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Onymische Flexion

Strukturen und Entwicklungen kontinentalwestgermanischer Dialekte

1213
2021
978-3-8233-9521-8
978-3-8233-8521-9
Gunter Narr Verlag 
Lea Schäfer
10.24053/9783823395218
CC BY-SA 4.0https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de

Die Grammatik von Namen ist in den letzten Jahren zunehmend in das Interesse der theoretisch interessierten Linguistik gerückt. Bestehende Arbeiten zur Diachronie der Eigennamenflexion stützen sich bisher auf schriftsprachliche Korpora, die den Abbau onymischer Flexion auf dem Weg zur Standardvarietät spiegeln, nicht aber die Verhältnisse in gesprochensprachlichen Varietäten, die diese mitunter bewahrt bzw. aus- oder umgebaut haben. Die Monographie liefert eine umfassende theoretische, diachrone und geolinguistische Aufarbeitung des Phänomens der Eigennamenflexion in oralen Varietäten (<i>futtern wie bei Muttern</i>). Auf der empirischen Basis unterschiedlicher Quellen und Datentypen deutscher, niederländischer, friesischer und jiddischer Dialekte werden mögliche Wandelszenarien der onymischen Flexion diskutiert und modelliert. So werden neben Gemeinsamkeiten und Unterschieden der westgermanischen Varietäten auch generelle Einblicke in Sprachwandelprozesse oraler Varietäten und die Vorzüge und Möglichkeiten einer germanistischen Sprachwissenschaft jenseits der Teutonistik sichtbar.

<?page no="0"?> TBL Tübinger Beiträge zur Linguistik Onymische Flexion Strukturen und Entwicklungen kontinentalwestgermanischer Dialekte Lea Schäfer <?page no="1"?> Onymische Flexion <?page no="2"?> Tübinger Beiträge zur Linguistik herausgegeben von Gunter Narr 582 <?page no="3"?> Lea Schäfer Onymische Flexion Strukturen und Entwicklungen kontinentalwestgermanischer Dialekte <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Wir danken für die Unterstützung durch die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Dr. habil. Lea Schäfer Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Abteilung für Jiddische Sprache, Literatur und Kultur D-40225 Düsseldorf https: / / orcid.org/ 0000-0002-1932-4895 DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783823395218 © 2021 · Lea Schäfer Das Werk ist eine Open Access-Publikation. Es wird unter der Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen | CC BY-SA 4.0 (https: / / creativecommons.org/ licenses/ by-sa/ 4.0/ ) veröffentlicht. Die in diesem Werk enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der am Material vermerkten Legende nichts anderes ergibt. In diesen Fällen ist für die oben genannten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. 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KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 0564-7959 ISBN 978-3-8233-8521-9 (Print) ISBN 978-3-8233-9521-8 (ePDF) www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> Il n’y a pas d’histoire de la langue sans une dialectologie — il faut dire maintenant sans une géographie linguistique — complète et bien établie. — Meillet (1930: 200) <?page no="7"?> Dank Wer mich etwas besser kennt, wird wissen, dass das Erinnern von Namen nicht gerade eine meiner Stärken ist. Zum Glück ist diese Fähigkeit aber keine notwendige Bedingung für die Beschäftigung mit der grammatischen Struktur von Namen. Die vorliegende Arbeit wäre in dieser Form nicht möglich gewesen ohne die Hilfe verschiedener Menschen, deren Namen an dieser Stelle genannt werden sollen und denen ich meinen Dank aussprechen will. Erste rudimentäre Ideen und Daten der vorliegenden Arbeit entstanden im Rahmen der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Namenforschung im September 2019. In diesem Kontext ist es Antje Dammeln zu verdanken, dass ich mich mit der Grammatik von Namen zu beschäftigen begann. Für den Impuls, diese ersten Arbeiten weiter auszubauen, die Unterstützung dabei und die vielen wichtigen Hinweise danke ich Jürg Fleischern. Die Arbeit am vorliegenden Buch wäre ohne die Finanzierung meiner Forschung durch die Fritz-Thyssen-Stiftung (2017-2018) und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (2018-2022) nicht möglich gewesen. Die im Folgenden ausgewerteten Daten zu den jiddischen Dialekten wurden im Rahmen des Projekts Syntax of Eastern Dialects (SEYD) gehoben und hätten ohne die Mitarbeit von Marc Broden, Florian Leuwern, Jana Katczynskien und Tobias Wilczkowskien nicht in dem Umfang bearbeitet werden können, wie es letztendlich möglich war. Die Zugänglichkeit dieser Daten des LCAAJ-Materials wiederum ist der Digitalisierung und Veröffentlichung durch die Columbia Libraries, insbesondere Michelle Chesnern, zu verdanken. Für Tipps und Ratschläge rund um die BayDat danke ich Grit Nickeln und für die Geokoordinaten Simon Pröllen. Ein weiterer Dank an Jürg Fleischern für die Bereitstellung seiner Daten des Projekts Morphosyntaktische Auswertung von Wenkersätzen. Elvira Glasern und Sandro Bachmannen danke ich für die Bereitstellung von SADS-Daten. Diesen beiden und auch Gabriela Barten und Rebekka Studlern danke ich für dem Austausch zu den alemannischen Dialekten und Neil Jacobsen - yasher koyekh - far zayne eytses vegn klal-yidishe gramatik. Voor de gedigitaliseerde Vragenlijst 12a en verwijzingen naar de Nederlandse dialecten wil ik Nicoline van der Sijsen, Marc van Oostendorpen en Douwe Zeldenrusten bedanken. Speciale dank aan het Meertens Instituut voor het verspreiden van de link naar de enquête onder West-Friese en Nederlandse dialectsprekers. Sandra Birzern, Alexander Drögen <?page no="8"?> und Christa Schneidern danke ich für die Verbreitung der Fragebogenlinks und selbstverständlich danke ich all den zahlreichen Informant: innen, die sich die Zeit genommen haben, die Umfrage auszufüllen (hartelijke dank! geltsgott! merci vielmol! ). Marc Broden, Antje Dammeln, Sophie Ellsäßern, Jürg Fleischern, Damaris Nüblingen, Ricarda Scherscheln und Alexander Werthen danke ich für wertvolle Kommentare und Anmerkungen zu früheren Manuskripten dieser Arbeit. Für die exzellente Betreuung der Buchwerdung danke ich den Mitarbeiter: innen des Narr Francke Attempto Verlags insbesondere Tillmann Buben und Mareike Wagnern. Die Veröffentlichung wurde finanziert durch den Open-Access-Fonds der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Augsburg/ Düsseldorf/ Anzefahr, im November 2021 Lea Schäfer viii <?page no="10"?> Inhalt Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vii I Grundlagen und Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . 15 1 Breaking bad: Kasusflexion auf Abwegen . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1.1 Kasus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.2 Mögliche Wandelszenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1.3 Datengrundlage und Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2 Strukturelle Besonderheiten von Eigennamen und Flexion . . . . . . . 29 2.1 Syntaktische Aspekte von Eigennamenflexion . . . . . . . . . . . 31 2.2 Semantische Aspekte von Eigennamenflexion . . . . . . . . . . . 45 2.3 Flexion, Deflexion und Exaptation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3 Aktueller Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.1 Entwicklungstendenzen im germanischen Kasussystem . . . . . . 60 3.2 Diachrone Prozesse der onymischen Flexion . . . . . . . . . . . . 70 3.2.1 Entwicklungen im Hochdeutschen . . . . . . . . . . . . . 70 3.2.2 Entwicklungen im Jiddischen . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3.2.3 Entwicklungen im Niederländischen & Niederdeutschen . 82 3.2.4 Entwicklungen im Friesischen . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3.2.5 Interaktionen mit der Grammatikalisierung des onymischen Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3.2.6 Zusammenfassung der historischen Entwicklungen . . . . 89 3.3 Relikte onymischer Flexion in westgermanischen Dialekten . . . 91 3.4 Die Sonderklasse der Verwandtschaftsbezeichnungen . . . . . . . 106 3.5 Zur Makrotypologie von Eigennamenflexion . . . . . . . . . . . . 114 <?page no="11"?> Inhalt 4 Methodischer und theoretischer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . 115 4.1 Strukturalistische Dialektologie als diachrone Dialektologie . . . 115 4.2 Multifaktorielle Analyse und Synthese . . . . . . . . . . . . . . . 118 4.3 Datengrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II Onymische Flexion in Dialekten des 19. und 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 5 Aufbau und Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten . . . . . . . . . . . . . . 125 6.1 Quellenlage und Möglichkeiten eines empirischen Zugangs . . . . 126 6.2 Flexion im Possessiv bei Personennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 6.3 Flexion der sogenannten ‚schwachen‘Maskulina . . . . . . . . . . 141 6.4 Flexion von Personennamen im Dativ . . . . . . . . . . . . . . . . 151 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen . . . . . . . . . . . . 155 6.5.1 Faktor Kasus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 6.5.2 Faktor Genus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 6.5.3 Faktor Numerus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 6.5.4 Faktor Animatheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 6.5.5 Faktor Definitheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 6.5.6 Faktor Individualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 6.5.7 Faktor biologisches Geschlecht der Informant: innen . . . 187 6.5.8 Faktor semantische Rollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 6.5.9 Faktor Akzessibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 6.5.10 Faktor Phonotaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 6.5.11 ‘Herz’ als Problem- und Sonderfall . . . . . . . . . . . . . 201 6.5.12 Modellierung möglicher diachroner Prozesse . . . . . . . 206 6.6 Zwischenfazit: onymische Flexion in den jiddischen Dialekten . . 215 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten . . . . . . . . . . . . . . . 217 7.1 Eigennamenflexion in Großraumerhebungen . . . . . . . . . . . . 218 7.1.1 Daten der Wenkererhebungen (1887-1941) . . . . . . . . . 219 7.1.2 Radlof (1817) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 7.2 Eigennamenflexion in alemannischen Dialekten der Schweiz . . . 229 xi <?page no="12"?> Inhalt 7.2.1 Stalder (1819) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 7.2.2 Sprachatlas der deutschen Schweiz (SDS) . . . . . . . . . . 233 7.2.3 Syntaktischer Atlas der Deutschen Schweiz (SADS) . . . . 241 7.2.4 Zelleni us em Haslital (Sooder 1943 [1984]) . . . . . . . . . 245 7.3 Eigennamenflexion in den ostoberdeutschen Dialekten Bayerns (BayDat) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 7.3.1 Faktor Genus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 7.3.2 Faktor Kasus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 7.3.3 Rückschlüsse auf die Diachronie . . . . . . . . . . . . . . 273 7.4 Zwischenfazit: onymische Flexion in den deutschen Dialekten . . 279 8 Eigennamenflexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten . . . . . . . . . . 281 8.1 Winkler (1874) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 8.2 Quellen aus der Enquête von Coquebert de Montbret . . . . . . . 290 8.3 Das nordfriesische System bei M. M. Nissen . . . . . . . . . . . . . 293 8.4 Das sauerländische System bei F. W. Grimme . . . . . . . . . . . . 298 8.5 Grammatiken (TISEL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 8.6 Vragenlijst No. 12a (1943) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 8.7 Zwischenfazit: onymische Flexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten 313 III Onymische Substantivflexion in Dialekten des frühen 21. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 9 Design der Umfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 10 Ergebnisse der Umfrage zu niederländischen Varietäten . . . . . . . . 325 10.1 „Vater & Sohn“-Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 10.2 Lücken-Sätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 10.3 Alterseffekt (diastratische Variation) . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 10.4 Akzeptabilitätsurteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 10.5 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 11 Ergebnisse der Umfrage zu den oberdeutschen Varietäten . . . . . . . 347 11.1 Ergebnisse zu den alemannischen Dialekten . . . . . . . . . . . . 350 11.2 Ergebnisse zu den ostoberdeutschen Dialekten . . . . . . . . . . . 357 xii <?page no="13"?> Inhalt IV Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 12 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 12.1 Interaktion von Flexion und Syntax . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 12.2 Rückschlüsse zu Prozessen von Flexionsabbau und Deflexion . . . 371 12.3 Ist das Flexion oder kann das weg? . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 13 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Umfragen und Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 Aufbau der niederländischen Umfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 Aufbau der oberdeutschen Umfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 Daten der niederländischen Umfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 Daten der Schweizer Umfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 Daten der ostobdt. Umfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 xiii <?page no="15"?> Teil I Grundlagen und Voraussetzungen <?page no="17"?> 1 Breaking bad: Kasusflexion auf Abwegen Das Schicksal der Kasusflexion am Substantiv ist in den meisten germanischen Varietäten eine Geschichte von Synkretismus, Abbau und Verlust. Während die älteren germanischen Sprachen noch über ein reiches Formeninventar zur Kasusflexion verfügen, ist dieses zu den modernen Sprachstufen hin in den meisten Sprachen vollständig abgebaut worden. Selbst im Deutschen, wo vergleichsweise viel Flexion am Substantiv erhalten blieb, wirkt diese bereits vielfach veraltet. So ist etwa das Dativ -e der maskulinen Substantiva, wie dem Hydronym (Lech-e) in (1), noch bis ins Neuhochdeutsche gegeben und auch in der Gegenwartssprache als Kasusmarkierung noch immer transparent, wird aber nicht mehr aktiv gebraucht und wirkt stark archaisch. (1) Hingegen hat die Stadt schon 1462 vom Kaiser Friedrich die Freyheit erhalten, das Wasser aus dem Leche durch soviel Bäche, als man nöthig erachten würde in die Stadt zu leiten. (Nicolai 1787: 19) Doch obwohl die Flexion am Substantiv im Allgemeinen starke Wandelprozesse durchlaufen hat, nimmt die Eigennamenflexion eine Sonderstellung ein. Nicht nur blieb die onymische Flexion in den germanischen Sprachen länger bewahrt als die Flexion anderer Substativklassen, auch ist ihre Entstehung eine der jüngeren Entwicklungen der Substantivmorphologie. Dies zeigt sich in den germanischen Standardsprachen besonders in der Grammatikalisierung des Possessivmarkers -s, der, entgegen der generellen Tendenz der Kasusnivellierung, insbesondere an Eigennamen (EN) ausgebaut wird (2) (Ackermann 2018; Scott 2013; Fuß 2011). (2) a. dt. Frau Schallerts Blumen b. ndl. Mevrouw Schallert’s Bloemen c. engl. Mrs. Schallert’s flowers d. dän. Fru. Schallerts blomster <?page no="18"?> 1 Breaking bad: Kasusflexion auf Abwegen e. schwed. Fru Schallerts blommor Im Schatten der Erfolgsgeschichte des possessiven -s findet in den Standardsprachen mit dem Flexionsabbau an Eigennamen im Akkusativ und Dativ auch ein dem entgegenlaufender Prozess statt (Ackermann 2018). Während auch hier die älteren Sprachstufen noch deutlich mehr Kasusflexion aufweisen (siehe Abschnitt 3.2, S. 70), haben die modernen Standardsprachen hier Flexion entweder vollständig abgebaut, wie (3a), oder auf Artikel und Präpositionen ausgelagert, wie (3b). Nur die jiddische Standardsprache hat onymische Flexion an belebten Eigennamen erhalten, wie in (3c). (3) a. ndl. Phillip ziet Alex b. dt. Phillip sieht (den) Alex c. jid. Filip zet Aleksn Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass die Flexion von Eigennamen gerade in den Dialekten, die sonst Kasusnivellierungen i.d.R. schneller und konsequenter durchgeführt haben als die Standardsprachen, bis zum heutigen Zeitpunkt produktiv ist (z.B. Dauwalder 1992: 18; Bucheli Berger 2006: 94; J. Hoekstra 2010; Spijk 2015). Die Profilierung der Kennzeichnung von Namen bzw. von namenspezifischen Merkmalen bei generell gleichzeitigem Abbau von Kasusflexion muss kein Widerspruch sein. Das Ungleichgewicht zwischen Kasusflexion an (belebten) Eigennamen und unmarkierter Kasusflexion an übrigen Substantiva entspricht dem, was in der kanonischen Typologie als ‚Überdifferenzierung‘ bezeichnet wird (overdifferentiation Bloomfield 1933: 223-224; s.a. Corbett 2011). Eigennamen überdifferenzieren gegenüber allen anderen Substantiva zum Beispiel im Standardniederländischen mit einer eigenen Markierung possessiver Kontexte (vgl. Tabelle 1.1). Im Standardjiddischen überdifferenzieren belebte Personennamen --und, wie wir sehen werden, drei bis vier hochbelebte Appelativa - mit einem eigenen Paradigma für die Markierung von Akkusativ/ Dativ und des possessiven Genitivs (vgl. Tabelle 1.1). Zu fragen ist nun, ob und wie diese Überdifferenzierungen funktional zu erklären sind, und ob es sich dabei um Reste der alten Kasusflexion handelt, die an Namen nur etwas langsamer abgebaut wurde als z.B. bei unbelebten Appellativen, oder ob hier die Flexion auf- und ausgebaut wurde. Dies sind die Kernfragen der vorliegenden Untersuchung. 18 <?page no="19"?> ‘Rose’ ‘Rosa’ Nom. roos Rosa Akk. roos Rosa Dat. roos Rosa Poss./ Gen. roos Rosa’s ‘Rose’ ‘Rosa’ Nom. royz Rayzel Akk. royz Rayzelen Dat. royz Rayzelen Poss./ Gen. royz Rayzels Tab. 1.1: Beispiel für Überdifferenzierung anhand der standardniederländischen (links) und standardjiddischen (rechts) Substantivflexion im Singular Die Entwicklungen der Substantivflexion in den kontinentalwestgermanischen Sprachen sind Teil unterschiedlicher Prozesse, die den Wandel von synthetischen zu analytischen Strukturen markieren. Die Ausbildung des definiten Artikels und diverse phonologische Entwicklungen (wie die Apokope und die Nebensilbenabschwächung) haben dazu beigetragen, dass Kasus- und Genusinformation nicht mehr am Nomen selbst ausgedrückt werden.¹ Aber nicht nur syntaktische (wie die Entstehung des Artikels) und phonologische (z.B. Nebensilbenabschwächung, Apokope) Entwicklungen haben Auswirkungen auf die Substantivflexion, auch Morphologie-interne Mechanismen, wie die sog. Numerusprofilierung bzw. die Genusprofilierung und die Umstrukturierung von Flexionsklassen und Paradigmen z.B. nach Faktoren wie Belebtheit oder Relevanz (vgl. Dammel & Gillmann 2014), bewirken einen formalen Kasusabbau. Dieser ist in den oralen Varietäten in der Regel weiter fortgeschritten als in den konservativen Standardsprachen. Im Folgenden werden mit dem Begriff ‚Eigenname‘ ausschließlich monoreferenzielle Bezeichnungen für belebte, insbesondere humane Entitäten, d.h. konkrete Personen (und ggf. personifizierte Haustiere), bezeichnet. Dies umfasst insbesondere Ruf-, Familien-, Kosenamen und Verwandtschaftsbezeichnungen. Andere, unbelebte Eigennamen, wie z.B. das Hydronym ‘Lech’ in (1), werden im Folgenden von diesem Begriff ausgeschlossen. Es konnten keine Hinweise gefunden werden, dass andere Onyme als Personennamen in den untersuchten Varietäten 1 Nübling (2012) bezeichnet diesen Flexionsabbau als „Deflexion“ (nicht zu verwechseln mit Deflexion nach Norde 2009, vgl. Abschnitt 2.3, ab S. 50). 19 <?page no="20"?> 1 Breaking bad: Kasusflexion auf Abwegen Flexion aufweisen. Dieser Umstand deutet bereits an, dass Belebtheit im Folgenden eine zentrale Rolle spielen wird. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, Reste von (onymischer) Substantivflexion in den modernen kontinentalwestgermanischen Dialekten zu identifizieren und die einzelnen Systeme zu beschreiben und miteinander in Beziehung zu setzen, in der Absicht gemeinsame bzw. unterschiedliche Tendenzen modellieren zu können. Im Zentrum steht dabei ein multifaktorieller Ansatz, der die Interaktion grammatischer Bereiche hervorhebt. Ausgangspunkt sind dabei zunächst Datenkorpora bestehender Dialekterhebungen (insbes. Atlasprojekte) des 19. und 20. Jahrhunderts. Sekundär werden jedoch auch mundartliterarische Texte und Dialektgrammatiken ausgewertet. Um einen Einblick in die Situation der Gegenwartssprache zu gewinnen, wurden zusätzlich Onlinebefragungen durchgeführt. Vor diesem empirischen Teil der Arbeit werden zunächst grundsätzliche theoretische Vorüberlegungen und Termini eingeführt und es wird ein Überblick zur aktuellen Forschungslage zum Wandel der (onymischen) Substantivflexion gegeben. Die folgenden Abschnitten 1.1 und 1.2 stellen zunächst die wichtigsten theoretischen Grundvorausssetzungen und Basisannahmen zu Kasus, Kasusflexion und den diachronen Prozessen der Substantivflexion in den kontinentalwestgermanischen Sprachen vor. 20 <?page no="21"?> 1.1 Kasus 1.1 Kasus In Sprachen, wie etwa dem Niederländischen, in denen Kasusdistinktion zwischen dem Nominativ und einem Objektkasus (obliquen Kasus) nur noch in wenigen Bereichen (z.B. bei den Personalpronomina) aufrecht erhalten wird, ist ein formales Kasusmodell wenig sinnvoll bzw. hochgradig intransparent. Formaler Kasus bezeichnet die formseitige Kasusmarkierung, seine morphologische Realisierung, während funktionaler Kasus die semantische und syntaktische Eigenschaft von Kasus beschreibt, die unabhängig einer morphologischen Realisierung existiert. Während formaler Kasus abgebaut werden kann, schwindet funktionaler Kasus an sich nicht, sondern nur sein formaler Ausdruck geht verloren. Formaler Kasus ist „a system of marking dependent nouns for the type of relationship they bear to their heads“ (Blake 2001: 1). Flexion wiederum ist ganz generell gesprochen eine morphologische Materialisierung dieses Verhältnisses. Funktionaler Kasus liegt aber nicht erst dann vor, wenn eine bestimmte Position im Paradigma durch ein distinktes Merkmal besetzt ist, sondern ist durch die syntaktische und semantische Relation der Phrasenelemente bestimmt. Kasus besteht also unabhängig von Flexion. Syntaktische Ansätze, wie z.B. Sonderegger (1979: 98-99), basieren auf der Tradition der griechischen und römischen Grammatikbeschreibung (vgl. Blake 2001: 19-22). Für das Standarddeutsche werden die folgenden Relationen von Kasus und syntaktischen Funktionen angesetzt (vgl. Dürscheid 1999: 25-42): - Der Nominativ (inkl. Vokativ) entspricht der syntaktischen Subjektposition (S), die aber auch von Prädikativa besetzt sein kann. - Der Akkusativ entspricht der syntaktischen Position des direkten Objekts (DO) (markiert auch adverbiale Bestimmungen, Präpositionalobjekte und Adjunkte). - Der Dativ entspricht der syntaktischen Position des indirekten Objekts (IO) (markiert auch adverbiale Bestimmungen, Präpositionalobjekte und Adjunkte). - Der Genitiv drückt adnominale Possessivität aus und erscheint an der Position von Präpositionalobjekten und Prädikativa (in den dt. Dialekten werden diese Funktionen i.d.R. vom Dativ übernommen). 21 <?page no="22"?> 1 Breaking bad: Kasusflexion auf Abwegen So verfügt z.B. ein Sprachsystem wie das Vorarlberger Alemannische zwar über keine gesonderte Kasusmarkierung des Akkusativs (4), trotzdem steht der Hamschter in (4b) in DO-Position und nimmt damit die syntaktische Funktion des Akkusativs ein, obwohl dies formal nicht markiert ist. (4) a. Des isch der Hamschter ‘Das ist der Hamster’ b. S’Bobi sacht der Hamschter ‘Das Baby sieht den Hamster ’ Im Aktiv korrelieren semantische Rollen mit syntaktischen Funktionen, die wiederum mit Kasus interagieren. So fungiert die syntaktische Funktion direktes Objekt (DO) in Patiens-Funktion und Subjekt (S) in Agens-Funktion. Ein rein syntaktisches Kasusmodell vernachlässigt diese semantischen Feinheiten: It is also necessary to make a further distinction between the cases and the case relations or grammatical relations they express. These terms refer to purely syntactic relations such as subject, direct object and indirect object, each of which encompasses more than one semantic role, and they also refer directly to semantic roles such as source and location, where these are not subsumed by a syntactic relation and where these are separable according to some formal criteria. (Blake 2001: 3; Hervorhebungen im Original) Daher ist es sinnvoll, neben syntaktischen Parametern auch semantische Eigenschaften zur Differenzierung von Kasusrelationen und grammatischen Relationen anzusetzen; die Differenzierung der syntaktischen Relationen erfolgt anhand von semantischen Rollen der Prototypentheorie (u.a. Blake 2001: 3; Primus 1999). Für Aktiv-Kontexte des Deutschen lässt sich nach Primus (1999) folgender prototypischer Zusammenhang von Kasus, semantischen Rollen und syntaktischen Funktionen feststellen: - Proto-Agens: Subjekt im Nominativ - Proto-Patiens: direktes Objekt im Akkusativ - Proto-Rezipient: indirektes Objekt im Dativ 22 <?page no="23"?> 1.1 Kasus Radikal formuliert dies Croft (2003) folgendermaßen: Grammatical relations represent the syntactic encoding of participant roles, that is, semantic roles of participants in situations encoded by the predicate. The three means of encoding participant roles are case marking, indexation and word order [ … ] The patterns of encoding participiant roles vary significantly across languages. (Croft 2003: 142-143; Hervorhebungen im Original) Diese Relationen zwischen Kasus und semantischen Rollen gelten in erster Linie für Aktiv-Kontexte im Deutschen, da im Passiv eine Rollenanhebung möglich ist (u.a. Dürscheid 1999: 203; Eisenberg 2013: 74). Dies zeigt wiederum, wie eng die Agumentstruktur an syntaktische Kernfunktionen geknüpft ist. Eine besondere Berücksichtigung dieser syntaktischen Kernfunktionen hat sich in der Typologie, basierend auf Dixon (1972), etabliert. In dieser Tradition werden in einem transitiven Satz klassischerweise drei Argumenttypen unterschieden (Comrie 1996: 119): - agentivisch(er)es Argument (A) - patientivisch(er)es Argument (P) - einziges Argument (S) Wie in (5) illustriert, kann im Deutschen sowohl A als auch S durch den Nominativ und P durch den Akkusativ ausgedrückt werden; typologisch spricht man hier von einer Nominativ-Akkusativsprache. Der typologische Gegenbegriff dazu sind Ergativsprachen, die S und P mit demselben Kasus ausdrücken und in denen A einen distinkten Kasus hat (s.a. Hentschel & Vogel 2009: 192-193). (5) a. Die Schwester 𝑆 liest b. Die Schwester 𝐴 sieht den Onkel 𝑃 c. Die Schwester 𝐴 liest das Buch 𝑃 Die Kasus, die zum Ausdruck dieser drei Argumente (A,P, S) dienen, werden nach Blake (2001: 32) als Kernkasus („core cases“) bezeichnet. Daneben existieren weitere Argumente, die über periphere Kasus („peripheral cases“, Blake 2001: 32) ausgedrückt werden. Ein Substantiv kann so in den folgenden basalen Funktionen erscheinen (für weitere Funktionen siehe Handschuh 2017: 490-491): 23 <?page no="24"?> 1 Breaking bad: Kasusflexion auf Abwegen - einziges Argument eines intransitiven Verbs = S (im Dt.: Nominativ) - stark agentatives Argument eines transitiven Verbs = A (im Dt.: Nominativ) - schwach agentatives Argument eines transitiven Verbs = P (im Dt.: Akkusativ) - Ziel/ Empfänger-Argument eines ditransitiven Verbs = G/ R (im Dt.: Dativ) - außersyntaktische Form, die verwendet wird, um die Aufmerksamkeit des Adressaten zu lenken/ zu identifizieren = term of address (im Dt.: Nominativ/ Vokativ) In Sprachen, wie Englisch (6b), Niederländisch (7b) und z.T. Deutsch (5c) bzw. deutsche Dialekte (4), in denen Kasus nicht morphologisch, sondern auch über syntaktische Serialisierung ausgedrückt wird,² ist es problematisch, die klassischen Termini Nominativ, Akkusativ, Dativ etc. zu verwenden, da diese zunächst auf die formale paradigmatische Markierung von Kasuskategorien verweisen. Wenn im Folgenden daher von Nominativ-, Akkusativ- oder Dativkontexten die Rede ist, ist damit immer die entsprechende syntaktische Position (S, DO, IO) und deren Interaktion mit semantischen Rollen (Agens, Patiens, Rezipient) gemeint. So ist es möglich, die speziellen syntaktischen bzw. semantischen Funktionen von Kasus mit den Termini S, DO, IO, Agens und Patiens, Rezipient hervorzuheben, wo dies besonders nötig ist. (6) a. The sister 𝑆 reads b. The sister 𝐴 sees the uncle 𝑃 (7) a. De zuster 𝑆 leest b. De zuster 𝐴 ziet de oom 𝑃 2 Allerdings zeigen Dröge et al. (2020) für einen hochalemannischen Dialekt, das Fering Friesische, und das Standarddeutsche, dass Kasus in diesen Varietäten nicht primär durch Serialisierung ausgedrückt wird. 24 <?page no="25"?> 1.2 Mögliche Wandelszenarien 1.2 Mögliche Wandelszenarien Die vorliegende Arbeit dokumentiert und diskutiert, wie sich Rückschlüsse auf den Prozess des formalen Kasusabbaus, der in allen kontinentalwestgermanischen Sprachen mal stärker, mal schwächer stattgefunden hat, anhand der Variation von Flexionserhalt bzw. -abbau in den Dialekten ziehen lassen. Dabei spielt neben paradigmatischen Faktoren vor allem die Interaktion mit den semantischen Kategorien Definitheit und Belebtheit eine wichtige Rolle (vgl. Ackermann 2018: 52- 65). Im Zentrum steht die onymische Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen, die als Spezialfall von Substantivflexion zu verstehen ist. Die Arbeit wird zeigen, dass das, was bisher unter dem Begriff ‚Eigennamenflexion‘ bzw. ‚onymische Flexion‘ diskutiert wird, eine Spezialisierung von Substantivflexion darstellt, was sich als differentielle Objektmarkierung (DOM) identifizieren lässt. Als Nebenprodukt der Kasusnivellierung entsteht durch Deflexion in vielen Dialekten ein neues Morphem für Belebtheit, Definitheit und DOM. Damit wird die Formseite von Kasusflexion umfunktionalisiert. Kasusflexion wurde nicht einfach abgebaut, sondern zur Markierung semantischer Rollen hochbelebter Entitäten umgebaut. Dies wird als Fall von Deflexion (deinflectionalization) im Sinne von Norde (2009: 152) analysiert. Die Auswertung der Dialektdaten wird zeigen, inwiefern das Wandelmodel einer Deflexion ein geeignetes oder ein ungeeignetes Szenario für die Entwicklungen der Substantivflexion darstellt. Vor allem aber sollen die Strukturen dieses Prozesses der Deflexion aufgezeigt werden und inwiefern verschiedene Faktoren diese bedingen, fördern oder auch hemmen. Diese Kasusflexion auf Abwegen ist ein Beispiel dafür, wie sprachliche Systeme durch Sprachwandel entstehende Lücken und Überschüsse ausgleichen und morphologischem Material neue Funktionen zuweisen. Zugleich gibt eine solche Entwicklung einer DOM aber auch über die Kernfunktionen von Kasus und dessen grundsätzliche Interaktion von syntaktischen und semantischen Funktionen Auskunft. Ein weiterer Wandelprozess, der zur Entstehung der westgermanischen Eigennamenflexion geführt haben kann, ist die Exaptation als Umfunktionalisierung obsolet gewordener Strukturen bzw. Ausweitung ursprünglicher grammatischer Funktion (meist zur Füllung strukureller Lücken). Dieser aus der Biologie³ ent- 3 Wie Simon (2010) bereits ausführt ist ‚Exaptation‘ auch kein sonderlich etablierter Terminus der modernen Evolutionsbiologie. 25 <?page no="26"?> 1 Breaking bad: Kasusflexion auf Abwegen lehnte Begriff ist in der Sprachwandelforschung bisher allerdings unterschiedlich definiert worden (vgl. Lass 1990; McMahon 1994; Simon 2010; Norde & F. Van de Velde 2016) und liefert daher, wie in Kapitel 2.3 weiter ausgeführt wird, nur bedingt ein geeignetes Wandelmodell. Nach den Grundsätzen einer strukturalistischen Dialektologie (siehe Kapitel 4.1) wird ein multifaktorielles Sprachwandelmodell angenommen, das betont die Interaktion verschiedener Systemebenen ins Zentrum stellt. Bereits Ackermann (2018: 160) postuliert für den Abbau der onymischen -(e)n-Flexion im Standarddeutschen multifaktorielle Einflüsse. Ein grundlegendes Ziel dieser Untersuchung ist es, einzelne Systeme onymischer Flexion zu identifizieren, zu beschreiben, ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuzeigen und miteinander in Beziehung zu stellen. Der vorliegende Beitrag verfolgt dabei eine multifaktorielle Analyse von Eigennamenflexion in westgermanischen Dialekten des 19. und 20. Jahrhunderts und der Gegenwart (2020). Diskutiert werden dabei Interaktionen mit Faktoren wie Kasus, Numerus, Genus, Belebtheit und Definitheit (und weitere semantische und syntaktische Faktoren). Der Fokus liegt in erster Linie auf der Flexion direkter (DO) und indirekter Objekte (IO). Der Possessiv (Poss.) wird ebenfalls kursorisch behandelt. Im Zentrum steht die Markierung adverbaler Kasus und damit in den meisten behandelten Varietäten der Objektmarker -(e)n. Diese Ausklammerung des Genitivs/ Possessivs ist in erster Linie dadurch zu rechtfertigen, dass adverbaler und adnominaler Genitiv in den westgermanischen Dialekten nahezu vollständig durch analytische Bildungen ersetzt worden sind (vgl. Mironov 1957: 391; Koß 1983: 1242, insbes. Karte S. 1244; Rowley 1997: 90-91; Fleischer & Schallert 2011: 84-94). Dies mag nicht für adnominale Namen gelten (siehe insbes. Fuß 2011), wo sich das Genitivsuffix -s in den meisten westgermanischen Varietäten und selbst in den Standardsprachen durchgesetzt hat; solche Kontexte sind allerdings im untersuchten Material kaum vorhanden. Wo Genitivbzw. Possessivkontexte in den Daten gegeben sind, werden sie untersucht. 26 <?page no="27"?> 1.3 Datengrundlage und Aufbau 1.3 Datengrundlage und Aufbau Im Folgenden steht die Beschreibung synchroner Systeme, die erhaltene Substantivflexion aufweisen, im Zentrum. Die vorliegende Untersuchung leistet damit keine Analyse der diachronen Entwicklung anhand langzeitdiachroner Korpora. Im Zentrum steht zunächst die Nutzung bestehender Daten aus Dialekterhebungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Darüber hinaus war es nötig und möglich, eigene Befragungen mit Sprecher: innen einer niederländischen, bairischen oder alemannischen Varietät online durchzuführen, um aufkommende Fragen und Bedingungen zu prüfen. Die Arbeit gliedert sich entsprechend in folgende Hauptteile: Im ersten Teil wird das Phänomen nach aktuellem Forschungsstand in seiner Komplexität und seinen diachronen Prozessen vorgestellt und die theoretische Perspektive auf die im zweiten und dritten Teil analysierten Daten gesetzt. Im zweiten Teil werden dann verschiedene, methodologisch ähnliche und damit vergleichbare Datensätze von Dialekterhebungen und Atlasprojekten aus dem 19. und 20. Jahrhundert ausgewertet und hinsichtlich verschiedener möglicher Faktoren, die im Verdacht stehen, Einfluss auf die Eigennamenflexion zu nehmen, analysiert. Je nach verfügbaren Kontexten können die unterschiedlichen Faktoren in den einzelnen Quelldaten nicht überall gleichermaßen getestet werden. Die einzelnen Analysen erfolgen demnach in jedem Datensatz aufgrund der unterschiedlichen empirischen Ausgangssituation mit unterschiedlichem Tiefgang. Insbesondere die Auswertungen zu den jiddischen Dialekten des LCAAJ, der BayDat-Daten und der Vragenlijst 12a erlauben, das Phänomen der onymischen Flexion in unterschiedlichen Kontexten zu beleuchten. Im dritten Teil werden anschließend offene Fragen zu einzelnen Einflussfaktoren anhand eigens erhobenem Umfragenmaterial von Sprecher: innen einer bairischen, alemannischen oder niederländischen Varietät diskutiert. Wie sich zeigt, ist das Phänomen der Eigennamenflexion im Untersuchungszeitraum (19.-21. Jh.) ein flüchtiges, schwer zu greifendes. Die Analysen erfolgen daher nicht immer quantitativ; der Wert der vorliegenden Arbeit besteht vor allem im qualitativen Vergleich der verschiedenen untersuchten Varietäten. Die theoretische Rahmung der Ergebnisse aus der Empirie (Teil 2 und 3) liefern die einleitenden (Teil 1) und abschließenden (Teil 4) Kapitel. 27 <?page no="29"?> 2 Strukturelle Besonderheiten von Eigennamen und Flexion Während die Flexion von Eigennamen in den Sprachen der Welt bisher kaum untersucht wurde, ist die Markierung von Definitheit und in diesem Kontext auch die spezielle Markierung von Definitheit am Eigennamen (für einen aktuellen Überblick der Forschungslage zum onymischen Artikel vgl. Werth 2020: 406-408) ein in der Typologie breit untersuchter grammatischer Bereich (u.a. Lyons 1999; Krámský 1972). Dass der onymische Artikel mit Eigennamenflexion interagiert, wurde zwar immer wieder postuliert, dabei allerdings nie näher untersucht. Im Folgenden sollen die wichtigsten syntaktischen und semantischen Eigenschaften von Eigennamen mit einem klaren Fokus auf die kontinentalwestgermanischen Sprachen und die Besonderheit der Eigennamenflexion skizziert werden, um damit eine theoretische Basis für die nachfolgenden mikrotypologischen Analysen zu legen. Im Kern der funktionalistischen Arbeiten steht die gebrauchsbasierte Überlegung, dass onymischer Flexionsabbau vor allem zur ‚Schonung des Namenkörpers‘ beiträgt. Dies meint im Sinne einer morphologischen Schemakonstanz die „Konstanthaltung des Wortkörpers durch die Vermeidung von wortkörperaffizierenden Elementen, die den Stamm modulieren (z. B. durch Umlaut) oder die Morphemgrenzen verunklaren (wie z. B. additive Suffixe)“ (Ackermann 2018: 43). Auslöser für diese Schonung von Namen seien „die seit dem Mittelalter einsetzenden Individualisierungstendenzen in der Namensgebung, die bei gleichzeitiger Verwendung von Flexionsformen die Referenzeigenschaften des Namens beschränken“ (Werth 2019: 204). Als Ersatzmarkierung des Kasus grammatikalisiert in Folge der Namenschonung der onymische Artikel (insbes. Paul 1919: 166-169, 181-185 und Steche 1927: 142-143, 149; entsprechend auch Nübling & Schmuck 2010, Ackermann 2018 und Werth 2019). Auch in präskriptiven Arbeiten wird auf die Interaktion von Flexion und Artikel verwiesen. Dieser Gedanke findet sich bereits bei Gottsched (1751: 234): „Es ist also am rathsamsten, alle die Wörter entweder zu lassen wie sie sind, und den deutschen Artikel vorzusetzen“, <?page no="30"?> 2 Strukturelle Besonderheiten von Eigennamen und Flexion und auch in jüngeren, präskriptiv-stigmatisierenden Grammatiken von Matthias (1897: 50) oder Schötensack (1856: 116): „Dem Mangel an Flexion bei den Eigennamen kommt zuweilen der bestimmte Artikel oder ein Possesivpronomen zu Hilfe“. Für eine besondere Interaktion zwischen Namen und Definitheit gibt es verschiedene syntaktische Modellierungsvorschläge (siehe Abschnitt 2.1, S. 31). Dieser an sich durchaus interessante Ansatz einer ‚Schonung des Namenkörpers‘ verdeckt allerdings die grundsätzliche Tendenz der Kasusnivellierung im Gesamtsystem. Der generelle Flexionsabbau, den wir in den meisten germanischen Sprachen feststellen (siehe Kapitel 3 ab S. 59), wäre damit ebenfalls eine ‚Schonung des Wortkörpers‘. Wie lässt sich aber dies in Einklang bringen mit der parallelen Entwicklung im Numerus, die insbesondere mit der Ausbildung des Umlauts als Pluralmarker, den ‚Wortkörper‘ alles andere als ‚schont‘? Auch spielt mit diesem Ansatz der funktionalistischen Arbeiten die Syntax keine Rolle. Wie der folgende Abschnitt zeigen wird, sind syntaktische Strukturen und historische Entwicklungen der Determiner Phrase (DP) wichtige Faktoren zum Erhalt und Ausbau von Eigennamenflexion. Entscheidend für die verschiedenen formalen Ansätze ist die unterschiedliche Behandlung von Eigennamen. Als Wörter der Kategorie Nomen weisen Eigennamen einige von Appellativa abweichende semantische und morphosyntaktische Strukturen auf. Der wichtigste semantische Unterschied ist die Monoreferenzialität von Eigennamen: sie „bezeichnen keine Klasse von Individuuen“ (Fuß 2011: 20) (es gibt keine Menschen vom Typ ‘Oliver’), sind aber, im Gegensatz zu anderen Nomina, inhärent definit und referenziell. Syntaktisch äußert sich dies z.B. im Standarddeutschen darin, dass Eigennamen im Gegensatz zu Appellativa keinen Artikel brauchen, um Referenzialität herzustellen: (8) a. *Oliver sieht Pferd b. Oliver sieht das Pferd c. Oliver sieht Phillip d. Oliver sieht den Phillip Es gibt aber auch Sprachen, die entweder generell oder nur in speziellen syntaktischen oder semantischen Kontexten einen onymischen Artikel expletiv gebrauchen (vgl. Werth 2020: 406-409). Und selbst im Standarddeutschen gibt es solche syntaktischen Restriktionen, wie im folgenden Abschnitt näher gezeigt wird. 30 <?page no="31"?> 2.1 Syntaktische Aspekte von Eigennamenflexion 2.1 Syntaktische Aspekte von Eigennamenflexion Kasus und Syntax interagieren verschiedentlich miteinander (für einen aktuellen Überblick siehe Rauth 2020; Ellsäßer 2020: 23-24). Namen sind ein spezielles Testfeld für jede Grammatiktheorie, die den Anspruch hat, Interaktionen zwischen Morphologie, Syntax und Semantik modellieren zu können. Speziell zur Eigennamenflexion (inkl. der Interaktion mit dem onymischen Artikel) gibt es neben funktionalen Ansätzen (Ackermann 2020; Ackermann 2018; Schlücker & Ackermann 2017; Nübling 2012; Nübling, Fahlbusch & R. Heuser 2012; Werth 2019; Werth 2020) auch formale Ansätze, die Bewegungen innerhalb der Determiner Phrase (DP) diskutieren (Matushansky 2006; Longobardi 1994; Longobardi 2005; Corver 2007; Corver 2008; J. Hoekstra 2001; Gallmann 1997; Burge 1973; Karnowski & Pafel 2005; Sturm 2005; Fuß 2011; Demske 2001, Bhatt 1990: 183-219). Durch den Anspruch, den viele Grammatikmodelle formulieren, dass die Abbildung semantischer Kategorien (insbes. Definitheit) parallel zur Syntax stattfindet, entstehen unterschiedliche Modellierungsprobleme, die auf zwei unterschiedliche Weisen gelöst werden: Entweder werden Eigennamen wie jedes beliebige Nomen als Prädikate behandelt, oder aber es wird für die Eigennamen eine eigenständige und von den übrigen Nomina abweichende Syntax angenommen. Karnowski & Pafel (2005) unterscheiden diese beiden Ansätze als symmetrische und asymmetrische Theorien. Eine dritte Möglichkeit wird v.a. von J. M. Anderson (2007) vertreten.⁴ Dieser zählt Eigennamen zu einer selbstständigen syntaktischen Kategorie gemeinsam mit Pronomen und Artikeln und damit nicht zu den Nomen, behandelt diese aber letzten Endes doch auch als NPs (vgl. Fuß 2011: 21). Die formalen Arbeiten stimmen darin überein, dass Eigennamen (inkl. Verwandtschaftsbezeichnungen) per se definit sind (u.a. Demske 2001: 108; Haider 1992: 331). Daher gehen Modelle, die eine DP als eine funktionale Projektion annehmen, davon aus, dass Eigennamen direkt in der DP kodiert werden bzw. je nach Theorie, aus N nach D (vor oder nach Spellout) bewegt werden (N-to-D movement wird insbes. von Longobardi 1994; Corver 2007; Corver 2008; J. Hoekstra 2010 vertreten, m-merger wird von Matushansky 2006 angenommen). Theorien, 4 Das Postulat in Lerner & Zimmermann (1991: 349), Eigennamen seien (aus einer vornehmlich semantischen Sicht) „gar keine richtigen Wörter“, wurde in der bisherigen Forschung nicht weiter verfolgt. 31 <?page no="32"?> 2 Strukturelle Besonderheiten von Eigennamen und Flexion die der NP selbst funktionale Eigenschaften zuschreiben, finden sich bei Abney (1987), Haider (1988; 1992) und Olsen (1991). Tatsächlich ist „im Hochdeutschen empirisch nicht leicht zu entscheiden, ob bei Eigennamen eine NP oder eine DP anzusetzen ist“ (Weiß 1998: 70). Ich möchte im Folgenden eine ökonomische Analyse von Eigennamen vorstellen, die sich an Haider (1988; 1992) orientiert, und stelle daher nur in Grundzügen andere Modelle vor, insbesondere jene, welche Bewegungen annehmen. Die Grundidee des asymmetrischen Verfahrens setzt für Eigennamen einen anderen semantischen Aufbau als für übrige Nomina voraus. Der onymische Artikel ist in diesem Framework expletiv, d.h. er erfüllt rein syntaktische Aufgaben. So ist der onymische Artikel im Standarddeutschen bei z.B. einfachem, eingliedrigem Rufnamen (9a) noch rein optional bzw. regional obligatorisch oder präferiert, während der Definitartikel bei Appellativa (9b-9c) obligatorisch ist. Sobald aber ein Attribut zum Eigennamen hinzu kommt, ist der Artikel obligatorisch (9d-9e) (vgl. Haider 1992: 331; Vater 2002: 624). Dieser expletive Artikel mit Attributerweiterung ist bereits im frühen Frühneuhochdeutschen systematisch belegt (vgl. Schmuck & Szczepaniak 2013: 127): (9) a. Ich gehe mit (dem) Erwin b. Ich gehe mit dem Hund c. *Ich gehe mit Hund d. *Ich gehe mit klugem Erwin e. Ich gehe mit dem klugen Erwin Für die Flexion ist zunächst die in einigen Sprachen (italienische, niederländische und nordfriesische Dialekte, Standarddeutsch) zu beobachtende Eigenart von Eigennamen wichtig, dass der expletive Artikel Flexion unterbindet (s.a. Bsp. 12): (10) a. Die Ideen Elisabeths b. *Die Ideen der Elisabeths c. Die Ideen der Elisabeth Eine daraus resultierende Überlegung ist, dass das Flexionssuffix selbst (in Bsp. 10 der Possessivmarker -s) „als enklitischer possessiver Artikel bzw. Possessivmarker reanalysiert“ (Fuß 2011: 36) wird und als Adjunkt erscheint (Abbildung 2.1). 32 <?page no="33"?> 2.1 Syntaktische Aspekte von Eigennamenflexion Dieses Modell lässt sich auf Eigennamenflexion im Dativ/ Akkusativ analog übertragen, führt allerdings in Kombination mit einem onymischen Artikel zu einer Verletzung des Kopfprinzips, weil dann zwei DP-Köpfe (Artikel u. Eigenname) gegeben wären. DP Elisabeth D’ -s NP Ideen Abb. 2.1: Modell der DP mit onymischer Flexion im pränominalen Genitiv nach Fuß (2011: 36) Eine flachere Analyse ermöglicht das Modell von Bhatt (1990: 191-193), welches bei Eigennamen einen leeren funktionalen Kopf der DP zulässt (Abbildung 2.2). Bei der Annahme einer leeren D-Position treten allerdings mehrere Probleme auf, unter anderem muss erklärt werden, woher ein Eigenname bei leerer Spezifikatorposition - da durch die DP nach oben hin abgeschirmt - die Kasuszuweisung erhält. DP Ø NP Sepp(en) DP den/ m NP Sepp(en) Abb. 2.2: Modell zur DP mit Eigenname im Akkusativ/ Dativ (nach Bhatt 1990; s.a. Weiß 1998: 77) Kasuszuweisung kann hier unter Annahme von Bewegung geschehen, wie dies symmetrische Theorien annehmen. Im Unterschied zu asymmetrischen Theorien setzen symmetrische Theorien Eigennamen mit Appellativa semantisch gleich bzw. analysieren diese als „Subklasse von Appellativa“ (Karnowski & Pafel 2005: 51). Einen oberflächlich leeren D-Kopf nehmen auch symmetrische Theorien an, aller- 33 <?page no="34"?> 2 Strukturelle Besonderheiten von Eigennamen und Flexion dings hat dieser selbst ohne Artikel noch Quantorenbedeutung und erlaubt eine Anhebung des Eigennamens aus N zu D. Haider (1988) zeigt, dass nicht alle nominalen Argumente über eine DP lizensiert werden müssen. Daraus resultiert, dass es im Deutschen sowohl DPs als auch NPs als argumentfähige Phrasen gibt (Haider 1988: 51). Der Unterschied zwischen (10a) und (10c) wäre damit, dass der Eigenname nur ohne Artikel flektiert und in einer DP lizensiert wird, da Gentiv, Akkusativ und Dativ als lexikalische Kasus die D-Position erfordern (vgl. Haider 1992: 331-332, Haider 1988: 53, Fn. 15; Gallmann 1997: 5): „Morphologisch manifester Kasus wird an einem funktionalen Kopf markiert“ (Haider 1992: 331). Ein weiteres Argument dafür, Eigennamen als Kopf der DP zu analysieren, ist der Umstand, dass Eigennamen inhärent definit und damit funktionale Köpfe sind (Haider 1992: 331). Damit erklärt Haider (1992: 332) auch das Phänomen des obligatorischen Artikels bei Eigennamen in Kombination mit einem Attribut (9): Die Rolle des Eigennamens als funktionaler Kopf wird von einem auftretenden Attribut gestört, weil der Eigenname nun die Funktion des lexikalischen Kopfs übernehmen muss, denn Attribute treten nicht an funktionale Köpfe; zur Lösung des Dilemmas wird das Definitheitsmerkmal separat über den Artikel funktional realisiert. Dieses Modell zeigt außerdem, dass die Kasusrektion bei nominalen Attributen aus D erfolgt. (11) a. Sepp(en) (sehe ich) b. Milch (sehe ich) DP Sepp(en) DP Ø NP Milch Abb. 2.3: Modell der DP mit und ohne Eigenname in Anlehnung an Haider (1988, 1992) 34 <?page no="35"?> 2.1 Syntaktische Aspekte von Eigennamenflexion DP Ø D’ die NP Ø N’ tolle N° Sophie DP die D’ schwarze NP Milch Abb. 2.4: Modell der DP mit und ohne Eigenname in Anlehnung an Haider (1988, 1992) In den meisten germanischen Sprachen wird der onymische Artikel expletiv (d.h. syntaktisch notwenig aber semantisch leer), sobald der Eigenname nicht mehr der Kopf der DP ist (12a-12d; vgl. 9).⁵ Dies ist keine ausschließliche Besonderheit der germanischen Sprachen, wie (12e) zeigt, und könnte damit zusammenhängen, dass das Adjunkt die N-zu-D Bewegung stört (vgl. Longobardi 1994), was bisher allerdings leeren Köpfen vorbehalten ist und nicht Adjunkten. Da eine syntaktische Erklärung hierfür nicht ohne weitere Zusatzannahmen möglich ist, bietet sich auch eine semantische Lösung an: möglicherweise verlieren Eigennamen ihre inhärente Definitheit, sobald sie über Adjunkte spezifiziert werden und sich damit in semantischer und entsprechend auch in syntaktischer Hinsicht mehr wie Appellativa verhalten. Die aufgehobene Definitheit erscheint dann direkt im DP-Kopf in Form eines Artikels. (12) a. dt. die tolle Sophie, *tolle Sophie b. ndl. de grote Sophie, *grote Sophie c. yid. di groyse Sofye, *groyse Sofye d. engl. the great Sophie , *great Sophie e. it. la meravigliosa Sofia, *meravigliosa Sofia aber Sophie meravigliosa 5 Unter bestimmten semantischen, pragmatischen, aber auch morphologischen Bedingungen gibt es Abweichungen davon. 35 <?page no="36"?> 2 Strukturelle Besonderheiten von Eigennamen und Flexion Besonders sind hier die nordgermanischen Sprachen, die über klitische Definitartikel (-en, -et) am Substantiv verfügen, die nur bei nicht-modifizierten Substantiva möglich sind (13a-13b). Sobald ein modifizierendes Adjunkt hinzu tritt, ist die Klitisierung nicht mehr möglich und der volle Artikel (den, det, de) muss im Kopf der DP pränominal erscheinen (13c-13d). Im Schwedischen (13d) und überwiegend auch im Norwegischen kommt es dabei zu doppelten Definitheitsmarkierungen durch Artikel und Klitikum (Dahl 2004; zum typologischen Status solcher gemischter Systeme vgl. Lyons 1999: 77-82).⁶ Dieses Prinzip, das auch für Eigennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen gilt (13e-13f) (Dahl 2004: 155; Mikkelsen 1998: 25-27; Krámský 1972: 128), steht analog zu den niederländischen und friesischen Dialekten, in denen Eigennamenflexion unterbunden wird, sobald ein Adjunkt hinzutritt. Dahl (2004) zeigt allerdings, dass das skandinavische System von doppelten und einzelnen Definitheitsmarkierungen in den einzelnen Dialekten deutlich komplexer ist, als die Standardsprachen vermuten lassen, und es ein großes Spektrum an Variation und häufige doppelte Definitheitsmarkierungen gibt. Er stellt auf Grundlage der arealen Verbreitung des vorangestellten und des suffigierten Artikels (sowie möglicher Kombinationen der beiden Artikel) die Hypothese auf, dass sich beide Artikel zunächst voneinander geographisch unabhängig entwickelt haben und die Doppelmarkierung aus einer Vermischung beider Systeme entstanden ist. Die innovativere Form ist dabei der pränominale Artikel, wie ihn die westgermanischen Sprachen entwickelt haben, die sich von Süden her ausgebreitet hat, während die Kernzone des postnominalen klitischen Artikels im Nordosten des festlandskandinavischen Dialektkontinuums liegt. Wir werden sehen, dass auch die Flexion am Eigenname mit diesen beiden Regionen korreliert. (13) a. dän. hesten ‘Pferd-DEF’, *den hest ‘das Pferd’ b. schwed. hästen ‘Pferd-DEF’, *den häst 6 Das Isländische verfügt ausschließlich über den klitisierten Artikel: isl. hestur ‘Pferd’, hesturinn ‘Pferd-DEF’ Lyons 1999: 68; mehrfache Definitheitsmarkierung ist aber für das Altisländische belegt (Heusler 1921: 131; Dahl 2004: 150). Außerdem sollte erwähnt werden, dass einige nordgermanische Varietäten auch Personalpronomen als onymische Artikel einsetzen (vgl. Sigurðsson 2006; Johannessen & Garbacz 2014; Muñoz 2019). 36 <?page no="37"?> 2.1 Syntaktische Aspekte von Eigennamenflexion c. dän. den røde hest ‘das rote Pferd’, *røde hesten d. schwed. den röda hästen ‘das rote Pferd-DEF’, *röda hästen e. dän. moren ‘Mutter-DEF’, *den mor f. dän. den kloge mor ‘die kluge Mutter’, *kloge moderen Nach den Prinzipien eines morphologischen Minimums ist eine solche ‚doppelte‘ Markierung von Definitheit bzw. Kasus unökonomisch (vgl. Rabanus 2008) und so versuchen einige Arbeiten Evidenz für das Auftreten des onymischen Artikels neben der Eigennamenflexion, wie z.B. (14), wegzuargumentieren (Nübling, Fahlbusch & R. Heuser 2012: 68-71; J. Hoekstra 2010; Werth 2019, siehe auch FN 31, S. 99): „Die Tatsache, dass Proprialartikel und Kasusmarkierung sich gegenseitig ausschließen, legt die Annahme nahe, dass beide miteinander um die gleiche syntaktische Position, nämlich die Determiniererposition, ringen“ (J. Hoekstra 2010: 760). Doch das heißt nicht zwangsläufig, dass sich Definitartikel und Eigennamenflexion einander nicht kategorisch ausschließen. Dies wird mit Blick auf das Ostjiddische deutlich: Während Ruf- und Nachnnamen hier grundsätzlich keinen Artikel verlangen, wird dieser von Verwandtschaftsbezeichnungen gefordert. Die Flexion der Verwandtschaftsbezeichnungen bleibt davon jedoch unbeeinflusst, wie (14c) illustriert. Gleiches lässt sich im alemannischen Dialekt des Haslitals feststellen, wo der onymische Artikel am flektierten Ruf- und Nachnamen laut Dauwalder (1992: 18) und Bucheli Berger (2006: 94) unüblich ist, aber bei Verwandtschaftsbezeichnungen wie in (14d) ungeachtet der Flexion auftritt.⁷ Selbstverständlich interagieren Artikel (und auch andere Definitheitsausdrücke) und Flexion, da beide um den Ausdruck von Definitheit und Kasus konkurrieren, jedoch sollte die empirische Datenlage ernstgenommen werden, und nicht kategorisch ausgeschlossen werden, dass diese Informationen auch an mehr als einer Position realisiert werden kann. Weitere Aspekte hierzu wird im Konzept der Exponenz diskutiert (siehe Abschnitt 2.3, ab S. 50). 7 Auch in älteren Sprachstufen gibt es bei Verwandtschaftsbezeichnungen Ausnahmen bei der Artikelsetzung (siehe S. 112). 37 <?page no="38"?> 2 Strukturelle Besonderheiten von Eigennamen und Flexion (14) a. Nordbair. den Sepm hobi gsakt ‘dem Sepp Dat. habe ich gesagt’ (BayDat-ID sno351sch Schönsee, Oberpfalz) b. Westjid. er hodem šmulen e sot fercejlt ‘er hat-dem Samuel Dat. ein Geheimnis erzählt’ (ID 48077 Westhoffen, Frankreich) c. Ostjid. i xo gevojnt mi der olter bobn ‘ich habe mit der alten Großmutter Dat. gelebt’ (LCAAJ-ID 48288, Krasne, Ukraine) d. aleman. i handəmatəⁿ kšribəⁿ ‘ich habe dem Vater Dat. geschrieben’ (SDS-ID BE 87 Guttannen, Kanton Bern) Die Grammatikalisierung des klitischen Artikels im Nordgermanischen zeigt deutlich, dass Definitheit auch postnominal durch Suffigierung ausgedrückt werden kann. Wir werden sehen, dass die Eigennamenflexion in den nördlichen kontinentalwestgermanischen Sprachen auch als Reflex einer missglückten Grammatikalisierung zu einem klitischen Definitartikel interpretiert werden kann. Daraus ergibt sich die Kernfrage, wieviel Definitheit eigentlich Eigennamenflexion trägt. Ein unmittelbares Sprachkontaktszenario ist allerdings auszuschließen, da die ans Friesische angrenzenden nordgermanischen Sprachen keinen postponierten Artikel ausgebildet haben; wie im Kontinentalwestgermanischen zeigen die südlichen jütischen Dialekte - anders als das Standarddänische und nördlichere und östlichere dänische Dialekte - ausschließlich präponierte Artikel (zum Dänischen siehe Ringgaard 1973: Karte 10; einen Überblick zur Situation in den skandinavischen Dialekten bieten Johannessen & Garbacz 2014). Eine theoretische Modellierung findet sich in Matushansky (2006). Eigennamen werden in diesem Modell von der Syntax wie herkömmliche Substantiva behandelt, mit der Ausnahme jedoch, dass sie m-merger⁸ auslösen. M-merger ist hier verantwortlich für die Artikellosigkeit bei Eigennamen und durch spezielle semantisch kodierte Bedingungen definiert. Insbesondere ist es die semantische Eigenschaft [ ± proper ] von Eigennamen, die m-merger auslöst. Mit diesem Modell 8 Ähnlich wie bei N-zu-D wandert der Kopf der Eigennamen-NP dabei in den Kopf der DP. 38 <?page no="39"?> 2.1 Syntaktische Aspekte von Eigennamenflexion lassen sich vor allem Ausnahmeregeln setzen, die erklären können, wieso manche syntaktischen Situationen (z.B. kein m-merger bei besetzter Adjunktposition) oder manche lexikalischen Klassen von Eigennamen (z.B. manche Toponyme) einen Artikel obligatorisch verlangen. Sobald m-merger stattfindet, funktionieren Eigennamen auch syntaktisch nicht mehr wie reine Substantiva, sondern wie DEF-Elemente. Eine Interaktion zwischen Semantik und Syntax anzunehmen, bietet hier auch einen Erklärungsansatz für die Situation in manchen niederländischen und friesischen Dialekten, in denen die Flexion verschwindet, sobald ein Attribut hinzukommt, die Kasusmerkmale also bereits vergeben wurden (siehe S. 92 und S. 303). Auch liefert dies eine Erklärung für die in den Standardgrammatiken beschriebene unterlassene Flexion im Jiddischen, sobald ein Indefinitartikel hinzukommt (siehe S. 79). Eine Hypothese, die sich aus diesen Überlegungen ableiten lässt, ist, dass Eigennamen ein syntaktisches Doppelleben führen: als Kopf der DP werden sie wie Artikel und Pronomina behandelt und liefern Definitheit, sobald sie aber von einem anderen D-Element abgelöst werden, verhalten sie sich wie Appellativa. Daraus lässt sich die zentrale Überlegung zur Diachronie der Eigennamenflexion ableiten, dass der Ausbau des Artikelsystems in den germanischen Sprachen zum Schwund von Flexion geführt hat. Im Althochdeutschen ist der Definitartikel noch „auf nicht unikal zu interpretierende Nominalphrasen beschränkt“ (Demske 2001: 70), parallel dazu wird onymische Flexion im Althochdeutschen mit der speziellen Markierung des Akkusativs der ‚starken‘ Maskulina ausgebaut (siehe Tabelle 3.4, S. 72). Damit lassen sich Vorhersagen für die diatopische Verbreitung von Eigennamenflexion treffen: Diese wäre vor allem dort zu erwarten, wo der onymische Artikel noch nicht (vollständig) grammatikalisiert ist. Wie die vorliegende Arbeit zeigt, trifft dies nicht immer zu. Eine ganz andere Modellierung der Nominalphrase bietet Ramers (2006). Auf Basis des topologischen Feldermodells nach Drach (1937)⁹ definiert er ein Feldermodell der deutschen NP, das besonders geeignet für eine deskriptive Erfassung der Strukturen in germanischen Dialekten ist und daher für die Beschreibung 9 Inspiriert wurde Ramers (2006) durch ein topologisches NP-Modell von Karnowski und Pafel (2002) (vgl. Ramers 2006: 99). Für weitere Vorgängermodelle siehe Wöllstein (2014: 92-93). 39 <?page no="40"?> 2 Strukturelle Besonderheiten von Eigennamen und Flexion der im Folgenden analysierten Daten eine zentrale Rolle spielt. Dieses Modell hat auch den Vorteil, dass Leerstellen, also unbesetzte Positionen, nicht erklärt werden müssen, sondern Teil des Modells sind. Einzig ein nomen varians ( = flektiertes Kopfnomen) muss obligatorisch für eine NP vorliegen, alle übrigen Felder können leer sein. Analog zum topologischen Feldermodell, das in der klassischen Einteilung aus Vorfeld (VF), Linker Satzklammer (LSK), Mittelfeld (MF), Rechter Satzklammer (RSK) und Nachfeld (NF) besteht (vgl. Wöllstein 2014: 22), unterteilt Ramers (2006) die NP in fünf Klammern, die bedingt die Satzfelderstruktur spiegeln. Die Grundidee ist damit ähnlich fraktal wie die binäre Verzweigung im X-Bar-Modell: Muster und Bedingungen auf Satzebene wiederholen sich auf NP-Ebene (siehe Tabelle 2.1). Die wichtigsten Eigenschaften der NP-Felder sind in Tabelle 2.2 aufgeführt. Gemeinsamkeiten zwischen Satz und NP sind die folgenden Punkte (vgl. Ramers 2006: 123-124): - NP und Satz besitzen eine funktionale und eine semantische Kernposition: DEF ist die funktionale Position der grammatischen Merkmale [ ± definit ] und [ ± possessiv ] in der NP; die VF (C-Position) und LSK sind die funktionale Position der grammatischen Merkmale [ ± definit ] und [ ± interrogativ ] im Satz; eine dieser Positionen muss im Satz/ in der NP besetzt sein. - Die rechte Peripherie (NOM/ RSK) kann komplex und intern strukturiert sein, die linke Position (DEF/ LSK) nicht. - Die Besetzung von Z und VF ist mit jeweils nur maximal einer Konstituente möglich. - Die Serialisierung innerhalb des X- und Y-Felds als auch des MF und VF ist durch das erste Behaghelsche Gesetz¹⁰ bedingt. 10 „Geistig eng Zusammengehöriges wird auch immer eng zusammengestellt“ (Behaghel 1932: 4). 40 <?page no="41"?> 2.1 Syntaktische Aspekte von Eigennamenflexion Z DEF X NOM Y Vorfeld Linke Satzklammer Mittelfeld Rechte Satzklammer Nachfeld (VF) (LSK) (MF) (RSK) (NF) Tab. 2.1: Feldermodell der NP des Standarddeutschen (Ramers 2006: 99) im Verhältnis zum topologischen Satzmodell (Wöllstein 2014: 22) Z DEF X NOM Y max. eine Konstituente Information: [ ± definit ] serialisiert nach Behaghels 1. Gesetz max. ein nomen varians, Träger der Kernbedeutung, Regens für Elemente in X und Z, intern strukturiert, wenn Def. leer inhärent definit mehrfach besetzbar, intern strukturiert Fokus- und Negationspartikeln, Adverben, Quantoren, PPs Artikel, Pronomen, Eigennamen, quantifizierende Adjektive Adjektive Substantiva, Adjektive PPs, Genitiv NPs, als-P, Adverbien, Appositionen, Sätze Tab. 2.2: Feldermodell der NP (nach Ramers 2006) 41 <?page no="42"?> 2 Strukturelle Besonderheiten von Eigennamen und Flexion Ramers (2006) weist aber ausdrücklich auf Unterschiede zwischen Satz- und NP- Feldern hin und hält fest, dass die „Parallelen zwischen Sätzen und Nominalphrasen stärker in den Positionen und ihrer Funktion hervortreten als in den Feldern. Aber auch in Letzteren sind einige Gemeinsamkeiten unübersehbar“ (Ramers 2006: 125). Die topologischen Unterschiede nach Ramers (2006: 124) zwischen Satz und NP sind: - Das Z-Feld ist restringiert; gilt nicht für das VF. - VF- und MF-Besetzung z.T. obligatorisch; gilt nicht für Z- und X-Feld. - Das MF hat eine differenzierte Binnenstruktur; X-Feld ist lediglich nach Behaghels 1. Gesetz organisiert. - Das Y-Feld hat eine differenziertere Binnenstruktur als das NF. - Eine Verbalklammer ist möglich, während die Annahme einer analogen Klammer der NP nicht sinnvoll ist; das finite Verb kann in der LSK stehen; der nominale Kern kann nicht in DEF stehen. Zum letzten Punkt, der Positionierung des nominalen Kerns im DEF-Feld, dürfen wir eine Ausnahmeregelung für Eigennamen annehmen, die besonders wichtig ist, um syntaktische Bedingungen in der niederländischen und friesischen Eigennamenflexion zu modellieren. Wo generative Modelle eine N-zu-D-Bewegung oder m-merger annehmen bzw. Eigennamen auf Grund ihrer inhärenten Definitheit als Kopf von D akzeptieren, muss auch ein topologisches NP-Modell diese besondere Eigenschaft von Eigennamen abbilden können. Daher schlage ich erstmals als Zusatzannahme vor, dass der nominale Kern in DEF stehen kann, sofern dieser ein Eigenname ist. Mit dieser Sonderbedingung für Eigennamen ist es nun auch möglich, die bisher beschriebenen syntaktischen Besonderheiten von Eigennamen in den germanischen Sprachen zu erfassen: Flexion wie auch die Setzung des onymischen Artikels (inkl. suffigierte Formen) scheint in einigen Varietäten davon abhängig zu sein, ob der Eigenname im DEF- oder im NOM-Feld steht. Wie in Kapitel 3.3 (ab S. 91) näher beschrieben, unterbindet so eine Besetzung des X- Feldes Flexion in niederländischen (siehe Bsp. 26, S. 95) und nordfriesischen (siehe Bsp. 23, S. 92) Dialekten und verlangt in nordgermanischen Sprachen und im Deutschen eine pränominale Setzung eines Definitheitsausdrucks (Artikel, Pronomen); steht der Eigenname hingegen ungehindert in DEF, erscheinen Flexion oder ein postnominaler (suffigierter) Definitheitsausdruck. 42 <?page no="43"?> 2.1 Syntaktische Aspekte von Eigennamenflexion Für die Eigennamenflexion und deren Interaktion mit dem onymischen Artikel zentral ist der Punkt, dass die Markierung von Definitheit bzw. Indefinitheit der NP inhärent ist und daher bei leerer DEF-Position in NOM kodiert wird (Ramers 2006: 101). Wichtig ist, dass Eigennamen nicht per se definit sind, sondern sie Definitheit nur (wie jedes beliebige Substantiv) bei leerer DEF-Position in NOM übernehmen oder wenn sie im pränominalen Genitiv in der DEF-Position stehen (vgl. Tabelle 2.3). Nach diesem Modell lassen sich nun NPs in prinzipiell allen germanischen Sprachen beschreiben, wie exemplarisch in Tabelle 2.3 dargestellt. Z DEF X NOM Y bei meinem Großvater im Auto bij mijn oude grootvader in de wagen bay mayn altn zeydn in oyto bei Großvater im Auto in Großvaters altem Auto mit Vater Erwins altem Fahrrad Tab. 2.3: Beispielanalysen im Feldermodell der NP (nach Ramers 2006) Zentral an dem Modell von Ramers (2006) und von Relevanz für die Eigennamenflexion ist die interne Struktur der NOM-Position, die in Unterfelder unterteilbar ist. Dieses besteht aus einem flektierenden Kopfnomen N, einem nomen varians N var , an dem sich auch die Flexion manifestiert und weiteren, nicht-flektierenden nomina invarians N inv bzw. auch invariante Adjektive A inv , die sich nach dem ersten Behaghelschen Gesetz organisieren. Das Kopfnomen kann entweder rechts (Tabelle 2.4) oder links (Tabelle 2.5) außen vom NOM-Feld stehen: ¹¹ In den nachfolgenden Analysen der syntaktischen Eigenschaften von Eigennamenflexion in den untersuchten kontinentalwestgermanischen Dialekten werden 11 Ramers (2006: 106) stellt auf Basis des Standarddeutschen die Parallele zur RSK her, in der das finite Verb auch nur entweder rechts oder links außen steht. Regionale und historische Varietäten der kontinentalwestgermanischen Sprachen zeigen, dass 3-1-2 Serialisierungen (weil die Standardsprache nicht alles abdecken 3 wird 1 können 2 ) durchaus üblich sind (u.a. Sapp 2011; Schallert 2013; Schallert 2012; Wurmbrand 2004; Wurmbrand 2006); hingegen ist eine N var/ inv -N-N var/ inv Abfolge (*Müllerin Forelle Art auch in Nicht-Standardvarietäten auf Grund der semantischen Binnenstruktur nicht möglich. 43 <?page no="44"?> 2 Strukturelle Besonderheiten von Eigennamen und Flexion N var N inv N inv N inv N inv N Herrn Professor Doktor Karl Heinz Ramers Tab. 2.4: Kernnomen in finaler Position von NOM (nach Ramers 2006) N N inv / A inv N inv N var Linguist Karl Heinz Ramers Forelle blau Tab. 2.5: Kernnomen in initialer Position von NOM (nach Ramers 2006) die skizzierten NP-Modelle nach Ramers (2006), Haider (1988, 1992) verwendet, da diese die wichtigen Basisannahmen abdecken, ohne dabei zu spezifische theoretische Einschränkungen zu generieren und sich zugleich einfach in andere Modelle integrieren lassen. Dieser Abschnitt hat zeigen können, dass die Syntax der DP ein entscheidender Schlüssel zum Verständnis der onymischen Flexion in den germanischen Sprachen ist. Andererseits wurde aber bereits sichtbar, dass auch starke Unterschiede bezüglich der syntaktischen Restriktionen für Eigennamenflexion in den einzelnen Varietäten vorliegen. Dies mag an unterschiedlichen Mechanismen und Tiefenstrukturen der DP liegen, kann aber auch ein Hinweis darauf sein, dass die Ähnlichkeit der Eigennamenflexion in den einzelnen Varietäten rein formaler Natur ist und tatsächlich funktional unterschiedlich ist. Daher ist es nötig im anschließenden Abschnitt die semantischen Aspekte von Eigennamenflexion näher zu beleuchten. 44 <?page no="45"?> 2.2 Semantische Aspekte von Eigennamenflexion 2.2 Semantische Aspekte von Eigennamenflexion Nach Matushansky (2006: 289) und Fara (2015) haben Eigennamen dieselbe Semantik wie Substantiva und ihr syntaktisches Sonderverhalten ist vor allem morphologisch begründet. Doch diese Annahme entspricht nicht dem Großteil der Arbeiten zur Semantik von Eigennamen. Abgesehen von der offensichtlichen Monoreferenzialität, die Eigennamen semantisch von anderen Substantiva unterscheidet, treten Eigennamen auch durch andere semantische Eigenschaften als substantivische Sonderklasse hervor. Diese sind ihre inhärente Definitheit und ihre besondere Verortung auf Belebtheits-, Familiaritäts- und Individualitätsskalen. Im Folgenden werden die wichtigsten Interaktionen von Eigennamenflexion mit Belebtheit und Definitheit vorgestellt, da bereits gezeigt wurde, dass Belebtheit ein wichtiger Faktor von Erhalt bzw. Abbau von Kasusflexion bzw. Kasusdistinktion darstellt: „The feature animate is particularly pervasive“ (Corbett 1991: 31; zu Interaktionen von Substantivflexion und Belebtheit siehe Ackermann 2018: 52- 65; Dammel & Gillmann 2014; Alber & Rabanus 2011; Krifka 2009; Bank 2007; Zifonun 2007). Belebtheit ist immer ein rein egozentrisches Prinzip (vgl. Yamamoto 1999: 9- 13), das nicht Belebtheit an sich ausdrückt, sondern Nähe und Ähnlichkeit zum sprechenden Ego. Die Kategorie Belebtheit tritt in den unterschiedlichen Sprachen unterschiedlich stark hervor. Dennoch konnten, als universal geltende, Abhängigkeiten identifiziert werden, die als implikationelle Hierarchien-den graduellen Verlauf der Kategorie [ ±belebt ] manifestieren. Ausgehend von der ursprünglichen Belebtheitshierarchie von Silverstein (1976), die ein einfaches dreistufiges Modell darstellt, wurden weitere, komplexere Hierarchien vorgeschlagen (eine differenzierte Übersicht liefert Yamamoto 1999). [ HUMAN ] < [ ANIMATE ] < [ INANIMATE ] (Belebtheitshierarchie nach Silverstein 1976) Wie alle Animatheitshierarchien ist auch die im Folgenden verwendete „Extended Animacy Hierarchy“ nach Croft (2003: 130) eine implikationelle Hierarchie für die Markierung von Animatheit am (Pro-)Nomen: „If a language uses a nonzero case marking for a P argument on the animacy/ definiteness hierarchies, then it uses a nonzero case marking for P arguments higher on the hierarchies“ (Croft 2003: 166). Wird also Animatheit (bei P-Argumenten) auf einer unteren Stufe ver- 45 <?page no="46"?> 2 Strukturelle Besonderheiten von Eigennamen und Flexion sprachlicht, dann impliziert die Hierarchie, dass auch alle Bereiche oberhalb dieser Stufe Animatheit ausdrücken: first/ second person pronouns < third person pronoun < proper names < human common noun < nonhuman animate common noun < inanimate common noun (Croft 2003: 130) Ein wichtiger Aspekt von Eigennamenflexion ist, dass selbst in germanischen Varietäten bzw. Sprachstufen mit konsequenter Eigennamenflexion nicht etwa alle Namen flektiert werden, sondern lediglich Namen, die belebte Entitäten bezeichnen, also in erster Linie Ruf- und Familiennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen. Toponyme, Hydronyme, Pflanzennamen oder Zoonyme¹² flektieren zum Beispiel in den germanischen Sprachen nicht. Darin unterscheiden sie sich etwa von slavischen Sprachen, die über sogenannte „honorary animates“ verfügen: inhärent unbelebte Maskulina, wie etwa Bezeichnungen für Leichen, Pilze, Spiele/ Spielkarten, Tänze oder Autos, die aber nach dem Muster animater Maskulina flektieren (Sussex & Cumberley 2006: 238). Etwas ähnliches, aber mit einem klaren Reflex der Belebtheitshierarchie, finden wir im Standardjiddischen. Die Nomina, die im Jiddischen neben Personennamen noch (schwankend) Flexion aufweisen, liegen zwischen den Stufen „human common noun“ (‘Rabbi’, ‘Jude’, ‘Mensch’) und „nonhuman animate common noun“ (personifizierte Verwendung von ‘Herz’).¹³ Insbesondere die Flexionsbeschränkung, wie sie in manchen jiddischen Grammatiken für ‘Herz’ beschrieben wird, deutet darauf hin, dass der Faktor Animat- 12 Interessant wäre z.B. ob und wann persönliche Tiernamen flektiert werden. Im alemannischen des Berner Oberlands flektieren immerhin Hundenamen Düü, söechid ihr eppa Rexen? ‘Du, sucht ihr etwa Rex? ’ (Krischel-Brog 1994: 49); wie sich hier Namen anderer Haus- oder Nutztiere verhalten, wurde noch nicht untersucht. 13 In der präskriptiven standardjiddischen Grammatik von Mark (1978: 177) flektiert „Herz“ durchgehend mittels -n. Zwar nennt er auch davon abweichende phraseologisch bedingte Ausnahmen, die jedoch nicht belebtheitsgesteuert sind (z.B. red mit harts „sprich mit Herz“) ‘Herz’ ist hier nicht im Sinne einer Personenbezeichnung wie dt. Schatz, Liebling zu verstehen; in diesem Sinne wird in der Regel das Diminutivum jid. hertseniu ‘Herzilein’ verwendet. Sollte ‘Herz’ als Personenbezeichnung im Jiddischen vorkommen, ist natürlich die Flexion, wie bei Eigennamen üblich, zu erwarten. 46 <?page no="47"?> 2.2 Semantische Aspekte von Eigennamenflexion heit eine Rolle dabei spielt, ob flektiert wird oder nicht: harts flektiert demnach nur, wenn es im übertragenen Sinn als emotional-psychische Entität verwendet wird (15a-15b), nicht aber, wenn das physiologische Organ gemeint ist (15c) (vgl. Katz 1987: 98). Allerdings werden wir sehen, dass die Situation von jiddisch harts in den Dialekten nicht so eindeutig ist, wie die Grammatiker¹⁴ vorgeben (vgl. ab S. 201). (15) a. shver oyfn hartsn ‘deprimiert sein’, wörtl. ‘schwer auf dem Herzen (*auf dem Herz)’ b. er laydt fun veytik in hartsn ‘er leidet an Herzschmerzen (emotional-psychisch)’ c. er laydt fun veytik in harts ‘er leidet an Herzschmerzen (physisch)’ Eng mit Animatheit verknüpft ist Definitheit; ein Faktor, der bereits in den syntaktischen Modellierungen (s. Abschnitt 2.1) eine wichtige Position einnimmt. Die Definitheitshierarchie ist typologisch begründet und in ihrer groben Struktur wenig komplex: definite < specific < nonspecific (vgl. Croft 2003: 132) Bereits Comrie (1979) zeigt, dass Animatheit in Verbindung mit Definitheit die Kasusmarkierung direkter Objekte begünstigt. Belebtheit und Definitheit interagieren miteinander (Croft 2003: 132). In den modernen germanischen Sprachen dienen in erster Linie Artikel (pränominal oder suffigiert) und Pronomen zur overten Kodierung von Definitheit/ Indefinitheit. Definitheitsmarkierungen über ein eigenes Wort (≈ Artikel) ist in den europäischen Sprachen vor allem in den westlichen indoeuropäischen Sprachen und (als nachgestellter Artikel) in den Sprachen des Balkansprachbunds verbreitet, während die meisten slavischen¹⁵ 14 Diese Arbeit verwendet geschlechtergerechte Sprache um die Geschlechterdiversität von existierenden Personengruppen transparent zu machen. Bei Bezug auf abstrakte Konzepte (z.B. der Sprecher/ Hörer) und sofern, wie im vorliegenden Fall, die bezeichnete Personengruppe keine Geschlechterdiversität aufweist wird auf Gendering verzichtet. 15 In den slavischen Sprachen gibt es jedoch ein paar Ausnahmen. So verfügen die sorbischen Dialekte sowohl über Definitals auch Indefinitartikel, die vermutlich durch den 47 <?page no="48"?> 2 Strukturelle Besonderheiten von Eigennamen und Flexion und baltischen¹⁶ Sprachen weder über einen Definitnoch einen Indefinitartikel verfügen (Dryer 2013; Haspelmath 2001: 1494). Mit Blick auf Eigennamen sind einige Besonderheiten der Definitheitsmarkierung festzustellen, von denen einige schon in Bezug der Syntax angesprochen wurden (s. Abschnitt 2.1, ab S. 31). Handschuh (2017: 499) stellt für die 34 Sprachen ihres Samples fest, dass die Hälfte keine gesonderte Definitheitsmarkierung am Personennamen oder am Appellativum vornehmen; etwa ein Drittel der Sprachen verwendet eine identische Markierung der Definitheit in beiden Substantivgruppen und nur ein Fünftel ( = sechs Sprachen) hat, wie das Jiddische und Standardniederländische, keine Definitheitsmarkierung am Personennamen, dafür aber bei Appellativa. Die westgermanischen Varietäten, die einen onymischen Artikel ausgebildet haben (bzw. im Begriff sind dies zu tun), sind demnach im makrotypologischen Vergleich kein absolutes Kuriosum, folgen aber auch nicht der Tendenz der meisten Sprachen, keine overte Definitheitsmarkierung am Substantiv zu haben. Als Argument dafür, Eigennamen als eigene Wortart zu kategorisieren, wird oftmals angeführt, dass einige Sprachen über eigene onymische Artikel (preproprial article) für Personen- und Familiennamen (und z.T. Tiernamen) verfügen, die sich nicht nur syntaktisch, sondern auch rein formseitig vom Definitartikel unterscheiden (vgl. Matushansky 2006: 286, 303-304; Muñoz 2019). Ein eigenes Funktionselement zur Definitheitsanzeige bei Eigennamen wird u.a. für Tagalog (Campbell 1991: 1587), Māori (Harlow 2001: 28), Katalanisch (Coromina i Pou 2001) und Isländisch (Sigurðsson 2006) beschrieben, sowie für norwegische und schwedische Dialekte, die über eine pronominale Definitheitsmarkierung von Ei- Kontakt zum Deutschen entstanden sind (Breu 2004; Breu 2003; Scholze 2007: 133-181). Auch Bulgarisch und Mazedonisch verfügen als Teil des Balkansprachbunds über einen nachgestellten Definitartikel (Sachliyan 2020). Allerdings tragen Eigennamen nur in Ausnahmefällen das Definitsuffix; so z.B. Toponyme (insbes. Gebirgsketten und Flussnamen) und Personennamen wenn sie als Koseform erscheinen (Sachliyan 2020: 31, 96). Ansätze eines Definitartikels finden sich im Tschechischen und Slovenischen (Vondrák 1928: 355) und laut Van Langendonck (2007: 158) verwenden einige tschechische Dialekte ein Personalpronomen in der Funktion eines onymischen Artikels. 16 Mit Ausnahme des Lettischen, das Demonstrativpronomen zur Definitheitsmarkierung verwendet (Dryer 2013). 48 <?page no="49"?> 2.2 Semantische Aspekte von Eigennamenflexion gennamen verfügen (Delsing 1993: 54; Van Langendonck 2007: 158; Johannessen & Garbacz 2014). Im Sample von Handschuh (2017: 499) findet sich eine Sprache im Südpazifik, die eine unterschiedliche Markierung (distinct forms) von Definitheit bei Personennamen und Appellativa hat und eine Sprache in Westafrika mit unterschiedlichen Bedingungen (distinct conditions) zur Definitheitsmarkierung von Personennamen und Appellativa (vgl. Handschuh 2017: 499, Abb. 2). Der onymische Definitartikel in den westgermanischen Sprachen unterscheidet sich zwar lexikalisch nicht vom Definitartikel, weist aber syntaktisch andere Beschränkungen auf. Dies legitimiert m.E. dazu, von einem onymischen Definitartikel zu sprechen. Auch die romanischen Sprachen zeigen, dass Eigennamen ihre overten Definitheitsmerkmale auf unterschiedliche Weisen selegieren als andere Substantiva, da hier klare Genuseffekte bei der Verwendung des Definitartikels mit Eigenname wirken. Im Rumänischen wird ein onymischer Artikel nur für feminine Personennamen verwendet (Krámský 1972: 167), gleiches gilt für eine Reihe italienischer Dialekte (Matushansky 2006: 294; Longobardi 1994: 622). Im Französischen ist der onymische Artikel nur bei weiblichen Eigennamen von Menschen mit großem Bekanntheitsgrad (≈ Familiarität) möglich (z.B. la Piaf aber *le Brel; vgl. Gary- Prieur 1994; Kalverkämper 1978: 182). Im Spanischen ist der onymische Artikel ebenfalls bei einem hohen Familiaritätsgrad möglich, hier aber genusunabhängig (Krámský 1972: 86). Kokkelmans (2018) zeigt, dass auch in den germanischen Sprachen Bekanntheitsgrad und sozialer Status den onymischen Artikel motivieren. Sofern der onymische Artikel als ein analytischer Ausdruck von Informationen (wie Kasus und Definitheit), die synthetisch mittels Eigennamenflexion ausgedrückt werden, dann können eben diese Bedingungen, die für onymische Artikel gelten, auch mit Eigennamenflexion interagieren. Neben strukturellen Argumenten, die für eine eigene Wortart ‚Name‘ sprechen, gibt es auch neurolinguistische Evidenz dafür, dass Namen im Lexikon anders gespeichert, verarbeitet und abgerufen werden, als andere Substantiva (u.a. H. M. Müller 2010, 1996). Dieses Kapitel hat gezeigt, dass Eigennamen nicht nur syntaktische, sondern auch semantische Besonderheiten aufweisen und damit über reine Kasusmarkierung hinaus geht. Eigennamenflexion ist daher prädestiniert dafür, als Auszeichnung von hochbelebten Entitäten und Ausdruck von Definitheit zu fungieren. 49 <?page no="50"?> 2 Strukturelle Besonderheiten von Eigennamen und Flexion 2.3 Flexion, Deflexion und Exaptation Flexion ist die Realisierung morphosyntaktischer Funktionen. Form und Funktionen können dabei entweder in einer Eins-zu-Eins-Beziehung stehen, das heißt nur ein Merkmal bildet eine morphosyntaktische Funktion ab, wie z.B. -ə in Standarddeutsch Sg. Wort - Pl. Worte (veraltet bzw. regional) den Plural markiert. Dieser Flexionstyp wird nach Matthews (1991) (erstmals Matthews 1972: 179) als einfache Exponenz bezeichnet. Ein zweiter Typ von Flexion ist die kumulative Exponenz, d.h. eine Form kann mehr als eine morphosyntaktische Funktion tragen, z.B. trägt das Adjektivsuffix -ə in die schöne Vulkaneifel sowohl Genus- (fem.) und Numerus- (Sg.) als auch Kasusinformation (Nom./ Akk.). Der dritte Flexionstyp zeichnet eine morphosyntaktische Funktion in mehr als einer Form gleichzeitig aus, ist also eine erweiterte Exponenz (Polyflexion bei Nübling 2012). Diese finden wir z.B. im deutschen Pluralmuster [ Umlaut + Suffix ] , wie in Sg. Wort, Pl. Wörter. Aus den letzten beiden Typen sind Kombinationen möglich. Die onymische Substantivflexion in den behandelten westgermanischen Varietäten, sind an sich Fälle für einfache Exponenz. Abgesehen von den niederländischen Dialekten, die über zwei Paradigmen zur Eigennamenflexion verfügen (‚stark‘/ ‚schwach‘), trägt die Form -(e)n die Funktion zur Markierung eines Objektkasus und die Form -s trägt die Funktion zur Auszeichnung des Possessivs. In den niederländischen Dialekten wird nur noch die Opposition [ ± Nominativ ] markiert. Es ist aber auch möglich, dass die westgermanische Eigennamenflexion vielmehr Flexion im Sinne einer erweiterten Exponenz bildet, sofern nicht nur Kasus markiert wird, sondern auch - zumindest indirekt - die Kategorie ‘Eigenname, Verwandtschaft, nahestehendes/ belebtes Appellativum’, und damit im weitesten Sinne Animatheit. Flexion im Singular zeichnet demnach in den westgermanischen Sprachen nicht mehr einen bestimmten Kasus oder Genus einer bestimmten Flexionsklasse aus, sondern trennt nur noch den Objektkasus von Nominativ und Possessiv bei belebten Entitäten. So gesehen läge damit ein Fall von Deflexion im Sinne von Norde (2009) als Umfunktionalisierung des Kasussuffix (-(e)n) zu einem Marker für eine klare Zuweisung semantischer Rollen vor. Dabei könnte es sich um eine Form von differenzieller Objektmarkierung (DOM) handeln. Comrie (1996: 128) stellt fest, dass das Agens in einer Transitivkonstruktion i.d.R. hochbelebt ist, während das Patiens weniger stark belebt ist. Ist nun aber 50 <?page no="51"?> 2.3 Flexion, Deflexion und Exaptation entgegen dieser Erwartung das Patiens (ebenfalls) hochbelebt, wie z.B. bei Personennamen, wäre dies ein Fall von Markiertheit, die auch eine formale Markierung fordert. Dies bezeichnet man als DOM. DOM wird allerdings in unterschiedlichen Arbeiten unterschiedlich definiert. So versteht Handschuh (2017: 488, 500) unter DOM sehr allgemein die Verschmelzung von Kasus- und Definitheitsmarkierung, demzufolge DOM auch im Standarddeutschen vorliegt, wo der Definitartikel sowohl Kasus als auch Definitheit trägt. Im Folgenden wird DOM im Sinne von Primus (2011: 20) als „case selection based on animacy“ verstanden, die sowohl DOals auch IO-Kontexte markieren kann. Nach Bossong (1998: 202) muss das Objekt ( = Patiens) speziell markiert werden, sobald es durch seine inhärente Semantik ( = Belebtheit) als Subjekt ( = Agens) interpretiert werden kann. DOM markiert bzw. reagiert also auf das Merkmal [+ Belebtheit ] und [ - Agens ] . Der Kasus, der mit DOM markiert wird, ist also prinzipiell jeder Objektkasus, in dem ein belebtes Patiens stehen kann. Sollte Eigennamenflexion als eine DOM fungieren, sollte diese in den Objektkasus auftreten und nicht im Nominativ stehen. DOM bezeichnet oft nur eine Kennzeichnung direkter (und nur selten auch indirekter) Objekte, die nicht am Wortstamm selbst, sondern mittels vorangestellter Indexierungen (z.B. Präpositionen) erfolgt und die eng mit Belebtheit interagiert (u.a. Thomson 1912; Bossong 1984; Bossong 1991; Bossong 1998). Daher spricht man - v.a. mit Bezug zu den romanischen Sprachen --auch oft von einem präpositionalen Akkusativ (v.a. B. Müller 1971; Bossong 1991). DOM ist in den modernen indo-europäischen Sprachen relativ weit verbreitet (vgl. Bossong 1998). Im Spanischen, Asturischen und Neapolitanischen ist DOM auf belebte Eigennamen beschränkt, während es im älteren Spanischen, modernen Korsischen, Sizilianischen und Sardinischen bei belebten und unbelebten Namen auftritt (Reina 2020). DOM interagiert demnach nur bedingt mit Belebtheit, ist aber spezialisiert auf den onymischen Bereich. Als DOM wird auch die weitgehend lexikalisierte Opposition von belebt vs. unbelebt (der maskulinen Akkusativ/ Nominativ-Flexion) in den slavischen Sprachen behandelt (vgl. Bossong 1998: 209-218). Insbesondere in Kontexten, in denen die prototypischen Erwartungen der semantischen Rollen im Kernkasus verletzt werden bzw. uneindeutig sind, z.B. bei unbelebtem agentivischen Argument und höher belebtem patientivischen Argument, wie in (16), können „Variationsmuster der Kasusmarkierung“ (Ellsäßer 51 <?page no="52"?> 2 Strukturelle Besonderheiten von Eigennamen und Flexion 2020: 25) als DOM zur Auszeichnung von Belebtheitskategorien dienen (vgl. Comrie 1996: 120-129; Yamamoto 1999: 45-52). (16) Die Wand P sieht das Kind A Reflexe von DOM auf die Kasusmorphologie germanischer Varietäten attestieren Baechler (2018: 325-328) und Dal Negro (2004) einigen höchstalemannischen Dialekten. Auch Rohdenburg (1993) findet Reflexe von DOM in der Kasusmarkierung nordniederdeutscher Varietäten. Keine Belebtheitseffekte der Kasusmarkierung und -distinktion findet jedoch Ellsäßer (2020: 196-198) in ihrer Korpusstudie zu oberdeutschen Dialekten. Auch Alber & Rabanus (2011) können einen möglichen Belebtheitseffekt auf Kasussynkretismen in germanischen Pronominalparadigmen nicht statistisch absichern. Die Substantivflexion im Standardjiddischen versteht Aissen (2003: 456) in ihrem sehr weit gefasstem Begriff als DOM. Für sie ist jedoch jede Markierung des Patiens (P) ein Fall von DOM, die entweder nur durch Belebtheit oder durch Definitheit gesteuert wird. Im Fall des Jiddischen liegt nach Aissen (2003: 456) eine durch Belebtheit motivierte DOM vor. Bereits Nübling (2012: 230) und in ihrer Tradition auch Werth (2019: 199) und Ackermann (2018: 125) postulieren, dass die Agens-Patiens-Unterscheidung ein wichtiger Faktor für die Herausbildung einer paradigmatischen Nominativ-Akkusativ-Opposition darstellt. Die Nominativvs. Akkusativ/ Dativ-Opposition, wie sie sich zum Neuhochdeutschen herausbildet, ist genau dieser semantischen Markierung dienlich. In den germanischen Sprachen korrelieren die semantischen Rollen Agens und Patiens im Aktiv mit syntaktischen Funktionen (Subjekt, direktes Objekt) und mit Kasus (Nom., Akk./ Dat.) (u.a. Alber & Rabanus 2011: 33-36; Rabanus 2006: 301-305; Nübling 2019: 29; Bank 2007: 4; Krifka 2009). Mit den eingeführten Begriff der Exponenz lässt sich der synchrone Zustand von Flexion bestens erfassen. Über die diachronen Prozesse des tiefgreifenden Flexionswandels am Substantiv in den westgermanischen Sprachen sagen diese noch wenig aus. Wichtig am Flexionsbegriff als Exponenz ist, dass sie nicht die von vielen Morphologietheorien getroffene Unterscheidung zwischen ‚Flexion‘ ( = grammatische Modifikation des Stammes) und ‚Derivation‘ ( = semantische Modifikation des Stammes) trifft. Dies hat unter anderem den Vorteil, dass die Grenzen zwischen ‚Flexion‘ und ‚Derivation‘ bei genauerem Hinsehen weniger scharf sind, 52 <?page no="53"?> 2.3 Flexion, Deflexion und Exaptation als gemeinhin angenommen. In diesem Sinne verwendet auch die vorliegende Arbeit den Terminus ‚Eigennamenflexion‘ als rein formalen Akt der Exponenz. Eigennamenflexion referiert also nicht zwangsläufig auf Kasusflexion, sondern kann auch Ausdruck von Definitheit oder DOM sein. Eine solche weite Definition von Eigennamenflexion wird besonders im Hinblick auf den Prozess der ‚Deflexion‘ wichtig. Dieser Begriff taucht in der Literatur zu Eigennamenflexion in uneinheitlicher Verwendung und mal mehr, mal weniger klar definiert auf. Im Folgenden wird die Terminologie von Norde (2009) verwendet, nach der ‚Deflexion‘ nicht den Verlust von Flexion bezeichnet (vgl. Ackermann 2018; Nübling 2012), sondern vielmehr den Abbau von grammatischem Gehalt. Während ein Wandel von einer weniger grammatischen Einheit (z.B. ein Bewegungsverb) zu einer stärker grammatischen (z.B. Auxiliar) als ‚Grammatikalisierung‘-bezeichnet wird, spricht man beim komplementären Wandel von stark grammatischen Einheiten (z.B. Pluralsuffix) zu grammatisch schwächeren (z.B. Kollektivsuffix) von ‚Degrammatikalisierung‘. Norde (2009) unterscheidet zwischen Degrammatikalisierung ersten Grads (primary degrammaticalization), die sie als „degrammation“ beschreibt und Degrammatikalisierung zweiten Grads (secondary degrammaticalization), deren zwei Subtypen sie als „deinflectionalization“ (Deflexion) und „debonding“ bezeichnet. Der für die Eigennamenflexion entscheidende Prozess, die Deflexion, ist eine spezielle Form von Degrammatikalisierung: „Deinflectionalization is a composite change whereby an inflectional affix in a specific linguistic context gains a new function, while shifting to a less bound morpheme type“ (Norde 2009: 152). Ein klarer Funktionszuwachs liegt vor, wenn (ehemalige) Kasusflexion sich darauf spezialisiert, auch semantische Rollen, Definitheit und Belebtheit (DOM), auszuzeichnen. Deflexion liegt bei einer Verschiebung von einem flektierenden Affix zu einem anderen Typus eines gebundenen Morphems (z.B. ein Derivationssuffix) vor. Wenn die Herausbildung von Eigennamenflexion eine Deflexion von Kasussuffixen darstellen soll, dann bleibt zu fragen, welcher Typus von Suffix die Eigennamenflexion kennzeichnet. Ein häufiger Fall von Deflexion liegt beim Wandel von einem Flexionssuffix zu einem Derivationssuffix vor (Norde 2009: 152-185), da Flexion als grammatischer als Derivation aufgefasst wird (vgl. Norde 2009: 157). Generell ist aber eine klare Abgrenzung von Flexion und Derivation, wie es die Split-Morphology Hypothe- 53 <?page no="54"?> 2 Strukturelle Besonderheiten von Eigennamen und Flexion sis annimmt (vgl. Perlmutter 1988), nicht ohne Weiteres zu ziehen. Die wenigen Kriterien, die sich zur Unterscheidung heranziehen lassen, sind mehr allgemeine Tendenzen als feste Beschränkungen. So liegt kumulative Exponenz zwar besonders häufig bei Flexionssuffixen vor, ist aber auch, wenn auch deutlich seltener, bei Derivationssuffixen zu finden (S. R. Anderson 1992: 76). Ebenso verhält es sich beim Kriterium des Wortarten-Wechsels (vgl. Norde 2009: 153-154). Das stabilste Unterscheidungskriterium ist die „obligatoriness“ (S. R. Anderson 1992: 101; Bybee 1985: 81). Während Flexionssuffixe obligatorisch sind, da sie in einem spezifischen morpho-syntaktischen Kontext erforderlich sind, fügen Derivationssuffixe lediglich lexikalischen Inhalt hinzu und sind daher weitestgehend fakultativ, z.B. derivationelle Diminutivsuffixe (17) im Vergleich zu Pluralsuffixen (17b). (17) a. dt. da geht das Pferd-chen vs. da geht das Pferd b. dt. da gehen die Pferd-e vs. *da gehen die Pferd Ein häufig diskutiertes Beispiel für Deflexion ist die Entwicklung des Genitiv -s vom flektierenden Affix zum enklitischen Determinierer im Englischen und den festlandskandinavischen Sprachen (für eine detaillierte Diskussion siehe Norde 2009: 160-179). Während -s z.B. im Altschwedischen (18a) noch als morphologisch gesteuertes Flexionssuffix an mehreren Stellen der Genitivphrase erscheint, degrammatikalisiert es zum modernen Schwedischen (18b) zu einem phrasenschließenden, syntaktischen Marker. (18) a. Altschwed. ens riks mans hws ‘eines reichen-s Manne-s Haus’ b. mod. Schwed. en rik mans hus ‘eines reichen Manne-s Haus’ (nach Norde 2009: 161) Sollte sich die Verwendung onymischer Flexion in den folgenden Daten der kontinentalwestgermanischen Dialekte als stark schwankend präsentieren und können keine strukturellen Bedingungen für diese Schwankungen identifiziert werden, wäre es eine mögliche Erklärung, dass diese Obligatorizität ein Resultat der Deflexion von einem Flexionssuffix zu einem weniger gebundenen Suffix darstellt. Ob Eigennamenflexion dabei auch einen Wandel von einem Flexionssuffix zu einem Derivationssuffix durchlaufen hat, sofern diese ohnehin schwer abzugrenzenden Kategorien (Derivation vs. Flexion) überhaupt eine systemische 54 <?page no="55"?> 2.3 Flexion, Deflexion und Exaptation Realität besitzen, wird im abschließenden Teil dieser Arbeit behandelt. Generell muss Deflexion nicht zwangsläufig einen Wandel von Flexion zu Derivation markieren, wie insbesondere die zahlreichen Arbeiten zum -s-Genitiv im Englischen und Schwedischen zeigen (vgl. Norde 2009: 160-179). Während bei Degrammatikalisierungsprozessen die neu entstehenden Funktionen bereits in der ursprünglichen Funktion - wenn auch nur marginal - angelegt sind, wird bei der Exaptation im Sinne von Lass (1990) nicht mehr verwendetes, durch Sprachwandelprozesse obsolet gewordenes grammatisches Material funktional entleert und umgedeutet. Die neue Funktionszuweisung dient der Füllung grammatischer Lücken und ist somit nicht, wie im Fall der Degrammatikalisierung ein Ausbleichen von stark grammatischen Einheiten zu schwächeren, sondern eine komplette Umdeutung. Exaptation, egal in welcher Definition, steht nicht im Widerspruch mit Überlegungen zur Degrammatikalisierung. In der Linguistik beschreibt Exaptation in allen Definitionen nicht den Prozess der Funktionsentleerung, sondern ist auf das synchron bestehende Resultat fixiert. Während Deflexion einen klaren morphologischen Prozess beschreibt, ist Exaptation das Ergebnis eines möglichen (De)Grammatikalisierungsprozesses, der alte Funktionen entleert und neue anreichert. Der Terminus ‚Exaptation‘ stammt aus der Evolutionsbiologie. Dort beschreibt er eine Zweckentfremdung ursprünglicher Funktionen. Das klassische Schulbeispiel für Exaptation in der Biologie ist die zusätzliche, zunächst nicht angelegte Funktion von Federn als Thermoregulatoren als wichtige Bestandteile der Evolution von Gleit- und Flugfähigkeit (erstmals Gould & Vrba 1982): We suggest that such characters, evolved for other usages (or for no function at all), and later „coopted“ for their current role, be called Exaptations […]. They are fit for their current role, hence aptus, but were not designed for it, and are therefore not ad aptus, or pushed toward fitness. They owe their fitness to features present for other reasons, and are therefore fit (aptus) by reason of (ex) their form, or ex aptus. (Gould & Vrba 1982: 6; Hervorhebungen im Original) Exaptation im biologischen Sinn ist also der Ausbau einer zunächst nicht primären Merkmalsfunktion. Dabei gehen primäre Funktionen nicht zwangsläufig verloren. Zum Beispiel tragen Federn noch immer zur Thermoregulation bei. Die sprachwissenschaftliche Auslegung des Begriffs orientiert sich allerdings nur be- 55 <?page no="56"?> 2 Strukturelle Besonderheiten von Eigennamen und Flexion dingt an dessen Verwendung in der Biologie. Nach Simon (2010), der einen engeren Exaptationsbegriff als Lass (1990) hat, muss Exaptation nicht nur neue Funktionen generieren und die alten Funktionen vollständig aufgegeben haben, sondern vor allem neue Kategorien erschließen. Nach der Definition von Simon (2010) würde es sich im Fall der Eigennamenflexion, die sich von einer Kasusflexion zu einer DOM wandelt, nicht um Exaptation handeln, da Kasus ja bereits mit semantischen Rollen und Belebtheit interagiert und so keine völlig neue Funktion aufkommt. Exaptation liegt nach Simon (2010: 52) in Fällen vor, „bei denen bereits vorhandenes grammatisches Material wiederverwendet wird, um eine kategoriell neuartige Funktion zum Ausdruck zu bringen“. Ein Fall von klarer Exaptation wäre z.B. die Entstehung der Kategorie [ Respekt ] im Deutschen aus der Form des Pronomens der 3. Pl. sie (Simon 2003, 2010). Sofern sich die -(e)n-Flexion am Eigennamen von einer ursprünglichen Kasusmarkierung als funktionsentleertes Suffix zu einem Marker für eine klare Zuweisung von z.B. Belebtheit oder Definitheit entwickelt hat, läge ein möglicher Fall von Exaptation vor. Ein Fall von Exaptation wäre also, wenn das ehemalige Flexionssuffix kasusunabhängig, z.B. als genereller Nähe- oder Belebtheitsmarker auch im Nominativ erscheinen würde. Daher sind Kontexte mit Namen in Subjekt-Position besonders interessant und dürfen bei der Analyse von Eigennamenflexion nicht unberücksichtigt bleiben. Nach Simon (2010) und auch nach Lass (1990) setzt Exaptation voraus, dass die alte Funktion vollständig aufgegeben sein muss. Solange die -(e)n-Markierung am Eigennamen also nur in DO- und IO-Position auftritt bzw. als DOM nur bestimmte semantische Rollen auszeichnet, trägt das Suffix noch immer Kasusinformationen und ist daher nicht funktionsentleert. Unter der Annahme, dass die Flexion an Eigennamen von der klassischen Funktion der Kasusflexion zu einer DOM ausgebaut wurde, wäre eine Funktionserweiterung bzw. ein Funktionsausbau gegeben. Die Funktion der Interaktion von Kasus und semantischen Rollen wäre dadurch ausgebaut und nicht, wie es Exaptation nach Lass (1990) und Simon (2010) beansprucht, entleert werden. Dennoch werden neue Funktionsbereiche und Kategorien erschlossen: Die grammatische Kategorie, die dabei paradigmatisch neu oder zumindest gestärkt hervortritt, ist die des belebten Eigennamens, die sich damit von anderen Substantiva und auch anderen Namentypen differenziert. Mit der biologischen Definition, die zum ei- 56 <?page no="57"?> 2.3 Flexion, Deflexion und Exaptation nen viel prozessorientierter ist als die linguistische und zum anderen keine radikale Funktionsentleerung voraussetzt, ließe sich diese Erschließung neuer Funktionen als Exaptation bezeichnen. In diesem Fall lässt sich Exaptation als gradueller Funktionszuwachs/ -schwund von Merkmalen verstehen: primäre Merkmale werden zugunsten eines ursprünglich nicht (primär) angelegten Merkmals aufgegeben --nicht (primär) angelegte Merkmale werden auf Kosten primärer Merkmale aufgebaut. In diesem Sinne kann Eigennamenflexion, die die Merkmalsfunktionen [ ±Belebtheit ] oder auch [ ±Definitheit ] ausgebaut hat, als ein Fall von Exaptation betrachtet werden. Belebtheitsmarkierende Eigennamenflexion, die noch an Kasus gebunden ist (wie im Fall einer DOM), kann man allerdings nicht als eine vollständig abgeschlossene Exaptation verstehen, solange die Formen der Eigennamenflexion nicht auch im unmarkierten Kasus ( = Nominativ) auftreten. Weder Lass (1990) noch Simon (2010) teilen jedoch ein solches Verständnis von Exaptation. Dies liegt vor allem daran, dass beide den Fokus weniger auf den konkreten Wandelprozess einer sich graduell vollziehenden sprachlichen Evolution legen, sondern resultatorientiert definieren, ob Exaptation vorliegt oder nicht. Ein solcher, gradueller Begriff von Exaptation ist allerdings maximal unspezifisch. Die Umdeutung von Kasusmarkierung als Belebtheitsmarkierung als einen Fall von Exaptation zu beschreiben, findet sich bereits in einigen Beobachtungen zur Kasusmorphologie deutscher Dialekte. So stellt Rohdenburg (1998) bei pronominalen Formen der Feminina in niederdeutschen Varietäten fest, dass diese wie in (19) Belebtheit bzw. Menschlichkeit markieren. Auch Denkler (2020) und Fenk- Oczlon (2015: 88-89) finden ähnliche Belebtheitseffekte im System verschiedener niederdeutscher Dialekte, bezeichnen diese allerdings nicht als Exaptation. (19) a. He hett ehr [+Hum.] (de Deern) slaan ‘Er hat sie (das Mädchen) geschlagen’ (Rohdenburg 1998: 294) b. He hett se [-Hum.] (de Ko) slaan ‘Er hat sie (die Kuh) geschlagen’ (Rohdenburg 1998: 294) 57 <?page no="58"?> 2 Strukturelle Besonderheiten von Eigennamen und Flexion In der walserdeutschen Sprachinsel von Issime sind ursprünglich kasusmarkierende maskuline Definitartikel des Nominativs und Akkusativs neu nach Belebtheit bzw. Individualität distribuiert worden: die alte Nominativform dar tritt an Maskulina der Kategorie + belebt bzw. + individuell, wie ‘Vater’, ‘Bäcker’, ‘Esel’, ‘Fuchs’, und die alte Akkusativform da/ dan erscheint bei weniger belebten Maskulina, wie ‘Butter’, ‘See’, ‘Schnecke’ (Dal Negro 2004). Dabei sind Nominativ und Akkusativ zusammengefallen und die Artikelformen leisten keine Kasusdistinktion mehr; Definitheit- und Genusmarkierung bleibt aber noch erhalten. Mit einer weniger radikalen Definition als Simon (2010) kann man diese Fälle als Exaptation begreifen, da zunächst nicht angelegte Belebtheitsmarkierung bei Pronomen bzw. Definitartikeln auf Basis bestehender Merkmalsfunktionen (z.B. Akkusativvs. Nominativform) übertragen wird und die damit verbundenen Kategorien [ human ] / [ belebt ] ausgebaut werden. Aus diesen grundsätzlichen Überlegungen resultieren drei Hypothesen zu onymischen Entwicklungen der Substantivflexion in kontinentalwestgermanischen Varietäten, die es im Folgenden empirisch zu testen gilt: H1: In westgermanischen Varietäten hat sich aus dem Flexionssuffix -(e)n ein Marker für differenzielle Objektmarkierung (DOM) bzw. Animatheit herausgebildet. H2: Es handelt sich dabei um einen Fall von Deflexion nach Norde (2009). H3: Es handelt sich dabei um einen Fall von Exaptation nach Lass (1990) (H3.1), nach Simon (2010) (H3.2) oder im graduellen Sinne (H3.3). 58 <?page no="59"?> 3 Aktueller Forschungsstand In diesem Kapitel wird der Forschungsstand zur Substantivflexion in den kontinentalwestgermanischen Sprachen allgemein und der onymischen Flexion im Besonderen vorgestellt. Bevor auf die bisherigen Erkenntnisse zur onymischen Flexion in den Dialekten näher eingegangen wird, werden zunächst die historischen Entwicklungen vorgestellt. Abschließend wird in Abschnitt 3.4 gesondert auf die spezielle Situation der Verwandtschaftsbezeichnungen eingegangen und in Abschnitt 3.5 ein Blick auf die wenigen bestehenden makrotypologischen Arbeiten zur Eigennamenflexion vorgenommen. Bevor die zentralen Entwicklungen des Spezialfalls ‚Eigennamenflexion‘ in den kontinentalwestgermanischen Einzelsprachen in den Blick genommen werden, ist es nötig grundlegende Entwicklungen der Substantivflexion dieser Sprachen einzuführen. Daher werden im folgenden Kapitel 3.1 die wichtigsten Entwicklungstendenzen der Kasusflexion am Substantiv (exklusive Eigennamen) in den kontinentalwestgermanischen Sprachen und modernen Dialekten vorgestellt. Damit wird der onymische Sonderweg der Substantivflexion nochmals deutlicher. <?page no="60"?> 3 Aktueller Forschungsstand 3.1 Entwicklungstendenzen im germanischen Kasussystem Bereits alle älteren bezeugten indoeuropäische Sprachen flektieren verschiedene Substantiva nach Mustern verschiedener ‚Stammklassen‘; d.h. sie flektieren je nach Klassenzugehörigkeit, ohne dass damit ein funktionaler Unterschied verbunden wäre. Im Althochdeutschen werden je nach Stammauslaut üblicherweise acht solcher Stammklassen unterschieden (Braune & Heidermanns 2018). Für das Proto-Germanische nimmt Sonderegger (1979: 98-99) sechs formale Kasus an und unterteilt diese nach ihren syntaktischen Funktionen (s.o. S. 21): - Nominativ: Kasus von Subjekt und Prädikativ - Vokativ: nominale Anrede (wird in moderneren Arbeiten als Nominativ klassifiziert; vgl. Blake 2001: 8) - Akkusativ: Markierung des direkten Objekts (DO) sowie Direktionalität - Dativ: Markierung des indirekten Objekts (IO) sowie „Zweck“, „innere Beteiligung“ (Sonderegger 1979: 99) - Genitiv: Markierung des Possessivs und Partitivs, „Kasus des Bereichs“ (Sonderegger 1979: 99) - Instrumental: Markierung der Funktion Grundsätzlich können in den germanischen Sprachen alle flektierbaren Wortarten Kasus tragen. Insbesondere durch den Ausbau der Nominalklammer ist immer mehr Kasusmarkierung vom Substantiv auf andere Wortarten ausgelagert worden (Ronneberger-Sibold 2010; Ellsäßer 2020: 11). Diese Tendenz zur Auslagerung von Flexion wird insbesondere durch die Grammatikalisierung und den Ausbau des Artikels begünstigt (u.a. Sonderegger 1979: 250-253; Oubouzar 1997; Ronneberger-Sibold 2010: 103-104). Die so gewonnene erweiterte Exponenz von Kasus-, Numerus- und Genusflexion an mehreren Positionen einer NP führt nach dem sprachökonomischen Prinzip des ‚morphologischen Minimums‘ (Rabanus 2008) dazu, dass Flexion am Substantiv vermehrt abgebaut wird (Sonderegger 1979: 245-248). Insbesondere Kasusflexion wird in diesem Prozess nivelliert (Sonderegger 1979: 250-253). Weitere, dies unterstützende Prozesse sind die Nebensilbenabschwächung, die die formseitige Vielfalt der Flexionssuffixe reduziert was zu formalen Synkretismen führt (Mironov 1957: 390; Hotzenköcherle 1962c: 327; 60 <?page no="61"?> 3.1 Entwicklungstendenzen im germanischen Kasussystem Schirmunski 1962: 411-414) und Auslagerungen von Kasusmarkierungen über analytische, periphrastische Konstruktionen insbesondere mit Präpositionen, wie dies für den Rückgang des synthetischen Genitivs zu beobachten ist (Mironov 1957: 390; s.a. die Diskussion in Ellsäßer 2020: 13-14). Damit wird das ursprüngliche Kasussystem der germanischen Sprachen stark reduziert. Diese Entwicklungen zum Mittelhochdeutschen bzw. Mittelniederdeutschen und Mittelniederländischen führen dazu, dass das System der Stammklassen wesentlich umgestaltet wird. Ab dieser Zeit ist synchron nicht mehr motivierbar, weshalb die Substantiva derjenigen Deklinationsklasse angehören, der sie angehören. Insbesondere wird die Anzahl der verschiedenen Stammklassen durch Formzusammenfälle reduziert. Bereits für das Mittelhochdeutsche wird von einer Zweiteilung der Substantiva ausgegangen, obwohl noch immer Reste der alten Klassen bestehen (Wegera et al. 2018: 71-124). Basierend auf Grimm (1837) und in Analogie zu dessen Termini der Adjektiv- und Verbflexion wird zwischen einer ‚starken‘ und einer ‚schwachen‘ (und insbes. im Nhd. einer ‚gemischten‘) Substantivflexion unterschieden (Paul 2007: 50-51). Diese Termini, die auf die althochdeutsche Struktur des Stamms [ ± vokalischer Auslaut ] beruhen, sind allerdings hoch problematisch und entsprechend umstritten.¹⁷ Ein besonderer Kritikpunkt ist, dass im Mittelhochdeutschen „einer ‚schwachen‘ Klasse mehrere ‚starke‘ Klassen gegenüberstehen und somit eine Subklassifikation erforderlich ist.“ (Wegera et al. 2018: 79). Die vorliegende Arbeit hält es mit dieser Terminologie (‚stark‘/ ‚schwach‘) wie die Mittelhochdeutsche Grammatik (Wegera et al. 2018: 79) und versucht diese, wenn möglich, zu vermeiden. Da allerdings die meisten Arbeiten zu Themen der Substantivflexion diese Dichotomie verwenden, ist ein vollständiger Verzicht auf diese Termini nicht möglich, wenn der Diskurs und der Vergleich mit diesen Arbeiten gewährleistet bleiben will. Um das Problembewusstsein auszudrücken, werden die Termini bei Verwendung entsprechend in Anführungszeichen gesetzt. Die genannten Prozesse bewirken in den kontinentalwestgermanischen Sprachen aber nicht nur einen Verlust der alten Stammklassen, sondern auch einen 17 Bereits im Althochdeutschen folgt die r-Deklination nicht dem ‚schwachen‘ Muster. 61 <?page no="62"?> 3 Aktueller Forschungsstand Abbau der synthetischen Kasus Instrumental¹⁸ und Vokativ¹⁹. Der Genitiv wird vor allem in den oralen Varietäten vorwiegend analytisch gebildet und ist noch in wenigen deutschen Dialekten, insbesondere im Hoch- und Höchstalemannischen, als overter Kasus nur noch relikthaft erhalten (Mironov 1957: 391; Koß 1983: 1242, insbes. Karte S. 1244; Rowley 1997: 90; Fleischer & Schallert 2011: 84- 94; Rauth 2020: 190). Und auch die verbleibenden Kasus Akkusativ, Dativ und Nominativ weisen oftmals formale Synkretismen auf (vgl. Ellsäßer 2020: 13-15). Vor allem in den westober- und westmitteldeutschen Varietäten sind Akkusativ und Nominativ nahezu vollständig formal zusammengefallen (u.a. Hotzenköcherle 1962c: 238; Shrier 1965; Studler 2011; Baechler 2018: 286; Perrig 2018). In den niederdeutschen und niederländischen Varietäten liegt zumeist ein Zweikasussystem von obliquem Kasus (casus obliquus; Akkusativ/ Dativ) und nominalem Kasus (casus rectus; Nominativ) vor; d.h. es gibt nur noch einen Objektkasus, der einen vom Nominativ verschiedenen (obliquen) Kasus aufweist (Rohdenburg 1993: 213; Stellmacher 1983: 275). Ein häufiges Synkretismusmuster der modernen ostober- und mitteldeutschen sowie der zentral- und nordostjiddischen Dialekte ist der von Akkusativ und Dativ von speziell maskulinen Relationen zu einem obliquen Kasus (Ellsäßer 2020: 50- 53; Rowley 1997: 88-90, 347; Dal 1971a: 188; Wolf 1969). Dem entgegen steht die - von maskulinen Relationen abgesehen - grundsätzlich „starke Stellung des distinkten Dativs“ (Ellsäßer 2020: 15), als ein besonderes Merkmal der hochdeutschen Varietäten, mit dem sie sich von den niederdeutschen Varietäten abheben (Dal 1971a: 188-189). So überrascht es nicht, dass gerade die oberdeutschen Dialekte, wie auch die hochdeutsch geprägten jiddischen Dialekte eine besondere präpositionale Markierung des Dativs (PDM) ausgebildet haben (Seiler 2003; Schäfer 2021: Abb. 7; Krogh 2015: 395-396; Krogh (2019); Schäfer 2014: 250-251; Assouline 2014; Zuckerman 1969: 57). Wie niederländische und afrikaanse Varietäten zeigen, ist PDM aber nicht auf hochdeutsche Varietäten beschränkt (vgl. 18 Im Althochdeutschen nur noch in einzelnen Paradigmen belegt (Braune & Heidermanns 2018: 246-350); im Mittelhochdeutschen ist der Instrumental, der nun von Dativperiphrasen übernommen wird, nur noch in wenigen Resten belegt (Sonderegger 1979: 99). 19 Nur im Gotischen belegt, sonst bereits vom Nominativ abgelöst (Braune & Heidermanns 2013: 87, 101; Sonderegger 1979: 99). 62 <?page no="63"?> 3.1 Entwicklungstendenzen im germanischen Kasussystem Colleman, Clerck & Devos 2010: 123; Besten 2006: 123) sondern ein kontinentalwestgermanisches Phänomen. Die Profilierung des Dativs im Hochdeutschen nimmt Dal (1971b: 177) als Indiz dafür, dass Kasusflexion nicht grundsätzlich abgebaut wird, sondern auch komplementäre Prozesse existieren. Ähnlich bestätigen auch die Analysen in Dürscheid (2007) und Ellsäßer (2020), dass Kasusmarkierung (nicht nur am Substantiv) zwar formal oft zusammenfällt, abstrakter d.h. funktionaler Kasus aber im Deutschen und speziell in den oberdeutschen Varietäten durchaus stabil ist. Die auf Hotzenköcherle (1962c) und Sonderegger (1979) fußende Lehrbuchmeinung einer grundsätzlichen Kasusnivellierung (die zumeist mit sogenannten Numerusprofilierung interagiert, s. S. 77) muss zumindest insofern revidiert werden, als diese nicht den funktionalen Ausdruck von Kasus tangiert. Dies ist besonders hinsichtlich der hier behandelten Eigennamenflexion wichtig, da auch diese von ihrer Grundlage eher eine Kasusprofilierung als eine -nivellierung darstellt. All diese Tendenzen beziehen sich vor allem auf die allgemeine Markierung von funktionalem Kasus und nicht auf die formale Kasusflexion am Substantiv im speziellen. Kasusdistinktion am Substantiv liegt im Standarddeutschen nur noch an wenigen Stellen des Paradigmas vor. Im Singular (siehe Tabelle 3.1) ist insbesondere der Genitiv der Maskulina und Neutra distinkt, als veraltet kann die Dativmarkierung mittels -e bei den Maskulina und Neutra gelten. Mit einer besonderen Markierung der Objektkasus treten im Singular die ‚schwachen‘ Maskulina hervor. Diese Gruppe, die überwiegend hochbelebte Substantiva beinhaltet, steht im Verdacht eine besondere Belebtheitsmarkierung entwickelt zu haben (vgl. Dammel & Gillmann 2014; Comrie 1996: 128; Bossong 1998). Diese Klasse ist für die onymische Flexion von besonderem Interesse. Im Plural (siehe Tabelle 3.2) ist nur noch in zwei Klassen, den ‚starken‘ Maskulina und Neutra sowie den ‚gemischten‘ Feminina, eine Distinktion des Dativs gegeben. Im Standardniederländischen gibt es im Singular nur noch im Possessiv von Eigennamen eine distinkte Kasusmarkierung mittels -s; der Plural (siehe Tabelle 3.3) wird bei zählbaren Substantiva i.d.R. nach unbetonter Silbe mittels -s und nach betonter Silbe mittels -en gebildet (Ausnahmen davon sind hier nicht weiter von Relevanz). Sonst ist formaler Kasus am Substantiv vollständig geschwunden. 63 <?page no="64"?> 3 Aktueller Forschungsstand mask./ neutr. mask. mask. u. neutr. fem. fem. ‚stark‘ ‚schwach‘ ‚gemischt‘ ‚gemischt‘ ‚schwach‘ Nom. Berg Mensch Staat Wand Burg Akk. Berg Mensch-en Staat Wand Burg Dat. Berg(-e) Mensch-en Staat-(e) Wand Burg Gen. Berg-es Mensch-en Staat-(e)s Wand Burg Tab. 3.1: Standarddeutsche Substantivflexion Singular (nach Eisenberg 2013: 152- 154) mask. u. neutr. mask. mask. u. neutr. fem. fem. ‚stark‘ ‚schwach‘ ‚gemischt‘ ‚gemischt‘ ‚schwach‘ Nom. Berg-e Mensch-en Staat-en Wänd-e Burg-en Akk. Berg-e Mensch-en Staat-en Wänd-e Burg-en Dat. Berg-e-n Mensch-en Staat-en Wänd-e-n Burg-en Gen. Berg-e Mensch-en Staat-en Wänd-e Burg-en Tab. 3.2: Standarddeutsche Substantivflexion Plural (nach Eisenberg 2013: 152- 154) Singular (alle Kasus) Plural (alle Kasus) appel appel-s hond hond-en Tab. 3.3: Substantivflexion im Standardniederländischen (De Schutter 1994: 458) 64 <?page no="65"?> 3.1 Entwicklungstendenzen im germanischen Kasussystem Kommen wir nun zu den Relikten von Kasusflexion am Substantiv in den modernen kontinentalwestgermanischen Dialekten. Wie bereits ausgeführt ist in den meisten deutschen Dialekten eine overte Genitivmarkierung des Substantivs nur noch in wenigen alemannischen Dialekten in Resten erhalten, so dass man für die Substantivmorphologie der Dialekte entweder ein vollständig distinktes Dreikasussystem (Nom. - Akk. - Dat.) annimmt oder, insbesondere für die niederdeutschen und niederländischen Dialekte, ein Zweikasussystem (Nom. - Obl.). Durch Zusammenfälle und die bereits erwähnte Tendenz zur Profilierung des Dativs (insbes. der Maskulina) ist auch ein Zweikasussystem (Nom./ Akk. --Dat.), insbesondere im alemannischen Raum, verbreitet. Insgesamt lässt sich allerdings feststellen, dass die (Kasus-)Morphologie ein gegenüber Phonologie und Syntax bisher eher vernachlässigter Bereich der germanistischen Dialektologie darstellt (vgl. Ellsäßer 2020: 28; Birkenes 2014: 22; Dammel & Schallert 2019). Eine erste allgemeine Orientierung zum Flexionsklassenwandel in einer beschränkten Auswahl deutscher Dialekte bietet Nübling (2008). Die noch immer wichtigste und flächendeckenste Arbeit zu den Kasussystemen der deutschen Dialekte, stellt der Aufsatz von Shrier (1965) dar. In dieser von Uriel Weinreichs strukturalistischer Dialektologie geprägten Arbeit untersucht Shrier (1965) auf der Basis von 55 Dialektgrammatiken²⁰ die Kasussysteme bei Definit- und Indefinitartikel, Personal- und Demonstrativpronomen und von ‚starken‘ Adjektiven. Flexion am Substantiv selbst hat sie nicht näher untersucht: „the noun itself is least often inflected for case“ (Shrier 1965: 420). Dies deutet bereits an, dass die Kasusflexion am Substantiv in den deutschen Dialekten stark defizitär ist, was eine wissenschaftliche Beschäftigung mit ihr nahezu unmöglich macht. Entsprechend rücken auch jüngere kleinräumige Arbeiten zur Kasusmorphologie vor allem Pronominalmorphologie (Rabanus 2008), Artikelmorphologie (Meyer 1967; Dal Negro 2004; Perrig 2018) und vereinzelt Adjektivflexion (Perrig 2018) ins Zentrum. Speziell zur Flexion der Substantiva in bairischen Dialekten zwischen Nürnberg, Coburg, Hof und dem bayrischen Wald arbeitet Rowley (1997). Für einen ersten grundsätzlichen, groben Überblick in die Situation der deutschen Dialekte stütze ich mich im Folgenden auf die Daten bei Mironov (1957) 20 Ihr Sample deckt dabei den gesamten binnendeutschen Sprachraum ab: BRD (inkl. einer nordfriesischen Grammatik), DDR, Luxemburg, Elsass, Österreich, Schweiz und Liechtenstein (Shrier 1965: 421). 65 <?page no="66"?> 3 Aktueller Forschungsstand und Schirmunski (1962) und die von Rauth (2020: 192-196) erbrachte Synthese dieser Arbeiten (s.a. Rauth 2016). Damit beschreiben die folgenden Feststellungen die Situation in den Dialekten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und nicht die der aktuellen Dialekte. Mironov (1957) und Schirmunski (1962) zur Folge blieb distinkte Kasusmarkierung am Substantiv noch in den folgenden hoch- und niederdeutschen Dialekten erhalten: - Dat. Sg. der ‚starken‘ und ‚gemischten‘ Maskulina und Neutra blieb -e im südlichen Niederdeutschen, West- und Ostfälischen, Nordhessischen, Thüringischen, Obersächsischen, Schlesischen, im mittleren und südlichen Brandenburgischen und auch im Südbairischen bewahrt. Weitere Distinktion blieb hier in niederfränkischen, ripuarischen, nordhessischen, ostmitteldeutschen und manchen niederdeutschen Dialekten mit Apokope durch alternative Prozesse (wie Vokallänge, -qualität, Lenisierung, Tilgung, Assimilation, Tonakzent) erhalten (Mironov 1957: 399; Schirmunski 1962: 501). - Akk. und Dat. Sg. der ‚schwachen‘ Maskulina blieb -(e)n im Niederdeutschen erhalten und vereinzelt in einigen ostmitteldeutschen, schwäbischen, niederalemannischen und südbairischen Dialekten (Schirmunski 1962: 503). Im Plural bleibt Kasusflexion noch in folgenden Dialekten bestehen bzw. wurde sogar ausgebaut: - Eine besondere Markierung des Dat. (bzw. Obliquus) im Pl. aller Genera der ‚starken‘ Deklination mittels -e(n)/ -(e)n blieb in konservativen west- und ostfälischen Dialekten bewahrt; in diesen Dialekten blieb -e(n) auch im Sg. bestehen. Auf den Pl. beschränkt findet sich die Dativflexion -e(n)/ -(e)n im südlichen Moselfränkischen, Nordhessischen, Ostmitteldeutschen und teilweise im Ostfränkischen, elsässischen und schweizer Alemannischen (Mironov 1957: 399; Schirmunski 1962: 504-5). - Eine besondere Profilierung des Dat. Pl. ist im südlichen Thüringischen, Ostfränkischen sowie Nord-, Mittel- und Südbairischen zu finden. Hier tritt quasi verdoppelndes -e(n)/ -(e)n bei ‚schwachen‘ u. ‚gemischten‘ Maskulina und Neutra, und vereinzelt auch ‚schwachen‘ Feminina auf, an die Pluralendung -e(n), z.B. kŋouxn ‘Knochen’ Pl. Nom./ Akk. , kŋouxnn ‘Knochen’ Pl. Dat. . In manchen bair. Dialekten ist aus der Dopplung von formgleichen Plural- 66 <?page no="67"?> 3.1 Entwicklungstendenzen im germanischen Kasussystem und Kasussuffix ein eigenes Suffix für den Dat. Pl. entstanden, z.B. mittelbair. (- 5 n < -en + -en): be 5 x ‘Berg’ Sg. Nom. , be 5 ŋ ‘Berge’ Pl. Nom./ Akk. , be 5 ŋ 5 n ‘Berge’ Pl. Dat. . Dieses Phänomen wird auch als „Kraftdativ“ bezeichnet (vgl. Schirmunski 1962: 505-506). Wir sehen damit insgesamt ein deutliches Bestreben den Dativ besonders zu markieren. Die bereits erwähnte PDM entspricht dieser Tendenz der Dativprofilierung. Entgegen der Festellung von Dal (1971a: 189), dass besonders der hochdeutsche Sprachraum ein sogenanntes „Dativgebiet“ sei, finden wir auch im Niederdeutschen, das über ein Zweikasussystem verfügt, (Rohdenburg 1993: 213; Stellmacher 1983: 275) und im mitteldeutschen Übergangsgebiet ähnliche Bestrebungen den Dativ gesondert auszuzeichnen (Rohdenburg 1993: 218; s.a. Fußnote 37 S. 110). Zur Situation in den niederländischen Dialekten fehlt es ebenfalls an Arbeiten. Zwar hat der Morfologische Atlas van de Nederlandse Dialecten (MAND) auch Substantiva in der Einzahl und in verschiedenen Kasus erhoben, in den publizierten Atlasdaten gibt es allerdings nur Karten zum Plural ohne Systemvergleiche, ob hier Kasus markiert wird oder nicht (vgl. De Schutter 2005: 16-37). Einen ersten Zugang bietet das Material des Kleinen Niederländischen Sprachatlas unter Einschluss des Westfriesischen (KNSA 2020), der auf Erhebungen der Wenkersätze in Belgien und den Niederlanden zwischen dem 1. Weltkrieg und den 1950er Jahren fußt. Damit sind zwar keine Einblicke in den paradigmatischen Erhalt von Flexion möglich, immerhin können aber die phonologischen Strukturen des Auslauts als Indizien für Kasusflexion gelesen werden. Ein möglicher Erhalt von Kasusflexion am Dativ Neutrum findet sich in Wenkersatz (WS) Nr. 34 Das Wort kam ihm von Herzen! als hart-ə in niedersächsischen und westflämischen (inkl. Zeeuws) Dialekten (KNSA 2020: M6). In diesen Dialekten hat die -e-Apokope nicht gegriffen (Marynissen 2009: 173-176; Smits & Kloots 2010; KNSA 2020: M11) und so könnte auch hier eine ältere Form von altniederdeutsch herta ‘Herz’ konserviert worden sein, beziehungsweise ist gerade WS 34 nicht repräsentativ, da ‘von Herzen’ eine erstarrte Fügung darstellt, in der erhaltene Flexionsformen nicht zwangsläufig auf produktive Flexion schließen lassen (vgl. Schirmunski 1962: 440). Ohne einen vergleichbaren Nominativkontext sind die Belege für hart-ə in KNSA (2020: M6) nicht mit voller Gewissheit als Kasusmarkierung zu analysieren. Die nicht durchgeführte -e-Apokope mancher niederlän- 67 <?page no="68"?> 3 Aktueller Forschungsstand discher Dialekte wird noch bei der Analyse von Eigennamenflexion von besonderem Interesse sein. Ein weiteres Indiz für erhaltene Kasusdistinktion am Substantiv findet sich in einigen niedersächsischen Dialekten. Hier steht im Dativ auslautendes -ə auch am Femininum vrouw-ə (WS 9 Ich bin bei der Frau gewesen [ … ] ; KNSA 2020: M9). Aber auch in diesen Fällen muss offen bleiben, ob dieses auslautende Schwa auf Dativ-Kontexte beschränkt ist oder den gesamten Objektkasus auszeichnen oder ob es sogar eine Form ist, die auch im Nominativ auftritt. Zur Prüfung von möglich erhaltener Kasusflexion in west-flämischen und niedersächsischen Dialekten wurden 22 Ortsgrammatiken verschiedener niederländischer Dialekte und die 27 Bände der Reihe Taal in stad en land (siehe Kapitel 8.5, ab S. 302) konsultiert. Devos & Vandekerckhove (2005: 61) bestätigen, dass es in den modernen west-flämischen Dialekten noch immer eine overte Dativmarkierung bei Zeitausdrücken („tijdsuitdrukkigen“) (20a) und in Präpositionalphrasen (20b-20c) gibt. Damit können die west-flämischen Belege für hart-ə im KNSA (2020: M6) als Kasusmarkierung gesichert werden. Auch im Dialekt von Schouwen-Duiveland (Zeeuws) blieben alte Dativformen in Präpositionalphrasen oder festen lexikalischen Ausdrücken erhalten, wie z.B. in (20d) und (20e). Lexikalisiert und damit erstarrt erhalten blieb die Dativform auch in einer Reihe weiterer Dialekte; so etwa im Dialekt von Enschede (Bezoen 1938: 72), von Hindeloopen (Boer 1950: 115) oder von Elten-Bergh (Bruijel 1901: 74). Insgesamt präsentieren sich die niederländischen Dialekte am Substantiv damit als nicht sonderlich flexionsfreudig. (20) a. ’k kom zondag-e ‘ich komme (am) Sonntag’ (Devos & Vandekerckhove 2005: 61) b. in slape ‘im Schlaf’ (Devos & Vandekerckhove 2005: 61) c. van hertzen ‘von Herzen’ (Devos & Vandekerckhove 2005: 61) d. stae nie in de licht-e! ‘starr nicht in das Licht! ’ (Vin 1952: 32) e. van de jaer-e ‘von diesem Jahr’ (Vin 1952: 32) Im modernen Westfriesischen gibt es - mit Ausnahme des selten aufretenden possessiven -s - keine Kasusmarkierung mehr (J. Hoekstra & Tierstma 1994: 514). 68 <?page no="69"?> 3.1 Entwicklungstendenzen im germanischen Kasussystem In den nordfriesischen Varietäten tritt eine morphologische Kasusdistinktion nur noch bei Personalpronomen und Personennamen auf (J. Hoekstra 2010: 776). Auch im Standardjiddischen ist Flexion mit Ausnahme von Eigennamen und einigen wenigen hochbelebten Appellativa vollständig geschwunden (siehe S. 78). Zur Pluralmarkierung gibt es im Jiddischen eine Reihe, zum Teil miteinander konkurrierender Flexionsstrategien (siehe Jacobs 2005: 163-165). Kasus wird im Plural aber nicht näher differenziert. Dieser Abschnitt hat die wichtigsten Entwicklungen der Kasusflexion am Substantiv in den kontinentalwestgermanischen Varietäten mit der Absicht vorgestellt, einen grundlegenden Überblick der bestehenden Tendenzen zu gewinnen. Auf weitere spezifische Besonderheiten von Kasusflexion in einzelnen Dialekten wird näher eingegangen, wo diese von unmittelbarer Relevanz sind. Im folgenden Abschnitt kommen wir nun von den allgemeinen Entwicklungen und Tendenzen der Kasusflexion am Substantiv zum Spezialfall der Eigennamenflexion. Diese passt sich zum einen in diese grundlegenden Entwicklungen der Formenreduktion ein, zeigt aber auch gegenläufige Mechanismen einer Profilierung des Kasus am Namenkörper. 69 <?page no="70"?> 3 Aktueller Forschungsstand 3.2 Diachrone Prozesse der onymischen Flexion In den vergangenen 200 Jahren ist ein Verlust von Flexion bei Eigennamen in den deutschen Schreibvarietäten zu verzeichnen (Ackermann 2018), doch ist der vermeintliche Abbau von Flexion diachron betrachtet weniger bzw. zumindest nicht minder bemerkenswert als deren Entstehung: Bis ins (frühe) Mittelhochdeutsche und Mittelniederländische hinein nehmen Eigennamen gegenüber Appellativa keine derart auffallende morphologische und syntaktische Sonderstellung ein, wie sie dies in den modernen Sprachen tun (vgl. Fuß 2011: 27; Nübling 2012: 229). In den älteren nord- und westgermanischen Varietäten folgen Eigennamen den entsprechenden Flexionsklassen, wie sie im modernen Isländischen (Pétursson 2002: 1265) und Färöischen (Barnes & Weyhe 1994) bewahrt geblieben sind.²¹ In den germanischen Sprachen, die eine spezielle Flexion für Eigennamen ausgebildet haben, beginnt dies mit dem Eindringen von -an-als Akkusativsuffix der Eigennamen in die ‚starken‘ maskulinen Eigennamen, was im Althochdeutschen und Altniederdeutschen gleichermaßen auftritt. Bereits damit findet sich eine erste Überdifferenzierung von Eigennamen gegenüber den übrigen Substantivgruppen. In den folgenden Abschnitten werden die diachronen Entwicklungen in den einzelnen kontinentalwestgermanischen Varietäten nach aktuellem Forschungsstand vorgestellt. Diese bilden die Grundvoraussetzung für die in Kapitel 3.3 (ab S. 91) vorgestellte aktuelle Forschungslage zur onymischen Flexion in den modernen Dialekten. 3.2.1 Entwicklungen im Hochdeutschen Im Althochdeutschen folgen die Eigennamen je nach Auslaut [ ± vokalisch ] den ‚schwachen‘ oder ‚starken‘ Flexionsklassen; doch gibt es bereits hier Ansätze einer eigenen Kennzeichnung im Akkusativ der ‚starken‘ maskulinen Eigennamen mittels -an (vgl. Tabelle 3.4). Eigennamen differenzieren damit zumindest an einer Stelle im Paradigma bereits mehr Kasus als die Appellativa (AP) (vgl. Nübling 2012: 230; Ackermann 2018: 125). Dieses spezielle Suffix der ‚starken‘ maskulinen Eigennamen kann formseitig entweder als Analogie zur Flexion der 21 Im Färöischen gibt es allerdings Tendenzen, gerade Eigennamen nicht zu flektieren (Barnes & Weyhe 1994: 213). 70 <?page no="71"?> 3.2 Diachrone Prozesse der onymischen Flexion ‚schwachen‘ Maskulina oder zum Akkusativ der femininen -jō- Stämme oder zu den -n-Stämmen der ‚schwachen‘ Flexion entstanden sein (vgl. Tabelle 3.5) oder aber laut Braune & Heidermanns (2018: §195) als Reanalyse des Auslauts von Namen mit adjektivischem Zweitglied als Flexionssuffix (s.a. Braune & Heidermanns 2018: 220: §248 Anm. 2). Die funktionale Erklärung des -an-Suffixes von Braune & Heidermanns (2018: §195) ist die damit gewonnene „Differenzierung vom Nom. Sg. bei artikellosen Substantiva“. Dies entspricht der vielfach in der Literatur verbreiteten Idee, dass onymische Flexion mit der Markierung von Definitheit interagiert. Die besondere Flexion im Akkusativ ist im Althochdeutschen allerdings bereits sehr früh produktiv und findet sich so auch überwiegend bei nicht-nativen Namen (Scholl 1906). Die den Eigennamen nahestehenden Verwandtschaftsbezeichnungen auf -er verhalten sich im Althochdeutschen noch wie die Wurzelnomina (WN) der entsprechenden Genera (vgl. Tabelle 3.5; s.a. Abschnitt 3.4, ab S. 106). Jedoch fällt auf, dass maskuline Verwandtschaftsbezeichnungen gegenüber femininen im Singular deutlich häufiger eine Kasusdistinktion von Dativ und Genitiv aufweisen. Zum Mittelhochdeutschen fällt das althochdeutsche System, insbesondere aufgrund der Nebensilbenabschwächung, zusammen (Wegera et al. 2018: 71). Das Ergebnis ist eine stark minimierte Zahl von Kasus- und Pluralflexiven (s. Abbildung 3.1), aus denen sich zehn Substantivklassen formieren. Im Singular, der für die Eigennamenflexion von besonderer Relevanz ist, da Eigennamen nur selten im Plural auftreten, entstehen vier Substantivparadigmen (S) (vgl. Tabelle 3.6). Abb. 3.1: Flexionssuffixe am Mhd. Substantiv (Wegera et al. 2018: 71) 71 <?page no="72"?> 3 Aktueller Forschungsstand -(j)a-/ -wamask. -i-/ -umask. -ō-/ -wōfem. -jōfem. -ifem. Nom. -ø -ø -ø -ø -ø Akk. -ø [ EN: -an ] -ø [ EN: -an ] -ø -ø/ -a/ -in -ø Dat. -a/ -e -e -u/ -u -u -i Gen. -es/ -as -es -ø/ -u/ -o -ø / -a -i Instr. -u/ -o -iu/ -u/ -ø (-eo/ -iu) Tab. 3.4: Ahd. Flexionsparadigmen (häufigste Stämme) Sg. ‚starken‘ (vokalischen) Substantiva (inkl. EN) (exkl. Neutra) (Braune & Heidermanns 2018: 249-282) -nmask. -nfem. -infem. WN fem. Verwandt. -erfem. WN mask. Verwandt. -ermask. Nom. -ø -ø -ø -ø -ø -ø -ø Akk. -on/ -un -un -ø -ø -ø -ø -ø Dat. -en/ -in -un -ø -ø -ø -ø/ -e -ø/ -e Gen. -en/ -in -un -ø -ø -ø -ø/ -es -ø/ -es Tab. 3.5: Ahd. Flexionsparadigmen Sg. ‚schwachen‘ (konsonantischen) Substantiva (inkl. Eigennamen), Wurzelnomina und Verwandtschaftsbezeichnungen (exkl. Neutra) (Braune & Heidermanns 2018: 282-297) S1 S2 S3 S4 Nom. -ø -ø -ø -ø Akk. -ø -ø -(e)n/ -ø -ø Dat. (-e) -ø -(e)n -e (Uml) Gen. -(e)s -ø -(e)n -e (Uml) Tab. 3.6: Flexionsparadigmen von Substantiva im Mhd. Singular (nach Wegera et al. 2018: 81) 72 <?page no="73"?> 3.2 Diachrone Prozesse der onymischen Flexion EN1 EN2 EN3 Nom. -ø -ø -ø Akk. -ø/ -e -e > -ø -(e)n Dat. (-e) -e > -ø -(e)n Gen. -(e)s -e > -ø -(e)n Tab. 3.7: Flexionsparadigmen von Eigennamen im Mhd. Singular (nach Wegera et al. 2018: 167) S1 gilt für die meisten Maskulina und Neutra, die ehemaligen ō/ jō-Stämme und ehemalige Wurzelnomen²² (z.B. man) finden sich in Paradigma S2, die einstigen n-Stämme (‚schwache‘ Flexion) folgen S3, mit Ausnahmen im Akkusativ (z.B. herze), die femininen i-Stämme finden sich zunächst in S4, gleichen sich dann aber allmählich S2 an (übergangsweise auch S3) (Wegera et al. 2018: 81). Die Paradigmen der Eigennamen unterscheiden sich hiervon weiterhin nur im Akkusativ der Paradigmen für Maskulina (und Neutra) S1 und EN1 (vgl. Tabelle 3.7); doch bestehen in einzelnen Quellen gerade hier auch große Schwankungen zwischen -e und -ø in EN1 (nach Wegera et al. 2018: 168). Nach Paradigma EN1 flektieren die meisten maskulinen Eigennamen, EN2 findet sich häufig bei fremden Namen auf -s, sowie bei femininen und einigen maskulinen Namen. Nach dem Paradigma EN3 flektieren die meisten femininen und zahlreiche maskuline Eigennamen (Wegera et al. 2018: 167). Allerdings gibt es auch starke Schwankungen (insbes. zwischen EN1 und EN3 bei Maskulina), die je nach Kasus unterschiedlich stark ausfallen: -(e)n betrifft EN1-Namen stärker im Akkusativ als im Dativ/ Genitiv (Wegera et al. 2018: 167-168). Das mittelhochdeutsche System der Eigennamenflexion gestaltet sich insgesamt bereits inhomogen und zeugt von starken Schwankungen und Ausgleichsprozessen. Das hochdeutsche System kollabiert durch die Apokope letztendlich vollständig, so dass EN1 und EN2 keine Unterscheidung zwischen Nominativ, Akkusativ und Dativ gewährleisten können. Daraus resultieren zwei Entwicklungen: 22 Wurzelnomen, als einsilbige Substantiva, nehmen unmittelbar die Flexionsendung zu sich, ohne dass ein stammbildendes Suffix hinzugefügt wird. 73 <?page no="74"?> 3 Aktueller Forschungsstand 1. Der Abbau von Kasusflexion am Eigennamen im Akkusativ und Dativ 2. Die Flucht in EN3 und der Ausbau einer eigenen (Substantiv-)Kategorie ‚Name‘ Apokopenbedingter Flexionsabbau betrifft besonders stark das Paradigma EN2; -e-Flexion geht hier von noch 70% im 13. Jahrhundert auf 20% im 14. Jahrhundert zurück (Wegera et al. 2018: 170). Der Flexionsverlust fördert eine Abwanderung (insbes. der Feminina) ins apokopenresistente EN3-Paradigma (Wegera et al. 2018: 170). Allgemein hat Eigennamenflexion bereits im Mittelhochdeutschen sowohl eine diatopische als auch eine genusspezifische Komponente: EN3 und das distinkte -(e)n-Suffix kommt dreimal so häufig in oberdeutschen wie in mitteldeutschen Texten vor (Wegera et al. 2018: 168). Im Unterschied dazu ist -(e)n- Flexion bei Feminina vor allem im Mitteldeutschen verbreitet und weniger im Oberdeutschen (Wegera et al. 2018: 170). Unklar ist, wie und ob im späten Mittelhochdeutschen bzw. frühen Frühneuhochdeutschen bereits Varietätenspaltungen zugunsten von Entwicklung (1) oder Entwicklung (2) etabliert waren und durch welche Faktoren (insbes. Genus, Phonologie) diese bedingt wurden. Die Frage, die diese Arbeit zu beantworten sucht, ist, wie die unterschiedlichen untersuchten westgermanischen Varietäten mit dieser Kategorie ‚Name‘ umgehen. Wird Komplexität entweder im Sinne der Entwicklung (1) abgebaut oder im Sinne von (2) beibehalten bzw. ggf. sogar ausgeweitet als Markierung von Belebtheit oder als differenzielle Objektmarkierung (DOM)? In der frühneuhochdeutschen Schriftlichkeit breitet sich das possessive -(e)s weiter aus und -(e)n entwickelt sich zu einem ‚überstabilen‘, kategorienübergreifenden Marker (Nübling 2012: 224; Ackermann 2018: 128). Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das System der Eigennamenflexion bereits in der frühneuhochdeutschen Schriftlichkeit defizitär ist. Die Frage ist hier allerdings, wie weit ausgebaut die Flexion eigentlich im Mittelhochdeutschen war und ob nicht bereits hier syntaktische und semantische Faktoren die Flexion beeinflusst oder sogar gesteuert haben. So verzeichnet Ackermann (2018: 133, Abb. 22), dass bereits im 17. Jahrhundert nur ca. 50% der Eigennamen flektiert werden. Auch nach den Befunden von Werth (2020: 258-264) ist onymische Flexion bereits im 17. Jahrhundert in vielen deutschen Varietäten stark rückläufig. Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert wird vor 74 <?page no="75"?> 3.2 Diachrone Prozesse der onymischen Flexion allem die -(e)n-Flexion in der Schriftlichkeit weiter sukzessive und multifaktoriell gesteuert abgebaut (Ackermann 2018). Nom. Luther Huß Marie Kuno Akk. Luther-n Huss-en Marie-n Kuno Dat. Luther-n Huss-en Marie-n Kuno Gen. Luther-s Huss-ens Marie-ns Kuno-s Tab. 3.8: Deklinationsklassen für Eigennamen (Singular), frühes 19. Jh. (nach Fuß 2011: 28) Die unterschiedliche Entwicklung von Namen und Appellativa wird als ein Kriterium dafür herangezogen, Namen als eine eigene Wortart zu klassifizieren (Nübling 2012; Ackermann 2018; s.a. die Diskussion bei Sturm 2005). Gegen diese Trennung von Namen und Substantiva sprechen allerdings nicht nur Grammatikinterne Argumente (vgl. Fuß 2011), sondern auch der Umstand, dass sich der Abbau der Eigennamenflexion im Deutschen nicht ausschließlich aus dem sprachlichen System selbst heraus entwickelt, sondern stark durch externe Faktoren gesteuert ist. Der onymische Flexionsverlust im Deutschen wurde katalysiert durch präskriptive Normierung und Stigmatisierung, wie folgende Aussage von C. L. Börne (1786-1837) illustriert: „Mich ärgert von solchen Männern (Göthe und Schiller) das pöbelhafte Deklinieren der Eigennamen.“ (Börne, nach Blatz 1900: 336). Neben solchen Äußerungen von Grammatikern, die Eigennamenflexion (insbesondere im Akkusativ und Dativ) als vulgär wirkend, nutzlos und veraltet darstellen (z.B. Gottsched 1751: 234, Heynatz 1785: 178-179, Hünerkoch 1805: 142, Gleim 1815: 67, Schötensack 1856: 113 und Paul 1917: 157), gibt es wenige positive Stimmen, die für einen Erhalt von Flexion im Standard plädieren, wie Engel (1922: 117) und Matthias (1897: 50).²³ Die Frage ist natürlich immer, inwiefern die Grammatiker lediglich auf bestehende Trends reagieren und diese präskriptiv verfestigen 23 Weitere Diskussionen und Hinweise zum Einfluss normativer Grammatiker auf den Abbau onymischer Flexion im Deutschen finden sich in Fuß (2011: 29), Bellmann (1990: 260-262, 267), Ackermann (2018: 131-133) und Werth (2020: 263-264); s.a. Bsp. (28c), S. 101. 75 <?page no="76"?> 3 Aktueller Forschungsstand oder inwiefern sie diese sogar initiieren (zu dieser Problematik Erben 1954: 16; Glaser 1979: 454; Polenz 1994: 168; Davies & Langer 2006: 72). Zur Situation von Flexion in der gesprochenen Sprache des 19. Jahrhunderts finden sich Hinweise bei Matthias (1897: 50): Um so dankbarer ist es daher anzunehmen und desto mehr nachzuahmen, daß die Romanschriftsteller jetzt auch den Akkusativ und Dativ auf en oder n, der in der Schriftsprache fast abgekommen war und nur vom Volke fortgebraucht worden ist, neu zu beleben beginnen. (Matthias 1897: 50) Entsprechend der Feststellung von Matthias (1897: 50), dass Eigenennamenflexion vor allem von der Belletristik des 19. Jahrhunderts wiederbelebt wurde, spielt diese in neuhochdeutschen Quellen, die stärker von konzeptioneller Mündlichkeit geprägt sind, keine Rolle mehr (vgl. Ackermann 2018: 134). Die Durchsicht des Projektkorpus Der flexible Schreiber in der Sprachgeschichte. Zensierte Patientenbriefe des 19. Jahrhunderts (3.065 Briefe, Stand Juni 2020), das mir dankenswerter Weise Markus Schiegg zur Verfügung gestellt hat und in dem neben Patientenbriefen aus dem mittel- und niederdeutschen Raum insbesondere Quellen aus dem Bairischen und Bairisch-Schwäbischen versammelt sind, hat keinerlei Belege für Eigennamenflexion im Akkusativ und Dativ ergeben. Diese scheint in der medialen Schriftlichkeit des (späten) 19. Jahrhunderts von allen literarisierten Bildungsschichten nicht mehr produziert worden zu sein.²⁴ Auch als mögliches Mittel zur Kennzeichnung und Pejoration jüdischer Figuren in der deutschsprachigen Literatur des 18., 19. und 20. Jahrhunderts, ist die Flexion von Eigennamen nur äußerst marginal gegeben und die wenigen Belege stellen vermutlich eher Reflexe der autoreigenen Mündlichkeit ( = Dialekt) dar, als tatsächliche Imitationen des Jiddischen (Schäfer 2017b: 223-224). Dieser Befund liefert auch indirekt Informationen zur laienlinguistischen Wahrnehmung (Salienz) von Eigennamenflexion durch Sprecher: innen des Neuhochdeutschen. Denn obwohl die jiddischen Varietäten Eigennamen flektieren (s. Abschnitt 3.2.2), wird Eigennamenflexion im literarischen Diskurs der Imitation nicht als aufälli- 24 Elspaß (2005: 358-360) stellt anhand seines vergleichbaren Korpus von Auswandererbriefen des 19. Jahrhunderts generell keinen Abbau von -en-Flexion der ehemals ‚schwachen‘ Maskulina fest; zur speziellen Situation bei Eigennamen gibt er jedoch keine Informationen. 76 <?page no="77"?> 3.2 Diachrone Prozesse der onymischen Flexion ges, distinktes Merkmal des Jiddischen verwendet. Möglicherweise liegt dies daran, dass Eigennamenflexion im konkurrierenden präskriptiven Diskurs als etwas veraltetes, der artifiziellen Sprache eigenes wahrgenommen wurde (s.o.), was sich mit der beabsichtigten Darstellung von zumeist ungebildeten jüdischen Figuren schwer vereinen ließ. Es lässt sich festhalten, dass sich (spätes) Mittel- und (Früh-) Neuhochdeutsch mit der Eigennamenflexion vorübergehend und resultierend aus einem kollabierenden Flexionssystem der Substantiva einen Luxus erlauben, der ganz untypisch zur allgemeinen Tendenz der sogenannten Kasusnivellierung steht. Diese Kasusnivellierung wird meist mit dem Ausbau der Numerusdistinktion, der sogenannten Numerusprofilierung, in Verbindung gebracht. Numerusprofilierung wird dabei als gegenläufiger Prozess zur Kasusnivellierung gesehen: Um Distinktion im Numerus zu schaffen, muss Distinktion im Kasus schwinden (Hotzenköcherle 1962c): Die Reduktion der Kasusflexion wird im Mittelhochdeutsehen und besonders im Frühneuhochdeutsehen von einer Verallgemeinerung der morphologischen Kennzeichen für die Kategorie des Plurals begleitet. (Schirmunski 1962: 414) Interessant ist daran besonders der grundsätzliche Umstand, dass sich Eigennamen im Systemkollaps plötzlich anders verhalten als andere Substantiva, mit denen sie zuvor formal gleichgestellt waren. Das defektive System legt damit funktionale Unterschiede zwischen Namen und Appellativa frei. Ein solcher Unterschied könnte ganz einfach darin bestehen, dass die Kategorie Numerus für Eigennamen (die zumeist im Sigular auftreten) von geringer Relevanz ist. Doch müssen Kasusnivellierung und Numerusprofilierung nicht unmittelbar miteinander interagieren und werden daher auch von einigen als unabhängige Prozesse verstanden (u.a. Pavlov 1995; Ágel 2007). So können die internen diachronen Entwicklungen im Kasussystem unabhängig von den numerusbezogenen Prozessen als ‚Genusprofilierung‘ (Wegera 1987: 269) verstanden werden. Sofern Genusprofilierung ein steuernder Faktor für Eigennamenflexion darstellt, wäre zu erwarten, dass die Flexion auf bestimmte Genera beschränkt auftritt. Dies wäre besonders interessant, da Namen ihr Genus aus dem Sexus der Namenträger zugewiesen bekommen und damit wiederum kulturell geprägte Belebtheitshierarchien hintergründig wirken können. Für diachrone Entwicklungen des Deut- 77 <?page no="78"?> 3 Aktueller Forschungsstand schen sind Interaktionen zwischen Belebtheit und Genus bekannt (Zifonun 2007; Dammel & Gillmann 2014; Krifka 2009; Bank 2007; zur Interaktion von Genus und Belebtheit aus typologischer Perspektive s.a. Corbett 1991). Bei Namen als monoreferenziellen Bezeichnungen hochbelebter Entitäten könnte so die Belebtheitsskala für Genus (Mask. < Fem. < Neutr.) eine weitere wichtige Rolle spielen (Alber & Rabanus 2011: 37; Krifka 2009). 3.2.2 Entwicklungen im Jiddischen Jiddisch hat das Ergebnis der paradigmatischen Prozesse des Mittel- und Frühneuhochdeutschen ererbt bzw. gleichermaßen durchlaufen. Im Folgenden stehen in erster Linie Daten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Zentrum. Da die mittel- und frühneuhochdeutsche Ausgangssituation allerdings alles andere als stabil ist und zahlreiche Prozesse des syntagmatischen Flexionsabbaus zeigt, müssen wir davon ausgehen, dass auch die frühen west- und ostjiddischen Dialekte bereits Schwankungen aufweisen. Der zentrale Unterschied zwischen dem neuhochdeutschen System und dem in den Grammatiken beschriebenen System des Standardjiddischen ist, dass im Deutschen onymische Flexion abgebaut wurde, Appellativa aber weiterhin Flexion aufweisen, während im Jiddischen das Gegenteil der Fall ist, also suffixhaltige Flexion nur mehr bei onymischen und einer sehr geringen Zahl nicht-onymischer Substantiva stattfindet. Die Maxime der jiddischen Standardsprache vos vayter fun daytsh ‘umso weiter weg von Deutsch’ (laut Gininger (1949: 208) erstmals 1927 bei Prilutski (di yidishe binensprakh) mag dazu beigetragen haben, dass die vom Standarddeutschen abgelehnte Eigennamenflexion im Standardjiddischen so konsequent beibehalten wurde. Aber es gibt auch strukturelle Gründe, wie der nicht erfolgte Ausbau eines onymischen Artikels, für den Erhalt onymischer Flexion im Jiddischen. Flexion am Nomen ist auch im Jiddischen stark geschwunden, während Numerus noch am Substantiv markiert wird. Ausnahmen bilden Eigennamen und die neun folgenden, den Eigennamen nahestehenden Lexeme (darunter insbesondere Verwandtschaftsbezeichnungen, aber auch Appellativa): mame ‘Mama/ Mutter’, tate ‘Papa/ Vater’, bobe ‘Großmama/ Großmutter’, zeyde ‘Großpapa/ Großvater’, mume ‘Tante’, rebe ‘Meister, Lehrer, Herr’, harts ‘Herz’ (nicht im anatomischen Kontext) und obligatorisch jid ‘Jude (m./ f.), Mensch’ und mentsh ‘Mann, Mensch’ (vgl. Katz 1987: 97-100; Mark 1978: 177-178; s. Tabelle 3.9). Blockiert 78 <?page no="79"?> 3.2 Diachrone Prozesse der onymischen Flexion wird die Flexion laut Jacobs (2005: 162, 252) im Standardjiddischen entweder durch ein Element, das weder Personenname noch Verwandtschaftsbezeichnung ist, wie z.B. Titel, oder durch einen Definitheitsbzw. Indefinitheitsmarker, wie in (21). EN (mask.) EN (fem.) ‘Mensch’ (mask.) ‘Mutter’ (fem.) ‘Herz’ (neutr.) Nom. moyshe taybele mentsh mame harts Akk. moyshen taybelen mentshn mamen harts Dat. moyshen taybelen mentshn mamen hartsn Poss. moyshes taybeles mentshns mames hartsns Tab. 3.9: Substantivflexion im Standardjiddischen (nach Katz 1987: 97-100) Beide Beschränkungen werden durch Recherchen im Corpus of Modern Yiddish (CMY 2009), das neben literarischen Texten v.a. Zeitungstexte des 20. Jahrhunderts von sowohl Muttersprachlern als L2-Sprecher: innen versammelt, bestätigt. Hier findet sich kein Beleg mit Flexion und Artikel oder Namenszusätzen, wie Titeln. (21) a. (zog es) vaynraykhn vs. *(zog es) profesor vaynraykhn ‘(sag es) Weinreich’ vs. ‘(sag es) Professor Weinreich’ b. ikh ken nit moyshen vs. ikh ken nit keyn moyshe ‘Ich kenne Moyshe nicht’ vs. ‘Ich kenne keinen Moyshe’ (nach Jacobs 2005: 252) Diese Ausnahmen betreffen in erster Linie die Kasusflexion von Akkusativ und Dativ mittels -(e)n. Die Markierung des possessiven Kasus ist nicht nur bei Eigennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen (bzw. Verwandtschaftsnamen, sofern monoreferenziell, siehe Abschnitt 3.4) möglich, sondern ist generell stabil geblieben (vgl. U. Weinreich 1999: 131). Die Markierung im Possessiv erfolgt in der Regel mittels -s und damit mit einem innovativen Suffix, welches sich aus der Genitivendung der ‚starken‘ Maskulina und Neutra im Althochdeutschen entwickelt hat und im Mittelhochdeutschen zunächst mit der ‚schwachen‘ -en-Endung ein Doppelsuffix bildete bzw. diese Endung ersetzte (vgl. Nübling 2012: 229). Reste 79 <?page no="80"?> 3 Aktueller Forschungsstand der Fusionsform -ns blieben im Jiddischen z.B. bei mentshns oder hartsns erhalten.²⁵ Das standardjiddische Paradigma der erhaltenen Substantivflexion entspricht den vier onymischen Flexionsklassen, wie sie im Deutschen ab dem späten Frühneuhochdeutschen verbreitet sind (vgl. Fuß 2011: 28, Tab. 4). Einzig für die Nullflexion im Akkusativ der ehemals ‚schwachen‘ n-Deklination in harts muss eine fünfte Klasse zusätzlich angenommen werden (vgl. Tabelle 3.10). Das neuhochdeutsche System der vier onymischen Flexionsklassen ist im Akkusativ und Dativ aus dem Zusammenfall von ‚starker‘ und ‚schwacher‘ Flexion zugunsten der ‚schwachen‘ -(e)n Endung (und des formgleichen Akkusativs der ‚starken‘ Maskulina) entstanden, während die Genitiv-/ Possessivendung -s aus den ‚starken‘ Maskulina zum class-default Allomorph (≈ überstabiler Marker) - im Sinne des No Blur Principle (Carstairs-McCarthy 1994) - wurde (s.a. Nübling 2012: 231 und entsprechend Ackermann 2018: 127-131). Während onymische Flexion im Deutschen ab dem 17. Jahrhundert - massiv allerdings erst im 19. Jahrhundert - stark abgebaut wurde (vgl. Ackermann 2018: 131-160), blieb das System im (Standard-)Jiddischen stabil. Da die Bestrebungen einer Standardisierung des Jiddischen erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts einsetzen, sind die jiddischen Varietäten in ihrer Entwicklung natürlicher gewachsen als die deutschen und niederländischen und bilden damit einen durch externe Faktoren weniger beeinflussten Datenpunkt, um interne Entwicklungen nachzuzeichnen. Dialekte - als muttersprachlich erworbene Systeme - können wiederum generell als weitaus natürlicher gelten als Schreibvarietäten (vgl. Weiß 1998, 2001, 2009). 25 Falkovič (1940: 181-182) nennt ausschließlich Maskulina, bei denen das Doppelsuffix auftritt; das Neutrum hartsns nennt Falkovič nicht. 80 <?page no="81"?> 3.2 Diachrone Prozesse der onymischen Flexion I II III IV V Nom. -ø -ø -ø -ø -ø Akk. -n -en -n -ø -ø Dat. -n -en -n -ø -n Poss. -s -ens -ns -s -s Tab. 3.10: Kasusmarkierung am Nomen im Standardjiddischen (in Anlehnung an Fuß 2011: 28, Tab. 4) 81 <?page no="82"?> 3 Aktueller Forschungsstand 3.2.3 Entwicklungen im Niederländischen & Niederdeutschen Im Altniederdeutschen ( = Altsächsischen) finden wir eine ähnliche Situation vor wie im Althochdeutschen. Die Besonderheit der männlichen Eigennamen ist die -an-Flexion im Akkusativ der -a-Stämme, die übrige Substantiva nicht aufweisen (Heyne 1862: 255 u. 286). Gallée (1993: 197) merkt an, dass hebräischstämmige Eigennamen zwar generell nach dem Muster der -a-Stämme flektiert werden, im Akkusativ allerdings das Suffix -e aufweisen. Von diesenrAusnahme abgesehen folgt die Deklination der Eigennamen den Mustern der übrigen Substantiva (vgl. Tabelle 3.12). Die, den Eigennamen nahestehenden, Verwandtschaftsbezeichnungen auf -er bleiben im Altniederdeutschen genau wie im Althochdeutschen unflektiert (vgl. Tabelle 3.11; s.a. Abschnitt 3.4, ab S. 106). -nmask. -nfem. -er- Verwandt. Nom. -ø -ø -ø Akk. -n -un/ -on/ -an -ø Dat. -en/ -an/ -on -un/ -on -ø Gen. -en/ -an/ -on -un/ -on -ø Tab. 3.11: Andt. Flexionsparadigmen (häufigste Stämme) von ‚schwachen‘ Substantiva (inkl. Eigennamen) im Singular (nach Gallée 1993: 213-220) Im Mittelniederdeutschen und Mittelniederländischen führt die Nebensilbenabschwächung ebenfalls zu einer starken Reduzierung distinkter Formen; da hier die Apokope allerdings erst deutlich später und nur rudimentär greift, gestaltet sich die Substantivflexion allgemein etwas stabiler als im Hochdeutschen (vgl. Tabelle 3.13). Männliche Eigennamen folgen weiterhin entweder der ‚schwachen‘ oder ‚starken‘ Flexion der Maskulina, während weibliche Eigennamen generell der ‚schwachen‘ femininen Flexion folgen. Franck (1883: 132-134) zufolge bleibt die besondere Akkusativmarkierung der männlichen ‚starken‘ Eigennamen im Mittelniederländischen als -e erhalten und fällt damit mit dem Dativ zusammen. Die ‚schwachen‘ männlichen Eigennamen (-n-Stämme) behalten -en in Akkusativ, Dativ und Genitiv, so dass auch hier klare Oppositionen zum Nominativ geschaffen werden. Auch bei femininen Personennamen tritt -en nun im Dativ auf (Franck 1883: 133-134). Die Paradigmen der ‚schwachen‘ maskulinen und femi- 82 <?page no="83"?> 3.2 Diachrone Prozesse der onymischen Flexion ninen Eigennamen nähern sich damit einander an und es entsteht eine klare Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Agens (≈ Nominativ) und Patiens (≈ übrige Kasus). Das Mittelniederdeutsche unterscheidet sich in einigen wenigen Punkten von den mittelniederländischen Paradigmen (vgl. Tabelle 3.14). Ein wichtiger Unterschied ist die Entwicklung im Akkusativ der ‚starken‘ maskulinen Eigennamen. Niederdeutsch bewahrt wie das Hochdeutsche den Nasal im Suffix (vgl. Abbildung 3.2). Auch mit der Setzung von -(e)s bei den ‚schwachen‘ Maskulina im Genitiv ist das Mittelniederdeutsche fortschrittlicher als das Mittelniederländische. Ahd./ Andt. -an Mhd./ Mndt. -en Mndl. -e Abb. 3.2: Entwicklungen von -an (Akk. Sg.) bei Eigennamen im Niederländischen, Hoch- und Niederdeutschen Ob und wenn ja in welchem Ausmaß auch bei der Standardisierung des Niederländischen die onymische Flexion von Präskriptivisten bebzw. verurteilt wurde, konnte leider nicht ermittelt werden. In der ersten niederländischen Grammatik, Spieghel (1584), gibt es neben dem Verweis, dass Eigennamen keine Artikel tragen (Spieghel 1584: 39), nur indirekte Ablehnung der onymischen Flexion im Akkusativ/ Dativ in Textbeispielen, z.B. (22a). Ähnliches findet sich bei Huydecoper (1730), wie in (22b): (22) a. ende Pieter ghaff Jan gheld ‘und Peter gab Jan Geld’ (Spieghel 1584: 46) b. Jan vermoordde Klaas ‘Jan ermordet Klaus’ (Huydecoper 1730: 425) Auch in den Rechtschreibungen und Grammatiken des 18. und 19. Jahrhunderts von Moonen (1706), Weiland (1808), Siegenbeek (1810), Bilderdijk (1826), Brill (1849) und Winkel (1863) spielt die Flexion von Eigennamen im Akkusativ und Dativ keine Rolle. Allerdings lehnen Moonen (1706: 49), Weiland (1808: 207) und Brill (1852: 255) explizit die Verwendung des Artikels bei Personennamen (exklusive Verwandtschaftsbezeichnungen) ab. Die fehlende Auseinandersetzung mit der onymischen Flexion der niederländischen Präskriptivisten überrascht im Ver- 83 <?page no="84"?> 3 Aktueller Forschungsstand gleich zu der verhältnismäßig regen Diskussion im Deutschen. Dies könnte aber auch ein Hinweis dafür sein, dass die Flexion in den die Leitvarietäten prägenden Dialekten nicht vorhanden war. Anders als bei der onymischen Flexion (im Akkusativ/ Dativ) verhalten sich die normativen Arbeiten bezüglich der Genitivflexion. Hier ist die Verwendung des possessiven -s-Suffix im Standardniederländischen stark durch präskriptive Schwankungen geprägt: zunächst wurde es im Zuge der Standardisierung gestärkt und ausgebaut (auch, aber nicht ausschließlich, im onymischen Bereich), jedoch durch die Rechtschreibreform von 1947 auf Eigennamen beschränkt (Scott 2013: 157-159, 206). Wie im heutigen Standarddeutschen werden im gegenwärtigen Standardniederländischen Eigennamen nur noch im Genitiv mittels -s flektiert, während sie im Akkusativ/ Dativ flexionslos sind. 84 <?page no="85"?> 3.2 Diachrone Prozesse der onymischen Flexion -amask. -jamask. -wamask. -ô-/ -jôfem. -ifem. -imask. -ifem. -imask. (kurzsilbig) (kurzsilbig) (langsilbig) (langsilbig) Nom. -ø -ø -ø -ø -ø -ø -ø -ø Akk. -ø [EN: -an/ -e] -ø -ø -ø -ø -ø -ø Dat. -e/ -a -ea/ -ia -e/ -a -u/ -o/ -a/ -e -ø -ø / -e/ -ie/ -ea -i/ -e/ -iu -e Gen. -es/ -as -eas/ -es/ -e -es -ø/ -e/ -u -ø -ies/ -ias -i/ -es/ -ies/ -eas -es Inst. -u/ -o -ie (-u/ -o) Lok. (-i) Tab. 3.12: Andt. Flexionsparadigmen (häufigste Stämme) von ‚starken‘ Substantiva (inkl. Eigennamen) im Singular (nach Gallée 1993: 196-213) 85 <?page no="86"?> 3 Aktueller Forschungsstand mask. ‚stark‘ EN mask. ‚stark‘ mask. ‚schwach‘ EN mask. ‚schwach‘ fem. ‚stark‘ fem. ‚schwach‘ EN fem. ‚schwach‘ Nom. -ø -ø -e -e -ø -e -e Akk. -ø -e/ -ø -e -e/ -en -ø -en/ -e -en/ -e Dat. -e -e -e -en/ -e -ø/ -e -e -en Gen. -(e)s -(e)s -en -en/ - (e)s -ø/ -e -e/ -en -e/ -en Tab. 3.13: Substantivflexion der Maskulina und Feminina im (frühen) Mndl. (nach Hüning & Vogl 2009: 6, Tab. 1 und Franck 1883: 132-134) mask. ‚stark‘ EN mask. ‚stark‘ (EN) mask. ‚schwach‘ (EN) auf -n mask. ‚schwach‘ (EN) fem. ‚stark‘ (EN) fem. ‚schwach‘ Nom. -ø -ø -e -e -ø -e Akk. -ø -en/ -ø -e -en -ø -e / -en Dat. -e -e -e -en -ø/ -e -e / -en Gen. -(e)s -(e)s -(e)s -en -ø -e/ -en Tab. 3.14: Substantivflexion der Maskulina und Feminina im (frühen) Mndt. (nach Lasch 1914: 193-203) 86 <?page no="87"?> 3.2 Diachrone Prozesse der onymischen Flexion 3.2.4 Entwicklungen im Friesischen Hinweise auf eine gesonderte Flexion von Eigennamen im Altfriesischen gibt es nicht. Das Altfriesische verfügt nach Bremmer (2009: 58) über drei Deklinationsklassen: neben der ‚starken‘ und ‚schwachen‘ Flexion gibt es noch eine kleinere dritte Gruppe athematischer Substantiva, in der Regel Substantiva, deren Kasusendung im Indogermanischen unmittelbar an die Wurzel angehängt wurde. Im Singular unterscheidet sich die dritte Gruppe nicht von der ‚starken‘ Flexion und wird daher im Folgenden mit Blick auf den Singular nicht weiter differenziert. Unterschiede zum Altniederdeutschen bzw. Mittelniederländischen finden sich in der ‚schwachen‘ Flexion (vgl. Tabelle 3.15). Im altfriesischen System werden bei den Feminina die Objektkasus nur selten vom Nominativ unterschieden. Vom Altfriesischen zu den modernen friesischen Varietäten wurde die Kasusmorphologie stark reduziert. Formelle Kasusdistinktion ist in der Regel nur noch bei den Personalpronomen erhalten (J. Hoekstra 2010: 776). Allerdings zeigen einige festlandnordfriesische Varietäten durchaus Formen onymischer Flexion, die sich formal ähnlich der deutschen Varietäten gestaltet (vgl. Tabelle 3.16; s.a. unter Abschnitt 3.3). Die historischen Daten stehen damit im gewissen Widerspruch zu den modernen Dialekten. Wie genau die Eigennamenflexion in diesen Dialekten entstanden ist, ob durch niederdeutschen Einfluss oder interne Umstrukturierungen, wurde bisher nicht näher untersucht (vgl. J. Hoekstra 2010, 2001: 776; Löfstedt 1968: 53-59). mask. ‚stark‘ fem. ‚stark‘ mask. ‚schwach‘ fem. ‚schwach‘ Nom. -ø -e/ -ø -a -e, -a Akk. -ø -e -a -a Dat. -e/ -ø -e -a -a Gen. -(e)s, -ø -e -a -a Tab. 3.15: Substantivflexion im Afries. (nach Bremmer 2009: 58-65 und W. Heuser 1903: 24-25) 87 <?page no="88"?> 3 Aktueller Forschungsstand EN übrige Substantiva Nom. -ø -ø Akk./ Dat. -(e)n -ø Gen. -s/ -(e)ns -ø Tab. 3.16: Substantivflexion (Sg.) in festlandnordfriesischen Varietäten (nach J. Hoekstra 2010) 3.2.5 Interaktionen mit der Grammatikalisierung des onymischen Artikels Ein vielfach genannter, syntaktischer Mechanismus, wieso sich Flexion am Eigennamen länger halten konnte als an Appellativa, wird in der langsam vonstattengehenden Herausbildung des onymischen Definitartikels gesehen, der zunächst Definitheit und mehr und mehr Kasusmarkierung übernimmt (vgl. Oubouzar 1992; Oubouzar 1997). Im Sinne eines morphologischen Minimums (vgl. Rabanus 2008) wäre es unökonomisch, Kasus bzw. Definitheit innerhalb der DP mehrfach zu markieren. Es wäre also anzunehmen, dass Eigennamenflexion vor allen in Varietäten erhalten blieb, wo sich der onymische Artikel nicht entwickelt hat. J. Hoekstra (2010) stellt fest, dass in den von ihm untersuchten festlandnordfriesischen und südniederländischen Varietäten Eigennamenflexion immer ohne Artikel auftritt. Dieses Bild bestätigt auch das Jiddische, das den Artikel beim Eigennamen nicht ausgebildet hat. Und auch mitteldeutsche Dialekte liefern Hinweise dafür, dass die Flexion von Familiennamen eher artikelfeindlich ist (vgl. Kunze 2003: 180). Eine Hypothese ist, dass die semantische Sonderstellung von Namen als inhärent definite Substantiva eine langsamere Ausbreitung des Artikels bewirkt als bei anderen Substantiva (vgl. Werth 2020). So tritt im Frühneuhochdeutschen Eigennamenflexion überwiegend ohne Artikel auf. Schmuck & Szczepaniak (2013: 128- 130) finden aber auch durchaus Fälle ( < 10% der Gesamtbelege), in denen Flexion neben dem onymischen Artikel steht. Dies bestätigt auch Werth (2020: 259) am Beispiel frühneuhochdeutscher Hexenverhörprotokolle und zeigt, dass der Faktor Raum zwar beim generellen Artikelgebrauch bei Eigenname ein klares Nord-Süd- Gefälle generiert, dieser aber im Spezialfall Artikel + Eigennamenflexion keine 88 <?page no="89"?> 3.2 Diachrone Prozesse der onymischen Flexion signifikante Rolle spielt. Es kann angenommen werden, dass diese seltenen Fälle ‚doppelter‘ Kasusmarkierung auch eine Übergangsphase von einem zum anderen Muster darstellen bzw. dass nicht immer zwangsläufig Kasus, sondern auch andere Informationen wie Definitheit oder Belebtheit durch die Suffigierung ausgedrückt werden bzw. dass - wie eingangs formuliert - eine Deflexion zu einer DOM stattfindet. Ausgehend von der Hypothese, dass Substantivflexion dort bestehen bleibt, wo der Definitartikel noch nicht voll grammatikalisiert ist, lässt sich eine weitere Vermutung formulieren: Der Abbau von Flexion (am Eigennamen) und der parallele Aufbau des (onymischen) Artikels bieten Einblicke in den Prozess des Ausbaus der DP an einem Punkt, an dem das sprachliche System eher träge gegenüber Wandelprozessen ist. Je nach Viskosität, d.h. dem Potenzial sprachlicher Variabilität und Stativität (vgl. Schäfer 2017b: 51), variiert die Trägheit eines Systems und bewirkt (areale) Variation. Unter der Prämisse, dass sich die Grammatikalisierung des Definitartikels und die Degrammatikalsierung der Eigennamenflexion gegenseitig hemmen, da sie konkurrierende Mechanismen zur Definitheitsmarkierung darstellen, bewirken sie damit eine solche Trägheit. 3.2.6 Zusammenfassung der historischen Entwicklungen Es lässt sich festhalten, dass Eigennamenflexion in den modernen kontinentalwestgermanischen Varietäten einen Überrest von sonst stark abgebauter Substantivflexion im Singular darstellt. Vor allem aber ist sie eine Spezialisierung der Morphologie von Eigennamen, die ab althochdeutscher/ altniederdeutscher Zeit einsetzt. In diesem Sinne stellt sie eine sprachgeschichtlich eher jüngere, innovative Entwicklung der germanischen Sprachen dar. Die Herausbildung einer besonderen Kasusflexion von Eigennamen im Althochdeutschen ist bereits ein erster entscheidender Schritt hin zu einer onymischen DOM. Allerdings erscheinen die Flexionssuffixe bis zum Frühneuhochdeutschen noch als stark gebundene Morpheme. Erst durch die einsetzende Degrammatikalisierung werden vor allem die Dativ-/ Akkusativsuffixe zu freieren Morphemen, die, wie die Analysen der modernen Dialekte in Teil II (ab S. 121) zeigen, unterschiedlich bedingte Variation aufweisen. Die Definition von Eigennamen als eigene Wortart ist besonders unter semantischen Gesichtspunkten zu rechtfertigen. Mit morphologischen Kriterien kann 89 <?page no="90"?> 3 Aktueller Forschungsstand eine solche Wortart allerdings nicht unmittelbar generiert werden. Formal gesehen operiert onymische Flexion mit den Morphemen der Substantivflexion. Sie ist in vielen Fällen die letzte Position, in der Flexion erhalten blieb. Dies lässt sich prinzipiell mit dem Einfluss von Belebtheit erklären: hier bleibt Flexion länger erhalten. Doch nur, weil formseitig Flexion erhalten wird, heißt dies nicht, dass nicht ein funktionaler Wandel im Sinne einer Deflexion stattfand. Hier ist insbesondere der Blick auf die syntaktischen Bedingungen, mit denen (onymische) Flexion interagiert, aufschlussreich. Die folgenden Analysen werden zeigen, dass die bestehende Variation nicht binär bedingt ist [ ± Definitartikel ] , sondern dass die einzelnen sprachlichen Systeme multifaktoriell gesteuert werden. Die wichtigsten Faktoren dabei sind syntaktische Bedingungen der DP und Belebtheit (inkl. deren Interaktion mit Genus). Die nachfolgenden Analysen versuchen, die einzelnen Faktoren so differenziert wie möglich zu identifizieren und - sofern es die Datenlage hergibt - auf ihren Einfluss auf die Eigennamenflexion und ihre Interaktionen untereinander zu testen. Mit dieser Methode wird vor allem sichtbar, dass in den einzelnen Varietäten die untersuchten Faktoren unterschiedlich stark Einfluss auf die onymische Flexion nehmen; z.B. treten in manchen Varietäten die syntaktischen Bedingungen deutlich stärker in den Vordergrund als in anderen. Damit sehen wir auch, dass die einzelnen nah verwandten Varietäten sich trotz formaler Ähnlichkeit funktional komplementär verhalten können. Dies wird mit Blick auf die bereits bestehenden Untersuchungen zu den modernen kontinentalwestgermanischen Dialekten deutlich, deren Ergebnisse hinsichtlich der verschiedenen möglichen Einflussfaktoren onymischer Flexion im folgenden Kapitel zusammengefasst dargestellt sind. 90 <?page no="91"?> 3.3 Relikte onymischer Flexion in westgermanischen Dialekten 3.3 Relikte onymischer Flexion in westgermanischen Dialekten Die modernen Standardsprachen täuschen darüber hinweg, dass onymische Flexion in einigen Dialekten nicht abgebaut wurde bzw. erst durch den Einfluss des Standards rückläufig ist. Da sich bisherige Arbeiten an standardnahen Varietäten orientieren, gibt es zu der dialektalen Dimension verhältnismäßig wenig Vorarbeit. In der bestehenden Forschungsliteratur finden sich jedoch Hinweise darauf, dass Flexion am Eigennamen (inkl. Verwandtschaftsbezeichnungen) in einigen deutschen Dialekten weiterhin fortbesteht (vgl. Panzer 1983: 1171). Systematisch wurde das Phänomen bisher jedoch von der Dialektologie noch nicht näher behandelt. Im Folgenden soll der aktuelle Forschungsstand vorgestellt werden. Die Situation der onymischen Flexion in den Dialekten des Nieder-, Mittel- und Oberdeutschen ist bisher kaum beschrieben worden, während es hingegen zu den kleineren germanischen Sprachen, insbesondere im Nordfriesischen und einzelnen südniederländischen Dialekten, Arbeiten gibt. Gut untersucht ist so zum Beispiel der Zustand onymischer Flexion im Nordfriesischen (J. Hoekstra 2010, J. Hoekstra 2001: 776; Löfstedt 1968: 53-59). Personennamen (inkl. Tiernamen) und Verwandtschaftsbezeichnungen werden in den nördlichen festlandnordfriesischen Dialekten (Bökingharder, Wiedingharder, Karrharder, Nordergoesharder Friesisch und Halligfriesisch) mittels -(e)n im Objektkasus (Akk./ Dat.) und selten im Genitiv mittels -s und -(e)ns flektiert. In den friesischen Dialekten ist dies jedoch laut J. Hoekstra (2010: 757) stark rückläufig. Nicht belegt ist Eigennamenflexion für südliche festlandnordfriesische und inselnordfriesische Dialekte (J. Hoekstra 2010: 756). J. Hoekstra (2010) führt einige syntaktische Beschränkungen auf, in denen Flexion in den nordfriesischen Dialekten, die noch über Eigennamenflexion verfügen, blockiert wird. So unterbleibt Flexion, sobald ein Adjektiv in die DP tritt wie in (23b); in diesen Fällen erscheint auch der Definitartikel, der im onymischen Kontext sonst fehlt.²⁶ Darüber hinaus stellt J. Hoekstra (2010: 768) eine „schwankende Kasusendung bei Verbindung von Possessivpronomen + Verwandtschafts- 26 J. Hoekstra (2010: 767-768) findet in vielen seiner Belege Bildungen mit ‘klein’, wie latj Iidan ‘klein Ida’, latje Poiken ‘klein Poike’, in denen der Definitartikel nicht erscheint. Das Adjektiv steht in diesen Fällen unflektiert als direkte Ergänzung des Namens in 91 <?page no="92"?> 3 Aktueller Forschungsstand bezeichnung“-fest, wie in (23c). Als Erklärung für die Schwankungen vermutet er, dass das Possessivpronomen in Fällen ohne Flexion als D-Element erscheint und in Fällen ohne Flexion ein Adjunkt der NP ist (vgl. Abbildung 3.3). Diese Analyse ist nur haltbar, solange man leere Kopfelemente zulässt bzw. Bewegungen von N nach D annimmt (vgl. Abschnitt 2.1, ab S. 31). (23) a. Fritzen klopet et Hart ‘Fritz klopfte das Herz’ (J. Hoekstra 2010: 751) b. di üülje Nis(*en). ‘dem/ den alten Niels’ (J. Hoekstra 2010: 767) c. min mam(en). ‘meine/ r Mutter’ (J. Hoekstra 2010: 768) DP min N NP mam DP Ø min NP mamen Abb. 3.3: Kasusendung bei Verbindung von Possessivpronomen + Verwandtschaftsbezeichnung im Nordfriesischen nach J. Hoekstra (2010: 768) Auch für einige süd- und westniederländische Dialekte ist Eigennamenflexion mittels -e, -s und -n beschrieben worden (De Vink 2004: 87; Haeringen 1947). Diese niederländischen Dialekte weisen als einzige moderne westgermanische Dialekte zwei Flexionsparadigmen für Eigennamen, Familiennamen, Verwandtschaftsbezeichnungen und des hochbelebten Appellativums buurman/ buurfrou ‘Nachbar/ in’ auf (Haeringen 1947: 251) auf. Es wird unterschieden zwischen einer ‚starken‘ Flexion auf -e(n) und einer ‚schwachen‘ Flexion auf -s, wie in (24) illustriert. Bei Rufnamen und Familiennamen steuert die Eigenschaft [ ± vokalischer Adjunktposition und bedarf daher keines weiteren Definitheitsausdruck wie das Pronomen in Abbildung 3.3. 92 <?page no="93"?> 3.3 Relikte onymischer Flexion in westgermanischen Dialekten Auslaut ] , ob ‚stark‘ [ * Vokal ] oder ‚schwach‘ [+ Vokal ] flektiert wird. Verwandtschaftsbezeichnungen auf -er werden allerdings ‚schwach‘ flektiert, siehe (24c). Die Paradigmen sind vermutlich aus der ehemaligen Genitivendung entstanden, die sich jeweils auf die übrigen Objektkasus ausgedehnt hat, so dass eine deutliche Opposition von Nominativ vs. Akkusativ/ Dativ/ Genitiv ( = Obliquus) entstanden ist, s. Tabelle 3.17.²⁷ (24) a. ik heb Janne gezien ‘ich habe Jan Obl. gesehen’ (Haeringen 1947: 251) b. we kwamen Anna’s tegen ‘wir trafen Anna Obl. ’ (Haeringen 1947: 251) c. we zullen het moeders maar niet vertellen ‘wir werden es Mutter Obl. aber nicht erzählen’ (Haeringen 1947: 251) Die Verteilung der Paradigmen gibt Rätsel auf. Wenn sich die Kasussuffixe, wie anzunehmen, aus der ehemaligen Substantivflexion entwickelt haben sollen, dann liegt hier eine Asymmetrie zwischen den Formen im Altniederdeutschen und Mittelniederdeutschen vor, wo -(e)s zunächst im Paradigma der ‚starken‘ und -en in der ‚schwachen‘ Flexion stehen (vgl. Tabellen 3.12 und 3.13).²⁸ Auch ist dieses System von zwei Paradigmen nicht mehr überall stabil. Weijnen (1966: 312) findet diese ‚starke‘/ ‚schwache‘ Flexion bei Eigennamen nur noch im Genitiv der Dialekte von Nord-Brabant, Antwerpen, Oud-Beijerland, sowie des Ost-Flämischen. Umfangreich beschreibt die Ortsgrammatik für den südholländischen Dialekt von Katwijk das Phänomen der Eigennamenflexion (vgl. Haeringen 1947: 251). Haeringen (1947) gibt auf Grundlage der Auswertung von Dialektgrammatiken und einigen literarischen Quellen eine grobe Orientierung zur diatopischen Ausbreitung der Flexion in den niederländischen und flämischen Dialekten des 20. Jahrhunderts. Das sehr grobe Bild, das sich daraus ergibt, zeigt jedoch eine klare areale Gebundenheit an die südlichen (insbes. südwestlichen) Dialekte (vgl. 27 Haeringen (1947: 253) weist darauf hin, dass es in literarischen Dialekttexten vereinzelt Belege für die Flexionsformen im Nominativ gibt, analysiert diese jedoch als Hyperformen („hyperdialectisme“). 28 Ein ähnlicher Reflex findet sich in der Genitivflexion im Deutschen, vgl. ‚stark‘ des Magnets vs. ‚schwach‘ des Magneten. 93 <?page no="94"?> 3 Aktueller Forschungsstand Abbildung 3.4); zumindest findet Haeringen (1947) keine weiteren Belege für Eigennamenflexion nördlich der IJssel (Haeringen 1947: 252). In Nordholland kann er nur mehr in zwei Grammatiken Relikte der Flexion im Genitiv ausmachen, z.B. (25). In diesen Belegen ist auch nicht (mehr) das doppelte ‚stark‘/ ‚schwach‘ Paradigma gegeben, wie die Form moederen zeigt. Aber nicht nur, dass hier an einer Verwandtschaftsbezeichnung die ‚starke‘ Flexionsform verwendet wird, auch blieb im Suffix der Nasal erhalten, wie dies in den übrigen westgermanischen Sprachen mit Eigennamenflexion der Fall ist. Es ist anzunehmen, dass die nördlichen niederländischen Dialekte sich somit eher im Kontinuum der friesischen und niederdeutschen Varietäten bewegen, während in den südniederländischen Dialekten mit dem doppelten Flexionsparadigma etwas ganz eigenes entstanden ist. (25) a. Jannen zuster ‘Jans Schwester’ (Haeringen 1947: 252) b. moederen muts ‘Mutters Mütze’ (Haeringen 1947: 252) Zu den syntaktischen Bedingungen stellt Haeringen (1947: 253) fest, dass die flektierten Formen im Süden nur mit Präposition vorkommen; dies mag jedoch an der beschränkten Anzahl an Beispielen in den Ortsgrammatiken liegen. Außerdem vermutet er, dass die Entstehung des Definitartikels der wichtigste Faktor für den Flexionsabbau am Substantiv ist und wo sich der onymische Artikel nur zögerlich etabliert hat, Flexion am Eigennamen besonders lange stabil blieb (Haeringen 1947: 255). Die diachronen Tendenzen des onymischen Artikels sind im Niederländischen schwankend. Während im 16. Jahrhundert der Definitartikel generell an Frequenz zunimmt (F. Van de Velde 2010: 272), sind die ersten Belege für einen syntaktisch lizensierten onymischen Artikel bei Personennamen mit Attributerweiterung ab dem 17. Jahrhundert zu finden; nach Präposition wird dieser jedoch zunächst nicht gesetzt (Horst 2008: 843). Die normativen Grammatiker lehnten den onymischen Artikel strikt ab (Horst 2008: 1126), und so ist er auch im modernen Standardniederländisch nicht üblich. Es gibt allerdings südwestliche Dialekte und Umgangssprachen, die den Definitartikel de/ die bei Eigennamen (inkl. Toponyme) verwenden (Weijnen 1966: 315; Verschuren 2017). Doch auch hier fehlt es an flächendeckenden Analysen. 94 <?page no="95"?> 3.3 Relikte onymischer Flexion in westgermanischen Dialekten Für die drei Orte Drunen, Waalwijk und Kaatsheuvel der Region Langstraat in Nord-Brabant beschreibt Spijk (2015: 17-19) Eigennamenflexion, die durch Personalpronomen (26c) oder PP-Ergänzungen (insbes. Familiennamen) aufgehoben werden kann, s. (26d): (26) a. ’k zal ’s gaauw Piete wårschouwe. ‘Ich werde Peter warnen.’ (Spijk 2015: 18, Bsp. 4) b. Ge kant Piete fiets wel efkes vatte. ‘Sie können Peters Fahrrad für eine Weile nehmen.’ (Spijk 2015: 18, Bsp. 5) c. Dè moette meei onze Piet bespreke, nie mì meen. ‘Das sollten Sie mit unserem Peter besprechen, nicht mit mir.’ (Spijk 2015: 18, Bsp. 6) d. Kende gij Piet van Drunen ók? St. NDL Ken jij Piet van Drunen ook? ‘Kennen Sie auch Piet Van Drunen? ’ (Spijk 2015: 18, Bsp. 7) In einem Experiment²⁹ mit ortsfesten Teilnehmer: innen aus dem Süden Nord- Brabants hat Spijk (2015) zeigen können, dass Eigennamenflexion bei jüngeren Sprechern dieser Region noch immer dialektal produktiv ist (Spijk 2015: 86). Allerdings konnte er auch zeigen, dass die Flexion bei der jüngeren Generation etwas seltener auftritt als bei älteren Sprecher: innen. Insbesondere fällt ins Auge, dass der einzige präsentierte ‚schwache‘ Eigenname (Tinie) von unter 60-Jährigen 29 Dazu wurden 38 Sprecher: innen, mit einer breiten Altersspanne (min. 29, max. 80), aus den drei Orten Drunen, Waalwijk und Kaatsheuvel dreißig Sätze vorgespielt und angewiesen, jeden einzelnen in ihrer eigenen Formulierung und in ihrer eigenen Version des Dialekts zu wiederholen. Die Sätze wurden von zwei Sprecherinnen eingesprochen: fünfzehn Sätze von einer 65-Jährigen Frau aus Waalwijk und fünfzehn Sätze von einer 59-Jährigen Frau aus Kaatsheuvel (Spijk 2015: 65-66); beide Personen sprechen laut Spijk (2015: 66) einen authentischen Dialekt und verwenden im Alltag kaum die Standardsprache, obwohl sie dieser mächtig sind. In drei Sätzen wurden Kontexte mit Eigennamen präsentiert; einmal mit dem Namen als direktes Objekt und zweimal nach einer Präposition (Spijk 2015: 67). 95 <?page no="96"?> 3 Aktueller Forschungsstand gar nicht flektiert wird, während die über 70-Jährigen noch zu 64% (7 von 11) in diesem Kontext die ‚schwache‘ -s-Flexion verwenden. Die unterlassene Flexion bei den jüngeren Informant: innen kann aber auch anderen Faktoren geschuldet sein, die nicht im einzigen Testsatz der Studie mit einem ‚schwachem‘ Frauennamen im Akkusativ Heb je Tinie nog gezien? ‘Hast du Tinie gesehen? ’ (die übrigen stehen im Dativ nach einer Präposition) deutlich werden. EN mit konsonantischem Auslaut EN mit vokalischem Auslaut (‚schwach‘) (‚stark‘) Nom. -ø -ø Akk. -e(n) -s Dat. -e(n) -s Gen. -e(n) -s Tab. 3.17: Eigennamenflexion (Sg.) in ndl. Dialekten nach Haeringen (1947) 96 <?page no="97"?> 3.3 Relikte onymischer Flexion in westgermanischen Dialekten Abb. 3.4: Eigennamenflexion in den ndl. Dialekten nach Haeringen (1947) 97 <?page no="98"?> 3 Aktueller Forschungsstand Im konkreten Fall der starken syntaktischen Bedingungen in den niederländischen und nordfriesischen Dialekten stellt sich die Überlegung ein, dass wir es hier vielleicht mit einer missglückten Grammatikalisierung zu einem klitischen Definitartikel ähnlich den skandinavischen Sprachen (s.o. Bsp. 13 und 18) zu tun haben, die bei den höchstbelebten Entitäten der Kategorie Nomen ( = Eigennamen) begann, ohne sich aber weiter auf andere Substantivgruppen auszubreiten. Daraus ergibt sich die Kernfrage: Wieviel Definitheit trägt die Eigennamenflexion tatsächlich? Zur Situation in den Dialekten ist bisher wenig bekannt. Zwar schreibt Ackermann (2018: 56,97), dass es Eigennamenflexion noch in ostmitteldeutschen und „südschweizerischen“ Dialekten gebe, gibt aber keine Beispiele oder Literaturangaben. Vermutlich bezieht sie sich beim Ostmitteldeutschen auf die Feststellung von Bellmann (1990: 276), der in seiner Befragung von 8-15 Informant: innen in 24 Städten der BRD und DDR Ende der 1980er Jahre feststellte, dass artikellose -en-Flexion vor allem älteren Informant: innen aus Leipzig, Halle und (vereinzelt) Magdeburg bekannt ist. Werth (2021: 5) hat in „einschlägigen“ Dialektwörterbüchern des 19. und 20. Jahrhunderts die Flexion bzw. „n-Erweiterung“ von ‘Vater’ und ‘Mutter’ recherchiert und findet eine „recht klare [ n ] Ost-West-Verteilung“ (s. Abbildung 3.5).³⁰ Außerdem zeigen die Wörterbücher eine „klare Präferenz“ für den Dativ (Werth 2021: 6). Das Bild der Dialektwörterbücher ist allerdings ein relativ grobmaschiges. Eine nicht-belegte morphologische Form in einem Dialektwörterbuch ist nicht zwangsläufig als negative Evidenz für eine Struktur zu werten. Auch muss die schwankende Zeit der Datenakquise der jeweiligen Wörterbücher (zwischen den 1870er und 1970er Jahren) berücksichtigt bleiben. Dennoch liefern sie einen ersten Zugang dazu, in welchen Dialekträumen Eigennamenflexion vermutlich länger und stabiler geblieben ist. 30 Um ein vollständigeres Bild der Situation in den Großraumwörterbüchern zu erlangen und um das Bild im Osten des Sprachgebiets zu vervollständigen, wurden die Daten aus Werth (2021: 5) um das Schlesische Wörterbuch (Mitzka 1963a; Mitzka 1963b) in Abbildung 3.5 ergänzt. 98 <?page no="99"?> 3.3 Relikte onymischer Flexion in westgermanischen Dialekten Abb. 3.5: Vatern und Muttern in Wörterbüchern der binnendeutschen Dialekte nach Werth (2021), ergänzt um Ergebnisse aus dem Schlesischen Wörterbuch (Mitzka 1963a; Mitzka 1963b), auf Basis der Dialekteinteilung nach Wiesinger (1983) Die Auswertung von Ortsgrammatiken bietet sich hier an, um ein räumlich feineres, aber zeitlich ebenfalls unscharfes, vergleichbares Datenset zu erlangen. So beschreiben z.B. Alles (1907: 233, 235) und Schoof (1914: 12) erhaltene Substantivflexion bei Verwandtschaftsbezeichnungen und Eigennamen in zwei hessischen Dialekten,³¹ die in keinem Dialektwörterbuch vertreten sind. 31 Anhand der Daten des Projekts Syntax hessischer Dialekte (SyHD) (2011-2016) zeigt Werth (2019: 211, Karte 3), dass die Flexion am maskulinen Rufnamen im Akkusativ 99 <?page no="100"?> 3 Aktueller Forschungsstand Weitere vereinzelte Hinweise auf onymische Flexion finden sich in Ortsgtammatiken des Berlinischen und Niederpreußischen. Kiaulehn (1880 [1878]: IX) beschreibt für das Berlinische -en-Flexion: „Vater, Mutter und andere Verwandtschaftsnamen aufsteigender Linie werden wie Eigennamen behandelt und so dekliniert“. Für den niederpreußischen Dialekt des Samlands stellt Fischer (1896: 18- 19) fest, dass besonders Substantive die „Menschen oder Tiere“ bezeichnen sowie einsilbige Taufnamen „nach der zweiten Deklination“ flektiert werden: de Frötz ‘der Fritz’ - dem Frötze ‘dem Fritz’; de Mål ‘die Amalie’ - da Måle ‘der Amalie (Dat.)’.³² Beim Thüringer Mundartdichter Walther Tröge (1888 in Mattstedt)³³ findet sich Dativ- und Akkusativ-n an Ruf- und Familiennamen noch systematisch, z.B. (27a) und (27b) (s.a. Troege 1930, 1931).³⁴ Hingegen an Verwandtschaftsbezeichnungen tritt keine Flexion auf (27c). (27) a. Da sa’t Theodor fär Augustn ‘da sagt Theodor zu August’ (Troege 1930a: 6) b. On wie e sech ’mal mät Wilhelm Grimm’n dän gruß’n Sprachgeliehrt’n [...] ongerhul ‘Und wie er sich einmal mit Wilhelm Grimm den großen Sprachgelehrten [...] unterhielt’ (Troege 1930a: 4f) c. ech sa’s eiern Vader ‘ich sage es euerm Vater’ (Troege 1930a: 7) noch von 6% der Befragten - vorwiegend aus dem Norden und Osten des Erhebungsgebiets - produziert wird. Er führt allerdings diese Belege auf „idiolektale Variation, standardsprachlichen Einfluss oder methodenbedingte Artefakte“ zurück (Werth 2019: 212). Als Indiz für „Erhebungsfehler“ wertet Werth (2019: 211) den Umstand, dass ein überwiegender Teil der Belege mit Flexion parallel auch den onymischen Artikel verwenden (den Klausen). Da nach Werth (2019) Artikel und Flexion nicht parallel existieren können --Gegenteiliges wird auf Seite 37 diskutiert -, kann es sich dabei also nur um eine Hyperform handeln. 32 Bemerkenswert an diesen Beispielen ist die Setzung des Definitartikels mit Flexion; möglicherweise ein Reflex der künstlichen Situation der Sprachbeispiele. Für den Hinweis auf diese Grammatiken danke ich Jürg Fleischer. 33 Mattstedt liegt im ost-thüringischen-obersächsischen Übergangsgebiet. 34 Den Hinweis auf onymische Flexion in dieser Dialektquelle verdanke ich Beispielsätzen in Pankau (2020: 260). 100 <?page no="101"?> 3.3 Relikte onymischer Flexion in westgermanischen Dialekten Trotzdem wurde für den Rahmen dieser Arbeit eine flächendeckende Auswertung von Ortsgrammatiken als nicht gewinnbringend verworfen, da in den seltenen Fällen, in denen auf Eigennamenflexion Bezug genommen wird, die Beschreibungstiefe der Ortsgrammatiken nicht viel über die Struktur und die grammatischen Bedingungen im jeweiligen Dialekt verrät. Beispiele sind zumeist ohne komplexe (semantisch und syntaktisch relevante) Kontexte gegeben. So sind auch die einzelnen Grammatiken schwer miteinander zu vergleichen. Exemplarisch und um einen Eindruck vom Wert des Materials zu bekommen, wurden über 60 Orts- und Dialektgrammatiken für das Obersächsische, Schlesische und Böhmische der Bibliothek des Deutschen Sprachatlas (Marburg) gesichtet. In nur sieben Grammatiken fanden sich direkte oder indirekte (insbes. über Beispiele mit entsprechendem Kontext) Hinweise auf Eigennamenflexion. Davon konnten in zwei Grammatiken Hinweise auf unterlassene Flexion gefunden werden, wie in (28a), und in fünf Grammatiken liegen Belege für Eigennamenflexion vor, die allerdings, wie z.B. (28b), singuläre Belege sind, die weder Informationen zum tatsächlichen Gebrauch noch mögliche syntaktische Bedingungen liefern, und nur selten, wie in (28c), auf das Phänomen selbst Bezug nehmen und speziellere Belege für z.B. doppelte Kasusmarkierung (Herrn Schmidtn) liefern. (28) a. Sieht dem Vater sehr ähnlich: is n vottr wi von buckl gsprunge (Nordwestböhmen, Wenisch 1926: 107) b. bitnern īr fārt - Bittners Pferd (Schlesisch, Hanke 1913: 13) c. Was E i g e n n a m e n betrifft, so gibt ihnen die alltägliche Sprache auch gern Kasusendungen; man hält es aber für feiner, das nicht zu thun. Der Dialekt sagt stets „ich traf Karln, Otton, Ferdinanden, Lehmannen, Schmidten, ich gabs Klaran, Theklan, Marien, ich sah Herrn Schmidtn.“ Die Bspr. unterscheiden hier sogar den Dativ vom Accusativ: Ich war bei Koche; das ist für Kochen: ich gab’s Wilhelme, ich traf Wilhelmen. (Obersächsisch, Albrecht 1881: 49; Sperrung im Original) Die exemplarische Auswertung zur ostmitteldeutschen Dialektlandschaft zeigt zwar, dass auch hier onymische Flexion bis ins 20. Jahrhundert verwendet wurde, doch über die generelle Existenz von Eigennamenflexion hinaus können die Grammatiken nur wenig zur Struktur aussagen. Großflächige Übersetzungsaufgaben, die z.T. den Charakter eines Parallelkorpus haben (wie z.B. Dialektüber- 101 <?page no="102"?> 3 Aktueller Forschungsstand setzungen vom Gleichnis vom verlorenen Sohn), bieten zwar auch nur eine begrenzte Variation an Kontexten, sind in diesen aber zumindest deutlich besser zu vergleichen. Hinweise auf Eigennamenflexion in den bairischen Dialekten finden sich bereits bei Schmeller (1821: 260-271). Besonders interessant ist seine Feststellung, dass die -en-Flexion „in allen Fällen außer dem Nominativ sing [ ular ] “ bei maskulinen, sowohl nativen als auch nicht-nativen Taufnamen üblich ist, jedoch bei den femininen Taufnamen in den modernen Dialekten „kaum mehr vor“kommt (Schmeller 1821: 260, 270). Dauwalder (1992) beschreibt für das Höchstalemannische aus dem Haslital, dass Flexion mittels -en am Rufnamen erhalten blieb, allerdings auf „traditionelle“ Namen beschränkt ist (vgl. Fuß 2011: 29, Fn 12). Eine ähnliche Beschränkung von Flexion auf native Eigennamen findet sich auch in der standardjiddischen Grammatik von Mark (1978: 178), und auch im Isländischen können nur voll integrierte Eigennamen (nach dem Muster der Appellativa) flektiert werden (Pétursson 2002: 1265). Hodler (1969: 33-35) behandelt die Eigennamenflexion in den Dialekten des Berner Oberlands in Abhängigkeit zum onymischen Artikel: „Der Art. [ ikel ] bei Eigennamen ersetzt weitgehend die Flexion“ (Hodler 1969: 33). Bei Verwandtschaftsbezeichnungen ist die Ausbreitung des Artikels im Berner Alemannischen generell verzögert, wobei es hier einen starken Stadt-Land-Unterschied gibt: „Auf dem Lande ist diese Artikellosigkeit in geringem Umfang noch üblich, in der Stadt aber verschwunden“ (Hodler 1969: 34). Seine Beispiele zeigen jedoch, dass bei Verwandtschaftsbezeichnungen Artikel und Flexion nicht in unmittelbarer Abhängigkeit zueinander stehen: Artikellosigkeit heißt nicht überall erhaltene Flexion, vgl. (29). (29) a. Es macht Müetti nie Angst ‘Es macht Mutter nie Angst’ (Hodler 1969: 34) b. Wenn i no einisch Vatteren chönnti gseh ‘Wenn ich noch einmal Vater sehen könnte’ (Hodler 1969: 35) c. Es heig Muettin u Großättin verlochet ‘Es habe Mutter und Großvater verloren’ (Hodler 1969: 34) 102 <?page no="103"?> 3.3 Relikte onymischer Flexion in westgermanischen Dialekten Allerdings findet sich in den wenigen Beispielen Hodlers keine Evidenz für Artikel + Flexion, und die Belege für Flexion sind immer artikellos, wie in (29b-29c). (29b) und (29c) zeigen auch, dass Flexion im Akkusativ auftritt. Dies ist besonders aufällig, da Nominativ und Akkusativ in den meisten alemannischen Dialekten formal zusammengefallen sind. Die Eigennamenflexion scheint von diesem Synkretismus unberührt zu bleiben. Wipf (1910: 132) verzeichnet für den Dialekt der Gemeinde Visperterminen im Kanton Wallis eine ‚starke‘ Genitivflexion bei den meisten maskulinen und konsonantisch auslautenden femininen Rufnamen mittels -š. Sie gibt ein singuläres Beispiel für eine ehemals ‚schwache‘ Genitivflexion eines maskulinen Rufnamens mittels -e(n): Jodro Nom./ Akk./ Dat. ‘Theodul’ - Jodru(n) Gen. . Die meisten femininen Rufnamen, da auf Vokal auslautend, flektieren nach folgendem ‚schwachen‘ Muster im Genitiv und Dativ: Adlīna Nom./ Akk. ‘Adeline’ - Adlīnu(n) Gen./ Dat. (Wipf 1910: 132). Diminution kann in diesem Dialekt rein über den Genuswechsel am Artikel markiert werden: di/ d’ Beātriks -Dim. ‘die Beatrix’ vs. ds Beātriks +Dim. ‘das Beatrixchen’. In solchen Fällen bleibt die Flexion bei einen obligatorischen, derivationell wirkenden Artikel erhalten: ds Beātrikš +Dim. ‘des Beatrixchens’ (Wipf 1910: 132). Man kann allerdings anmerken, dass der Diminutivartikel hier nicht Aufgaben des klassischen Definitartikels trägt und daher auch nicht unmittelbar mit der Eigennamenflexion interagiert. Wipfs übrige, nicht-diminuierte Beispiele für Eigennamenflexion liefern keine Hinweise darauf, dass der onymische Artikel in diesem Dialekt üblich ist; jedoch sind ihre Beispiele nur Namen ohne Kontext. Zur Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen liefert Wipf (1910) keine Hinweise. Die selben Reste von ‚starker‘ und ‚schwacher‘ Flexion an Eigennamen, Verwandtschaftsbezeichnungen und manchen ehemals schwachen Maskulina im Genitiv und deren Interaktion mit Diminutivformen finden sich noch im frühen 20. Jahrhundert bei konservativen Sprecher: innen aus Vorarlberg und Imst (Tirol) (Jutz 1925: 232; Gabriel 1963: 245-247; Schatz 1897: 120). Im Dativ und Akkusativ ist im Tirolerischen bereits keine Flexion mehr gegeben (vgl. Bsp. bei Schatz 1897: 159); Gabriel (1963: 245-247) findet allerdings noch bei älteren Informant: innen aus Nordvorarlberg Akkusativ- und Dativflexion sofern kein Definitartikel diese unterbindet. 103 <?page no="104"?> 3 Aktueller Forschungsstand Auch in den oberdeutschen Sprachinseln gibt es Evidenz auf Eigennamenflexion. Schweizer & Dow (2008: 387-388) attestieren noch in einigen wenigen Dialekten der 7-Gemeinden-Zimbern (insbes. Roana) eine Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen im Dativ (Sg. und Pl.).³⁵ Während ‘Vater’ und ‘Mutter’ auf -n flektieren, markieren die Feminina ‘Tochter’ und ‘Schwester’ mittels -e den Dativ Singular. ‘Tochter’ zeigt zusätzlich im Dativ Singular Umlaut (töxtare), hinter dem Schweizer & Dow (2008: 387) eine Nachbildung der femininen i-Stämme annehmen. Über syntaktische Bedingungen liefern Schweizer & Dow (2008) keinerlei Auskunft. Im Zimbrischen von Lusern wird zwar der (onymische) Definitartikel konsequent gesetzt, allerdings gibt es - von erstarrten Resten des Genitivs abgesehen - keine Substantivflexion mehr (Tyroller 2003: 123-125). In den modernen niederdeutschen Dialekten ist onymische Flexion laut Lindow et al. (1998: 144) nur mehr im pränominalen Genitiv üblich. Allerdings findet sie sich noch bei Fritz Reuter: (30) Hawermann was desen Morgen mit Franzen nah Gürlitz tau Kirchen gahn. ‘Hawermann war diesen Morgen mit Franz nach Gürlitz zur Kirche gegangen’ („Ut mine Stromtid“ 1862: Kap. 11) Ein generelles Problem bei der formseitigen Analyse (nord-)niederdeutscher Dialektdaten ist der potenzielle Einfluss der Entwicklungen zur Auflösung des Kasussystems, die vor allem zu einer Kasusintransparenz von n-Formen geführt hat (Rohdenburg 1993, 1989, 1988; siehe die Diskussion auf S. 109). Lediglich eine strukturelle Analyse der einzelnen Sprachsysteme, was nur die wenigsten Datensätze zulassen, könnte hier Klarheit schaffen. Zusammenfassend zeigt der aktuelle Forschungsstand ein wachsendes Interesse an der Grammatik von Eigennamen in der deutschsprachigen Germanistik der letzten Jahre (vgl. Fuß 2011; Nübling 2012; Werth 2020; Ackermann 2018, 2020). Insbesondere der Ausbau des Definitartikels und der Flexionswandel bzw. -abbau bei Eigennamen stehen im Zentrum der Diskussion. Der Blick ist dabei allerdings auf die deutsche Schriftlichkeit beschränkt. Jedoch ist noch immer unklar, wie stark der Flexionswandel durch präskriptive Normierung und Stigmatisierung befeuert wurde (Paul 1917: 157; Fuß 2011: 29; Bellmann 1990: 260-262, 267; Werth 35 Den Hinweis zum Zimbrischen verdanke ich Ermenegildo Bidese. 104 <?page no="105"?> 3.3 Relikte onymischer Flexion in westgermanischen Dialekten 2020: 263-264) und inwiefern die identifizierten Entwicklungen damit überhaupt natürlichen Sprachwandel repräsentieren. Zwar beziehen Bellmann (1990) und Werth (2020) auch areale Faktoren innerhalb der deutschen Varietäten mit ein, doch spezielle Analysen zu dialektalen Varietäten, als „natürliche Sprachen erster Ordnung“ (Weiß 1998: 3), stehen noch aus. Ebenso verstellt eine exklusiv deutschsprachige Germanistik den Blick auf allgemeine grammatische Mechanismen: formale Substantivflexion (insbes. Kasusflexion) wurde nicht nur im Deutschen, sondern in den meisten germanischen Sprachen reduziert. Der Ansatz der vorliegenden Untersuchung verfolgt eine inklusive Germanistik, die sprachlich verwandte Systeme als Kontinua versteht und in diesem Sinne analysiert. Die so gewonnenen Daten und Strukturen der Einzelsysteme können bei diesem vergleichenden Ansatz in Perspektive gebracht werden. Um den Prozess des Flexionswandels nachvollziehen zu können, sind v.a. Systeme interessant, die zwar bereits defektive, aber immer noch produktive Substantivflexion aufweisen. Dies sind in erster Linie Varietäten des Jiddischen, Niederländischen (und z.T. Niederdeutschen), Friesischen und vereinzelte hoch- und mitteldeutsche Dialekte. Von diesen bilden die jiddischen Dialekte zunächst die areal größte Gruppe westgermanischer Varietäten, in denen onymische Flexion weitestgehend bewahrt blieb. Mit den Materialien des Language and Culture Archive of Ashkenazic Jewry (LCAAJ) sind wir in der glücklichen Situation über ein großes Datenset jiddischer Dialekte mit einer Reihe relevanter Kontexte zu verfügen. Aus diesen Gründen wird der erste und damit auch detaillierteste Zugang zum Phänomen über Daten der jiddischen Dialekte erfolgen (s. Abschnitt 6). Im Zentrum der Einzelanalysen stehen vor allem Kontexte mit der onymischen Sonderklasse der Verwandtschaftsbezeichnungen. Da sich diese sowohl semantisch als auch syntaktisch zum Teil anders verhalten als Ruf- und Nachnamen, werden im nächsten Kapitel ihre wichtigsten strukturellen Eigenschaften vorgestellt. 105 <?page no="106"?> 3 Aktueller Forschungsstand 3.4 Die Sonderklasse der Verwandtschaftsbezeichnungen Verwandtschaftsbezeichnungen wie ‘Mutter’, ‘Vater’, ‘Großmutter’, ‘Großvater’, ‘Schwester’ und ‘Bruder’ sind eine Sonderklasse von Substantiva, die, wie auch Eigennamen, sowohl monoreferenziell als Name als auch als Appellativ gebraucht werden können.³⁶ Nach dem Namenklassensystem von Nübling, Fahlbusch & R. Heuser (2012: 102), welches sich anhand der Kriterien [ ± Individualität ] und [ ± Belebtheit ] skalar aufbaut, gehören Verwandtschaftsbezeichnungen, zusammen mit u.a. Ruf- und Familiennamen, zur Klasse der Anthroponyme. Verwandtschaftsbezeichnungen sind Personennamen in einer Reihe von Sprachen sehr ähnlich, allerdings gibt es bisher keine systematische Untersuchung der Unterschiede bzw. Parallelen (Handschuh 2017: 486 Fn. 3). Semantisch unterscheidet die vorliegende Arbeit zwischen Verwandtschaftsbezeichnungen (wie ‘Mutter’, ‘Großmutter’) und Verwandtschaftsnamen (Mama, Oma/ Großmamma), die Ackermann (2018) als „onymisch gebrauchte Verwandtschaftsbezeichnungen“ definiert. Diese unterscheiden sich hinsichtlich der Individualität/ Familiarität: während Verwandtschaftsnamen vorwiegend monoreferenziell und zum Ausdruck einer emotionalen Bindung gebraucht werden (31a), referieren Verwandtschaftsbezeichnungen auf abstrakte Beziehungen (31b). Es gibt Sprachen, die dies lexikalisch stärker differenzieren als andere. Zum Beispiel können im Jiddischen zeyde ‘Großvater/ Opa’ und bobe ‘Großmutter/ Oma’ sowohl als Verwandtschaftsbezeichnungen als auch als Verwandtschaftsnamen verwendet werden (31c). (31) a. Dt. Oma, möchtest du Tee trinken? vs. #Großmutter, möchtest du Tee trinken? b. Dt. Ihren leiblichen Vater hat sie nie kennen gelernt vs. #Ihren leiblichen Papa hat sie nie kennen gelernt c. Jid. bobe, vilstu trinkn a tey? ‘Oma/ Großmutter, möchtest du Tee trinken? ’ Allgemeine Verwandtschaftsbezeichnungen (z.B. dt. Mutter, Großmutter) unterscheiden sich wiederum von monoreferenziell verwendeten Verwandtschaftsna- 36 Manche Arbeiten kategorisieren Verwandtschaftsbezeichnungen auch als eigene Kategorie zwischen Personennamen und Appellativa (Handschuh 2017: 486 vs. 490). 106 <?page no="107"?> 3.4 Die Sonderklasse der Verwandtschaftsbezeichnungen men (z.B. dt. Mama, Oma). Da Verwandtschaftsnamen auf der Belebtheitsskala - als eine Skala für Egozentrizität - weiter oben stehen als Verwandtschaftsbezeichnungen, verhalten sich diese auch grammatikalisch unterschiedlich (vgl. Nübling, Fahlbusch & R. Heuser 2012: 52; Nübling, Busley & Drenda 2013: 154; Christen 1998). Verwandtschaftsbezeichnungen sind kulturell geprägt und dienen vorwiegend zur Anzeige biologischer Verwandtschaft. Die germanischen Sprachen haben sich von einem sogenannten „Sudan-System“, das zwischen mütterlicher und väterlicher Seite differenziert, zu einem „Eskimo-System“, das diese Differenzierung nicht vornimmt, entwickelt (vgl. Jones 2005; Ruipérez 1984). In den älteren Sprachstufen des Deutschen bilden die Verwandtschaftsbezeichnungen auf -(e)r eine eigene, kleine Deklinationsklasse (Kürschner 2008: 83-84, 93; Braune & Heidermanns 2018: §233-235). Im Althoch- und Altniederdeutschen zeichnet sich diese Klasse durch flexionslose Singulardeklination aus und entspricht damit weitestgehend den althochdeutschen Wurzelnomina (vgl. Tabelle 3.19; Braune & Heidermanns 2018: §233, §235; s. a. Tabelle 3.5 S. 72 u. vgl. Tabelle 3.11 S. 82). Aber schon im Althochdeutschen sind Schwankungen zu erkennen. So ist diese Klasse der Verwandtschaftsbezeichnungen auf -er besonders bei den Feminina (inkl. bruoder ‘Bruder’) stabil; fater ‘Vater’ taucht hingegen bereits im frühen Althoch- und Altniederdeutschen auch vereinzelt mit Mustern der ‚starken‘ a- Deklination auf und flektiert entsprechend im Akkusativ Singular wie die Eigennamen (Braune & Heidermanns 2018: §235; Bojunga 1890: 23; s.o. Tabelle 3.5 S. 72). Der Forschungsliteratur zufolge löst sich im Mittelhochdeutschen die -(e)r- Klasse im Plural langsam auf und verteilt sich auf feminine und maskuline Flexionsmuster, ist also genusübergreifend, bleibt aber im Singular weiterhin endungslos mit Ausnahme des Genitivs, an dem sich die Markierung mittels -s allmählich ausbreitet (vgl. Wegera et al. 2018: 71-80; Paul 2007: 198). Im (späteren) Mittelniederdeutschen schließen sich die Verwandtschaftsbezeichnungen laut Lasch (1914: 203) sowohl der ‚schwachen‘ Flexion (vadere ‘Vater’, süstere ‘Schwester’) als auch der ‚starken‘ Flexion (vadern ‘Vater’, süstern ‘Schwester’) an. Die Akkusativ- und Dativ-Kontexte von ‘Vater’ und ‘Mutter’ in den historischen Korpora des Deutschen, dem Referenzkorpus Mittelhochdeutsch (ReM, 1050- 107 <?page no="108"?> 3 Aktueller Forschungsstand 1350, ca. 2 Mio. Wortformen), dem Bonner Frühneuhochdeutsch Korpus (FrnhdC, 1350-1700, 518.101 Tokens) und dem Referenzkorpus Mittelniederdeutsch/ Niederrheinisch (ReN, 1200-1650, ca. 20.000 Wortformen), zeigen, dass die S1bzw. EN1- Flexion (s. Tabellen 3.7 u. 3.6) auf -e im Dativ bereits ab dem Mittelhoch- (insbes. im mitteldeutschen Raum) und Mittelniederdeutschen vereinzelt auftaucht (s. Tabelle 3.18). Die Flexion breitet sich demzufolge vom Dativ der männlichen Verwandtschaftsbezeichnungen aus; Dativ-n ist allerdings erstmals im ReN an ‘Mutter’ belegt. Die Korpusdaten zeigen, dass es sich um einen langsamen, sukzessiven Aufbau von Flexion handelt, der besonders im niederdeutschen Raum stattfindet. Noch in frühneuhochdeutscher Zeit ist Flexionslosigkeit im Dativ und besonders im Akkusativ die gängige Form. ReM FrnhdC ReN ‘Mutter’ Akk.Sg. -ø (202) -ø (96) -ø (81) ‘Mutter’ Dat.Sg. -ø (257) -ø (99) -ø (121), -en (2), -e (2) ‘Vater’ Akk.Sg. -ø (310) -ø (238) -ø (122) ‘Vater’ Dat.Sg. -ø (416), -e (29) -ø (363), -e (4) -ø (115), -e (104) Tab. 3.18: Akkusativ- und Dativflexion von ‘Mutter’ und ‘Vater’ im ReM, FrnhdC und ReN Im Mittelniederländischen flektieren Verwandtschaftsbezeichnungen auf -r (z.B. vader, broeder, suster, moeder) nur im Genitiv (auf -(e)re oder -s) (Franck 1883: 132). Nach Bremmer (2009: 64) fallen die -r-Stämme im Altfriesischen unter die dritte Deklinationsklasse, werden im Singular aber wie die ‚starken‘ Substantiva flektiert. In den festlandnordfriesischen Dialekten mit Eigennamenflexion flektieren entsprechend auch Verwandtschaftsbezeichnungen; allerdings gibt es Hinweise, dass dies in Kombination mit Possessivpronomen nicht immer erfolgt (J. Hoekstra 2010: 753, 755). In den niederländischen Dialekten gibt es Hinweise, dass Verwandtschaftsbezeichnungen durchgängig mit -s flektieren, also der eigentlich ‚schwachen‘ Klasse. So kommt es, dass auch vaoder nicht als ? *voedere, sondern als voeders flektiert (vgl. Spijk 2015: 17, Tabelle 1); sofern das auslautende -r vokalisch realisiert wird, ergäbe dies auch Sinn, nur ist das in den Belegen nicht gegeben (vgl. [" v A: dər ] , [" v A: dərs ] , Spijk 2015: 17, Tabelle 1). 108 <?page no="109"?> 3.4 Die Sonderklasse der Verwandtschaftsbezeichnungen Singular Plural Nom. muoter muoter Akk. muoter muoter Dat. muoter muoterum, -un, -on Gen. muoter muotero Tab. 3.19: Paradigma der -r-Stämme (Feminina) im Althochdeutschen nach Braune & Heidermanns (2018: §234) Ein peripheres Phänomen der modernen (norddeutschen) Regional-, Zeitungs- und Mediensprachen im Gegenwartsdeutschen ist die -n-Suffigierung der Lexeme Mutter und (seltener) Vater, die auch wie in (32) und (34a) im Nominativ auftritt. Werth (2021) argumentiert dafür, dass es sich hierbei nicht um Flexion handelt, sondern spricht stattdessen von einer „n-Erweiterung“, für die er ein funktionales Entwicklungsszenario vorschlägt. (32) a. Moinsen Vaddern, kannste mich abholen? (Tatort Münster „Es lebe der König! “, WDR 2020) b. Oh Vaddern, muss das sein? (Tatort Münster „Es lebe der König! “, WDR 2020) Der Blick auf die niederdeutschen Dialekte kann diese Formen als Reflexe der dort erfolgten Umstrukturierung des Kasussystems, die z.T. phonologisch motiviert ist, identifizieren. In den Dialekten haben - insbesondere bei Indefinita (33a), Substantivierungen (33c), attributiven Adjektiven (33b u. 33d) und an ‚schwachen‘ Maskulina (33d) --Obliquusformen auf -n flexionslose Nominativformen z.T. vollständig ersetzt (33). Damit wurde die Markierung zur Kasusdistinktion durch n-Formen intransparent (Rohdenburg 1993, 1989, 1988).³⁷ Diese Entwicklungen sind meiner Einschätzung nach für die Muttern- und Vatern-Belege in 37 Eine Gegenentwicklung, die -n-Flexion am Objektkasus abbaut, garantiert wiederum eine Kasusmarkierung; so ein Abbau von -n-Flexion findet stärker an indirekten als an direkten Objekten statt, z.B. Den Bur IO sien Backoben wör dalfulln ‘Dem Bauern sein Backofen war eingestürzt’ vs. Nat Eten fräug he den Burn DO , ob he den Lohn kriegen kunn. ‘Nach dem Essen fragte er den Bauern, ob er den Lohn kriegen könnte/ konnte’ 109 <?page no="110"?> 3 Aktueller Forschungsstand (norddeutschen) regional- und zeitungssprachlichen Quellen, als Reflex der dialektalen Formen, verantwortlich zu machen. (33) a. Wat büst du denn för een’n? ‘Was bist denn du für einer? ’ (nach Rohdenburg 1993: 216) b. Dat is den Schommester sien olen Hoot. ‘Das ist dem Schulmeister sein alter Hut’ (Rohdenburg 1993: 222) c. Dat du mien Leevsten büst ‘Dass du mein Liebster bist’ (Rohdenburg 1993: 221) d. Dat is’n lebennigen Burn mit twee lebennige Peer ‘Das ist ein lebendiger Bauer mit zwei lebendigen Pferden’ (Rohdenburg 1993: 218) Anders als in den Beispielen (32) - die natürlich ein Artefakt norddeutscher Mediensprache darstellen - ist an den von Werth (2021) angeführten Belegen allerdings aufällig, dass Mutter und Vater hier nie als Verwandtschaftsnamen auftreten, sondern wie in (34) immer generalisierte Rollenbilder bezeichnen. Ebenfalls kann man keinen Plural von diesen n-Bildungen formen oder sie zählen. Diese speziellen innovativen, neuhochdeutschen Formen verhalten sich wie Massennomen. (34) a. Viele wurden von den verschwitzten Socken Pubertierender fortgerissen, andere konnte Muttern wieder ankleben. (Die Zeit, 02.06.2016, Nr. 24) b. mit Pils vom Fass und Bratwurst wie bei Vattern. (Die Zeit, 21.06.2001, Nr. 26) Für ähnliche -n-Bildungen der beiden Verwandtschaftsbezeichnungen in bairischen Varietäten vermutet Werth (2021) eine prosodische Entwicklung, die zum (Rohdenburg 1993: 224-227; s.a. Bsp. 33b). Auch semantische Feinheiten beeinflussen die Obliquusform; so fordern emphatische Adjektive die Nullform: He is ’n groden Bur aber *He is ’n groden Burn ‘Er ist ein großer Bauer’ (Rohdenburg 1993: 218). 110 <?page no="111"?> 3.4 Die Sonderklasse der Verwandtschaftsbezeichnungen Eindringen umlautloser Pluralformen in den Singular geführt haben und so eine Einheitsflexion bewirkt hat. Demnach wären diese -n-Bildungen in allen Kasus zu erwarten. Bei Schmeller (1821) finden sich keine Hinweise dafür. Ganz im Gegenteil ist das Suffix der Eigennamenflexion bei den Maskulina explizit nicht im Nominativ zu finden (vgl. Schmeller 1821: 260). Allerdings stellt Schmeller (1821: 271) für einige feminine Appellativa und zwei feminine Verwandtschaftsbezeichnungen --jedoch keine der -er-Klasse - fest, dass der Nominativ „mit der Endung des obliquen Casus“ vereinzelt vorkommt: ə̃ Basen ‘eine Base/ Cousine’, ə̃ Goten ‘eine Gote/ Patin’, ə̃ Raũzen ‘ein Spaß/ Vergnügen’. Zwar finden sich in den von Schmeller beschriebenen Dialekten keine -n-Bildungen bei Verwandtschaftsbezeichnungen auf -er im Nominativ, allerdings gibt es neben Akkusativ- und Dativ-Kontexten auch Belege für -n-Flexion im Genitiv (35). (35) In seines Vattern oder Muttern statt ‘An seines Vaters oder Mutters statt’ (Schmeller 1821: 271) Von diesen besonderen und verhältnismäßig jungen, starren Formen Muttern und Vatern im regionalen und standardnahen Gegenwartsdeutschen abgesehen, sprechen historische und mikrotypologische Befunde dafür, dass die -(e)n-Suffigierung bei Verwandtschaftsbezeichnungen und Verwandtschaftsnamen analog zur Eigennamenflexion der Markierung des direkten und indirekten Objektkasus dient (vgl. Bojunga 1890: 23; Paul 1917: 159). Eine besondere Dativprofilierung für Verwandtschaftsbezeichnungen liegt laut Jacobs (2005) im Jiddischen vor: „Female family terms receive -n in the dative (bobn, mamən), but not in the accusative“ (Jacobs 2005: 161). Die Beschränkung auf den Dativ konnte allerdings mit der vorliegenden Untersuchung nicht bestätigt werden (s. Kapitel 6, ab. S. 125). Unter der Vielzahl an Arbeiten, die sich der Grammatikalisierung des Definitartikels in den germanischen Sprachen widmen, fehlt es leider an Untersuchungen zum speziellen Fall des Artikelgebrauchs bei Verwandschaftsbezeichnungen (vgl. insbes. Oubouzar 1992; Oubouzar 1997; Szczepaniak & Flick 2015; Flick 2020; Werth 2020). Es gibt allerdings Hinweise, dass der Definitartikel bei Verwandschaftsbezeichnungen, insbesondere bei Verwandschaftsbezeichnungen als Nomina Sacra (der Vater, der Sohn und der Heilige Geist; vgl. Flick 2020: 171-176), früher und weiter grammatikalisiert wurde als der Artikel bei Personennamen. Dafür sprechen z.B. frühe Belege aus dem Althochdeutschen und Altniederdeut- 111 <?page no="112"?> 3 Aktueller Forschungsstand schen (36) und auch bereits erwähnte Besonderheiten der Eigennamenflexion im Jiddischen und Hochalemannischen (siehe Bsp. 14, S. 37). (36) sô uuarđ is ôk thiu muodar, the thana magu fuodda ‘so geschah es auch mit der Mutter, die den Sohn genährt hatte’ (Andt. Genesis, V. 86; um 840) Werth (2020: 331) behandelt den Spezialfall von Koordinationen von Personennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen (z.B. (der) Vater Erwin) und stellt fest, dass hier die „norddeutschen“ Varietäten des Zwirner-Korpus deutlich seltener einen Artikel setzen als die oberdeutschen und westmitteldeutschen. Verwandtschaftsbezeichnungen können also als Spezialgruppe der Personennamen behandelt werden, die in den germanischen Sprachen morphologisch eine Sonderstellung einnimmt, da sie eine gemeinsame historische Flexionsklasse (-(e)r-Stamm) bilden und semantisch einen besonderen Ausdruck von Zugehörigkeit und Nähe liefern, den einfache Personennamen nicht auszeichnen können. Davon ausgehend ist a priori anzunehmen, dass sich Verwandtschaftsbezeichnungen auch in Bezug auf den Erhalt bzw. Abbau von Flexion anders verhalten als Personen- oder Familiennamen. Da sie aber als Teil der Gruppe ‚Eigennamen‘ zu gelten haben, reflektieren ihre Entwicklungen allgemeine onymische Tendenzen; die Frage ist nur, ob sie sich innovativer oder konservativer verhalten als die übrigen Eigennamen. Eine besondere Fortschrittlichkeit der Verwandtschaftsbezeichnungen ist in der innovativen Possessivkonstruktion im Gegenwartsdeutschen, wie in mein Schwesters Kater, zu finden, die sich zuerst bei Verwandtschaftsbezeichnungen auszubreiten beginnt (Fuß 2011: 38; Ackermann 2018: 254-263). Konservativer verhalten sich die gegenwartsdeutschen Muttern/ Vatern-Bildungen, die möglicherweise ein Relikt der onymischen Flexion darstellen (s.o.; vgl. Werth 2021). Insgesamt zeigen Verwandtschaftsbezeichnungen damit im Gegenwartsdeutschen noch eine stärkere Tendenz zur Flexion und sind so auch in anderen westgermanischen Varietäten ein gutes Testfeld, um die strukturellen Besonderheiten von Eigennamenflexion einzufangen. Verwandtschaftsbezeichnungen sind außerdem besonders interessant, da sie eine Übergangszone zwischen Namen und Appellativa markieren: sie sind einerseits die generischsten monoreferenziellen Ausdrücke, die zugleich hochbelebte Entitäten beschreiben. Von einer Varietät, die Verwandtschaftsbezeichnungen 112 <?page no="113"?> 3.4 Die Sonderklasse der Verwandtschaftsbezeichnungen flektiert, können wir annehmen, dass sie auch in der Belebtheitshierarchie höher stehende Rufnamen flektiert. Zugleich sind Verwandtschaftsbezeichnungen insbesondere mit Blick auf Belebtheit geeichtere Termini als z.B. Rufnamen. Jemand der mit einer Gerlinde über 40 Jahre verheiratet ist, wird diesem Namen eine andere Belebtheit zusprechen als jemand, der niemanden dieses Namens kennt. Anders verhält es sich bei Verwandtschaft. Während nur wenige Menschen einer Sprachgemeinschaft eine konkrete Person mit dem Namen Gerlinde in Verbindung bringen, haben die meisten von ihnen (mindestens) eine konkrete Person, auf die sie als Mutter referieren. Wenn sich bestätigt, was sich in der bestehenden Forschungsliteratur abzeichnet, und onymische Flexion besonders durch den Faktor Belebtheit selegiert wird, dann muss eine vergleichende mikrotypologische Untersuchung gewährleisten, dass dieser Faktor weitestgehend konstant gehalten wird. Mit der Beschränkung auf Verwandtschaftsbezeichnungen wird dieser Überlegung in der vorliegenden Untersuchung Rechnung getragen. 113 <?page no="114"?> 3 Aktueller Forschungsstand 3.5 Zur Makrotypologie von Eigennamenflexion Typologische Arbeiten zur speziellen Flexion von Eigennamen in den Sprachen der Welt gibt es bisher keine (vgl. Handschuh 2017; Van Langendonck 2007; Van Langendonck & M. Van de Velde 2016). Handschuh (2017) ist die bisher einzige Arbeit, die versucht in einem kleinen, aber möglichst repräsentativen Sample von 34 diversen Sprachen, Kasus- und Definitheitsmarkierung an Personennamen im Vergleich zu Appellativa (Gattungsnamen) zu analysieren. Aber auch Handschuh (2017) untersucht nicht die Flexion im besonderen, sondern allgemeine Markierung von Kasus; darunter fallen entsprechend auch „free elements“ und suprasegmentale Markierungen, wie z.B. der Definitartikel (Handschuh 2017: 488). Aufgrund der kleinen Auswahl an Sprachen haben die Zahlen ihrer Untersuchung nur eine bedingte Aussagekraft und sind eher als allgemeine Tendenz zu verstehen. Handschuh (2017) stellt fest, dass sich in der Mehrzahl der (untersuchten) Sprachen Kasus- und Definitheitsmarkierung von Personennamen und Appellativa nicht unterscheidet. Sie findet keine Sprache, die Kasus nur an Personennamen bzw. nur an Appellativa ausdrückt (Handschuh 2017: 497-498, 500). Aber sie findet auch Unterschiede zwischen Personennamen und Appellativa. Knapp ein Drittel der 34 Sprachen verfügt über keine Markierung von Kasus bei Personennamen oder Appellativa; ³⁸ gut die Hälfte des Samples verwendet für beide Substantivtypen eine identische Form der Kasusmarkierung und nur 15% eine unterschiedliche (Handschuh 2017: 497-498). Die westgermanischen Dialekte, die nur noch Flexion am Namen (insbes. jene ohne onymischen Artikel) erhalten haben, stellen also im makrotypologischen Vergleich eine Minorität dar. Noch seltener (in Handschuhs Sample zwei Sprachen) ist der Fall, dass sich die Kasusmarkierung der beiden untersuchten Typen zwar formal nicht unterscheidet, aber von anderen Bedingungen (Belebtheit, Ergativität) abhängt (vgl. Handschuh 2017: 494-496). Wir müssen insgesamt feststellen, dass die spezielle Grammatik von Eigennamen bislang vor allem im Rahmen einer eurozentrischen Linguistik behandelt wurde. Im Folgenden wird der generelle Rahmen für die Auswahl und den Umgang mit den empirischen Daten in Teilen 2 und 3 dieser Arbeit vorgestellt. 38 Handschuh (2017: 497) identifiziert eine areale Beschränkung dieses Musters auf Sprachen Afrikas und Südostasiens. 114 <?page no="115"?> 4 Methodischer und theoretischer Rahmen 4.1 Strukturalistische Dialektologie als diachrone Dialektologie Dialekte gelten als ideales linguistisches Testlabor, denn sie erlauben „a kind of micro-study in depth of data that are homogeneous enough to be cohesive, but also heterogeneous enough to be interesting and revealing“ (Moulton 1968: 461). Diesen Vorteil macht sich die strukturalistische Dialektologie zu Nutze. Die von U. Weinreich (1954) vertretene strukturalistische Dialektologie versteht grammatische Variation im Raum als Repräsentation von Sprachwandel. Diesen Gedanken, dass diatopische Variation diachronen Wandel abbildet, finden wir bereits bei Schirmunski (1930: 113) in Bezug auf Sprachinseln und im Wellenmodell von Schmidt (1872: 27-28). Die strukturalistische Dialektologie (SD) ist die Symbiose aus strukturalistischer Systemlinguistik („un système où tout se tient“ Meillet 1903: 407)³⁹ und (geographischer) Soziolinguistik sprachlicher Subsysteme, sogenannter „Diasysteme“ (U. Weinreich 1954: 390). Ziel der SD ist es, mit der Beschreibung von Unterschieden im Inventar und Unterschieden in der Verteilung interne und externe Variation für die Erklärung von Sprachwandelprozessen gleichermaßen zu berücksichtigen (vgl. U. Weinreich 1954: 393). Unter dem Begriff Diasystem subsumieren sich Systeme, die strukturelle Gemeinsamkeiten teilen. U. Weinreich (1954: 390) definiert SD als „the study of partial similarities and differences between systems and of the structural consequences thereof“. Im Unterschied zur klassischen Dialektologie, die vor allem Unterschiede (Isoglossen) ohne systemischen Bezug in den Fokus nimmt, werden Ähnlichkeiten von der SD als ebenso wichtig erachtet. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen SD und der klassischen Dialektologie ist die von der SD vorgenommene klare Trennung von Form und Funk- 39 Zur Genese dieses Zitats siehe Koerner (1999: 183-200). <?page no="116"?> 4 Methodischer und theoretischer Rahmen tion. Während die klassische Dialektologie beschreibt, wie eine Struktur X an den Orten A und B aussieht, beschreibt die SD, welche Funktion eine Struktur X in einem jeweiligen System hat (Moulton 1968: 453; U. Weinreich 1954: 392-93). Sprachwandel und Variation sind im Sinne der SD nur durch die Aufrechterhaltung der Dichotomie von Synchronie und Diachronie erklärbar (U. Weinreich 1954: 389); ein Axiom, das nicht alle dialektologischen und linguistischen Ansätze teilen (vgl. U. Weinreich, Labov & Herzog 1968: 100). Für die SD entscheidend ist die Trennung zwischen Variation (≈ Synchronie) und Wandel (≈ Diachronie). Variation ist „change in progress“ (Seiler 2018: 90), der synchron durch Sprecherkontakt (≈ externalized-language/ E-language; Chomsky 1986) ausgelöst wird und diachron zu Änderungen in den einzelnen Sprechergrammatiken (≈ internalized-language/ I-language; Chomsky 1986) (je nach Intensität und Struktur der Variablen) führen kann. Seiler (2018: 91) bezeichnet diesen Mechanismus zwischen E- und I-Language „feedbacking process“ (für weitere Hintergründe zum Sprachwandelmodell der SD siehe Schäfer 2021). Wie unter anderem Bucheli Berger, Glaser & Seiler (2012) und Schäfer (2021) zeigen, helfen strukturalistische Prinzipien und Methoden diachrone Wandelprozesse im Raum als Diffusion von Varianten sichtbar zu machen. Wenig elegant an der SD ist, dass die Bestimmung von systemrelevanten Variablen es nötig macht, hinter die leicht einzufangende Formseite von Variation zu blicken. Dies hat zur Folge, dass der Einfluss so vieler verschiedener Faktoren wie möglich geprüft werden muss, was wiederum die einzelnen Analyseschritte enorm ausweitet. Welche Faktoren untersucht werden können ist stark davon abhängig was das bestehende Material zu den jeweiligen Varietäten hergibt. Die vorliegende Arbeit verfolgt in Abschnitt 6 das Ziel, die zentralen Faktoren, die Flexionswandel in den untersuchten kontinentalwestgermanischen Dialekten beeinflussen, im Spiegel systemischer Variation zu beschreiben, um damit diatopische Systeme zu identifizieren, anhand derer sich diachrone Prozesse modellieren lassen. Die in diesem Sinne zu setzenden Axiome sind: A1: Es gilt zwischen Variation (≈ Synchronie) und Wandel (≈ Diachronie) zu unterschieden. A2: Variation ist ein Produkt von Wandel und kann wiederum weiteren Wandel auslösen. A3: Der geographische Raum spiegelt Variation wider. 116 <?page no="117"?> 4.1 Strukturalistische Dialektologie als diachrone Dialektologie Der strukturalistische Grundsatz vom Ineinandergreifen verschiedener systemischer Ebenen ist ein Ansatz, der in der funktionalistisch geprägten Linguistik einen eher störenden Faktor darstellt, da er eine, einer klaren Form-Funktion- Korrespondenz nicht zuträgliche, Unschärfe mit sich bringt. Die nachfolgende Datenanalyse setzt sich zum Ziel, das Phänomen der Substantivflexion an Eigennamen (inkl. Verwandtschaftsbezeichnungen) in den kontinentalwestgermanischen Dialekten so breit wie möglich in seiner Interaktion mit unterschiedlichen morphologischen, syntaktischen, semantischen und phonologischen Faktoren zu erfassen. Die daraus resultierende differenzierte Beschreibung verfolgt kein eigenes theoretisches Framework, sondern nutzt - und testet damit - bestehende Analysewerkzeuge eklektisch. Zu jedem identifizierten sprachlichen System wird ein tabellarisches Schema erstellt, das die Verortung des jeweiligen Systems bezüglich der behandelten Faktoren auf einer graduellen Skala zusammenfasst. Durch diese Simplifizierung werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der einzelnen Systeme deutlich. Im folgenden Abschnitt wird diese Methode näher vorgestellt. 117 <?page no="118"?> 4 Methodischer und theoretischer Rahmen 4.2 Multifaktorielle Analyse und Synthese Der grundlegende strukturalistische Ansatz eines „système où tout se tient“ (Meillet 1903: 407) verlangt eine besondere multifaktorielle Analyse und vor allem eine Synthese der einzelnen identifizierten, interagierenden Faktoren. Die Identifikation der einzelnen Faktoren geschieht sowohl top-down als auch bottom-up: ein Großteil der getesteten Einflussfaktoren konnte bereits im Forschungsüberblick identifiziert werden, wie z.B. die X- und DEF-Feldbesetzung, die Verwendung eines onymischen Artikels oder Belebtheit. Andere Faktoren werden erst durch die genaue Analyse der Daten deutlich, wie z.B. Genus- und Numeruseffekte. Der Ansatz ist also eine Synthese aus theoretischen Vorüberlegungen, die sich an die Daten stellen, und aus Strukturen, die sich aus den Daten ergeben. Es ist anzunehmen, dass die Einflüsse der einzelnen Faktoren auf die Verwendung von Eigennamenflexion nicht immer klar, sondern mitunter graduell verlaufen. Um sowohl der Multifaktorialität als auch der Gradualität des untersuchten Phänomens Rechnung zu tragen, werden die Befunde zu jedem einzelnen Datensatz bzw. jeder einzelnen Varietät der Übersichtlichkeit halber vereinfachend in Systemtabellen zusammengefasst, wie in Tabelle 4.1 musterhaft dargestellt. Die Gradualität wird über vier Stufen ( = Spalten) abgebildet, die Abschwächungen der beiden Pole erlauben, wie z.B.: kein onymischer Artikel -- selten onymischer Artikel -- häufig onymischer Artikel - immer onymischer Artikel. Auf diese Weise werden die strukturellen Unterschiede zwischen den einzelnen Varietäten betont. kein onymischer Artikel l l onymischer Artikel keine Flexion besetztes DEF-Feld l Flexion besetztes DEF-Feld Flexion mit reduziertem Artikel l Flexion mit Artikel Vollform keine Flexion bei besetztem X-Feld l Flexion bei besetztem X-Feld kein Genuseffekt l Genuseffekt Numeruseffekt l kein Numeruseffekt kein Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) l Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) keine Flexion mit PDM l Flexion mit PDM Suffix auch im Nom. l auf Dat./ Akk. beschränkt keine diatopische Variation l starke diatopische Variation Flexion konsequent l Flexion inkonsequent Tab. 4.1: Musterdarstellung einer Systemtabelle zu Faktoren der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen 118 <?page no="119"?> 4.3 Datengrundlage 4.3 Datengrundlage Die Datengrundlage für die Analysen der Dialekte des 19. und 20. Jahrhunderts stammen, mit Ausnahme der Mundartliteratur zweier Autoren, von dialektologischen Erhebungen. Diese sind: 1. Dialektübersetzungen des Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk. 11-32) - Deutsches Sprachgebiet: Radlof (1817) - Schweiz: Stalder (1819) - Niederländisches und niederdeutsches Sprachgebiet: Winkler (1874) - weitere einzelne niederländische und niederdeutsche Übersetzungen: Bakker & Kruijsen (2007) - einzelne Friesische Übersetzungen in der Edition von J. Hoekstra (2009) 2. Daten aus Atlasprojekten - Deutsches und niederländisches Sprachgebiet (vorwiegend): Dialekterhebungen Georg Wenkers daran anschließende Erhebungen (1887- 1941) - Ostjiddisch und Elsässer Westjiddisch: Language and Culture Archive of Ashkenazic Jewry (LCAAJ) - Schweizer Alemannisch: Sprachatlas der deutschen Schweiz (SDS), Syntaktischer Atlas der Deutschen Schweiz (SADS) - Ostoberdeutsch: Bayerische Dialektdatenbank (BayDat) - Niederländisch: Vragenlijst No. 12a (1943) 3. Dialektliteratur - Berner Alemannisch: Sagen und Märchen aus Sooder (1943 [1984]) - Nordfriesisch: Mundartliteratur von M. M. Nissen - Niederdeutsch (Sauerländisch): Mundartliteratur von F. W. Grimme Diese Auswahl an Datenquellen ist vor allem vor dem Ziel entstanden, sowohl Überblicksdaten zur arealen Verbreitung von Eigennamenflexion, als auch feinskalierte Daten zu den einzelnen möglichen steuernden Faktoren zu gewinnen. So 119 <?page no="120"?> 4 Methodischer und theoretischer Rahmen dienen etwa die Übersetzungen von Lk. 11-32 und die Daten der Wenkererhebungen vor allem dem Zweck, einen groben arealen Überblick zu gewinnen, in welchen Dialektregionen im 19. Jahrhundert Eigennamenflexion (insbes. an Verwandtschaftsbezeichnungen) noch im Gebrauch war. Die jüngeren, areal kleinräumigeren, aber von den Kontexten umfangreicheren Erhebungen der in der BayDat versammelten Atlasprojekte, der Vragenlijst 12a oder des SDS und LCAAJ liefern hingegen Einblicke in die strukturellen Bedingungen onymischer Flexion. Methodologisch bauen diese Erhebungen z.T. aufeinander auf,⁴⁰ vereinen aber auch die gesamte Vielfalt dialektologischer Feldarbeit des 19. und 20. Jahrhunderts. Alle diese Erhebungen bedienen sich des Fragetyps der Übersetzungsaufgabe von einem Standard in den Ortsdialekt der einzelnen Informant: innen. Mit der Auswertung der Daten solcher Übersetzungsaufgaben, die selbstverständlich sowohl Vorals auch Nachteile mit sich bringen, ist zunächst einmal eine gewisse Vergleichbarkeit gegeben. Auch mit dem besonderen Fokus auf Verwandtschaftsbezeichnungen, als unter dem Gesichtspunkt der Belebtheit geeichte Sonderklasse an der Grenze zwischen Name und Appelativum, soll eine Vergleichbarkeit der Daten geschaffen werden. Um einen Gesamtüberblick zur erhaltenen Substantivflexion insbesondere der mit der onymischen Flexion verwandten Maskulina zu erlangen, werden - sofern möglich --auch Appellativa einbezogen. Ein weiterer Fokus liegt auf Akkusativ-, Dativ- und Nominativ-Kontexten. Nur kursorisch behandelt werden Genitivbzw. Possessiv-Kontexte, da zum einen der adverbiale und adnominale Genitiv in den behandelten Varietäten nur noch relikthaft vorliegt und zum anderen, da in den deutschen und niederländischen Varietäten eine Interferenz mit den Standardsprachen, die in dieser Position -s- Flexion bewahrt haben, das Bild stören kann. Die Erhebung von Daten gegenwärtiger Sprecher: innen, wie sie in Teil 3 vorgestellt werden, liefern zum einen einen kurzzeitdiachronen Blick auf den Erhalt bzw. Abbau onymischer Flexion, zum anderen aber sollen sie auch Lücken zu speziellen Kontexten füllen, um ein klareres Bild von den Strukturen in den einzelnen Dialekten zu gewinnen. 40 So bauen z.B. Radlof (1817), Stalder (1819) und Winkler (1874) sowohl aufeinander als auch insbesondere auf die Erhebung von Coquebert de Montbret auf oder das LCAAJ- Projekt orientierte sich an Erfahrungen des SDS. 120 <?page no="121"?> Teil II Onymische Flexion in Dialekten des 19. und 20. Jahrhunderts <?page no="123"?> 5 Aufbau und Vorgehen Im ersten Teil konnten bereits einige moderne westgermanische Varietäten identifiziert werden, in denen Eigennamenflexion im Unterschied zu den (meisten) Standardsprachen produktiv ist. In diesem Teil geht es nun darum, die einzelnen Systeme zu beschreiben und hinsichtlich der potenziellen semantischen und syntaktischen Steuerungsfaktoren empirisch zu testen und zu beschreiben. Wie bereits die Dialektwörterbücher (vgl. Abbildung 3.5, S. 99) andeuten, ist Eigennamenflexion in deutlich mehr mittel- und oberdeutschen Dialekten des 19. und 20. Jahrhunderts vital, als es jüngere Arbeiten vermuten lassen (vgl. Ackermann 2020; Ackermann 2018). Die hier untersuchten Dialekte sind die Varietäten, zu denen die meisten und besten Daten für die vorliegende Untersuchung verfügbar waren und in denen noch heute Flexion vereinzelt vorliegt. Verstreute Hinweise, insbesondere in Dialektgrammatiken, ermöglichen zwar eine areale Bestimmung, wo Eigennamenflexion im 20. Jahrhundert noch vital und (für die jeweiligen Grammatiker) salient war, geben aber nur wenig Auskunft über syntaktische und semantische Bedingungen. Die im Folgenden untersuchten Datensätze von Dialektatlanten und Großraumerhebungen decken, wie sich zeigen wird, nur ein recht kleines Set an Kontexten ab, stellen aber zumindest genügend relevante Bedingungen bereit, um erste Hypothesen zu den grammatischen Strukturen zu formulieren. Die vorliegende Auswertung zu Dialekten des Jiddischen, (Ober-)deutschen, Niederländischen und Nordfriesischen liefert einen ersten Einblick in einzelne dialektale Systeme von Eigennamenflexion und darüber, welche semantischen und syntaktischen Faktoren diese bedingen und steuern. Wir nähern uns im Folgenden der Eigennamenflexion in den westgermanischen Dialekten vom Osten des Sprachgebiets her und beginnen mit einem detaillierten Blick auf die Situation in den ostjiddischen Dialekten des 20. Jahrhunderts. Den Anfang machen dabei die Ergebnisse zu den jiddischen Dialekten des 20. Jahrhunderts, weil hier die Datengrundlage besonders gut ist und besonders viele Einzelfaktoren getestet werden können. <?page no="125"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Die einzige westgermanische Standardsprache, die onymische Flexion präskriptiv vorschreibt, ist die jiddische. Auch wenn sich natürlich nie von einer Standardsprache auf die Situation in den Dialekten Rückschlüsse ziehen lassen, so können wir zumindest annehmen, dass durch die Existenz von Eigennamenflexion im jiddischen Standard diese in den Dialekten nicht als minderwertig abgelehnt wurde, wie es z.B. im Deutschen passiert ist. Daher überrascht es nicht, dass onymische Flexion in den jiddischen Dialekten möglicherweise noch weiter verbreitet ist als in anderen westgermanischen Dialekten. Da jiddische Varietäten bisher von der germanistischen Variationslinguistik nur wenig Beachtung gefunden haben und Grundlagen zum Forschungsstand der jiddischen Dialektologie nicht vorausgesetzt werden können, ist es nötig relativ ausführlich auf die Quellenlage und mögliche Zugänge einzugehen (Abschnitt 6.1). Daran anschließend werden detaillierte Analysen zur erhaltenen Kasusflexion in ostjiddischen Dialekten im frühen 20. Jahrhundert vorgelegt (Abschnitte 6.2-6.5.11), die es ermöglichen Rückschlüsse auf die Diachronie des Ostjiddischen vorzunehmen (Abschnitt 6.5.12). <?page no="126"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten 6.1 Quellenlage und Möglichkeiten eines empirischen Zugangs Trotz erster Ansätze zum Aufbau diachroner Korpora zum Jiddischen (vgl. Lühr 2014; Santorini 1989) besteht keine repräsentative Datengrundlage, anhand derer sich Flexionswandel in der Sprachgeschichte des Jiddischen nachzeichnen ließe.⁴¹ Dies hängt nicht nur damit zusammen, dass der jiddischen Sprachgeschichte innerhalb der (germanistischen) Linguistik ein nur sehr geringes Interesse zuteil wird, sondern auch mit der Überlieferungssituation: jiddische Druckerzeugnisse und selbst Handschriften orientieren sich bis ins 19. Jahrhundert noch stark an deutschen Schreibvarietäten (vgl. Kerler 1999). Ein repräsentatives und authentisches Korpus konzeptionell mündlicher Varietäten aufzubauen, ist noch immer ein Desiderat und verlangt vor allem einen quellensensitiven Umgang. Im Ansatz der Strukturalistischen Dialektologie gibt es aber die Möglichkeit, über Umwege historische Prozesse anhand synchroner Daten nachzuzeichnen. Der synchrone Blick auf die Diffusion sprachlicher Varianten im Raum ist nicht nur Ausdruck interagierender sprachlicher Systeme (= Sprecher), sondern auch ein Querschnitt in die (Kurzzeit-)Diachronie eines Diasystems (vgl. Schäfer 2021). Die alten jiddischen Dialekte Zentraleuropas als „the largest European speech area next to Russian“ (U. Weinreich 1962: 13-17) diffundieren im Raum und bilden damit Sprachwandelprozesse synchron ab. Bisher wurde weder die semantische noch die morphosyntaktische Variation der onymischen Flexion im Jiddischen (ob nun diachron oder synchron) näher untersucht; entsprechend liegen auch keine Arbeiten zur Variation der onymischen Flexion in den jiddischen Dialekten vor. Dies liegt sowohl an der Größe des Faches (die Linguistik ist innerhalb der Jiddistik eine Minorität) als auch an der schweren Zugänglichkeit von Daten. Mit der Digitalisierung der Fieldnotes aus Uriel Weinreichs Großprojekt, dem Language and Culture Archive of Ashken- 41 Eine Analyse am Material des Korpus von Beatrice Santorini ergab, dass Appellativa, Eigennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen in Dativ- oder Akkusativ-Kontexten in diesem Korpus äußerst niedrigfrequent belegt sind. So finden sich z.B. im Dativ nur in zehn Texten (von insgesamt 103) Evidenz für ‚schwache‘ Maskulina und in nur drei Texten Belege für maskuline Verwandtschaftsbezeichnungen. Das Korpus besteht aus 103 sehr verschiedenen west- und ostjiddischen Texten (Protokolle, Briefe, Literatur) aus dem Zeitraum 1462-1993 (vgl. Santorini 1989). 126 <?page no="127"?> 6.1 Quellenlage und Möglichkeiten eines empirischen Zugangs azic Jewry (LCAAJ) durch die Columbia University Libraries im Jahr 2018 (https: / / dlc.library.columbia.edu/ lcaaj, letzter Zugriff 13. August 2021) ist das größte Datenset zu den historischen jiddischen Dialekten in Zentraleuropa verfügbar gemacht worden. Mit diesem Material arbeitet die folgende Analyse. Das LCAAJ-Projekt basiert auf Interviews mit 759 aschkenasischen Jüdinnen und Juden, die sich an einem 3.245 Fragen umfassenden Fragebogen orientierten und zwischen 1959 und 1972 vor allem in New York durchgeführt wurden. Personenbezogene Daten wurden (nicht immer vollständig) von 663 Informant: innen separat erhoben und mir von den Columbia University Libraries zur Verfügung gestellt. Diese Daten geben einen Einblick in die Sprach- und Lebenssituation der Informant: innen und die Veränderungen, die ihre Sprachsituation erfahren hat. Die Informant: innen wurden - abgesehen von drei in Palästina geborenen - um 1900 in Europa geboren (vgl. Abbildung 6.1),⁴² sind überwiegend bereits in den 1920ern ausgewandert und waren zum Zeitpunkt der Befragung im Durchschnitt 68 Jahre alt (Standardabweichung 𝜎 11,5 Jahre). 45,1% (299) der Befragten werden als weiblich und 54,9% (364) als männlich gelistet.⁴³ Wir haben es hier also nicht mit einer klassischen Dialekterhebung zu tun, die v.a. sesshafte, ältere Menschen befragt, sondern mit einer mobilen Gruppe von Sprecher: innen, die schon mehrere Jahrzehnte nicht mehr im alten Sprachraum lebten. Dadurch mag eine zeitliche und räumliche Unschärfe in den erhobenen Daten liegen. Die Auswertungen des Materials, die klare raumbezogene Muster der alten Dialekträume in Zentraleuropa widerspiegeln, sprechen allerdings dafür, dass die Sprecher: innen trotz hoher Mobilität und Multilingualität den Heimatdialekt bewahrt haben (vgl. z.B. Herzog et al. 1992; Herzog et al. 1995; Herzog et al. 2000). Da im westjiddischen Dialektraum nur noch bei Sprecher: innen aus dem Elsass, der Schweiz und einem südbadischen Ort (Gailingen am Hochrhein) eine Kompetenz in einer jiddischen Varietät zu erwarten war, wurde dort ein stark 42 Zur besseren räumlichen Orientierung sind in dieser und allen folgenden Karten die aktuellen politischen Grenzen eingezeichnet, obwohl diese für die Daten keine (unmittelbare) Relevanz besitzen. 43 Das Ungleichgewicht der Sexusverteilung spiegelt sich nicht gravierend im geographischen Raum wider; nur in wenigen Regionen (Rumänien, Elsass) überwiegen männliche Informanten und seltener weibliche Informantinnen (östl. Polen, süd-ostl. Belarus) (vgl. Abbildung 6.38). 127 <?page no="128"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten gekürzter Fragebogen verwendet, der vor allem auf lexikalische und kulturelle Fragestellungen Bezug nimmt. Bei Sprecher: innen aus dem Elsass aber kam der umfangreiche Fragebogen, wie er für Informant: innen aus dem Osten verwendet wurde, zum Einsatz. So gibt es wenigstens einen kleinen Vergleichspunkt in dem Material zwischen ost- und westjiddischen Dialekten. Leider wurden allerdings nicht alle Fragen gleichmäßig erhoben; manche Fragen wurden z.B. nur Sprecher: innen aus dem Südosten gestellt. Solcher Lücken ungeachtet ist die Erhebung des LCAAJ trotzdem das großflächigste Datenset der jiddischen Dialekte Europas. Die Interviews wurden auf Tonband aufgenommen und gleichzeitig wurde das Antwortverhalten der Gewährspersonen auf Vordrucken schriftlich festgehalten. Die Interviewer: innen, zumeist Student: innen und Doktorand: innen Weinreichs, verwendeten dabei ein einheitliches Transkriptionssystem. Diese Transkription ist, wie (37a) exemplarisch verdeutlicht, nicht leser: innenfreundlich. Aus diesem Grund werden Beispiele aus den Fieldnotes in einer angepassten und vereinfachten Form, wie sie Tabelle 6.1⁴⁴ zeigt und Beispiel (37b) illustriert, wiedergegeben. (37) a. VEN1SK81NTOTG81BROXN OT1Z3XBARIJ1KT ‘nachdem das Kind gebrochen hatte, beruhigte es sich’ (51225A Lubartów, Poland) b. ven is kint ot gibroxn ot izex barijikt ‘nachdem das Kind gebrochen hatte, hat es sich beruhigt’ (51225A Lubartów, Poland) Die Transliteration der Fieldnotes ist für die syntaktische und morphologische Auswertung ausreichend akkurat an den Antworten der Informant: innen. Ein Problem der Fieldnotes sind Worttrennungen und Pausen. In vielen Fällen sind diese gar nicht angegeben oder Interpretationssache. Für die folgenden aus den Fieldnotes gewählten Beispiele wurden Dokumente mit leicht erkennbaren Trennungen gewählt oder nach bestem Wissen und Gewissen Worttrennungen vorgenommen (vgl. 37a und 37b). Daten aus standardjiddischen Quellen werden im 44 Weitere, in Tabelle 6.1 nicht gelistete Sonderzeichen der LCAAJ-Fieldnotes, wie z.B. 92, 94, 95, 2, 4, 5, 7, 8, <,>, <„> (= weitere Längen- und Betonungszeichen), werden nicht transliteriert. 128 <?page no="129"?> 6.1 Quellenlage und Möglichkeiten eines empirischen Zugangs gängigen System des Yidisher Visnshaftlekher Institut (YIVO) dargestellt (vgl. M. Weinreich 1968: xxi). Abb. 6.1: Geburtsorte der LCAAJ-Informant: innen Während die Tonaufnahmen bisher nur in Teilen digitalisiert und transliteriert wurden, haben die Columbia University Libraries die Fieldnotes vollständig digitalisiert und seit 2018 online verfügbar gemacht.⁴⁵ Die im Folgenden genannten Belegzahlen - auf denen auch die nachfolgenden Kartierungen aufbauen - beziehen sich immer nur auf die in den Fieldnotes erstgenannte Form; alternative Nennungen bzw. als nachträglich erkennbare Ergänzungen (z.B. durch abweichende Schrift/ Schreibmittel) werden nicht berücksichtigt. Linguistisch besonders interessant sind Übersetzungsaufgaben ganzer Phrasen. Diese Phrasen wurden in 63% der Interviews auf Englisch präsentiert. In 45 Die Tonaufnahmen sind über http: / / eydes.de (ältere Digitalisierung) und https: / / findingaids.library.columbia.edu/ ead/ nnc-rb/ ldpd_4079907/ dsc/ 9 (jüngere Digitalisierung) und die Fieldnotes unter https: / / dlc.library.columbia.edu/ lcaaj verfügbar (letzter Zugriff 11. November 2021). 129 <?page no="130"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten weiteren 24% (123 Interviews) wurde der zu übersetzende Satz auf Deutsch präsentiert (dies betrifft insbes. die westjiddischen Interviews), in 8% (48) wurde aus dem Hebräischen übersetzt, in jeweils 2% (12) aus dem Ungarischen, Rumänischen und Standardjiddischen; nur wenige Interviews wurden auf Französisch (8) und Spanisch (5) geführt.⁴⁶ Von den Übersetzungsaufgaben gibt es im Fragebuch über 400. Sie liefern so ein Parallelkorpus, dessen Potenzial für grammatikalische Auswertungen bisher kaum genutzt wurde. Es ist kein Zufall, dass das LCAAJ-Projekt ähnlich verfährt wie europäische Dialektatlasprojekte des frühen 20. Jahrhunderts; insbesondere der SDS, den Weinreich spätestens in seinem einjährigen Aufenthalt 1949/ 50 in Zürich näher kennenlernte, beeinflusste die Methode des LCAAJ (Abschnitt 7.2.2, S. 233).⁴⁷ Im Questionnaire des LCAAJ liegen 14 relevante Übersetzungsaufgaben vor, von denen in drei Fällen Personennamen und in zehn Fällen Verwandtschaftsbezeichnungen im Dativ (7), Akkusativ (1) oder Possessiv (3) im Singular auftreten. In zwei weiteren Übersetzungsaufgaben liegt ein Objektkasus der laut Katz (1987: 97) optional flektierbaren Lexeme jid ‘Jude (m./ f.), allgem. Mensch’ und mentsh ‘Mann, Mensch’ vor. Es handelt sich dabei immer um Singularkontexte; Plurale liegen keine vor. Die Auswertung der Fieldnotes zu den einzelnen Sätzen erfolgt zunächst gebündelt nach Kasus (Akk./ Dat. vs. Possessiv). Alle 14 Fragen sind Übersetzungsaufgaben. Die für die vorliegende Analyse untersuchten LCAAJ-Fragen, gelistet nach ihrem Auftreten im Questionnaire sind: 009-060⁴⁸ this Jew I knew well, Appellativum Dat. mask. 009-080 we never go to visit this man, Appellativum Akk. mask. 017-090 he told Samuel a secret, Personenname Dat. mask. 46 Diese Zahlen basieren auf Hörproben der unter http: / / www.eydes.de/ [letzter Aufruf 26. November 2019] zur Verfügung gestellten Tonaufnahmen von 602 Interviews. 47 Für weitere Informationen bzw. morphosyntaktische Arbeiten zum Material der Fieldnotes siehe u.a. Schäfer (2019), Schäfer (2020c), Schäfer (2020a) & Schäfer (2021). 48 Diese Zahlen lesen sich wie folgt: die ersten drei Integer geben die Seitenzahl im Fragebuch an (hier Seite 9) und die zweite Reihe von dreistelligen Integer die Aufgabennummer an (hier 60). 130 <?page no="131"?> 6.1 Quellenlage und Möglichkeiten eines empirischen Zugangs 156-020 I lived with the old grandmother, Verwandt. Dat. fem. 156-030 the children love their grandmother, Verwandt. Akk. fem. 156-050 I lived with grandfather, Verwandt. Dat. mask. 156-060 I remember⁴⁹ the old grandmother, Verwandt. Akk./ Dat. fem. 156-070 I got a letter from father, Verwandt. Dat. mask. 157-020 the daughter resembles the mother, Verwandt. Prädikativ Dat. fem.⁵⁰ 157-070 she tells her mother, Verwandt. Dat. fem. 158-060 I used to help my father, Verwandt. Dat. mask. 159-100 Moyshe’s father-in-law, Personenname Poss. mask. 160-100 this is Mates’ brother, Personenname Poss. mask. 160-130 Moyshe is the poor sister’s/ aunt’s son, Verwandt. Poss. fem. Die Eigennamen im Material sind ausschließlich männliche Vornamen shloyme (< hebr.), moyshe (< hebr.) und matis/ mates (< germ./ slav. < lat.).⁵¹ Die zwei maskulinen Verwandtschaftsbezeichnungen sind tate ‘Vater’ (< schwaches Maskulinum im Mhd.) und zeyde ‘Großvater’ (< unklar, vermutl. slav. Ursprungs, vgl. poln. dziadek, tschech. dědeček, ukr. did ‘Großvater’). Die abgefragten Feminina im Akkusativ und Dativ sind mame ‘Mutter’ (< germ.) und bobe „Großmutter“ 49 Das Verb „erinnern“ wurde in elf Fällen mit derman übersetzt, in acht mit eriner und in 252 Fällen mit gedenk. In der nachfolgenden Analyse bleiben die 19 Übersetzungen mit derman und eriner unberücksichtigt. Das Verb gedenken ist im Jiddischen kein Genitivverb wie im Deutschen und fordert den Dativ. 50 In drei Belegen findet sich in diesem Satz der Nominativ vi di mome. Diese Belege werden im Folgenden nicht berücksichtigt. 51 Selten wird in den Übersetzungen von 017-090 statt ‘Samuel’ shimen ‘Simon’ übersetzt. Da bei dieser auf -n auslautende Namenform das Flexionssuffix mit dem Stamm verschmilzt, wurden diese Übersetzungen für die vorliegende Arbeit nicht berücksichtigt. Belege wie shimenen liegen keine vor. 131 <?page no="132"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten (< slav.); im Possessiv shvester ‘Schwester’ (< germ.) und mume/ tante ‘Tante’ (< dt. < franz.). Mit der Integration nicht-germanischer Lexeme in die Klasse der Verwandtschaftsbezeichnungen ( < mhd. -(e)r-Flexion) sehen wir deutlich, dass diese Klasse rein semantisch bedingt ist; formale Kriterien wie Genus oder phonetische Struktur spielen hier keine Rolle (zu den jiddischen Verwandtschaftsbezeichnungen siehe Timm 2002). In den Übersetzungen treten vereinzelt Varianten wie foter, papa, ete, ‘Vater’ oder muter, mama ‘Mutter’ auf, doch werden diese Nebenformen in die Analysen nicht weiter einbezogen, um eine homogene Stichprobe zu erhalten. Phonologische Varianten werden zu einem Funktionstyp zusammengefasst. Dabei verhalten sich die Nebenformen nicht anders als die „Leitformen“. Hinter diesen Nebenformen könnte sich eine lexikalische Unterscheidung zwischen Verwandtschaftsbezeichnung und Verwandtschaftsname verbergen; eine solche ist für das Jiddische bisher allerdings nicht beschrieben worden. In seinem Wörterbuch des Standardjiddischen listet M. Weinreich (1968) sowohl foter als auch muter als akzeptierte Nebenform den Verwandtschaftsbezeichnungen. M. Weinreich (1968) markiert diese Formen auch nicht als besonders daytshmerish, d.h. deutsch wirkende bzw. aus dem Deutschen entlehnte Formen (vgl. Krogh 2012). Im Folgenden wurden die genannten Formen als Verwandtschaftsbezeichnungen interpretiert, da die Situation des Interviews nicht informell genug ist, dass egonahe Verwandtschaftsnamen produziert werden; zumal die englischen Vorlagen nicht auf Verwandtschaftsnamen abzielen. Trotzdem lassen die Übersetzungsaufgaben mit Verwandtschaftsbezeichnungen der Gewährsperson einen gewissen Freiraum, diese als Verwandtschaftsbezeichnung oder als Verwandtschaftsname zu übersetzen. Nun stehen wir bei den jiddischen Dialekten des LCAAJ vor dem Problem, dass sich nicht mit Sicherheit sagen lässt, welches System das ältere und welches das jüngere ist. Gibt es eventuell noch Tendenzen, dass Kasusflexion aufgebaut wird oder können wir davon ausgehen, dass das (früh-)neuhochdeutsche System bzw. das standardjiddische System (s.o. Tabelle 3.10) der Ausgangspunkt ist, von dem - analog zu Entwicklungen im Neuhochdeutschen - Flexion abgebaut wird? Mit Gewissheit lässt sich dies erst anhand diachroner Datensets nachzeichnen; aus Mangel an Korpora wird im Folgenden angenommen, dass zunächst alle jiddi- 132 <?page no="133"?> 6.1 Quellenlage und Möglichkeiten eines empirischen Zugangs schen Dialekte das für das Standardjiddische beschriebene System zur Basis hatten, selbst wenn dieses Jiddisch auf keiner natürlichen Varietät fußt (und in den unterschiedlichen Grammatiken Variation aufweist). Die im Folgenden beschriebenen Entwicklungen beziehen sich damit nicht auf einen (gesicherten) historischen Sprachstand, sondern orientieren sich an einem präskriptiven, fiktiven System. Auf diese Weise lassen sich zwar Variation und Prozesse von Variation beschreiben, nicht aber, ob diese Prozesse Ab- oder Aufbaustufen darstellen. In dieser Arbeit wird der Standard der Grammatiker als Ausgangspunkt gesetzt, wohlwissend, dass alles, was als Abbau beschrieben wird, auch einen Erhalt älterer Formen repräsentieren kann. Dieses Problem haben wir auch bezüglich der deutschen Dialekte, da die Strukturen der historischen Dialekte nicht bekannt sind. Die folgenden Detailanalysen versammeln Daten zur Flexion mit Verwandtschaftsbezeichnungen, Rufnamen und ausgewählten Appellativa und diskutieren die potenziellen Einflussfaktoren Kasus, Genus, Numerus, Belebtheit, Definitheit, Individualität, DOM, Akzessibilität und Phonotaktik. Abschließend wird über einen geolinguistischen Zugang eine Modellierung zu multifaktoriellen diachronen Prozessen der jiddischen Eigennamenflexion vorgestellt. 133 <?page no="134"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Transkription LCAAJ Transliteration SEYD (vgl. Herzog et al. 1995: 20-24) (vgl. Schäfer 2020a: Tabelle 1) A a E, 3, 6 e I, 1 i U u O o AJ aj EJ ej OJ oj M m N, +, -, <N,> n P p T t K k B b D d G g F f S, S7, S78 s X x H h V v Z, Z7 z C, C7 ts L, 8, L5 l R r J j W w S+ š Z+ ž C+ č <.> , <..> Langvokale, z.B. aa, ee Tab. 6.1: Transkriptionssysteme LCAAJ- und SEYD-Projekt 134 <?page no="135"?> 6.2 Flexion im Possessiv bei Personennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen 6.2 Flexion im Possessiv bei Personennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen Im Gegenwartsdeutschen ist die Markierung des Possessivs als letzte Bastion der Eigennamenflexion ein grammatischer Zweifelsfall (Nübling 2012: 224). Im Standardjiddischen ist der Possessiv mit -s bei Personennamen und Appellativa hingegen noch sehr stabil (vgl. U. Weinreich 1999: 131). Laut Falkovič (1940: 180) ist der Possessiv im Jiddischen gänzlich auf belebte Entitäten beschränkt bzw. kann auch der Markierung von Animatheit dienen: a substantiv, vos batseykhnt nit keyn lebendik vezn, vert a posesiv gebildet in di folg, ven me vil es forshteln vi a lebendike zakh, ven me vil em perzonifitsirn. ‘Ein Substantiv, das kein lebendiges Wesen bezeichnet, wird dem zufolge als Possessiv gebildet, wenn man es sich als eine lebendige Sache vorstellen möchte, wenn man es personifizieren will.’ (Falkovič 1940: 180) Ein Beispiel für eine solche Personifizierung gibt er in Falkovič (1984): (38) hert sikh ayn inem walds shtiln geroysh ‘hört dem stillen Geräusch des Waldes aufmerksam zu’ (Falkovič 1984: 683) Diese Funktionalisierung, die Falkovič (1940: 180) hier beschreibt, ist mit den Materialien des LCAAJ nicht testbar. Generell konnte possessive s-Flexion nur an den behandelten Sätzen mit Personenname und Verwandtschaftsbezeichnungen festgestellt werden; in anderen Fällen wird der Possessiv mittels fun ‘von’ analytisch gebildet. Die standardjiddischen Grammatiken und die Dialekte scheinen sich hier nicht zu entsprechen. In den drei Übersetzungsaufgaben mit Personennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen des LCAAJ überwiegt die Setzung der s-Flexion deutlich gegenüber der Nullflexion (vgl. Diagramm in Abbildung 6.2). Das sprachgeschichtlich junge und expansive Genitiv-s ist demnach in den jiddischen Dialekten im Bereich der Personennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen also durchaus stabil. Trotzdem weisen die Daten zum Possessiv Schwankungen auf, die erklärt werden müssen. 135 <?page no="136"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten In wenigen Fällen (insgesamt 42 Belegen) tritt in diesen Kontexten eine den Dativ fordernde Possessivkonstruktion mit fun auf. Interessanterweise fordert diese jedoch im Kontext mit Personennamen (Mate) nur in zwei Fällen die zu erwartende Dativendung -n; in den Übersetzungen mit den femininen Verwandtschaftstermini (sister’s/ aunt’s) erscheint keine Flexion, was bei den Personennamen vor allem für die westjiddischen Dialekte typisch ist (vgl. Abbildung 6.3). Das Doppelsuffix -(e)ns tritt ausschließlich in sechs Belegen in Satz 160-100, im Kontext mit Personennamen, auf. Auch im Gegenwartsdeutschen ist dieses Suffix stark rückläufig; laut Nübling (2012: 231-232) liegt dies daran, dass der Namenkörper damit geschont wird, was wiederum der Monoreferentialität (bzw. Schemakonstanz) von Personennamen zugutekommt.⁵² Klare Kasusmarkierung findet sich im auf -s auslautenden Namen (matis/ mates) in 137 Belegen durch ein epenthetisches Schwa (matises/ mateses) angezeigt. Im Standarddeutschen sind solche Bildungen bei auslautendem -s im Zuge des onymischen Flexionswandels bereits völlig abgebaut worden (Nübling 2012: 238). Im Vergleich zum Gegenwartsdeutschen zeigen diese Belege, dass in den jiddischen Dialekten die ‚Schonung des Namenkörpers‘ nicht so weit fortgeschritten ist wie im deutschen Standard. Allerdings finden sich in Satz 160-100 auch 108 Fälle, in denen keine klare Markierung zu erkennen ist (matis/ mates), also wie im Standarddeutschen auslautendes -s und onymisches Possessiv -s fusioniert sind. Die Annahme, dass hier nicht einfach auf Flexion verzichtet wurde, sondern diese mit dem Auslaut zusammen gefallen ist, wird damit bestärkt, dass in diesem Satz 20% seltener eindeutig der Possessiv markiert wird.⁵³ Die Vorgabe des Satzes 160-130 Moyshe is the poor sister’s/ aunt’s son schwankt zwischen der Variante mit ‘Tante’ (131 Belege)⁵⁴ und mit ‘Schwester’ (163). Es gibt keine regionalen Präferenzen der Interviewer, welche Variante abgefragt wurde. Da beide Lexeme strukturell nicht identisch sind, werden die Lexeme im Dia- 52 Im Gegenwartsdeutschen ist das Doppelsuffix vor allem bei Einsilbern noch vital (Nübling 2012: 231, 233). 53 In Satz 160-100 gibt es 147 Belege (57%) mit klarer Possessivmarkierung; dem stehen 200 Belege (77%) in Satz 159-100 und 196 Belege (66,89%) in Satz 160-130 gegenüber. 54 Diese 131 Belege teilen sich auf in 118 mit der älteren Form mume und 13 mit der innovativeren tante. Während mume im gesamten Sprachgebiet auftritt, ist tante auf die ostjiddischen Randgebiete (insbes. Kurische Nehrung und Rumänien) beschränkt. 136 <?page no="137"?> 6.2 Flexion im Possessiv bei Personennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen gramm in Abbildung 6.5 sowohl getrennt als auch zusammengeführt dargestellt. Wir stellen fest, dass ‘Schwester’ gegenüber ‘Tante’ deutlich häufiger Flexion aufweist, diese Verteilung ist statistisch hoch signifikant, mit allerdings nur leichter Effektstärke (p < 0.009; Cramer’s V = 0.16).⁵⁵ Dies ließe sich als ein Belebtheitseffekt interpretieren: Die Schwester steht dem Ego näher als die Tante und wird daher häufiger flektiert. Ebenso wichtig aber ist, dass tante/ mume anders als shvester nicht zur ursprünglichen -(e)r Klasse gehört und möglicherweise nicht in allen jiddischen Dialekten in diese integriert wurde. Die Übersetzungen von Satz 160-130 sind insofern erstaunlich, als dass wir hier einen Kontext haben, in dem die Possessivendung prinzipiell mit dem Anlaut in zun/ zin ‘Sohn’ verschmelzen kann, insbesondere in der gesprochenen Sprache. Gleiches gilt für den Kontext in 159-100, wo matis/ mates auf shver ‘Schwiegervater’-trifft. Dass so viele Informat: innen trotzdem ein klar identifizierbares, abgegrenztes Kasussuffix produziert haben, ist bemerkenswert. Auf der anderen Seite sind die Belege ohne klar identifizierbares⁵⁶ Possessiv-s nicht zwangsläufig Indizien für den Abbau von Kasus, sondern können hier auch Fälle von Assimilation an das nächste Wort darstellen. Ein Einfluss des Englischen ist bei den Übersetzungen grundsätzlich nicht auszuschließen, doch ist dieser nach bisherigen Erfahrungen mit dem Material sehr gering. Generell findet sich in den Interviews in nur äußerst seltenen Fällen Evidenz für Codemixing. Trotzdem besteht die Möglichkeit, dass Informant: innen, die keine Englisch- Muttersprachler waren, das Genitiv -s als Plural -s reanalysiert haben und hier Belege für den Possessiv im Plural vorliegen. Allerdings macht der Satz Moyshe is 55 Die vorliegende Arbeit verwendet den Chi-Quadrat-Test mit Yates-Korrektur für Kontinuität, da der p-Wert dadurch stabiler wird. Der p-Wert ohne Yates-Korrektur ist in der Regel immer etwas geringer und fördert damit voreilige Schlüsse über die statistische Signifikanz. Da der p-Wert allein wenig über diese Signifikanz aussagt, wird auch immer die Effektstärke (Cramer’s V) angegeben. Je näher dieser Wert, der immer zwischen 0 und +1 liegt, an +1 kommt, umso stärker ist der statistische Effekt. 56 Ein Problem der Fieldnotes stellt die Identifizierung von Wort- und Silbengrenzen dar, da in der Regel die Großbuchstaben der Transkription sehr eng stehen und Grenzen nicht eigens markiert wurden (auch nicht durch Leerzeichen). Die vorliegenden Analysen beziehen sich nur auf eindeutige Belege, die Assimilationen der Suffixe mit den nächsten Onset ausschließen können, wie in (42). 137 <?page no="138"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten the poor sisters’/ aunts’ son semantisch dann wenig Sinn, was aber ggf. im Kontext der Erhebungssituation nicht aufgefallen sein muss. Wenn wir uns die areale Verteilung der Flexion im Possessiv ansehen (vgl. Abbildungen 6.3-6.5), sehen wir keine raumgebundenen Muster. Ein mögliches Areal im Nordosten Polens, welches weniger Nullflexion zeigt als andere Gebiete, kann eine Fieldworker-Isoglosse (vgl. Mathussek 2016) darstellen. Dass der Interviewer, der in diesen speziellen Raum erhoben hat, vom Fragebuch abweichende Formen bzw. Kontexte verwendet hat, ist bekannt (Schäfer 2019: 18-19). So hat dieser Interviewer z.B. nur selten den zu übersetzenden Satz auf Englisch präsentiert, sondern oft auf Jiddisch. Von diesem Gebiet im Nordosten Polens abgesehen stellen sich jedoch weitere, generelle Fragen: Was, wenn nicht die areale Diffusion, steuert nun aber die Variation in den jiddischen Dialekten? In Bezug auf Possessivbildungen ist dies mit dem LCAAJ-Material allein nicht zu beantworten. Die freie Variation spricht dafür, dass hier ein Wandelprozess - vermutlich ein Abbau der Possessivflexion mittels -s --in Gang ist. Abb. 6.2: Onymische Flexion im Possessiv bei Personenname und Verwandtschaftsbezeichnungen 138 <?page no="139"?> 6.2 Flexion im Possessiv bei Personennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen Abb. 6.3: Onymische Flexion im Satz 159-100 moyshe’s father-in-law Abb. 6.4: Onymische Flexion im Satz 160-100 this is Mate’s brother 139 <?page no="140"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Abb. 6.5: Onymische Flexion im Satz 160-130 Moyshe is the poor sister’s / aunt’s son 140 <?page no="141"?> 6.3 Flexion der sogenannten ‚schwachen‘ Maskulina 6.3 Flexion der sogenannten ‚schwachen‘ Maskulina Bevor wir uns der Namenflexion von IO- und DO-Kontexten im Jiddischen widmen, soll die Situation der Flexion in der Klasse der ehemals ‚schwachen‘ Maskulina in den jiddischen Dialekten vorgestellt werden, da diese Parallelen mit der onymischen n-Deklination aufweist. Laut Lehrmeinung ist im (Standard-)Jiddischen Flexion am Nomen - abgesehen von den bereits genannten Ausnahmen - vollständig geschwunden, also sogar bei den ‚schwachen‘ Maskulina, die innerhalb der westgermanischen Sprachen Flexion oft noch am längsten bewahren. Bestätigt dies das Dialektmaterial des LCAAJ? Wolf (1969: 167-172) untersucht die Maskulina nicht hinsichtlich ihres Flexionsklassenwechsels, sondern beschreibt Genusvariation innerhalb der jiddischen Dialekte. Seine Feststellung, dass in den nordostjiddischen Dialekten aus Maskulina Feminina wurden, beruht auf LCAAJ-Daten der vier Lexeme haldz ‘Hals’, lefl ‘Löffel’, zok ‘Strumpf, Socke’ und tsuker ‘Zucker’, die im Mittelhochdeutschen den ‚starken‘ Maskulina angehören; eine Ausnahme ist zok, welches im Mittelhochdeutschen bereits sowohl ‚stark‘ als auch ‚schwach‘ flektiert (Paul 2007; Lexer 1992). Mikrotypologisch interessant sind v.a. die ‚schwachen‘ belebten Maskulina. Im Deutschen sind viele der ‚schwachen‘ Maskulina zum Femininum gewechselt, wie z.B. ahd. slango, mhd. slange ‘Schlange’. Die in der Gruppe der flektierenden ‚schwachen‘ Maskulina verbliebenen (bzw. neu aufgenommenen) Substantiva im Neuhochdeutschen sind hochbelebte, insbesondere menschliche Entitäten (Hase, Affe, Bär, Prinz, Junge, Zeuge, Mensch) (Nübling 2019: 26-29; Köpcke 1993; Köpcke 1994). Im Deutschen könnte die -(e)n-Deklination so den Weg für eine Markierung von Belebtheit ebnen (vgl. Dammel & Gillmann 2014: 208-209; Zifonun 2007: 10-11). Im Jiddischen scheinen die ‚schwachen‘ Maskulina eine etwas andere Entwicklung genommen zu haben als im Deutschen. Zum einen ist der Genuswechsel bei vielen Animata auf der unteren Skala der Belebtheitshierarchie, die im Deutschen zum Femininum wechselten, wie der shnek ‘die Schnecke’ und der shlang ‘die Schlange’, in den jiddischen Dialekten nicht überall durchgeführt worden (vgl. Abbildung 6.6) - wie dies auch in vielen deutschen Dialekten der Fall ist (Köpcke 2000); z.B. aleman. der Schnëgg ‘die Schnecke’ (Idiotikon 1881: 1183). 141 <?page no="142"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Abb. 6.6: Genus shlang ‘Schlange’ LCAAJ-Übersetzungsaufgabe Nr. 146-050 the snake is an animal that bites Zum anderen ist in den jiddischen Dialekten tatsächlich selbst bei den ‚schwachen‘ Maskulina Flexion am Wortstamm nahezu vollständig geschwunden. Erhalten blieb Flexion im Standardjiddischen nur noch bei den hoch animaten ‚schwachen‘ Maskulina jid ‘Jude (m./ f.), allgem. Mensch’, mentsh ‘Mensch’ und (vereinzelt) rebe ‘Meister, Lehrer, Rabbiner, Herr’; letzteres Lexem ist als Hebraismus möglicherweise in Analogie zu ersteren beiden in diese Flexionsklasse gerutscht. In den Übersetzungen des LCAAJ-Satzes 214-080 I saw the peasant plowing finden sich nur mehr drei Belege mit -(e)-Flexion im Akkusativ (vgl. Abbildung 6.7). Die Funktion des Definitartikels ist hier besonders aufällig: Nur drei der insgesamt 211 Belege für den Kontext ‘dem Bauern’⁵⁷ verwenden die reduzierte Form de, die keine Numerus-, Genus- oder Kasusinformation liefert; in nur einem der drei Belege taucht Flexion auf. Kasusmarkierung geht also im Jiddischen nicht verloren, sondern manifestiert sich am Artikel (vgl. Bellmann 1990). 57 In vielen Fällen wird der Satz mit goy ‘Nichtjude’ statt ‘Bauer’ übersetzt. Auch ist im Jiddischen Nordostpolens der Satz besonders häufig im Nominativ übersetzt (‘ich sehe wie der Bauer pflügt’). 142 <?page no="143"?> 6.3 Flexion der sogenannten ‚schwachen‘ Maskulina Während ‘Bauer’ zumindest in drei Belegen eine Flexionsendung aufweist, ist ‘Bär’ im fast identischen LCAAJ-Satz 146-020 „I saw a bear dancing“ nur noch in einem einzigen Interview als bern kasusmarkiert (vgl. Abbildung 6.8). Dies kann entweder damit erklärt werden, dass das Tier weniger animat ist als der Bauer; daneben kann aber auch Definitheit eine Rolle spielen, immerhin haben wir beim ‘Bauern’ den bestimmten und beim ‘Bären’ den unbestimmten Artikel in der englischen Vorgabe. Zwar beziehen sich ‘Bauer’ und ‘Bär’ eindeutig auf eine animate Entität, doch bei ersterem handelt es sich um eine (von Jüdinnen und Juden selten bekleidete) Berufsgruppe, die an sich etwas Abstraktes, Überbegriffliches darstellt, und auch der ‘Bär’ ist zwar ein höher entwickeltes Lebewesen, allerdings nicht gleichauf mit dem Menschen. Sofern der Flexionserhalt durch Belebtheit gesteuert wird, stehen ‘Bauer’ und ‘Bär’ in der Animatheitshierarchie nicht weit oben. Ein Grund für den geringfügig häufiger belegten Kasuserhalt an poyer ‘Bauer’ als an ber ‘Bär’ (3 Belege vs. 1 Beleg) kann die erhaltene Numerusdistinktion durch die Verwendung des hebräischen Pluralsuffix (für Maskulina) -im bei poyerim ‘Bauern’ sein. Nicht distinkt zwischen Singular und Plural ist hingegen die Form bern ‘Bären’. Die Fieldnotes zu den Übersetzungen des LCAAJ-Satzes 009-060 this Jew I knew well liefern ein eindeutiges Bild (vgl. Abbildung 6.9; s.a. Herzog (1965: 137) Karten 4: 54 und 4: 55). Akkusativ wird in den nordostjiddischen und südostjiddischen Dialekten systematisch mit -(e)n markiert, nur im westlichen Zentralostjiddischen (in der Literatur auch als „Zentraljiddisch“ bezeichnet) wurde die Flexion vollständig abgebaut. Dieses Raumbild passt sehr gut zusammen mit der Verteilung des Genuserhalts beim ‚schwachen‘ Maskulinum ‘Schlange’ (s.o. Abbildung 6.6). Anscheinend haben die westlicheren Dialekte in der Klasse der ‚schwachen‘ Maskulina konsequent die Kasusmarkierung aufgegeben, während die östlicheren Dialekte weiterhin Kasus im Singular markieren. In anderen Worten: Die östlichen Dialekte verhalten sich konservativer und die westlichen innovativer. Dieses Raumbild wiederholt sich in seiner Grundstruktur auch in den Übersetzungen von 009-080 we never go to visit this man (Abbildung 6.10). Aber wir sehen bei mentsh eine stärkere Streuung von Ausreißern im Westen als bei jid. Aus der Summe der Antworten zu 009-060 und 009-080 lässt sich nach dem Vorbild von Herzog (1965: 137), der auf Grundlage der LCAAJ-Daten sehr scharfe Isoglossen in Nordpolen zieht, eine Isoglosse durch das gesamte Sprachgebiet zie- 143 <?page no="144"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten hen (siehe Abbildung 6.11), die allerdings einen Korridor in Polen und Ausreißer im transkarpatischen Jiddisch ignoriert. Die Isoglosse ist vielmehr ein Anhaltspunkt dafür, wo die Flexion üblich und wo die Flexionslosigkeit unüblich ist, als eine Aussage darüber wo Flexion möglich ist und wo nicht. Tatsächlich haben wir trotz geringerer Gesamtzahlen für 009-080 etwas mehr Belege für Flexion an mentsh als an jid; diese Verteilung ist jedoch statistisch nicht signifikant (s. Abbildung 6.12; p < 0.306; Cramer’s V = 0.042). Wir können nun auf der Belebtheitsskala noch eine Stufe weitergehen und uns die Verwandtschaftsbezeichnungen tate ‘Vater’ als ein ‚schwaches‘ Maskulinum im Mittelhochdeutschen (vgl. Lexer 1992: Bd. 2, Sp. 1408) anschauen. Die Kartierung zeigt deutlich, dass Verwandtschaftsbezeichnungen anders funktionieren als Appellativa (vgl. Abbildung 6.13). Am Lexem tate ist Dativflexion nahezu im gesamten ostjiddischen Gebiet - mit Ausnahme des äußersten Nordwestens - belegt. Durch den Abbau von Flexion belebter Appellativa (jid, mentsh) im Westen profilieren diese Dialekte -(e)n nicht nur als Ausdruck von höherer Belebtheit (gegenüber poyer), sondern gehen noch einen Schritt weiter und beschränken die Flexion nur mehr auf Eigennamen (inkl. Verwandtschaftsbezeichnungen). Wir werden sehen, dass dieser dreistufige Prozess auch einen deutlichen arealen und damit systemischen Kontrast aufweist (siehe S. 155). Anders als in den nordost- und südostjiddischen Dialekten ist in den zentralostjiddischen Dialekten im Vergleich zum Deutschen hinsichtlich der Akk./ Dat.- Flexion Folgendes passiert: 1. Hochbelebte ‚schwache‘ Maskulina verbleiben in der Flexionsklasse (Genuswechsel vollzieht sich v.a. von ‚starken‘ Maskulina zu Feminina). 2. ‚schwache‘ Maskulina: Kasusflexion wird zugunsten von Numerusunterscheidung vollständig abgebaut. 3. -(e)n Kasusflexion bleibt nur im obersten Bereich der Belebtheitsskala erhalten. 4. Damit spaltet sich die Flexionsklasse der mhd. ‚schwachen‘ Maskulina auf: mhd. swM n-Deklination jid. -n Sg./ Pl. jid. -ø Sg./ -n, (-im) Pl. 144 <?page no="145"?> 6.3 Flexion der sogenannten ‚schwachen‘ Maskulina Mit der Reduzierung von Kasusflexion an ehemals ‚schwachen‘ Maskulina geht das Jiddische einen Schritt weiter als das Standarddeutsche. Was dabei auf der einen Seite übrig bleibt, ist eine maskuline Flexionsklasse mit einer klaren Numerusdistinktion (-ø Sg. vs. -(e)n Pl.). Auf der anderen Seite bleiben auf wenige hochfrequente und hochbelebte Lexeme beschränkt die Flexionssuffixe -(e)n im Akkusativ/ Dativ und -s im Possessiv erhalten. Gewonnen ist damit zweierlei: eine klare Numerusunterscheidung und ein eindeutiges Suffix zur Auszeichnung hochbelebter, menschlicher Rollen. Jiddisch erfüllt so stärker als das von Dammel & Gillmann (2014) untersuchte Deutsche Bybees Konzept einer Relevanzhierarchie, in der Numerusauszeichnung eine höhere semantische Kategorie darstellt als Definitheit oder Kasus (Bybee 1985: 13-16), was die treibende Kraft hinter der Numerusprofilierung und der Kasusnivellierung der westgermanischen Sprachen sei.⁵⁸ Für unsere Frage viel wichtiger ist aber, was aus den Resten der alten ‚schwachen‘ Flexion wird. Die interne Umstrukturierung der ‚schwachen‘ Maskulina und die Reduktion der -n-Deklination auf höchstbelebte Substantiva ist m.E. der Grund, wieso sich onymische Flexion im Jiddischen länger hat halten können als in den meisten deutschen Varietäten: -(e)n dient nun ausnahmslos der Markierung eines humanen Patiens, ggf. sogar zur differenziellen Objektmarkierung (DOM). Die Idee eines Subgenus für Belebtheit innerhalb der Klasse der ‚schwachen‘ Maskulina wirkt durch den Blick auf die benachbarten slavischen Sprachen weniger abwegig. Die ostjiddischen Dialekte standen vor allem mit Sprachen in Kontakt, die über eine gesonderte Belebtheitsmarkierung der Maskulina im Singular Akkusativ verfügen: die slavischen Sprachen. Nachdem durch phonologische Entwicklungen keine Kasusdistinktion zwischen Akkusativ und Nominativ mehr vorhanden war, bildete sich bereits im Ur-Slavischen ein innovatives Merkmal der Maskulina [ ± animat ] heraus, das nicht nur Belebtheit markiert, sondern auch Kasusdistinktion wiederherstellt (vgl. Sussex & Cumberley 2006: 41; Bossong 1998: 212). Damit haben alle modernen slavischen Sprachen eine gesonderte Kasusmarkierung der belebten Maskulina im Singular (bei einigen Sprachen wie dem Russischen auch im Plural, wenn keine Genusdistinktion mehr 58 Ein Gegenbeispiel für die Relevanzhierarchie stellen die subtraktiven Plurale in zentralhessischen Dialekte dar (vgl. Birkenes & Fleischer 2019: 455-456). 145 <?page no="146"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten vorhanden ist). Aus dieser besonderen gemeinslavischen Kennzeichnung belebter/ unbelebter Maskulina im Akkusativ und Nominativ haben unterschiedliche Grammatikalisierungen der Kategorie Belebtheit bzw. der Kategorie Personalität in den slavischen Einzelsprachen stattgefunden (zu belebtheitsgesteuerten Subgenussystemen in einigen slavischen Sprachen siehe auch Corbett 1991: 161-188): Die Belebtheit hat sich somit, nachdem sie zunächst als Subkategorie (Subgenus, sous-genre) im Rahmen des Maskulinums entstanden war, auf ostslavischem Boden nach und nach zu einer universellen lexikalisch-grammatischen Kategorie entwickelt, die alle Substantiva umfasst und in der Form des Akkusativs Plural (vižu mal’čikov - devoček - čudovišč / doma - kryši - oblaka [ russ. ‘Ich sehe Jungen, Mädchen, Monster / Häuser, Dächer, Wolken’, L. S. ] ) einen regulären morphosyntaktischen Ausdruck erhält. Im restlichen slavischen Territorium bewahrte die Belebtheit den Status eines Subgenus (im Singular) und diente in den westslavischen Sprachen als Grundlage für die Entwicklung einer neuen Subkategorie im Plural, der Kategorie der Personalität. (Krys’ko 2014: 1604) Eine Interferenz mit den slavischen Sprachen, ist mit Blick auf die baltischen Sprachen nicht überzeugend. Weder Litauisch noch Lettisch haben trotz intensiven Kontakts zu slavischen Sprachen keine Markierung von Belebtheit entwickelt (vgl. Wiemer 2008: 511); trotzdem sind es gerade die jiddischen Dialekte im Baltikum und Belarus, die -(e)n-Deklination erhalten und ggf. zu einem Belebtheitsmarker ausgebaut haben. Die Parallele zwischen jiddischen und slavischen Varietäten kann neben dem direkten Sprachkontakt viel eher in der gemeinsamen indoeuropäischen Basis gefunden werden, deren Genussystem auf ein Zweigenussystem fußt (Commune/ Neutrum), welches aktueller Rekonstruktionen zufolge ausschließlich nach der Kategorie [ ± animat ] organisiert ist (vgl. Meier-Brügger 2010: 412). Der Ausdruck von nicht-kasusrelevanten Kategorien liegt also jedem indoeuropäischen System mehr oder weniger stark erodiert zu Grunde. Doch was ist der funktionale Status des -(e)n-Suffix der ‚schwachen‘ Maskulina in den jiddischen und deutschen Varietäten, die es im onymischen Bereich bewahrt haben? Hat sich das Suffix dort zu einer allgemeinen Kennzeichnung von Belebtheit entwickelt? Im folgenden Abschnitt 6.4 werden zunächst die Kontexte mit Personennamen untersucht, bevor in Abschnitt 6.5 die Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen in den Fokus rückt. 146 <?page no="147"?> 6.3 Flexion der sogenannten ‚schwachen‘ Maskulina Abb. 6.7: Flexionserhalt/ -abbau poyer ‘Bauer’ LCAAJ-Übersetzungsaufgabe Nr. 214-080 I saw the peasant plowing Abb. 6.8: Flexionserhalt/ -abbau ber ‘Bär’ LCAAJ-Übersetzungsaufgabe Nr. 146- 020 I saw a bear dancing 147 <?page no="148"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Abb. 6.9: Flexionserhalt/ -abbau jid ‘Jude (m./ f.)’ LCAAJ-Übersetzungsaufgabe Nr. 009-060 this Jew I knew well Abb. 6.10: Flexionserhalt/ -abbau mentsh ‘man’ LCAAJ-Übersetzungsaufgabe Nr. 009-080 we never go to visit this man 148 <?page no="149"?> 6.3 Flexion der sogenannten ‚schwachen‘ Maskulina Abb. 6.11: Flexionserhalt/ -abbau aus der Summe der Antworten der Übersetzungsaufgaben 009-060 this Jew I knew well und 009-080 we never go to visit this man Abb. 6.12: Summe für Flexion jid ‘Jude (m./ f.)’ in den Übersetzungsaufgaben 009- 060 this Jew I knew well und 009-080 we never go to visit this man 149 <?page no="150"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Abb. 6.13: Flexionserhalt/ -abbau tate ‘Vater’ LCAAJ-Übersetzungsaufgaben 156- 070 und 158-060 150 <?page no="151"?> 6.4 Flexion von Personennamen im Dativ 6.4 Flexion von Personennamen im Dativ Der einzige Kontext mit einem Personennamen in einem Objektkasus liegt in der Übersetzungsaufgabe 017-090 he told Samuel a secret vor. Doch dieser minimale Datensatz reicht bereits, um einiges zum Status von Eigennamenflexion am Rufnamen in Erfahrung zu bringen, und liefert wichtige erste Einblicke in die Interaktion von Flexion, onymischem Artikel und präpositionaler Dativmarkierung (PDM; vgl. Abschnitt 40, S. 170) in den jiddischen Dialekten. Zunächst bestätigt 017-090 die Annahme, dass Eigennamenflexion am Personennamen in den ostjiddischen Dialekten sehr stabil ist. Die Kartierung in Abbildung 6.14 zeigt, dass nur 21 (6,33%) der Fieldnotes keine Flexion aufweisen; dies sind v.a. Dialekte des Elsässer Westjiddischen und Randgebiete (insbes. im Südosten) des Ostjiddischen. Abb. 6.14: Eigennamenflexion in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 017-090 he told Samuel a secret 151 <?page no="152"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Der onymische Definitartikel ist in den ostjiddischen Dialekten eindeutig nicht gegeben (vgl. Abbildung 6.15). Damit wird die Überlegung bestärkt, dass die Grammatikalisierung des onymischen Artikels in den germanischen Sprachen ein möglicher Faktor ist, der den Abbau von Eigennamenflexion beeinflusst, da im Umkehrschluss Flexion erhalten bleibt, wo kein Artikel ausgebaut wird. Wie wir im nachfolgenden Abschnitt 6.5 (S. 155) sehen werden, ist diese Beschränkung im Jiddischen allerdings nicht so eindeutig, sobald man den Blick auf die Verwandtschaftsbezeichnungen richtet, da diese im Jiddischen über einen (onymischen) Artikel verfügen, der parallel zur Flexion verwendet wird.⁵⁹ Die Ergebnisse aus 017-090 zeigen auch, dass der onymische Artikel am Rufnamen in den erhobenen westjiddischen Varietäten konsequent gesetzt wird. In einem Fall (39a) tritt der Artikel dort sogar im einzigen westjiddischen Beleg für Flexion auf. Und auch ein ostjiddischer Informant (39b) verwendet den Artikel parallel zur Flexion. In diesen zwei Fällen scheint der Artikel die Flexion also nicht zu blockieren. (39) a. er hodem šmulen e sot fercejlt ‘er hat-dem Samuel ein Geheimnis erzählt’ (ID 48077 Westhoffen, Frankreich) b. erotem šmiln a sod ‘er hat-dem Samuel ein Geheimnis’ (ID 48274 Briceni, Moldawien) Die jiddischen Dialekte verfügen über eine gesonderte Markierung des Dativs mittels PDM. Im Sinne des „morphologischen Minimums“ (Rabanus 2008) wäre eine ‚doppelte Kasusmarkierung‘⁶⁰ mittels Flexion und PDM ein Indiz für eine Dativprofilierung. PDM, die prinzipiell nicht obligatorisch ist (vgl. Seiler 2003), wird im gegebenen Kontext v.a. in den Dialekten Transkarpatiens gesetzt (siehe Abbildung 6.16). Ein Chi-Quadrat-Test von der Verteilung [ ±Flexion (gesamt) ] 59 Man kann nun überlegen, inwiefern sich der Artikel am Personennamen mit dem an Verwandtschaftsbezeichnungen strukturell unterscheidet. Diese Aufgabe muss ich allerdings an zukünftige (onymische) Arbeiten zum Definitartikel weiterreichen. 60 Diese Überlegung kann nur aufrecht erhalten werden, solange die Eigennamenflexion als Kasusflexion verstanden werden kann. 152 <?page no="153"?> 6.4 Flexion von Personennamen im Dativ und [ ±Flexion (mit PDM) ] zeigt, dass PDM keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die Flexion nimmt (p < 0.262; Cramer’s V = 0.085). Weitere Analysen zum Faktor PDM finden sich in Abschnitt 40 (ab S. 170). Was uns die Daten dieser einen LCAAJ-Übersetzungsaufgabe nicht verraten, ist, ob es Kontexte gibt, in denen die Flexion weniger stringent gesetzt wird als im vorliegenden Fall und wenn ja, wie diese bedingt sind. Fragen zu semantischen Faktoren jiddischer Eigennamenflexion, die weitere Untersuchungen klären müssen sind etwa: Werden native Namen häufiger flektiert als fremde bzw. werden z.B. hebräische Namen öfter flektiert als germanische? Werden Frauennamen ebenso häufig flektiert, wie Männernamen? Werden Namen von Kindern oder nahen Angehörigen anders flektiert als von Fremden? Wie interagiert Flexion mit Diminution? Und wie unterscheiden sich Rufnamen von anderen Namentypen wie z.B. Nachnamen.-Offene Fragen zu syntaktischen Bedingungen wären in etwa das Verhalten von Flexion bei besetztem X- oder DEF-Feld bzw. bei mehrgliedrigen, komplexeren Namen und die Frage, unter welchen Konditionen auch in den jiddischen Dialekten der onymische Artikel expletiv gesetzt werden muss (s.o. Bsp. 8, S. 30 u. Bsp. 12, S. 35). Abb. 6.15: Onymischer Artikel in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 017-090 he told Samuel a secret 153 <?page no="154"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Abb. 6.16: PDM und Eigennamenflexion in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 017- 090 he told Samuel a secret 154 <?page no="155"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen Während das LCAAJ-Questionnaire nur wenig Kontexte zu Rufnamen liefert, sind Verwandtschaftsbezeichnungen deutlich häufiger in den Übersetzungsaufgaben zu finden. Mit diesen Daten können bestenfalls einige dieser offenen Fragen beantwortet werden, die sich aus den Analysen zum Rufnamen ergeben haben. Sofern Animatheit eine entscheidende Rolle für das Phänomen der Eigennamenflexion spielt, kann im Sinne der implikationellen Belebtheitshierarchie davon ausgegangen werden, dass, was für Verwandtschaftsbezeichnungen festgestellt wurde, auch für weitere Typen von Eigennamen gilt. Das Diagramm in Abbildung 6.19 zeigt, dass die Verwendung von Flexion an Verwandtschaftsbezeichnungen im Dativ und Akkusativ deutlichen Schwankungen unterworfen ist. Auffallend ist die Variation in Abhängigkeit zum Genus. Wir sehen aber auch, dass der Kontext mit dem maskulinen Rufnamen ‘Samuel’ (siehe Abschnitt 6.4, S. 151) gemeinsam mit den männlichen Verwandtschaftsbezeichnungen das Maximum an Flexion aufweist (inkl. der Daten zum Westjiddischen > 90%). Das flektierende Maskulinum ‘Jude’ (siehe Abschnitt 6.3, S. 141) hingegen setzt diesen Trend der Maskulina nicht fort. Genus kann hier also nicht der einzige steuernde Faktor sein. Ziel der folgenden Analyse ist es, die Schwankungen in der Verwendung von Flexion bei Verwandtschaftsbezeichnungen, wie sie das Diagramm in Abbildung 6.19 zeigt, zu erklären und die Faktoren aufzudecken, die hinter der Formvariation wirken. Bereits Ackermann (2018: 160) unterstreicht die Multifaktorialität des Abbauprozesses der onymischen -(e)n Flexion in der neuhochdeutschen Schriftlichkeit, und auch in den jiddischen Dialekten deutet einiges darauf hin, dass hier mehrere Prozesse zusammenlaufen. Die Karten in Abbildungen 6.20-6.27 zeigen, dass für jeden einzelnen Kontext auch einzelne, kleinräumige Variation vorliegt. In Abbildung 6.17 sind alle Belege für -(e)n-Flexion am Dativ und Akkusativ in den LCAAJ-Materialien zusammengefasst kartiert. Im Vergleich mit den Ergebnissen zur Flexion ‚schwacher‘ Maskulina (s.o. Abschnitt 6.3, ab S. 141) ergibt sich aus dem Kartenbild eine Aufteilung des Sprachgebiets in drei Areale/ Systeme, die annähernd deckungsgleich mit klassischen Dialekteinteilungen des Jiddischen sind. Die Systeme I und II sind dabei noch nicht systemisch unterschiedlich in Erscheinung getreten, aber räumlich klar voneinander getrennt (vgl. unten S. 179): 155 <?page no="156"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten I. Akk./ Dat.-Flexion sowohl bei belebten ‚schwachen‘ Maskulina erhalten (vgl. Abschnitt 6.3) als auch bei Verwandtschaftsbezeichnungen verbreitet; Lokalisierung: Nordosten (≈ Nordostjiddisch) II. Akk./ Dat.-Flexion sowohl bei belebten ‚schwachen‘ Maskulina erhalten als auch bei Verwandtschaftsbezeichnungen verbreitet; Lokalisierung: Südwesten (≈ Südostjiddisch) III. Akk./ Dat.-Flexion nur noch bei Verwandtschaftsbezeichnungen erhalten; Lokalisierung: Westen (≈ Zentralostjiddisch) [Anm.: Es wird sich zeigen, dass dieses System ein weiteres Subsystem einschließt, vgl. S. 179] IV. Flexion bei belebten ‚schwachen‘ Maskulina erhalten, aber bei Verwandtschaftsbezeichnungen geschwunden; Lokalisierung: Westpolen (≈ nördliches Übergangsgebiet zum Westjiddischen) Dieses Raumbild generiert jedoch mehr Fragen, als es Antworten liefert: Können wir diese drei Systeme als diachrone Stadien betrachten, die sich synchron im Raum manifestieren? Handelt es sich damit bei den einzelnen Stadien um Abbaustufen eines umfangreichen Flexionssystems, das allen jiddischen Dialekten diachron zugrunde liegt? Und was sind die Faktoren, die die unterschiedlichen Systeme bzw. Abbaustufen generieren? Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, werden im Folgenden einzelne in Frage kommende Einflussfaktoren gesondert betrachtet. 156 <?page no="157"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen Abb. 6.17: Summe onymischer Flexion bei Verwandtschaftsbezeichnungen im LCAAJ-Material Abb. 6.18: Summe onymischer Flexion bei Verwandtschaftsbezeichnungen im LCAAJ-Material mit Isoglosse der beiden ehemals ‚schwachen‘ Maskulina (vgl. Abb. 6.11) 157 <?page no="158"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Abb. 6.19: Verteilung onymischer Flexion bei Verwandtschaftsbezeichnungen im LCAAJ-Material (in %) 158 <?page no="159"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen Abb. 6.20: Onymische Flexion der Verwandtschaftsbezeichnung ‘Großmutter’ in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 156-020 Abb. 6.21: Onymische Flexion der Verwandtschaftsbezeichnung ‘Großmutter’ in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 156-060 159 <?page no="160"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Abb. 6.22: Onymische Flexion der Verwandtschaftsbezeichnung ‘Großmutter’ in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 156-030 Abb. 6.23: Onymische Flexion der Verwandtschaftsbezeichnung ‘Mutter’ in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 157-070 160 <?page no="161"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen Abb. 6.24: Onymische Flexion der Verwandtschaftsbezeichnung ‘Mutter’ in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 157-020 Abb. 6.25: Onymische Flexion der Verwandtschaftsbezeichnung ‘Großvater’ in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 156-050 161 <?page no="162"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Abb. 6.26: Onymische Flexion der Verwandtschaftsbezeichnung ‘Vater’ in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 158-060 Abb. 6.27: Onymische Flexion der Verwandtschaftsbezeichnung ‘Vater’ in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 156-070 162 <?page no="163"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen 6.5.1 Faktor Kasus Werth (2021) vermutet, dass -n in bairischen Varietäten rein prosodisch bedingt ist und keine Kasusinformation trägt. Und tatsächlich ist zunächst nicht überprüft worden, ob -n im Jiddischen überhaupt vom jeweiligen Kasus abhängig ist. Mit dem LCAAJ-Material konnte bereits gezeigt werden, dass es im Akkusativ und Dativ auftritt, nicht aber im Possessiv. In zwei Kontexten mit topikalisierten maskulinen Rufnamen im Nominativ bzw. Vokativ, der als Nominativ realisiert wird (103-010 Yankl, are you hungry? und 160-120 Yudl I don’t know) ließen sich keine Belege für -n-Bildungen finden. Die Auswertung des Nominativ-Kontexts mit Verwandtschaftsbezeichnung 156-120 father will come zeigt in 287 ausgefüllten Fieldnotes keinen einzigen Beleg für -n. Auch in Satz 161-050 the mother nursed the child herself gibt es keine Belege für -n-Bildungen im Nominativ. Die LCAAJ- Daten sprechen also klar dafür, dass -n im Jiddischen kasusgebunden auftritt. Die folgenden Abschnitte sollen nun prüfen, wie die onymische Kasusflexion mit anderen Ausdrucksmöglichkeiten von Kasus interagiert. Definitartikel und Kasus Wir beginnen mit der Überlegung, dass durch die Grammatikalisierung des definiten Artikels Flexion und Genus in den modernen germanischen Sprachen analytisch ausgedrückt wird. Die daraus resultierende erweiterte Exponenz wird allerdings im Sinne des morphologischen Minnumuns von den meisten Systemen wieder auf Kosten von Suffixflexion am Wortstamm abgebaut. So gilt für das Gegenwartsdeutsche: „Personennamen werden, wenn ihnen ein Artikel (mit oder ohne Adjektiv) vorangeht, in aller Regel schon nicht mehr flektiert“ (Nübling 2012: 224). Detaillierte Arbeiten zum Definitartikel im Jiddischen bzw. den jiddischen Dialekten liegen keine vor. Laut Jacobs (2005: 173-174) wird der Definitartikel bei Eigennamen (inkl. Toponymen) nur verwendet, sobald ein Adjektiv als Adjunkt an die NP tritt: (40) a. *der moyshe ‘der Mose’ b. der kluger moyshe ‘der kluge Mose’ In diesen Fällen ist in den meisten germanischen Sprachen der Artikel obligatorisch. Die vorgeschlagene Analyse dieses Effekts geht von einem Verlust der inhärenten Definitheit des Eigennamen bei besetzter Adjunktposition bzw. be- 163 <?page no="164"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten setztem X-Feld aus (s.o. S. 35). Interessant wäre nun zu prüfen, wie einheitlich Jiddisch darin tatsächlich ist. Leider liefert das LCAAJ-Questionnaire nur wenige Kontexte mit adjungiertem Adjektiv und Eigennamen. Im Deutschen kann der Artikel bei Toponymen oft nur in Verbindung mit einem Adjektiv stehen: *das Augsburg/ Taubertal/ Norwegen, das romantische Augsburg/ Taubertal/ Norwegen, aber es gibt auch Fälle, in denen der Artikel obligatorisch ist z.B. die Vulkaneifel/ Schweiz/ Wetterau oder sobald der monoreferenzielle Charakter aufgehoben wird das Augsburg meiner Träume; bzw. gibt es hier auch Schwankungen, z.B. (der) Iran (vgl. Nübling, Fahlbusch & R. Heuser 2012: 79- 83). Eine Recherche im Corpus of Modern Yiddish (CMY 2009) hat ergeben, dass im modernen Standardjiddischen zumindest mit dem Toponym shveyts ‘Schweiz’ der Artikel obligatorisch zu sein scheint, mit terkey ‘Türkei’, iran ‘Iran’ hingegen nicht. Der onymische Artikel nach dem hochdeutschen Muster (das ist die Johanna) ist für das Jiddische nicht belegt und auch nicht in den LCAAJ-Kontexten mit Eigennamen zu finden (vgl. Abbildung 6.15 S. 153). Mit Verwandtschaftsbezeichnung und in Verbindung mit Präpositionen, die Funktionen des Artikels übernehmen, gibt es jedoch eine relativ frequente Setzung des Artikels sowohl als Vollform als auch als Klitikum. So wird in den Übersetzungen des Satzes 156-070 I got a letter from father in vier Fällen die Vollform und in 38 Belegen die fusionierte Form funem (‘fun + dem’) und in fünf Belegen fom (‘fun + dem’ vs. fun) gesetzt, wie sie nach einem Nasal zu erwarten ist (vgl. Wolf 1969). Die Verwendung des Artikels in diesem Kontext ist stark geographisch determiniert. Wie die Formenkartierung in Abbildung 6.28 zeigt, taucht sie neben dem Westjiddischen vor allem im (westlichen) Südostjiddischen auf; im Nordostjiddischen und Zentralostjiddischen, also den Gebieten mit einem starken Erhalt an Flexion bei Verwandtschaftsbezeichnungen, ist die Artikelsetzung weitestgehend unüblich. Eine aus Sicht der deutschen Dialekte erwartbare Verteilung wäre nun, dass die Vollform des Definitartikels (der/ dem/ di) insbesondere in Kontexten ohne -(e)n- Flexion auftritt, während die reduzierte Form (də) vor allem dann verwendet wird, wenn Flexion am Nomen den Kasus auszeichnet. Das standardjiddische System kennt zwar neben den Vollformen auch reduzierte Formen des Definitartikels, allerdings nur im Maskulinum und Neutrum (vgl. Tabelle 6.2). In den Dialekten 164 <?page no="165"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen tritt allerdings im Femininum auch die Form de/ də im Akkusativ und Dativ auf, die ggf. eine reduzierte Form darstellen könnte. Das Material liefert für die drei Sätze mit ‘Großmutter’ (1x Akk., 2x Dat.) die in Tabelle 6.3 aufgeführten Werte. Für diese Verteilung von Artikelform und Flexion am Eigennamen ergibt sich eine starke Signifikanz mit einer geringen Effektstärke ( 𝜒 2 10.44, df 2, p < 0.0054, Cramérs V = 0.1208). An der numerischen absoluten Verteilung in Tabelle 6.3 ist aufällig, dass - (e)n-Flexion stärker mit den Formen (der, ggf. di) korreliert als mit der vermeintlich phonologischen Form də. Wenn am Ausdruck für ‘Großmutter’ flektiert wird, dann steht in den meisten Fällen eine kasusdistinkte⁶¹ Vollform des Definitartikels und die phonologisch reduzierte Form tritt doppelt so häufig mit flexionsloser Verwandtschaftsbezeichnung auf als mit flektierender. Der statistische Effekt ist damit genau umgekehrt als erwartet, sollte der Artikel den Verlust von Kasusmarkierung am Substantiv ausgleichen. Eine Auflösung dieses Dilemmas liefert die Kartierung der Artikelformen in Abbildung 6.29. Dabei ist festzustellen, dass es sich bei den Varianten der/ di/ də um regional gebundene Artikelformen handelt, nicht um voll- oder reduzierte Formen (vgl. entsprechend auch die Kartierungen zur Artikelform in Wolf 1969). Die statistische Signifikanz resultiert daher, dass wir die Artikelformen de/ ə (im Zentralostjiddischen) und di (im nördl. Nordostjiddischen) in denen als I., III. und IV. System identifizierten Räumen finden, während der im Süden des I. Systems und im Gebiet des II. Systems auftritt. Diese Verteilung ist weitestgehend unabhängig davon, ob bobe flektiert wird oder nicht. Man müsste also die statistische Korrelation jeweils für die einzelnen Systeme berechnen und nicht für den gesamten Raum. Um sich einer solchen systemischen Untersuchung anzunähern, wurden exemplarisch drei Paradigmen des Definitartikels für repräsentative Orte der drei Hauptsysteme auf Basis der LCAAJ-Fieldnotes erstellt (siehe Tabellen 6.4, 6.5 und 6.6). Das exemplarische Paradigma eines Sprechers, der die Kombination de + bobe (ohne Kasusflexion an bobe) aufweist, zeigt, dass hier trotz konsequentem Formzusammenfall in Akkusativ- und Dativkontexten in allen Genera, noch immer eine oblique Kasusdistinktion (Nom. vs. Akk./ Dat.) am Artikel möglich ist (Tabelle 6.4). Ebenso blieb die oblique Kasusdistinktion (Nom. vs. Akk./ Dat.) in einem der 61 Kasusdistinkt hinsichtlich der Opposition Nominativ vs. Akkusativ/ Dativ. 165 <?page no="166"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten boben-System (also mit Kasusflexion an bobe) im Femininum und Maskulinum bestehen (siehe Tabelle 6.5). Anders sieht es aus im di boben-System eines Sprechers aus dem NOJ, wo am Femininum die Distinktion Akk. vs. Dat. gegeben ist, Akkusativ und Nominativ allerdings formgleich sind. Beim Maskulinum ist die oblique Kasusdistinktion (Nom. vs. Akk./ Dat.) gegeben (Tabelle 6.6; s.a. das Artikelparadigma in Wolf 1969: 117). Das Neutrum wurde hier aufgegeben. Nur das nordostjiddische System entspricht damit bei dem Distinktionsmuster Nom./ Akk.-Dat. des femininen Definitartikels der Kasusdistinktion des Standardjiddischen (Tabelle 6.2). Damit ist nur dort, wo die Form di im Akkusativ Femininum auftritt, eine Kasusdistinktion [ ±oblique ] nötig. Wie wird nun aber in diesem System Kasus ausgedrückt, wenn nicht mittels Artikel oder am Nomen selbst? Gerade die Dialekte in diesem Gebiet haben keine besondere Strategie zur Abgrenzung von Akkusativ und Nominativ, hingegen aber mittels präpositionaler Dativmarkierung (PDM) eine Markierung mehr um die bereits bestehende Distinktion zwischen Dativ und Nominativ/ Akkusativ weiter zu markieren. Eine solche Dativprofilierung ist eine generelle Tendenz (ober)deutscher Dialekte. Das Verhältnis zwischen PDM und Eigennamenflexion diskutiert der nächste Abschnitt. Mask. Neutr. Fem. Nom. der dos di Akk. dem dos di Dat. (Vollform) dem dem der Dat. (reduziert, nicht-nasal) -n -n X Dat. (reduziert, nasal) -ø -ø X Tab. 6.2: Paradigma des Definitartikels im Standardjiddischen (Singular) nach Wolf (1969: 112). 166 <?page no="167"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen Artikel bobe boben di 202 164 der 121 131 de 65 32 Tab. 6.3: Verteilung von -(e)n-Flexion und Form des Definitartikels in drei Sätzen mit ‘Großmutter’ Abb. 6.28: Form des Definitartikels in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 156-070 I got a letter from father 167 <?page no="168"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Mask. Neutr. Fem. Nom. de (202-070) de (023-060) di (007-040) Akk. dem (139-040) ds (124-010) de (124-010) Dat. (Vollform) dem (087-030) - de (177-051) Dat. (reduziert, nicht-nasal) -n (006-090) - - Dat. (reduziert, nasal) -ø (004-060) -ø (051-050) - Tab. 6.4: Paradigma des Definitartikels vom zentralostjiddischen Erhebungsort Siedlce (ID 52221, Polen) auf Basis der Fieldnotes (die Zahlen in Klammern verweisen auf die jeweilige Übersetzungsaufgabe des LCAAJ Fragebuchs; zu leeren Feldern liegen keine Kontexte vor; gleiches gilt für Tab. 6.5 u. 6.6) Mask. Neutr. Fem. Nom. der (101-060) dis (023-060) di (007-040) Akk. dem (139-040) dis (124-010) der (124-010) Dat. (Vollform) dem (087-030) dis (151-051) der (177-051) Dat. (reduziert, nicht-nasal) -m (006-090) - - Dat. (reduziert, nasal) -ø (004-060) -ø (051-050) - Tab. 6.5: Paradigma des Definitartikels vom südostjiddischen Erhebungsort Vinnytsya (ID 49282, Ukraine) auf Basis der Fieldnotes Mask. Fem. Nom. der (101-060) di (065-100) Akk. dem (139-040) di (124-010) Dat. (Vollform) dem (087-030) der (177-051) Dat. (reduziert, nicht-nasal) -m (006-090) - Dat. (reduziert, nasal) - - Tab. 6.6: Paradigma des Definitartikels vom nordostjiddischen Erhebungsort Molėtai (ID 55252, Litauen) auf Basis der Fieldnotes 168 <?page no="169"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen Abb. 6.29: Form des Definitartikels und -ø-Flexion (oben) und -(e)n- Flexion (unten) bei Verwandtschaftsbezeichnung in der LCAAJ- Übersetzungsaufgabe 156-020 I lived with the old grandmother 169 <?page no="170"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Präpositionale Dativmarkierung (PDM) Präpositionale Dativmarkierung (PDM) ist eine besondere Auszeichnung des Dativs mittels eines „präpositionalen Satelliten“ (Seiler 2003: 254), einer lexikalisch entleerten Präposition. Diese ist ein optionales Merkmal oberdeutscher Varietäten wie in (41a) - (41b) (Seiler 2003); PDM ist allerdings auch für das Niederländische (41c) (Colleman, Clerck & Devos 2010) und Afrikaans (41d) (hier z.T. auch in DO-Kontexten, Besten 2006) mit deutlich obligatorischer Verwendung belegt. PDM ist sowohl in südwestjiddischen (41e) als auch in ostjiddischen Dialekten des 19. und 20. Jahrhunderts nachgewiesen (41f) - (41g) (Schäfer 2014: 250-252; Schäfer 2021: Abb. 7; Krogh 2015: 395-396; Assouline 2014). (41) a. bair. in di Schwain ge: m ‘IN 𝐷 𝑎𝑡 . den Schweinen geben’ (nach Seiler 2002: 249) b. alem. die händ immer no nüüt zalt a de Jude ‘diese haben immer noch nichts AN 𝐷 𝑎𝑡 . die Juden gezahlt’ (nach Seiler 2002: 257) c. ndl. Jan heeft een boek aan zijn broer gegeven ‘Jan hat ein Buch DAT seinen Bruder gegeben’ (Colleman, Clerck & Devos 2010: 123) d. afrk. Hy het vir ons ’n boek gegee ‘Er hat DAT uns ein Buch gegeben’ (Besten 2006: 123) e. wj. ix hap in dr kale e gešenk gen ‘ich habe DAT der Braut ein Geschenk gegeben’ (ID 48077 Westhoffen, Frankreich) f. oj. xob gegibn a šajne metune fa de kale ‘ich habe DAT der Braut ein schönes Geschenk gegeben’ (ID 47236 Copălnic Mănăştir, Rumänien) g. oj. ixob gigebn a present tsu der šejner kale ‘ich habe DAT der Braut ein Geschenk gegeben’ (ID 54292A Sloveni, Belarus) Krogh (2019), der PDM mit der Präposition far ausschließlich im ultraorthodoxen Gegenwartsjiddisch von Sprechern, die ein transkarpatisches Jiddisch sprechen, untersucht, vermutet eine ungarische Lehnübersetzung: „it seems reasonable to 170 <?page no="171"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen trace its origin [ the PDM preposition far, L. S. ] back to the interplay between Yiddish and coterritorial Hungarian in Hungaria Maior in the nineteenth and beginning of the twentieth century“ (Krogh 2019: 910). Die LCAAJ-Daten widersprechen dem insofern, als dass PDM mittels far nicht auf den ungarischen Sprachraum beschränkt ist, sondern auch außerhalb des ungarischen Sprachraums im Jiddischen belegt ist (vgl. Abbildungen 6.30-6.32). Die Daten bestätigen damit U. Weinreich (1964: 258), der far-PDM als Merkmal der zentralostjiddischen und Teilen der südostjiddischen Dialekte beschreibt. PDM ist in den jiddischen Dialekten, wie die Kartierungen in Abbildungen 6.30-6.32 zeigen, im gesamten Sprachgebiet belegt; allerdings liefert nur die Übersetzungsaufgabe Nr. 177-051 auch valide Daten zum Nordostjiddischen. Während im Westjiddischen auf alemannischen Sprachgebiet durch Sprachkontakt PDM wie im Alemannischen mittels in verbreitet ist (vgl. Schäfer 2014: 250-251; Zuckerman 1969: 57) und far entlang einer Schneise zwischen Süd- und Zentralostjiddisch und sogar vereinzelt im Nordostjiddischen verwendet wird, ist die Präposition tsu am weitesten zur Dativmarkierung verbreitet. Die Kartierung der zwei Übersetzungsaufgaben zeigt, dass PDM stark kontextabhängig ist. PDM im Satz 157-070 she tells her mother everything tritt in 10 Fällen gemeinsam mit -(e)n-Flexion an mame auf und in 8 Fällen mit -ø-Flexion (und in einem Beleg am Lexem muter). Eine klare Korrelation zwischen dem Auftreten von PDM und dem Abbau von -(e)n-Flexion in Dativ-Kontexten ist somit nicht festzustellen. Dass keine unmittelbare Beeinflussung der Kasusmarkierung am Substantiv durch PDM besteht, wurde bereits in Abschnitt 6.4 (ab. S. 151) am Kontext mit Personenname diskutiert. Dennoch: die Dialekte, deren Systeme PDM ausgebildet haben, verfügen über eine potenzielle Reparaturstrategie zum Ausdruck von Kasus, sollte dieser nicht anderweitig geleistet werden können. Allerdings erscheint PDM zumindest im Oberdeutschen nie in einer solchen lückenfüllenden Funktion, sondern tritt in Varietäten auf, die über eine klare Kasusmarkierung des Dativs verfügen. PDM ist im Jiddischen, wie im Oberdeutschen, als eine weitere Stärkung der IO-Position zu verstehen. 171 <?page no="172"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Abb. 6.30: PDM in den Antworten der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 087-040 we give it to them Abb. 6.31: PDM in den Antworten der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 157-070 she tells her mother everything 172 <?page no="173"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen Abb. 6.32: PDM in den Antworten der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 177-051 I gave a present to the beautiful bride 173 <?page no="174"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Kasusmarkierung durch Adjektivflexion Eine weitere Kasusmarkierung können - sofern vorhanden - Adjektive übernehmen. Die zwei Sätze 156-020 I lived with the old grandmother und 156-050 I lived with grandfather unterscheiden sich hinsichtlich zweier Variablen (Genus u. Verwendung eines Adjektivs) und weisen dabei maximale Variation in der Verwendung von -(e)n-Flexion im Dativ auf. Im Standardjiddischen ist die Unterscheidung von ‚starker‘ und ‚schwacher‘ Flexion mit Ausnahme des Neutrums geschwunden (vgl. Tabelle 6.7). Kasusflexion wird am Adjektiv im Maskulinum (Nominativ - Akkusativ/ Dativ) unterschieden und im Femininum (Nominativ/ - Akkusativ - Dativ); eine ähnliche Kasusdistinktion zeigten bereits die Formen des Definitartikels im Standardjiddischen (vgl. Tabelle 6.2). Demnach wird Kasus im Satz 156-020 vom Adjektiv übernommen, sofern die Dativform alter verwendet wird. Auf Grund von Synkretismen (s.u.) ist diese Form aber v.a. im Osten des Sprachgebiets belegt (vgl. Abbildung 6.34). Damit wird Dativ am Adjektiv im Femininum besonders im Gebiet des II. Systems markiert - dem System, in dem Flexion besonders bei femininen Verwandtschaftsbezeichnungen geschwunden ist. Hier übernimmt Adjektivflexion raumgebunden abgebaute Substantivflexion. Auf der anderen Seite verursacht der Kasussykretismus im Westen des Sprachgebiets eine fehlende Abgrenzung zum Nominativ. Die Kasusmarkierung erfolgt hier als Flexion an der femininen Verwandtschaftsbezeichnung. Ein weiterer Aspekt, der dabei eine Rolle spielt, ist die fehlende Distinktion zwischen Singular und Plural im Femininum bei erfolgtem Akkusativ-Dativ-Synkretismus (zugunsten der Akkusativform) (s.u. Faktor Numerus, ab S. 182). mask. neutr. fem. Pl. Nom. guter gute, gut, guts gute gute Akk. gutn gute, gut, guts gute gute Dat. gutn gute, gut, guts guter gute Tab. 6.7: Adjektivflexion im Standardjiddischen nach Wolf (1969: 111) 174 <?page no="175"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen Abb. 6.33: Adjektivform oremers in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 160-130 Moyshe is the poor sister’s/ aunt’s son Ein Kuriosum aus standardjiddischer Sicht tritt im Possessivsatz 160-130 auf und betrifft die Form des Adjektivs ‘poor’, welches in einigen Belegen nicht als oreme sondern als oremers realisiert wird. Diese Form ist eigentlich für die Nominalisierung von Adjektiven im Possessiv fem. üblich (vgl. Jacobs 2005: 173); zweimal liegt in den LCAAJ-Übersetzungen eine klare Nominalisierung vor, in 46 Belegen taucht diese Form im gesamten Sprachgebiet attributiv nach dem Muster in (42) auf (vgl. Abbildung 6.33); ⁶² in neun dieser Fälle ist das Nomen flexionslos, während in den übrigen 37 Belegen das -s-Suffix damit den Possessiv quasi doppelt markiert; von der Gesamtheit aller Belege für Possessivflexion am Nomen in diesem Satz machen dies allerdings nur 15% aus. Das -s am Adjektiv kann in Übersetzungen mit shvester wie in (42a) selbstverständlich auch das Produkt von Assimilation sein; dies erklärt allerdings nicht die insgesamt 19 Belege für mume in den ‘Tante’-Kontexten. Mit Blick auf die Verwendung von PDM in Dativ-Kontexten ist eine mehrfache Auszeichung von Kasus den jiddischen Dialekten nicht gänzlich fremd. Abgese- 62 Die Kartierung fasst synkretische Akk./ Dat.-Formen (di/ der arme/ r shvester/ tante) zusammen (vgl. Wolf 1969). 175 <?page no="176"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten hen von der unüblichen und erklärungsbedürftigen Adjektivform⁶³ haben wir es hier mit einem klassischen Fall von Polyflexion bzw. erweiterter Exponenz zu tun. Im Fall der Possessivflexion kann demnach keine Korrelation zwischen Flexionsabbau am Nomen und Flexionsaufbau am Adjektiv festgestellt werden. (42) a. der oremers švesters zun (ID 56281 Osveya, Belarus) b. der urimers mimis zin (ID 49259 Zbarazh, Ukraine) c. der urimes mimes zin (ID 46265 Moineşti, Rumänien) Es bleibt weiterhin zu klären, ob sich die beiden Objektkasus Dativ und Akkusativ unterschiedlich in Bezug auf die Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen verhalten. Da es nur einen Satz mit funktionalem Akkusativ-Kontext gibt, ist diese Frage nicht ohne Weiteres zu beantworten. Zumindest ist festzustellen, dass sich dieser Akkusativ-Kontext nicht aufällig anders als die Dativ-Kontexte verhält. Neben diesem einen funktionalen Akkusativ-Kontext liefert das Material auch Daten zu formalen Akkusativbelegen, da die Akkusativform in einigen Dialekten in die Dativfunktion übergegangen ist. Dieser Synkretismus von Akk./ Dat.- Formen, wie er besonders in den mittel- und nordostjiddischen Dialekten stattgefunden hat (vgl. Wolf 1969), lässt sich besonders gut an der Adjektivform nachvollziehen (vgl. Abbildung 6.34). Die Verteilung zwischen flektierter Verwandtschaftsbezeichnung und synkretischer Akkusativform im Dativ-Kontext (vgl. Tabelle 6.8) weist keine statistische Signifikanz in Bezug auf das gesamte Sprachgebiet auf ( 𝜒 2 0.79, df = 1, p < 0.3741, Cramérs V = 0.0564).⁶⁴ Ein Unterschied zwischen Akkusativ oder Dativ bei der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen ist demnach weder auf funktionaler Ebene noch auf formaler nachzuweisen. Außerdem können wir feststellen, dass es keine Variation in der Verteilung von -(e)n-Flexion zwischen den Kasus Akkusativ/ Dativ und den unterschiedlichen Genera gibt. Die Daten zu Satz 156-030 (the children love their grandmother) widerlegen damit die Feststellung von Jacobs (2005: 161), dass weibliche Verwandtschaftsbezeichnungen nur im Dativ flektiert werden. Ackermann (2018: 136) stellt 63 An sich liegen zur Diachronie und Dialektologie der jiddischen Adjektivflexion bisher keine Untersuchungen vor. 64 Wie oben gezeigt werden konnte, liegt allerdings eine offensichtliche Korrelation zwischen der Dativform armer und der nichtflektierten Verwandtschaftsbezeichnung bobe im II. Systemraum (heutige Ukraine) vor. 176 <?page no="177"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen für den Flexionsabbau im Deutschen fest, dass Feminina im 17. und 18. Jahrhundert deutlich häufiger onymische Flexion am Akkusativ als am Dativ erhalten haben (ebenso Ackermann 2020: 52-56). Ein solches Bild zeigt sich in den Materialien des LCAAJ nicht; hier ist ein Unterschied zwischen der Verwendung von der -(e)n-Flexion in beiden Kasus gleichermaßen zu erkennen. Kasus am Adjektiv bobe boben Dat.-Form alter 105 85 Akk.-Form alte 78 50 Tab. 6.8: Akk./ Dat.-Synkretismus am Adjektiv in der LCAAJ- Übersetzungsaufgabe 156-020 I lived with the old grandmother Abb. 6.34: Adjektivform ‘old’ in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 156-020 I lived with the old grandmother 177 <?page no="178"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten 6.5.2 Faktor Genus Erklärungsbedürftig ist die Verteilung der Belege für onymische Flexion bei Verwandtschaftsbezeichnungen, wie sie das Diagramm in Abbildung 6.19 zusammenfasst, insbesondere hinsichtlich der augenscheinlichen Abhängigkeit zum Faktor Genus: während die Maskulina (tate, zeyde) überwiegend flektieren, zeigen die Feminina (mame, bobe) deutlich seltener flektierte Formen. Genus und Belebtheit interagieren soweit miteinander, dass eine Belebtheitsskala für Genus (Mask. < Fem. < Neutr.) aufgestellt werden kann (Alber & Rabanus 2011: 37; Krifka 2009; Nübling 2019). Bei dieser Skala spielen Reflexe gesellschaftlicher Geschlechterordnungen mit hinein, die sich aus genderlinguistischer Perspektive auch in der Grammatik manifestieren (vgl. Nübling 2019). Die LCAAJ-Daten scheinen allerdings nur vordergründig die Flexion von Maskulina zu bevorzugen. Der Einflussfaktor Genus auf die Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen hat eine klare areale Dimension. Während die Maskulina tate ‘Vater’ und zeyde ‘Großvater’ v.a. im Südwesten des Ostjiddischen (Zentralostjiddisch) flektieren, werden die Feminina mame ‘Mutter’ und bobe ‘Großmutter’ in ebendiesem Gebiet kaum flektiert, dafür aber deutlich stärker im Norden und vereinzelt in kleinen Konglomeraten in Galizien, Transkarpatien und der nordukrainischen Oblast Schytomyr (vgl. Abbildungen 6.35 u. 6.36).⁶⁵ Auch sehen wir, dass die Flexion der Maskulina weiter verbreitet ist und weniger eng an einen speziellen Dialektraum gebunden ist als die der Feminina.⁶⁶ Die diatopische Variation in den jiddischen Dialekten reflektiert paradigmatische Sprachwandelprozesse. Das Raumbild zeigt, dass nur dort, wo Flexion bei den männlichen Verwandtschaftsbezeichnungen verwendet wird, auch Flexion 65 Dieses Bild bleibt auch stabil, wenn man berücksichtigt, dass manche Fragen nicht an jedem Erhebungsort gleichmäßig abgefragt wurden; im vorliegenden Fall betrifft dies v.a. die Sätze mit ‘Mutter’ (157-020 u. 157-070), die im Nordostjiddischen nicht flächendeckend abgefragt wurde. Dies heißt wiederum, dass der Effekt in der räumlichen Verteilung der Flexion der Feminina vermutlich noch stärker ist, als die vorhandenen Daten ohnehin schon anzeigen. 66 In manchen Gebieten insbes. im heutigen Polen und der Ukraine wird z.B. foter ‘Vater’ oder muter ‘Mutter’ präferiert verwendet. 178 <?page no="179"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen an weiblichen Verwandtschaftsbezeichnungen möglich ist; es gibt keinen Ort, an dem nur die Feminina, nicht aber die Maskulina flektiert werden. Diese Verteilung wird nur minimal durch ortsgebundene Lexemschwankungen an einzelnen Orten, zu denen es keine Belege für Maskulina oder die entsprechenden flektierenden maskulinen Lexeme gibt, deutlich. Die interessanten Formen sind die flektierenden Feminina, denn hier variiert Flexion besonders stark. Die Bewahrung des Flexionssuffixes an Feminina zeigen besonders die jiddischen Dialekte des Nordens (mit einem Zentrum in Nordpolen und Litauen) und des Südwestens (in einem loseren, kleineren Areal); westlich dieser beiden Pole läuft eine Schneise, in der die Flexion der Feminina kaum mehr gefestigt ist. Die Frage ist weiterhin, welche Funktion die Flexion tatsächlich funktionalisiert: Kasusmarkierung, Belebtheit oder damit verwobene Faktoren wie Definitheit oder die Markierung semantischer Rollen, und inwiefern diese Faktoren miteinander interagieren. Mit Blick auf den Faktor Genus wird deutlich, dass das oben beschriebene I. System (S. 155) im Nordostjiddischen mit der Flexion von Feminina (Verwandtschaftsbezeichnungen) eine weitere zusätzliche Eigenschaft hat. Für System III muss hingegen festgestellt werden, dass hier Flexion weitestgehend auf die maskulinen Verwandtschaftsbezeichnungen beschränkt ist und nur ein Subsystem im Süden zeigt systematische Flexion bei femininen Verwandtschaftsbezeichnungen. Die systemische Varianz wird also zu einem entscheidenden Teil durch geographische Distanz der Teilsysteme bedingt. I. Flexion sowohl bei belebten ‚schwachen‘ Maskulina erhalten als auch bei mask. und fem. Verwandtschaftsbezeichnungen verbreitet; Lokalisierung: Nordosten (≈ Nordostjiddisch) II. Flexion bei belebten ‚schwachen‘ Maskulina und bei mask. Verwandtschaftsbezeichnungen erhalten; Lokalisierung: Südwesten (≈ Südostjiddisch) III. Flexion bei mask./ fem. Verwandtschaftsbezeichnungen erhalten, nicht mehr an Appellativa; Lokalisierung: Südwesten und Nordwesten IV. Flexion nur noch bei maskulinen Verwandtschaftsbezeichnungen, nur noch selten Flexion bei fem. Verwandtschaftsbezeichnungen ( + boben, -mamen), nicht mehr an Appellativa; Lokalisierung: Westen (≈ Zentralostjiddisch) 179 <?page no="180"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten V. Flexion bei belebten ‚schwachen‘ Maskulina erhalten, aber bei mask./ fem. Verwandtschaftsbezeichnungen geschwunden; Lokalisierung: Westpolen (≈ nördliches Übergangsgebiet zum Westjiddischen) Vor allem die Dialekte aus System II zeigen eine klare Genusprofilierung beim Erhalt von Substantivflexion, während die Systeme III und IV vor allem eine Profilierung von Belebtheitsmarkierung auszeichnet. Eine Überlegung, wieso gerade im Norden die Flexion an den Feminina so häufig ist, kann der Einfluss der im Nordostjiddischen stattgefundenen Reduzierung auf ein Zweigenussystem (Femininum, Maskulinum) sein (vgl. Wolf 1969). Das Gebiet, in dem das Neutrum abgebaut wurde, ist nicht genau deckungsgleich mit dem Gebiet, das Flexion weiblicher Verwandtschaftsbezeichnungen im Norden zeigt: In einem kleinen Gebiet zwischen den Flüssen Bug und Wisła im heutigen Polen finden wir in vergleichsweise vielen Kontexten Flexion am Femininum bei gleichzeitigem Erhalt der drei Genera. Trotzdem gilt: überall, wo das Zweigenussystem etabliert wurde, ist Flexion am Femininum belegt. Mit dem Zusammenfall der Genera kann die Notwendigkeit einer stärkeren Differenzierung zwischen [ ± animat ] in diesen Dialekten stärker gewesen sein, da sich dort ehemalige Neutra (vorwiegend unbelebt) auf die feminine und maskuline Flexion verteilen. Dieses Szenario eines Zusammenspiels von Genussystem, Belebtheit und Flexion kann gewiss nicht der einzige Faktor sein, der zur Flexion der Feminina geführt hat, denn es erklärt nicht die Belege für Flexion femininer Verwandtschaftsbezeichnungen in Gebieten mit bewahrtem Neutrum. Auf der anderen Seite ist man beim Jiddischen schnell versucht Sprachkontakt für jegliche Art von Entwicklung verantwortlich zu machen. Und so könnte man auch vermuten, dass Flexion besonders bei Maskulina erhalten bleibt, da in den slavischen Sprachen gerade die Maskulina über die Kategorie [ ± animat ] gesteuert eine besondere Akkusativ-Flexion aufweisen. Für diesen Einflussfaktor spricht das areale Bild zumindest insofern, als dass der Abbau am Maskulinum stärker im nicht-slavischen Gebiet (Baltikum)⁶⁷ als im polnischen und westukrainischen Sprachraum ist; dies erklärt jedoch nicht, wieso der Flexionsverlust am Maskulinum besonders stark im belarussischen und ukrainischen Sprachgebiet ist. Sprachkontakt kann also allenfalls nur ein peripherer Faktor sein. 67 Auch im Baltikum waren slavische Sprachen (insbes. Polnisch) präsent. 180 <?page no="181"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen Abb. 6.35: Summe onymischer Flexion bei Verwandtschaftsbezeichnungen im LCAAJ-Material aller Feminina Abb. 6.36: Summe onymischer Flexion bei Verwandtschaftsbezeichnungen im LCAAJ-Material aller Maskulina 181 <?page no="182"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten 6.5.3 Faktor Numerus Fuß (2011: 29-30) schlägt für den Rückgang der Eigennamenflexion den Einfluss der sogenannten Numerusprofilierung vor: Eine weitere Möglichkeit […] besteht darin, den Verlust von Akk./ Dat./ Gen. -(e)n bei EN [Eigennamen, L. S.] mit der Tatsache in Verbindung zu bringen, dass -en als Pluralsuffix im Frnhd. auf Kosten der Sg. Kasusendungen bei fem. Nomen stark an Bedeutung gewonnen hat. (Fuß 2011: 29) Ein Ausbau der Numerusmarkierung bzw. -differenzierung ist im Deutschen bei der Klasse der ‚schwachen‘ Feminina festzustellen: während noch im Mittelhochdeutschen -(e)n sowohl Kasus- (Akk./ Dat./ Gen.) und auch Pluralsuffix ist, wird es zum Frühneuhochdeutschen hin im Singular vollständig abgebaut und entwickelt sich damit im Standarddeutschen zum eindeutigen Pluralmarker. Im Jiddischen ist mit dem generellen Abbau von Flexion im Singular die Pluralmarkierung entsprechend gestärkt worden (vgl. Abbildung 6.37). Abb. 6.37: Flexion tsung ‘Zunge’ in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 020-040 (vgl. Fuß 2011: 30) 182 <?page no="183"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen Wie in den Daten des LCAAJ sind auch in Ackermanns Untersuchung zum onymischen Flexionsabbau im Neuhochdeutschen die Belegzahlen für flektierende Feminina zunächst deutlich geringer (zwischen 50% und 20% der Gesamtbelege) als für flektierende Maskulina (Ackermann 2018: 136-137). Dies könnte damit zusammenhängen, dass die ‚schwachen‘ Feminina das -en-Suffix als Pluralmarker spezialisiert haben. Ackermann (2018: 137) sieht jedoch keine Bestätigung dieser Hypothese in ihren Daten, denn obwohl Feminina bereits im 17. und 18. Jahrhundert deutlich seltener Flexion aufweisen als Maskulina, entspricht der Abbau nicht der Intensität, wie ihn die Maskulina durchlaufen, und so werden im 19. Jahrhundert noch verhältnismäßig viele Feminina flektiert (23-24%), während Flexion bei maskulinen Eigennamen nahezu vollständig geschwunden ist (2-3%). Da die Einflüsse auf den Abbau von Eigennamenflexion jedoch multifaktoriell sind, schließt Ackermanns Befund m.E. einen Einfluss der Numerusprofilierung nicht a priori aus. Nun sind Eigennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen zumeist (aber nicht ausschließlich) monoreferenziell und werden damit vermehrt im Singular verwendet. Gebrauchsbasiert kann man nun argumentieren, dass Eigennamen damit eine substantivische Subkategorie bilden, die nahezu gänzlich auf eine eigene paradigmatische Pluralmarkierung verzichten kann.⁶⁸-Demzufolge wurden Eigennamen auch nicht von Prozessen der sog. Numerusprofilierung tangiert bzw. blockieren diesen Prozess. Dass Monoreferenzialität eine wichtige Rolle spielt, diese aber nicht für alle Eigennamen (und Verwandtschaftsbezeichnungen) generalisierbar ist, zeigen die Daten des LCAAJ: Innerhalb der beiden abgefragten Feminina ‘Großmutter’ und ‘Mutter’ gibt es eine deutliche lexemgebundene Diskrepanz in der Verwendung von -(e)n-Flexion, die mit einer ganz einfachen Überlegung erklärt werden kann: rein biologisch verfügt jeder Mensch über nur eine Mut- 68 So wird z.B. im Gegenwartsdeutschen bei Eigennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen das default Pluralsuffix -s verwendet die Oliver-s dieser Welt, Oma-s gegen Rechts (vgl. Wiese 2009: 144, 167). Entsprechend sind die Plurale der Verwandtschaftsbezeichnungen im Standardjiddischen (vgl. CMY 2009) von der Kasusflexion distinkt: tate ‘Vater’ (Sg.) - tates ‘Väter’ (Pl.); zeyde ‘Großvater’ (Sg.) - zeydes ‘Großväter’ (Pl.) und auch bobe ‘Großmutter’ (Sg.) - bobes ‘Großmütter’ (Pl.), mame ‘Mutter’ (Sg.) - mames ‘Mütter’ (Pl.). Der s-Plural bei Verwandtschaftsbezeichnungen ist auch in den niederdeutschen Dialekten üblich (Schirmunski 1962: 424). 183 <?page no="184"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten ter, aber über zwei Großmütter; d.h. die Numerusdistinktion für ‘Großmutter’ ist deutlich wichtiger als für ‘Mutter’. Während demnach bei bobe die Numerusprofilierung der ‚schwachen‘ Feminina wirkt, bleibt bei mame das Flexionssystem - dem mittelhochdeutschen Stadium entsprechend - erhalten. Daraus resultierend lässt sich die folgende (gebrauchsbasierte) Hypothese formulieren, dass monoreferenzielle Substantiva die Numerusprofilierung blockieren und damit Flexion im Singular eher bewahren können. Als Konsequenz daraus wäre damit anzunehmen, dass Eigennamen (und Verwandtschaftsbezeichnungen) prinzipiell denselben Mechanismen wie Substantiva unterliegen, aber sich auf Grund ihrer besonderen Semantik formseitig anders verhalten. Wenn wir nun davon ausgehen, dass (im Jiddischen) Namen als Substantivgruppe behandelt werden, dann stellt die Eigennamenflexion (im Jiddischen) eigentlich einen Erhalt von Substantivflexion bei belebten Nomina dar, was wiederum hieße, dass sich Flexionsabbau bzw. Flexionswandel am Nomen (Numerusprofilierung und Kasusnivellierung) die Belebtheitshierarchie aufsteigend vollzieht. Wenn sich diese Hypothesen als Wirkmechanismen erweisen, hieße dies, dass sich die jiddischen Varietäten konsequenter bzw. in gewissen Sinne natürlicher entwickelt haben als die (bisher untersuchten) Varietäten des Deutschen, denn im Jiddischen ist die Kasusnivellierung mit Ausnahme monoreferenzieller Substantiva deutlich weiter fortgeschritten als im Deutschen (s.o. zur Situation der ‚schwachen‘ Maskulina). Dies hieße aber auch, dass die in H1 und H2 (S. 58) formulierten Überlegungen zur Grammatikalisierung von -(e)n zum Marker von semantischen Rollen bzw. [ ± Animatheit ] bestätigt werden. H1 (DOM/ Animatheit) gilt, da Belebtheits- und Kasusmarkierung von IO- und DO-Positionen erfolgt. Die H2 (Deflexion) ist besonders auf das Jiddische zutreffend, da Kasusflexion am Substantiv hier ausschließlich onymisch d.h. an hochbelebten Substantiva erhalten blieb. Die Suffixe -s Poss. und -(e)n Akk./ Dat. dienen am Substantiv im Singular ausschließlich der DOM. H3 (Exaptation) läge damit in dem Sinne vor, dass eine Spezialisierung eines ursprünglich nicht primären Merkmals von Kasusflexion ausgebaut wurde. Da jedoch immer noch eine Kasusmarkierung vorliegt, also keine neue Funktion entstanden ist, lässt sich nicht von einer Exaptation im radikalen Sinne sprechen. Es ließe sich allerdings für die Entstehung einer paradigmatischen Kennzeichnung der Kategorie [ Personenname ] plädieren, da dies nunmehr die einzige Substantivklasse ist, die Flexion aufweist. 184 <?page no="185"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen 6.5.4 Faktor Animatheit Wie bereits mehrfach erwähnt, spielt der Faktor Animatheit beim Erhalt von Flexion eine wichtige Rolle. Allein der Umstand, dass im Jiddischen Kasusflexion am Nomen - außer bei in der Animatheitshierarchie weit oben stehenden Substantiva - überall geschwunden ist, zeigt dies. So blieb in den Systemen II und III -(e)n-Flexion nur noch bei besonders animaten Entitäten erhalten. Im System II ist der Rückgang von Flexion bei Verwandtschaftsbezeichnungen besonders stark, hingegen beim Appellativ ‘Jude’ noch stabil. Aber kann Belebtheit auch als Faktor herangezogen werden, der die Variation der LCAAJ-Daten bezüglich Verwandtschaftsbezeichnungen beeinflusst? Die Variation bezüglich der Genera (fem./ mask.) kann mit der Feststellung von Krifka (2009: 155-156) in Übereinstimmung gebracht werden, dass das Maskulinum eine stärkere Belebtheit trägt bzw. durch diese gesteuert wird als das Femininum und daher Kasus am Maskulinum eher erhalten bleibt. Seine Daten und damit auch Ergebnisse beziehen sich allerdings auf Korpora des geschriebenen Gegenwartsdeutschen; auf Grund von tiefgreifenden Umstrukturierungen im Genussystem wäre besonders eine Analyse frühmittelhochdeutscher Zustände (insbes. für den Vergleich zum Jiddischen) aussagekräftiger (vgl. Dammel & Gillmann 2014: 212; Alber & Rabanus 2011: 38). Es ist zu überlegen, ob die ‘Mutter’ dem Ego näher steht als die ‘Großmutter’ und letztere damit weniger animat ist und daher auch weniger häufig flektiert wird. Mit Blick auf die Maskulina hieße das hingegen, dass ‘Vater’ und ‘Großvater’ noch weit animater wären als die ‘Mutter’, was wiederum mit der Belebtheitshierarchie für Genus interagiert (vgl. Alber & Rabanus 2011). Deutlich wird dabei aber, dass sowohl im Maskulinum als auch im Femininum ältere Personen als weniger animat (≈ alt, ‚schwach‘) als die Elterngeneration aufgefasst und auch weniger häufig flektiert werden. Gleiches gilt für die Kontexte im Possessiv: Ist die ‘Tante’ in Satz 160-130 weniger häufig flektiert als die ‘Schwester’, weil eine ‘Tante’ eine größere Distanz zum Ego als eine ‘Schwester’ besitzt? Ebenso kann das Alter eine Rolle spielen: je älter desto unbelebter. Die Verteilung zwischen possessiver s-Flexion und ø-Flexion bei shvester und bei mume/ tante ist statistisch höchst signifikant, jedoch mit nur mittelstarker Effektstärke ( 𝜒 2 19.03, df = 1, p < 0.00001, Cramérs V = 0.255). Das Gleiche gilt für die femininen Verwandtschaftsbezeichnungen im Dativ bzw. Akkusativ: Die ungleiche Verteilung 185 <?page no="186"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten zwischen ‘Mutter’ als animatere (d.h. dem Ego näherstehende) Entität und ‘Großmutter’ als weniger animate (d.h. dem Ego weniger nahestehende) Entität in den vier Dativ-Kontexten ist ebenfalls höchst signifikant bei mäßiger Effektstärke ( 𝜒 2 104.02, df = 1, p < 0.0001, Cramérs V = 0.312). Diese Verteilung gilt jedoch nur für die Feminina, bei denen, wie gezeigt werden konnte, die Faktoren Genus und Numerus den Erhalt und Abbau von -(e)n-Flexion steuern. Bei den Maskulina gibt es keinen signifikanten Unterschied zwischen Flexion von ‘Vater’ und ‘Großvater’. Ein weiteres Indiz, dass eine feinere Klassifizierung von Animatheit nicht für die dialektale Variation verantwortlich gemacht werden kann, zeigt sich mit Blick auf die Kontexte: während die ‘Großmutter’-Sätze im Dativ ebenso wie die ‘Vater’- und ‘Großvater’-Sätze über die Pronomen klar zum Ausdruck bringen, dass es sich um unmittelbare Verwandte des sprechenden Subjekts handelt, referieren die Sätze mit ‘Mutter’ wie auch der Akkusativ-Satz mit ‘Großmutter’ auf die Verwandtschaftsbeziehung eines sprecher-fernen Substantivs. Würde die Nähe zum Ego hier ein beeinflussender Faktor sein, würden letztgenannte Sätze weniger häufig Flexion aufweisen als die übrigen; dies ist mit Blick auf die ‘Großmutter’- Sätze nicht der Fall. 6.5.5 Faktor Definitheit Mit der Verwendung eines (onymischen) Definitartikels unterscheiden sich die Verwandtschaftsbezeichnung im Jiddischen von den Rufnamen (vgl. Abschnitt 6.4, ab S. 151). In drei der Dativ-/ Akkusativ-Kontexte mit Verwandtschaftsbezeichnung wird der Definitartikel in der zu übersetzenden Vorgabe genannt, in ebenfalls drei Fällen steht ein Pronomen (their, her, my) und in zwei Fällen wird Definitheit nicht klar markiert (with grandfather und from father). Letztere Sätze weisen in über 90% der Belege Flexion auf, was, wie gezeigt werden konnte, vor allem am Faktor Genus festzumachen ist. Fehlende overte Kodierung von Definitheit ist also zumindest kein Hindernis der Flexion bei Verwandtschaftsbezeichnungen in den jiddischen Dialekten, die vom LCAAJ abgedeckt werden. 186 <?page no="187"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen 6.5.6 Faktor Individualität Ein Konzept, welches in der Diskussion um Eigennamenflexion genannt wird, ist das von Hopper & Thompson (1980) für Transitivitätsausdrücke entwickelte Modell von Individualität (vgl. Ackermann 2018: 57-59). „Je deutlicher ein Objekt als Individuum wahrgenommen wird, umso stärker wird der Effekt, dass es von der Handlung des Subjekts affiziert wird“ (Szczepaniak 2011: 344). Dieses Verhältnis eines Objekts zu seiner wahrgenommenen Individualität ist graduell. Da Eigennamen generell als monoreferenziell bezeichnet werden können, haben sie den höchsten Grad an Individualität. Individualität korreliert mit Belebtheit, Definitheit und Referenzialität. So gesehen ist nicht viel damit gewonnen, hier die einzelnen Individualitätsgrade der erhobenen Daten zu ermitteln --was ohnehin ohne eine konkrete Befragung der LCAAJ-Informant: innen ad hoc gar nicht zweifelsfrei möglich ist -, denn dieses Konzept bringt eher weitere Unschärfe hinein, als dass es uns hilft, die Mechanismen, die die onymische Flexion im Jiddischen steuern, zu identifizieren. Angesichts der Idee von Individualitätheitsgraden ist allerdings anzunehmen, dass die flektierenden Appellativa im Jiddischen (‘Mensch’, ‘Rabbi’, ‘Jude’) wenig bis gar nicht flektieren, wenn sie als tatsächliche Appellativa gebraucht werden und nur dann Flexion aufweisen, wenn sie ‚individualisiert‘ werden, z.B. in Verbindung mit einem Indefinitum ikh sey dem gutn menshn vs. ? ikh sey keyn gutn mensh(n). Leider fehlen im LCAAJ-Material vergleichbare Kontexte. 6.5.7 Faktor biologisches Geschlecht der Informant: innen Ein möglicher Faktor, der mit Belebtheit interagiert, ist das biologische Geschlecht der Informant: innen. Sofern Identifikation und Familiarität über den Sexus stattfindet, was für Jiddischsprecher: innen der 1960er anzunehmen ist, wäre zu erwarten, dass Frauen weibliche Namen häufiger flektieren als männliche und Männer entsprechend männliche Namen häufiger als weibliche. So konnte Redl (2021) in Eye Tracking-Studien zeigen, dass männliche Niederländischsprecher häufiger eine männliche Interpretation des generischen Maskulinums des Possessivpronomens zijn ‘sein’ haben als Frauen. Im LCAAJ-Sample gibt es bereits 9,8% (65) mehr männliche Informanten als weibliche. Doch dies kann nicht der Grund für die bevorzugte Flexion maskuliner Verwandtschaftsbezeichnungen sein. Der Vergleich zwischen den beiden großflä- 187 <?page no="188"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten chig abgefragten Übersetzungsaufgaben 156-020 I lived with the old grandmother und 156-050 I lived with grandfather, die sich nur in zwei Punkten unterscheiden (Genus der Verwandtschaftsbezeichnung und ± Adjektiv), zeigt, dass männliche Informanten sich nicht signifikant häufiger die maskuline Verwandtschaftsbezeichnung flektieren als weibliche Informantinnen; Informantinnen hingegen flektieren signifikant seltener die weibliche Verwandtschaftsbezeichnung ‘Großmutter’, als die männlichen Informanten (vgl. Tabellen 6.9 und 6.10). Eine Interaktion zwischen Belebtheit/ Familiarität und dem Sexus der Informant: innen kann demnach ausgeschlossen werden. Trotzdem hat das biologische Geschlecht einen Einfluss darauf ob feminine Namen flektiert werden. Eine geographische Erklärung gibt es nicht, da das Sample überwiegend eine gute Verteilung männlicher und weiblicher Informanten gewährleistet und etwaige Räume in denen eine Gruppe überwiegt, nicht mit den identifizierten Systemräumen korrelieren (vgl. Abbildung 6.38). Vielmehr deutet dieser Sexuseffekt etwas an, was in Abschnitt 6.5.12 noch deutlicher ausgearbeitet wird: Die genusspezifischen Schwankungen in den LCAAJ-Materialien spiegeln diachrone Prozesse wieder, bei denen Flexion an femininen Namen abgebaut werden. Der Umstand, dass Frauen seltener feminine Verwandtschaftsbezeichnungen flektieren, kann mit denen von Labov (1990) initiierten Überlegungen zur Rolle von Frauen, in genderbinären Kulturen, in denen Frauen für Kindererziehung (≈ Spracherwerb) und interkulturelle Kommunikation (≈ Sprachkontakt) zuständig sind, wie der aschkenasischen, in Sprachwandelprozessen moderner, ‚westlicher‘ Sprachgemeinschaften, erklärt werden: Principle I: For stable sociolinguistic variables, men use a higher frequency of nonstandard forms than women Principle Ia: In change from above, women favor the incoming prestige form more than men Principle II: In change from below, women are most often the innovators (Labov 1990: 215) Damit scheint der Faktor Innovation vom Geschlecht der Proband: innen abzuhängen, während der Faktor Belebtheit allerdings keinen Sexuseffekt aufweist. 188 <?page no="189"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen Männer Frauen -ø 88 126 -n 91 71 Tab. 6.9: Flexion von ‘Großmutter’ in 156-020 nach Geschlecht (exklusive Elsass); 𝜒 2 = 7.78 df = 1 p = 0.005 Cramer’s V = 0.149 Männer Frauen -ø 14 17 -n 151 156 Tab. 6.10: Flexion von ‘Großvater’ in 156-050 nach Geschlecht (exklusive Elsass); 𝜒 2 = 0.06 df = 1 p = 0.807 Cramer’s V = 0.023 Abb. 6.38: Biologisches Geschlecht der LCAAJ-Informant: innen 189 <?page no="190"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten 6.5.8 Faktor semantische Rollen Der Erhalt von Flexion bei Eigennamen, Verwandtschaftsbezeichnungen und wenigen, hochbelebten Appellativa, kann eine Funktion bei der Identifizierung der semantischen Rollen leisten. Wenn Kasusflexion wegfällt und Optionen in der Wortstellung eingeschränkt sind, bedarf es einer anderen Auszeichnung semantischer Rollen. Gerade bei belebten Substantiva, die sowohl in den Rollen Patiens als auch Agens auftreten können, ist eine klare Kennzeichnung der semantischen Rollen von Vorteil. Im Deutschen hilft - neben der Wortstellung - bei Eigennamen auch der Definitartikel zur Kennzeichnung der semantischen Rollen. Dies ist im Jiddischen bei Rufnamen nicht möglich, dafür blieb aber Flexion am Namen erhalten: (43) vi Oli hot gelozt faln Aleksn. ‘Als Oli (den) Alex fallen gelassen hat.’ Nun ist die Frage, inwiefern die -(e)n-Dativ/ Akkusativ-Flexion im Jiddischen als DOM zu verstehen ist. Immerhin leistet sie, was von einer DOM zu erwarten ist: eine klare Identifikation der semantischen Rollen, die auf hochbelebte Substantiva beschränkt ist. Die in dieser Arbeit verfolgte, verhältnismäßig enge Definition von DOM nach Primus (2011: 20) wird allerdings nicht von allen geteilt. Insbesondere typologische Arbeiten analysieren jegliche Markierung des Patiens (P) als DOM und beziehen damit auch untypische Formen von Kasusflexion mit ein. Aissen (2003: 456), die einen weit gefassten Begriff von DOM hat, analysiert die verbliebene Substantivflexion im Jiddischen als eindimensionale DOM, die - im Unterschied zu zweidimensionaler DOM - entweder nur durch Belebtheit oder durch Definitheit gesteuert ist. DOM im Jiddischen ist nach Aissen (2003: 456) allein durch Belebtheit motiviert. Eindimensionale DOM wird in diesem typologischen Framework darauf reduziert, Belebtheit von P auszudrücken. Dies leistet die erhaltene Substantivflexion im Jiddischen. In diesem (typologischen) Sinne liegt eine DOM in den ostjiddischen Dialekten vor. Aber Definitheit spielt bei der jiddischen Eigennamenflexion durchaus eine wichtige Rolle, werden doch - abgesehen von den drei hochbelebten Maskulina - ausschließlich inhärent definite Substantiva ( = Namen) objektmarkiert. Die Flexion ist nicht produktiv auf alle hochbelebten Substantiva anzuwenden, sondern auf Onymika beschränkt. Auch zeigt der Umstand, dass der Definitartikel bei den jiddischen Eigennamen nicht 190 <?page no="191"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen erscheint, zumindest eine formseitig sichtbare Interaktion zwischen Definitheit und onymischer Flexion. Daher ist die jiddische DOM sowohl durch Belebtheit als auch Definitheit gesteuert. Um auf H1 zurückzukommen, die besagt, dass sich aus dem Flexionssuffix -(e)n ein Marker für DOM herausgebildet haben kann: So müssen wir uns zunächst fragen, ob es sich hier um Flexion als einfache Exponenz (markiert Kasus), kumulative Exponenz (markiert Kasus und Belebtheit) oder um einfache Exponenz (markiert Belebtheit) handelt. Die Analyse konnte zeigen, dass Kasusmarkierung außerhalb des Wortkörpers (Artikel, PDM, Adjektivflexion) ausgedrückt wird. Wir haben gesehen, dass -(e)n als Kasussufix am Substantiv nicht von der Verwendung und Form des definiten Artikels abhängig ist bzw. von diesem übernommen wird. Dies könnte dafür sprechen, dass das Suffix nicht ausschließlich Kasusinformation kodiert, sondern stattdessen Belebtheit und semantische Rollen. Es gibt nun zwei mögliche Analysen zum funktionalen Status des -(e)n-Suffixes in den jiddischen Dialekten, die es erhalten haben: Die gängige Analyse wäre in Fällen, in denen -(e)n-Flexion erhalten blieb, von einer Polyflexion (erweiterte Exponenz) von Kasus auszugehen. Eine zweite, weniger konforme Idee wäre es nun, -(e)n nicht mehr als Kasusmarkierung zu verstehen, sondern als Suffix zur Auszeichnung von hochbelebten Partizipanten. Dieses Suffix konkurriert mit dem Pluralsuffix; Ein Konflikt, der bei Eigennamen (inkl. Verwandtschaftsbezeichnungen) mit der Ausdehnung von -s als Pluralmarker aufgelöst wird. Je nach Definition von Kasus schließen beide Ansätze einander nicht komplett aus und so sind beide Analysen nicht prinzipiell auszuschließen. Wenn Kasus, wie eingangs ausgeführt, mit syntaktischen und semantischen Funktionen generell interagiert, ist zu fragen, inwiefern überhaupt ein funktionaler Wandel vorliegt und nicht etwa ein Ausbau bestehender Grundmechanismen von Kasus. 6.5.9 Faktor Akzessibilität Ein funktional-kognitiver Faktor, der bei der Grammatik von Namen eine Rolle spielt, ist die Zugänglichkeit (Accessibility) von (pro-)nominalen Ausdrücken für den Sprecher/ Hörer im Kontext des jeweiligen Diskurses. Der Grad an Akzessibilität, den ein Ausdruck haben kann, bezieht sich in diesem Sinne auf seine Bekanntheit (im Diskurs) und korreliert damit im gewissen Sinne mit Monoreferenzialität und auch mit Belebtheit. Je bekannter und damit spezifischer ein 191 <?page no="192"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten (pro-)nominaler Ausdruck ist, umso höher seine Akzessibilität; je niedriger die Akzessibilität, umso wichtiger werden Referenzausdrücke. Akzessibilitätsskalen haben keine universale Gültigkeit, sondern schwanken von Sprachgemeinschaft zu Sprachgemeinschaft (und vermutlich auch von Sprecher: in zu Sprecher: in). Ariel (1990: 73) hat entsprechend eine Skala von (pro-)nominalen Ausdrücken gemäß ihrer [ ± Akzessibilität ] - anhand englischer und hebräischer Texte - aufgebaut (s.a. Ariel 1988; Ariel 2001), auf der Namen im Vergleich zu Pronomen eine deutlich geringe Akzessibilität aufweisen. Werth (2020: 79) hat ebenso eine Akzessibilitätsskala für Typen von Personennamen im Deutschen entwickelt (s. Abbildung 6.39), die jedoch den pronominalen Bereich ausklammert. Verwandtschaftsbezeichnungen werden darin nicht gesondert berücksichtigt; diese müssten zwischen Rufnamen und Familiennamen liegen. Für die vorliegenden Daten ist es nahezu unmöglich zu testen, inwiefern Akzessibilität ein Einflussfaktor auf die Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen ist, denn die einzelnen Übersetzungsaufgaben liefern keinerlei Kontext, keinen Diskurs und bieten den Informant: innen auch nur wenig Freiheiten, etwaige Referenzausdrücke hinzuzufügen oder wegzulassen. Trotzdem können die Daten des LCAAJ so weit interpretiert werden, dass Verwandtschaftsausdrücke, die im Kontext mit dem Pronomen der 1. Person Sg. auftreten, besonders häufig -n-Flexion aufweisen. Dies könnte so gedeutet werden, dass in diesen Fällen die Informant: innen unmittelbar Zugriff auf ein Konzept ‘Vater’ oder ‘Großvater’ hatten und diese Verwandtschaftsausdrücke damit eine höhere Akzessibilität aufweisen als in Kontexten, in denen eine Verwandtschaftsbezeichnung ‘abstrakter’ (the mother, their grandmother) verwendet wird. Dies hieße in letzter Konsequenz aber auch, dass die Verortung von Namen auf Skalen wie in Abbildung 6.39, über deren Flexibilität sowohl zwischen monoals auch polyreferenziellen Eigenschaften zu agieren, hinwegtäuscht. Akzessibilität eines Ausdrucks wäre demnach ein kognitives Konzept, das in jedem Sprechereignis vom Sprecher/ Hörer neu definiert wird. Doch die Daten des LCAAJ liefern auch Evidenz dafür, dass selbst die mögliche Identifikation ( = Akzessibilität) der Übersetzer: innen mit eigenen Verwandten nicht immer auch zu einer erhöhten Flexion führt. So ist Flexion in den Übersetzungen der Sätze 156-020 I lived with the old grandmother und 156-060 I remember the old grandmother am geringsten. 192 <?page no="193"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen geringe Akzessibilität GesamtN+Modifizierer GesamtN FamN+Modifizierer RufN+Modifizierer FamN VerwandtN RufN SpitzN hohe Akzessibilität Abb. 6.39: Akzessibilitätsskala für Typen von Personennamen im Deutschen nach Werth (2020: 79) ergänzt um Verwandtschaftsbezeichnungen (inkl. Verwandtschaftsnamen) 6.5.10 Faktor Phonotaktik Ein nicht zu unterschätzender Faktor, der morphologische und syntaktische Prozesse beeinflusst, ist die Phonotaktik. Daher soll ein näherer Blick auf die Silbenstruktur und den phonologischen Kontext der flektierenden Verwandtschaftsbezeichnungen im LCAAJ geworfen werden, um zu testen, inwiefern die -(e)n- Flexion phonotaktisch bedingt sein kann. An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass die Fieldnotes zwar den Anspruch haben, phonologische Transkriptionen zu sein, dabei aber phonetisch nicht akkurat sind und wir hier Daten sehen, die bereits vom Interviewer vorinterpretiert wurden.⁶⁹ Eine logistische Regressionsanalyse der Varianten im Auslaut der Lexeme bobe und mame ergibt, dass die bestehende Variation zu 88% mit der geographischen Distanz erklärt werden kann (siehe Abbildung 6.47).⁷⁰ Diese Variation deckt beides ab: die morphologische Variation [ ±-(e)n-Flexion ] und die phonologische Variation [ ± Vokal/ Schwa ] im Auslaut. 69 Die Fieldnotes treffen eine Unterscheidung zwischen alveolarem [ n ] und velarem [ ŋ ] Nasal, die jedoch nicht areal bedingt sind und daher in den Karten zu < N > zusammengefasst wurde. Ein erster Höreindruck der Tonaufnahmen auf EYDES (1996) bestätigt, dass -n häufig als bilabialer Nasal [ m ] realisiert wird, was in den Fieldnotes aber in nur zwei Fällen (bei bobe) transkribiert wurde. 70 Ein großes b/ a-Ratio zeigt ein großes Signal/ Rausch-Verhältnis in den Daten an. Ein kleiner Wert für c zeigt an, dass die linguistische Variation über eine kurze geographische Distanz messbar ist. Das Signal/ Rausch-Verhältnis beschreibt das Verhältnis zwischen dem Pegel eines Signals und dem Pegel des Hintergrundrauschens. 193 <?page no="194"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Das -(e)n Suffix hat verschiedene Funktionen und schwankt in der Realisierung des Schwa. Eine halbwegs robuste Regel im Standardjiddischen --von der es auch Abweichungen gibt --wann -en statt -n gesetzt wird, ist für Infinitive bekannt: Schwa erscheint nach betontem Vokal, Diphthong, den Nasalen [ m ] , [ n ] , nach ng, nk oder stimmhaftem l (Jacobs 2005: 121, s.a. 113-114). Es heißt also Standardjiddisch kumen ‘kommen’ aber zogn ‘sagen’. Sofern sich diese Regel auf nicht-verbale Kontexte übertragen lässt, erklärt dies zumindest die häufige Präsenz eines Vokals bzw. Schwa in den Kontexten mit mame (vgl. Abbildungen 6.40 u. 6.41). Verwandtschaftsbezeichnungen, insbesondere Bezeichnungen naher Familienmitglieder, haben in der Regel einfache CV-Silben (Konsonant, C - Vokal, V) und bilden zumeist maximale Oppositionen der Sonoritätshierarchie. Dies hängt damit zusammen, dass es zumeist Lallwörter des frühen Spracherwerbs sind, die auf Grund physiologischer Faktoren in den Sprachen der Welt unabhängig von Sprachverwandtschaften sehr ähnlich sind (vgl. Jakobson 1962). Und so spiegeln auch die untersuchten jiddischen Verwandtschaftsbezeichnungen mame, bobe, tate, zeyde eine solche einfache Silbenstruktur wider. Doch auch wenn sich die Silbenstruktur aller vier Lexeme im Standardjiddischen sehr ähnelt, verhalten sie sich besonders im Auslaut auf dialektaler Ebene ganz unterschiedlich. Die Abbildungen 6.40-6.43 zeigen die Variation des Auslauts in vier Dativ-Kontexten. Es fällt auf, dass die Feminina geographisch motivierte Variation des Vokals zeigen, während die Maskulina nur selten - im westlichen NOJ (und Teilen des transkarpatischen Jiddisch) - einen Vokal bzw. Schwa produzieren. Der vokallose Auslaut, der bei tate und zeyde überwiegt, tritt bei mame und bobe nur sehr selten (insbes. im nördlichen NOJ und transkarpatischen Jiddisch) in Erscheinung. Flexion und Vokal im Auslaut -ben/ -bən (boben) ist relativ eng auf den Raum des heutigen Belarus beschränkt, während -men im Auslaut von mame auch im SOJ und östl. ZOJ auftritt. Sowohl die maskulinen als auch die femininen Verwandtschaftsbezeichnungen weisen im Auslaut einfache Silbenstruktur auf, doch während in den meisten Belegen zu den Maskulina die Koda leer bleibt, ist diese bei den flektierenden Feminina gefüllt. Eine gefüllte Koda erlauben nur die Dialekte im heutigen Ostpolen und Belarus (vgl. Abbildung 6.44). 194 <?page no="195"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen Hier lassen sich Überlegungen anstellen, inwiefern das Prinzip des konstruktiven Ikonismus aus der Natürlichkeitsmorphologie nach Mayerthaler (1981) greift, das besagt, dass ein Mehr an semantischer Information ein Mehr an Form bedeutet. In Konkurrenz zum Kasusmorphem -(e)n steht das homophone Numerusmorphem -(e)n. Es ist nun möglich, dass nur das Numerusmorphem in die Koda treten darf, da es ein semantisches Mehr ausdrückt, das Kasusmorphem hingegen nur als silbisches -n erscheint. Um die Allomorphie zu umgehen, flektieren Eigennamen mit dem -(e)s-Plural (vgl. Fuß 2011: 29). Aber unterscheiden sich Numerus- und Kasus-n außerhalb der Klasse der Eigennamen? Das Auslautverhalten beim Plural des Femininums ‘Lampen’ standardjiddisch lompn, Sg. lomp im LCAAJ-Satz 081-021 the lamps shone zeigt, dass im Jiddischen auch bei femininen Appellativa das Pluralsuffix -n silbisch (d.h. ohne weiteren Vokal/ Schwa) erscheint (vgl. Abbildung 6.45).⁷¹ Abgesehen von fünf Belegen mit Umlaut (UL) + -n unterscheiden sich die -n Morpheme zur Plural- und Kasusbildung formal nicht. Was uns hier als silbenstruktureller Unterschied entgegentritt, kann aber auch ein semantischer sein. Die Opposition tatn vs. tatən ist nach Jacobs (2005: 162) eine spezielle Form der Diminution: mitn tatn ‘with my father,’ mit tatən ‘with Dad’; eine Koseform (die nur im Dativ auftritt). Entsprechend der Questionnairevorlage der father-Sätze erscheint immer tatn und nicht taten. Es ist nicht bekannt, dass andere Verwandtschaftsbezeichnungen analoge Koseformen bilden können, z.B. bobn ‘Großmutter’ vs. boben ‘Großmama/ Oma’. Besonders eine analoge Ausdehnung auf das semantisch (männlicher, naher Verwandter) und phonologisch sehr ähnliche zeyde ist plausibel, aber nicht belegt. Das disparate Bild der Silbenstruktur im Auslaut der (un-)flektierten femininen und maskulinen Verwandtschaftsbezeichnungen kann also schlicht dadurch entstehen, dass die Maskulina eine phonologische Differenzierung zwischen Verwandtschaftsbezeichnung und Verwandtschaftsname vornehmen, die bei den Feminina (vermutlich) nicht besteht. Gleichzeitig sehen wir, dass die phonotaktische Struktur der Akkusativ/ Dativ-Flexion der femininen Verwandtschaftsbezeichnungen im Singular analog zu der Pluralflexion der ‚schwachen‘ Feminina 71 In lediglich vier von 363 Fieldnotes findet sich das Pluralsuffix als -en. Diese vier Fieldnotes hängen geographisch nicht zusammen, sind aber alle entlang der Grenze zum deutschen Sprachgebiet angesiedelt. 195 <?page no="196"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten steht (vgl. Abbildungen 6.40 u. 6.41 vs. 6.46). Damit sind die beiden Suffixe (Pl. fem. und Akk./ Dat. Sg. fem.) auch auf dialektaler Ebene homonym und eine klare Numerusdistinktion im Akkusativ und Dativ ist nicht gegeben (vgl. Abschnitt 6.5.3). Abb. 6.40: Auslaut im Dativ-Kontext eines Feminunums auf stimmhaftem Plosiv bobe 196 <?page no="197"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen Abb. 6.41: Auslaut im Dativ-Kontext eines Feminunums auf Nasal mame Abb. 6.42: Auslaut im Dativ-Kontext eines Maskulinums auf stimmlosem Plosiv tate 197 <?page no="198"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Abb. 6.43: Auslaut im Dativ-Kontext eines Maskulinums auf stimmhaftem Plosiv zeyde Abb. 6.44: Silbenstruktur: Auslaut bobe (Sg.) 198 <?page no="199"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen Abb. 6.45: Silbenstruktur: Auslaut lompn (nur -(e)n Plurale) Abb. 6.46: Pluralsuffix von ‘Blume’ in LCAAJ Übersetzungsaufgabe 099-020 the flowers are blooming 199 <?page no="200"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten C a ll : lm ( formula = d i f ~ I ( l o g ( g e o ) ) ) R e s i d u a l s : Min 1Q Me dia n 3Q Max − 0 . 6 6 5 3 1 0 . 0 1 0 1 0 0 . 0 3 0 4 4 0 . 0 5 3 7 4 0 . 5 3 6 9 8 C o e f f i c i e n t s : E s t i m a t e S t d . E r r o r t v a l u e P r ( > | t | ) ( I n t e r c e p t ) 0 . 3 4 6 0 2 6 8 0 . 0 0 2 3 8 5 4 1 4 5 . 1 <2 e − 1 6 ∗ ∗ ∗ I ( l o g ( g e o ) ) 0 . 0 4 3 0 9 7 1 0 . 0 0 0 3 6 9 3 1 1 6 . 7 <2 e − 1 6 ∗ ∗ ∗ S i g n i f . c o d e s : 0 ‘ ∗ ∗ ∗ ’ 0 . 0 0 1 ‘ ∗ ∗ ’ 0 . 0 1 ‘ ∗ ’ 0 . 0 5 ‘’ . 0 . 1 ‘’ 1 R e s i d u a l s t a n d a r d e r r o r : 0 . 1 4 0 7 on 2 8 5 2 4 1 d e g r e e s o f f r e e d o m M u l t i p l e R− s q u a r e d : 0 . 0 4 5 5 7 , A d j u s t e d R− s q u a r e d : 0 . 0 4 5 5 7 F − s t a t i s t i c : 1 . 3 6 2 e + 0 4 on 1 and 2 8 5 2 4 1 DF , p− v a l u e : < 2 . 2 e − 1 6 L o g a r i t h m i c / A c t u a l R− s q u a r e d : 0 . 0 4 5 5 7 4 7 8 L o g a r i t h m i c / L o c a l R− s q u a r e d : 0 . 8 7 7 3 5 2 4 C a ll : lm ( formula = d i f ~ I ( l o g ( g e o ) ) ) R e s i d u a l s : Min 1Q Me dia n 3Q Max − 0 . 6 7 1 3 6 0 . 0 0 4 0 8 0 . 0 1 3 6 6 0 . 0 2 5 1 0 0 . 4 2 2 9 8 C o e f f i c i e n t s : E s t i m a t e S t d . E r r o r t v a l u e P r ( > | t | ) ( I n t e r c e p t ) 0 . 5 0 9 4 1 9 7 0 . 0 0 1 9 1 4 5 2 6 6 . 0 9 <2 e − 1 6 ∗ ∗ ∗ I ( l o g ( g e o ) ) 0 . 0 2 1 7 0 9 5 0 . 0 0 0 2 9 6 4 7 3 . 2 5 <2 e − 1 6 ∗ ∗ ∗ S i g n i f . c o d e s : 0 ‘ ∗ ∗ ∗ ’ 0 . 0 0 1 ‘ ∗ ∗ ’ 0 . 0 1 ‘ ∗ ’ 0 . 0 5 ‘’ . 0 . 1 ‘’ 1 R e s i d u a l s t a n d a r d e r r o r : 0 . 1 1 3 on 2 8 5 2 4 1 d e g r e e s o f f r e e d o m M u l t i p l e R− s q u a r e d : 0 . 0 1 8 4 6 , A d j u s t e d R− s q u a r e d : 0 . 0 1 8 4 6 F − s t a t i s t i c : 5 3 6 6 on 1 and 2 8 5 2 4 1 DF , p− v a l u e : < 2 . 2 e − 1 6 L o g a r i t h m i c / A c t u a l R− s q u a r e d : 0 . 0 1 8 4 6 3 4 5 L o g a r i t h m i c / L o c a l R− s q u a r e d : 0 . 8 7 6 9 5 6 6 Abb. 6.47: Regressionsanalyse der Auslautvarianten der Sätze 156-020 bobe (oben) und 157-020 mame (unten), erstellt mit gabmap.nl 200 <?page no="201"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen 6.5.11 ‘Herz’ als Problem- und Sonderfall Nach Aussage einiger (weniger) jiddischer Grammatiker ist am ‚schwachen‘ Neutrum harts die Flexion bei Personalisierung im Unterschied zu einer anatomischen Verwendung des Lexems noch vital (vgl. Katz 1987: 97-100; Mark 1978: 177- 178). Leider gibt es im LCAAJ-Questionnaire keine Aufgabe, mit der sich dies eindeutig testen ließe. Das (anatomische) ‘Herz’ (Frage 123-050) und das Kartenblatt ‘Herz Bube’ (Frage 168-100) sind nur im Nominativ abgefragt. Auch taucht das Lexem mit einer figurativen Bedeutung ab und zu in Redewendungen auf, die allerdings eher zufällig als systematisch miterhoben wurden (z.B. in Antworten zu Frage 072-050/ 52 ‘trübes Wasser’⁷² und 219-080 ‘traurig sein’ vgl. (44a-44b). Aber sehr repräsentativ sind diese Einzelfälle, in denen wir meistens n-Deklination finden, nicht (vgl. Abbildung 6.48). Zumal ein wichtiger Faktor hier eine Rolle spielt: lexikalisierte Phraseologismen, in denen alte Flexion (ahd./ mhd. hërzen Dat./ Gen.) erhalten blieb (wie z.B. im Dt. futtern wie bei Muttern). (44) a. kalemuntne ofn artsn ‘ein schweres Herz haben/ traurig sein’ (ID 52224 Węgrów, Polen, LCAAJ-Frage 072-050) b. ništ frejlex afn hartsn ‘traurig sein’ (ID 56293 Newel, Russland, LCAAJ-Frage 219-080) Etwas aufschlussreicher ist es also, die Situation im Jiddischen im Kontext der kontinentalwestgermanischen Dialekte zu betrachten. Für einen ersten großflächigen Eindruck zur Situation in den deutschen Dialekten bieten sich hier die Daten der Wenkererhebung an. In Wenkersatz Nr. 34, Das Wort kam ihm von Herzen, haben wir wiederum einen lexikalisierten Ausdruck bzw. nach Schirmunski (1962: 440) eine „erstarrte adverbiale Fügung“, der in den meisten Dialekten eine -(e)n/ -e Flexion zu finden ist, wie sie auch im Vorgabesatz bereits vorgegeben ist (vgl. Abbildung 6.49).⁷³ Interessant sind hier Fälle, in denen gegen diese 72 Der Fragebogen zielt hier auf das Wort kalemutne ‘trüb’ zur Bezeichnung von trübem Wasser ab, welches anscheinend manchen Sprecher: innen aus dem Nordosten und Westen vor allem in Verbindung mit dem Ausdruck ‘trübes Herz’ bekannt ist. 73 Das hier verwendete Sample von 2.498 Wenkerbögen ist eine areallinguistisch repräsentative Auswahl der über 50.000 existierenden Formulare (siehe Fleischer 2017b: 148- 150; s.u. Abschnitt 7.1.1 ab S. 219). 201 <?page no="202"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Vorlage und gegen die lexikalisierte Form „verstoßen“ wurde und einfaches Herz auftritt. Diese „Verstöße“ finden wir systematisch in den luxemburgischen, niederländischen und dänischen Dialekten.⁷⁴ Die unflektierte Form finden wir im binnendeutschen Raum überall vereinzelt im Westmitteldeutschen, im Pommerschen und in Randgebieten. Besonders einheitlich verhalten sich die im 18. Jahrhundert entstandenen Sprachinseln in Rumänien und Serbien, die entweder die fehlende Flexion aus den Heimatdialekten⁷⁵ mitbrachten oder bestehende Flexion abbauten. Jiddische Dialekte haben mehr oder weniger zufällig in drei Wenkerbögen Eingang ins Wenkerkorpus gefunden (vgl. zu den jiddischen Wenkerbögen Schäfer 2020b; Schäfer 2017a; Fleischer & Schäfer 2014). Wir müssen feststellen, dass selbst im lexikalisierten Kontext eines emotionalen, figurativen Gebrauchs von harts in zwei der drei Bögen keine Flexion auftritt (in der Kartierung sind die jiddischen Bögen durch die Punktgröße hervorgehoben). Diese jiddischen harts- Belege können kaum von den umliegenden deutschen Dialekten beeinflusst worden sein und auch nicht vom deutschen Standard (bzw. der deutschen Vorlage). Aber auch, wenn es also nur zwei jiddische Dialekte sind, bei denen es möglich ist, eine Nullflexion nachzuweisen, also quantitativ keine überzeugende Grundlage geliefert werden kann, sollten die äußeren Umstände (Phraseologismus bewahrt Flexion stärker, dt. Vorgabeform, zwei von drei jiddischen Wenkerbögen zeigen Nullflexion) qualitativ ins Gewicht fallen. Trotzdem zeigen die Wenkerdaten, dass die Flexion an harts nicht für alle jiddischen Dialekte, insbesondere die Dialekte im Übergangsgebiet zwischen Ost- und Westjiddisch, gilt. Dies stellen wir auch fest mit Blick auf den im LCAAJ zufällig erhobenen Phraseologismus ‘ein trübes Herz haben’ (s.o. Abbildung 6.48). Auch hier ist es besonders der Westen, also das an den Untersuchungsraum Wenkers unmittelbar anschließende Gebiet, in denen die unflektierte Form belegt ist. Davon ausgehend spricht einiges dafür, die Aussagen zu einem nach Belebtheit (Personifikation) flektierenden harts(n) stark zu relativieren. Insbesondere im Westen ist hier Flexion sogar in festen lexikalischen Einheiten geschwunden. geographisch ist diese Region deckungsgleich mit dem zuvor beschriebenem System V mit der stärksten Abbaustufe von Flexion am 74 Der Phraseologismus ist in diesen Sprachen bekannt; z.B. im dänischen Standard als komme fra hjertet „von Herzen kommen“ (-et ist der fusionierte Artikel). 75 Der oberschwäbische Raum, aus dem einige der Siedlungen bevölkert wurde, würde in diesem Fall sogar passen. 202 <?page no="203"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen Nomen. Aber erst detailliertere Tests mit Muttersprachler: innen können zeigen, ob die Flexion bei diesem Substantiv in anderen Dialekten nur mehr relikthaft in Redewendungen lexikalisiert vorliegt oder tatsächlich produktiv und semantisch gesteuert ist. Doch die modernen jiddischen Dialekte des ultraorthodoxen Milieus sind auch nur bedingt mit der Situation der alten Dialekte Europas vergleichbar. Ganz anders gestaltet sich das Bild in standardsprachlichen Texten. Im CMY (2009) finden sich 784 Belege für die Singularform hartsn vor allem in modernen Zeitungstexten (davon 46 mit dem Ausdruck oyfn hartsn). In all diesen Fällen wird nicht unmittelbar auf das physische ‘Herz’ Bezug genommen, sondern es steht figurativ für Emotionalität; ist jedoch auch mit Eigenschaften des Organs versehen, wie in (45a). Den 784 Belegen stehen 1.377 Belege für flexionsloses harts im Dativ und Akkusativ gegenüber, in denen zumeist das Organ gemeint ist, wie in (45b). Aber es gibt auch Fälle für eine unterlassene Flexion bei figurativer Verwendung, z.B. (45c). Die Texte dieses Korpus sind sehr stark von präskriptiven Ideologien geprägt und stammen meistens nicht von Muttersprachlern. Damit spiegelt es nur eine künstliche Sprachrealität wieder und gibt wenig Auskunft über die tatsächliche Sprachverwendung. (45) a. un a shtile hofenung hot geklapt in hartsn ‘und eine stille Hoffnung hat im Herzen geschlagen’ (CMY 2009, Forverts 2008.01.25) b. shteynberg hot gelitn oyfn harts, un shoyn adurkhgemakht a por harts־atakes ‘Steinberg hatte Herzprobleme (wörtl. gelitten auf dem Herzen) und schon einige Herzattacken durchgemacht’ (CMY 2009, Forverts 2007.07.20) c. kedey mit a reyn harts tsutsukumen tsum peysekhdikn seyder ‘um mit einem reinen Herzen zum Sederabend zu kommen’ (CMY 2009, Forverts 2008.04.18) 203 <?page no="204"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Abb. 6.48: Nennungen für harts im Ausdruck kalemutne oyfn hartsn ‘ein trübes Herz haben’ wörtl. ‘Trübheit auf dem Herzen’ in Antworten zur LCAAJ-Frage 072-050/ 52 az vaser iz nit loyter, nor farkert, zogt men, s’iz… [opaque] ‘Wenn Wasser nicht durchsichtig ist, sondern das Gegenteil, sagt man, es ist… [trüb]’ 204 <?page no="205"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen Abb. 6.49: Flexion von „Herz“ in den kontinentalwestgermanischen Dialekten 1887-1947 in Wenkersatz 34 (Daten des Projekts Morphosyntaktische Auswertung von Wenkersätzen ergänzt um den jiddischen Bogen aus Frauenkirchen, Österreich) 205 <?page no="206"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten 6.5.12 Modellierung möglicher diachroner Prozesse Ein Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung ist die Überlegung, dass der geographische Raum und davon abhängige Dialekte eine träge Masse bilden, in der sich diachrone Prozesse gehemmt ausbreiten. Ein synchroner Querschnitt in ein Dialektkontinuum ist damit auch ein diachroner: wir finden konservative und innovative Strukturen. Die konservativen Strukturen sind im Fall der jiddischen Dialekte v.a. Strukturen, die aus dem Mittelhochdeutschen bzw. (frühen) Frühneuhochdeutschen ererbt wurden. Die identifizierten Systeme (vgl. S. 179) zeigen bereits, dass der Faktor Raum determinierend wirkt. Abbildung 6.50 ist eine Annäherung daran, diese Räume schematisch zu kartieren. Mit Ausnahme des Systemraums IIIb im Norden sehen wir einen suggestiven Rückgang von markierendem -(e)n im Akkusativ und Dativ Singular bei Appellativa und Verwandtschaftsbezeichnungen, der von Stufe I im Norden abgebaut wird, bis er in Stufe V vollständig geschwunden ist; dieser Rückgang ist dabei aber nicht gleichmäßig. So markiert System II noch immer Kasus am maskulinen Appellativum, nicht aber an femininen Verwandtschaftsbezeichnungen, während im System III der Abbau die maskulinen Appellativa betrifft und Verwandtschaftsbezeichnungen beider Genera flektiert werden. System II passt sich so in das System der slavischen Sprachen ein: belebte Maskulina werden im Objektkasus durch Suffigierung gesondert gekennzeichnet; Feminina nicht. Eine weitere Abbaustufe von System II (z.B. [ + mask. App. ] , [ - mask. Verwandtschaftsbez. ] ) liegt in den Daten nicht vor. Auch dies spräche dafür, dass sich dieses System an den slavischen Sprachen orientiert. Ein logischer Abbau vom Maximum (System I) findet stattdessen vom System III ausgehend statt; die Systeme IV und V können als Subsysteme von III analysiert werden (vgl. Abbildung 6.51). Für die diachrone Entwicklung könnte man so die Hypothese aufstellen, dass das Jiddische entweder Tendenzen in Richtung des gegenwartsdeutschen Systems (≈ System V) zur absoluten Aufgabe von Kasusmarkierung am Substantiv zeigt. Ein möglicher Einfluss des Systems der slavischen Sprachen, das allgemein belebte Maskulina durch Kasusmarkierung auszeichnet, ist im Jiddischen nur als Schwundstufen des allgemeinen Flexionsabbaus vorzufinden (≈ System II) und nicht als klare Tendenz auszumachen. Damit ist der Einfluss eines möglichen slavischen Sprachkontakts klar von der Hand zu weisen. 206 <?page no="207"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen Diese Perspektive, die entweder aus germanistischer oder slavistischer Sicht sprachkontaktinduziert ist, betrachtet jedoch die Systeme III und IV als Schwundstufe hin zu einem der beiden Typen. Doch ist nicht auszuschließen, dass die Systeme III und IV Akkusativ/ Dativ -(e)n als onymische Flexion spezialisiert haben. Daran schließt sich die Überlegung an, ob Namen in verschiedenen Systemen in ihrer Eigenschaft als substantivische Subklasse funktional unterschiedlich stark kategorisiert werden; in den Systemen III und IV ist diese Subklasse deutlich eigenständiger als in den übrigen Dialekten. Das System IV muss also nicht zwangsläufig in System V münden. Die Identifizierung der Systemräume erfolgte anhand einfacher binärer Werte zur Flexion bei Appellativa und Verwandtschaftsbezeichnungen, wie sie sich im LCAAJ-Material präsentieren. Wie allerdings gezeigt werden konnte, hängt Flexionswandel mit diversen Faktoren wie u.a. PDM, Definitartikel, Genus, Numerus, Animatheit zusammen. Daher soll auch der multifaktorielle Ansatz, wo dies möglich ist, mit quantitativen Methoden verfolgt werden. Zu diesem Zweck wurden die Varianten aus den folgenden LCAAJ-Übersetzungsaufgaben bezüglich ihrer Interaktion untersucht. Die (geo-)statistischen Analysen wurden mit Hilfe des Gabmap-Tools durchgeführt (gabmap.nl, vgl. Nerbonne et al. 2011; Leinonen, Çöltekin & Nerbonne 2016). - 157-020 Flexion Verwandtschaftsbezeichnung - 157-020 Definitartikel - 160-130 Flexion Verwandtschaftsbezeichnung - 160-130 Definitartikel - 157-070 PDM - 156-020 Flexion Verwandtschaftsbezeichnung - 156-020 Flexion am Adjektiv - 156-030 Flexion Verwandtschaftsbezeichnung - 156-050 Flexion Verwandtschaftsbezeichnung - 156-060 Flexion Verwandtschaftsbezeichnung - 156-060 PDM - 156-070 Flexion Verwandtschaftsbezeichnung 207 <?page no="208"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Abb. 6.50: Identifizierte Systemräume (schematisch) Abb. 6.51: Die einzelnen Systeme als Abbaustufen 208 <?page no="209"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen System I System II System III System IV System V + App. mask. + App. mask. - App. mask. - App. mask. - App. mask. + Verwandt. mask. + Verwandt. mask. + Verwandt. mask. + Verwandt. mask. - Verwandt. mask. + Verwandt. fem. - Verwandt. fem. + Verwandt. fem. -/ + Verwandt. fem. - Verwandt. fem. + RufN mask. + RufN mask. + RufN mask. + RufN mask. + RufN mask. Tab. 6.11: Identifizierte Systeme zur -(e)n Akkusativ-/ Dativ-Flexion (Singular) 209 <?page no="210"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten - 009-060 Flexion mask. Appellativum - 214-080 Flexion mask. Appellativum - 146-020 Flexion mask. Appellativum - 148-080 Genus am Definitartikel shnek ‘Schnecke’ - 146-050 Genus am Definitartikel shlang ‘Schlange’ Die Bestimmung der sprachlichen Distanz der einzelnen Interviews in allen ihren möglichen Beziehungen zueinander ist mittels einer multidimensionalen Skalierung (MDS) der Levenshtein-Distanzen möglich: „MDS takes the full sites x sites distance matrix as input and creates a representation in a n-dimensional space where the distances are approximations of the original linguistic distances“ (Leinonen, Çöltekin & Nerbonne 2016: 75). Die x-Achse des Plots in Abbildung 6.52 zeigt die mögliche Varianz der Daten, während die y-Achse (gestrichelte Pfeillinie) die Annäherung der Entfernungen angibt (jeder Kreis steht für ein Interview). Der MDS-Plot zeigt, dass die Varianz im Material verhältnismäßig groß ist und zwei Hauptgruppen enthält (und eine dritte kleinere). Dies kann bereits als Hinweis dafür gedeutet werden, dass die hier untersuchten Faktoren die jiddischen Varietäten unterschiedlich tiefgreifend beeinflussen, da sich die Faktoren auf die zwei Hauptgruppen verteilen. Des Weiteren können wir mittels einer Regressionsanalyse testen, ob die geographische Entfernung als abhängige Variable eine statistisch signifikante Beziehung zu den linguistischen Entfernungen der LCAAJ-Daten hat. Das Diagramm in Abbildung 6.53 zeigt zwei Linien: eine ist die lokale Regression (hellgrau), die andere die logarithmische Regression (dunkelgrau): „The local line is drawn to give a sense of the degree to which the logarithmic line represents the data well“ (Nerbonne et al. 2011: 85).⁷⁶ Die analysierten Daten zeigen, dass die logarithmische Linie nicht optimal, aber noch gut zu den Daten des LCAAJ passt. Vor allem aber zeigt die Regressionsanalyse eine klare Korrelation zwischen sprachlicher und geographischer Entfernung: der asymptotische/ lokale 𝑅 2 - Wert zeigt an, 76 Ein großes b/ a-Ratio zeigt ein großes Signal/ Rausch-Verhältnis in den Daten an. Ein kleiner Wert für c zeigt an, dass die linguistische Variation über eine kurze geographische Distanz messbar ist. Das Signal/ Rausch-Verhältnis beschreibt das Verhältnis zwischen dem Pegel eines Signals und dem Pegel des Hintergrundrauschens. 210 <?page no="211"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen dass 72% der eingespeisten Variablen durch den Faktor der geographischen Entfernung bedingt sind. Die weiteren wichtigen Einflussfaktoren sind die bereits in Tabelle 6.11 angeführten Genus (≈ Belebtheit) und Substantivklasse (Appellativum vs. Verwandtschaftsbezeichnung) Systemräume. Als letztes wurden die Daten einer hierarchischen Clusteranalyse unterzogen. Eine Clusteranalyse berechnet, „ob und welche Phänomene gemeinsam auftreten“ Schäfer 2017b: 313. Herkömmliche Verfahren zur Clusteranalyse (Ward’s Method und Weighted Average) sind eher instabile Methoden: kleine Änderungen in der Distanzmatrix können zu großen Änderungen der Clustering-Ergebnisse führen und machen damit die Clustering-Ergebnisse unzuverlässig. Eine Lösung für dieses Problem ist das sogenannte Fuzzy-Clustering, das die ursprüngliche Distanzmatrix mit unterschiedlich kleinen Mengen an Zufallsrauschen verunreinigt. Dieses Verfahren wird mehrfach wiederholt. Cluster, die in vielen Durchgängen wiederholt auftreten, sind daher besonders stabil (vgl. https: / / gabmap.nl/ ~app/ doc/ tutorials/ tutorial/ clustering.html). Der stochastischen Clusterung folgt eine multidimensionale Skalierung (MDS), wodurch eine zuverlässigere Ausgabe von geographischen Clustern erreicht wird (Abbildung 6.54).⁷⁷ Die Kartierung erfolgt nicht auf Basis der einzelnen Ortspunkte, sondern mittels Voronoi-Polygonen,⁷⁸ in deren Zentrum jeweils ein Ortspunkt steht. Das Ergebnis in Abbildung 6.54 zeigt eine klare Aufteilung des Sprachgebiets in zwei Hauptareale (Westen, gelb und Osten, grün/ blau), von denen das östlichere wiederum in zwei Unterareale (Norden, grün und Süden, blau) zerfällt. Wenige Orte im Süden (pink) zeigen einen weiteren Subtyp des westlichen Clusters (da zu wenige Daten zu den meisten westjiddischen Interviews vorliegen, fallen diese in der Clusteranalyse heraus und erscheinen als graue Polygone). Dieses Fuzzy- 77 Die vorliegende Fuzzy-Clusteranalyse wurde mit einem noise-Wert von 0.01, einem Limit von 80%, einem Exponenten von 1.5 und einer gemischten Methode (group average + weighted average) durchgeführt (vgl. gabmap.nl). 78 Voronoi-Polygone (auch Thiessen-Polygone genannt) haben den Vorteil, dass sie die mathematisch beste Aufteilung des Raumes in Flächen gewährleisten. Jede Region wird dabei durch genau ein Zentrum bestimmt (vgl. Schäfer 2022). Die so entstehenden Polygone sind besonders an den Randgebieten, wo sie auf keine weiteren begrenzenden Punkte treffen, unverhältnismäßig groß und müssen hier besonders als Abstraktion und nicht als tatsächliche Gebiete interpretiert werden. 211 <?page no="212"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Clustering liefert eine glaubwürdige Darstellung des Verhältnisses von Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten im eingespeisten LCAAJ-Material. Aufällig an der räumlichen Verteilung des Fuzzy-Clustering ist, dass sie nahezu deckungsgleich mit klassischen Dialekteinteilungen des Jiddischen ist (gelb ≈ Zentralostjiddisch, blau ≈ Südostjiddisch, grün ≈ Nordostjiddisch; vgl. Schäfer 2022). Das wichtigste Ergebnis der Clusteranalyse ist jedoch, dass es die identifizierten Systemräume für Substantivflexion weitestgehend abbildet (vgl. Abbildung 6.55). Dies kann so interpretiert werden, dass die identifizierten Faktoren, die neben der Flexion mit in das Clustering eingeflossen sind, gemeinsame Systemräume bilden; dies stützt die Hypothese, dass Flexion auf multifaktoriellen Strukturen basiert. Im Clusterbild allerdings nicht repräsentiert sind die Areale der Systeme IIIa und IIIb. Dies ist so zu verstehen, dass es, abgesehen von der fehlenden Flexion von maskulinen Appellativa, in diesem System III keine weiteren systemischen Unterschiede zu geben scheint (jedenfalls nicht in Bezug auf die eingespeisten Faktoren). Dies kann als Argument dafür genutzt werden, in diesem System doch eine Übergangsstufe von System I zu IV/ V zu sehen - wofür auch die geographische Lage der Systemräume IIIa/ b spricht. Demnach wären auch die Überlegungen zur Stärkung onymischer Substantiva im System III hinfällig (s.o.). System III wäre so ein Zwischenprodukt, das dem Einfluss der Belebtheitshierarchie geschuldet ist: Eigennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen bewahren Flexion länger als Appellativa. 212 <?page no="213"?> 6.5 Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen Abb. 6.52: Multidimensionale Skalierung (MDS) der LCAAJ-Daten (r = 0.24, erstellt mit gabmap.nl) F o r m u l a : d i f ~ a + b ∗ g e o / ( c + g e o ) P a r a m e t e r s : E s t i m a t e S t d . E r r o r t v a l u e P r ( > | t | ) a 4 . 1 8 8 e − 0 1 2 . 0 5 7 e − 0 3 2 0 3 . 5 4 <2 e − 1 6 ∗ ∗ ∗ b 3 . 3 9 0 e − 0 1 3 . 4 3 2 e − 0 3 9 8 . 7 7 <2 e − 1 6 ∗ ∗ ∗ c 8 . 5 6 8 e + 0 2 3 . 3 0 0 e + 0 1 2 5 . 9 6 <2 e − 1 6 ∗ ∗ ∗ −−− S i g n i f . c o d e s : 0 ‘ ∗ ∗ ∗ ’ 0 . 0 0 1 ‘ ∗ ∗ ’ 0 . 0 1 ‘ ∗ ’ 0 . 0 5 ‘’ . 0 . 1 ‘’ 1 R e s i d u a l s t a n d a r d e r r o r : 0 . 1 7 9 2 on 2 8 5 3 8 7 d e g r e e s o f f r e e d o m Number o f i t e r a t i o n s t o c o n v e r g e n c e : 7 A c h i e v e d c o n v e r g e n c e t o l e r a n c e : 5 . 4 3 3 e − 0 6 A s y m p t o t i c / A c t u a l R− s q u a r e d : 0 . 0 7 4 4 6 0 8 6 A s y m p t o t i c / L o c a l R− s q u a r e d : 0 . 7 2 0 5 5 6 9 Abb. 6.53: Regressionsanalyse der LCAAJ-Daten, erstellt mit gabmap.nl 213 <?page no="214"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten Abb. 6.54: Fuzzy-Clustering der untersuchten Variablen, erstellt mit gabmap.nl Abb. 6.55: Fuzzy-Clustering der untersuchten Variablen mit Systemen, erstellt mit gabmap.nl 214 <?page no="215"?> 6.6 Zwischenfazit: onymische Flexion in den jiddischen Dialekten 6.6 Zwischenfazit: onymische Flexion in den jiddischen Dialekten Die Analyse der LCAAJ-Materialien konnte zeigen, dass Substantivflexion (insbes. Akk./ Dat.-Flexion) in den (ost-)jiddischen Dialekten Variation aufweist, die raum- und systemgebunden ist. Die areale Variation wird als Reflex diachroner Wandelprozesse interpretiert. Diatopische Synchronie erlaubt damit Rückschlüsse auf die Diachronie. Der auf diese Weise modellierbare Flexionswandel der Akk./ Dat.-Flexion von Eigennamen, Verwandtschaftsbezeichnungen und Appellativa ist multifaktoriell gesteuert. Insbesondere Genus und Belebtheit wurden als wichtige Faktoren identifiziert; daneben wirken aber auch semantische Rollen, Numerus und Kasusmarkierung außerhalb des Substantivs als weitere Faktoren. Der Flexionswandel im Akkusativ/ Dativ Singular in den jiddischen Dialekten zeigt zwei Tendenzen: eine Entwicklung läuft hin zum System, wie es das Standarddeutsche im 19. Jahrhundert entwickelt hat (Flexionsverlust), die zweite ist eine Aufrechterhaltung der Flexion und Spezialisierung des -en Suffixes als Objektmarker hochbelebter Entitäten (DOM). Namen fügen sich in diese allgemeinen substantivischen Tendenzen ein und sind somit nicht als eigene Wortart, sondern bestenfalls als Subklasse zu verstehen. Die Verwendung des Possessivsuffixes -s bei Eigennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen zeigt freie, areal ungebundene Variation, was darauf schließen lässt, dass das Flexionssystem hier inkonsequent ist und sich ein Wandel (ggf. Suffixabbau) global andeutet. Während sich der Possessiv damit areal einheitlich verhält, ist die Situation der Akkusativ- und Dativflexion mittels -(e)n deutlich kleinräumiger gestaffelt. Damit verhalten sich beide Bereiche vollkommen unterschiedlich. In Tabelle 6.12 sind in einer Übersicht die wichtigsten Faktoren und ihre jeweilige Ausprägung in den LCAAJ-Daten zusammengetragen. Der Punkt ‚Stabilität‘ bezieht sich hier nicht auf die areale Variation innerhalb des ostjiddischen Systems, sondern darauf, ob Flexion von einer größeren Sprechergruppe konsequent (in Abhängigkeit der identifizierten Faktoren) durchgeführt und nicht nur sporadisch verwendet wird. Da nur ein Datensatz mit einem besetzten X-Feld im LCAAJ-Material vorliegt und in diesem Fall sehr wahrscheinlich andere Faktoren (insbes. Genusu. Numeruseffekt) vorliegen, ist eine sichere Aussage hier kaum zu treffen. Dennoch zeigt dieser eine Kontext (156-020) im Vergleich zum 215 <?page no="216"?> 6 Substantivflexion in den jiddischen Dialekten parallelen Kontext ohne besetztes X-Feld (156-030) keine statistische Signifikanz für eine Korrelation zwischen Flexion und unterlassener Flexion abhängig von diesem syntaktischen Faktor. Eine sich nun ergebende Frage ist, ob die Systeme und Systemräume, die sich in den jiddischen Dialekten des LCAAJ finden, auch ihre Entsprechung bzw. ihren Fortsatz in den angrenzenden westgermanischen Dialekten haben. Die folgenden Kapitel nehmen die deutschen Dialekte in den Fokus. Dabei geht es zunächst einmal darum, eine Einschätzung der Gesamtsituation vorzunehmen, welche modernen Dialekte im 19. und 20. Jahrhundert Eigennamenflexion (an Verwandtschaftsbezeichnungen) aufweisen. Anschließend folgen Detailuntersuchungen zu Varietäten, von denen Datensätze vorliegen, die eine multifaktorielle Analyse erlauben. kein onymischer Artikel * l onymischer Artikel keine Flexion besetztes DEF-Feld l Flexion besetztes DEF-Feld Flexion mit reduziertem Artikel* l Flexion mit Artikel Vollform* keine Flexion bei besetztem X-Feld ( l ) Flexion bei besetztem X-Feld kein Genuseffekt l Genuseffekt kein Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) l Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) keine Flexion mit PDM l Flexion mit PDM Suffix auch im NOM l auf Akk./ Dat. beschränkt keine diatopische Variation l starke diatopische Variation Flexion konsequent l Flexion inkonsequent Tab. 6.12: Systemtabelle zu Faktoren der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen im Akk./ Dat. Sg. in den jiddischen Dialekten; * onym. Artikel nur bei Verwandtschaftsbez., nicht bei EN 216 <?page no="217"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten Nach einem detaillierten Blick auf die Variation der Substantivflexion in den jiddischen Dialekten des LCAAJ sollen im Folgenden die hoch- und mitteldeutschen Dialekte in den Blick genommen werden. Die einzelnen, untersuchten Faktoren werden um Dopplungen zu vermeiden, in den folgenden Analysen nicht mehr in der Tiefe vorgestellt, wie dies im vorhergehenden Teil zu den jiddischen Dialekten der Fall war. Die Quellenlage und der Erhalt von Flexion erlauben allerdings nur ähnlich detaillierte Analysen wie zum Jiddischen zu oberdeutschen Varietäten Bayerns und der Schweiz. Zunächst wird, auf Basis von Großraumerhebungen, ein Überblick zur Situation in allen hoch- und niederdeutschen Dialektgroßräumen gewonnen. Im Unterschied zur stark beschränkten Datenlage zu den jiddischen Dialekten gibt es eine Vielzahl bestehender Korpora zu oralen Varietäten des Deutschen, die im Folgenden hinsichtlich onymischer Flexion (insbesondere von Verwandtschaftsbezeichnungen) ausgewertet werden. Allerdings sind die unterschiedlichen deutschen Dialektgebiete unterschiedlich stark beforscht und dokumentiert. So ist vor allem die Datenlage zu den oberdeutschen Dialekten Bayerns (siehe Abschnitt 7.3 ab S. 248) und der Schweiz (siehe Abschnitt 7.2 ab S. 229) besonders gut, während sie zu den ostniederdeutschen und ostmitteldeutschen Dialekten hingegen besonders schlecht ist. Dieser Sachlage ist entsprechend der Umstand geschuldet, dass im Folgenden in erster Linie bairische und alemannische Dialekte näher untersucht werden können, obwohl es durchaus Hinweise gibt, dass onymische Flexion auch in anderen deutschen Dialekten - zumindest noch im 19. Jahrhundert - verbreitet ist. Um dennoch einen synchronen Querschnitt der deutschen Dialekte zu bekommen, werden im folgenden Kapitel 7.1 Daten der zwei Großraumerhebungen des 19. Jahrhunderts vorgestellt: die Wenkererhebungen (1887-1941) und die Sammlung von Radlof (1817). Beide Erhebungen zeigen methodologische Vor- und Nachteile. Vielmehr sind sie auf Grund der nur wenigen relevanten Kontexte ein Blick durchs Schlüsselloch auf die Gesamtsituation der Dialekte im 19. Jahrhundert. <?page no="218"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten 7.1 Eigennamenflexion in Großraumerhebungen Die aktuelle Forschungslage zur Eigennamenflexion in den hoch- und niederdeutschen Dialekten ist äußerst lückenhaft. Eine erste großflächige Auswertung von Dialektwörterbüchern legt Werth (2021) vor (s. Abbildung 3.5. S. 99). Eine Nutzung der beiden Korpora Deutsche Mundarten, a.k.a. Zwirner-Korpus, das zwischen 1955 und 1961 Tonaufnahmen mit Dialektsprecher: innen in der BRD, Frankreich, Liechtenstein, den Niederlanden und Österreich durchgeführt hat, und des Interviewkorpus Deutsche Mundarten mit Dialektsprecher: innen der DDR und ehemals deutscher Ostgebiete (1960-1968) war für den Rahmen dieser Arbeit nicht praktikabel. Eine stichprobenartige Auswertung dieser beiden Tonaufnahmen führte allerdings zu keinen Belegen für onymische Flexion. Eine exhaustive Korpusanalyse bleibt jedoch ein Unternehmen für eine unabhängige Folgestudie. Allerdings ist anzunehmen, dass der Abbau von Eigennamenflexion zur Mitte des 20. Jahrhunderts in den meisten Dialekten bereits zu einem großen Teil abgeschlossen ist (vgl. Werth 2021). So verwundert es nicht, dass in beiden Deutsche Mundarten-Korpora keine Belege in der Stichprobe zu finden waren. Und daher ist vor allem der Blick ins 19. und frühe 20. Jahrhundert zentral. Die ersten Dialekterhebungen germanischer Varietäten liefern bereits erste, wichtige Einblicke sowohl in die geolinguistische als auch in die systemische Struktur von Eigennamenflexion der hoch- und niederdeutschen Dialekte und vereinzelt auch der niederländischen und friesischen Varietäten. Letztere werden in Kapitel 8 (ab S. 281) näher untersucht. Um einen ersten Eindruck der Gesamtsituation in den deutschen Dialekten zu bekommen, stellen die folgenden zwei Abschnitte die Belege zu ausgewählten Daten der Erhebungen von Georg Wenker und Johann Gottlieb Radlof vor. Die Großraumerhebungen dienen in erster Linie als allgemeiner Kompass dafür, wo Eigennamenflexion im deutschsprachigen Raum prinzipiell erhalten blieb und wo nicht. Erst der daran anschließende detaillierte Blick in die einzelnen Systeme erlaubt dann Rückschlüsse auf die Funktion onymischer Flexion in den jeweiligen Varietäten. Während Radlof (1817) nur Daten zur maskulinen Verwandtschaftsbezeichnung ‘Vater’ liefert, beinhalten die Kontexte der Wenkererhebungen (1887-1941) nur feminine Verwandtschaftsbezeichnungen (‘Schwester’, ‘Mutter’, ‘Tochter’). Da die Wenkererhebungen nicht nur mehr Kontexte liefern, sondern auch deut- 218 <?page no="219"?> 7.1 Eigennamenflexion in Großraumerhebungen lich mehr Dialekte abdecken, macht die Auswertung dieser Daten den Anfang. Da dies ein chronologisch absteigendes Vorgehen erwirkt, können wir davon ausgehen, dass die Varietäten, die in den Wenkererhebungen noch flektieren, auch schon zu Zeiten Radlofs flektiert haben. Radlof (1817) ergänzt damit im gewissen Sinne die Daten der Wenkererhebungen um die dort fehlenden Kontexte maskuliner Verwandtschaftsbezeichnungen im Akkusativ und Dativ. 7.1.1 Daten der Wenkererhebungen (1887-1941) Eine erste grobe Orientierung, in welchen binnendeutschen Dialekten onymische Flexion an Feminina erhalten geblieben ist, liefern die Daten der Wenkererhebungen (1887-1941) (vgl. Fleischer 2017a). In den Wenkersätzen (WS) 9 und 17 findet sich dativmarkierendes -n bei drei Verwandtschaftsbezeichnungen (alles Feminina: „(deiner) Schwester“, „(eurer) Mutter“, „(ihrer) Tochter“). Personennamen sind von Wenker nicht abgefragt worden. Allerdings können wir auf Basis der Animatheitshierarchie annehmen, dass in einem System, in dem Verwandtschaftsbezeichnungen flektiert werden, dies auch für Personennamen gilt. In den Karten des Wenkeratlas (WA) ist Flexion in allen drei Kontexten nur im Mittelbairischen verzeichnet; ⁷⁹ überall sonst fällt die Flexion von ‘Mutter’ aus dem Bild heraus. Während Formen wie ‘Schwestern’ und ‘Tochtern’ im Ostfränkischen, Mittelbairischen (inkl. Übergangsgebiet zum Nordbairischen) und im obersächsisch-schlesischen Übergangsgebiet zu finden sind, ist ‘Muttern’ v.a. im niederdeutschen Raum und im rheinfränkisch-moselfränkischen Übergangsgebiet belegt (vgl. Abbildung 7.1). -e als niederdeutsche Dativendung ist bei ‘Schwester’ und ‘Tochter’ lediglich im Brandenburgischen des Berliner Umlands belegt. Wie bereits erwähnt, können -n-Bildungen im Niederdeutschen z.T. kasusintransparent sein (s. S. 109; Rohdenburg 1993). Erst anhand systemischer Analysen der einzelnen Varietäten ist möglich zu entscheiden, ob Kasusmarkierung vorliegt oder nicht. 79 Werth (2021) weist darauf hin, dass in bairischen Dialekten -n kasusunabhängig erscheint und daher auch im Nominativ zu erwarten ist; -n verliert damit die Eigenschaft eines Kasussuffixes. Am Wenkermaterial ließ sich -n im Nominativ nicht finden; siehe z.B. WA 457 Karte zu ‘Bruder’. Daher wird nun vorerst -n als kasusmarkierendes Suffix behandelt. 219 <?page no="220"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten Die Wenkerdaten in Abbildung 7.1 basieren auf unterschiedlichen Grundgesamtheiten, da v.a. für Daten aus Tschechien, Österreich und der Schweiz der WA keine Daten liefert und hier nur das Sample von Jürg Fleischers Projekt Morphosyntaktische Auswertung von Wenkersätzen, welches ca. 2.500 Orte aller Wenkererhebungen abdeckt (vgl. Fleischer 2017b; Fleischer 2017a), die Daten des WA um Orte aus diesen Gebieten ergänzt. Die Wenkererhebung kann ein grober Kompass dafür sein, in welchen Räumen onymische Flexion möglicherweise erhalten wurde. Über den systemischen Stellenwert der -(e)n-Endung geben die Belege im Wenkermaterial ebensowenig Auskunft wie über andere, nicht auf -(e)n auslautende Dativformen, die in der Kartierung nicht berücksichtigt wurden. Ein Blick in die zahlreichen Ortsgrammatiken dürfte hier weiteren Aufschluss geben. Die onymische Flexion in den südniederländischen Dialekten ist zumindest durch die Flexion von ‘Mutter’ in zwei Wenkerbögen des Samples abgebildet. In einigen dänischen Wenkerbögen wurde WS 17 „die Kleider für eure Mutter“ im Genitiv jer Moers Kjoller ‘deiner Mutters Kleider’ (z.B. in den Wenkerbögen 46932, 46948 u. 47016) übersetzt, der hier wie im Standarddänischen mittels -s flektiert wird. Davon abgesehen suggeriert das Raumbild der Wenkerdaten, wie bereits Werths Auswertung von Dialektwörterbüchern (s.o.), eine Konzentration von erhaltener Flexion im Osten des deutschen Sprachraums und damit sowohl im Norden als auch im Süden unweit des ostjiddischen Sprachgebiets. Der Erhalt onymischer Flexion im Jiddischen kann also als ein Phänomen des kontinentalwestgermanischen Dialektkontinuums verstanden werden. Die Frage ist aber, ob sich das System, wie es sich in den jiddischen Dialekten gestaltet, in den westlichen westgermanischen Varietäten fortsetzt oder ob wir hier ganz andere Strukturen von Eigennamenflexion vorfinden. 220 <?page no="221"?> 7.1 Eigennamenflexion in Großraumerhebungen Abb. 7.1: Onymische Flexion in den kontinentalwestgermanischen Dialekten 1874-1947 (basierend auf -(e)n-/ e-Endungen in den Karten des Wenkeratlas Nr. 249 „(deiner) Schwester“, Nr. 259 „(eurer) Mutter“, Nr. 150 „(ihrer) Tochter“ [1874-1888] und Daten des Projekts Morphosyntaktische Auswertung von Wenkersätzen (Erhebungen nach 1888); Daten zu den germanischen Sprachen) 221 <?page no="222"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten 7.1.2 Radlof (1817) Da wir davon ausgehen können, dass der Rückgang der Eigennamenflexion in den deutschen Dialekten bereits im 19. Jahrhundert auf Grund standardsprachlicher Entwicklungen massiv wird (vgl. Ackermann 2018: 131-160), repräsentieren die Dialektwörterbücher (ebenso Ortsgrammatiken) und die Wenkererhebungen vermutlich bereits Systeme mit einem ‚starken‘ Flexionsabbau. Als die erste halbwegs kontrollierte Erhebung deutscher Dialekte, in der wir zwar keine Eigennamen, aber zumindest drei maskuline Verwandtschaftsbezeichnungen in unterschiedlichen Kontexten finden, sind die Übersetzungen des biblischen Gleichnisses vom verlorenen Sohn (Lukas 15,11-32), die Johann Gottlieb Radlof (1817) nach Vorbild des französischen Dialektologen Coquebert de Montbret gesammelt hat (vgl. Knoop, Putschke & Wiegand 1982: 40; zur Enquête von Coquebert de Montbret und dessen Wirkung Ködel 2014). Radlof (1817) trägt sowohl historische Übersetzungen verschiedener germanischer Varietäten als auch Übersetzungen in die modernen deutschen Dialekte der 1810er Jahre zusammen. Seine Gewährspersonen sind allerdings allesamt gebildete, zumeist geistliche Männer, also generell keine NORMs Non-mobile Old Rural Male, die sich wohl zum Teil Hilfe bei weiteren ggf. dialektsichereren Informant: innen einholten, letzten Endes aber die Endredaktion innehatten.⁸⁰ Dass auf diese Weise - gerade auch weil es sich um einen religiösen Text handelt --nicht notwendigerweise die dialektalste Form gewählt wurde und sich auch Artefakte nicht-dialektaler Varietäten hineinmischen, sieht man z.B. an Genitivformen, exemplarisch am Lexem ‘Land’ (Abbildung 7.2). Für die Auswertung der Flexion von Verwandschaftsnamen heißt dies in erster Linie, dass nur eine vorhandene Flexion als klare Abweichung von der Vorlage und von der Schriftnorm als positive Evidenz gewertet werden kann, während Nichtflexion nicht eindeutig als empirisch negative Evidenz anzusehen ist. Dies gilt grundsätzlich für alle hier untersuchten Daten. Das so zustande gekommene Parallelkorpus, wie es in Radlof (1817) vorliegt, deckt 28 deutsche Dialekte ab, die vor allem entlang der Nord-Süd-Achse die wichtigsten Dialektgebiete abdecken; entlang der Ost-West-Achse --die für die 80 Unter Radlofs Informanten finden sich auch bekannte Persönlichkeiten wie z.B. Jacob Grimm, der für u.a. Schwerin, Braunschweig und Paderborn Übersetzungen angefertigt bzw. eingeholt hat. 222 <?page no="223"?> 7.1 Eigennamenflexion in Großraumerhebungen Eigennamenflexion besonders relevant zu sein scheint (s.o.) --liefert das Sample leider nur wenig Streuung (vgl. die folgenden Kartierungen). Das Korpus wurde hinsichtlich der Flexion der Verwandtschaftsbezeichnungen ‘Vater’, ‘Sohn’ und ‘Bruder’ und weiterer kasustragender NPs (z.B. ‘des Vermögens’, ‘im Haus(e)’, ‘um seinen Hals(e)’, ‘auf dem Feld(e)’) ausgewertet. Die Daten aus Radlof (1817) ergänzen damit gewissermaßen die Wenkermaterialien um maskuline Formen. Leider liefern sie damit aber keine Möglichkeit zur Testung des Faktors Genus, der sich zumindest bei den jiddischen Dialekten als einflussreich erwiesen hat. Die diachronen Daten in Radlof (1817) umfassen Bibelstellen aus dem Gotischen (Wulfia), dem Niederländischem und Niederdeutschen, Englischen, Isländischen und Schwedisch-Dänischen. Die einzige historische hochdeutsche Quelle ist die Lutherbibel von 1541. Die zehn Bibeln aus dem niederdeutschen, niederländischen und ostmitteldeutschen Raum zeigen im Gleichnis vom verlorenen Sohn keinen einzigen Beleg für Flexion an Verwandtschaftsbezeichnungen. Damit ist das historische Material für eine weitere Auswertung uninteressant. Anders ist es bei den Dialektquellen. Beginnen wir mit den Übersetzungen von ‘Vater’ in Lk. 15,17. Der lateinische Genitiv (Vulgata „mercennarii patris“) wird, nur in den Übertragungen aus Hannover und dem Vorarlbergischen Dornbirn (hier wahrscheinlich als Hyperform) mit entsprechender -s-Flexion als „die Tagelöhner meines Vaters haben Brot“ übersetzt. In allen anderen Fällen steht eine PP im Dativ („die Tagelöhner haben bei meinem Vater Brot“). In Abbildung 7.3 sehen wir hier bereits drei Belege für die Dativflexion mittels -(e)n im nord- und mittelbairischen Gebiet; also dem Gebiet, das bereits bei Wenker (s.o.) in Erscheinung getreten ist. Das Material zeigt jedoch starke kontextabhängige Schwankungen, ob Dativ-(e)n bei ‘Vater’ gesetzt wird oder nicht. So finden wir in einem klaren Dativ-Kontext (Lk. 15,12 Vulgata „ex illis patri“ ‘zu seinem Vater’) im Mittelbairischen keine Flexion, hingegen aber im nordbairischen Waldsassen an der heutigen deutsch-tschechischen Grenze. Die meiste Flexion (4 Orte) findet sich in Lk 15,18 „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen“, während die geringste Flexionsrate (2 Orte) in Lk. 15,20 auftritt „Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater“ (s. Abbildungen 7.5 und 7.4). Was unterscheidet nun diese beiden Sätze? Zum einen könnte Individualität eine Rolle spielen. Sowohl rollenals auch verbsemantisch sind beide Kontexte sehr ähnlich. Während allerdings Lk 15,18 das Personalpronomen der 223 <?page no="224"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten 1. Sg. ‘meinem’ beinhaltet, verwendet Lk 15,20 das der 3. Sg. ‘sein’; der dem Individuum näherstehende Numerus wird entsprechend der Belebtheitshierarchie möglicherweise eher flektiert. Ein (zusätzlicher) textlinguistischer Ansatz zeigt einen weiteren Unterschied: Während Lk 15,18 in der direkten Rede des (verlorenen) Sohnes steht, ist Lk. 15,20 in der erzählenden Rede. Es ist möglich, dass in der Figurenrede konzeptionelle Mündlichkeit (vgl. Koch & Oesterreicher 1994), und damit auch Flexion, eher gesetzt wurde als in der erzählenden Rede. Insgesamt sind aber Belegmenge und daher auch die Schwankungen zu gering, um hier klare Mechanismen identifizieren zu können. Klar ist aber, wirkliche -en-Flexion finden wir (fast)⁸¹ ausschließlich in Übersetzungen aus dem Nordbairischen (Waldsassen, Amberg, Pentling, Eichstätt). In den Nominativ-⁸² und Akkusativ-Kontexten von ‘Vater’ findet sich keine Evidenz für das -n-Suffix; dies stützt die These, dass hier keine auf Pluralformen basierende Einheitsflexion, wie sie Werth (2021) vermutet, vorliegt. Weiterhin aufällig an den Materialien in Radlof (1817) ist der Umstand, dass die Akkusativ-Kontexte mit ‘Bruder’ (Lk. 15,27 u. 15,32) und ‘Sohn’ (Lk. 15,24 u. 15,31) keine Flexionsbelege liefern; einzig in Lk. 15,31 (‘(mein) Sohn’) gibt es in der Braunschweiger Version einmalig Evidenz für Sone.⁸³ Dies zeigt zum einen wiederholt, dass ein Greifen phonologischer bzw. prosodischer Prozesse im Bairischen eher unwahrscheinlich ist, da sich ‘Vater’ und ‘Bruder’ phonotaktisch sehr ähnlich sind und hier -n erscheinen müsste, wenn es sich um einen solchen Prozess handelte. Wir halten damit fest, dass in Radlof (1817) die -n-Flexion im Bairischen auf den Dativ von Verwandtschaftsbezeichnungen beschränkt ist. Gleichzeitig bleibt zu erwähnen, dass der Dativ in den Übersetzungen nie mittels PDM gekennzeichnet wird. An den (nord-)bairischen Orten, die Flexion aufweisen, fehlt hingegen eine weitere Kasusmarkierung am Pronomen: 81 Abgesehen von einem einmaligen Beleg im mittelbairischen Pinzgau (s. Abbildung 7.3). 82 In Lk. 15,12 und 15,21 handelt es sich um einen ‚vokativen‘ Nominativ „Vater! “. 83 Bei den Appellativa bleibt Dativ-e in den niederdeutschen Übersetzungen erwartungsgemäß besonders stabil in Präpositionalphrasen tau dem Huse (Braunschweig, Lk. 15,25), up den Felle (Paderborn, Lk. 15,25). 224 <?page no="225"?> 7.1 Eigennamenflexion in Großraumerhebungen (46) a. zan Fodan ‘seinem Vater’ (Lk. 15,12) (Waldsassen, Radlof 1817: 340) b. man Vadan ‘meinem Vater’ (Lk. 15,18) (Amberg, Radlof 1817: 337) Es steht m.M. außer Frage, dass -n hier die an keiner anderen Stelle anders ausgedrückte Kasusmarkierung übernimmt. Sofern wir Nichtflexion als negative Evidenz interpretieren - was, wie bereits erwähnt, nicht in der Natur der Daten angelegt ist - , könnte man andererseits interpretieren, dass, von den (nord-)bairischen Dialekten abgesehen, Flexion in dem groben Sample von Radlof (1817) bereits weitestgehend geschwunden ist. Dass dieses Bild aber nicht generalisierbar ist, zeigt der Blick in die alemannischen Dialekte, die von Radlof (1817) in nur einem Ortspunkt (Dornbirn) abgedeckt sind. Dies hat wahrscheinlich einen ganz praktischen Grund: zeitgleich zu Radlof (1817) sammelt Stalder (1819) Dialektmaterialien deutscher und romanischer Dialekte in der Schweizer Eidgenossenschaft; fester Bestandteil ist auch hier das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Die Auswertungen von Stalder (1819) werden in Abschnitt 7.2.1 (S. 229) vorgestellt. 225 <?page no="226"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten Abb. 7.2: Genitiv-/ Dativform von ‘Land’ in den Übersetzungen von Lk. 15,15 bei Radlof (1817) (nur dialektale Daten) 226 <?page no="227"?> 7.1 Eigennamenflexion in Großraumerhebungen Abb. 7.3: Genitiv-/ Dativform von ‘Vater’ in den Übersetzungen von Lk. 15,17 bei Radlof (1817) (nur dialektale Daten) 227 <?page no="228"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten Abb. 7.4: Kartierung der Dativflexion von ‘Vater’ in den Übersetzungen von Lk. 15,11-32 bei Radlof (1817) (nur dialektale Daten) Abb. 7.5: Summe der Dativflexionen von ‘Vater’ in den vier Kontexten von Lk. 15,11-32 bei Radlof (1817), prozentuale Verteilung (nur dialektale Daten) 228 <?page no="229"?> 7.2 Eigennamenflexion in alemannischen Dialekten der Schweiz 7.2 Eigennamenflexion in alemannischen Dialekten der Schweiz Wie im Forschungsüberblick (S. 102) bereits erwähnt, ist Eigennamenflexion laut Dauwalder (1992) und Wipf (1910: 132) noch im Höchstalemannischen des Haslitals (Kanton Bern, BE) und Visperterminen (Kanton Wallis) bekannt. Wir sind aber hier in der glücklichen Situation, eine besonders gut erforschte Dialektregion zu haben, so dass wir für die Schweiz tatsächlich eine kurzzeitdiachrone Untersuchung zur Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen und Eigennamen vom frühen 19. bis ins späte 20. Jahrhundert anstellen können. Doch auch wenn es viele Dialekterhebungen zu den alemannischen Varietäten der Schweiz gibt, so sind für die Eigennamenflexion relevante Kontexte in ihnen relativ rar. Die folgenden Analysen und aufgestellten Hypothesen sind dieser sehr geringen Datengrundlage zu einer nur sehr kleinen Auswahl an Kontexten geschuldet. Sie sind ein erster Versuch, die Situation in den alemannischen Dialekten der Schweiz auf Grundlage der bestehenden Materialien systematisch zu beschreiben. Alle nachfolgenden Hypothesen müssten mit kontrollierten, weiteren Daten verifiziert werden; dies wurde mit einer eigenen Umfrage zu den Dialekten der Gegenwart begonnen (s. Abbschnitt III S. 317). 7.2.1 Stalder (1819) Franz Joseph Stalder war an der Coquebert-Enquête von 1807 zu französischen Dialekten beteiligt und hat nach diesem Vorbild in den Varietäten der Schweiz Übersetzungen des Gleichnis vom verlorenen Sohn gesammelt 1819 veröffentlicht (Knoop, Putschke & Wiegand 1982: 40; Ködel 2014: 547-556). Wie bei Radlof (1817) werden ihm die Übersetzungen von vorwiegend (gebildeten) Geistlichen zur Verfügung gestellt. Insgesamt liegen 41 alemannische Versionen des Gleichnisses vor. Im Alemannischen wird noch das ältere Lexem für ‘Vater’ Att (auch Ätti/ -a/ o/ -e, Dädi oder Drätti verwendet (Idiotikon 1881: 1,583); im Folgenden unter Att zusammengefasst; vgl. auch Westjiddisch Ette). Es ist zu vermuten, dass Att eher als Verwandtschaftsname verwendet wird und die innovativere Variante Vatter, die Rolle der Verwandtschaftsbezeichnung einnimmt. Tatsächlich finden sich in Stalder (1819) nur Belege für Flexion an Att, nicht aber an Vatter, was wiederum 229 <?page no="230"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten für ein Wirken der Belebtheitshierarchie spricht. In Lk. 15,12, ein Kontext, in dem ‘Vater’ monorefereziell als Anredeform im Nominativ verwendet wird, finden wir in 17 Fällen eine Form von Att und in 24 Vatter, während Att vor allem im Berner Oberland und Graubünden verwendet wird (vgl. Abbildung 7.7). Viel erstaunlicher an dieser Kartierung in Abbildung 7.7 ist jedoch, dass wir hier im Imperativ Nominativ ( = Vokativ) einen Beleg für Atten in Oberhasli finden; also genau dem Gebiet, in dem Eigennamenflexion noch im späten 20. Jahrhundert möglich ist (vgl. Dauwalder 1992). Dieselbe Formulierung wiederholt sich in Lk. 15,21 („sagt zu seinem Vater: Vater,“) und auch hier steht im Nominativ in Oberhasli Atten. Ein Druckfehler ist also auszuschließen. Wenn diese Form nun aber selbst im Nominativ auftritt, bleibt zu prüfen, inwiefern es sich hierbei überhaupt um Kasusflexion handelt. Tatsächlich finden wir ein -n Suffix an ‘Vater’ sonst in keinem anderen Nominativ-Kontext, sowohl in der Version aus Oberhasli, als auch in allen anderen und selbst in einem weiteren Vokativ-Kontext (Lk. 15,18) steht in Oberhasli Att. Eine mögliche Erklärung für die Nominativform Atten, wäre eine Assimilation an die in Lk. 15,12 und 21 vorangehende Dativform zum Atten. Insgesamt gibt es drei Orte (Langnau im Emmenthal, Grindelwald u. Oberhasli), allesamt im Kanton Bern, in denen die Dativendung -(e)n auftritt (vgl. Abbildung 7.8). In den Übersetzungen bei Stalder (1819) liegen vier z.T. andere Dativ- Kontexte als bei Radlof (1817) vor.⁸⁴ Keine Übersetzung flektiert in allen Kontexten. Dies spricht für eine starke idiosynkratische Variation der onymischen Flexion. Allerdings tritt des öfteren an die Stelle des onymischen -n-Suffixes eine auf -i/ -e auslautende Form Atti/ Ätti/ -e; dies wird noch im Folgenden näher diskutiert (s.u. Abschnitt 7.2.2, S. 233). Sofern es möglich ist, aus den wenigen Belegen Faktoren zu bestimmen, die die Schwankungen hervorrufen, lässt sich vermuten, dass in den Berner Dialekten die Kontexte mit Personalpronomen seltener flektiert werden, als diese mit Präposition zum (vgl. Abbildung 7.6). Dieser Effekt ist syntaktisch schwer zu erklären, da sowohl der klitisierte Artikel an der Präposition (‘zu-dem’) als auch die Personalpronomen gleichermaßen definit sind und entsprechend im DEF-Feld stehen. Es muss allerdings bedacht werden, dass wir es hier mit einem sehr klei- 84 Der lateinische Genitiv in Lk. 15,17 wird mit Akkusativ übersetzt, stattdessen findet sich in Lk. 15,29 ein weiterer Dativ-Kontext „zu seinem Vater“. 230 <?page no="231"?> 7.2 Eigennamenflexion in alemannischen Dialekten der Schweiz nen und damit nur bedingt aussagekräftigen Datenset zu tun haben. Insgesamt unterscheiden sich die alemannischen Dialekte hier deutlich von den bairischen Dialekten, wie sie in Radlof (1817) dokumentiert sind. (47) a. Der Jingst seid zum Atten ‘Der Jüngste sagt zum Vater’ (Lk. 15,12) (Grindelwald, Stalder 1819: 283) b. Är geit u chund zu sym Ätti ‘Er geht und kommt zu seinem Vater’ (Lk. 15,20) (Grindelwald, Stalder 1819: 283) Es bleibt zu erwähnen, dass auch bei Stalder (1819) in den Akkusativ-Kontexten mit ‘Bruder’ und ‘Sohn’ keine Flexion auftritt. Ebenso ist PDM in den Dativ- Kontexten mit ‘Vater’ nicht zu finden. Was wir aus den Daten zu den schweizerdeutschen Dialekten gesichert mitnehmen können, ist die Feststellung, dass Flexion bei nahen Verwandtschaftsnamen schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts nur noch in einem sehr kleinen Gebiet, insbesondere dem Berner Oberland, verbreitet war. Dort bleibt sie, wie die nachfolgenden Daten aus dem 20. Jahrhundert zeigen, wie ein „kleines gallisches Dorf“ stabil. Abb. 7.6: Summe der Dativflexion von ‘Vater’ in den vier Kontexten von Lk. 15,11-32 bei Stalder (1819) (nur alemannische Daten) 231 <?page no="232"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten Abb. 7.7: ‘Vatter’ vs. Att in den Übersetzungen von Lk. 15,12 (direkte Anredeform) bei Stalder (1819) (nur alemannische Daten) Abb. 7.8: Kartierung der Dativflexion von ‘Vater’ in den Übersetzungen von Lk. 15,11-32 bei Stalder (1819) (nur alemannische Daten) 232 <?page no="233"?> 7.2 Eigennamenflexion in alemannischen Dialekten der Schweiz 7.2.2 Sprachatlas der deutschen Schweiz (SDS) Der Sprachatlas der deutschen Schweiz (SDS) umfasst für den Zeitraum zwischen 1939 und 1958 ausgefüllte Fragebücher aus 573 Ortspunkten aus der Schweiz und den angrenzenden Walsersiedlungen im Piemont, die sich an einem Fragebuch orientieren (Hotzenköcherle 1962b). Als Informanten: innen, insgesamt ca. 1.500, wurden vor allem NORMs und NORFs (Non-mobile Old Rural Male/ Female Speakers) ausgewählt. Die Antworten der Gewährsleute wurden händisch in einer phonetischen Schrift festgehalten (Hotzenköcherle 1962b; Hotzenköcherle 1962a; Trüb 1982). Scans dieser ausgefüllten Fragebuchseiten lassen sich unter https: / / digital.sprachatlas.ch (letzter Zugriff 12. Januar 2021) einsehen und gezielt nach einzelnen Fragen durchsuchen. Laut Wipf (1910: 132) flektieren in Visperterminen im Kanton Wallis insbesondere feminine Rufnamen Anfang des 20. Jahrhunderts noch. Eine Sichtung der SDS-Daten aus dem Kanton Wallis zu verschiedenen ‘Vater’-Kontexten ergab, dass hier keine Flexion bei Verwandtschaftsbezeichnungen erhalten blieb. Dies ist insofern überraschend, da im Höchstalemannischen Substantivflexion an sich stark bewahrt blieb und diese noch in Possessivkontruktionen älterer Sprecher: innen im Lötschental gefunden werden kann (vgl. Bart 2020; speziell zur Flexion weiblicher Rufnamen im Genitiv siehe Bart 2020: 207). Für Akkusativ- und Dativ-Kontexte konnten bei Rufnamen und Verwandtschaftsbezeichnungen in den höchstalemannischen Varietäten des Wallis allerdings keine Belege für Flexion in den untersuchten Quellen des 19. und 20. Jahrhunderts nachgewiesen werden. Allerdings werden wir feststellen müssen, dass fehlende Evidenz im SDS nicht unmittelbar auf fehlende Flexion zurückgeführt werden kann. Da es als relativ gesichert gilt, dass oymische Flexion in den alemannischen Dialekten der Schweiz ausschließlich im Kanton Bern bis in die Gegenwart erhalten blieb (vgl. Bucheli Berger 2006: 94; Dauwalder 1992), wird im Folgenden nur eine auf diese Region (und fünf angrenzende Orte im Kanton Luzern sowie zwei im Kanton Fribourg) begrenzte Auswahl von 103 SDS-Fragebögen ausgewertet (siehe Abbildung 7.9). Im SDS gibt es nur einen Dativ-Kontext mit Verwandtschaftsbezeichnung; diese findet sich in der Übersetzungsaufgabe 205-3 ich habe dem Vater geschrieben. Ferner wurden vier Kontexte mit Akkusativ und ein Nominativ-Kontext ausgewertet: 233 <?page no="234"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten - 127-7 das hat mich meine Mutter gelehrt - 146-1 das hat unser Vater oft gesagt - 205-1 u. 205-2 der Vater - 205-3 ich habe dem Vater geschrieben - 205-6 unsere Mutter - 205-7 eure Mutter Im einzigen Dativ-Kontext findet sich im ausgewählten Raum in nur einem Fragebogen -n-Flexion am Lexem Att und in Verbindung mit einem Definitartikel (48).⁸⁵ Dieser Beleg stammt aus dem hintersten Erhebungsort des Haslitals (siehe Abbildung 7.10). (48) i handəmatəⁿ kšribəⁿ ‘ich habe dem Vater geschrieben’ (SDS Frage 205-3, BE 87 - Guttannen) Von diesem singulären Beleg abgesehen, fällt im direkten Kontrast zu den Antworten der Nominativformen in den Fragen 205-1 und 205-2 (der Vater), die auf die unterschiedlichen Lexeme Att und Vatter abzielen, auf, dass es ein Gebiet im Südwesten des Berner Oberlands gibt, in dem die in 205-1 und 205-2 genannte Nominativform von der im Dativ-Kontext 205-3 genannten Form im Auslaut abweicht. In sieben Orten (darunter auch einer im Kanton Fribourg, FR 14) erscheint hier Atte/ -i im Dativ und im Nominativ Att: (49) a. dərat ‘(der) Vater’ (SDS Frage 205-1, BE 111 - Gimmelwald) b. i hand əm attə kšribəⁿ ‘ich habe dem Vater geschrieben’ (SDS Frage 205-3, BE 111 - Gimmelwald) Allerdings sind hier nur die Kontrastbelege kartiert. Der Blick in die Daten zur Nominativform (Abbildung 7.11) zeigt, dass -e/ -i-Formen auch als Grundformen 85 Die Transliteration der SDS-Belege erfolgt in einer reduzierten Form, die auf phonetische Sonderzeichen verzichtet, sofern diese hier nicht von Relevanz sind; zum Transkriptionssystem des SDS siehe Hotzenköcherle 1962b: 50-73; Hotzenköcherle 1962a: 79-95. 234 <?page no="235"?> 7.2 Eigennamenflexion in alemannischen Dialekten der Schweiz des Att-Lexems genannt werden. Entsprechend finden sich diese Formen auch im Akkusativ-Kontext der Übersetzungsaufgabe 146-1 (vgl. Abbildung 7.12). Es ist nur mit Blick auf diese Kontexte nicht zu entscheiden, ob die Belege für e/ -i-Bildungen im Dativ und Akkusativ der Berner Dialekte Schwundstufen des Kasussuffixes -en darstellen oder das Diminutivsuffix ( < ahd. hypok. Suffix -in), das zum einen -(e)n-Flexion blockiert, zum anderen aber auch einen Nähebzw. Belebtheitsmarker darstellt. Denn auch Diminution interagiert mit diesen semantischen Faktoren. Die Situation des Akkusativs in den alemannischen Dialekten ist eine besondere, da dieser hier formal mit dem Nominativ zusammen gefallen ist (vgl. Baechler 2018: 286; Perrig 2018). Vereinzelt treten allerdings noch immer Reste des Akkusativs - vor allem im Pronominalbereich und auch am Definitartikel - auf (vgl. Studler 2011: 30). Generell ist aber in der Substantivflexion keine formale Unterscheidung zwischen Akkusativ und Nominativ mehr zu erwarten (Baechler 2018). Die Nominativkontexte (205-1, 205-2, 205-6 u. 205-7), die zugegeben wenig Kontext liefern und eher Abfragen zum Lexembestand liefern, geben keine Hinweise darauf, dass -n-Formen auch jenseits eines Objektkasus auftreten. Mit den SDS-Daten lassen sich die Stadler-Daten (Abschnitt 7.2.1) neu interpretieren. In einem neuen Licht erscheinen nun vor allem die Nominativ-/ Dativbelege für -i/ -e-Formen als auch die Nominativbelege für -n-Formen, die wir in Stalder (1819) vereinzelt finden. Das Suffix -i (z.T. -e; < ahd. -in) ist ein „produktives Diminutivsuffix - beschränkt auf ein- und zweisilbige Basen --für das Berner Oberland, die Innerschweiz, Freiburg, das Wallis und Luzern“ (Baumgartner & Christen 2017: 118; s.a. Lüssy 1974; Seebold 1983: 1253; Schirmunski 1962: 162, 485). Im Unterschied zur gängigen Diminution löst -i(n) bei Onymika (insbesondere bei Maskulina) keinen Genuswechsel aus (Baumgartner & Christen 2017: 119). Auch gibt es bei diesen Diminutiva Schwankungen beim Umlaut, die Lüssy (1974: 189- 192) funktional mit der Unterscheidung zweier Diminutivgrade erklärt: neben der „einfachen“, „neutralen“ Diminution mit Umlaut treten „gefühlsbetonte Diminutive“, d.h. „kosende und kindersprachliche“ ohne Umlaut auf (Lüssy 1974: 172- 173; vgl. Bsp. 49 S. 234). Damit sind Formen wie Atti (vgl. Standarddeutsch Vati) Belege für eine gefühlsbetonte Diminution ( = Verwandtschaftsname) und Ätti für eine eher neutrale Form ( = Verwandtschaftsbezeichnung). Die diminuierende Semantik der neutralen Form Ätti muss laut Lüssy (1974: 172, 177-178) nicht mehr 235 <?page no="236"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten transparent sein, was sich vor allem daran zeigt, dass diese erstarrten Formen --insbesondere bei Verwandtschaftsbezeichnungen - in Dialekten auftreten, die über kein produktives Diminutivsuffix -i mehr verfügen. Damit sind vor allem die nicht-umgelauteten -i-Formen (und je nach Vokalqualität auch -e-Formen) Atti/ Atte als Koseformen zu interpretieren, die gegenüber der ‚technischen‘ Verwandtschaftsbezeichnung Att eine besondere Nähe anzeigen (vgl. Baumgartner & Christen 2017: 119). Gerade bei der Form Atte könnte es sich aber auch um eine n-Tilgung der onymischen Flexion -en handeln (s.u. S. 237). Die Verbindung von Diminutivsuffix und dem Suffix für onymische Flexion könnte im Zuge einer Degrammatikalisierung als neues Suffix für DOM reanalysiert worden sein und zum Ausdruck von dieser Nähe analog zur Koseform generalisiert worden sein. Sollte dies zutreffen, müsste dieses Suffix (bzw. die Varianten -i(n)/ -e(n)/ -n) auch im Nominativ auftreten. Dies hieße aber auch, dass das, was bisher als Eigennamenflexion für das Berner Oberland beschrieben wurde, eigentlich eine spezielle Form von Diminution, mit besonderer Belebtheitsbzw. Nähemarkierung ist. Das dünne Eis, auf dem diese Hypothese argumentiert, bilden die singulären Nominativbelege in Stalder (1819), die selbstverständlich auch ein Artefakt der Textsorte bzw. eine Hyperform darstellen könnten und als authentische Strukturen nicht im Material des SDS bestätigt werden können. Wenn diese Suffixvarianten (-i(n)/ -e(n)/ -n) ein Derivationssuffix repräsentieren, ist zu erwarten, dass es kasusungebunden ist und damit auch im Nominativ und auch im formal zusammengefallenen Akkusativ erscheint. Diese Überlegung streift vor allem auch die wichtige, bisher wenig erforschte Frage, inwiefern Kose- und (verniedlichende) Diminutionsformen durch Belebtheitseffekte kontrolliert werden. In Hinblick darauf, dass im Alemannischen nur formal Akkusativ und Nominativ zusammengefallen sind und beide Kasus funktional erhalten sind, ist eine wahrscheinlichere Analyse, dass Eigennamenflexion in den Dialekten des Berner Oberlands von diesem Zusammenfall unberührt blieb. Dabei kann der formale Zusammenfall von Akkusativ und Nominativ in übrigen Bereichen der Substantivflexion hier auch besonders förderlich zum Erhalt bzw. Umbau von Eigennamenflexion beigetragen haben. Denn dieser macht es vermutlich gerade bei Eigennamen als hochbelebte Substantiva notwendig, eine klare Kennzeichnung der semantischen Rollen herzustellen. Vor dem Hintergrund dass Kasusmarkierung 236 <?page no="237"?> 7.2 Eigennamenflexion in alemannischen Dialekten der Schweiz in den germanischen Sprachen nicht mit der Markierung semantischer Rollen gleichzusetzen ist, kommen wir auch bei dieser Analyse auf dasselbe Ergebnis: Eigennamenflexion ist keine primäre Kasusflexion, v.a. keine des formalen Kasus, sondern eine Markierung hochbelebter Entitäten in Agensposition und erfüllt damit die Kriterien einer DOM. Der formale Zusammenfall von Akkusativ und Nominativ hat nicht alle alemannischen Varietäten in gleicher Konsequenz betroffen (vgl. Perrig 2018). Daher ist es nötig, zu prüfen, inwiefern er in dem Gebiet des Berner Oberlands bezüglich der Kasusmarkierung am Substantiv durchgeführt wurde. In den Antworten zu SDS Frage 117-1 der/ den Kopf [ angeschlagen ] , ist eine formale Kasusdistinktion zwischen Nominativ und Akkusativ am Definitartikel im gesamten Gebiet des Berner Oberlands (z.B. im System von Kandergrund, vgl. 50) und so auch an dem einzigen Ort, der onymische Flexion (im Dativ) aufweist, nicht gegeben. Das heißt auch, dass Eigennamenflexion nicht ungeachtet formaler Kasusdistinktion existiert. Da allerdings die SDS-Daten nur ein einziges System mit erhaltener Eigennamenflexion liefern, ist diese Feststellung nur schwer abzusichern und generalisierbar. (50) a. i handər greⁱnd akšlagə ‘ich habe-den Kopf angeschlagen’ (SDS Frage 117-1, BE 105 - Kandergrund) b. das heg mi vatər meyiš kset ‘das hat mein Vater oft gesagt’ (SDS Frage 146-1, BE 105 - Kandergrund) Neben dem Kasuszusammenfall gibt es noch einen wichtigen phonologischen Prozess, der starken Einfluss auf die (Sub-stantiv-)Flexion der alemannischen Dialekte ausübt: die n-Tilgung im Auslaut. Auch von diesem, prinzipiell universal wirksamen Faktor scheint die Eigennamenflexion unberührt zu bleiben. Laut SDS Karte Nr. 2/ 155 ist eine n-Tilgung am Lexem ‘Mann’ im Großteil des Berner Oberlands, festzustellen. Im gesamten südöstlichen Teil des Berner Oberlands bleibt -n jedoch erhalten; so auch am Ort Guttannen, der Erhebungsort mit dem einzigen Beleg für Eigennamenflexion an ‘Vater’ (s.o. Bsp. 48). Im Singular wie im Plural des Maskulinums ‘Ofen’ (SDS Frage Nr. 196.7) erfolgte die n-Tilgung allerdings im gesamten Erhebungsgebiet des SDS, mit Ausnahme einiger Sprachinseln in Ober- 237 <?page no="238"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten italien. Der Erhalt von Eigennamenflexion mittels -(e)n in Guttannen mag mit der hier nicht oder nur unsystematisch durchgeführten n-Tilgung zusammenhängen. Andererseits könnten allerdings auch Formen wie Atte eine Schwundstufe der Flexionsform Atten darstellen, sofern in diesen Dialekten die alemannische n- Tilgung auch das Kasussuffix -en betroffen hat, wie es zu erwarten wäre. Ein mögliches Szenario wäre hier, dass in einigen Dialekten die reduzierte Form der Eigennamenflexion -e(n) mit dem nicht-umlautenden Diminutivsuffix -i formal zusammengefallen ist (s.o.). Der systemische Status von n-Tilgung und solcher zunächst indifferenten Formen wie Atte in den entsprechenden Dialekten spricht jedoch gegen ein solches Szenario eines Zusammenfalls beider Suffixe. So bleibt auslautendes -n in der Varietät von (49b) am Verb erhalten: əm attə kšribəⁿ. In diesem Fall ist attə als Diminutivform zu analysieren und nicht als Schwundstufe des Flexionssuffixes. Bleibt zu erwähnen, dass die Substantivflexion der ehemals ‚schwachen‘ Maskulina in den onymisch flektierenden Varietäten des Berner Oberlands nicht mehr vorhanden ist (vgl. z.B. SDS Frage 198.11 ‘die Milch steht auf dem Tisch’). Das onymische Suffix -n hat also im Bereich der Kasusmorphologie am Substantiv keine weitere Entsprechung mehr, er ist ein rein onymischer Marker. Insgesamt sind die Ergebnisse zur Eigennamenflexion im SDS-Material ernüchternd. Die Daten in Stalder (1819) und bestehende grammatische Beschreibungen von Eigennamenflexion in Wipf (1910: 132), Hodler (1969: 33-35), Dauwalder (1992) und Bucheli Berger (2006: 94) haben mehr Belege für Flexion erwarten lassen. 238 <?page no="239"?> 7.2 Eigennamenflexion in alemannischen Dialekten der Schweiz Abb. 7.9: Ausgewertete SDS Orte (grau); übrige SDS Orte (schwarz) (Bildschirmfoto aus https: / / digital.sprachatlas.ch, letzter Zugriff 12. Januar 2021) Abb. 7.10: Dativflexion in SDS Frage 205-3 ich habe dem Vater geschrieben (BE) 239 <?page no="240"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten Abb. 7.11: Nominativkontexte in SDS Fragen 205-1 und 205-2 der Vater (BE) Abb. 7.12: Akkusativkontext in SDS Frage 146-1 unser Vater (BE) 240 <?page no="241"?> 7.2 Eigennamenflexion in alemannischen Dialekten der Schweiz 7.2.3 Syntaktischer Atlas der Deutschen Schweiz (SADS) Das Projekt Syntaktischer Atlas der Deutschen Schweiz (SADS) begann im Jahr 2000 in 383 Ortspunkten der Schweiz schriftliche Fragebogenerhebungen in vier Runden mit ca. 3187 Informant: innen durchzuführen. Zu Artikelgebrauch und Flexion im Dativ und Akkusativ bei Eigennamen wurden insgesamt sieben Ankreuzfragen (A) und zwei Übersetzungsfragen (Ü) mit fünf männlichen und fünf weiblichen Rufnamen abgefragt (Glaser 2021).⁸⁶ Übersetzungsaufgaben mit Verwandtschaftsbezeichnungen bzw. -namen, die für den vorliegenden Kontext für einen direkten Vergleich ideal wären, wurden im SADS nicht erhoben. Die in Glaser (2021) detailliert dargelegten Ergebnisse zeigen, dass -en-Flexion bei Rufnamen im Berner Oberland noch immer stabil ist und in den angrenzenden Gebieten zwar nicht im Gebrauch ist, aber als akzeptabel bewertet wird (s.a. Bucheli Berger 2006: Karte 1). Die SADS-Daten zeigen, dass Rufnamenflexion sowohl in Dativals auch Akkusativ-Kontexten möglich ist. Die Informant: innen, die über Flexion am Eigennamen verfügen, haben überwiegend die Variante ohne Artikel gewählt (vgl. Abbildung 7.13). Dies entspricht den Ergebnissen bestehender Arbeiten, die u.a. auch Daten des SDS und SADS heranziehen. So stellt Bucheli Berger (2006: 94) fest, dass die Verwendung des Artikels bei Eigennamenflexion „im ganzen Untersuchungsgebiet eher selten“ ist. Und auch Dauwalder (1992: 18) hebt hervor, dass die Vor- und Familiennamenflexion im Haslital generell ohne Artikel auftritt, es sei denn bei „als modern empfundenen weiblichen Vornamen“, wo der Definitartikel im Neutrum erscheint: ds Claudia ischd ga schiifaaren ‘die Claudia ist skifahren’. Interessanterweise gibt es in den SADS-Daten einen leichten Effekt für einen signifikanten Unterschied bei der präferierten Variante mit Artikel bei weiblichem Rufnamen (unabhängig von Flexion) und im Gegenteil zu männlichem Rufnamen. Aber anders als die Hinweise bei Dauwalder (1992: 18) vermuten lassen, wird bei weiblichen Namen der Artikel seltener gesetzt als bei männlichen (p < 0.0001; Cramer’s V = 0.103). Aus den Ankreuzfragen lässt sich nicht ermitteln, wie (im Fall der Produktion) der Definitartikel aussehen würde und ob er Kasus- und Genusinformationen trägt. Studler (2011: 140) findet in 78% der Antworten 86 Herzlichen Dank an Elvira Glaser für das vorzeitige Verfügbarmachen der Kartenkommentare zu den relevanten Fragen. 241 <?page no="242"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten zur Übersetzungsaufgabe IV.1 Also Martina wäre eine ganz gute einen reduzierten Artikel. In 21,5% findet sich kein Artikel. Unklar ist, ob eine Korrelation zwischen den 0,5%, in denen eine Vollform erscheint, und der Rufnamenflexion besteht. Besonders deutlich sind in den SADS-Materialien die geschlechtsspezifischen Schwankungen: Während 1,84% der Informanten: innen angeben, im Akkusativ eine flektierte Form des männlichen Rufnamens Fritz zu verwenden, wählen nur 1,03% eine flektierte Form von Anna. Diese Verteilung ist statistisch signifikant, allerdings mit nur schwacher Effektstärke (vgl. Tabelle 7.1). Auf Grundlage dieser zwei (auch phonologisch sehr unterschiedlichen) Eigennamen lässt sich schwer eine Generalisierung treffen. Eine nähere Auswertung des Akkusativkontexts der Übersetzungsaufgabe I.3 Oh, ich habe den Fritz kommen hören. zeigt, dass sich -en-Flexion (fast)⁸⁷ ausnahmslos im Berner Oberland findet (vgl. Abbildung 7.14). Daneben steht das Suffix -e in Oberaargau-Emmental und dem westlichen Oberland und damit in dem Gebiet, wo auch Atte/ i-Belege vorherrschen. Diese Daten zeigen damit zweierlei: zum einen, dass der Akkusativkontext trotz Synkretismus noch immer Flexion aufweist und zum anderen, dass auch die vermeintlichen Diminutivformen der Verwandtschaftsbezeichnung ‘Vater’ auf -e/ -i Flexionsbelege darstellen. Im Nominativkontext der Übersetzungsaufgabe IV.1 Also Martina wäre eine ganz gute Gemeindepräsidentin. findet sich hingegen kein Beleg mit Flexion. Dies könnte daran liegen, dass hier ein Femininum vorliegt, das phonologisch nicht besonders zugänglich für die -en-Suffigierung ist (? Martinen); wahrscheinlicher aber ist, dass Eigennamenflexion auf die funktionalen Kasus Akkusativ und Dativ beschränkt ist und von formalen Kasuszusammenfällen unberührt blieb. Die drei Schweizer Datensets sind quantitativ nur bedingt miteinander zu vergleichen, da unterschiedliche Ortsdialekte die Grundlage bilden. Unter der Prämisse der Vorsicht kann aus Abbildung 7.15 ein genereller Rückgang von -(e)n- Bildungen an Rufnamen und Verwandtschaftsbezeichnungen angenommen werden. Das Material zeigt, dass in den einzelnen Erhebungen Schwankungen bestehen. Fehlende oder bestehende Kasusmarkierung außerhalb des Substantivs kann in den alemannischen Dialekten nicht, wie bei den Daten zum Nordbairischen bei Radlof (1817) möglich, als beeinflussender Faktor identifiziert werden. 87 Es gibt einen singulären Beleg für die Walsersprachinsel Klosters im Kanton Graubünden. 242 <?page no="243"?> 7.2 Eigennamenflexion in alemannischen Dialekten der Schweiz Stattdessen scheinen hier vielmehr semantische Rollen, Belebtheit und - als Spezifizierung von Belebtheit - eventuell auch emotionale Nähe (Koseform) Einfluss auf die Verwendung von -en-Formen zu nehmen. Dafür spricht auch die formale und diatopische Nähe zu -i-Diminutiva. Akk. EN mask. SADS II.32 (A) Akk. EN fem. SADS II.31 (A) ø -Flexion 2878 2910 en-Flexion 53 30 Tab. 7.1: Summe von Flexionsformen als präferierte Varianten im SADS weiblich vs. männlicher Rufname (Datenquelle: Glaser 2021); 𝜒 2 = 5.98 df = 1 p = 0.015 Cramer’s V = 0.034 Abb. 7.13: Summe von Flexionsformen als präferierte Varianten im SADS weiblich vs. männlicher Rufname (Datenquelle Glaser 2021) 243 <?page no="244"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten Abb. 7.14: Eigennamenflexion am maskulinen Rufnamen im Akkusativ; SADS Übersetzungsaufgabe I.3 Oh, ich habe den Fritz kommen hören.; die Symbolgröße abhängig von der Anzahl der Nennungen pro Ort (Daten wurden vom SADS zur Verfügung gestellt) Abb. 7.15: Belegsumme Flexionsformen im SADS, SDS und Stalder (1819) 244 <?page no="245"?> 7.2 Eigennamenflexion in alemannischen Dialekten der Schweiz 7.2.4 Zelleni us em Haslital (Sooder 1943 [1984]) Mit der Absicht nähere Auskunft über eine mögliche Verwendung der Eigennamenflexion im Nominativ und spezielle syntaktische Beschränkungen im Haslital zu bekommen, wurde die Sammlung von Sagen und Märchen „Zelleni us em Haslital“ von Sooder (1943 [1984]) ausgewertet. Das Ergebnis ist allerdings wenig ergiebig, was zum einen daran liegt, dass Rufnamen zumeist als Diminutiva wie in (51) erscheinen, zum anderen aber auch philologische Gründe haben kann, denn sowohl die ursprüngliche Sammlung Sooders (1943) als auch die Neuauflage durch Dauwalder (1984) haben unterschiedlich stark in die tatsächliche Form der oralen Vermittlung der Sagen und Märchen eingegriffen. (51) ischd zem Hennelli gsprungen ‘ist zum Hannchen gesprungen’ (Weissenfluh, Sooder 1943 [1984]: 33) Die Edition geht auf die Sammlung mündlicher Überlieferungen zurück, die So- oder nachträglich „am Abend nach Stichworten aus dem Gedächtnis“ unter Verwendung der Dieth-Schreibung festgehalten hat (Sooder 1943 [1984]: 5-6, 25). Dabei wird der Mündlichkeit und den Ortsdialekten zwar ein besonderer Wert beigefügt, jedoch ist nicht zu erwarten, dass Sooder, der selbst den Brienzwiler Dialekt sprach, jede linguistische Feinheit in Erinnerung behielt; zumal er bemüht war, dem Inhalt der Erzählung zu folgen und sich zu merken. Einen weiteren ‚Filter‘ erfährt die Edition von 1984 durch die Überarbeitungen Daunwalders, der die Sprache „archaisiert“ und „Schönheitsfehler“ korrigiert (Sooder 1943 [1984]: 11). Zumindest lässt sich feststellen, dass Daunwalder kaum die von den Dialekten des Haslitals zu erwartende Eigennamenflexion ergänzte (vgl. Dauwalder 1992: 18). Trotz dieser Umstände liefert das Material drei klare Belege für onymische Flexion: zwei mit Rufnamen ohne Artikel (52a, 52c) und einen bei Verwandtschaftsbezeichnung mit Artikel (52e) in den Dialekten von Brienzwiler, Goldern und Innertkirchen. Die kurzen Erzählungen bieten in beiden Fällen auch Kontrastbelege im Nominativ bzw. Vokativ, (52b), (52d) und (52f), die zeigen, dass die Flexion klar zur Markierung der Objektkasus dient. (52) a. hed d Müoter Jellin ggrieffd ‘hat die Mutter Jelli gerufen’ (Brienzwiler, Sooder 1943 [1984]: 111) 245 <?page no="246"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten b. Aber Jelli faad am binnigen ‘Aber Jelli fängt an böse zu werden’ (Brienzwiler, Sooder 1943 [1984]: 111) c. Der Riiter chunnd gäg Menken und hed im an, är selle nen erleesen ‘Der Ritter kommt zu Menk und bittet ihn, er solle ihn erlösen’ (Goldern, Sooder 1943 [1984]: 60) d. är, Menk siigi derzöe gebooren ‘er, Menk, sei dazu geboren’ (Goldern, Sooder 1943 [1984]: 60) e. am Morgen drüüf ischs äis dem Atten der Leffel uf der Milch gsiin ‘am Morgen darauf ist der Löffel vom Vater (wörtl. dem Vater der Löffel) auf der Milch gewesen’ (Innertkirchen, Sooder 1943 [1984]: 44) f. und der ganze Tag anha hed Tratt täleget ‘und den ganzen Tag lang hat der Vater gestritten’ (Innertkirchen, Sooder 1943 [1984]: 44) Darüber hinaus konnten im Material 65 Belege identifiziert werden, in denen die Lexeme ‘Mutter’ und ‘Vater’ nicht flektiert werden. Davon stehen 41 im Nominativ (‘Mutter’: 27, ‘Vater’: 14), 16 im Akkisativ (‘Mutter’: 8, ‘Vater’: 8; alle mit mit Artikel), acht im Dativ (mit Artikel ‘Mutter’: 2, ‘Vater’: 2 - mit Präposition ‘Mutter’: 2, ‘Vater’: 1). Ein Beleg für -e als indifferente Form entweder des kosenden Diminutivsuffixes ( < -i) oder der n-Tilgung am onymischen Flexionssuffix liegt in (53a) vor. In der Varietät dieser Erzählung aus Boden (53) ist die n-Tilgung jedoch nicht durchgeführt worden, wie (53c) und (53d) exemplarisch illustrieren. Demnach handelt es sich bei der Form Atte in (53a) nicht um eine Schwundform des Flexionssuffixes, sondern um eine Diminution. Der Kontrast zu Tratt-Formen im Nominativ wie in (53b) zeigt nicht nur, dass hier das Diminutivsuffix noch strukturell transparent ist, sondern ebenso transparent ist hier noch der klitisierte Definitartikel, der mit Präposition (53a) wegfällt. (53) a. Waa n i bbi zem Atte chun ‘Als ich zum Vater gekommen bin’ (Boden Gde Guttannen, Sooder 1943 [1984]: 135) 246 <?page no="247"?> 7.2 Eigennamenflexion in alemannischen Dialekten der Schweiz b. waa Tratt und i siin im Räätichsbode z Alp gsiin ‘als (der-)Vater und ich zur Alp am Räterichsboden waren’ (Boden Gde Guttannen, Sooder 1943 [1984]: 135) c. Die ischd doch im Gaden ‘die ist noch im Garten’ (Boden Gde Guttannen, Sooder 1943 [1984]: 135) d. was das fir ne Lloosen ischd gsiin ‘was das für eine Loosen (Fabeltier) gewesen ist’ (Boden Gde Guttannen, Sooder 1943 [1984]: 135) Auch, wenn die Sammlung von Sooder (1943 [1984]) nur wenig relevante Daten liefert, bestätigen die wenigen Belege das bisher gewonnene Bild der Eigennamenflexion im Haslitaler Alemannischen als prinzipiell kasusgebunden und mit einem Verzicht eines onymischen Artikels bei Rufnamen. 247 <?page no="248"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten 7.3 Eigennamenflexion in den ostoberdeutschen Dialekten Bayerns (BayDat) Die bayerische Dialektdatenbank (BayDat, https: / / baydat.badw.de, letzter Zugriff 12. Januar 2021) ist eine Initiative, die Daten der verschiedenen Atlasprojekte der Dialekte im Bundesland Bayern zu einem Bayerischer Sprachatlas (BSA) zusammenführt und sie in einer öffentlichen Datenbank zugänglich macht. Die einbezogenen Atlasprojekte sind: - Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben (SBS) [ eigenes Fragebuch für Schwaben (SSA) ] , Erhebungen 1984-1989 - Sprachatlas von Nordostbayern (SNOB), Erhebungen 1981-1999 - Sprachatlas von Mittelfranken (SMF), Erhebungen 1991-1998 - Sprachatlas von Unterfranken (SUF), Erhebungen 1991-1996 - Sprachatlas von Niederbayern (SNIB), Erhebungen 1989-1998 - Sprachatlas von Oberbayern (SOB), Erhebungen 1991-1998 Alle diese Atlanten basieren auf den Methoden der direkten Erhebung anhand eines Fragebuchs. Methodisch sind die BayDat-Daten also mit denen des LCAAJ und des SDS zu vergleichen. Wie beim SDS wurden pro Ort mehrere NORMs und NORFs befragt, die in der Regel in der Landwirtschaft tätig waren. Auch wenn jedes Projekt sein eigenes Fragebuch hatte, gibt es einen gemeinsamen Fragenpool. Dies ermöglicht die Kombination der verschiedenen Projektdaten. In der Bay- Dat liegen die Daten exportierbar als Transkripte vor.⁸⁸ Die Transkripte unterscheiden zwischen Erst-, Zweit- und Drittnennung. Die folgende Auswertung zur Flexion bei einem maskulinen Rufnamen, sieben Verwandtschaftsbezeichnungen und zwei maskulinen Appellativa beruhen auf den Exporten der BayDat von zehn Übersetzungsaufgaben: - Dat. fem. Ich sags deiner Mutter (SBS 446.006, SNOB 446.007, SMF 446.008, SUF 227.012, SSA 446.007) - Dat. fem. Er hat es der Mutter gesagt (SBS 444.010, SNOB 444.012, SOB 444.011, SMF 227.005, SUF 444.013, SSA 492.003) 88 Digitalisate der Mitschriften (Fieldnotes) kann man bisher nur vom SUF einsehen. 248 <?page no="249"?> 7.3 Eigennamenflexion in den ostoberdeutschen Dialekten Bayerns (BayDat) - Dat. mask. Ich hab dem Vater geschrieben (SBS 434.004, SNOB 434.008, SOB 434.006, SMF 220.008, SUF 434.007, SSA 478.004) - Dat. mask. Ich sags deinem Vater (SBS 446.004, SNOB 446.005, SOB 446.006, SMF 227.010, SUF 446.005, SSA 492.007) - Dat. mask. Dem Sepp hab ich es gesagt (oder auch andere Taufnamen)⁸⁹ (SBS 446.003, SNOB 446.003, SOB 446.003, SMF 227.008, SUF 446.003, SSA 492.006) - Akk. fem. Ich muss erst die Mutter fragen⁹⁰ - Akk. mask. Sie haben unseren Vater (vom Feld) geholt (SBS 402.001, SNOB 402.001, SOB 402.001, SMF 202.010, SUF 402.001) - Akk. mask. Sg. Bauer (SNOB 232.005) - Dat. mask. Das sag ich dem Lehrer! (SNOB 444.006, SMF 226.012, SUF 444.006) - Akk. mask. Er hat deinen Bruder gemalt (SBS 468.003, SNOB 468.004, SOB 468.004, SMF 238.003, SUF 468.005, SSA 520.003) Die nachfolgenden Karten basieren auf den in Pickl & Pröll (2019) verwendeten Geokoordinaten von 1408 BayDat-Erhebungsorten ergänzt um 200⁹¹ weitere Erhebungsorte aus dem BayDat-System (vgl. Abbildung 7.16). Die quantitative Verteilung von Suffigierung in den zehn Kontexten zeigt eine klare Beschränkung auf bestimmte Eigennamen und Verwandtschaftsbezeich- 89 Alternative Eigennamen sind: Hans: 63, Karl: 21, Gert: 18, Georg: 12, Franz: 9, Joseph: 6, Andreas: 5, Fritz: 3, Heiner/ Erich: 2, Bepi/ Edwin/ Alois/ Johann: 1; Frauennamen: Luise/ Mari: 1. 90 In den Transkriptionen liegt zumindest nur selten der volle Satz vor, sondern nur die Form zu „die Mutter“. Es ist möglich, dass hier in manchen Fällen nur der Nominativ erhoben wurde. 91 Diese 200 zusätzlichen Orte ergeben sich aus einem Abgleich der Tabelle aus Pickl & Pröll (2019) und dem Export der BayDat-Daten zur Frage 3707 Dem Sepp hab ich es gesagt. Das so entstandene Sample ist unter folgenden Link verfügbar: https: / / github. com/ schaeferlea/ BayDat-Geocoordinates (letzter Zugriff 12. Januar 2021). 249 <?page no="250"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten nungen (vgl. Abbildung 7.17). Die Maskulina Bauer (swM) und Lehrer (stM) unterscheiden sich stark. Während Lehrer in allen erhobenen Dialekten weitestgehend flexionslos bleibt, geben 121 Informant: innen des SNOB Bauer mit -n im Auslaut an.⁹² Möglicherweise ist dieser Unterschied der beiden Appellativa bereits ein Indiz für den Einflussfaktor Belebtheit: Für landwirtschaftlich aktive Informant: innen steht ein Bauer auf der Belebtheitshierarchie höher als ein Lehrer. Abb. 7.16: Verwendetes Ortsnetz der Daten der BayDat 92 Da die Frage nur im SNOB erhoben wurde, lässt sich die Situation schwer auf das Gebiet der übrigen Dialektatlanten übertragen. Innerhalb des SNOB-Gebiets gibt es einen leichten geographischen Effekt: Belege für -n-Flexion clustern vor allem im Raum Bamberg und treten nur vereinzelt im Norden und äußersten Süden des SNOB- Erhebungsgebietes auf. 250 <?page no="251"?> 7.3 Eigennamenflexion in den ostoberdeutschen Dialekten Bayerns (BayDat) Abb. 7.17: Flexion in den Daten der BayDat (alle Nennungen) 251 <?page no="252"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten 7.3.1 Faktor Genus Die Belege für den männlichen Rufnamen fallen insgesamt sichtlich geringer aus als Belege mit Flexionen männlicher Verwandtschaftsbezeichnungen. Allerdings kommen beim Eigennamen noch Belege für Diminution (3,7% der Rufnamenformen) hinzu.⁹³ Wie bei allen bisher erhobenen Dialektdaten, gibt es auch im BayDat-Material erhebliche Schwankungen je nach Kontext und Verwandtschaftsbezeichnung. Bruder wird, wie bereits bei Radlof (1817) gesehen, z.B. gar nicht flektiert. Die Schwankungen der Flexionsformen in den einzelnen Fragen liegen zwischen maximal 29,75% der Antworten (im Dativ-Kontext Ich sags deinem Vater) und dem Minimum von 8,13% der Antworten (im Dativ-Kontext Ich sags deiner Mutter). Diese beiden Fragen, die sich lediglich im Genus der Verwandtschaftsbezeichnung unterscheiden, lassen vermuten, dass - wie im Jiddischen --Genus ein zentraler Faktor bei der Flexion darstellt. Bereits Schmeller (1821: 260, 270) liefert Hinweise, dass feminine Eigennamen Anfang des 19. Jahrhunderts im Gegensatz zu den maskulinen nur noch selten flektiert werden (s.o. S. 102). Hier müssen wir allerdings berücksichtigen, dass der Mutter-Satz nicht im SOB erhoben wurde (vgl. Abbildung 7.19), dessen Erhebungsgebiet aber zum Kern der onymischen Flexion zählt (s.u.). Der Vergleich der Dativ-Kontexte Er hat es der Mutter gesagt und Ich hab dem Vater geschrieben, von denen vergleichsweise ausgewogene Daten vorliegen, ergibt zwar (geringe) Signifikanzwerte, jedoch mit extrem schwacher Effektstärke (p = 0.0231, 𝜒 2 = 5.16, Cramer’s-V- = 0.044). Entsprechend gering ist auch der Genuseffekt in den Akkusativ-Kontexten (p = 0.0633, 𝜒 2 = 3.45, Cramer’s-V- = 0.034). Damit kann ein Genuseffekt in den Dialekten der BayDat quantitativ nicht nachgewiesen werden. 93 Unklar ist, wie stark Diminution (Rufnamen-)Flexion blockiert. Bei Pluraldiminution besteht die Möglichkeit Derivations- und Flexionssuffixe zu kombinieren (z.B. NHD Kinderchen) bzw. eigene Kombinationssuffixe zu verwenden (z.B. jidd. tish-lach ‘Tischchen’ PL ; vgl. Schäfer 2020b). Es wäre interessant zu testen, wie Informant: innen, die Eigennamenflexion aufweisen, mit Diminution umgehen. Kombinationen aus Diminution und Eigennamenflexion (? Sebmla ‘Sepp’ AKK/ DAT.DIM ) sind in den BayDat-Daten nicht zu verzeichnen. 252 <?page no="253"?> 7.3 Eigennamenflexion in den ostoberdeutschen Dialekten Bayerns (BayDat) Insgesamt finden wir in den BayDat-Daten ein relativ homogenes Areal mit -(e)n-Flexion im Südosten (Bayerischer Wald), das in angrenzenden Dialekten Tschechiens und Österreichs fortgesetzt wird.⁹⁴ Die wenigen Belege für Flexion am männlichen Rufnamen sind ebenfalls weitestgehend auf diesen Raum beschränkt; es gibt vereinzelt Ausreißer im fränkischen Dialektgebiet (s. Abbildung 7.22). Insgesamt zeigen die BayDat-Daten im Vergleich mit den Daten der Wenkererhebungen (vgl. Abbildung 7.1, S. 221), dass in den zwischen diesen Erhebungen liegenden einhundert Jahren im Raum Bamberg Flexion an Verwandtschaftsbezeichnungen inzwischen völlig aufgegeben wurde, weiter nördlich jedoch, im Eck zwischen Österreich und Tschechien, unverändert geblieben ist. Wie die Karten in Abbildungen 7.18, 7.23, 7.20 und 7.21 zeigen, gibt es in den Dialekten Bayerns areale Unterschiede, ob eine feminine oder eine maskuline Verwandtschaftsbezeichnung flektiert wird. Das Raumbild ist dabei aber deutlich weniger komplementär verteilt, wie wir es bei den jiddischen Dialekten gesehen haben. In der Kombinationskarte zweier Akkusativ-Kontexte in Abbildung 7.24 sieht man deutlich, dass die Flexionen von Mutter im Südosten zentriert sind und die Flexionen von Vater areal viel weiter - insbesondere in den Norden - streuen. Während in den Dialekten Niederbayerns sowohl Maskulina als auch Feminina flektiert werden, gibt es ein großes Areal in Oberbayern, der Oberpfalz und Oberfranken, in dem ‘Vater’ flektiert wird, ‘Mutter’ aber nicht. Die komplementäre Situation, die Flexion von ‘Mutter’ und Nicht-Flexion von ‘Vater’, findet sich in einer nur sehr kleinen Schneise quer durch die niederbayerischen Gemeinden Kehlheim, Landshut und Dingolfing-Landau. Die Flexion von maskulinen Rufnamen zeigt sich ähnlich weit verbreitet wie die von ‘Vater’; dennoch gibt es größere Systemräume, in denen Rufnamenflexion nicht belegt ist, während ‘Vater’ weiterhin flektiert wird (vgl. Abbildung 7.25). Dieses Bild der modernen bairischen Dialekte ist besonders interessant im Vergleich zu den Daten des Wenkermaterials. Hier haben wir bereits Ende des 19. Jahrhunderts die Flexion an femininen Verwandtschaftsbezeichnungen auf das Gebiet des heutigen Niederbayerns beschränkt belegt (vgl. Abbildung 7.1, S. 221). Dies spricht dafür, dass der Verlust von Flexion an Feminina in der heutigen Oberpfalz und in Oberfranken schon länger besteht. 94 Gegen einen solchen Fortsatz im Gebiet des heutigen Österreichs sprechen allerdings die Daten des Wenkermaterials (vgl. Abbildung 7.1, S. 221). 253 <?page no="254"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten Die areale Verbreitung der erhaltenen Flexion in Nähe zum slavischen Sprachgebiet kann für eine Sprachkontakthypothese sprechen. Die in den slavischen Sprachen übliche Belebtheitsmarkierung der Maskulina im Singular Akkusativ kann auch in den bairischen Dialekten zu einer Stärkung der Flexion belebter Substantiva geführt haben; wie dies bereits für die jiddischen Dialekte diskutiert wurde (s. Kapitel 6). Es ist aber auch einfach möglich, dass Flexion in diesem Rand- und Grenzgebiet besonders gut bewahrt werden konnte. Wichtig wäre nun vor allem ein genauerer Blick in die Situation der ehemaligen böhmischen, mährischen und schlesischen Dialekte sowie der bairischen Dialekte Österreichs, insbes. der angrenzenden Dialekte Ober- und Niederösterreichs. 254 <?page no="255"?> 7.3 Eigennamenflexion in den ostoberdeutschen Dialekten Bayerns (BayDat) Abb. 7.18: Flexion in den Daten der BayDat zur Übersetzungsaufgabe Ich sags deinem Vater (alle Nennungen) 255 <?page no="256"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten Abb. 7.19: Flexion in den Daten der BayDat zur Übersetzungsaufgabe Ich sags deiner Mutter (alle Nennungen) 256 <?page no="257"?> 7.3 Eigennamenflexion in den ostoberdeutschen Dialekten Bayerns (BayDat) Abb. 7.20: Flexion in den Daten der BayDat zur Übersetzungsaufgabe Er hat es der Mutter gesagt (alle Nennungen) 257 <?page no="258"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten Abb. 7.21: Flexion in den Daten der BayDat zur Übersetzungsaufgabe Ich muss erst die Mutter fragen (alle Nennungen) 258 <?page no="259"?> 7.3 Eigennamenflexion in den ostoberdeutschen Dialekten Bayerns (BayDat) Abb. 7.22: Flexion in den Daten der BayDat zur (Übersetzungs-)Aufgabe Dem [ mask. EN ] hab ich es gesagt (alle Nennungen) 259 <?page no="260"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten Abb. 7.23: Flexion in den Daten der BayDat zur Übersetzungsaufgabe Sie haben unseren Vater (vom Feld) geholt (alle Nennungen) 260 <?page no="261"?> 7.3 Eigennamenflexion in den ostoberdeutschen Dialekten Bayerns (BayDat) Abb. 7.24: Flexion in den Daten der BayDat der Übersetzungsaufgaben Ich muss erst die Mutter fragen und Sie haben unseren Vater (vom Feld) geholt (alle Nennungen) 261 <?page no="262"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten Abb. 7.25: Flexion in den Daten der BayDat der Übersetzungsaufgaben Ich muss erst die Mutter fragen, Sie haben unseren Vater (vom Feld) geholt und Dem [ mask. EN ] hab ich es gesagt (alle Nennungen) 262 <?page no="263"?> 7.3 Eigennamenflexion in den ostoberdeutschen Dialekten Bayerns (BayDat) 7.3.2 Faktor Kasus Die absoluten Werte in Abbildung 7.17-lassen die Vermutung zu, dass Flexion an Verwandtschaftsbezeichnungen etwas häufiger im Dativ als im Akkusativ auftritt ( = Dativprofilierung). Auch dieser Effekt ist, wie bereits der Einflussfaktor Genus, statistisch nur schwach signifikant (p = 0.0497, 𝜒 2 = 3.85, Cramer’s-V- = 0.022); diese Signifikanz ist höchst wahrscheinlich ein Artefakt der unausgewogenen Erhebungssituation (fehlende SOB-Daten zum femininen Dativ-Kontext). -n-Bildungen an Verwandtschaftsbezeichnungen sind in den bairischen Dialekten demnach nicht auf einen der beiden Objektkasus beschränkt. Entsprechend bestehen auch keine diatopischen Unterschiede bei der Flexion zwischen Akkusativ (Abbildung 7.23) und Dativ (Abbildungen 7.18, 7.19, 7.20 und 7.22). Das Bairische hat als „radikale Artikelsprache“ (Eroms 1989: 307) den onymischen Artikel sehr weit ausgebaut (Weiß 1998: 69-84). Im Unterschied zum Standarddeutschen verfügen bairische Dialekte über ein betontes Paradigma (Vollformen) und ein unbetontes Paradigma (reduzierte Formen) des Definitartikels: Die Funktion des betonten Artikels ist demonstrativ (deiktisch bis identifizierend) und geht damit „über die reine Definitheitsmarkierung hinaus“ (Weiß 1998: 72). Auf der Basis von Radlof (1817) wurde die Vermutung aufgestellt, dass die bairischen Dialekte mit Eigennamenflexion diese vor allem zur Aufrechterhaltung von Kasusmarkierung nutzen, da Pronomina und Artikel die Objektkasus nicht (eindeutig) auszeichnen (s.o. S. 225). Die BayDat-Daten bestätigen dieses Bild nur bedingt. Zwar tritt die Artikelvollform vor allem bei unflektierten Verwandtschaftsbezeichnungen auf, also in Kontexten, in denen Kasus nicht am Substantiv markiert wird, doch diese Fälle sind äußerst selten und beschränken sich auf Orte in Oberfranken und der nördlichen Oberpfalz (vgl. Tabelle 7.3 und Abbildung 7.27). Entgegen der Behauptung, dass die Flexion von Ruf- und Familiennamen nicht mit dem onymischen Artikel gemeinsam auftauchen kann (s.o. S. 37), steht der Definitartikel in den Dialekten der BayDat in 12 (0,74%) von 1614 Datensätzen in der Übersetzungsaufgabe mit der Flexion eines maskulinem Rufnamens. Selbst diese Belege können das Resultat unvollständiger Transkription sein. An der Form des Artikels und der Verteilung der einzelnen Varianten ist allerdings aufällig, dass Vollformen mit Dental (den/ dan/ dem/ den/ de/ d) vor allem im Norden des Erhebungsgebiet auftreten und nur selten in der Kernzone für Flexion (vgl. Abbildung 7.26). Insgesamt tritt das Dentalsuffix in Übersetzungen mit Eigennamen- 263 <?page no="264"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten flexion fast halb so oft auf (8,24%) wie im Gesamtsample aller Übersetzungen (17,73%). Diese Verteilung ist bei schwacher Effektstärke hochsignifikant (vgl. Tabelle 7.2). Korrelation heißt aber nicht unmittelbar, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen beiden Bedingungen besteht. Die Dialekte mit Flexion können auch aus ganz anderen, nicht-flexionsgebundenen Gründen wenig Evidenz für die Dentalform des Artikels liefern. mit EN-Flexion alle Datensätze Dentalform 14 (8,24%) 284 (17,73%) onxmischer Artikel gesamt 170 1602 Tab. 7.2: Artikelformen in den BayDat-Daten mit mask. Rufnamen; 𝜒 2 = 6.96 df = 1 p < 0.008 Cramer’s V = 0.06 Am Maskulinum ‘Vater’ erscheint im Dativ im überwiegenden Teil der Belege - -unabhängig von der Flexion - das Definitum klitisiert als -n- oder -m- (vgl. Tabelle 7.3 und Abbildung 7.27). Leider gibt es in der BayDat keinen Akkusativ-Kontext mit ‘Vater’ und Artikel bzw. Possessivpronomen, anhand dessen sich testen ließe, ob -mdistinkter Dativmarker ist oder nicht bzw. das Resultat einer Assimilation ist. Daher kann dies nicht anhand der Maskulina entschieden werden. Bei flektierten Dativformen von ‘Vater’ wird dennoch signifikant häufiger, mit 68%, der nicht-distinkte reduzierte Artikel -nverwendet als der ggf. distinkte -m-, während in Belegen ohne Flexion an Vater -nnur 53,5% gegenüber -mausmachen ( 𝜒 2 19.54 df = 1 p < 0.0001 Cramer’s V = 0.122). Dies kann als ein leichter Effekt für die Hypothese gewertet werden, dass Kasusmarkierung im Sinne eines „morphologischen Minimums“ (vgl. Rabanus 2008) nur an einer Position im Satz erfolgt; in unserem Fall entweder an der Verwandtschaftsbezeichnung oder am Definitum/ Possessivpronomen, selten aber an beiden Positionen. 264 <?page no="265"?> 7.3 Eigennamenflexion in den ostoberdeutschen Dialekten Bayerns (BayDat) Artikelform Vater (Dat.) Vatern (Dat.) den 7 1 dem 6 0 dein 2 0 m (klitisch) 485 103 n (klitisch) 558 216 ne/ na (klitisch) 27 0 Tab. 7.3: Formen des Artikels/ Possessivpronomens in den BayDat-Daten der Übersetzungsaufgabe Ich sags deinem Vater (alle Nennungen) Auch bei den Belegen für die weibliche Verwandtschaftsbezeichnung ‘Mutter’ ist die Datenlage nicht ideal. Im Dativ können wir noch eine signifikant häufigere Verwendung der Artikelvollformen bei unflektierter als bei flektierter Verwandtschaftsbezeichnung feststellen ( 𝜒 2 72.08 df = 1 p < 0.0001 Cramer’s V = 0.235⁹⁵ vgl. Tabelle 7.4). Dies ist auch klar areal bedingt (vgl. Abbildung 7.28). Der Dativ wird demnach eindeutig am Artikel vor allem dort ausgedrückt, wo keine Flexion am Rufnamen zu finden ist. Artikelform Mutter (Dat.) Muttern (Dat.) der/ dr/ dar 320 0 dea 23 4 de 288 26 da 510 172 di 15 0 a (inkl. mögl. PDM) 4 2 seiner/ meiner 3 2 Tab. 7.4: Formen des Definitartikels in den BayDat-Daten der Übersetzungsaufgabe Er hat es der Mutter gesagt (alle Nennungen) 95 Oppositionen: Artikel Vollform vs. reduzierte Form vs. Flexion-nicht-Flexion; unberücksichtigt blieb die unklare Form dea (vmtl. vokalisiertes / r/ ). 265 <?page no="266"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten Der Dativ kann im Bairischen aber noch gesondert mittels PDM hervorgehoben werden. Zur Verfügung stehen hierzu die Präpositionen in, an und ən (vgl. Seiler 2003). Entsprechend findet sich im Material der BayDat auch PDM. Ein Chi- Quadrat Vierfeldertest (klare PDM Belege vs. keine PDM; Substantivflexion vs. keine Flexion) ergibt für eine Korrelation dieser Verteilung in den BayDat-Daten eine hohe Signifikanz (p < 0.0001) mit allerdings nur schwacher Effektstärke (Cramer’s V = 0.181).⁹⁶ Auch hier spielt wieder der Faktor Raum mit hinein: PDM ist vor allem im östlichen Oberbayern konzentriert (vgl. Tabelle 7.5; Abbildung 7.29); ein Gebiet in dem auch die Flexion auftritt. Im übrigen Gebiet mit der Flexion am Rufnamen tritt PDM jedoch nicht auf. Die BayDat-Daten zeigen in Bezug auf Artikelform und PDM in erster Linie, dass Korrelation keine kausale Bedingtheit ausdrückt und dass wir es mit einzelnen Dialektsystemen zu tun haben, die unterschiedliche Entwicklungen durchgemacht haben. PDM Mutter (Dat.) Muttern (Dat.) a(n) PDM 34 27 i(n) PDM 1 1 unklares a PDM (ggf. Artikel) 4 2 kein PDM 1129 177 Tab. 7.5: PDM in den BayDat-Daten der Übersetzungsaufgabe Er hat es der Mutter gesagt (alle Nennungen) Zum Akkusativ liegen leider auch beim Femininum keine nutzbaren Daten vor. Im Großteil der Daten zur Übersetzungsaufgabe Ich muss erst die Mutter fragen wurde nur die Form von ‘Mutter’ transkribiert; daher liegen nur selten - und abhängig vom jeweiligen Atlasprojekt und Explorator: in - Informationen zur Artikelform vor (vgl. Tabelle 7.6 und Abbildung 7.30). Aus diesem Grund kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass in manchen Fällen eine Nominativform vorliegt. Das einzige, was sich anhand dieser dünnen Datenlage feststellen lässt, ist, dass die reduzierte Artikelform d des Akkusativ fem. auch im oberbayrischen Ge- 96 In insgesamt zwei Fällen liegt ein einfaches a vor, dass entweder eine Form der PDM- Präposition an darstellt oder eine reduzierte Artikelform (d)a; diese Belege wurden nicht in die Rechnung mit einbezogen. 266 <?page no="267"?> 7.3 Eigennamenflexion in den ostoberdeutschen Dialekten Bayerns (BayDat) biet verwendet wird, wo sowohl Flexion als auch PDM auftritt und im Dativ fem. die Artikelformen de und da verwendet werden. Generell spricht dies für eine Hervorhebung des Dativs in dieser Region. Zusammenfassend können wir die Beobachtung festhalten, dass die Dialekte der BayDat formseitig zwischen Maskulinum/ Femininum und Akkusativ/ Dativ Definitartikel unterscheiden. Es überwiegen in allen Fällen die reduzierten Artikelformen; definite Vollformen sind zusammen mit Rufnamenflexion nur selten zu finden. Phonotaktische Bedingungen für die Setzung des -(e)n-Suffixes konnten nicht identifiziert werden. Wenn es sich bei -(e)n-Bildungen um rein prosodisch gesteuerte Strukturen handelt, die eine auf umlautlose Pluralformen basierende Einheitsflexion bewirkt haben, wie Werth (2020) vermutet, dann wären auch Belege hierfür in den Kontexten mit ‘Bruder’ zu erwarten. Leider gibt es außerhalb einfacher Lexikfragen (Wie sagt die Gewährsperson zu ihrem/ r Vater/ Großvater/ Mutter/ Großmutter? ) -- in denen keine Beleg für -(e)n-Bildungen auftreten - keine Nominativ-Kontexte für Verwandtschaftsbezeichnungen. Es lässt sich damit also nicht prüfen, ob -(e)n-Bildungen tatsächlich auf die beiden Objektkasus beschränkt sind. In den Lexikfragen taucht zumindest kein Beleg für -(e)n- Bildungen (im Nominativ Singular) auf. Artikelform Mutter (Akk.) Muttern (Akk.) da 1 0 de 18 2 den 127 0 di 127 0 d 67 3 keine (Artikel-)Daten 942 165 Tab. 7.6: Formen des Definitartikels in den BayDat-Daten der Übersetzungsaufgabe Ich muss erst die Mutter fragen (alle Nennungen) 267 <?page no="268"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten Abb. 7.26: Artikelformen in den BayDat-Daten der Übersetzungsaufgabe Dem [ mask. RN ] hab ich es gesagt (alle Nennungen) 268 <?page no="269"?> 7.3 Eigennamenflexion in den ostoberdeutschen Dialekten Bayerns (BayDat) Abb. 7.27: Formen des Artikels/ Possessivpronomens in den BayDat-Daten der Übersetzungsaufgabe Ich sags deinem Vater (alle Nennungen) 269 <?page no="270"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten Abb. 7.28: Formen des Definitartikels in den BayDat-Daten der Übersetzungsaufgabe Er hat es der Mutter gesagt (alle Nennungen) 270 <?page no="271"?> 7.3 Eigennamenflexion in den ostoberdeutschen Dialekten Bayerns (BayDat) Abb. 7.29: PDM in den BayDat-Daten der Übersetzungsaufgabe Er hat es der Mutter gesagt (alle Nennungen) 271 <?page no="272"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten Abb. 7.30: Formen des Definitartikels in den BayDat-Daten der Übersetzungsaufgabe Ich muss erst die Mutter fragen (alle Nennungen) 272 <?page no="273"?> 7.3 Eigennamenflexion in den ostoberdeutschen Dialekten Bayerns (BayDat) 7.3.3 Rückschlüsse auf die Diachronie Die Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen präsentiert sich über die letzten 200 Jahre im Gebiet der heutigen Regierungsbezirke Oberpfalz, Niederbayern und Ost-Oberbayern als relativ stabil. Wir finden allerdings auch Unterschiede: Während bei Radlof (1817) onymische Flexion nur im Dativ erfolgt (s.o. Seite 224), zeigen die BayDat-Daten, dass die Dialekte des späten 20. Jahrhunderts den Akkusativ durchaus markieren. Es ist möglich, dass sich die Flexion erst im Laufe des 19. Jahrhunderts auf den Akkusativ ausgeweitet hat. Dies wäre wiederum überraschend, weil Akkusativ und Dativ in den bairischen Dialekten formal grundsätzlich zusammen gefallen sind; die Eigennamen können hier natürlich eine Ausnahme bilden, wie wir es bereits beim Akkusativ/ Nominativ-Synkretismus der alemannischen Dialekte gesehen haben (s.o. Kapitel 7.2, ab S. 229). Ein näherer Blick auf die Erst-, Zweit- und Folgenennungen kann - unter der Prämisse, dass Erstnennungen für ein stabileres System sprechen als Späternennungen - Indizien dafür liefern, wie produktiv und damit auch wie stabil diese Bildungen in den entsprechenden Dialekten sind (vgl. Abbildungen 7.32, 7.33, 7.34 u. 7.35). Die Auswertung ergibt, dass die Informant: innen v.a. bei -n-Bildungen an Verwandtschaftsbezeichnungen besonders stabil als Erstnennungen auftreten und damit wahrscheinlich wenig durch eine mögliche Suggestion der Explorator: innen bedingt ältere, unproduktivere Formen darstellen. Allerdings gibt es in den Daten einen leichten Kasuseffekt: Während im Dativ die Zweit- und Späternennungen zwischen 6% und 7% liegen, sind sie im Akkusativ bei 9%-18%. Dieser Effekt ist statistisch signifikant, zeigt aber nur leichte Effektstärke (vgl. Tabelle 7.7). Kasus Erstnennungen Flexion Folgenennungen Flexion Dativ-Kontexte 408 29 Akkusativ-Kontexte 391 59 Tab. 7.7: Korrelation Kasus vs. Erst- und Folgenennungen von Akkusativ-/ Dativ- Flexion in den Daten der BayDat; 𝜒 2 = 9.69 df = 1 p = 0.002 Cramer’s V = 0.1083 273 <?page no="274"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten Etwas anders sieht es aus bei der Flexion vom männlichen Rufnamen. Hier machen die flektierten Zweitnennungen immerhin 36% der flektierten Gesamtbelege aus (vgl. Abbildung 7.31). Nochmal höher sind die Zweitnennungen der Akkusativflexion von Bauer: 78% der flektierten Belege fallen auf die Zweitnennung und 9% treten sogar erst in der Drittnennung auf (vgl. Abbildung 7.36). Die Verteilung spricht dafür, anzunehmen, dass die Flexion belebter maskuliner Appellativa bereits stark im Rückgang ist - ein Indiz dafür war bereits die fehlende Flexion bei Lehrer - während die Flexion bei Rufnamen im Dativ und bei Verwandtschaftsbezeichnungen im Akkusativ noch stabil und bei Verwandtschaftsbezeichnungen im Dativ sehr stabil ist. Auf einem so kleinen Raum Systeme zu erkennen ist --unter Berücksichtigung der beschränkten Datenlage - eine Herausforderung. Generell haben wir im niederbayrischen Kerngebiet von Flexion bei Maskulina, Feminina als auch (maskulinen) Rufnamen relativ starke Diffusion (vgl. Abbildung 7.25). Klare Räume einzelner Abbaustufen, wie in den jiddischen Dialekten, sind hier nicht zu erkennen; trotzdem lassen sich ausgehend vom Kerngebiet, in dem Flexion in allen drei Kontexten weitestgehend stabil belegt ist, unterschiedliche Abbauprozesse rekonstruieren, die fächerartig vom Kerngebiet ausgehen: In Richtung Westen scheint Flexion an ‘Vater’ als erstes zu verschwinden und dann auch am (mask.) Rufnamen. Eine diachrone Interpretation davon wäre, dass hier die Flexion von ‘Mutter’ stabil blieb und zuerst bei den Maskulina Flexion abgebaut wurde; ein an sich eher untypisches Bild in den bisher behandelten westgermanischen Dialekten. Eine weitere Tendenz geht vom Kerngebiet aus nach Süden (Oberbayern): hier wird zunächst Flexion am maskulinen Rufnamen abgebaut und im nächsten Schritt an Mutter. Ein dritter Abbauprozess geht in Richtung Norden und ggf. auch in den Osten, wo entsprechende Daten fehlen. Zum Norden hin schwindet zuerst die Flexion an ‘Mutter’ und dann in einer zweiten Stufe Richtung Westen auch die Flexion am maskulinen Rufnamen, so dass hier - wie im Nordwesten - Flexion an ‘Vater’ besonders lange erhalten bleibt. Weitere Daten sind allerdings nötig, um dieses Bild der BayDat-Daten zu verifizieren. Der Blick auf die areale Verteilung der Zweit-, Dritt-, und Späternennungen von Flexionsformen bestätigt zumindest das Bild eines Kerngebiets im östlichen Niederbayern: Späternennungen treten vor allem im Randgebiet auf (vgl. Abbildung 7.37). 274 <?page no="275"?> 7.3 Eigennamenflexion in den ostoberdeutschen Dialekten Bayerns (BayDat) Abb. 7.31: Erst- und Folgenennungen von Dativ-Flexion mask. EN/ ‘Sepp’ (Bay- Dat) Abb. 7.32: Erst- und Folgenennungen von Dativ-Flexion ‘Vater’ (BayDat) 275 <?page no="276"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten Abb. 7.33: Erst- und Folgenennungen von Dativ-Flexion ‘Mutter’ (BayDat) Abb. 7.34: Erst- und Folgenennungen von Akkusativ-Flexion ‘Vater’ (BayDat) 276 <?page no="277"?> 7.3 Eigennamenflexion in den ostoberdeutschen Dialekten Bayerns (BayDat) Abb. 7.35: Erst- und Folgenennungen von Akkusativ-Flexion ‘Mutter’ (BayDat) Abb. 7.36: Erst- und Folgenennungen von Akkusativ-Flexion ‘Bauer’ (BayDat) 277 <?page no="278"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten Abb. 7.37: Erst-, Zweit- und Drittnennungen von Flexion Sie haben unseren Vater (vom Feld) geholt (BayDat) 278 <?page no="279"?> 7.4 Zwischenfazit: onymische Flexion in den deutschen Dialekten 7.4 Zwischenfazit: onymische Flexion in den deutschen Dialekten Die onymische Flexion bei Rufnamen und Verwandtschaftsbezeichnungen ist in den deutschen Dialekten nicht vollständig geschwunden. Großraumerhebungen geben Hinweise darauf, dass sie vor allem in den östlichen Dialekten erhalten blieb, während sie im Westen bereits im 19. Jahrhundert abgebaut ist. Einzige geographische als auch funktionale Ausreißer sind die alemannischen Dialekte des Berner Oberlandes. Hier finden sich -(e)n-Bildungen vermehrt im Dativ, daneben aber auch in Akkusativ- und singulären, äußerst fragwürdigen Nominativ- Kontexten. Aufgrund des formalen Zusammenfalls von Akkusativ und Nominativ in der Substantivflexion der alemannischen Dialekte wurde gezeigt, dass Eigennamenflexion hier keine Markierung des formalen Kasus darstellt, sondern Belebtheit und die semantische Rolle des Agens markiert und nicht nur klassische Kasusflexion, sondern vielmehr eine DOM darstellt. Für die Dialekte Bayerns, die hier repräsentativ für die Flexion im östlichen Teil des ostoberdeutschen Raums analysiert wurden, konnte -(e)n als klares Kasussuffix für Objektkasus insbesondere im Gebiet Niederbayerns identifiziert werden. Reste sind aber auch in Oberbayern, der Oberpfalz, Ober- und Mittelfranken belegt. Ostfränkische Dialekte weisen nur sehr vereinzelt -(e)n-Bildungen auf. Die Kernzone liegt eindeutig im Mittelbairischen Niederbayerns. Überlegungen zum diachronen Abbau sprechen für einen mehrstufigen Verlust von Flexion je nach Kontext [ ± fem./ mask./ RufN ] . Dabei bleibt in den meisten Systemen Flexion am Maskulinum erhalten und wird eher am Femininum abgebaut. Ein ganz ähnliches Bild zeigten bereits die jiddischen Dialekte. Damit finden wir Tendenzen --wenn auch nur mit einem sehr leichten Effekt - für den Aufbau einer belebten Substantivklasse auf Basis der ‚schwachen‘ Maskulina (vgl. Dammel & Gillmann 2014; Zifonun 2007), der gegebenenfalls - dafür spricht die geographische Lage der Varietäten - durch den Kontakt zu slavischen Sprachen begünstigt wurde. Zum Genuseffekt geben die Daten aus dem SDS und Stalder (1819) keine Auskunft, da nur die Verwandtschaftsbezeichnung ‘Vater’ im Dativ vorliegt. Die Daten des SADS weisen allerdings ebenfalls eine Tendenz auf, dass Genus hier einen leichten Effekt hat. Kontexte mit besetztem X-Feld fehlen in allen Datensets. Wenn wir die beiden identifizierten Systeme für onymische Flexion in den alemannischen und in den bayrischen Dialekten vergleichen (Tabellen 7.8 vs. 7.9), 279 <?page no="280"?> 7 Eigennamenflexion in deutschen Dialekten ist der Unterschied augenscheinlich. Insbesondere für mögliche syntaktische Beschränkungen (Besetzung des Xbzw. DEF-Feldes), lassen sich anhand der bestehenden Daten nur schwer Generalisierungen treffen. Hier sind weitere, gezieltere Erhebungen nötig. kein onymischer Artikel * l onymischer Artikel keine Flexion besetztes DEF-Feld l Flexion besetztes DEF-Feld Flexion mit reduziertem Artikel * l Flexion mit Artikel Vollform keine Flexion bei besetztem X-Feld (? ) (? ) (? ) (? ) Flexion bei besetztem X-Feld kein Genuseffekt l Genuseffekt kein Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) l Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) Suffix auch im Nom. l auf Dat./ Akk. beschränkt keine diatopische Variation l starke diatopische Variation Flexion konsequent l Flexion inkonsequent Tab. 7.8: Systemtabelle zu Faktoren der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen im Akk./ Dat. Sg. in den alemannischen Dialekten des Berner Oberlands; * der onymische Artikel erscheint selten bei Flexion am Ruf- und Nachnamen, ist aber bei Verwandtschaftsbezeichnungen üblich kein onymischer Artikel l onymischer Artikel keine Flexion besetztes DEF-Feld l Flexion besetztes DEF-Feld Flexion mit reduziertem Artikel * l Flexion mit Artikel Vollform keine Flexion bei besetztem X-Feld (? ) (? ) (? ) (? ) Flexion bei besetztem X-Feld kein Genuseffekt l Genuseffekt kein Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) l Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) Flexion mit PDM l keine Flexion mit PDM Suffix auch im Nom. l auf Akk./ Dat. beschränkt keine diatopische Variation l starke diatopische Variation Flexion konsequent l Flexion inkonsequent Tab. 7.9: Systemtabelle zu Faktoren der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen im Akk./ Dat. Sg. in den nord- und mittelbairischen Dialekten; * inkl. Klitika 280 <?page no="281"?> 8 Eigennamenflexion in niederdeutschen, niederländischen und friesischen Dialekten Wie bereits in Abschnitt 3.3 festgestellt gibt es Hinweise auf onymische Flexion in den südniederländischen und nordfriesischen Dialekten. Im Folgenden sollen unterschiedliche Datensets erstmals empirischen Aufschluss über die areale und systemische Struktur liefern. Auf Grund der gegebenen Datenbasis und auch der Evidenz für onymische Flexion in den gegebenen Materialien, liegt ein besonderer Fokus auf den niederländischen Dialekten. Den Einstieg in die Situation der niederdeutschen, niederländischen und friesischen Dialekte machen Übersetzungen des Gleichnisses vom verlorenen Sohn (Lk. 15,12-32) im 19. Jahrhundert, die einen guten Vergleichspunkt zu den deutschen Daten methodisch ähnlicher Erhebungen darstellen. Als Ergänzung zu diesem Quelltyp werden Texte zweier Mundartdichter ausgewertet. Anschließend wird die Situation im 20. Jahrhundert zunächst anhand von Dialektgrammatiken (Kapitel 8.5) und dann auf Basis einer großflächigen Erhebung in den Niederlande der 40er Jahre (Kapitel 8.6). <?page no="282"?> 8 Eigennamenflexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten 8.1 Winkler (1874) Angeregt durch die Lektüre von Stalder (1819) hat Johan Winkler zwischen 1869 und 1873 186 Übersetzungen des Gleichnisses vom verlorenen Sohn (Lk. 15,12- 32) aus niederdeutschen, niederländischen und friesischen Dialekten zusammengetragen in einer zweibändigen Publikation 1874 veröffentlicht (siehe Winkler 1874a: V und Winkler 1870: 201 zum Einfluss von Stalder 1819). Das von ihm abgedeckte Ortsnetz spannt sich von Königsberg über Sylt im Norden und Bonn im Süden bis zu den niederländischen Dialekten an der französisch-belgischen Grenze (vgl. Abbildung 8.1). Insgesamt liegen 179 Übersetzungen des Gleichnis vor, die sich auf 110 niederländische (davon 34 in Belgien), 41 niederdeutsche, 26 friesische und zwei rotwelsche Sondersprachen (aus der Region Limburg und dem belgischen Zele) verteilen. Wie bereits Radlof (1817) (vgl. Abschnitt 7.1.2, ab S. 222) und Stalder (1819) (vgl. Abschnitt 7.2.1, ab S. 229) sind Winklers Gewährpersonen Männer der höheren Bildungsschicht, unter ihnen z.B. die niederdeutschen Autoren Fritz Reuter und Klaus Groth (vgl. Winkler 1874a: 50 u. 59), der nordfriesische Lehrer, Dialektologe und Verfasser der ersten drei Bände des Nordfriesischen Wörterbuchs Moritz Momme Nissen und der Maastrichter Dialektologe Prof. Pieter Willems (vgl. Winkler 1874a: 273). Im Unterschied zu Radlof (1817) und Stalder (1819) hat Winkler deutlich weniger geistliche Informanten konsultiert, sondern vor allem dialektologisch geschulte. Dies entspricht seinem Anspruch Alltagssprache erheben zu wollen. In einem Aufruf macht Winkler deutlich, dass er weder Großraumdialekte (≈ Regiolekte), noch Soziolekte erheben möchte, sondern ortsgebundene Umgangssprache elizitieren will: Die niij wel tot dit werk willen helpen, verzoek ik, bij hunne vertalingen van de gelijkenis van den verloren zoon, de volgencle punten in ’t oog te willen houden: 1. dat zij die vertalingen ter plaatsing inzenden aan den redacteur van dit tijdschrift. 2. dat zij de volkstaal niet te plat, noch ook te hoog nemen; de taal, zooals die in bet dagelijksche leven dor den kleinen burger, den knappen ambachtsman, den hoer, zeeman of visscherman in zijn eigen huisgezin en ouder zijns gelijken, wordt gesproken, zal aan ’t doel beantwoor- 282 <?page no="283"?> 8.1 Winkler (1874) den. Men geve zoo min de taal die in kroegen en kitten der gemeenste achterbuurten wordt gesproken als de gewoonlijk gewrongene en gekunstelde taal van de hoogere standen der maatschappij. 3. dat men niet trachte een dialect van eene geheele provincie of eene groote landstreek te geven; een algemeene overijsselsche, noorhollandsche, brabantsche tongval, b. v. bestaat er niet. In alle plaatsen van eenig belang zal de oplettende hoorder onderscheid bemerken. Daarom schrijve men naauwkeurig den tongval van eene bepaalde plaats op, b. v. van Scheveningen, van Maastricht, van Staphorst, van Bolsward, van Domburg, van Antwerpen, van Duinkerke, van Wezel, van Emden, van Dantzig, enz. ‘Diejenigen, die bei dieser Arbeit mithelfen wollen, bitte ich, bei ihren Übersetzungen des Gleichnisses vom verlorenen Sohn auf folgende Punkte zu achten: 1. dass sie diese Übersetzungen an den Herausgeber dieser Zeitschrift zur Veröffentlichung schicken. 2. dass sie die Volkssprache nicht zu flach oder zu hoch nehmen; die Sprache, wie sie im täglichen Leben des kleinen Bürgers, des braven Handwerkers, der Dirne, des Matrosen oder Fischers im eigenen Haushalt und bei seinesgleichen gesprochen wird, wird den Zweck erfüllen. Man spricht nicht die Sprache, die in den Kneipen und Mietskasernen der übelsten Elendsviertel gesprochen wird, und auch nicht die meist verdrehte und künstliche Sprache der höheren Gesellschaftsschichten. 3. dass man nicht versucht, einen Dialekt einer ganzen Provinz oder einer großen Region zu geben; ein allgemeines oberijssel’sche, nordholländische, brabantsche Mundart gibt es zum Beispiel nicht. An allen Orten, die wichtig sind, wird der aufmerksame Zuhörer den Unterschied bemerken. Deshalb schreibe man den Akzent eines bestimmten Ortes, z.B. von Scheveningen, Maastricht, Staphorst, Bolsward, Domburg, Antwerpen, Dünkirchen, Weasel, Emden, Dantzig, etc.’ (Winkler 1870: 201-202) Wie auch bei den oberdeutschen Dialekten kann die großräumig-überregional vorliegende Übersetzung vom Gleichnis vom verlorenen Sohn als Kompass zur Identifizierung von Dialekten mit erhaltener onymischer Flexion genutzt werden. Für tiefgreifende systemische Analysen bietet das Material jedoch zu wenige relevante Kontexte. 283 <?page no="284"?> 8 Eigennamenflexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten Abb. 8.1: Erhebungsorte von Winkler (1874) Die Auswertung der Dativ-, Akkusativ- und Nominativformen von ‘Vater’ in Winkler (1874a) & Winkler (1874b) führt zu einem ernüchternden Ergebnis: Dativflexion mittels -(e)n findet sich in drei Dialekten; zwei davon im Mooring (54a) und einer in einem Sauerländer Dialekt (54b) (vgl. Abbildungen 8.2, 8.3). In Hinblick auf bisherige Studien zu niederländischen Dialekten ist dieses Ergebnis überraschend (siehe Abschnitt 23, S. 92). In manchen flämischen Dialekten, wo die -e-Apokope nicht gegriffen hat (Marynissen 2009: 173-176), ist -e bei ‘Vater’ und ‘Bruder’ im Akkusativ (54c), Dativ (54d) und vereinzelt auch am Nominativ (54e) zu finden (vgl. Abbildungen 8.2, 8.3 und 8.4) und generell hat sich hier das Paradigma der ehemals ‚schwachen‘ Flexion auf alle Maskulina ausgedehnt, z.B. ongere ‘Hunger’ ( < Andt. hungar), emele ‘Himmel’ ( < Andt. hevan), bzw. auslautendes Schwa bewahrt wie in zeune ‘Sohn’ ( < Andt. sunu) vs. Standardniederländisch honger, hemel zoon (vgl. die Situation der Verwandtschaftsbezeichnungen im Mndt. S. 107). Auch wenn es Schwankungen im Material gibt (wie in 54d), handelt es sich hierbei um keinen Effekt einer besonderen Eigennamenflexion im Dativ/ Akkusativ. Noch im 20. Jahrhundert haben die flämischen Dialekte das alte Paradigma der ‚schwachen‘ Maskulina bewahrt (vgl. TNZN 1956 Nr. 9, Karte ‘Vader’). Der Vergleich der Systeme in (54d) und (54e) zeigt allerdings, dass es einen unterschiedlichen systemischen Status von -e in den flämischen Dialekten gibt. Möglicherweise liegen in (54d) und (54e) unterschiedliche Interferenzen mit der in der Standardsprache durchgeführten 284 <?page no="285"?> 8.1 Winkler (1874) -e-Apokope vor; aufällig wäre daran, dass die Apokope nicht phonologisch gesteuert ist, sondern morphologisch (Kasus) und möglicherweise auch semantisch (Belebtheit). (54) a. to san teten ‘zu seinem Vater’ (Stedesand, Winkler 1874a: 82) b. füär seeinen vattern ‘zu seinem Vater’ (Sauerland, Winkler 1874a: 233) c. e broere ‘dein Bruder’ (Nieuwe-Brug te Gent, Winkler 1874b: 162) d. tegen ze voadere ‘zu seinem Vater’ vs. voader! ‘Vater! ’ (Veurne-Ambacht, Winkler 1874b: 175) e. tegen ze voadere ‘zu seinem Vater’ vs. voadere! ‘Vater! ’ (Roesselaar, Winkler 1874b: 171) Eine Erklärung dafür, wieso so wenig Flexion in den niederländischen Bibelübersetzungen belegt ist, obwohl Flexion zumindest in den südlichen Dialekten zu erwarten wäre (siehe Abschnitt 23, S. 92), kann mit dem Auftreten von Personalpronomen zusammenhängen. Diese stehen im Verdacht, Flexion bei darauf folgendem Eigennamen zu unterbinden. Außer Lk. 15,12 haben alle Kontexte in den geläufigen niederländischen und deutschen Bibelausgaben ein Personalpronomen vor ‘Vater’; und auch in Winkler (1874a) & Winkler (1874b) wird hier fast immer ein Personalpronomen gesetzt (wie in 54a-54e). Es mag also an dem besetzten DEF-Feld liegen, dass wir in Winkler (1874a) & Winkler (1874b) keine Evidenz für Eigennamenflexion in den südniederländischen Dialekten finden. Trotzdem zeigen zumindest die Belege in 54a-54d, dass diese Beschränkung nicht für alle Dialekte gilt und insbesondere nicht für die flämischen und nordfriesischen Dialekte. Dativ -e am ‚starken‘ Maskulinum ‘Feld’ ist bei Winkler nur mehr in manchen nordfriesischen und manchen niederdeutschen Dialekten nicht apokopiert worden (vgl. Abbildung 8.5), während ‘Haus’ deutlich seltener und nur noch im Niederdeutschen flektiert (vgl. Abbildung 8.6). Der Erhalt von Flexion am Substantiv interagiert demnach auch in den niederdeutschen und friesischen Dialekten nur bedingt mit der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen. Im Datensatz aus 285 <?page no="286"?> 8 Eigennamenflexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten Winkler (1874a, b) findet sich diese Korrelation nur in der Übersetzung aus dem Sauerland. Daher soll in Abschnitt 8.4 der Versuch unternommen werden, weitere Erkenntnisse zu den sauerländischen Dialekten zu gewinnen. Mit den drei Sammlungen von Dialektübersetzungen des Gleichnis vom Verlorenen Sohn aus dem 19. Jahrhundert, Radlof (1817), Stalder (1819) und Winkler (1874), lässt sich eine Gesamtkarte generieren (Abbildung 8.7), der zufolge nur in wenigen Gebieten Flexion am Dativ der Verwandtschaftsbezeichnung ‘Vater’ gegeben ist. Doch das Bild ist nicht nur sehr grob, repräsentiert unterschiedliche Zeitpunkte und weist große Datenlücken im Osten und Südwesten auf, sondern täuscht auch darüber hinweg, dass es sich bei den Endungen nicht immer um Kasusflexion handelt; insbesondere die Belege im Flämischen sind nicht als Reflexe von Eigennamenflexion zu interpretieren. 1996 hat Harrie Scholtmeijer die Methode von Winkler wiederholt und 83 neue Dialektübersetzungen (friesisch und niederländisch) des Gleichnisses anfertigen lassen (https: / / www.meertens.knaw.nl/ books/ winkler/ lijst.html; letzter Zugriff: 2. September 2021). Eine Durchsicht der Materialien hat keine Belege für die onymische Flexion ergeben, sehr wahrscheinlich auch, weil in allen Kontexten entweder ein Pronomen oder ein Artikel vor der Verwandtschaftsbezeichnung auftritt und die Flexion in diesen Dialekten zu blockieren. Abb. 8.2: Flektierte Dativformen von ‘Vater’ in den Übersetzungen von Lk. 15,12 in Winkler (1874) 286 <?page no="287"?> 8.1 Winkler (1874) Abb. 8.3: Flektierte Dativformen von ‘Vater’ in den Übersetzungen von Lk. 15,18 in Winkler (1874) Abb. 8.4: -e im Akkusativ von ‘Bruder’ in den Übersetzungen von Lk. 15,32 in Winkler (1874) 287 <?page no="288"?> 8 Eigennamenflexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten Abb. 8.5: Flektierte Dativformen von ‘im Feld’ in den Übersetzungen von Lk. 15,25 in Winkler (1874) Abb. 8.6: Flektierte Dativformen von ‘beim/ am Haus’ in den Übersetzungen von Lk. 15,25 in Winkler (1874) 288 <?page no="289"?> 8.1 Winkler (1874) Abb. 8.7: Flektierte Dativformen von ‘Vater’ in den Übersetzungen von Lk. 15,12 in Radlof (1817), Stalder (1819) und Winkler (1874) 289 <?page no="290"?> 8 Eigennamenflexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten 8.2 Quellen aus der Enquête von Coquebert de Montbret Die große französische Erhebung des Leiters des Statistischen Amtes des ersten Kaiserreichs Baron Charles-Etienne Coquebert de Montbret (1755-1831), die Vorlage für alle weiteren Übersetzungen von Lk. 15 war, hat ein über mehrere Archive verstreutes Datenset an Übersetzungen des Gleichnisses vom verlorenen Sohn generiert, ein dialektologischer Schatz, der bis heute noch nicht vollständig geborgen ist. So haben erst Bakker & Kruijsen (2007) die niederländischen und niederdeutschen Übersetzungen aus den von 1798-1814 zu Frankreich gehörigen Départements Nedermaas und Roer in verschiedenen Archiven zu Tage getragen (zu den Erhebungen in Limburg siehe auch Maes 2005). In diesen Materialien finden sich zwischen 1806 und 1808 angefertigte Übersetzungen des Gleichnisses aus 15 Orten (s. Abbildung 8.8). 1807 erhielt der Präfekt von Nedermaas von Coquebert den Auftrag, Dialektübersetzungen von Lk. 15 einzusenden (Maes 2005: 203). Bereits 1806 wurden im östlicheren Départements Roer Übersetzungen angefertigt und eingereicht (Maes 2005: 206, 216 Fn. 68). In diesen Übersetzungen finden sich keine gesicherten Belege für Eigennamenflexion im Akkusativ oder Dativ. In sechs Orten ist zumindest der Genitiv, wie in (55a), belegt, allerdings ist hier der Einfluss einer Vorlage bzw. einer Interferenz mit der Bildungssprache nicht auszuschließen. In einem Fall (55b) könnte ein Fall von -(e)n-Flexion vorliegen. Aber nicht nur, dass in den niederländischen Dialekten hier die ‚schwache‘ -s-Flexion zu erwarten wäre, auch erscheint die Verwandtschaftsbezeichnung in diesem singulären Kontext nicht im Objektkasus. Daher ist ein orthographischer Fehler anzunehmen und die von Bakker & Kruijsen (2007) vorgenommene „verbetering“ ‘Verbesserung’ zu vaader legitim. (55) a. mien vaders hoes ‘meines Vaters Haus’ (Roermond 1807, Bakker & Kruijsen 2007: 224) b. Geft mig vaaden [ vaader ] deen deil ‘Gib mir, Vater, den Teil’ (Tegelen 1806, Bakker & Kruijsen 2007: 217) Zwei weitere Übersetzungen des Gleichnis vom verlorenen Sohn in einer nordfriesischen Varietät liegen in zwei erst jüngst entdeckten Handschriften vor, von denen man vermutet, dass sie im Zuge der Erhebung von Coquebert de Montbret entstanden (J. Hoekstra 2009), also auf das erste Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts 290 <?page no="291"?> 8.2 Quellen aus der Enquête von Coquebert de Montbret zu datieren sind. Diese beiden Lukas-Versionen sind Übersetzungen in das Mittelgodesharder Friesische („nach der in den Kirchspielen Brecklum und Drellsdorf gebräuchlichen friesischen Sprache“) und einer nicht näher lokalisierten Varietät, die dem Nordergoesharder und südlichen Bökingsharder Friesisch nahe steht (vgl. J. Hoekstra 2009: 57). Auf diese beiden Quellen ist hier nur der Vollständigkeit hingewiesen, da keine Flexion der Verwandtschaftsbezeichnungen vorliegt. Allerdings steht auch hier immer entweder ein Pronomen oder ein Definitartikel, die die Flexion unterbinden könnten. Vor dem Hintergrund wird Nissens Flexion von Verwandtschaftsbezeichnung mit Possessivpronomen (Bsp. 54a S. 285) nicht nur zu einem typologischen Sonderfall, sondern ist auch im Vergleich mit benachbarten friesischen Varietäten nochmals unüblicher: (56) a. seeh taa die Väder ‘sage zu dem Vater’ (vmtl. Nordergoesharde oder südl. Bökingharde, J. Hoekstra 2009: 58) b. kaum ta san Tete ‘kam zu seinem Vater’ (vmtl. Nordergoesharde oder südl. Bökingharde, J. Hoekstra 2009: 58) c. said ta sann Vaie ‘sagte zu seinem Vater’ (Mittelgodesharder, J. Hoekstra 2009: 59) 291 <?page no="292"?> 8 Eigennamenflexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten Abb. 8.8: Eigennamenflexion in den ndl. und ndt. Übersetzungen der Enquête von Coquebert de Montbret (1806-1808) nach der Edition in Bakker & Kruijsen (2007) 292 <?page no="293"?> 8.3 Das nordfriesische System bei M. M. Nissen 8.3 Das nordfriesische System bei M. M. Nissen Kommen wir zurück ins 19. Jahrhundert. Die Strukturen und v.a. syntaktischen Beschränkungen von Eigennamenflexion in einigen festlandnordfriesischen Dialekten sind bereits von J. Hoekstra (2010) gut beschrieben worden. Trotzdem soll im Folgenden das System eines einzigen Informanten näher betrachtet werden. Es handelt sich dabei um den Dialektologen und friesischen Dialektautor Moritz Momme Nissen (*1822 in Stedesand, †1902), der hier bereits als Informant von Winkler (1874a: 82) in Erscheinung getreten ist. Wie bereits von J. Hoekstra (2010) festgestellt, teilen die südniederländischen und nordfriesischen Dialekte syntaktische Beschränkungen der Eigennamenflexion. Dabei unterscheiden sich die Eigennamen formseitig stark, denn nur die niederländischen Dialekte haben ‚starke‘/ ‚schwache‘ Flexionsparadigmen auf Basis der Genitivendung ausgebildet. Im Friesischen finden wir, wie in allen übrigen westgermanischen Varietäten mit Eigennamenflexion, im Akkusativ/ Dativ -(e)n und im Genitiv -s. Nissen flektiert in Winkler (1874a: 82) (s.o. Bsp. 54a, S. 285) Verwandtschaftsbezeichnungen mit Possessivpronomen. Dies ist ein Sonderfall, den J. Hoekstra (2010: 768) damit erklärt, dass das Pronomen hier nicht Definitheit übernimmt und in D-Position (bzw. im DEF-Feld) steht, sondern als fester Namenteil wie ein invariantes Adjektiv (klein Emma) im NOM-Feld steht (s.o. S. 91). Eine solche Feldbesetzung von NOM durch ein Pronomen ist laut Ramers (2006) nicht möglich. Trotzdem könnte man ad hoc annehmen, dass sowohl das Pronomen als auch der (inhärent definite) Eigenname in Fällen wie din Memmen ‘deine Mutter Akk/ Dat ’ im DEF-Feld stehen, da Flexion in den entsprechenden nordfriesischen Dialekten nur unterbunden wird, wenn der Eigenname im NOM-Feld erscheint, z.B. indem das X-Feld besetzt wird. Dies würde dann allerdings heißen, dass der nominale Kern in DEF stünde, was laut Ramers (2006: 124) ebenfalls nicht möglich ist, und weitere Zusatzannahmen für Eigennamen notwendig sind (vgl. Abschnitt 2.1, S. 42). Eine doppelte Besetzung des DEF-Feldes durch den nominalen Kern verstößt aber nicht nur gegen topologische Restriktionen, sondern erklärt auch nicht Fälle von doppelter Definitheitsmarkierung (pränominaler + suffigierter Artikel), wie sie in einigen skandinavischen Varietäten möglich sind und in denen die wiederholte Definitheitsmarkierung am Substantiv auch stattfindet, wenn dieses - auf Grund von X-Feld-Elementen - klar im NOM-Feld steht (vgl. 13d, S. 37). Eine Zu- 293 <?page no="294"?> 8 Eigennamenflexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten satzanahme, für die ich vor diesem Hintergrund plädiere, wäre die, dass NOM auch Definitheitsmerkmale aus dem DEF-Feld spiegeln kann. Falsifizierbar wäre diese Annahme zunächst durch Belege, in denen Flexion bei leerem DEF-Feld und besetztem X-Feld stattfindet, also in Fällen, in denen das flektierte Substantiv im NOM-Feld direkt Definitheit ausdrückt. Derlei Fälle sind aus den friesischen und skandinavischen Varietäten nicht bekannt und auch in den sonst flexionsfreudigen, aber artikelfeindlichen jiddischen Dialekten scheint es solche Fälle nicht zu geben; die Definitheitsmarkierung in DEF ist obligatorisch, sobald der Eigenname in NOM rutscht. Diese Überlegungen führen zu der Annahme, dass Eigennamenflexion neben Kasus auch Definitheit markieren. Um weitere Kontexte zu gewinnen, wurden zwei zu Lebzeiten publizierte Werke Nissens ausgewertet und nach relevanten Eigennamenkontexten durchsucht. Diese sind eine Sprichwortsammlung verschiedener nordfriesischer Dialekte De fréske Findling, dat sen fréske Sprékkwurde önt Karhirdinge, withinge, amringe, breklinge, mourange, sellange, hatsinge, westfréske an engelske Reth [ FF ] (‘Der friesische Findling’ 1873-83 im Selbstverlag erschienen; 704 Seiten) und eine Sammlung von Gedichten (inkl. einem kurzen dramatischen Stück ) im inzwischen ausgestorbenen Karrharder Friesisch De freske Sjemstin, dachtangan uun karhiirder [ FS ] (‘Der friesische Spiegel’ 1868 im Verlag A. Mentzel erschienen; 417 Seiten). Die wenigen in den Tabellen 8.1 und 8.2 aufgeführten Belege bestätigen die Feststellungen von J. Hoekstra (2010) zur Flexion im Objektkasus (Akk./ Dat.) und Genitiv. Von Eigennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen abgesehen, flektieren in den Texten von Nissen auch Nomina Sacra (inkl. Eigennamen von Heiligen). Mit Pronomen finden sich auch bei Nissen Schwankungen zwischen Flexion (57a) und nicht-Flexion (57b). Es ist möglich, dass auch hier Belebtheit mit hineinspielt: Pronomen, die nah am Ego sind (z.B. der 1. und 2. Sg.), flektieren, während distanziertere Pronomen (3. Sg.) nicht flektieren. Flexion wird bei einem besetzten X-Feld blockiert (57c) und auch bei besetztem DEF-Feld durch Definitartikel (57d) oder Indefinitartikel (57e; s.a. FF 55) erscheint keine Flexion. Die Sprichwörter in FF stellen ein Paralleltextkorpus verschiedener nordfriesischer Dialekte dar und erlauben somit im Fall von (58) Rückschlüsse auf die Unterschiede und mögliche Abbaustufen in dem kleinen Gebiet der festlandnordfriesischen Dialekte zu ziehen. So erscheint die Flexion in den nördlichsten Dialekten (58a-58b) noch sowohl bei ‘Vater’ als auch ‘Mutter’ stabil, während sie im 294 <?page no="295"?> 8.3 Das nordfriesische System bei M. M. Nissen inzwischen ausgestorbenen südlichsten Dialekt von Hattstedt (58d) wie auch im Inselfriesischen (58c) nicht auftaucht (vgl. Abbildung 8.9). Im Mittelgoesharder Friesischen der Stadt Breklum (ebenfalls mittlerweile ausgestorben) (58e) finden wir Flexion noch an ‘Vater’, nicht aber mehr an ‘Mutter’. Möglicherweise verbirgt sich dahinter ein Genus-Effekt. Die Datenlage erlaubt es nicht, einen syntaktischen Effekt an diesem Beleg in (58e) auszuschließen. (57) a. din Memmen sagd ‘deine Mutter sagt’ (FS 225) b. Sin Memm ‘seine Mutter’ (FS 95) c. man liwe brouther ‘mein lieber Bruder’ (FS 98) d. Dü sket et me the memm hule, wenn dü the dogder hewe wet ‘Du sollst es mit der Mutter halten, wenn du die Tochter haben willst’ (FF 28) e. Sö stü en Memm an harked nip ‘So stand einst eine Mutter dort’ (FS 100) (58) a. Moringer Fries. Deder teten an memen ai harke wall b. Wiedingharder Fries. Dider teten en memen ai hire well c. Amrumer Fries. Dear âtj an mamm eg harki wall d. Hattstedter Fries. Didir fader un memm eg hire wall e. Breklumer Fries. Dider atten un memm eg harki wall f. Westfriesisch Dy net nei heit end mem harkje wol ‘Wer Vater und Mutter nicht gehorchen will’ (FF 53) 295 <?page no="296"?> 8 Eigennamenflexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten Belegstelle Flexion Akk./ Dat. FS 95 Din Memmen hark ‘folge deiner Mutter’ FS 163 fertel Memmen ‘erzähl es Mutter’ FS 207 Hje swithe Pettern dat Board ‘Sie sengen St. Peter den Bart ab’ FS 210 Pettern ‘Peter’ FS 216 bringe Memmen ‘bring Mutter’ FS 225 ja tank-eram din Memmen sagd ‘ja denke doch an deine Mutter’ wörtl. ‘ja denk da [ Expletivum ] an deine Mutter doch’ FS 241 lett Memmen an Teten dat eg hire ‘Lass Mutter und Vater das nicht hören’ FS 262 to Magretten en Bref ‘Ein Brief an Margarete’ FS 310 for Goden Ire ‘Ehre vor Gott’ FF 9 Lett teten der man for redde ‘Lass Vater dafür zu raten/ lass sich von Vater beraten’ FF 53 Deder teten en memmen eg harke wall ‘Wer Vater und Mutter nicht gehorchen will’ (vgl. Bsp. 58) Tab. 8.1: Belege für Eigennamenflexion im Akkusativ/ Dativ bei M. M. Nissen Belegstelle Flexion Gen./ Poss. FS 116 man Hertens liwe Brouther ‘mein herzenslieber Bruder’ FS 243 din Memmens Dogder ‘deiner Mutters Tochter’ FS 98 jin Memmens Redd ‘gegen Mutters Rede’ FS 355 Godens Wurd ‘Gottes Wort’ Tab. 8.2: Belege für Eigennamenflexion im Genitiv/ Possessiv bei M. M. Nissen 296 <?page no="297"?> 8.3 Das nordfriesische System bei M. M. Nissen Abb. 8.9: Verbreitung von Flexion an Verwandtschaftsbezeichnungen in den nordfriesischen Dialekten nach Nissen (FF 53); Quadrat: ‘Vater’ und ‘Mutter’ flektiert, Dreieck: nur ‘Vater’ flektiert, Kreis: keine Flexion. Grundkarte: Århammar (1968: 296) 297 <?page no="298"?> 8 Eigennamenflexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten 8.4 Das sauerländische System bei F. W. Grimme Die Befunde zu den (süd-)niederländischen, flämischen und nordfriesischen Dialekten lassen die Vermutung entstehen, dass die nordwestlichen westgermanischen Dialekte onymische Flexion deutlich länger bewahrt haben bzw. auch komplexere Systeme herausgebildet haben als bislang angenommen. Das Bindeglied zwischen Nordfriesisch und Niederländisch wären in dem Fall die niederdeutschen Dialekte, zu deren Erhalt und Struktur einer onymischen Flexion bisher nur wenig bekannt ist. Bereits die wenigen niederdeutschen Quellen in Winkler (1874) zeigen an, dass die westniederdeutschen Dialekte noch im ausgehenden 19. Jahrhundert über Eigennamenflexion an Verwandtschaftsbezeichnungen verfügt haben. Eigennamenflexion liegt in der Übersetzung des Gleichnisses in einem westniederdeutschen Dialekt des Sauerlands vor (Winkler 1874a: 233). Diese Übersetzung wurde vom Lehrer und (Mundart-)Dichter Friedrich Wilhelm Grimme (*1827 in Assinghausen im Sauerland, †1887) im November 1870 angefertigt. Grimmes Flexion von ‘Vater’ präsentiert in Winkler (1874a: 233) sehr stabil und wird sogar nach Pronomen gesetzt (59). Dies lässt annehmen, dass im Sauerländer Dialekt von Grimme keine ähnlichen syntaktischen Beschränkungen wie im Niederländischen und Friesischen vorliegen. (59) a. Un de jüngeste saggte füär seeinen vattern: Vaar! ‘Und der jüngste sagte zu seinem Vater: Vater! ’ (Lk. 15,12 Winkler 1874a: 233) b. bi meeinem vattern ‘bei meinem Vater’ (Lk. 15,17 Winkler 1874a: 233) c. un gohn no meeinem vattern ‘und gehe zu meinem Vater’ (Lk. 15,18 Winkler 1874a: 233) d. kam no seeime vattern ‘kam zu seinem Vater’ (Lk. 15,20 Winkler 1874a: 233) 298 <?page no="299"?> 8.4 Das sauerländische System bei F. W. Grimme e. saggte füär seeinen vattern ‘sagte zu seinem Vater’ (Lk. 15,29 Winkler 1874a: 234) Mit diesem Übersetzer sind wir in der glücklichen Situation, dass uns weitere Quellen seiner dialektalen Varietät in Form von Mundartdramen vorliegen. Um Näheres über die Struktur der Eigennamenflexion speziell im sauerländischen Dialekt Grimmes herauszufinden, wurden seine folgenden Mundartdichtungen hinsichtlich Eigennamenflexion ausgewertet: - „Grain Tuig: Schwänke und Gedichte in sauerländischer Mundart“ [ GT ] Soest (1860) - „Schwänke und Gedichte in sauerländischer Mundart: I. Sprickeln un Spöne. II. Spargitzen. Mit einer Einleitung über die Eigenthümlichkeiten des sauerländischen Dialectes“ [ SG ] 2. Aufl. Paderborn (1861) - „Jaust un Durtel oder de Kiärmissengank: Lustspiel in sauerländischer Mundart“ [ JD ] Soest) (1861) - „De Koppelschmid: Lustspiel in sauerländischer Mundart“ [ KS ] 2. Aufl. Münster 1875) - „De Kumpelmentenmaker oder Hai mott wierfriggen: Lustspiel in sauerländischer Mundart“ [ KM ] Münster (1875) - „Galantryi-Waar: Schwänke und Gedichte in sauerländischer Mundart“ [ GW ] 3. Aufl. Münster (1884) - „Lank un twiäß düär’t Land: Vertallt un geluagen in Surländsk Platt“ [ LL ] Münster und Paderborn (1885) - „Bat us de Strunzerdähler hinnerläit“ [ BS ] Paderborn (1890) - „Diusend Plasäier: Lustspiele in sauerländischer Mundart“ [ DP ] Paderborn (1890) Grimme ist in seinen Dramen deutlich inhomogener als in seinen Bibelübersetzungen in Winkler (1874a: 233-234). Neben einer Handvoll Belege mit Flexion (60) findet sich eine Vielzahl unflektierter Formen wie in (61). Ein erster Blick legt nahe, dass Flexion vor allem im Dativ von Verwandtschaftsbezeichnungen stabil ist, da Belege im Akkusativ und bei Personen- und Familiennamen fehlen. Die 299 <?page no="300"?> 8 Eigennamenflexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten Belegmenge ist aber zu gering, um gesicherte Generalisierungen zuzulassen. Die idiolektale Variation, die wir in den zwei unterschiedlichen Datensets von Grimme finden, kann zum einen textsortenspezifisch sein: möglicherweise verweist die höhere Frequenz von Flexion im biblischen Text auf einen Reflex, ältere bzw. konservativere, ggf. literarische Strukturen zu verwenden als in den modernen Dichtungen, die die unmittelbare Mündlichkeit repräsentieren sollen. Insgesamt aber zeigen die Schwankungen, was die eigene Befragung von Sprecher: innen des 20. Jahrhunderts bestätigt (siehe Teil III ab S. 317), nämlich, dass die Eigennamenflexion in den deutschen Varietäten nicht obligatorisch ist. Dies spricht dafür, dass eine Deflexion im Sinne von Norde (2009) vorliegt und möglicherweise auch dafür, dass das Kasussuffix -en einen Wandel zu einem Derivationssuffix für DOM entwickelt hat (s.o. S. 16). Mit Blick auf die Belege in (60) und (59) lässt sich allerdings bereits feststellen, dass der sauerländische Dialekt von Grimme Flexion auch bei Pronomina, also besetztem DEF-Feld, setzt. Hierin unterscheidet sich die niederdeutsche Varietät deutlich von den niederländischen Dialekten, in denen Pronomina die Flexion blockieren. Ebenfalls erfolgt im Unterschied zum niederländischen -s-Suffix der Flexion von Eigennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen mit vokalischem Auslaut hier die Eigennamenflexion immer mittels -n (siehe S. 108). Die Vermutung, dass sich das niederländische System in den westlichen niederdeutschen Dialekten fortsetzt, kann damit nicht bestätigt werden. Stattdessen ähnelt die Flexion im Sauerländer Dialekt vielmehr den Strukturen und Bedingungen, wie sie für die oberdeutschen Dialekte beschrieben wurden. (60) a. segg’ ik et deyme Vattern! ‘sage ich es deinem Vater! ’ (GT, 88) b. myne Vattern ‘meinem Vater’ (SG, IX) (61) a. Un weste meynen Vatter ehren, Un meyne Mutter ase deyne? ‘Und wirst du meinen Vater ehren und meine Mutter wie deine? ’ (KS, 60) b. Js da nit gewesen unser Vatter Jakob ‘Is da nicht unser Vater Jakob gewesen’ (SG, 99) 300 <?page no="301"?> 8.4 Das sauerländische System bei F. W. Grimme Die Auswertung bestehender Dialekterhebungen zu niederdeutschen Dialekten ist hinsichtlich Rufnamen und Verwandtschaftsbezeichnungen leider wenig ergiebig. Allgemein zeigt sich die Tendenz, dass Dialektliteratur keine geeignete Quelle für die onymische Flexion darstellt (vgl. die Auswertungen zur nordfriesischen Literatur von Nissen in Abschnitt 8.3 ab S. 293 und zu Sagen und Märchen des Haslitals in Abschnitt 7.2.4 ab S. 245). Dies mag daran liegen, dass die mediale Schriftlichkeit doch zu sehr von Schreibnormen ohne onymische Flexion beeinflusst ist. Wie bereits erwähnt (s. Fußnote 3.2.1, S. 76), liefert entsprechend auch das Briefkorpus Markus Schieggs keine Ergebnisse für Eigennamenflexion. Eine Durchsicht des Fragebogenmaterials vom Brandenburg-Berlinischen Spracharchiv (1950-1970; http: / / www.bbsa-potsdam.de) ergab nur zwei Kontexte von Übersetzungsaufgaben mit Rufnamen⁹⁷ im Nominativ und Genitiv und zwei mit den Verwandtschaftsbezeichnungen ‘Großmutter’ im Nominativ⁹⁸ und ‘Vetter/ Cousin’ im Akkusativ⁹⁹, die sich alle entsprechend dem Standarddeutschen verhielten. Allgemein ist die Datenlage zu den niederdeutschen Dialekten also nicht optimal, und weitere Arbeiten werden nötig sein, um die Situation der onymischen Flexion in diesen Dialekten näher zu untersuchen. 97 Diese Kontexte sind in Fragebogen Nr. 19 die Fragen 26 „Fritz ist nicht Annas Bruder, er ist nur ihr Vetter“ und 27 „August ist Dienstag angekommen und Freitag wieder abgereist“. 98 Im Fragebogen Nr. 1 Frage 37 „Unsere Großmutter hat den Korb (Kartoffelkorb) voll Pilze im Walde gesammelt“. 99 Im Fragebogen Nr. 19 Frage 26 „Fritz ist nicht Annas Bruder, er ist nur ihr Vetter“. 301 <?page no="302"?> 8 Eigennamenflexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten 8.5 Grammatiken (TISEL) Zwischen 2002 und 2005 wurden 27 Bände der Reihe Taal in stad en land (TISEL) von Nicoline van der Sijs herausgegeben. Jeder einzelne Band widmet sich einem (z.T. mehreren) Dialektgebiet(en) (inkl. Stadtdialekten) der niederländischen und friesischen Dialekte in den Niederlanden, Belgien und Frankreich und beschreibt sowohl die soziolinguistische Situation als auch die grammatische Variation der einzelnen Dialekte für ein informiertes Laienpublikum. Die Autor: innen sind Linguist: innen, Dialektolog: innen und Expert: innen für den jeweiligen Dialektraum. Ziel der einzelnen Bände ist es, den aktuellen Sprachstand zu beschreiben; trotzdem ist festzustellen, dass sich viele Autor: innen auf Literatur aus der Mitte des 20. Jahrhunderts stützen. In diesen Kurzgrammatiken finden sich vereinzelt direkte Hinweise auf Flexion von Eigennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen oder Beispieltexte, die darüber Auskunft geben, ob die jeweilige Varietät über onymische Flexion verfügt oder nicht. Die Auswertung der 27 Bände ergab, dass in fünf Dialektregionen Eigennamenflexion nach dem von Haeringen (1947) beschriebenen Paradigmen ‚starker‘ und ‚schwacher‘ Flexion (s. Tabelle 3.17 S. 96) vorliegt. In allen Fällen werden sowohl Personennamen, Nachnamen, Bezeichnungen naher Verwandter (‘Vater’, ‘Mutter’, ‘Großvater’, ‘Großmutter’) und die Lexeme buurman ‘Nachbar’ und buurvrouw ‘Nachbarin’ flektiert. Das volle Paradigma ist noch vital in Dialekten südlich (bzw. westlich) der Maas (vgl. Abbildung 8.10). Für die westflämischen Dialekte ist zumindest noch die Unterscheidung zwischen ‚starker‘ und ‚schwacher‘ Eigennamenflexion im Genitiv beschrieben. Diese ist vor allem ein Merkmal der Dialekte von Nordwestflandern; im Südosten kommt sie laut Devos & Vandekerckhove (2005: 60) nur noch vereinzelt vor, während sie in der Westhoek¹⁰⁰ praktisch unbekannt ist. Nicht näher berücksichtigt in den Auswertungen der TISEL-Bände wurde die Verwendung von -s im Genitiv, sofern die Unterscheidung von konsonantisch auslautenden Eigennamen nicht mehr gegeben war, da dies auch im Standard üblich ist.¹⁰¹ 100 Westliche Region der flämischen Dialekte in Belgien und Frankreich. 101 Im Standard blieb Substantivflexion mittels -s im Genitiv erhalten, wird aber selbst (insbesondere von Sprecher: innen aus dem Norden) eher gemieden (Haeringen 1947: 251). 302 <?page no="303"?> 8.5 Grammatiken (TISEL) Die wenigen Beispiele für Eigennamenflexion in den TISEL-Bänden geben wenig Hinweise über mögliche syntaktische oder semantische Beschränkungen. Ein singulärer Beleg aus Ost-Brabant gibt Hinweise darauf, dass der onymische Artikel gemeinsam mit der Flexion auftreten kann: (62) a. Dè zèn de Janne ‘Die(se) sind dem Jan’ (C. Swanenberg & J. Swanenberg 2002: 33) Für die Dialekte West-Brabants wird beschrieben, dass die Flexion am Eigennamen durch das Auftreten mit Personalpronomen verhindert wird (Heestermans & Stroop 2002: 63): (63) a. Kende Wensels nie? ‘Kennst du Wesel nicht? ’ (Heestermans & Stroop 2002: 63) b. Kende onze Wensel nie? ‘Kennst du unseren Wesel nicht? ’ (Heestermans & Stroop 2002: 63) Ebenso ist für West-Brabant die Kombination aus Verwandtschaftsbezeichnung und Eigennamen beschrieben, bei der die Flexion entweder an nur einer der beiden Namenworte oder sogar an beiden doppelt markiert erfolgt (Heestermans & Stroop 2002: 63): (64) a. Dat is van oom Piete ‘Das ist von Onkel Piet’ (Heestermans & Stroop 2002: 63) b. Dat is van ome Piet ‘Das ist von Onkel Piet’ (Heestermans & Stroop 2002: 63) c. Dat is van ome Piete ‘Das ist von Onkel Piet’ (Heestermans & Stroop 2002: 63) 303 <?page no="304"?> 8 Eigennamenflexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten Abb. 8.10: Evidenz für Eigennamenflexion nach dem Muster in Tabelle 3.17 (S. 96) in den Dialekten der Reihe TISEL (2002) (ergänzte Grundkarte auf Basis von Berns & Steusel 2004: 7) 304 <?page no="305"?> 8.6 Vragenlijst No. 12a (1943) 8.6 Vragenlijst No. 12a (1943) Das Instituut voor Dialectologie, Volkskunde en Naamkunde - der Vorläufer des heutigen Meertens Instituut - verteilte zwischen 1943 und 1946 den ersten Teil ihrer 12. Umfrage. Insgesamt nahmen 737 Sprecher: innen eines niederländischen oder friesischen Dialekts an der Umfrage teil. Wie die Kartierung der Verteilung der 737 der Teilnehmer: innen auf die niederländischen Provinzen in Abbildung 8.11 zeigt, spiegelt die Erhebung nicht die Bevölkerungsdichte wider, sondern im Gegenteil sind bevölkerungsärmere Provinzen (insbes. Friesland) besonders gut vom Sample abgedeckt, während aus bevölkerungsstarken Regionen (insbes. Nord- und Süd-Holland, Utrecht) verhältnismäßig weniger Informant: innen rekrutiert wurden.¹⁰² In Vragenlijst 12a gibt es eine Reihe von Übersetzungsaufgaben mit verschiedenen Verwandtschaftsbezeichnungen. Für die vorliegende Analyse wurden die folgenden Sätze ausgewertet: 1. Ik ga met mijn vader naar het land ‘Ich fahre mit meinem Vater aufs Land.’, Dat. mask. 2. Mijn vader zit op den wagen. ‘Mein Vater sitzt im Auto.’, Nom. mask. 3. Ik ga met mijn moeder naar de markt. ‘Ich gehe mit meiner Mutter auf den Markt.’, Dat. fem. 4. Mijn moeder is bezig het eten te koken. ‘Meine Mutter kocht das Essen.’, wörtl. ‘Meine Mutter ist beschäftigt das Essen zu kochen’, Nom. fem. 5. Onze buurman heeft een zoon en een dochter. ‘Unser Nachbar hat einen Sohn und eine Tochter.’, Akk. mask. u. fem. 9. Ik ga bij mijn grootvader en grootmoeder logeeren. ‘Ich werde bei meinem Großvater und meiner Großmutter bleiben.’, Dat. mask. u. fem. 10. Mijn grootvader rookt een pijp en mijn grootmoeder zit te breien. ‘Mein Großvater raucht Pfeife und meine Großmutter strickt.’, Nom. mask. u. fem. 11./ 18. Ik ga met vader naar het land ‘Ich fahre mit Vater aufs Land.’, Dat. mask. 102 Beruhend auf Daten zur Bevölkerungsdichte der niederländischen Provinzen 1995-2020 siehe https: / / opendata.cbs.nl/ statline/ #/ CBS/ nl/ dataset/ 70072ned/ table? ts= 1543436498172 (letzter Zugriff 12. Januar 2021). 305 <?page no="306"?> 8 Eigennamenflexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten 12./ 19. Vader zit op den wagen ‘Vater sitzt auf dem Wagen.’, Nom. mask. 13./ 20. Ik ga met moeder naar de markt ‘Ich gehe mit Mutter auf den Markt.’, Dat. fem. 14./ 21. Moeder is bezig het eten te koken. ‘Mutter kocht das Essen.’, wörtl. ‘Mutter ist beschäftigt das Essen zu kochen.’, Nom. fem. 16./ 23. Ik ga bij grootvader en grootmoeder logeren. ‘Ich werde bei Großvater und Großmutter bleiben.’, Dat. mask. u. fem. 17./ 24. Grootvader rookt een pijp en grootmoeder zit te breien. ‘Großvater raucht Pfeife und Großmutter strickt.’, Nom. mask. u. fem. Die Übersetzungsaufgaben sind mit unterschiedlichen Kontexten versehen: die Fragen 1-10 sollen in den Ortsdialekt übersetzt werden, den die Gewährsperson mit einem Erwachsenem, z.B. einem Nachbarn, den man gut kennt, verwendet, während die Fragen 11-17 beantwortet werden sollen, als sei man ein zehnjähriges Schulkind (Hoe zegt een kind van een jaar of tien (dus een schoolgaand kind)) und Fragen 18-24, als sei man ein Vorschulkind (Hoe zegt een klein kind, dat nog niet schoolgaat). Entsprechend doppeln sich die Fragen; allerdings mit einer wichtigen Abweichung: während die ersten präsentierten Sätze (1-10) noch Personalpronomen mit Verwandtschaftsbezeichnungen verwenden, fehlen diese bei den späteren Wiederholungen. Dies ist möglicherweise kein Mangel des Material, sondern ein besonderes Extra, denn die niederländischen Dialekte stehen in Verdacht, Flexion insbesondere bei vorhergehendem Personalpronomen zu unterbinden (siehe Abschnitt 23, S. 92); unter der Prämisse, dass die unterschiedlichen Kontexte (Schulkind, Vorschulkind, Erwachsener) keinen Einfluss auf die Verwendung von Flexion hat, kann damit getestet werden, ob und in welchem Ausmaß die Verwendung von Personalpronomen die Eigennamenflexion tatsächlich blockiert. Oft wurde leider auch für die Sätze 11-24 vermerkt, dass diese identisch mit den Sätzen 1-10 sind. Wie wir exemplarisch am Fragebogen in Abbildung 8.12 sehen, wurde nicht immer die Vorlage eins-zu-eins übernommen und wir finden so auch Fälle, in denen die Sätze 1-10 ohne Pronomina übersetzt wurden. 306 <?page no="307"?> 8.6 Vragenlijst No. 12a (1943) Tatsächlich macht es in den wenigen Fällen, in denen Übersetzungen zu allen Fragen in den drei unterschiedlichen Kontexten vorliegen und Flexion gegeben ist, keinen Unterschied, ob der Dialekt eines (Schul-)Kindes imitiert wird oder nicht; jeder Sprechergeneration wird zugetraut, die Eigennamenflexion souverän zu verwenden. Auch liegen keine Hyperformen vor, z.B. das bei der Imitation des Kleinkindes die Flexion im Nominativ oder an anderen Namen bzw. Substantiva als ‘Mutter’, ‘Vater’ und ‘Großvater/ Großmutter’ (inkl. ‘Oma/ Opa’) auftritt. Flexion taucht in den Antworten der Vragenlijst 12a in 34 Fragebögen auf, davon immer nur in den Lexemen ‘Mutter’, ‘Vater’ und ‘Großvater/ Großmutter’ (inkl. in vier Antworten ‘Oma/ Opa’). Die Flexion erfolgt immer mit dem -s-Suffix (siehe S. 108). Nicht flektiert werden entsprechend ‘Schwester’, ‘Bruder’, ‘Sohn’, ‘Tochter’. Die Formen sind klar als Flexion zu identifizieren, da die Nominativformen nicht über das Suffix der Dativformen verfügen. Das räumliche Bild dieser Belege entspricht der bereits beschriebenen Zentrierung von Eigennamenflexion auf die Dialekte Südhollands und Nordbrabants; der nördlichste Ort ist das südholländische Nieuwkoop¹⁰³ und im Norden ist - auch im Hinblick auf die Daten in den TISEL-Bänden (s.o. ab S. 302) - eine Fortsetzung in den Dialekten Belgiens zu erwarten (Abbildung 8.14).¹⁰⁴ Das Raumbild überrascht insofern, als dass Flexion nicht im Westen Südhollands auftritt, also im Raum um Katwijk, sondern vor allem im Osten. Die Flexion findet an den Verwandtschaftsbezeichnungen immer mittels -s statt. In einem Ort (Westdorpe) nahe der Grenze zum Westflämischen findet sich einmalig die in den flämischen Dialekten Winklers öfter belegte Form vadere sowohl im Nominativ als auch im Dativ (s.o. S. 285): (65) a. ’k goan mee mèn voadere noar ’t lant ‘Ich gehe mit meinem Vater aufs Land’ (Vragenlijst 12a, Westdorpe) b. Mèn voadere zit op de waogen ‘Mein Vater sitzt auf dem Wagen’ (Vragenlijst 12a, Westdorpe) 103 30km südlich von Amsterdam. 104 Eine Kartierung aller 737 Orten der Erhebung hätte hier die Ressourcen gesprengt; daher wurden nur die Orte kartiert, für die Flexion vorliegt. 307 <?page no="308"?> 8 Eigennamenflexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten Abb. 8.11: Anzahl an Teilnehmer: innen des Fragebogens Vragenlijst 12a des Instituut voor Dialectologie, Volkskunde en Naamkunde pro Provinz 308 <?page no="309"?> 8.6 Vragenlijst No. 12a (1943) Abb. 8.12: Ausschnitt eines Fragebogens der Vragenlijst 12a des Instituut voor Dialectologie, Volkskunde en Naamkunde vom Ort Alblasserdam 309 <?page no="310"?> 8 Eigennamenflexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten In den Antworten zu Vragenlijst 12a können wir die besetzte Adjunktposition (X- Feld) durch ein Personalpronomen als eine ganz klare Bedingung identifizieren, die Flexion verhindert. Das wird zum einen deutlich mit Blick auf die absoluten Zahlen, in welchen Kontexten Flexion auftritt (s. Abbildung 8.13). In keinem einzigen Fall tritt Flexion auf, sobald ein Personalpronomen in die Übersetzung mit eingeflossen ist; entsprechend hoch sind die Belegzahlen für Flexion in den Sätzen, deren Vorlage kein Pronomen vorgibt. Zum andern gibt es in einigen wenigen Antwortbögen mehrere Varianten einer Aufgabe, die direkt Aufschluss über die Bedingung liefern, wie z.B. in den Antworten zu Fragen 1 (66a) und 3 (66b) vom Ort Oudenbosch in Nordbrabant: (66) a. Ik goan me voaders/ ons vaoder/ den ouwe Nil/ den ouwen heer naar ’t laand ‘Ich gehe mit Vater/ unserem Vater/ dem alten Nil/ dem alten Herrn aufs Land’ (Vragenlijst 12a, Oudenbosch) b. Ik gaon mee moeders/ ons moeder/ ’t ouwe Jaans naar de mart ‘Ich gehe mit Mutter/ unserer Mutter/ dem alten Jaans [ vmtl. Familienname auch im Nom. in dieser Form ] zum Markt’ (Vragenlijst 12a, Oudenbosch) Belege wie diese sind seltene Ausnahmen, die weitere Einblicke in das System der niederländischen Ortsdialekte liefern. In (66a) und (66b) haben wir Beispiele u.a. mit Eigennamen, in denen das Adjektiv ouwe ‘alt’ und der Artikel ’t Flexion blockiert. In einem Beleg findet sich ein interessanter Hinweis auf eine Kombination zwischen Diminution und Flexion bei ‘Großmutter’. Auch hieran sehen wir, dass es sich bei -s um ein Flexionssuffix handelt, da Derivation (hier Diminution) in der Regel näher am Stamm ausgedrückt wird als Flexion: (67) ’k goj noar grootvaders en naar grötjes ‘Ich gehe zu Großvater Dat. und zu Großmutter Dim.Dat. ’ (Vragenlijst 12a, Zundert) Eine Frage wäre nun, wie sich die onymische Flexion im Plural gestaltet und wie sie sich dabei mit dem -s-Plural arrangiert. Mögliche Formen wären ndl. ? grootmoederses, grootmoeders ‘Großmutter’ Pl. Akk/ Dat/ Gen und ? Pietens oder ? Pietesen ‘Peter’ Pl. Akk/ Dat/ Gen . Derlei Kontexte konnten keine gefunden werden. 310 <?page no="311"?> 8.6 Vragenlijst No. 12a (1943) Bleibt zu erwähnen, dass alle vier Verwandtschaftsbezeichnungen gleich häufig und in Abhängigkeit vom Pronomen flektiert bzw. nicht flektiert werden. Genus scheint demnach in den niederländischen Dialekten kein steuernder Faktor zu sein. Ebenso spielt Numerus bzw. Unikatheit keine Rolle: die Begriffe für Großeltern, von denen ein Individuum in der Regel zwei besitzt, werden ebenso häufig flektiert/ nicht flektiert wie die Begriffe der Eltern, von denen ein Individuum in den 1940ern bestenfalls jeweils ein Elternteil besitzt. Belege mit Definitartikel oder Adjektiven fehlen entsprechend der Vorlage. Abb. 8.13: Flexion in den Fragen 1, 3, 9, 11, 13 und 16 der Vragenlijst 12a des Instituut voor Dialectologie, Volkskunde en Naamkunde 311 <?page no="312"?> 8 Eigennamenflexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten Abb. 8.14: Flexion in den Fragen 1, 3, 9, 11, 13 und 16 der Vragenlijst 12a des Instituut voor Dialectologie, Volkskunde en Naamkunde 312 <?page no="313"?> 8.7 Zwischenfazit: onymische Flexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten 8.7 Zwischenfazit: onymische Flexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten Zusammenfassend finden wir im niederländischen, friesischen und niederdeutschen Sprachgebiet mindestens drei unterschiedliche Systeme, die wiederum in einzelnen Bereichen Variation aufweisen. Die Eigennamenflexion in den südlichen niederländischen und flämischen Dialekten fällt mit der Aufspaltung der Flexion in ein ‚starkes‘ und ein ‚schwaches‘ Paradigma aus dem üblichen Muster der -(e)n-Flexion für Akkusativ/ Dativ und -s-Flexion im Genitiv/ Possessiv der übrigen westgermanischen Dialekte heraus. Wie bereits von J. F. Hoekstra (2001) festgestellt, teilen die südniederländischen und nordfriesischen Dialekte syntaktische Beschränkungen. In den niederländischen Daten von Vragenlijst 12a fehlen Kontexte mit besetztem X-Feld, daher kann keine sichere Einschätzung dieses syntaktischen Faktors getroffen werden. Es gibt allerdings in den Dialektgrammatiken Hinweise darauf, dass die Flexion nur auftritt, sofern der Eigenname im DEF-Feld steht und damit auch Flexion unterbleibt, sobald der Eigenname in NOM erscheint. Die Besetzung des X-Felds ist somit kein notwendiger, aber ein hinreichender Einflussfaktor auf die onymische Flexion. Die westfriesischen Dialekte zeigen, wie auf Basis der bestehenden Forschungsliteratur zu erwarten war, im Unterschied zu den nordfriesischen Dialekten keine Eigennamenflexion. Die Eigennamenflexion im Nordfriesischen ist laut J. F. Hoekstra (2001) stark rückläufig und selbst im ausgehenden 19. Jahrhundert in den Quellen, die uns Nissen liefert, nur mehr bei wenigen nördlichen festlandnordfriesischen Dialekten stabil. Es gibt Hinweise für einen Genuseffekt hinsichtlich des Abbaus von Flexion, der bei Feminina früher einzusetzen scheint als bei Maskulina. Hier ist die Datenlage aber zu gering, um gesicherte Aussagen zu treffen. Auch wenn Nordfriesisch nicht die ‚stark‘/ ‚schwachen‘ Flexionssuffixe wie die niederländischen Dialekte verwendet, so gibt es deutliche Ähnlichkeiten zwischen nordfriesischer und niederländischer Eigennamenflexion hinsichtlich der syntaktischen Beschränkungen: sowohl ein besetztes DEFals auch ein besetztes X-Feld unterbinden die Flexion. Eine Ausnahme bilden allerdings Pronomen, insbesondere Possessivpronomen, in den nordfriesischen Dialekten, denn zum Teil verhindern diese, v.a. in Kombination mit Verwandtschaftsbezeichnungen, 313 <?page no="314"?> 8 Eigennamenflexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten nicht die Flexion. Entsprechendes konnte für die niederländischen Dialekte nicht nachgewiesen werden. Im Sauerländer Dialekt von Grimme findet sich Flexion ebenfalls noch bei einem durch Pronomen besetzten DEF-Feld (vgl. Tabelle 8.5). Grimme selbst ist in der Setzung von Flexion jedoch deutlich inhomogen, was eine eindeutige Systembeschreibung erschwert. So konnten z.B. nur Belege für Flexion im Dativ gefunden werden, was auf einen Kasuseffekt hindeutet. Ein Genuseffekt konnte auf Grundlage der wenigen Belege nicht identifiziert werden. Insgesamt zeigen die Daten von Grimme allerdings, dass sein System der Eigennamenflexion deutlich variabel ist. Diese Variabilität kann nicht ausschließlich textsortenbedingt sein, sondern ist auch Teil des Phänomens an sich. kein onymischer Artikel l onymischer Artikel keine Flexion besetztes DEF-Feld l l Flexion besetztes DEF-Feld keine Flexion bei besetztem X-Feld ( l ) Flexion bei besetztem X-Feld kein Genuseffekt l Genuseffekt kein Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) l Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) Suffix auch im Nom. l auf Akk./ Dat. beschränkt keine diatopische Variation l starke diatopische Variation Flexion konsequent l Flexion inkonsequent Tab. 8.3: Systemtabelle zu Faktoren der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen im Akk./ Dat. Sg. in den niederländischen Dialekten kein onymischer Artikel l onymischer Artikel keine Flexion besetztes DEF-Feld l Flexion besetztes DEF-Feld keine Flexion bei besetztem X-Feld l Flexion bei besetztem X-Feld kein Genuseffekt ( l ) Genuseffekt kein Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) l Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) Suffix auch im Nom. l auf Akk./ Dat. beschränkt keine diatopische Variation l starke diatopische Variation Flexion konsequent l Flexion inkonsequent Tab. 8.4: Systemtabelle zu Faktoren der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen im Akk./ Dat. Sg. in den nordfriesischen Dialekten (basierend auf M. M. Nissen und J. F. Hoekstra 2001) 314 <?page no="315"?> 8.7 Zwischenfazit: onymische Flexion in ndt., ndl. und fries. Dialekten kein onymischer Artikel l onymischer Artikel keine Flexion besetztes DEF-Feld ( l ) Flexion besetztes DEF-Feld keine Flexion bei besetztem X-Feld l Flexion bei besetztem X-Feld kein Genuseffekt ( l ) Genuseffekt kein Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) ( l ) Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) Suffix auch im Nom. l auf Akk./ Dat. beschränkt Flexion inkonsequent l Flexion konsequent Tab. 8.5: Systemtabelle zu Faktoren der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen im Akk./ Dat. Sg. im Sauerländer Dialekt bei F. W. Grimme 315 <?page no="317"?> Teil III Onymische Substantivflexion in Dialekten des frühen 21. Jahrhunderts <?page no="319"?> 9 Design der Umfragen Die in den vorhergehenden Abschnitten analysierten bestehenden Datensätze werfen einige Fragen bezüglich der unterschiedlichen syntaktischen und semantischen Abhängigkeiten von Eigennamenflexion auf, die sie selbst auf Grund fehlender Kontexte nicht beantworten können. Um weitere Einblicke in die Systeme von zumindest drei divergenten Dialekträumen zu erlangen, wurden im Sommer 2020 Onlineumfragen auf der Plattform www.soscisurvey.de unter Sprecher: innen einer niederländischen, bairischen oder alemannischen (Kanton Bern) Varietät verteilt. Im Folgenden werden die Ergebnisse aus dieser Erhebung vorgestellt und in Beziehung zu den Daten aus dem 19. und 20. Jahrhundert gebracht. Von den Umfragen eliziert waren muttersprachlich erworbene, orale und lokal verbreitete Varietäten. Im weitesten Sinne kann man diese Varietäten als ‚Dialekt‘ bezeichnen. Dies stellen aber keine Dialekte im Sinne von ‚Basisdialekten‘ dar, sondern befinden sich in der Terminologie nach Lenz (2008) in der Grauzone zwischen regionalen Umgangssprachen und Basisdialekten, die durch den Versuch der Verschriftlichung standardsprachlich gefiltert sind. Der neutralste, aber wenig aussagekräftige Terminus hierfür ist der der ‚Varietät‘. Im Zentrum der Untersuchung steht allerdings nicht die Frage, in welchen Sprechlagen Eigennamenflexion verwendet wird, sondern vielmehr in welchen Systemen und nach welchen strukturellen Bedingungen organisiert Eigennamenflexion in den modernen lokalen und oralen Varietäten noch vorliegt. Wohlwissend, dass der Terminus „Dialekt“ in der sogenannten Vertikale etwas anderes bezeichnet als die in den Umfragen erhobenen Varietäten, werden diese Daten im Folgenden als dialektal im Sinne einer regionalen Mündlichkeit bezeichnet. Je nach dialektologischem Framework ist ein solches Vorgehen mal mehr, mal weniger legitim. Die drei Onlineumfragen basieren auf einem gemeinsamen Fragepool einer längeren Version, die nur mit Informant: innen aus den Niederlanden abgefragt werden konnte. Da sich deutsche, österreichische und Schweizer Informant: innen in einem ersten Testlauf mit dem umfangreichen Fragebogen schwertaten und diesen in den meisten Fällen vorzeitig abbrachen, wurde für beide Dialekträu- <?page no="320"?> 9 Design der Umfragen me eine stark gekürzte Version aufgebaut, die deutlich häufiger vollständig abgeschlossen wurde. Damit entstehen leider erneut Lücken bezüglich verschiedener vergleichbarer Kontexte in diesen beiden Gebieten. Besonders aussagekräftig sind hingegen die Daten zu den niederländischen Varietäten, da hier nicht nur unterschiedliche Kontexte abgefragt, sondern auch eine große Informantengruppe akquiriert werden konnte. Die Informantenakquise erfolgte zum einen über eine Einladung zur niederländischen Befragung im wöchentlich erscheinenden Newsletter des Meertens Instituuts im Juli 2020 und zum anderen über die manuelle Verteilung von Einladungen in diversen Facebook-Gruppen mit direktem Ortsbezug zu den Gebieten des Berner Oberlands, Niederbayerns, Oberbayerns, der Oberpfalz sowie Nieder- und Oberösterreichs. Insgesamt stehen auswertbare¹⁰⁵ Datensätze zu 800 Sprecher: innen aus den Niederlanden (inkl. 15 aus Belgien), 191 aus einer fränkischen oder bairischen Varietät des Bundeslands Bayern (inkl. sieben Sprecher: innen, die eine PLZ aus dem angrenzenden Niederösterreich angeben) und 50 aus dem Alemannischen des Kantons Bern zur Verfügung. Der vollständige, längere Fragebogen besteht aus drei Aufgabentypen zur Eigennamenflexion: 1. Freie Antwort auf eine Frage zu einem von insgesamt 6 Comicstrips aus „Vater & Sohn“ (von Erich Ohser alias e.o.plauen 1903-1944). 2. Bildung von Sätzen auf Basis vorgegebener Wörter (33 Sätze verteilt auf 4 Seiten). 3. Akzeptabilitätsurteile zu vorgegebenen, standardsprachlich präsentierten manipulierten Sätzen (17 Sätze, 4er Skala zwischen „sehr natürlich“ und „sehr unnatürlich“). Der gekürzte Fragebogen verzichtet komplett auf die Akzeptabilitätsurteile und umfasst nur noch: 1. Freie Antwort auf eine Frage zu einem von insgesamt 6 Comicstrips aus „Vater & Sohn“ (von Erich Ohser alias e.o.plauen 1903-1944). 2. Bildung von Sätzen auf Basis vorgegebener Wörter (8 Sätze). 105 D.h. Datensätze mit beantworteten Fragebögen von Muttersprachler: innen der jeweiligen Varietät (inkl. bilinguale). 320 <?page no="321"?> Beide Fragebogenversionen sind dem Anhang ab Seite 385 beigefügt. Der Unterschied zwischen der Umfrage, die unter Facebook-Gruppen mit regionalem Bezug zum Kanton Bern verbreitet wurde, und der Umfrage, die in Facebook-Gruppen mit Bezug zu Niederbayern, Oberbayern, der Oberpfalz oder Nieder- und Oberösterreich veröffentlicht wurde, besteht lediglich in minimalen terminologischen Anpassungen im Begrüßungstext und der ß/ ss-Orthographie; davon abgesehen sind beide Umfragen identisch. Als Information zum Hintergrund der Umfrage wurde lediglich ein allgemeines Interesse an den jeweiligen Dialekten angegeben. Die Arbeitsanweisung beinhaltete lediglich eine vom Standard möglicherweise abweichende Varietät zu verschriftlichen, die man mit einer vertrauten Person vom Heimatort spricht. Das erhobene Varietätenspektrum umfasst damit generell jede orale Varietät. Eine Selbsteinschätzung der eigenen Dialektkompetenz auf einer Skala zwischen „Ich spreche täglich Dialekt“ und „Ich spreche keinen Dialekt“ war im letzten Teil des Fragebogens zu Metainformationen möglich. Derlei introspektive Einschätzungen sind jedoch von zweifelhaftem Wert. Aufgrund der unterschiedlichen Informant: innengewinnung (Facebook vs. an den ndl. und fries. Dialekten Interessierte) können wir grundsätzlich davon ausgehen, dass die Informant: innen, die an der niederländischen Umfrage teilnahmen, nicht nur motivierter und geübter darin waren, derlei Umfragen auszufüllen,¹⁰⁶ sondern auch, dass sich in einer Gruppe an Dialektinteressierten vermutlich eher Dialektsprecher: innen befinden als in einer bunt gemischten Interessengruppe von Menschen, die sich in Facebookgruppen wie „Da Bayerische Woid - einfach schee“, „Berner Oberland Hündeler“ und „Was ist los im Kanton Bern? “ austauschen bzw. informieren wollen. Auf der letzten Seite des Fragebogens wurden als Metainformationen neben der eigenen Dialekteinschätzung und der Benennung des Dialekts noch Alter, Geschlecht, Muttersprache(n), Postleitzahl des Geburtsorts und Ortsfeste¹⁰⁷ abgefragt. 106 So haben z.B. Schallert, Dröge & Pheiff (im Ersch.) ihre Informant: innen für eine Onlinebefragung zu Doubly-filled COMPs ebenfalls über diese Mailing Liste akquiriert. 107 Dies wurde abgefragt mittels der Ja/ Nein-Frage „Heeft u altijd in dit postcodegebied gewoond? “, „Haben Sie schon immer in diesem Postleitzahlengebiet gewohnt? “. 321 <?page no="322"?> 9 Design der Umfragen Die Aufgaben zu den sechs Comicstrips aus Erich Ohsers „Vater & Sohn“ zielen auf verschiedene Kontexte ab, in denen ‘Vater’ in unterschiedlichen Kasus auftritt: - Der Sohn macht den Vater nass [ Akkusativkontext ] - Die Seehunde gleichen/ ähneln dem Vater [ Dativkontext ] - Vater und Sohn grillen Fische [ Nominativkontext ] - Die Pfeife vom Vater / Des Vaters Pfeife [ Dativ-/ Genitivkontext ] - Der Sohn läuft vor dem Vater davon [ Dativkontext ] - Das Pferd wirft den Vater ab. [ Akkusativkontext ] Da hier freie Antworten gefordert waren und die Bilder und die damit verbundenen Fragen, die beantwortet werden sollten, nicht optimal auf die gewünschten Kontexte abzielen, gibt es relativ starke Schwankungen, ob ein: e Informant: in einen der gewünschten Kontexte produziert hat oder nicht. Der zweite Aufgabentyp, die Bildung von Sätzen auf Grundlage vorgegebener Wörter, war ganz ohne vorgegebenen Kontext. Um bei diesen Lücken-Sätzen einen Vergleichspunkt zu den Daten der jiddischen Dialekte zu ziehen, wurden viele der LCAAJ-Sätze in das Setting der Umfrage übertragen, so zielt z.B. die Vorlage [ ich ] [ Großvater ] [ gewohnt ] auf LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 156-050 I lived with grandfather ab. Die Kontexte decken dabei folgende Kriterien ab: - Verwandtschaftsbezeichnung (13 Kontexte) vs. Rufname (11 Kontexte) - Nativer Rufname (4 Kontexte) vs. nicht-nativer Rufname (4 Kontexte) - Tiername (2 Kontexte) vs. Rufname (9 Kontexte) - Nachbar (2 Kontexte) und Nachbarin (1 Kontext) - Dativ- (21), Akkusativ- (6), Nominativ (2) und Genitiv-/ Possessiv-Kontexte (4) - Sexus: männlich (12 Kontexte) vs. weiblich (11 Kontexte) vs. sexusneutral (1 Kontext) - Pluraleffekt: ‘Mutter’ (3 Kontexte) vs. Großmutter (2 Kontexte) - Mit Pronomen (1 Kontext; viele Spontannennungen) - Mit Adjektiv (4 Kontexte) 322 <?page no="323"?> - Definitartikel (nicht vorgegeben; Spontannennungen) - Mit Negation (1 Kontext) - Mit PP-Ergänzung (2 Kontexte) Der gekürzte Fragebogen für die deutschen Varietäten beinhaltet nur mehr acht Lücken-Sätze, die auf folgende Kontexte abzielen: - Verwandtschaftsbezeichnung (5 Kontexte) vs. Rufname (1 Kontext) - Nativer Rufname (4 Kontexte) vs. nicht-nativer Rufname (4 Kontexte) - Tiername (1 Kontext) - Nachbarin (1 Kontext) - Dativ- (6 Kontexte), Akkusativ- (1 Kontext), Nominativ (1 Kontext) - Sexus: männlich (3 Kontexte) vs. weiblich (5 Kontexte) - Pluraleffekt: ‘Mutter’ (2 Kontexte) vs. Großmutter (1 Kontext) - Mit Pronomen (0; viele Spontannennungen) - Mit Adjektiv (1 Kontext) - Definitartikel (nicht vorgegeben; Spontannennungen) - Mit Diminution (1 Kontext) [ nur im alemannischen Fragebogen ] Die nativen Rufnamen wurden zwischen der niederländischen und der oberdeutschen Version angepasst; so wurde z.B. aus ndl. Freek dt. Frank. Die präsentierten Sätze, deren Akzeptabilität in der niederländischen Version beurteilt werden musste, wurden hinsichtlich der folgenden Kontexte manipuliert: - Verwandtschaftsbezeichnung (4 Kontexte) vs. Rufname (12 Kontexte) - Dativ- (9), Akkusativ- (5) und Genitiv-/ Possessiv-Kontexte (2) - Sexus: männlich (11) vs. weiblich (5) - Pluraleffekt: ‘Mutter’ (2) vs. Großmutter (1) - Mit Adjektiv (3) - Flektiert (11) vs. nicht-flektiert (4) 323 <?page no="324"?> 9 Design der Umfragen - ‚starke‘ Flexion (6) vs. ‚schwache‘ Flexion (5) - Definitartikel bei unbesetztem X-Feld (3) - Mit Negation (1) - Mit Präposition (3) - Ein Ablenkersatz (komplett ungrammatisch) 324 <?page no="325"?> 10 Ergebnisse der Umfrage zu niederländischen Varietäten Insgesamt liegen 800 angefangene Datensätze zur niederländischen Umfrage vor; davon füllten allerdings nur 402 auch den Fragebogenteil zu den personenbezogenen Daten (Alter, Postleitzahl, Dialekteinschätzung) aus. Beinahe die Hälfte brach bereits nach der zweiten Frage die Umfrage ab, bis zur Seite der Metadaten beantworteten 406 Informant: innen die Fragen weitestgehend vollständig. Neben Informant: innen aus den Niederlanden, gab es auch zwei Datensätze von Sprecher: innen aus Deutschland und sieben aus Belgien, die im Folgenden zunächst nicht berücksichtigt werden. Von den 402 niederländischen Informant: innen, die Metainformationen hinterließen, geben 15 an, (West-)Friesisch-Sprecher: innen zu sein. Die Verteilung auf die Geschlechter ist an sich gut ausgewogen: 203 männlich, 197 weiblich, 2 divers. Die meisten Teilnehmer: innen sind zwischen 1946 und 1962 geboren (vgl. Abbildung 10.1), waren also zum Zeitpunkt der Befragung zwischen 58 und 74 Jahre alt. Zwei weitere größere Gruppen bilden die 40bis 56- und die 75bis 80- Jährigen. An sich stellt die Umfrage damit einen repräsentativen Querschnitt zur niederländischen Gesellschaft dar. Abb. 10.1: Alter der Teilnehmer: innen (ndl. Umfrage) <?page no="326"?> 10 Ergebnisse der Umfrage zu niederländischen Varietäten Die regionale Verteilung der Teilnehmer: innen, die eine Postleitzahl angegeben haben s. Abbildung 10.2, zeigt, dass die Mehrzahl aus Süd-Holland und Noord- Brabant stammen und damit aus dem Gebiet, in dem Flexion noch zu erwarten ist. Von den 162 Informant: innen aus dem Süden des Sprachgebiets wäre also der Gebrauch onymischer Flexion prinzipiell möglich. Abb. 10.2: Regionale Verteilung auf die Regionen der Teilnehmer: innen an der ndl. Umfrage auf Basis von Postleitzahlen 326 <?page no="327"?> 10.1 „Vater & Sohn“-Aufgaben 10.1 „Vater & Sohn“-Aufgaben Wie in Abbildung 10.3 zusammengefasst wurde in den Comic-Aufgaben Flexion nur in sehr wenigen Fällen produziert. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um die Markierung des Genitivs (68a-68b) und nur einmal wurde im Akkusativ (68c) flektiert. An den Beispielen in (68) sehen wir, dass Dialektalität bzw. Mündlichkeit nur schwach produziert wurde. Es wäre demnach falsch, das Unterlassen von Flexion ad hoc als negative Evidenz zu interpretieren, da auch die Möglichkeit besteht, dass die produzierte Varietät nicht die gewünschte Zielvarietät ( = Dialekt) darstellt. Aufällig ist jedoch, dass der singuläre Beleg für Akkusativflexion von einem Sprecher aus dem südniederländischen Gebiet stammt, das als Kernzone der Eigennamenflexion identifiziert wurde. Wie wir (68c) entnehmen können, war dieser Informant zumindest bemüht, vom niederländischen Standard abzuweichen und dialektale Formen zu verschriftlichen. (68) a. De zwaan wil vaders pijp roken ‘Der Schwan will Vaters Pfeife rauchen’ (Informant: in aus Soest, Provinz Utrecht) b. Vader en zoon zijn de met vaders broek gevangen vis aan het roken ‘Vater und Sohn sind die mit Vaters Hose gefangenen Fische am kochen’ (Informant: in ohne PLZ) c. Vadder zat in unie bom en wô op het pers springe; ut pers verschôôt en begon te steigeren en goude vaders op de grond en rende weg ‘(…) und warf Vater auf den Boden (…)’ (Informant: in aus Veghel, Noord-Brabant) 327 <?page no="328"?> 10 Ergebnisse der Umfrage zu niederländischen Varietäten Abb. 10.3: Summe Flexion in den freien Antworten zu „Vater & Sohn“-Fragen in der niederländischen Umfrage 328 <?page no="329"?> 10.2 Lücken-Sätze 10.2 Lücken-Sätze Das generelle Bild aus den „Vater & Sohn“-Aufgaben setzt sich in den Lücken- Sätzen fort. Die überwiegenden Antworten sind auf Standardniederländisch und entsprechend selten tritt Flexion hier auf (vgl. Abbildung 10.1). Aber es gibt einige Kontexte, in denen die Objektkasus markiert werden. Im Folgenden wird das Gesamtdatenset, wie es Abbildung 10.1 zeigt, auf die Informant: innen reduziert, die mindestens in einem Kontext Akkusativ oder Dativ flektieren, um einen besseren Eindruck zu bekommen, wie stark welche syntaktischen und semantischen Faktoren die Flexion derer beeinflussen, die überhaupt Flexion produzieren. Die Rohdaten dieser 29 Informant: innen sind im Anhang (ab Seite 405) einsehbar. Insgesamt 25 der 29 Informant: innen geben eine PLZ an. Wie die Kartierung dieser 25 Datensets in Abbildung 10.5 zeigt, liegt das Zentrum der Flexion wie zu erwarten in den südlichen Dialekten, insbesondere Noord-Brabants. An der arealen Verteilung überrascht jedoch, dass sich vermehrt Belege in der Provinz Limburg finden, wo es bisher keine Hinweise auf onymische Flexion gab. Ist es etwa möglich, dass sich das Phänomen dort erst in den letzten Jahrzehnten in dieser Region (ggf. durch den Kontakt zu den Dialekten Noord-Brabants) entwickelt hat? Ebenfalls erstaunlich sind die singulären Belege für Flexion von Sprecher: innen nördlich der IJsel. Wir werden allerdings sehen, dass es sich hier nicht um Flexion handelt; das Raumbild in Abbildung 10.5 ist also nur ein vorläufiges. Von den 15 Informant: innen aus Belgien hat keine: r die flektierte Form verwendet. Das areale Gesamtbild erlaubt die Vermutung, dass sich die Flexion der südniederländischen Dialekten auch in den flämischen Varietäten fortsetzt. Mit Blick auf die einzelnen Kontexte wird eine klare Begünstigung von Flexion entlang der Belebtheitshierarchie deutlich (vgl. Abbildung 10.4): nativer männl. Rufname < nativer weibl. Rufname < nicht-nativer Rufname < Verwandtschaftsbezeichnung Die zwei Tiernamen werden nicht flektiert, auch nicht die abgefragten Lexeme für Nachbar und Nachbarin. Bei den nativen Rufnamen verhalten sich auf den ersten Blick männlicher (Jan) und weiblicher (Antje) Name nahezu identisch, während bei nicht-nativen Rufnamen (Noah 4, Amy 3, Mohammed 1) nicht nur eine Schwankung je nach referierendem Sexus, sondern auch je nach Popularität festzustellen ist. Verwandt- 329 <?page no="330"?> 10 Ergebnisse der Umfrage zu niederländischen Varietäten schaftsbezeichnungen, die bisher im Zentrum der vorliegenden Arbeit standen, flektieren nur selten. Wir werden sehen, dass nur vier der zehn Belege für Antje eine klare Flexion repräsentieren. So gesehen gibt es auch einen deutlichen Einfluss des Faktors Genus beziehungsweise, da bei Namen das Genus in der Regel durch den Sexus des Namenträgers bestimmt wird, des Faktors Sexus. Die Diskrepanz zwischen Rufnamen und Verwandtschaftsbezeichnung wird besonders aufällig im Vergleich der beiden Kontexte Ich wohnte mit Großvater (einmal flektiert) vs. Ich wohne bei Jan (elf mal flektiert). Was hier jedoch nach einem semantischen Effekt aussieht, ist vermutlich syntaktisch (mit)bedingt. In 16 Fällen wurde in den Satzbildungen aus den vorgegebenen Lexemen [ ik ] [ grootvader ] [ gewoond ] ein Pronomen gesetzt (69a), in zwei Belegen steht ein Definitartikel (69b), in nur vier Fällen ist das DEF-Feld unbesetzt (69c-69d) und in nur einem davon findet sich Flexion (69d).¹⁰⁸ Während die freien Bildungen aus der Vorgabe [ ik ] [ wonen ] [ bij Jan ] nur in einem Fall ein Pronomen (70a) verwenden und der Rufname in den übrigen 23 Belegen als Dativ im DEF-Feld steht (70b-70c). Von diesen 23 Belegen tritt in neun Fällen Flexion auf (70c). Die 14 Informant: innen, die hier keine Flexion benutzen, stammen alle aus nördlicheren Gebieten. Da bereits festgestellt werden konnte, dass ein besetztes DEF-Feld die Flexion am Eigennamen unterbinden kann, ist es sehr wahrscheinlich, dass die geringe Flexion an der Verwandtschaftsbezeichnung/ am Verwandtschaftsnamen ‘Großvater/ Opa’ hier durch die Setzung von Pronomen behindert wurde. Was exemplarisch für die beiden ‘wohnen bei’-Kontexte gezeigt wurde, lässt sich auf die übrigen Kontexte übertragen: Verwandtschaftsbezeichnungen stehen überwiegend mit einem Pronomen. (69) a. ik heb bij onzen opa gewoond ‘Ich habe bei unserem Opa gewohnt’ (Informant aus Limbricht, Limburg) b. ich hub bie der opa gewoont ‘Ich habe bei dem Opa gewohnt’ (Informantin aus Wittem, Limburg) 108 In weiteren 9 Belegen wurde der Satz anders als erwartet produziert; z.B. tritt ‘Großvater’ im Nominativ auf. 330 <?page no="331"?> 10.2 Lücken-Sätze c. ik heb bij opa gewoond ‘Ich habe bei Opa gewohnt’ (Informant aus Bergen op Zoom, Zeeland) d. Ik hè hier mè grootvaders gewoond ‘Ich habe hier mit Opa gewohnt’ (Informant: in ohne PLZ) (70) a. ik woon bij onze Jan ‘Ich wohne bei unserem Jan’ (Informant aus Limbricht, Limburg) b. Ik woen bai Jan ‘Ich wohne bei Jan’ (Informant aus Urk, Flevoland) c. Ik wôn bij Janne ‘Ich wohne bei Jan’ (Informant aus Bergen op Zoom, Zeeland) Der Mechanismus, Verwandtschaftsbezeichnungen mit einem Pronomen zu versehen, gibt Hinweise auf die Grammatik von Verwandtschaftsbezeichnungen. Diese sind weniger monoreferenziell als Rufnamen und inhärent weniger definit. Während man im Diskurs bestenfalls nur einen Jan und eine Antje kennt, auf die referiert wird, hat prinzipiell jede: r Sprecher: in mindestens eine Mutter, einen Vater und mehrere Großväter und Großmütter. Dies bringt uns zu dem Faktor Numerus, der für die Analyse der Daten zu [ de kinderen ] [ houden van ] [ grootmoeder ] ein Problem darstellt, da in den fünf Belegen, in denen eine -s-Suffigierung an oma steht, nicht vollends kontrolliert ist, ob hier nicht ein Plural (Standardniederländisch oma’s) gesetzt wurde. Die areale Verbreitung der suffigierten Formen spricht allerdings gegen die Pluralflexion, da diese im Kernbereich der onymischen Flexion areal gebunden im südlichen Noord-Brabant auftreten (vgl. Abbildung 10.6). Von diesem Ausreißerkontext abgesehen gibt es keinen erkennbaren Numeruseffekt in den Daten der niederländischen Befragung. Aber nicht bei allen Informant: innen blockiert ein besetztes DEF- oder X-Feld die Flexion. Zwei Informantinnen aus Limburg flektieren den Rufnamen Jan mit Definitartikel und Indefinitartikel (71). Eine dieser Informantinnen flektiert sogar 331 <?page no="332"?> 10 Ergebnisse der Umfrage zu niederländischen Varietäten bei besetztem DEF-Feld und X-Feld (71b). Sofern es die dünne Datenlage zulässt, darf spekuliert werden, ob die onymische Flexion der limburgischen Dialekte weniger syntaktisch restriktiv ist als die der Dialekte Südhollands und Noord- Brabants. In einem Beleg mit Pronomen aus Noord-Brabant (71e) ist schwer zu entscheiden, ob hier der Plural von ‘Großmutter’ vorliegt oder onymische Flexion (s.o.). (71) a. ich woan bie der¹⁰⁹ janne ‘Ich wohne bei dem Jan’ (Informantin aus Wittem, Limburg) b. Ich zee der schoune Janne dao ‘Ich sehe den schönen Jan da’ (Informantin aus Wittem, Limburg) c. Ich zee ginne Janne ‘Ich sehe keinen Jan’ (Informantin aus Wittem, Limburg) d. Ich zeen geine Janne ‘Ich sehe keinen Jan’ (Informantin aus Melick, Limburg) e. De kienders ouwe van zullie omas ‘Die Kinder lieben eure Oma(s)’ (Informant aus Rucphen, Noord-Brabant) Prinzipiell gestaltet sich das System der ‚starken‘ und ‚schwachen‘ Flexion im Material der 29 Informant: innen sehr stabil. Ein besonderer Fall liegt bei Flexionen des Rufnamens Antje vor. Dieser wird in mehr als der Hälfte der Belege untypisch stark flektiert (72a). Diese stark flektierten Formen sind vor allem in den nördlichen Varietäten zu finden, während die zu erwartende ‚schwache‘ Flexion (72b) auf die südlichen Varietäten beschränkt ist (vgl. Abbildung 10.7). Dies ist der einzige Kontext, in dem Flexion nördlich der IJsel auftritt. Eine Vermutung, die diese Struktur erklären könnte, wäre anzunehmen, dass die Diminution in Antje ( = An(na) DIM ) für Sprecher: innen aus dem Norden transparenter ist als aus 109 In den Limburger Dialekten von Heuvelland ist der die Form des standardniederländischen Artikels de (Weijnen & Goossens 1983: 41). 332 <?page no="333"?> 10.2 Lücken-Sätze dem Süden und die Flexion an den nicht-diminuierten Namenkörper, der eine ‚starke‘ Flexion verlangt, anschließt und die Diminution als Infix (nachträglich) eingefügt wird. Die zwei Analysemöglichkeiten wären also: An-(tj)-en vs. Antj-es. Dafür gibt es jedoch keinerlei Hinweise. Eine andere Möglichkeit wäre, dass in den Antjen-Belegen ein Flexionssystem vorherrscht, dass nicht zwischen ‚starker‘ und ‚schwacher‘ Flexion unterscheidet, wie dies in den meisten germanischen Sprachen vorliegt. Mit Blick auf die areale Verbreitung der vermeintlich ‚starken‘ Flexion im sonst so flexionsunfreudigen Norden wären allerdings beide Erklärungen sehr gewagt. Wahrscheinlicher ist, dass die Belege für Antjen lediglich regionale Diminutivsuffixe auf Nasal (-jen, vgl. dt. -chen; vgl. KNSA 2020: Karte M21) darstellen, die typisch sind für die Regionen, in denen Antjen-Formen auftreten. Es handelt sich also um eine regionale Form des Namens selbst, wie man sie auch noch in älteren Publikationen findet (vgl. 72c-72d), nicht aber um Flexionsbelege. Entsprechend findet sich das Diminutivsuffix -jen auch bei anderen Diminutiva in den Antworten der Informanten, die Antjen produzieren, wie in der Diminution von cadeautje ‘Geschenk’ als kadootjen (72e) (vgl. Abbildung 10.8). Mit dieser Feststellung fallen sechs Informant: innen aus dem Sample der 29 Datensätze flektierender Informant: innen heraus, so dass letzten Endes nur noch 23 Datensätze übrig bleiben, in denen Flexion vorliegt. Des Weiteren haben wir damit eine deutlich ungleiche Verteilung der Flexionsbelege bei den nativen Rufnamen im Faktor Sexus. Dies kann ein Effekt von Belebtheit sein. Möglich ist auch anzunehmen, dass das Diminutivum Antje Flexion verhindert. Das Sample der verbleibenden 23 Informant: innen entspricht nun auch weitestgehend dem für onymische Flexion bekannten Areal. Die einzige Abweichung gegenüber vorherigen Arbeiten ist die Existenz von Flexion in den limburgischen Dialekten (vgl. Abbidung 10.9). Die Untersuchung, ob hier ein jüngerer Wandel vorliegt oder Flexion bisher einfach noch nicht untersucht und beschrieben wurde und inwiefern die limburgische Flexion weniger stark durch syntaktische Faktoren beeinflusst ist, muss zukünftigen Arbeiten überlassen werden. 333 <?page no="334"?> 10 Ergebnisse der Umfrage zu niederländischen Varietäten (72) a. ik gao op bezeuk bie Antjen ‘Ich gehe Antje besuchen’ (Informantin aus Ruurlo, Gelderland) b. ik gan bij Antjes op de koffie ‘Ich gehe zu Antje Kaffetrinken’ (Informant aus Bergen op Zoom, Zeeland) c. Uit zijn huwelijk (9 Febr. 1837) met Antjen van Groningen zijn elf kinderen geboren ‘Aus seiner Ehe (9. Febr. 1837) mit Antje aus Groningen wurden (ihm) elf Kinder geboren.’ („Nieuw Nederlandsch biografisch woordenboek“ 1912: 936) d. Antjen van Tharau („Nederlandsch Museum 2“ 1875: 50) ‘Ännchen von Tharau’ e. ’k het ’n kadootjen van Amy ëhad ‘ich habe ein Geschenk DIM von Amy bekommen’ (Informantin aus Huizen, Noord-Holland) 334 <?page no="335"?> 10.2 Lücken-Sätze Kontext Flexion unerw. -en-Flexion keine Flexion Ich habe bei (meinem) Großvater gewohnt 1 0 607 Ich koche mit der Nachbarin 0 0 607 Ich gehe mit (meinem) Hund Freek spazieren 0 0 604 Ich erinnere mich an (meine) alte Großmutter 0 0 595 Die Tochter gleicht der Mutter 2 0 595 Sie erzählt alles (ihrer) Mutter 2 0 593 Ich helfe (meinem) Vater 0 0 598 Die Kinder lieben (ihre) Großmutter/ Oma(s) 5 0 450 Ich treffe Vater 2 0 453 Ich sehe keinen Jan 2 0 456 Ich gehe mit Mutter auf Reise 3 1 452 Ich bekomme einen Brief von Vater 0 0 400 Ich bin bei (meinem) Vater zu Hause 3 0 395 Er dankt seinem reichen Vater 0 0 398 Ich treffe den schönen Jan 6 0 398 Ich bekomme einen Brief von Fleur 0 0 418 Ich besuche Antje 6 4 414 Ich wohne bei Jan 11 0 416 Ich habe ein Geschenk von Amy bekommen 3 0 410 Ich esse bei Mohamed 0 1 415 Ich spreche mit (meinem) Nachbarn 0 0 417 Ich helfe (meiner) blinden Mutter 0 0 412 Der Vater mag Liam 0 0 413 Sie übernachtet bei Noah 4 0 407 Ich danke (unserem) Nachbarn 0 0 411 Tab. 10.1: Summe Flexion in den Lücken-Sätzen in der ndl. Umfrage 335 <?page no="336"?> 10 Ergebnisse der Umfrage zu niederländischen Varietäten Abb. 10.4: Summe Flexion der Lücken-Sätze in der ndl. Umfrage, prozentuale Verteilung (Auswahl auf Datensätze mit min. einem Flexionsbeleg) 336 <?page no="337"?> 10.2 Lücken-Sätze Abb. 10.5: Summe für vermeintliche Akkusativ-/ Dativ-Flexion in den Lücken- Sätze der ndl. Umfrage Abb. 10.6: Flexion von ‘Großmutter’ in Bildungen aus [ de kinderen ] [ houden van ] [ grootmoeder ] 337 <?page no="338"?> 10 Ergebnisse der Umfrage zu niederländischen Varietäten Abb. 10.7: Flexion von ‘Antje’ in Bildungen aus [ ik ] [ bezoek ] [ Antje ] Abb. 10.8: Diminutivsuffix von ‘cadeau’ in Bildungen aus [ een cadeautje ] [ van ] [ Amy ] 338 <?page no="339"?> 10.2 Lücken-Sätze Abb. 10.9: Summe für Akkusativ-/ Dativ-Flexion in den Lücken-Sätze der ndl. Umfrage 339 <?page no="340"?> 10 Ergebnisse der Umfrage zu niederländischen Varietäten 10.3 Alterseffekt (diastratische Variation) Bei den im Sample verbleibenden 23 Datensätzen findet sich ein Alterseffekt, der vom Gesamtsample verdeckt blieb. Bereits die Verteilung der Informant: innen in drei Altersgruppen (25-40-, 41-56- und 57-73-Jährige)¹¹⁰ in Abbildung 10.10 zeigt, dass Flexion vorzugsweise von der älteren Generation verwendet wird und nur drei Informant: innen aus der mittleren Altersgruppe und nur noch eine jüngere Informantin (39 jährig) flektieren. An sich spricht dies dafür, dass Flexion in der jüngeren Generation abgebaut wurde; es kann aber auch ein Methodeneffekt¹¹¹ mit hineinspielen. Trotzdem zeigt die Korrelationsanalyse zwischen Alter und Summe von Flexionsbelegen in den Lücken-Sätzen nur einen mittelstarken statistischen Effekt¹¹² dafür, dass Gewährspersonen der älteren Generation in der Umfrage auch häufiger flektieren als jüngere Sprecher: innen. Abb. 10.10: Alter der Teilnehmer: innen mit onymischer Flexion (ndl. Umfrage) 110 Dies bezieht sich auf Daten von 19 der 23 Gewährspersonen, die Angaben zum Alter hinterließen. Das Alter wurde auf Grundlage des ausgewählten Geburtsjahres ab dem 01. Januar berechnet. 111 Z.B. konnte nicht getestet werden, ob die Dialektverschriftlichung (am Computer) älteren Menschen leichter fällt als jüngeren. 112 Die Korrelationsanalyse Alter vs. Summe von Flexionsbelegen in den Lücken-Sätzen ergibt: Pearson’s r = 0.3164, Determinationskoeffizient R² = 0.1, p = .187, Kendall’s 𝜏 = 0.243, Spearman’s 𝜌 = 0.322. 340 <?page no="341"?> 10.4 Akzeptabilitätsurteile 10.4 Akzeptabilitätsurteile Insgesamt erlauben die Akzeptabilitätsurteile nur wenig tiefgreifende Aussagen. Von den 23 Interviews mit Eigennamenflexion in den Lücken-Sätzen beinhalten 15 Daten der Akzeptabilitätsaufgaben (vgl. Abbildung 10.11). Von diesen Sprecher: innen wird erwartet, dass sie die zu bewertenden Sätze mit (korrekter) Eigennamenflexion als nicht absolut unnatürlich bewerten, sofern diese Teil ihres Systems sind. Tatsächlich lässt sich in diesen Kontexten eine systematische Schwankung feststellen (vgl. Abbildung 10.12). Im Vergleich mit dem Gesamtsample (Abbildung 10.11) zeigt sich, dass die Reduzierung der Daten auf ein Sample der Informant: innen, die Flexion aktiv produzieren, sinnvoll ist, da diese in der Gesamtmasse sonst untergehen. Als besonders unproblematisch werden die flektierten Formen der maskulinen Rufnamen ohne Präposition bewertet. Flexionen des ‘Mutter’-Kontexts und Kontexte mit Rufnamen, die in eine PP eingebunden sind, stellen eher eine Grauzone dar, während flektierte (maskuline) Rufnamen im Genitiv und mit Negation von nur ca. 30% der Gewährspersonen als akzeptabel beurteilt werden. Die Hierarchie der Natürlichkeitseinschätzung gestaltet sich in den 15 Datensätzen wie folgt: einfache (mask.) Rufnamen < Verwandtschaftsbezeichnung < Rufnamen mit Präposition < Negation < ‚starke‘ Gen.-Flexion (Rufname) Von den Urteilen zur Flexion abgesehen liefern die Daten auch Beurteilungen zu drei Kontexten mit onymischem Artikel in den südniederländischen Varietäten, in denen Flexion belegt ist (vgl. Abbildungen 10.13 und 10.14). Dieser wird bei maskulinen Rufnamen zu 70-80% und bei der Verwandtschaftsbezeichnung ‘Großvater’ zu 50% abgelehnt. Wie bei den jiddischen Dialekten, die den onymischen Artikel nur bei Verwandtschaftsbezeichnungen akzeptieren, sind diese auch in den vorliegenden niederländischen Varietäten zugänglicher für den Artikel. Unter der Prämisse, dass der Artikel die Flexion verhindert, da dieser das DEF-Feld beansprucht, ist es an sich nicht überraschend, dass die flektierenden Varietäten den onymischen Artikel eher ablehnen. 341 <?page no="342"?> 10 Ergebnisse der Umfrage zu niederländischen Varietäten Abb. 10.11: Akzeptabilitätsurteile der ndl. Umfrage, prozentuale Verteilung 342 <?page no="343"?> 10.4 Akzeptabilitätsurteile Abb. 10.12: Akzeptabilitätsurteile der (korrekt) flektierten Formen, prozentuale Verteilung (reduziertes Sample) Abb. 10.13: Akzeptabilitätsurteile für den onymischen Artikel, prozentuale Verteilung (reduziertes Sample) 343 <?page no="344"?> 10 Ergebnisse der Umfrage zu niederländischen Varietäten Abb. 10.14: Regionale Ausbreitung der Akzeptabilitätsurteile für den onymischen Artikel (reduziertes Sample) 344 <?page no="345"?> 10.5 Zusammenfassung der Ergebnisse 10.5 Zusammenfassung der Ergebnisse Abschließend lassen sich aus der niederländischen Umfrage folgende Ergebnisse zusammenfassen: - Onymische Flexion ist in den gegenwärtigen Dialekten der Dialekte Noord- Brabants, Süd-Hollands, Zeelands und Limburgs noch vital, allerdings vorzugsweise bei Sprecher: innen der Generation 50 + zu finden. Insbesondere für die limburgischen Dialekte ist dies eine neue Erkenntnis. - Die Flexion ist stark durch syntaktische Faktoren bedingt und erfolgt i.d.R. nur, wenn der Name direkt im DEF-Feld stehen kann. Eine Ausnahme davon stellen ggf. die limburgischen Dialekte dar. - Insgesamt fällt das System der erhobenen Varietäten aus der Provinz Limburg deutlich aus dem der übrigen niederländischen Dialekte heraus, so dass in den niederländischen Dialekten mindestens zwei Systeme vorliegen (vgl. Tabelle 10.2). - Native Rufnamen sind zugänglicher für Flexion als nicht-native und als Verwandtschaftsbezeichnungen. - Es gibt eine Präferenz dafür, maskuline/ männliche Namen zu flektieren im Gegensatz zu femininen/ weiblichen. kein onymischer Artikel l (L) onymischer Artikel keine Flexion besetztes DEF-Feld l l l (L) Flexion besetztes DEF-Feld keine Flexion bei besetztem X-Feld ( l ) (L) Flexion bei besetztem X-Feld kein Genus-/ Sexuseffekt l Genus-/ Sexuseffekt kein Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) l Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) Suffix auch im Nom. l auf Akk./ Dat. beschränkt keine diastratische Variation l starke diastratische Variation keine diatopische Variation l starke diatopische Variation Flexion konsequent l Flexion inkonsequent Tab. 10.2: Systemtabelle zu Faktoren der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen im Akk./ Dat. Sg. in den niederländischen Dialekten auf Grundlage der Onlineumfrage; (L) = limburgischen Dialekte 345 <?page no="347"?> 11 Ergebnisse der Umfrage zu den oberdeutschen Varietäten Aus der im ostoberdeutschen Raum verbreiteten Umfrage gehen 191 verwendbare Datensätze und 50 Datensätze aus der Schweizer Umfrage hervor. Die Methode der „Vater & Sohn“-Aufgaben hat bei den beiden Umfragen zu oberdeutschen Varietäten deutlich häufiger die gewünschte Zielkonstruktion ergeben als bei der niederländischen Befragung.¹¹³ Das Antwortverhalten unterscheidet sich allerdings deutlich zwischen Schweizer und deutschen/ österreichischen Informant: innen. Während die deutschen und österreichischen Informant: innen die Umfrage vorzeitig abbrechen, wie dies auch bei der niederländischen Umfrage häufig der Fall war, führen 49 der 50 Schweizer Informant: innen, die die Umfrage beginnen, diese auch konsequent zu Ende, ohne Antwortfelder leer zu lassen. Letzten Endes liefern die beiden Umfragen damit etwa dieselbe Menge an zum Auswerten geeigneten Daten. Da die Umfragen nicht primär die areale Verbreitung onymischer Flexion erheben sollte, sondern offene Fragen zu ihrer Struktur in den verschiedenen Varietäten, ist es sinnvoll, das Sample wiederum auf die Datensätze zu reduzieren, die mindestens in einem Kontext Flexion verwenden, was bereits beim niederländischen Sample zu einer klareren Sicht auf die Daten geführt hat. Die 191 Datensätze der ostoberdeutschen Befragung reduzieren sich so auf 17 Datensätze. Die Analyse der alemannischen Ergebung bezieht sich weiterhin auf das vollständige Sample der 50 Informant: innen, da hier neben der Flexion auch allgemeine Fragen zur Lexik und Morphologie (Diminution) diskutiert werden müssen. Klare -n-Flexion findet sich hier aber in nur vier Fällen. Das Ortsnetz des Schweizer Samples deckt - wie gewünscht - ausschließlich Varietäten des Kantons Bern ab. Die einzelnen Informant: innen stammen aus unterschiedlichen Regionen, so dass sowohl Sprecher: innen aus dem Oberland, Mit- 113 Vier Schweizer Informant: innen fühlten sich an den Schweizer „Papa Moll“-Comic erinnert und produzierten anstelle von ‘Vater’ entsprechend Papa Moll. <?page no="348"?> 11 Ergebnisse der Umfrage zu den oberdeutschen Varietäten telland (inkl. Stadt Bern) und auch in wenigen Fällen aus Oberaargau-Emmental und Seeland teilgenommen haben. Wie die Kartierung in Abbildung 11.1 zeigt, haben wir in diesem Sample an einigen Orten mehr als eine: n Informant: in pro PLZ- Gebiet. Überrepräsentiert in dem Sample sind die Orte Bern (mit sechs Fragebögen) und die Gemeinde Schattenhalb im Verwaltungskreis Interlaken-Oberhasli (mit elf Fragebögen). Insgesamt geben 32 Personen (64%) eine PLZ aus dem Bezirk Oberland an, wo sich in älteren Quellen noch onymische Flexion finden lässt. Von den 32 Oberländern kommen wiederum 21 aus dem südöstlichsten Verwaltungskreis Interlaken-Oberhasli, sechs aus dem Kreis Thun, vier aus Frutingen- Niedersimmental und einer aus Obersimmental-Saanen. Ein Informant ist leider keinem Ort im Kanton Bern zuzuordnen, weil er eine PLZ im Kanton Zürich (Hittnau) angegeben hat, obwohl er eine Berner Varietät produziert. Den Informanten dennoch im Sample zu belassen, ist insofern sinnvoll, da dieser zumindest einen Beleg für onymische Flexion liefert. Auf Grundlage der Eigenbezeichnung des Dialekts als „Berndeutsch“ und phonologischer Besonderheiten¹¹⁴ der Berner Dialekte dürfen wir annehmen, dass der Sprecher einen solchen Dialekt verschriftlicht hat und keinen Hittnauer Dialekt. Verschiedene Strukturen, darunter u.a. die Verwendung onymischer Flexion, sprechen dafür anzunehmen, dass der Sprecher eine Oberländer Varietät spricht; andere Strukturen (nd-Velarisierung) sprechen wiederum gegen diese Annahme. Da eine genaue Lokalisierung nicht möglich ist, erscheinen die Daten zu diesem Informanten in den nachfolgenden Karten am einzigen sicheren Referenzpunkt Hittnau, was zur Folge hat, dass sich das Raumbild der Karten nicht generalisieren lässt, sondern an das Sample gebunden ist. Die Rohdaten zur Schweizer Umfrage befinden sich im Anhang ab Seite 419. 114 Als solche Charakteristika gelten insbesondere die nd-Velarisierung (fehlt im Berner Oberland) in Seehüng ‘Seehunde’ und die Form der 1. Sg. Präs. auf -en in I chochen ‘ich koche’, I däichen ‘ich denke’ und I hilfen ‘ich helfe’, wie sie im Oberland vereinzelt auftritt; ebenfalls fehlt beim Informant mit Hittnauer PLZ die l-Vokalisierung, , die typisch für viele Berner Dialekte mit Ausnahme des Oberlands ist, z.B. in vrzelld ‘erzählt’ vs. verzeut bei einem Informanten aus Kehrsatz im Mittelland. 348 <?page no="349"?> Abb. 11.1: Ortsnetz der Schweizer Umfrage (angegebene PLZ) 349 <?page no="350"?> 11 Ergebnisse der Umfrage zu den oberdeutschen Varietäten 11.1 Ergebnisse zu den alemannischen Dialekten Insgesamt finden sich in den Daten der Schweizer Umfrage lediglich vier Fälle von -n-Bildungen (73). Diese treten bei drei Informanten und einer Informantin singulär und ausschließlich an maskulinen Verwandtschaftsbezeichnungen (‘Vater’ und einmal ‘Großvater’) auf. Das Raumbild in Abbildung 11.2 bestätigt - wenn auch durch den Informanten mit Hittnauer PLZ gestört -, dass Flexion auf den Oberländer Raum begrenzt ist, und zeigt, dass diese bei gegenwärtigen Sprecher: innen noch immer rudimentär vorhanden ist. Ein Alterseffekt ist in den Daten nicht eindeutig zu erkennen. Die jüngste Gewährsperson ist in ihrem 35., die älteste in ihrem 66. Lebensjahr. Generell haben wir aber eine ungleichmäßige Altersverteilung und deutlich mehr Informant: innen mittleren Alters als jüngere und ältere (vgl. Abbildung 11.3). Da festzustellen ist, dass die meisten Informant: innen, selbst aus dem Oberland, keine Flexion verwenden und in Anbetracht der Umstände, dass die wenigen Flexionsbelege singulär und parallel zu unflektierten Formen auftreten, lässt sich schlussfolgern, dass in den erhobenen Varietäten Flexion extrem instabil ist. Ebenfalls ist die Flexion nur noch an das Lexem Att (bzw. die Diminutivform Ätte) gebunden. Über mögliche syntaktische Bedingungen lässt sich aufgrund der dünnen Datenlage wenig sagen (11.4).¹¹⁵ In allen vier Belegen mit Flexion ist das X-Feld leer (73). In einem Beleg (73d) liegt ein klitisiertes Definitum vor, d.h. der Eigenname steht nicht im DEF-Feld, sondern in NOM. In den drei Belegen mit Flexion an Att ‘Vater’ ist der Definitartikel an den Namenkörper klitisiert (73a-73c). Die Frage ist hier, wie transparent der klitisierte Artikel noch ist. Laut dem Schweizerischen Idiotikon ist bei Formen mit anlautendem Dental + r (Drätti, Trätti) der Artikel „ [ u ] nzweifelhaft vorgesetzt und dann versteinert festgewachsen“ (Staub et al. 1883: 585), während bei Formen ohne Liquid (Dätti, Tätti) eine Reduplizierung vorliegt. Da die Formen mit Liquid - genauso wie jene ohne --auch als Vokativform bzw. mit Pronomen auftritt, wird davon ausgehen, dass der klitisierte Artikel nicht mehr transparent ist (Staub et al. 1883: 585); möglicherweise gibt es aber kleinräumig bzw. idiosynkratisch Fälle, in denen die Klitisierung wieder er- 115 Im Nachhinein wird deutlich, das der Fragebogen mehr unterschiedliche Kontexte mit (Groß-)Vater hätte beinhalten müssen. 350 <?page no="351"?> 11.1 Ergebnisse zu den alemannischen Dialekten kennbar bzw. (noch) nicht intransparent ist. Der Vergleich mit den Umfragedaten für Att ‘Vater’ in den Antworten der vier Informant: innen zeigt, dass neben der klitisierten Form auch die nicht klitisierte Form und die Variante mit Klitikum niemals gemeinsam mit einem In-/ Definitum bzw. besetztem X-Feld *miin Drätti ‘mein (der)-Vater’, *alti Drätti ‘alter (der)-Vater’ auftritt. Mit Blick auf Belege mit klitisiertem Definitum am Verb wie in (73a-73b) ist allerdings anzunehmen, dass der Artikel nicht mehr vollends transparent ist. Ähnliche Formen finden sich bereits in Stalder (1819) (73e). Inwiefern nun aber die Klitisierung mit der Flexion interagiert, z.B. in Form eines Zirkumfixes für Definitheit, ähnlich der doppelten Artikelformen in den skandinavischen Sprachen, sei an dieser Stelle als eine mögliche Option dahingestellt. Keinen Beleg gibt es für Flexion mit Pronomen oder anderen definiten Elementen außer dem Definitartikel. (73) a. I hilfen Drättin ‘Ich helfe(-dem) (dem-)Vater’ (Informant aus Diemtigen, Geburtsjahr 1977) b. I hilfen Trättin ‘Ich helfe(-dem) (dem-)Vater’ (Informant mit PLZ im Kanton Zürich, Geburtsjahr 1962) c. Äs wirft tratten ab und seckled dervun ‘Es wirft (den-)Vater ab und springt davon’ (Informantin aus der Gemeinde Schattenhalb, Geburtsjahr 1954) d. I ferien hani bin grosatten gwohnd ‘in (den) Ferien habe-ich bei-dem Großvater gewohnt’ (Informant aus Innertkirchen, Geburtsjahr 1985) e. zu mym Drätti ga ‘zu meinem (den-)Vater gehen’ (Langnau, Stalder 1819: 278 ) Drei Belege stehen im Dativ und einer im Akkusativ, der sonst synkretisch mit dem Nominativ ist. In Nominativ-Kontexten findet sich in den Daten der Umfrage keine Flexion. Zwei der vier Belege für Flexion sind Diminutivformen (73a-73b). Die Umfragedaten bestätigen das aus dem SADS und Stalder (1819) gewonnene Bild, dass Flexion nicht in den westlichen Dialekten des Oberlands üblich ist (vgl. 351 <?page no="352"?> 11 Ergebnisse der Umfrage zu den oberdeutschen Varietäten Abbildung 11.5). Die Diminution interagiert jedoch nicht eindeutig mit Flexion oder Kasus, sondern scheint vielmehr eine freie Variation der östlichen Dialekte gegenüber der nicht-diminuierten Form zu sein. Das System der onymischen Flexion im Berner Oberland, das sich aus den wenigen Daten der Umfrage modellieren lässt (Tabelle 11.1), zeigt einige deutlichere Tendenzen als das System der Daten des 19. und 20. Jahrhunderts (vgl. Tabelle 7.8, S. 280). Klarer tritt nun der Faktor Genus bzw. die Beschränkung von Flexion auf das Lexem Att hervor. Nicht bestätigt werden konnte die Verwendung von -n-Bildungen im Nominativ. Der Akkusativ scheint bei der onymischen Flexion weiterhin distinkt vom Nominativ zu sein. Eine leichte Tendenz (drei von vier Belegen) zeigt sich bei der Verwendung von Flexion im Dativ. Diese Ergebnisse müssen vor dem Hintergrund der dünnen Datenlage allerdings als vorläufig gelten. Weiterhin keine Aussage ist möglich zur Interaktion von X-Feldbesetzung und Flexion. Dass im gesichteten Material zu den alemannischen Dialekten kein einziger Beleg mit besetztem X-Feld und gleichzeitiger Flexion gefunden werden konnte, kann Zufall sein, möglicherweise aber auch ein Hinweis darauf, dass X-Feldbesetzung in der Umfrage die Flexion unterbindet, wie in den niederländischen und friesischen Varietäten. Trotz der wenigen absoluten Belege für Flexion in der Schweizer Umfrage liegt der prozentuale Wert im direkten Vergleich mit der parallelen Erhebung in den Niederlanden und im ostoberdeutschen Raum. Die drei Informantengruppen unterscheiden sich allerdings deutlich in ihren Systemen. 352 <?page no="353"?> 11.1 Ergebnisse zu den alemannischen Dialekten kein onymischer Artikel * l onymischer Artikel keine Flexion besetztes DEF-Feld l Flexion besetztes DEF-Feld Flexion mit reduziertem Artikel * l Flexion mit Artikel Vollform keine Flexion bei besetztem X-Feld (? ) (? ) (? ) (? ) Flexion bei besetztem X-Feld kein Genuseffekt l Genuseffekt kein Kasuseffekt l Kasuseffekt Suffix auch im Nom. l auf Dat./ Akk. beschränkt keine diastratische Variation l starke diastratische Variation keine diatopische Variation l starke diatopische Variation Flexion konsequent l Flexion inkonsequent Tab. 11.1: Systemtabelle zu Faktoren der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen im Akk./ Dat. Sg. in den Dialekten des Berner Oberlands auf Grundlage der Onlineumfrage; * der onymische Artikel erscheint selten bei Flexion am Ruf- und Nachnamen, ist aber bei Verwandtschaftsbezeichnungen üblich; (? ) aussagekräftige Daten fehlen Abb. 11.2: Summe Flexion in der Schweizer Umfrage (angegebene PLZ) 353 <?page no="354"?> 11 Ergebnisse der Umfrage zu den oberdeutschen Varietäten Abb. 11.3: Alter der Teilnehmer: innen mit onymischer Flexion in der Schweizer Umfrage Abb. 11.4: Belege mit ‘(Groß-)Vater’ in den Antworten der Informant: innen mit Relikten onymischer Flexion 354 <?page no="355"?> 11.1 Ergebnisse zu den alemannischen Dialekten Abb. 11.5: Diminution an ‘Großvater’ in der Schweizer Umfrage Abb. 11.6: Summe Flexion der „Vater & Sohn“-Aufgaben in der Schweizer Umfrage 355 <?page no="356"?> 11 Ergebnisse der Umfrage zu den oberdeutschen Varietäten Abb. 11.7: Summe Flexion der Lücken-Sätze in der Schweizer Umfrage 356 <?page no="357"?> 11.2 Ergebnisse zu den ostoberdeutschen Dialekten 11.2 Ergebnisse zu den ostoberdeutschen Dialekten Von 17 der 191 Teilnehmer: innen der ostoberdeutschen Umfrage findet sich onymische Flexion an den Verwandtschaftsbezeichnungen ‘Vater’, ‘Großvater’, ‘Mutter’ und/ oder ‘Großmutter’. Das untersuchte Sample wird, wie bei den beiden anderen Umfragen auch, auf die Daten der 17 Sprecher: innen reduziert. 15 Datensätze liefern Hintergrundinformationen zu den Probanden (PLZ, Alter, Geschlecht). Die im Folgenden analysierten Daten finden sich im Anhang ab S. 429. Wie die Kartierung der Anzahl der Kontexte, in denen Flexion auftritt, zeigt (Abbildung 11.8), ist Flexion in denselben Räumen vital, in denen sie im 19. und 20. Jahrhundert üblich war (s.o. ab S. 248). Auch die in Abschnitt 7.3 identifizierte Kernzone für Flexion in Niederbayern und der Oberpfalz findet sich in diesem kleinen Sample bestätigt, während Informant: innen aus Oberbayern, wo in den Daten der BayDat Flexion besonders rückläufig ist, keine Flexion mehr verwenden. Vier Informant: innen geben die PLZ des niederösterreichischen Waidhofen an der Thaya an. Davon abgesehen repräsentiert jeder Ortspunkt jeweils einen Fragebogen. Auch gibt es neben Waidhofen a.d.T. keine weiteren österreichischen Ortspunkte. Die vier niederösterreichischen Datenpunkte können aber zumindest als Hinweis gelten, dass sich die Flexion der Varietäten Bayerns auch in den deutschen Varietäten Österreichs (und bis 1945 in den deutschen Varietäten im heutigen Tschechien) fortsetzt(e). Bei drei bairische Informant: innen flektieren die weiblichen Verwandtschaftsbezeichnungen ‘Großmutter’ und ‘Mutter’; hierin unterscheiden sich die Daten der bairischen Umfrage von denen der Schweizer Umfrage. Dennoch gibt es aber noch immer ein starkes Übergewicht bei der Flexion von ‘(Groß-)Vater’. Flexion der weiblichen Verwandtschaftsbezeichnungen zeigen zwei Sprecher: innen mit einer PLZ im nord-östlichen Nordbairisch und eine Informantin aus dem niederbayrischen Deggendorf, die in insgesamt fünf Fällen flektiert, weist Flexion von ‘(Groß-)Mutter’ in allen drei möglichen Kontexten auf (vgl. Abbildung 11.9). Auch damit entspricht das (sehr grobe) Raumbild der Onlinebefragung den Kernzonen für Substantivflexion an weiblichen Verwandtschaftsbezeichnungen in den Daten der BayDat. 357 <?page no="358"?> 11 Ergebnisse der Umfrage zu den oberdeutschen Varietäten Abb. 11.8: Summe Flexion in der ostoberdeutschen Umfrage Abb. 11.9: Summe Flexion von ‘(Groß-)Mutter’ in der ostoberdeutschen Umfrage 358 <?page no="359"?> 11.2 Ergebnisse zu den ostoberdeutschen Dialekten Abb. 11.10: Alter der Teilnehmer: innen mit onymischer Flexion in der ostoberdt. Umfrage Die Altersspanne der Informant: innen mit Flexion erstreckt sich von 17 bis 62 (vgl. Abbildung 11.10). Die älteste Informantin ist auch die Gewährsperson mit den meisten flektierenden Kontexten. Ein Korrelationstest zwischen Alter und Summe an Flexionsbelegen ergab allerdings keinen signifikant aussagekräftigen statistischen Effekt¹¹⁶ Syntaktische Beschränkungen für Flexion, wie DEF- oder X-Feldbesetzung, sind in den Daten der ostoberdt. Umfrage nicht zu erkennen (74) (vgl. Abbildung 11.11). Damit lässt sich das lückenhafte Bild der BayDat-Auswertung (vgl. Tabelle 7.9, S. 280). um den Faktor X-Feldbesetzung ergänzen (Tabelle 11.2). (74) a. ich mou meim Vodarn helfn ‘Ich muss meinem Vater helfen’ (Informantin aus Tirschenreuth, Oberpfalz) b. I deng an de oid Großmudern ‘Ich erinnere mich an die alte Großmutter’ (Informantin aus Deggendorf, Niederbayern) 116 Die Korrelationsanalyse zwischen Alter und Summe von Flexionsbelegen in der ostobd. Umfrage ergibt eine Kovarianz = 2.417, Pearson’s r = 0.173 (kleiner Effekt), Determinationskoeffizient R² = 0.03 (kleiner Effekt), p = 0.573, Kendall’s 𝜏 = -0.063 (kein Effekt), Spearman’s 𝜌 = -0.069 (kein Effekt). 359 <?page no="360"?> 11 Ergebnisse der Umfrage zu den oberdeutschen Varietäten Ein deutlicher Effekt findet sich allerdings mit Bezug zu Kasus. Anteilsmäßig überwiegen sichtbar deutlich Flexionsbelege im Dativ, insbesondere im possessiven Dativ, während im Akkusativ deutlich seltener flektiert wird (vgl. Abbildung 11.12). Im Nominativ findet sich kein Beleg für -n-Bildungen. Die Bedingungen Akkusativ vs. Dativ (exklusive poss. Dat.) auf die Eigenschaft [ ±Flexion ] zeigt eine statistische Signifikanz mit schwacher Effektstärke (p < 0.05, 𝜒 2 = 3.84, Cramer’s-V- = 0.224), die stärker wird, wenn man die Dativwerte um die Werte zum possessiven Dativ ergänzt (p < 0.0013, 𝜒 2 = 10.36, Cramer’s-V- = 0.33). Die Probanden der ostoberdt. Umfrage flektieren entsprechend vor allem männliche Verwandtschaftsbezeichnungen im Dativ, ungeachtet syntaktischer Faktoren. Im diachronen Vergleich gestaltet sich die Flexion im Rahmen der Umfrage als relativ instabil; in den einzelnen sprachlichen Systemen findet sich nur ein: e Sprecher: in, die konsequent die Verwandtschaftsbezeichnungen flektiert. kein onymischer Artikel l l onymischer Artikel keine Flexion besetztes DEF-Feld l Flexion besetztes DEF-Feld Flexion mit reduziertem Artikel* l Flexion mit Artikel Vollform keine Flexion bei besetztem X-Feld l Flexion bei besetztem X-Feld kein Genuseffekt l Genuseffekt kein Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) l Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) Suffix auch im Nom. l auf Akk./ Dat. beschränkt keine diastratische Variation l starke diastratische Variation keine diatopische Variation l starke diatopische Variation Flexion konsequent l Flexion inkonsequent Tab. 11.2: Systemtabelle zu Faktoren der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen im Akk./ Dat. Sg. in den nord- und mittelbairischen Dialekten auf Basis der ostobd. Umfrage; * inkl. Klitika 360 <?page no="361"?> 11.2 Ergebnisse zu den ostoberdeutschen Dialekten Abb. 11.11: Syntaktische Kontexte onymischer Flexion in der ostoberdt. Umfrage Abb. 11.12: Interaktion von Kasus und Flexion in der ostoberdt. Umfrage 361 <?page no="363"?> Teil IV Fazit und Ausblick <?page no="365"?> 12 Diskussion Die vorliegenden Analysen konnten zeigen, dass sich die einzelnen Systeme onymischer Flexion in Akkusativ- und Dativ-Kontexten, insbesondere von Verwandtschaftsbezeichnungen, in den untersuchten Varietäten zwar formseitig ähneln, sich im Detail aber deutlich unterscheiden. Diese Unterschiede betreffen syntaktische Bedingungen, semantische Effekte und berühren auch rein kasusmorphologische Bereiche. Faktoren variieren in ihrem Einfluss von Varietät zu Varietät. Die paradigmatischen Überdifferenzierungen, die (hochbelebte) Eigennamen in den jiddischen, bairischen, hochalemannischen, niederländischen und friesischen Dialekten gegenüber übrigen Substantiva aufweisen, ließen sich als funktional motiviert (Belebtheit, Definitheit) analysieren. So sind nicht nur formseitig, sondern auch funktionsseitig Ähnlichkeiten festzustellen, die auf übergeordnete systemische Gruppen hindeuten. So bestehen zum Beispiel sehr ähnliche syntaktische Beschränkungen in den niederländischen und nordfriesischen Dialekten, die wiederum Ähnlichkeiten mit Beschränkungen des suffigierten Artikels in den skandinavischen Sprachen haben. Die (ober- )deutschen und jiddischen Varietäten ähneln sich insofern, dass sie diese Beschränkungen nicht oder zumindest nicht in derselben Konsequenz aufweisen. Entscheidender für die niederländischen und nordfriesischen Dialekte ist, ob das DEF-Feld generell besetzt ist oder nicht. Für die (ober-)deutschen und jiddischen Varietäten spielt die Besetzung dieser Position eine geringere Rolle. Im Folgenden sind nochmals die einzelnen Systemtabellen zu den Daten des 19. und 20. Jahrhunderts der Übersichtlichkeit und des Vergleichs halber zusammengetragen. Der Systemvergleich zeigt, dass in jeder Varietät unterschiedliche Faktoren eine wichtigere Rolle spielen. Wir sehen aber auch gemeinsame Mechanismen und Strukturen. In allen untersuchten Varietäten erscheint -(e)n bzw. -e nicht als ausschließliche obligatorische Kasusmarkierung, sondern ist vor allem bedingt durch Faktoren der Definit- und Belebtheit. Während in den Hochdeutsch basierenden Dialekten (inkl. Jiddisch) Eigennamenflexion vor allem stark durch Genus (= Belebtheit) motiviert ist, ist sie in den niederländischen und nord- <?page no="366"?> 12 Diskussion friesischen Dialekten syntaktischen Bedingungen des klitischen Definitartikels in nordgermanischen Sprachen ähnlich und damit stärker durch Faktoren von Definitheit bedingt. Der onymische Artikel zumindest hat in allen Varietäten keinen unmittelbaren Einfluss auf die Eigennamenflexion der Verwandtschaftsbezeichnungen; dennoch sind abgesehen von den bairischen Varietäten, überall Interaktionen mit Flexion und der Besetzung des DEF-Felds festzustellen. Insgesamt ist das Phänomen in den modernen Dialekten empirisch schwer zu greifen, so dass oft nur auf Basis kleiner Belegzahlen argumentiert werden kann. Die schwache Präsenz von onymischer Flexion in den erhobenen Daten kann entweder damit zusammenhängen, dass Flexion von allen modernen germanischen Standardsprachen aufgegeben wurde, die schriftlichen Quellen aber mit der in der Schriftlichkeit dominierenden Standardnorm interagieren oder aber auch damit, dass onymische Flexion als DOM nicht obligatorisch und damit an sich niedrigfrequent ist. Die Feststellung, dass Eigennamenflexion in allen untersuchten kontinentalwestgermanischen Dialekten fakultativ ist und multifaktoriell von verschiedenen semantischen, pragmatischen, morphologischen und syntaktischen Faktoren gesteuert wird, könnte bereits eine Erklärung dafür sein, warum diese nur in die wenigsten Standardsprachen aufgenommen wurde. Standardsprachen wollen so wenig Zusatzannahmen und Variation wie möglich zulassen. Das liegt zum einen in der präskriptiven Natur der (europäischen) Standardsprachen, zum anderen aber auch an dem Anspruch, als Zweitsprache erwerbbar zu sein. Fakultativität lässt sich damit nur schwer vereinbaren. Jiddisch, als einzige germanische Standardsprache, die Eigennamenflexion integriert hat, tat dies mit absoluter Konsequenz und hat damit zwar die Form der onymischen Flexion erhalten, nicht aber ihre Funktionen als semantische und pragmatische feine Markierung einer DOM. 366 <?page no="367"?> kein onymischer Artikel * l onymischer Artikel keine Flexion besetztes DEF-Feld l Flexion besetztes DEF-Feld Flexion mit reduziertem Artikel* l Flexion mit Artikel Vollform* keine Flexion bei besetztem X-Feld ( l ) Flexion bei besetztem X-Feld kein Genuseffekt l Genuseffekt kein Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) l Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) keine Flexion mit PDM l Flexion mit PDM Suffix auch im NOM l auf Akk./ Dat. beschränkt keine diatopische Variation l starke diatopische Variation Flexion konsequent l Flexion inkonsequent Tab. 12.1: Systemtabelle zu Faktoren der onym. Flexion im Akk./ Dat. Sg. in den jid. Dialekten; * onym. Artikel nur bei Verwandtschaftsbezeichnungen; nicht bei EN kein onymischer Artikel * l onymischer Artikel keine Flexion besetztes DEF-Feld l Flexion besetztes DEF-Feld Flexion mit reduziertem Artikel * l Flexion mit Artikel Vollform keine Flexion bei besetztem X-Feld (? ) (? ) (? ) (? ) Flexion bei besetztem X-Feld kein Genuseffekt l Genuseffekt kein Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) l Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) Suffix auch im Nom. l auf Dat./ Akk. beschränkt keine diatopische Variation l starke diatopische Variation Flexion konsequent l Flexion inkonsequent Tab. 12.2: Systemtabelle zu Faktoren der onym. Flexion im Akk./ Dat. Sg. in den aleman. Dialekten des Berner Oberlands; * der onym. Artikel erscheint nur selten bei EN, üblich bei Verwandtschaftsbezeichnungen; (? ) aussagekräftige Daten fehlen kein onymischer Artikel l onymischer Artikel keine Flexion besetztes DEF-Feld l Flexion besetztes DEF-Feld Flexion mit reduziertem Artikel * l Flexion mit Artikel Vollform keine Flexion bei besetztem X-Feld (? ) (? ) (? ) (? ) Flexion bei besetztem X-Feld kein Genuseffekt l Genuseffekt kein Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) l Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) Flexion mit PDM l keine Flexion mit PDM Suffix auch im Nom. l auf Akk./ Dat. beschränkt keine diatopische Variation l starke diatopische Variation Flexion konsequent l Flexion inkonsequent Tab. 12.3: Systemtabelle zu Faktoren der onym. Flexion im Akk./ Dat. Sg. in den nord- und mittelbair. Dialekten; * inkl. Klitika; (? ) aussagekräftige Daten fehlen 367 <?page no="368"?> 12 Diskussion kein onymischer Artikel l (L) onymischer Artikel keine Flexion besetztes DEF-Feld l l (L) Flexion besetztes DEF-Feld keine Flexion bei besetztem X-Feld ( l ) (L) Flexion bei besetztem X-Feld kein Genuseffekt l Genuseffekt kein Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) l Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) Suffix auch im Nom. l auf Akk./ Dat. beschränkt keine diatopische Variation l starke diatopische Variation Flexion konsequent l Flexion inkonsequent Tab. 12.4: Systemtabelle zu Faktoren der onym. Flexion im Akk./ Dat. Sg. in den ndl. Dialekten; (L) = moderne limburgische Dialekte kein onymischer Artikel l onymischer Artikel keine Flexion besetztes DEF-Feld l Flexion besetztes DEF-Feld keine Flexion bei besetztem X-Feld l Flexion bei besetztem X-Feld kein Genuseffekt ( l ) Genuseffekt kein Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) l Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) Suffix auch im Nom. l auf Akk./ Dat. beschränkt keine diatopische Variation l starke diatopische Variation Flexion konsequent l Flexion inkonsequent Tab. 12.5: Systemtabelle zu Faktoren der onym. Flexion im Akk./ Dat. Sg. in den nordfries. Dialekten (basierend auf M. M. Nissen und J. F. Hoekstra 2001) kein onymischer Artikel l onymischer Artikel keine Flexion besetztes DEF-Feld ( l ) Flexion besetztes DEF-Feld keine Flexion bei besetztem X-Feld l Flexion bei besetztem X-Feld kein Genuseffekt ( l ) Genuseffekt kein Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) ( l ) Kasuseffekt (Akk. vs. Dat.) Suffix auch im Nom. l auf Akk./ Dat. beschränkt Flexion inkonsequent l Flexion konsequent Tab. 12.6: Systemtabelle zu Faktoren der onym. Flexion im Akk./ Dat. Sg. im Sauerländer Dialekt bei F. W. Grimme 368 <?page no="369"?> 12.1 Interaktion von Flexion und Syntax 12.1 Interaktion von Flexion und Syntax Namen sind die einzigen Substantiva, die inhärent definit sind. In dieser Eigenschaft weisen sie, wie gezeigt werden konnte, sowohl morphologisch als auch syntaktisch besondere Strukturen auf. Die onymische Flexion in den westgermanischen Dialekten ist ein solcher Sonderfall. Interaktionen zwischen Eigennamenflexion und Syntax finden sich in den untersuchten Dialekten vor allem bezüglich der inhärenten Definitheit von Eigennamen. In den niederländischen und einigen nordfriesischen Dialekten werden Eigennamen nur flektiert, wenn sie in der DEF-Position stehen. Sobald das X-Feld besetzt ist, ist die Flexion blockiert. Flexion erscheint hier also nur, sofern der Eigenname im DEF-Feld steht. Diese Beschränkungen lassen sich mittels einfacher Regeln beschreiben: R1: Eine NP, die nur aus (einem) Eigenname(n) besteht, ist inhärent definit und steht im DEF-Feld: NP -> [EN] & N-def. (Ich sehe Mutter-n) R2: Bei einer NP aus Eigenname(n) und (In-)Definitum steht der Eigenname im NOM-Feld, das (In-)Definitum im DEF-Feld: NP -> [D, EN] & D-def < EN. (Ich sehe die Mutter) R3: Bei einer NP aus Eigename(n) und Adjektiv steht der Eigenname in NOM, das Adjektiv im X-Feld und ein (In-)Definitum besetzt obligatorisch das DEF-Feld: NP -> [A, EN] & D-def < A < EN. (Ich sehe die alte Mutter) Eine Zusatzannahme zu R2 findet sich in festlandskandinavischen Sprachen, wo bei klitisiertem Artikel auch der Eigenname in DEF steht. In Fällen von doppelter Definitheitsmarkierung (pränominaler + suffigierter Artikel, z.B. in 13d, S. 37) ist anzunehmen, dass das NOM-Feld auch Definitheitsmerkmale aus dem DEF-Feld wiederaufnehmen kann. Definitheitsmarkierung in NOM kann aber anscheinend nur stattfinden, wenn diese bereits in DEF gegeben ist. Gleiches gilt für nordfriesische Dialekte, die Eigennamenflexion mit Pronomen aufweisen. 369 <?page no="370"?> 12 Diskussion R2.2: Bei einer NP aus Eigenname(n) und (In-)Definitum steht der Eigenname im NOM-Feld, das (In-)Definitum im DEF-Feld. Definitheit kann bei unbesetztem X-Feld aus dem DEF-Feld nach unten ins NOM-Feld weiter gegeben werden: NP -> [D, EN] & D-def < EN-def. (meine Mutter-n) Es gibt mehrere Interpretationsmöglichkeiten für diese syntaktisch gesteuerten Mechanismen in den niederländischen und einigen nordfriesischen Dialekten je nach zugrunde liegendem Konzept von Flexion. Diese Beschränkungen lassen sich als Reflex eines morphologischen Minimums, das erweiterte Exponenz vermeiden will, verstehen: Definitheit wird ausschließlich im DEF-Feld ausgedrückt, nicht aber (zusätzlich) im NOM-Feld. Für die Kategorien Numerus und den Possessivkasus (Genitiv) scheint diese Beschränkung des Flexionsausdrucks als erweiterte Exponenz nicht zu gelten. Dieser Interpretation nach handelt es sich beim -en und -s Suffix in obliquen Kasus nicht um Kasusflexion, sondern vielmehr um Definitheitsmarkierung. Die Beschränkung dieser Markierung auf oblique Kasus hängt hingegen mit allgemeinen Mechanismen von Markiertheit zusammen (der Nominativ bleibt als die unmarkierte, „primäre“ Kasuskategorie auch formseitig unmarkiert). Auch Belebtheitseffekte und die Markierung semantischer Rollen (insbes. DOM als „case selection based on animacy“, Primus 2011: 20) tragen dazu bei, dass die Definitheitsmarkierung über ein Suffix nur an obliquen Kasus auftritt. Eine solche Beschränkung lässt sich nicht in den untersuchten jiddischen und oberdeutschen Dialekten feststellen. In den oberdeutschen Varietäten ist zum einen der onymische Artikel deutlich weiter grammatikalisiert, so dass Flexion auch mit Eigenname im NOM-Feld auftritt. Interaktionen mit der Syntax konnten in diesen Dialekten nicht festgestellt werden. Dies legt die Vermutung nahe, dass die onymische Flexion hier weniger zum Ausdruck von Definitheit als vielmehr zur Markierung von Belebtheit und mit Kasus assoziierten semantischen Rollen dient. Stützen lässt sich diese Feststellung zumindest für die oberdeutschen Varietäten damit, dass hier der onymische Artikel als Definitheitsausdruck umfassend grammatikalisiert ist. Dies gilt nicht für die jiddischen Dialekte, die damit entweder auf einen klaren Definitheitsausdruck verzichten (ggf. angeregt durch Sprachkontakte zu slavischen Varietäten) oder aber die onymische Flexion hier als ein Fall für kumulative Exponenz zu verstehen ist, die u.a. Definitheit markiert. 370 <?page no="371"?> 12.2 Rückschlüsse zu Prozessen von Flexionsabbau und Deflexion 12.2 Rückschlüsse zu Prozessen von Flexionsabbau und Deflexion Diachroner Wandel auf Basis der eingangs formulierten Überlegung, dass sich von der synchronen räumlichen Diffusion von Varianten und Variation auf diachrone Entwicklungen schließen lässt, konnte in den untersuchten Varietäten in wenigen Fällen modelliert werden. Am Fall des Jiddischen und der bairischen Dialekte, wo die Datenlage nahezu flächendeckend ist, konnte gezeigt werden, dass insbesondere der Faktor Genus einen gewichtigen Einfluss darauf hat, ob Flexion erhalten bzw. abgebaut wird. Dabei ist Flexion in den meisten Varietäten vor allem bei den maskulinen Verwandtschaftsbezeichnungen stabil und vor allem bei den Feminina instabil. Stabilität und Instabilität lassen sich als Reflexe von Sprachwandel deuten: die stabile Variante bleibt länger erhalten als die instabile. Hinter dem Faktor Genus steht auch der Faktor Belebtheit und damit die Frage, ob diese klassenbedingt - hinsichtlich einer hochbelebten Klasse der ‚schwachen‘ Maskulina --oder sexusbedingt ist und damit auch kulturell gesteuert - Männer werden belebter dargestellt und entsprechend belebter wahrgenommen als Frauen. Die konventionelle Analyse geht davon aus, dass Eigennamenflexion eine Form von Kasusflexion darstellt. Diese Annahme beruht zunächst auf einer rein funktionalistischen Betrachtung der Eigennamenparadigmen, deren Formen aus den Paradigmen der Substantivflexion stammen. Der Funktionswandel vom Kasussuffix der mittelhoch-, mittelniederdeutschen und mittelniederländischen Varietäten zur DOM als Resultat einer Degrammatikalisierung ist aber nur ein plausibles Szenario. Möglich ist auch, dass bereits der Aufbau der Eigennamenflexion im Althochdeutschen und Altniederdeutschen nie in der Funktion als ‚reine‘ Kasusmarkierung erfolgte, sondern bereits hier die Grundfunktion einer DOM am Eigennamen angelegt wurde. Die funktionale ‚Lücke‘, die das -an-Suffix im Akkusativ von ‚schwachen‘ maskulinen Namen damit bereits in den älteren germanischen Sprachen füllt, dient damit von vornherein zum Ausbau der semantischen Markierung hochbelebter, onymischer Entitäten. Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit untersuchten Daten stellen synchrone Momentaufnahmen unterschiedlicher Varietäten dar. Die Muster für mögliche diachrone Prozesse, die sich davon ausgehend erschließen lassen, können nur als vage Tendenzen verstanden werden. Um diese Anfänge der Eigennamenflexion 371 <?page no="372"?> 12 Diskussion näher zu verstehen, sind weitere Untersuchungen diachron vergleichbarer Daten nötig, um die hier gewonnenen Ergebnisse zu den modernen Dialekten ergänzen zu können. So würden sich z.B. Analysen im Corpus der altdeutschen Originalurkunden bis zum Jahr 1300 anbieten in dem Eigennamen besonders frequent sind. Wie die Entwicklungen und Zustände in den oralen mittelhochdeutschen Varietäten das fehlende Bindeglied zu den modernen deutschen und jiddischen Dialekten darstellen, so konnte nichts darüber in Erfahrung gebracht werden, wie und wann das System der Eigennamenflexion in den südniederländischen Dialekten entstanden ist. Auch hier wird es nötig sein weitere historische Quellen konzeptioneller Mündlichkeit zu erschließen. Wie und wann die festlandnordfriesischen Varietäten die Eigennamenflexion entwickelt haben, wird schwer(er) zu rekonstruieren sein. Zumindest eine formseitige Entlehnung aus dem Niederdeutschen wäre auf Grund der Formähnlichkeit der Suffixe plausibel, allerdings haben die nordfriesischen Dialekte ein funktional eigenes System entwickelt, das wiederum Ähnlichkeiten zu den südniederländischen und den (nördlicheren) skandinavischen Varietäten hat. Das vielleicht überraschendste Ergebnis der Untersuchung ist die Feststellung, dass in den letzten 200 Jahren kein systematischer und konsequenter Flexionsabbau in den ausgewerteten Datensets festzustellen ist. In keiner der untersuchten Varietäten wurde onymische Flexion vollends abgebaut. Noch am ehesten ließ sich Flexionsabbau anhand der arealen Diffusion von Flexion in unterschiedlichen Kontexten in den jiddischen und bairischen Dialekten modellieren, aber der Vergleich der Daten des 19., 20. und 21. Jahrhunderts spricht - im Fall der hochdeutschen Varietäten - nur bedingt für einen Rückgang von Flexion. Vor allem lässt sich feststellen, dass Flexion am Femininum abgebaut wird. Ob dies letzten Endes ein Zeichen von Flexionsverlust oder ein Anzeichen einer Spezialisierung von Belebtheitsmarkierung an den Maskulina ist (vgl. Dammel & Gillmann 2014; Zifonun 2007), ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu entscheiden. Vor dem Hintergrund der dialektalen Entwicklungen ist das, was Nübling (2012) und Ackermann (2020) als Flexionsabbau beschreiben, ein Artefakt der Standardisierung. Die onymische Flexion der dialektalen Systeme interagiert mit der sich formierenden Standardsprache und wird nur in diesem Rahmen zum 20. Jahrhundert abgebaut. Trotzdem ist nicht zu leugnen, dass onymische Flexion in allen Varietäten nicht systematisch und obligatorisch verwendet wird. Dies hängt - 372 <?page no="373"?> 12.2 Rückschlüsse zu Prozessen von Flexionsabbau und Deflexion wie im Folgenden näher ausgeführt - damit zusammen, dass onymische Flexion in den untersuchten Sprachen nicht primär Kasus markiert. Trotzdem muss es sich hier nicht um Flexionsabbau im Sinne eines Verlussts von Flexion handeln, sondern kann auch ein Ausbau von Flexion im Sinne einer Spezialisierung von Flexion auf eine besonders belebte Klasse sein. 373 <?page no="374"?> 12 Diskussion 12.3 Ist das Flexion oder kann das weg? In allen Varietäten konnten unterschiedliche Effekte von Definitheit, Belebtheit und der Hervorhebung von Obliquekasus identifiziert werden. Die Flexion am Eigennamen ist damit mehr als reine Kasusmarkierung. Vielmehr ist sie immer auch Markierung semantischer Kategorien. Dies geht einher mit der Feststellung, dass die onymische Flexion von einem: r Sprecher: in nur äußerst selten konsequent und systematisch in allen Kontexten verwendet wird. Vielmehr ist onymische Flexion ein Mechanismus, der, ähnlich wie PDM (vgl. Seiler 2003: 152-154), fakultativ verwendet werden kann, um auf semantische Besonderheiten hinzuweisen (Definitheit, Belebtheit, semantische Rollen). Diese Besonderheiten sind zum einen Eigennamen-inhärent und werden nur selten externalisiert (insbes. Definitheit, Belebtheit), interagieren aber zum andern in den germanischen Sprachen auch stark mit der Syntax (semantische Rollen, Definitheit). Es ist kein Zufall, dass sich in vielen Varietäten mit erhaltener Flexion am Eigennamen auch PDM ausgebildet hat. Denn es sind beides Strategien, die den Objektkasus und die semantische Rolle Patiens hervorheben. Vor diesem Hintergrund plädiere ich dafür, onymische Flexion nicht als reine Kasusflexion zu verstehen, sondern als Kennzeichnung der inhärenten Belebtheit und Definitheit von Eigennamen. Zum Ausdruck dieser onymischen Besonderheiten hat sich die Flexion vom Akkusativ der ‚schwachen‘ Maskulina ab dem Althochdeutschen bzw. Altniederdeutschen ausgedehnt. Dabei interagiert ihre Grammatikalisierung mit der des onymischen Artikels in den einzelnen Systemen unterschiedlich. Drei Szenarien konnten in den untersuchten Varietäten identifiziert werden: 1. Flexion steht in Konkurrenz zum onymischen Artikel. Spezialisierung auf DEF-Feld. ( = süd-niederländische und nordfriesische Varietäten; ≈ suffigierter Artikel in den skandinavischen Sprachen) 2. Flexion und Artikel agieren als Zirkumfix. Flexion fakultativ im NOM-Feld möglich. ( = bairische Varietäten und vereinzelt im Berner Oberland) 3. Flexion macht eine Grammatikalisierung des onymischen Artikels obsolet bzw. blockiert diese. Flexion sowohl im DEFals auch im NOM-Feld möglich. ( = Ostjiddisch und Alemannisch im Berner Oberland) 374 <?page no="375"?> 12.3 Ist das Flexion oder kann das weg? Wenn onymische Flexion aber keine Kasusinformation mehr markieren würde, dann müsste sie viel häufiger auch im Nominativ zu finden sein als in den singulären Belegen der vorliegenden Untersuchung. Die Beschränkung von onymischer Flexion auf die Obliquekasus lässt sich natürlichkeitsmorphologisch modellieren. Demzufolge ist der Nominativ strukturell weniger restringiert als die Objektkasus, der Akkusativ ist weniger restringiert als der Dativ (vgl. u.a. Wunderlich 1985; Primus 1987). In der Typologie ist diese Markiertheitshierarchie als universal geltende Kasushierarchie etabliert (Blake 2001: 155-160). Die Kasushierarchie ist eine implikationelle Hierarchie und besagt, dass, wenn eine Sprache einen bestimmten Kasus markiert, sie auch alle Kasus, die niedriger sind als dieser spezielle Kasus, markiert: Nominativ < Akkusativ/ Ergativ < (Genitiv < ) Dativ < … Eine Parallele besteht auch hier zur Grammatikalisierung des onymischen Artikels, der ebenfalls häufiger im Objektkasus als im Nominativ verwendet wird (Werth 2020: 183). Prinzipiell ist nicht auszuschließen, dass es Varietäten gibt, in denen onymische Flexion auch im Nominativ auftritt; zumal wenn eine Degrammatikalisierung zu einem Belebtheitsbzw. Nähemarker stattgefunden hat. Hinweise darauf fanden sich vereinzelt in (fragwürdigen) Daten Stalders (1819) zu Dialekten des Berner Oberlands, die durch Daten des SDS, SADS und der eigenen Erhebung jedoch nicht verifiziert werden konnten. Als weiteres Argument dafür, dass onymische Flexion weniger Kasus als vielmehr semantische Eigenschaften markiert, können die zahlreicheren Belege für -n-Bildungen im Alemannischen des Berner Oberlands herangezogen werden, die zeigen, dass der üblicherweise am Substantiv synkretistische Akkusativ weiterhin im Rahmen der onymischen Flexion vom Nominativ distinkt ist. Onymische Flexion ist damit eine Form von differenzieller Objektmarkierung (DOM). Kommen wir zurück zu den eingangs formulierten Hypothesen H1, H2 und H3 (s.o. S. 19; hier noch einmal wiederholt). Die Daten aus den unterschiedlichen Dialekten haben zeigen können, dass einstige Kasusflexion in die Sonderklasse der belebten Namen (inkl. Verwandtschaftsbezeichnungen) wechselt, während sie an Appellativa zugunsten einer Numerusdistinktion abgebaut wird und so vor allem die semantische Rolle Patiens (≈ Akkusativ/ Dativ) besonders markiert wird. In dem Sinne ist es m.E. legitim, von einer DOM im Sinne von Primus (2011: 20) 375 <?page no="376"?> 12 Diskussion zu sprechen. H1 ist somit nicht widerlegt worden und wird durch die Datenbasis gestützt. H1: In westgermanischen Varietäten hat sich aus dem Flexionssuffix -(e)n ein Marker für differenzielle Objektmarkierung (DOM) bzw. Animatheit herausgebildet. H2: Es handelt sich dabei um einen Fall von Deflexion nach Norde (2009). H3: Es handelt sich dabei um einen Fall von Exaptation nach Lass (1990) (H3.1), nach Simon (2010) (H3.2) oder in einem graduelleren Sinne (H3.3). Weniger eindeutig zu beantworten ist die Frage, ob die Daten der untersuchten Varietäten H2 stützen. Die Deflexion als spezielle Form von Degrammatikalisierung ist dadurch charakterisiert, dass sie eine Funktionserweiterung bewirkt (Norde 2009: 152). Diese wäre mit der Eigennamenflexion als eine DOM (H1) klar gegeben. Eine weitere Eigenschaft von Deflexion ist der Wechsel von einem stärker gebundenen zu einem weniger stark gebundenen Morphemtyp. Eine solche Entwicklung ist insofern schwer zu greifen, da unklar ist, welcher Morphemtyp vorliegt. Insgesamt sprechen die idiolektalen Schwankungen in der Verwendung von Eigennamenflexion dafür anzunehmen, dass ein Wandel von einem obligatorischen Kasussuffix (≈ Flexion) zu einem fakultativen Suffix (≈ Derivation) vorliegt. Ein Argument gegen die Annahme eines Wandels von einem Kasussuffix zu einem Derivationssuffix für Belebtheit ist die Tatsache, dass Eigennamenflexion noch immer stark syntaktisch als Ausdruck von Kasus und Definitheit motiviert ist. Erst, wenn Eigennamenflexion auch auf den Nominativ übergreift und als allgemeiner Marker von Onymizität auftritt, könnte man von einem Derivationsprozess sprechen; in diesem Fall wäre natürlich die Funktion zur DOM aufgelöst. Wortklassenwandel, als ein weiteres Merkmal von Derivation, könnte das onymische -(e)n-Suffix insofern auslösen, als dass es Substantiva klar als Vertreter der Namenklasse bzw. zur Klasse hochbelebter Substantiva auszeichnet. Die Frage ist allerdings, wie produktiv es in dieser Eigenschaft ist, z.B. indem auch Appellativa, wie im Fall von ‘Herz’ im Jiddischen, durch Flexion in eine höher belebte Klasse rutschen können. In den niederländischen und nordfriesischen Dialekten, in denen Eigennamenflexion besonders stark durch syntaktische Faktoren und den Ausdruck von Definitheit gesteuert ist, lassen sich --in Analogie zu den skandinavischen Sprachen 376 <?page no="377"?> 12.3 Ist das Flexion oder kann das weg? mit klitischem Definitartikel --die Suffixe der Eigennamenflexion als Definitheitsmarker verstehen. Damit läge ein weniger stark gebundenes Morphem vor. In den jiddischen und oberdeutschen Dialekten, wo diese syntaktischen Beschränkungen nicht so durchschlagend sind, spricht nur die fakultative Verwendung der Eigennamenflexion dafür, ein im Vergleich zu klassischer Kasusflexion weniger stark gebundenes Morphem anzunehmen. Die (idiolektale) Variation kann natürlich auch ein Indiz für einen generellen Abbau von Flexion sein. Allerdings konnte festgestellt werden, dass dieser, in allen Varietäten, in denen ein Abbau auf Grundlage der synchronen diatopischen Variation modellierbar war, in erster Linie durch den Faktor ‚Belebtheit‘ gesteuert ist. In beinahe allen Varietäten ist ein Schwund an Flexion an femininen Verwandtschaftsbezeichnungen festzustellen, was mit der Belebtheitsskala für Genus (Mask. < Fem.) korreliert (Alber & Rabanus 2011: 37; Krifka 2009). Was sich also äußerlich als Verlust von Flexion präsentiert, kann auch einen Reflex der Deflexion eines allgemeinen Kasusmarkers zu einem auf hochbelebte Entitäten spezialisierten DOM-Marker darstellen. Unter diesen Annahmen lässt sich H2 aufrecht erhalten. Die in den (untersuchten) kontinentalwestgermanischen Dialekten erhaltene onymische Flexion präsentiert sich demnach als eine DOM, die als Resultat von Deflexion aus der ehemaligen Substantivflexion hervorgegangen ist. Damit reiht sich Eigennamenflexion in eine Vielzahl von Phänomenen ein, in denen Belebtheitsmarkierung auf Basis von (alten) Kasus- und oder Genusdifferenzierungen erfolgt. Dies wurde bisher vor allem für deutsche Varietäten beschrieben (u.a. Zifonun 2007; Dammel & Gillmann 2014; Krifka 2009; Bank 2007; Alber & Rabanus 2011; Krifka 2009; Rohdenburg 1993; Baechler 2018: 325-328; Dal Negro 2004; Fenk-Oczlon 2015; Denkler 2020). Mit der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass diese Tendenzen in allen kontinentalwestgermanischen Sprachen mal stärker, mal schwächer hervortreten. Entscheidend für die Validierung von H3 ist die Frage, ob neue Kategorien erschlossen werden. Exaptation in der Definition von Simon (2010) kann keine vorliegen, da Eigennamenflexion in den modernen Dialekten immer kasusgesteuert ist und damit keine vollständige Entleerung alter Funktionen und Aufbau neuer Kategorien vorliegt (widerlegt H3.2). Belebtheit und Definitheit sind zwar Merkmale, die mit Kasusflexion interagieren. Ein Ausdruck von Belebtheit und Definitheit ist allerdings nicht primär in Kasusflexion angelegt. Dadurch, dass Kasusfle- 377 <?page no="378"?> 12 Diskussion xion am Substantiv im Jiddischen, Niederländischen und Friesischen vollständig, und in den oberdeutschen Varietäten nahezu vollständig abgebaut wird, entsteht eine paradigmatisch abgegrenzte Kategorie [ hochbelebter Personenname ] . Dies ließe sich im weitesten Sinne mit dem Exaptationsbegriff von Lass (1990) (H3.1) und einer graduellen Begriffsdefinition (H3.3) in Einklang bringen. Entscheidend ist dazu jedoch die Vor- und Frühgeschichte des Flexionssuffixes -(e)n und ob davon auszugehen ist, dass die Überdifferenzierung von Substantiva der Gruppe [ hochbelebte, monoreferenzielle Person ] zu einer neuen Kategorie führt und ob eine solche Kategorie bereits in den ältesten belegten kontinentalwestgermanischen Sprachstufen angelegt ist oder sich erst in der jüngeren Sprachgeschichte herausgebildet hat. Keine Exaptation liegt vor, sofern davon auszugehen ist, dass die im Althochdeutschen und Altniederdeutschen aufkommende Markierung der maskulinen Namen im Akkusativ bereits grundsätzlich eine Belebtheitsmarkierung darstellt. Da das Suffix immer nur auf belebte Eigennamen beschränkt war. Die Ausbreitung dieses Suffix auf weitere onymische Klassen (Feminina, Verwandtschaftsbezeichnungen) und Kasus (insbes. Dativ) kann man als klassische Grammatikalisierung dieser ursprünglich maskulinen Endung verstehen. Würde die onymische Flexion der modernen Dialekte unmittelbar auf dieses ahd./ andt. System aufbauen, gäbe es keinen Grund von einer Exaptation zu sprechen. Allerdings wird diese Grammatikalisierung zum Mittelhochbzw. Mittelniederdeutschen/ -niederländischen abbzw. unterbrochen: Durch den starken paradigmatischen Formzusammenfall im Mittelhoch- und Mittelniederdeutschen verliert das Suffix sein onymisches Alleinstellungsmerkmal. Hier fungiert Eigennamenflexion nach aktuellem Wissensstand nicht als besondere Belebtheitsmarkierung, sondern ist nur mehr eine klassische Markierung von Kasus. Ein mögliches Szenario einer Exaptation sähe nun so aus, dass Flexion an unbelebten Substantiva aufgegeben wird, wobei das Kasussuffix -(e)n mehr und mehr an Funktion verliert und an die hochbelebten Substantiva ( = Namen, die Klasse der ‚schwachen‘ Maskulina) tritt (bzw. dort bewahrt und ausgebaut wird) um dort fortan als DOM zu fungieren. Je nachdem wie Exaptation definiert wird (siehe S. 55), könnte man diese Entwicklung vom Mittelhochbzw. Mittelniederdeutschen zu den modernen Dialekten als einen Fall von Exaptation bezeichnen. Die wichtigste zu füllende Lücke stellt allerdings das System (oraler) mittelhoch- und mittelnieder- 378 <?page no="379"?> 12.3 Ist das Flexion oder kann das weg? deutscher Varietäten dar: war (Eigennamen-)Flexion bereits Belebtheitseffekten unterworfen und deutet sich bereits hier eine onymische Übergeneralisierung des -(e)n-Suffixes im Akkusativ und Dativ an? Ein rein hypothetisches Szenario für einen Fall von Exaptation wäre z.B., wenn sich aus dem Kasussuffix -(e)n ein klitischer Definitartikel für Eigennamen, als inhärent definite Substantiva, entwickelt hätte. In einigen der untersuchten Dialekte konnte eine enge Interaktion mit Definitheit festgestellt werden, und so könnte man soweit gehen, eine solche Entwicklung in niederländischen und friesischen Dialekten anzunehmen. Solange aber -(e)n nicht auch im Nominativ auftritt, ist dies keine plausible Annahme. H3 kann also eher widerlegt als bestätigt werden.-Insgesamt ist Exaptation, egal in welcher Definition, aber kein Wandelkonzept, das die Entwicklungen der Eigennamenflexion adäquat erfassen kann. Die Frage, ob onymische Flexion in den kontinentalwestgermanischen Dialekten poly- oder monogenetisch entstanden ist, ist auf Grund der lückenhaften historischen Datenlage schwer zu entscheiden. Wir sehen aber bereits seit der althochdeutschen/ altniederländischen Zeit, dass Eigennamenflexion eine Grundtendenz der kontinentalwestgermanischen Sprachen ist, die sich aber überall anders entwickelt hat. Um beim Beispiel der Federn zu bleiben: hier hat z.B. jede Vogelart eigene Besonderheiten. Die besondere inhärente Semantik von Namen (insbes. Belebtheit u. Definitheit) interagiert mit der Morphosyntax (insbes. semantische Rollen u. DP). Die Flexion externalisiert diese Interaktionen. Jedes grammatische System unterscheidet sich in den Voraussetzungen bezüglich der Interaktion als auch der Externalisierung. Mit der vorliegenden multifaktoriellen Analyse konnten verschiedene Strukturen identifiziert werden, die diesen speziellen Prozess der Deflexion vom Kasussuffix (-(e)n) zum onymischen Objektmarker in den untersuchten Dialekten unterschiedlich stark begleiten. Die Hypothese sieht sich bestätigt, dass als Nebenprodukt der Kasusnivellierung durch Deflexion in vielen westgermanischen Dialekten ein neues Morphem für Belebtheits- und Definitheitsausdruck des Patiens ( = DOM) entstanden ist. Auch, wenn das Resultat der Deflexion in den Dialekten im Großen und Ganzen nahezu identisch ist, variieren die einzelnen Systeme stark, was die unterschiedlichen beeinflussenden bzw. steuernden Faktoren angeht. Damit sehen wir zum einen, dass unterschiedliche Systeme unterschiedliche Voraussetzungen und Strategien entwickeln. Zum anderen liefern diese Schwan- 379 <?page no="380"?> 12 Diskussion kungen im Systemvergleich auch interessante Einblicke, dass systemische Modifikation zwar funktional zum selben Ziel (DOM) führen kann, dabei aber formal ganz unterschiedliche Mechanismen gebraucht werden. So, wie die Evolution verschiedene Mechanismen hervorgebracht hat, die das Fliegen ermöglichen, so haben die einzelnen grammatischen Systeme unterschiedliche Mechanismen für DOM herausgebildet (Form ≠ Funktion). Interessant wäre nun zu ermitteln, ob auch in anderen, nicht-germanischen Sprachen ähnliche Prozesse von Deflexion, die zu einer DOM bzw. einer besonderen onymischen Markierung führen, gefunden werden können. Allerdings sind Deflexion und Degrammatikalisierung im Allgemeinen sehr seltene Phänome, die zumeist nur einzelne (verwandte) Sprachen betreffen (Norde 2020: 18, 9). Auch löst Degrammatikalisierung im Unterschied zu Grammatikalisierung keine typischen (De-)Grammatikalisierungsketten aus (Norde 2020: 9), deren Stufen man als Spuren von Sprachwandel nachzeichnen könnte, womit sie leichter zu identifizieren wären. Degrammatikalisierung stellt nur einen graduellen Wandel von A zu B dar, wird also nur da augenscheinlich, wo das System unscharf und variabel ist. Diese Überlegungen sprechen dafür, dass die Mechanismen der Degrammatikalisierung aber auch häufiger und tiefgreifender wirken, als bislang angenommen, standen doch bisher zumeist Entwicklungen der Grammatikalisierung im Zentrum der Sprachwandelforschung. Wie der Fall der onymischen Flexion zeigt, sind Prozesse für Degrammatikalisierung nicht minder spannend und liefern wichtige Einblicke in das Zusammenspiel der einzelnen sprachlichen Ebenen. Der spezielle Fall der Eigennamen(de-)flexion zeigt die Interaktion semantischer und syntaktischer Faktoren, die sich morphologisch äußern, und ist damit ein Beispiel für den strukturalistischen Grundgedanken von Sprache als ein „système où tout se tient“ (Meillet 1903: 407). 380 <?page no="381"?> 13 Ausblick Mit der vorliegenden Arbeit wurde ein erster breiter Zugang zur dialektalen Verwendung onymischer Flexion in kontinentalwestgermanischen Varietäten gelegt. Die bestehenden untersuchten dialektalen Datensätze liefern ausreichend relevante Kontexte zu Eigennamen, die Rückschlüsse über deren Grammatik erlauben, weisen aber auch Lücken spezifischer Kontexte auf. Mit der Fokussierung auf Verwandtschaftsbezeichnungen war es der vorliegenden Untersuchung möglich, von einer speziellen Substantivgruppe vergleichbare Daten zu unterschiedlichen Varietäten zu gewinnen. Weiterführende Untersuchungen müssten die hier gewonnenen Ergebnisse zu den Verwandtschaftsbezeichnungen mit Daten zu Eigennamen (Rufnamen, Familiennamen, Koseformen) ergänzen bzw. abgleichen. Ebenfalls wurde der Spezialbereich der Flexion im Genitiv weitestgehend ausgeklammert, da dieser zum einen in den meisten der untersuchten Varietäten nur noch stark defizitär existiert und zum anderen die Datenlage zu diesem Kasus in den Materialien zu gering war, um gesicherte Aussagen zu treffen. Ziel war es, auf Grundlage der zugänglichen Daten eine repräsentative Auswahl unterschiedlicher Systemräume zu behandeln. Dabei konnten nicht alle Dialekte, die Eigennamenflexion zeigen, analysiert werden. Insbesondere die Situation in den flämischen, niederdeutschen, mitteldeutschen, den bairischen Varietäten Österreichs, der Sprachinseldialekte sowie in den jungen jiddischen Varietäten der ultraorthodoxen Gemeinden nach der Shoah konnte hier nicht oder nur kursorisch behandelt werden und bedarf zukünftiger Detailanalysen. Darüber hinaus kann auch die Interaktion von Eigennamenflexion mit weiteren Mechanismen zur Markierung von Nähe, Familiarität und Belebtheit, wie z.B. die Diminution, hinsichtlich einer Grammatik von Expressivität gewinnbringend sein. Insgesamt hat sich herausgestellt, dass die Grammatik von Namen in den natürlichen germanischen Varietäten ein spannendes und nur wenig beforschtes Feld darstellt. Die untersuchten Dialekte geben Hinweise auf eine Interaktion von onymischer Flexion und (weiterer) besonderer Strategien zur Kasusmarkierung der Objektkasus (z.B. PDM, onymischer Artikel), die zukünftige Arbeiten näher <?page no="382"?> 13 Ausblick in Augenschein nehmen müssen. Insbesondere mit Blick auf die identifizierten syntaktischen Restriktionen könnte der Fokus auf die Markierung von Definitheit in den niederländischen, nordfriesischen und skandinavischen Varietäten gewinnbringend sein, um mehr über globale Entwicklungen des DEF-Felds, die Interaktion zwischen Flexion und Definitartikel und die parallelen historischen Entwicklungen, die im Zuge eines nord-westgermanischen Dialektkontinuums stattfanden, zu erfahren. Besonders interessant wäre nun auch der Blick in historische Sprachstufen und ob die Fakultativität der Dialekte und die identifizierten steuernden Faktoren bereits im Mittelhochdeutschen und Mittelniederländischen festzustellen sind. 382 <?page no="383"?> Anhang <?page no="385"?> Umfragen und Daten Aufbau der niederländischen Umfrage Umfrage verteilt über die Mailinglist des Meertens Instituuts ( Juli 2020) <?page no="386"?> Umfragen und Daten 386 <?page no="387"?> 387 <?page no="388"?> Umfragen und Daten 388 <?page no="389"?> 389 <?page no="390"?> Umfragen und Daten 390 <?page no="391"?> 391 <?page no="392"?> Umfragen und Daten 392 <?page no="393"?> 393 <?page no="394"?> Umfragen und Daten 394 <?page no="395"?> Aufbau der oberdeutschen Umfrage Umfrage verteilt über Facebookgruppen mit Regionalbezug zum Berner Oberland, Ober- und Niederbayern, Oberpfalz, nördl. Nieder- und Oberösterreich ( Juli 2020) 395 <?page no="396"?> Umfragen und Daten 396 <?page no="397"?> 397 <?page no="398"?> Umfragen und Daten 398 <?page no="399"?> 399 <?page no="400"?> Umfragen und Daten 400 <?page no="401"?> 401 <?page no="402"?> Umfragen und Daten 402 <?page no="403"?> 403 <?page no="404"?> Umfragen und Daten 404 <?page no="405"?> Daten der niederländischen Umfrage Die folgenden Seiten geben die erhobenen, anonymen Daten der Onlineumfrage zu den niederländischen Dialekten wider. 405 <?page no="406"?> ID Y X STARTED [ik] [grootvader] [gewoond] 2880 51.388536 5.178231 2020-07-28 17: 55: 31 Onzen opa hee hier gewond 2874 51.434444 5.584167 2020-07-28 16: 44: 30 ik opa gewônt 2802 51.969378 5.665069 2020-07-27 14: 56: 14 Ik hebbe bie mien grootva ewoond 2728 51.57 5.07 2020-07-26 15: 59: 14 onzen opa hee hier gewond 2720 51.15795 6.01339 2020-07-26 12: 47: 54 Ich hub bie opa gewoondj 2697 51.626667 4.944167 2020-07-26 10: 12: 00 Ik grootvaoder gewònd 2610 51.494444 4.286667 2020-07-25 12: 37: 54 ik heb bij opa gewoond 2359 52.105833 4.727222 2020-07-24 10: 12: 40 Ik hem altij dichtbaa vovo geweund 2132 52.724167 5.644167 2020-07-23 17: 35: 15 Ik kuun 'mn nog ugen dat m'n beabe ier ewoend et. 1815 50.810858 5.938683 2020-07-23 10: 20: 05 ich hub bie der opa gewoont 1722 51.421389 5.403611 2020-07-23 09: 24: 49 ik, opa, gewond 1607 51.866667 6.35 2020-07-23 08: 20: 15 Ik heb hier met mien opa gewoond 1470 2020-07-22 23: 53: 48 Ik hè hier mè grootvaders gewoond. 1433 52.658333 5.6 2020-07-22 23: 14: 46 Ik ew bij mun bebe ewoend. 1399 2020-07-22 22: 41: 38 Opa hee hier gewond 1279 51.683333 5.166667 2020-07-22 21: 27: 38 es grutvoader hek hier gewond 1272 51.011667 5.836944 2020-07-22 21: 22: 32 ik heb bij onzen opa gewoond 1098 51.531389 4.55556 2020-07-22 19: 44: 36 Ons opa hed ier gewoond 1073 2020-07-22 19: 33: 36 Ik wonde bij mn opa, ik heb der gewont 964 52.297778 5.236389 2020-07-22 18: 42: 11 'k het vroger bij m'n opa ëwooënd 832 51.930833 4.479167 2020-07-22 18: 04: 06 ik heb bij mijn opa gewoond 724 2020-07-22 17: 34: 28 Ik opa gewoon 644 51.583333 5.2 2020-07-22 17: 15: 03 [ik] [pit (gruuëtvadder)] [gewu: nd] 534 51.531389 4.455556 2020-07-22 16: 54: 58 Ik em bij ons opa gewoand 507 2020-07-22 16: 49: 32 Ik grutvoader gewond 505 52.993333 6.563333 2020-07-22 16: 48: 35 ik weun wo da mè greutvoeër ee gewuntj 445 52.087222 6.457778 2020-07-22 16: 37: 58 ik hebbe bie mien opa inewoond 403 51.434444 5.484167 2020-07-22 16: 31: 56 ik heb bij opa gewond 124 52.111944 5.1825 2020-07-22 16: 06: 10 ikke grutvodder ons opa woande ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 [ik] [kook] [met] [buurvrouw] [Ik] [naar het park] [hond Freek] Ik kook saomen mee de buurvrouw K loop nor t park um den hond ut te loate ik kook mì de bùùrvrouw ik noar 't parruk hond freek Ik kòke met mien buurvrouw Ik ben met mien hond Freek naor het park ik kook mee de buurvrauw ik gao mee dun hond, onze Freek, noar ut park Ich kaok mit de buurvrouw Ich gaon nao ´t park mit de hondj . Ik kok mee buurvrouw Ik naor t paark hond frik ik kook met de buurvrouw ik ga naar het park met den hond Freek Ik moak 't eteuh geriëd mee iemand uht de gebure Ik geun neur 't park mee Freek den hond Ik kook een lekker kussien mit de buurvrouwe Ik zal aans mit m'n oendjen Flerik op et park an ich koak mit de buurvrouw ich gao nao ut parrek mit der hoont fred ik, kook, mi, buurvrouw ik nur ut park, hond Freek Ik heb veur de buurvrouw gekoakt Ik bun met hond Freek noar het park gewes Ik kook liever mee ons buurvrouw. Onzen hond Freek gat liever nie noar dè park. Ik ew mit mun buurvrouwe ekookt. Ik goan nor ut park mit mun oendjen Freeek. Ik kook mee de buurvrauw Ik gooi noar ut park mee d'n hond Freik ik kook mee de buurvrouw ik goj nor ut park mee onze freek ikk kook as ik met de buuf kuier ik goai mee onzen hond Freek naor t'park Ik kook gere merk dun buurvrouw Ik gieng meej Freek noar ut park Ik kokte samen met de buurvrouw Ik liep mi onzen hond Freek nor t park Ik kook mót 't mins van naest an ik loëp naer 't park mót Freek, da's m'n hóngd ik kook het eten met mijn buurvrouw ik fa naar het park met mijn hond. hij heet Freek Ik kook met buuf Ik gaat naar het park met freek [ik] [kook] [mih] [buurvraa]] [ik] [nar 't park] [ont Freek] Ik kook meei dun buurvrouw Ik gaon aon ut park meei dun ond Ik kook mee den buurvrouw Ik nota ut park hond Freek 'k kook saumen met de buurvraa 'k gon no t park met mijnen ond Freek ik kokke met de buurvrouw ik kuier met Freek zien hond naor 't park ik kook met de buurvrouw ik gooi naar het park me Freek ik koak mi de buurvrow ik goa noar het park mi freekies, onzen hond <?page no="407"?> ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 [ik] [herinner] [oude] [grootmoeder] [dochter] [lijkt] [moeder] Ik zien ons grutje nog vur me De dochter lekt op d'r moeder ik herinner aje oma dòòchter lekt moeder Ik herinnere mie mien ouwe opoe De dochter lik op heur moe ik weet ut nog wel van mun ouwe opoe de dochter lekt op dur moeder Ich herinner mich die aaj oma . Mien dochter liekt op oma Ik herinner oawe grootmoe Dochter lèkt smoeder ik herinner mij mijn ouwe oma de dochter lijkt op haar moeder Ik denk trug on maan aauw moemoe Di dochter trekt oep 'r moeder ik kuun m'n ouwe bes nog wel ugen Jie binnen meen maotjen mar je likken op je mimme ich herrinner mich de ou oma dochter liek op de mam ik, herinner, aauw opoe dochter, lekt, moeder Ik herinner mien onze oma nog goed Die dochter liek völ op heur moeder Ik herinner me mèn auw grutje. Mèn dochter lekt sprekend op ons moeder. Ik erinner mun mun bessen. Mun dochter likt op mun moe. Ik weet ut nog goed van ons auw grutje Die lekt precies hullie moeder ik kan me oons grutmoeder no goat vurstelle de meske lijkt spreket op hullie moeder ik denk aon ons opoe mijn dochter lijkent op ons moeke Kunde gij oewen oma nog vur dun gèèst oale? Zij lek wel op euren moeder Ja, ons oma was n aauw mins Ons zus is net ons moeder 'k Kan me m'n ouwe opoe nog goeëd vur de geest halen de dee maid is net 'r moeder ik herinner mij mijn oude oma die dochter lijkt op haar moeder Ik herinner me de ouwe opoe De dochter lijkt op moeders [ik] [wit nog] [aa] [mit (gruuëtmoeder)] [dochter] [lekt] [moeder] Ik erinner ons ouw omaatje Diejen dochter lekt wel op dur moeder Ik herinner ouw grutje Dochter lekt op moeders 'k erinner mau mèn aa greutmojjer De dochter lèkt op eur mojjer ik herinner mien olde grootmooder nog good de dochter liekt good op mooder ik herinner me m'n ouw opoe de dochter lijkt op de moeder ik ken der nog wel die ouw oma heur doachter lekt op dur moeder ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 [ze] [vertelt] [alles] [moeder] [ik] [helpen] [vader] [dit] [Mattijs] [broer] Ze vertelt alles oan moeders Ik help onze pa Dees ismen bruur mattijs( sijsje) 't vertelt alles moeder ik hellup vadder dì Mattijs brujer Zie vertelt alles an d'r moe Ik helpe mien va Dir is mien breur Matties ze vertelt alles, ons moeder ik hellep onze pa dit is Mattijs, mun bruur Die verteld alles aan zien mooder Ich help pasp Dit is Mattijs , mien broor . Zai vurtelt aalles onsmam Ik hellup vaoder Dit mattès broerke ze vetrelt alles tegen haar moeder ik help mijn vader dit is mijn broer Matthijs Ze zegd'alles tegen 'r moeder Ik help ozze vo Dees is Mattaas, manen bruur Zie vertelt er moe alles Ik zal m'n va effen een indjen gieven Dit is Matthijs, meen bruur zie vertelt aal aan de mam ich hellep der pap dit is mattijs ziene broor ze, vertelt, alles, moeder ik, help, vadder di, Mattijs, bruur Ze vertelt alles an heur moeder Ik help mien vader Dit is Mattijs zien bruur Zè vertelt hullie moeder ok nie alles. Ik hellup ons voader liever nie dan wel. Dees is Mattijse bruur. Mun moe vertelt alles. Ik elp mun va. Dit is mun bruur Mattijs. Ons moeder vertellt alles Ik goi onze pa helpen Dit is Mattijs, men bruur ze vertelt alles om oons moeeder ik goj oons vaoder helpe di is mun bruur mateis ze vertelt alles aon ons moeke ik help onze pa diddis Thijs z'n bruur Ons moeder verteld altij alles Kunde gij oewen pa efkes elpe? Ons Matthijs da is menne broer. Ze vertelt alles aon dr moeder Ik help ons vader Dis Mattijs, tis mn bruur,ja hij hiet Mattijs 't mins vertelt alles d'r moeder 'k help vader vandaag effen mót z'n werk dee jooën daerzoë is 'n breur van Mattijs zij vertelt moeder alles ik help mijn pa dit is Matthijs. hij is mijn broer Zij vertelt alles aan moeders Ik help vader Dit is mijn broer Mattijs [zae] [vertelt] [aal (alles)] [moeder] [ik] [helpen] [paa (vadder)] [tees] [Mattèes] [broer] Ze vertelt alles over dur moeder Ik help ons vader Dees is Matthijs zunnen broer Zij zeehond al moeder Ik help vadder Dees mattijs bruur ze verteltj alles on eur mojjer 'k eulp mè voeër tees is mattijs, mèn bruur zee vertelt mooder alles ik helpe mien va geerne dit is noe Matties mien breur Ze vertelt alles aan d'r moeder ik help onze vadder Dè is m'n bruur Mattijs ze zegt alles tege der moeder ik help ons pap da is matthijs zijn bruur <?page no="408"?> ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 [Melle] [zoon] [van] [arme zus] [Mijn broer] [vertellen] [Merle] Melle is de zoon van men erme zuster Men bruur vertelt t oan m melle zoon van erreme zus mun brujer vertelt merle Melle is de zeune van mien arme zuster Mien breur vertelt wat an Merle Melle is de zoon van mun erm zusje ik gao ut men bruur Merle vertelle Melle is de zoon van mien erm zus Mie broor Melle verteld gaer Melle zeun vaan erme zus Men broerke vurtelt merle mijn arme zus het een zoon. hij eet Melle. dat et mun broer tegen Merle verteld Mellis de zoon van maan erm zuster Manen bruur zee iet over Merle Melle is de zuun van meen arme zuster |Meen bruur vertelt over Merle Meel is der zoon va mien errem zuster Miene broor vertelt Merla alles Melle, zoon van èerm zuster men bruur vertelt Merle Melle is de zoon van mien arme zus Mien bruur het mien verteld oaver Merle Dees is Melles zoon van die èrreme zuster. Hoe moet ik ut min bruur vertellen van Merles Melle is een zuun van areme zus. Mun bruur vertelt Merle... Melle is het kleins van mun erme zuster Men bruur melle en zun aarme zuster zen keinder van hullie vaoder, mun bruur hiet merle melle is de zeun van men erme zuster men bruur zegget tege Merle Melle is dun zeun van ons aarme zus Mennen broer hee ta aan Marie verteld Melle is unne zoon van n zus van mij, ze is ermmun bruur Mun bruur haggut over Merle Melle is de zøn van m'n zuster, dee 't nijt zwaei het M'n breur wou 't nijt vertellen an Merle Melle is de zoon van mijn arme zus Merle vertelt m'n broer een verhaal [Melle} [zoon] [van] [aerme zuster] [mèen broer] [vertellen] [Mèerl] Melle is dun zoon van diejen arme zus Mun broer vertelt wa over Merle De zoon van mèn eirme zuster wuntj in Melle Mèn bruur verteltj veel over Merle Melle is de zönne van mien arme zuster mien breur kan smakeluk vertelln aover Merle Melle is de zoon van m'n erm zuster m'n bruur vertelt 't aan Melle melle is de zeun van die erm zus witte wel mijn breur zin da tegen Merle ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 [de kinderen] [houden van] [grootmoeder] [ik] [tref] [vader] [ik] [zie] [geen] [Jan] Kender houwe van s grutje Ik tref onze paa Ik zie ginne jan de keinder houwe van omas ik zie vadders ik zie ginne jan De kinder holt van hun opoe Ik treffe mien va Ik zie gien Jan de keinder houwe van ons opoe ik kom onze pa tegu ik zie ginne Jan De kinjer haaje van oma. Ich tref mien vader . Ich zeen geine Janne. De kinders mogen grootmoe gère Ik tref vaoder Ik zie ginne jaan de kinders ouen van omas ik zien vaders ik zien onze Jan nie De kinnekess zin moemoe gere Ik koop ozze voa tege Ik zin genne Jan De kiengeren ouwen van derlui z'n bes Ik zien mn va aans Ik zien gien Jan De kinger houen van de oma Ich zee der pap dao Ich zee ginne Janne de keinder haowen van opoe ik tref vadder ik zie ginne Jan De kinderen hollen van oma Ik tref vader Ik zien gin Jan Al keinder houwe van ons groatmoeder. Ik tref voader in t schureke. Ik zie ginnen ene Jan. De kiengeren ouen van erluis bessen. Ik tref va. Ik zien gien Jan. De kender zen gek mee ons opoe Ik zie onze pa Ik zie ginne jan de keider haawe veul van hullie grutmoeder ik tref oons vaoder waor bleift oonze jan toch de kiendjes zien opoe gére ik kom ozze pa tege ik zie ginne jan De kienders ouwe van zullie omas Ik kwaam us vader tége Ik zien ginne Jan Mijn kijnder haaiwen van omas Ik kwam ons vader tegen Nee, ik zie ginne Jan ,wor ik ok kijk de kijer binnen gek óp d'rlui oëtjen 'k kwam vader teugen 'k het gien Jan ëzien, jij wel? De kinderen houden van oma ik kwam mijn vader tegen Jan heb ik niet gezien [de kiendern] [zien gèern] [mit (gruuët moeder] [ik] [rak] [pa/ vadder] [ikke] [zie] [gieëne] [Jan] De kienders ouwe van oma's Ik tref ons pa Ik zie ginne Jan De kinjer'n aaven van eule greutmojjer 'k treg mè voeër 'k zienekik gieëne Jan de kinder holt van opoe ik treffe mien va ik zee Jan neet De kiendjes houwen van opoes Ik tref onze pa ik zie onze Jan nie die keinder houwe van hullie grutmodder ons pap en ik hebbe afgesprokuJan die zag ik nie <?page no="409"?> ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 [ik] [met] [mama] [op reis] [fiets] [vader] [moeder] [werkt] [in de tuin] Ik goai mee smoe op reis Fes o ze paa zun fiets Smoe werkt jn fjn hof ik mì mama op reis fiets vadder moeder wèèrukt in den hof Ik ben met mien moe op reize Mien va's fietse Mien moe is an het werk in de tuin ik gao mee ons moeder op reis daor fietst onze pa ons moeder werkt in de tuin Ich gao mit mam op reis . Pap fietst gaer . Mam werkt innen haof . Ik mee onsmam op rès Fiets vaoder Onsmam werrukt in de tùin ik zijn mee mamas op reis mun vader et un fiets moeders werkt in de tuin Ik geun mee os moeke oep raas De velo van ozze voa Os moe is in den hof beezeug Ik zal mit m'n moe opperdan M'n va fietst op de dik M'n moe warkt in de teun Ich gao met de mam op reis De fiets van der pap Mam wirrek in der gaard ik mi mama op reis fiets vadder moeder werkt in den tuin Ik goa met moeders op reis Dit is de fiets van vader Moeder werkt in de tuin Ik goi mi ons moeder op reis. Voader z'n fiets. Ons moeder wèrkt in den hof. Ik goan mit mun moe op reze. Va fietst. Moe warkt ik de teun. Mee ons moeder op reis Onze pa fietst Ons moeder werkt in de tuin ik goj mee ons moeder op rejs des de fits van oons vaoder oons moeeder werkt in de tuen ik zij mee os moeke op reis ik fiets mee ozze pa os moeke werkt in den hof Ik zijn meej us mam op reis Ons vader fietst Ons moeder is in dun tuin aant waorek Ik goi op reis metonsmoeder Fietste gij ok mi jullie vader? Ons moeder werkt in den hof 'k gae mót moeder óp rais 'k het de fiets van vader mieëneumen moeder in de tuin in de weer ik ben met moeders op pad geweest De fiets van mijn pa Ma werkt inde tuin [ik(ke)] [mih] [mèe moeder] [op raes] [velo] [pa/ vadder] [(mèe) moeder] [waerkt] in 'n 'of] Ik gaon meei ons ma op reis Das de fiets van ons vader Ons ma werkt in dun tuin 'k bè mè mamaa op raaès mè voeër ratj per velo mè moeder werkt in den hof ik gao met mien moo op reize de fietse van mien va mooder warkt in d'n hof Ik goi me ons moeder op reis de fiets van onze pa ons ma werkt in de tuin Was mi ons moeder / mam vertrokke ons vodders fiets / ons pap zun fiets ons mam werkt in den hof ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 [ik] [een brief] [van] [vader] [Ik] [naar de dierenarts] [kat Pip] Ik kreg unnen brief van onze paa Ik goi mee ons kat nor de veearts ik unne brief van vadder ik goi noar de veearts mì kat pip Ik schrieve een brief an mien va Ik mot met Pip, de katte, naor de dier'narts ik heb un brief van onze pa ik gao noar dun dierendokter mee onze kat Pip Ich krieg eine breef van pap Ich gaon mit de kat nao de vieeiarts Ik een briefke vaan vaoder Ik dierenaarts kaat pip ik em een brief van vaders gat moet mee onze poes naar de dierenarts Ik hem nen brief van ozze voa Ik mut neur den dierenarts mee Pip de kat Ik eaw een brief van m'n va ekriegen Ik moet nor de dierenarts mit de katte Pip Ich hub eine breef va der pap Ich gao nao der deerenarts mit de kat pip ik nen brief van vadder ik goi mi Pip de kat naor dun dierearts Ik lèès een brief van vader Ik goa noar de dierenarts met mien kat Pip Ik kreeg unnen brief van ons voader. Ik kreeg een brief van va. Ik bring Pip de katte nor de dierenarts. Un brief van onzen pa ik kreeg unnen brief van oons vaoder ik goj mee oons kat nor de veearts ik krijg nen brief van ozze pa ik gaoi naor de veears mee oz kat Pip Ik’em nunne brief van ons vader Munne kat mot nur dun veearts Ik kreeg unnen brief van ons vader 'k het 'n briefien van vader ëkregen 'k mót effen óp de veejas mót an mót Pip, da's ónze puus ik las een brief van pa ik ging met mijn poes pip naar de dierenarts [ikke] [nen brief] [van] [mèe pa/ vadder] [ik] [nar de pèeremieëster] [kat piep] Ik krijg unne brief van ons pa Ik gaon aon dun diere-arts meei dun kat Pip 'k kreeg nen brief va ooze paa 'k moe nor de vetrineir mè oos kat Pip ik kreeg 'n breef van mien va ik gao met de katte Pip naor de veearts ik heb een brief van onze pa ik gooi met de poes naar d'n dierenarts ik schreef unne brief naor ons vodder/ ons pap Goa mit diuh Pip noar de veearts <?page no="410"?> ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 [ik] [bij] [vader] [thuis] [hij] [bedankt] [rijke] [vader] [motorfiets] [Jan] Ik ben bij onze paa thuiid Hij bedankt zunne relke voader Jsn zunne moter ik bij vadder thuis hij bedankt rijke vadder moterfiets jan Ik blieve bie mien va tuus Hie bedanken zien ouwe va De motor van Jan Ik ben bij onze pa thuis hij zegt dankoewel tegu zun rijke pa Jan hee un motorfiets (unnen brommer) Ich woon bie pap thoes . Hae bedanktj ziene rieke pap . Dae moter is van Janne . Ik bei vaoders thùis Hai bedaankt rèke pao Motor jaan ik blef bij vaders thuis ij bedankt zijn rijke vader jan eet een motor Ik zen baa ozze voa toowes Haa zee bedankt tegeuh zeunne raake voader Dees is den brommer van Jan Ik zat vandoched effen bij mn va an teus. Hij bedankt z'n rikke vader Jan got op z'n snorder opperdan ich bin bie der pap heim Ich bedaank der rieke pap Janne ziene mootor ik blèf bè vadders thuis hij bedankt de rijke vadder Jan zit op zunne motur Ik blief bi’j vader thuus Hi’j bedankt zien rijke vader Dit is de motorfiets van Jan Ik bin bai je va teus. Ai bedankt de rikke va. Jan et un motor. ik bleif bij mun vaoder tuis hij bedankt zun reike vaoder jan hee un mooterfiets ik zij thuis bij ozze pa hij bedaankt zunne rijke pa de moter van Janne Ik waar bij ons vader thuis Ei zeej bedaankt eej, rijke stiekerd Das Jan zunne (weet ff woord niet) 'k blijf vanaauwud thuis bij vader hij bedankt z'n vader, dee 't zwaei het da's de moter van Jan, dee gaet iezelig harde ik ben bij pa thuis hij heeft zijn rijke vader bedankt voor het geld de motor is van Jan [ikke] [bae] [pa/ vadder] [tuis] [ae] [bedankt/ zeg mersie] [ rèeke] [pa] [mottoo] [Jan] Ik zijn bij ons vader thuis Hij bedankt zunne rijke vader Ja hed unne motrofiets 'k blijf bau ooze pa tois aa zei bedankt tege zèn raujke voeër Jan ratj mè ne moto ik blieve bie mien va thuus hee bedankt zien rieke vader de moterfietse van Jan ik blijf bij onze pa hij bedankt de rijke vader Jan he 'ne motor Ben bei ons vodder en bedankt vodder die er werum bijzit den zundap van Jannu ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 [vader] [eet] [taart] [ik] [tref] [mooi] [Jan] [ik] [een brief] [van] [Fleur] Voader it taart Nvt Ik kreg unnen brief van f vadder it taart ik tref schonne jan ik unne brief van fleur Pa et een taarte Ik treffe Jan mooi Ik lėze een brief van Fleur Onze pa eet un stuk taort Dè treft dak Janne tref ik krèg un brief van Fleur Pap it taart Ich tref janne morge en det is sjoeon . Ich krieg eine breef van Fleur . Vaoder it taort Ik tref moi jaan Ik een briefke vaan fleur ons vader eet taart ik eb Janne daar gezien ik em en brief van Fleur gat De voader èt 'n toart Ik koop schoewene Jan tegeuh Ik hem nen brief van Fleur gekrege Z'n va it een gebakkien Dat komt mooi eut, ik zien Jan daor. Ik eaw een brief van Fleur ekriegen Pap iet der kook Ich zee der schoune Janne dao Ich hub eine breef van ut fleur Du vadder it taort ik kwam net schon Jan tege ik nun brief van Fleur Vader èèt taart Ik tref het mooi met Jan Ik krieg een brief van Fleur Va it taart. Ik tref Jan mooi. Ik krieg een brief van Fleur. Ik krèg unnen brief van Fleur vaoder it taart ik bof aorig mee janne ik kreeg nun brieef van fleur ozze pa eet taart mooi det ik Janne zie ik lees nen brief van Fleure Vader vret nun taortje Ik zien de schone Jan Ik em ‘ier nun brief van Fleur Ik kreeg unnen brief van Fleur vader dooët 'n taart eten 'k het 't mooi ëtruffen mót Jan 'k het 'n briefien van Fleur ëkregen, zou ze ansloes zeuken? pa eet een gebakje ik heb het maar mooi getroffen met Jan ik kreeg een brief van Fleur [pa/ vadder] [it] [toart] [ik] [rak] [zjuust] [Jan] [ik] [nen] [brief] [vah] [ Fleur] Ons pa it taort Das mooi dad ik Jan tref Ik em unne brief van Fleur gekreege Ooze pa is toeënt on 't eet'n 'k kom Jan scheunekes tegen 'k em nen brief gekregen van Fleur mien va et taarte wat mooi da'k Jan treffe ik heb 'n breef ekregen van Fleur pa eet taart ik tref schone Jan ik schrijf een brief aan Fleur Ons vodder eat taort Kik, zoag ik jan mooi fleur stuurde men unne brief <?page no="411"?> ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 [ik] [bezoek] [Antje] [ik] [wonen] [bij Jan] [een cadeautje] [van] [Amy] Ik ktegbezoel van a Ik woon be j Ik kreg een kedooke van a ik goi nor antje ik woon bij jan un kadoke van amy Ik bezuke Antjes Ik wone bie Jan Ik heb een kedootje van Amy ekreeg'n ik gao op bezoek bij Antje Ik wôn bij Janne ik krèg un kado van Amy Ich bezeuk Antje . Ich woon bie Janne . Ein cadeau van Amy . Ik bezuuk aantje Ik won bei jaan Un presentje vaan eemies ik gan bij Antjes op de koffie ik woon bij onze Jan een kadooke van Amys Ik bezuuk Antje Ik woeden baa Janne Dees is ne kado van Amy Ik zal Antjen ers opzoeken Ik woen bij Jan Ij et een cadeautjen ekriegen van Amy Ich bezeuk ut antje ich woan bie der janne Ei kadoo van ut Amy ik goi op bezoek bè Antje ik woon bè Jan un kedootje van Amy Ik goa bi’j Antje op bezuuk Ik goa bi’j Jan wonen Ik krieg een cadeautje van Amy Ik bezoek Antjen. Ik woen bai Jan. Ik kreeg een cadeautjen van Amy. Antje komt op de koffie Ik won bij janne Een karaoke van amy ik goj bij aantjes op bezuuk ik woan bij janne un kedootje van amy ik gaoi op bezoek bij Antjes Ik woon bij Janne un kedoke van Amys Ik em een bezoekske gebrocht aon Fleur Ik wòòn nouw bij Jan Ik em un kado gekregen van Amy Ik goi op bezoek bè Antje Ik woon bè Jan Ik kreeg un pekske van Amy 'k gae effen óp bezeuk bij Antjen vur 'n bakkien 'k gae bij Jan wooënen 'k het 'n kadootjen van Amy ëhad ik had bezoek van Antje ik woon bij Jan ik kreeg een kadootje van Amy [ik] [goa op bezoek] [Antjen] [ik] [wuuën'n/ weunen] [bae Jan] [e kadooken] [van] [Eemie] Ik zijn op bezoek bij Antje Ik woon bij Janne thuis Ik em un kadooke ge-ad van Amy 'k gon op bezuuk bau Antjen 'k gon bau Jan go weun'n 'k em ne kado gekregen van Amy ik gao op bezeuk bie Antjen ik wone bie Jan in ik kriege een kadootje van Amy in bezuuk Antje ik woon bij Janne een cadeautje van Amy Goa noar Antje Woonde bei Janne Ha un cadeautje van Amy gehad ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 [ik] [eten] [bij] [Mohamed] [ik] [praat] [buurman] Ik eet be m Ik proat mee mennen buurmam ik it bij mohamed ik proat bûûrman Ik ėte bie M. Ik praote met mien buurman Ik gao etu bij Mohamed Ik praot mee dun buurman Ich aet bie Mohamed . Ich kal mit de buurman . Ik it bei mohaamed Ik proat mee buurmaan ik eet bij Mohameds ik prat me de buurman Ik eet baa de Mohamed Ik proat tegen dië van hierneffe Ik zal om de kost bij Mohamed Ik praot oftig mit mn buurman Ich aet bie der mohammed ich kal mit der buurmaan ik iit bè Mohamed ik praot buurman Ik goa èten bi’j Mohamed Ik proat met de buurman Ik eet bai Mohamed. Ik proat mit de buurman. Ik eet bij Mohammed Ik proat mee de buurman ik goj vandaog bij mohamed eete ik proat mee munnen buurman Ik eet bij Mohamed ik praot mee den buurman Ik èèt bij Mohamed Ik proat meej dun buurman Ik eet be Mohammed Ik praot mit den buurman 'k gae eten bij Mohamed, da's buitelangs eten mót je denken 'k Praat mót de buurman ik heb bij Mo een hapje gegeten ik heb met de buurman gesproken [ik] [eten] [bae] [Moamet] [ik] [klap/ sprik] [ buurman] Ik gaon eete bij Mo-amed Ik praot meei dun buurman 'k go gon eet'n bau Mohamed 'k klap ewa met den buurmaun ik gao ettn bie Mohamed ik praote met de buurman ik eet mij Mohamette ik praot me d'n buurman Eat bei Mohamed Proate mi de buurman <?page no="412"?> ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 [ik] [help] [blind] [moeder] [vader] [houdt van] [Liam] Il jwlp mun blende moeder Onze paa houdt van l ik hellup bleinde moeder ons vadder houdt van liam/ hì lian gèèr Ik helpe mien blinde moe De vader hult van Liam ik hellup ons moeder, die is blind onze vaoder houdt van Liam ich help mien blinj mam . Pap hiltj van Liam . Ik hellup blind moeder Vaoder maag liam ik help ons moeder die blind is ons vader oudt van Liam Ik help maan blinde moeder Ozze voader ziet'e Liam gére Ik elp m'n blinde moeder altoos Z'n va ouwt arg van Liam ich hellep de bling mam pap healt va der Liam ik hellup bleinde moeder vadder houdt van Liam Ik help mien blinde moeder Vader holt van Liam Ik elp mun blinde moeder. Va oudt van Liam. Ik help m'n blinde moeder ik help de bleinde moeder vaoder haawt van liam Ik help men blinde moeder Ozze pa ziet Liamme gére Ik help munne moeder die bliend is Ons vader oud’eel veul van Liam Ik help ons moeder umdè ze blijnd is Ons vader haaiwt van Liam 'k help 'n blinde effen de straet oversteken, dat mós 'k van moeder vader is gek óp Liam ik heb een blinde bij mijn hoeder geholpen Pa houdt veel van liam [ik] [elp] [blend] [moeder] [pa/ vadder] [zie gèern] [liam] Ik help onze bliende moeder Ons vaoder ouwt van Liam 'k eulp een blènje mojjer Zè vader zie Liam geiren ik helpe mooder dee blind is mien va höldt van Liam ik help de blinde moeder pa houdt van Liam Ha ons moeder bleind geholpu Ons vodder houdt van Liam ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 [ze] [overnacht] [Noah] [ik] [bedank] [buurman] Il sloap be n Ik bedank meenen buurman ze sloape noah ik bedank bûrman Ze blif de nacht over bij N Ik bedanke de buurman Ze slaopt vannacht bij Noah ik zeg tegu dun buurman: deggu bedankt zet dè wittu Ze sleup bie Noah. Ich bedank de buurman Zai sloapt bei noahs Ik bedaank buurmaan ze bleft bij Noahs logeren merci eh, buurman Ze bleft baa de Noah sloape Ik bedank dië van de gebure Zie slapt vannacht bij Noah Ik eaw m'n buurman bedankt Ze sleip bie der Noah Ich bedaank der buurmaan ze slaopt bè Noah ik bedank dun buurman Ze oavernacht bi’j Noah Ik bedank de buurman Ze slapt bai Noah. Ik bedank buur. ze overnaagt bij noha ik bedaank munnen buurman ze sopt bij Noahs ik bedaank den buurman Ze slaopt bij Noah Ik em den buurman bedaankt Ze slaopt bè Noah thuis Dè ge bedankt bent, dè witte hè ze blijft slaepen bij Noah 'k het dee van naest an effen bedankt ze heeft bij noah geslapen ik heb de buurman bedankt [ze/ zae] [blèef sloapen] [ noah] [ik [ bedank]]/ zeg mersie] [buurman] Ze overnacht bij Noah Ik bedank dun buurman Ze blijft vann'nacht bau Noah 'k zeg merci tegen den buurmaun Zee aovernacht bie Noah ik bedanke mien buurman ze blijft bij Noahs slaopen ik bedank d'n buurman ze sloape bei Noah houwdoe en bedank buurman <?page no="413"?> ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 Comic Seehunde Ze zien r bekant net zoo ut as de vodder Die zeehonde hebbe dezellufde snor as dieje mins. Ze liek sprėk'nd op de vader ze hebbun ok unnen snor, net as onze pa Zieeihunj kieke . Ze lèken op dun vaoder ze hebben dezelfde snor als de man met de pijp Di hemme dezelfde sneus as de vovo disse zieoenden eawen krek net zo'n snorre as z'n va in et jongetjen kiekt verskeuten nor z'n va Op wae liek dae? Och kieek, op der opa ze lijken op de vadder Ze lieken op de vader van het jongetje Ze stalle geleik de vadder. Ze likken op de vader. Ze hebben dezelfde snor als d'n opa ze leake presies op jou ze hebben dezelfde snor als pa Ze ‘emmen dezelfden snor Ze hebben net zunne kop als zun vader mar dè had ie beter nie kunne zegge Ze hemmen alle dree dezelde snórre as 't jooëntjen z'n vader De zeehonden hebben dezelfde snor als de vader Ze hebben dezelfde snor als pa Da z'allemoal dirrekt nar die klaenen kommen kèeken as-tje in 't watter roert Ut bizondere is da diejen zee-ond op zunnen opa lekt Diien zeehond herinneringen dezelfde snor as den vadder z'emmen dezelde moestasj as de kleine zè voeër ze staon recht aoverende. ze lijken op de vader Gin idee, da ze unne snor hebbu? ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 Comic grillen Doar zen ze de vissen oant reuke ( met de eu van deur) dieje vadder gò mì zunne zoon visse. De visse bakke ze boven un vuurke. De vader trekt de boxe uut en knup de piep'n dichte en giet dan viss'n mit zien zeune. Plaatje 3: hier bunt de de visse worre gerukt Ich woor vesse mit mien pap en daonao hubbe veer gegrild Ze braien de vissu aon een stokske ze hebben de vissen gevanhen en ze worden gerookt boven een vuur, terwijl de broek hangt te drogen in de wind. Iëst veujere ze de visse. Dan moake ze van de broek van de vader en schepnet om de visse mee te vangen en dan bakke ze di boven een vurke De va in z'n zuun bakken een paor lekkere vissies op een vuur die ze aans mit z'n beien evongen eawen. Pap en ich hubbe vusche gevange met de brook van der pap. Toen hubbe veer ze boave ut vuur gerooestert. ze braoien de vis Vader en zoon bakken hun zelfgevangen vis, vaders boks hink te dreugen Kaampvureke mee gerokte vis. Ze rokken de vissies boven een vuurtjen. Onze pa rokt de vis oopa vangt vis dur ze in zun broek te laote zwimme. dan gon ze de vies rustere en der eige dreuge on ut vuur de visse worre geroosterd en de broek gedroogd Ze emmen een kaampvuurke gemoakt vur de vissen te bakke Boven un vuurke han ze die vissen gebraojen die ze mitdie boks han gevangen ze binnen de vis an 't roëken dee ze ëvungen hemmen vader barbecueet met zijn zoon Vader en zoon roken de vissen Ze ruuëken de vis die se gevangen 'emmen boven 't vieër en ze druuëgen eur/ ulder klieëren Ze zijn de vissen aon ut roake Jullie reiken de gevolgen vis ze brèjjen de visken boven e vier, en zijn broek angt te dreugen in nen beum de vissen dee ze evangen hebt, wod ebakken baoven 'n vuurtje ze zitten me z'n tweeën vis te grillen ze roeke un por visse <?page no="414"?> ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 Comic Klavier Hil hard wegloope dè mennukke gôtter vandur De vader helpt zien zeune met touwtrekk'n Hij rent heel hard weg omdat ie iets gedaon hee wa nie deur de beugel kan Hae rentj weg toen de kas veel . Hij lopt er als unne haos vandeur ij loopt ard weg voor zun vader die achter um an komt Dië klane trekt on eu koewer. De voader komt hellepeuh, mèf haa trekt ne piano euht 't venster Die vligt gank vort as z'n va kwaod op em an vligt geit ut zei der pap en ich zei nee, hellep mich. Toen trok hae en de piano vloog oet de roeet mae der pap waor gieftig. ut klèn menneke trekt an un touw. vader helpt en trekt un kast dur ut raom Den rent weg veur zien vader en rent het plaatje uut Zal ik jouw us loate zien hoe dè goat? De zuun got ur vanduur, omdat zun va achter um anvligt. Hij lopt weg ge zet nog te kleen om de te doeen . lao mijn ut mar is doen hij gaot ervandeur Zenne zeun gieng t’er vandeur toen zullie pa zaag wat er uit t raom viel. Hij lopt zo hard as ie kan dee gaet roeften, vader zit 'm óp z'n hielen de zoon vlucht weg die pa wil sèene zoon 'elpen om iets zwoars nar buit'n te trekken, mor dan ziet-sje dat 't de piano es en wur (wör) vrieë koad Diejen zeun gaottur van deur. aa moe rap go leupen want zè voeër is koeët op em veu wat dat 'n auëtjgestoken eet Hee lacht zien va uut en löp hard vod! ! hij peert er tussen uit hij neit eruit ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 Comic Schwan De zwaon wil de pep van voaders dieje zwaan wil de pijp van dieje mins/ vadder Ze ging'n de zwane brood voer'n mar die had liever de piepe dan het brood ut brod is nie genogt vur de zwaon, hij wil ok de pijp van onze pa De zwaan wilt ein piep rauke . De swaon wul un pèpke roake hij wil geen voer maar de pijp van de vader/ opa roken Dië klane veujert di zwoan. Dan kekt di zwoan neur dië voader, mer Dië hee niks veur te geve. En dan geeft 'em z' n sigaret mer af. De zwoon wil ok een pippien roken in ij pakt em of van de vader Mit der pap ein zschwaan gevoort. Die woart gieftig toen veer nieks mei houw en pap gaof heur zien piep en dat waor auch goot. de pèp van de vadder Meer èten Vodders tabak roake. De zwoan wil ut pippien van de va. De pèèp van Onze pa hedde gullie iets vur mein te frete, vraogt de zwaon. hier. prebeer mun peip is meer te ete krijge Dun zwaon wul die-un pijp róóke Hij wil nie eten maar pijproken dee wul de pijp van vader roëken en gien meer vrómgeven de zwaan heeft zin om te roken! De zwaan wil de pijp roken Ze wil nie allieën eet'n, mar uuëk de pèep emmen Diejen zwaon wil dun pijp emme De sedan wil ik dun piep reuke de zwoeën wiltj de paaip van de voeër de zwane wil 'n zwaore piepe rookn de zwaan wil pijp roken un pijp <?page no="415"?> ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 Comic Pferd De laacht in zun vusje dè pert wil dieje vent nie op zunne rug hebbe en bokt 'm ur vanaf Dit verhaal is te hog egreep'n veur mien, ik begriepe het niet ut peerd gooit onze pa van zun eige af ´t Paerd steigert. Het pèrd gooit vaoder deraf ij gooit vadre sop de grond me zun kont De voader springt vanuht nen boewem oep een peijerd. Dië voader denkt dattem da bidjest hé getemd Et paard wupt net zo lank tot die man d'rof vligt en dan got ie er gank vanduur Der pap schjprong op ut peerd mae dat vong het paerd neet lukt. opa springt op un perd. het perd bokt, opa bli zitten tot ht perd um er toch vlug afgoit Het peerd wipt vader van zien rug af Ut perd hee ut leste word. Ut paard vliegt hinnikend weg. Hij goit onze pa d'r af gij docht zeeker dek nie kon paartrije. snotjong. de hekoe tog wel aote zieen is toch den baos Ut pèèrd heet ‘m d’r toch afgeworpe T pert du net of ie mu is mar dan goit ie dieje mins dur toch aftoch 't paerd slaet óp hol en prambeert vader van z'n rugge of te krijgen, wat 'um uitaindelijk oëk lukt, hij gooit vader van dum of Het paard wil niet bereden worden en gaat er als een haas vandoor Die pa probeert da pèerd te temmen, mar (moar) as-tsje paest dat 't gelukt es smet da pèerd 'em der toch af Da pèèrd slaot op ol. Op 't leste, as 'n peist dat 'n 't pjeit getemd ee, smatj 't pjeit er em toch nog af 't peerd dech: ik krieg oe wel te pakkn, zet de sökke d'r in en smeert 'm. 't perd soit onze pa van zunne rug peert eruit ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 Comic Brant Zoon holt nun emmer woater en prebeert den brand te blussen Hij goit nun emmer watter dur de raam nor binne. De zeune zut dat er wat brendt thuus en giet water haal'n Hij gooit waoter naor binne Buurman naatgooie . Hij blust den braand water halen en gooien en daarbij een pijp van een man binnen doven. Nen emmer woater binne kappe De zuun zigt rook eut et eus eut koemen in ij gooit een immer waoter et raam in. Mar z'n va roek een pippien in nou is tie ouwe kwaod op z'n zuun Oei ut brent, schjnel blussen. Wat deis doe noee, ich waor de piep aan ut rouken. hij goit nun emmer watter naor binnen, waor rook vandan komt Die denkt een brandje te blussen Wor roak is is vuur, mor nie alle roak is braand, menneke. Ai gooit un immer mit woater nor binnen, zo over die man eens. Hij gooit een emmer water naar binnen braand blusse waoter gooie Zenne zeun zaag braand en gieng woater oale om ut te dòòve. Hij kletsten ut woater dur ut roam, mar wa bleek nou? T menneke komt langs t raom en der komt enen hoop rook uit. D'r leup 'n klain jooëntjen langest de straet en dee zag roëk uit 'n huis uit kómmen. De zoon denkt dat er brand is. In plaats van de brand blust heeft hij de roker. Brand blussen Ae paest dat 't brandt en ruuët er nen ieëmer watter op IJ blust de braand mar tis unne pijp Hij gooit in emmer water nota den brand Aa pees dat er vie was, en aa klasjt nen auker woeëter no binn'n, mo 't was geweun zè voeër dat on 't reuken was Hij zegt: "Pa, wat he'j mien te done: Water d'r op"! ! hij gooit een mens nat dieu kleine goat ervandur um woater te hoale. Hij gooit dieu mens zunne kop nat en zunne pijp uit <?page no="416"?> ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 Ik heb het Lucas gegeven. Ik heb het Oliver verteld. We kwamen naar Anna's Dat is de hoed van Aries 1 2 1 3 1 1 1 3 1 1 1 2 1 1 2 1 2 2 3 2 2 2 4 2 1 1 2 1 1 1 3 1 1 1 3 3 1 1 1 1 1 1 1 1 2 1 4 4 1 1 4 2 2 2 3 2 1 1 1 1 1 1 3 3 1 1 4 1 3 1 3 1 1 1 2 1 1 4 2 1 2 3 1 1 1 3 2 1 1 4 4 1 1 3 1 ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 We zullen het moeders vertellen Dit is mijn verstandige grootmoedern Ik heb Janne gezien Dat is niet Daane pet 1 4 1 1 1 3 1 2 4 4 1 4 1 4 1 4 3 3 3 3 2 4 2 2 1 4 1 4 3 3 1 3 2 3 1 4 2 4 1 3 4 4 1 4 1 4 1 4 3 3 1 4 2 2 2 3 1 4 1 1 1 4 1 4 1 4 1 4 3 4 1 3 4 2 4 2 1 4 1 2 3 4 1 4 2 4 1 1 4 4 4 4 1 4 1 4 <?page no="417"?> ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 Ik heb het de Ruben gegeven. Ik beoordeel zin deze verkeerd. Dit is niet het boek van Eve's. Ik heb het Janne gegeven 4 4 1 1 4 4 4 1 4 1 4 1 4 4 4 1 2 3 3 3 4 4 4 2 3 4 3 1 1 1 3 1 3 1 3 1 4 2 3 2 4 1 4 1 4 4 4 2 4 4 4 2 2 2 3 2 3 4 1 1 3 4 4 1 4 4 4 1 4 4 3 1 4 2 1 4 1 4 3 2 2 4 4 1 4 4 4 1 4 4 4 1 4 4 4 1 ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 Ik zie mijn mooie moedern Ik ontmoet de mooie Jan Ik help de grootvader Ik heb de Jorn gezien Dat is Janne pet 4 1 4 4 1 4 3 3 3 3 4 4 4 4 4 4 1 4 4 4 4 3 2 2 3 4 4 4 4 2 4 1 2 3 4 3 2 1 1 4 3 1 1 3 4 4 2 1 4 4 4 1 1 3 4 4 2 2 4 4 4 2 4 4 4 3 2 2 3 2 4 1 3 3 1 3 2 3 4 4 4 2 1 3 4 4 3 3 4 1 4 4 1 1 2 4 2 1 2 2 4 4 2 1 4 4 3 1 3 4 4 4 1 4 4 4 1 4 4 4 <?page no="418"?> ID 2880 2874 2802 2728 2720 2697 2610 2359 2132 1815 1722 1607 1470 1433 1399 1279 1272 1098 1073 964 832 724 644 534 507 505 445 403 124 Geburtsjahr (ab 1920) PLZ SO06_01 Geschlecht Dauer (in Min.) 28 5096 3 2 1882 37 5616 2 2 2218 33 6703 50 1 1974 30 5018 23 1 818 39 6074 1 2 1069 41 5101 76 1 899 32 4614 27 1 1359 45 2470 14 2 3463 64 8311 4 2 1431 41 6286 1 2 1138 32 5501 48 2 1173 62 7081 24 2 1596 1278 54 8321 4 1 1594 1018 17 5151 32 2 3610 17 6141 48 2 1457 59 4701 26 1 1614 3311 37 1271 11 2 1575 37 3011 93 2 1609 413 4 32 5062 7 2025 38 4702 1 2 1061 688 56 9400 12 2 1186 12 7261 101 2 2545 34 5612 65 2 1094 48 3731 66 1 1170 <?page no="419"?> Daten der Schweizer Umfrage Die folgenden Seiten geben die erhobenen, anonymen Daten der Onlineumfrage zu den Schweizer Dialekten wider. 419 <?page no="420"?> ID PLZ Ort X Y STARTED Seehunde ähneln dem Vater 1 8335 Hittnau 8.824101584206876 47.36092687982071 2020-07-28 17: 09: 24 Die Seehüng gsend gnou us wie dr Papa Moll 2 6085 Hasliberg 8.19858968743095 46.739625297353705 2020-08-01 20: 26: 17 D Seehung hei dr glych Schnuz wie dr Papi 3 4900 Langenthal 7.792487934277558 47.21159141344169 2020-07-28 08: 53: 03 ...si hei dr gliich Schnouz, wie dr Vater! 4 3862 Innertkirchen 8.230780441274858 46.70637152349941 2020-08-01 22: 58: 55 Dee häijn dr glich Schnüüz we dr Ätti 5 3862 Innertkirchen 8.352955401450401 46.7383332578149 2020-08-01 20: 38: 18 Sie hei dr glich Schnütz we dr Ätti 6 3860 Schattenhalb 8.190340358852279 46.70700634028728 2020-08-03 18: 36: 36 De seehind gsehn üs we dr ätti 7 3860 Schattenhalb 8.190340358852279 46.70700634028728 2020-08-03 13: 16: 27 Dee hein en gliichlige schnüüz wee sii tratt 8 3860 Schattenhalb 8.190340358852279 46.70700634028728 2020-08-02 19: 27: 45 Si hei e Schnüüz 9 3860 Schattenhalb 8.190340358852279 46.70700634028728 2020-08-02 14: 49: 51 si händ de glisch schnautz wie de drat 10 3860 Schattenhalb 8.190340358852279 46.70700634028728 2020-08-02 13: 56: 46 Si hein alli zäme en Schnüütz 11 3860 Schattenhalb 8.190340358852279 46.70700634028728 2020-08-02 11: 11: 20 Sie gseehn üs we dr Vater. 12 3860 Schattenhalb 8.190340358852279 46.70700634028728 2020-08-02 09: 40: 32 D Seehind gshn üs we dr Ätti 13 3860 Schattenhalb 8.190340358852279 46.70700634028728 2020-08-02 04: 06: 46 Die Seehind hei e Schnöiz, grad we dr Ätti. 14 3860 Schattenhalb 8.190340358852279 46.70700634028728 2020-08-01 19: 14: 28 Si häin alli ä schnüüz 15 3860 Schattenhalb 8.190340358852279 46.70700634028728 2020-08-01 18: 46: 39 Sii häi ä Schnüz 16 3860 Schattenhalb 8.190340358852279 46.70700634028728 2020-08-01 17: 45: 26 Si häin dr gliich Schnüüz wee dr Vater. Und äigentli o ds gliichä Gsicht. 17 3857 Meiringen 8.11214759228421 46.73918522264444 2020-08-01 19: 11: 14 Si gsehn üs wee der Ätti 18 3852 Ringgenberg (BE) 7.896498107019517 46.700860554272026 2020-07-27 16: 09: 29 Si si süss 19 3806 Bönigen 7.900487465494714 46.684030038218204 2020-07-27 15: 34: 12 D Seehünd gseh mit irem Schnouz genau glych us, wie dr Vater 20 3803 Beatenberg 7.790785446698734 46.69600678950565 2020-07-28 10: 17: 08 Gseh us wie papa moll 21 3800 Interlaken 7.862870322226102 46.68689296718228 2020-08-04 12: 55: 38 Sie hei e schnouz 22 3800 Matten bei Interlaken 7.869714885224609 46.67727184286673 2020-07-27 16: 05: 44 Die gseh glich us wie der Grossätti mit sim Schnutz 23 3766 Boltigen 7.394266937755761 46.63039839755104 2020-08-01 20: 30: 01 Di hi e Schnutz wi der Vater 24 3755 Diemtigen 7.564187093252929 46.630392724635406 2020-08-03 09: 08: 13 ihrä Schnurrbart 25 3714 Reichenbach im Kandertal 7.662843187863187 46.60958009694798 2020-08-03 20: 32: 35 Sie hii e Schnuuz wie dr Papa Moll 26 3714 Reichenbach im Kandertal 7.662843187863187 46.60958009694798 2020-08-02 21: 13: 09 dseehünd hii ä glichä schnouz wi dr vater 27 3714 Reichenbach im Kandertal 7.662843187863187 46.60958009694798 2020-08-02 20: 52: 55 Dr seehund wo uftuucht gseht schier glych us wie dr per. 28 3655 Sigriswil 7.720101514956307 46.71775725197379 2020-07-29 10: 18: 45 Dr Sohn u dr Vater si im Zoo, da touchä plötzläch Seehünd uf wo gewüss gad dr glich Bart hi wie dr Vater. 29 3627 Heimberg 7.6015527578903574 46.789615046180174 2020-07-28 08: 17: 47 D Seehüng gseh us wi dr Vater, wüusi ke Haar une Schnouz hei. 30 3624 Steffisburg 7.661917560879021 46.76992927409472 2020-08-02 01: 36: 58 Si hei ä schnouz wie dt pääpu. 31 3612 Steffisburg 7.638250768614873 46.782682727069314 2020-07-29 10: 42: 15 die gseh glich us wie dr Vatter. 32 3600 Thun 7.62370709815491 46.75552450460083 2020-08-02 15: 44: 11 Gseht üs weder Vater 33 3600 Thun 7.62370709815491 46.75552450460083 2020-08-01 23: 41: 25 Si hein e Schnoiz. 34 3473 Alchenstorf 7.63932607179465 47.1263300001015 2020-07-27 18: 50: 06 Si hei e Schnutz wie dr Vater. 35 3434 Landiswil 7.672820622749505 46.960602268225394 2020-07-17 14: 22: 22 D Seehüng hei Schnöiz. 36 3312 Fraubrunnen 7.516891422529021 47.08410782733077 2020-07-28 16: 00: 03 Dass sie Dr gliich Schnouz Hei Wie Dr Vatter 37 3294 Meienried 7.3413715038233445 47.13868003254057 2020-07-28 23: 10: 32 Si xeh us wie der Papi 38 3250 Lyss 7.307507139316171 47.07058059074075 2020-07-28 13: 10: 38 Dr Vater het dr gliich Seehungschnouz wi d Seehüng. Är fingts nid luschtig. 39 3177 Laupen 7.240793504282818 46.90293598974355 2020-07-28 00: 07: 40 Si hei die glychi frisur u schnouz 40 3132 Riggisberg 7.47667867704334 46.811621346220626 2020-07-27 15: 32: 27 D schnuzhaar 41 3122 Kehrsatz 7.473546514439985 46.912634532900434 2020-07-29 19: 47: 42 dr läng Schnouz 42 3110 Münsingen 7.555372010889105 46.876452532223304 2020-07-28 16: 17: 42 Der Bueb erschreckt ab der ändlechkeit zum Grossätti . 43 3065 Bolligen 7.496274643643378 46.97503186167681 2020-07-28 21: 12: 49 Papi die gseh us wie Du 44 3052 Zollikofen 7.461419686849904 46.99290346352701 2020-07-28 09: 37: 02 D‘Seehüng hei dr glich Schnouz wie dr Papa Moll. 45 3017 Bern 7.389112617746961 46.93388884623948 2020-07-28 08: 33: 35 Der chli Bueb entdeckt, dass Seehüng glich usgseh wie si Vater 46 3008 Bern 7.413896593247755 46.945100555345846 2020-07-17 14: 32: 18 D Schnöjz 47 3006 Bern 7.471278342654534 46.94581211618737 2020-08-01 11: 29: 10 si hei der gliich schnouz wi si per 48 3006 Bern 7.471278342654534 46.94581211618737 2020-07-28 19: 26: 01 D'Seehünd hei dr gliichig Schnouz wie dr Vatter. 49 3000 Bern 7.4520107074682755 46.9804871926737 2020-07-28 17: 08: 57 Sie dr glich Schnouz wi dr Vater 50 3000 Bern 7.449931552415316 46.93938995355346 2020-07-27 16: 02: 10 Die Seehünd hei aui die glyche Schnäuz wie dr Vatter vom Giu. <?page no="421"?> ID123456789 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 Vater und Sohn grillen Dr Papa Moll u sin Bueb brötle Fische über em Füür Dr Vatter u der Suhn hocke am Füür u warte uf d Fisch. Derbi röukt ei isch e chly schwarzi Wülche. Am Ascht tröchnet derwyl e Hose. Dr Vater baschtlet e Rüsche,for Fische u brötlet se nächhär! Sie grillen dn Fisch was gfangen häijn Dr Ätti und dr Sohb de Fischä brättlä Drätti und dr bööb grillen fischä Si hecklen da und löögen wee dee gfangnen fische bräätlen obem fiir Fisch wärde grillerd D Hose vom Drat hänge zum trochne am Ast und d fisch brutzlä iberäm fiir Die gfangnige Fische wärde bräätled obem Fiir Sie brate dFische uberem Fiir und trechnä Vaters Hose. Si räiken d Fisch ob em Fiir. Sie brättle d Fische wo sie sälber gfange hei. Da wärde fisch uberem fiir gräickt Ätti und Sohn te di gfangnige Fischä bratä Si bräätlen di gfangenen Fischen obem Fiir. Si brätlen d Fischä Znacht brätlä u kleider tröchnä D Fische wär uberem Füür brate u gröikt Brätle dfisch Si brätle fische u tröchne d hose Der Ätti und der Bueb si am Fische brätle, wo si mit dä Hose vom Vater gfischet hei Si Brätle Fischä si brätlä d'Fischä Sie brätle d Fische überem Füür dr vater u dr sohn tüe dfische röichere vater u sohn brätlä d fischä. Dr Sohn u dr Vater tüe die vier gfangenä Fischä zemä uberem Fürr ufghecht grilliere Vater u Suhn brätle d Fische wosi gfange hei überem Füür. Si tüe zäme di gfangene fisch ufem füür brätle Dr Vatter u dr Sohn brätle die gfangene Fische am Füür. Fisch grillä Si teen Fischä braten. Vater u Sohn brätle d Fische. Si brate d Fische überem Füür. Die gfangene Fisch wärde über em offene Füür brätlet Sie düe d Fischä brätle Vater u Sohn tüe zäme d Fische brätle wo si gfangä hei Si tröchne d hose u röichere glichzytig die gfangene fisch Löcke d fisch a. Der ätti zieht d hose ab.macht chnüpple dri u de git är mit em gieu eso ga fisch fa. Si brätle di gfangene Fische Es gmüetlechs Fischässe mit säuber gfanenem Fisch. sie gäh gah fische u brate die grad no Di beide brätlä d‘Fisch überem Füür und lö glichzitig am Papa Moll siner Hosä la tröchnä. Die beide gseh Fische im Wasser. Us de Hose vom Vater machesi e Fischfaue u när tüesi die gfangene Fische überem offene Füürli brätle Dr Vater u dr Sohn grille zäme säuber gfangeni Fische si brätle d fische Mit äm Vatter sinä Hosä hei si ä Reuse bouä und hei vili Fische chönne fa. Jitze sitzä Vatter und Suhn am Füür und brätlä die gfangene Fisch. D Fische wärde brätlet Vatter u Sohn brätle die säuber gfangene Fische über em Füür u löh ihri Chleider lah tröchne. <?page no="422"?> ID123456789 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 Sohn rennt vor dem Vater davon Auso dä rönnt drvo viu dz Klavier isch zum Fänschter us gheit Dr Suhn gumpet dervo. Dr Chli het zwei Chraft dr Vater zviue Är seckled dervun Är secklet dervo Ar seckläd derfun Absecklen Abseckle flichtä Nachem Debakel schpringd är derfun! Är seckled vum Vater furt. Är schpringd furt. Är seckled am tratt dervo. Secklet drvo. Secklet ab. Löifft drvo Är löift drvo Gläitig furt springen! Absecklen Ä schecklät so schnäll wie müglich Dr Suhn secklet dervo Dr vo seckle Är springt zum bild us Är seklet wäg, wil der Nachbar versecklet worde isch Furt seckle dervo secklä Är springt dervo dr sohn seklet drvo är secklet drvo Dr Buäb secklet vorem verrucktä Vater dervo. Är seklet vom Vater wäg. Er rennt tifig dervo är rennt drvo Springt derfu Är seckled dervun. Är secklet dervo. Dr Sohn rennt drvo. Är rennt dervo Är springt voräm Papi dervo Är secklet dervo Är flieht u springt dervo Gieu schrisst amene sili. Ätti wott ihm häufe u schrisst was är cha bis grad d s fänster mit chunnt cho d s flüge är springt drvo Er hout ab , z schlächte gwüsse. dr Chly hett öppis ahbuenge u ma nid zieh dr Vatter hiuft äs isch sKlavier Är rennt dervo. der Giu schriist amene Siueli wo zum Fäischter us hanget. Es passiert nüt. Der Vater chunnt u hiuft ihm. Er schriist u schriist u plötzlich isch Gumödeli dusse Furtseckle ör hout ab Ä springt dervo und us äm Biud. Är secklet dervo Dervo seckle <?page no="423"?> ID123456789 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 Dem Vater seine Pfeife Dä Schwan wott em Papa Moll sini Pfiiffe rouke Dr Schwan wött d Pfyfe vor em Vatter. Dr, dr vater het nüt...dr Schwan reklamiert u dr Vater git ihm Pfiffe Chli fueret dr Schwan D Pfiifen vum Ätti Am Ätti sini Pfiffä Dr schwahn will d tabackpfifen Pfiiffe röiken Pfiffe röicke D Tubakpfife Är hed immer no Hunger und will no mee. Sogar d Pfiffe hed är welle, röicht se und schwimmd derfu DPfiffä vum Vater. Dr Schwan mechti meh herts Brod. Dr Schwan wollt am Ätti si Pfiffä D pfiiffä Är wetti gärn d Pfiifä Meh z ässen, aber wils niimme gid, ischter o middr Pfiifen zfriden. Meh z ässen Ä möcht pfiffä Dr Schwan wott ds Gooni vom Vater D pfiffe Tubakpfiffe är wot d'Pfife vom Ätti roucke und schwümmt gmüetlech wäg Tubackpfife gwüss d'Pfiffä ruukä Nu meh z Ässe dr schwan wot ruuckä d pfiiffä Äm Schwan het ds Brot nid passt. Är wott lieber d'Pfiffä vom Vater. Dr Schwan wott ke Brot, sondern lieber d Pfiffe vom Vater rouche. Er wott d pfiffe vo päpu är wott d Pfiife vom Vatter Pfife E Pfiiffen roiken. Är wott o Tubakpfiffe rouke. Dr Schwan wott d Pfiiffe. Dr Schwan wott Pfife rouke Er wott Tubakpfiffä rouckä Dr Schwan wott am Vater sini Pfiiffä. Meh ds frässe Der gieu fuetteret der schwan mit brotbroche. Wo der schwan nümm überchunnt fat är ä d s motze, der ätti git pfiffe u schwan rücklet när ar pfiffe D Tubakpfife D dubakpfife vom Atti sie tüe Schwän füettere u zletscht gäbe si am Schwan no Pfiffe vom Vater Dr Schwaan wott em Papa Moll sini Pfiifä und bechunnt se o! Dr Bueb fuetteret e Schwan. Dä wott aber geng meh bis ihm der Vater sini Tubakpfiife git. Der Schwan schwümmt gnussvou dervo u die beide luegenim bedeppert nache D Tabakpfiife pfiife rouke Dr Schwan wott Vatters Pfiife. Und är het si ou bercho. Dä wott am Vater sini Pfiffe Dr Schwan wott unbedingt meh Brot, wius kes me het, nimmt er d Pfyffe <?page no="424"?> ID123456789 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 Pferd wirft den Vater ab Z Ross rüert dr Papa Moll abe Ds Ross wieheret fräch u gallopieret dervo. `Dr Vater wot riite..gheit guet aber nid bis em Schluss! Äs reerd dn Ätti dtab Äs probert dr Ätti abzwärfä und nachemnä Wili glingts ihm Ds ross frisst lööiib und reerd dratt ab Äs wirft tratten ab und seckled dervun Es wirft dr Riter ab zerscht frissts blätrer u den wen de alt ma uf em pugel isch probierts ne dra. z rüherä Äs wihered siegesgwiss und galloppierd zfriden wäg Es wihered und galopperd drvu. Äs bocked Ds Ross bocked so feschd das tratt appi ghiid. Frisst bletter vom böim. Bocket will där ma uf sim buggel hocket. Reert nä drab. Und galopeert drvo Äs rehrd dr Ätti drab Blettleni ässen, üüf und ab gumpä, probeeren dr Vater ab z schittlen/ api z reeren. Am Schluss glingts ihm und äs trabed zfridä dervun. Bocken Het numä srr er ich im grind Ds Ross bocket u wirft dr Vater ab Schlat us Äs schüttlet dr mah drab äs wot der Mah abeschiesse, und probiert alles, und schafft am schluss de ou Es het der Vater abgworfe äs schleht us, würft nä ab u secklet dervo Äs würft dr Papa Moll ab ds Ross wirft dr Vater ab äs würft dr per ab Ds Ross bocket u wirft dr Vater schliessläch ab. Äs bocket wo dr Vater 's wott ritte u wirftne schlussändlech ab. Es wirft päpu ab u freut sech tierisch äs frisst Blätter ab äm Boum. Wo dr Vatter uf sim Rügge isch wotts ne abwärfe, was ihm o glingt Rerd der Vater vom ross Üüsschlan Es bocket u wirft dr Vater ab. Z Ross bocket u wirft dr Vater ab. Ds Ross wirft dr Riter ab Äs bocket u stigt solang bis der Aut abstürzt u galoppiert de zfride dervo Dä Paggu bocket bis är das läschtge Ding abgworfä het Äs wirft dr ritter ab Ätti gumpet ufes ross wo am frässe isch.. d s ross bocket. Ätti flügt dran weu är sech nümm ma ha äs wirft dr Vater ab Da ischer ufem füdli glandet, der agäber. klaut Bletter u dr Vatter ufem Ascht isch entsetzt gumpet ufs Ross u keit abet Ds Ross wirft dr Papa Moll ab und galoppiert wiernd dervo. Dr Vater isch ufem Buum obe u stigt vo dert us ufenes Ross. Das macht grossi Gümp u versuecht der Vater achezgheie. Er isch aber hartnäckig u blibt dobe. Woner miint, er higi gwunnt bockets Ross nomau u er gheit i höchem Boge zBode. Es wirft dr Vater ab z ross wirft dr vatter ab Äs lachät und springt dervo. Ds Ross gheit dr Vater ache/ abe Ds Ross schüttlet dr Vatter ab u rennt dervo <?page no="425"?> ID123456789 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 Den Vater löschen Är löscht z Füür miteme Chessu Wasser Er löscht ds Füür är löscht es Für...gheit aber id Hose! Är lescht dn Brand. Är gseht Röich und deicht äs brennt. Drum holt är ä Chessel Wasser und wott z Fiir leschä Äs fiir leschen Är meind äs brinni und schmeitzt wasser dir ds feischter, da ischt aber numme grosatt am pfiiffe röiken Wasser aspritze Är gseht reuch, hold ä chibel Wasser und lärts äm Drat über ä gring ud pfife Är leschd midenem Chibel Wasser z Fiir im Hüüs Är gsehd dasses usm Feischter röichned,hold e Chibel Wasser und lescht zFiir. De gugged dr Vater pflotschnass usm Feischter und zeigt uf siini Pfiffä. Dr Böb gsehd dass röichned und reicht Wasser. Är schmeitzst dir d's Pfeischter und dö gugged dr Ätti üse und seid är heigi doch numme Pfiiffe gröikt. Är gseed Röich usem Feischder stiige und wollt ds Fiir mideme Chibel Wasser leschä. Derbi hed är dr Ätti nass gmachd, wo Pfiffe gröikt hed. Där gseht röich. Löifft drvo. Räicht ä chibel wasser. Lescht z fiir. Fiir leschä Dr Sohn gseehd das Röich usem Pfäischter chunnd und hed ds Gfeehl äs brenni. Äs sprungd furt, gäid ganä Chibel Wasser räichen und schmäizt ds Wasser dir ds Pfäischter ids Hüüs. Döö chunnd aber dr Vater firchä, pflotschnass är wään am Pfiiffä röikä gsiin! Z Fiir leschen Löschä Dr Suhn isch vor Schuel hei cho u het gseh, wies usem Pfentscher rouchnet. Är het e Chessel Wasser gholt u das inni gworfe. Da het dr Vater usegluegt u zeigt, dass dr Rouch us sim Gooni wär cho. Füür lösche Är gshed dasses brönnt, holt e chübu wasser und löst ds wasser zum fänster ih. Dr vater schimpft wüll är ihm d tubakpfiiffe hed usglösche är holt ä chübel wasser und wott der Brand lösche, aber derbi isch der Ätti am Pfife rouche. Löschä Probiert z'Füür z'löschä Är löscht em Vater si Pfiife dr chli bueb löscht äs füür miteme chübel wasser Dr Sohn gseht ruuch u denkt äs breni. Drum holter ä chessel wasser u schüters z fenster ii. dr vater ket ned früüd. Dr Gieu het gseh, dass es usem Feschter het gruchnet. Drum ischer schnäu gsecklät ga ä Chessu mit Wasser richä u het dä dür ds feschter inni gsprützt. Druf achi hettim dr Ma dinnä wüescht gsit, är hig ja numä ä Pfiffä gruckt. Dr Suhn gseht dr Rouch, het z Gfüuh dases brönnt u geit ä Chübu Wasser ga hole für z Füür z löschä. 'S isch aber nume dr Vater gsi wo Pfiffe groucht het. Dr chlin giel meint dass es brönnt, u schüttet ä kübu wasser ids fenster. Äs isch aber dr grossätti wo ä pfiffe roucht. Dr Bueb gseht Rouch bim Fänschter, springt u hout ä Chessu Wasser. Är schüttets is offene Fänschter. Dr Vatter het nid Fröid, är het dinne Pfiife groucht Löschtfeuer Är probeerd ds Fiir z leschen. Är löscht ds Füür u preicht derbi si Vater mitem Wasser. Der Sohn geit go Wasser hole u löscht z'Füür. Dr Suhn rennt wäg u chunnt mit eine Chübu Wasser zrügg um z Füür z lösche Es Füür löschä Är gseht dr Rouch und secklet ab ga Wasser holä. Är schüttet z Wasser zum Fänschter i u preicht dr roukend Vater. Isch erstunt Mi gieu gseht füür, geit ga wasser hole zum.lösche, schüttet das dür d s fänster Dr Sohn bemerkt ä Rouchentwicklig im Hus u rennt für ne Chübu Wasser z hole zu äs Für ds lösche. Dr Vater schimpft will är ganz nass wird. Der Bueb meint es brönni, u löscht. Der Grossätti het aber nur z Teewasser zwang Kocht. Är rüeft äs brönnt hout Wasser u löscht aber dr Vater roucktä Dr Sohn hout ä Chübu Wasser und löscht ds Füür. Der chlin Giu mit em Turnischter am Rügge gseht, dass es zum Fäischter us ruuchnet. Er springt dervo, riicht e Chübu Wasser u schüttetne zFäischter ine. Der Vater luegt när ganz tuube u pflotschnass zum Fäischter us u ziigt uf sini Tubakpfiife Lösche är löscht es füür, leider isches aber d tubakpfiife vom grossvatter xi dr Suhn het z'Füür i dr Wohnig mit ämene Chessu vou Wasser glöscht. Leider isch dr Vatter i dr Wohnig gsi und d's Wasser het ihm Pfiffe glöscht. Dr Sohn het gmeint äs brönni (läui altes Berndeutsch). Är het nume wöue lösche Dr Giu gseht Füür u secklet dervo zum Wasser hole u ds Für lösche. Schnäu schüttet är ds Wasser zum Fänschter ine. <?page no="426"?> ID123456789 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 [ich] [Grossvater] [gewohnt] [ich] [koche] [mit] [Nachbarin] [ich] [im Park] [Hund Frank] [ich] [denke an] [alte] [Großmutter] I han bi miim Grosätti gwohnd. / I hammi a miin Grosätti gwaned. I chochen middr Naachbiiri. I bin mid Frank, em Hund, im Park am spazeeren. I däichen a miis altä Grosi. I ha bi mim Grossfatter gwohnt I chochä mit mirä Nachbärä Ig bi i Park ga loufä mit mim Hung I dänkä a mis autä Grosi Ig wohne bim Grossvatter Ig choche mit dr Nachbüri Ig ga mit em Hund Frank i Park Ig deiche a mini alti Grossmuetter I han bin grossatt gwohnd I chochen mid der nachbiiri I gan mid dem hund Frank in park I deichen an mis alte grosi I ferien hani bin grosatten gwohnd I chochen gääre mid dr nachbiiri zämen Im park han i den hund frank gseen I teichen mengischt an miin alti grosmööter I han mit mim Grossätti zämen gwohnd. U chochen mit der Nachbiirin. I bin im Park mit mim Hund Frank. I teuchen an mis altä Grossmötti. I ha bi mim Grosätti gwohnt. I coche zäme mit mire Nachbarin e Suppe. I ga im Pärkli mit mim Hung Frank ga spaziere. I dönke a mini auti Grossmueter. grossätti, gwahnet chochä mit dr nachbüüri Bi mitem hündi frank im park dechä a zautä grossmüeti i ha mit äm Grosspapi ir gliche Wohnig wohnt. i choche gär mit mire Nachbüri i spaziere gärn im Park mit mim Hund Frank Mängisch dänke ig a mis alte Gross I han bin Grosätti gwohnd I chochen mid dr Nachbiiri I bin midem Hund Frank im Park I däijchen an de alt Grosi Ig ha bim Grossvater gwohnt. Ig bi mit dr Nachbüüri am chochä. Ig bi mit mim Hund Frank im Park. I techä a mis autä Grosi. I han bim Grossvatter gwohnd I choche mid der Nachbarin I bin im Park mid em Hund Frank I teiche an die alti Grossmüetter i ha bim Grossätti gwohnt i chöche zäme mit der Nachbere i bi mit em Hung Frank im Park i täiche a die auti Grossmuetter zrügg I ha bi mim Grossätti gläbt. I choche mit myne Nöchbere I bi mit däm Hung Frank im Park I dänke a d auti Grossmueter Ig ha bim Grossvater gwohnd Ig chochä mid dr Nachbirin Ig bi mid mim Hund Frank im Park Ig deiche a mi alti Grossmöter I han bim Grossätti gwohnd. I choche mid dr Nachbarin. I bin im Park mid miim Hund Frank. I deiche a d's alte Grosi. Ig bi mi a Grosspeer gwöhnt Ig choche mit dr Nachbarin I gseh im Park dr Hung „Frank“ Ig dänke a di auti Grossmuetter Grosätti Choch miem nachbar Park Hund frank Deiche grosi ig, grossat gwöhnt ig choche mit Nachbarin ig loufe im Park mit äm Hümpel Fränk ig dänke a die alti Grose i ha bim grossvater gwohnt i chochä mit dr nachbärä dr hund u i ga i park i denkä a di alti grosmueter I ha bim grossvater gwohnt Ig choche mit dr nachbüüri Ig bi mit emnhund frank im Park I dänke a die alti grossmuetter ih Grossvater gwöhnt ih choche mit dr Nachbarin bi im Park mit äm Hung Frank ih dänke a die auti Grossmuetter I bi a mi Grossvater gwöhnt IG choche mit mire Nachbarin Ig bi im Park mit em Frank sim Hund Ig dänke a alti Grossmueter Hee hed miin Grosatt gwohnd. I chochen nid der Nachpiiri. I bin im Park mitten Hund. I täichen an miin alti Grosmöter. I bi a Grosspapa gwahnet I choche mitem nachbuur I bi im park mitem hund frank I deche a di alti Grossmuetter i ha bim Grossvatter gwohnt i choche mit dr Nachbarin i bi mit Hund Frank im Park i dänke a ds aute Grosi I ha bim Grossvater gwohnt I choche mit dr Nachbarin I bi im Park mitem Hund Frank I denke a di alti Grosmueter Ig u dr Aetti hei zäme gwohnt I choche mit dr Nachbarin ds Mittag Ig ga i Park mit em Hund Frank Ich dänke garn a ds aute Grosi I ha nie bi mim Grossätti gwont I choch mit dr Nachberi Ig u mi Hung Frank si im Park I tänke a mis aute Grossmüetti Ig gwahne mii Grosätti Ig chochä mid miire Nachbarin Ig bi im Park midm Hund Frank Ig däiche anä alti Grosmööter I ha gäg de grossattvim Jass gwunne D Nachbari u i choche zäme fir nes fäscht im park trif i de Frank mit sim hund i dänk oft as alte Grossi Grossätti we gwehnlich Chocht mit dr Nachbiri Im Park Hund Frank Deiche ads alte Grosmööti I bi a Grossätti gwanet I choche mit dr Nachbare I bi mitem Hund Frank im Park I denke a mis alte Grosmueti I ha bi mim grossatt gwohnt I choch mit mire nachpiiri I bi im park mitem hund, där häisst frank I täiche a de alti grossmööter i ha bi mim Grossvatter gwohnt I chochä mit mirä Nachbarin Mit äm Hund Frank bin ig im Park I dänkä a mi auti Grossmueter I bi gwöhnt mit grossätti ga d s lufe I choche mit der nachbarin I ga gärn mit hung frank i park I däiche a mi auti grossmuetter I ha bim Grossätti gwohnd I choche midem Nachbüür I spazeerä dire Park midem Hund Frank I deiche a di alti Grossmööter I ha bi mim grossvater geohnt I choch mit mire nachbüüri Im park suechi dr hung frank I däiche a die auti grossle I ha bi mim Grossvater gwohnt. I choche mit dr Nachbarin. I bi im Park mit dem Hung Frank. I dänke a mini auti Grossmueter. I bi gwohnt mit em Grosspapi ga z‘Vieri z‘ässe. I chochä mängisch zämä mit mirä Nachbarin. I ga mit mim Hung Fränggu i Park. I dänke viu a mis autä Grossmami zrügg. I ha mit mim Grossätti im gliche Huus gwohnt. I choche gärn mit mire Nachberin. I ga jedä Tag mit mim Hung Frank i Park. I dänke viu a mis aute Grosi. Grosätti Chochä Park Dänkä Opa gwanet I choche mit dr Nachbarin I bi mitem Hund Frank im Park I dänke a di auti Oma I bis gwahnet am Grossätti im Gartä z hälfä I chochä mit dr Nachbiiri äs Curry I bi mitem Frank und sim Hund im Park I deichä viel a mis altä Grosi I ha bim grossätti gwohnt I choche mit dr nachbarin Ig bi im park midem hund frank Ig dänke a mimi alti grosmuetter I ha bim Äti gwohnt I chochä mir der Nachbürin I bi im Park mit em Hung vom Frank I dänke viu a mis aute Grosi i ha bi mim grosvatter gwont i choche mit dr nachbarin i ga mit mim hung frank i park i dänke a di auti grossmueter Ig grossvati gwönet Ig choche mit Nachbarin Ig im Park Hung Fränku Ig dänke a alti grossmuetti ig wohne bim Grossäti i choche mit dr Nachbere i bi im Garte mit em Hung Frank i dönke a aui Grosi's <?page no="427"?> ID123456789 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 [Tochter] [gleicht] [Mutter] [sie] [erzählt] [alles] [Mutter] [ich] [helfen] [Vater] [Schwesterchen] [Hanna] [schläft] Geburtsjahr D Tochter gliicht asobar dr Möötter. Si vrzelld alles dr Möötter/ ihrerä Möötter. I hilfen Trättin. D Hanna, miis Schwesterli, schlaft. 1962 Di Tochter gseht genau glich us wi iri Mueter Si het aues ar Mueter verzeut I hiufä mim Fati Mini Schwoscht pennät 1964 Tochter gliicht dr Muetter Si verzellt alles dr Muetter Ig hilfe em Vater Ds Schwöschterli Hanna schlaft 1946 Z meittli gliched dr möötter Si verzelld alls dr möötter I hilfen drätti D schwoscht hanni schlaft 1981 Tochter gliiched dr mööter Si verzelld alls dr mööter I hilfen miim trätti Hanna schlaafd bi siim schweschterli 1985 D Tochter gliiched dr Mötter. Si verzelld alles der Mötter. I hilfen mim Ätti. Mis Schwesterli, d Hanna, schlaft. 1984 D Tochter glichet dr Mueter. Si verzeut ihrer Mueter aues. I hiufe em Vati. Mini Schwoscht d Hanna schlaft. 1954 glichet dr muetter verzeut dr muetter aus hiufä am vater dschwoscht hanna pennet no 1975 D Tochter glicht ganz fescht ihrem Mammi si verzellt Ihrem Mammi aus. I hilfe äm Papi bim Outo wäsche mis chline Schwöschterli, ds Hanneli schlaft 1995 D Tochter gliiched dr Mööter Sie verzelld alls dr Mööter I hilfen Drätti Mi Schwoscht Hanna schlafd 1977 D'Tochter glichet är Muetter. Si vrzeut aus är Muetter. Ig hiufä äm Vater. Di chlini Schwoscht, d'Hanna isch am pfusä. 1986 D Tochter gliiche er Müetter Si verzelld alles er Mütter I hilffe em Vatter Z Schweschderli Hanna schlaafd 1956 Tochter gliicht der Muetter Sie verzeut aus der Muetter I hiufe em Vater d Hanna, zSchwöschterli, schlaft no 1975 D Töchtere glycht ere Mueter Si verzellt aues ere Mueter I haufe em Vatter Ds Schwöschterli Hanna schloft. 1977 Tochter gliicht dr Möter Sie verzelld alles ar Möter Ig hilfe am Ätti Schwesterli Hanna schlaft 1993 D Tochter gliiched dr Möter Si verzelld alls Dr Möter I hilfen dem Ätti D's Schweschterli Hanna schlafd. 1987 D Tochter glicht dr Muetter Si verzeut ar Muetter Aues Ig hiufe am Peer Di chlini Schwoscht Anna pfuuset/ pennet 1985 Tochter gliched der möter Verzelt alles d mötter Hälf Vater Schhweschter hanna schlafr 1980 D'Tochter gseht glich us wie ds Mueti sie verzellt am Mueti alles ig hilfe am ätti D'Schwoscht Hanna pfuuset 1968 d tocher glycht ar mueter sie verzellt alls dr mueter ig hilfä am per ds schweschterli schlaft 1973 Tochter glichet ar Muetter Sie verzellt alls dr muetter Ig hilfe am vater Ds schwösterli hanna schlaft 1993 Tochter glicht dr Muetter sie verzeut aues dr .Muetter ih hiufe am Vater Schwöschterli Hanna schlaft 1969 Tochter glicht er Mueter Sie verzeut aus mire Mueter Ig hiufe mim Vatter Schwöschterli Hanna schlaft 1984 D Tochter gliiched der Mööter. Si verzeld ihrer Mööter alles. I hilfen Drättin. Ds Schweschterli schlaft. 1978 Tochter glichet ar Muetter Si verzellt als ar Muetter I hilfe am Vater Schwesterli Hanna schlaft 1983 d Tochter gliicht dr Muetter si verzeut aues am Mami i hiufe am Vater Schwöschterli Hanna pfuuset 1984 Tocher gliiicht ar Mueter Si verzelt als ar Mueter I hilfe am Vater Schweschter Hanna schlaft 1982 D Tochter gseht us wie d Muetter Sie verzeut aues ar Muetter I hiufe am Vati Mis Schwöschterli, d Hanna schlaft 1991 Ts Meitschi gseht grad so us wie d Muetter Si verzeut aus dr Muetter Ig hiufe mim Vatter Z Schwöschterli Hanna pfuused 1996 D Tochter gliicht ar Mööter Sii verzelld alls ar Mööter Ig hilfä am Ätti Ds Schwesterli Hanna schlaaft 1972 D Tochter isch de Mutter wir zum gsicht us gschnitä sie verzelt alles was gsi isch de mutter i hilf em äti mini schwoscht ds Hani nimt en nuck 1975 Tochter glicht dr Mööter Se erzellt alls dr Mötter I hilfi em Ätti DSchwoscht Haana schlaft 1977 D Tochter glicht er Mueter Sie verzellt alls em Mueti I hilfe em Täti Z Schwesterli vor Hanna schlaft 1970 Tochter glichet ihrere mööter Si verzellt alles dr mööter I hilffe mim att De chlini schwoscht, d hanna pfüüset 1982 d'Tochter gliicht dr Mueter äs verzeut aus dr Mueter ig hiufä (mim)(oder) äm Vatter mis Schwösterli Hanna schlaft grad 1986 Tochter glichet äm müetti Sie verzeut aus am müetti I hiufe am ätti D schwöschterli hanna pfuset 1943 D'Tochter isch abgschnitte d Möötter. Sie veerzelld alles ar Möötter I hilfe am Att Ds Schweschterli Hanna schlafd. 1981 D tochter glicht dr muetter Si verzeut aus dr muetter I hiufe am pčre Die chlini Schwo hanna schlaft 1967 D Tochter glichet dr Mueter. Sie verzeut aues dr Mueter. I hiufe em Vater. Das isch am Mathias si Brueder. 1974 D‘Tochter gliicht ihrer Mueter. Sie verzeut aues ihrem Mami. I hieufä mim Papi. Mis Schwöschterli Hanna schlaft. 1966 D Tochter glichlet ar Mueter. Si verzeut aues ihrem Mami. I hiufe mim Vater im Gartä. Mis Schwöschterli Hanna schlaft. 1958 Glicht Erzehlt A ätti hälfä Schwoscht 1955 D Tochter gliicht dr Muetter D Muetter verzeut aues I hiufe mim Vater Das isch mi Brüetsch, dr Mäthu 1945 D Tochter glicht sehr ihrer Mötter Sie verzellt alles ihrer Mötter I hilfä mim Ätti gärä Z Schwesterli vur Hanna schlaft scho 1965 D tochter gliicht dr muetter Si verzellt alles ar muetter Ig hilfe am papi D schwöster hanna schlaft 1965 1988 Dini Tochter glicht mega dim Mami Si verzöut aus em Mami I hiufe mim Papi Mini Schwo Hanna pfüselet 1982 d tochter gliicht dr mueter si verzeut aues ihrer mer i hiufe mim per mis schwöschterli Hana pfuuset 1951 Meitschi glichet Mueti Si verzellt alles Mueti Ig hilfe Vati Chlini schwoscht Hanneli pfuuset 1957 Tochter glicht dr Muetter I verzöue aus aar Muetti I häufe em Vater Schwoscht Hanna pennt 1976 <?page no="428"?> ID123456789 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 Eigenbenennung Zeit (in Sek.) Bern 474 Berndeutsch 800 Bärndütsch 840 Haslidiitsch 396 Hasliditsch 753 Haslitiitsch 608 Haslitiitsch 1103 Haslititsch 452 Haslideutsch 727 Haslitiitsch 629 Haslidiitsch 607 Haslititsch 1063 Haslidiitsch 770 Haslitiitsch 617 Haslidiitsch 363 Haslitiitsch 1020 Haslideutsch 379 Oberländer 450 Bärndütsch usem Oberland 624 Oberländer dütsch 529 Oberländer-/ haslidütsch 534 Oberländer Deutsch 575 Bärndütsch 719 bärndütsch 587 Frutigdütsch 443 Mix zwischen Frutigdütsch und Bärndütsch 316 berndeutsch (frutigdeutsch und berndeutsch gemischt 470 Bärndptsch 784 Berndeutsch 833 Börndütsch 617 BE 464 Bärn dürsch 581 Berndeutsch 495 Berndeutsch 393 Berndeutsch 422 Bärndütsch 798 Bärn 612 Bärndütsch 793 582 Bärndürsch 924 Berndeutsch 753 Bärndütsch 1157 schweizerdeutsch 783 Bärndütsch 1096 Berndeutsch 689 Berndeutsch 325 Bärndütsch 422 Ds Stadtbärndütsch 871 Alemannisch 689 Bärndütsch 643 <?page no="429"?> Daten der ostobdt. Umfrage Die folgenden Seiten geben die erhobenen, anonymen Daten der Onlineumfrage zu den ostoberdeutschen Dialekten wider. 429 <?page no="430"?> ID PLZ Ort Y X STARTED 20 93051 Regensburg 49.017222 12.096944 2020-07-20 10: 51: 36 103 93413 Cham 49.218073 12.666118 2020-07-27 15: 31: 44 420 93470 Lohberg 49.173577 13.106333 2020-07-28 20: 18: 46 422 94469 Deggendorf 48.835278 12.964444 2020-07-28 20: 39: 44 525 84155 Bodenkirchen 48.38431 12.38747 2020-07-29 00: 43: 10 578 94379 Sankt Englmar 49 12.816667 2020-07-29 09: 51: 15 657 93142 Maxhütte-Haidhof 49.2025 12.094722 2020-07-29 17: 59: 50 853 2020-07-29 23: 02: 48 873 95695 Mähring 49.908333 12.528056 2020-07-30 00: 50: 25 940 92726 Waidhaus 49.641667 12.494444 2020-07-30 12: 25: 59 1001 3830 Waidhofen an der Thaya 48.81491 15.28572 2020-07-31 09: 52: 19 1025 3830 Waidhofen an der Thaya 48.81491 15.28572 2020-07-31 10: 45: 46 1093 3830 Waidhofen an der Thaya 48.81491 15.28572 2020-07-31 17: 32: 20 1160 95643 Tirschenreuth 49.8825 12.333056 2020-08-01 07: 27: 49 1218 3830 Waidhofen an der Thaya 48.81491 15.28572 2020-08-02 21: 41: 58 1271 95188 Issigau 50.376747 11.720578 2020-08-03 15: 37: 41 1289 2020-08-03 19: 26: 34 ID 20 103 420 422 525 578 657 853 873 940 1001 1025 1093 1160 1218 1271 1289 Seehunde ähneln dem Vater De hamd den gleichn Schnauza wia da Vadda De Schaum sei da Baba De Hund schaun aus, wia da Voda vom Buam. bortat is a Die Seehund ham den gleichn Schauzer (Rotzbremsn) wia da Vodda. DSeehund hammand an glächn Bort waj da Vadda. Sie ham den gleichn board wia da Bappa Die schaun aus wie döe fodern Da Board Dej hom alle an selwn kupf wej da Baba mitsamt der Schnurn. se haum in gleichn boart wia da vota De schauen aus wia da Voda vom Buam. Se haum an Boat Dai hom die selbe Schnurrn way da Voda! Se san olla im Wossa versteckt und kumman noch da Reih auf dWossaobaflächn. Di hamm den sölben Schnäuzer wie de Vatter De schaun aus wia da Voda, weils aa alle an Schnauzer ham. <?page no="431"?> ID 20 103 420 422 525 578 657 853 873 940 1001 1025 1093 1160 1218 1271 1289 Vater und Sohn grillen Da Vadda und da Bua raichan Fisch De Zwoa grilln an Fisch Da Voda und da Bua waman se am Feier und de Fisch brodn übern Feier. Fisch grilln dans Da Vodda und da Bua gruin die seaba gfanan Fisch und ham scho an rechtn koidampf. DHosn driggad am Baam, da Vadda und da Bou schaan zou, waj dFisch iwan Feia brodn. Da Rah stägt in dHej. De zwoa grilln Fiesch. Voda und Bou broun Fisch Fiesch reichan se trikan des gwand und brotn de fisch Se reichan de Fisch. De Fisch wean üban Logafeia grüt Dai grilln se die gfangna Fisch! Da Vota reichat mit seim Buam de gfongtn Fisch glei direkt am Ufa. Alle Fusch wern am Feier gebrootn Da Bua und da Voda sitzen am Lagerfeier und wamand se auf.braten Steckerlfisch. Dabei drickans d'Hosn vom Vodern und ID 20 103 420 422 525 578 657 853 873 940 1001 1025 1093 1160 1218 1271 1289 Sohn rennt vor dem Vater davon Dem Vater seine Pfeife ea lafd davo Am Vaddan seine Pfeiffa Daforenna A Fouda Der schaut, dass a weider kimt, weil eam da Voda nache duad. Da Schwan wui de Pfeiffa vom Buam sein Vodan. davo laufa pfeifa raucha Da Bua rennd davon, weil da Vodda an Grat hod auf erm. Da Schwan Wui an Voadern sei Pfeiff Da Bou rennt davo, weil da Vadda an Fensterstock assagrissn hod. Da SChwan mecht an Vaddan sei Pfäffa hom. Er rennt weg. Er will die Pfeifn vom Vodan. Weglaffn D‘ Pfeifn Asreißn An der pfeifa zejng er rennt davo er wü de pfeifn vom votan Der Bua rennt weg. Der Schwan wü de Pfeiffn vom Vodan. Da Sohn rennt davon Da Schwan wü de Pfeifn rauchn Der soucht as weite! Der wül an Voda sei orzundne Pfeifn! Da Bua rennt vo seim wütenden Vota davon Da Schwan mog in Votan sei rauchade Pfeiffn und schwimmt davo. Der haut obi Der raecht eu Pfeifn <?page no="432"?> ID 20 103 420 422 525 578 657 853 873 940 1001 1025 1093 1160 1218 1271 1289 Pferd wirft den Vater ab es wiafd an Vaddan ob Es wirft n Reidda o Des buggelt und wiaft an Buam sein Voda o. obigschmissn hatsn Der Mist Heiter bogd umanand bis an Vodda obi schmeißd SPferdl frisst Blaadl vom Baam owa, daschrickt, waj eam da Vadda am Bugl affespringt und fangt SWeaka o. Des Pferdl bockt und wirft den Vodan ob. Scheun und an Reita owerfn Des bockt und schmeißt nan ora es buckelt und haut aus und rennt daun davo Des Pfead beidlt in Vodan owa. Des Pferd frisst vom Bam, geht durch und wiaft den Votan ob. As Pfadl scmeißt an Voda sauber o! Des Pferd frisst de Bladln vom Bam und da Vota springt von oben auf den Pferderuckn. Des Pferd hupft wia wüd und vasuacht den schwan Vota obzuwerfn. Des lacht sich krank und haut ab ID 20 103 420 422 525 578 657 853 873 940 1001 1025 1093 1160 1218 1271 1289 Den Vater löschen Da Bua moant, es brennt, und mechd's Faia mid am Oama voi Wossa leschn mochd oab nua sein noss! Er lescht des Feia Da Bua segt an Rau, rennt um an Ema voi Wossa und schüts ins Haus eine. Statt a Feier hod a an Opa sei Pfeiffa glöscht. leschen duat a Da Bua siagt daß stärker Rauch aus m Fensta kimmt. Er denkt daß brenna duad und hoid schnai an Emer Wassa, des a inds Haus eini Schott. Da Bou moint, dass brennt und schitt an Eema Wossa fias Fenster ei. Dann schaat da Vatta assa und zoigt eam sei nosse Pfäffa. Er lescht Feia Des feier leschn Er möind er läscht a Feia, dawal is a pfeifn. Er schwalmt an Oima Wasser afn Vatter er siecht rauch ausn fensta, schütt an küwe wossa eini und trifft sein votan, der nua a pfeifn graucht hod Dea bua siacht Rauch und wü mit an Kiwe Wossa leschn. Unterm Strich woas owa ka Feia sondan da Voda mit da Pfeiffn dea iaz waschlnos is.. S Feia leschn Da Bou moint das brennt und hult a oimer Wasser um as feier zu leschn! Dabbei houd se da voda blous a Pfeifn orzundn! Er schreit Feia Feia und hoit an Kibe Wossa. Er lescht des vermeintliche Feia. Der tuscht en Groasvatter Da Bua moant, dass brennt, weils so stark ausm Fenster raucht. Erlöscht mitam Emma Wasser des Feier. Doch dann stellt se aussa, dass grod sei Voder war <?page no="433"?> ID 20 103 420 422 525 578 657 853 873 940 1001 1025 1093 1160 1218 1271 1289 [ich] [Grossvater] [gewohnt] [ich] [koche] [mit] [Nachbarin] [ich] [im Park] [Hund Frank] I bin an Großvaddan gwend I koch mid da Nochborin I bin im Park mit meim Hund Frank I bin an Opa gwehnd I koch mid FA Nachbaren I bin im Park(Wolf) mim Hund Frang I hun beim Großvodan glebt. I koch mid da Nachbarin. I bin mim Hund Frank im Park. I hob beim Großvadern gwohnt I koch mit da Nachbarin i bin mitn Hundsvich Frank im Park I koch mid da Nachbarin a Kardoffebradl I spui im Park midm Fränky meim Hund I koch mit da Nachbaren I geh mit meim Hund Frank in Park Mei Groußvatta und i ham dou gwohnt. I koch mit da Nachbarin. I bin mim Hund Frank im park. I hob beim Opa gwohnt I koch mid da Nachbre I bi im park mid meim Hund Frank Ich ho dou mit meim Obba gwohnt. Ich koch mid da nachbare Ich gej mid mein Hund Frank ind Anlaach. i hob beim ooa gwohnt i koch mid da nochbarin i bin mis mein hund frank im park I hob beim Großvoda gwohnt. I koch mit da Nochbarin. I siach im Park in Hund Frank. I großvota gwohnt I Koch mit da nochbarin I im Park mit n Hund Frank ich ho beim groußvoda gwohnt. ich koch immer mit da nachbare. ich wor im park mitn franz meim Hund. I hob bei meinem Großvota gwohnt! I koch mit meiner Nobbarin! I hob im Park mein Hund Frank troffn! Vottern kocha mit Zensl Frank is mit n Striezi im Goarden ID 20 103 420 422 525 578 657 853 873 940 1001 1025 1093 1160 1218 1271 1289 [ich] [denke an] [alte] [Großmutter] [Tochter] [gleicht] [Mutter] [sie] [erzählt] [alles] [Mutter] I denk an mei oide Großmuadda S'Deandl schaud aus wie d'Muadda De erzejd ois ira Muadda I deng an a olde Grossmuada S Deandl zwei d Muada Si fazald ais da Mama I denk an mei oide Großmuada. Des Deandl schaut wia ihra Muada. Sie dazüid ais da Muada. I deng an de oid Großmudern des Deandl is wia Muadan de daprischt ois da Muadan I denk oft an mei oide Omama De Jung is wia de Oid. De dratscht ois zur Mam weida I deng an mei oide Oma SDeandl glächt da Muadda/ Mam Sie Britscht ois da Mam I denk an mei alte Groußmutta De Dochta gleicht ihra Mutta Sie vezöllt olls ihra mutta I denk an die alt Oma Dochter schaud as wie‘d murdern Sie dazähld alles da murdern Ich denk an mei alte Oma. S‘ Moidl gleicht da Muader afs Houa. Dej vazühlt alles ihrana Muader. i denk aun mei oide großmuada de tochter schaut aus wia de muada de dazöht ollas ihra muada I denk aun mei oide Großmuada. De Tochta gleicht da Muada. I dazö ollas meina Muada. I denk an d oide oma Tochta is wia d mutta So dazöt ollas da muata ich denk oftb an mei alte Groußmuader. mei Tochter kummt voll nou ihrer Muader. dai loud eh alles wieda da Muadern wissen. I denk oft on mei oide Großmutta! De Tochter schaut gonz da Mutta ähnlich! Sie dazöt ois da Mutta! I denk an mei Grousmutterl Die Jung ratscht genau wie de Muda Oilles werd weiter getratscht <?page no="434"?> ID 20 103 420 422 525 578 657 853 873 940 1001 1025 1093 1160 1218 1271 1289 [ich] [helfen] [Vater] [Schwesterchen] [Hanna] [schläft] Eigenbenennung Gebu Zeit (in Sek.) I hejf am Vaddan Regensburg Oberpfalz 520 I hilf an Vodan Schwesderl Hanna schloft Oberpfälzisch 1969 445 I hüif an Vodan. Schwesterl Hanna schloft. bayerisch 1983 880 I hef an Vodan D Scwarst Hanna schloft scho Niederbayrisch Waidlerisch 1958 805 Zefix, scho wieda soi i an Bap heafa Schwesdal Hanna schloft Landshuter Land niederbayerisch 1967 564 i hejf meim Pap mei Schwester Hanna schlofft Waidlarisch/ Bairischer Dialekt 1973 695 Ihülf meim Vodan Mei Schwesta Hanna schlouft Oberpfälzerisch, südlicher Teil 1982 557 241 I hilf am Bap As schwesterl schlouft Stiftländer 1985 602 Ich hülf meim Vodan. Mei Schwesterl Hanna schlouft. Waidhaus 1966 890 i hüf in vodan mei klane schwesta hanna schloft niederösterreich mostviertel 1976 378 I hüf meim Voda. Schwestachen Hanna schloft. Waldviertlerisch 1993 479 I hüf in vota Schwesta Hanna schloft Woidviertlerisch 1982 675 ich mou meim Vodarn helfn mei Schwester d´Hanna schlouft Oberpfälzerisch 1978 806 I hüf in Vota! Hanna Schwester schloft scho! Woidviatla Dialekt 1979 939 I hülf mein Vodder Die kloa Hanna is mied Niederbayerisch/ fränkisch 837 416 <?page no="435"?> Abbildungen 2.1 Modell der DP mit onymischer Flexion im pränominalen Genitiv nach Fuß (2011: 36) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2.2 Modell zur DP mit Eigenname im Akkusativ/ Dativ (nach Bhatt 1990; s.a. Weiß 1998: 77) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2.3 Modell der DP mit und ohne Eigenname in Anlehnung an Haider (1988, 1992) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2.4 Modell der DP mit und ohne Eigenname in Anlehnung an Haider (1988, 1992) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.1 Flexionssuffixe am Mhd. Substantiv (Wegera et al. 2018: 71) . . . . . . 71 3.2 Entwicklungen von -an (Akk. Sg.) bei Eigennamen im Niederländischen, Hoch- und Niederdeutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.3 Kasusendung bei Verbindung von Possessivpronomen + Verwandtschaftsbezeichnung im Nordfriesischen nach J. Hoekstra (2010: 768) . 92 3.4 Eigennamenflexion in den ndl. Dialekten nach Haeringen (1947) . . . 97 3.5 Vatern und Muttern in Wörterbüchern der binnendeutschen Dialekte nach Werth (2021), ergänzt um Ergebnisse aus dem Schlesischen Wörterbuch (Mitzka 1963a; Mitzka 1963b), auf Basis der Dialekteinteilung nach Wiesinger (1983) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 6.1 Geburtsorte der LCAAJ-Informant: innen . . . . . . . . . . . . . . . . 129 6.2 Onymische Flexion im Possessiv bei Personenname und Verwandtschaftsbezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 6.3 Onymische Flexion im Satz 159-100 moyshe’s father-in-law . . . . . . 139 6.4 Onymische Flexion im Satz 160-100 this is Mate’s brother . . . . . . . 139 6.5 Onymische Flexion im Satz 160-130 Moyshe is the poor sister’s / aunt’s son . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 <?page no="436"?> Abbildungen 6.6 Genus shlang ‘Schlange’ LCAAJ-Übersetzungsaufgabe Nr. 146-050 the snake is an animal that bites . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 6.7 Flexionserhalt/ -abbau poyer ‘Bauer’ LCAAJ-Übersetzungsaufgabe Nr. 214-080 I saw the peasant plowing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 6.8 Flexionserhalt/ -abbau ber ‘Bär’ LCAAJ-Übersetzungsaufgabe Nr. 146- 020 I saw a bear dancing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 6.9 Flexionserhalt/ -abbau jid ‘Jude (m./ f.)’ LCAAJ-Übersetzungsaufgabe Nr. 009-060 this Jew I knew well . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 6.10 Flexionserhalt/ -abbau mentsh ‘man’ LCAAJ-Übersetzungsaufgabe Nr. 009-080 we never go to visit this man . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 6.11 Flexionserhalt/ -abbau aus der Summe der Antworten der Übersetzungsaufgaben 009-060 this Jew I knew well und 009-080 we never go to visit this man . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 6.12 Summe für Flexion jid ‘Jude (m./ f.)’ in den Übersetzungsaufgaben 009-060 this Jew I knew well und 009-080 we never go to visit this man 149 6.13 Flexionserhalt/ -abbau tate ‘Vater’ LCAAJ-Übersetzungsaufgaben 156- 070 und 158-060 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 6.14 Eigennamenflexion in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 017-090 he told Samuel a secret . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 6.15 Onymischer Artikel in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 017-090 he told Samuel a secret . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 6.16 PDM und Eigennamenflexion in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 017- 090 he told Samuel a secret . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 6.17 Summe onymischer Flexion bei Verwandtschaftsbezeichnungen im LCAAJ-Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 6.18 Summe onymischer Flexion bei Verwandtschaftsbezeichnungen im LCAAJ-Material mit Isoglosse der beiden ehemals ‚schwachen‘ Maskulina (vgl. Abb. 6.11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 6.19 Verteilung onymischer Flexion bei Verwandtschaftsbezeichnungen im LCAAJ-Material (in %) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 6.20 Onymische Flexion der Verwandtschaftsbezeichnung ‘Großmutter’ in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 156-020 . . . . . . . . . . . . . . 159 6.21 Onymische Flexion der Verwandtschaftsbezeichnung ‘Großmutter’ in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 156-060 . . . . . . . . . . . . . . 159 436 <?page no="437"?> Abbildungen 6.22 Onymische Flexion der Verwandtschaftsbezeichnung ‘Großmutter’ in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 156-030 . . . . . . . . . . . . . . 160 6.23 Onymische Flexion der Verwandtschaftsbezeichnung ‘Mutter’ in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 157-070 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 6.24 Onymische Flexion der Verwandtschaftsbezeichnung ‘Mutter’ in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 157-020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 6.25 Onymische Flexion der Verwandtschaftsbezeichnung ‘Großvater’ in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 156-050 . . . . . . . . . . . . . . . . 161 6.26 Onymische Flexion der Verwandtschaftsbezeichnung ‘Vater’ in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 158-060 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 6.27 Onymische Flexion der Verwandtschaftsbezeichnung ‘Vater’ in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 156-070 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 6.28 Form des Definitartikels in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 156-070 I got a letter from father . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 6.29 Form des Definitartikels und -ø-Flexion (oben) und -(e)n-Flexion (unten) bei Verwandtschaftsbezeichnung in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 156-020 I lived with the old grandmother . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 6.30 PDM in den Antworten der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 087-040 we give it to them . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 6.31 PDM in den Antworten der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 157-070 she tells her mother everything . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 6.32 PDM in den Antworten der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 177-051 I gave a present to the beautiful bride . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 6.33 Adjektivform oremers in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 160-130 Moyshe is the poor sister’s/ aunt’s son . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 6.34 Adjektivform ‘old’ in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 156-020 I lived with the old grandmother . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 6.35 Summe onymischer Flexion bei Verwandtschaftsbezeichnungen im LCAAJ-Material aller Feminina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 6.36 Summe onymischer Flexion bei Verwandtschaftsbezeichnungen im LCAAJ-Material aller Maskulina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 6.37 Flexion tsung ‘Zunge’ in der LCAAJ-Übersetzungsaufgabe 020-040 (vgl. Fuß 2011: 30) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 6.38 Biologisches Geschlecht der LCAAJ-Informant: innen . . . . . . . . . 189 437 <?page no="438"?> Abbildungen 6.39 Akzessibilitätsskala für Typen von Personennamen im Deutschen nach Werth (2020: 79) ergänzt um Verwandtschaftsbezeichnungen (inkl. Verwandtschaftsnamen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 6.40 Auslaut im Dativ-Kontext eines Feminunums auf stimmhaftem Plosiv bobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 6.41 Auslaut im Dativ-Kontext eines Feminunums auf Nasal mame . . . . 197 6.42 Auslaut im Dativ-Kontext eines Maskulinums auf stimmlosem Plosiv tate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 6.43 Auslaut im Dativ-Kontext eines Maskulinums auf stimmhaftem Plosiv zeyde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 6.44 Silbenstruktur: Auslaut bobe (Sg.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 6.45 Silbenstruktur: Auslaut lompn (nur -(e)n Plurale) . . . . . . . . . . . . 199 6.46 Pluralsuffix von ‘Blume’ in LCAAJ Übersetzungsaufgabe 099-020 the flowers are blooming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 6.47 Regressionsanalyse der Auslautvarianten der Sätze 156-020 bobe (oben) und 157-020 mame (unten), erstellt mit gabmap.nl . . . . . . . . . . . 200 6.48 Nennungen für harts im Ausdruck kalemutne oyfn hartsn ‘ein trübes Herz haben’ wörtl. ‘Trübheit auf dem Herzen’ in Antworten zur LCAAJ-Frage 072-050/ 52 az vaser iz nit loyter, nor farkert, zogt men, s’iz… [opaque] ‘Wenn Wasser nicht durchsichtig ist, sondern das Gegenteil, sagt man, es ist… [trüb]’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 6.49 Flexion von „Herz“in den kontinentalwestgermanischen Dialekten 1887-1947 in Wenkersatz 34 (Daten des Projekts Morphosyntaktische Auswertung von Wenkersätzen ergänzt um den jiddischen Bogen aus Frauenkirchen, Österreich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 6.50 Identifizierte Systemräume (schematisch) . . . . . . . . . . . . . . . . 208 6.51 Die einzelnen Systeme als Abbaustufen . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 6.52 Multidimensionale Skalierung (MDS) der LCAAJ-Daten (r = 0.24, erstellt mit gabmap.nl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 6.53 Regressionsanalyse der LCAAJ-Daten, erstellt mit gabmap.nl . . . . 213 6.54 Fuzzy-Clustering der untersuchten Variablen, erstellt mit gabmap.nl . 214 6.55 Fuzzy-Clustering der untersuchten Variablen mit Systemen, erstellt mit gabmap.nl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 438 <?page no="439"?> Abbildungen 7.1 Onymische Flexion in den kontinentalwestgermanischen Dialekten 1874-1947 (basierend auf -(e)n-/ e-Endungen in den Karten des Wenkeratlas Nr. 249 „(deiner) Schwester“, Nr. 259 „(eurer) Mutter“, Nr. 150 „(ihrer) Tochter“[1874-1888] und Daten des Projekts Morphosyntaktische Auswertung von Wenkersätzen (Erhebungen nach 1888); Daten zu den germanischen Sprachen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 7.2 Genitiv-/ Dativform von ‘Land’ in den Übersetzungen von Lk. 15,15 bei Radlof (1817) (nur dialektale Daten) . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 7.3 Genitiv-/ Dativform von ‘Vater’ in den Übersetzungen von Lk. 15,17 bei Radlof (1817) (nur dialektale Daten) . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 7.4 Kartierung der Dativflexion von ‘Vater’ in den Übersetzungen von Lk. 15,11-32 bei Radlof (1817) (nur dialektale Daten) . . . . . . . . . . 228 7.5 Summe der Dativflexionen von ‘Vater’ in den vier Kontexten von Lk. 15,11-32 bei Radlof (1817), prozentuale Verteilung (nur dialektale Daten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 7.6 Summe der Dativflexion von ‘Vater’ in den vier Kontexten von Lk. 15,11-32 bei Stalder (1819) (nur alemannische Daten) . . . . . . . . . 231 7.7 ‘Vatter’ vs. Att in den Übersetzungen von Lk. 15,12 (direkte Anredeform) bei Stalder (1819) (nur alemannische Daten) . . . . . . . . . . . 232 7.8 Kartierung der Dativflexion von ‘Vater’ in den Übersetzungen von Lk. 15,11-32 bei Stalder (1819) (nur alemannische Daten) . . . . . . . 232 7.9 Ausgewertete SDS Orte (grau); übrige SDS Orte (schwarz) (Bildschirmfoto aus https: / / digital.sprachatlas.ch, letzter Zugriff 12. Januar 2021) 239 7.10 Dativflexion in SDS Frage 205-3 ich habe dem Vater geschrieben (BE) . 239 7.11 Nominativkontexte in SDS Fragen 205-1 und 205-2 der Vater (BE) . . 240 7.12 Akkusativkontext in SDS Frage 146-1 unser Vater (BE) . . . . . . . . . 240 7.13 Summe von Flexionsformen als präferierte Varianten im SADS weiblich vs. männlicher Rufname (Datenquelle Glaser 2021) . . . . . . . . 243 7.14 Eigennamenflexion am maskulinen Rufnamen im Akkusativ; SADS Übersetzungsaufgabe I.3 Oh, ich habe den Fritz kommen hören.; die Symbolgröße abhängig von der Anzahl der Nennungen pro Ort (Daten wurden vom SADS zur Verfügung gestellt) . . . . . . . . . . . . . 244 7.15 Belegsumme Flexionsformen im SADS, SDS und Stalder (1819) . . . . 244 7.16 Verwendetes Ortsnetz der Daten der BayDat . . . . . . . . . . . . . . 250 439 <?page no="440"?> Abbildungen 7.17 Flexion in den Daten der BayDat (alle Nennungen) . . . . . . . . . . . 251 7.18 Flexion in den Daten der BayDat zur Übersetzungsaufgabe Ich sags deinem Vater (alle Nennungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 7.19 Flexion in den Daten der BayDat zur Übersetzungsaufgabe Ich sags deiner Mutter (alle Nennungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 7.20 Flexion in den Daten der BayDat zur Übersetzungsaufgabe Er hat es der Mutter gesagt (alle Nennungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 7.21 Flexion in den Daten der BayDat zur Übersetzungsaufgabe Ich muss erst die Mutter fragen (alle Nennungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 7.22 Flexion in den Daten der BayDat zur (Übersetzungs-)Aufgabe Dem [ mask. EN ] hab ich es gesagt (alle Nennungen) . . . . . . . . . . . . . 259 7.23 Flexion in den Daten der BayDat zur Übersetzungsaufgabe Sie haben unseren Vater (vom Feld) geholt (alle Nennungen) . . . . . . . . . . . . 260 7.24 Flexion in den Daten der BayDat der Übersetzungsaufgaben Ich muss erst die Mutter fragen und Sie haben unseren Vater (vom Feld) geholt (alle Nennungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 7.25 Flexion in den Daten der BayDat der Übersetzungsaufgaben Ich muss erst die Mutter fragen, Sie haben unseren Vater (vom Feld) geholt und Dem [ mask. EN ] hab ich es gesagt (alle Nennungen) . . . . . . . . . . . 262 7.26 Artikelformen in den BayDat-Daten der Übersetzungsaufgabe Dem [ mask. RN ] hab ich es gesagt (alle Nennungen) . . . . . . . . . . . . . 268 7.27 Formen des Artikels/ Possessivpronomens in den BayDat-Daten der Übersetzungsaufgabe Ich sags deinem Vater (alle Nennungen) . . . . . 269 7.28 Formen des Definitartikels in den BayDat-Daten der Übersetzungsaufgabe Er hat es der Mutter gesagt (alle Nennungen) . . . . . . . . . 270 7.29 PDM in den BayDat-Daten der Übersetzungsaufgabe Er hat es der Mutter gesagt (alle Nennungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 7.30 Formen des Definitartikels in den BayDat-Daten der Übersetzungsaufgabe Ich muss erst die Mutter fragen (alle Nennungen) . . . . . . . 272 7.31 Erst- und Folgenennungen von Dativ-Flexion mask. EN/ ‘Sepp’ (Bay- Dat) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 7.32 Erst- und Folgenennungen von Dativ-Flexion ‘Vater’ (BayDat) . . . . 275 7.33 Erst- und Folgenennungen von Dativ-Flexion ‘Mutter’ (BayDat) . . . 276 7.34 Erst- und Folgenennungen von Akkusativ-Flexion ‘Vater’ (BayDat) . 276 440 <?page no="441"?> Abbildungen 7.35 Erst- und Folgenennungen von Akkusativ-Flexion ‘Mutter’ (BayDat) . 277 7.36 Erst- und Folgenennungen von Akkusativ-Flexion ‘Bauer’ (BayDat) . 277 7.37 Erst-, Zweit- und Drittnennungen von Flexion Sie haben unseren Vater (vom Feld) geholt (BayDat) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 8.1 Erhebungsorte von Winkler (1874) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 8.2 Flektierte Dativformen von ‘Vater’ in den Übersetzungen von Lk. 15,12 in Winkler (1874) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 8.3 Flektierte Dativformen von ‘Vater’ in den Übersetzungen von Lk. 15,18 in Winkler (1874) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 8.4 -e im Akkusativ von ‘Bruder’ in den Übersetzungen von Lk. 15,32 in Winkler (1874) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 8.5 Flektierte Dativformen von ‘im Feld’ in den Übersetzungen von Lk. 15,25 in Winkler (1874) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 8.6 Flektierte Dativformen von ‘beim/ am Haus’ in den Übersetzungen von Lk. 15,25 in Winkler (1874) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 8.7 Flektierte Dativformen von ‘Vater’ in den Übersetzungen von Lk. 15,12 in Radlof (1817), Stalder (1819) und Winkler (1874) . . . . . . . . . . . 289 8.8 Eigennamenflexion in den ndl. und ndt. Übersetzungen der Enquête von Coquebert de Montbret (1806-1808) nach der Edition in Bakker & Kruijsen (2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 8.9 Verbreitung von Flexion an Verwandtschaftsbezeichnungen in den nordfriesischen Dialekten nach Nissen (FF 53); Quadrat: ‘Vater’ und ‘Mutter’ flektiert, Dreieck: nur ‘Vater’ flektiert, Kreis: keine Flexion. Grundkarte: Århammar (1968: 296) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 8.10 Evidenz für Eigennamenflexion nach dem Muster in Tabelle 3.17 (S. 96) in den Dialekten der Reihe TISEL (2002) (ergänzte Grundkarte auf Basis von Berns & Steusel 2004: 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 8.11 Anzahl an Teilnehmer: innen des Fragebogens Vragenlijst 12a des Instituut voor Dialectologie, Volkskunde en Naamkunde pro Provinz . . . 308 8.12 Ausschnitt eines Fragebogens der Vragenlijst 12a des Instituut voor Dialectologie, Volkskunde en Naamkunde vom Ort Alblasserdam . . . 309 8.13 Flexion in den Fragen 1, 3, 9, 11, 13 und 16 der Vragenlijst 12a des Instituut voor Dialectologie, Volkskunde en Naamkunde . . . . . . . . . 311 441 <?page no="442"?> Abbildungen 8.14 Flexion in den Fragen 1, 3, 9, 11, 13 und 16 der Vragenlijst 12a des Instituut voor Dialectologie, Volkskunde en Naamkunde . . . . . . . . . 312 10.1 Alter der Teilnehmer: innen (ndl. Umfrage) . . . . . . . . . . . . . . . 325 10.2 Regionale Verteilung auf die Regionen der Teilnehmer: innen an der ndl. Umfrage auf Basis von Postleitzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . 326 10.3 Summe Flexion in den freien Antworten zu „Vater & Sohn“-Fragen in der niederländischen Umfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 10.4 Summe Flexion der Lücken-Sätze in der ndl. Umfrage, prozentuale Verteilung (Auswahl auf Datensätze mit min. einem Flexionsbeleg) . 336 10.5 Summe für vermeintliche Akkusativ-/ Dativ-Flexion in den Lücken- Sätze der ndl. Umfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 10.6 Flexion von ‘Großmutter’ in Bildungen aus [ de kinderen ] [ houden van ] [ grootmoeder ] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 10.7 Flexion von ‘Antje’ in Bildungen aus [ ik ] [ bezoek ] [ Antje ] . . . . . . . 338 10.8 Diminutivsuffix von ‘cadeau’ in Bildungen aus [ een cadeautje ] [ van ] [ Amy ] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 10.9 Summe für Akkusativ-/ Dativ-Flexion in den Lücken-Sätze der ndl. Umfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 10.10 Alter der Teilnehmer: innen mit onymischer Flexion (ndl. Umfrage) . 340 10.11 Akzeptabilitätsurteile der ndl. Umfrage, prozentuale Verteilung . . . 342 10.12 Akzeptabilitätsurteile der (korrekt) flektierten Formen, prozentuale Verteilung (reduziertes Sample) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 10.13 Akzeptabilitätsurteile für den onymischen Artikel, prozentuale Verteilung (reduziertes Sample) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 10.14 Regionale Ausbreitung der Akzeptabilitätsurteile für den onymischen Artikel (reduziertes Sample) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 11.1 Ortsnetz der Schweizer Umfrage (angegebene PLZ) . . . . . . . . . . 349 11.2 Summe Flexion in der Schweizer Umfrage (angegebene PLZ) . . . . . 353 11.3 Alter der Teilnehmer: innen mit onymischer Flexion in der Schweizer Umfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 11.4 Belege mit ‘(Groß-)Vater’ in den Antworten der Informant: innen mit Relikten onymischer Flexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 11.5 Diminution an ‘Großvater’ in der Schweizer Umfrage . . . . . . . . . 355 442 <?page no="443"?> Abbildungen 11.6 Summe Flexion der „Vater & Sohn“-Aufgaben in der Schweizer Umfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 11.7 Summe Flexion der Lücken-Sätze in der Schweizer Umfrage . . . . . 356 11.8 Summe Flexion in der ostoberdeutschen Umfrage . . . . . . . . . . . 358 11.9 Summe Flexion von ‘(Groß-)Mutter’ in der ostoberdeutschen Umfrage 358 11.10 Alter der Teilnehmer: innen mit onymischer Flexion in der ostoberdt. Umfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 11.11 Syntaktische Kontexte onymischer Flexion in der ostoberdt. Umfrage 361 11.12 Interaktion von Kasus und Flexion in der ostoberdt. Umfrage . . . . . 361 443 <?page no="444"?> Tabellen 1.1 Beispiel für Überdifferenzierung anhand der standardniederländischen (links) und standardjiddischen (rechts) Substantivflexion im Singular 19 2.1 Feldermodell der NP des Standarddeutschen (Ramers 2006: 99) im Verhältnis zum topologischen Satzmodell (Wöllstein 2014: 22) . . . . . . 41 2.2 Feldermodell der NP (nach Ramers 2006) . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.3 Beispielanalysen im Feldermodell der NP (nach Ramers 2006) . . . . . 43 2.4 Kernnomen in finaler Position von NOM (nach Ramers 2006) . . . . . 44 2.5 Kernnomen in initialer Position von NOM (nach Ramers 2006) . . . . 44 3.1 Standarddeutsche Substantivflexion Singular (nach Eisenberg 2013: 152- 154) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3.2 Standarddeutsche Substantivflexion Plural (nach Eisenberg 2013: 152- 154) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3.3 Substantivflexion im Standardniederländischen (De Schutter 1994: 458) 64 3.4 Ahd. Flexionsparadigmen (häufigste Stämme) Sg. ‚starken‘ (vokalischen) Substantiva (inkl. EN) (exkl. Neutra) (Braune & Heidermanns 2018: 249-282) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3.5 Ahd. Flexionsparadigmen Sg. ‚schwachen‘(konsonantischen) Substantiva (inkl. Eigennamen), Wurzelnomina und Verwandtschaftsbezeichnungen (exkl. Neutra) (Braune & Heidermanns 2018: 282-297) . . . . 72 3.6 Flexionsparadigmen von Substantiva im Mhd. Singular (nach Wegera et al. 2018: 81) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3.7 Flexionsparadigmen von Eigennamen im Mhd. Singular (nach Wegera et al. 2018: 167) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3.8 Deklinationsklassen für Eigennamen (Singular), frühes 19. Jh. (nach Fuß 2011: 28) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 <?page no="445"?> Tabellen 3.9 Substantivflexion im Standardjiddischen (nach Katz 1987: 97-100) . . 79 3.10 Kasusmarkierung am Nomen im Standardjiddischen (in Anlehnung an Fuß 2011: 28, Tab. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3.11 Andt. Flexionsparadigmen (häufigste Stämme) von ‚schwachen‘ Substantiva (inkl. Eigennamen) im Singular (nach Gallée 1993: 213-220) . 82 3.12 Andt. Flexionsparadigmen (häufigste Stämme) von ‚starken‘ Substantiva (inkl. Eigennamen) im Singular (nach Gallée 1993: 196-213) . . . 85 3.13 Substantivflexion der Maskulina und Feminina im (frühen) Mndl. (nach Hüning & Vogl 2009: 6, Tab. 1 und Franck 1883: 132-134) . . . . . . . 86 3.14 Substantivflexion der Maskulina und Feminina im (frühen) Mndt. (nach Lasch 1914: 193-203) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3.15 Substantivflexion im Afries. (nach Bremmer 2009: 58-65 und W. Heuser 1903: 24-25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3.16 Substantivflexion (Sg.) in festlandnordfriesischen Varietäten (nach J. Hoekstra 2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3.17 Eigennamenflexion (Sg.) in ndl. Dialekten nach Haeringen (1947) . . . 96 3.18 Akkusativ- und Dativflexion von ‘Mutter’ und ‘Vater’ im ReM, FrnhdC und ReN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3.19 Paradigma der -r-Stämme (Feminina) im Althochdeutschen nach Braune & Heidermanns (2018: §234) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4.1 Musterdarstellung einer Systemtabelle zu Faktoren der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 6.1 Transkriptionssysteme LCAAJ- und SEYD-Projekt . . . . . . . . . . . 134 6.2 Paradigma des Definitartikels im Standardjiddischen (Singular) nach Wolf (1969: 112). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 6.3 Verteilung von -(e)n-Flexion und Form des Definitartikels in drei Sätzen mit ‘Großmutter’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 6.4 Paradigma des Definitartikels vom zentralostjiddischen Erhebungsort Siedlce (ID 52221, Polen) auf Basis der Fieldnotes (die Zahlen in Klammern verweisen auf die jeweilige Übersetzungsaufgabe des LCAAJ Fragebuchs; zu leeren Feldern liegen keine Kontexte vor; gleiches gilt für Tab. 6.5 u. 6.6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 445 <?page no="446"?> Tabellen 6.5 Paradigma des Definitartikels vom südostjiddischen Erhebungsort Vinnytsya (ID 49282, Ukraine) auf Basis der Fieldnotes . . . . . . . . . . 168 6.6 Paradigma des Definitartikels vom nordostjiddischen Erhebungsort Molėtai (ID 55252, Litauen) auf Basis der Fieldnotes . . . . . . . . . . 168 6.7 Adjektivflexion im Standardjiddischen nach Wolf (1969: 111) . . . . . 174 6.8 Akk./ Dat.-Synkretismus am Adjektiv in der LCAAJ- Übersetzungsaufgabe 156-020 I lived with the old grandmother . . . . . . . . . . . . 177 6.9 Flexion von ‘Großmutter’ in 156-020 nach Geschlecht (exklusive Elsass); 𝜒 2 = 7.78 df = 1 p = 0.005 Cramer’s V = 0.149 . . . . . . . . . 189 6.10 Flexion von ‘Großvater’ in 156-050 nach Geschlecht (exklusive Elsass); 𝜒 2 = 0.06 df = 1 p = 0.807 Cramer’s V = 0.023 . . . . . . . . . 189 6.11 Identifizierte Systeme zur -(e)n Akkusativ-/ Dativ-Flexion (Singular) . 209 6.12 Systemtabelle zu Faktoren der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen im Akk./ Dat. Sg. in den jiddischen Dialekten; * onym. Artikel nur bei Verwandtschaftsbez., nicht bei EN . . . . . . . . . . . . . . . . 216 7.1 Summe von Flexionsformen als präferierte Varianten im SADS weiblich vs. männlicher Rufname (Datenquelle: Glaser 2021); 𝜒 2 = 5.98 df = 1 p = 0.015 Cramer’s V = 0.034 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 7.2 Artikelformen in den BayDat-Daten mit mask. Rufnamen; 𝜒 2 = 6.96 df = 1 p < 0.008 Cramer’s V = 0.06 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 7.3 Formen des Artikels/ Possessivpronomens in den BayDat-Daten der Übersetzungsaufgabe Ich sags deinem Vater (alle Nennungen) . . . . . 265 7.4 Formen des Definitartikels in den BayDat-Daten der Übersetzungsaufgabe Er hat es der Mutter gesagt (alle Nennungen) . . . . . . . . . 265 7.5 PDM in den BayDat-Daten der Übersetzungsaufgabe Er hat es der Mutter gesagt (alle Nennungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 7.6 Formen des Definitartikels in den BayDat-Daten der Übersetzungsaufgabe Ich muss erst die Mutter fragen (alle Nennungen) . . . . . . . 267 7.7 Korrelation Kasus vs. Erst- und Folgenennungen von Akkusativ-/ Dativ- Flexion in den Daten der BayDat; 𝜒 2 = 9.69 df = 1 p = 0.002 Cramer’s V = 0.1083 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 446 <?page no="447"?> Tabellen 7.8 Systemtabelle zu Faktoren der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen im Akk./ Dat. Sg. in den alemannischen Dialekten des Berner Oberlands; * der onymische Artikel erscheint selten bei Flexion am Ruf- und Nachnamen, ist aber bei Verwandtschaftsbezeichnungen üblich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 7.9 Systemtabelle zu Faktoren der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen im Akk./ Dat. Sg. in den nord- und mittelbairischen Dialekten; * inkl. Klitika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 8.1 Belege für Eigennamenflexion im Akkusativ/ Dativ bei M. M. Nissen . 296 8.2 Belege für Eigennamenflexion im Genitiv/ Possessiv bei M. M. Nissen 296 8.3 Systemtabelle zu Faktoren der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen im Akk./ Dat. Sg. in den niederländischen Dialekten . . . . . . 314 8.4 Systemtabelle zu Faktoren der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen im Akk./ Dat. Sg. in den nordfriesischen Dialekten (basierend auf M. M. Nissen und J. F. Hoekstra 2001) . . . . . . . . . . . . . . . . 314 8.5 Systemtabelle zu Faktoren der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen im Akk./ Dat. Sg. im Sauerländer Dialekt bei F. W. Grimme . . 315 10.1 Summe Flexion in den Lücken-Sätzen in der ndl. Umfrage . . . . . . . 335 10.2 Systemtabelle zu Faktoren der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen im Akk./ Dat. Sg. in den niederländischen Dialekten auf Grundlage der Onlineumfrage; (L) = limburgischen Dialekte . . . . . . . . . 345 11.1 Systemtabelle zu Faktoren der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen im Akk./ Dat. Sg. in den Dialekten des Berner Oberlands auf Grundlage der Onlineumfrage; * der onymische Artikel erscheint selten bei Flexion am Ruf- und Nachnamen, ist aber bei Verwandtschaftsbezeichnungen üblich; (? ) aussagekräftige Daten fehlen . . . . . . . . 353 11.2 Systemtabelle zu Faktoren der Flexion von Verwandtschaftsbezeichnungen im Akk./ Dat. Sg. in den nord- und mittelbairischen Dialekten auf Basis der ostobd. Umfrage; * inkl. Klitika . . . . . . . . . . . . . . 360 12.1 Systemtabelle zu Faktoren der onym. Flexion im Akk./ Dat. Sg. in den jid. Dialekten; * onym. Artikel nur bei Verwandtschaftsbezeichnungen; nicht bei EN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 447 <?page no="448"?> Tabellen 12.2 Systemtabelle zu Faktoren der onym. Flexion im Akk./ Dat. Sg. in den aleman. Dialekten des Berner Oberlands; * der onym. Artikel erscheint nur selten bei EN, üblich bei Verwandtschaftsbezeichnungen; (? ) aussagekräftige Daten fehlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 12.3 Systemtabelle zu Faktoren der onym. Flexion im Akk./ Dat. Sg. in den nord- und mittelbair. Dialekten; * inkl. Klitika; (? ) aussagekräftige Daten fehlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 12.4 Systemtabelle zu Faktoren der onym. Flexion im Akk./ Dat. Sg. in den ndl. Dialekten; (L) = moderne limburgische Dialekte . . . . . . . . . . 368 12.5 Systemtabelle zu Faktoren der onym. Flexion im Akk./ Dat. Sg. in den nordfries. Dialekten (basierend auf M. M. Nissen und J. F. Hoekstra 2001) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 12.6 Systemtabelle zu Faktoren der onym. Flexion im Akk./ Dat. Sg. im Sauerländer Dialekt bei F. W. Grimme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 448 <?page no="449"?> Abkürzungen Sprachen ahd. althochdeutsch andt. altniederdeutsch aleman. alemannisch bair. bairisch dän. dänisch engl. englisch fries. friesisch frnhd. frühneuhochdeutsch germ. germanisch hebr. hebräisch it. italienisch isl. isländisch mhd. mittelhochdeutsch mndt. mittelniederdeutsch mndl. mittelniederländisch nhd. neuhochdeutsch ndt. niederdeutsch ndl. niederländisch NOJ Nordostjiddisch NWJ Nordwestjiddisch poln. polnisch schwed. schwedisch russ. russisch westfl. westflämisch westfr. westfriesisch westjid. westjiddisch ZOJ Zentralostjiddisch <?page no="450"?> Abkürzungen Fachtermini A Agens Akk. Akkusativ App. Appellativum C Konsonant oder C-Position Dat. Dativ DEF Feld für Definitheitsmarkierung nach Ramers (2006) DO direktes Objekt DOM differenzielle Objektmarkierung DP Determiniererphrase EN Eigenname fem. feminin G/ R Ziel/ Empfänger (goal/ recipient) Gen. Genitiv Hum. human IO indirektes Objekt Konj. Konjunktion LSK linke Satzklammer mask. maskulin MF Mittelfeld neutr. neutrum Nom. Nominativ NOM Feld für den nominalen Kern nach Ramers (2006) NP Nominalphrase OV Objekt-Verb Grundwortstellung Obl. casus obliquus P Patiens PP Präpositionalphrase Pl. Plural PDM präpositionale Dativmarkierung Poss. Possessiv Präp. Präposition 450 <?page no="451"?> Pron. Pronomen RN Rufname RSK rechte Satzklammer S Subjekt Sg. Singular V Vokal WN Wurzelnomen WS Wenkersatz X-Feld Feld zwischen DEF und NOM nach Ramers (2006) 𝜎 Standardabweichung ø Nullendung 451 <?page no="453"?> Literatur Abney, Steve (1987). „The English noun phrase in its sentential aspect“. Dissertation. MIT. Ackermann, Tanja (2018). Grammatik der Namen im Wandel: Diachrone Morphosyntax der Personennamen im Deutschen. Studia Linguistica Germanica. Berlin: De Gruyter. - (2020). „Poly-, Mono-, Deflexion. Eine diachrone Korpusstudie zum Abbau des onymischen Objektmarkers -(e)n“. In: Linguistik der Eigennamen. 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London/ Den Haag/ Paris: Mouton, 36-57. 482 <?page no="483"?> Index Agens, 24, 50, 52, 83, 190, 279 Akzessibilität, 133, 191, 192 Althochdeutsch, 39, 60, 62, 70, 71, 79, 82, 89, 107, 111, 374, 378 Altniederdeutsch, 67, 70, 82, 87, 93, 107, 112, 371, 374, 378 Apokope, 19, 66, 67, 73, 82, 284, 285 Artikel (inkl. onymischer Artikel), 32, 36, 37, 48, 51, 58, 60, 83, 88, 91, 94, 102, 103, 111, 142, 152, 163, 190, 234, 235, 241, 246, 263, 267, 291, 294, 311, 330, 331, 350, 377, 382 Asturisch, 51 Belebtheit, 45-47, 50, 58, 77, 113, 135, 137, 141, 143-145, 155, 184- 186, 207, 212, 224, 230, 236, 243, 250, 254, 279, 294, 329, 333, 365, 370, 371, 374, 376 Bulgarisch, 48 Dativprofilierung, 67, 111, 152, 166, 263 Definitheit, 30, 37, 42, 47, 52, 71, 88, 114, 143, 145, 163, 179, 186, 369, 374, 376, 379, 382 Deflexion, 19, 25, 50, 53-55, 58, 89, 90, 300, 376, 377, 379, 380 Degrammatikalisierung, 53, 55, 89, 236, 371, 375, 376, 380 Differentielle Objektmarkierung (DOM), 25, 51-53, 56, 74, 89, 184, 190, 191, 236, 237, 279, 300, 366, 370, 371, 375-378, 380 Diminution, 103, 153, 195, 235, 246, 252, 310, 332, 352 Dänisch, 38, 202, 220, 223 Englisch, 24, 54, 55, 129, 137, 138, 223 Exaptation, 25, 55-58, 184, 376-379 Exponenz, 37, 50, 52, 54, 60, 163, 176, 191, 370 Familiarität, 45, 106, 187 Familienname, 19, 46, 48, 88, 92, 100, 106, 112, 192, 241, 263, 299, 381 Feminina schwache Flexion, 66, 182-184, 195 Femininum, 57, 63, 74, 87, 104, 107, 131, 141, 177-180, 183, 186, <?page no="484"?> Index 194, 195, 206, 219, 253, 274, 313, 371 Französisch, 49, 130 Frühneuhochdeutsch, 32, 74, 77, 78, 80, 88, 89, 182, 206 Färöisch, 70 Genitiv, 18, 26, 33, 43, 54, 55, 61-63, 65, 71, 80, 82-84, 91, 93, 94, 103, 104, 107, 120, 135, 137, 220, 222, 223, 230, 233, 290, 293, 294, 301, 302, 313, 327, 341, 370, 381 Genuseffekt, 49, 50, 77, 78, 132, 155, 163, 178, 179, 185, 186, 252, 279, 311, 313, 314, 330, 352, 357, 365, 371, 377 Genusprofilierung, 19, 77, 180 Gotisch, 62, 223 Grammatikalisierung, 17, 38, 53, 60, 88, 89, 98, 111, 146, 152, 163, 184, 374, 375, 378, 380 Hebräisch, 82, 143 Hydronym, 17, 19, 46 Indefinitartikel, 39, 48, 65, 294, 331 Individualität, 45, 58, 106, 187 Isländisch, 36, 48, 70, 102, 223 Italienisch, 32, 49 Kasusdistinktion, 21, 45, 58, 63, 68, 69, 71, 87, 109, 145, 165, 166, 174, 237 Kasuseffekt, 273, 314 Kasusnivellierung, 17, 18, 25, 30, 63, 77, 145, 184, 379 Katalanisch, 48 Korsisch, 51 Koseform, 19, 48, 195, 236, 243, 381 Latein, 230 Lettisch, 48, 146 Litauisch, 146 Maskulina gemischte Flexion, 66 schwache Flexion, 66, 71, 76, 83, 109, 126, 141-146, 155, 156, 184, 238, 250, 279, 284, 371, 374, 378 starke Flexion, 39, 63, 66, 79, 80, 141, 250 Maskulinum, 46, 58, 63, 73, 82, 111, 120, 141, 143, 145, 155, 178- 180, 183, 185, 186, 194, 195, 206, 250, 253, 254, 274, 313, 372 Mazedonisch, 48 Mittelhochdeutsch, 61, 62, 70, 71, 73, 74, 79, 107, 141, 144, 182, 184, 185, 206, 371, 372, 378, 382 Mittelniederdeutsch, 61, 82, 83, 93, 107, 371, 378 Mittelniederländisch, 61, 70, 82, 83, 87, 108, 371, 378, 382 Māori, 48 Neapolitanisch, 51 484 <?page no="485"?> Index Nebensilbenabschwächung, 19, 60, 71, 82 Neuhochdeutsch, 17 Neutra gemischte Flexion, 66 schwache Flexion, 201 starke Flexion, 63, 66 Neutrum, 63, 66, 67, 73, 79, 80, 146, 164, 166, 174, 180, 241 Norwegisch, 36, 48 Numerusdistinktion, 77, 143, 145, 184, 196, 375 Numerusprofilierung, 63, 77, 145 Objektkasus, 21, 50, 51, 62, 63, 68, 87, 91, 93, 109, 111, 130, 151, 176, 206, 235, 245, 263, 267, 279, 290, 294, 329, 374, 375, 381 Partitiv, 60 Patiens, 50-52, 83, 190, 374, 375, 379 Pflanzenname, 46 Phonotaktik, 133, 193, 195, 224, 267 Polnisch, 131, 180 Polyflexion, 50, 176, 191 Possessiv, 17, 18, 26, 32, 50, 60, 63, 68, 74, 79, 80, 84, 112, 120, 130, 132, 135-138, 145, 163, 175, 185, 215, 233, 313, 360, 370 Possessivpronomen, 91, 92, 108, 187, 264, 291, 293, 313 präpositionale Dativmarkierung (PDM), 62, 67, 152, 153, 166, 170, 171, 175, 224, 231, 266, 267, 374 Relevanz, 19 Relevanzhierarchie, 145 romanische Sprachen, 49, 51 Rufname, 32, 92, 99, 100, 102, 103, 106, 113, 133, 151-153, 155, 163, 186, 190, 192, 233, 241, 242, 245, 247, 248, 252, 253, 263, 265-267, 274, 279, 301, 323, 329-333, 341, 345, 381 Rumänisch, 49, 130 Sardinisch, 51 Schwedisch, 36, 48, 54, 55 Sexus, 77, 127, 187, 188, 329, 330, 333, 371 Sizilianisch, 51 slavische Sprachen, 46, 47, 51, 145, 146, 180, 206, 254, 279, 370 Slovenisch, 48 Sorbisch, 47 Spanisch, 49, 51, 130 Sprachinseln, 202 Sprachkontakt, 38, 146, 171, 180, 188, 206, 254, 370 Synkretismus, 17, 60, 62, 80, 103, 165, 174, 176, 180, 236, 237, 242, 273, 279, 378 Tagalog, 48 Tiername, 46, 48, 91, 329 Toponym, 46, 48, 164 Tschechisch, 48 485 <?page no="486"?> Index Ungarisch, 130, 171 Zoonym, 46 Überdifferenzierung, 18, 19, 70, 365, 378 486 <?page no="487"?> www.narr.de Die Grammatik von Namen ist in den letzten Jahren zunehmend in das Interesse der theoretisch interessierten Linguistik gerückt. Bestehende Arbeiten zur Diachronie der Eigennamenflexion stützen sich allerdings bisher auf schriftsprachliche Korpora, die den Abbau onymischer Flexion auf dem Weg zur Standardvarietät spiegeln, nicht aber die Verhältnisse in gesprochensprachlichen Varietäten, die diese mitunter bewahrt bzw. aus- oder umgebaut haben. Die Monographie liefert erstmals eine umfassende theoretische, diachrone und geolinguistische Aufarbeitung des Phänomens der Eigennamenflexion in oralen Varietäten (futtern wie bei Muttern). Auf der empirischen Basis unterschiedlicher Quellen und Datentypen deutscher, niederländischer, friesischer und jiddischer Dialekte werden mögliche Wandelszenarien der onymischen Flexion diskutiert und modelliert. So werden neben Gemeinsamkeiten und Unterschieden der westgermanischen Varietäten auch generelle Einblicke in Sprachwandelprozesse oraler Varietäten und die Vorzüge und Möglichkeiten einer germanistischen Sprachwissenschaft jenseits der Teutonistik sichtbar. ISBN 978-3-8233-8521-9