf EL-, R auf K-Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Abb. 18: Verlauf einer parallelen diagonalen Transaktion . . . . . . . . . 83 Abb. 19: Gekreuzte Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Abb. 20: Anguläre Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Abb. 21: Verdeckte Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Abb. 22: Das Eisberg-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Abb. 23: Typische Transaktionen im Konflikt „Alternative Software“ 90 Abb. 24: Ansprache aus dem Kindheits-Ich im Konflikt „Alternative Software“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Abb. 25: Umgang mit Konflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Abb. 26: Unmögliche Figur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Abb. 27: Kippfigur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Abb. 28: Bezugsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Abb. 29: Optische Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Abb. 30: Entwicklung von Feindseligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Abb. 31: Konfliktepisode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Abb. 32: Konfliktspirale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Abb. 33: Spannungsfeld einer Kontroverse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Abb. 34: Konfliktstile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Abb. 35: Kooperative Konfliktbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Abb. 36: Konfliktösende Überkreuz-Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Abb. 37: Übung zur geplanten Schlagfertigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Abb. 38: Nutzen bieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Abb. 39: Problembewusstsein vermitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Abb. 40: Interessenlage klären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 170 Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Tab. 1: Annäherungs-Annäherungs-Konflikt „Jobangebot“ . . . . . . . . . 18 Tab. 2: Hinweise zur Erfolgsformel für Ich-Botschaften . . . . . . . . . . . . 23 Tab. 3: Empfehlungen für neue Chefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Tab. 4: Körpersprachliche Ausprägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Tab. 5: Stimmliche Ausprägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Tab. 6: Leitfaden für ein Konfliktlösungsgespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Tab. 7: Handreichungen zur Gruppenentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Tab. 8: Aspekte zu Lokomotion und Kohäsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Tab. 9: Aspekte zur Beschreibung des Konfliktgeschehens . . . . . . . . . 60 Tab. 10: Stichpunkte zum Konflikt zu Aspekten der Konfliktanalyse . . 65 Tab. 11: Leitfragen für das Erstgespräch bei Alkoholauffälligkeiten . . . 70 Tab. 12: Analyse des Eltern-Ich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Tab. 13: Analyse des Kindheits-Ich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Tab. 14: Analyse des Erwachsenen-Ich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Tab. 15: Übung zu den Ich-Zuständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Tab. 16: Beschreibung des Konflikts zum Thema „Alternative Software“ 88 Tab. 17: Einstellungen zu anderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Tab. 18: Gefühlsrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Tab. 19: Konfliktträchtige Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Tab. 20: Konfliktfähige Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Tab. 21: Phasen des Kreislaufs zur kooperativen Konfliktlösung . . . . . . 109 Tab. 22: Aufrichtigkeit als Giraffe oder Wolf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Tab. 23: Beobachtung oder Bewertung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Tab. 24: Gefühle bei befriedigten und unbefriedigten Bedürfnissen . . . 117 Tab. 25: Ausdruck eines Gefühls oder nicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Tab. 26: Bedürfnisse erkennen und akzeptieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Tab. 27: Bitten aussprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Tab. 28: Zehn Gebote guten Zuhörens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Tab. 29: Aspekte zur Kommunikation im Problemlösungsprozess . . . . 126 Tab. 30: Checkliste zur Prüfung von angestrebten Vereinbarungen . . . 130 Tab. 31: Methoden zur Bearbeitung eskalierender Konfliktsituationen 132 Tab. 32: Kalte Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Tab. 33: Heiße Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Tab. 34: Leitsätze zur Konfliktmoderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Tab. 35: Checkliste zum Fahrplan der Konfliktmoderation . . . . . . . . . . . 145 Tab. 36: Fünf-Phasen-Modell der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Tab. 37: Arten des Angriffs nach Leymann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Tab. 38: Konfliktreduktion bei verschiedenen Konfliktarten . . . . . . . . . 157 172 Tabellenverzeichnis BUCHTIPP Dieter Brendt, Olaf Mackowiak Führung in der Technik 1. Auflage 2021, 177 Seiten €[D] 34,90 ISBN 978-3-8169-3467-7 eISBN 978-3-8169-8467-2 Mitarbeitende zielgerichtet und effektiv führen zu können, ist ein Schlüssel für nachhaltigen Unternehmenserfolg. In diesem Buch werden den Leser: innen durch die direkte Ansprache und die Praxisbeispiele von Kolleg: innen in vergleichbaren Situationen Denkanstöße und Tipps geboten, um ihren Führungsstil zu analysieren und darauf aufbauend zu optimieren. Es werden bewährte Maßnahmen und Techniken zur effizienten Gestaltung und Beherrschung der vielfältigen Anforderungen im sich schnell verändernden technischen wie gesellschaftlichen Umfeld vorgeschlagen, die praxisgerecht im Führungsalltag eingesetzt werden können. expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de BUCHTIPP Ulrich Engelmann, Martin Baumann Zielführend moderieren Kompetenzen - Methoden - Wege zum Gesprächserfolg 1. Auflage 2022, 438 Seiten €[D] 34,90 ISBN 978-3-8252-5689-0 eISBN 978-3-8385-5689-5 In der Teamarbeit wird Moderation zum Erfolgsfaktor, der jedoch häufig unterschätzt wird. Ausgehend vom persönlichen Kompetenzniveau verknüpft dieses Buch Grundlagen und Methoden zu Wegen, um Ihre persönliche Entwicklung individuell zu begleiten: Einsteiger: innen finden hilfreiche Checklisten und Basistechniken für ihre ersten Moderationen, Fortgeschrittene wertvolle Praxistipps und Methoden für den Ausbau ihrer Moderationskompetenz. Profis schließlich genießen eine raffinierte Aussicht auf weniger bekannte Techniken und neue Anwendungen. Weiterführende Exkurse zum Meeting-Management und zur Online-Moderation runden den Anwendungshorizont ab. Ob in Beruf, Studium oder Ehrenamt - derart ausgestattet gelingen Ihre eigene sowie die Entwicklung Ihres Teams durch zielführende Moderation. UVK Verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de ISBN 978-3-8169-3534-6 Das Thema „Konfliktmanagement“ ist für Mitarbeiter: innen und Führungskräfte in der Technik besonders relevant, da diese stark dazu neigen, das betriebliche Konfliktgeschehen so anzugehen, als würden sie technische Probleme lösen. Voll auf die Sachebene fokussiert werden Fakten gesichtet, kritisch analysiert und Maßnahmenpläne entwickelt. Auf der Strecke bleibt dabei allzu oft die Beziehungsebene, wo auf der Basis gegenseitiger Wertschätzung Win-win-Lösungen erzielt werden können. Nur so werden Konflikte zu Chancen der persönlichen und organisatorischen Weiterentwicklung. Dieses Buch vermittelt das erforderliche psychologische und methodische Know-how. Der Inhalt Konflikte in der Technik: innere und zwischenmenschliche in Paaren, Triade, Gruppen und Organisationen - Methodik der Konfliktlösung - methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung - negative Konfliktstrategien/ Mobbing - Konfliktprophylaxe Die Zielgruppe Mitarbeiter: innen und Führungskräfte in der Technik Der Autor Dieter Brendt: vielseitige Berufserfahrungen als Techniker in leitenden Positionen, Studium der Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie, Supervisor BDP, seit 1989 freiberuflicher Trainer, Berater und Coach DIETER BRENDT Konfliktmanagement in der Technik DIETER BRENDT Konfliktmanagement in der Technik Betriebliches Konfliktgeschehen ganzheitlich als Chance zur persönlichen und organisatorischen Weiterentwicklung nutzen