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Atelische an-Konstruktion

Eine korpusbasierte Modifikatoranalyse

0425
2022
978-3-8233-9542-3
978-3-8233-8542-4
Gunter Narr Verlag 
Ekaterina Laptieva
10.24053/9783823395423
CC BY-SA 4.0https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de

In der atelischen an-Konstruktion im Deutschen treten die Verben mit einer an-Präpositionalphrase auf (an etwas malen/essen/basteln). Basierend auf Korpusdaten wird in diesem Band gegen die verbreitete Alternationsanalyse der an-Konstruktion als präpositionales Pendant der transitiven Verbverwendung argumentiert. Stattdessen werden an-Phrasen als ereignisinterne Modifikatoren von einstelligen Activity-Verbvarianten analysiert, die eine in der lokalen Bedeutung der Präposition wurzelnde boundary-Relation einführen. Aus empirischer Perspektive wird ein Inventar von korpusbasierten Methoden und Maßen für die Untersuchung von (vermeintlichen) Argumentalternationen vorgestellt. Schließlich wird der bisher wenig diskutierte Zusammenhang von Argumentrealisierung und Metaphernbildung diskutiert. Die Studie wurde mit dem Wilhelm von Humboldt Preis des Jahres 2022 der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft ausgezeichnet.

<?page no="0"?> STUDIEN ZUR DEUTSCHEN SPRACHE FORSCHUNGEN DES LEIBNIZ-INSTITUTS FÜR DEUTSCHE SPRACHE Eine korpusbasierte Modifikatoranalyse Atelische an-Konstruktion Ekaterina Laptieva <?page no="1"?> STUDIEN ZUR DEUTSCHEN SPRACHE 86 <?page no="2"?> STUDIEN ZUR DEUTSCHEN SPRACHE FORSCHUNGEN DES LEIBNIZ-INSTITUTS FÜR DEUTSCHE SPRACHE Herausgegeben von Arnulf Deppermann, Stefan Engelberg, Andreas Witt und Angelika Wöllstein Band 86 <?page no="3"?> Eine korpusbasierte Modifikatoranalyse Atelische an-Konstruktion Ekaterina Laptieva <?page no="4"?> Zugleich Dissertation der Philosophischen Fakultät der Universität Mannheim. Gefördert durch den Publikationsfonds Monografien der Leibniz-Gemeinschaft. Leibniz-Institut für Deutsche Sprache R 5, 6-13 68161 Mannheim DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783823395423 © 2022 · Ekaterina Laptieva Das Werk ist eine Open Access-Publikation. Es wird unter der Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen | CC BY-SA 4.0 (https: / / creativecommons.org/ licenses/ by-sa/ 4.0/ ) veröffentlicht. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Satz: Annett Patzschewitz CPI books GmbH, Leck ISSN 0949-409X ISBN 978-3-8233-8542-4 (Print) ISBN 978-3-8233-9542-3 (ePDF) Redaktion: Melanie Kraus Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> „When you have eliminated the impossible, whatever remains, however improbable, must be the truth.“ Arthur Conan Doyle, Sherlock Holmes <?page no="7"?> 7 DANKSAGUNG Für die Offenheit gegenüber theoretischen Ansätzen und die Begeisterung für quantitative empirische Studien möchte ich mich bei Stefan Engelberg bedanken, der die vorliegende Arbeit betreut hat. Sebastian Bücking, meinem Zweitbetreuer, danke ich ganz herzlich für das Interesse an meinem Promotionsthema, für die fachliche Beratung und nicht zuletzt für die persönliche Unterstützung. Die vorliegende Arbeit ist im Rahmen des Projekts „Verben und Argumentstrukturen“ am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache entstanden. Meinen Projekt-Kolleg/ -innen Kristel Proost, Arne Zeschel und Edeltraud Winkler danke ich für Anregungen, weiterführende Gespräche sowie für das Feedback zu meinen Handouts, Folien und Texten. Ich danke ebenfalls Julia Sieradzki und Sarina Streitel, die mich als Projekt-Hilfskräfte bei der Datenerhebung unterstützt haben. Ich möchte mich bei den IDS-Doktorandinnen bedanken, die mich sowohl persönlich als auch fachlich unterstützt und meine Arbeit Korrektur gelesen haben: Sarah Torres, Tanja Tu, Maike Park und insbesondere Saskia Ripp und Lucia Leidenfrost- Burth. Es ist nicht einfach, zu promovieren. Ein besonderer Dank gilt meinem Mann Daniil Sorokin, der mich bei gleichzeitiger Arbeit an der eigenen Dissertation ermutigt und unterstützt hat. Unzählige Kuchenstücke und gemeinsame Fahrradausflüge haben zum erfolgreichen Abschluss meines Promotionsprojekts beigetragen. <?page no="9"?> 9 INHALT 1. Einleitung....................................................................................................................... 11 2. Aspektuelle Ableitungsanalysen .............................................................................. 21 2.1 Allgemeine Annahmen ............................................................................................... 21 2.2 Probleme von aspektuellen Ableitungsanalysen .................................................. 27 2.3 Semantische Zusatzbeschränkungen....................................................................... 33 2.4 Optionale Zweistelligkeit als Grundlage der Reanalyse ..................................... 38 2.5 Zwischenfazit zu aspektuellen Ableitungsanalysen ............................................ 45 3. Argumente, Modifikatoren und atelische an-Phrasen ........................................ 47 3.1 An-Konstruktion in Grammatiken und Wörterbüchern..................................... 49 3.2 Modellierungsoptionen............................................................................................... 55 3.2.1 Präpositionen sind bedeutungsleer .......................................................... 56 3.2.2 Präpositionen sind bedeutungshaltig ...................................................... 58 3.3 Verfahren zur Argumentstatusermittlung ............................................................. 67 3.3.1 Kriterienbasierte Argumentbestimmung ................................................ 69 3.3.2 Semantische Tests für Argumenthaftigkeit ............................................ 70 3.4 Zwischenfazit zum Status von an-Phrasen ............................................................ 75 4. Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion .................................................... 77 4.1 Identifikation der an-Konstruktion im Korpus ..................................................... 78 4.1.1 Datenbasis ...................................................................................................... 78 4.1.2 Erster Überblick und Häufigkeit der an-Konstruktion ........................ 82 4.2 Verben in der an-Konstruktion ................................................................................. 85 4.2.1 Mögliche Verben finden und Daten sammeln ....................................... 86 4.2.2 Verbverteilungen und statistische Assoziationsanalyse ...................... 92 4.2.3 Klassifikation der Verben ......................................................................... 102 4.3 Selektionspräferenzen und Verbinterpretation ...................................................111 4.3.1 Distributionsanalyse verbaler Selektionspräferenzen ....................... 112 4.3.2 Verbinterpretation: wörtlich vs. übertragen ........................................ 123 4.4 Zwischenfazit zur Korpusuntersuchung ..............................................................137 5. Atelische an-Phrasen als Modifikatoren...............................................................143 5.1 Grundbausteine der Analyse ...................................................................................144 5.1.1 Ereignisinterne Modifikation .................................................................. 145 <?page no="10"?> 10 Inhalt 5.1.2 Lokale Grundbedeutung von an ............................................................. 152 5.1.3 Atelizität von einstelligen Verbvarianten ............................................. 160 5.2 Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion .........................................167 5.2.1 Bedeutungsbeitrag des atelischen an ..................................................... 167 5.2.2 Inkrementelle Kreations- und Konsumverben .................................... 172 5.2.3 Lokale Interpretation und Konsumverben ........................................... 180 5.2.4 Metaphorische Interpretation .................................................................. 188 5.3 Zwischenfazit zur Modifikatoranalyse .................................................................205 6. Zusammenfassung .....................................................................................................209 Literatur ...................................................................................................................................217 Anhang.....................................................................................................................................229 <?page no="11"?> Einleitung 11 1. EINLEITUNG Den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit bildet die atelische an-Konstruktion, die in (1) illustriert ist. In der atelischen an-Konstruktion treten Verben mit einer Präpositionalphrase mit an als Kopf auf, die in einschlägigen Arbeiten als präpositionales Pendant zum direkten Objekt in der transitiven Verbverwendung betrachtet wird, die in (2) dargestellt ist. (1a) Mia hat an einem Bild gemalt. (1b) Mia hat an einem Apfel gegessen. (2a) Mia hat ein Bild gemalt. (2b) Mia hat einen Apfel gegessen. Die Verwendung eines Verbs in der an-Konstruktion geht mit einer veränderten Bedeutung einher. Im Unterschied zur transitiven Verbverwendung ist die präpositionale an-Konstruktion mit dem Szenario kompatibel, in welchem nur ein Teil des Objekts dem vom Verb bezeichneten Ereignis unterworfen wird. Der Abgeschlossenheitstest in (3) zeigt diesen Interpretationsunterschied auf. Während die transitive Verbverwendung in (3a) die Fertigstellung des Bildes impliziert, legt die an- Konstruktion in (3b) nicht fest, ob das Bild fertig ist oder nicht. Basierend auf diesem Befund wird die an-Konstruktion mit einer partitivisch-progressiven Interpretation in Verbindung gebracht (Engelberg 2007, S.-18). (3) Abgeschlossenheitstest (3a) Mia hat gestern ein Bild gemalt, … (i) #das Bild ist aber immer noch nicht fertig. (ii) das Bild ist sehr schön geworden. (3b) Mia hat gestern an einem Bild gemalt, … (i) das Bild ist aber immer noch nicht fertig. (ii) das Bild ist sehr schön geworden. Die an-Konstruktion führt notwendigerweise zu einer atelischen Interpretation der im Satz beschriebenen Situation (Krifka 1989a, S.-182; Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997, S.-2118; Kratzer 2004, S.-392). Die Atelizität der an-Konstruktion und der Kontrast zur transitiven Verbverwendung können durch die folgenden Diagnostiken illustriert werden. Erstens ist die an-Konstruktion nicht mit Zeitrahmenadverbialen wie in (4), sondern mit Zeitdaueradverbialen wie in (5) kompatibel. In der transitiven Struktur, in der das Verb malen mit einer indefiniten Nominalphrase im Singular kombiniert wird, verhält sich das Verb komplementär. Zweitens ist die an-Konstruktion im Unterschied zur transitiven Verbverwendung nicht mit einem benefaktiven <?page no="12"?> Einleitung 12 Dativ kompatibel, der einen Nutznießer bezeichnet, vgl. (6) (Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997, S.-1341). (4) - Kombinierbarkeit mit Zeitrahmenadverbialen (4a) - Mia hat in zwei Stunden ein neues Bild gemalt. (4b) *Mia hat in zwei Stunden an einem neuen Bild gemalt. (5) - Kombinierbarkeit mit Zeitdaueradverbialen (5a) *Mia hat zwei Stunden lang ein neues Bild gemalt. (5b) - Mia hat zwei Stunden lang an einem neuen Bild gemalt. (6) - Kombinierbarkeit mit benefaktiven Dativen (6a) - Mia hat ihm ein neues Bild gemalt. (6b) *Mia hat ihm an einem neuen Bild gemalt. Da die atelische Interpretation ein zentraler Aspekt der an-Konstruktion ist, spreche ich von atelischer an-Konstruktion bzw. von atelischen an-Phrasen. Aspektuelle Ableitungsanalysen Die bisherigen Arbeiten zur atelischen an-Konstruktion können als aspektuelle Ableitungsanalysen bezeichnet werden, da sie den aspektuellen Unterschied in den Vordergrund rücken und von einer Ableitungsrelation zwischen den beiden Strukturen ausgehen, wobei die an-Konstruktion als eine von der transitiven Verbvariante abgeleitete Struktur erfasst wird. In einer Ableitungsanalyse wird die atelische an-Konstruktion als präpositionales Pendant der transitiven Verbverwendung betrachtet (Krifka 1989a, S.- 182; Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997, S.-2188; Filip 1999; Engelberg 2000, S.-75, 2007, S.-17; Ágel 2017, S.-492). Man geht also von einer Alternation in der Argumentstruktur der Verben aus, wobei der an-Phrase ein Argumentstatus zugeschrieben und diese als alternative syntaktische Realisierung des direkten Objekts betrachtet wird. Die bisher aufgestellten Überlegungen zur an-Konstruktion basieren auf der Betrachtung von konstruierten Beispielen wie in (1), in denen ein und dasselbe Nomen in beiden Strukturen vorkommt. Bei eingehender Betrachtung der Daten zeigt sich allerdings, dass die atelische an-Konstruktion und die transitive Verbverwendung nicht immer austauschbar sind. Die Nicht-Austauschbarkeit sei an dieser Stelle an zwei Phänomenen illustriert. Erstens kann bei bestimmten Konsumverben die primär lokale Kontakt-Lesart nur in der präpositionalen an-Verwendung zum Ausdruck gebracht werden, vgl. (7). Das Beispiel (7a) zeigt, dass die Verzehr-Interpretation in beiden Strukturen möglich ist. Die Verzehr-Interpretation wird dadurch unterstützt, dass Möhre auf einen essbaren Gegenstand referiert. Das Nomen Käfig in (7b) bezeichnet hingegen einen Gegenstand, der in der Regel nicht gegessen wird. In der präpositionalen Verwendung kann das Verb knabbern mit einem nicht-essbaren Objekt als internes Argument von an kombiniert werden. Dadurch entsteht die <?page no="13"?> Einleitung 13 Kontakt-Lesart, dass die Zähne des Hamsters in Kontakt mit den Käfigstangen kommen. Die transitive Verwendung von knabbern ist hingegen auf die Verzehr-Lesart festgelegt. Kommt ein nichtessbarer Gegenstand als direktes Objekt vor, kann der Satz nur dann interpretiert werden, wenn man den Käfig als etwas Essbares konzeptualisiert. Ein Käfig aus Salzstangen könnte beispielsweise verzehrt werden. Zweitens können die beiden Strukturen beim Vorliegen der metaphorischen Verbinterpretation wie in (8) nicht ausgetauscht werden: Die übertragene Verbverwendung in Kombination mit einem eventiven Nomen wie Aufstieg oder Niederlage ist in der an-Konstruktion, aber nicht in der transitiven Struktur, möglich. (7a) Der Hamster knabbert {eine Möhre/ an einer Möhre}. (7b) Der Hamster knabbert {#seinen Käfig/ an seinem Käfig}. (8a) Die Mannschaft bastelt {*den Aufstieg/ am Aufstieg}. (8b) Die Mannschaft knabbert {*die Niederlage/ an der Niederlage}. Die Kontraste in (7)-(8) zeigen, dass der semantische Unterschied zwischen der an- Konstruktion und der transitiven Verbverwendung über die aspektuelle Interpretation hinausgeht und dass sich die verbalen Selektionsrestriktionen je nach Struktur unterscheiden. Diese Daten sind problematisch für die Ableitungsanalyse, die zu jedem an-Satz eine zugrundeliegende transitive Verbverwendung voraussetzt, was aber offenbar nicht der Fall ist. Ziel der Arbeit und Forschungsfragen Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, eine korpusbasierte, empirisch adäquate semantische Analyse der atelischen an-Konstruktion zu präsentieren. Daraus leiten sich zwei folgende Forschungsfragen ab. Erstens stellt sich die Frage, wie sich die atelische an-Konstruktion mit korpuslinguistischen Mitteln erforschen lässt. Zweitens ist die Frage zu beantworten, wie man, aufbauend auf empirischen Ergebnissen, die atelische an-Konstruktion semantisch modellieren kann. Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit bilden metaphorische Verbverwendungen in der an-Konstruktion, die sowohl aus empirischer als auch aus theoretischer Sicht eine Herausforderung darstellen. Aus empirischer Perspektive ist zu untersuchen, wie die atelische an-Konstruktion mit korpuslinguistischen Mitteln quantitativ erfasst werden kann. (I) Forschungsfrage-- Empirie: Korpusmethoden Mit welchen korpusbasierten Methoden und Maßen kann die atelische an-Konstruktion untersucht werden? (i) Wie findet man die atelische an-Konstruktion in den Korpusdaten? (ii) Welche Verben und Verbklassen sind in der atelischen an-Konstruktion prominent? <?page no="14"?> Einleitung 14 (iii) Wie können verbale Selektionspräferenzen und die Verbinterpretation in der an-Konstruktion sowie in der transitiven und in der intransitiven Struktur untersucht und verglichen werden? Mit Teilfrage (i) soll zunächst erforscht werden, wie man die Verbverwendungen in der atelischen an-Konstruktion in den Daten identifiziert. Dieser erste Schritt stellt bereits eine Herausforderung dar, da es nicht möglich ist, direkt in den Korpora nach Verbverwendungen in der atelischen an-Konstruktion zu suchen. Teilfrage (ii) zielt auf die Ermittlung von Verben und Verbklassen ab, die in der atelischen an-Konstruktion quantitativ prominent und bei der semantischen Analyse besonders zu beachten sind. In aspektuellen Ableitungsanalysen wird inkrementellen Kreations- und Konsumverben wie schreiben, bauen bzw. essen, trinken eine zentrale Rolle zugeschrieben (Filip 1999; Engelberg 2007). Welche Verben als zentral zu betrachten sind, ist jedoch empirisch zu bestimmen. Mit Teilfrage (iii) sollen verbale Selektionspräferenzen in der an-Konstruktion und in der (in)transitiven Struktur untersucht werden. Die Analyse der Selektionspräferenzen ist wichtig, um den Status von an-Phrasen zu bestimmen. Sollten sich Unterschiede in den Selektionspräferenzen der Verben in der transitiven und in der präpositionalen Verwendung zeigen, wäre dies ein empirisches Argument gegen eine Ableitungsrelation zwischen den beiden Strukturen. Aus theoretischer Perspektive ist zu untersuchen, welche Modellierung für die atelische an-Konstruktion angemessen ist. (II) Forschungsfrage-- Theorie: semantische Modellierung Wie ist die atelische an-Konstruktion semantisch zu analysieren? (i) Durch welche Generalisierung wird die Distribution der an-Konstruktion erfasst? (ii) Welche Bedeutung hat die Präposition an in der atelischen an-Konstruktion? (iii) Wie wird die Relation zwischen der transitiven Verbverwendung und der präpositionalen an-Konstruktion modelliert? Welchen Status haben atelische an-Phrasen? Zunächst stellt sich Teilfrage (i) , durch welche Generalisierung das Vorkommen der Verben in der an-Konstruktion erfasst werden kann und auf welche Verbeigenschaften die Zulässigkeit der an-Konstruktion zurückzuführen ist. Die semantische Generalisierung soll als Grundlage für die Theoriebildung dienen. Teilfrage (ii) geht dem Bedeutungsbeitrag von an nach. Es ist zu untersuchen, ob der Präposition an in der atelischen an-Konstruktion ein eigener Bedeutungsbeitrag zuzuschreiben ist und wie sich dieser gestaltet. Zu diesem Aspekt finden sich in der einschlägigen Literatur widersprüchliche Auffassungen. Während Krifka (1989a, S.- 182) vom regierten Status von an-Phrasen ausgeht, woraus man die Bedeutungslosigkeit von an in der <?page no="15"?> Einleitung 15 an-Konstruktion schließen kann, schreibt Engelberg (2007, S.-18) der Präposition an einen partitivisch-progressiven Bedeutungsbeitrag zu. Mit Teilfrage (iii) soll untersucht werden, wie die Relation zwischen der transitiven und der präpositionalen Verbverwendung beschaffen ist und welchen Status die atelischen an-Phrasen haben. Zur Beantwortung von Forschungsfrage (I) Korpusmethoden gehe ich wie folgt vor. Um die atelische an-Konstruktion in den Daten zu identifizieren (Teilfrage (i) ), implementiere ich ein Reduktionsverfahren (Zeschel 2015), das im Voraus irrelevante an-Treffer aus den Korpusdaten ausschließt (z. B. Frankfurt am Main). Anhand einer Zufallsauswahl der Sätze wird anschließend die Häufigkeit der atelischen an-Konstruktion ermittelt. Da die atelische an-Konstruktion ein seltenes Phänomen ist, wird für die Untersuchung der Verben (Teilfrage (ii) ) eine verbbasierte Vorgehensweise gewählt. Dazu wird eine umfassende Liste von Verben erstellt, die die atelische an-Konstruktion zulassen. Um zu ermitteln, welche Verben eine quantitativ prominente Rolle spielen, werden zwei Ansätze verfolgt. Einerseits werden deskriptive und statistische Assoziationswerte berechnet, die die gegenseitige Affinität der- Verben und der atelischen an-Konstruktion abbilden. Andererseits werden die Verben semantisch klassifiziert. Für die Ermittlung der Verbklassen werden die Prädikate auf der Typenebene mit GermaNet-Klassen annotiert. Zusätzlich wird ein hierarchisches Clustering-Verfahren eingesetzt, um die Verben basierend auf der Distribution der Nomen in der an-Phrase in bedeutungsähnliche Gruppen zu ordnen. Für die Untersuchung der verbalen Selektionspräferenzen bzw. der Verbinterpretation (Teilfrage (iii) ) setze ich ebenfalls distributionelle Methoden ein (Clustering, Berechnung der Kosinusdistanz). Da diese Ansätze über die lexikalische Variabilität in den Daten hinaus nur begrenzt generalisieren können, wird die Verbinterpretation durch die Annotation auf semantischer Ebene erfasst: Verbverwendungen in der atelischen an-Konstruktion, in der transitiven und in der intransitiven Struktur werden als wörtlich (konkret) bzw. nicht-wörtlich (metaphorisch, übertragen) annotiert. Die hier erhobenen und analysierten Korpusdaten sprechen gegen aspektuelle Ableitungsanalysen. Inkrementelle Verben wie bauen oder essen, die in bisherigen Arbeiten eine zentrale Rolle spielen, kommen selten in der an-Konstruktion vor. Iterative manner-Verben wie feilen oder nippen sind hingegen stark mit der atelischen an-Konstruktion assoziiert. Der Unterschied zwischen der Verbverwendung in der präpositionalen und in der transitiven Struktur geht über die aspektuelle Interpretation hinaus: Die Verben weisen ein teilweise stark unterschiedliches Selektionsverhalten auf. Insgesamt kann beobachtet werden, dass Kreations- und Konsumverben mehr metaphorische Verwendungen in der an-Konstruktion als in den (in)transitiven Strukturen aufweisen. Die Antwort auf Forschungsfrage (II) semantische Modellierung kann wie folgt zusammengefasst werden. In der vorliegenden Arbeit werden atelische an-Phrasen als <?page no="16"?> Einleitung 16 Modifikatoren analysiert, die als bedeutungshaltige Elemente die einstelligen Verbvarianten modifizieren (Teilfrage (iii) ). 1 Nur Verben, die einstellig verwendbar sind, lassen die atelische an-Konstruktion zu. Diese Generalisierung, die ich als optionale Zweistelligkeit bezeichne, liefert die Antwort auf Teilfrage (i) . Sie kann am Minimalpaar essen und verzehren illustriert werden. Beide Prädikate referieren auf inkrementelle Konsumereignisse, allerdings lässt nur essen die atelische an-Konstruktion zu. Verzehren kann nicht einstellig verwendet werden und schließt die atelische an- Konstruktion aus. (9a) Mia isst {einen Apfel/ 0/ an einem Apfel}. (9b) Mia verzehrt {einen Apfel/ *0/ *an einem Apfel}. Der Präposition an in der atelischen an-Konstruktion wird eine eigenständige Bedeutung zugeschrieben (Teilfrage (ii) ). Sie wird wie andere Präpositionen als ein relationales Element analysiert. Der Bedeutungsbeitrag von an wird durch eine unterspezifizierte boundary-Relation erfasst, die einen Grenzbereich des Referenzobjekts fokussiert (Carstensen 2000, 2001, 2015). In Abhängigkeit von Weltwissen kann die unterspezifizierte boundary-Relation als Nähe (das Haus am Meer), als Kontakt zwischen zwei Objekten (das Bild an der Wand) oder als eine Teil-von-Relation (die Ohren am Kopf, am Rand der Straße) interpretiert werden. Die verbnahe Position von atelischen an-Phrasen bedingt ihre Analyse als ereignisinterne Modifikatoren (Maienborn 1996, 2001, 2003b). Als ereignisinterne Modifikatoren haben atelische an- Phrasen einen indirekten Bezug auf das verbale Ereignisargument. Sie führen eine boundary-Relation zwischen ihrem internen Argument und einer freien Variable ein, die als integraler Bestandteil des Ereignisses ausgewiesen ist und auf konzeptueller Ebene aus der Verbbedeutung erschlossen wird. Der ereignisinterne Bezug schränkt dabei die Interpretation der boundary-Relation als Kontakt oder Teil-von ein. Die einstellige Verbvariante bezieht sich auf die Tätigkeit des Agens, die sich relativ zu der von der an-Phrase eingeführten Entität entfaltet. Diese Annahme kann am Beispiel (1a) veranschaulicht werden. Im Kreationssatz Mia hat an einem Bild gemalt führt die einstellige malen-Variante eine Aktivität des Subjektreferenten ein, die sich vermittelt über eine freie Variable auf das Bild bezieht. Da malen ein inkrementelles Kreationsverb ist, wird die freie Variable auf konzeptueller Ebene als inkrementelles Thema des Mal-Ereignisses festgelegt und bezeichnet z. B. Striche. Die Striche und das Bild sind sortal kompatibel, sodass die Striche als Teil des Bildes konzeptualisierbar sind. Die boundary-Relation wird als eine Teil-von-Relation spezifiziert, und es entsteht die Interpretation, dass ein Teil des Bildes entstanden ist. 1 Auch Welke erwägt, atelische an-Phrasen als nicht-projizierte Elemente zu betrachten (Welke 2015, S.-55) und ihnen den Modifikatorstatus zuzuschreiben (Welke 2019, S.-281). <?page no="17"?> Einleitung 17 Die Analyse von atelischen an-Phrasen als Modifikatoren von einstelligen Verbvarianten hat zwei grundlegende Vorteile. Erstens sind keine Zusatzannahmen notwendig, um die Atelizität des Gesamtausdrucks zu erfassen. Einstellig verwendete Verben erhalten eine atelische Interpretation (Rapp 1997), Modifikatoren verändern den logischen Typ des modifizierten Ausdrucks nicht und die an-Phrasen haben keinen Einfluss auf den verbalen Ereignistyp. Die atelische Interpretation des Gesamtausdrucks ergibt sich somit automatisch. Zweitens liefert die Modifikatoranalyse eine grammatische Begründung für den Befund, dass die präpositionale an-Konstruktion zugänglicher für die metaphorische Verbinterpretation ist als die transitive Verbverwendung. In der transitiven Verwendung besteht ein direktes Selektionsverhältnis zwischen dem Verb und seinem y-Argument, das als direktes Objekt realisiert wird. In der an-Konstruktion hingegen besteht k e i n d i r e k t e s S e l e k t i o n s v e r h ä l t n i s zwischen dem Prädikat und dem internen Argument von an. Die indirekte Relation zwischen dem durch an eingeführten Nomen und dem verbalen Ereignis erlaubt einen größeren interpretatorischen Spielraum. Theoretische und formale Festlegungen Meinen Ausführungen liegt die Grundauffassung zugrunde, dass für natürlichsprachliche Äußerungen das Kompositionalitätsprinzip fundamental ist. Das Kompositionalitätsprinzip geht auf Gottlob Frege zurück und ist in der Formulierung von Maienborn/ Heusinger/ Portner (2011) in (10) dargestellt. Demnach ergibt sich die Bedeutung eines komplexen Ausdrucks aus der Bedeutung seiner Bestandteile nach Maßgabe ihrer syntaktischen Kombination. (10) Principle of compositionality: The meaning of a complex expression is a function of the meanings of its parts and the way they are syntactically combined. (Maienborn/ Heusinger/ Portner 2011, S.-4, (8)) Für Verben nehme ich an, dass sie neben den thematischen Argumenten ein referenzielles Ereignisargument einführen. Die lexikalisch-semantische Struktur der Verben wird durch die neo-davidsonsche Repräsentation erfasst (vgl. z. B. Maienborn 2011). Der Lexikoneintrag für das Verb essen in (11) dient zur Illustration und ist in Anlehnung an Maienborn (2017) formuliert. Die verbale Argumentstruktur ist durch die λ-gebundenen Variablen repräsentiert. Das Verb essen führt zwei thematische Argumente (ein y-Argument, das als inkrementelles Thema in das Ess-Ereignis eingebunden wird, und ein Agens-Argument x) sowie ein referenzielles Ereignisargument e ein. In der verbalen Argumentstruktur werden auch die Selektionsrestriktionen des Verbs in Form von feinkörnigen Typenanforderungen vermerkt. Das Verb essen fordert ein y-Argument vom Typ feste_substanz und ein x-Argument vom Typ mensch. Das referenzielle Argument e ist auf Ereignisse beschränkt. <?page no="18"?> Einleitung 18 (11) essen zweistellig : λy : feste_substanz λx : mensch λe : ere i g n i s [ consume ( e ) --∧ essen'(e) ∧ agent(e, x) ∧ i-theme(e, y)] Der logische Typ eines transitiven Verbs wie essen ist ⟨e, ⟨e, ⟨e, t⟩⟩⟩ mit E als Entität und T als Wahrheitswert. Wenn das Verb mit zwei thematischen Argumenten verwendet wird, spreche ich von einer zweistelligen Verbverwendung bzw. -variante. Das y-Argument kann weggelassen werden, vgl. Mia isst. In diesem Fall spreche ich von der einstelligen (agentiven) Variante von essen. Grundsätzlich folge ich den Annahmen der Zwei-Ebenen-Semantik und unterscheide zwischen der Semantischen Form (SF) und der Konzeptuellen Struktur (CS) (vgl. die Übersicht in Lang/ Maienborn 2011). Die Semantische Form umfasst kontextunabhängige Bedeutungsanteile eines sprachlichen Ausdrucks. In der semantischen Repräsentation von essen in (11) umfasst die Semantische Form des Verbs die Prädikate consume und essen' sowie die thematischen Rollen. Die Konzeptuelle Struktur erlaubt es, pragmatische Spezifizierungsprozesse zu modellieren, die durch den Kontext und Weltwissen die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks vervollständigen (Maienborn 2019, S.-14). Des Weiteren halte ich mich an folgende Notationskonventionen in semantischen Repräsentationen (vgl. Maienborn 2019). Semantische Prädikate werden generell durch Kleinbuchstaben repräsentiert. Systematische Relationen, die über einzelne Lexeme hinaus gelten und als klassenbildende Elemente zu verstehen sind, werden ohne Apostroph angegeben, z. B. consume oder agent in (11). Idiosynkratische Bedeutungsbestandteile, die auf das Weltwissen verweisen, werden durch einen Apostroph gekennzeichnet; parallel zu essen' wären andere Konsumverben jeweils durch eigene Bedeutungskomponenten wie fressen' oder schlürfen' zu repräsentieren. Individuenkonstanten werden durch die Großschreibung des ersten Buchstabens gekennzeichnet, z. B. Mia. Feinkörnige semantische Typen werden durch Kapitälchen gekennzeichnet, z. B. feste_substanz oder mensch. Variablennamen werden kursiv gesetzt: Entitäten werden durch Kleinbuchstaben (x, y, z, …), Prädikate bzw. Relationen durch Großbuchstaben wiedergegeben (P, Q, R, …). Mit einem Asterisk ‚*‘ markiere ich ungrammatische Ausdrücke, ein Fragezeichen ‚? ‘ kennzeichnet eine fragliche Akzeptabilität bzw. Grammatikalität, das Rautezeichen ‚#‘ markiert eine pragmatische Abweichung bzw. eine Lesart, die aufgrund von Weltwissen unplausibel ist. Die Grammatikalitätsurteile in zitierten Beispielen werden in der Regel aus dem Original übernommen. Die formal-semantischen Repräsentationen werden an die hier geltenden Konventionen weitgehend angepasst. <?page no="19"?> Einleitung 19 Die Grundlage für die Korpusuntersuchung, die in Kapitel-4 vorgestellt wird, bildet das Deutsche Referenzkorpus DeReKo. 2 Zusätzlich verwende ich einzelne Belege aus dem DWDS und aus den COW-Webkorpora (Corpora from the Web), die aus dem deutschsprachigen Web stammen (Schäfer/ Bildhauer 2012; Schäfer 2015). Die Korpusbelege sind durch Quellenangaben in runden Klammern unterhalb des Belegsatzes gekennzeichnet. 3,-4 Nicht eingehender untersucht werden die folgenden Phänomene, die einer gesonderten korpuslinguistischen Untersuchung bedürfen: Verben mit einem herum-Zusatz (an etwas herumschreiben) und satzwertige Realisierung der an-Phrase (daran basteln, dass …). Sie werden aber punktuell erwähnt bzw. zu Argumentationszwecken herangezogen. Aufbau der Arbeit Kapitel- 2 stellt den Forschungsstand zur atelischen an-Konstruktion und aspektuelle Ableitungsanalysen vor. Kapitel- 3 behandelt die grundlegende Frage, wie man die Modifikatoranalyse für an-Phrasen in einem binär aufgeteilten Argument-Modifikator-Bereich rechtfertigen kann, zumal atelische an- Phrasen in der Regel als regierte Elemente analysiert werden. In drei Schritten (eine lexikografische Studie, theoretische Überlegungen zur Modellierung der Präpositionsbedeutung, Tests zur Bestimmung von Argumenten) wird für den Modifikatorstatus der atelischen an-Phrasen argumentiert. Kapitel- 4 beschreibt einzelne, aufeinander aufbauende Korpusstudien der atelischen an-Konstruktion. Kapitel-5 stellt die semantische Modellierung von atelischen an-Phrasen als Modifikatoren von einstelligen Verbvarianten vor. Kapitel-6 fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen. Der Anhang enthält die Richtlinien für die Annotation der Verbverwendungen, die als Instanzen der atelischen an-Konstruktion, als transitive, intransitive bzw. sonstige Strukturen sowie als nicht-verbale Treffer eingeordnet werden. 2 Das Deutsche Referenzkorpus DeReKo, www.ids-mannheim.de/ kl/ projekte/ korpora (Stand: 24.3. 2022), am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS), Mannheim. 3 DWDS- - Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. Das Wortauskunftssystem zur deutschen Sprache in Geschichte und Gegenwart, hrsg. v. d. Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, www.dwds.de (Stand: 24.3.2022). 4 Die COW-Korpora sind unter https: / / corporafromtheweb.org (Stand: 24.3.2022) zugänglich. <?page no="20"?> Einleitung 20 <?page no="21"?> Allgemeine Annahmen 21 2. ASPEKTUELLE ABLEITUNGSANALYSEN Abstract Dieses Kapitel liefert einen Forschungsüberblick über die atelische an-Konstruktion und stellt aspektuelle Ableitungsanalysen vor, die auf drei Kernannahmen beruhen: Inkrementalität als zentrale semantische Kategorie, die die Zulässigkeit der an-Konstruktion bei transitiven Verben erfassen soll, partitive Denotation der an-Phrase und das Ableitungsverhältnis zwischen der transitiven und der präpositionalen-Verbverwendung. Anhand theoretischer Überlegungen und sprachlicher Tests wird nachgewiesen, dass diese Kernannahmen nicht stimmen. Die Diskussion der aspektuellen Ableitungsanalysen zeigt, dass atelische an- Phrasen nicht als alternative syntaktische Realisierungen des verbalen Thema-Arguments betrachtet werden können. Als Gegenvorschlag wird die Generalisierung aufgestellt, dass nur optional zweistellige Verben die an-Konstruktion zulassen. Insgesamt werden erste Hinweise darauf gesammelt, dass atelische an-Phrasen als Modifikatoren von einstelligen Verbvarianten zu analysieren sind. 2.1 Allgemeine Annahmen Auf die an-Konstruktion, die bisher als präpositionales Pendant zu der transitiven Verbverwendung galt, wird in mehreren Arbeiten hingewiesen. Ihre Funktion bzw. Bedeutung wird durch diverse semantische Kategorien erfasst: Imperfektivität (Brinkmann 1962; Eroms 1991), Teilgeschehen (Schmitz 1964), Durativierung (Russinova 1976), Patiensbezug (Schröder 1986; Flämig 1991) und schwächere Affiziertheit (Ágel 2017, S.-492). Die Autor/ -innen rücken vor allem den aspektuellen Unterschied zwischen der transitiven Struktur und der an-Konstruktion in den Vordergrund, denn im Gegensatz zu ihren transitiven Pendants erhalten die präpositionalen an- Sätze eine atelische Interpretation (Krifka 1989a, S.-182; Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997, S.- 2118; Kratzer 2004, S.- 392). Während in den oben genannten Arbeiten die atelische an-Konstruktion lediglich erwähnt wird, wird sie von zwei Autor/ -innen eingehender behandelt. Engelberg (1994b, 2000, 2007) und Filip (1989, 1999) untersuchen, welche Faktoren die Zulässigkeit der atelischen an-Konstruktion bei transitiven Verben steuern und wie sie semantisch modelliert werden kann. Engelberg (2007, S.- 18) geht vom partitivisch-progressiven Bedeutungsbeitrag der an-Phrase aus und stützt seine Überlegungen mit einigen Korpusbelegen. Filip bietet die bis jetzt ausführlichste Analyse der an-Konstruktion und übernimmt bestimmte Ideen von Krifka (1989a, 1989b, 1992), etwa die zentrale Rolle der Inkrementalität und das Ableitungsverhältnis zwischen der transitiven und der präpositionalen Verbverwendung. Die Nicht-Abgeschlossenheit wird bei Filip als Hauptbedeutung der an- Konstruktion postuliert, die sich aus der Kombination von inkrementellen Prädikaten mit einer partitiven an-Phrase über eine lexikalische Regel herleiten lässt. Die theoretischen Überlegungen von Engelberg und Filip sowie der formale Analysean- <?page no="22"?> Aspektuelle Ableitungsanalysen 22 satz von Krifka bilden die zentralen Anknüpfungspunkte für die vorliegende Arbeit. Ihre Überlegungen können als aspektuelle Ableitungsanalysen bezeichnet werden. Bei den atelischen an-Phrasen handelt es sich demnach um eine argumentstrukturelle Alternative zum Akkusativobjekt und der Unterschied zwischen den beiden Strukturen ist rein aspektueller Natur. Was die atelische an-Konstruktion besonders interessant macht, ist ihre Distribution: Sie ist nicht bei jedem transitiven Verb möglich, und es lassen sich bestimmte Generalisierungen über die Verbsemantik formulieren, die das Verbvorkommen in der an-Konstruktion steuern (Engelberg 1994b, S.- 54, 2007, S.- 18; Filip 1999). Die gängige Annahme ist dabei, dass die Zulässigkeit der an-Konstruktion von den aspektuellen Eigenschaften der Prädikate abhängt. Stative Verben wie in (12), punktuelle Verben (mit oder ohne Nachzustand) wie in (13) sowie durative Verben wie in (14), die keine Zustandsveränderung implizieren, lassen die an-Konstruktion nicht zu. Im Gegensatz dazu erlauben durative Prädikate wie in (15), die eine Accomplishment-Lesart zulassen, die Alternation zwischen dem Akkusativobjekt und einer an- Phrase. Im Zusammenhang mit den alternierenden transitiven Verben werden vor allem Kreations- und Konsumverben diskutiert, wie etwa schreiben, bauen oder essen, trinken. 5 (12) Stative Verben: besitzen, kennen, haben, … (12a) Mia besitzt {eine Katze/ *an einer Katze}. (12b) Mia kennt {einen guten Arzt/ *an einem guten Arzt}. (13) Achievements: gewinnen, sprengen, kneifen, … (13a) Die Arbeiter sprengen {die Brücke/ *an der Brücke}. (13b) Mia kneift {ihren Freund/ *an ihrem Freund}. 5 Die Verbklassifikation in aspektuelle Klassen geht auf Vendler (1957) zurück. Ein Verb bzw. eine Verbalphrase kann in eine der folgenden Klassen eingeordnet werden: Zustände (States), Activities, Accomplishments und Achievements. Zustände (z. B. sitzen, glauben) referieren auf statische Situationen, während die anderen drei Klassen dynamische Eventualitäten bezeichnen, wobei Achievements (z. B. den Gipfel erreichen, den Schlüssel finden) punktuell, Accomplishments (z. B. einen Apfel essen, ein Buch lesen) und Activities (z. B. im Wald laufen) durativ sind. Accomplishments unterscheiden sich von Activities in ihrer Telizität, da sie ein inhärentes Ende haben: Während man irgendwann mit dem Lesen eines Buches fertig werden kann, kann das Laufen im Wald theoretisch unendlich lange dauern. Der zentrale Unterschied zwischen den Accomplishments einerseits und Activities und Zuständen andererseits besteht in der sogenannten Subintervalleigenschaft. Für jedes Subintervall von etwa im Wald laufen oder sitzen gilt, dass man im Wald gelaufen war bzw. gesessen hat. Dies trifft auf Accomplishments nicht zu: Bei einem Ereignis wie ein Glas Wein trinken gilt nicht für jedes Subintervall des Ereignisses, dass man ein Glas Wein getrunken hat. <?page no="23"?> Allgemeine Annahmen 23 (14) Activities: streicheln, quälen, hänseln, … (14a) Mia streichelt {ihre Katze/ *an ihrer Katze}. (14b) Mia quält {ihre Katze/ *an ihrer Katze}. (15) Accomplishments: basteln, bauen, schreiben, … ; essen, trinken, … (15a) Mia malt {ein Bild/ an einem Bild}. (15b) Mia isst {einen Apfel/ an einem Apfel}. Wie kann man die semantischen Eigenschaften der Verben präziser fassen, die für die Zulässigkeit der an-Konstruktion verantwortlich sind? Es werden unterschiedliche deskriptive Generalisierungen vorgeschlagen, die jeweils auf die Zeitkonstitution Bezug nehmen. Rostila (2015, S.-41) geht davon aus, dass die an-Konstruktion bei jedem transitiven Verb möglich ist, bei welchem Zwischenstadien erkennbar sind. 6 Unklar ist, was genau mit Zwischenstadien gemeint ist. Filip (1999) geht von der zentralen Rolle der Inkrementalität aus, wobei sie diverse semantische Zusatzbeschränkungen annehmen muss, um die Inkrementalitätsthese aufrechtzuerhalten (sie werden in Abschn.-2.3 ausführlicher behandelt). Engelberg (1994b) rückt die Kategorie des Zustandswechsels bei durativen Verben in den Mittelpunkt. Nur Verben, die durative Ereignisse bezeichnen und den Zustandswechsel ihres zweiten Arguments implizieren, wie etwa nähen oder bauen, lassen die an-Konstruktion zu. Da die Kategorie des Zustandswechsels zu strikt ist und das Vorkommen von Verben wie lesen oder reparieren in der an-Konstruktion fälschlicherweise ausschließt, wird in Engelberg (2007) die erweiterte Bewältigungsthese formuliert. Die an-Konstruktion ist demnach nicht nur bei durativen Verben möglich, die eine Veränderung am-Objekt implizieren, sondern auch, wenn „sich das Fortschreiten des Ereignisses in anderer Weise über den Grad der Bewältigung des Objekts erschließen lässt“ (ebd., S.-18). Bei der Bewertung einer deskriptiven Generalisierung sind grundsätzlich zwei Aspekte zu beachten. Erstens muss die aufgestellte Generalisierung die Datendistribution adäquat erfassen, sie darf weder zu strikt sein noch zu Übergeneralisierung führen. Zweitens muss sie theoretische Erklärungskraft besitzen. Es stellt sich nicht nur die Frage, w e l c h e Verben die an-Konstruktion zulassen, sondern auch, w a r u m das der Fall ist. Auf die Warum-Frage geht nur Filip (1989, 1999) ein. Bei der Erfassung der an-Konstruktion geht Filip (1989, 1999) über eine deskriptive Regel hinaus und basiert ihre semantische Analyse auf der Beobachtung, dass offenbar nur inkrementelle Prädikate die Alternation mit einer an-Phrase zulassen. Die Grundannahme von Filip ist, dass die transitive Struktur und die präpositionale an-Konstruktion in systematischer Relation zueinander stehen: Das Ereignis, das 6 „[…] the PO preposition an seems to be able to impose an incremental semantics on any transitive verb denoting an activity where intermediate stages are discernible.“ (Rostila 2015, S.-41) <?page no="24"?> Aspektuelle Ableitungsanalysen 24 mit der an-Konstruktion beschrieben wird, etwa an einem Haus bauen, ist ein Teil des Ereignisses, das die transitive Variante bezeichnet (Filip 1999, S.-268). 7 Der Ausdruck an einem Haus bauen bedeutet dann, im Prozess des Hausbauens zu sein, wobei das Haus noch nicht fertig gebaut und das gesamte Ereignis des Hausbauens noch nicht abgeschlossen ist. Das folgende Zitat fasst die Analyse von Filip (1999) zusammen. Intuitively, given that baute ‚built‘ […] is a homomorphic predicate and given that the denotation of an einem Haus (‚on/ at a house‘), the Incremental Theme, is a part of a house, ‚built‘ maps a part of a house into an event of building that part of a house. (ebd., S.-269 f.) Die Analyse von Filip (1999) basiert somit auf drei Kernideen: Inkrementalität als zentrale semantische Kategorie, die die Zulässigkeit der an-Konstruktion beim Verb vorhersagt, partitive Denotation der an-Phrasen und das Ableitungsverhältnis zwischen der an-Konstruktion und der transitiven Struktur. In den nächsten Abschnitten stelle ich diese Ideen ausführlicher vor, um anschließend in Abschnitt-2.2 auf die Probleme zu kommen, die diese Annahmen nach sich ziehen. Inkrementalität Aus theoretischer Sicht stellt sich die Frage, warum die Inkrementalität als notwendige Bedingung für die Zulässigkeit der an-Konstruktion angesehen wird. Die Auffassung von Inkrementalität übernimmt Filip von Krifka (1989a). 8 Nach Krifka liegt bei solchen Verben wie bauen oder essen eine inkrementelle Relation zwischen dem Prädikat und dem Referenten des Akkusativobjekts vor: Das Objekt wird sukzessiv dem verbalen Ereignis unterzogen. Inkrementelles Thema von Filip entspricht der Relation sukzessives Patiens von Krifka (pat- Relation). 9 Die Objekt-Eindeutigkeit in (16a) besagt, dass es in einem Ereignis nur ein einziges sukzessives Patiens geben kann. Die Postulate der Ereignis- und der Objektabbildbarkeit in (16b)-(16c) erfassen das gegenseitige Mapping zwischen der Domäne der physischen Objekte und der Zeitkonstitution der Ereignisse: Jedem Objektteil wird ein Ereignisteil zugeordnet (Ereignis-Abbildbarkeit), und jedem Ereignisteil entspricht ein Objektteil, wobei der jeweilige Objektteil in der pat-Relation zu dem dazugehörigen Ereignisteil steht (Objekt-Abbildbarkeit). Zum Beispiel kann bei dem Ausdruck ein Buch lesen jedem Buchteil ein Teil des Lese-Ereignisses zugeordnet werden, und umgekehrt entspricht jedem Teil des Lese-Ereignisses ein 7 „[A sentence] with the partitive an denotes an event that is a proper part of the event denoted by […] [the corresponding sentence] with the accusative case.“ (Filip 1999, S.-268) 8 Es gibt verschiedene Auffassungen zur Inkrementalität, für eine Übersicht vgl. Levin/ Hovav (2005, S.-93-112). 9 Für die Bezeichnung der Relation sukzessives Patiens verwendet Krifka (1989a) die Abkürzung SUK (kurz für sukzessives Patiens). Ich übernehme einfachheitshalber die Bezeichnung pat (Patiens) aus Krifka (1992). In den Postulaten in (16) steht pat folglich für die suk-Relation, pat* für die strengere Variante der suk*-Relation. <?page no="25"?> Allgemeine Annahmen 25 Buchteil. Bei Kreations- und Konsumverben kommt noch die Ereignis-Eindeutigkeit in (16d) hinzu, da die effizierten bzw. die konsumierten Objekte dem Ereignis nur einmal unterworfen werden können. Diese strengere Relation wird als pat* gekennzeichnet. (16a) Objekt-Eindeutigkeit: pat(e, x) ∧ pat(e, x') → x = x' (16b) Ereignis-Abbildbarkeit: pat(e, x) ∧ x' ⊑ x → ∃e'[e' ⊑ e ∧ pat(e', x')] (16c) Objekt-Abbildbarkeit: pat(e, x) ∧ e' ⊑ e → ∃x'[x' ⊑ x ∧ pat(e', x')] (16d) Ereignis-Eindeutigkeit: pat*(e, x) ∧ pat*(e', x) → e = e' (vgl. Krifka 1989a, S.-161 f., 207, 1992, S.-39) Verben, die ein sukzessives Patiens haben, drücken eine strukturerhaltende (homomorphe) Abbildung aus der Domäne der Objekte in die Domäne der Ereignisse aus. Homomorphismus ist nach Krifka eine inhärente Eigenschaft der Prädikate, die eine stückweise Bewältigung ihres Thema-Arguments bezeichnen. Die Relation zwischen einem solchen Prädikat und dem Referenten des direkten Objekts sei immer inkrementelles Thema, unabhängig davon, ob das direkte Objekt gequantelt ist (ein Glas Wasser trinken) oder nicht (Wasser trinken). Die Telizität bzw. die Atelizität des Gesamtausdrucks ergibt sich aus der Kombination eines homomorphen Prädikats mit dem Referenten des direkten Objekts. Da homomorphe Prädikate die Übertragung der Referenzweise ermöglichen, hat die Beschaffenheit des direkten Objekts eine direkte Auswirkung auf die Zeitkonstitution des Gesamtausdrucks. Bei einem gequantelten inkrementellen Thema wird das Gesamtereignis telisch interpretiert (in zwei Minuten/ ? zwei Stunden lang ein Glas Wein trinken), bei einem nicht-gequantelten hingegen atelisch ( ? in zwei Minuten/ zwei Stunden lang Wein trinken). Partitive Denotation von „an“-Phrasen Für die an-Phrase nimmt Filip (1999) eine partitive Denotation an (vgl. das Zitat oben). Die nicht-abgeschlossene Interpretation des Gesamtausdrucks ergibt sich daraus, dass ein homomorphes Prädikat mit einer partitiven an-Phrase kombiniert wird. Dem Prädikat steht nur ein Teil des Objekts zur Verfügung, den es bei der Abbildung auf die Ereignisdomäne entsprechend auf einen Teil des Ereignisses übertragen kann und nicht auf das gesamte Ereignis. Das führt notwendigerweise zu der nicht-abgeschlossenen bzw. partitiven Interpretation der Gesamtsituation. Eine Analyse, die inkrementelle Prädikate als homomorphe Funktionen und an-Phrasen als partielle Objekte versteht, erfasst nicht nur die nicht-abgeschlossene Interpretation der an-Konstruktion, sondern bietet auch eine Erklärung dafür, warum die Verben in (12)-(14) die präpositionale an- <?page no="26"?> Aspektuelle Ableitungsanalysen 26 Konstruktion ausschließen: Nicht-homomorphe Prädikate sind mit einer partitiven an-Phrase inkompatibel. 10 Ableitungsverhältnis Aus diesen Überlegungen ergibt sich, wie die Relation zwischen der transitiven Verbverwendung und der an-Konstruktion beschaffen sein muss. Filip (1999) nimmt an, dass die an-Konstruktion eine abgeleitete argumentstrukturelle Konfiguration ist und dass es sich bei den partitiven an-Phrasen um alternative syntaktische Realisierungen des verbalen Thema-Arguments handelt, das normalerweise als Akkusativobjekt realisiert ist. Filip (1999) erfasst diese Alternation durch die lexikalische Regel in (17), die die Zulässigkeit der an-Konstruktion im Deutschen steuert. Diese Ableitungsregel kann aus einem transitiven Verb die präpositionale Verbvariante generieren, wenn das Verb eine passende, inkrementelle Semantik hat. Wichtig ist dabei, dass Filip von der gleichen semantischen Rolle ausgeht, die das Akkusativobjekt und die an-Phrase erfüllen. In den beiden Strukturen handelt es sich nach (17) um inkrementelle Themen. Das Verhältnis zwischen dem Prädikat und dem zweiten Argument, sei es als Akkusativobjekt oder als an-Phrase realisiert, bleibt nach Filip (1999) in den beiden Verbverwendungen konstant. Diese Position wird auch von Engelberg (2007, S.- 18) vertreten. Auch er geht davon aus, dass die semantische Rolle des zweiten Verbarguments in der transitiven Struktur und in der an-Konstruktion dieselbe ist. Mit dieser Annahme geht einher, dass die semantischen Restriktionen hinsichtlich des Referenten des Akkusativobjekts bzw. der an-Phrase gleich sein müssten. (17) Lexikalische Ableitungsregel für partitive Prädikate im Deutschen: baute 1 ‚he/ she built‘ ⎡ SUBCAT <[1]nom, [2]acc> ⎤ ⎣ θ-ROLE <[1]agent, [2]i-theme> ⎦ ↓ baute 2 ‚he/ she built‘ oder ‚he/ she was building‘ ⎡ SUBCAT <[1]nom, [2]PP an+dat > ⎤ ⎣ θ-ROLE <[1]agent, [2]i-theme> ⎦ (nach Filip 1999, S.-277, (22)) Die Kernannahmen von Filip (1999) können aus der Perspektive der in Kapitel- 1 formulierten Forschungsfrage (II) semantische Modellierung betrachtet werden. Die drei Kernideen der Inkrementalität, der Partitivität und der Ableitung dienen in aspektuellen Ableitungsanalysen als Antworten auf Teilfragen (i) - (iii) . 10 Psych-Verben wie lieben, mögen können mit an-Phrasen auftreten, vgl. Allesandro liebte an Silvia ihre Klugheit. Filip (1999) nimmt an, dass es sich trotz der Stativität der Prädikate um partitive an-Phrasen handelt. Die an-Phrase erfüllt bei Psych-Verben jedoch eine andere Funktion und führt zusammen mit dem Akkusativobjekt einen Stimulus ein (Engelberg 2015a). <?page no="27"?> Probleme von aspektuellen Ableitungsanalysen 27 (i) Durch welche Generalisierung wird die Distribution der an-Konstruktion erfasst? Inkrementalität ist die zentrale semantische Kategorie, die die (Un-)Zulässigkeit der an-Konstruktion beim Verb vorhersagt. (ii) Welche Bedeutung hat die Präposition an in der atelischen an-Konstruktion? An-Phrasen haben eine partitive Denotation. (iii) Wie wird die Relation zwischen der transitiven Verbverwendung und der präpositionalen an-Konstruktion modelliert? Welchen Status haben atelische an- Phrasen? Atelische an-Phrasen sind Verbargumente. Die präpositionale an-Konstruktion ist eine von der transitiven Struktur abgeleitete Verwendung. Die semantische Rolle des Akkusativobjekts und der an-Phrase ist gleich. 2.2 Probleme von aspektuellen Ableitungsanalysen In den nächsten Abschnitten werde ich die drei Kernannahmen (Inkrementalität, Partitivität und Ableitung) auf den Prüfstand stellen und gegen sie argumentieren, denn bei eingehender Betrachtung werden sowohl theoretische als auch empirische Probleme sichtbar. Zudem werde ich die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Filip (1999) und Krifka (1989a, 1989b, 1992) aufzeigen. Beide Autor/ -innen argumentieren für die Inkrementalität als Hauptkriterium für die Zulässigkeit der an-Konstruktion, für das Ableitungsverhältnis zwischen den beiden Strukturen sowie für eine lexikalische Ableitungsregel. Es gibt jedoch zwei wichtige Unterschiede: Erstens geht Krifka nicht davon aus, dass an-Phrasen eine partitive Denotation haben. Zweitens nimmt Krifka im Gegensatz zu Filip an, dass es sich um unterschiedliche semantische Rollen in den beiden Strukturen handelt. Gegen Inkrementalität Fasst man die Inkrementalität als den zentralen Erklärungsfaktor für die Zulässigkeit der an-Konstruktion auf, muss sie eine hinreichende und eine notwendige Bedingung für die Zulässigkeit der an-Konstruktion sein. Zu erwarten ist also, dass alle inkrementellen Verben die atelische an-Konstruktion zulassen, während nicht-inkrementelle Verben sie ausschließen. Wie das Kontrastpaar der Verben essen und verzehren in (18) zeigt, ist die Inkrementalität keine hinreichende Bedingung. Beide Konsumverben sind inkrementell und sollten aus diesem Grund die atelische an-Konstruktion zulassen, allerdings ist nur das Verb essen in der an-Konstruktion möglich. (18) Mia {isst/ *verzehrt} an einem Apfel. Inkrementalität ist auch keine notwendige Bedingung für die Bildbarkeit der an-Konstruktion, denn auch nicht-inkrementelle Verben können mit atelischen an- <?page no="28"?> Aspektuelle Ableitungsanalysen 28 Phrasen verwendet werden. Ein Beispiel dafür ist das Verb proben, das keine inkrementelle Aufbereitung seines internen Arguments impliziert: Wenn man ein Theaterstück probt, werden einzelne Szenen wiederholt geübt, und zwar nicht unbedingt in der durch die Handlung vorgegebenen Reihenfolge. Wie der Korpusbeleg in (19) illustriert, lässt das Verb proben die an-Konstruktion zu. (19) An diesem beliebten Werk proben die Musiker bereits geraume Zeit. (Rhein-Zeitung, 6.11.1996) Ein weiteres Argument dafür, dass Inkrementalität keine notwendige Bedingung für die Zulässigkeit der an-Konstruktion ist, stellt die gesamte Klasse der iterativen manner-Verben wie knabbern, nippen oder lutschen dar. Diese Verben haben eine starke manner-Komponente in ihrer Bedeutung. Das Verb knabbern in (20a) impliziert beispielsweise, dass der Subjektreferent mit seinem Mund bzw. Zähnen Kontakt zu der Möhre hat. Im Unterschied zu den Prädikaten in (15), die eine homomorphe Abbildung aus der Domäne der Objekte auf die Domäne der Ereignisse bezeichnen, sind solche Verben wie knabbern oder nippen keine inhärent inkrementellen Prädikate, lassen aber die an-Konstruktion zu. 11 Die in Kapitel-4 vorgestellten Korpusdaten werden zudem zeigen, dass iterative manner-Verben in der atelischen an-Konstruktion quantitativ prominenter sind als inkrementelle Prädikate wie essen, schreiben oder bauen, denen in einschlägigen Arbeiten eine zentrale Rolle zugeschrieben wird. Die transitive Verwendung von knabbern und nippen ist durch die Korpusbelege in (21) illustriert. (20a) Das Kind knabbert {an einer Möhre/ eine Möhre}. (20b) Paul nippt {an seinem Espresso/ seinen Espresso}. (21a) Der Anwalt […] steht im Kongresszentrum neben einer riesigen Glaswand und knabbert einen Keks. (Süddeutsche Zeitung, 28.6.2007) (21b) Sarah in ihrem enganliegenden knöchellangen Leinenrock schaute einem Schwarm Bienenfresser nach und nippte versonnen ihren Mangosaft […]. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.7.2001) 11 Einzelne Konsumverben unterscheiden sich im Hinblick darauf, in welcher Struktur sie auf eine inkrementelle Interpretation und auf die Verzehr-Lesart festgelegt sind, vgl. eine Möhre / an einer Möhre / #an einer Käfigstange / #eine Käfigstange essen vs. eine Möhre / an einer Möhre / an einer Käfigstange / #eine Käfigstange knabbern vs. eine Möhre / an einer Möhre / an einer Käfigstange / eine Käfigstange lecken. Auf diese Bedeutungsunterschiede gehe ich in Abschnitt- 5.2.3 genauer ein. Wichtig ist an dieser Stelle die Feststellung, dass Verben wie nippen oder knabbern keine prototypischen inkrementellen Prädikate sind, sondern als iterative manner-Verben anzusehen sind, die Kontakt implizieren und eine starke manner-Komponente in ihrer Bedeutung haben. <?page no="29"?> Probleme von aspektuellen Ableitungsanalysen 29 Filip (1999) argumentiert für die zentrale Rolle der Inkrementalität anhand der folgenden Überlegung, die an der Semantik-Pragmatik-Schnittstelle angesiedelt ist: Sofern sich ein passender Kontext konstruieren lässt, in welchem der vom Verb bezeichnete Vorgang als inkrementell verstanden werden kann, ist die an-Konstruktion zulässig. Ein Beispiel für den Einfluss von Weltwissen auf die möglichen Ereignisabläufe stellt das Verb waschen in (22) dar, bei dem nach Filip je nach Kontext die Akzeptabilität der an-Konstruktion variiert. (22) (*) an einem Hemd waschen (Filip 1999, S.-274, (19b)) Das Verb waschen ist nach Filip dann in der an-Konstruktion akzeptabel, wenn der Waschvorgang als ein inkrementeller Prozess mit einzelnen Schritten konzeptualisiert wird. Zum Beispiel dann, wenn man das Hemd nicht in der Waschmaschine, sondern mit der Hand wäscht, und das dreckige Hemd sukzessive sauber wird. Filip argumentiert, dass eine Maschinenwäsche von den Sprechern nicht als ein inkrementeller Vorgang konzeptualisiert wird: Man legt die Wäsche in die Waschmaschine und drückt auf den Startknopf. Die Akzeptabilität der an-Konstruktion hängt also davon ab, ob der passende, inkrementelle Kontext konstruiert werden kann. Dagegen gibt es zweierlei einzuwenden. Erstens ist es nicht ganz klar, ob sich ein maschineller Waschvorgang im Hinblick auf die Inkrementalität grundsätzlich vom manuellen Waschen unterscheidet. Handwäsche und Maschinenwäsche sind gleichermaßen sukzessive Prozesse, denn bei beiden wird die Wäsche nach und nach sauber. Zweitens kann man nicht pauschal beobachten, dass die Konstruierbarkeit eines inkrementellen Kontextes die an-Konstruktion für jedes Verb zugänglich machen würde. In den (b)-Sätzen in (23)-(24) ist ein solcher inkrementeller Kontext für die Verben zerschneiden und spalten hergestellt: Es bedarf einer gewissen Dauer, um eine große Bettdecke zu zerschneiden bzw. eine Partei zu spalten. Trotz der kontextuell konstruierten Inkrementalität sind diese Sätze inakzeptabel. Es scheinen folglich genuin lexikalische Einschränkungen zu existieren, die durch den inkrementellen Kontext bei diesen Verben nicht überschreibbar sind. 12 (23a) Paul hat {den Faden/ *an dem Faden} mit einer Bewegung zerschnitten. (23b) Paul hat {die Bettdecke/ *an der Bettdecke} zerschnitten. 12 Engelberg (1999) nimmt an, dass die Unzulässigkeit der an-Konstruktion bei spalten an seiner Punktualität liegt. Punktuelle Prädikate lassen Engelberg zufolge keine Reflexivierung zu, vgl. *der Zweig bricht sich (punktuell) vs. der Zweig biegt sich (nicht punktuell) (Engelberg 1999, (14)-(15)). Das Verb spalten erlaubt die Reflexivierung, vgl. (i), und ist folglich kein punktuelles Prädikat. (i) Haiders Partei spaltet sich. Fünf Abgeordnete verlassen die FPÖ-Fraktion. (taz, 5.2.1993) <?page no="30"?> Aspektuelle Ableitungsanalysen 30 (24a) Paul hat {den Klotz/ *an dem Klotz} mit einem Schlag gespalten. (24b) Paul hat {die Partei/ *an der Partei} gespalten. Ich komme in Abschnitt-2.4 darauf zurück, welche Faktoren die Zulässigkeit der an- Konstruktion bei den Verben knabbern, proben bzw. ihre Unzulässigkeit bei den Verben spalten, verzehren und zerschneiden steuern. Wichtig ist an dieser Stelle die Feststellung, dass die Inkrementalität weder eine hinreichende noch eine notwendige Bedingung für die Bildbarkeit der an-Konstruktion ist. Gegen partitive Denotation von „an“-Phrasen Wenn die an-Phrase einen Teil des Referenten des Akkusativobjekts bezeichnen soll, müsste an als partitive Funktion bzw. als partitiver Operator aus der Domäne der Individuen in die Domäne der Individuen modelliert werden. Als Input würde an eine Entität vom Typ ⟨e⟩ erwarten,-als Output eine Entität vom gleichen Typ ⟨e⟩ liefern, nur dass es einen Teil des Inputobjekts bezeichnen würde. Ein Beispiel: Wenn die Nominalphrase mein Apfel vom Typ ⟨e⟩ ist und einen Apfel bezeichnet, hätte die an-Phrase an meinem Apfel (ebenfalls vom Typ ⟨e⟩) die Bedeutung ‚ein Teil meines Apfels‘. Die Analyse von an als partitivem Operator ist allerdings aus zwei Gründen problematisch. Erstens ist es ungewöhnlich, für eine Präposition eine solche Bedeutung anzunehmen: Bedeutungshaltige Präpositionen werden in der Regel als zweistellige Relationen modelliert (vgl. die Diskussion in Abschn.-3.2). Zweitens setzt diese Annahme voraus, dass die partitive Funktion der Präposition an einen systematischen Charakter hat. Zu erwarten ist folglich, dass an-Phrasen Teile der Objekte außerhalb der an-Konstruktion auch bei anderen sprachlichen Phänomenen denotieren können. Um zu überprüfen, ob an-Phrasen eine unabhängige partitive Denotation haben, können sie unter eine andere Präposition eingebettet werden. Wie die Beispiele in (25) illustrieren, können Präpositionalphrasen im Deutschen grundsätzlich als Argumente von anderen Präpositionalphrasen auftreten (Breindl 1989, S.-942). Wenn die an-Phrasen eine partitive Denotation hätten und folglich Objektteile bezeichnen würden, müsste man sie in einem passenden Kontext unter eine Präposition einbetten können. Wie das Kontrastpaar in (26) jedoch zeigt, ist das nicht der Fall. 13 (25a) Der Stand [ PP von [ PP vor einem Monat]] ist noch aktuell. (25b) Paul hat die Feier [ PP bis [ PP ins letzte Detail]] geplant. (25c) Das Kind meldete sich [ PP von [ PP unter dem Tisch]]. (26) - Der Floh hüpft … (26a) - … [ PP von [ NP einem Teil des Kuchens]] zum nächsten. (26b) * … [ PP von [ PP an einem Kuchen]] zum nächsten. 13 Für diese Überlegung und das Beispiel (26) danke ich Sebastian Bücking. <?page no="31"?> Probleme von aspektuellen Ableitungsanalysen 31 Gegen das Ableitungsverhältnis Die Ableitungsanalyse von Filip (1999) hat zwei Bestandteile: Erstens handelt es sich nach Filip bei der an-Konstruktion um eine abgeleitete Struktur, für deren Bildung eine lexikalische Regel zuständig ist. Zweitens ist die semantische Relation gleich, die zwischen dem Prädikat und dem Referenten des Akkusativobjekts bzw. der an-Phrase besteht. Beide Annahmen halten den empirischen Befunden nicht stand. Die erste Annahme, dass es sich bei der an-Phrase um eine alternative syntaktische Realisierung des verbalen Thema-Arguments handelt, wird auch von anderen Autor/ -innen vertreten (Krifka 1989a, 1989b, 1992; Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997, S.-2188; Engelberg 2000, S.-75; Ágel 2017, S.-492). Generell ist die Behandlung von ähnlichen Phänomenen, die transitive Verben und ihre präpositionalen Varianten involvieren, als Alternation in der Argumentstruktur eines Verbs nicht unüblich (Levin 1993). Es gibt allerdings mehrere Indizien gegen das Ableitungsverhältnis zwischen der an-Konstruktion und der transitiven Verbverwendung. Eine zentrale Beobachtung besteht darin, dass es zu einem an-Satz nicht immer eine transitive Entsprechung gibt. Eine Ableitungsanalyse würde jedoch vorhersagen, dass jeder an-Satz eine zugrundeliegende transitive Struktur hat und in einen transitiven Satz überführbar ist. Für die Verwendungen von basteln mit den eventiven Nomen wie Aufstieg oder Rückkehr, die durch Korpusbelege in (27) illustriert sind, gibt es keine zugrundeliegende transitive Struktur, wie die Minimalpaare in (28) zeigen. (27a) Wittmar bastelt in kleinen Schritten am Aufstieg. (Braunschweiger Zeitung, 14.10.2005) (27b) Wladimir Putin bastelt möglicherweise bereits jetzt an seiner Rückkehr in den Kreml. (Rhein-Zeitung, 7.11.2008) (28a) Das Team bastelt {am Aufstieg/ *den Aufstieg}. (28b) Der Ex-Präsident bastelt {an seiner Rückkehr/ *seine Rückkehr}. Ein weiteres Indiz gegen das Ableitungsverhältnis zwischen der transitiven Verbverwendung und der an-Konstruktion stellt die Möglichkeit der satzwertigen Realisierung dar. Ein satzwertiges Komplement, das eine Proposition kodiert, kann nur wie in (29a) an das Pronominaladverb daran angeschlossen werden, ein Akkusativobjektsatz wie in (29b) ist dagegen nicht möglich. (29a) - Wir basteln daran, dass es nicht so weit kommt. - (Berliner Zeitung, 28.9.2005) (29b) *Wir basteln, dass es nicht so weit kommt. <?page no="32"?> Aspektuelle Ableitungsanalysen 32 Problematisch für die Ableitungsanalyse sind zudem die nicht-alternierenden Verben, die in der transitiven Variante nicht existieren. Eine ganze Reihe von Verben ist von einer Ableitungsregel nicht erfasst, wie z. B. arbeiten, feilen, forschen, knobeln, laborieren, puzzeln und tüfteln. Nicht-alternierende Verben müssen allerdings bei der Analyse der an-Konstruktion beachtet werden, da sie den alternierenden transitiven Verben semantisch sehr ähnlich sind, wenn diese in der an-Konstruktion auftreten. Die Verben arbeiten oder tüfteln können beim passenden Kontext als Hyperonyme die alternierenden Kreationsverben wie schreiben, bauen oder basteln in der an-Konstruktion ersetzen, vgl. (30). (30a) Paul {arbeitet/ schreibt} an seinem neuen Buch. (30b) Paul {tüftelt/ bastelt} an einem neuen System. Der zweite Teil der Ableitungsanalyse von Filip (1999) besteht in der Annahme, dass es sich um dieselbe semantische Relation zwischen dem verbalen Ereignis und dem Referenten des direkten Objekts bzw. dem Referenten des internen Arguments der an-Phrase handelt. In beiden Fällen geht es um inkrementelle Themen, vgl. die lexikalische Ableitungsregel von Filip in (17). Allerdings sprechen die oben genannten Befunde dagegen: Wie die Kontrastpaare in (28) zeigen, sind die Selektionsrestriktionen in den beiden Argumentstrukturen unterschiedlich. Folglich muss man von unterschiedlichen semantischen Relationen ausgehen, die die Referenten des Akkusativobjekts bzw. der an-Phrase in das Ereignis einbinden. Genau diesen Weg geht Krifka (1989a, 1989b, 1992), der im Gegensatz zu Filip von unterschiedlichen semantischen Rollen ausgeht. Krifka nimmt einen partitiven Bedeutungsunterschied zwischen der an-Konstruktion und der transitiven Verbverwendung an: Mit der an-Konstruktion wird ausgedrückt, dass nicht der gesamte Referent des Akkusativobjekts, sondern nur ein Teil davon vom verbalen Ereignis betroffen ist. Der partitive Zusammenhang zwischen der transitiven und der präpositionalen Verbverwendung wird durch eine lexikalische Regel erfasst, die aus einem transitiven Verb mit einem Agens-Argument und einem sukzessiven Patiens wie in (31a) sein präpositionales Pendant mit einer an- Phrase als Präpositionalobjekt wie in (31b) generiert (vgl. Krifka 1989a, S.- 249 für eine ausführlichere formale Darstellung der Ableitungsregel). Der Referent der an- Phrase steht dabei in einer anderen semantischen Relation zum Verb als das direkte Objekt. Er wird durch die Relation des partiellen sukzessiven Patiens (part-pat) in das Ereignis eingebunden, die systematisch mit der Patiens-Rolle (pat) der transitiven Verbvariante zusammenhängt, vgl. das Postulat in (31c). 14 (31a) essen S/ NP[nom, ag], NP[akk, pat] (31b) essen S/ NP[nom, ag], NP[an-obj, part-pat] 14 Krifka (1989a, S.- 249) nimmt einen allgemeinen partitiven Operator an, der auf semantische Rollen angewendet wird, vgl. PART*-=-λRλeλx∃x' [R(e, x') ∧ x' ⊑ x]. <?page no="33"?> Semantische Zusatzbeschränkungen 33 (31c) ∀e,x [part-pat (e, x) ↔ ∃x'[pat(e, x') ∧ x' ⊑ x]] (nach Krifka 1992, S.-47, (24)) Die semantischen Repräsentationen des Minimalpaars ein Glas Wein trinken vs. an einem Glas Wein trinken sind in (32)-(33) dargestellt. (32) ⟦ein Glas Wein trinken⟧ =-λe∃x [trinken'(e) ∧ 1-Glas-Wein'(x) ∧ pat(e, x)] (33) ⟦an einem Glas Wein trinken⟧ =-λe∃x [trinken'(e) ∧ 1-Glas-Wein'(x) ∧ part-pat(e, x)] =-λe∃x,x' [trinken'(e) ∧ 1-Glas-Wein'(x) ∧ x' ⊑ x ∧ pat(e, x')] (nach Krifka 1989a, S.-182, (158)) Durch das Postulat in (31c) wird ein zweiter Referent x' in die semantische Repräsentation eingeführt, der in einer Teil-von-Relation zu x steht. Der eigentliche Referent des Nomens in der an-Phrase x und dessen Teil x' sind zwei unterschiedliche Entitäten, wobei nur das Teilobjekt x' inkrementelles Thema ist. Es besteht also keine direkte semantische Relation zwischen dem Referenten der an-Phrase und dem verbalen Ereignis, x wird in das verbale Ereignis vermittelt über x' eingebunden. Diese Grundidee der Analyse von Krifka, dass an-Phrasen über eine vermittelte semantische Relation in die Ereignisstruktur eingebunden werden, spielt eine wichtige Rolle in meiner Analyse, die ich in Kapitel-5 vorstelle. 2.3 Semantische Zusatzbeschränkungen Sowohl Filip (1999) als auch Engelberg (2000) nehmen Zusatzbeschränkungen an, die über die aspektuelle Ableitungsanalyse an sich hinausgehen. Sie sind notwendig, um die Komplexität der Daten zu erfassen und zugleich die Kernannahmen ihrer Analysen aufrechtzuerhalten. Insgesamt wurden die folgenden Zusatzbeschränkungen aufgestellt: 15 (i) Telizität: Das Prädikat muss telisch sein. (ii) Permanente Veränderung des Objekts: Solche Verben eignen sich besonders gut für die an-Konstruktion, bei denen der Objektreferent nur einmal der verbalen Handlung unterworfen wird. 16 15 Die Zusatzbeschränkungen (i)-(iv) stammen aus Filip (1999), die sie zusätzlich zu der Kernbedingung der Inkrementalität annimmt: „[The] […] core constraint […] involves the notion of ‚partitivity‘ and the ‚object-event‘ mappings.“ (Filip 1999, S.- 270). Zu (v) finden sich Angaben in Filip (1999) und in Engelberg (2000). 16 Es sind solche Prädikate, die die pat*-Relation zu ihrem zweiten Argument instanziieren, vgl. (16). Es geht also um die Ereignis-Eindeutigkeit. <?page no="34"?> Aspektuelle Ableitungsanalysen 34 (iii) Veränderung räumlicher Eigenschaften (eng. spatial extent): Die räumliche Ausdehnung des Objektreferenten verändert sich mit dem Ereignisverlauf. (iv) Agentivität: Das Subjekt des an-Satzes muss Agens sein. (v) Rolle des Akkusativobjekts: Das Akkusativobjekt muss Verbargument sein und die Rolle eines effizierten Objekts erfüllen. Wie sich in den nächsten Abschnitten zeigen wird, haben die Zusatzbeschränkungen deskriptiven Charakter und wirken stipuliert. Außerdem bleibt offen, in welchem Zusammenhang sie mit der eigentlichen Analyse stehen, die auf aspektuellen Eigenschaften der Prädikate basiert: Müssen die Zusatzbeschränkungen etwa in der Ableitungsregel aufgelistet werden oder lassen sie sich aus unabhängigen Gründen herleiten? Unklar bleibt auch, welchen Status sie haben, ob sie semantischer oder pragmatischer Natur sind. Ich gehe sie trotzdem im Einzelnen durch, denn eine Erklärung für die beobachteten Eigentümlichkeiten muss gefunden werden und bringt zudem neue Erkenntnisse. (i) Telizität Die Telizitätsbedingung setzt eine telische Interpretation der Verbalphrase voraus: Nur gequantelte Nominalphrasen seien als internes Argument von an möglich. Bloße Massennomen wie Wein sowie Pluralnomen wie Jacken in (34), die kumulativ referieren und zu einer atelischen Interpretation des Gesamtausdrucks führen, seien in der an-Konstruktion ausgeschlossen. (34a) Ich trank {Wein/ *an Wein}. (34b) Paula strickte { Jacken/ *an Jacken}. (Filip 1999, S.-272, (12)-(13)) Filip kommentiert diese Beschränkung wie folgt: The partitive an-construction makes an assertion about a proper part of a quantized object (singular or plural), and given the ‚object-event‘ mappings, it makes an assertion about a proper part of a quantized (or telic) event to which the object is subjected. (Filip 1999, S.-273) Es ist dennoch unklar, warum es die Einschränkung auf gequantelte Nominalphrasen geben muss. Möglicherweise hat das pragmatische Gründe und hängt damit zusammen, wie ein echter Teil von (nicht-)gequantelten Ausdrücken bezeichnet werden kann. Für nicht-gequantelte Ausdrücke gilt: Wenn auf eine Entität x ein kumulativ referierender Ausdruck wie Wein oder Jacken angewendet werden kann, dann kann dieser Ausdruck auch auf echte Teile von x angewendet werden, ein Teil von Wein ist auch Wein. Für die gequantelt referierenden Ausdrücke wie ein Glas Wein oder eine Jacke gilt dieser Schluss nicht: Ein echter Teil einer Jacke kann nicht als eine Jacke bezeichnet werden (Krifka 1989b, S.-228). Da nun die Funktion der an- Konstruktion nach Filip darin besteht, auf einen Teil des Objekts zuzugreifen, geschieht dies vermutlich einfacher bei gequantelten nominalen Ausdrücken, bei de- <?page no="35"?> Semantische Zusatzbeschränkungen 35 nen ein Objektteil nicht wie das gesamte Objekt bezeichnet werden kann. Wie die Beispiele in (35) jedoch zeigen, sind sowohl artikellose Individualnomen im Plural als auch Massennomen in der an-Konstruktion möglich. Die These, dass die an- Konstruktion nur bei gequantelten Nominalphrasen möglich sei, ist folglich als Tendenz aufzufassen. 17 (35a) Manchmal holen sie sich auch Küken oder Eier aus den Nestern von Vögeln oder knabbern an Blüten und Blättern. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.9.2001) (35b) Schöne Tomaten und robuste Reben: In der Forschungsanstalt Geisenheim im Rheingau basteln Wissenschaftler im Auftrag des Bundes und der Länder an Wein, Obst und Gemüse der Zukunft. (Frankfurter Rundschau, 6.10.1999) (35c) Auch andere stricken an Legenden. (Der Tagesspiegel, 9.1.2002) (35d) Gemeinsam an Partnerschaft und Kirche gebaut. (Rhein-Zeitung, 11.9.1999) Die Beispiele in (35) sind noch aus einem anderen Grund interessant, denn sie weisen eine Interpretation auf, die durch eine partitive Theorie nicht direkt erfasst werden kann. So wird beispielsweise mit dem Satz in (35b) nicht ausgedrückt, dass die Wissenschaftler einen Teil des neuen Weins bzw. einer neuen Weinsorte „gebastelt“ oder hergestellt haben, sondern dass sie gerade dabei sind, die existierenden Wein-, Obst- und Gemüsesorten zu verbessern. (ii) Ereignis-Eindeutigkeit Die Bedingung der Ereignis-Eindeutigkeit besagt, dass die besten Kandidaten für die an-Konstruktion Kreations- und Konsumverben wie stricken oder trinken in (36) sein sollten, da sie ereignis-eindeutig sind und permanente Veränderungen bezeichnen. Das Objekt von solchen Verben kann nur einmal der vom Verb bezeichneten Handlung unterworfen werden: Man kann nicht ein Glas Wein zweimal trinken oder ein und dieselbe Jacke zweimal stricken. Die Unzulässigkeit der Verben spielen oder kopieren in der an-Konstruktion in (37) liege daran, dass sie nicht ereignis-eindeutig sind, weil sie Handlungen bezeichnen, die mehrere Male an einem Objekt ausgeführt werden können, ohne es zu verändern. (36a) Ich trank an einem Glas Wein. (36b) Paula strickte an einer Jacke. (Filip 1999, S.-273, (15)) 17 Es ist auffallend, dass die Verben in (35b)-(35d) eine übertragene Bedeutung haben. Möglicherweise sind artikellose Individualnomen und Massennomen eher mit der nichtwörtlichen Verblesart kompatibel. Der Einfluss der Definitheit und der mögliche Zusammenhang mit der nicht-wörtlichen Verbinterpretation müssten in Folgestudien untersucht werden. <?page no="36"?> Aspektuelle Ableitungsanalysen 36 (37a) *Berta spielte an einer Sonate. (37b) *Ich kopierte an einem Aufsatz. - (Filip 1999, S.-273 f., (16)) Bei dieser Zusatzbeschränkung stellt sich die Frage, aus welchem Grund Kreations- und Konsumverben die besseren Kandidaten für die an-Konstruktion sein sollen. Die Korpusbeispiele in (38) zeigen außerdem, dass die Ereignis-Eindeutigkeit keine strikte Bedingung sein kann: Man kann sowohl ein und dasselbe Puzzle mehrmals bauen oder ein und dasselbe Spiel mehrere Male spielen. (38a) Denn wenn Eltern schon einige Tage mit dem Kind zu Hause sind und es fröhlich an seinem Puzzle baut, liegt der Gedanke nahe, dass es doch in den Kindergarten hätte gehen können. (Die Presse, 13.3.2016) (38b) Früher hat man viel länger an einem Spiel gespielt mitunter ein ganzes Quartal, heute kann man eines locker schon in ein Paar Tagen durchspielen (besonders Shooter). (DECOW 16) (iii) Veränderung räumlicher Eigenschaften Diese Zusatzbeschränkung besagt, dass die an-Konstruktion vor allem dann bildbar sei, wenn die räumlichen Eigenschaften des Objekts im Verlauf des Ereignisses verändert werden und wenn sich die Veränderung im konkret-räumlichen Bereich vollzieht. 18 Das Verb kochen in (39) hat die garen-Lesart und ist nach Filip in der an-Konstruktion inakzeptabel, da der Kochvorgang nicht die räumlichen Eigenschaften der Nudeln verändert, sondern ihre qualitativen Eigenschaften. Das Voranschreiten des Koch-Ereignisses ist an die Veränderung einer Qualität, nicht aber an die Veränderungen im Raum gebunden. Bei einem Ereignis wie einen Apfel essen sei es anders, da sich die konkret-räumlichen Eigenschaften des Apfels verändern, während der Apfel sukzessive verschwindet. (39) *Marco kochte an den Nudeln. - (Filip 1999, S.-274, (17)) Auch diese Überlegung wirft Fragen auf. Erstens ist es unklar, inwiefern das Verb kochen überhaupt die nach Filip zentrale Voraussetzung für die an-Konstruktion erfüllt, da es nicht inkrementell ist: Die transitive Verwendung von kochen mit einer definiten Nominalphrase wie die Nudeln kochen kann sowohl mit Zeitrahmenadver- 18 „[…] in the prototypical cases, partitive an-sentences denote events whose ‚objects‘ are gradually and permanently changed and also whose boundaries are determined by the extent of the referent of the Incremental Theme argument in the concrete physical domain (as it gradually comes into existence or dissapears).“ (Filip 1999, S.-274) <?page no="37"?> Semantische Zusatzbeschränkungen 37 bialen als auch mit Zeitdaueradverbialen kombiniert werden (Engelberg 2000, S.-76), vgl. drei Stunden lang erfolglos/ in zehn Minuten erfolgreich die Nudeln kochen. 19 Zweitens ist die an-Konstruktion keineswegs an die konkret-räumliche Domäne gebunden, wie die Beispiele in (35b)-(35d) zeigen. (iv) Agentivität Die Beschränkung der Agentivität besagt, dass die an-Sätze ein agentives Subjekt haben müssen. Instrumente wie in (40a) oder Verursacher-Subjekte wie in (40b) seien in der an-Konstruktion ausgeschlossen. Beim genauen Hinsehen zeigt sich allerdings, dass nicht-agentive Subjekte in der an-Konstruktion per se nicht ausgeschlossen sind, wie die Beispiele in (41) illustrieren. (40a) *Die elektrische Mühle mahlte an den Kaffeebohnen. (40b) *Die Sonne trocknete an der Wäsche. - (Filip 1999, S.-276, (21)) (41a) Der PC rechnet seit gestern an einem komplizierten Modell. (41b) Die Strickmaschine strickt an einem Pullover. Die Unzulässigkeit der an-Konstruktion in (40) muss folglich andere Gründe haben. Ein möglicher Grund könnte sein, dass die Verben mahlen und trocknen die an- Konstruktion ausschließen. Was mahlen betrifft, so ist dieses Verb in der an-Konstruktion prinzipiell möglich: In übertragener Verwendung wie in (42), die auch kein Agens-Subjekt hat, kann mahlen in der an-Konstruktion auftreten. Auch an dieser Stelle trifft man auf das Phänomen, dass die an-Konstruktion besonders mit einer metaphorischen Verbinterpretation kompatibel zu sein scheint. (42) Und am Teledienst-Datenschutzgesetz mahlen die Mühlen des Gesetzgebers schon seit Juli 1998. (Die ZEIT, 10.2.2000) Für das Verb trocknen gilt hingegen eine strikte Einschränkung, da es in keinem Kontext in der an-Konstruktion akzeptabel ist. Weder ein belebtes, agentives Subjekt noch die metaphorische Interpretation können die an-Konstruktion bei trocknen lizenzieren. Wie ich im nächsten Abschnitt-2.4 zeigen werde, ist es keine idiosynkratische Besonderheit des Verbs trocknen an sich. Die gesamte Klasse der deadjektivischen Verben wie trocknen, leeren usw. kann nicht in der atelischen an- 19 In der Lesart ‚eine Mahlzeit zubereiten‘ ist kochen in der an-Konstruktion möglich, vgl. (i). Hier handelt es sich nicht um eine skalare Veränderung von Objekteigenschaften (wie in der garen-Lesart), sondern um einen konventionellen und inkrementellen Prozess der Zubereitung einer bestimmten Speise. (i) Meine Freunde kochten am Abendessen. ( Filip 1999, S.- 275, ( 18 )) <?page no="38"?> Aspektuelle Ableitungsanalysen 38 Konstruktion verwendet werden. Die Unzulässigkeit der an-Konstruktion in (40) liegt also nicht an der fehlenden Agentivität des Subjekts. (v) Rolle des Akkusativobjekts Eine weitere Beschränkung bezieht sich auf die Rolle des Akkusativobjekts. Engelberg (2000) stellt fest, dass der Referent des internen Arguments der an-Phrase unmittelbar vom Ereignis betroffen sein und einer Veränderung unterliegen muss. Das Beispielpaar (43) zeigt, dass das Objekt von malen zwei unterschiedliche Rollen erfüllen kann. Es kann den kreierten Gegenstand bezeichnen, Bild in (43a), oder den Gegenstand, dessen Abbildung man auf dem Papier festhält, Opa in (43b). Die an-Konstruktion ist offenbar nur dann möglich, wenn es sich bei der an-Phrase um das effizierte Objekt handelt. (43a) Paul malt {ein Bild/ an einem Bild}. (43b) Paul malt {seinen Opa/ #an seinem Opa}. (Engelberg 2000, S.-76, Fn.-90) Man sieht auch an diesem Beispielpaar, dass die Inkrementalität keine entscheidende Rolle spielt, denn sowohl ein Bild malen als auch seinen Opa malen sind telische, inkrementelle Verbalphrasen. Trotzdem ist die an-Konstruktion nur in (43a) möglich. Engelberg (2000) bietet für diese Einschränkung keine Erklärung an. Ich komme auf dieses Beispielpaar in Abschnitt-5.2.3 zurück. Eine weitere Beschränkung bezüglich der Rolle des zweiten Verbarguments stellt Filip (1999) fest. Die an-Konstruktion ist nur dann möglich, wenn das Akkusativobjekt eine Argumentrolle des Verbs erfüllt, vgl. (44). (44a) - Gestern rannte Marco eine Meile. (44b) *Gestern rannte Marco an einer Meile. - (Filip 1999, S.-273, (14)) Filip (1999) erklärt allerdings nicht explizit, warum es diese Einschränkung gibt. Eine mögliche Erklärung im Rahmen ihres Ansatzes könnte sein, dass Bewegungsverben (wie eben rennen) aufgrund ihrer Intransitivität nicht als Input für die lexikalische Regel in (17) dienen können, da sie das zweite Argument nicht „mitbringen“. Im Ansatz von Engelberg (2007) müsste der Satz in (44) akzeptabel sein, da er zu der Bewältigungsthese passt: Das Fortschreiten des Lauf-Ereignisses lässt sich über den Grad der Bewältigung der Laufstrecke erschließen. 2.4 Optionale Zweistelligkeit als Grundlage der Reanalyse Engelberg (2000) stellt fest, dass es zwei starke, vermeintlich morphologische Einschränkungen für die Bildbarkeit der an-Konstruktion gibt: Partikelverben wie aufschreiben und Präfixverben wie verzehren sowie abgeleitete Kausativa (leeren oder das in (40) erwähnte trocknen) sind in der an-Konstruktion ausgeschlossen. <?page no="39"?> Optionale Zweistelligkeit als Grundlage der Reanalyse 39 Zu Partikel- und Präfixverben merkt Engelberg (2000, S.-76, Fn.-91) an, dass die an- Konstruktion auf nicht-präfigierte Verben beschränkt ist, vgl. (45). 20 (45) Partikelverben (aufschreiben, ausmalen, …) und Präfixverben (errichten, verzehren, …) (45a) Mia hat an einem neuen Gedicht {*aufgeschrieben/ geschrieben}. (45b) Mia hat an einem Apfel {*verzehrt/ gegessen}. Engelberg (1994a, S.- 31, Fn.- 27) spricht zwei Erklärungsansätze für die Unverträglichkeit der an-Konstruktion mit Partikel- und Präfixverben an, die sich bei eingehender Betrachtung jedoch als problematisch erweisen. Die erste Erklärungsoption bezieht sich auf das Sprachsystem des Deutschen: Unter der Prämisse, dass man Verbpräfixe und -partikeln als inkorporierte Präpositionen analysiert, hätte ein Präfixverb in der an-Konstruktion zwei Präpositionalobjekte (vgl. auch Welke 2011, S.-233), was im Deutschen vermutlich ausgeschlossen ist. Dagegen ist einzuwenden, dass sowohl Präfixals auch Partikelverben durchaus mit Präpositionalphrasen kombiniert werden können, z. B. (sich/ jemanden) für etwas begeistern, auf etwas aufbauen, von jemanden abhängen usw. Die zweite Erklärungsoption ergibt sich aus der Analyse von Verbpräfixen und -partikeln als Prädikate von Resultativkonstruktionen. Nach Engelberg würden Resultativkonstruktionen gequantelte Nominalphrasen fordern und keine Präpositionalphrasen zulassen. Die allgemeine Inkompatibilität von Resultativkonstruktionen mit Präpositionalphrasen würde folglich erklären, warum Partikel- und Präfixverben mit an-Phrasen inkompatibel sind. Allerdings können Präpositionalphrasen durchaus als Resultativprädikate in Resultativkonstruktionen auftreten (z. B. Mia hat sich in Rage geredet). Zudem haben nicht alle Partikel- und Präfixverben eine resultative Bedeutung, wie z. B. aufbereiten oder bearbeiten. Schließlich handelt es sich nicht um eine morphologische Einschränkung. Wie die Beispiele in (46) für das Präfixverb entwickeln zeigen, sind Präfixverben als Klasse in der an-Konstruktion nicht grundsätzlich ausgeschlossen. (46a) An den dünnen Keksen mit Erdnuss-Stückchen und Schokolade, die in Barsinghausen produziert werden, wurde mehr als zwei Jahre entwickelt. (Hannoversche Allgemeine Zeitung, 22.1.2010) (46b) Auch Nokia entwickelt an einem geheimen Tablet-Device. Die Jagd um das beste Tablet scheint also weiterzugehen … (DECOW 16) 20 Eine Ausnahme stellen die Verbzusätze (he)rum, weiter und mit dar, die in der an-Konstruktion möglich sind, vgl. an etwas weiter-/ mit-/ herumbasteln. Wie in Kapitel- 1 erwähnt, werden sie hier nicht untersucht. <?page no="40"?> Aspektuelle Ableitungsanalysen 40 Die zweite Einschränkung bezieht sich auf Kausativa, die von Nomen oder Adjektiven abgeleitet sind. Diese seien (aus nicht bekannten Gründen) in der an-Konstruktion ausgeschlossen, vgl. (47). (47) Abgeleitete Kausativa: trocknen, leeren, lösen, schmelzen, spalten, … (47a) Mia hat {ihre Socken/ *an ihren Socken} getrocknet. (47b) Mia hat {das Eis/ *an dem Eis} geschmolzen. (47c) Mia hat {die Flasche/ *an der Flasche} geleert. (vgl. Engelberg 2000, S.-76, Fn.-91) In diesem Zusammenhang ist die Beobachtung zentral, dass nicht nur abgeleitete Kausativa sondern alle manner-neutralen kausativen Verben die an-Konstruktion verbieten, wie das Beispiel (48) für das Verb tilgen zeigt. 21 (48) Mia hat {die Schulden/ *an den Schulden} getilgt. Optionale Zweistelligkeit als eine einheitliche Generalisierung Was könnte eine Erklärung dafür sein, dass viele Partikel- und Präfixverben sowie (abgeleitete und nicht-abgeleitete) Kausativa in der atelischen an-Konstruktion ausgeschlossen sind? Gibt es möglicherweise eine Gemeinsamkeit zwischen diesen Verbgruppen, die nicht auf morphologischen Beschränkungen basiert? Die Generalisierung, die ich vorschlagen möchte und die für die semantische Analyse der atelischen an-Phrasen eine entscheidende Rolle spielt, ist die folgende: Die an-Konstruktion ist nur bei solchen zweistelligen Verben möglich, die auch ohne ihr zweites Argument gebraucht werden können. Nur solche Prädikate lassen also die atelische an-Konstruktion zu, bei denen das zweite Argument optional ist und die einen einstelligen Gebrauch zulassen. Auf einen Zusammenhang zwischen der Weglassbarkeit des zweiten Verbarguments und der Zulässigkeit der atelischen an-Konstruktion hat bereits Welke (2005, S.-137) hingewiesen: „Weglassbarkeit und Ersetzbarkeit durch die an-PP scheinen teilweise zu korrespondieren.“ Semantisch zweistellige transitive Verben lassen sich in zwei Gruppen aufteilen. Verben wie in (49), die auch einstellig verwendbar sind, erlauben die atelische an- 21 Zur Modellierung von kausativen Verben vgl. Rapp (1997) und Wunderlich (1997). Wunderlich (1997) unterscheidet zwischen explizit kausativen Verben wie machen in (ia) und implizit kausativen Verben wie backen in (ib), für die zwei distinkte Dekompositionsstrukturen angenommen werden. Im Ansatz von Rapp (1997, S.-502) hingegen sind die Verben machen und backen als inkrementelle Kausativa zu analysieren. Der Unterschied zwischen den beiden Verben besteht in der manner-Neutralität von machen bzw. manner-Spezifität von backen. (ia) machen: cause(x, become(exist(y))) (ib) backen: backen'(x) ∧ become(exist(y)) (nach Wunderlich 1997, S.-58, (69a,-b)) <?page no="41"?> Optionale Zweistelligkeit als Grundlage der Reanalyse 41 Konstruktion. Dazu zählen die im Zusammenhang mit der an-Konstruktion oft erwähnten Kreations- und Konsumverben wie bauen, schreiben bzw. essen, trinken. Zweistellige Verben, bei denen das zweite Argument nicht weglassbar ist, lassen die an-Konstruktion nicht zu und folgen somit dem Muster in (50). Dazu gehören Partikel- und Präfixverben (aufschreiben, verzehren, errichten usw.) sowie abgeleitete und nicht-abgeleitete kausative Verben (konsumieren, kreieren, leeren, lösen, produzieren, schmelzen, spalten, tilgen, trocknen usw.). (49) Zweistellige Verben mit weglassbarem y-Argument: essen, malen, basteln, … Mia malt {ein Bild/ 0/ an einem Bild}. (50) Zweistellige Verben mit nicht-weglassbarem y-Argument: verzehren, lösen, tilgen, … Mia kreiert {ein Bild/ *0/ *an einem Bild}. Weitere Beispiele für semantisch ähnliche Prädikate sind in (51)-(54) aufgeführt. Die a-Sätze enthalten Verben, die dem in (49) illustrierten Muster folgen. Diese Verben sind einstellig verwendbar und lassen die atelische an-Konstruktion zu. Die b-Sätze hingegen illustrieren das Muster in (50). Verben, die ihr y-Argument obligatorisch realisieren, schließen die an-Konstruktion aus. (51a) Mia isst/ trinkt {eine Suppe/ 0/ an einer Suppe}. (51b) Mia konsumiert/ verzehrt {eine Suppe/ *0/ *an einer Suppe}. (52a) Mia baut/ bastelt {ein Haus/ 0/ an einem Haus}. (52b) Mia errichtet/ produziert {ein Haus/ *0/ *an einem Haus}. (53a) Mia schreibt {einen Text/ 0/ an einem Text}. (53b) Mia verfasst {einen Text/ *0/ *an einem Text}. (54a) Mia manipuliert {ein Schloss/ 0/ an einem Schloss}. (54b) Mia verändert {ein Schloss/ *0/ *an einem Schloss}. Wenn man nun die für aspektuelle Ableitungsanalysen zentralen Beispiele in (12)- (15) betrachtet und diese um die Information zu der einstelligen Verbverwendung in (12')-(15') ergänzt, so sieht man, dass die beobachteten Kontraste von der Generalisierung der optionalen Zweistelligkeit erfasst sind. Ein Verb muss einstellig verwendbar sein, um mit atelischen an-Phrasen kombiniert werden zu können. Die Verben in (12')-(14') lassen keinen einstelligen Gebrauch zu. Entsprechend sind sie mit einer atelischen an-Phrase inkompatibel. Kreations- und Konsumverben wie malen oder essen in (15') können hingegen einstellig gebraucht werden und erlauben die Verwendung in der atelischen an-Konstruktion. <?page no="42"?> Aspektuelle Ableitungsanalysen 42 (12') Stative Verben: besitzen, kennen, haben, … (12a') Mia besitzt {eine Katze/ *0/ *an einer Katze}. (12b') Mia kennt {einen guten Arzt/ *0/ *an einem guten Arzt}. (13') Achievements: gewinnen, sprengen, kneifen, … (13a') Die Arbeiter sprengen {die Brücke/ *0/ *an der Brücke}. (13b') Mia kneift {ihren Freund/ *0/ *an ihrem Freund}. (14') Activities: streicheln, quälen, hänseln, … (14a') Mia streichelt {ihre Katze/ *0/ *an ihrer Katze}. (14b') Mia quält {ihre Katze/ *0/ *an ihrer Katze}. (15') Accomplishments (optional zweistellig): basteln, bauen, schreiben, …; essen, trinken, … (15a') Mia malt {ein Bild/ 0/ an einem Bild}. (15b') Mia isst {einen Apfel/ 0/ an einem Apfel}. Aspektuelle Ableitungsanalysen erfassen die Unzulässigkeit der an-Konstruktion bei den Verben in (12')-(14') dadurch, dass nicht-inkrementelle Verben aufgrund ihrer Semantik nicht mit partitiven an-Phrasen kombiniert werden können. Eine Analyse, die der Inkrementalität eine zentrale Rolle zuschreibt, kann aber nicht erklären, warum die Verben kreieren bzw. verzehren in (55) in der atelischen an-Konstruktion unmöglich sind. Die Verben kreieren und verzehren sind inkrementell und sollten die an-Konstruktion zulassen, was offenbar nicht der Fall ist. 22 (55) Accomplishments (obligatorisch zweistellig): konsumieren, kreieren, lösen, verzehren, … (55a) Mia kreiert {ein Bild/ *0/ *an einem Bild}. (55b) Mia verzehrt {einen Apfel/ *0/ *an einem Apfel}. Die hier vorgeschlagene Analyse, die, wie wir später sehen werden, atelische an- Phrasen als Modifikatoren von einstelligen Verbvarianten behandelt, bietet hingegen eine einheitliche Erfassung für die Daten in (12')-(14') sowie für die Unzulässigkeit der an-Konstruktion in (55). Nur Verben, die einen einstelligen Gebrauch 22 Viele der hier als obligatorisch zweistellig bezeichneten Verben können unter bestimmten kontextuellen Voraussetzungen wie eine generisch-habituelle oder kontrastive Lesart einstellig gebraucht werden, vgl. Um wie viel Uhr wird im Steinbruch immer gesprengt? Habitualität und Kontrastivität stellen jedoch unabhängige kontextuelle Faktoren dar, die zwar eine einstellige Verbverwendung, aber nicht die an-Konstruktion lizenzieren. Zudem ermöglichen sie nicht bei jedem zweistelligen Verb die Argumentweglassung, vgl. * / ? Mia verzehrt gerne/ kann nicht verzehren. Sie werden hier nicht weiter diskutiert (vgl. Jacobs 1994a, S.-315-317). <?page no="43"?> Optionale Zweistelligkeit als Grundlage der Reanalyse 43 zulassen, sind in der atelischen an-Konstruktion möglich. Auch Verben wie in (56), die in der transitiven Verwendung unmöglich sind, aber die an-Konstruktion zulassen, sind von dieser Annahme erfasst. Diese Prädikate können einstellig verwendet werden und sind in der atelischen an-Konstruktion möglich. (56a) Mia arbeitet {*das Buch/ 0/ an ihrem Buch}. (56b) Mia tüftelt {*die Präsentation/ 0/ an der Präsentation}. Wirft man vor dem Hintergrund dieser Generalisierung einen Blick auf die bisher diskutierten Beispiele und Problemfälle, ergibt sich ein einheitliches Bild. Die oben diskutierten zweistelligen Verben verzehren in (18), zerschneiden und spalten in (23)-(24), die die an-Konstruktion nicht zulassen, fügen sich in das Muster (50). Bei diesen Verben ist das zweite Argument nicht optional und die an-Konstruktion ist nicht möglich. Die Generalisierung der optionalen Zweistelligkeit erfasst auch das Verb proben, das in der an-Konstruktion gebraucht werden kann, vgl. (19), denn es folgt dem Muster in (49). Die Generalisierung, die die Optionalität des zweiten Verbarguments in den Vordergrund rückt, ist robust und erfasst sowohl die Partikel- und Präfixverben als auch die (nicht-)abgeleiteten Kausativa. An die Stelle von mehreren scheinbar morphologischen Einschränkungen, die bisher postuliert wurden, tritt eine einheitliche Generalisierung. Die Tatsache, dass die Zulässigkeit der an-Konstruktion an die Optionalität des zweiten Verbarguments geknüpft ist, stellt eine besondere Herausforderung für die bisherigen Annahmen dar. Erstens sieht man erneut, dass die Inkrementalität nicht der entscheidende Faktor sein kann. Auch inkrementelle Verben lassen die an-Konstruktion nicht zu, wenn ihr zweites Argument obligatorisch ist. Zweitens ist es ein starkes Argument gegen die Alternationsanalyse selbst: Wenn es sich bei an-Phrasen um alternative syntaktische Realisierungen des direkten Objekts handeln soll, warum lassen die Verben mit obligatorischem zweiten Argument die an-Konstruktion nicht zu? Verben wie kreieren oder konsumieren entsprechen allen in Filip (1999) aufgestellten Kriterien und können dennoch in der atelischen an-Konstruktion nicht gebraucht werden. Nur die Verben mit weglassbarem zweiten Argument, wie etwa schreiben oder essen, treten in der an-Konstruktion auf. Diese Beobachtung, dass nur- einstellig verwendbare transitive Verben die atelische an-Konstruktion zulassen, ist ausschlaggebend für den Ansatz, die an-Phrasen als Modifikatoren zu analysieren. Atelische an-Phrasen verbinden sich mit einstelligen- - und nicht mit zweistelligen-- Verbvarianten. Es findet sich ein unabhängiger Befund, der die These der optionalen Zweistelligkeit stützt. Die herum-Verben sind mit einer an-Phrase, aber nicht mit einer Nominalphrase im Akkusativ kompatibel, vgl. das Kontrastpaar in (57). 23 23 Für diesen Hinweis danke ich Patrick Brandt. <?page no="44"?> Aspektuelle Ableitungsanalysen 44 (57a) Mia hat an einem Dinkelkeks {geknabbert/ herumgeknabbert}. (57b) Mia hat einen Dinkelkeks {geknabbert/ *herumgeknabbert}. Mit dem einstelligen Verbgebrauch geht einher, dass der Fokus der Gesamtaussage nicht auf das Resultat (wie bei der transitiven Verbverwendung), sondern auf die im Verb enthaltene Tätigkeit gelenkt wird (Maienborn 2017, S.- 162). 24, 25 Zweistellige Verben erhalten im einstelligen Gebrauch eine atelische Interpretation (vgl. z. B. Welke 2005, S.-103). Atelische an-Phrasen verbinden sich somit mit den einstelligen Verbvarianten, die nur ein thematisches Argument haben und deren referenzielles Argument ein Ereignis vom Typ activity ist. Da Modifikatoren den logischen Typ des modifizierten Ausdrucks nicht verändern und die an-Phrasen keinen Einfluss auf den verbalen Ereignistyp haben, ergibt sich die atelische Interpretation des Gesamtausdrucks automatisch. Diese grundlegende Annahme wird in Kapitel- 5 ausführlicher vorgestellt. Angemerkt sei, dass die Generalisierung der optionalen Zweistelligkeit eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Zulässigkeit der an-Konstruktion ist. Denn sie besagt, dass ein Verb einstellig verwendbar sein muss, um in der an-Konstruktion gebraucht zu werden. Sie besagt aber nicht, dass a l l e einstellig verwendbaren Verben die an-Konstruktion zulassen. In der aktuellen Formulierung ist die Annahme der optionalen Zweistelligkeit jedoch nicht einschränkend genug, da sie nicht erfassen kann, warum bestimmte einstellig verwendbare Verben wie tafeln, speisen bzw. rennen, laufen in (58) die an-Konstruktion ausschließen (vgl. auch das Beispiel (44)). (58a) Mia tafelt/ speist {*ein Steak/ 0 / *an einem Steak}. (58b) Mia rennt/ läuft {eine Meile/ 0 / *an einer Meile}. Eine weiterführende Forschungsfrage ist folglich, wie man die Generalisierung der optionalen Zweistelligkeit und die Analyse durch die Einschränkung auf bestimmte Prädikatsklassen präzisiert, damit die unzulässigen Verbverwendungen wie in (58) korrekt ausgeschlossen werden. Die Präzisierungsfrage bleibt jedoch der weiteren Forschung überlassen. 24 In einer Dekompositionsstruktur entspricht dies dem Fokus auf der do-Komponente. Ich folge Rapp (1997) und gehe davon aus, dass die do-Komponente bei solchen Verben fokussierbar ist, die eine manner-Komponente in ihrer Bedeutung aufweisen; dazu mehr in Kapitel-5. 25 Die Zulässigkeit der einstelligen Verwendung geht mit der Fokussierbarkeit der Tätigkeitskomponente in der Verbbedeutung einher, die auch in anderen Konfigurationen relevant ist. Solche Prädikate wie verzehren oder bemalen, die nicht einstellig verwendbar sind, lassen z. B. eine resultative, wie in (ia), und eine direktive Verwendung, wie in (ib), nicht zu. Zum Zusammenhang zwischen der Fokussierbarkeit der Tätigkeitskomponente und der Resultativkonstruktion vgl. z. B. Rapp (1997) und Wunderlich (1997), zu der Direktivkonstruktion vgl. Welke (2011, S.-218). (ia) Mia {isst/ *verzehrt} den Teller leer. (ib) Mia {malt/ *bemalt} ein Bild auf den Teppich. <?page no="45"?> Zwischenfazit zu aspektuellen Ableitungsanalysen 45 2.5 Zwischenfazit zu aspektuellen Ableitungsanalysen Dieses Kapitel diskutierte die Annahmen zur an-Konstruktion aus der einschlägigen Forschungsliteratur. Den zentralen Bezugspunkt stellten die Überlegungen von Filip (1989, 1999) und Engelberg (1994b, 2000, 2007) sowie der formale Analyseansatz von Krifka (1989a, 1989b, 1992) dar. Diese Ansätze wurden als aspektuelle Ableitungsanalysen bezeichnet, da sie den aspektuellen Unterschied zwischen der transitiven Verbverwendung und der an-Konstruktion in den Vordergrund rücken. Die an-Konstruktion wird als eine abgeleitete Struktur und die an-Phrase als eine alternative syntaktische Realisierung des Thema-Arguments des Verbs angesehen, das normalerweise als Akkusativobjekt realisiert wird. Es wurden drei Kernannahmen der aspektuellen Ableitungsanalysen ausführlicher vorgestellt: Inkrementalität als zentrale semantische Kategorie, die die Zulässigkeit der an-Konstruktion erfasst, partitive Denotation der an-Phrase und das Ableitungsverhältnis zwischen der transitiven und der präpositionalen Verbvariante. Bei eingehender Betrachtung dieser Annahmen wurden mehrere Probleme der aspektuellen Ableitungsanalysen sichtbar. Die Inkrementalität ist weder eine hinreichende noch eine notwendige Bedingung für die Bildbarkeit der an-Konstruktion. Man denke beispielsweise an die iterativen manner-Verben wie knabbern oder nippen, die trotz ihrer Nicht-Inkrementalität in der atelischen an-Konstruktion vorkommen. Die Analyse von an als partitivem Operator auf Nominalphrasen ist unplausibel, da sich keine unabhängigen Evidenzen für die partitive Denotation der an-Phrase finden. Auch die Annahme, dass die an-Konstruktion in einer Ableitungsrelation zu der transitiven Verbverwendung steht, hält den in diesem Kapitel diskutierten Befunden nicht stand. Ein deutlicher Indikator gegen das Ableitungsverhältnis ist die Nicht- Austauschbarkeit der an-Konstruktion mit der transitiven Verbverwendung, die bei eventiven Nomen in der an-Phrase beobachtet wurde, vgl. am Aufstieg/ *den Aufstieg basteln. Es gibt somit nicht zu jedem an-Satz eine zugrunde liegende transitive Verbverwendung, die als Input für eine Ableitungsregel dienen würde. Wenn kein Ableitungsverhältnis zwischen den beiden Argumentstrukturen besteht, so kann es sich bei den an-Phrasen nicht um eine alternative syntaktische Realisierung des zweiten Verbarguments handeln. Die Nicht-Austauschbarkeit der beiden Strukturen ist zudem ein Beleg dafür, dass es sich nicht um die gleiche semantische Relation zwischen dem vom Verb bezeichneten Ereignis und dem Referenten des Akkusativobjekts bzw. der an-Phrase handeln kann. Die Unterschiede in den Selektionsrestriktionen in den beiden Strukturen müssen, wie Krifka (1989a) annimmt, durch unterschiedliche semantische Relationen modelliert werden. Die hier verfolgte Modifikatoranalyse atelischer an-Phrasen geht notwendigerweise von unterschiedlichen semantischen Beiträgen aus, die das direkte Objekt und die an-Phrase leisten. Kapitel- 5 stellt die formale Modellierung der Modifikatoranalyse vor. In Kapitel- 4 werde ich aus korpuslinguistischer Per- <?page no="46"?> Aspektuelle Ableitungsanalysen 46 spektive zeigen, wie man die distributionellen und die interpretatorischen Unterschiede zwischen der transitiven Verbverwendung und der an-Konstruktion erfassen kann. An mehreren Stellen ist zudem ein interessantes Phänomen zutage getreten, das bisher keine Beachtung fand: Die an-Konstruktion scheint besonders mit metaphorischen Lesarten kompatibel zu sein, wie die übertragenen Verwendungen von stricken oder bauen in (35) illustrieren (an Legenden stricken, gemeinsam an Partnerschaft und Kirche bauen). Auch dieser Effekt wird in Kapitel-4 anhand von Korpusdaten genauer untersucht. Man sieht, dass der interpretatorische Unterschied zwischen der an-Konstruktion und der transitiven Verbverwendung nicht auf die Opposition telisch vs. atelisch reduziert werden kann. Nach genauer Betrachtung der Zusatzbeschränkungen, die von Engelberg (1994b, 2000, 2007) und Filip (1999) für die Erfassung der an-Konstruktion vorgeschlagen werden, wurde eine neue, einheitliche Generalisierung der optionalen Zweistelligkeit formuliert: Nur Verben, die einstellig gebraucht werden können, lassen die atelische an-Konstruktion zu. Diese Generalisierung ist nicht nur robust und empirisch adäquat, sondern auch ein starkes Argument gegen das Ableitungsverhältnis zwischen der transitiven Struktur und der an-Konstruktion. Insgesamt liefert dieses Kapitel die ersten Hinweise für die Plausibilität der Modifikatoranalyse von atelischen an-Phrasen. Die Diskussion der aspektuellen Ableitungsanalysen hat gezeigt, dass die an-Phrase nicht als eine alternative syntaktische Realisierung des zweiten Verbarguments betrachtet werden kann, das normalerweise als Akkusativobjekt realisiert wird. Die atelische an-Konstruktion ist folglich kein argumentstrukturelles Pendant zu der transitiven Verbverwendung, und die beiden Strukturen sind nicht als eine Argumentalternation zu betrachten. Abschließend wurde skizziert, wie die Generalisierung der optionalen Zweistelligkeit in die semantische Analyse integriert wird, die ich in Kapitel- 5 vorstelle: Die an-Phrase ist ein Modifikator und verbindet sich mit der einstelligen Verbvariante, die eine atelische Interpretation erhält. Die atelische Interpretation des Gesamtausdrucks ergibt sich aus der Kombination einer atelischen Verbvariante vom Typ activity mit einem Modifikator, der den Typ des modifizierten Ausdrucks nicht verändert. <?page no="47"?> Zwischenfazit zu aspektuellen Ableitungsanalysen 47 3. ARGUMENTE, MODIFIKATOREN UND ATELISCHE AN-PHRASEN Abstract Atelische an-Phrasen werden in einschlägigen Arbeiten als regierte Elemente analysiert, die mit einem Akkusativobjekt alternieren, vgl. die oft diskutierten Beispiele ein/ an einem Haus bauen oder einen/ an einem Apfel essen. Trotz des regierten Status wird der Präposition an eine eigenständige Bedeutung zugeschrieben, da sie dem Verb die atelische Interpretation auferlegt. Dieses Kapitel setzt sich damit auseinander, wie man die Modifikatoranalyse für atelische an-Phrasen im binär aufgeteilten Ergänzungen-Angaben-Bereich plausibilisieren kann. Erstens wird in einer lexikografischen Studie gezeigt, dass die an-Konstruktion keine konventionalisierte Valenzrealisierungsoption ist und dass die Präposition an in der Regel als bedeutungshaltig betrachtet wird. Zweitens wird eine grundlegende Diskussion über die Modellierung von Präpositionen in (nicht-)regierten Verwendungen geführt. Da die Distribution der an-Konstruktion weitgehend vorhersagbar ist, kann es sich nicht um eine idiosynkratische Eigenschaft einzelner Verben handeln. Von den denkbaren Modellierungsoptionen erweist sich der Modifikatoransatz als die beste Option. Drittens werden die gängigen Tests und Kriterien zur Bestimmung des Argumentstatus einer Konstituente diskutiert. Diese weisen atelische an-Phrasen als Modifikatoren aus. In der Valenzforschung wird eine grundlegende Unterscheidung zwischen Ergänzungen und Angaben getroffen. 26 Ergänzungen sind obligatorische Konstituenten, die vom Valenzträger gefordert sind und seine Argumente realisieren. Aus traditionell-grammatischer Sicht legt der Valenzträger ihre Form und Bedeutung fest. Angaben sind hingegen nicht valenzgebunden. Bei Präpositionalphrasen wird entsprechend zwischen Präpositionalobjekten unterschieden, die eine Argumentstelle des Verbs füllen, und den Präpositionaladverbialen, die das vom Verb bezeichnete Geschehen näher charakterisieren. Präpositionalphrasen wie in (59a) werden in der Regel als Präpositionalobjekte analysiert. Sie realisieren Verbargumente, sind in der lexikalischen Repräsentation des Verbs verankert und werden aus dieser projiziert. Präpositionalphrasen wie in (59b) erfüllen hingegen eine Adverbialfunktion. Sie sind der Verbbedeutung frei hinzufügbar und sind nicht als Elemente zu betrachten, die aus der lexikalisch-semantischen Struktur des Verbs projiziert werden. (59a) Präpositionalphrasen als Ergänzungen (Argumente): jmdn. von einer Idee überzeugen, sich an ein Konzert erinnern (59b) Präpositionalphrasen als Angaben (Modifikatoren): in der Küche/ auf dem Stuhl schlafen, am Nachmittag spielen 26 Für einen Überblick über die Valenztheorie vgl. Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997, S.- 1027-1064), Engelberg (2000, S.-85-96), Ágel/ Fischer (2010) und zum Valenzbegriff vgl. Zifonun (2003). <?page no="48"?> Argumente, Modifikatoren und atelische an-Phrasen 48 Mit der Unterscheidung in projizierte und nicht-projizierte Elemente kommen in der Regel bestimmte Annahmen zur Präpositionssemantik einher, die sich in zugespitzter Form wie folgt darstellen lassen. Präpositionen, die als Köpfe eines Adverbials vorkommen, haben eine eindeutig identifizierbare Bedeutung, z. B. eine lokale oder eine temporale wie in (59b), und führen zweistellige Relationen ein. Präpositionen, die als Köpfe von Präpositionalobjekten fungieren, werden hingegen als semantisch leer betrachtet und verlieren in regierten Verwendungen ihren relationalen Charakter, so z. B. Flämig (1991, S.- 147), Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997, S.- 2155), die Duden-Grammatik (Duden 2016, S.-618). In den Beispielen in (59a) kann man kaum eine Bedeutung für die Präposition von in Kombination mit dem Verb überzeugen bzw. für an bei sich erinnern feststellen. 27 Ich zeige im Laufe des Kapitels, insbesondere in den Abschnitten- 3.2.1-3.2.2, dass eine pauschale Annahme der Bedeutungslosigkeit von Präpositionen in Präpositionalobjekten unplausibel ist. Eine dichotomische Gegenüberstellung erlaubt jedoch klar darzustellen, wie die Präpositionsbedeutung in Abhängigkeit vom Status der Präpositionalphrase modelliert werden kann. Die binäre Unterscheidung in projizierte und nicht-projizierte Elemente wird in der Valenzforschung und in den meisten Bereichen der Sprachanalyse getroffen, vgl. die Zusammenstellung der Begrifflichkeiten in Tabelle-1, die auf Engelberg (2000, S.-85), Storrer (2003, S.-766) und Welke (2019, S.-277) beruht. Es gibt dennoch keine eindeutige Entsprechung einzelner Ebenen: So sind zwar die m e i s t e n Adverbiale semantisch gesehen Modifikatoren, und die m e i s t e n Präpositionalobjekte realisieren Argumente des Prädikats, aber es gibt Ausnahmen (vgl. dazu Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997, S.-1029 f., 1042; Engelberg 2019, S.-22; Welke 2019, S.-211). Prominente Beispiele dafür sind Lokalangaben bei Positionsverben wie stehen oder sitzen, Temporalangaben bei den Verben beginnen, enden, dauern sowie Angaben der Art und Weise bei Verhaltensverben wie sich benehmen/ verhalten. Diese Präpositionalphrasen erfüllen eine typisch adverbiale Rolle, leisten einen eigenständigen Bedeutungsbeitrag und sind durch andere, semantisch passende Präpositionalphrasen austauschbar, was bei einem prototypischen Präpositionalobjekt in der Regel nicht möglich ist, vgl. auf/ *an/ *über etwas warten. 28 Dennoch gehören diese Angaben 27 In Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997) gibt es widersprüchliche Angaben. An einer Stelle gehen die Autor/ -innen von der Bedeutungslosigkeit der Präposition in regierten Verwendungen aus und nehmen an, dass die Bedeutung der Präpositionalphrase der Bedeutung des eingebetteten Nomens gleich ist (ebd., S.- 985). An anderen Stellen wird diese Behauptung klar relativiert (ebd., S.- 1096 f.). Ich behandle die Angaben in Zifonun/ Hoffmann/ Strecker als zwei getrennte Sichtweisen, um die Für- und Gegenargumente zu der jeweiligen Position zu illustrieren. 28 Auch die Form kann variieren: Möglich sind Adverbphrasen (lange dauern, schön wohnen), Nominalphrasen (zwei Stunden dauern), Sätze (Die Sitzung dauerte, bis alle müde waren) oder eben Präpositionalphrasen. Allerdings ist die Formvariation auch bei Argumenten möglich, man denke z. B. an ihre satzwertige Realisierung (Engelberg 2000, S.-86). <?page no="49"?> An-Konstruktion in Grammatiken und Wörterbüchern 49 zu-der Verbbedeutung. Über diese Fälle herrscht weitgehend Konsens, sodass sie oft in einen eigenen, dritten Verwendungstyp der Adverbialkomplemente ausgesondert- werden (vgl. Breindl 2006, S.- 936 f. oder die Angaben im Valenzwörterbuch E-VALBU). 29 Bereich Begriffe Satzgliedlehre Traditionelle Grammatik/ Valenztheorie Generative Syntax Semantik (Präpositional-)Objekt Ergänzung Komplement Argument Adverbial Angabe Adjunkt Modifikator Tab. 1: Terminologische Zuordnung im Argument-Modifikator-Bereich Insgesamt ist es aber „notorisch schwierig“, den richtigen Platz für Präpositionalphrasen in einem binären Modell von Ergänzungen und Angaben zu finden und einzelne Verwendungen voneinander zu trennen (Breindl 2006, S.- 945). Auch für atelische an-Phrasen muss folglich ausgearbeitet werden, wie sich die hier verfolgte Modifikatoranalyse zu den Standardannahmen zur Abgrenzung von regierten und nicht-regierten Elementen verhält. In diesem Kapitel gehe ich wie folgt vor. Zunächst setzt sich Abschnitt-3.1 mit der Darstellung und Erfassung der atelischen an-Konstruktion in lexikografischen Werken und in Grammatiken auseinander. Abschnitt-3.2 beschäftigt sich mit den grundlegenden Modellierungsoptionen der Präpositionsbedeutung im Zusammenhang mit ihrem Status als regiertes bzw. nicht-regiertes Element und diskutiert, welche der angesprochenen Lösungen sich für die atelische an-Konstruktion am besten eignet. Abschließend stellt Abschnitt-3.3 Verfahren vor, wie der Argumentstatus einer Konstituente ermittelt werden kann. Abschnitt-3.4 fasst die Überlegungen des Kapitels zusammen. 3.1 An-Konstruktion in Grammatiken und Wörterbüchern Abdeckung der „an“-Konstruktion Als erster Schritt bietet sich ein Blick in lexikografische Werke und Grammatiken: Wie wird die atelische an-Konstruktion dort erfasst? 30 Hier können grundsätzlich zwei Betrachtungsweisen eingenommen werden. Aus der Perspektive des Verbs kann man in den verbzentrierten Ressourcen beobachten, bei welchen Verben die an-Konstruktion als eine mögliche argument- 29 In E-VALBU ist beispielsweise bei dauern ein nicht-weglassbares Adverbialkomplement vorgesehen: https: / / grammis.ids-mannheim.de/ verbs/ view/ 400431/ 1 (Stand: 24.3.2022). 30 Für den qualitativen Vergleich einzelner Ressourcen vgl. Zeschel/ Proost (2019). <?page no="50"?> Argumente, Modifikatoren und atelische an-Phrasen 50 strukturelle Konstellation vermerkt ist. Aus der Perspektive der Präposition bzw. der an-Konstruktion kann man in Präpositionswörterbüchern und Grammatiken beobachten, in welchem Umfang die an-Konstruktion erfasst und durch welche Verben sie repräsentiert ist. Bei der Beantwortung der Frage, wie die an-Konstruktion in lexikografischen Werken und Grammatiken erfasst wird, orientiere ich mich an der Studie von Engelberg (2007). Sie beschäftigt sich mit der Darstellung von mehreren alternierenden Konstruktionen in Valenz- und Lernerwörterbüchern, unter anderem mit der atelischen an-Konstruktion. Die Datengrundlage in der vorliegenden Arbeit wird im Vergleich zu der Studie von Engelberg (2007) in zweifacher Hinsicht erweitert. Erstens wird die Liste der berücksichtigten Quellen ausgeweitet. Bei den verbzentrierten Quellen wird zusätzlich zu den Valenz- und Lernerwörterbüchern auch das lexikalisch-semantische Netz GermaNet betrachtet (Version 12.0, Release 2017; Hamp/ Feldweg 1997; Henrich/ Hinrichs 2010). Außerdem kommt hier eine zusätzliche Analyseperspektive hinzu, da nicht nur verbzentrierte Ressourcen, sondern auch Präpositionswörterbücher und Grammatiken betrachtet werden. Zweitens wird die Liste der untersuchten Verben erweitert: Als Grundlage für meine Auswertung dienen 20 Verben aus Laptieva (2019), die aus verschiedenen einschlägigen Arbeiten zu der atelischen an-Konstruktion gesammelt wurden (die Ergebnistabelle- 2 liefert die Übersicht der analysierten Prädikate). Für zehn Verben wurden die Angaben aus Engelberg (2007) übernommen: basteln, bauen, kochen, lesen, malen, nähen, rechnen, reparieren, schreiben, stricken. 31 Es wurden folgende Quellen konsultiert: 1) Konstruktionsbzw. Präpositionsperspektive: - Präpositionswörterbücher: 32 „Der Gebrauch der deutschen Präpositionen“ (Schmitz 1964), „Lexikon deutscher Präpositionen“ (Schröder 1986) - Grammatiken: „Die deutsche Sprache: Gestalt und Leistung“ (Brinkmann 1962), „Grammatik des Deutschen“ (Flämig 1991), „Textgrammatik der deutschen Sprache“ (Weinrich 2005), „Grammatik der deutschen Sprache“ von Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997), „Grundriss der deutschen Grammatik“ (Der Satz) (Eisenberg 2013) 31 Den Eintrag für schreiben in Engelberg (2007) aus dem „Kleinen Valenzlexikon“ von Engel/ Schumacher (1978, S.- 248) (‚-‘: lemmatisiert, aber keine Valenzangabe) wurde korrigiert, denn für schreiben wird die an-Konstruktion als eine Valenzoption vermerkt. 32 Das aktuellere „Handbuch für die Bestimmung und Annotation von Präpositionsbedeutungen“ von Kiss et al. (2016), das unter anderem auf Schröder (1986) und Schmitz (1964) basiert und die bisher aufgestellten Angaben zu Präpositionsbedeutungen zusammenfasst, wird hier nicht eingehender analysiert. Der Schwerpunkt von Kiss et al. (2016) liegt auf nicht-regierten Präpositionsverwendungen. Zu atelischen an-Phrasen findet sich keine explizite Angabe, da sie offenbar als regierte Elemente betrachtet werden. <?page no="51"?> An-Konstruktion in Grammatiken und Wörterbüchern 51 2) Verbperspektive: - Valenzwörterbücher: „Kleines Valenzlexikon deutscher Verben“ (Engel/ Schumacher 1978), das „Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben“ (Helbig/ Schenkel 1991), „Verben in Feldern“ (Schumacher 1986), VALBU (Schumacher et al. 2004) 33 - Lernerwörterbücher: Götz et al. (Hg.) (2008); Kempcke (2000); Duden (2003); Pons (Balhar/ Cyffka (Hg.) 2004) - GermaNet (Hamp/ Feldweg 1997; Henrich/ Hinrichs 2010) Die Ergebnisse der lexikografischen Studie sind in Tabelle-2 dargestellt. Für die Erfassung der an-Konstruktion wurden folgende Notationskonventionen benutzt: 34 + Die an-Konstruktion ist als eigener Verwendungstyp angesetzt (Präpositionswörterbücher, Grammatiken) bzw. ist im Eintrag für das jeweilige Verb als eine argumentstrukturelle Variante vermerkt (verbbezogene Ressourcen, Lernerwörterbücher). - Das Verb ist lemmatisiert, die an-Konstruktion ist nicht berücksichtigt (verbbezogene Ressourcen, Lernerwörterbücher). leer Das Verb ist nicht lemmatisiert (verbbezogene Ressourcen, Lernerwörterbücher) bzw. wird im Zusammenhang mit der an-Konstruktion nicht erwähnt (Präpositionswörterbücher, Grammatiken). Von den berücksichtigten Ressourcen hat sich GermaNet als die am besten geeignete erwiesen. Diese lexikalisch-semantische Datenbank ist in einem maschinenlesbaren Format verfügbar und enthält im Vergleich zu anderen Quellen die meisten Verben. Insgesamt decken sich die Ergebnisse dieser Studie mit den Befunden in Engelberg (2007). Erstens sieht man, dass die an-Konstruktion in allen untersuchten Ressourcen nicht systematisch erfasst ist. Zweitens stellt man in Bezug auf die berücksichtigten Valenzwörterbücher fest, dass die an-Konstruktion offenbar nicht als konventionalisierte Valenzrealisierungsoption der meisten der untersuchten Verben angesehen wird. Möglicherweise wird sie als eine okkasionelle oder exzeptionelle Valenzrealisierungsoption betrachtet und als solche nicht in die jeweiligen Valenzwörterbücher aufgenommen. Drittens beobachtet man ressourcenübergreifend, 33 Die Online-Version des Wörterbuches E-VALBU ist unter https: / / grammis.ids-mannheim.de/ verb valenz verfügbar (Stand: 24.3.2022). 34 Die ‚+‘-Kategorie umfasst die drei von Engelberg (2007) angegebenen Möglichkeiten für die lexikografische Darstellung von Valenzrealisierungsoptionen: als eine eigenständige Valenzangabe (‚***‘), Angabe nur einer Subvariante der Konstruktion (‚**‘) oder lediglich Illustrierung durch ein Beispiel (‚*‘). Die feinkörnigere Unterteilung von Engelberg konnte hier nicht unverändert übernommen werden, da sie sich nicht auf die Darstellung von Valenzrealisierungen in Präpositionswörterbüchern oder Grammatiken anwenden lässt. <?page no="52"?> Argumente, Modifikatoren und atelische an-Phrasen 52 dass bestimmte Verben stärker berücksichtigt werden: Bei den alternierenden Prädikaten sind es vor allem schreiben und bauen, in den Lernerwörterbüchern ist auch basteln prominent. Die gängige Praxis in den untersuchten Wörterbüchern legt die Vermutung nahe, dass die an-Konstruktion bei bestimmten Verben stärker verankert ist als bei anderen, vgl. etwa den Kontrast zwischen schreiben und nähen. Eine Untersuchung wie die in diesem Abschnitt skizzierte, die allein auf den Angaben in den lexikografischen Werken basiert, reicht jedoch nicht aus, um den Status einer Konstituente als (nicht-)projiziertes Element zu ermitteln: Zu lückenhaft sind die Angaben in den jeweiligen Werken. Besonders deutlich fällt das bei der Betrachtung der nicht-alternierenden Verben auf. Das hochfrequente Verb arbeiten wird nicht in allen Ressourcen erwähnt, das Verb tüfteln kommt nur bei GermaNet und in zwei Lernerwörterbüchern vor. Ein vorausschauender Blick auf die Ergebnisse der Korpusuntersuchung zeigt zudem, dass am Vergleich von verb- und präpositionszentrierten Quellen nicht abgelesen werden kann, ob bestimmte Verben die an-Konstruktion stärker präferieren als andere. Die Affinität der Verben rechnen, essen und stricken zur an-Konstruktion müsste nach den Ergebnissen in Tabelle-2 als gleichermaßen stark bewertet werden, da für sie in jeweils zwei Quellen die an-Konstruktion als eine mögliche Konstellation vermerkt ist. Allerdings werden die Korpusdaten zeigen, dass von diesen drei Verben nur stricken mit der an-Konstruktion assoziiert ist, während rechnen und essen kaum in der an-Konstruktion auftreten (Abschn.-4.2.2). Bedeutungsangaben Als Nächstes sind die Angaben zur Bedeutung bzw. zum Status der atelischen an-Phrasen in den untersuchten Grammatiken und Wörterbüchern zu betrachten. Beide Präpositionswörterbücher, die hier analysiert werden, gehen zwar von einem Präpositionalobjektstatus der atelischen an-Phrasen aus, schreiben ihnen jedoch eine eigenständige Bedeutung zu. So nennt Schmitz (1964, S.-56) die hier untersuchten Verwendungen von an „Teilgeschehen“, da sie eine „unvollständige Durchführung“ der verbalen Handlung ausdrücken. Auch Schröder geht von einem eigenständigen Bedeutungsbeitrag der an-Phrasen aus: „Die Präpositionalphrase gibt ein PATIENS wieder, das von der im Verb genannten Tätigkeit partiell betroffen wird“ (Schröder 1986, S.-56). Die Angaben in Grammatiken spiegeln den unklaren Status der an-Phrasen wider. Die meisten Autor/ -innen gehen zwar von der (weitgehenden) Bedeutungslosigkeit von Präpositionalobjekten im Allgemeinen aus (Flämig 1991, S.-147; Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997, S.- 2155), bringen aber die hier untersuchten an-Phrasen mit einer bestimmten Bedeutung in Verbindung, obwohl ihnen zugleich Präpositional objektstatus zugeschrieben wird. So nimmt Flämig (1991, S.-148) für die an-Phrasen <?page no="53"?> An-Konstruktion in Grammatiken und Wörterbüchern 53 die folgende Bedeutung an: „In der Fügung arbeiten an etwas verkörpert das Präp- Objekt die Rolle des Patiens und benennt den Gegenstand, an dem sich die Handlung vollzieht“. Schmitz (1964) Schröder (1986) Brinkmann (1962) Flämig (1991) Weinrich (2005) Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997) Eisenberg (2013) Engel/ Schumacher (1978) Helbig/ Schenkel (1991) Schumacher (1986) Schumacher et al. (2004) Hamp/ Feldweg (1997) Götz et al. (Hg.) (2008) Kempcke (2000) Duden (2003) Pons (2004) Verb Präp- WB Grammatiken V-Ressourcen Lerner-WB  1 arbeiten  2 backen  3 basteln  4 bauen  5 bügeln  6 essen  7 kämmen  8 kochen  9 lesen 10 malen 11 manipulieren 12 nähen 13 rechnen 14 reparieren 15 schreiben 16 schrubben 17 stricken 18 trinken 19 tüfteln 20 waschen + + + + + + + + + + + + + + + + - - - - - - - - - + - - + - + - - - - - + - - + - - + + + - + + - - - + + + - + + + - + + - - - - - - - - - - - - - - + - + - + + - - - - - - - - - - + - - - + - + - + + - - - - - - + - - - + - - - + - + - + + - - - - - - - + - - + - - + - + + - - - - - - - - - - + - - - - - Tab. 2: Erfassung der atelischen an-Konstruktion in Präpositionswörterbüchern (Präp- WB), Grammatiken, verbzentrierten Ressourcen (V-Ressourcen) und Lernerwörterbüchern (Lerner-WB) Die atelische an-Konstruktion wird dabei oft als eine metaphorische Erweiterung der konkret-lokalen Bedeutung der Präposition an aufgefasst. So gehen Brinkmann (1962, S.-165) und Weinrich (2005, S.-621) davon aus, dass die Grundbedeutung von <?page no="54"?> Argumente, Modifikatoren und atelische an-Phrasen 54 an Kontakt ist und dass sie auch in der an-Konstruktion ausgedrückt wird. Im Vergleich zu der transitiven Verbverwendung, die nach Brinkmann perfektiv ist, verleiht die an-Phrase dem vom Verb bezeichneten Geschehen eine imperfektive Lesart: Während die Verwendung von Akkusativ „eine volle Bewältigung“ ausdrückt, wird mit an nur auf einen Kontakt hingewiesen (Brinkmann 1962, S.- 166). Auch Weinrich führt nicht-lokale Verwendungen von an auf die Grundbedeutung des Kontaktes zurück. Die Verwendung eines Verbs in der an-Konstruktion „stellt nur einen Oberflächen-Kontakt zum Werk her; gemeint ist nur irgendein Handanlegen“; im Unterschied dazu geht es in der transitiven Variante darum, etwas „durch gezieltes Handeln fertigzustellen und somit verfügbar zu machen“ (Weinrich 2005, S.-623). Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997) und Eisenberg (2013) führen die atelische an- Konstruktion ebenfalls auf die lokale Grundbedeutung zurück, jedoch nicht auf die funktionale Kategorie des Kontaktes, sondern auf eine regionenbasierte Semantik der Präposition an. Nach Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997, S.- 2116) drücken die lokalen Verwendungen von an Nähe aus: Mit an wird ein Gegenstand „in der äußeren Randumgebung“ und folglich in der unmittelbaren Außenregion eines anderen Gegenstandes verortet. Der Aspekt der Nähe dient dabei als Übertragungsmotiv für die abstrakten und die regierten an-Verwendungen. Für die an-Konstruktion nehmen Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997, S.-2118 f.) die Bedeutung ‚Interaktion, Teilhabe, Beschäftigtsein‘ an, wobei sie dieser an-Verwendung auch die Prädikate mitwirken/ teilnehmen an und interessiert [sein] an zuordnen. Bei den alternierenden Verben mit einem effizierten Objekt wie schreiben oder nähen geht Zifonun/ Hoffmann/ Strecker zufolge die präpositionale an-Konstruktion mit einer partitiven Interpretation des Objekts einher: Das herzustellende Objekt ist „erst als teilweise fertiggestellt zu betrachten“, und das im Satz bezeichnete Geschehen wird atelisch interpretiert (Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997, S.- 2118). Eisenberg (2013, S.- 78) schließt grundsätzlich nicht aus, dass Präpositionen in Präpositionalobjekten einen semantischen Beitrag leisten können, der ebenfalls auf die lokale Ursprungsbedeutung rückführbar sei. Bei an etwas arbeiten könne man „etwa von einem abstrakten Raum, also einem Loc besonderer Art“ sprechen. Bei den alternierenden Verben gehen Eisenberg vom „systematischen Nebeneinander“ der transitiven und der präpositionalen Variante aus, wobei die Verwendung in der an-Konstruktion mit „aktionsartlichem Bedeutungsunterschied“ einhergeht (ebd., S.-473). Fazit Die Ergebnisse der lexikografischen Studie in Tabelle- 2 zeigen einerseits, dass die atelische an-Konstruktion in präpositions- und verbzentrierten Ressourcen sowie in Grammatiken lückenhaft beschrieben ist. Andererseits legen sie nahe, dass bestimmte Verben stärker zur an-Konstruktion neigen als andere, was jedoch korpusbasiert überprüft werden muss. Ein weiteres Ergebnis besteht darin, dass atelischen an-Phrasen oft eine Bedeutung zugeschrieben wird, obwohl sie zugleich als regierte Elemente analysiert werden, die in der Regel als bedeutungsleer aufgefasst werden. Bedeutungshaltigkeit deckt sich eher mit einer Modifikatoranalyse. Interes- <?page no="55"?> Modellierungsoptionen 55 sant ist auch der Bezug zu der lokalen Grundbedeutung, der bei der semantischen Analyse berücksichtigt werden sollte. 3.2 Modellierungsoptionen Nachdem der letzte Abschnitt gezeigt hat, dass die Präposition an in der atelischen an-Konstruktion mit einer Bedeutung assoziiert werden kann, stellt sich generell die Frage, wie die Präpositionen in (nicht-)regierten Verwendungen modelliert werden können und welche Lösung sich für die an-Phrasen als die beste erweist. Der grundsätzliche Bedeutungsbeitrag von Präpositionen besteht darin, eine Relation zwischen zwei Entitäten einzuführen (Brinkmann 1962, S.-150; Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997, S.-192; Breindl 2006, S.-937; Saint-Dizier 2006). Der relationale Charakter liegt unabhängig davon vor, welche spezifische Lesart zum Ausdruck gebracht wird: Bei Lokal- (die Vase auf dem Tisch), Temporal- (der Montag vor Ostern) oder Kausalangaben (Vorsprung durch Technik) wird entsprechend eine lokale, temporale oder eine kausale Relation zwischen zwei Entitäten zum Ausdruck gebracht. Der Lexikoneintrag einer lokalen Präposition könnte wie in (60) aussehen, wobei prep* die präpositionsspezifische räumliche Konstellation erfasst (Wunderlich/ Herweg 1991, S.-773; Lang/ Maienborn 2011, S.-722). Die Argumentstruktur (AS) legt die Kombinatorik und die Bedeutungskonstitution fest: Das interne Argument y einer lokalen Präposition bezeichnet das Referenzobjekt, das externe Argument x das Lokalisierungsobjekt, also die Entität, die hinsichtlich des Referenzobjekts lokalisiert wird. Die Semantische Form (SF) bestimmt, wie die lokale Relation zwischen den beiden Entitäten beschaffen ist. (60) λyλx [loc(x, prep*(y))] � � AS SF Der relationale Charakter wird vor allem für bedeutungshaltige Präpositionen angenommen, die als Köpfe von Modifikatoren das vom Verb bezeichnete Geschehen näher charakterisieren. Im Gegensatz dazu ist die Frage nach dem Bedeutungsbeitrag von Präpositionen in regierten Verwendungen nicht endgültig geklärt (Eisenberg 2013, S.-301). Oft wird angenommen, dass die Präpositionen ihren relationalen Charakter verlieren, da sie als semantisch leer anzusehen sind. Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997, S.- 985) gehen beispielsweise davon aus, dass in regierten Verwendungen die Präposition lediglich eine Identitätsfunktion einführt. Das bedeutet, dass die Präposition den semantischen Typ ihres internen Arguments unverändert an das Verb weiterreicht (dazu gleich mehr in Abschn.-3.2.1). Auf der anderen Seite scheint die pauschale Annahme der Bedeutungslosigkeit der Präposition für den gesamten Bereich der Präpositionalobjekte unplausibel: Präpositionen wie für oder mit wei- <?page no="56"?> Argumente, Modifikatoren und atelische an-Phrasen 56 sen in der Regel eine eindeutig identifizierbare Bedeutung auf, und zwar unabhängig davon, in welcher Funktion-- als Verbargument oder Angabe-- sie vorkommen, vgl. sich mit jemandem treffen, sich für/ gegen etwas entscheiden (Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997, S.-1096; Breindl 2006, S.-946). Auch zu atelischen an-Phrasen gibt es bis jetzt eine widersprüchliche Auffassung, wie die Diskussion im letzten Abschnitt gezeigt hat. In den nächsten zwei Abschnitten gehe ich auf diese Kontroverse genauer ein. Erstens stelle ich beide Positionen ausführlicher vor, die entweder von der Bedeutungslosigkeit (Abschn.-3.2.1) oder Bedeutungshaltigkeit (Abschn.-3.2.2) der Präpositionen in regierten Verwendungen ausgehen. Zweitens skizziere ich die grundsätzlichen Modellierungsoptionen der Präpositionsbedeutung, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden. Drittens gehe ich darauf ein, ob die jeweilige Lösung für atelische an-Phrasen sinnvoll ist. 3.2.1 Präpositionen sind bedeutungsleer Besonders in älteren Arbeiten wird angenommen, dass Präpositionalobjekte Argumentstatus haben und die Präpositionen, die als Kopf von Präpositionalobjekten fungieren, als semantisch leer zu betrachten sind (Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997, S.-985). Die Annahme der Bedeutungslosigkeit der Präpositionen geht also Hand in Hand mit der Annahme des Argumentstatus für Präpositionalobjekte: Mit der Etablierung eines präpositional kodierten Aktanten ging vor allem zu Beginn ein „Herunterspielen“ des Bedeutungsbeitrags der Präpositionen auf den von Kasusmorphemen einher. (Breindl 2006, S.-945) Eines der Argumente für die Bedeutungslosigkeit der Präpositionen besteht darin, dass Präpositionalobjekte mit Kasusobjekten ausgetauscht werden können, besonders mit Genitiv, vgl. (61a), oder mit Akkusativ, vgl. (61b) (Breindl 2006, S.-945). Dabei kommt es offenbar zu keinen Bedeutungsunterschieden zwischen den beiden Varianten, weswegen die Annahme naheliegend ist, die Präposition als bedeutungsleer anzusehen. Wie die Kontraste in (62) zeigen, können außerdem Präpositionen in Präpositionalobjekten in der Regel nicht durch andere Präpositionen ersetzt werden. Die Nicht-Austauschbarkeit zeugt vom regierten Status einer Präpositionalphrase, denn der Valenzträger legt offenbar die Präposition fest (auf die Gegenargumente zu dieser Auffassung gehe ich im nächsten Abschnitt ein). (61a) sich {an das Versprechen/ des Versprechens} erinnern (61b) {nach etwas/ etwas} suchen (62) sich {an/ *auf} etwas erinnern, {auf/ *an/ *über} etwas warten Wenn regierte Präpositionen als semantisch leer betrachtet werden, unterscheidet sich ihr Lexikoneintrag notwendigerweise von der formgleichen bedeutungshalti- <?page no="57"?> Modellierungsoptionen 57 gen Präposition, die als Kopf eines Modifikators vorkommt. Leistet die Präposition keinen semantischen Beitrag zu der Komposition, so muss folgerichtig das Denotat der gesamten Präpositionalphrase dem Denotat der eingebetteten Nominalphrase gleich sein, so Müller (2002, S.- 108) mit Verweis auf Pollard/ Sag (1994, S.- 255, 347) oder Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997, S.- 985, 2155). Die Präposition wird wie in (63) als eine Identitätsfunktion modelliert. (63) Bedeutung von of in proud of John, father of John (63a) ⟦of John⟧ = ⟦John⟧ (63b) ⟦of⟧ = λx ∈ D E .x (nach Heim/ Kratzer 1998, S.-62, (1)-(2)) Die Bedeutung eines Präpositionalobjekts wie etwa auf Weihnachten in Mia freut sich auf Weihnachten entspräche der Bedeutung des eingebetteten Nomens. Im regierten Gebrauch verliert die Präposition den Status eines relationalen Elements. Diese Annahme hat zur Folge, dass der semantische Typ der gesamten Präpositionalphrase den gleichen semantischen Typ wie das eingebettete Nomen hat, nämlich den Typ ⟨e⟩. Dieser Term-Ausdruck kann die entsprechende Valenzstelle eines Valenzträgers füllen, ohne dass sich der Lexikoneintrag für den jeweiligen Valenzträger verändern müsste. Auch Engelberg (2000, S.- 112) geht davon aus, dass der regierten auf-Phrase bei auf etwas warten der Typ ⟨e⟩ zugeordnet wird, vgl. (64). Ein zweistelliges Präpositionalobjektverb ist somit typgleich mit einem transitiven Verb. (64) warten: --λyλxλe [warten'(x, y, e)], Typ: ⟨e, ⟨e, ⟨e, t⟩⟩⟩ | PP au f (nach Engelberg 2000, S.-112, (55)) Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen stellt sich die Frage, ob bzw. wie diese Herangehensweise auf die atelische an-Konstruktion angewendet werden kann. In einem projektionistischen Ansatz müssen die Unterschiede in der Syntax auf die Unterschiede im Lexikon rückführbar sein. Unter der Annahme, dass Präpositionen im regierten Gebrauch bedeutungsleer sind, müsste die Alternanz zwischen einem Akkusativobjekt und einer an-Phrase im Lexikoneintrag der jeweiligen Verben vermerkt sein. Hier sind zwei Optionen denkbar. Erstens könnte man wie in (65) im Lexikoneintrag eines transitiven Verbs darauf verweisen, dass das y-Argument als eine Nominalphrase im Akkusativ und als eine Präpositionalphrase realisiert werden kann. (65) Unterschiedliche Realisierungsoptionen des y-Arguments essen: --λyλxλe [essen'(x, y, e)], Typ: ⟨e, ⟨e, ⟨e, t⟩⟩⟩ | {NP akk |PP an } <?page no="58"?> Argumente, Modifikatoren und atelische an-Phrasen 58 Zweitens könnte man innerhalb des Lexikoneintrags mehrere Verbvarianten annehmen. Ein Ausschnitt aus dem Lexikoneintrag für das alternierende Verb essen, der die Verbverwendung in der transitiven und in der präpositionalen Struktur erfasst, könnte in Anlehnung an die Überlegungen von Engelberg (2002) wie in (66) dargestellt werden. Die transitive essen-Variante (essen 1 ) und die präpositionale essen-Variante (essen 2 ) erhalten jeweils eine unterschiedliche Bedeutung. Das Bedeutungspostulat BP 2 verbindet die beiden Varianten und stellt sicher, dass das y'-Argument der präpositionalen Variante in (66b), das einen Teil von y bezeichnet, zum inkrementellen Thema des Ess-Ereignisses wird. (66) Verbvarianten innerhalb eines Lexikoneintrags (66a) essen 1 : --λyλxλe [essen' 1 (x, y, e)], Typ: ⟨e, ⟨e, ⟨e, t⟩⟩⟩ | NP akk BP 1 : ∀x,y,e [essen' 1 (x, y, e) → agent(x, e) ∧ i-theme(y, e)] (66b) essen 2 : --λyλxλe∃y' [essen' 2 (x, y', e) ∧ y' ⊆ y], Typ: ⟨e, ⟨e, ⟨e, t⟩⟩⟩⟩ | PP an BP 2 : ∀x,y,e [essen' 2 (x, y, e) → essen' 1 (x, y, e)] (nach Engelberg 2002, (51)) Beide valenziellen Lösungen eignen sich jedoch nicht für die Analyse der atelischen an-Konstruktion. Die erste Analyseoption in (65) scheidet aus, weil sie einerseits von einer Alternation ausgeht und andererseits die Bedeutungsunterschiede zwischen den beiden Strukturen nicht erfasst. Beide Analyseoptionen verfehlen die Generalisierung, dass die atelische an-Konstruktion bei einer ganzen Reihe von semantisch ähnlichen Verben möglich ist. Die Zulässigkeit der an-Konstruktion sollte folglich nicht als eine idiosynkratische Eigenschaft einzelner Prädikate im Lexikon vermerkt sein. Beiden Lösungsansätzen liegt zudem die Annahme zugrunde, dass die Präposition an als semantisch leer zu betrachten ist. Nicht nur bei atelischen an- Phrasen, sondern auch bei vielen anderen Präpositionalphrasen, denen typischerweise Ergänzungsstatus zugesprochen wird, kann jedoch angezweifelt werden, dass sie bedeutungsleer sind. 3.2.2 Präpositionen sind bedeutungshaltig Wenn sich zeigen sollte, dass Präpositionen in Präpositionalobjekten bedeutungshaltig sind, hätte das zwei Konsequenzen. Erstens würde das gegen den Aktantenstatus von Präpositionalobjekten sprechen. Zweitens müsste man die Präpositionen in Präpositionalobjekten wie andere präpositional eingeleitete Modifikatoren als zweistellige relationale Elemente behandeln, denn sie hätten einen eigenständigen Bedeutungsbeitrag, der von den einzelnen Verben unabhängig ist. Mehrere Autor/ <?page no="59"?> Modellierungsoptionen 59 -innen argumentieren in der Tat gegen die Bedeutungslosigkeit von Präpositionen in Präpositionalobjekten, so z. B. Lerot (1982), Eroms (1991, S.-40, 43), Flämig (1991, S.-155), Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997, S.-2155), Eisenberg (2013, S.-301), Engelberg (2019). Grammatikalisierungsprozesse Eines der Argumente für die Bedeutungshaltigkeit der Präpositionen in Präpositionalobjekten ist, dass man Generalisierungen über die Präpositionsbedeutung feststellen kann, und zwar unabhängig von ihrem Status als regiertes bzw. nicht-regiertes Element (Eroms 1991, S.- 40, 43 f.). Insgesamt wird angenommen, dass die Relation zwischen den autonomen und regierten Verwendungen „auf Prozessen der Übertragung und Analogiebildung“ beruht (Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997, S.- 2154). Das zeigt sich darin, dass die lexikalische Ursprungsbedeutung der Präpositionen in den regierten Verwendungen nicht vollständig verloren zu sein scheint. 35 So sei beispielsweise die lokale Fundierung bei solchen Präpositionalobjektverben wie fußen auf, bauen auf, stützen auf noch sehr klar erkennbar (Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997, S.-1096). Die tragende Kraft solcher Abbildungen sind metaphorische Übertragungsprozesse, die die fließenden Übergänge zwischen dem autonomen und regierten Gebrauch offenbaren (Breindl 2006, S.- 946). Man kann insgesamt davon ausgehen, dass Präpositionalobjekte im Laufe der Zeit durch Grammatikalisierungsprozesse aus Adverbialen entstanden sind (Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997, S.-2155; Welke 2019, S.-175). Mit dem Grammatikalisierungsprozess geht einher, dass sich die Präpositionsbedeutung verändert und bestimmte lexikalische Bedeutungsbestandteile verblassen (Hundt 2001). Die autonomen und die regierten Präpositionsverwendungen hängen somit zusammen und können kaum losgelöst voneinander betrachtet werden. Stabiles Kollokationsverhalten Mit der Annahme, dass Präpositionalobjekte in der lexikalischen Struktur des Verbs angelegt und folglich aus dieser projiziert sind, geht einher, dass die Zulässigkeit eines Präpositionalobjekts als idiosynkratische Eigenschaft jedes einzelnen Verbs in seinem Lexikoneintrag zu vermerken ist. Dagegen spricht die Beobachtung, dass ein formgleiches Präpositionalobjekt ein und dieselbe semantische Konstellation bei einer ganzen Reihe von Verben zum Ausdruck bringen kann (Lerot 1982; Eroms 1991, S.-43; Rostila 2015, S.-38; Engelberg 2019, S.-23; Welke 2019, S.-179). Es besteht ein stabiles Kollokationsverhältnis zwischen semantisch kompatiblen Präpositionalobjekten und Verben, wobei Präpositionalobjekte eine konstante Bedeutung signalisieren. Die Verben in (67) haben z. B. eine prospektive Bedeutung und treten mit einer auf-Phrase auf, die ein zukünftiges Ereignis einführt (Rostila 2015, S.-38 f.; Welke 2019, S.-179). Kommunikationsverben und Ver- 35 Der Zusammenhang zwischen verschiedenen Präpositionslesarten und dem (nicht-)regierten Gebrauch wird häufig im Rahmen von lokalistischen und kognitivistischen Ansätzen diskutiert, vgl. z. B. eine Übersicht in Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997, S.-2098). <?page no="60"?> Argumente, Modifikatoren und atelische an-Phrasen 60 ben der mentalen Tätigkeit in (68) kommen mit einer über-Phrase vor, die ein Thema bzw. ein Topik ausdrückt (Lerot 1982; Rostila 2015, S.-39). Ein weiteres Beispiel für eine solche semantische Ausdifferenzierung ist die vor-Phrase bei den Verben in (69), die ein bedrohliches oder unangenehmes Ereignis einführt, dem sich der Subjektreferent zu entziehen versucht (Engelberg 2019, S.-23; Zeschel 2019). Präpositionalobjekte und Verben scheinen sich gegenseitig zu bedingen, wobei sich Generalisierungen zeigen, die gegen verbspezifische, idiosynkratische Forderungen nach einem bedeutungsleeren präpositionalen Element sprechen. (67) sich freuen, harren, hoffen, rechnen, sich vorbereiten, warten, … (68) berichten, diskutieren, erzählen, informieren, nachdenken, … (69) abhauen, abtauchen, ausbüxen, ausreißen, davonfahren, davonlaufen, davonrennen, davonschleifen, entfliehen, entschwinden, entweichen, fliehen, (sich) flüchten, fortlaufen, … (nach Engelberg 2019, (16)) Gleiche Bedeutung in Argument- und Modifikatorverwendungen Ein weiteres Argument gegen die Bedeutungslosigkeit der Präposition ist die Beobachtung, dass die Gesamtbedeutung des Satzes oft unabhängig vom Status der Präpositionalphrase ist: Sowohl im regierten als auch im nicht-regierten Gebrauch erfüllen die Präpositionalphrasen ein und dieselbe semantische Rolle. Das kann am Beispiel des von Proost (2009, 2015) beschriebenen „Suchmusters“ gezeigt werden, das die Präposition nach involviert. Das in (70) illustrierte Suchmuster drückt aus, dass jemand versucht, etwas durch die vom Verb bezeichnete Handlung zu finden, zu erlangen oder zu ermitteln. Das interne Nomen der nach-Phrase bezeichnet die gesuchte Entität. (70) Ich suchte nach Kung-Fu-Kursen und fand einen. (Zeit online, 9.1.2018) Das Suchmuster kann durch unterschiedliche Verben instanziiert werden, wobei die nach-Phrase sowohl als Verbargument als auch als Modifikator fungieren kann. Bei den Verben in (71a) erfüllt sie eine Argumentrolle. Transitiv verwendbare Verben wie suchen haben eine Such-Bedeutung und implizieren die gesuchte Entität, die als Akkusativobjekt oder als eine nach-Phrase realisiert werden kann. Im Gegensatz dazu ist die nach-Phrase bei den Verben in (71b) kein Argument: Diese Prädikate bezeichnen grundsätzlich keine Such-Handlungen, sodass die gesuchte Entität nicht aus der Verbbedeutung projiziert sein kann. Die Verwendung der Verben rennen und bohren im Suchmuster ist in (72) illustriert. (71a) Such-Verben (suchen, fahnden, forschen, stöbern, recherchieren, …); Verben des Bestrebens bzw. Bemühens (streben, trachten) <?page no="61"?> Modellierungsoptionen 61 (71b) Wahrnehmungsverben (gucken, schauen, …), Verben wie graben (graben, baggern, bohren, …), Bewegungsverben (rennen, tauchen, …) (72a) Eggert muß Interviews geben, bis ihm der Kopf schmerzt und seine Mitarbeiterin nach Tabletten rennt. (taz, 27.10.1992) (Proost 2015, S.-40, (36)) (72b) Geologen bohren nach fossilen Funden aus der Uhrzeit. (Rhein-Zeitung, 31.12.1998) Werden die Prädikate aus (71b) im Suchmuster verwendet, so spezifizieren sie nach Proost die Art und Weise des Suchens, während die gesuchte Entität, die in der nach- Phrase enthalten ist, vom Suchmuster beigesteuert wird. Unabhängig von den Details und vom theoretischen Rahmen der Analyse ist die Feststellung zentral, dass die nach-Phrase in projizierten und in nicht-projizierten Fällen eine einheitliche Bedeutung hat und die gesuchte Entität bezeichnet. Die einheitliche Bedeutung einer Präpositionalphrase in regierten und nicht-regierten Verwendungen ist ein weiteres Argument gegen die pauschale Bedeutungslosigkeit von Präpositionen in Präpositionalobjekten. Präpositionsvariation in Präpositionalobjekten Eine weitere Herausforderung für die Annahme, dass Präpositionen in Präpositionalobjekten semantisch leer sind und dass Präpositionalobjekte somit Aktantenstatus haben, ist die Präpositionsvariation- (Breindl 2006, S.- 945). Generell wird angenommen, dass ein Verb in der Regel nur eine bestimmte Präposition regiert, und die Variation der Kopfpräposition wird als eine Ausnahme behandelt, die nur in Einzelfällen möglich ist (Wittich 1967, S.-48; -Flämig 1991, S.-147; Pittner 1996, S.-36 f.; Eisenberg 2013, S.-78). Breindl (1989, S.-30-33) und Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997, S.-1094) zeigen allerdings, dass ein Präpositionswechsel bei einer großen Anzahl von Verben und Verbklassen möglich ist, und dass dieser Wechsel sowohl mit als auch ohne Änderung der Prädikatsbedeutung einhergehen kann. Inwiefern ist die Variation der Kopfpräposition für die Annahme der Bedeutungslosigkeit problematisch? In einem projektionistischen bzw. valenziellen Ansatz müsste man konsequenterweise für jede Verb-Präposition-Kombination einen eigenen Lexikoneintrag annehmen. Die Annahme unterschiedlicher Lexikoneinträge für ein formgleiches Verb ist in bestimmten Fällen gerechtfertigt. Bei der Variation beim Verb bestehen in (73) ist es plausibel, von gleichlautenden, homonymen Verben auszugehen (so z. B. Flämig 1991, S.-147). Es handelt sich schließlich um unterschiedliche Verbbedeutungen, die in den einzelnen präpositionalen Varianten vorliegen. Die Bedeutungsunterschiede und die Unterschiede in der Kodierung des Präpositionalobjekts werden in entsprechenden Lexikoneinträgen festgehalten. (73) {auf/ aus/ in} etwas bestehen <?page no="62"?> Argumente, Modifikatoren und atelische an-Phrasen 62 Eine andere Art der Variation liegt in (74) vor, da hier mit der Wahl der Präposition kein Wechsel der Verblesart einhergeht. Wenn man von der konstanten Verbbedeutung in den präpositionalen Varianten und zugleich von der Bedeutungslosigkeit der Präposition ausgeht, würde man keine Bedeutungsunterschiede zwischen den präpositionalen Varianten eines Verbs erwarten. Nun zeigen aber die ersten Studien, dass es durchaus zu Bedeutungsausdifferenzierungen von den jeweiligen präpositionalen Varianten wie in (74) kommt. Bei der Präpositionsvariation von durchsuchen zeigt Proost (2020), dass die nach-Variante vor allem mit Bezug auf Diebstahlszenarien verwendet wird, wenn etwa die Einbrecher das Haus nach Schmuck durchsuchen. Die auf-Variante kommt hingegen präferiert mit Bezug auf Inspektionsszenarien vor, wenn z. B. die Polizei jemanden oder etwas auf etwas Illegales oder Verbotenes wie Drogen oder Waffen durchsucht. Für die Präpositionsvariation bei begeistern in (74b) zeigen Zeschel/ Proost/ Laptieva (2020), dass sich die einzelnen präpositionalen Varianten voneinander unterscheiden. In Kombination mit der Präposition über wird begeistern beispielsweise häufig in Kontexten verwendet, in denen sich jemand zu einem Sachverhalt äußert, wie der Korpusbeleg in (75a) illustriert. Mit der über-Phrase wird das Thema der Äußerung eingeführt. Die an-Phrase bei begeistern kennzeichnet hingegen einen Stimulus, der ein positives Empfinden beim Subjektreferenten auslöst, vgl. den Korpusbeleg in (75b). (74a) etwas {nach/ auf} etwas durchsuchen (74b) (sich) {an/ für/ über/ von} etwas begeistern (75a) „Das war sehr, sehr gut“, stellen sie übereinstimmend fest, und begeistern sich über die Musik und das Ambiente. (Mannheimer Morgen, 7.11.2007) (75b) Vorwiegend junge Gäste begeisterten sich an der Musik von „The Lizard Kings“, einer Doors-Coverband. (Nordkurier, 23.7.2001) (Zeschel/ Proost/ Laptieva 2020, (26d,b)) Die Bedeutungsunterschiede zwischen den einzelnen präpositionalen Verbvarianten stellen eine Herausforderung für die Modellierung dar. Geht man von der grundsätzlichen Bedeutungslosigkeit von Präpositionen in Präpositionalobjekten aus, muss man notwendigerweise bei der Präpositionsvariation, die zu Bedeutungsunterschieden führt, verschiedene Verben annehmen. Diesen Weg müssen Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997, S.-1095) gehen, um die Präpositionsvariation beim Psych- Verb sich freuen zu erfassen, das wie begeistern mit mehreren Präpositionen vorkommen kann, vgl. sich an/ auf/ über etwas freuen. 36 36 Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997, S.-1094-1097) diskutieren noch weitere Fälle der Präpositionsvariation, wobei die einzelnen Entscheidungen nicht klar nachvollziehbar sind. So gehen sie z. B. bei berichten von/ über, schimpfen auf/ über, leiden an/ unter von einem Verb und bei sich an/ auf/ über etwas freuen von mehreren homonymen Verben aus. <?page no="63"?> Modellierungsoptionen 63 Die Variationsfälle in (74) durch homonyme Lexikoneinträge zu erfassen, ist dennoch unplausibel, da die Verblesart unabhängig von der Präpositionswahl konstant bleibt. Um die Bedeutungsunterschiede im Rahmen eines konstruktionsgrammatischen Ansatzes zu erfassen, nehmen Zeschel/ Proost/ Laptieva (2020) für die in (74b) illustrierte Variation bei begeistern vier verschiedene inhärent bedeutungshaltige Präpositionalobjektkonstruktionen an, wobei die jeweilige Präposition als Konstruktionsmarker fungiert. Die über-Variante wird beispielsweise als eine Konstruktion analysiert, in der jemand seine Einstellung zu einem Thema äußert, das durch die über-Phrase eingeführt wird. Diese Konstruktion kann durch verschiedene Verben instanziiert werden, z. B. durch Kommunikationsverben wie sich beklagen, sich beschweren oder Psych-Verben wie sich freuen, sich ärgern, sich aufregen und sich begeistern. Die Bedeutungsunterschiede zwischen den präpositionalen begeistern-Varianten werden folglich auf die Konstruktionen zurückgeführt, in die das Verb begeistern eingebettet wird. In einem kompositional-projektionistischen Ansatz könnte die in (74) illustrierte Variation dadurch erfasst werden, dass man die Präpositionen als bedeutungshaltige Elemente analysiert. Die unterschiedlichen Bedeutungen, die mit der unterschiedlichen Wahl der Präposition einhergehen, wie etwa die Einführung eines Themas bei über oder eines Stimulus bei an, wären als Teil des Lexikoneintrags bzw. als eine eigenständige Lesart der Präposition anzusehen. Die Frage nach der theoretischen Modellierung der Präpositionsvariation bei Präpositionalobjektverben ist umso wichtiger, da es erste Hinweise darauf gibt, dass sie kein seltenes Phänomen ist (Fn.-2 in Zeschel/ Proost/ Laptieva 2020). Ein Ansatz, der die Bedeutungsunterschiede durch die Annahme von homonymen Verben erfasst (Lösung von Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997), ignoriert den Befund, dass sich die Verblesart durch die Variation nicht ändert, und vervielfacht die Anzahl der verbalen Lexikoneinträge unnötigerweise. Andere Ansätze, die die Bedeutungsunterschiede nicht auf das Verb, sondern auf andere Elemente zurückführen (Konstruktionen oder Präpositionen), sind angemessener. Diese vier Befunde- - Grammatikalisierungsprozesse, stabiles Kollokationsverhalten, gleiche Bedeutung in Argument und Modifikatorverwendungen sowie Präpositionsvariation in Präpositionalobjekten, die bei konstanter Verblesart zu Bedeutungsunterschieden führt-- zeigen, dass die Unterscheidung in bedeutungsleere Präpositionen in regierten Verwendungen und bedeutungshaltige Präpositionen in nicht-regierten Verwendungen zu strikt ist. Man sieht an unterschiedlichen Phänomenen, dass die Präpositionsverwendungen in Adverbialen und in Präpositionalobjekten eng zusammenhängen, dass die Übergänge fließend sind und dass die pauschale Annahme der Bedeutungslosigkeit von Präpositionen in Präpositionalobjekten unplausibel ist. Daher schlagen beispielsweise Eroms (1991, <?page no="64"?> Argumente, Modifikatoren und atelische an-Phrasen 64 S.- 40) und Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997, S.- 2133) vor, die von der Valenzgrammatik postulierte scharfe Trennung aufzuheben und die Präpositionsbedeutung sowohl in autonomen Verwendungen als auch im regierten Gebrauch zu beschreiben. Wenn man für Präpositionen in Präpositionalobjekten annimmt, dass sie bedeutungshaltig sind, so stellt sich die Frage, wie ihr Bedeutungsbeitrag modelliert werden kann. In traditionellen Grammatiken wird vorgeschlagen, die Präpositionssemantik im Verb zu verorten: „Spuren und Reste der autonomen Bedeutung der Präposition […] müssen vielmehr als noch zu spezifizierende Teile der Bedeutung des Prädikatsausdrucks verstanden werden“ (Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997, S.-2155). Nach Eisenberg (2013, S.-183 f.) kann die Bedeutungshaltigkeit der Präposition in Präpositionalobjekten durch die Annahme erfasst werden, dass die Präposition „zusammen mit dem Verb eine komplexe Relation zwischen den Nominalen im Subjekt und im Objekt“ bezeichnet. Die Präposition bildet demnach zwar zusammen mit dem Verb ein komplexes Prädikat, trägt aber zur Bedeutungsdifferenzierung bei, wie im Fall von sich an/ auf/ über etwas freuen. Sie bleibt aber sowohl syntaktisch als auch semantisch an das Verb gebunden, vgl. (76). (76) Wir hoffen auf eine bessere Zukunft. � � � (nach Eisenberg 2013, S.-184, (5)) In einem solchen Ansatz ist es allerdings unklar, wie die Präpositionsbedeutung modelliert werden kann. Völlig offen ist zudem, ob die semantische Idee der Verschmelzung des Verbs mit der Präposition ein syntaktisches Korrelat in der Struktur [[V- P]- NP] finden müsste, die grundsätzlich unplausibel ist (vgl. auch Kritik in Breindl 2006, S.-941). Für die Modellierung der oben genannten Phänomene ist eine semantische Generalisierungsebene nötig, die außerhalb der Verbsemantik verortet ist. Diese Generalisierungsebene ist auch für die Erfassung der atelischen an-Konstruktion wichtig, denn es handelt sich um ein regelhaftes Phänomen und die Zulässigkeit der an-Konstruktion bei einzelnen Verben kann durch eine Generalisierung erfasst werden. So sind die bisherigen Ideen zur Erfassung der an-Konstruktion zu verstehen, wie z. B. die lexikalische Ableitungsregel von Filip (1999) in (17) oder die von Krifka (1992) in (31). Auch die Idee von Engelberg (2000, S.- 76), die Zulässigkeit der atelischen an-Phrasen als eine Generalisierung über die Ereignisstruktur der Verben zu erfassen, spiegelt diesen Gedanken wider (vgl. Abschn.- 2.1). Da allerdings die Ableitungsanalyse unplausibel ist, die die an-Konstruktion als eine von der transitiven Struktur abgeleitete Verwendung betrachtet (vgl. Übersicht der Gründe in Abschn.- 2.2), muss anstelle einer lexikalischen Ableitungsregel eine neue Analyse formuliert werden. Hier sind prinzipiell zwei Lösungen denkbar: ein <?page no="65"?> Modellierungsoptionen 65 konstruktionsgrammatischer Ansatz und ein kompositional-projektionistischer Modifikatoransatz. 37 Im Konstruktionsansatz, der auf Grundideen von Goldberg (1995) beruht, werden Präpositionalobjekte als Bestandteile von Argumentstrukturkonstruktionen angesehen (vgl. den Überblick über Argumentstrukturkonstruktionen in Casenhiser/ Bencini 2015 und einzelne Modellierungsvorschläge in Rostila 2015, 2018 und Welke 2019, Kap.- 15). Die musterhafte Bedeutung wird der Konstruktion zugeschrieben, sodass die nötige Generalisierung über die Konstruktionsebene gewährleistet wird. Dieser Ansatz wird auch in den Arbeiten des IDS-Projekts „Verben und Argumentstrukturen“ verfolgt, das verbale Argumentstrukturen mit präpositionalem Element untersucht (Proost 2015; Engelberg 2019; Zeschel 2019). Da die jeweiligen Präpositionalphrasen vor allem als Bestandteile der Konstruktion und somit als Konstruktionsmarker erfasst werden, kann die binäre Unterscheidung in Argumente und Modifikatoren ignoriert werden. Dieser Ansatz ist vorteilhaft, da er die Bedeutungsgemeinsamkeiten zwischen verbalen Argumenten und Modifikatoren über die Konstruktionsebene erfasst. So kann z. B. widerspruchslos modelliert werden, dass die nach-Phrase eine gesuchte Entität bezeichnen und dabei sowohl die Argumentrolle wie bei suchen, vgl. (70), als auch die Modifikatorrolle wie bei bohren oder rennen, vgl. (72), erfüllen kann. Ein grundsätzlicher Nachteil solcher Ansätze, die die Präpositionen als Marker einer Argumentstrukturkonstruktion sehen, ist eine aus formaler Perspektive unklare Position darüber, was der Bedeutungsbeitrag der Präposition ist und wie dieser zu modellieren ist. Ein alternativer Ansatz, der die erforderliche Generalisierungsebene liefert, ist die Modifikatoranalyse der Präpositionalphrase. Durch die Modifikatoranalyse wird man dem Umstand gerecht, dass die Präposition einen eigenständigen Bedeutungsbeitrag leistet, der in angemessener Weise als eine Relation zwischen zwei Elementen modelliert werden kann. Der grundsätzliche Vorteil dieses Ansatzes ist folglich eine explizite Modellierung der Präpositionssemantik. Dieser Weg wird hier für die Reanalyse atelischer an-Phrasen eingeschlagen. Die Modifikatoranalyse deckt zudem den in Abschnitt- 2.2 vorgestellten Befund ab, dass es sich bei der atelischen an-Konstruktion um keine Alternation in der Argumentstruktur von transitiven Verben handelt. Der Präposition an wird im Modifikatoransatz eine zentrale Rolle eingeräumt: Als ein bedeutungshaltiges, relationales Element steuert sie die Bedeutungskonstitution. 37 Eine Zwischenstellung nehmen Rollenansätze ein, z. B. Flämig (1991, S.- 148) oder Eisenberg (2013, S.-78), die davon ausgehen, dass auch den regierten Präpositionalphrasen ein semantischer Beitrag in Form von semantischen Rollen zugeschrieben werden kann. Ähnlich argumentiert auch Höllein (2019), der von signifikativ-semantischen Nischen für Präpositionalobjekte ausgeht, was der Idee von semantischen Rollen entspricht. Mit der Rollenannahme würde jedoch einhergehen, dass die Präposition einen modifikatorähnlichen Bedeutungsbeitrag leistet, womit man sehr nah an einem Modifikatoransatz wäre. <?page no="66"?> Argumente, Modifikatoren und atelische an-Phrasen 66 Interessant ist nun, dass es neben atelischen an-Phrasen eine ganze Reihe von vermeintlichen Argumentstrukturalternationen gibt, für die eine Modifikatoranalyse eine mögliche Alternative zu den verbreiteten Ableitungsanalysen bietet. So argumentiert Lukassek (2020) bei ihrer Analyse der Stativ-eventiv-Ambiguität vom Typ Der Bürgermeister eröffnete die Veranstaltung mit einer Rede vs. Die Rede des Bürgermeisters eröffnete die Veranstaltung, dass es sich bei den eventiven mit-Phrasen nicht um eine argumentstrukturelle Alternative des Subjekts aus der transitiven Struktur handelt. Die eventiven mit-Phrasen werden als Modifikatoren modelliert. Auch Proost (2015) diskutiert die Option einer Modifikatoranalyse, die der nach-Phrase im Suchmuster einen eigenständigen Bedeutungsbeitrag zuschreibt. Diese Lösung wird abgelehnt, da die naheliegende und an die direktionale Lesart angelehnte finale Bedeutung von nach die Datendistribution nicht adäquat erfasst. Um die empirische Adäquatheit zu gewährleisten, bedarf es einerseits der Möglichkeit, die Bedeutung der Präposition feinkörnig zu modellieren, und andererseits der Bereitschaft, eine eigenständige Lesart für die jeweilige Präpositionsverwendung anzunehmen. Eine Modifikatoranalyse könnte auch für die nach-Phrasen in Erwägung gezogen werden, denn auch hier kann argumentiert werden, dass es sich bei der nach-Phrase nicht um eine alternative syntaktische Realisierung des direkten Objekts handelt: Die beiden Strukturen sind nicht immer austauschbar, vgl. nach Gold jagen vs. *Gold jagen. Fazit Dieser Abschnitt- befasste sich mit der Frage, wie die Präpositionen modelliert werden: Als zweistellige, relationale Elemente, wenn sie bedeutungshaltig sind, und als Identitätsfunktionen, wenn sie als bedeutungsleer betrachtet werden. Zudem wurde die Kontroverse diskutiert, welchen semantischen Beitrag Präpositionen in Präpositionalobjekten leisten. Es wurden mehrere Evidenzen gegen die verbreitete Annahme der Bedeutungslosigkeit von regierten Präpositionen vorgestellt (Grammatikalisierungsprozesse, stabiles Kollokationsverhalten, gleiche Bedeutung in Argument und Modifikatorverwendungen und Präpositionsvariation in Präpositionalobjekten, die bei konstanter Verblesart zu Bedeutungsunterschieden führt). Mit der Bedeutungshaltigkeit der Präposition geht einher, dass für viele Präpositionalphrasen aus dem Präpositionalobjektbereich eine Modifikatoranalyse in Frage kommt. Im Anschluss an die Diskussion der mit einer Ableitungsanalyse verbundenen Probleme (Abschn.- 2.2) wurden hier grundlegende Optionen für die Modellierung der-atelischen an-Konstruktion erörtert. Die Analyse von an in der atelischen an- Konstruktion als ein bedeutungsleeres Element ist unplausibel. Die Zulässigkeit der an-Konstruktion kann zudem nicht valenziell über Angaben im Lexikoneintrag- einzelner Verben erfasst werden: Die atelische an-Konstruktion ist keine idiosynkratische Besonderheit einzelner Prädikate, sondern muss als eine Generalisierung außerhalb der Verbsemantik modelliert werden. Die Modifikatoranalyse, die in dieser Arbeit für atelische an-Phrasen vorgeschlagen wird, liefert die benö- <?page no="67"?> Verfahren zur Argumentstatusermittlung 67 tigte Generalisierungsebene und erlaubt eine explizite Modellierung der Präposi tionssemantik. 3.3 Verfahren zur Argumentstatusermittlung Die Frage, ob eine Präpositionalphrase aus semantischer Perspektive als Argument oder als Modifikator einzustufen ist, ist mit gängigen Tests und Annahmen zur Unterscheidung von Ergänzungen und Angaben nicht leicht zu beantworten. Das liegt einerseits daran, dass viele der Eigenschaften, die den Präpositionen im regierten Gebrauch zugeschrieben wurden, umstritten sind und nicht pauschal für jedes einzelne Präpositionalobjekt gelten. Man denke beispielsweise an die Annahme der Bedeutungslosigkeit von Präpositionen in Präpositionalobjekten, die in Abschnitt-3.2 diskutiert wurde. Andererseits führen die Tests, die auf die Unterscheidung zwischen Präpositionalobjekten und Adverbialen zielen, zu keinen eindeutigen Ergebnissen. 38 Breindl (2006, S.-946) weist auf ein grundsätzliches Problem der gängigen Tests hin: Sie können vor allem dazu genutzt werden, um Präpositionalobjekte von lokal-temporalen Adverbialen zu unterscheiden, die Abgrenzung zu den Adverbialen aus anderen semantischen Domänen erweist sich als schwierig. So ist z. B. die Modifizierbarkeit einer Präpositionalphrase grundsätzlich nur dann gegeben, wenn die präpositionale Konstituente eine lokale oder eine temporale Bedeutung hat, wie die Modifikation durch ganz dicht in (77) zeigt. (77a) - Das Kind spielt ganz dicht am Zaun. (77b) - Das Kind stand ganz dicht am Zaun. (77c) *Ich dachte ganz dicht an nichts. - (Breindl 2006, (1a,b,e)) Auch die Ersetzbarkeit von Präpositionalphrasen mit reinen Adverbien (z. B. dort) und die satzförmige Realisierung durch einen dass-Satz und ein Pronominaladverb (z. B. dadurch, dass …) illustrieren dieses Problem. Wie man in (78) beobachten kann, verhält sich das Kausaladverbial durch lautes Klatschen in (78a) bezüglich der Pronominalisierbarkeit und der satzförmigen Realisierung wie ein Verbargument, denn das gleiche Verhalten weist die Präpositionalphrase auf Weihnachten in (78b) auf, die ein Argument von sich freuen ist. Das Adverb dort ist als Ersetzung für ein Kausaladverbial nicht möglich, während die satzförmige Realisierung des präpositional 38 Für die Übersicht der Eigenschaften der Präpositionalobjekte im Vergleich zu Adverbialen, der möglichen Unterscheidungstests und ihre Diskussion vgl. die ausführliche Darstellung in Storrer (1992), für eine kurze Zusammenfassung vgl. Breindl (2006). <?page no="68"?> Argumente, Modifikatoren und atelische an-Phrasen 68 kodierten Sachverhalts zulässig ist. Das Lokaladverbial in der Küche in (78c) ist hingegen durch dort ersetzbar und erlaubt keine satzförmige Alternative. (78a) Mia weckte Ben durch lautes Klatschen. *dort/ dadurch, dass … (78b) Mia freute sich auf Weihnachten. *dort/ darauf, dass … (78c) Mia telefonierte in der Küche. dort/ *darin, dass … Der Unterschied zwischen Präpositionalobjekten und Adverbialen, die nicht eine lokale oder temporale Bedeutung haben, ist anhand der gängigen Tests oft nicht zu bestimmen. Die Überführbarkeit in einen Nebensatz ist generell kein trennscharfes Kriterium für die Abgrenzung zwischen Argumenten und Modifikatoren. Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997, S.-1371) merken dazu an, dass modale, kausale und finale Präpositionalphrasen unabhängig von ihrem Status mit einem Pronominaladverb ersetzbar und in einen Nebensatz überführbar sind. Das finale für erfüllt beispielsweise eine Argumentrolle in (79a) und eine Modifikatorrolle in (79b). In beiden Fällen ist die Ersetzung durch ein Pronominaladverb mit einem angeschlossenen Nebensatz möglich. (79a) Er kämpfte/ setzte sich ein dafür, daß etwas geändert wird. (79b) Wir haben diesen Verein dafür gegründet, daß etwas geändert wird. (Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997, S.-1371, (12)-(13)) Das Hauptproblem der üblichen Testverfahren besteht in der generellen Schwierigkeit, syntaktische Korrelate für die Bestimmung des Argumentstatus einer Konstituenten zu finden. Engelberg (2000, S.-88) bezeichnet das als Problem einer syntaktisch basierten Argumentbestimmung, denn nicht jeder syntaktische Unterschied entspricht einem Unterschied auf semantischer Ebene. Das Problem einer syntaktisch basierten Argumentbestimmung kann am Kriterium der Obligatorik illustriert werden, vgl. dazu z. B. Engelberg (2000, S.-86), Welke (2011, S.-49 f.). Phrasen können auf syntaktischer Ebene weggelassen werden, auch wenn sie eine Argumentstelle des Prädikats füllen. Das Akkusativobjekt beim Verb essen bzw. die auf-Phrase bei warten in (80) erfüllen jeweils eine Argumentrolle, müssen aber nicht notwendigerweise realisiert werden. (80a) Mia isst (einen Kuchen). (80b) Mia wartet (auf den Bus). Eine strikte Abgrenzung zwischen Argumenten und Modifikatoren im präpositionalen Bereich ist also aus verschiedenen Gründen schwierig. <?page no="69"?> Verfahren zur Argumentstatusermittlung 69 3.3.1 Kriterienbasierte Argumentbestimmung Für die flexiblere Modellierung der Übergänge wurden die sogenannten eindimensionalen Valenzmodelle, die von einer binären Unterscheidung ausgehen, durch mehrdimensionale Modelle ersetzt, die auf den Vorschlag von Jacobs (1994b) zurückgehen. 39 Die mehrdimensionalen Valenzmodelle nehmen eine synchrone Wirksamkeit von mehreren Valenzbindungsrelationen an, die nicht alle gleichzeitig realisiert werden müssen. Dadurch kann ein Kontinuum zwischen eindeutig autonomen Präpositionalphrasen in Adverbialfunktion und klar lexikalisierten Präpositionalobjekt-Fällen modelliert werden. Im Einklang mit dieser Idee formuliert Engelberg (2007) mit (I) und (II) zwei Hauptkriterien für valenzabhängige Konstituenten. (I) grammatisches Kriterium: Die morphosyntaktische Form der Konstituente bzw. ihre syntaktische Funktion ist nicht (vollständig) vorhersagbar, sondern wird vom valenztragenden Prädikat festgelegt. (II) semantisches Kriterium: (a) Der semantische Beitrag, den die Konstituente leistet, wird partiell vom valenztragenden Prädikat festgelegt. (b) Die grammatische Form oder syntaktische Funktion der Konstituente ist in der Regel mit keinem eigenständigen Bedeutungsbeitrag verbunden. (vgl. Engelberg 2007, S.-12) Nach diesen Kriterien erweist sich z. B. die Dativ-Nominalphrase beim Verb helfen als Argument. Dass helfen einen Dativ fordert (im Unterschied etwa zu unterstützen, das mit Akkusativ vorkommt), sei eine grammatische Eigenschaft des Verbs (Kriterium-I). Das Verb helfen legt auch die semantische Rolle des Dativpartizipanten fest, der einen Nutznießer der verbalen Handlung bezeichnet (Kriterium-IIa). Eine Dativ- Nominalphrase verfügt zudem über keinen eigenen Bedeutungsbeitrag, ihre Rolle wird vom Verb festgelegt (Kriterium-IIb). Engelberg (2007, S.- 18 f.) wendet diese Kriterien auf die atelischen an-Phrasen an und kommt zum Schluss, dass sie sowohl argumenthafte als auch modifikatorähnliche Eigenschaften aufweisen. Beim grammatischen Kriterium geht es darum, ob das Vorkommen von an-Phrasen als idiosynkratisch oder als regelhaft einzustufen ist. Da die Distribution der an-Konstruktion weitgehend vorhersagbar ist, ist dieses Kriterium nach Engelberg nicht erfüllt. Beim ersten Teil des semantischen Kriteriums-(IIa) geht Engelberg davon aus, dass die semantische Rolle der an-Phrase und des Akkusativobjekts die gleiche ist und dass sie vom Verb festgelegt ist. Bei nähen beispielsweise bezeichnen sowohl die an-Phrase als auch das Akkusativobjekt das 39 Vgl. dazu Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997, S.- 1030-1043), Engelberg (2000, S.- 115-120), Zifonun (2003, S.-369), Breindl (2006, S.-947 f.), Ágel/ Fischer (2010), Höllein (2019, S.-53). <?page no="70"?> Argumente, Modifikatoren und atelische an-Phrasen 70 Produkt des Nähens. Der erste Teil des semantischen Kriteriums gilt somit als erfüllt. Der zweite Teil des semantischen Kriteriums- (IIb) ist nicht erfüllt, da die an- Phrasen nach Engelberg eine eigene Bedeutung haben: Sie tragen dazu bei, dass das vom Verb bezeichnete Geschehen als partitivisch-progressiv interpretiert wird. Im Ansatz von Engelberg (2007) ist der erfüllte zweite Teil des semantischen Kriteriums also das einzige Indiz für den Argumentstatus atelischer an-Phrasen. Die Rollenfrage, ob der Referent des Nomens in der an-Phrase und der Referent des Akkusativobjekts über die gleiche Relation in das Ereignis eingebunden sind und ob diese- Rolle vom Verb festgelegt wird, wird jedoch unterschiedlich behandelt (vgl. Abschn.- 2.2). Während Filip (1999) und Engelberg (2007) ein und dieselbe semantische Rolle für die an-Phrase und das Akkusativobjekt annehmen, geht Krifka (1989a) davon aus, dass es unterschiedliche semantische Rollen sind. Die Partitiv- Patiens-Rolle, die den Referenten der an-Phrase mit dem verbalen Ereignis verbindet, ist nach Krifka nicht durch das Verb bestimmt, sondern wird durch die lexikalische Ableitungsregel beigesteuert, vgl. (31). Insgesamt ist es angesichts der in Abschnitt-2.2 vorgestellten Befunde zweifelhaft, dass die semantische Rolle der an- Phrase vom Verb festlegt ist: Die Unterschiede in den Selektionsrestriktionen und die Nicht-Austauschbarkeit der an-Konstruktion mit der transitiven Verbverwendung sprechen für unterschiedliche Rollen, die die an-Phrase und das Akkusativobjekt erfüllen, wobei die Rolle der an-Phrase nicht vom Verb bestimmt ist. Die distributionellen und die interpretatorischen Unterschiede zwischen der an-Konstruktion und der transitiven Verbverwendung werden in den Korpusstudien in Abschnitt-4.3 nachgewiesen. Räumt man auch das vermeintlich positive Ergebnis beim Rollenkriterium aus dem Weg, so ist keines der in Engelberg (2007) genannten Kriterien für den Argumentstatus von atelischen an-Phrasen erfüllt. 3.3.2 Semantische Tests für Argumenthaftigkeit Engelberg (2000, S.-85-99) schlägt als Lösung des Problems einer syntaktisch basierten Argumentbestimmung vor, dass nur solche Tests für die Unterscheidung zwischen Argumenten und Modifikatoren herangezogen werden sollen, die eindeutig den Zusammenhang zwischen der semantischen und der syntaktischen Ebene erfassen. Engelberg diskutiert vier der gängigen Tests, die grundsätzlich für die Bestimmung des Argumentstatus einer Phrase tauglich sind: Implikationstest, Akkumulierbarkeitsbzw. Iterierbarkeitstest, der geschehen-Test und das Rollenkriterium. Die Grundidee des Rollenkriteriums besteht darin, dass der semantische Beitrag von Modifikatoren unabhängig vom Verb ist, während der semantische Beitrag von Argumenten durch das Verb festgelegt wird. Das Rollenkriterium entspricht somit dem semantischen Kriterium aus Engelberg (2007, S.-18), das ich bereits diskutiert habe und das die atelischen an-Phrasen als Modifikatoren ausweist. Ich gehe im Folgenden auf den Implikationstest, den Akkumulierbarkeitstest und den geschehen-Test genauer ein. <?page no="71"?> Verfahren zur Argumentstatusermittlung 71 Der Implikationstest Der Implikationstest besagt, dass nur solche Entitäten als Argumente zu betrachten sind, die durch die Verbbedeutung impliziert sind. Nur für diese Entitäten ist auf semantischer Ebene eine Argumentvariable anzusetzen (Engelberg 2000, S.-90). Wendet man den Implikationstest auf das Verb essen an, so sieht man, dass das Akkusativobjekt in (81a), aber nicht die konzessive Präpositionalphrase in (81b) in der Verbbedeutung angelegt ist. Ein grundsätzliches Problem des Implikationskriteriums besteht jedoch darin, dass es auch solche Phrasen als Argumente ausweist, die nicht als zugehörig zur Verbbedeutung einzustufen sind. Dies ist beispielsweise bei den lokalen und temporalen Angaben der Fall. Situationszeit und -ort, die durch lokale und temporale Phrasen ausgedrückt werden, sind aus der Ereignisbeschreibung nicht wegzudenken: Ereignisse sind raum-zeitliche Entitäten, sodass der Implikationstest alle lokalen und temporalen Modifikatoren wie in (81c) als impliziert ausweist. 40 (81a) Das Kind isst. → Das Kind isst etwas. (81b) Das Kind isst. ↛ Das Kind isst trotz eines Umstandes. (81c) Das Kind isst. → Das Kind isst an einem Ort/ zu einer Zeit. Engelberg schließt daraus, dass das Implikationskriterium nicht verlässlich für die Bestimmung der Argumenthaftigkeit angewendet werden kann, da es alle lokalen, temporalen und modalen Bestimmungen als Argumente ausweist. Der Akkumulierbarkeitsbzw. Iterierbarkeitstest Dieses Kriterium besteht darin, dass Modifikatoren (syntaktisch Adjunkte), aber nicht Argumente (syntaktisch Komplemente) iteriert werden können. Grund dafür ist, dass bei der Sättigung einer Komplementstelle die Projektionsebene erhöht wird. Damit geht einher, dass eine Argumentstelle nur einmal gefüllt werden kann. Der Akkumulierbarkeitstest weist die Akkusativ-Nominalphrase beim Verb schneiden in (82a) als Verbargument aus, da sie nicht iteriert werden kann. Ortsangaben wie in (82b) sind hingegen iterierbar und werden nicht als Argumente ausgewiesen. 40 Ein denkbares Gegenargument, dass lokale und temporale Phrasen nicht verbspezifisch und folglich Modifikatoren sind, ist nach Engelberg nicht gültig, denn es gibt Verben wie beherrschen oder kennen in (i), die nicht durch Lokalangaben modifizierbar sind. (ia)--*er beherrscht mehrere Fremdsprachen im Garten. (ib)--*er kennt auf dem Flughafen seinen Freund. --- (Engelberg 2000, (11)) Die Unzulässigkeit von Lokalangaben bei diesen Verben hat jedoch systematische Gründe. Sie sind stativ und referieren auf K-Zustände (Maienborn 2003a), die nur zeitlich, aber nicht räumlich verortet werden können. Insgesamt gibt es keine verlässlichen Diagnostiken, um zwischen den verbspezifischen und den ontologisch motivierten Folgerungen, die sich auf der Verbklassenebene ergeben, zu unterscheiden. Der Implikationstest ist in diesem Sinne schwer anzuwenden. <?page no="72"?> Argumente, Modifikatoren und atelische an-Phrasen 72 (82a) *Mia schneidet die Brötchen das Brot die Wurst. (82b) - Mia schneidet das Brot in der Küche unter dem Tisch. Auch dieser Test weist mehrere grundsätzliche Probleme auf. So ist die Iterierbarkeit generell auf die lokal-temporale Domäne beschränkt (Breindl 2006, S.-943), Modifikatoren aus anderen semantischen Bereichen können oft nicht iteriert werden, wie z. B. die Kausalangaben in (83). (83) *Sie fliehen aus Überzeugung wegen des Krieges. Bei lokal-temporalen Angaben kommt die Zusatzbedingung hinzu, dass einzelne Angaben in einem Verhältnis zunehmender Spezifität zueinander stehen müssen (Engelberg 2000, S.-87). In (82b) wird der Ort der ersten Angabe (in der Küche) durch die zweite Angabe weiter eingeschränkt (unter dem Tisch). Semantisch gleichwertige Ortsangaben wie in (84) wären hingegen nicht möglich. 41 (84) *Mia schneidet das Brot in der Küche im Wohnzimmer. Ein grundlegender Einwand gegen diesen Test besteht darin, dass die Unzulässigkeit der Iterierbarkeit nicht primär mit dem Argumentstatus einer Konstituente, sondern vor allem mit der Ereignisbeteiligtheit des Konstituentenreferenten zusammenhängt (Engelberg 2000, S.-87). Entitäten, die an einem Ereignis mitwirken oder davon betroffen sind, stehen in Relation der Beteiligtheit zum Ereignis. Entitäten, die ein Ereignis in diverse Umstände (lokale, temporale etc.) einordnen, sind an dem Ereignis nicht beteiligt. Ereignisbeteiligtheit und Argumenthaftigkeit sind jedoch zwei unabhängige Eigenschaften. So können Modifikatoren Ereignisbeteiligtheit aufweisen, worauf ihre Nicht-Iterierbarkeit zurückzuführen ist. Benefaktive für-Phrasen wie in (85), komitative mit-Phrasen wie in (86) und eventive mit-Phrasen wie in (87) sind beispielsweise trotz ihres Modifikatorstatus nicht iterierbar, da die jeweiligen Entitäten am verbalen Ereignis beteiligt sind. 42 (85) *Mia backt einen Kuchen für Ben für Paul. (86) *Mia spült das Geschirr mit Ben mit Paul. (87) *Ida schloss das Studium mit einer mündlichen Prüfung mit einer Projektpräsentation ab. - (nach Lukassek 2020, (4.6b)) 41 Hinzu kommt, dass die Lokalangaben eine Konstituente zu formen scheinen: Sie können gemeinsam im Vorfeld auftreten (In der Küche unter dem Tisch schneidet Mia das Brot), während die Vorfeldbesetzung durch eine der beiden Angaben zu einem fragwürdigen Ergebnis führt ( ? Unter dem Tisch schneidet Mia das Brot in der Küche). 42 Lukassek (2020, S.-132) geht von konzeptuellen Gründen aus. Eventive mit-Phrasen denotieren finale Grenzen von Ereignissen. Da es genau einen Endpunkt eines Ereignisses geben kann, sind mehrere eventive mit-Phrasen ausgeschlossen. <?page no="73"?> Verfahren zur Argumentstatusermittlung 73 Der „geschehen“-Test Phrasen mit Argumentstatus können nicht in einen geschehen-Satz ausgegliedert werden. 43 Angewandt auf das Verb warten und auf die beiden Präpositionalphrasen in (88a) weist dieser Test die auf-Phrase auf Jamaal als Argument von warten aus, vgl. (88b), und die an-Phrase mit der lokalen Bedeutung an der Haltestelle als Modifikator, vgl. (88c). (88a) - Rebecca wartet an der Haltestelle auf Jamaal. (88b) *Rebecca wartet an der Haltestelle, und das geschieht auf Jamaal. (88c) - Rebecca wartet auf Jamaal, und das geschieht an der Haltestelle. - (nach Engelberg 2000, S.-89, (9)) Bei der Anwendung des geschehen-Test muss jedoch der semantische Status der ausgegliederten Phrase beachtet werden. An der Subjektposition des Verbs geschehen können nur ereignisbezeichnende Ausdrücke vorkommen. Entsprechend beziehen sich alle Phrasen, die in einem ausgegliederten Satz an geschehen adjungiert werden, auf dieses Ereignis (Engelberg 2000, S.-89). Das hat zur Folge, dass nur solche adverbialen Präpositionalphrasen in einen geschehen-Satz ausgegliedert werden, die das Ereignis a l s G a n z e s modifizieren. Dabei bezieht sich nicht jeder Modifikator auf das Gesamtereignis. Maienborn (1996, 2001, 2003b) unterscheidet grundsätzlich zwischen drei Typen von lokalen Modifikatoren, die in (89) illustriert sind. Diese drei Typen werden an unterschiedlichen syntaktischen Positionen im Satz adjungiert, wodurch die jeweiligen Interpretationsunterschiede entstehen. Ein rahmensetzendes Adverbial in den Anden hat eine VP-externe Adjunktionsposition und modifiziert die gesamte Proposition. Der ereignisexterne Modifikator auf dem Marktplatz lokalisiert das Ereignis, was der VP-Adjunktionsposition entspricht. Schließlich hat die an-Phrase an den Ohren den Status eines ereignisinternen Modifikators: Nicht das gesamte Ereignis wird an den Ohren lokalisiert, sondern eine Entität (z. B. glühendes Eisen), die auf konzeptueller Ebene aus dem Ereignis erschlossen wird. Ereignisinterne Modifikatoren haben eine verbnahe Position und werden an die V-Ebene adjungiert. (89) In den Anden werden Schafe vom Pfarrer auf dem Marktplatz an den Ohren gebrandmarkt. (Maienborn 2001, (16)) Ereignisinterne Modifikatoren können nicht in einen geschehen-Satz ausgegliedert werden, vgl. (90), da sie nicht das gesamte Ereignis modifizieren, sondern einen 43 Für die Ausgliederung einer Konstituente werden neben dem Verb geschehen auch die Verben tun, machen oder auch sein eingesetzt. Ich gehe hier nur auf geschehen ein, da es durchaus semantische Unterschiede zwischen den einzelnen Prädikaten gibt und die Testergebnisse unterschiedlich ausfallen können, vgl. Storrer (1992, S.-63, 77, 85-87, 216-225) und Engelberg (2000, S.-92-96) für die Diskussion. <?page no="74"?> Argumente, Modifikatoren und atelische an-Phrasen 74 Teilaspekt des Ereignisses. Mit der auf-Phrase in (90a) wird die Unterschrift von Mia lokalisiert. Der Modifikator in Stiefeln in (90b) wird präferiert so interpretiert, dass sich Mias Füße in den Stiefeln befinden. (90a) *Mia hat den Vertrag unterschrieben, und das geschah auf der letzten Seite. (90b) *Mia hat geschlafen, und das geschah in Stiefeln. Der geschehen-Test liefert bei den atelischen an-Phrasen ein ungrammatisches Ergebnis, vgl. (91). Das liegt daran, dass atelische an-Phrasen syntaktisch und semantisch als ereignisinterne Modifikatoren zu analysieren sind. In Abschnitt-5.1.1 gehe ich ausführlicher darauf ein. (91a) *Mia hat gegessen, und das geschah an einem Apfel. (91b) *Mia hat genippt, und das geschah an einem Espresso. (91c) *Mia hat gemalt, und das geschah an einem Bild. Aus dem Status von an-Phrasen als ereignisinterne Modifikatoren erklärt sich ihr Verhalten hinsichtlich der Pronominalisierbarkeit und der Erfragbarkeit. Die Beispiele in (92) zeigen, dass atelische an-Phrasen mit dem Pronominaladverb daran, aber nicht mit dem Lokaladverb dort austauschbar sind und durch das wo-Fragewort nicht erfragt werden können. Dieses Verhalten ist zwar typisch für Verbargumente, vgl. (93), liegt aber oft bei ereignisinternen Modifikatoren vor, vgl. (94) (Maienborn 2003b, S.-482 f.). Ereignisinterne Modifikatoren beziehen sich auf einen internen Ereignisaspekt und erhalten oft eine funktionale Interpretation. Sie werden als Angaben der Art und Weise, als Instrumente usw. gedeutet, deswegen können sie nicht mit einem Lokaladverb ausgetauscht werden oder durch das wo-Fragewort erfragt werden. Ereignisexterne Modifikatoren wie in (95) lokalisieren hingegen das gesamte Ereignis und weisen ein komplementäres Verhalten auf (vgl. auch die Überlegungen zu den Beispielen (78)-(79), die auf Probleme des Pronominalisierbarkeitskriteriums aufmerksam machen). (92) - Mia schreibt an einem Buch. atelische an-Phrase (92a) - Mia schreibt daran/ *dort. (92b) *Wo/ Woran schreibt Mia? (93) - Mia wartet auf den Bus. Argument (93a) - Mia wartet darauf/ *dort. (93b) *Wo/ Worauf wartet Mia? (94) - Mia rührt in der Suppe. ereignisinterner Modifikator (94a) - Mia rührt darin/ *dort. (94b) *Wo/ Worin rührt Mia? <?page no="75"?> 75 Zwischenfazit zum Status von an-Phrasen (95) Mia wartet an der Haltestelle. ereignisexterner Modifikator (95a) Mia wartet *daran/ dort. (95b) Wo/ *Woran wartet Mia? Fazit In Abschnitt- 3.3 wurden Verfahren zur Abgrenzung von Argumenten und Modifikatoren diskutiert. Das Ziel war dabei, trotz des Problems einer syntaktisch basierten Argumentbestimmung (Engelberg 2000, S.- 88) sprachliche Diagnostiken zu identifizieren, die für die Bestimmung des Argumentstatus einer Konstituente verwendet werden können. Zunächst wurden das grammatische und das semantische Kriterium aus Engelberg (2007) vorgestellt (Abschn.-3.3.1). Beide Kriterien weisen atelische an-Phrasen nicht als Argumente aus, da ihre Distribution weitgehend vorhersagbar ist und ihnen ein eigenständiger, vom Verb unabhängiger Bedeutungsbeitrag zugeschrieben werden kann. Anschließend wurden in Abschnitt- 3.3.2 vier der gängigen Diagnostiken diskutiert, die nach Engelberg (2000) grundsätzlich für die Bestimmung des Argumentstatus eingesetzt werden können: der Implikationstest, der Akkumulierbarkeitstest, der geschehen-Test und das Rollenkriterium. Der Implikationstest und der Akkumulierbarkeitstest weisen grundlegende Probleme auf und sind für die Bestimmung des Argumentstatus generell nicht anwendbar. Das Rollenkriterium kann bei atelischen an-Phrasen als erfüllt gewertet werden, denn sie sind mit einem eigenständigen Bedeutungsbeitrag verbunden. Der geschehen- Test kann auf atelische an-Phrasen nicht angewendet werden, da sie ereignisinterne Modifikatoren sind und ein geschehen-Satz den Bezug auf das gesamte Ereignis herstellt. 3.4 Zwischenfazit zum Status von an-Phrasen Dieses Kapitel beschäftigte sich mit der Einordnung von atelischen an-Phrasen im binär aufgeteilten Argument-Modifikator-Bereich. Der Ausgangspunkt der Überlegungen war die in Abschnitt-3.1 eingeführte Kontroverse zwischen zwei Annahmen, die in der einschlägigen Literatur vertreten sind: die Bedeutungslosigkeit von regierten Präpositionen einerseits und die Bedeutungshaltigkeit von an andererseits bei gleichzeitiger Anerkennung des Argumentstatus für atelische an-Phrasen. In Abschnitt-3.2 wurden Modellierungsoptionen für Präpositionen in (nicht-)regierten Verwendungen diskutiert sowie Argumente gegen die pauschale Annahme der Bedeutungslosigkeit von regierten Präpositionen vorgestellt. Für die atelische an- Konstruktion erweist sich die Modifikatoranalyse als eine plausible Option, denn sie liefert die erforderliche Generalisierungsebene: Die Zulässigkeit der atelischen an- Konstruktion soll nicht als eine idiosynkratische Eigenschaft bei jedem Verb vermerkt werden. Die Modifikatoranalyse erlaubt zudem eine explizite Modellierung <?page no="76"?> Argumente, Modifikatoren und atelische an-Phrasen 76 der Präpositionssemantik: Das atelische an wird wie andere bedeutungshaltige Präpositionen als ein relationales Element analysiert. Schließlich wurden in Abschnitt-3.3 Verfahren für die Bestimmung des Argumentstatus einer Konstituente diskutiert. Auch wenn die Anwendung der üblichen Tests und Kriterien problematisch ist, weisen die anwendbaren Diagnostiken atelische an-Phrasen nicht als Verbargumente aus. Das zentrale Ergebnis des Kapitels besteht folglich darin, dass die Modifikatoranalyse für atelische an-Phrasen plausibel und theoretisch vorteilhaft ist. Die lexikografische Studie in Abschnitt-3.1 hat zudem die lückenhafte Erfassung der an-Konstruktion in Verb- und Präpositionswörterbüchern und Grammatiken aufgezeigt. Dem Desiderat, die an-Konstruktion korpuslinguistisch zu untersuchen, gehe ich im nächsten Kapitel nach. <?page no="77"?> Zwischenfazit zum Status von an-Phrasen 77 4. KORPUSSTUDIEN ZUR ATELISCHEN AN-KONSTRUKTION Abstract In diesem Kapitel- wird die atelische an-Konstruktion in aufeinander aufbauenden Korpusstudien umfassend untersucht. Es werden deskriptive und statistische Assoziationsmaße sowie Verfahren zur Verbklassifikation diskutiert. Weiterhin werden die Selektionspräferenzen der Verben in der an-Konstruktion und in der transitiven Struktur distributionell verglichen. Abschließend werden die Verbverwendungen in der an-Konstruktion, in der transitiven und in der intransitiven Struktur auf die metaphorische Interpretation untersucht. Die Ergebnisse der Korpusstudien sprechen gegen die bisher aufgestellten aspektuellen Ableitungsanalysen, die der Inkrementalität eine zentrale Rolle zuschreiben. Inkrementelle Verben sind in der an-Konstruktion weniger prominent, während iterative manner-Verben wie feilen oder nippen eine starke Assoziation mit der an- Konstruktion haben. Der Unterschied zwischen der an-Konstruktion und der transitiven Verbverwendung geht über die aspektuelle Interpretation hinaus: Das Selektionsverhalten der Verben unterscheidet sich (teilweise sehr stark) in den beiden Strukturen. In der an- Konstruktion werden die Verben insgesamt häufiger metaphorisch interpretiert als in der (in)transitiven Struktur. Insgesamt liefert dieses Kapitel einen methodischen Beitrag für die korpusbasierte Erforschung von vermeintlichen Argumentalternationen. Die Diskussion von aspektuellen Ableitungsanalysen in Kapitel-2 hat gezeigt, dass eine empirische Basis für die theoretischen Überlegungen zur an-Konstruktion fehlt. Die Ausführungen in Filip (1989, 1999) und Krifka (1989a, 1989b, 1992) basieren ausschließlich auf introspektiven Urteilen und konstruierten Beispielen. Engelberg (1994b, 2000, 2007) stützt seine Argumentation nur mit einzelnen Korpusbelegen. Auch die lexikografische Studie in Abschnitt-3.1 hat aufgezeigt, wie lückenhaft und unvollständig die an-Konstruktion in den präpositions- und verbzentrierten Ressourcen abgedeckt ist. Eine umfassende, datenbasierte Beschreibung der an-Konstruktion ist jedoch nötig, um auf der Basis empirischer Evidenz die bisher geltenden aspektuellen Ableitungsanalysen auf den Prüfstand zu stellen. Mit Laptieva (2019) liegt die erste korpusbasierte Studie zur an-Konstruktion vor. Allerdings wird darin eine vergleichsweise kleine Auswahl von 20 Prädikaten untersucht und es werden lediglich deskriptive Ergebnisse vorgestellt. Dieses Kapitel untersucht Forschungsfrage (I) Korpusmethoden, stellt methodische Schritte für die korpusbasierte Untersuchung der atelischen an-Konstruktion vor und schafft eine empirische Basis für die semantische Analyse. (I) Mit welchen korpusbasierten Methoden und Maßen kann die atelische an-Konstruktion untersucht werden? (i) Wie findet man die atelische an-Konstruktion in den Korpusdaten? <?page no="78"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 78 (ii) Welche Verben und Verbklassen sind in der atelischen an-Konstruktion prominent? (iii) Wie können verbale Selektionspräferenzen und die Verbinterpretation in der an-Konstruktion sowie in der transitiven und in der intransitiven Struktur untersucht und verglichen werden? Das Kapitel behandelt Teilfragen (i) - (iii) und ist dreiteilig aufgebaut. Abschnitt-4.1 ist Teilfrage (i) gewidmet. Es wird die empirische Datenbasis vorgestellt sowie ein Reduktionsverfahren beschrieben, wie irrelevante an-Verwendungen wie Frankfurt am Main oder am Sonntag in den Daten identifiziert und im Voraus ausgeschlossen werden können. In Abschnitt- 4.2 stehen mit Teilfrage (ii) die Verben in der atelischen an-Konstruktion im Mittelpunkt. Zunächst wird eine Liste von Verben erstellt, die die atelische an-Konstruktion zulassen. Dann werden Maße der Assoziationsstärke zwischen den Verben und der an-Konstruktion diskutiert. Abschließend gehe ich darauf ein, wie man die Verbklassen identifizieren kann, die eine zentrale Rolle in der atelischen an-Konstruktion spielen. Abschnitt-4.3 widmet sich Teilfrage (iii) . Um die verbalen Selektionspräferenzen und die Verbinterpretation in den jeweiligen Strukturen zu erfassen, werden einerseits distributionelle Methoden eingesetzt. Andererseits werden die Verbverwendungen manuell als wörtlich (konkret) bzw. nicht-wörtlich (metaphorisch, übertragen) annotiert. 4.1 Identifikation der an-Konstruktion im Korpus Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit Teilfrage (i) . Die Suche nach der atelischen an-Konstruktion in einem Korpus, das nicht mit semantischen Merkmalen annotiert ist, ist keine triviale Aufgabe. Zunächst wird ein Reduktionsverfahren vorgestellt, das irrelevante an-Verwendungen aus den Daten ausschließt und die manuelle Datendurchsicht erleichtert. Anschließend wird anhand einer Zufallsstichprobe die Häufigkeit der atelischen an-Konstruktion ermittelt und eine erste Überblicksdarstellung der an-Konstruktion vorgestellt. (i) Wie findet man die atelische an-Konstruktion in den Korpusdaten? 4.1.1 Datenbasis Das Deutsche Referenzkorpus (DeReKo) enthält die weltweit größte Sammlung geschriebener deutschsprachiger Texte. Die Korpusgrundlage für meine Untersuchung bildet eine aus DeReKo gezogene Stichprobe, die im Rahmen des Projekts „Verben und Argumentstrukturen“ am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) erstellt wurde (vgl. auch Engelberg 2019). Diese allgemeine DeReKo-Stichprobe bezeichne ich als Untersuchungskorpus. Das Untersuchungskorpus enthält Pressetexte aus dem Zeitraum 1991-2012, die aus den drei deutschsprachigen Ländern stammen <?page no="79"?> Identifikation der an-Konstruktion im Korpus 79 (Deutschland, Österreich und Schweiz). Die Textproportionen sind relativ zur Bevölkerungsgröße gewichtet und innerhalb der drei Staaten nach der Auflagenhöhe der Quellen stratifiziert. Die Größe des Untersuchungskorpus beträgt 606.200.663 laufende Wortformen. 44 Das Untersuchungskorpus wurde mit dem TreeTagger wortartenannotiert (Schmid 1994). Für die weitere Bearbeitung und Datenmanipulation wurde die IMS Open Corpus Workbench (CWB) eingesetzt. 45 Die CWB ist eine Korpusanalyse-Software, die einen flexiblen und einfachen Umgang mit Korpusdaten bietet. Die CWB hat mehrere Vorteile. Erstens werden die Korpusabfragen in der ausdrucksmächtigen Syntax der CQP-Abfragesprache formuliert (CQP steht für Corpus Query Processor). Zweitens ist es möglich, die Zwischenergebnisse der Korpussuche als Subkorpora zu speichern. Die Subkorpora können anschließend durch Mengenoperationen wie Vereinigung, Bildung der Schnittmenge usw. manipuliert werden. Drittens kann man CWB-Makros definieren, die einzelne Schritte bei der Korpussuche (Abfragen, Mengenoperationen auf Subkorpora, Einlesen von Wortlisten usw.) in Form von Anweisungen kombinieren. Bei der Suche nach semantischen Mustern in den Korpora, die nicht mit Bedeutungsmerkmalen annotiert sind, bestehen grundsätzlich zwei Optionen. Einerseits kann man eine verbbasierte Vorgehensweise verfolgen und sich von Anfang an auf eine Liste der zu analysierenden Verben beschränken. Andererseits kann man von der zu untersuchenden Konstruktion ausgehen. In der verbbasierten Vorgehensweise werden für jedes Verb Stichproben gezogen. Anhand von Stichproben wird untersucht, ob bzw. wie häufig das jeweilige Verb in der Zielverwendung vorkommt (vgl. z. B. Proost 2009). Um die Präzision der Suchergebnisse zu verbessern, können die Abfragen restringiert werden. Oft wird der Abstand zwischen zwei Suchelementen verringert oder die Reihenfolge der Suchbegriffe wird festgelegt (vgl. z. B. Engelberg 2015a). Bei der atelischen an-Konstruktion ist eine solche Restriktion nicht zielführend, denn lokale und temporale Präpositionalphrasen lassen sich nach nähe- oder abfolgebasierten Kriterien nicht ausschließen, vgl. (96). Eine verbbasierte Vorgehensweise eignet sich zudem nicht, um die allgemeine Häufigkeit der an-Konstruktion zu ermitteln. Diese Kennzahl braucht man aber für die Berechnung der Assoziationsstärke zwischen den Verben und der atelischen an-Konstruktion. (96) Mia hat {am Schreibtisch/ am Montag/ am Entwurf} geschrieben. 44 Zum IDS-Projekt „Verben und Argumentstrukturen“ vgl. www.ids-mannheim.de/ en/ lexik/ verbenund-argumentstrukturen (Stand: 24.3.2022). 45 Zur IMS Open Corpus Workbench vgl. http: / / cwb.sourceforge.net (Stand: 24.3.2022). <?page no="80"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 80 Geht man hingegen von der Zielverwendung aus, wird das zu untersuchende Phänomen basierend auf Formmerkmalen exhaustiv im Korpus ermittelt (Stefanowitsch/ Gries 2003; Gilquin 2013; Perek 2014, 2015). Dadurch wird die Gesamtfrequenz des Phänomens bekannt, die für die quantitativen Berechnungen notwendig ist. Für die Identifikation der atelischen an-Konstruktion in den Korpusdaten fängt man mit der Präposition an. Sucht man aber nach an in einem Korpus, findet man nicht nur die atelische an-Konstruktion. Eine Lösung, die in Zeschel (2015) vorgeschlagen wird, setzt auf Reduktion der Ausgangsdatenmenge. Falsche Positive, also irrelevante Verwendungen des Zielelements, werden im Voraus ausgeschlossen. Zeschel erstellt eine Datenbasis von einer Million Treffern für die Präposition vor. Anschließend werden Ausschlusskontexte definiert. Ist man an verbal angebundenen vor-Phrasen interessiert, können vor-Treffer ausgeschlossen werden, in denen vor z. B. als Teil einer Mehrworteinheit (nach wie vor) oder als Verbpartikel (es kommt vor) fungiert. Durch den Ausschluss von irrelevanten Treffern wird die Ausgangsdatenmenge reduziert und der manuelle Bearbeitungsaufwand erleichtert. Diese Vorgehensweise bietet sich bei der Untersuchung der atelischen an-Konstruktion an. Aus dem Untersuchungskorpus wurde zunächst eine Stichprobe von einer Million an-Treffern gezogen, die ich im Weiteren als an-Korpus bezeichne. Das an- Korpus enthält eine Million an-Treffer, was 993.911 Sätzen mit mindestens einem Vorkommen von an entspricht. Als Suchabfrage für die Erstellung des an-Korpus wurden verschiedene Oberflächenformen von an (an, ans, anner, am) mit optionaler Großschreibung des ersten Buchstaben verwendet. Das Untersuchungskorpus (die allgemeine DeReKo-Stichprobe) enthält 4.691.485 an-Treffer, was 4.245.974 Sätzen entspricht. Das an-Korpus umfasst somit ca. ein Fünftel der an-Daten im Untersuchungskorpus (21% der Treffer bzw. 23% der Sätze). 46 Um die Anzahl von irrelevanten an-Verwendungen zu schätzen, wurde zunächst eine Zufallsauswahl von 1.000 an-Treffern aus dem an-Korpus gezogen. In diesen Daten wurde die Funktion von an annotiert. Die Ergebnisse sind in Tabelle-3a dargestellt. In 54% der Fälle kommt an als Teil einer verbal angeschlossenen Präpositionalphrase vor. Bei den restlichen 46% handelt es sich um nominal angeschlossene an-Phrasen (Interesse an der Geschichte), an als Verbpartikel (Schreiben sie uns an! ), an als Teil einer Mehrworteinheit (von Anfang an, an und für sich), eines Ortsnamens (Frankfurt an der Oder) usw. Verbal angeschlossene an-Phrasen wurden im nächsten Schritt nach ihrer Bedeutung annotiert. Die Ergebnisse in Tabelle- 3b zeigen, dass 46 Das an-Korpus wurde neben weiteren Millionen-Korpora für andere Präpositionen im Projekt „Verben und Argumentstrukturen“ erstellt. Alle weiteren Korpusmanipulationen sind von mir vollzogen. Die Beachtung aller möglichen Oberflächenformen von an ist dadurch bedingt, dass das an-Korpus als Untersuchungsgrundlage auch für andere an-Verwendungen eingesetzt wird. <?page no="81"?> Identifikation der an-Konstruktion im Korpus 81 lokal-temporale an-Phrasen 55% der verbal angeschlossenen an-Phrasen ausmachen (295 von 536). Funktion von an PP, Verbanbindung 536 54% PP, Nomenanbindung 236 24% Partikel 112 11% Mehrworteinheit 40 4% NP-Einbettung 24 2% Superlativ 20 2% Sonstiges 11 1% Eigennamen u. Ortsnamen 9 1% Ambig 7 1% Unvollständiger Beleg 5 1% Bedeutung von an Lokal 53 10% Temporal 242 45% Sonstige 241 45% Gesamt 1.000 100% Gesamt 536 100% (a)--Allgemeine Verteilung im Korpus (b)--an-Phrasen bei Verbanbindung Tab. 3: Funktionen von an in einer Zufallsauswahl von an-Treffern In 241 von 1.000 an-Treffern (24%) fungiert an als Kopf einer verbal angeschlossenen Präpositionalphrase, die keine lokal-temporale Bedeutung hat. 76% der an-Treffer haben keinen Verbbezug oder sind Bestandteile von lokal-temporalen Phrasen. Diese an-Treffer sind nicht relevant und können ausgeschlossen werden. Unter der Annahme, dass man die nicht-relevanten an-Verwendungen durch Wortlisten und Abfragen in den Daten identifizieren kann, verläuft hier die Grenze für das regelbasierte Reduktionsverfahren. Allerdings können viele an-Treffer nicht per se als eindeutig relevant oder irrelevant eingestuft werden. Die an-Phrase an der Kirche kann z. B. einen Ort angeben, vgl. (97a), oder Teil der atelischen an-Konstruktion sein, vgl. (97b). (97a) Mia hat das Fahrrad an der Kirche stehen lassen. (97b) Die Stadt baut an der Kirche. Um irrelevante an-Treffer aus dem an-Korpus auszuschließen, wurde ein CWB-Makro erstellt, das komplexe Suchabfragen enthält und auf vordefinierte Listen zurückgreift. Das Ziel war dabei, irrelevante an-Treffer möglichst genau zu identifizieren. In den Daten sollten nur solche an-Treffer bleiben, in denen an als Teil einer verbal angeschlossenen Präpositionalphrase ohne lokal-temporale Bedeutung vorkommt. Die einzelnen Reduktionsschritte orientieren sich an Zeschel (2015). Zusätzlich zu den in Tabelle-3a genannten Kategorien von irrelevanten an-Verwendungen wurden z. B. auch temporale an-Phrasen ausgeschlossen (am Montag, an Ostern). Nach der Identifikation von irrelevanten an-Treffern wurde das an-Korpus von 993.911 auf 479.142 Sätze mit mindestens einem Vorkommen von an reduziert. <?page no="82"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 82 Um die Genauigkeit des Reduktionsverfahrens bezogen auf die atelische an-Konstruktion zu evaluieren, wurde eine weitere Zufallsstichprobe von 1.000 an-Treffern erstellt, die vom Reduktionsmakro als irrelevant eingestuft wurden. Diese Stichprobe wurde manuell daraufhin überprüft, ob sie Instanzen der atelischen an-Konstruktion enthält. Nur ein Vorkommen wurde fälschlicherweise ausgeschlossen. Bezogen auf die atelische an-Konstruktion erreicht das implementierte Reduktionsverfahren somit eine Genauigkeit von 0,999. Zusätzlich zu den allgemeinen Reduktionsschritten wurden in einem weiteren Schritt eindeutig identifizierbare akkusativregierende an-Phrasen ausgeschlossen, da sie in der atelischen an-Konstruktion unmöglich sind. Dabei handelt es sich unter anderem um solche an-Treffer, die die Form ans haben oder auf die ein Artikel oder Pronomen mit eindeutiger Akkusativflexion folgt (an ein/ das/ jenes/ dieses/ …). Dadurch wurde das an-Korpus von 479.142 auf 421.664 Sätze verkleinert. Das auf diese Weise reduzierte an-Korpus dient als Datengrundlage für die Untersuchung der atelischen an-Konstruktion. 4.1.2 Erster Überblick und Häufigkeit der an-Konstruktion Um die Häufigkeit der an-Konstruktion zu ermitteln und einen ersten Überblick über die atelische an-Konstruktion zu erstellen, wurde aus dem reduzierten an- Korpus eine Zufallsauswahl mit 17.000 Sätzen gezogen. Für jeden Satz wurde manuell überprüft, ob er (mindestens) ein Vorkommen der atelischen an-Konstruktion enthält. Die Korpusbelege in (98) stellen einen Datenausschnitt dar. Beide Sätze enthalten ein Vorkommen von an. In (98a) ist die Verwendung des Verbs basteln in der atelischen an-Konstruktion illustriert, in (98b) hat die an-Phrase eine lokale Bedeutung. (98a) Jara bastelt schon an der Mannschaft für die Zukunft. (Salzburger Nachrichten, 29.5.2000) (98b) Entspannter ging es am Pool weiter, hier wurden alkoholfreie Cocktails gemischt, Meerjungfrauen aus Märchenwolle gebastelt […]. (Rhein-Zeitung, 11.8.2012) Die Verbverwendungen in der atelischen an-Konstruktion, die zugleich Teil eines idiomatischen Ausdrucks sind (z. B. am Hungertuch nagen), wurden nicht als relevante Treffer gewertet. Feste Redewendungen und Idiome, die als verbalen Bestandteil eine der in dieser Arbeit untersuchten Strukturen haben, werden generell von der Analyse ausgeschlossen (vgl. den Anhang zu Annotationskriterien und zur Behandlung von Idiomen). <?page no="83"?> Identifikation der an-Konstruktion im Korpus 83 In der Zufallsauswahl mit 17.000 Sätzen ist die atelische an-Konstruktion 253 Mal belegt. 47 Mit diesem Ergebnis kann man die allgemeine Frequenz der atelischen an- Konstruktion im Untersuchungskorpus ermitteln. Zunächst ist der Anteil der atelischen an-Konstruktion an allen Sätzen mit mindestens einem Vorkommen von an zu berechnen, vgl. Berechnung-(4.1). Anteil C an an an-Sätzen-=- 253 * 421.664 -=-0,006.313.8 (4.1) 17.000 993.911 Die relative Häufigkeit der atelischen an-Konstruktion in Sätzen mit mindestens einem Vorkommen von an beträgt 0,631%. Sie ist ein seltenes Phänomen. Mit dieser Zahl kann die Gesamtfrequenz der an-Konstruktion im Untersuchungskorpus ermittelt werden. Dafür multipliziert man den Anteil der an-Konstruktion mit der Anzahl aller Sätze mit mindestens einem Vorkommen von an im Untersuchungskorpus, vgl. Berechnung-(4.2). Nach dieser Hochrechnung beträgt die Gesamtfrequenz der atelischen an-Konstruktion im Untersuchungskorpus 26.808. f-(C an )-=-0,006.313.8-*-4.245.974-=-26.808 (4.2) Die Zufallsauswahl liefert zudem einen ersten Überblick über die atelische an-Konstruktion. Tabelle-4 zeigt die Verbhäufigkeiten in der Zufallsauswahl. Das häufigste Verb ist das nicht-alternierende Verb arbeiten, das rund 56% der Belege ausmacht. An zweiter Stelle im Häufigkeitsranking kommt basteln vor. Bei den Verben, die sowohl in der an-Konstruktion als auch in der transitiven Verwendung möglich sind, dominieren basteln und feilen. Diese Verben sind in der Stichprobe häufiger belegt als schreiben oder bauen, die in einschlägigen Arbeiten im Zusammenhang mit der an-Konstruktion vorrangig diskutiert werden. Dieses Verbranking ist aufgrund der allgemeinen Verbfrequenz nicht zu erwarten, da die Verben schreiben und bauen insgesamt häufiger sind als basteln und feilen (die Gesamtfrequenzen der Verben werden in der Studie in Abschn.-4.2.2 berücksichtigt). Insgesamt fällt auf, dass iterative manner-Verben wie feilen, nippen oder knabbern, die bisher nicht beachtet wurden, quantitativ prominent sind. 47 Koordinierte Verben in einer Verbalphrase wie in (i) wurden einzeln gezählt. In der Zufallsauswahl gab es zwei Sätze mit einer Koordination in der Verbalphrase. Diese Vorgehensweise ist dadurch motiviert, dass bei Assoziationsanalysen die Samplegröße N durch die Anzahl aller Vollverben im Korpus geschätzt wird (Stefanowitsch/ Gries 2003). (i) Auch die Länder planen und bauen eifrig an ihren neuen Residenzen in Berlin […]. (Frankfurter Rundschau, 26.6.1999) <?page no="84"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 84 Verb ↑ 2 f ↓ 1 in % Verb ↑ 2 f ↓ 1 in % 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 arbeiten basteln feilen bauen nagen nippen tüfteln schreiben knabbern forschen werkeln kauen naschen nuckeln 141 23 20 11 9 7 6 5 4 3 3 2 2 2 55,7 9,1 7,9 4,3 3,6 2,8 2,4 2,0 1,6 1,2 1,2 0,8 0,8 0,8 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 saugen essen experimentieren kurieren malen manipulieren planen polieren raspeln schrauben sägen texten zimmern üben 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0,8 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4 Gesamt 253 100% Tab. 4: Verbfrequenzen in der Zufallsauswahl der atelischen an-Konstruktion Tabelle-5 zeigt die zehn häufigsten Verb-Nomen-Verbindungen, die nach dem Verbtyp in alternierende und nicht-alternierende Prädikate aufgeteilt sind. Alle drei Elemente (das Verb, das präpositionsinterne Nomen und die Präposition) sind lemmatisiert. In Tabelle-5a kommen nicht-konkrete Nomen als internes Argument von an vor, wie z. B. Konzept oder Strategie. Bei an einem Konzept feilen werden Veränderungen an einem informationellen Objekt vorgenommen, was dazu führt, dass das Verb feilen keinen physischen Prozess bezeichnen kann. Es wird im Sinne von ‚an etwas arbeiten, etwas verbessern‘ interpretiert. In der häufigsten Verb-Nomen-Verbindung an einer Mannschaft basteln wird das Verb basteln ebenfalls nicht-wörtlich interpretiert: Es geht nicht darum, eine Mannschaft im konkret-wörtlichen Sinne durch Basteln herzustellen, sondern darum, dass man an der Zusammenstellung der Mannschaft tüftelt. Das Phänomen, dass Verben in der an-Konstruktion in der übertragenen Lesart verwendet werden, kann bei mehreren Prädikaten in der Zufallsauswahl beobachtet werden. Das Verb zimmern beispielsweise, das einmal belegt ist, wird ebenfalls metaphorisch verwendet, vgl. (99). (99) Wer mag […] überhaupt noch daran denken, daß auch in New York, Paris, London, Stockholm oder Toronto an Olympia-Konzepten für 2012 gezimmert wird? (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6.11.2001) <?page no="85"?> Verben in der an-Konstruktion 85 V-N-Verbindung ↑ 2 f ↓ 1 V-N-Verbindung ↑ 2 f ↓ 1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 … 82 basteln an Mannschaft feilen an Konzept bauen an Haus feilen an Strategie nippen an Tee basteln an Auflage basteln an Aufstellung basteln an Auto basteln an Bau basteln an Bombe … üben an Stück 4 3 2 2 2 1 1 1 1 1 … 1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 … 131 arbeiten an sich arbeiten an Projekt arbeiten an Buch arbeiten an Entwicklung arbeiten an Plan arbeiten an Lösung arbeiten an Programm arbeiten an Thema arbeiten an Aufbau arbeiten an Erhalt … werkeln an Rinne 8 6 4 4 4 3 3 3 2 2 … 1 Gesamt 90 Gesamt 163 (a)--Alternierende Verben (b)--Nicht-alternierende Verben Tab. 5: Verb-Nomen-Verbindungen in der Zufallsauswahl der atelischen an-Konstruktion (lemmatisiert) Die atelische an-Konstruktion ist ein seltenes Phänomen. Das implementierte Reduktionsverfahren erleichtert zwar den manuellen Bearbeitungsaufwand, aber auch bei der Durchsicht einer großen Menge von gefilterten Daten werden nicht alle Verben gefunden, die in der an-Konstruktion möglich sind. Verben wie trinken oder schlürfen kommen z. B. in der Zufallsauswahl nicht vor. Für jedes einzelne Verb können auf diese Art und Weise nicht genügend Daten gesammelt werden. Unter den 28 Verben in Tabelle-4 fallen zwei Gruppen auf. Viele Prädikate gehören zur Klasse der Konsumverben (nippen, knabbern, kauen, nuckeln, saugen, essen, …) und der Kreationsverben (basteln, bauen, schreiben, malen, …). Bei Kreationsverben sind seltene Verben wie texten oder zimmern vertreten. Die quantitative Prominenz von Kreations- und Konsumverben legt nahe, diese Verbklassen eingehender zu untersuchen. Insgesamt wird deutlich, dass eine generelle verbklassenspezifische Auswertung der an-Daten sinnvoll ist. Um die Verben auf der Typen- und der Tokenebene zu erfassen, wird im nächsten Abschnitt eine verbbasierte Vorgehensweise verfolgt. 4.2 Verben in der an-Konstruktion Dieser Abschnitt untersucht die Verben in der atelischen an-Konstruktion und behandelt somit Teilfrage (ii) . (ii) Welche Verben und Verbklassen sind in der atelischen an-Konstruktion prominent? <?page no="86"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 86 Der anhand einer Zufallsstichprobe erstellte Datenüberblick in Abschnitt-4.1.2 zeigt, welche Fragen in den verbbasierten Studien besonders zu berücksichtigen sind. Erstens muss bestimmt werden, welche Verben in der atelischen an-Konstruktion möglich sind. Zweitens muss man die Verbfrequenz in der an-Konstruktion in Relation zu der Gesamtfrequenz des Verbs im Korpus setzen. Nur dann kann man Aussagen darüber machen, wie stark die jeweiligen Verben mit der atelischen an-Konstruktion assoziiert sind. Drittens ist zu untersuchen, welche Verbklassen in der atelischen an-Konstruktion eine prominente Rolle spielen. Diese drei Aspekte werden in den nächsten Abschnitten-4.2.1-4.2.3 untersucht. 4.2.1 Mögliche Verben finden und Daten sammeln Nachdem die Gesamtfrequenz der an-Konstruktion ermittelt wurde, geht es nun darum, die Verben in der an-Konstruktion auf der Typen- und der Tokenebene zu erfassen. Es soll einerseits eine möglichst exhaustive Liste der Verben erstellt werden, die die an-Konstruktion zulassen. Andererseits sollen Daten für die Verbverwendungen in der an-Konstruktion gesammelt werden. Datenbasis und Vorgehensweise Der Ausgangspunkt für die Identifikation der möglichen Verben sind 28 Prädikate, die in der Zufallsauswahl der an-Konstruktion belegt sind (Tab.-4). Der nächste Schritt besteht darin, diese Verbliste durch die Suche nach semantisch ähnlichen Verben zu erweitern. 48 Als erstes wurde nach Synonymen zu diesen Verben gesucht. Diese Strategie wird in der Regel in verbbasierten Studien gewählt (z. B. Proost 2009). Dafür wurde OpenThesaurus verwendet, ein online Wörterbuch, das Synonyme und Wort-Assoziationen enthält und dessen Inhalte unter einer freien Lizenz online verfügbar sind. 49 Für die Erweiterung der Verbliste wurden zudem zwei weitere Wege eingeschlagen. Erstens wurde vom Koordinationsprinzip Gebrauch gemacht. Das Koordinationsprinzip besagt, dass in der Regel nur semantisch und syntaktisch gleichartige Elemente koordiniert werden können (Schachter 1977). Einen bequemen Zugang zu den Koordinationsdaten bietet die Wortprofil-Ansicht des Digitalen Wörterbuchs der Deutschen Sprache (DWDS), mit der sich unter anderem Lexeme anzeigen lassen, die mit dem Zielwort koordiniert sind. Nach dem Koordinationsprinzip gilt, dass Verben nur mit Verben koordiniert werden, und zwar mit solchen, die eine kontextuell passende Semantik aufweisen. Koordinationsdaten können folglich genutzt werden, um an semantisch ähnliche Verben zu gelangen. In der Wortprofil-Ansicht „In Koordination mit“ für das Verb basteln werden beispielsweise folgende Verben angezeigt: malen, backen, 48 Verben, die in der an-Konstruktion nur in lokaler Lesart verwendet werden können, wie etwa ziehen, hantieren, rupfen oder zupfen, wurden nicht berücksichtigt. 49 Zu OpenThesaurus vgl. www.openthesaurus.de (Stand: 24.3.2022). <?page no="87"?> Verben in der an-Konstruktion 87 werkeln, nähen und tüfteln. 50 Zweitens wurde das grundlegende Prinzip der Distributionssemantik herangezogen: Wörter mit ähnlicher Bedeutung kommen in ähnlichen Umgebungen vor und weisen ähnliche Kookkurrenzprofile auf (Harris 1954). Um Verben zu finden, deren Kookkurrenzprofile der Ausgangsliste in Tabelle-4 ähnlich sind, wurde die Kookkurrenzdatenbank CCDB benutzt. 51 Verben, die nach der CCDB ein ähnliches Kookkurrenzprofil zu basteln aufweisen, sind unter anderem die folgenden: werkeln, malen, stricken, töpfern, nähen, feilen, weben, werken und tüfteln. Für die identifizierten Verben wurde zunächst eine introspektive Entscheidung über ihre Zulässigkeit in der an-Konstruktion getroffen. Anschließend wurde für jedes Verb, für das diese Entscheidung positiv ausfiel, eine Stichprobe von maximal 200 Sätzen aus dem reduzierten an-Korpus gezogen. 52 Vereinzelt wurden große Korpora wie das DeReKo-Gesamt oder die COW-Korpora konsultiert, um das Vorkommen des Verbs in der an-Konstruktion zu bestätigen. Die Suche in großen Korpora war dann nötig, wenn das Verb im an-Korpus nicht belegt war. Dies war der Fall, wenn das Verb an sich sehr selten ist (z. B. ziselieren) oder wenn es nur äußerst selten die an-Konstruktion zulässt (z. B. lesen). Ergebnisse und Diskussion Insgesamt konnten 125 Verbtypen identifiziert werden, die die an-Konstruktion zulassen. Davon sind 82 Verben im reduzierten an-Korpus in der an-Konstruktion belegt. Diese Verben werden in weiteren Studien der vorliegenden Arbeit eingehender untersucht. Tabelle-6 liefert die Übersicht zu den erhobenen Verbstichproben. Die Spalte „Sample“ gibt die Sample-Größe an, die Spalte „C an “ zeigt, wie oft das jeweilige Verb in der atelischen an-Konstruktion im Sample vorkommt. Während feilen in 197 von 200 der Verwendungen in der atelischen an-Konstruktion vorkommt (#1 in Tab.-6), sind essen (#60) und trinken (#80) jeweils nur durch ein Vorkommen in der an-Konstruktion belegt. Man sieht an dieser Stelle, welche Rolle das Reduktionsverfahren spielt. Für insgesamt häufige Verben, die aber nur selten in der an-Konstruktion vorkommen, ist es sehr aufwendig, ihre Verwendung in der atelischen an-Konstruktion in den Daten zu finden. Ohne den Ausschluss von irrelevanten an-Treffern wäre dieser Prozess noch aufwendiger. 50 DWDS-Wortprofil für basteln, erstellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, www. dwds.de/ wp/ basteln (Stand: 24.3.2022). 51 Die Kookkurrenzdatenbank CCDB am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache ist unter http: / / corpora. ids-mannheim.de/ ccdb (Stand: 24.3.2022) zugänglich. 52 Die CQP-Suchabfrage enthielt nur das Verblemma und wurde nicht anderweitig eingeschränkt [lemma = “basteln”] . Die Lemmata für hirnen und pröbeln waren dem TreeTagger-Modell-unbekannt, deswegen wurde nach diesen Verben durch die Flexionsformen gesucht: [word = “(ge)? hirn(st|en|ten|tet|test|e|t|st)”]. <?page no="88"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 88 Verb ↑ 2 C an ↓ 1 Sample Verb ↑ 2 C an ↓ 1 Sample 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 feilen nagen basteln nippen tüfteln arbeiten knabbern werkeln forschen stricken schrauben saugen manipulieren sägen bauen kauen nuckeln fressen kürzen lecken lutschen naschen schlecken schreiben schmieden proben puzzeln hämmern kurieren malen polieren schleifen schlürfen weben schnitzen zimmern bosseln flicken knobeln laborieren spinnen 197 171 153 144 136 113 88 76 69 69 39 36 31 24 22 21 21 12 12 10 9 9 9 9 8 7 7 6 6 6 6 6 6 6 5 5 4 4 4 4 4 200 200 200 146 152 200 151 108 200 108 136 84 93 102 200 51 23 121 183 38 19 25 20 200 75 126 12 88 25 200 22 75 39 25 25 21 4 42 7 200 42 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 werken bohren e xperimentieren knuspern nähen raspeln schaben hirnen kritzeln löffeln modellieren pinseln planen programmieren sticheln sticken texten bügeln essen flechten formen grübeln hobeln häkeln komponieren korrigieren lackieren mampfen meißeln nieten radieren rasieren schmecken schneiden schnippeln schweißen sprengen streichen trinken wienern üben 4 3 3 3 3 3 3 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 12 64 68 4 89 7 5 4 15 16 32 24 200 47 11 8 10 11 200 22 125 29 7 3 115 141 19 3 13 3 1 25 180 200 12 13 109 200 200 2 200 Gesamt 1.640 6.437 Tab. 6: Atelische an-Konstruktion in den Verb-Samples aus dem reduzierten an-Korpus <?page no="89"?> Verben in der an-Konstruktion 89 Für weitere 43 Verben in (100) wurde auf der Typenebene bestätigt, dass sie in der atelischen an-Konstruktion möglich sind. Diese Verben sind im reduzierten an-Korpus in der atelischen an-Konstruktion nicht belegt. Um die Zulässigkeit dieser Verben in der atelischen an-Konstruktion zu bestätigen, wurden einzelne Suchabfragen in großen Korpora durchgeführt. (100) backen, coden, dichten, doktern, entwickeln, frickeln, friemeln, glätten, hacken, interpretieren, kleben, kleistern, kneten, knüpfen, kochen, konstruieren, leimen, lesen, mahlen, mummeln, mümmeln, pfriemeln, pröbeln, rauchen, rechnen, reparieren, rätseln, schlucken, schmatzen, schmirgeln, schneidern, schnibbeln, schreinern, schräubeln, skizzieren, spielen, säbeln, tippen, tischlern, töpfern, zeichnen, ziselieren, zocken Laptieva (2019) berichtet über insgesamt 20 Verben, die in bisherigen Arbeiten zur an-Konstruktion diskutiert werden. Durch diese Studie wird die Liste der möglichen Verben wesentlich erweitert. Die Daten in Tabelle-6 zeigen, dass die an-Konstruktion für viele Verben eine untypische, kreative Verwendung ist. Die Verwendung der Verben in der an-Konstruktion ist noch seltener als die Zahlen in der Tabelle nahelegen, da sie nur die Verhältnisse in den reduzierten Sätzen mit an abbilden. Die Beispiele in (101) zeigen die Verwendung der Verben komponieren und üben, die jeweils nur einmal in den Samples belegt sind. Der Befund, dass die an-Konstruktion bei vielen Verben eine untypische Konstellation ist, spricht gegen den Ansatz, den atelischen an-Phrasen pauschal den Status von projizierten Einheiten zuzuschreiben. (101a) Ein dreiviertel Jahr komponierte der Tiroler Werner Pirchner an der Mammutaufgabe. (Neue Kronen-Zeitung, 14.9.1994) (101b) Da er aber zu den gnadenlosen Perfektionisten gehört, […] ist diese eiserne Disziplin (oft übt er gleich an dem Konzert noch zwei Stunden weiter) längst zum bestimmenden Charakterzug in Pogorelichs Künstlerleben geworden. (Frankfurter Rundschau, 27.3.1998) Die vorliegende Studie zeigt, dass Kreationsverben (basteln, bauen, häkeln, komponieren, kritzeln usw.) und Konsumverben (essen, fressen, kauen, knabbern, schlürfen usw.) die Verbliste dominieren. Mehrere Prädikate aus der ermittelten Liste enden zudem auf -eln/ -ern. Diese Prädikate weisen typischerweise keine inkrementelle Bedeutung auf und bezeichnen iterative Handlungen, wie etwa kritzeln oder knabbern (vgl. z. B. Weidhaas/ Schmid 2015 zu -eln-Verben). Viele der ermittelten Verben referieren auf kleinschrittige, positive Veränderungen an einem Gegenstand, wie z. B. feilen oder polieren. Viele der nicht-alternierenden Verben können als allgemeine Tätigkeitsverben bezeichnet werden. Sie legen nicht genau fest, welche Tätigkeit an einem Objekt ausgeführt wird, wie etwa arbeiten, tüfteln oder bosseln. Es fallen ins- <?page no="90"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 90 gesamt Verben auf, die eine mentale Tätigkeit bezeichnen, wie z. B. forschen, grübeln, hirnen, knobeln, puzzeln und rätseln. Bei einigen Verben handelt es sich um regionale oder umgangssprachliche Varianten, wie etwa bei frickeln, (p)friemeln, pröbeln, schräubeln oder mummeln/ mümmeln. Bei eingehender Betrachtung von inkrementellen Accomplishments, die eine zielgerichtete Zustandsveränderung ihres Thema-Arguments implizieren, fällt auf, dass nur die Kreationsverben die atelische an-Konstruktion zuzulassen scheinen. Die Gruppe der semantisch antonymen Prädikate mit Reduktionssemantik, die den sukzessiven Abbau eines Objekts bezeichnen, scheint auf Konsumverben beschränkt zu sein (vgl. *am Rasen mähen, *an der Partei spalten). Als Reduktionsverb kann das Verb rasieren betrachtet werden, das in den Daten einmal und in übertragener Bedeutung in der an-Konstruktion vorkommt, vgl. (102). (102) Daimler setzt aufgrund ebenfalls desaströser Auftragslage den Rotstift an-- und rasiert an den Gehältern. (Hamburger Morgenpost, 2.4.2009) Die Gruppe der inkrementellen Prädikate, die die an-Konstruktion zulassen, ist in Wirklichkeit auf inkrementelle Kreationsverben und Konsumverben beschränkt, wobei die letzteren eher selten in der an-Konstruktion vorkommen. Insgesamt gibt es unter den Verben in Tabelle-6 viele manner-Verben, die ein Instrument inkorporieren. Dazu gehört das bereits erwähnte Verb rasieren, aber auch bohren, hämmern, raspeln, schnippeln, säbeln, schrauben usw. Die Korpusbelege in (103) illustrieren die Verwendungen dieser Verben in der an-Konstruktion. Man beachte, dass schnippeln in (103d) nicht-wörtlich interpretiert wird. (103a) Taucher bohren an der Kursk. (Mannheimer Morgen, 23.10.2000) (103b) Nebenan hämmern Bauarbeiter mit einem Presslufthammer an der Wand einer eingestürzten Bank. Sind noch Überlebende drin? (Frankfurter Rundschau, 24.9.1999) (103c) Die Studierenden zeichnen an Grafikcomputern, fotografieren, raspeln an Modellen für Motorroller. (Tages-Anzeiger, 27.2.1998) (103d) Mit dem Umzug schnippeln die Macher auch am Musikprogramm: „Wir entfernen uns etwas vom Jazz und laden dafür mehr Soul- und Pop-Gigs zu uns ein“, sagt Malte. (Hamburger Morgenpost, 4.9.2008) Dieser Befund ist im Hinblick auf die Überlegungen zur optionalen Zweistelligkeit in Abschnitt-2.4 relevant. Die Generalisierung der optionalen Zweistelligkeit besagt, <?page no="91"?> Verben in der an-Konstruktion 91 dass nur solche Verben die atelische an-Konstruktion zulassen, die auch einstellig (agentiv) verwendet werden können. Die Unzulässigkeit der an-Konstruktion bei abgeleiteten kausativen Verben wie leeren oder trocknen wird durch diese Generalisierung ebenfalls erfasst, da sie nicht einstellig verwendbar sind. An dieser Stelle wird erneut deutlich, dass ihre Unverträglichkeit mit der an-Konstruktion nicht an ihrem abgeleiteten Status liegt. Vielmehr kommt sie daher, dass diese Verben durch ihren adjektivischen Ursprung ein Resultat spezifizieren und keine expliziten Informationen über die Art und Weise enthalten, wie die Handlung ausgeführt wird. Im Unterschied dazu legen denominale Verben wie hämmern oder bohren den Endzustand nicht fest. Sie inkorporieren ein Instrument und dadurch die Art und Weise, w i e die Handlung ausgeführt wird (Levin/ Hovav 1991). Viele Verben in Tabelle-6 kommen nur einmal in der an-Konstruktion vor. Auch die Verben sprengen (#78) und schneiden (#75) sind jeweils einmal in den Samples belegt, vgl. die Korpusbelege in (104). (104a) Jahrzehntelang sprengte, meißelte und kratzte er am Granit-- eine närrische Arbeit, an deren Erfolg kaum jemand glauben mochte. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.3.2003) (104b) Im Haus der Jugend in Montabaur marmorierten, stanzten, schnitten und dekorierten sieben Mädchen aus der Verbandsgemeinde Montabaur fleißig an ihren individuellen Freundebüchern. (Rhein-Zeitung, 22.12.2005) Die Prädikate sprengen und schneiden sind punktuelle Achievements, die in der atelischen an-Konstruktion grundsätzlich nicht möglich sind, vgl. *an der Brücke sprengen, *an der Decke schneiden. Die Einzelbelege in (104) liefern aber keine Gegenevidenz zu der Generalisierung, dass punktuelle Achievements die an-Konstruktion ausschließen (vgl. Abschn.-2.1). In diesen Beispielen sind sprengen und schneiden mit anderen Verben koordiniert, die die an-Konstruktion zulassen. Die Koordination in der Verbalphrase neutralisiert offenbar die syntaktischen und semantischen Anforderungen von einzelnen Prädikaten. Evaluation und weitere Schritte Diese Studie identifizierte eine Liste von 125 Verben, die in der atelischen an-Konstruktion möglich sind. Für 82 Verben aus dieser Liste wurden Daten für ihre Verwendung in der an-Konstruktion im reduzierten an-Korpus erhoben (Tab.-6). Diese Verben werden in weiteren Studien dieser Arbeit eingehender analysiert. Für weitere 43 Verben, die in (100) gelistet sind, wurde ihr Vorkommen in der atelischen an-Konstruktion auf der Typenebene bestätigt. <?page no="92"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 92 4.2.2 Verbverteilungen und statistische Assoziationsanalyse In diesem Abschnitt wird der Frage nachgegangen, wie man die gegenseitige Affinität der Verben und der atelischen an-Konstruktion quantitativ erfassen kann. Die quantitativen Verteilungen können durch die einfachen deskriptiven Maße erfasst werden. Aus der Verbperspektive ist anzugeben, wie häufig das jeweilige Verb in der atelischen an-Konstruktion relativ zu seinem Gesamtgebrauch vorkommt. Aus der Perspektive der atelischen an-Konstruktion ist zu berechnen, welchen Anteil das jeweilige Verb an allen Vorkommen der an-Konstruktion hat. Zusätzlich zu den beiden relativen Häufigkeiten sind statistische Maße einzusetzen, die die gegenseitige Assoziationsstärke zwischen den Verben und der an-Konstruktion messen und die Gesamthäufigkeit der Verben berücksichtigen. Datenbasis und Vorgehensweise In dieser Studie wird, wie in Abschnitt-4.2.1, die verbbasierte Vorgehensweise verfolgt. Um die benötigten Kennzahlen zu ermitteln, wurden für 82 Verben aus Tabelle-6 allgemeine Samples von bis zu 200 Belegen aus dem Untersuchungskorpus gezogen. Die Suchabfrage enthielt nur das Verblemma und wurde nicht anderweitig eingeschränkt. Die Verben aus (100), die im reduzierten an-Korpus nicht in der an-Konstruktion belegt sind, wurden von der eingehenden quantitativen Analyse ausgeschlossen, denn die Wahrscheinlichkeit, diese Verben in der an-Konstruktion in den allgemeinen Samples zu finden, ist sehr gering. Annotation der Daten Die allgemeinen Samples wurden im Hinblick auf zwei Aspekte annotiert. Erstens wurde vermerkt, wenn das jeweilige Verb in der an-Konstruktion vorkam. Es wurde die gleiche Annotation wie in den letzten beiden Studien in den Abschnitten- 4.1.2-4.2.1 durchgeführt, aber auf den allgemeinen Verbstichproben. Zweitens wurde annotiert, wenn die Suchabfrage nicht zu einem verbalen Treffer führte, sondern ein nicht-verbales Element oder ein anderes Verb lieferte. Dies war oft aufgrund der Lemmatisierungsfehler der Fall. Als Fehltreffer wurden folgende Fälle gewertet (in Klammern steht das gesuchte Lemma): Vorkommen des Verbtreffers in Partikelverben wie essen … auf ( essen ),- in- flektierten Adjektiven wie die geschriebenen Bücher ( schreiben ), in Nomen wie- in die Fresse ( fressen ), in Abkürzungen wie Nürnberg (ass) ( essen )- und in Fremdwörtern wie strikes back ( backen ) usw. Treffer, bei denen durch die Suchabfrage ein anderes homonymes Verb mit dem gleichen Lemma gefunden wurde, wurden ebenfalls als Fehltreffer annotiert. Das war beispielsweise bei folgenden Verben der Fall: spinnen/ spannen ( spinnen ), sagen/ sägen ( sägen ) und schleifen (starkes Verb)/ schleifen (schwaches Verb) ( schleifen ). Als Kriterium für die Bestimmung der homonymen Verben diente die Existenz von <?page no="93"?> Verben in der an-Konstruktion 93 jeweils eigenständigen Seiten bei Duden-Online. 53 Die vollständigen Informationen, wie die Kategorie der Fehltreffer erfasst wurde, finden sich in den Annotationsrichtlinien im Anhang. Mit der Annotation der Fehltreffer konnte ein Korrekturkoeffizient für die Gesamtfrequenz des Verbs berechnet werden, der die Fehlerrate der Lemma-Suche berücksichtigt. Der Anteil der an-Konstruktion kann dadurch relativ zu der korrigierten Verbfrequenz ermittelt werden, die nur die verbalen Treffer erfasst. Die Ergebnistabelle-7 zeigt, dass diese Korrektur notwendig ist. Die Spalte „FT“ enthält die Anzahl der Fehltreffer in den jeweiligen Samples. Die Sample-Größe ist in der Spalte „Sample“ angegeben. Die Zahl der Fehltreffer variiert je nach Verb: Während es bei feilen (#1) nur 4 Treffer sind, sind es bei schlecken (#37) 151 und bei knobeln (#28) 148 von jeweils 200 Belegen. Die Suchabfragen nach dem Lemma schlecken und knobeln lieferten oft Eigennamen (Schleck, Knobel), über 70% der Treffer enthielten-nicht das gesuchte Verb. Würde man die Fehltreffer-Korrektur weglassen, würde man die relative Häufigkeit der an-Konstruktion bei den Verben und somit auch die Assoziationsstärke mit der an-Konstruktion fälschlicherweise viel niedriger einschätzen. Die restlichen Belege wurden in dieser Studie nicht weiter klassifiziert. Um die Vorgehensweise an einem Beispiel zu verdeutlichen: Die Samplegröße für das Verb basteln (#7 in Tab.-7) beträgt 200 Treffer. Von diesen 200 Treffern wurde basteln 53 mal in der atelischen an-Konstruktion verwendet, 3 Verwendungen sind Fehltreffer, in den restlichen 144 Treffern kommt basteln in sonstigen Argumentstrukturen vor. In den Studien in Abschnitt-4.3 werden in diesen Rest-Belegen die (in)transitiven Verbverwendungen nacherhoben. Ergebnisse und Diskussion Von den 82 Verben wurden 63 in der an-Konstruktion in den allgemeinen Samples aus dem Untersuchungskorpus belegt (vgl. Tab.- 7). 54 Für diese Prädikate ist der Anteil der an-Konstruktion an ihrem Gesamtgebrauch bekannt und ihre Assoziationsstärke mit der an-Konstruktion kann berechnet werden. Relative Häufigkeiten Eine naheliegende Option für die quantitative Analyse ist die Angabe der relativen Häufigkeiten: Man berechnet einerseits die Anteile einzelner Verben an der an-Konstruktion (Konstruktionsperspektive) und andererseits den Anteil der an-Konstruktion am Gesamtgebrauch des Verbs (Verbperspektive). 53 www.duden.de (Stand: 24.3.2022). 54 19 Verben sind in den allgemeinen Samples in der an-Konstruktion nicht belegt: bohren, essen, flicken, formen, grübeln, korrigieren, kürzen, lackieren, planen, programmieren, rasieren, schleifen, schmecken, schneiden, sprengen, streichen, trinken, wienern, üben. <?page no="94"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 94 Verb ↑ 3 C an FT Sample f v f v−corr O ( E ) % v in c % c in v p -Wert ↑ 1 OR↓ 2 1 feilen 179 4 200 2.128 2.085 1.905 (1) 7,1 91,3 0,00 19.674 2 nippen 170 5 200 600 585 510 (0) 1,9 87,2 0,00 11.977 3 nagen 122 38 200 1.577 1.277 962 (1) 3,6 75,3 0,00 5.467 4 tüfteln 105 33 200 1.057 883 555 (1) 2,1 62,9 0,00 2.989 5 knabbern 81 10 200 900 855 364 (0) 1,4 42,6 0,00 1.301 6 werkeln 61 9 200 1.305 1.246 398 (1) 1,5 31,9 0,00 823 7 basteln 53 3 200 7.886 7.768 2.090 (4) 7,8 26,9 0,00 689 8 forschen 20 12 200 4.797 4.509 480 (3) 1,8 10,6 0,00 209 9 arbeiten 12 7 200 149.307 144.081 8.958 (83) 33,4 6,2 0,00 172 10 bauen 2 37 200 84.015 68.472 840 (40) 3,1 1,2 0,00 22 11 schreiben 2 14 200 130.963 121.796 1.310 (70) 4,9 1,1 0,00 20 12 nuckeln 105 1 123 123 122 105 (0) 0,4 86,1 2,26×10 −320 10.714 13 stricken 18 5 200 1.944 1.895 175 (1) 0,7 9,2 7,14×10 −314 176 14 schrauben 12 21 200 3.101 2.775 186 (2) 0,7 6,7 4,60×10 −309 125 15 kauen 23 57 200 1.223 874 141 (1) 0,5 16,1 7,35×10 −289 332 16 saugen 14 70 200 1.805 1.173 126 (1) 0,5 10,8 8,65×10 −237 209 17 sägen 18 35 200 1.219 1.006 110 (1) 0,4 10,9 1,42×10 −205 211 18 lecken 18 18 200 1.106 1.006 100 (1) 0,4 9,9 1,72×10 −182 190 19 schmieden 8 1 200 3.053 3.038 122 (2) 0,5 4,0 8,80×10 −176 73 20 manipulieren 7 7 200 3.308 3.192 116 (2) 0,4 3,6 2,35×10 −160 65 21 fressen 4 33 200 6.354 5.306 127 (3) 0,5 2,4 1,93×10 −154 43 22 lutschen 44 27 200 291 252 64 (0) 0,2 25,4 2,26×10 −147 593 23 malen 2 11 200 14.830 14.014 148 (8) 0,6 1,1 1,38×10 −128 19 24 zimmern 14 21 200 967 865 68 (1) 0,3 7,8 7,60×10 −117 146 25 weben 11 65 200 1.172 791 64 (0) 0,2 8,1 5,99×10 −113 153 26 hämmern 6 18 200 1.599 1.455 48 (1) 0,2 3,3 2,31×10 −64 58 27 naschen 11 5 200 608 593 33 (0) 0,1 5,6 1,45×10 −53 102 28 knobeln 14 148 200 317 82 22 (0) 0,1 26,9 2,87×10 −52 634 29 proben 2 6 200 5.918 5.740 59 (3) 0,2 1,0 1,12×10 −51 18 30 puzzeln 22 9 147 147 138 22 (0) 0,1 15,9 9,92×10 −47 328 31 werken 12 67 200 368 245 22 (0) 0,1 9,0 5,76×10 −41 171 32 kurieren 7 44 200 766 597 27 (0) 0,1 4,5 9,68×10 −40 79 33 nähen 3 24 200 2.437 2.145 37 (1) 0,1 1,7 1,38×10 −39 30 34 laborieren 5 3 200 1.066 1.050 27 (1) 0,1 2,5 2,32×10 −33 44 35 polieren 4 36 200 1.174 963 23 (1) 0,1 2,4 2,44×10 −29 42 36 schnitzen 4 6 200 1.247 1.210 25 (1) 0,1 2,1 1,21×10 −28 35 37 schlecken 4 151 200 778 191 16 (0) 0,1 8,2 1,62×10 −27 148 38 experimentieren 2 0 200 2.873 2.873 29 (2) 0,1 1,0 8,62×10 −25 17 39 schlürfen 5 2 200 777 769 19 (0) 0,1 2,5 8,72×10 −25 44 40 bosseln 9 52 75 75 23 9 (0) 0,0 39,1 5,87×10 −24 1.111 41 pinseln 6 10 200 482 458 14 (0) 0,1 3,2 5,99×10 −20 55 42 knuspern 8 39 74 74 35 8 (0) 0,0 22,9 2,91×10 −19 512 43 schweißen 3 127 200 811 296 12 (0) 0,0 4,1 8,70×10 −19 73 44 hobeln 9 23 200 266 235 12 (0) 0,0 5,1 4,89×10 −18 85 45 komponieren 1 7 200 5.053 4.876 25 (3) 0,1 0,5 7,33×10 −16 9 46 sticken 7 7 200 302 291 11 (0) 0,0 3,6 3,58×10 −15 62 47 meißeln 3 8 200 705 677 11 (0) 0,0 1,6 1,52×10 −11 26 48 häkeln 7 6 200 217 210 8 (0) 0,0 3,6 6,10×10 −11 60 49 schaben 4 16 64 64 48 4 (0) 0,0 8,3 2,13×10 −8 157 50 modellieren 2 4 200 880 862 9 (0) 0,0 1,0 5,86×10 −8 16 51 flechten 2 32 200 740 622 7 (0) 0,0 1,2 1,08×10 −7 20 52 raspeln 4 29 138 138 109 4 (0) 0,0 3,7 5,93×10 −7 66 53 spinnen 1 47 200 1.755 1.343 9 (1) 0,0 0,7 1,61×10 −6 10 54 hirnen 3 1 46 46 45 3 (0) 0,0 6,7 2,70×10 −6 123 55 schnippeln 4 20 200 236 212 5 (0) 0,0 2,2 8,16×10 −6 33 56 sticheln 2 0 200 576 576 6 (0) 0,0 1,0 2,53×10 −5 15 <?page no="95"?> Verben in der an-Konstruktion 95 Verb ↑ 3 C an FT Sample f v f v−corr O ( E ) % v in c % c in v p -Wert ↑ 1 OR↓ 2 57 bügeln 1 57 200 856 612 4 (0) 0,0 0,7 4,87×10 −4 11 58 löffeln 2 29 200 326 279 3 (0) 0,0 1,2 6,09×10 −4 19 59 nieten 1 10 46 46 36 1 (0) 0,0 2,8 2,06×10 −2 49 60 kritzeln 1 9 200 471 450 2 (0) 0,0 0,5 2,84×10 −2 8 61 texten 1 12 200 514 483 3 (0) 0,0 0,5 3,23×10 −2 7 62 radieren 1 33 108 108 75 1 (0) 0,0 1,3 4,25×10 −2 23 63 mampfen 1 80 200 224 134 1 (0) 0,0 0,8 7,46×10 −2 13 Tab. 7: Quantitative Analyse der atelischen an-Konstruktion (basierend auf den Verb- Samples aus dem Untersuchungskorpus) Die Anteile einzelner Verben an der an-Konstruktion sind in Tabelle-7 in der Spalte „% v in c“ dargestellt. Tabelle-8 zeigt zudem die Top-10-Verben, die in der an-Konstruktion prominent sind. Die Ergebnisse sind mit der Verbverteilung in der Zufallsauswahl der an-Konstruktion vergleichbar, die in Abschnitt- 4.1.2 beschrieben ist. 55 Die ersten drei Verben sind arbeiten, basteln und feilen, wobei arbeiten das prominenteste Verb ist. 56 Die inkrementellen Kreationsverben bauen und schreiben kommen in der Top-10-Liste vor, rangieren aber hinter basteln, das in der einschlägigen Forschungsliteratur nicht diskutiert wird. Die relative Prominenz von bauen und schreiben ist dennoch durch ihre allgemeine Häufigkeit bedingt. Auffallend ist zudem, dass abgesehen von basteln, bauen und schreiben andere inkrementelle Kreationsverben nur einen kleinen Anteil der atelischen an-Konstruktion ausmachen, so z. B. nähen oder malen. Die oft besprochenen Konsumverben essen oder trinken kommen in der an-Konstruktion kaum vor und sind in den allgemeinen Verbsamples in der an-Konstruktion nicht belegt. Der Anteil der an-Konstruktion an allen Verbverwendungen zeigt, welche Rolle die an-Konstruktion für das jeweilige Verb spielt und ist als Grad der Neigung des Verbs zu der an-Konstruktion zu interpretieren (Engelberg 2015a). Die Spalte „% c in v“ in Tabelle-7 beinhaltet diese Kennzahl für die untersuchten Prädikate. Die Top-10-Verben, bei denen der Anteil der an-Konstruktion an ihrem Gesamtgebrauch besonders groß ist, sind in Tabelle-9 dargestellt. Es ist auffallend, dass in der Top-10-Liste bis auf basteln keine inkrementellen Prädikate vorkommen: Inkrementelle Verben treten offenbar nur selten in der an-Konstruktion auf und präferieren andere Strukturen. Die Verben, bei denen die an-Konstruktion einen großen Anteil an ihrem Ge- 55 Auch wenn nicht alle Instanzen der an-Konstruktion in den Korpora ermittelt wurden, kann man in beiden Studien die Verteilung beobachten, die sich am Zipf-Gesetz orientiert: Einige Verben sind extrem häufig und viele Verben sind extrem selten (Engelberg 2015b). 56 In der Zufallsauswahl der an-Konstruktion kommt arbeiten in 55,7% der Fälle vor (Tab.-4). Basierend auf der Hochrechnung von der allgemeinen Verbstichprobe wird die Häufigkeit von arbeiten auf 32% geschätzt. Die Diskrepanz erklärt sich dadurch, dass in einem kleinen Sample (wie die Zufallsauswahl mit 253 Belegen) die Frequenz der häufigen Elemente überbewertet wird. Mit steigender Samplegröße würden neue, nicht antizipierte Typen hinzukommen. <?page no="96"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 96 samtgebrauch einnimmt, sind iterative manner-Verben, die Kontakt implizieren, wie feilen oder nippen. Verb % v in c Verb % c in v 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 arbeiten basteln feilen schreiben nagen bauen tüfteln nippen forschen werkeln 33,4 7,8 7,1 4,9 3,6 3,1 2,1 1,9 1,8 1,5 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 feilen nippen nuckeln nagen tüfteln knabbern bosseln werkeln basteln knobeln 91,3 87,2 86,1 75,3 62,9 42,6 39,1 31,9 26,9 26,9 Tab. 8: Top-10-Verben in der atelischen an-Konstruktion Tab. 9: Top-10-Verben mit einem hohen Anteil der atelischen an-Konstruktion an ihrem Gesamtgebrauch Die Beispiele in (105)-(106) illustrieren den Kontrast zwischen dem inkrementellen Verb essen und dem iterativen Verb knabbern. Beim Verb essen in (105) ist die Zulässigkeit der an-Konstruktion jeweils durch kontextuelle Faktoren unterstützt, die die atelische Interpretation begünstigen. Es wird die Dauer des Ereignisses hervorgehoben (zwei Stunden) bzw. die Größe des gegessenen Gegenstandes (an längster Praline der Welt). Das Verb knabbern in (106) bedarf hingegen keiner kontextuellen Unterstützung für die Verwendung in der an-Konstruktion. (105a) „Nachtwächter“ Adi Guckelsberger berichtete, wie ein Wiesbadener zwei Stunden an einer Brezel aß. (Rhein-Zeitung, 16.11.1998) (105b) 2.500 Familien essen an längster Praline der Welt. (Süddeutsche Zeitung, 21.2.2000) (106a) Um Mitternacht saß Rafael van der Vaart am Brünner Flughafen, knabberte an seinem Käsetoast […]. (Hamburger Morgenpost, 29.7.2005) (106b) Es ist Max, er knabbert an einer Möhre. (Berliner Zeitung, 7.7.2003) Betrachtet man schließlich das Verb arbeiten, das zwar das häufigste Verb in der an- Konstruktion ist, aber nur in 6,2% seiner Verwendungen in der an-Konstruktion auftritt (#9 in Tab.-7), so wird deutlich, dass es nicht ausreicht, nur die relativen Häufigkeiten zu beobachten. Man braucht Assoziationsmaße, die die Gesamthäufigkeiten der an-Konstruktion und der Verben berücksichtigen. <?page no="97"?> Verben in der an-Konstruktion 97 Statistische Assoziationsmaße Den Assoziationsanalysen liegt die Intuition zugrunde, dass bestimmte Wörter besonders häufig zusammen auftreten, so z. B. bei Flasche und Wasser, Katze und Hund usw. Die Messung der Assoziationsstärke zwischen den Verben und ihren Verwendungen geht dabei auf die Berechnungen der Assoziationsstärke zwischen zwei Lexemen zurück, die von den Kollokationsanalysen erfasst werden (vgl. Evert 2009). w 2 -w 2 w 2 -w 2 w 1 O 11 O 12 =R 1 w 1 E 11 = R 1 C 1 N E 12 = R 1 C 2 N -w 1 O 21 O 22 =R 2 -w 1 E 21 = R 2 C 1 N E 22 = R 2 C 2 N =C 1 =C 2 =N (a)--Beobachtete Häufigkeiten (observed frequencies) (b)--Erwartete Häufigkeiten (expected frequencies) Tab. 10: Allgemeine Kontingenztabellen für ein Wortpaar w 1 und w 2 (nach Evert 2009, S.-1231, Abb.-58.5) Kollokationsanalysen basieren auf Kontingenztabellen, deren allgemeine Form in Tabelle-10 dargestellt ist. Tabelle-10a erfasst die beobachteten Häufigkeiten von zwei Wörtern w 1 und w 2 . Die Tabellenzelle O 11 stellt das gemeinsame Vorkommen der beiden Wörter im definierten Kontext dar (O steht für observed in observed frequencies), die Randhäufigkeiten R 1 und C 1 zeigen die Gesamthäufigkeiten von w 1 bzw. w 2 (R steht für row, C für column), N ist die Gesamtzahl aller Wörter im Korpus. Diese vier Kennzahlen werden aus dem Korpus ermittelt, die restlichen Tabellenzellen können daraus abgeleitet werden. Welcher Kontext als gemeinsames Vorkommen zählt (bestimmter Wortabstand, syntaktische Abhängigkeit, Verwendung in einem Satz etc.) und welche Einheiten als N gezählt werden, ist vor jeder Untersuchung festzulegen. Die statistischen Assoziationsmaße vergleichen die beobachteten Häufigkeiten mit der erwarteten Häufigkeit. Für die erwarteten Häufigkeiten wird ebenfalls eine Kontingenztabelle erstellt, wobei die Zellen nach den entsprechenden Formeln berechnet werden (Tab.-10b; E steht für expected in expected frequency). Diese richten sich nach der Nullhypothese, die besagt, dass die beiden Wörter voneinander unabhängig sind. Übersteigt die beobachtete Kovorkommen-Häufigkeit die erwartete Kovorkommen-Häufigkeit, kann man von einer Assoziation zwischen den beiden Wörtern ausgehen. Diese Grundidee wird von Stefanowitsch/ Gries (2003) in der einfachen Kollexemanalyse auf die Verben und Konstruktionen übertragen, nur dass in diesem Fall die Assoziationsstärke zwischen einzelnen Verben und einer bestimmten (syntaktischsemantischen) Konfiguration berechnet wird. In Tabelle-11 sind Kontingenztabellen <?page no="98"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 98 dargestellt, die als Grundlage für die Kollexemanalyse dienen. Tabelle-11a zeigt die Kennzahlen, die für die Berechnung der Assoziationsstärke zwischen der atelischen an-Konstruktion C an und einem Verb v erforderlich sind. Dabei werden die Kovorkommen-Häufigkeit eines Verbs und der an-Konstruktion (O 11 ), die Häufigkeit der an-Konstruktion ( f (C an )) und die Häufigkeit des Verbs ( f (v)) anhand der Stichproben hochgerechnet. Ich folge Stefanowitsch/ Gries (2003, S.- 218) und setze als Gesamtzahl der Untersuchungseinheiten (N) die Anzahl aller finiten und infiniten Vollverbverwendungen ein, die als Schätzung aller verbalen Konstruktionen in einem Korpus (hier im Untersuchungskorpus) dient. 57 Tabelle- 11b ist exemplarisch mit den Kennzahlen für das Verb basteln ausgefüllt (vgl. dazu Zeile-7 in Tab.-7). Fettmarkiert sind die Angaben, die durch die samplebasierte Vorgehensweise ermittelt und hochgerechnet wurden. v -v basteln -basteln C an O 11 O 12 =f (C an ) C an 2.090 24.718 26.808 -C an O 21 O 22 =f (-C an ) -C an 5.678 46.312.176 46.345.262 =f (v) =f (-v) =N 7.768 (a)--Beobachtete Häufigkeiten für Verben-und die an-Konstruktion (b)--Beobachtete Häufigkeiten für basteln und die an-Konstruktion Tab. 11: Kontingenztabellen für die atelische an-Konstruktion Die erwartete Häufigkeit von basteln in der an-Konstruktion (E 11 ) wird in Berechnung-(4.3) ermittelt. E 11 (basteln) = R 1 -*-C 1 = 26.808-*-7.768 -=-4,4933-≈-4 (4.3) N 46.345.262 Die anhand des Samples hochgerechnete beobachtete Häufigkeit von basteln in der an-Konstruktion übersteigt mit 2.090 deutlich die erwartete Häufigkeit, die auf 4 geschätzt wird. Für die Berechnung der Assoziationsstärke können verschiedene Maße eingesetzt werden (Evert 2009). Eines der wichtigsten Maße, das auch in der Kollexemanalyse verwendet wird, ist der exakte Fisher-Test. Dieses signifikanz-basierte Assoziationsmaß eignet sich gut für die Berechnung der Assoziationsstärke zwischen Verben und Konstruktionen, weil er auch bei niedrigen Frequenzen valide Ergebnisse lie- 57 Diese Kennzahl wird durch die POS-Abfrage [pos = “VV.*”] ermittelt, die finite und infinite Verbvorkommen findet. Für mehr Informationen zum Stuttgart-Tübingen-Tagset (STTS-Tagset) vgl. www.ims.uni-stuttgart.de/ forschung/ ressourcen/ lexika/ germantagsets (Stand: 24.3.2022). <?page no="99"?> Verben in der an-Konstruktion 99 fert. 58 Der p-Wert des Fisher-Tests wird als Korrelat der gegenseitigen Anziehungskraft zwischen den Verben und Konstruktionen interpretiert. Er liefert die Antwort auf die Frage, wie wahrscheinlich die Nullhypothese ist, dass das Verb und die Konstruktion voneinander unabhängig sind (Evert 2009, S.-1228). Bei kleinen p-Werten ist diese Wahrscheinlichkeit entsprechend sehr gering. Für 63 Verben, die in den allgemeinen Samples in der an-Konstruktion belegt sind, wurde der p-Wert des Fisher-Tests berechnet (Spalte „p-Wert“ in Tab.-7). 59 Bis auf das Verb mampfen (#63) weisen alle untersuchten Verben einen p-Wert- <- 0,05 auf und sind demnach mit der an-Konstruktion assoziiert. Die Verben #1-#10 sind so stark mit der an-Konstruktion assoziiert, dass der p-Wert fast bei 0 liegt. Anhand des p- Wertes kann man die Assoziationsstärke dieser zehn Verben mit der an-Konstruktion nicht differenzieren. Bei der Betrachtung von anderen Kennzahlen werden Unterschiede zwischen den Verben sichtbar. So haben basteln (#7) und bauen (#10) zwar den gleichen minimalen p-Wert, sie treten aber unterschiedlich oft in der atelischen an-Konstruktion auf. Das Verb basteln kommt in 26,9% seiner Verwendungen in der atelischen an-Konstruktion vor, bauen hingegen in 1,2%. In diesem Zusammenhang bietet es sich an, andere Assoziationsmaße heranzuziehen und z. B. die Odds-Ratio (OR) für die Messung der Assoziationsstärke zwischen den Verben und der an-Konstruktion zu verwenden. 60 OR ist ein Effektstärke-Maß, das angibt, wie stark die Attraktion ist. Es kann als Kombinationsmaß der beiden relativen Häufigkeiten interpretiert werden (Schmid/ Küchenhoff 2013, S.- 555). 61 Der OR-Wert gleich 1 entspricht der Nullhypothese, dass das Verb und die Konstruktion voneinander unabhängig sind. Der OR-Wert größer als 1 zeigt an, wie stark die Assoziation ist. Bei gleich kleinen p-Werten kann man erhebliche Unterschiede in den OR-Werten feststellen. Bei basteln und bauen liegt eine deutliche Diskrepanz vor: Der OR-Wert bei basteln beträgt 689 im Vergleich zu 22 bei bauen. Insgesamt kann man festhalten, dass bei statistischen Assoziationsanalysen die Anwendung verschiedener Maße sinnvoll ist. Die relativen Häufigkeiten und andere Maße, wie das hier verwendete Odds-Ratio-Maß, geben mehr Einblick in das Verhältnis zwischen den Verben und der untersuchten Konstruktion. Mit geeigneten 58 „Mathematicians generally agree that the most appropriate significance test for contingency tables is Fisher’s exact test […].“ (Evert 2009, S.-1235) 59 Die Berechnung erfolgte mit der scipy-Bibliothek (v.1.3.1) mit scipy.stats.fisher_exact. 60 Eine weitere Alternative stellt das Log-Likelihood-Maß dar (Flach 2015; Hartmann 2018; Dekalo 2019b). Das Log-Likelihood-Maß ist ein signifikanz-basiertes Assoziationsmaß, das den Ergebnissen des Fisher-Tests nahekommt (Evert 2009, S.-1235). 61 Für die genaue Beschreibung und die Gründe, warum sich OR gut als Maß eignet, vgl. Schmid/ Küchenhoff (2013, S.-552-555). Der OR-Wert wird ebenfalls anhand der Kontingenztabellen berechnet: OR-= O 11 � O 12 (Schmid/ Küchenhoff 2013, S.-554). O 21 O 22 <?page no="100"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 100 Maßen können Unterschiede in der Affinität der Verben zu der an-Konstruktion aufgezeigt werden, wie etwa der Unterschied zwischen basteln und bauen. Interpretation der Kennzahlen Nach Stefanowitsch/ Gries (2003) sind die Verben mit den stärksten Assoziationswerten als prototypische Vertreter der jeweiligen Konstruktion zu werten. Diese Prädikate sind in ihrer Form und Bedeutung im Bewusstsein der Sprecher am stärksten damit verbunden. Stefanowitsch/ Gries (2003, S.-228 f.) stellen beispielsweise fest, dass das Verb give am stärksten mit der Ditransitivkonstruktion assoziiert ist. Dies wird von Stefanowitsch/ Gries dadurch erfasst, dass sowohl die Ditransitivkonstruktion als auch das Verb give die Transfer-Bedeutung haben. 62 Die Top-10-Verben, die nach ihrem OR-Wert die stärkste Assoziation mit der an- Konstruktion aufweisen, sind die folgenden (nicht-alternierende Verben sind eingeklammert): feilen, nippen, nuckeln, (nagen), (tüfteln), knabbern, (bosseln), (werkeln), basteln, (knobeln). Basierend auf der Annahme, dass die Semantik dieser Prädikate besonders zu berücksichtigen ist, kann man schließen, dass die manner-Komponente, die semantische Kategorie des Kontakts und die Nicht-Abgeschlossenheit, die durch Iterativität ausgedrückt wird, eine besondere Rolle spielen müssen. Solche Verben wie knabbern oder nippen implizieren nicht, dass etwas aufgegessen oder ausgetrunken wird. Inkrementalität ist hingegen nicht die zentrale semantische Kategorie. Bis auf basteln und stricken rangieren inkrementelle Verben am unteren Ende von Tabelle-7. In einschlägigen Arbeiten wird zudem diskutiert, ob nicht die Assoziationsstärke, sondern die Frequenz eine wichtigere Rolle spielt. Je höher die Gesamtfrequenz eines Wortes ist und je häufiger es in einer bestimmten Konstruktion vorkommt, desto prototypischer ist es. Infolgedessen soll es leichter zu verarbeiten sein (Bybee 2010; Schmid 2010; Divjak/ Caldwell-Harris 2015). Eine eindeutige Antwort auf diese Frage gibt es bisher nicht (Stefanowitsch/ Gries 2009, S.- 949), zumal oft das häufigste Verb zugleich auch das Verb mit dem stärksten Assoziationswert ist. Dies ist beispielsweise beim Verb give und der Ditransitivkonstruktion der Fall (Stefanowitsch/ Gries 2003, S.-237). Aus der Perspektive der Gesamtfrequenz wäre das Verb arbeiten das zentrale Prädikat in der an-Konstruktion, da es durch die meiste Tokenanzahl vertreten ist (#9 in Tab.-7). Verglichen mit anderen Verben weist arbeiten die höchste Gesamtfrequenz im Korpus auf, es hat eine allgemeine Bedeutung (man kann an allem Möglichen 62 Nicht immer weisen die Verben mit den stärksten Assoziationswerten eine Bedeutung auf, die mit der Bedeutung des Gesamtausdrucks besonders kompatibel ist. Das berichten z. B. Engelberg (2015a) bei gespaltenen Stimuli (an jemandem etwas mögen/ lieben) und Perek (2014, S.- 69) bei der Konativkonstruktion im Englischen (to kick/ hit at something). <?page no="101"?> Verben in der an-Konstruktion 101 arbeiten) und tritt nicht in der transitiven Struktur auf. Der OR-Wert von arbeiten ist jedoch mit 172 viel niedriger als von feilen, das den höchsten OR-Wert von 19.674 aufweist. Interessant ist zudem, dass die Verben schreiben und bauen, die im Zusammenhang mit der an-Konstruktion oft diskutiert werden, aus der Perspektive der absoluten Häufigkeit eine prominente Rolle spielen. Sie kommen unter den Top- 10-Verben auf den Plätzen 4 und 6 vor, vgl. Tabelle-8. Ihre hohe Tokenfrequenz in der an-Konstruktion hängt mit ihrer Gesamtfrequenz zusammen: Nach arbeiten belegen sie die Plätze 2 und 3 im Häufigkeitsranking der analysierten Verben (vgl. Spalte „f v−corr “ in Tab.-7). Auch bei schreiben und bauen sind die OR-Werte niedrig. Je nachdem, welche quantitative Perspektive man vertritt, würde man der semantischen Analyse teilweise unterschiedliche Ausgangsdaten zugrunde legen. Auch wenn die grundsätzlichen Argumente von Bybee (2010) und Schmid (2010) gegen statistische Assoziationsanalysen nicht vollständig überzeugend sind, ergibt es bei der Analyse der an-Konstruktion Sinn, nicht nur die p-Werte, sondern auch die relativen Häufigkeiten sowie die Odds-Ratio-Werte zu betrachten. Eine Datenerfassung, die auf mehreren Kennzahlen beruht, ist bei der quantitativen Analyse von verbalen-Argumentstrukturen insgesamt sinnvoll. Die generelle Frage, ob eher die Tokenfrequenz oder statistische Assoziationsmaße einen guten Indikator für kognitives Entrenchment darstellen, ist jedoch nicht trivial und letztendlich experimentell zu überprüfen. Evaluation und weitere Schritte An dieser Stelle lässt sich das Reduktionsverfahren evaluieren. Beim Vergleich der Daten aus dem reduzierten an-Korpus mit den allgemeinen Samples stellt man fest, dass für bestimmte Verben weniger Daten in den an-Samples vorliegen als in den allgemeinen Samples. Dies trifft auf Verben zu, die zwar selten sind, aber häufig in der an-Konstruktion vorkommen. Das allgemeine Sample für das Verb nuckeln beispielsweise enthält 123 Treffer, was der Gesamtanzahl aller nuckeln-Verwendungen im Untersuchungskorpus entspricht (in der allgemeinen DeReKo-Stichprobe). 105 davon sind Instanzen der atelischen an-Konstruktion (#12 in Tab.- 7). Im an-Korpus gibt es nur 23 nuckeln-Treffer, von denen 21 Verbverwendungen in der atelischen an-Konstruktion enthalten (#17 in Tab.-6) sind. Eine sinnvolle Verbesserung des Reduktionsverfahrens würde darin bestehen, die Reduktion nicht auf einer Stichprobe, sondern auf a l l e n an-Treffern durchzuführen. In dieser Studie wurde die Assoziationsstärke der Verben mit der an-Konstruktion untersucht. Die quantitative Analyse ergab, dass die semantischen Merkmale der Iterativität und des Kontakts sowie die manner-Komponente in der Verbbedeutung eine besondere Rolle bei der semantischen Analyse der an-Konstruktion spielen müssen. Der nächste Abschnitt widmet sich der Frage, wie man die relevanten Bedeutungskomponenten der Verbbedeutung aus den Daten ermitteln und die Verben in semantische Klassen einordnen kann. <?page no="102"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 102 4.2.3 Klassifikation der Verben Dieser Abschnitt untersucht, wie man die Verben, die die an-Konstruktion zulassen, semantisch klassifizieren kann. Eine Herausforderung bei der semantischen Klassifikation besteht in der verbalen Mehrdeutigkeit, wobei einzelne Verblesarten unterschiedlichen Klassen zugeordnet werden können. So kann z. B. das Verb spinnen einerseits als Kreationsverb verwendet werden (wie in Die Spinne spinnt ein Netz) und andererseits als Kognitionsbzw. Kommunikationsverb in der Lesart, etwas Unwahres zu behaupten (wie in Er spinnt wohl). 63 Dabei besteht ein Zusammenhang zwischen der Verblesart und der möglichen Argumentrealisierung: Nicht jede Verbbedeutung kann in jeder argumentstrukturellen Konstellation verwendet werden (Gilquin 2013, S.- 121, 126). Bezogen auf das Verb spinnen und die an-Konstruktion gilt das auch: Für die an-Konstruktion ist nur die Kreationsbedeutung von spinnen relevant. In quantitativen Analysen können die verbale Mehrdeutigkeit und der Zusammenhang mit syntaktischen Argumentrealisierungsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Dafür werden die Berechnungen basierend auf der Häufigkeit der Verbbedeutung durchgeführt, in der die jeweilige argumentstrukturelle Konstellation möglich ist. Bei verbklassenbzw. verblesartenspezifischen Assoziationsanalysen werden die jeweiligen Verbverwendungen auf Tokenebene mit der Verblesart annotiert, bevor die statistischen Analysen durchgeführt werden. Als Gesamthäufigkeit des Verbs (die Randhäufigkeit f (v) in Tab.- 11a) wird die Häufigkeit der jeweiligen Verblesart eingesetzt. Perek (2014, S.-72 f., 2015, S.-115 f.) annotiert die Verben in der Konativkonstruktion im Englischen mit den Bedeutungen aus dem lexikalisch-semantischen Netz VerbNet. 64 Gilquin (2013, S.- 126) untersucht periphrastische kausative Konstruktionen im Englischen (vom Typ X causes Y to VERB) und annotiert die nichtfiniten Verben mit den Bedeutungen aus einem Wörterbuch. Beide Autor/ -innen machen zwar auf eine Reihe von Problemen aufmerksam, die eine Lesartenannotation grundsätzlich mit sich bringt (wie z. B. der Umfang und die Verlässlichkeit der gewählten Ressource, die Kriterien für die Bestimmung der jeweiligen Lesart in den Sätzen etc.). Sie kommen aber zum Schluss, dass die Berücksichtigung der Verbbedeutung als Korrektiv für die Berechnung der Assoziationsstärke dient und die Ergebnisse von quantitativen Analysen präzisiert. Die Annotation der Verblesart auf Tokenebene, die auf bestehenden lexikalisch-semantischen Ressourcen basiert, ist für die Erfassung der atelischen an-Konstruktion jedoch nicht zielführend. Ein Argument dagegen sind die metaphorischen Verbver- 63 Vgl. den Eintrag in Duden-Online: www.duden.de/ rechtschreibung/ spinnen (Stand: 24.3.2022). 64 Perek (2014, 2015) führt eine verbklassenspezifische Kollexemanalyse durch. Für das Verb eat in der Konsum-Lesart wird z. B. die Assoziationsstärke mit der verbklassenspezifischen Konsum-Konativkonstruktion berechnet, die nur von Konsumverben instanziiert wird, und nicht mit der allgemeinen Konativkonstruktion (Perek 2015, S.-123, 126). <?page no="103"?> Verben in der an-Konstruktion 103 wendungen, die in der an-Konstruktion prominent sind (dazu mehr in Abschn.-4.3). Die metaphorischen Verbverwendungen sind unsystematisch und lückenhaft in den existierenden Ressourcen erfasst. In GermaNet sind beispielsweise die übertragenen Verwendungen von basteln und stricken nicht erwähnt, während die nicht-wörtliche Verwendung von feilen als eine eigenständige Verblesart durch ein eigenes Synset repräsentiert ist. Für Perek (2015, S.-120) ist die nicht-systematische Abdeckung von figurativen Verbverwendungen ein Grund dafür, diese nicht eingehender zu betrachten. Perek zufolge ist der Ausschluss von metaphorischen Fällen eine empirisch sauberere Lösung, die besser als andere Optionen ist (wie etwa übertragene Bedeutungen mit konkreter Lesart zu annotieren oder neue Lesarten für übertragene Verwendungen zu postulieren, die nicht in VerbNet enthalten sind). Da die metaphorische Interpretation eine besondere Rolle in der an-Konstruktion spielt, kann man kein Annotationsschema verwenden, das die metaphorischen Verbverwendungen nicht bzw. unsystematisch abdeckt. Zwei Lösungsvorschläge werden diskutiert. Erstens wird die Klassifikation der Verben auf der Typenebene mit semantischen Klassen von GermaNet vorgenommen. Zweitens wird die distributionelle Information benutzt, um die Verben in einem Cluster-Verfahren zu klassifizieren: Anhand der Nomen in der an-Phrase werden die Verben nach ihrer Ähnlichkeit in Gruppen eingeordnet. Ermittlung der Verbklassen mit GermaNet Für die semantische Klassifikation kann die lexikalisch-semantische Ressource GermaNet eingesetzt werden. Sie ordnet Verben, Nomen und Adjektive in einem Netzwerk der semantischen Relationen- - Synonymie, Hyponymie und Hyperonymie-- ein (Hamp/ Feldweg 1997; Henrich/ Hinrichs 2010). Das konzeptuelle Wissen ist in GermaNet in Form von Synonymgruppen, den sogenannten Synsets (synonym sets), repräsentiert, die eine oder mehrere disambiguierte lexical units (LUs) einer Wortart enthalten. Ein mehrdeutiges Wort wird in GermaNet durch mehrere LUs dargestellt, die zu unterschiedlichen Synsets gehören. 65 Der Aufbau der Wissensstrukturen bei GermaNet kann am Beispiel des Verbs üben illustriert werden, dessen Lesarten bzw. Synsets in (107) aufgeführt sind. Demnach ist üben ein ambiges Verb und hat zwei Lesarten. Die erste Lesart hat als Hyperonym zeigen und bezieht sich auf Situationen, in denen man jemandem Aufmerksamkeit schenkt, Verständnis entgegenbringt oder jemandem gegenüber Barmherzigkeit übt. Die zweite Lesart hat als Hyperonym lernen und enthält die folgende Definition aus Wiktionary: „eine Tätigkeit wiederholen, um einen Lernprozess einzuleiten und 65 Hier wurde die GermaNet-Version 12.0 (Release 2017) verwendet. Sie enthält 14.175 verbale Synsets, die 18.322 disambiguierte verbale LUs umfassen. <?page no="104"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 104 eine Fähigkeit zu lernen“. 66 Jedes verbale Synset ist zudem einer der fünfzehn semantischen Klassen zugeordnet, vgl. die Übersicht der Klassen in Tabelle- 13. Das erste Synset von üben gehört zur Klasse Kommunikation, das zweite zur Klasse Kognition. Wenn es also darum geht, die semantische Klasse eines Verbs mithilfe von GermaNet zu bestimmen, muss man die jeweiligen Verben zunächst disambiguieren, indem jedem Verbtyp die dazugehörigen Synsets zugeordnet werden. (107) Lesarten (Synsets) für üben: (1) Synset: entgegenbringen.v.1 LUs: [entgegenbringen, üben, schenken] Hyperonym: zeigen.v.9 Semantische Klasse: Kommunikation Die Mutter des Opfers hat dem Täter gegenüber Barmherzigkeit geübt. (2) Synset: üben.v.2 LUs: [üben, proben] Hyperonym: lernen.v.2 Semantische Klasse: Kognition Sie übt seit drei Tagen dieselbe Partitur. Er übt sich in der Kunst des Schauspielens. Datenbasis und Vorgehensweise Die GermaNet-Klassifikation wird oft auf der Tokenebene eingesetzt, indem für jede Verbverwendung das dazugehörige Synset vermerkt wird (Perek 2014, 2015; Dekalo 2019b; Tu/ Engelberg/ Weimer 2019). Wie schon oben dargelegt, ist die Annotation der Daten für die an-Konstruktion auf der Tokenebene aufgrund der metaphorischen Verwendungen nicht sinnvoll. Der Tokenansatz hat zudem mit einem weiteren Problem zu kämpfen: Um die Häufigkeitsverteilung der Klassen zu interpretieren, muss es eine Vergleichsbasis geben, denn ansonsten sind die beobachteten Zahlen kaum aussagekräftig. Um diese beiden Probleme zu umgehen, wird hier der alternative Weg vorgeschlagen. Die Annotation mit semantischen Klassen wird auf der Typenebene vorgenommen, wobei jedes Verb zunächst disambiguiert wird. Die Grundlage für diese Untersuchung bilden 125 Verben, die auf der Typenebene in der an-Konstruktion belegt wurden, vgl. Tabelle-6 und die Liste in (100). Von diesen 125 Verben sind 9 nicht in GermaNet enthalten. 67 Für jedes der 116 Verben, die in GermaNet zu finden sind, wurden die dazugehörigen Synsets aus GermaNet gezogen. 68 Für jedes Synset wurde manuell annotiert, ob die jeweilige Verblesart mit der 66 Die Wiktionary-Definitionen sind nicht in allen Synsets enthalten, vgl. den entsprechenden Eintrag für üben https: / / de.wiktionary.org/ wiki/ üben (Stand: 24.3.2022). 67 Es handelt sich um folgende hauptsächlich regional bzw. dialektal verwendete Verben: coden, friemeln, hirnen, knuspern, mummeln, pröbeln, puzzeln, schnibbeln, schräubeln. 68 Es wurde die GermaNet-API für Python pygermanet-1.0.2 in Kombination mit der MongoDB-Datenbank verwendet, vgl. https: / / pypi.org/ project/ pygermanet (Stand: 24.3.2022). <?page no="105"?> Verben in der an-Konstruktion 105 an-Konstruktion kompatibel ist oder nicht. Von den beiden Synsets des Verbs üben in (107) kommt z. B. nur das zweite in Frage. Ergebnisse und Diskussion Das Ergebnis der Annotation ist in Tabelle- 12 dargestellt: 116 Verben wurden auf 151 Synsets gemappt, denen jeweils eine Verbklasse entspricht. Ein und dasselbe Verb kann durch mehrere Synsets repräsentiert sein, so wie das Verb nagen, das sowohl als Konsumverb (Der Hund nagt am Knochen) als auch als Gefühlsverb in übertragener Bedeutung (Die Eifersucht nagt an ihm) in der an-Konstruktion verwendet werden kann. Klasse aus GN # Disambiguierte Verben Schöpfung 45 basteln, bauen, bauen, bohren, formen, häkeln, komponieren, kritzeln, kritzeln, malen, malen, meißeln, modellieren, nähen, pinseln, planen, programmieren, radieren, schmieden, schmieden, schneiden, schnitzen, schreiben, schweißen, spinnen, sticken, stricken, sägen, texten, weben, zimmern; dichten, entwickeln, knüpfen, kochen, konstruieren, schneidern, schreinern, skizzieren, tippen, tischlern, töpfern, zeichnen, zeichnen, ziselieren Veränderung 23 bügeln, feilen, flicken, hobeln, korrigieren, kurieren, kürzen, manipulieren, raspeln, sprengen, sprengen, streichen, wienern; backen, doktern, glätten, hacken, hacken, kochen, kochen, mahlen, reparieren, schmirgeln Kontakt 21 feilen, flechten, flicken, hämmern, lackieren, nieten, pinseln, polieren, raspeln, schaben, schleifen, schneiden, schnippeln, schrauben, sticheln, streichen; kleben, kleistern, kneten, leimen, säbeln Verbrauch 21 essen, fressen, fressen, kauen, kauen, knabbern, lecken, lutschen, löffeln, mampfen, nagen, naschen, nippen, saugen, schlecken, schlürfen, schlürfen, trinken; mümmeln, rauchen, schlucken Kognition 20 arbeiten, arbeiten, experimentieren, forschen, grübeln, knobeln, korrigieren, kürzen, manipulieren, planen, proben, schmieden, tüfteln, üben; entwickeln, interpretieren, konstruieren, lesen, rechnen, rätseln Körperfunktion 10 feilen, lackieren, lecken, lutschen, nuckeln, polieren, rasieren, saugen, spinnen; schmatzen Gesellschaft 8 bosseln, laborieren, werkeln, werken; frickeln, pfriemeln, spielen, zocken Kommunikation 1 korrigieren Perzeption 1 schmecken Gefühl 1 nagen Gesamt 151 Tab. 12: Verteilung disambiguierter Verben in der an-Konstruktion auf die GermaNet- Klassen <?page no="106"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 106 Die häufigsten Verbklassen in Tabelle-12 sind die Klassen Schöpfung, Veränderung, Kontakt, Verbrauch und Kognition. Diese Verteilung entspricht der Beobachtung aus den letzten Abschnitten, dass in der an-Konstruktion hauptsächlich Kreationsverben, Konsumverben, manner-Verben mit Kontaktbedeutung und allgemeine Tätigkeitsverben wie arbeiten oder tüfteln vorkommen. In der GermaNet-Klassifikation gehören die letzteren zur Klasse Kognition. Bei der Verbanalyse auf der Typenebene kann die Distribution der Klassen in GermaNet als Vergleichsbasis verwendet werden. Die Häufigkeitsverteilung der Klassen in GermaNet und in der an-Konstruktion sind in Tabelle- 13 gegenübergestellt und in Abbildung-1 durch ein Balkendiagramm visualisiert. Beim Vergleich der beiden Distributionen sieht man, dass vor allem die Klassen Schöpfung und Verbrauch sowie Kontakt und Kognition häufiger in der an-Konstruktion als in GermaNet vorkommen. Diese semantischen Kategorien spielen folglich für die an-Konstruktion eine wichtige Rolle. Clusteranalyse I: Verben in der an -Konstruktion Um die Verben basierend auf ihren Verwendungen zu gruppieren, ohne jedes Verbvorkommen einer semantischen Klasse zuordnen zu müssen, kann man die Clusteranalyse anwenden. Die Clusteranalyse ist ein exploratives Verfahren und kann Untersuchungsobjekte in möglichst ähnliche Gruppen-- Cluster-- einordnen (Moisl 2009; Contreras/ Murtagh 2016). 69 Die Ähnlichkeit der Untersuchungsobjekte (hier sind es Verben) wird anhand mehrerer Variablen berechnet. Bei den Variablen kann es sich um die Ausprägung bestimmter Merkmale handeln (z. B. wie häufig wird ein Verb als faktives Prädikat verwendet). Ebenso kann man von der distributionellen Information Gebrauch machen und Frequenzzahlen für das gemeinsame Vorkommen des Zielwortes mit anderen Wörtern als Grundlage für die Clusteranalyse verwenden. Das gemeinsame Vorkommen kann unterschiedlich definiert werden: Es kommen Kontextfenster von einer bestimmten Größe, Texteinheiten wie Sätze oder Absätze sowie ganze Dokumente in Frage. Gries/ Stefanowitsch (2010) zeigen aber, dass bei der Analyse von verbalen Argumentstrukturen besonders solche Wörter als Kontext geeignet sind, die in einem syntaktischen Abhängigkeitsverhältnis zum Zielwort (bzw. zur Konstruktion) stehen. Datenbasis und Vorgehensweise Für die Gruppierung der Verben in der an-Konstruktion werden die lemmatisierten Nomen, die als internes Argument von an vorkommen, als Grundlage für die hierarchische Clusteranalyse verwendet. Die Daten-für die Clusteranalyse stammen aus den an-Samples (Tab.-6). Die Belege für 82 69 Für eine allgemeine Übersicht zur korpuslinguistischen Anwendung der Clusteranalyse vgl. Gries/ Stefanowitsch (2010), Divjak/ Fieller (2014) und insbesondere das Buch von Moisl (2015). Für korpuslinguistische Studien, die Cluster-Verfahren einsetzen, vgl. z. B. Kuznetsova (2015), Engelberg et al. (2012), Rapp et al. (2017) sowie Dekalo (2019a). <?page no="107"?> Verben in der an-Konstruktion 107 Klasse # in GN↓ % in GN # in C an % in C an Veränderung Lokation Gesellschaft Kognition Kommunikation Kontakt Besitz Allgemein Schöpfung Körperfunktion Perzeption Gefühl Konkurrenz Verbrauch natPhaenomen 3.530 2.714 2.022 1.681 1.368 1.207 976 865 860 850 653 619 410 336 241 19,3 14,8 11,0 9,2 7,5 6,6 5,3 4,7 4,7 4,6 3,6 3,4 2,2 1,8 1,3 23 0 8 20 1 21 0 0 45 10 1 1 0 21 0 15,2 0,0 5,3 13,2 0,7 13,9 0,0 0,0 29,8 6,6 0,7 0,7 0,0 13,9 0,0 Gesamt 18.332 100% 150 100% Tab. 13: Semantische Verbklassen in GermaNet und in der atelischen an-Konstruktion Abb. 1: Semantische Verbklassen in GermaNet und in der atelischen an-Konstruktion Verben in der an-Konstruktion wurden mit Nomen in der an-Phrase annotiert, die anschließend manuell lemmatisiert wurden. Bei Komposita wurde das Zweitglied als Lemma verwendet, sofern das Gesamtwort die Bedeutung des Zweitglieds implizierte. So wurden beispielsweise die Nomen Rennwagen, Motivwagen als Wagen lemmatisiert und dadurch zu einem Datenpunkt zusammengeführt. Diese Art der Da- <?page no="108"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 108 tenaufbereitung verringert die lexikalische Varianz und ist einer der Wege, die Anzahl der Analysedimensionen zu reduzieren (vgl. Moisl 2009 zu Stemming und anderen Verfahren der Dimensionsreduktion). Bei Verben und bei Nomen wurden Frequenzschwellen gesetzt. Dies ist eine übliche Vorgehensweise bei Clusteranalysen, die generell zu besseren Ergebnissen führt (Gries/ Stefanowitsch 2010). Es wurden nur Verben betrachtet, die durch ≥-9 Belege in der an-Konstruktion belegt sind, was insgesamt 24 Verben umfasst (#1-#24 in Tab.- 6). Bei den Nomen wurden ebenfalls Anpassungen vorgenommen. Bei den 24 ausgewählten Verben kommen 888 verschiedene Lemma-Typen in den an-Samples vor. Um die Analyse auf einer kleineren Anzahl der Dimensionen durchführen zu können, wurden pronominale Stopwords ausgeschlossen, die wenig Informationsgehalt haben (alles, das, etwas, ihnen, sich, was, wen, wer, wir). Außerdem wurde eine Frequenzschwelle von ≥-4 gesetzt. Eine weitere Anpassung bei der Nomenauswahl hat sich zudem als sinnvoll erwiesen: Nur Nomen, die bei mindestens zwei Verben vorkommen, wurden als Datengrundlage gewählt. Bei den untersuchten Verben handelt sich um semantisch heterogene Prädikate, die durch wenige Datenpunkte repräsentiert sind. Durch diese Einschränkung werden die Ähnlichkeiten und die Unterschiede zwischen den Verben hervorgehoben, was die Clusterzuordnung erleichtert. Die finale Nomenliste enthielt 64 Lemmata. Verben, die mit diesen Lemmata nicht vorkommen (kauen, kürzen, naschen), können nicht analysiert werden und wurden ausgeschlossen. Die Clusteranalyse der Verben in der an-Konstruktion bezieht sich somit auf 21 Prädikate. Anschließend wurde eine Matrix 21-×- 64 mit Verben als Zeilen und Nomen-Lemmata als Spalten erstellt. Die Spalten sind Dimensionen, die als Grundlage für den Verbvergleich dienen. Jedes Verb (bzw. seine Verwendung in der an-Konstruktion) ist folglich durch einen Kovorkommen-Vektor repräsentiert, der die Informationen darüber enthält, wie häufig das jeweilige Verb mit den ausgewählten Lemmata in den an-Samples belegt wurde. Um die Unterschiede in den Sample-Größen auszugleichen, wurden die Wortvektoren zu der Länge- 1 normalisiert (L2-Normalisierung). Als Clustering-Algorithmus wurde das Ward-Verfahren gewählt. Das Ward-Verfahren wird oft in korpuslinguistischen Studien verwendet (Gries/ Stefanowitsch 2010) und stellt im Vergleich zu anderen Clustering-Algorithmen kompaktere Cluster mit deutlicher Clusterstruktur her (Dekalo 2019a, S.-91). Die Wahl des Clusterverfahrens bestimmt in diesem Fall die Wahl des Distanzmaßes, da das Ward-Verfahren ein Distanzmaß voraussetzt, das zu der euklidischen Distanz proportional ist. Es wurde die quadrierte euklidische Distanz verwendet. <?page no="109"?> Verben in der an-Konstruktion 109 Ergebnisse und Diskussion Das Ergebnis der Clusteranalyse ist als Dendrogramm in Abbildung-2 dargestellt. 70 Die Länge der Balken, die die einzelnen Verben miteinander verbinden, bildet die Ähnlichkeit zwischen den Prädikaten ab. Je kürzer der Balken, desto ähnlicher sind sich die jeweiligen Verben. Die Verben sind hierarchisch angeordnet und bilden größere Gruppen bzw. Cluster. Abb. 2: Clusteranalyse I: Verben in der an-Konstruktion (basierend auf Nomen in der an-Phrase) Zuerst werden vom Clustering-Algorithmus die präpositionalen Verwendungen der Verben lecken und schlecken zusammen gruppiert. Diese weitgehend synonymen Verben weisen eine ähnliche Nomendistribution in der an-Phrase auf. Insgesamt werden interpretierbare Cluster gebildet. Die Konsumverben nuckeln, lutschen und nippen bilden mit schlecken und lecken im oberen Teil des Dendrogramms ein Cluster, andere Konsumverben sind auch zusammen gruppiert (saugen, fressen, nagen, knabbern). Im unteren Teil formen die Kreationsverben (stricken, bauen, schreiben) und die Verben der allgemeinen Tätigkeit (arbeiten, werkeln) ein Cluster. In der Mitte sind die Verben manipulieren, forschen und schrauben zusammen gruppiert, die im weiteren Sinne als „Manipulationsverben“ bezeichnet werden können. 70 Die Berechnungen wurden mit Python 3.7.4 mit der Bibliothek scipy 1.3.1, die Clusteranalyse wurde mit den Modulen scipy.spatial.distance und scipy.cluster.hierarchy durchgeführt. <?page no="110"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 110 Das Verb sägen wird mit den Konsumverben nagen und knabbern gruppiert. Diese Einordnung von sägen liegt daran, dass es die meisten Überschneidungen mit nagen aufweist. Die Verben sägen und nagen haben drei gemeinsame Lexeme: Fundament, Struktur und Baum. Mit diesen Nomen in der an-Phrase wird das Verb nagen in übertragener Bedeutung verwendet, vgl. die Korpusbelege in (108). Die Gruppierung von sägen zusammen mit nagen und knabbern deutet aber auch auf ein generelles Problem hin: Die Kookkurrenzmatrix enthält viele Nullwerte, sodass auch kleine Überlappungen zu der Gruppierung der Verben führen. (108a) Geringe Verkaufsfläche, niedrige Erträge und Konkurrenz durch Supermärkte nagen an der Struktur. (Neue Kronen-Zeitung, 20.3.1994) (108b) Doch Nachwuchsmangel nagt am Fundament dieses Handwerkszweigs. (Nürnberger Nachrichten, 13.5.1992) Das Verb basteln wird nicht mit den anderen Kreationsverben stricken und bauen gruppiert. Basierend auf den Nomendistributionen werden die Verben basteln und tüfteln als ähnlich bewertet. Zusammen mit dem Verb feilen formen sie ein Cluster. Alle drei Verben weisen viele Überlappungen auf der lexikalischen Ebene in der an- Konstruktion auf und kommen mit Nomen wie Konzept, Programm, Detail oder Idee vor. Ich werde im nächsten Abschnitt-4.3.1 ausführlicher auf die Nomen in der an- Phrase eingehen. Wichtig an dieser Stelle ist die Feststellung, dass man erneut den Einfluss von Metaphern erkennt. In der an-Konstruktion werden die Verben basteln und feilen häufig nicht-wörtlich interpretiert und weisen offenbar eine ähnliche Bedeutung auf. Evaluation der Verbklassifikationsverfahren und weitere Schritte In diesem Abschnitt wurden zwei Ansätze zur automatischen Klassifizierung von Verben in der atelischen an-Konstruktion diskutiert. Zunächst wurde GermaNet für die Verbklassifikation auf der Typenebene eingesetzt. Dafür wurde eine umfassende Liste der Verben, die die atelische an-Konstruktion zulassen, disambiguiert und mit semantischen GermaNet-Klassen annotiert. Im Vergleich zu der Klassenverteilung in GermaNet kann man beobachten, dass die semantischen Klassen Schöpfung, Verbrauch, Kontakt und Kognition eine prominente Rolle in der atelischen an-Konstruktion spielen. Eine Alternative zu der Verbtypenklassifikation ist die Klassifikation auf der Tokenebene. In diesem Fall werden einzelne Verbverwendungen disambiguiert und einer semantischen Klasse zugeordnet. Dieser Ansatz ist bei der atelischen an-Konstruktion nicht zielführend, da die nicht-wörtlichen Verbverwendungen in existierenden Ressourcen nicht systematisch abgedeckt sind. <?page no="111"?> Selektionspräferenzen und Verbinterpretation 111 Um die Verben basierend auf ihren Verwendungen zu klassifizieren, wurde die hierarchische agglomerative Clusteranalyse eingesetzt, die nicht von einem vordefinierten Inventar an semantischen Klassen ausgeht. Als Grundlage für die Clusteranalyse diente die Distribution der Nomen in der an-Phrase. Die Clusteranalyse lieferte interpretierbare Verbcluster. Verben mit ähnlicher Semantik, z. B. die Konsumverben nuckeln, lutschen und nippen, wurden in ein Cluster eingeordnet. Die auf distributioneller Information basierte Clusteranalyse offenbarte zudem nicht-offensichtliche Zusammenhänge in den Daten. So wurden die an- Verwendungen der Verben basteln, tüfteln und feilen zusammen gruppiert. Alle drei Verben werden in der an-Konstruktion ähnlich verwendet. Insgesamt kann man festhalten, dass beide Verfahren (Klassifikation der Verbtypen mit GermaNet und hierarchische Clusteranalyse der Verbverwendungen auf der Basis von Nomen in der an-Phrase) ohne großen Aufwand implementiert und bei der Analyse von anderen Konstruktionen eingesetzt werden können. 4.3 Selektionspräferenzen und Verbinterpretation Bei eingehender Betrachtung der an-Konstruktion in Abschnitt-4.2 wurde das Desiderat deutlich, die Nomen in der an-Phrase und die verbalen Selektionspräferenzen eingehender zu untersuchen. Mit Teilfrage (iii) werden in diesem Abschnitt verbale Selektionspräferenzen und die Verbinterpretation in der atelischen an-Konstruktion, in der transitiven und intransitiven Struktur untersucht. (iii) Wie können verbale Selektionspräferenzen und die Verbinterpretation in der an-Konstruktion sowie in der transitiven und in der intransitiven Struktur untersucht und verglichen werden? Es stellt sich die Frage, ob bzw. wie sich die Selektionspräferenzen der Verben in der an-Konstruktion und in der transitiven Verwendung unterscheiden. Geht man davon aus, dass die atelische an-Konstruktion eine von der transitiven Verbverwendung abgeleitete Struktur ist, würde man keine Unterschiede in Selektionspräferenzen und in der Verbinterpretation erwarten (zu aspektuellen Ableitungsanalysen vgl. Kap.-2). Die Verbinterpretation in der intransitiven Struktur ist ebenfalls zu berücksichtigen, weil ich für die Analyse von an-Phrasen als Modifikatoren von einstelligen Verbvarianten plädiere. In Abschnitt- 4.3.1 werden distributionelle Methoden (Clusteranalyse und Berechnung der Kosinusdistanz) für den Vergleich der Verbverwendungen in der atelischen an-Konstruktion und in der transitiven Struktur eingesetzt. In Abschnitt-4.3.2 werden die Verbverwendungen auf semantischer Ebene untersucht. Die Verbverwendungen in der an-Konstruktion, in der transitiven und in der intransitiven Struktur <?page no="112"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 112 werden im Hinblick darauf annotiert, ob sie wörtlich (konkret) oder nicht-wörtlich (übertragen, metaphorisch) interpretiert werden. 4.3.1 Distributionsanalyse verbaler Selektionspräferenzen Die Verbverwendungen in der atelischen an-Konstruktion und in der transitiven Struktur können anhand von distributionellen Informationen verglichen werden. Dafür wird zunächst die Clusteranalyse um die transitiven Verbverwendungen erweitert (Clusteranalyse-II). Anschließend werden die Nomen in den beiden Strukturen genauer betrachtet. Um den Veränderungsgrad der Selektionspräferenzen quantitativ zu erfassen, wird die Überschneidung auf der lexikalischen Ebene betrachtet und die Kosinusdistanz berechnet. Clusteranalyse II: an -Konstruktion und transitive Verbverwendung Annotation der transitiven Struktur Für 21 Verben aus der Clusteranalyse-I wurden die Daten für ihre transitive Verwendung erhoben. Als Grundlage dienten die allgemeinen Verb-Samples (Tab.- 7). Für Verbvorkommen, die nicht als eine Instanz der an-Konstruktion oder als Fehltreffer ausgewertet wurden, wurde annotiert, ob das Verb in der transitiven Struktur vorkommt, vgl. (109a), oder nicht, vgl. (109b). Verbalphrasen in Aktiv, Passiv und Zustandspassiv wurden betrachtet. Anschließend wurden die Nomen im Akkusativobjekt manuell lemmatisiert. (109a) Seit Jahren bastelt sie Engel, aber besonders viele Weihnachtssterne aus Papier und Stroh. (Mannheimer Morgen, 4.12.2006) (109b) Die Kinder können basteln, sich schminken lassen oder Geschichten lauschen. (Die Südostschweiz, 8.12.2006) Dabei wurden nur einfache Strukturen wie in (109a) in die Analyse aufgenommen. Nicht als transitive Strukturen im engeren Sinne wurden hingegen komplexe transitive Verbverwendungen gewertet, die weitere argumenthafte Elemente enthalten. Es wurden Sätze ausgeschlossen, die einen freien Dativ wie in (110), eine um-Phrase wie in (111) oder eine resultativ-direktionale Phrase wie in (112) enthalten, die als direktionales Komplement bei kausativen Verbverwendungen fungiert. Diese komplexen transitiven Verbverwendungen sowie die satzwertigen Realisierungen des Akkusativobjekts wurden als Verbverwendungen in sonstigen Strukturen eingeordnet. Die ausführlichen Annotationsrichtlinien finden sich im Anhang. (110a) Bastelt man sich nicht, auf ein mildes Urteil hoffend, eine glaubwürdigere Version? (Nürnberger Nachrichten, 23.11.2007) <?page no="113"?> Selektionspräferenzen und Verbinterpretation 113 (110b) Pfaff näht sich mit Singer eine bessere Zukunft. (Mannheimer Morgen, 6.12.1997) (111) Anders als in den USA, wo große Storys um Kämpfer und Duelle gestrickt werden. (Hamburger Morgenpost, 4.5.2010) (112) Mir wird ein Polster an den Arm gebastelt und mit einem Schienbeinschützer fixiert. (Hamburger Morgenpost, 13.4.2006) In solchen komplexen Verbverwendungen bestehen andere semantische Restriktionen bezüglich des direkten Objekts als in der einfachen transitiven Struktur. Bei Hinzufügung des freien Dativs scheinen beispielsweise abstrakte Objekte in der transitiven Struktur akzeptabler zu werden, vgl. ? ein Problem basteln vs. sich ein Problem basteln. Bei stricken wird durch die um-Phrase eine spezifische Story-Lesart evoziert, man kann schließlich nur Geschichten und keine Socken um jemanden oder etwas stricken. Im Fall der direktionalen an-Phrase wird das Verb basteln nicht als Kreationsverb sondern als kausatives Positionsverb verwendet. Der Satz in (112) erhält beispielsweise die Interpretation, dass ein schon existierendes Objekt irgendwo angebracht wird. Insgesamt stellt die hier durchgeführte Annotation einen vereinfachten Typ von Verbprofilanalysen dar (Gries/ Divjak 2009; Gries 2010). Mit Verbprofilanalysen wird ermittelt, wie häufig bestimmte Merkmale in einer Zufallsauswahl von Verbverwendungen vorkommen. Es kann sich dabei um semantische oder syntaktische Merkmale handeln oder um Argumentstrukturen, in denen das Verb vorkommt. Die Definition von Argumentstrukturen kann je nach Studie und Ansatz unterschiedlich sein, vgl. z. B. die komplexe syntaktisch-semantische Annotation der Verben in Engelberg et al. (2012, S.-21 f.) oder eine grobkörnige Annotation der Psych-Verben mit gespaltenen Stimuli (z. B. an jemanden etwas mögen/ lieben) in Engelberg (2015a, 2018). Tabelle-14 fasst zusammen, wie viele Daten für die präpositionalen und die transitiven Verbverwendungen zur Verfügung standen. An dieser Stelle sei nochmal darauf hingewiesen, dass die Daten für die Verbverwendungen in der an-Konstruktion aus dem an-Korpus stammen (vgl. Tab.-6 und Abschn.-4.2.1). Die Daten für die transitiven Verbverwendungen wurden hingegen in den allgemeinen Verbsamples aus dem Untersuchungskorpus erhoben (vgl. Tab.- 7 und Abschn.- 4.2.2). Tabelle- 14 zeigt zudem, dass auch vermeintlich nichtalternierende Verben vereinzelt transitiv verwendbar sind (#16-#19 in Tab.-14). Die Korpusbelege in (113) illustrieren die transitiven Verwendungen von nagen, werkeln, forschen und schrauben. Es handelt sich allerdings um seltene Ausnahmeverwendungen. <?page no="114"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 114 (113a) Eben noch nippt und nagt der hagere Lebenskünstler Joao de Deus ( Joao Cesar Monteiro) zum Beweis seiner Anspruchslosigkeit mikroskopische Portionen Wein und Ölsardinen […]. (Nürnberger Nachrichten, 28.10.2000) (113b) Im Keller werkeln Mädchen aus Wolle griffige Filzbälle, andere spielen Tischfußball oder lustwandeln im Sinnesgarten […]. (Frankfurter Rundschau, 26.10.1998) (113c) Wer unterrichtet wen und forscht was? (Frankfurter Rundschau, 16.4.1998) (113d) Davon profitieren alle Geschlechtsgenossen, auch wenn sie selbst mit Politik gar nichts am Hut haben und nur Autos schrauben wollen. (taz, 4.9.2008) Datenbasis und Vorgehensweise Der Aufbau der Clusteranalyse II für transitive und präpositionale Verbverwendungen ist identisch mit dem Aufbau der Clusteranalyse- I (Abschn.- 4.2.3). Auch hier wurde die Datenschwelle für die transitive Verbverwendung ≥-9 gesetzt. Diesem Kriterium entsprechen die Verben #1-#13 in Tabelle-14. Als Input für die Clusteranalyse dienen folglich 13 Verben in der präpositionalen und in der transitiven Verwendung sowie 8 Verben, für die es nur in der an-Konstruktion genügend Daten gibt (Verben #14-#21 in Tab.-14). Die Ausgangsmatrix für die vergleichende Analyse der Verben enthielt 34 Zeilen, die den jeweiligen Verbverwendungen entsprechen. Es wurden nur Nomen betrachtet, die sowohl in der transitiven Struktur als auch in der an-Konstruktion in den Daten belegt waren, was zu einer Ausgangsliste von 1.200 verschiedenen Lemmata führte. Nach der Einsetzung der Frequenzschwelle (≥-4), nach dem Ausschluss von pronominalen Stopwords sowie Nomen, die nur bei einem Verb vorkamen, enthielt die finale Liste 106 Lemmata. Verb ↑ 2 C an tr ↓ 1 Verb ↑ 2 C an tr ↓ 1 1 manipulieren 31 164 12 lecken 10 20 2 bauen 22 126 13 nippen 144 11 3 basteln 153 89 14 nuckeln 21 6 4 fressen 12 88 15 feilen 197 5 5 lutschen 9 84 16 nagen 171 3 6 stricken 69 71 17 werkeln 76 3 7 saugen 36 53 18 forschen 69 1 8 schreiben 9 47 19 schrauben 39 1 9 schlecken 9 31 20 arbeiten 113 0 10 knabbern 88 23 21 tüfteln 136 0 11 sägen 24 23 Tab. 14: Daten für die Clusteranalysen I und II: an-Konstruktion und transitive Verbverwendungen <?page no="115"?> Selektionspräferenzen und Verbinterpretation 115 Die Verben, die mit diesen Lexemen nicht vorkamen, wurden ausgeschlossen, wodurch die transitive Verwendung von knabbern weggefallen ist. Schließlich wurde die finale Kovorkommen-Matrix 33-×-106 erstellt, die als Input für die agglomerative hierarchische Clusteranalyse diente. Die Parameter des Clusterverfahrens wurden von der Clusteranalyse-I übernommen. Ergebnisse und Diskussion Abbildung-3 zeigt das Ergebnis-Dendrogramm. Wie bei Clusteranalyse- I werden auch hier semantisch sinnvolle Verbklassen gebildet. Die Clusterzuordnung der präpositionalen Verbverwendungen bleibt weitgehend gleich, sie wird lediglich um die transitiven Verbvarianten erweitert. Zuerst werden die transitive Variante von schlecken und die präpositionale an-Verwendung von lecken zusammen gruppiert. Im gleichen Cluster findet sich schlecken an . Abb. 3: Clusteranalyse II: Verben in der an-Konstruktion und in der transitiven Verwendung (basierend auf Nomen in der an-Phrase bzw. im Akkusativobjekt) Zentral ist vor allem die Frage, welche Positionen die präpositionale und die transitive Verwendung eines Verbs im Dendrogramm einnehmen. Nach aspektuellen Analysen müssten die jeweiligen Verbvarianten paarweise gruppiert werden, denn bis auf den aspektuellen Unterschied sind keine weiteren Effekte auf der lexikalischen Ebene zu erwarten. Dies passiert auch bei bestimmten Verben, etwa bei mani- <?page no="116"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 116 pulieren, schreiben, bauen oder nippen. Auffallend ist allerdings, dass basteln an wie bei Clusteranalyse-I in einem Cluster mit tüfteln und feilen bleibt, während die transitive basteln-Verwendung zusammen mit den beiden Verwendungen von bauen gruppiert wird. Die Ähnlichkeit zwischen basteln an und tüfteln an ist so groß, dass die transitive basteln-Verwendung ihr präpositionales Pendant nicht an sich ziehen kann. Bei basteln werden Unterschiede in den Selektionspräferenzen sichtbar, die aspektuelle Ableitungsanalysen nicht erfassen können. Angemerkt sei, dass aufgrund der eingeschränkten Datengrundlage auch kleine Überlappungen einen Einfluss auf die Clusterzuordnung haben. So wird fressen an mit saugen an in ein Cluster eingeordnet, während die transitive Verwendung von fressen an das Cluster mit bauen und basteln angehängt wird. Diese Zuordnung liegt an einem einzigen Nomen Haus, das sowohl bei bauen und basteln als auch bei fressen vorkommt. Das Verb fressen wird metaphorisch verwendet (vgl. den dazugehörigen Satz in (122a) weiter unten). Generell ist für die Interpretation der Dendrogramme Folgendes festzuhalten: Verbverwendungen, die sich im Kern der jeweiligen Cluster befinden und durch einen kleinen Balken verbunden sind, weisen die größte Ähnlichkeit zueinander auf, wie z. B. die präpositionalen und die transitiven Verwendungen von nippen oder schreiben. Verbvarianten, die als letzte einem Cluster zugeordnet werden, weisen nur eine geringe Überschneidung mit dem Clusterkern auf, was an der Balkengröße zu erkennen ist. Valide Aussagen zu diesen Verben sind nur eingeschränkt möglich. Insgesamt bietet die Clusteranalyse einen sinnvollen Weg, die Verben auf Grundlage der Nomendistribution zu gruppieren. Es werden Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den einzelnen Verbverwendungen sichtbar. Was die Clusteranalyse nicht gewährleisten kann, ist der paarweise Vergleich aller Verbvarianten untereinander. Auch eine eingehende Betrachtung der Nomen fehlt bislang. Für die Clusteranalyse wurde zudem das spezifische Setup gewählt, nur solche Nomen zu beachten, die bei mindestens zwei Verben auftreten. Diese Einschränkung ist zwar sinnvoll für die Verbgruppierung, schränkt aber die Nomenauswahl erheblich ein. Im nächsten Schritt wird diesen Umständen Rechnung getragen. Berechnung der Kosinusdistanz Datenbasis und Vorgehensweise Es wurden Verben betrachtet, für die es jeweils mindestens 6 Belege in der an-Konstruktion (Daten aus den an-Samples) und in der transitiven Verwendung gab (allgemeine Samples aus dem Untersuchungskorpus). Insgesamt 34 Verben sind durch mehr als 6 Belege in der an-Konstruktion belegt (Verben #1-#34 in Tab.-6), was zunächst die Verbauswahl bestimmte. Die transitiven Verwendungen der Verben #1-#22 wurden bei der Clusteranalyse erfasst, für die restlichen Verben wurden die transitiven Daten nach den gleichen Kriterien nacherhoben. Die finale Liste der Verben enthält 26 Prädikate, die durch ≥-6 Belege in den <?page no="117"?> Selektionspräferenzen und Verbinterpretation 117 beiden Strukturen belegt wurden, was 52 Verbvarianten entspricht. Die Übersicht der Verben sowie der zur Verfügung stehenden Daten ist in Tabelle 15 dargestellt. In- dieser Studie wurden alle Nomen betrachtet; nur die Stopwords wurden wie in den Clusteranalysen ausgeschlossen. Zusätzlich zu den 26 alternierenden Verben aus Tabelle 15 wurden fünf nicht-alternierende Verben untersucht: arbeiten, feilen, nagen, tüfteln und werkeln. Am Ende wurde die Verb-Nomen-Matrix (57- ×- 1.587) gebildet, in der jede Verbvariante durch einen Kookkurrenzvektor repräsentiert war. Ergebnisse und Diskussion Nachdem die Kookkurrenzmatrix generiert wurde, konnte die paarweise Distanz zwischen allen Verbvarianten berechnet werden. Die Ergebnisse für die Analyse der 26 alternierenden Verben sind in Tabelle- 15 zusammengefasst. Die Spalten „C an “ und „tr“ geben an, wie viele Daten für die präpositionale und die transitive Verbverwendung zur Verfügung standen. Die Tabelle-ist nach der Spalte „Distanz“ sortiert, die die Kosinusdistanz enthält: Die Werte Verb ↑ 2 C an tr Distanz ↑ 1 ∩ Nomen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 malen schlecken schreiben nuckeln polieren weben stricken kurieren schlürfen bauen nippen schmieden puzzeln lecken kürzen manipulieren proben basteln fressen knabbern lutschen kauen naschen saugen schleifen sägen 6 94 0,08 9 31 0,25 9 47 0,52 21 6 0,65 6 103 0,67 6 71 0,68 69 71 0,71 6 102 0,72 6 173 0,74 22 126 0,75 144 11 0,75 8 174 0,81 7 14 0,82 10 20 0,84 12 92 0,86 31 164 0,86 7 71 0,91 153 89 0,95 12 88 0,96 88 23 0,96 9 84 0,96 21 64 0,97 9 76 1,00 36 53 1,00 6 47 1,00 24 23 1,00 2 Bild, Szenario 1 Eis 3 Buch, Drehbuch, Roman 2 Daumen, Wasser 1 Image 2 Netzwerk, Teppich 10 Konzept, Legende, Muster, Mütze, Netz, … 1 Symptom 1 Kaffee 6 Anlage, Bombe, Dom, Haus, Kraftwerk, … 5 Bier, Champagner, Sekt, Tee, Wein 5 Bündnis, Karriere, Pakt, Ring, Zukunft 1 Mannschaft 2 Eis, Schuh 4 Etat, Leistung, Rente, Stundentafel 8 Akte, Automat, Bild, Computer, Daten, … 1 Stück 4 Bombe, Haus, Kader, Laterne 1 Tier 2 Möhre, Nuss 1 Daumen 1 Brot 0 0 0 0 Tab. 15: Kosinusdistanz zwischen den Verbverwendungen in der transitiven Struktur und in der an-Konstruktion <?page no="118"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 118 rangieren auf einer Skala von 0 bis 1, wobei der kleinste Wert der kleinsten Distanz entspricht. 71 Die Spalte „∩“ zeigt die absolute Anzahl der Lemmata, die in den beiden Verbvarianten vorkommen. Als Beispiele sind in der letzten Spalte bis zu fünf Lemmata aufgeführt. Zudem wurden alle Verbvarianten in der transitiven und in der präpositionalen Struktur miteinander sowie mit den an-Verwendungen der Verben arbeiten, feilen, nagen, tüfteln und werkeln verglichen. Die Verbvariantenpaare, die eine Kosinusdistanz ≤-0,65 haben, sind in Tabelle-16 dargestellt. Bei den alternierenden Verben in Tabelle-15 sieht man, dass die Kosinusdistanz unterschiedlich groß ist. Verglichen mit anderen Prädikaten sind die Verwendungen von malen in der transitiven Struktur und in der an-Konstruktion am ähnlichsten (die häufigsten Nomen bei malen sind in Tabelle 21 dargestellt). Im Gegensatz dazu gibt es bei den Verben naschen, saugen, schleifen und sägen keine Überlappungen auf lexikalischer Ebene. Andere Verben wie basteln, fressen und knabbern weisen eine große Distanz auf. Interpretiert man die Kosinusdistanz zwischen den beiden Verbvarianten als Maß für die Veränderung der Selektionspräferenzen der Verben, so ist das Hauptergebnis dieser Untersuchung, dass die Verben ihre Selektionspräferenzen in unterschiedlichem Maße und teilweise sehr stark verändern. Insgesamt gibt es nur 11 Verbvariantenpaare, die eine Kosinusdistanz von ≤- 0,65 haben (Tab.- 16). Es gibt zudem keine alternierenden Verben, die gleiche Kookkurrenzprofile wie die nicht-alternierenden Verben arbeiten, tüfteln oder werkeln haben (eine Ausnahme bildet das Paar basteln an -- tüfteln an , auf das ich gleich zurückkomme). Das ist insofern ein interessantes Ergebnis, als dass man aufgrund der hohen Tokenanzahl von arbeiten die Hypothese aufstellen könnte, dass sich andere (Kreations-)Verben bei der Verwendung in der an-Konstruktion an dieses Verb anpassen könnten. Auf der lexikalischen Ebene passiert diese Anpassung offenbar nicht. Generell kann man beobachten, dass die Verben, die man introspektiv als semantisch ähnlich einstufen würde, eine kleine Kosinusdistanz haben. Das gilt beispielsweise für die Verben nippen- - schlürfen, nuckeln- - lutschen und stricken- - weben, deren Kookkurrenzvektoren als ähnlich bewertet werden (Tab.- 16). Bei dem Verbpaar schlürfen und nippen werden sowohl ihre Verwendungen in der an-Konstruktion (Distanz 0,32) als auch in der transitiven Struktur (0,67) sowie die Kombination schlürfen tr -- nippen an (0,54) als relativ ähnlich ausgewiesen. Dass Verben mit ähnlicher Semantik eine kleine Distanz zueinander aufweisen, ist ein Indikator dafür, dass dieser Ansatz sinnvolle Ergebnisse liefert. 71 Die Berechnungen sind in Python 3.7.4 mit pandas v0.25.1, numpy v1.17.2 und scipy v1.3.0 durchgeführt. Das Kosinus-Distanzmaß stammt aus dem Modul scipy.spatial.distance.pdist. <?page no="119"?> Selektionspräferenzen und Verbinterpretation 119 Verbpaar Distanz ↑ 1 ∩ Nomen nippen an -- schlürfen an schlecken tr -- lecken an nuckeln an -- lutschen an stricken an -- weben an schlürfen tr -- nippen an basteln an -- tüfteln an lecken an -- schlecken an basteln an -- feilen an tüfteln an -- feilen an basteln an -- puzzeln an nippen tr -- schlürfen tr 0,32 0,44 0,45 0,53 0,54 0,54 0,55 0,61 0,61 0,63 0,65 3 Glas, Kaffee, Tasse 1 Eis 1 Daumen 3 Legende, Mythos, Netzwerk 16 Aperitif, Bier, Caipirinha, Cappuccino, Champagner, … 28 Bühnenbild, Comeback, Detail, Elf, Erfindung, … 1 Eis 21 Aufstellung, Bühnenbild, Detail, Form, Idee, … 19 Bühnenbild, Detail, Feinheit, Idee, Image, … 5 Elf, Kader, Mannschaft, Sound, Team 7 Bier, Champagner, Saft, Schluck, Sekt, … Tab. 16: Kosinusdistanz ≤-0,65, berechnet für 26 Verben aus Tabelle-15 und die an-Verwendungen von arbeiten, feilen, nagen, tüfteln und werkeln Auch die Nomen in den beiden Strukturen sollen genauer betrachtet werden. Tabellen-17-21 zeigen die zehn häufigsten Lemmata für eine Auswahl an Verben in den beiden Strukturen. Die Lemmata, die sowohl in der transitiven Verbverwendung als auch in der an-Konstruktion auftreten, sind kursiv gesetzt. Beim Paar basteln-- tüfteln in Tabelle- 19 sind zusätzlich solche Nomen fett markiert, die bei basteln an und tüfteln an vorkommen. In den nächsten Abschnitten gehe ich einzelne Verben durch, um beispielhaft zu zeigen, wie unterschiedlich die jeweiligen Prädikate sind und welche Besonderheiten bei der Nomenwahl vorliegen. Ein genauer Blick auf die Nomen hilft zu verstehen, wie die jeweiligen Distanzen zustande kommen. Tabelle- 17 zeigt zunächst die häufigsten Nomen bei den in der einschlägigen Forschungsliteratur viel diskutierten Verben schreiben und bauen. Die Kosinusdistanz zwischen den beiden Varianten von schreiben beträgt 0,52. Das ist im Vergleich zu anderen Verben eher gering. Bei bauen ist sie mit 0,75 höher, was an der lexikalischen Varianz und an der hohen Frequenz von Haus in der transitiven Verwendung von bauen liegt. Grundsätzlich fallen jedoch kaum semantische Unterschiede in der Nomenwahl zwischen der präpositionalen und der transitiven Verwendung der Verben bauen und schreiben auf, denn in den beiden Strukturen kommen konkrete Entitäten vor, die geschrieben bzw. gebaut werden können (bis auf das Nomen Freundschaft bei bauen). <?page no="120"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 120 schreiben an Buch Auflage Drehbuch Fassung Memoire Roman 4 1 1 1 1 1 schreiben tr Buch Brief Text Diktat Doktorarbeit Roman Song Arie Autogramm Ballade 4 3 3 2 2 2 2 1 1 1 bauen an Bombe Tunnel Anlage Dom Freundschaft Gleis Haus Infrastruktur Kanone Kraftwerk 2 2 1 1 1 1 1 1 1 1 bauen tr Haus Gebäude Halle Wohnung Kraftwerk Strecke Anlage Auto Brücke Burg 10 5 4 4 3 3 2 2 2 2 Tab. 17: Top-10-Lemmata bei schreiben und bauen nippen an Glas Kaffee Tasse Bier Champagner Cocktail Cola Getränk Sekt Tee 24 13 13 7 6 6 5 4 4 4 nippen tr Champagner Bier Cognac Korb Nietzsche Saft Schluck Sekt Tee Wein 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 schmieden an Bündnis Beschreibung Karriere Pakt Ring Technologie Zukunft 2 1 1 1 1 1 1 schmieden tr Plan Bündnis Allianz Koalition Konzern Eisen Ring Pakt Projekt Rank 68 19 13 11 7 3 3 2 2 2 Tab. 18: Top-10-Lemmata bei nippen und schmieden Die Kookkurrenzprofile der Verben nippen und schmieden sind in Tabelle 18 dargestellt. Bei den beiden Verben kommen in der an-Konstruktion und in der transitiven Struktur jeweils semantisch ähnliche Lemmata vor. Es gibt außerdem jeweils fünf Nomen, die in den beiden Strukturen auftreten (Tab.- 16). Trotzdem ist die Distanz zwischen den jeweiligen Verbvarianten groß: 0,75 bei nippen und 0,81 bei schmieden. Dies liegt daran, dass die Ausrichtung der Vektoren unterschiedlich ist.- Bei nippen an kommen häufig Behälter-Ausdrücke vor (z. B. Glass, Tasse), die in-den transitiven Daten nicht belegt wurden. Bei schmieden tr dominiert mit großem Abstand das Lexem Plan, das bei schmieden an nicht belegt wurde. Die Dominanz eines bzw. weniger Lexeme beeinflusst die Vektorenausrichtung und die Kosinus-Distanz. Eine der zentralen Beobachtungen betrifft die Verben basteln und tüfteln, deren häufigste Nomen in Tabelle- 19 dargestellt sind. Die präpositionale und die transitive Verwendung von basteln unterscheiden sich distributionell stark voneinander: Die <?page no="121"?> Selektionspräferenzen und Verbinterpretation 121 Kosinusdistanz beträgt 0,95 und es gibt nur 4 gemeinsame Nomen in den beiden basteln-Varianten, obwohl dieses Verb durch vergleichsweise viele Daten belegt ist. Im Unterschied dazu ist die Distanz zwischen basteln an und tüfteln an viel kleiner (0,54) und es gibt 28 gemeinsame Nomen (vgl. Tab.-16). Die lexikalische Überschneidung zwischen basteln an und tüfteln an ist durch die fettmarkierten Nomen in Tabelle-19 gekennzeichnet: Man sieht, dass nicht-konkrete Nomen wie Konzept oder Programm eine quantitativ prominente Rolle spielen. Das Verb basteln tritt in der an-Konstruktion hauptsächlich mit nicht-konkreten Nomen auf und ähnelt dadurch stark dem Verb tüfteln. Auffallend ist zudem, dass auch die präpositionale Verwendung von feilen viele Überschneidungen mit basteln an und tüfteln an aufweist (vgl. Tab.-16). Diese Ähnlichkeit ist ebenfalls durch viele abstrakte Entitäten bedingt, wie Detail, Feinheit, Idee oder Image. Auch die Clusteranalysen- I und II haben die an- Konstruktion der Verben basteln, tüfteln und feilen in ein Cluster gruppiert (vgl. Abb.- 2-3). In der an-Konstruktion weisen sie eine ähnliche Bedeutung auf, die als tüfteln-Lesart bezeichnet werden kann. Die Verben basteln und feilen werden dabei nicht-wörtlich interpretiert. Der gleiche Effekt zeigt sich auch bei anderen Verben, beispielsweise bei weben, stricken (Tab.- 20) und schleifen (Tab.- 21). Bei weben an kommen bis auf das Lemma Teppich nur abstrakte Nomen vor, bei stricken an dominieren ebenfalls nicht-konkrete Nomen die Top-10-Liste. Abstrakte Nomen treten aber auch in der transitiven Verwendung der Verben stricken und weben auf. Der Nomenvergleich und die Berechnung der Kosinusdistanz zeigen insgesamt, dass die untersuchten Verben unterschiedliche Selektionspräferenzen in der an-Konstruktion und in der transitiven Struktur haben, was sowohl gegen die Ableitungshypothese als auch gegen eine rein aspektuelle Analyse spricht. Die Verben weisen dabei ein variables Verhalten bezüglich der Selektionspräferenzen auf. Erstens gibt es Verben mit relativ ähnlichen Nomen in den beiden Strukturen, wie etwa schlecken oder schreiben. Zweitens gibt es Verben mit einer komplementären Nomenverteilung. Dies ist bei den Verben feilen und schleifen der Fall, die in der an-Konstruktion hauptsächlich mit abstrakten Nomen und in der transitiven Verwendung größtenteils mit konkreten Nomen vorkommen (Tab.-19 bzw. 21). Drittens gibt es Verben wie stricken, weben und basteln, die in der an-Konstruktion auf zweierlei Arten benutzt werden. Einerseits werden sie in der an-Konstruktion mit den gleichen konkreten Nomen gebraucht wie in der transitiven Verwendung (eine/ an einer Socke stricken, einen/ an einem Teppich weben, eine/ an einer Laterne basteln). Andererseits erlauben sie in der an-Konstruktion abstrakte Nomen, die in der transitiven Verwendung nicht möglich (*die Rückkehr/ an der Rückkehr basteln) bzw. selten sind (ein Konzept/ an einem Konzept basteln). <?page no="122"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 122 basteln an Konzept Karriere Mannschaft Kader Programm Plan Team Aufstellung Bombe Reform 12 6 6 5 5 4 4 3 3 3 basteln tr Karte Kranz Laterne Schmuck Collage Engel Figur Geschenk Haus Maske 3 3 3 3 2 2 2 2 2 2 tüfteln an Konzept System Lösung Produkt Programm Modell Entwicklung Experiment Feinheit Gerät 7 6 4 4 4 3 2 2 2 2 feilen an Detail Technik Konzept Programm Text Rede Image Profil Taktik Projekt 14 13 11 7 5 5 5 4 4 3 feilen tr Nagel Schneide Rohr 3 1 1 Tab. 19: Top-10-Lemmata bei basteln, tüfteln und feilen weben an Erhalt Legende Mysterium Mythos Netzwerk Teppich 1 1 1 1 1 1 weben tr Teppich Netz Stoff Textilie Faden Geflecht Tuch Apokalypse Atmosphäre Auge 13 9 3 3 2 2 2 1 1 1 stricken an Legende Mythos Programm Geschichte Konzept Modell Plan Socke (finiter Satz) 3 : 0 8 6 3 2 2 2 2 2 1 1 stricken tr Socke Pullover Schal Programm Decke Mütze Sache Abend Alibi Alptraum 10 8 6 4 2 2 2 1 1 1 Tab. 20: Top-10-Lemmata bei weben und stricken Evaluation der distributionellen Ansätze und weitere Schritte Die hier vorgestellten distributionellen Analysen (Clusteranalyse II und die Berechnung der Kosinusdistanz) haben mehrere Vorteile. Die Auszeichnung von Verbverwendungen mit der Lemmaform des Nomens in der an-Phrase bzw. im direkten Objekt ist nicht zeitaufwendig und bedarf keines komplizierten Annotationsschemas. Mit relativ einfachen Mitteln kann dadurch die Ähnlichkeit zwischen einzelnen Verbvarianten gemessen werden. Die Schwäche dieser Ansätze besteht darin, dass sie über einzelne Oberflächenbzw. Lemmaformen nicht generalisieren können: Die lexikalische Vielfalt, die in der Sprache vorhanden ist, führt zu einer großen Distanz zwischen den einzelnen Verbvarianten. Dies ist z. B. beim Verb bauen der Fall. Die Kosinusdistanz zwischen der transitiven und der präpositionalen Verwendung von bauen beträgt 0,75. Dabei werden solche Lemmata wie Haus, Gebäude, Garage, Scheune usw. jeweils einzeln ausgewertet, obwohl sie auf semantisch ähnliche Konzepte referieren und im Idealfall nicht als unterschiedliche Datenpunkte darzustellen sind. Um diesem Einwand zu begegnen, sind prinzipiell mehrere Lösungen denkbar. Erstens könnte man die <?page no="123"?> Selektionspräferenzen und Verbinterpretation 123 jeweiligen Lexeme mit dazugehörigen Hyperonymen aus GermaNet annotieren, um auf diese Weise einzelne Ko-Hyponyme zu einem Datenpunkt zusammenzufassen. Zweitens könnte man vortrainierte distributionelle Wort-Vektoren benutzen, um Wörter mit ähnlicher Bedeutung automatisch zu erkennen (Word-Embeddings wie Word2Vec oder GloVe). Insgesamt muss festgehalten werden, dass bei vielen Verben nur wenige Daten zur Verfügung standen, was an der hier gewählten samplebasierten Vorgehensweise liegt. Grundsätzlich wäre es sinnvoll, für jede Verbvariante, die durch solche distributionellen Maße erfasst werden soll, eine Mindestanzahl an Belegen zu sammeln. schleifen an Arrangement Ausdauer Programm Rhetorik Schlittschuh 1 1 1 1 1 schleifen tr Stein Diamant Druckstein Edelstein Juwel Messer Bastion Boden Budgethoheit Bumerang 3 2 2 2 2 2 1 1 1 1 malen an Bild Szenario T-Shirt 4 1 1 malen tr Bild Bildnis Frau Licht Mensch Porträt Akt Amerikaner Amoretten am Bach Aquarelle 31 2 2 2 2 2 1 1 1 1 Tab. 21: Top-10-Lemmata bei schleifen und malen 4.3.2 Verbinterpretation: wörtlich vs. übertragen Die distributionelle Herangehensweise zeigt, dass sich die Selektionspräferenzen der Verben in der an-Konstruktion und in der transitiven Verwendung unterscheiden. Der Unterschied in den Selektionspräferenzen geht mit dem Abstraktheitseffekt auf der Nomen-Ebene einher: Die Verwendungen der Verben feilen, basteln und stricken in der an-Konstruktion weisen z. B. viele abstrakte Nomen auf, die eine übertragene Verbinterpretation auslösen. Die Kosinusdistanz ist jedoch nur als eine Annäherung an die Messung der (Un-) Ähnlichkeit der Selektionspräferenzen aufzufassen. Eine große Distanz kann nicht mit einem Unterschied in den Selektionspräferenzen auf ontologischer Ebene gleichgestellt werden. So liegt die große Distanz bei bauen (0,75) an der lexikalischen Vielfalt der Nomen, die bei einem frequenten Verb wie bauen in beiden Strukturen auftreten (vgl. Tab.-17) und nicht notwendigerweise an den ontologischen Unterschieden. Eine geringe Distanz bedeutet wiederum nicht, dass das Verb gleiche Selektionsrestriktionen in den beiden Strukturen aufweist. Das trifft auf das Verb malen zu, das die geringste Distanz von allen untersuchten Verben aufweist (0,08). Die tatsächliche Nomen- und Verbinterpretation kann jedoch aus der Kookkurrenztabelle- 21 <?page no="124"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 124 für malen nicht abgelesen werden. Die Beispiele in (114) illustrieren das anhand des Nomens Bild, das das häufigste Lemma in den beiden Strukturen ist und die geringe Distanz zwischen den malen-Varianten bedingt. Aus dem Kontext wird deutlich, dass das Verb unterschiedlich interpretiert wird. In (114a) geht es um einen Herstellungsvorgang eines konkreten Bildes, in den Farben und andere Malutensilien involviert sind. In (114b) geht es hingegen darum, eine bestimmte Vorstellung hervorzurufen, malen wird in übertragener Bedeutung verwendet. (114a) Je nach Größe malt Schiele zwischen drei Wochen und anderthalb Jahren an einem Bild-- und das an bis zu zehn gleichzeitig. (Frankfurter Rundschau, 27.8.1998) (114b) „Da wird an dem Bild gemalt, langsam fängt Merkel an zu wackeln, dann kippt sie um“, analysierte ein Vertrauter der Kanzlerin. (Hannoversche Allgemeine Zeitung, 1.7.2008) Die Betrachtung der Nomendistribution und die darauf basierende Distanzberechnung zeigen den in (114) illustrierten Interpretationsunterschied nicht auf. Diese Studie untersucht die semantischen Kontraste auf der Verbebene und diskutiert zwei Analyseoptionen. Einerseits wird eine binäre ontologische Annotation der Nomen in der an-Phrase bzw. im Akkusativobjekt vorgenommen, die die Nomenreferenten als konkrete vs. nicht-konkrete Objekte einstuft. Andererseits wird eine semantische Klassifikation der jeweiligen Verbverwendungen durchgeführt, die die Verblesart in konkret (wörtlich) vs. übertragen (nicht-wörtlich, metaphorisch) einordnet. Der Vergleich der beiden Analysewege zeigt, dass die Verbannotation die nicht-wörtliche Interpretation präziser erfasst. Datenbasis Diese Studie konzentriert sich auf die zwei Verbgruppen der Kreations- und Konsumverben, die sowohl in der an-Konstruktion als auch in der transitiven Verwendung vorkommen. Kreations- und Konsumverben spielen eine zentrale Rolle bei der Behandlung der an-Konstruktion in der einschlägigen Forschungsliteratur, sodass eine vertiefende Analyse dieser Verbklassen sinnvoll ist. Die hier vorgestellte quantitative Analyse von Korpusdaten bestätigt ihre prominente Rolle in der an- Konstruktion. Die mit GermaNet durchgeführte Auswertung auf der Verbtypen- Ebene ergab zudem, dass die semantischen Klassen Schöpfung und Verbrauch in der an-Konstruktion dominieren. Bei der semantischen Analyse in Kapitel- 5 werden diese beiden Gruppen ebenfalls schwerpunktmäßig behandelt. Der Fokus auf Verben, die sowohl in der an-Konstruktion als auch in der transitiven Struktur möglich sind, entspricht dem Ziel dieser Studie, die Unterschiede in verbalen Selektionspräferenzen bzw. in der Verbinterpretation in den beiden Verwendungen zu erfassen. Den Ausgangspunkt für die Verbauswahl bilden die Verben aus dem letzten Schritt (Tab.-15). Für diese Verben gibt es jeweils mindestens 6 Belege in der an-Konstruktion (basierend auf den an-Samples) und in der transitiven Verwendung (allgemeine <?page no="125"?> Selektionspräferenzen und Verbinterpretation 125 Samples aus dem Untersuchungskorpus). Aus dieser Verbliste wurden alle Kreationsverben in (115) und Konsumverben in (116) ausgewählt. (115) Kreationsverben (7): basteln, bauen, malen, schmieden, schreiben, stricken, weben (116) Konsumverben (10): fressen, kauen, knabbern, lecken, lutschen, naschen, nippen, nuckeln, schlecken, schlürfen Diese zwei Klassen könnten noch feinkörniger definiert werden. Die Gruppe der Kreationsprädikate beinhaltet vor allem solche Verben, die manuell-handwerkliche Tätigkeiten bezeichnen. Die heterogene Gruppe der als Konsumverben gewerteten Prädikate kann in drei Untergruppen aufgeteilt werden, je nachdem, ob die Verben sowohl in der an-Konstruktion als auch in der transitiven Struktur Konsum von etwas implizieren. Erstens gibt es die Verben fressen, naschen, nippen und schlürfen, die sowohl in der an-Konstruktion als auch in der transitiven Struktur Verzehr implizieren. Kommt bei diesen Verben ein nicht-essbarer Gegenstand vor, entsteht in beiden Verwendungen trotzdem die Verzehr-Interpretation (vgl. #am Bleistift/ #den Bleistift fressen). Zweitens gibt es die Verben knabbern und nuckeln, die nur in der transitiven Verwendung, aber nicht in der an-Konstruktion Verzehr implizieren (vgl. #den Käfig/ am Käfig knabbern). Drittens gibt es die Verben kauen, lecken, lutschen und schlecken, die sowohl in der an-Konstruktion als auch in der transitiven Struktur auch ohne die Verzehr-Implikation verwendet werden können (vgl. das Kaugummi kauen, die Hände lecken, die Pfote schlecken, den Daumen lutschen). Die Verben aus der zweiten und der dritten Gruppe können folglich eine lokale Kontakt-Interpretation bei nicht-essbaren Gegenständen in der an-Konstruktion erhalten. Die Kontaktrelation besteht zwischen dem Subjektreferenten (bzw. seinen Zähnen oder seinem Mund) und dem Referenten der an-Phrase. Ein Konsum findet nicht notwendigerweise statt. Da diese semantische Dreiteilung zu keinen quantitativen Unterschieden führt, werden diese Verben unter dem Dach der Konsumverben behandelt. In Abschnitt-5.2.3 zur semantischen Analyse wird diesen Bedeutungsbesonderheiten Rechnung getragen. Ontologische Annotation der Nomen Die erste Annäherung an die Erfassung der Selektionspräferenzen der Verben und der Verbinterpretation besteht in der ontologischen Annotation der Nomen. 72 Es bietet sich dabei eine einfache binäre Klassifikation in konkrete und nicht-konkrete Objekte an (vgl. auch Laptieva 2019), denn im Unterschied zu anderen ontologischen Klassen, wie etwa Eventualitäten, Eigenschaften oder abstrakten Entitäten wie Propositionen oder Fakten, sind konkrete Objekte relativ leicht durch sprachliche Diagnostiken bestimmbar. 72 Zu Fragen natürlichsprachlicher Ontologie sei auf Asher (2011) verwiesen, zur Anwendung ontologischer Annotation in korpusbasierten Studien vgl. z. B. Laptieva (2017), Horle-Herdtfelder (2019). <?page no="126"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 126 Konkrete Objekte existieren in der uns umgebenden Welt, sie können wahrgenommen werden, im Raum verortet sein, sie haben meistens eine bestimmte Farbe, Form, Größe oder ein spezifisches Gewicht und können durch physischen Einfluss beschädigt werden. Die entsprechenden sprachlichen Tests erlauben die Einstufung des Nomenreferenten als konkretes Objekt (vgl. z. B. Dölling 2015): - Verortung durch Positionsverben (liegen, stehen, sich befinden, …) - Kombination mit (20 cm) groß sein, rund/ rot sein - Kombination mit (200 Gramm) wiegen - Einbettung unter beschädigen, zerreißen, … Wendet man diese Diagnostiken auf die präpositionale, (117), bzw. auf die transitive Verwendung von basteln in (118) an, so werden die Nomen in den a-Sätzen (Laterne, Puppe) als konkrete und die Nomen in den b-Sätzen (Musikerkarriere, Übungsfall) als nicht-konkrete Objekte ausgewiesen. Auf diese Weise kann man den Abstraktheitseffekt untersuchen, der bei der Betrachtung der Nomen-Listen im letzten Schritt aufgefallen war. Die Nomeninterpretation beeinflusst die Verbinterpretation: Bei nicht-konkreten Nomen in den b-Sätzen in (117)-(118) erhält das Verb eine nichtkonkrete, metaphorische Interpretation. (117a) Mit ihren Freundinnen […] hat die Elfjährige eine Woche lang an ihrer schön gestalteten Laterne gebastelt. (Nürnberger Nachrichten, 13.12.2002) (117b) Nebenbei versucht Strunk, an einer ernsthaften Musikerkarriere zu basteln, was aber nicht so recht funktionieren will. (Nürnberger Nachrichten, 18.4.2008) (118a) Ihre Bewährungsprobe haben sie schon hinter sich: In Gemeinschaftsarbeit hatten sie Kerbpuppe Nobbi gebastelt. (Frankfurter Rundschau, 2.9.1997) (118b) Er nahm Prüfungen ab, hielt Vorlesungen und bastelte unzählige Übungsfälle: „Der Peter möchte dem Karl einen kleinen Schrecken einjagen und richtet eine Pistole auf ihn. […]“. (Zürcher Tagesanzeiger, 4.6.1998) Die ontologische Nomenannotation hat mehrere Vorteile. Erstens wendet man eine einfache binäre Klassifikation mit einer etablierten semantischen Kategorie der konkreten Objekte an, die durch sprachliche Diagnostiken gut erfassbar ist. Zweitens kann diese Annotation auf alternierende und auf nicht-alternierende Verben angewendet werden. Bei der Nomenannotation ist der Kontexteinfluss zu berücksichtigen: Im Korpusbeleg in (114b) folgt beispielsweise aus dem Satzkontext, dass das Nomen Bild kein physisches Objekt bezeichnet. <?page no="127"?> Selektionspräferenzen und Verbinterpretation 127 Annotation der Verbinterpretation: wörtlich vs. übertragen Ein grundlegendes Problem der ontologischen Nomenannotation besteht darin, dass es keine Eins-zu-Eins- Korrespondenz zwischen der Nomen- und der Verbinterpretation gibt. Einerseits kann das Verb eine übertragene Interpretation erhalten, obwohl das Nomen einen konkreten Gegenstand bezeichnet. Dieser Fall ist in (119) illustriert: Das Nomen in der an-Phrase (Balkontür) referiert zwar auf ein konkretes Objekt, aber das Verb knabbern wird metaphorisch uminterpretiert, da das Subjekt des Satzes (Winter) eine nicht-belebte Entität einführt. Andererseits kann ein Mismatch auch dann vorliegen, wenn das Nomen auf eine nicht-konkrete Entität referiert, aber das Verb sich auf den konkreten, beobachtbaren Vorgang bezieht. Dieser Fall ist in (120) dargestellt: Das Nomen Feier bezeichnet eine abstrakte Entität, das Verb malen bezieht sich jedoch auf einen konkreten Mal-Vorgang. (119) Wie nun der Winter an der morschen Balkontür knabbert und sein Kristallgesicht an den Spalt presst und mir in die Stube atmet, gar nicht wahrhaben wollend, dass die Tage wieder merklich länger werden, so kann man beispielsweise sich einen Pullover aus modernem Gewebe überstreifen und bei einer Kanne Tee auf der Scheeselong [sic] einmummeln. (Berliner Zeitung, 23.2.2001) (120) Der Schwede Carl Larrson hat die Weihnachtsfeier der eigenen Familie gemalt. (Die Rheinpfalz, 29.11.2008) Die Verbinterpretation kann nicht in allen Fällen aus der Semantik des Nomens in der an-Phrase bzw. im Akkusativobjekt erschlossen werden. Die Annotation auf Verbebene sieht vor, das vom Verb bezeichnete Geschehen in zwei Kategorien einzuordnen: Das Verb bezeichnet einen physischen Vorgang und wird in der wörtlichen Bedeutung gebraucht (z. B. an einer Möhre knabbern) oder das Verb bezeichnet keinen physischen Vorgang, der zwei konkrete Entitäten involviert, und erhält eine übertragene, metaphorische Bedeutung (z. B. an einem Problem knabbern). Die konkrete (wörtliche) Interpretation der Kreations- und Konsumverben wird durch das Kriterium in (121) erfasst. (121) Die wörtliche Verbinterpretation liegt im gegebenen Satzkontext vor, wenn das Verb ein konkretes, physisches Kreationsbzw. Konsumereignis bezeichnet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn: (i) der Subjektreferent eine belebte Entität ist, die willentlich an der vom Verb bezeichneten Handlung beteiligt ist; (ii) das Objektnomen eine konkrete Entität bezeichnet, die durch den vom Verb bezeichneten Vorgang a)- hergestellt wird (bei Kreationsverben) <?page no="128"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 128 bzw. b)-konsumiert wird oder die in einer Kontaktrelation zu dem Subjektreferenten steht (bei Konsumverben); (iii) keine anderweitigen Indikatoren im Satzkontext für die metaphorische Interpretation vorhanden sind. Dabei spielt die Verbinterpretation die zentrale Rolle: Im Beispiel (120) bezeichnet das Verb malen einen konkret-physischen Kreationsvorgang, obwohl das Objektnomen Feier auf eine abstrakte Entität referiert. Insgesamt gehe ich also davon aus, dass ein Verb in einer wörtlichen, konkreten Lesart und in einer nichtwörtlichen, übertragenen Lesart verwendet werden kann. 73 Vergleich der Nomen- und der Verbinterpretation Um den Zusammenhang zwischen den beiden Vorgehensweisen zu überprüfen, wurden die hier untersuchten Kreations- und Konsumverben in der transitiven Struktur und in der an-Konstruktion sowohl mit dem ontologischen Typ des Nomens (konkretes vs. nichtkonkretes Objekt) sowie mit der Verbinterpretation ausgezeichnet (konkret vs. metaphorisch). Vergleicht man den Anteil konkreter Objekte mit dem Anteil konkreter Interpretationen bei den jeweiligen Verben, so sieht man einen eindeutigen Zusammenhang.- Über alle analysierten Prädikate hinweg korrelieren diese Werte sehr stark (Pearson-Korrelation): 0,973 (p-Wert 0,0) in der an-Konstruktion und 0,955 (p-Wert 0,0) in der transitiven Struktur. Tabelle-22 fasst die Ähnlichkeiten und Unterschiede der beiden Vorgehensweisen in absoluten Zahlen zusammen. In den allermeisten Fällen entspricht ein konkretes Nomen der wörtlichen Verblesart (z. B. an einer Laterne basteln) und ein nicht-konkretes Nomen führt zur übertragenen Verblesart (z. B. an einem Konzept basteln). Nomenvs. Verbinterpretation C an tr N konkret -- V konkret N abstrakt -- V metaphorisch N konkret -- V metaphorisch N abstrakt -- V konkret 332 937 236 254 34 52 0 5 Gesamt 602 1.248 Tab. 22: Vergleich der ontologischen Nomenannotation (konkretes vs. abstraktes Objekt) mit der Annotation der Verbinterpretation (konkret/ wörtlich vs. metaphorisch/ nicht-wörtlich) 73 Damit wird nicht gesagt, dass die wörtliche Lesart als Grundbedeutung zu betrachten ist. Schließlich müssten dafür zunächst folgende Fragen geklärt werden. Wie bestimmt man überhaupt die Grundbedeutung eines Verbs und in welcher Argumentstruktur? Welche Datenquelle legt man dieser Bestimmung zugrunde? Korpusdaten können als Antwortgrundlage für diese Frage eher nicht verwendet werden: Das Verb schmieden beispielsweise ist in seinem synchronen Gesamtgebrauch im Korpus sehr abstrakt (Pläne schmieden, vgl. Tab.-18), während die konkreten Verbverwendungen selten sind. <?page no="129"?> Selektionspräferenzen und Verbinterpretation 129 Wie die Gegenüberstellung der beiden Vorgehensweisen in Tabelle-22 zeigt, gibt es Mismatch-Fälle, in denen der Nomentyp und die Verbinterpretation nicht übereinstimmen. Die erste Mismatch-Bedingung (konkretes Nomen, metaphorische Verbinterpretation; N konkret - - V metaphorisch ), die mit dem Beispiel (119) eingeführt wurde, kommt insbesondere bei Konsumverben vor. Die Korpusbelege mit dem Verb fressen in (122) illustrieren diesen Mismatch-Fall für die transitive Verbverwendung, vgl. (122a), und für die präpositionale, vgl. (122b). (122a) Die Flammen fraßen die Hälfte des Waldes, der ihr einst diesen poetischen Beinamen verlieh: Thassos, die Smaragdgrüne. (Süddeutsche Zeitung, 14.9.2006) (122b) Er wird andauernd bespitzelt, fühlt sich diskreditiert und verfolgt, der Kummer frisst an ihm, er vergreist zusehends. (Nürnberger Nachrichten, 6.8.2005) Das direkte Objekt bzw. die an-Phrase führen konkrete Objekte ein. Die metaphorische Verbinterpretation wird von den jeweiligen Subjekten ausgelöst. Die Flammen in (122a) bzw. der betrübte emotionale Zustand Kummer in (122b) entsprechen nicht den Anforderungen des Verbs fressen. Kreationsverben treten in dieser Mismatch- Bedingung nur vereinzelt auf. In (123) ist am Beispiel des Verbs stricken die übertragene Verbinterpretation illustriert, die trotz des konkreten Objekts in der an-Phrase in (123a) bzw. im direkten Objekt in (123b) entsteht. (123a) Die Nerven halten noch, wenn das auch für eine Institution, die zehn Jahre an einem Bau gestrickt hat, ein herber Schlag ist. (Berliner Zeitung, 7.6.2004) (123b) Und bedenklich wäre es, wenn in einem Verlag, der stolz sein kann auf seine breite Palette höchst eigenständiger Erzeugnisse, plötzlich alle diese synchron nach dem einen und gleichen Muster gestrickt werden müssten, nur weil mit einem Produkt gerade toll auf Erfolgskurs gefahren wird. (Tages-Anzeiger, 26.4.1997) Ein Bau in (123a) kann nicht mit üblichen Strickwerkzeugen hergestellt werden. Das Verb stricken wird in diesem Satz als mentales Prädikat im Sinne von ‚an etwas arbeiten, tüfteln‘ interpretiert. Auch die Verlagserzeugnisse (Bücher, Magazine usw.) in (123b) werden in der Regel nicht gestrickt. Die zweite Mismatch-Bedingung (abstraktes Nomen, konkret-wörtliche Verbinterpretation; N abstrakt -- V konkret ) umfasst insgesamt fünf Fälle. Alle beziehen sich auf das Verb malen in der transitiven Struktur. Es handelt sich um malen-Verwendungen wie in (120), in denen das direkte Objekt eine abstrakte Entität wie eine Feier einführt, aber das Verb einen konkreten Mal-Vorgang bezeichnet. <?page no="130"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 130 In Abschnitt- 5.2.4 gehe ich auf die Spielarten der metaphorischen Interpretation ausführlicher ein, die in der atelischen an-Konstruktion möglich sind. Annotation von intransitiven Verbverwendungen Ein weiterer Vorteil der Annotation der Verblesart ist die Erfassung von intransitiven Verbverwendungen. Die einstelligen Verbverwendungen sind insofern wichtig, als ich dafür argumentiere, dass die an-Phrasen Modifikatoren von einstelligen Verbvarianten sind (vgl. Kap.-2 und 5). Für die hier untersuchten Kreations- und Konsumverben, die in (115)-(116) aufgelistet sind, wurden in den allgemeinen Verbstichproben aus dem Untersuchungskorpus (Tab.-7) die intransitiven Verwendungen nachannotiert. Als intransitive bzw. einstellige Verwendungen wurden die Verbvorkommen ohne Akkusativobjekt bewertet. Die agentiven Verbverwendungen, vgl. den Korpusbeleg für stricken in (124a), und die Verwendungen im unpersönlichen Passiv, vgl. (124b), wurden als relevante Treffer eingestuft (die ausführlichen Informationen zu der Annotation finden sich im Anhang). (124a) Sie strickt, er knarzt schrullig und hantiert mit einer Pinzette in einer Tabakdose. (taz, 16.7.1993) (124b) „Bis in die 1980er-Jahre trafen wir uns in der Bobenheimer Pestalozzischule zum Stricken […].“ Die meisten Mitglieder seien längst gestorben und gestrickt werde schon lange nicht mehr. (Die Rheinpfalz, 7.12.2012) Basierend auf dem Satzkontext können die intransitiven Verbverwendungen daraufhin annotiert werden, ob sie wörtlich oder nicht-wörtlich interpretiert werden. In diesem Fall greifen alle Bedingungen für die konkrete Verbinterpretation in (121) bis auf das Objekt-Postulat in (ii). In den beiden Sätzen in (124), die die einstellige Verwendung von stricken illustrieren, bezeichnet das Verb einen konkreten Strick-Vorgang, nur das Produkt des Strickens wird nicht explizit genannt. Das Beispiel (125) illustriert die nicht-wörtliche Lesart des intransitiv verwendeten Verbs weben. Die metaphorische Verbinterpretation wird durch das Subjektnomen Lindenlüfte ausgelöst, das die Bedingung (i) in (121) und die Forderung nach einem konkreten, willentlich handelnden Subjektreferenten nicht erfüllt. (125) Die Lindenlüfte sind erwacht, sie säuseln und weben Tag und Nacht […]. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.5.1997) Ergebnisse In dieser Studie werden Kreations- und Konsumverben untersucht, die in (115)-(116) aufgelistet sind. Die Verbverwendungen in der atelischen an-Konstruktion, in der transitiven und in der intransitiven Struktur wurden daraufhin annotiert, ob die Verben wörtlich oder nicht-wörtlich interpretiert werden. Die <?page no="131"?> Selektionspräferenzen und Verbinterpretation 131 Ergebnisse sind in Tabelle-23 dargestellt. 74 Die folgenden drei Spalten mit hellgrauem Hintergrund enthalten die zentralen Befunde und zeigen den Anteil konkretwörtlicher Verbverwendungen in der jeweiligen Konfiguration: - Die Spalte % konkr an enthält den Anteil der konkret-wörtlichen Verbinterpretation in der atelischen an-Konstruktion, - die Spalte % konkr tr den Anteil in der transitiven Verbverwendung und - die Spalte % konkr intr den Anteil in der intransitiven Verbverwendung. an -Daten allgemeine Samples Verb an #konkr an %konkr an tr intr an sonst FT #konkr tr %konkr tr #konkr intr %konkr intr % c in v ↓ 1 2 3 4 5 6 7 basteln stricken weben schmieden bauen schreiben malen 153 69 6 8 22 9 6 25 8 0 0 17 9 3 0,16 0,12 0,00 0,00 0,77 1,00 0,50 89 44 53 11 3 71 33 18 73 5 71 17 11 36 65 174 3 8 14 1 126 16 2 19 37 47 16 2 121 14 94 39 2 54 11 78 38 32 15 123 47 78 0,88 0,54 0,45 0,09 0,98 1,00 0,83 42 33 15 3 15 15 39 0,95 1,00 0,88 1,00 0,94 0,94 1,00 0,27 0,09 0,08 0,04 0,01 0,01 0,01 Gesamt 273 62 672 168 96 328 136 411 162 (a)--Kreationsverben an -Daten allgemeine Samples Verb an #konkr an %konkr an tr intr an sonst FT #konkr tr %konkr tr #konkr intr %konkr intr % c in v ↓ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 nippen nuckeln knabbern lutschen kauen lecken schlecken naschen schlürfen fressen 144 21 88 9 21 10 9 9 6 12 140 21 51 7 14 9 9 5 6 8 0,97 1,00 0,58 0,78 0,67 0,90 1,00 0,56 1,00 0,67 11 9 170 5 5 6 4 105 7 1 23 8 81 78 10 84 9 44 36 27 64 26 23 30 57 20 3 18 141 18 31 4 4 10 151 76 46 11 62 5 173 9 5 11 2 88 9 4 66 33 10 6 22 77 61 14 28 75 169 69 0,91 1,00 0,96 0,92 0,95 0,70 0,90 0,99 0,98 0,78 9 4 7 8 25 3 4 45 8 8 1,00 1,00 0,88 0,89 0,96 1,00 1,00 0,98 0,89 0,89 0,87 0,86 0,43 0,25 0,16 0,10 0,08 0,06 0,03 0,02 Gesamt 329 270 576 127 465 446 309 531 121 (b)--Konsumverben Tab. 23: Anteile konkret-wörtlicher Verblesart in der atelischen an-Konstruktion (Spalte „% konkr an “), in der transitiven („% konkr tr “) und in der intransitiven Verbverwendung („% konkr intr “) 74 Für die Berechnungen und die Erstellung der Diagramme wurde die Python-Bibliothek pandas v0.25.1 benutzt. <?page no="132"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 132 Die letzte Spalte „% c in v“ gibt an, wie häufig die jeweiligen Verben in der atelischen an-Konstruktion relativ zu ihren anderen Verwendungen gebraucht werden. Die Tabellen-23a-23b sind nach dieser Spalte sortiert. Ein Beispiel dazu: Das Verb basteln (#1 in Tab.-23a) erhält eine konkret-wörtliche Lesart in 16% seiner Verwendungen in der an-Konstruktion, in 88% seiner transitiven Verwendungen und in 95% seiner intransitiven Verwendungen; der Anteil der atelischen an-Konstruktion an allen Verwendungen des Verbs basteln liegt bei 27%. Der Anteil der an-Konstruktion an allen Verbverwendungen ist als Indikator für die Neigung eines Verbs zu der an- Konstruktion zu interpretieren. Ergebnistabelle-23 enthält der Vollständigkeit halber weitere Informationen, die die Datenstruktur und die Vorgehensweise abbilden. Da die semantische Annotation der an-Konstruktion einerseits und der (in)transitiven Verbverwendungen andererseits in zwei verschiedenen Korpusstichproben durchgeführt wurde, ist die Ergebnistabelle zweiteilig aufgebaut. Erstens zeigen die unter „an-Daten“ zusammengeführten Spalten, wie viele Daten für die Verbverwendung in der an-Konstruktion zur Verfügung standen und wie häufig die Verben konkret-wörtlich interpretiert wurden. Diese Daten stammen aus dem reduzierten an-Korpus (vgl. Tab.-6). Ein Beispiel dazu: Das Verb basteln wurde in 25 von 153 Verwendungen in der an-Konstruktion konkret-wörtlich interpretiert, was einem Anteil von 16% entspricht. Zweitens beziehen sich die unter „allgemeine Samples“ zusammengeführten Spalten auf die allgemeinen Samples des Untersuchungskorpus (vgl. Tab.- 7). Zunächst ist dargestellt, wie häufig das jeweilige Verb in der transitiven Verwendung (Spalte „tr“), in der intransitiven Struktur („intr“), in der an-Konstruktion („an“), in sonstigen Strukturen („sonst“) oder als Fehltreffer („FT“) in einem Sample vorkam. Die Angaben in diesen Spalten addieren sich zu der Samplegröße. Anschließend wird für die transitive und die intransitive Verbverwendungen dargestellt, wie häufig die wörtliche Verbinterpretation vorlag. Ein Beispiel dazu: Für basteln wurden 200 Belege annotiert. In 78 von 89 transitiven Verwendungen wurde das Verb basteln konkret-wörtlich interpretiert, was einem Anteil von 88% entspricht. Die letzte Tabellenspalte („%- c in v“) zeigt den Anteil der an-Konstruktion an allen Verbverwendungen und wird unter Berücksichtigung der Fehltreffer („FT“) berechnet. Ein Beispiel dazu: In den 200 Belegen von basteln finden sich 3 Fehltreffer. Der Anteil der atelischen an- Konstruktion an der korrigierten Frequenz von basteln beträgt somit 27%. Zusätzlich zu dieser ausführlichen Ergebnisdarstellung zeigt Tabelle- 24 die aggregierte deskriptive Statistik. Die Daten sind auf zweierlei Weise visualisiert. Erstens liefern die Liniendiagramme in Abbildung-4 eine Überblicksdarstellung der konkret-wörtlichen Verblesart in der an-Konstruktion, in der transitiven und in der intransitiven Verbverwendung. Zweitens liefern die Balkendiagramme in Abbildung-5 ein genaueres Bild auf der Verbebene. Die schwarze Linie bildet den Anteil der an-Konstruktion an allen Verbverwendungen ab. <?page no="133"?> Selektionspräferenzen und Verbinterpretation 133 % konkr an % konkr tr % konkr intr Minimum Maximum Mittelwert Standardabweichung Median 0,00 0,09 0,88 1,00 1,00 1,00 0,36 0,68 0,96 0,40 0,34 0,04 0,16 0,83 0,95 (a)--Kreationsverben % konkr an % konkr tr % konkr intr Minimum Maximum Mittelwert Standardabweichung Median 0,56 0,70 0,88 1,00 1,00 1,00 0,81 0,91 0,95 0,18 0,10 0,06 0,84 0,93 0,97 (b)--Konsumverben Tab. 24: Deskriptive Statistik für Anteile konkreter Verblesart in der atelischen an-Konstruktion („% konkr an “), in der transitiven („% konkr tr “) und in der intransitiven Verbverwendung („% konkr intr “) (a)--Kreationsverben (b)--Konsumverben Abb. 4: Überblicksdarstellung der Anteile konkreter Verblesart in der atelischen an-Konstruktion („an“ auf der x-Achse; % konkr an ), in der transitiven („tr“; % konkr tr ) und in der intransitiven Verbverwendung („intr“; % konkr intr ) Diskussion Die hier untersuchten Kreations- und Konsumverben weisen einen Unterschied in der Metaphorizität zwischen der an-Konstruktion, der transitiven und der intransitiven Struktur auf. In der atelischen an-Konstruktion werden die Verben tendenziell häufiger metaphorisch verwendet als in der transitiven Struktur, während sie in der intransitiven Verwendung fast ausschließlich konkretwörtlich interpretiert werden. Diese Tendenz lässt sich in Abbildung-4 beobachten, vgl. auch die jeweiligen Mittelwerte und Mediane in Tabelle-24. <?page no="134"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 134 Bei eingehender Betrachtung der Kreations- und Konsumverben konzentriere ich mich auf die atelische an-Konstruktion und die transitive Struktur, da es in der intransitiven Verwendung keinen Unterschied zwischen den beiden Verbgruppen gibt. Die Klasse der Kreationsverben ist bezogen auf den Anteil der konkreten Verblesart heterogen. Während schmieden in der an-Konstruktion und in der transitiven Struktur fast ausschließlich nicht-wörtlich verwendet wird, ist schreiben nur in konkreter Lesart belegt. Kreationsverben werden insgesamt häufiger nicht-wörtlich verwendet als Konsumverben. (a)--Kreationsverben (b)--Konsumverben Abb. 5: Verbzentrierte Darstellung der Anteile konkreter Verblesart in der atelischen an- Konstruktion ( % konkr an ), in der transitiven ( % konkr tr ) und in der intransitiven Verbverwendung ( % konkr intr ). Die schwarze Linie bildet den Anteil der atelischen an-Konstruktion an allen Verbverwendungen ab („% c in v“) Bei Kreationsverben kann man trotz verbspezifischer Unterschiede beobachten, dass sie in der an-Konstruktion häufiger nicht-wörtlich interpretiert werden als in der transitiven Struktur. Die weißen Balken in Abbildung-5a, die den Anteil konkre- <?page no="135"?> Selektionspräferenzen und Verbinterpretation 135 ter Verbverwendungen in der an-Konstruktion darstellen, sind tendenziell niedriger als die grauen Balken, die diese Kennzahl für die transitive Variante abbilden. Besonders deutlich ist der Unterschied bei den Verben basteln, stricken und weben. Das Verb schreiben wird hingegen in den beiden Strukturen nur konkret-wörtlich interpretiert. Das gleiche Verhalten ist für das Verb nähen zu beobachten (Laptieva 2019). Kreationsverben verhalten sich folglich unterschiedlich im Hinblick auf ihre Selektionspräferenzen. Bei den meisten Kreationsverben geht die an-Konstruktion mit mehr nicht-wörtlichen Verwendungen einher, bei manchen Verben bleiben die Selektionsrestriktionen gleich. Konsumverben werden in der an-Konstruktion und in der transitiven Struktur insgesamt häufiger konkret-wörtlich interpretiert als Kreationsverben. Es lassen sich verbspezifische Unterschiede feststellen. Die Verben nippen, nuckeln, lecken, schlecken und schlürfen werden in über 90% ihrer Verwendungen in der an-Konstruktion wörtlich interpretiert. Sie bezeichnen Konsum von etwas (an einem Kaffee schlürfen) oder führen eine Kontaktrelation ein (am Daumen nuckeln). Im Vergleich dazu weisen andere Konsumverben weniger wörtliche Verwendungen in der an-Konstruktion auf, wie z. B. naschen (56%), knabbern (58%), fressen (67%) und kauen (67%). Diese Prädikate werden in der an-Konstruktion häufiger metaphorisch verwendet als in der transitiven Struktur. Bei den Konsumverben lecken, nippen, schlecken und schlürfen gibt es umgekehrt mehr konkrete Verwendungen in der an-Konstruktion als in der transitiven Struktur. Dieser Unterschied ist auf einzelne Belege zurückzuführen, die in kleinen Stichproben entsprechend mehr Gewicht haben. Die nicht-wörtliche Verwendung von schlecken in der transitiven Struktur ist in (126) illustriert. (126) „Wenn die Ausstellung öffnet, könne hier jeder kulturhistorischen Honig schlecken: die Fachleute, aber auch Laien.“ (Berliner Zeitung, 13.1.2006) In der transitiven Struktur weisen alle hier untersuchten Konsumverben kaum metaphorische Verwendungen auf. Nur die Verben lecken und fressen werden mit 70% bzw. 78% konkreten Verwendungen in der transitiven Struktur vergleichsweise häufig nicht-wörtlich interpretiert. Kreations- und Konsumverben werden in der atelischen an-Konstruktion tendenziell häufiger metaphorisch verwendet als in der transitiven Struktur. Im Zusammenhang mit diesem Befund stellt sich die Frage, wie die Verben interpretiert werden, die hauptsächlich bzw. nur in der präpositionalen an-Konstruktion vorkommen. Bei Kreationsverben bietet sich ein Vergleich mit den Verben feilen, arbeiten und tüfteln an, bei Konsumverben mit dem Verb nagen. 75 75 Die Daten für die an-Verwendungen dieser Verben stammen aus dem an-Korpus (Tab.-6), für die transitiven Verwendungen aus dem Untersuchungskorpus (Tab.-7). <?page no="136"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 136 Das Verb feilen ist am stärksten mit der an-Konstruktion assoziiert (#1 in Tab.-7). In 91,3% seiner Verwendungen kommt es in der atelischen an-Konstruktion, in 2,5% in der transitiven Struktur vor. Die präpositionalen und transitiven feilen-Belege wurden mit der Verbinterpretation annotiert. Die wörtliche und die nicht-wörtliche Lesart von feilen ist auf beide Strukturen komplementär verteilt (vgl. auch die Top-10-Nomen in Tab.-19). In der an-Konstruktion wird feilen fast ausnahmslos metaphorisch interpretiert (98%), in der transitiven Struktur wird es hingegen nur konkret-wörtlich verwendet. Für die nicht-alternierenden Verben arbeiten und tüfteln ist es nicht möglich, die wörtliche bzw. die nicht-wörtliche Lesart zu definieren. Für diese Verben wurden die Nomen in der an-Phrase mit den ontologischen Kategorien konkretes und abstraktes Objekt annotiert. Auch bei diesen Prädikaten ist der Anteil von konkreten Objekten in der an-Konstruktion gering, 35% bei arbeiten bzw. 29% bei tüfteln. Die Verwendungen des Verbs nagen in der an-Konstruktion wurden mit der Verbinterpretation annotiert. In 90% der Fälle wird nagen metaphorisch interpretiert, vgl. die Korpusbelege in (127). (127a) An Gitterstäben nagt der Rost. (Die Rheinpfalz, 13.3.2010) (127b) Die Angst begann an ihm zu nagen, dass vielleicht Verletzte unter dem Löschschaum erstickt waren. (Berliner Zeitung, 27.8.2008) (127c) Drum gibt’s nach dem Wirbel von Trainer Günther Wessely („Ich nage noch immer an dieser Niederlage in Himberg“) als Konsequenz heute gegen Eisenstadt einen neuen Sturm. (Neue Kronen-Zeitung, 17.8.1996) Der Befund, dass bei vielen alternierenden Verben die Verwendung in der an- Konstruktion mit mehr Metaphern einhergeht, könnte man als eine Analogiebildung erfassen. Kreationsverben wie basteln und stricken könnten sich an dem für die an-Konstruktion zentralen Verb feilen orientieren. Die Distributionsdaten zeigen schließlich, dass die Verwendungen von basteln, tüfteln und feilen in der an-Konstruktion sehr ähnlich sind (vgl. Tab.- 16 und 19). Diese drei Verben, die ansonsten keine Synonyme sind, weisen in der atelischen an-Konstruktion eine weitgehend gleiche Bedeutung auf. Konsumverben wie knabbern könnten sich an dem nicht-alternierenden Verb nagen orientieren, für das ebenfalls die Dominanz von übertragenen Verwendungen in der an-Konstruktion festgestellt wurde. Wie stark die einzelnen Verben zu metaphorischen Verwendungen in der an-Konstruktion neigen, ist allerdings als eine verbspezifische Eigenschaft aufzufassen. <?page no="137"?> Zwischenfazit zur Korpusuntersuchung 137 Evaluation und weitere Schritte Die Diskussion der nicht-wörtlichen Verbverwendungen hat gezeigt, welche Verbesserungen und Erweiterungen der empirischen Vorgehensweise sinnvoll sind. Es wäre wünschenswert, die Stichproben für die jeweiligen Verbverwendungen gleich groß zu halten. Eine sinnvolle Ergänzung wäre die Validierung durch eine Zweitannotation und die Angabe der Interrater-Reliabilität. Schließlich könnte man mehr Kreations- und Konsumverben oder weitere Verbgruppen analysieren, z. B. mentale Tätigkeitsverben wie forschen, knobeln, puzzeln usw. Abschnitt-4.3.2 hat sich mit der Frage beschäftigt, wie man verbale Selektionspräferenzen bzw. die Verbinterpretation durch die manuelle Annotation erfassen kann. Zwei Ansätze wurden diskutiert und verglichen: die ontologische Klassifikation der Nomen in der an-Phrase bzw. im direkten Objekt (konkrete vs. nicht-konkrete Objekte) und die Erfassung der Verbinterpretation (wörtlich vs. metaphorisch). Die Annotation der Verbinterpretation ist ein sinnvoller Weg. Sie erfasst solche Fälle, in denen die Verben trotz des konkreten Nomens in der an-Phrase nicht-wörtlich interpretiert werden, wie in Der Winter knabbert an der morschen Balkontür. Außerdem kann die Annotation der Verblesart auf intransitive Verbverwendungen angewendet werden. Die Daten zeigen, dass die Verben in der an-Konstruktion häufiger metaphorisch interpretiert werden als in der transitiven Struktur. Der Metaphorizitätseffekt und die Unterschiede in den Selektionspräferenzen können durch eine aspektuelle Ableitungsanalyse nicht erfasst werden. Die Beobachtung, dass die atelische an-Konstruktion insgesamt metaphorischer ist als die transitive Verbverwendung, stellt jedoch auch die Modifikatoranalyse vor eine Herausforderung. Einerseits muss geklärt werden, wie die Modifikatoranalyse die allgemeine Neigung der atelischen an-Konstruktion zu mehr Metaphern erfasst. Es stellt sich somit die grundlegende Frage, w a r u m die Verben in der an-Konstruktion offenbar leichter metaphorische Prozesse zulassen als in der transitiven Verwendung. Andererseits muss die Modifikatoranalyse den Befund erfassen, dass bei manchen Verben bzw. Verbverwendungen die verbalen Selektionspräferenzen gleich bleiben. 4.4 Zwischenfazit zur Korpusuntersuchung Das Ziel dieses Kapitels war, die atelische an-Konstruktion mit korpuslinguistischen Mitteln umfassend zu untersuchen und Frage (I) zu beantworten. Die Ergebnisse der quantitativen Studien bilden die empirische Basis für die semantische Analyse. Die hier vorgestellten methodischen Schritte können bei der Untersuchung von anderen präpositionalen Verbverwendungen und vermeintlichen Argumentalternationen eingesetzt werden. <?page no="138"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 138 (I) Mit welchen korpusbasierten Methoden und Maßen kann die atelische an-Konstruktion untersucht werden? (i) Wie findet man die atelische an-Konstruktion in den Korpusdaten? (ii) Welche Verben und Verbklassen sind in der atelischen an-Konstruktion prominent? (iii) Wie können verbale Selektionspräferenzen und die Verbinterpretation in der an-Konstruktion sowie in der transitiven und in der intransitiven Struktur untersucht und verglichen werden? Teilfrage (i) zielt auf das Problem ab, dass die Identifikation von semantischen Mustern in Korpora mitunter der Suche nach der Nadel in einem Heuhaufen gleicht. Dieses Problem wurde in Abschnitt-4.1 behandelt. Um die Suche zu erleichtern, wurde ein Reduktionsverfahren implementiert: Ein CWB-Makro, das aus komplexen Korpusabfragen und vordefinierten Wortlisten besteht, identifiziert irrelevante an-Treffer (z. B. Frankfurt am Main, am Sonntag usw.) und schließt diese aus den Daten aus (Abschn.-4.1.1). Das an-Korpus, das eine Million an-Treffer bzw. 993.911 Sätze mit mindestens einem Vorkommen von an enthält, wurde durch das Makro um irrelevante an-Treffer bereinigt. Nach der Anwendung des Reduktionsmakros wurde das an-Korpus auf 479.142 Sätze reduziert. Eine Zufallsauswahl von 1.000 automatisch ausgeschlossenen an-Sätzen wurde manuell überprüft. Nur ein Vorkommen der atelischen an-Konstruktion war fälschlicherweise ausgeschlossen. Das implementierte Reduktionsverfahren weist eine hohe Genauigkeit auf. In Abschnitt-4.1.2 wurde die Häufigkeit der atelischen an-Konstruktion ermittelt. In einer Zufallsauswahl von 17.000 Sätzen aus dem bereinigten an-Korpus wurden 253 Instanzen der atelischen an-Konstruktion identifiziert. Dadurch konnte die Gesamtfrequenz der an-Konstruktion ermittelt werden, die für die Berechnung statistischer Assoziationsmaße notwendig ist. Die atelische an-Konstruktion ist ein seltenes Phänomen. Anhand dieser Stichprobe wurde der erste quantitative Überblick erstellt. Bei den alternierenden Verben sind die Verben basteln und feilen prominenter als die insgesamt häufigeren Prädikate bauen, schreiben, malen oder essen, die in der einschlägigen Forschungsliteratur hauptsächlich diskutiert werden. Das häufigste Verb in der an-Konstruktion ist das nicht-alternierende Verb arbeiten. Teilfrage (ii) wurde in Abschnitt-4.2 behandelt, in dem die Verben in der atelischen an-Konstruktion im Mittelpunkt standen. Abschnitt- 4.2.1 beschäftigte sich mit den möglichen Verben in der an-Konstruktion. Die atelische an-Konstruktion kann in einem Korpus kaum exhaustiv ermittelt werden, deswegen wurde eine verbbasierte Vorgehensweise verfolgt. Es wur- <?page no="139"?> Zwischenfazit zur Korpusuntersuchung 139 den Lexika und Kookkurrenzprofile benutzt, um die aus der Zufallsauswahl gewonnene Liste von 28 Verben um weitere Prädikate zu erweitern. Die Zulässigkeit der an-Konstruktion wurde für insgesamt 125 Verben nachgewiesen. Für 82 Verben wurden im reduzierten an-Korpus Daten für ihre Verwendung in der an- Konstruktion gesammelt. In Abschnitt-4.2.2 wurde untersucht, wie man die Assoziationsstärke zwischen den Verben und der an-Konstruktion messen kann. Für 82 Verben aus dem vorigen Schritt wurden allgemeine Stichproben ohne Einschränkung auf die an-Sätze gezogen, um die Häufigkeit der Verben in der an-Konstruktion zu ermitteln. 63 Verben, die in den allgemeinen Samples in der an-Konstruktion vorkamen, wurden quantitativ analysiert. Um die gegenseitige Affinität zwischen den Verben und der an- Konstruktion zu erfassen, wurden einfache deskriptive und statistische Assoziationsmaße berechnet und diskutiert. Der p-Wert des exakten Fisher-Tests, der oft als Assoziationsmaß eingesetzt wird (Stefanowitsch/ Gries 2003), ist für die detaillierte Analyse der Verben in der an-Konstruktion nicht geeignet. Bei sehr starker Assoziation liefert dieser Test Nullwerte. Die Differenzierung zwischen einzelnen Verben ist folglich nicht möglich. Die relativen Häufigkeiten (der Verben in der an-Konstruktion bzw. der an-Konstruktion relativ zu anderen Verbverwendungen) und andere Assoziationsmaße, z. B. das Odds-Ratio-Maß, liefern hingegen ein detaillierteres Bild (Tab.-7). Die Assoziationsanalyse hat gezeigt, dass inkrementelle Prädikate wie bauen oder schreiben in der an-Konstruktion nicht prominent sind, während iterative manner-Verben wie feilen, nippen oder nagen, die keine inkrementelle Aufbereitung implizieren, am stärksten mit der an-Konstruktion assoziiert sind. Abschnitt- 4.2.3 hat untersucht, welche Verbklassen in der atelischen an-Konstruktion eine prominente Rolle spielen. Zwei Verfahren zur Verbklassenidentifikation wurden vorgestellt. Erstens wurde GermaNet für die Klassifikation der Verbtypen verwendet. Als Vergleichsbasis für die Häufigkeitsverteilung der Verben in der an- Konstruktion wurde die Häufigkeitsverteilung der Klassen bei GermaNet verwendet. Die semantischen Klassen Schöpfung, Verbrauch, Kontakt und Kognition sind in der an-Konstruktion besonders prominent (Abb.-1). Zweitens wurde ein datengeleitetes Verfahren der hierarchischen agglomerativen Clusteranalyse eingesetzt, um die Verben in der an-Konstruktion basierend auf den lemmatisierten Nomen in der an-Phrase zu gruppieren (Clusteranalyse I, vgl. Abb.-2). Die Clusteranalyse hat interpretierbare Verbgruppen geliefert und nicht-offensichtliche Zusammenhänge in den Daten aufgezeigt. Das Verb basteln wurde nicht mit anderen Kreationsverben wie bauen, stricken oder schreiben gruppiert, sondern mit tüfteln und feilen, die in der an-Konstruktion größtenteils nicht-physische Vorgänge bezeichnen (an einem Konzept basteln/ tüfteln/ feilen). Beide Ansätze zur Verbklassenermittlung (Klassifikation mit GermaNet und Clusteranalyse) sind ohne großen Aufwand implementierbar und können bei der Analyse von anderen Konstruktionen eingesetzt werden. <?page no="140"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 140 Teilfrage (iii) wurde in Abschnitt-4.3 untersucht. Zunächst wurde in Abschnitt-4.3.1 diskutiert, wie man die verbalen Selektionspräferenzen distributionell erfassen kann. Als Datengrundlage wurden die Nomen in der an-Phrase bzw. im Akkusativobjekt in der transitiven Verbverwendung genutzt. Erstens wurde die Clusteranalyse um die transitiven Verbvarianten erweitert (Clusteranalyse II, vgl. Abb.-3). Nach aspektuellen Ableitungsanalysen müssten die transitive und die präpositionale Variante eines Verbs zusammen gruppiert werden, denn bis auf den aspektuellen Unterschied sind keine weiteren Effekte zu erwarten. Bei manchen Verben, wie etwa bei bauen, schreiben oder nippen, passiert dies auch. Die präpositionale Verwendung von basteln bleibt hingegen in einem Cluster mit tüfteln und feilen, während die transitive basteln-Verwendung mit bauen gruppiert wird. Zweitens wurde die Kosinusdistanz zwischen den Verbvarianten berechnet und die Nomen wurden genauer betrachtet. Das Hauptergebnis bestand darin, dass die Verben ihre Selektionspräferenzen in unterschiedlichem Maße verändern. Der Vergleich der Nomen offenbarte, dass bei bestimmten Verben ihre Verwendung in der an-Konstruktion mit einem Metaphorizitätseffekt einhergehen. Die präpositionale Verwendung von basteln ist sehr nah an jener von tüfteln und feilen. In der an- Konstruktion bezeichnen die Verben basteln, tüfteln und feilen häufig eine mentale Tätigkeit. Die Berechnung der Kosinusdistanz hat gezeigt, dass die Unterschiede in den verbalen Selektionspräferenzen verschieden stark ausgeprägt sind. Einerseits gibt es die Verben malen und schreiben, die mit semantisch relativ ähnlichen Nomen in beiden Strukturen vorkommen. Andererseits gibt es die Verben feilen und schleifen, bei denen die Nomenverteilung komplementär ist. Sie kommen mit abstrakten Nomen in der an-Konstruktion und mit konkreten Nomen in der transitiven Struktur vor. Die Verben basteln und stricken befinden sich zwischen den beiden Polen, da sie sowohl konkrete (eine/ an einer Laterne basteln) als auch abstrakte Verwendungen (ein/ an einem Konzept basteln) in der präpositionalen und in der transitiven Struktur aufweisen. Ein Nachteil der hier gewählten distributionellen Ansätze besteht darin, dass jedes Nomenlemma als eigenständiger Datenpunkt betrachtet wird. Die semantische Ähnlichkeit zwischen zwei Wörtern, wie z. B. zwischen Sekt und Champagner, kann nicht erfasst werden, was die große Distanz zwischen den transitiven und präpositionalen Verbverwendungen erklärt. In Abschnitt-4.3.2 wurden zwei Ansätze zur Erfassung von verbalen Selektionspräferenzen und der Verbinterpretation auf semantischer Ebene diskutiert. Zunächst wurde eine binäre ontologische Nomen-Annotation mit den Kategorien konkretes vs. nicht-konkretes Objekt in Erwägung gezogen, die auf die Nomen der an-Phrase bzw. im direkten Objekts angewendet werden kann. Die ontologische Sorte des Nomens korreliert aber nicht immer mit der Verbinterpretation. In einem Satz wie Der Winter knabbert an der morschen Balkontür entsteht trotz des konkreten Nomens in der an-Phrase (Balkontür) eine übertragene Verbinterpretation. Daher wurde vor- <?page no="141"?> Zwischenfazit zur Korpusuntersuchung 141 geschlagen, die Verbverwendungen als wörtlich (konkret) vs. nicht-wörtlich (metaphorisch, übertragen) zu klassifizieren. Die Annotation der Verblesart abstrahiert nicht nur vom ontologischen Typ der Verbargumente, sondern kann auch intransitive Verbverwendungen erfassen. Diese sind relevant, weil ich davon ausgehe, dass atelische an-Phrasen Modifikatoren von einstelligen Verbvarianten sind. Die Annotation der Verblesart wurde für 7 Kreations- und 10 Konsumverben durchgeführt. Es wurden starke verbspezifische Unterschiede festgestellt. Die Kreationsverben schreiben und bauen werden beispielsweise in der an-Konstruktion und in der transitiven Verwendung hauptsächlich wörtlich interpretiert, während basteln, stricken und weben in der an-Konstruktion häufiger metaphorisch verwendet werden als in der transitiven Struktur. Insgesamt sind die Verbverwendungen in der an-Konstruktion metaphorischer als in der transitiven Struktur. Die intransitiven Verbverwendungen sind fast ausschließlich nicht-metaphorisch. An verschiedenen Stellen des Kapitels wurde angemerkt, wie die empirische Vorgehensweise optimiert werden kann. Erstens sollte die Ausgangsdatenbasis alle potenziellen Treffer des zu untersuchenden Phänomens im Korpus enthalten. In der vorliegenden Arbeit wurde eine Million an-Treffer als Ausgangsdatenbasis verwendet (das an-Korpus), was etwa einem Fünftel aller an-Treffer im Untersuchungskorpus entspricht (allgemeine DeReKo-Stichprobe). Das an-Korpus wurde um irrelevante an-Treffer bereinigt und diente als Grundlage für die Untersuchung der an-Konstruktion. Bei seltenen Verben entstand das Problem, dass sie im an-Korpus entsprechend durch wenige Treffer belegt waren. Wenn keine technischen oder sonstigen Gründe dagegen sprechen, sollten alle potenziellen Treffer als Ausgangsdatenbasis verwendet werden. Zweitens sollten die Stichproben, die für Verben bzw. für Verbverwendungen in einzelnen syntaktischen Konfigurationen gezogen werden, den gleichen Umfang aufweisen. Dadurch kann vermieden werden, dass für seltene Konstruktionen nur wenige Daten zur Verfügung stehen. Die Anpassung der Stichproben an einen Mindestumfang ist allerdings mit einem größeren Aufwand verbunden und nur bei einer überschaubaren Auswahl an Verben möglich. In diesem Kapitel wurde die atelische an-Konstruktion umfassend korpuslinguistisch untersucht. Dadurch wurde eine empirische Basis für die semantische Analyse und eine Datengrundlage für mögliche Folgestudien geschaffen. Die Ergebnisse sprechen gegen aspektuelle Ableitungsanalysen. Zugleich stellen sie eine große Herausforderung für die Analyse der an-Konstruktion als Modifikatoren von einstelligen Verbvarianten dar. Die Analyse soll die Unterschiede in den verbalen Selektionspräferenzen sowie den Befund erfassen, dass die Verben in der an-Konstruktion häufiger metaphorisch verwendet werden als in der transitiven Struktur. Das nächste Kapitel-5 widmet sich der semantischen Modellierung. <?page no="142"?> Korpusstudien zur atelischen an-Konstruktion 142 <?page no="143"?> Zwischenfazit zur Korpusuntersuchung 143 5. ATELISCHE AN-PHRASEN ALS MODIFIKATOREN Abstract Die Modifikatoranalyse von atelischen an-Phrasen basiert auf drei Annahmen. (i)-An-Phrasen haben eine besonders verbnahe Position und sind ereignisinterne Modifikatoren. Sie modifizieren das verbale Ereignis vermittelt über eine freie Variable, die auf konzeptueller Ebene aus dem Ereignis erschlossen wird. (ii)-Ihr Bedeutungsbeitrag wird durch eine unterspezifizierte boundary-Relation erfasst, die einen Grenzbereich des internen Arguments von an fokussiert. (iii)-Sie verbinden sich mit einstelligen (agentiven) Verbvarianten, die die Tätigkeitskomponente in der Verbbedeutung fokussieren. Die Anwendung der Modifikatoranalyse wird an drei Phänomenen illustriert: atelische Interpretation von inkrementellen Kreations- und Konsumverben (an einem Bild malen, an einem Apfel essen), Kontakt-Lesart bei manner-Konsumverben (am Käfig knabbern) und metaphorische Verbinterpretation (am Comeback basteln). Die Modifikatoranalyse erfasst die Atelizität der an-Konstruktion ohne Zusatzannahmen. Modifikatoren sind endotypische Funktoren, die den logischen Typ des Modifikanten nicht verändern. Die einstelligen Verbvarianten, die aus unabhängigen Gründen atelisch interpretiert werden, behalten in der an-Konstruktion den activity-Typ. Für den Befund, dass die Verben in der an-Konstruktion häufiger metaphorisch interpretiert werden als in der transitiven Struktur, liefert der Modifikatoransatz eine grammatische Grundlage: Das Fehlen eines direkten Selektionsverhältnisses zwischen dem Verb und dem internen Argument von an erleichtert metaphorische Anpassungsprozesse. Im Laufe der Arbeit wurde die atelische an-Konstruktion aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Zunächst wurden in Kapitel-2 die bisher geltenden aspektuellen Ableitungsanalysen diskutiert, die die an-Phrase als eine alternative syntaktische Realisierung des internen Verbarguments erfassen. Es wurden Schwachstellen dieser Ansätze aufgezeigt, die gegen eine Ableitungsrelation und den Argumentstatus atelischer an-Phrasen sprechen und eine Modifikatoranalyse nahelegen. Anschließend setzte sich Kapitel-3 mit der Einordnung der atelischen an-Phrasen im binär aufgeteilten Argument-Modifikator-Bereich und mit den Modellierungsoptionen von Präpositionalphrasen im Allgemeinen auseinander. Auch aus dieser Perspektive ist die Modifikatorlösung für atelische an-Phrasen plausibel, die sie als relationale, bedeutungshaltige Elemente erfasst. Schließlich wurde in Kapitel-4 die atelische an-Konstruktion korpuslinguistisch untersucht. Mit einer Ableitungsanalyse sind empirisch nachweisbare Unterschiede in den Selektionspräferenzen der Verben und die Neigung der an-Konstruktion zur metaphorischen Interpretation nicht vereinbar. Die Betrachtung der an-Konstruktion aus mehreren Perspektiven stützt den Standpunkt, dass aspektuelle Ableitungsanalysen verworfen werden müssen. Basierend auf den vorangehenden Ausführungen stellt Kapitel-5 die Modifikatoranalyse von atelischen an-Phrasen vor und präsentiert somit die Antwort auf For- <?page no="144"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 144 schungsfrage (II) . Atelische an-Phrasen werden als ereignisinterne Modifikatoren analysiert, die sich mit einstelligen Activity-Verbvarianten verbinden. Atelische an- Phrasen führen eine Grenzbereichsrelation ein, die das interne Argument von an mit einer freien Variable verbindet, die auf konzeptueller Ebene aus dem vom Verb bezeichneten Ereignis erschlossen wird. 76 (II)--Forschungsfrage-- Theorie: semantische Modellierung Wie ist die atelische an-Konstruktion semantisch zu analysieren? Kapitel-5 ist zweiteilig aufgebaut. Im ersten Teil werden drei Grundbausteine der Analyse vorgestellt (Abschn.-5.1). Abschnitt-5.1.1 stellt die ereignisinterne Modifikation vor. Abschnitt-5.1.2 diskutiert Ansätze zur Modellierung der Bedeutung von an. Abschnitt-5.1.3 geht detailliert auf die atelische Interpretation von einstelligen Verbvarianten ein. Im zweiten Teil wird die Modifikatoranalyse vorgestellt (Abschn.-5.2). Nach der Einführung des Bedeutungsbeitrags vom atelischen an in Abschnitt-5.2.1, werden in den Abschnitten-5.2.2-5.2.4 drei Phänomene diskutiert. In Abschnitt-5.2.2 werden inkrementelle Kreations- und Konsumverben behandelt (an einem Bild malen, an einem Apfel essen). In Abschnitt-5.2.3 wird die primär lokale Kontakt-Lesart bei Konsumverben untersucht, die keinen Verzehr impliziert (am Käfig knabbern). In Abschnitt- 5.2.4 werden metaphorische Verbverwendungen in der an-Konstruktion systematisiert und es wird gezeigt, wie sie im Modifikatoransatz erfasst werden (an einem Konzept/ am Comeback basteln). Abschnitt-5.3 fasst die Ergebnisse des Kapitels zusammen. 5.1 Grundbausteine der Analyse Die Modifikatoranalyse von atelischen an-Phrasen baut auf drei Kernannahmen auf. Erstens: Atelische an-Phrasen sind als ereignisinterne Modifikatoren zu analysieren, die das vom Verb bezeichnete Geschehen näher charakterisieren. Ihre Relation zum verbalen Ereignis ist nicht direkt, sondern wird vermittelt über eine freie Variable, die durch konzeptuelles Wissen festgelegt wird. Abschnitt-5.1.1 führt das Phänomen der ereignisinternen Modifikation ein (Maienborn 1996, 2001, 2003b) und zeigt, dass atelische an-Phrasen syntaktisch und semantisch ereignisinterne Modifikatoren sind. Als V-Adjunkte haben sie eine verbnahe Position, was die Einführung einer freien Variable auf semantischer Ebene motiviert. Zweitens: Der Bedeutungsbeitrag vom atelischen an wird auf die lokale Grundbedeutung von an zurückgeführt. Abschnitt- 5.1.2 setzt sich mit Ansätzen zur Bedeutung von an auseinander, die als Grundlage für den Lexikoneintrag für das atelische an dienen können. Es werden drei Ansätze vorgestellt: Nähe bzw. Proximalbereich, eine funktionale Kontaktrela- 76 Dieses Kapitel basiert auf dem gemeinsamen Vortrag mit Sebastian Bücking beim Workshop Event Semantics 2018 in Heidelberg (Laptieva/ Bücking 2018). <?page no="145"?> Grundbausteine der Analyse 145 tion und eine unterspezifizierte boundary-Relation, die den Fokus auf einen Grenzbereich des Referenzobjekts lenkt. Es wird für die unterspezifizierte Grenzbereichsrelation argumentiert (Carstensen 2000, 2001, 2015), die als Nähe (das Fahrrad am Haus), als Kontakt (das Bild an der Wand) und als eine Teil-von-Relation ausgelegt werden kann (am Rand der Straße, der Balkon am Haus). Drittens: Atelische an- Phrasen werden als Modifikatoren von einstelligen Verbvarianten analysiert, bei denen das Thema-Argument weggelassen ist. Mit dem einstelligen Gebrauch eines Verbs geht einher, dass die Tätigkeitskomponente in der Verbbedeutung fokussiert wird (Rapp 1997) und das Verb eine atelische Interpretation erhält. Die semantischen Korrelate der syntaktischen Einstelligkeit werden in Abschnitt-5.1.3 diskutiert. Diese drei Bausteine (ereignisinterne Modifikation, boundary-Bedeutung von an und Atelizität einstelliger Verbvarianten) bilden die Grundlage für die Modifikatoranalyse, die in Abschnitt-5.2 vorgestellt wird. 5.1.1 Ereignisinterne Modifikation Modifikatoren können sich unterschiedlich auf das modifizierte Ereignis beziehen, wobei die syntaktische Einbindungsposition des Modifikators mit seiner Interpretation zusammenhängt (vgl. auch Abschn.-3.3.2). 77 Ein prominentes Beispiel dafür sind die Lokalangaben, die je nach Position im Satz ein unterschiedliches Modifikationstarget haben. Maienborn (1996, 2001, 2003b) argumentiert dafür, grundsätzlich zwischen zwei Typen von ereignisbezogenen lokalen Modifikatoren zu unterscheiden. Diese zwei Typen sind nachfolgend in den Beispielen (128)-(129) durch die auf -Phrasen illustriert. Die Lokalangabe auf der Insel in (128) hat einen ereignisexternen Bezug und lokalisiert das gesamte Ereignis: Das Fliehen findet auf der Insel statt. Die Lokalangabe auf dem Fahrrad in (129) erhält hingegen eine ereignisinterne Interpretation und verortet nicht das Gesamtereignis, sondern den Subjektreferenten und gibt das Mittel an, mit dem das Fliehen-Ereignis ausgeführt wurde. Der ereignisexterne Bezug eines Modifikators entsteht dadurch, dass er an die VP-Ebene adjungiert wird. Der ereignisinterne Bezug entsteht durch die Adjunktion an die V- Ebene. Ereignisinterne Modifikatoren nehmen eine verbnahe Position ein, verbinden sich vor dem direkten Objekt mit dem Verb und gehören zum Verbalkomplex (Maienborn 2003b, S.-486). 78 77 Ich gehe davon aus, dass Modifikatoren als Adjunkte zu modellieren sind und dass es Grundpositionen gibt, an denen sie basisgeneriert werden, wobei die Variabilität der Konstituentenabfolge von Adverbialen im Deutschen durch Scrambling zu erfassen ist (Frey/ Pittner 1998; Frey 2003). Für die Diskussion des alternativen Ansatzes, Modifikatoren als Spezifikatoren von funktionalen Projektionen zu erfassen, vgl. Cinque (1999) und die Übersicht in Hole (2015). 78 Die propositionsbezogenen Lokalangaben, die als rahmensetzende Frame-Adverbiale fungieren, wie z. B. in den Anden in (89), blende ich an dieser Stelle aus, da für atelische an-Phrasen kein Propositionsbezug in Frage kommt. <?page no="146"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 146 (128) Der Bankräuber ist auf der Insel geflohen. ereignisextern (129) Der Bankräuber ist auf dem Fahrrad geflohen. ereignisintern Der Bedeutungsbeitrag des Modifikators bleibt konstant. Eine lokale Präpositionalphrase führt in ereignisexternen und ereignisinternen Verwendungen eine zweistellige präpositionsspezifische Lokalisierungsrelation wie in (130) ein. 79, 80 (130) auf: λyλx [loc(x, on(y))] Die Bedeutungsunterschiede zwischen der ereignisexternen und ereignisinternen Modifikation ergeben sich aus der syntaktischen Einbindungsposition des Modifikators. Maienborn (2003b, S.-489) führt das umgebungssensitive Modifikationstemplate MOD* ein, das in (131) in Formulierung von Bücking (2018b) dargestellt ist. Das Modifikationstemplate erfasst die intersektive Modifikation und dient dazu, zwei Prädikate P (hier das Verb) und Q (hier die lokale Präpositionalphrase) zu kombinieren. Das Template akzeptiert Verben unterschiedlicher Stelligkeit: Die Notation λPλy → kennzeichnet, dass die nicht-gesättigten Argumente des Verbs weitergereicht werden, der Modifikator P liefert lediglich das zusätzliche Prädikat über die Entität v. Das Verhältnis zwischen P und Q und die Target-Entität des Modifikators werden durch die Relation R gesteuert. Bei einer XP-Adjunktion, wie im Fall einer ereignisexternen Modifikation, wird R als eine Identitätsrelation realisiert. Der Modifikator liefert ein zusätzliches Prädikat über das Ereignisargument. Bei einer X-Adjunktion, wie im Fall einer ereignisinternen Modifikation, vermittelt die Relation R zwischen dem verbalen Ereignis und dem Modifikator. Als Target-Entität eines ereignisinternen Modifikators tritt die freie Variable v auf, die ein integraler Bestandteil des Ereignisses e ist. Plausible integrale Bestandteile von Ereignissen sind beispielsweise die Ereignispartizipanten. 81 (131a) MOD* = λQλPλy → λx [P(y → )(x) ∧ R(x, v) ∧ Q(v)] (131b) Condition on the application of MOD*: If MOD* is applied in a structural enviroment of categorial type X 0 , then R = internal-component (that is, 79 Die Darstellung in (130) entspricht der Standard-Repräsentation von lokalen Präpositionen in (60): λyλx [loc(x, prep*(y))], vgl. die Ausführungen in Lang (1990), Klein (1991), Wunderlich (1991), Wunderlich/ Herweg (1991). 80 Da in der Notation von Maienborn (2003b) keine explizite Unterscheidung zwischen systematischen und idiosynkratischen Bestandteilen der Semantischen Form getroffen wird, wird sie in den angepassten Repräsentationen in (130) und (132)-(134) auch nicht vorgenommen. 81 Die kopfnahe Modifikation, die die Einführung einer freien Variable rechtfertigt, wird auch außerhalb der lokalen Domäne angenommen, z. B. bei Adverbialen der Art und Weise (Schäfer 2013) oder bei eventiven mit-Phrasen (Lukassek 2020). Für weitere Verweise siehe Maienborn (2003b, S.- 488) und Bücking (2018b). <?page no="147"?> Grundbausteine der Analyse 147 R-= part , manner or degree ); if it is applied in an XP-environment, then R-= identity . (Bücking 2018b, (84)) In den Beispielsätzen in (128)-(129) wird das Verb fliehen mit einer lokalen auf- Phrase kombiniert. Für diesen Kompositionsschritt wird das struktursensitive Modifikationstemplate MOD* in (131) angewendet, vgl. die semantischen Repräsentationen in (132)-(133). Während der ereignisexterne VP-Modifikator auf der Insel in (132c) das Ereignisargument verortet, lokalisiert der ereignisinterne V-Modifikator auf dem Fahrrad in (133c) die freie Variable v, die ein integraler Bestandteil des Fliehen-Ereignisses ist. (132) Der Bankräuber ist auf der Insel geflohen. (132a) auf der Insel: λx [loc(x, on(i)) ∧ island(i)] (132b) geflohen: λxλe [escape(e) ∧ theme(e, x)] (132c) auf der Insel geflohen: λxλe [escape(e) ∧ theme(e, x) ∧ loc(e, on(i)) ∧ island(i)] (nach Maienborn 2003b, (26)) (133) Der Bankräuber ist auf dem Fahrrad geflohen. (133a) auf dem Fahrrad: λx [loc(x, on(b)) ∧ bike(b)] (133b) geflohen: λxλe [escape(e) ∧ theme(e, x)] (133c) auf dem Fahrrad geflohen: λxλe [escape(e) ∧ theme(e, x) ∧ internal-component(e, v) ∧ loc(v, on(b)) ∧ bike(b)] (nach Maienborn 2003b, (28)) Die vollständige semantische Repräsentation für den Satz mit dem ereignisinternen Modifikator auf dem Fahrrad ist in (134) dargestellt. Die Semantische Form in (134a) ist unterbestimmt und lässt offen, wie die freie Variable v interpretiert werden soll. Die genaue Festlegung der freien Variable erfolgt auf der konzeptuellen Ebene. Die freie Variable v und die Relation R werden basierend auf kontextuellen Informationen und Weltwissen spezifiziert. Die finale, auf konzeptueller Ebene spezifizierte Repräsentation ist in (134b) wiedergegeben. Einen plausiblen Kandidaten für die Belegung der Variable v stellt hier der Subjektreferent dar, der Bankräuber, da er im Diskurs bereits eingeführt ist und einen unmittelbaren Ereignispartizipanten bezeichnet. Das Fahrrad, auf dem sich der Bankräuber befindet, kann zugleich als Instrument des Fliehen-Ereignisses interpretiert werden (für die Details zur pragmatischen Spezifizierung sei auf Maienborn 2003b verwiesen). <?page no="148"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 148 (134) Der Bankräuber ist auf dem Fahrrad geflohen. (134a) SF: ∃e [escape(e) ∧ theme(e, r) ∧ bank-robber(r) ∧ internal-component(e, v) ∧ loc(v, on(b)) ∧ bike(b)] (134b) CS: ∃e [escape(e) ∧ extr-move(e) ∧ theme(e, r) ∧ bank-robber(r) ∧ instr(e, b) ∧ vehicle(e, b) ∧ bike(b) ∧ support(b, r) ∧ loc(r, on(b))] (nach Maienborn 2003b, (34)-(34')) Ereignisinterne Modifikatoren haben durch ihre verbnahe Position den Zugang zu der internen Struktur des verbalen Ereignisses und können diese in Abhängigkeit von Weltwissen näher spezifizieren. Dieser flexible Zugang zu der internen Ereignisstruktur, der durch die Festlegung der freien Variable gesteuert wird, erfasst zwei wichtige Interpretationsaspekte von ereignisinternen Modifikatoren. Erstens wird durch die Einführung einer freien Variable die konzeptuelle Flexibilität von ereignisinternen Modifikatoren modelliert. Die Entität, die durch eine Lokalphrase verortet wird, kann je nach Kontext variieren. Es kann sich um eine Entität handeln, die im Kontext explizit genannt ist: In (129) wird der Subjektreferent lokalisiert (der Bankräuber), in (135a) der Objektreferent (das Hähnchen). Es kann sich aber auch um eine Entität handeln, die im Satz nicht explizit erwähnt ist: In (135b) kann es Marias Hand sein oder ein Gegenstand, z. B. eine Zange, die sich an Pauls Haaren befindet und als Instrument in das Ziehen-Ereignis integriert wird. Zweitens wird erfasst, dass ereignisinterne lokale Modifikatoren oft funktional gedeutet werden, indem sie als Instrumente oder Angaben der Art und Weise interpretiert werden. Das ereignisinterne Adverbial in einer Marihuana-Tunke in (135a) gibt an, auf welche Art das Hähnchen zubereitet wurde, auf dem Fahrrad in (129) erhält eine instrumentale Lesart. Die inferierte Entität wird räumlich in die interne Ereignisstruktur eingebunden und somit funktional interpretiert. (135a) Der Koch hat das Hähnchen in einer Marihuana-Tunke zubereitet. (135b) Maria zog Paul an den Haaren aus dem Zimmer. (Maienborn 2003b, (9a,-d)) Für atelische an-Phrasen ist nun zu klären, ob sie als ereignisexterne oder ereignisinterne Modifikatoren in den Satz integriert werden. Die syntaktische Einbindungsposition der Adverbiale ist die Grundlage für die semantische Analyse. Wenn gezeigt werden kann, dass atelische an-Phrasen eine verbnahe Position haben und sich wie ereignisinterne Modifikatoren verhalten, wäre dadurch die semantische Analyse gerechtfertigt, dass eine freie Variable und eine durch das konzeptuelle Wissen festzulegende Relation R zwischen dem verbalen Ereignis und dem internen Argument von an vermitteln. <?page no="149"?> Grundbausteine der Analyse 149 Für ereignisbezogene Modifikatoren wird die syntaktische Konfiguration in (136) angenommen. Ein ereignisexterner lokaler Modifikator wird oberhalb des direkten Objekts basisgeneriert. Eine VP-Adjunktionsposition ermöglicht dem ereignisexternen Modifikator im Wohnmobil den Zugang zum Gesamtereignis, das als Ganzes im Wohnmobil lokalisiert wird. Ein ereignisinterner Modifikator wird hingegen unterhalb des direkten Objekts basisgeneriert und c-kommandiert minimal das Prädikat. Der ereignisinterne Modifikator im Dampfgarer ist an die V-Ebene adjungiert und verortet einen integralen Bestandteil des Ereignisses im Dampfgarer, hier den Referenten des direkten Objekts (ein Chili). (136) Ben hat [ VP im Wohnmobil [ VP ein Chili [ V im Dampfgarer [ V zubereitet]]]]. (Bücking 2018b, (83a)) In einschlägigen Arbeiten wird eine Reihe von Tests vorgeschlagen, die für die Bestimmung der Basispositionen von Konstituenten im Mittelfeld eingesetzt werden können (Frey/ Pittner 1998; Maienborn 2001; Frey 2003). Viele Tests bestimmen die Position von Modifikatoren in Relation zu Verbargumenten. In (136) beispielsweise werden ereignisinterne und -externe Modifikatoren relativ zum direkten Objekt verortet. In der atelischen an-Konstruktion ist kein direktes Objekt realisierbar. Folglich können die Tests, die zwei Konstituenten in Relation zueinander setzen, nicht angewendet werden (existenziell interpretierte w-Phrasen, Quantorenskopus, komplexe Vorfeldbesetzung). Für den direkten Vergleich von an-Phrasen mit ereignisinternen Modifikatoren können die maximale Fokusprojektion und die Position der Satznegation unmittelbar als Diagnostiken herangezogen werden. Zusätzlich schlage ich als einen weiteren Test die Positionierung des direkten Objekts bzw. der an-Phrase hinsichtlich des Verbzusatzes mit wie in etwas/ an etwas mitmalen/ mitschreiben vor. Maximale Fokusprojektion Maximale Fokusprojektion oder weiter Fokus ist bei einer unmarkierten Konstituentenabfolge möglich. In diesem Fall kann der komplette Satz als Antwort auf die Frage dienen: Was ist geschehen? In einem transitiven Satz ist die maximale Fokusprojektion dann möglich, wenn der primäre Satzakzent (markiert durch Kapitälchen) auf dem direkten Objekt, wie in (137), oder auf dem ereignisinternen Lokaladverbial in verbadjazenter Stellung liegt, wie in (139). Bei anderen Abfolgen ist die maximale Fokusprojektion nicht möglich, etwa wenn das direkte Objekt vor dem ereignisexternen Adverbial positioniert ist, wie in (138), oder wenn sich das ereignisinterne Adverbial vor dem direkten Objekt im Satz befindet,-wie in (140). Die Zugänglichkeit der maximalen Fokusprojektion zeugt von der Abfolge: ereignisexternes Adverbial-> direktes Objekt-> ereignisinternes Adverbial (‚>‘ steht für die c-Kommando-Relation). <?page no="150"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 150 (137) Paul hat vor dem Capitol die marseillaise gesungen. (137a) Was hat Paul (vor dem Capitol) gesungen? (137b) Was hat Paul (vor dem Capitol) getan? (137c) Was ist geschehen? (nach Maienborn 2001, (17)) (138) Paul hat die Marseillaise vor dem capitol gesungen. (138a) Wo hat Paul die Marseillaise gesungen? (nach Maienborn 2001, (18)) (139) Die Spieler haben den Torschützen auf den schultern getragen. (139a) Wo/ Wie haben die Spieler den Torschützen getragen? (139b) Was haben die Spieler mit dem Torschützen getan? (139c) Was haben die Spieler getan? (139d) Was ist passiert? (nach Maienborn 2001, (19)) (140) ? Die Spieler haben auf den Schultern den torschützen getragen. (140a) -Wen haben die Spieler auf ihren Schultern getragen? -(nach Maienborn 2001, (20)) Der Fokus-Test zeugt von der unterschiedlichen Basisposition von ereignisexternen und ereignisinternen lokalen Modifikatoren auch in den Sätzen mit intransitiven bzw. intransitiv verwendeten Verben wie pfeifen in (141)-(142). Die maximale Fokusprojektion bei einem ereignisexternen Modifikator wie auf der Treppe in (141) ist dann möglich, wenn der primäre Satzakzent auf dem Prädikat liegt, bei einem ereignisinternen Modifikator wie auf den Fingern in (142) hingegen muss der Modifikator akzentuiert sein. Wie (143) zeigt, weisen atelische an-Phrasen hinsichtlich der Fokusprojektion das gleiche Verhalten wie ereignisinterne lokale Modifikatoren auf. (141) Ereignisexterner lokaler Modifikator (141a) Paul hat auf der Treppe gepfiffen. weiter Fokus (141b) Paul hat auf der treppe gepfiffen. enger Fokus (Maienborn 2001, (24c,-d)) (142) Ereignisinterner lokaler Modifikator (142a) Paul hat auf den Fingern gepfiffen. enger Fokus (142b) Paul hat auf den fingern gepfiffen. weiter Fokus (Maienborn 2001, (25c,-d)) <?page no="151"?> Grundbausteine der Analyse 151 (143) Atelischer an-Modifikator (143a) Paul hat an dem Geschenk gebastelt. enger Fokus (143b) Paul hat an dem geschenk gebastelt. weiter Fokus Satznegation In Sätzen mit ereignisinternen Modifikatoren wie in (144)-(145) entsteht die Satznegation (SN) nur dann, wenn nicht sich wie in den a-Sätzen vor ereignisinternen Modifikatoren befindet. In den b-Sätzen hingegen kann sich die Negation nur auf das Verb beziehen, sodass eine Konstituentennegation (KN) mit einem Kontrastfokus auf dem Verb entsteht (… nicht getragen, sondern …). 82 (144a) Paul hat den Pascha nicht auf dem Rücken getragen. SN (144b) Paul hat den Pascha auf dem Rücken nicht getragen. KN (145a) Die Bankräuber sind nicht auf dem Fahrrad geflüchtet. SN (145b) Die Bankräuber sind auf dem Fahrrad nicht geflüchtet. KN (Maienborn 1996, S.-107, (58)-(59)) In der atelischen an-Konstruktion steht die Satznegation vor der an-Phrase, wie (146a) zeigt. Die Positionierung von nicht zwischen der an-Phrase und dem Verb führt wie in (146b) zu einer Konstituentennegation. Im Gegensatz dazu folgt die Satznegation dem direkten Objekt (Frey/ Pittner 1998), wie (144a) oder der Kontrast in (147) illustrieren. (146a) Mia hat seit Wochen nicht an diesem Text geschrieben. SN (146b) Mia hat seit Wochen an diesem Text nicht geschrieben. KN (147a) Mia hat nicht diesen Text geschrieben. KN (147b) Mia hat diesen Text nicht geschrieben. SN Die Zugänglichkeit der Satznegation zeugt davon, dass atelische an-Phrasen sich wie ereignisinterne lokale Modifikatoren verhalten und dass sie näher am Verb sind als das direkte Objekt, dem die Satznegation folgt. Stellungsverhalten relativ zum Verbzusatz „mit“ Als eine weitere Diagnostik für die verbnahe Einbindungsposition von an-Phrasen schlage ich die Positionierung hinsichtlich des Verbzusatzes mit vor, vgl. die Analysen von mit in Zifonun (1996, 1997, 1999) und Bücking (2019). Wie die Beispiele in (148) zeigen, können direkte Objekte und atelische an-Phrasen vor mit auftreten. An der Position zwischen mit und dem Verb sind aber nur atelische an-Phrasen möglich, vgl. den Kontrast zwischen (149a) 82 Die a-Sätze in (144)-(145) erlauben auch die Konstituentennegation: … nicht auf dem Rücken, sondern -… . Wichtig ist aber vor allem, dass die Satznegation in den b-Sätzen, in denen nicht einem ereignisinternen Modifikator folgt, ausgeschlossen ist. <?page no="152"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 152 und (149b). Die Korpusbeispiele in (150) illustrieren die Stellung von an-Phrasen zwischen mit und dem Verb. Dieser Befund zeugt davon, dass atelische an-Phrasen näher am Verb sind als direkte Objekte. 83 (148a) … , weil sie an dem Bild {mit gemalt/ mitgemalt} haben. (148b) … , weil sie das Bild {mit gemalt/ mitgemalt} haben. (149a) - … , weil sie mit an dem Bild gemalt haben. (149b) * … , weil sie mit das Bild gemalt haben. (150a) Selbst bei Fans, die mit am Transparent gemalt haben, ist angesichts der sportlichen Misere von „Ratlosigkeit und Fassungslosigkeit“ die Rede. (Hannoversche Allgemeine Zeitung, 15.2.2010) (150b) „Auch Eltern haben mit an der Hütte gebaut, obwohl sie eigentlich nur ihre Kinder herfahren wollten“, erzählt Mai. (Nordkurier, 19.6.2000) Fazit Ereignisinterne Modifikatoren liefern zusätzliche Informationen zum verbalen Ereignisargument, aber nicht direkt, sondern vermittelt über eine freie Variable, die auf konzeptueller Ebene spezifiziert wird. Da mit sprachlichen Diagnostiken gezeigt werden konnte, dass atelische an-Phrasen sich syntaktisch wie reguläre ereignisinterne lokale Modifikatoren verhalten und eine verbnahe Position einnehmen, kann die semantische Analyse für ereignisinterne Modifikatoren auf atelische an- Phrasen übertragen werden. 5.1.2 Lokale Grundbedeutung von an Die Grundidee der Analyse von Maienborn (1996, 2001, 2003b) besteht darin, dass (propositions- und ereignisbezogene) lokale Modifikatoren einen konstanten Bedeutungsbeitrag leisten und dass die Interpretationsunterschiede sich aus der unterschiedlichen Einbindungsposition des Adverbials im Satz ergeben. Für die Reanalyse atelischer an-Phrasen soll in der vorliegenden Arbeit die lokale Bedeutung der Präposition an als Grundlage dienen. Einerseits ist eine lokale Kontaktrelation für viele Verben zentral, die in der atelischen an-Konstruktion eine quantitativ prominente Rolle spielen und stark damit assoziiert sind, so z. B. feilen, knabbern oder nippen (zu quantitativen Angaben vgl. Abschn.-4.2.2 und Tab.-7). Andererseits ist der Bezug auf die lokale Grundbedeutung von an in der atelischen an-Konstruktion ein sinnvoller 83 Eine offene Forschungsfrage ist, wie die syntaktischen Verhältnisse im verbnahen Bereich exakt aussehen und welche Abfolge zwischen dem direkten Objekt, Präpositionalobjekten, Direktionalphrasen und ereignisinternen Modifikatoren anzunehmen ist (vgl. z. B. Maienborn 1996, S.-108-110 zur Positionierung von internen Lokativen relativ zu Direktionalphrasen). <?page no="153"?> Grundbausteine der Analyse 153 Weg, um die Neigung der an-Konstruktion zu metaphorischen Verwendungen zu erfassen, denn lokale Grundverhältnisse dienen oft als Grundlage für metaphorische Übertragungsprozesse (vgl. z. B. Radden 1985, 1997a, 1997b). Ansätze zur Modellierung lokaler Präpositionen Es gibt mehrere Herangehensweisen zur Bedeutungsmodellierung von lokalen Präpositionen. Eine ausführliche Übersicht findet sich z. B. in Carstensen (2001, Kap.- 3). Ich gehe im Folgenden auf drei Ansätze ein, die für atelische an-Phrasen relevant sind: den Regionenansatz, den funktionalen Ansatz und den aufmerksamkeitsbasierten Ansatz. Im regionenbasierten Ansatz wird das Verhältnis zwischen der zu lokalisierenden Entität und dem Referenzobjekt über die Regionen definiert, die die beiden Entitäten im Raum einnehmen (Herweg 1989; Klein 1991; Wunderlich 1991; Wunderlich/ Herweg 1991). Präpositionsbedeutung wird in der allgemeinen Form durch die Lokalisierungsrelation loc definiert, wie die semantische Repräsentation in (151) illustriert. 84 Die loc-Relation lokalisiert x (das externe Argument der Präposition, das Lokalisierungsobjekt) in Bezug auf y (das interne Argument, das Referenzobjekt), und zwar derart, dass x sich in der präpositionsspezifischen Nachbarschaftsregion von y befindet. Die Lokalisierungsfunktion p ordnet dem Lokalisierungsobjekt x seinen Eigenort zu, die präpositionsspezifische Funktion reg prep* liefert eine entsprechende Nachbarschaftsregion von y (‚ ⊑ ‘ bezeichnet die räumliche Teil-von-Relation). (151) λyλx [loc(x, prep*(y))] = λyλx [p(x) ⊑ reg prep* (y)] Im funktionalen Ansatz rückt die Vorstellung in den Vordergrund, dass die lokalen Präpositionen vor allem funktionale Verhältnisse ausdrücken, aus denen räumliche Relationen ableitbar sind (vgl. z. B. Vandeloise 1994). So kommen beispielsweise funktionale Kategorien wie containment für die Präposition in oder support für die Präposition auf in Frage. Im Fall von in setzt die funktionale containment-Relation voraus, dass die räumliche Region von y die räumliche Region von x einschließt. Der regionenbasierte und der funktionale Ansatz werden oft kombiniert, wie die Repräsentation in (152) illustriert. F steht für die jeweilige präpositionsspezifische funktionale Relation zwischen x und y. (152) λyλx [loc(x, prep*(y)) ∧ F (x, y)] (nach Wunderlich 1991, (10)) Carstensen (2000, 2001, 2015) argumentiert hingegen für einen aufmerksamkeitsbasierten Ansatz für die Erfassung lokaler Präpositionen. Zusätzlich zu der gegebenen räumlichen Relation zwischen zwei Objekten, die durch eine lokale Präposition zum Ausdruck gebracht wird, sollen auch die Wahrnehmung und Konzeptualisierung 84 Vgl. auch die semantischen Repräsentationen für lokale Präpositionen in (60) und (130). <?page no="154"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 154 von Raum berücksichtigt werden. Demnach ist es nicht nur wichtig, wie die Objekte relativ zueinander angeordnet werden (z. B. übereinander wie bei auf ) und wie groß der Abstand zwischen zwei Objekten ist (bei auf ist er z. B. kleiner als bei über), sondern auch, wie die jeweilige räumliche Relation perspektiviert und versprachlicht wird. Bedeutung von „an“: Nähe, Kontakt oder Grenzbereich? Die lokale Grundbedeutung von an wird in den eingangs vorgestellten Ansätzen unterschiedlich modelliert. Insgesamt werden drei semantische Kategorien für die Erfassung des Bedeutungsbeitrags des lokalen an in Erwägung gezogen: Nähe bzw. Proximalbereich, Kontakt und Grenzbzw. Randbereich. Im Rahmen des Regionenansatzes analysiert Herweg (1988, 1989) die Präposition an als eine Lokalisierungsfunktion, die ein Objekt in der Proximalregion des Referenzobjekts verortet. Der entsprechende Lexikoneintrag für an ist in (153) dargestellt. Das Prädikat ext erfasst den präpositionsspezifischen Bedeutungsbeitrag, der an von anderen lokalen Präpositionen unterscheidet. Das Angrenzen zweier Objekte, also das Vorliegen einer Kontaktrelation, wird als eine mögliche, aber keine zwingende Option aufgefasst. Die Optionalität des Kontaktes wird dadurch begründet, dass die Präposition an nicht immer eine Kontaktrelation zwischen zwei Objekten impliziert. In den Beispielen (154) muss keine Kontaktrelation zwischen zwei Entitäten vorliegen. Eine ähnliche Analyserichtung schlagen auch andere Autor/ -innen ein, die die lokale Grundbedeutung von an durch das Konzept der Nähe (Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997, S.-2116) bzw. durch die Lokalisierung im Außenbereich eines Gegenstandes erfassen (Eisenberg 2013, S.-185). (153) ⟦an⟧ = λyλx [loc(x, ext(y))] (nach Herweg 1989, (20)) (154a) der Stuhl an der Bar. (154b) das Dorf am Meer. Im funktionalen Ansatz wird die Bedeutung von an hingegen durch die Kategorie des Kontaktes erfasst. In älteren Grammatiken wird Kontakt als Grundbedeutung- von an angenommen (Brinkmann 1962, S.- 165; Flämig 1991, S.- 538; vgl. auch Abschn.-3.1). Die Kontaktbedeutung von an wird auch im Zusammenhang mit der atelischen an-Konstruktion erwähnt: Die präpositionale Verbverwendung mit an „stellt nur einen Oberflächen-Kontakt zum Werk her; gemeint ist nur irgendein Handanlegen“ (Weinrich 2005, S.- 623). Eines der Argumente für die zentrale Rolle der Kontaktbedeutung liefert die Beobachtung, dass die Präposition an immer mit Kontakt kompatibel ist. Kontaktverben wie kleben oder lehnen in (155) können mit an, aber nicht mit bei verwendet werden, weil bei eine Kontakt-Interpretation ausschließt. Die bei-Lokalangaben in (155) bezeichnen nicht die Entität, die mit dem <?page no="155"?> Grundbausteine der Analyse 155 Subjektreferenten in Kontakt steht, sondern werden als ereignisexterne Modifikatoren interpretiert, die die Gesamtsituation verorten. 85 (155a) Mia lehnt {an/ #bei der Wand}. (155b) Der Zettel klebt {am/ #beim Schrank}. (nach Herweg 1988, (76)-(77)) Einen Hinweis, warum Kontakt als lokale Grundbedeutung von an für die Analyse der atelischen an-Konstruktion in Erwägung gezogen werden kann, liefern die Überlegungen zur Konativkonstruktion im Englischen. Die präpositionalen Verbverwendungen vom Typ to hit at somebody/ something ‚nach jemandem/ etwas schlagen‘ haben eine tentative Bedeutung, sind also mit einer Versuchsinterpretation kompatibel. Dabei lassen nur solche Verben die Konativkonstruktion zu, die Kontakt und Bewegung implizieren (Levin 1993, S.-41 f.; Goldberg 1995, S.-63 f.). Daher schlägt van der Leek (1996) eine kontaktbasierte Analyse der Konativkonstruktion vor. Die Grundannahme ihrer Analyse besteht darin, dass die at-Phrase Kontakt zwischen zwei Entitäten einführt, der jedoch abhängig von Kontext und Verb ausbleiben kann, wodurch eine Versuchsinterpretation entstehen kann. Dazu muss man anmerken, dass eine Analyse der Konativkonstruktion im Englischen nicht direkt auf die atelische an-Konstruktion im Deutschen übertragbar ist, da sich die beiden Konstruktionen nur teilweise überschneiden. Die at-Konstruktion im Englischen entspricht je nach Kontext drei unterschiedlichen Strukturen im Deutschen. Die Versuchsbedeutung wird mit nach ausgedrückt (to hit at somebody/ something- - nach jemandem/ etwas schlagen), Verben der gerichteten Wahrnehmung werden im Deutschen mit der Präposition auf verwendet (to look/ aim at somebody/ something-- auf jemanden/ etwas zielen/ schauen), während die at-Konstruktion bei den iterativen manner-Kontaktverben der atelischen an-Konstruktion im Deutschen entspricht (to sip/ nibble at something- - an etwas nippen/ knabbern). Ein weiterer Unterschied zwischen dem Deutschen und dem Englischen besteht darin, dass inkrementelle Kreationsverben nur im Deutschen in der präpositionalen Verwendung möglich sind. Kreationsverben im Englischen sind mit der at-Konstruktion inkompatibel, vgl. (156) vs. (157). (156a) Arno strickte an einem Pullover. (156b) Arno baute an einem Haus. (157a) *Arno knitted at the pullover. (157b) *Arno built at the house. - (nach Frense/ Bennett 1996, (14)-(15)) 85 Herweg (1988, S.-77) geht davon aus, dass die Verben lehnen und kleben eine Kontaktrelation voraussetzen, während an den Kontakt lediglich zulässt. <?page no="156"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 156 Die Grenze zwischen dem regionenbasierten und dem funktionalen Ansatz bei der Analyse von an kann nicht immer klar gezogen werden. So erfasst beispielsweise Klein (1991, S.-87) den lokalen Bedeutungsbeitrag von an durch die Kontaktrelation. Sie wird aber wie im regionenbasierten Ansatz über die Eigenorte des Lokalisierungs- und des Referenzobjekts sowie über die präpositionsspezifische räumliche Funktion definiert. Klein fasst die für an spezifische räumliche Funktion so auf, dass sie als relevante Nachbarschaftsregion des Referenzobjekts Orte ausweist, die an den Eigenort des Referenzobjekts grenzen. Zwischen dieser Kontaktregion des Referenzobjekts und dem Eigenort des Lokalisierungsobjekts darf sich aber kein dem Lokalisierungsobjekt typgleiches Objekt befinden. Die Definition von Kontakt wird also aufgeweicht, um das Gebrauchsspektrum von an und solche Beispiele wie in (154) zu erfassen: Bei der Stuhl an der Bar ist zwar ein gewisser Abstand zwischen dem Stuhl und dem Fenster möglich, aber es darf nicht noch ein zweiter Stuhl dazwischen stehen. Einen grundsätzlich anderen Blick auf die Erfassung von lokalen Präpositionen bietet der aufmerksamkeitsbasierte Ansatz von Carstensen (2000, 2001, 2015). Carstensen nimmt an, dass an den Randbereich bzw. einen Teil des Referenzobjekts fokussiert. Die lokale Bedeutung von an ist nicht durch Nähe bzw. Proximalbereich oder Kontakt zu erfassen. An fokussiert vielmehr den Rand bzw. einen Teil des Referenzobjekts. Das ist der grundlegende Unterschied zu der Präposition bei, die in der lokalen Lesart das Referenzobjekt als Ganzes darstellt. Das folgende Zitat von Carstensen fasst den Unterschied zwischen an und bei zusammen, Abbildung-6 stellt ihn grafisch dar. […] bei involves an attentional shift to a referent of RO ontologically categorized as ‚whole object‘, while the corresponding RO-referent of an must be categorized as ‚boundary‘. (Carstensen 2015, S.-115) Dieser Konzeptualisierungsunterschied kann daran veranschaulicht werden, dass an, und nicht bei, mit räumlichen Nomen kompatibel ist, die „einen Teil eines Objekts bezeichnen, der als Begrenzung des Objekts kategorisierbar ist“ (Carstensen 2000, S.-67). Nomen wie Rand, Ende, Spitze usw. in (158) können als internes Argument von an auftreten, aber nicht mit bei oder mit anderen Präpositionen kombiniert werden. 86 (158) {am/ ? beim} Ende der Straße/ Rand der Straße {an/ ? bei} der Straßenecke/ der Spitze des Zuges/ der Küste/ der Wand (nach Carstensen 2001, S.-67, (31)) 86 Den Bezug auf Objektseiten bei an stellen auch Maienborn (1996, S.-228) und Nüse (2007) fest. <?page no="157"?> Grundbausteine der Analyse 157 (a)--boundary-Relation bei an (b)--Ganzobjektrelation bei bei Abb. 6: Konzeptualisierung räumlicher Relationen bei an und bei (nach Carstensen 2001, S.-153, (62a,-b)) Bildlich kann man sich den Perspektivenunterschied wie folgt vorstellen: Entweder passt das gesamte Referenzobjekt ins „Objektiv“ des Betrachters, in diesem Fall wird bei gewählt (z. B. bei Hamburg wohnen), oder eben nur ein Teil des Referenzobjekts, dann wird an gewählt (z. B. am Rand der Stadt wohnen). Basierend auf den Überlegungen von Carstensen (2001) könnte der Lexikoneintrag von an wie in (159) aussehen. 87 (159) ⟦an⟧ = λyλx [loc(x, boundary(y))] Welche lokale Bedeutung soll nun als Grundlage für die Analyse atelischer an-Phrasen verwendet werden? In den nächsten Abschnitten zeige ich, dass von den drei Kandidaten-- Nähe bzw. Proximalbereich (ext), Kontakt (contact) und Fokussierung des Grenzbereichs (boundary)- - die boundary-Relation die geeignetste Option ist. Von den drei diskutierten Optionen ist die boundary-Relation die unspezifischste und deckt die möglichen räumlichen Konstellationen ab, die durch an ausgedrückt werden können. Je nach Kontext kann an Nähe zwischen zwei Objekten bezeichnen, was die präferierte Interpretation von (160) ist, eine Kontaktrelation wie in (161) oder eine Teil-von-Relation wie in (162) einführen. (160a) der Stuhl an der Bar Nähe/ Proximalbereich (160b) das Dorf am Meer 87 Carstensen nimmt weitere semantische Prädikate für die Bedeutungserfassung von lokalen Präpositionen an, die für meine Analyse jedoch irrelevant sind. In (i) ist ein Lexikoneintrag für an dargestellt. Mit r wird das referenzielle Argument der Präposition eingeführt, sc (spatial category) nimmt die räumliche Kategorisierung von x vor (Bestimmung von relevanten Achsen, Objekteigenschaften etc.), die Operation shift steht für die Polarität (Gerichtetheit) der Präposition. (i) ⟦an⟧ = λyλx [shift(r, sc(x), boundary(y))] (nach Carstensen 2001, S.-154, (10)) <?page no="158"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 158 (161a) das Bild an der Wand Kontakt (161b) das Etikett an der Flasche (162a) die Ohren am Kopf Teil-von-Relation (162b) der Balkon am Haus Die Kontaktrelation als Grundbedeutung von an ist offenbar zu strikt: Wie (162') zeigt, ist die Modifikation durch nah oder direkt und somit die Nähe-Interpretation auch dann erzwingbar, wenn basierend auf Weltwissen eine Teil-von-Interpretation präferiert wird. (162a') -#die Ohren {nah/ direkt} am Kopf (162b') -#der Balkon {nah/ direkt} am Haus Nähe bzw. Proximalbereich sind Kategorien, die sowohl die räumliche Distanz zwischen zwei Objekten erfassen als auch den Kontakt nicht ausschließen. Die nähebasierte Analyse schließt jedoch die Teil-von-Interpretation von an wie in (162) fälschlicherweise aus. Auch der in (158) vorgestellte Befund, dass an besonders mit Randbzw. Begrenzungsnomen kompatibel ist, die Teile von Objekten bezeichnen, kann durch die Kategorie der Nähe nicht erfasst werden. Die Fokussierung des Randbereichs des Referenzobjekts durch die boundary-Relation ist hingegen mit allen Interpretationsoptionen in (160)-(162) kompatibel: Je nach Kontext und Weltwissen kann die boundary-Relation als Nähe, Kontakt und als Teil-von-Relation interpretiert werden. Diese Interpretationsoptionen von an können als eine Integrationshierarchie des Lokalisierungsobjekts x in das Referenzobjekt y in (163) aufgefasst werden, die eine zunehmende Spezifität aufweist (‚<‘ steht hier für weniger spezifisch). (163) Nähe/ Proximalbereich < Kontakt < Teil-von Im Defaultfall (und wenn keine kontextuellen Faktoren dagegen sprechen) wird das zu lokalisierende Objekt als Teil des Referenzobjekts interpretiert, vgl. (162). Ist diese Integration nicht möglich, wird die von an eingeführte Relation als eine Kontaktrelation zwischen dem Lokalisierungsobjekt und dem Referenzobjekt interpretiert, vgl. (161). Ist eine Kontakt-Interpretation aus kontextuellen oder konzeptuellen Gründen unwahrscheinlich, entsteht die Nähe-Interpretation. Das Lokalisierungsobjekt wird in der Nähe des Referenzobjekts lokalisiert, wobei nicht das gesamte Referenzobjekt, sondern seine Begrenzung bzw. sein Grenzbereich fokussiert wird, wie bei das Haus nah am Wasser. Wichtig ist außerdem die folgende Beobachtung, die Maienborn (1996, S.-151, 228) in Bezug auf die interne Modifikation und den Bedeutungsbeitrag von an macht: Eine ereignisinterne Modifikation setzt die Kontakt-Interpretation von an voraus. Zwischen dem internen Argument der Präposition und der Entität, die auf konzep- <?page no="159"?> Grundbausteine der Analyse 159 tueller Ebene aus dem Ereignis erschlossen wird, muss eine räumliche Kontaktrelation bestehen, die es erlaubt, die von der Präposition eingeführte Entität funktional in das Ereignis anzubinden. Kann keine Kontaktrelation hergestellt werden, kann eine Lokalangabe nur als ereignisexterner Modifikator interpretiert werden. Lokaladverbiale, die durch bei, neben oder gegenüber eingeleitet werden, können keine ereignisinterne Interpretation erhalten, da sie eine Kontaktrelation und somit jegliche räumliche Stützung für die inferierte Entität explizit ausschließen. In (164) kann das Fahrrad in das Fahr-Ereignis nicht funktional eingebunden und folglich nicht als Instrument interpretiert werden. (164) Mia fuhr {bei/ neben/ gegenüber} dem Fahrrad. In Abschnitt-5.1.1 wurde dafür argumentiert, dass atelische an-Phrasen ereignisinterne Modifikatoren sind. Sie können folglich entweder eine Kontaktrelation, wie in (161), oder die spezifischere Teil-von-Interpretation, wie in (162), zum Ausdruck bringen. Dass die Nähe-Interpretation in der atelischen an-Konstruktion ausgeschlossen ist, kann man mithilfe des Modifikators nah nachweisen, der impliziert, dass kein Kontakt zwischen zwei Objekten besteht. Die an-Phrasen in (165) fungieren als ereignisexterne Modifikatoren und verorten das gesamte Ereignis; in diesem Fall ist die Modifikation durch nah möglich. In (166) hingegen werden die an-Phrasen als ereignisinterne Modifikatoren interpretiert, die eine Kontaktrelation zwischen dem Referenten der an-Phrase und einer internen Ereigniskomponente voraussetzen, die auf konzeptueller Ebene eingeführt wird. (165a) Mia spielt (nah) am Brunnen. (165b) Das Fahrrad steht (nah) an der Wand. (166a) Mia knabbert (# nah) am Brötchen. (166b) Mia schreibt (# nah) am Originaltext. Durch den Zusatz von nah in (166a) entsteht die ereignisexterne Interpretation der an-Phrase, dass Mia sich in der Nähe des Brötchens befindet. Geknabbert wird etwas anderes, das nicht explizit genannt wird. In (166b) entsteht durch den Zusatz von nah die Interpretation, dass Mia nicht den Originaltext durch das Schreiben verändert, sondern einen anderen Text schreibt, der dem Originaltext ähnlich ist. Das Nähe-Konzept, das durch nah eingeführt wird, kann offenbar auf abstrakte Objekte wie Texte angewandt werden, was zur metaphorischen Interpretation der Nähe als Ähnlichkeit führt (Radden 2002). Ein weiterer Vorteil der boundary-Relation besteht darin, dass sie, im Unterschied zu der räumlich definierten Kontaktrelation, nicht auf die ontologische Sorte konkreter Objekte festgelegt ist. Dies ist bei der Erfassung von Metaphern in der atelischen an-Konstruktion wie an einem Konzept/ an der Rückkehr basteln wichtig. In der nichtwörtlichen Lesart findet die metaphorische Uminterpretation am Verb statt. Nimmt <?page no="160"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 160 man jedoch eine konkret-räumliche Relation als Grundbedeutung für die Präposition an an, entstünde ein sortaler Konflikt bereits beim Versuch, ein abstraktes Objekt mit einer lokalen Präposition zu verbinden, die ein konkretes Objekt fordert. Fazit Der semantische Beitrag der Präposition an in der atelischen an-Konstruktion wird durch die unterspezifizierte boundary-Relation erfasst. Diese Relation ist mit allen lokalen Konstellationen kompatibel, die mit an ausgedrückt werden können: Nähe (das Haus am Meer), Kontakt zwischen zwei Objekten (das Bild an der Wand) und eine Teil-von-Relation (Ohren am Kopf, am Rand der Straße). Die einzelnen Ausprägungen der Begrenzungsrelation stehen in einem Verhältnis zunehmender Spezifität zueinander, vgl. die Spezifitätshierarchie in (163). Wenn möglich, wird die spezifischere Festlegung der Begrenzungsrelation gewählt. Der Status von atelischen an-Phrasen als ereignisinterne Modifikatoren schließt die Nähe-Lesart aus und schränkt die Interpretation auf die Teil-von- oder auf die Kontaktrelation ein. Die boundary-Relation ist nicht festgelegt auf konkrete Gegenstände und kann auch mit abstrakten Objekten wie bei an einem Konzept/ an der Rückkehr basteln kombiniert werden. 5.1.3 Atelizität von einstelligen Verbvarianten Wie in Abschnitt- 2.4 beschrieben wurde, ist die atelische an-Konstruktion nur bei Verben möglich, die einstellig verwendet werden können. Verben, die den einstelligen Gebrauch nicht zulassen, können nicht in der an-Konstruktion verwendet werden, vgl. (167) vs. (168). Zu dieser Generalisierung stellen sich aber die grundsätzlichen Fragen, bei welchen Verben das interne Argument weggelassen werden kann und welche semantischen Folgen die einstellige Verwendung hat. Um diese Fragen zu beantworten, stütze ich mich auf den von Rapp (1997) entwickelten Ansatz zur Detransitivierung von zweistelligen Prädikaten. (167a) Mia aß einen Apfel/ malte ein Bild. (167b) Mia aß/ malte. (167c) Mia aß an einem Apfel/ malte an einem Bild. (168a) - Mia verzehrte einen Apfel/ kreierte ein Bild. (168b) *Mia verzehrte/ kreierte. (168c) *Mia verzehrte an einem Apfel/ kreierte an einem Bild. Rapp (1997) untersucht die Weglassbarkeit von Verbargumenten im Rahmen des Dekompositionsansatzes und behandelt unter anderem die Optionalität des Akkusativobjekts bei transitiven Verben. Die Grundannahme ihrer Analyse besteht darin, dass der einstellige Verbgebrauch mit der Fokussierbarkeit der Tätigkeitskomponente in der Verbbedeutung zusammenhängt. Die Tätigkeitskomponente entspricht dem do-Prädikat in der Dekompositionsstruktur. Die Zulässigkeit des einstelligen <?page no="161"?> Grundbausteine der Analyse 161 Gebrauchs ist nach Rapp keine idiosynkratische Verbeigenschaft, sondern kann aus der Verbbedeutung abgeleitet werden. Die Detransitivierung wird dabei als ein Prozess aufgefasst, der die lexikalisch-semantische Verbstruktur auf systematische Art und Weise verändert. Aus der Vollvariante eines Verbs wird die Tätigkeitsphrase herausgeschnitten und aus einem Prozess bzw. Accomplishment (einen Apfel essen) wird eine Tätigkeit bzw. eine Activity (essen). Die Weglassbarkeit des direkten Objekts wird durch bestimmte semantische Merkmale des Verbs gesteuert. Nach Rapp können nur inkrementelle Accomplishment- Verben detransitiviert werden. Bei inkrementellen Verben wie essen oder bauen wird das Thema-Argument nie als Ganzes dem Ereignis unterworfen, sondern sukzessive in das vom Verb bezeichnete Ereignis involviert. Bei Kreationsverben wird es stückchenweise kreiert, bei Konsumverben stückchenweise vertilgt. Bei nicht-inkrementellen Verben wie verbiegen oder fällen ist hingegen das Thema a l s G a n z e s vom Ereignis betroffen. Die Unterschiede in der Involviertheit des Themas in die vom Verb bezeichnete Handlung zeigen sich an der Kombinierbarkeit mit den Modifikatoren halb bzw. zur Hälfte. Nur bei inkrementellen Verben wie in (169) kann der Modifikator zur Hälfte verwendet werden, der sich explizit auf die inkrementelle Verarbeitung des Thema-Arguments bezieht. Bei nicht-inkrementellen Verben wie in (170) ist eine Modifikation durch zur Hälfte ausgeschlossen. (169a) Er hat den Rasen halb/ zur Hälfte gemäht. (169b) Er hat den Kuchen halb/ zur Hälfte gegessen. (Rapp 1997, (33)) (170a) Man hat den Baum halb/ *zur Hälfte gefällt. (170b) Sie hatte den Löffel halb/ *zur Hälfte verbogen. (170c) Er hatte sie halb/ *zur Hälfte erwürgt. (Rapp 1997, (34)) Der semantische Unterschied zwischen inkrementellen und nicht-inkrementellen Verben wird in der Dekompositionsstruktur reflektiert. Bei nicht-inkrementellen kausativen Verben wird das y-Argument unmittelbar als Patiens des Tätigkeitsprädikats do repräsentiert, da es als Ganzes der vom Verb bezeichneten Handlung unterliegt, vgl. (171). Das Prädikat dev kennzeichnet einen nicht-punktuellen Zustandsveränderungsprozess. 88 Bei inkrementellen Verben hingegen erscheint das y-Argument nicht als zweites Argument in der do-Phrase, vgl. (172). Diese Darstellung entspricht der Intuition, dass das Thema von inkrementellen Verben zu keinem Zeitpunkt a l s G a n z e s dem vom Verb bezeichneten Ereignis unterliegt, sondern 88 Die Dekompositionsrepräsentationen von Rapp (1997) sind um das Ereignisargument e erweitert, vgl. die Darstellung in Maienborn (2017). <?page no="162"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 162 sukzessive abgearbeitet wird. Bei der Detransitivierung, so der Ansatz von Rapp (1997), werden alle Prädikate aus der semantischen Struktur getilgt, die das wegzulassende y-Argument enthalten. Bei nicht-inkrementellen Verben würde diese Tilgung zu einer leeren lexikalisch-semantischen Struktur führen, die Rapp zufolge ausgeschlossen ist. Bei inkrementellen Verben bleibt das do-Prädikat erhalten. (171) Nicht-inkrementelle Accomplishments: λyλxλe [e: cause(do(x, y), dev(be(y)))] (171a) Mia verbog *(die Stange). (171b) Mia fällte *(den Baum). (nach Rapp 1997, (38)) (172) Inkrementelle Accomplishments (manner-spezifisch): λyλxλe [e: cause(do(x), dev(be(y)))] (172a) Mia aß/ kaute (den Kuchen). (172b) Mia trank/ schlürfte (die Limonade). (172c) Mia baute/ bastelte (ein Häuschen). (nach Rapp 1997, (39)) Im einstelligen Gebrauch wird folglich die Tätigkeitsbzw. Activity-Komponente in der Verbbedeutung fokussiert, was dazu führt, dass die detransitivierten Verbvarianten eine atelische Interpretation erhalten. Die Activity-Komponente muss spezifisch genug sein, um fokussiert zu werden. Daher stellt Rapp als eine weitere Bedingung für die Zulässigkeit der einstelligen Verwendung die manner-Spezifität auf, die beispielsweise den Kontrast zwischen essen und verzehren in (167)-(168) erfasst. Die inkrementellen Konsumverben verzehren oder vertilgen, vgl. (173), sind manner-neutral, denn sie können den Verzehr von etwas sowohl durch Essen als auch durch Trinken bezeichnen, wie das Beispiel in (174) illustriert. Sie sind zu unspezifisch, um die Art und Weise der Tätigkeit zu fokussieren. Folglich können sie nicht detransitiviert werden. Die Verben essen und trinken sind hingegen auf eine bestimmte Konsumart festgelegt und spezifisch genug, um die tätigkeitsspezifische manner-Komponente in ihrer Bedeutung im einstelligen Gebrauch zu fokussieren. (173) Inkrementelle Accomplishments (manner-neutral): λyλxλe [e: cause(do(x), dev(be(y)))] (173a) Mia verzehrte *(den Kuchen). (173b) Mia vertilgte *(den Kuchen). (174) Der Gast hat vier Schnitzel und drei Bier verzehrt/ vertilgt. (Rapp 1997, (45)) <?page no="163"?> Grundbausteine der Analyse 163 Die Detransitivierungsregel für manner-spezifische inkrementelle Verben ist in (175) dargestellt. Demnach wird aus der zweistelligen Vollvariante eines tätigkeitsspezifischen Verbs in (176a) eine einstellige (agentive) Fakultativvariante in (176b) erzeugt. Durch die Detransitivierung werden alle Prädikate aus der semantischen Struktur getilgt, die das y-Argument direkt oder indirekt einbetten. Es bleibt nur die Tätigkeitskomponente do erhalten, die das x-Argument enthält. (175) Detransitivierung von manner-spezifischen inkrementellen Accomplishments: λyλxλe [e: cause(do(x), dev(be(y)))] → λxλe [e: do(x)] (nach Rapp 1997, (30)) (176a) malen zweistellig : λyλxλe [e: cause(do(x), dev(be(y)))] ↓ (176b) malen einstellig : λxλe [e: do(x)] Rapp (1997, S.-502) räumt dabei ein, dass die Vorhersagen über die Weglassbarkeit des y-Arguments bei inkrementellen Verben, die auf der Tätigkeitsspezifik beruhen, lediglich als Tendenzen aufzufassen sind. Die manner-Komponente wird von Rapp auch nicht explizit in die Dekompositionsstruktur aufgenommen, sodass die Repräsentationen für manner-spezifische und manner-neutrale inkrementelle Verben in (172) bzw. (173) grundsätzlich gleich sind. Bei der manner-Spezifität handelt es sich nach Rapp vielmehr um ein Kontinuum, von eher spezifischen bis hin zu eher neutralen Verben. Dieses Kontinuum kann an den Verben in (177) illustriert werden. Das Verb schlürfen ist spezifischer als trinken, denn schlürfen bezeichnet einen Trinkvorgang, der durch Schlürfgeräusche begleitet wird. Das Verb trinken ist spezifischer als verzehren, da verzehren sowohl einen Essals auch einen Trinkvorgang bezeichnen kann. Das Verb verzehren ist aber spezifischer als vernichten, da verzehren die Art und Weise der Vernichtung auf den Konsum-Vorgang festlegt. (177) schlürfen-- trinken-- verzehren-- vernichten Zu der Analyse von Rapp (1997) stellt sich folglich die grundlegende Frage, wie man die Grenze zwischen manner-spezifischen und manner-neutralen Verben zieht: Wie erklärt man beispielsweise, dass bei den Trink-Verben in (177) die Grenze der Weglassbarkeit zwischen trinken und verzehren verläuft? Rapp (1997, S.- 502) fasst die Neigung zur Detransitivierung als Tendenz auf und nimmt an, dass der einstellige Gebrauch umso eher möglich ist, je spezifischer die Tätigkeitskomponente ist. Diese These lässt sich allerdings nur empirisch überprüfen. Bezug zur atelischen „an“-Konstruktion Die Zulässigkeit der an-Konstruktion bei einem Verb ist an die Prämisse gebunden, dass das Verb einstellig verwendbar ist. Damit wird aber nicht gesagt, dass es die gleichen Faktoren sind, die die optionale <?page no="164"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 164 Zweistelligkeit und die Neigung zur an-Konstruktion steuern. So ist es z. B. bei der Inkrementalität, die von Rapp (1997) als zentraler Erklärungsfaktor für die Möglichkeit der einstelligen Verbverwendung angesehen wird, aber in der atelischen an- Konstruktion keine zentrale Rolle spielt, wie die Korpusdaten in Kapitel- 4 gezeigt haben. Iterative manner-Verben wie knabbern oder nippen, die stark mit der an- Konstruktion assoziiert sind, werden in Rapp (1997) und in dieser Arbeit unterschiedlich behandelt. Rapp (1997) stuft das Verb kauen als inkrementelles Verb ein, vgl. die Beispiele in (172). Ich gehe hingegen davon aus, dass das Verb kauen nicht inhärent inkrementell ist, sondern in bestimmten Kontexten als inkrementelles Konsumverb interpretiert werden kann, vgl. Mia hat ein Stück Kuchen gekaut (inkrementeller Konsum) vs. Mia hat ein Kaugummi gekaut (kein Konsum). 89 Folgt man der Auffassung, dass iterative manner-Verben wie kauen oder knabbern nicht inhärent inkrementell sind, muss man anerkennen, dass diese Prädikate von der Analyse von Rapp (1997) nicht erfasst sind und dass nicht nur die Inkrementalität den einstelligen Gebrauch lizenzieren kann. Möglicherweise ist es die stark ausgeprägte manner-Komponente, die für die Zulässigkeit der einstelligen Verbverwendung verantwortlich ist. Quantitative Daten zu den in dieser Arbeit untersuchten Kreations- und Konsumverben bestätigen die Annahme, dass Verben, die die an-Konstruktion zulassen, auch einstellig verwendbar sind (Tab.- 23). Die Korpusdaten zeigen aber auch, dass der Zusammenhang zwischen der einstelligen Verbverwendung, der Zulässigkeit der an-Konstruktion und der Inkrementalität komplex ist und in weiteren Studien untersucht werden muss. In den hier erhobenen Daten zu Konsumverben kommt z. B. das nicht-inkrementelle Verb kauen in 18% seiner Verwendungen einstellig vor. Die manner-spezifischen inkrementellen Verben schlürfen und fressen treten mit 4% bzw. 5% deutlich seltener einstellig auf (Tab.-23b). Auch wenn einige Fragen offen bleiben, ist für die Reanalyse der atelischen an- Konstruktion die Feststellung zentral, dass Verben mit einer stark ausgeprägten Tätigkeitskomponente in ihrer Bedeutung einstellig gebraucht werden können und die atelische an-Konstruktion zulassen. Mit dem einstelligen Gebrauch geht die atelische Verbinterpretation einher. 90 Der Kontrast zwischen (178) und (179) zeigt, dass 89 Auf die Interpretationsoptionen der Konsumverben gehe ich in Abschnitt-5.2.3 ein. 90 Einige intransitiv verwendete Verben können eine telische Interpretation erhalten und mit Zeitrahmenadverbialen kombiniert werden; vgl. (i). Diese Fälle sind jedoch anders zu behandeln und widersprechen dem Ansatz von Rapp (1997) nicht. Engelberg (2002) erfasst die telischen Verwendungen der Verben in (i) dadurch, dass das y-Argument syntaktisch zwar nicht realisiert ist, aber in der semantischen Struktur implizit erhalten bleibt und für die telische Interpretation verantwortlich ist. Für intransitiv verwendete Verben wie lesen, bauen usw. nimmt Rapp (1997) hingegen eine systematische semantische Operation der Detransitivierung an, die das y-Argument aus der lexikalisch-semantischen Struktur tilgt. (i) Mia hat in zwei Minuten {aufgegessen/ geduscht/ gefrühstückt}. <?page no="165"?> Grundbausteine der Analyse 165 einstellige Verbvarianten mit Zeitrahmenadverbialen inkompatibel sind, was von ihrer Atelizität zeugt. Im Dekompositionsansatz von Rapp (1997) wird der Atelizität von einstelligen Verben dadurch Rechnung getragen, dass nach der Detransitivierung nur die Tätigkeitskomponente in der lexikalisch-semantischen Struktur der Verben erhalten bleibt und Accomplishments zu Activities werden. (178a) Mia hat in zwei Stunden ein Bild gemalt. (178b) Mia hat in zwei Stunden einen Apfel gegessen. (179a) *Mia hat in zwei Stunden gemalt. (179b) *Mia hat in zwei Stunden gegessen. Zu beachten ist dabei, dass auch transitiv verwendete Verben in Kombination mit artikellosen Massennomen und Pluralnomen wie in (180) eine atelische Interpretation erhalten. Ich folge hier Rapp (1997) und unterscheide zwischen lexikalischer Atelizität wie in (179), die durch den einstelligen Verbgebrauch zustande kommt, und phrasaler Atelizität bei zweistelligen Verben wie in (180), die bei Massennomen und artikellosen Pluralnomen in Objektposition entsteht. (180) Mia trank {*in zwei Stunden/ zwei Stunden lang} Milch/ Cocktails. Durch die Detransitivierung entsteht eine Fakultativvariante des Verbs mit einer veränderten lexikalisch-semantischen Struktur. Ein zweistelliges Verb wird auf die Activity-Komponente reduziert, was die Detransitivierungsregel in (175) erfasst. Bei bloßen Massennomen und Pluraltermen entsteht die atelische Interpretation hingegen auf phrasaler Ebene, und zwar „durch das Aneinanderreihen gleichartiger Einzelereignisse“ (Rapp 1997, S.- 506), wobei die lexikalisch-semantische Struktur des Verbs in jedem Einzelereignis gleich bleibt. Mehrere Befunde sprechen für die Unterscheidung zwischen lexikalischer und phrasaler Atelizität. Erstens kann die atelische Interpretation auf phrasaler Ebene auch bei solchen Verben herbeigeführt werden, die nicht einstellig verwendbar sind, vgl. (181)-(182). Zweitens ist eine Resultativkonstruktion bei einer atelischen Verbalphrase mit einem artikellosen Pluralobjekt wie in (183) ausgeschlossen. Das spricht dafür, dass sich die einstellige Fakultativvariante mit der resultativen Phrase verbindet. (181a) *Isabelle verbog zehn Minuten lang. (181b) - Isabelle verbog zehn Minuten lang Löffel. - (Rapp 1997, (53)) (182a) *Er riß zwei Stunden lang ab. (182b) - Er riß zwei Stunden lang Laub ab. - (Rapp 1997, (54)) <?page no="166"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 166 (183a) - Nicola aß ihren Teller leer. (183b) *Nicola aß Kirschen ihren Teller leer. - (nach Rapp 1997, (61)-(62)) Mit der einstelligen Verwendung eines transitiven Verbs verschiebt sich der Fokus auf das verbale Prädikat (Maienborn 2017, S.-162), das nur das Agens enthält, sodass die Tätigkeit des Subjekts in den Vordergrund gerückt wird. Dieser Effekt kann daran veranschaulicht werden, dass bei einstelligen Verbverwendungen zusätzliche pragmatische Deutungsprozesse wirksam werden, die den Fokus auf die Tätigkeit des Agens lenken. (184) That dog bites. (Levin 1993, S.-39, (72b)) (185) Eibo trinkt. (Maienborn 2017, (10b)) In (184) wird die vom Verb beschriebene Tätigkeit als eine charakteristische Eigenschaft des Subjekts interpretiert: Jener Hund ist ein Hund, der häufig beißt. Bei manchen Verben legt der einstellige Gebrauch eine bestimmte sortale Auslegung des impliziten y-Arguments fest. Der intransitive Gebrauch von trinken wie in (185) ist mit der Interpretation verbunden, dass Eibo regelmäßig und in großen Mengen Alkohol konsumiert. Um diese Interpretation von trinken zu erfassen, nimmt Jacobs (1994a) eine eigenständige einstellige Verbvariante von trinken an, Maienborn (2017) hingegen argumentiert, dass es sich um pragmatische Prozesse handelt, die durch den einstelligen Gebrauch und den Fokus auf die Agenstätigkeit einhergehen. Wie die genaue Analyse von einstelligen Verbvarianten auch aussehen mag: Die Daten in (184)-(185) zeigen, dass der einstellige Gebrauch den Fokus auf die Tätigkeitskomponente in der Verbbedeutung lenkt. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein erneuter Blick auf die Konativkonstruktion im Englischen. In den einschlägigen Arbeiten wird festgestellt, dass in der Konativkonstruktion der Fokus der Aussage nicht auf das Ergebnis, sondern auf die vom Verb bezeichnete Tätigkeit gerichtet ist, was mit der Versuchsbedeutung der at-Konstruktion korreliert (van Hout 1998; Perek 2014). 91, 92 Auch die Konativkonstruktion im Englischen wird atelisch interpretiert. So nimmt z. B. Wanner (1999, S.- 37) an, dass durch die Verwendung in der at-Konstruktion ein Accomplishment auf eine Activity reduziert wird. Man sieht also, dass bei einem vergleichbaren Phänomen im Englischen ein Zusammenhang zwischen der Atelizität der at-Konstruk- 91 „[…] the conative construction moves the focus to what the agent is doing, regardless of whatever effect this action brings about.“ (Perek 2014, S.-64) 92 „While the focus in the conative frame is on the activities of the ‚agent‘, the transitive frame focuses not only on the action but also on its effect.“ (van Hout 1998, S.-52) <?page no="167"?> Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion 167 tion und dem Fokus auf der Tätigkeitskomponente in der Verbbedeutung festgestellt wird. Der Befund, dass sich die an-Phrasen mit einstelligen und folglich atelischen Verbvarianten verbinden, ist für die Reanalyse der atelischen an-Konstruktion zentral. Als Modifikatoren verändern die an-Phrasen den activity-Typ des modifizierten Verbs nicht, sodass sich die atelische Interpretation des Gesamtausdrucks ohne Zusatzannahmen ergibt. Fazit In der atelischen an-Konstruktion wird nicht das Resultat der verbalen Handlung, sondern die Tätigkeit selbst fokussiert. Atelische an-Phrasen verbinden sich mit den einstelligen Verbvarianten, die nur die Tätigkeitskomponente enthalten und atelisch interpretiert werden. Die atelische Interpretation eines an-Satzes folgt aus dem Modifikatoransatz, da Modifikatoren als endotypische Funktoren den logischen Typ des modifizierten Ausdrucks nicht verändern und die an-Phrasen keinen Einfluss auf dem semantischen Typ des verbalen Ereignisses (activity) haben. 5.2 Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion 5.2.1 Bedeutungsbeitrag des atelischen an Die Abschnitte- 5.1.1-5.1.3 haben drei grundlegende Annahmen vorgestellt, die im Folgenden als Basis für die Modifikatoranalyse von atelischen an-Phrasen dienen. Ich fasse sie hier kurz zusammen. Atelische an-Phrasen sind ereignisinterne Modifikatoren (Abschn.- 5.1.1). Die an- Phrasen in der atelischen an-Konstruktion nehmen eine verbnahe Position ein und verhalten sich wie ereignisinterne Modifikatoren. Die Analyse von Maienborn (1996, 2001, 2003b), die für genuin lokale ereignisinterne Modifikatoren aufgestellt wurde, kann folglich auf atelische an-Phrasen vom Typ an einem Buch schreiben, an einem Apfel essen übertragen werden. Ereignisinterne Modifikatoren liefern zusätzliche Informationen zum Ereignisargument des Verbs, aber nicht direkt, sondern vermittelt über eine freie Variable, die aus der internen Ereignisstruktur erschlossen und auf konzeptueller Ebene spezifiziert wird. Atelische an-Phrasen führen eine boundary-Relation ein (Abschn.- 5.1.2). Die Bedeutung der Präposition an kann durch die unterspezifizierte boundary-Relation erfasst werden. Die boundary-Relation ist mit allen lokalen Konstellationen kompatibel, die mit an ausgedrückt werden können und die eine Spezifitätshierarchie bilden, die in (163) dargestellt ist: Nähe von zwei Gegenständen (das Haus am Meer), Kontakt (das Bild an der Wand) und Teil-von-Relation (Ohren am Kopf, am Rand der Straße). Die Integration von an-Phrasen als ereignisinterne Modifikatoren schließt die Nähe-Interpretation aus. Wenn möglich, wird die spezifischere Festlegung der Begrenzungsrelation gewählt: Bei kontextueller Unterstützung <?page no="168"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 168 wird die boundary-Relation vorzugsweise als eine Teil-von-Relation interpretiert, andernfalls wird die weniger spezifische Kontaktrelation gewählt. Die boundary- Relation ist nicht festgelegt auf konkrete Gegenstände und kann mit abstrakten Objekten kombiniert werden. Atelische an-Phrasen sind Modifikatoren von einstelligen Activity-Varianten der Verben (Abschn.-5.1.3). Im einstelligen Gebrauch wird die Tätigkeitskomponente in der Verbbedeutung fokussiert, und das Verb wird atelisch interpretiert. Die atelische Interpretation des Gesamtausdrucks folgt unmittelbar aus der Modifikatoranalyse, da die an-Phrasen den logischen und den semantischen Typ des modifizierten Verbs nicht verändern. Diese drei Kernannahmen werden im Lexikoneintrag für das atelische an in (186) implementiert. 93 (186) ⟦an⟧ = λzλP: ⟨e,⟨act, t⟩⟩λxλe [P(x)(e) ∧ R int (e, v) ∧ boundary' X (v, z)] (e = Entität, act = Activity, t = Wahrheitswert) Vermittler-Status von atelischen „an“-Phrasen Die von an eingeführte Relation bezieht sich nicht direkt auf das verbale Ereignisargument e (wie es bei einer ereignisexternen Modifikation der Fall wäre), sondern ist vermittelt über eine freie Variable v, die über die Integritätsrelation R int eingeführt wird. Die Indirektheit der Relation zwischen dem internen Argument von an und dem Ereignis ist durch den Status von atelischen an-Phrasen als ereignisinterne Modifikatoren begründet. Wie bei den regulären ereignisinternen Modifikatoren führt die Integritätsrelation R int das konzeptuelle Wissen in die Bedeutungskomposition ein: Die genaue Belegung der freien Variable v wird auf konzeptueller Ebene aus dem vom Verb bezeichneten Ereignis erschlossen. Die Grundannahme besteht darin, dass v je nach Verbsemantik unterschiedlich belegt wird. Bei inkrementellen Prädikaten wird v als inkrementelles Thema eines Kreationsbzw. Konsumereignisses instanziiert. In einem Kreationssatz wie Mia malt an einem Bild besteht eine boundary-Relation zwischen dem inkrementellen Thema eines Mal-Ereignisses v (z. B. Striche) und dem Bild z, das als internes Argument von an eingeführt wird. Diese grundlegende Auffassung, dass das interne Argument von an als solches n i c h t das inkrementelle Thema des vom Verb bezeichneten Ereignisses ist, findet sich auch in Krifka (1989a, 1992) und Engelberg (2002). Bei iterativen manner-Verben wie knabbern oder lut- 93 Im Lexikoneintrag für das atelische an in (186) wird nur P typisiert, da ich mich auf die Anforderungen von an an das Verb konzentriere. Dieser Lexikoneintrag stellt also eine Vereinfachung dar und wäre grundsätzlich um die feinkörnigen Typenanforderungen an die anderen Variablen zu ergänzen. Darüber hinaus wäre festzulegen, welche Untergruppe der einstellig verwendbaren Verben die an- Konstruktion zulässt, um eine Übergeneralisierung zu vermeiden (vgl. auch die Überlegungen zu (58) in Abschn.-2.4). Ich überlasse dies jedoch der weiteren Forschung. <?page no="169"?> Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion 169 schen bezieht sich die auf konzeptueller Ebene erschlossene Entität unmittelbar auf die manner-Komponente in der Verbbedeutung. Im Satz Der Hamster knabbert an seinem Käfig besteht eine Kontaktrelation zwischen den Zähnen des Hamsters und einer Käfigstange. Das „Instrument“ des Knabberns ist in der Verbbedeutung lexikalisiert und auf konzeptueller Ebene leicht zugänglich. Die konzeptuelle Belegung der freien Variable v wird ausführlicher in den Analysen der inkrementellen Kreations- und Konsumverben in 5.2.2 und der lokalen Interpretation von manner-Konsumverben in 5.2.3 behandelt. „boundary“-Relation Atelische an-Phrasen führen eine boundary-Relation ein, die zwischen ihrem internen Argument z und einer freien Variable v besteht. Das Referenzobjekt z wird durch die an-Phrase eingeführt. Das zu lokalisierende Objekt v wird mithilfe konzeptuellen Wissens aus dem vom Verb bezeichneten Ereignis erschlossen. Das Verhältnis zwischen dem internen Argument von an und dem vom Verb bezeichneten Ereignis ist folglich indirekt. Die boundary-Relation stellt einen Randbezug zu z her: Die an-Phrasen können nicht auf das gesamte Objekt z zugreifen, sodass keine ganzheitliche bzw. holistische Interpretation von z vorliegen kann. Stattdessen wird mit an ein Randbereich von z fokussiert. Von der verbalen Handlung kann folglich nicht der gesamte Referent des internen Arguments von an betroffen sein, sondern nur eine Grenzregion von z. Wie in Abschnitt-5.1.2 ausgeführt, ist die boundary-Relation ontologisch nicht festgelegt und kann sowohl mit konkreten (an einem Stein feilen) als auch mit abstrakten Objekten kombiniert werden (an einem Text/ Konzept feilen). Innerhalb der an- Phrase findet folglich keine metaphorische Uminterpretation statt, auch wenn das interne Argument von an eine abstrakte Entität bezeichnet. Intuitiv erfasst die boundary-Relation die Bedeutung der atelischen an-Konstruktion-sehr treffend: Durch die Handlungen, die mit der an-Konstruktion beschrieben werden, werden keine fundamentalen Änderungen an z vorgenommen. Verändert werden bestimmte Teile von z, die zum Grenzbereich von z gehören bzw. als Grenzbereich von z konzeptualisierbar sind. In der konkreten Lesart von iterativen manner-Konsumverben wie in an einer Möhre knabbern stellt die an-Phrase primär einen lokalen Bezug zwischen den Zähnen des Subjektreferenten und dem äußeren Rand der Möhre her. Als Randbereich eines abstrakten Objekts wie Text in an einem Text schreiben können seine nicht-essenziellen Teilaspekte konzeptualisiert werden, z. B. seine Binnenstruktur (Einleitung, Kapitelüberschriften usw.) oder seine Eigenschaften (Länge, roter Faden usw.). Durch die Ereignisse, auf die mit der an-Konstruktion referiert wird, werden bestimmte Grenzbereiche bzw. Teilaspekte eines (schon existierenden) Objekts z verändert, wobei die ontologische Kernidentität von z davon unbetroffen bleibt. Dass in der atelischen an-Konstruktion nur nicht-essenzielle Änderungen am Referenten des internen Arguments von an unternommen werden, kann am Beispiel in (187) illustriert werden. Wenn man an einem Gedicht schreibt, <?page no="170"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 170 verändert man zwar Eigenschaften des Gedichts, aber man ändert den Gegenstand des Schreibens nicht so, dass etwas sortal anderes entsteht, z. B. eine Kurzgeschichte. Das Herzstück von z, das, was ein Gedicht zu einem Gedicht macht, wird durch die vom Verb bezeichnete Handlung nicht beeinflusst. (187) Mia hat ein Jahr lang an einem neuen Gedicht geschrieben. #Daraus wurde eine Kurzgeschichte. Die Korpusdaten bestätigen ebenfalls, dass die boundary-Relation eine besonders prominente Rolle für die an-Konstruktion spielt (vgl. Abschn.-4.2.2 und Tab.-7). Das mit der an-Konstruktion am stärksten assoziierte Verb ist feilen. In der an-Konstruktion wird feilen hauptsächlich mit abstrakten Entitäten verwendet, wie z. B. an einem Konzept feilen. An etwas feilen bedeutet im Kern, dass nicht-zentrale Aspekte von etwas verändert bzw. verbessert werden. Auch bei iterativen manner-Konsumverben, die stark mit der atelischen an-Konstruktion assoziiert sind, ist der Bezug zu Grenzbereichen eindeutig vorhanden. In der konkreten Verwendung von nagen und knabbern besteht die Kontaktrelation zwischen den Zähnen des Subjektreferenten und einer äußeren Seite des Referenzobjekts. Wie wird nun die temporale Dynamik der modifizierten Ereignisse berücksichtigt und wie entsteht die ereignistypspezifische Interpretation der Kreation oder der Konsumption eines Objektteils bzw. die lokale Interpretation bei manner-Konsumverben? Die temporale Dynamik ergibt sich einerseits aus der semantischen Rolle, die die inferierte Entität v innehat, und andererseits aus der Festlegung der unterspezifizierten Relation boundary' X . Im Folgenden skizziere ich die Grundidee der Analyse, die in den Abschnitten-5.2.2-5.2.3 ausführlicher vorgestellt wird. Bei einem inkrementellen Kreationsverb wie malen in Mia malt an einem Bild wird die inferierte Entität v als inkrementelles Thema des jeweiligen Mal-Ereignisses identifiziert: v bezeichnet dann die Entität vom Typ mal_produkt, die durch das Malen hergestellt wird. Es kann sich z. B. um Pinselstriche oder Linien handeln. Für die Interpretation, das die Pinselstriche zum Teil des Bildes werden, ist die genaue Spezifikation der Relation boundary' X verantwortlich. Die Relation boundary' X wird präferiert spezifisch interpretiert, wenn die kontextuelle Unterstützung vorliegt (vgl. die Interpretationshierarchie von an in (163)). Die spezifischste Ausprägung der boundary-Relation als Teil-von (boundary' PART-OF ) ist dann möglich, wenn die Entitäten, die in einer boundary-Relation stehen, sortal kompatibel sind. Bei an einem Bild malen ist diese Bedingung erfüllt: Pinselstriche als solche sind Grundbausteine von Bildern, sodass die Teil-von-Interpretation zulässig wird. Bei inkrementellen Konsumverben verläuft die Argumentation parallel, allerdings wird die inferierte Entität v als konsumiertes Objekt interpretiert. In der lokalen Lesart bei iterativen manner-Verben wie in Der Hamster knabbert an einer Käfigstange kann boundary' X lediglich als eine weniger spezifische Kontakt- <?page no="171"?> Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion 171 relation boundary' CONTACT interpretiert werden, die zwischen v und dem Randbereich-von z besteht. Ein manner-Verb legt die freie Variable v als eine manner-spezifische Entität fest. Bei knabbern kommen z. B. die Zähne des Subjektreferenten in Frage. Die Zähne des Hamsters sind nicht als Teil der Käfigstange konzipierbar, sodass die boundary-Relation als eine Kontaktrelation festgelegt wird (boundary' CONTACT ). Die unspezifischste Interpretation von boundary' X als Lokalisierung in der Nähe bzw. im Proximalbereich des Referenzobjekts (boundary' PROX ) kommt für die atelische an-Konstruktion nicht in Frage, da die ereignisinterne Modifikation eine Kontaktrelation voraussetzt, vgl. dazu Abschnitt-5.1.2. Regelbasierte vs. lexikalische Modifikation Abschließend möchte ich darauf eingehen, warum im Lexikoneintrag für das atelische an in (186) die atelische Verbvariante P vom Typ ⟨e,⟨act, t⟩⟩ als Argument des Modifikators vermerkt ist, wenn die Analyse von Maienborn (2001, 2003b) das Modifikationstemplate MOD* in (131) als Mittel zur Verfügung stellt, um die Kombinatorik zweier Prädikate bei der Modifikation zu steuern. Aufbauend auf entsprechenden formal-semantischen Traditionen unterscheidet Bücking (2018b) zwischen einem regelbasierten und einem lexikalischen Ansatz zur Modifikation. Der regelbasierte Ansatz fasst die Modifikation als eine regelhafte Operation auf, die z. B. durch das MOD*-Template erfasst wird. Der lexikalische Ansatz gründet hingegen auf der Annahme, dass bestimmte lexikalische Einheiten, wie etwa intensionale Adjektive wie angeblich oder ehemalig, als Modifikatoren in ihrem Lexikoneintrag auszuweisen sind. In beiden Ansätzen wird gewährleistet, dass Modifikatoren endotypische Funktoren sind: Sie verbinden sich mit dem modifizierten Element, ohne seinen logischen Typ zu verändern. Für die Modellierung der atelischen an-Phrasen bietet sich der lexikalische Modifikationsansatz an, denn sie stellen stärkere Anforderungen an das modifizierte Verb als lokale an-Modifikatoren. Das modifizierte Prädikat soll einstellig (agentiv) sein. Bei regulären ereignisinternen lokalen Modifikatoren besteht diese Restriktion nicht. So wird in (188) der ereignisinterne an-Modifikator an den Haaren mit einer telischen, transitiven Verbalphrase kombiniert. Im Lexikoneintrag in (186) werden- atelische an-Phrasen folglich l e x i k a l i s c h als ereignisinterne Modifikatoren ausgewiesen. (188) Paul zieht Maria an den Haaren (aus dem Zimmer). Abgesehen von dem Unterschied, dass atelische an-Phrasen auf einstellige Verbvarianten festgelegt sind, werden zwei zentrale Bausteine der Analyse von ereignisinternen Modifikatoren übernommen. Zum einen wird das interne Argument der Präposition vermittelt durch eine freie Variable an das vom Verb bezeichnete Ereignis angebunden (bedingt durch die verbnahe Basisposition des Modifikators). Zum <?page no="172"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 172 anderen werden atelische an-Phrasen durch die (lokale) Grundbedeutung von an erfasst. In den nächsten Abschnitten wird vorgestellt, wie die Modifikatoranalyse von atelischen an-Phrasen drei Phänomene erfasst. In Abschnitt- 5.2.2 werden zunächst inkrementelle Kreations- und Konsumverben wie in (189) behandelt, die in bisherigen Arbeiten eine zentrale Rolle einnehmen. An der angemessenen Behandlung des „Standardfalls“, also der atelischen Interpretation von inkrementellen Verben in der an-Konstruktion, lässt sich die Modifikatoranalyse mit den aspektuellen Ableitungsanalysen vergleichen, die in Kapitel-2 vorgestellt wurden. Anschließend geht es um zwei Phänomene, die im Rahmen von aspektuellen Ableitungsanalysen nicht erfassbar sind, denn die Nicht-Austauschbarkeit der transitiven Verbverwendung und der atelischen an-Konstruktion spricht dagegen, die an-Konstruktion als eine abgeleitete Struktur zu betrachten. Abschnitt-5.2.3 behandelt die primär lokale Kontakt-Interpretation bei Konsumverben wie in (190). Abschnitt-5.2.4 beschäftigt sich schließlich mit den übertragenen Verbverwendungen in der an-Konstruktion, die in (191) illustriert sind. (189a) Mia malt {ein Bild/ an einem Bild}. (189b) Mia isst {einen Apfel/ an einem Apfel}. (190a) Mia knabbert {an der Möhre/ die Möhre}. (190b) Mia knabbert {an dem Stift/ #den Stift}. (191a) Mia bastelt {am Konzept/ das Konzept}. (191b) Das Team bastelt {am Aufstieg/ *den Aufstieg}. (191c) Das Team knabbert {an der Niederlage/ *die Niederlage}. 5.2.2 Inkrementelle Kreations- und Konsumverben Die Verwendung von inkrementellen Kreations- und Konsumverben wie malen oder essen in der atelischen an-Konstruktion, vgl. (192)-(193), stellt die erste Bewährungsprobe für den hier vertretenen Modifikatoransatz dar. (192) Mia malt an einem Bild. (193) Mia isst an einem Apfel. Der Ausgangspunkt der Modifikatoranalyse besteht darin, dass atelische an-Phrasen einstellige Verbvarianten modifizieren. Nur Verben, die auch einstellig verwendet werden können, lassen die an-Konstruktion zu. Inkrementelle Verben wie malen oder essen lassen eine einstellige Verwendung zu, wie die Korpusbelege in (194) illustrieren. <?page no="173"?> Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion 173 (194a) Um 7.45 Uhr habe die Familie den Anruf bekommen, dass Sophia wieder da sei, sagte ihr Stiefbruder gestern. Sofort seien alle zu der Wache gefahren. „Da saß sie und hat gemalt.“ (Berliner Zeitung, 9.1.2001) (194b) Sie essen, trinken, gehen tanzen oder ins Kino. (Berliner Zeitung, 15.2.2001) Mit dem einstelligen Gebrauch geht einher, dass der Fokus der Aussage auf die Tätigkeit des Agens verschoben wird (Abschn.- 5.1.3). Den Überlegungen von Rapp (1997) folgend nehme ich an, dass einstellige Verbvarianten systematisch mit zweistelligen Verbvarianten zusammenhängen. Der Zusammenhang zwischen den zweistelligen und den einstelligen Varianten der Verben malen und essen ist durch die Repräsentationen in (195)-(196) dargestellt, die in Anlehnung an Rapp (1997) formuliert sind, vgl. dazu (175)-(176). (195) Inkrementelle Kreationsverben (195a) malen zweistellig : λyλxλe: acc [create(e) ∧ malen'(e) ∧ agent(e, x) ∧ i-theme(e, y)] ↓ (195b) malen einstellig : λxλe: act [create(e) ∧ malen'(e) ∧ agent(e, x)] (196) Inkrementelle Konsumverben (196a) essen zweistellig : λyλxλe: acc [consume(e) ∧ essen'(e) ∧ agent(e, x) ∧ i-theme(e, y)] ↓ (196b) essen einstellig : λxλe: act [consume(e) ∧ essen'(e) ∧ agent(e, x)] Wichtig ist vor allem, dass in der einstelligen Verbverwendung eine veränderte lexikalisch-semantische Struktur vorliegt. Im Ansatz von Rapp wird ein zweistelliges-Verb, das auf die Accomplishment-Interpretation festgelegt ist, auf eine Activity reduziert. Die semantische Repräsentation der einstelligen Verbvarianten enthält- nur die atelische Tätigkeitskomponente. 94 In der neo-davidsonschen Darstel- 94 Rapp (1997, S.- 498) spricht genauer genommen von Prozessen, die zu Tätigkeiten werden. Da diese Terminologie zu Unklarheiten führen kann (Maienborn 2019 bezeichnet im Gegenteil atelische, homogene Eventualitäten als Prozesse), spreche ich von Accomplishments (telische Eventualitäten) und Activities (atelische Eventualitäten). <?page no="174"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 174 lung- kann das durch den unterschiedlichen Ereignistyp erfasst werden, auf den die- jeweilige Verbvariante referiert. Während zweistellige Verbvarianten vom Typ accomplishment (acc) sind, referieren einstellige Verbvarianten auf Ereignisse vom Typ activity (act), also auf atelische Handlungen ohne inhärentes Ende. 95 Die semantischen Bausteine create und consume drücken die Zugehörigkeit eines Prädikats zu der Klasse der inkrementellen Kreationsbzw. Konsumverben aus. Verbspezifische Bedeutungsbestandteile werden durch verbidiosynkratische Prädikate wie malen' bzw. essen' kodiert. Diese Zweiteilung in der lexikalisch-semantischen Struktur ist plausibel und wird auch für andere Verbklassen angenommen. So werden z. B. Bewegungsverben oft durch eine klassenbildende Bedeutungskomponente und einen verbeigenen Bedeutungsanteil erfasst, wie z. B. move(e) ∧ schlendern'(e) (Kaufmann 1995; Härtl/ Witt 1998; Maienborn 2017). Rapp (1997) zufolge fehlt in der semantischen Repräsentation der einstelligen Verbvariante das y-Argument. Allerdings impliziert auch das einstellig verwendete Verb malen, dass etwas gemalt wird, und das einstellig verwendete Verb essen, dass etwas verzehrt wird. Eine der Lösungsansätze für die Modellierung impliziter Argumente besteht darin, dass das ausgelassene Argument auf der konzeptuellen Ebene erhalten bleibt (Rapp 1997, S.-496). Diese Lösung wird auch hier verfolgt und in Form von Postulaten in (197) festgehalten. (197a) ∀e [malen'(e) → ∃y [i-theme(e, y)]] (197b) ∀e [essen'(e) → ∃y [i-theme(e, y)]] Die Postulate in (197) basieren darauf, dass die Verben malen und essen ein inkrementelles Thema voraussetzen, das sukzessive vom Ereignis betroffen wird. Bei einem inkrementellen Konsumereignis (consume(e)) handelt es sich um das konsumierte Objekt, bei einem inkrementellen Kreationsereignis (create(e)) um das kreierte Objekt. Über diese Postulate können die Selektionsanforderungen des Prädikats an das ausgelassene Argument erfasst werden. Auch im einstelligen Gebrauch setzt das Verb malen ein inkrementelles Thema vom Typ mal_produkt und das Verb essen ein inkrementelles Thema vom Typ feste_substanz voraus. Die um die verbalen Selektionsanforderungen ergänzten Postulate sind in (197') dargestellt. (197a') -∀e [malen'(e) → ∃y: mal_produkt [i-theme(e, y)]] (197b') -∀e [essen'(e) → ∃y: feste_substanz [i-theme(e, y)]] 95 Nach Rapp (1997) entsteht die Atelizität eines detransitivierten Verbs auf lexikalischer Ebene. Die atelische Interpretation eines zweistelligen Verbs, die durch ein Massennomen oder ein artikelloses Pluralnomen ausgelöst werden kann (z. B. Mia trank Milch), entsteht hingegen auf phrasaler Ebene; vgl. auch die Überlegungen zu (180). <?page no="175"?> Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion 175 Semantische Form Die Bedeutungskomposition für den Kreationssatz in (192) ist in (198)-(199) dargestellt. Die einzelnen Elemente werden via funktionale Applikation miteinander verbunden. Die finale Semantische Form, die nach der Einführung des Subjektreferenten und der Bindung des Ereignisarguments entsteht, ist in (200) angegeben. Sie ist hinsichtlich der freien Variable v und der boundary-Relation unterspezifiziert. In (199) wird die atelische an-Phrase via funktionale Applikation mit der einstelligen Verbvariante kombiniert. Der logische Typ des Verbs und der semantische Typ des verbalen Ereignisarguments werden nicht verändert. Eine Activity bleibt eine Activity, woraus sich die atelische Interpretation des Gesamtsatzes ergibt. (198) ⟦an einem Bild⟧ = ⟦an⟧ (⟦einem Bild⟧) = λzλP: ⟨e,⟨act, t⟩⟩λxλe [P(x)(e) ∧ R int (e, v) ∧ boundary' X (v, z)] (indef-b[bild'(b)]) = λP: ⟨e,⟨act, t⟩⟩λxλe [P(x)(e) ∧ R int (e, v) ∧ boundary' X (v, indef-b[bild'(b)])] (199) ⟦an einem Bild malen⟧ = ⟦an einem Bild⟧ (⟦malen einstellig ⟧) = λP: ⟨e,⟨act, t⟩⟩λxλe [P(x)(e) ∧ R int (e, v) ∧ boundary' X (v, indef-b[bild'(b)])] (λxλe: act [create(e) ∧ malen'(e) ∧ agent(e, x)]) = λxλe: act [create(e) ∧ malen'(e) ∧ agent(e, x) ∧ R int (e, v) ∧ boundary' X (v, indef-b[bild'(b)])] (200) ⟦Mia malt einstellig an einem Bild⟧ = ∃e: act [create(e) ∧ malen'(e) ∧ agent(e, Mia) ∧ R int (e, v) ∧ boundary' X (v, indef-b[bild'(b)])] ‚Es gibt ein Kreationsereignis des Malens e, an dem Mia als Agens beteiligt ist und das einen integralen Bestandteil v aufweist, der einem unspezifizierten Grenzbereich eines Bildes b zugeordnet wird.‘ Die Bedeutungskomposition für den Konsumsatz in (193) erfolgt parallel, die unterspezifizierte Semantische Form ist in (201) dargestellt. (201) ⟦Mia isst einstellig an einem Apfel⟧ = ∃e: act [consume(e) ∧ essen'(e) ∧ agent(e, Mia) ∧ R int (e, v) ∧ boundary' X (v, indef-a[apfel'(a)])] ‚Es gibt ein Konsumereignis des Essens e, an dem Mia als Agens beteiligt ist und das einen integralen Bestandteil v aufweist, der einem unspezifizierten Grenzbereich eines Apfels a zugeordnet wird.‘ <?page no="176"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 176 Konzeptuelle Festlegungen Die semantischen Repräsentationen in (200) und in (201) sind mit Blick auf zwei Aspekte unterspezifiziert: die Festlegung der freien Variable v in Relation zum Ereignis e (R int (e, v)) und die genaue Festlegung der boundary-Relation (boundary' X ). Die Instanziierung der freien Variable v erfolgt nach dem Präferenzprinzip für die Interpretation unspezifizierter Argumente in (202), wonach sie mit einem durch die sprachliche Struktur eingeführten Partizipanten assoziiert wird, und zwar dann, wenn es sich um eine sortal passende Variable handelt. (202) Pragmatic condition on the instantiation of underspecified variables: An existentially quantified or free variable x is instantiated preferentially by a referent that is introduced by linguistic means, always provided that it meets the conditions on x. (Maienborn 2003b, S.-496, (44)) Entitäten, die durch das Verb eingeführt werden, werden für die Belegung der freien Variable bevorzugt. In den unterspezifizierten semantischen Repräsentationen für den Kreationssatz in (200) und den Konsumsatz in (201) wird die freie Variable v nach den Postulaten in (197) bzw. (197') belegt, woraus sich die Repräsentationen in (203) und (204) ergeben. (203) ⟦Mia malt einstellig an einem Bild⟧ = ∃e: act∃v: mal_produkt [create(e) ∧ malen'(e) ∧ agent(e, Mia) ∧ i-theme(e, v) ∧ boundary' X (v, indef-b[bild'(b)])] (204) ⟦Mia isst einstellig an einem Apfel⟧ = ∃e: act∃v: feste_substanz [consume(e) ∧ essen'(e) ∧ agent(e, Mia) ∧ i-theme(e, v) ∧ boundary' X (v, indef-a[apfel'(a)])] Bei inkrementellen Kreationsverben wie malen wird das inkrementelle Thema des Mal-Ereignisses inferiert: Es ist die kreierte Entität, die durch das Malen sukzessive hergestellt wird. Bei inkrementellen Konsumverben wird auch das inkrementelle Thema inferiert, das aber die konsumierte Entität bezeichnet. Bei malen kann es sich um Striche, Linien etc. handeln, die unmittelbar durch den Mal-Prozess entstehen- (Typ mal_produkt). Bei essen sind es Objekte mit fester Konsistenz (Typ feste_substanz). Die boundary-Relation wird in Abhängigkeit von der sortalen Kompatibilität der Entitäten v und z spezifiziert, die sie verbindet. Die Postulate in (205)-(206) kodieren das Weltwissen der Sprecher und erfassen die Spezifitätshierarchie für die durch an <?page no="177"?> Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion 177 eingeführte boundary-Relation in (163). Die Funktion type(v) gibt den ontologischen Typ einer Entität zurück, ‚ ⊏ ‘ steht für die echte Teil-von-Relation. (205) ∀v,z[boundary' X (v, z) ∧ ∃z'[z' ⊏ z ∧ type(v) = type(z')] → boundary' PART-OF (v, z)] (206) ∀v,z[boundary' X (v, z) ∧ -∃z'[z' ⊏ z ∧ type(v) = type(z')] → boundary' CONTACT (v, z)] Das Postulat in (205) erfasst die Festlegung der boundary-Relation als eine Teil-von- Relation und besagt Folgendes. Für alle v und für alle z, zwischen denen die unterspezifizierte boundary-Relation besteht, und wenn es mindestens ein z' gibt, das ein echter Teil von z ist und das den gleichen Typ wie v aufweist, wird die boundary- Relation als boundary' PART-OF spezifiziert. In diesem Fall kann v einem internen Grenzbereich von z zugeordnet werden, weil es mindestens einen Teil z' von z gibt, der vom gleichen ontologischen Typ wie v ist (type(v) = type(z')). Dadurch wird die sortale Kompatibilität zwischen der inferierten Entität v und dem Referenten des internen Arguments von an z erfasst. Das Postulat in (206) erfasst die weniger spezifische Konstellation, in der es kein z' gibt, das ein Teil von z wäre und den gleichen ontologischen Typ wie v aufweisen würde. In diesem Fall kann die boundary-Relation nur als boundary' CONTACT (v, z) spezifiziert werden. Präferiert wird jedoch die spezifischere Festlegung der boundary-Relation als boundary' PART-OF vorausgesetzt, die ontologische Kompatibilität zwischen zwei Entitäten ist gegeben. Die sortale Bedingung in (205) ist sowohl im Kreationssatz in (203) als auch im Konsumsatz in (204) erfüllt. Bei malen wird das Ergebnis des Mal-Prozesses v inferiert (ein Pinselstrich, eine Linie o. Ä). Zugleich ist es plausibel, dass es mindestens einen Teil z' des Bildes z gibt, der mit dem Produkt des Malens v sortal gleich ist, schließlich sind Bilder prototypische Objekte, die durch Malen hergestellt werden. Die sortale Bedingung für die Interpretation der boundary-Relation als boundary' PART-OF ist somit erfüllt, sodass das Produkt des Malens v als Teil des Bildes z konzeptualisiert wird. 96 Das Produkt des Malens v ist das inkrementelle Thema, das im Laufe des Ereignisses e sukzessive entsteht. Daraus leitet sich die Interpretation ab, dass im Mal-Ereignis e, das durch den an-Satz beschrieben wird, ein Teil v des Bildes z gemalt wird. Bei essen wird die freie Variable v ebenfalls als inkrementelles Thema des Ess-Ereignisses identifiziert und bezeichnet eine Entität, die sukzessive gegessen wird. Mindestens ein Teil z' des Apfels z ist mit den Anforderungen des Verbs essen an das inkrementelle Thema v sortal kompatibel, sodass auch hier die boundary- Relation als boundary' PART-OF spezifiziert werden kann. Dadurch wird die Interpretation erfasst, dass ein Teil des Apfels gegessen wird. 96 Dass das Bild z möglicherweise noch nicht bzw. nicht in finaler Form existiert, ist eine Besonderheit von Kreationsverben, und nicht der atelischen an-Konstruktion; vgl. zu Kreationsverben von Stechow (2001); McCready (2006); Piñón (2008); Silk (2014). <?page no="178"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 178 (207) ⟦Mia malt einstellig an einem Bild⟧ = ∃e: act∃v: mal_produkt [create(e) ∧ malen'(e) ∧ agent(e, Mia) ∧ i-theme(e, v) ∧ boundary' PART-OF (v, indef-b[bild'(b)])] ‚Es gibt ein Kreationsereignis des Malens e, an dem Mia als Agens beteiligt ist und sukzessive etwas malt (v), das ein Teil (des internen Grenzbereichs) eines Bildes b ist.‘ (208) ⟦Mia isst einstellig an einem Apfel⟧ = ∃e: act∃v: feste_substanz [consume(e) ∧ essen'(e) ∧ agent(e, Mia) ∧ i-theme(e, v) ∧ boundary' PART-OF (v, indef-a[apfel'(a)])] ‚Es gibt ein Konsumereignis des Essens e, an dem Mia als Agens beteiligt ist und sukzessive etwas isst (v), das ein Teil (des internen Grenzbereichs) eines Apfels a ist.‘ Vergleich mit der transitiven Struktur und den aspektuellen Ableitungsanalysen Der Unterschied zwischen der atelischen an-Konstruktion und der transitiven Verbverwendung tritt deutlich beim Vergleich der semantischen Repräsentationen hervor. Der transitive Konsumsatz mit dem Verb essen ist in (209) dargestellt, der entsprechende Lexikoneintrag für das zweistellige essen findet sich in (196a). (209) ⟦Mia isst zweistellig einen Apfel⟧ = ∃e: acc[consume(e) ∧ essen'(e) ∧ agent(e, Mia) ∧ i-theme(e, indef-a[apfel'(a)])] ‚Es gibt ein Konsumereignis des Essens e, an dem Mia als Agens beteiligt ist und sukzessive einen Apfel a isst.‘ Der an-Satz in (208) und die transitive Verbverwendung in (209) unterscheiden sich in ihrer aspektuellen Interpretation. Außerdem weisen sie verschiedene Entitäten als inkrementelles Thema des Konsumereignisses aus. In der an-Konstruktion ist es eine auf konzeptueller Ebene inferierte Entität, die als Vermittler zwischen dem vom Verb bezeichneten Ereignis und dem Apfel dient und die als Teil des Apfels verstanden wird, während in der transitiven Variante der Apfel selbst inkrementelles Thema ist. An dieser Stelle möchte ich darauf eingehen, wie die hier vorgestellte Modifikatoranalyse mit den Annahmen der aspektuellen Ableitungsanalysen zusammenhängt, die in Kapitel-2 vorgestellt wurden. Es gibt offensichtlich große Unterschiede, die die Kernannahmen zur Relation zwischen der transitiven und der präpositionalen Verbverwendung und den Status von an betreffen. In den aspektuellen Ableitungsanalysen wird die Präposition an als bedeutungsleer und die an-Phrase als Verbargument <?page no="179"?> Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion 179 betrachtet, wobei die an-Konstruktion als eine von der transitiven Verbverwendung abgeleitete Struktur analysiert wird. Die hier vorgestellte Modifikatoranalyse geht hingegen von der Bedeutungshaltigkeit von an und von der Modifikation der einstelligen Verbvarianten durch an-Phrasen aus. Es gibt allerdings auch bestimmte Überschneidungen, die vor allem mit der Analyse von Krifka (1989a, 1989b, 1992) bestehen (vgl. insbesondere Abschn.-2.1-2.2). Krifka geht von unterschiedlichen semantischen Relationen aus, die das direkte Objekt und die an-Phrase in das verbale Ereignis einbinden. Das direkte Objekt erfüllt Krifka zufolge die Rolle des sukzessiven Patiens (pat), vgl. (211), während eine an- Phrase als partielles sukzessives Patiens fungiert (part-pat), vgl. (212). Der systematische Zusammenhang zwischen den beiden Rollen wird durch das Postulat in (210) erfasst. (210) ∀e,y [part-pat(e, y) ↔ ∃y'[pat(e, y') ∧ y' ⊑ y]] (vgl. (31c)) (211) ⟦ein Glas Wein trinken⟧ (vgl. (32)) = λe∃y [trinken'(e) ∧ 1-Glas-Wein'(y) ∧ pat(e, y)] (212) ⟦an einem Glas Wein trinken⟧ (vgl. (33)) = λe∃y [trinken'(e) ∧ 1-Glas-Wein'(y) ∧ part-pat(e, y)] = λe∃y,y' [trinken'(e) ∧ 1-Glas-Wein'(y) ∧ y' ⊑ y ∧ pat(e, y')] Die Relation zwischen dem verbalen Ereignis und dem internen Argument der an- Phrase in (212) ist keine direkte, sondern wird vermittelt über eine zusätzliche Variable. Der eigentliche Referent des Nomens in der an-Phrase y und dessen Teil y' sind zwei unterschiedliche Entitäten, wobei nur das Teilobjekt y' sukzessives Patiens ist (bzw. inkrementelles Thema in Filip (1999)). Eine Patiensrelation besteht zwischen dem Trink-Ereignis und e i n e m T e i l von y, während in der transitiven Variante das gesamte y-Argument Patiens ist. Im Gegensatz dazu nimmt Filip (1999) an, dass es sich sowohl beim Referenten des Akkusativobjekts als auch beim internen Argument von an um inkrementelle Themen handelt, wie die Ableitungsregel in (17) illustriert. Die Analyse von Krifka und die hier vorgestellte Modifikatoranalyse teilen zwei grundlegende Ideen. Dafür vergleicht man die semantischen Repräsentationen für die transitive und die präpositionale Verbverwendung von Krifka in (211)-(212) und die finalen Repräsentationen in (209) und (208), die sich aus der hier vorgestellten Modifikatoranalyse ergeben. Erstens besteht eine indirekte Relation zwischen dem internen Argument von an und dem vom Verb bezeichneten Ereignis. Diese Relation wird via eine andere Entität (v bzw. y') vermittelt, die durch die lexikalische Regel im Ansatz von Krifka bzw. durch den Modifikator selbst beigesteuert wird. Zweitens ist nicht das interne Argument von an ist das inkrementelle Thema, sondern eine inferierte Entität (v bzw. y'). <?page no="180"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 180 5.2.3 Lokale Interpretation und Konsumverben In Abschnitt-4.3.2 wurde eine Auswahl an Kreations- und Konsumverben quantitativ auf ihre Interpretationsbesonderheiten in der transitiven Verbverwendung und in der an-Konstruktion untersucht. Bei Verben, die zur Bezeichnung von Konsum verwendet werden können, wurden Unterschiede im Hinblick darauf festgestellt, ob bzw. in welcher Struktur sie notwendigerweise Konsum implizieren. Es lassen sich drei Verbtypen unterscheiden, die in (213)-(215) illustriert sind. (213) essen, trinken, fressen, naschen, schlürfen, … (213a) Mia hat {eine Pizza/ #einen Stift} gegessen. (213b) Mia hat {an einer Pizza/ #an einem Stift} gegessen. (214) lecken, lutschen, kauen, schlecken, … (214a) Mia hat {ein Bonbon/ die Steine} gelutscht. (214b) Mia hat {an einem Bonbon/ an einem Stein} gelutscht. (215) knabbern, nuckeln, saugen, … (215a) Mia hat {eine Pizza/ #einen Stift} geknabbert. (215b) Mia hat {an einer Pizza/ an einem Stift} geknabbert. Erstens gibt es inkrementelle Konsumverben wie in (213), die in der transitiven und in der präpositionalen Verwendung notwendigerweise Verzehr von etwas implizieren. Sogar bei nicht-essbaren Gegenständen, die als direktes Objekt bzw. als internes Argument von an auftreten, entsteht die Interpretation, dass sie verzehrt werden müssen, auch wenn das Weltwissen diese Interpretation als unwahrscheinlich ablehnt. Zweitens gibt es Verben wie in (214), die weder in der an-Konstruktion noch in der transitiven Verwendung auf die Konsum-Interpretation festgelegt sind. Auch in der transitiven Struktur können sie mit nicht-essbaren Gegenständen verwendet werden, ohne dass die Verzehr-Interpretation entsteht, vgl. das Kaugummi kauen, die Hände lecken, die Pfote schlecken, den Daumen lutschen usw. Die Korpusbelege in (216) illustrieren diese Lesart für das Verb lutschen in der transitiven Struktur, vgl. (216a), und in der an-Konstruktion, vgl. (216b). (216a) Die Menschen lutschen Kieselsteine, um ihren Mund feucht zu halten. (Mannheimer Morgen, 9.7.2005) (216b) Oft hat er tagelang nichts zu essen. […] Er schluckt den eigenen Speichel runter, um ein Sättigungsgefühl zu haben, er lutscht an Steinen oder Spänen, saugt schließlich sogar am Blut aus seinen Fingern. (Die Presse, 11.5.2018) <?page no="181"?> Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion 181 Drittens gibt es Verben wie in (215), die in der transitiven Verwendung, aber nicht in der an-Konstruktion Konsum von etwas implizieren. Der Korpusbeleg in (217a) zeigt die transitive Verwendung des Verbs knabbern, die auf die Verzehr-Interpretation festgelegt ist. In der an-Konstruktion setzt knabbern hingegen keine Verzehr-Interpretation voraus, vgl. (217b). (217a) Der Anwalt […] steht im Kongresszentrum neben einer riesigen Glaswand und knabbert einen Keks. (Süddeutsche Zeitung, 28.6.2007) (vgl. (21a)) (217b) Der Vogel knabbert im Hintergrund am Käfig. (Zeit, 13.6.2002) In der an-Konstruktion können die Verben aus der zweiten, (214), und aus der dritten Gruppe, (215), eine lokale Kontakt-Interpretation erhalten: In den Vordergrund rückt eine Kontaktrelation zwischen dem Subjektreferenten (bzw. seinen Zähnen, seinem Mund usw.) und dem Referenten der an-Phrase. Dabei muss der Konsum nicht notwendigerweise stattfinden, wovon die Zulässigkeit von nichtessbaren Gegenständen als internes Argument von an zeugt. Diese primär lokale Kontakt-Lesart ist für die echten Konsumverben aus (213) ausgeschlossen, da sie auch in der an- Konstruktion den Verzehr von etwas voraussetzen. In der transitiven Verwendung sind die Verben aus der ersten, (213), und aus der dritten Gruppe, (215), auf die Konsum-Interpretation festgelegt. Im Gegensatz dazu erlauben die Verben aus der zweiten Gruppe, (214), auch in der transitiven Variante die lokale Kontakt-Interpretation, die keinen Konsum voraussetzt. Die Grundidee der hier vertretenen Analyse besteht darin, die in (213)-(215) dargestellten Kontraste auf der Basis der jeweiligen Verbbedeutung herzuleiten. Der Bedeutungsbeitrag des an-Modifikators bleibt dabei konstant. Die Verben aus den zuvor genannten drei Gruppen weisen gleiche Selektionsanforderungen an ihr y-Argument und an das externe x-Argument auf: Das y-Argument muss vom Typ feste_substanz sein, der Subjektereferent muss ein Lebewesen bezeichnen. Der Unterschied zwischen den drei Verbgruppen besteht im eingeführten Ereignistyp. Die Verben in (213) werden als Konsumverben mit einem inkrementellen Thema analysiert, die Verben in (214) als manner-Kontaktverben. Die Konsum-Interpretation bei letzteren erfolgt lediglich basierend auf Weltwissen. Für Verben wie knabbern in (215) werden zwei unterschiedliche Lexikoneinträge angenommen. Die transitive Verbvariante wird als inkrementelles Konsumverb analysiert (und somit wie die Verben aus (213) erfasst), die einstellige Verbvariante hingegen als ein manner-Verb (und somit wie die Verben aus (214) analysiert). Verben, die Konsum implizieren Inkrementelle Konsumverben wie in (213), die sowohl in der transitiven Verwendung als auch in der an-Konstruktion Konsum implizieren, werden durch die semantischen Repräsentationen in (218) erfasst. <?page no="182"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 182 (218a) ⟦essen zweistellig ⟧ = λy: feste_substanzλx: lebewesenλe: acc [consume(e) ∧ essen'(e) ∧ agent(e, x) ∧ i-theme(e, y)] ↓ (218b) ⟦essen einstellig ⟧ = λx: lebewesenλe: act [consume(e) ∧ essen'(e) ∧ agent(e, x)] Das Prädikat consume ist die klassenbildende Bedeutungskomponente, die die Festlegung auf Konsum bei Verben wie essen, trinken usw. in der Semantischen Form (SF) erfasst. Diese Verben setzen voraus, dass das Thema-Argument des Verbs inkrementell verzehrt wird. Die Verzehr-Interpretation besteht sowohl in der transitiven Struktur als auch in der an-Konstruktion. Für inkrementelle Konsumverben kann angenommen werden, dass ihre einstellige Variante systematisch aus der zweistelligen Variante abgeleitet wird. Sie werden also von der Detransitivierungsregel von Rapp (1997) in (175) erfasst. Die verbspezifischen Unterschiede zwischen den einzelnen Konsumverben werden auf zweierlei Weise erfasst. Einerseits stellen die Verben unterschiedliche Selektionsanforderungen an ihre Argumente. Das y-Argument von essen ist auf Objekte vom Typ feste_substanz festgelegt. Man beachte, dass die Einschränkung auf den Typ lebensmittel o. Ä. nicht sinnvoll ist, da man sowohl essbare Objekte (Äpfel, Bananen usw.) als auch als nicht-essbar erachtete Objekte (Dreck, Kalk usw.) verzehren kann (Maienborn 2017). Bei trinken und schlürfen wäre das y-Argument hingegen vom Typ flüssigkeit. Andererseits kann der verbspezifische Bedeutungsanteil, der durch Prädikate wie essen' oder trinken' kodiert wird, die feinen Unterschiede in der Verbbedeutung erfassen. Die Verben trinken und schlürfen weisen zwar gleiche Anforderungen an das y-Argument auf, aber nur schlürfen impliziert, ein Getränk geräuschvoll oder genussvoll in kleinen Schlucken zu sich zu nehmen. In der transitiven Struktur wird der Referent des Akkusativobjekts direkt mit dem inkrementellen Thema assoziiert, vgl. den Lexikoneintrag für das zweistellige essen in (218a) und die Repräsentation eines transitiven Konsum-Satzes in (209). Der Referent des direkten Objekts erhält die Rolle des inkrementellen Themas, das verzehrt wird, und zwar unabhängig davon, ob es auf ein typischerweise essbares oder ein nicht-essbares Objekt referiert. Im transitiven Satz in (213) führt das direkte Objekt einen nicht-essbaren Gegenstand ein (Stift), der als inkrementelles Thema in das Ereignis integriert wird und-- so die Auflage des Verbs-- konsumiert werden muss. Aufgrund des Weltwissens wird diese Interpretation aber als unwahrscheinlich abgelehnt, da Stifte in der Regel nicht gegessen werden. In der an-Konstruktion wird das inkrementelle Thema auf der Ebene der Konzeptuellen Struktur (CS) erschlossen, wie die Repräsentation in (219) illustriert. Die boundary-Relation wird nach dem Postulat in (205) als boundary' PART-OF spezifiziert, <?page no="183"?> Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion 183 da Teile eines Stifts dem semantischen Typ feste_substanz und somit den Anforderungen des Verbs essen entsprechen. Die auf konzeptueller Ebene spezifizierte Repräsentation in (219) erfasst richtigerweise die Interpretation, dass ein Verb wie essen auch in der an-Konstruktion auf die Verzehr-Interpretation festgelegt ist. Eine Situation, in der Teile des Stifts gegessen werden, ist basierend auf gängigem geteilten Weltwissen von Sprechern jedoch unplausibel. (219) ⟦Mia isst einstellig an einem Stift⟧ (SF) = ∃e: act [consume(e) ∧ essen'(e) ∧ agent(e, Mia) ∧ R int (e, v) ∧ boundary' X (v, indef-s[stift'(s)])] (CS) = ∃e: act∃v: feste_substanz [consume(e) ∧ essen'(e) ∧ agent(e, Mia) ∧ i-theme(e, v) ∧ boundary' PART-OF (v, indef-s[stift'(s)])] Interessant ist in diesem Zusammenhang die Betrachtung des Kontrastpaares in (220), das eine Wiederholung von (43) ist. Dieses Beispielpaar wurde bereits in Abschnitt-2.3 erwähnt, in dem Zusatzeinschränkungen für die Zulässigkeit der an-Konstruktion diskutiert wurden, die in aspektuellen Ableitungsanalysen zusätzlich zu der Bedingung der Inkrementalität angenommen werden. Engelberg (2000) illustriert an diesem Kontrastpaar die Beobachtung, dass der Referent des internen Arguments der an-Phrase offenbar unmittelbar vom Ereignis betroffen ist und einer Veränderung unterliegt. Das Nomen Bild in (220a) bezeichnet das effizierte Objekt und erfüllt somit diese Bedingung, während Opa in (220b) auf eine Person referiert, deren Abbildung auf dem Papier festgehalten wird und die dem Mal-Ereignis nicht direkt unterzogen wird. (220a) Paul malt {ein Bild/ an einem Bild}. (220b) Paul malt {seinen Opa/ #an seinem Opa}. (Engelberg 2000, S.-76, Fn.-90) Während dieser Kontrast bisher nur erwähnt, aber nicht erklärt wurde, kann die hier vorgestellte Modifikatoranalyse die Unzulässigkeit von #an seinem Opa malen ohne Zusatzannahmen erfassen. Das inferierte inkrementelle Thema von malen muss den Typ mal_produkt haben. Das ist die Auflage des Verbs an sein y-Argument, wie das Postulat für das Verb malen in (197') illustriert. Es kann sich dabei um Pinselstriche, Linien usw. handeln. Die boundary-Relation in (221) kann folglich nicht als eine Teil-von-Relation spezifiziert werden, da Opa (Typ lebewesen) und Striche (Typ mal_produkt) nach dem Postulat in (205) sortal inkompatibel sind. (221) #⟦Paul malt einstellig an seinem Opa⟧ = ∃e: act∃v: mal_produkt [create(e) ∧ malen'(e) ∧ agent(e, Paul) ∧ i-theme(e, v) ∧ boundary' CONTACT (v, def-o[opa'(o)])] <?page no="184"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 184 Zwei Ausweichinterpretationen sind denkbar. Entweder wird mit Opa metonymisch ein Opa-Bild bezeichnet, das von Paul gemalt wird und einen unspezifischen Opa darstellt (wie im folgenden Kontext: Malt Paul wieder an dem/ einem Opa? ). Die metonymische Uminterpretation ermöglicht die atelische an-Konstruktion, denn das Produkt des Malens kann in ein Opa-Bild via boundary' PART-OF integriert werden. 97 Oder es entsteht eine lokale Lesart, in der Opa als Oberfläche des Malens fungiert und die boundary-Relation als boundary' CONTACT spezifiziert wird. 98 Diese Lesart ist jedoch dispräferiert, da ein Kreationsverb wie malen in einem solchen Fall nicht als Kreationsverb interpretiert werden kann. Verben, die Kontakt implizieren manner-Kontaktverben wie lutschen oder kauen setzen keine Konsum-Interpretation voraus, wie die Beispiele in (214) zeigen. Was diese Verben implizieren, ist eine Kontaktrelation zwischen dem Subjektreferenten (bzw. seinem Mund, Lippen usw.) und einer anderen Entität, die durch das direkte Objekt bzw. durch die an-Phrase eingeführt wird. Sowohl in der zweials auch in der einstelligen Verwendung implizieren diese Verben keinen Konsum und werden daher als manner-Ereignisse erfasst. (222a) ⟦lutschen zweistellig ⟧ = λy: feste_substanzλx: lebewesenλe: act [manner(e) ∧ lutschen'(e) ∧ agent(e, x) ∧ theme(e, y)] (222b) ⟦lutschen einstellig ⟧ = λx: lebewesenλe: act [manner(e) ∧ lutschen'(e) ∧ agent(e, x)] 97 Aufbauend auf einschlägiger Forschungsliteratur unterscheidet Bücking (2018a) für das transitive malen grundsätzlich zwischen der i(mage)-Lesart (ein Bild von einem unspezifischen Objekt malen) und der p(ortrait)-Lesart (ein Portrait von einem konkreten Objekt malen). Indefinite Nominalphrasen wie in (ib) sind ambig zwischen den beiden Lesarten, in (ic) hingegen führt ein Eigenname einen konkreten Diskursreferenten ein, sodass nur die p-Lesart möglich ist. Die dritte Lesart, i(mage) N in (ia), ist dadurch gekennzeichnet, dass das Nomen im direkten Objekt (Bild) ein Darstellungsnomen ist. Die p-Lesart wird von Bücking durch eine Coercion erfasst: Das Produkt des Malens, das von malen als Auflage an sein y-Argument gestellt wird, wird über das explizit gegebene direkte Objekt erschlossen. (i) a. Paul malt ein Bild von einem Opa. i(mage) N b. Paul malt einen Opa. i(mage)/ p(ortrait) c. Paul malt seinen Opa Peter. p(ortrait) Betrachtet man aus dieser Perspektive die atelische an-Konstruktion, so sieht man, dass sie nur mit der i-Lesart kompatibel ist; vgl. (ii). Eine offene Forschungsfrage bleibt folglich, w a r u m die p-Lesart und somit eine Coercion (Interpolation einer Darstellung) eher in der transitiven Verbverwendung, aber kaum in der an-Konstruktion möglich ist. (ii) a. --Paul malt an einem Bild von einem Opa. i(mage) N b. --Paul malt an einem Opa. i(mage)/ p(ortrait) c. #Paul malt an seinem Opa Peter. p(ortrait) 98 Diese Lesart ist in herum-Bildungen zugänglicher, vgl. Mal nicht an deinem Opa herum! <?page no="185"?> Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion 185 Ich lasse an dieser Stelle offen, ob die einstelligen Varianten von manner-Kontaktverben parallel zu inkrementellen Verben wie im Ansatz von Rapp (1997) von der zweistelligen Verbverwendung systematisch abgeleitet werden können. Wichtig ist vor allem, dass diese Verben einstellig verwendbar sind und in der einstelligen Verwendung eine atelische Interpretation erhalten, wie die Korpusbeispiele für die Verben kauen und lutschen in (223) illustrieren. Die Detransitivierungsregel von Rapp in (175) müsste ggf. dahingehend erweitert werden, dass auch reine manner-Verben detransitiviert werden können, obwohl sie nichtinkrementell sind. (223a) Es gibt Videos, in denen Hamster kauen. Sie kauen einfach nur. Mehr nicht. (Die ZEIT, 19.3.2020) (223b) Knut ist viel besser, er krabbelt, lutscht und kratzt vor den Kameras unentwegt […]. (Zeit online, 5.4.2007) Sowohl in der an-Konstruktion als auch in der transitiven Struktur können diese Verben unproblematisch mit nicht-essbaren Gegenständen verwendet werden, da sie keinen Konsum implizieren. 99 Wie wird aber die Verwendung dieser Verben in der an-Konstruktion modelliert und wie wird die freie Variable v spezifiziert? Da diese Verben lexikalisch eine manner-spezifische Tätigkeit bezeichnen, ist es plausibel, dass auf konzeptueller Ebene eine manner-spezifische Entität salient ist und als präferierter Kandidat für die konzeptuelle Festlegung von v zur Verfügung steht. Das manner-Verb lutschen setzt den Mund bzw. die Zunge des Subjektreferenten voraus, die manner-spezifische Entität von kauen wären hingegen die Zähne oder die Kiefer des Subjektreferenten. (224) ∀e,x [lutschen'(e) ∧ agent(e, x)] → ∃y: körperteil [instrument(e, y) ∧ mundteil-von'(x, y)] Die boundary-Relation, die durch die an-Phrase eingeführt wird, besteht folglich zwischen der tätigkeitsspezifischen Entität (dem Mund, den Zähnen) und dem internen Argument der an-Phrase, etwa dem Stein oder dem Bonbon in (214). Da der sortale Typ von v (körperteil) und der sortale Typ des internen Arguments von an nicht miteinander kompatibel sind (vgl. die Bedingung in (205)), wird die boundary- Relation als boundary' CONTACT interpretiert. 99 Weiterführend wäre zu untersuchen, wie häufig nicht-essbare Gegenstände und allgemein die Verzehr-Interpretation in der an-Konstruktion bzw. in der transitiven Struktur sind. Ein erster Blick auf die häufigsten Nomen bei den Verben lutschen und kauen lässt keine klare Tendenz erkennen. Bei lutschen tr ist Bonbon das häufigste Nomen (39%), bei lutschen an ist es Daumen (33%); kauen tr kommt in 28% der Fälle mit Kaugummi vor (keine Konsum-Interpretation), bei kauen an ist das häufigste Lexem Bleistift (14%). <?page no="186"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 186 (225) ⟦Mia lutscht einstellig an einem Stein⟧ (SF) = ∃e: act [manner(e) ∧ lutschen'(e) ∧ agent(e, Mia) ∧ R int (e, v) ∧ boundary' X (v, indef-s[stein'(s)])] (CS) = ∃e: act∃v: körperteil [manner(e) ∧ lutschen'(e) ∧ agent(e, Mia) ∧ instrument(e, v) ∧ mundteil-von'(Mia, v) ∧ boundary' CONTACT (v, indef-s[stein'(s)])] Die Konsum-Interpretation hängt dabei nicht vom Verb, sondern vom Typ des Objekts ab, das in das vom Verb bezeichnete Ereignis involviert ist: Während Steine nicht durch Lutschen verzehrt werden können, ist es für Bonbons normal. Die Konsum-Interpretation wird durch das Weltwissen beigesteuert, das in Form eines Bedeutungspostulats wie in (226) formuliert werden kann. Der Zusammenhang zwischen dem Konsum und der Lokalisierung eines essbaren Gegenstandes im Mund ist generell plausibel: Wenn man essbare Gegenstände in den Mund tut und eine Tätigkeit darauf ausführt, die diese potenziell vernichten kann (kauen, lutschen), geschieht das selten ohne die Verzehr-Intention. (226) ∀e,x,y: essbar [manner(e) ∧ theme(e, y) ∧ agent(e, x) ∧ ∃z[mund-von'(x, z) ∧ in'(y, z)] → consume(e) ∧ i-theme(e, y)] ‚Wenn sich ein essbarer Gegenstand y im Mund z des Agens x eines manner- Ereignisses e befindet und vom Ereignis betroffen wird (theme(e, y)), dann entsteht die inkrementelle Konsum-Interpretation des Ereignisses e.‘ Verben, die zwischen der Konsum- und der Kontakt-Interpretation variieren Die dritte Gruppe der Verben wie knabbern in (215) umfasst Prädikate, die in der transitiven Verwendung, aber nicht in der an-Konstruktion auf die Konsum-Interpretation festgelegt sind. Das ist daran zu erkennen, dass in der transitiven Verbverwendung auch bei nicht-essbaren Objekten die Verzehr-Interpretation entsteht. In der an-Konstruktion ist die Kontakt-Lesart hingegen möglich und die Konsum-Interpretation wird nicht notwendigerweise impliziert. Das variable und strukturabhängige Verhalten von Verben wie knabbern wird durch zwei unterschiedliche Lexikoneinträge modelliert. Die zweistellige Variante von knabbern, die in (227) dargestellt ist, wird als ein inhärent inkrementelles Prädikat erfasst, das-- wie essen-- auf die Konsum-Interpretation festgelegt ist (consume(e)). Die einstellige Variante von knabbern, die sich mit der atelischen an-Phrase verbindet, ist hingegen durch die manner-Komponente in der Semantischen Form in (228) repräsentiert (manner(e)). Aufgrund der Beobachtung, dass die beiden Varianten <?page no="187"?> Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion 187 von knabbern unterschiedliche Eigenschaften haben, sind sie durch die Detransitivierungsregel von Rapp (1997) in (175) nicht erfasst. 100 (227) ⟦knabbern zweistellig ⟧ = λy: feste_substanzλx: lebewesenλe: acc [consume(e) ∧ knabbern'(e) ∧ agent(e, x) ∧ i-theme(e, y)] (228) ⟦knabbern einstellig ⟧ = λx: lebewesenλe: act [manner(e) ∧ knabbern'(e) ∧ agent(e, x)] Die Unzulässigkeit von nicht-essbaren Gegenständen in der transitiven Verbverwendung ist dadurch bedingt, dass knabbern sich in der zweistelligen Verwendung wie essen verhält: Es ist ein zweistelliges inkrementelles Prädikat, das Konsum impliziert. Nicht zum Essen gedachte Gegenstände können zwar grundsätzlich durch Essen oder Knabbern konsumiert werden (Kalk, Fingernägel etc.), diese Interpretation wird jedoch vom Weltwissen als unwahrscheinlich eingestuft. Wie begründet man aber die Annahme, dass das Verb knabbern in der an-Konstruktion keinen Konsum bezeichnet und folglich durch die manner-Komponente zu repräsentieren ist? Zum einen ist knabbern in der atelischen an-Konstruktion mit nicht-essbaren Gegenständen kompatibel, die durch das Knabbern weder verzehrt noch beschädigt werden müssen, etwa wenn der Hamster an seinem Käfig aus Metall knabbert. Zum anderen kommt auch bei essbaren Objekten in der an-Phrase die Konsum-Interpretation nicht notwendigerweise zustande. Wenn ein sechsmonatiges Baby an einer Möhre knabbert, ist es zwar möglich, dass die Möhre durch die wiederholte Bewegung seiner Kiefer und der ersten Zähne beschädigt wird, setzt aber nicht voraus, dass die Möhre von ihm (auch nur teilweise) verzehrt werden muss. Die Bedeutungskomposition bei knabbern in der an-Konstruktion erfolgt parallel zu den Verben lutschen oder kauen, vgl. (229). Da es sich um ein manner-Verb handelt, wird auf konzeptueller Ebene eine manner-spezifische Entität erschlossen, und die boundary-Relation wird als boundary' CONTACT spezifiziert. (229) ⟦Mia knabbert einstellig an einem Stift⟧ (SF) = ∃e: act [manner(e) ∧ knabbern'(e) ∧ agent(e, Mia) ∧ R int (e, v) ∧ boundary' X (v, indef-s[stift'(s)])] 100 Wie der Zusammenhang zwischen zweistelligen inkrementellen und einstelligen manner-Verbvarianten modelliert werden kann, ist zunächst eine offene Forschungsfrage. Eine Option wäre eine Ableitungsregel, die systematisch aus zweistelligen Prädikaten (consume(e)) einstellige manner-Prädikate generiert (manner(e)), die sich mit der an-Phrase verbinden. Eine andere Option wäre, für die an-Phrase eine Argumentstelle in der manner-Variante der Verben vorzusehen. Für diese Lösung sprechen die Korpusdaten, die eine starke Assoziation zwischen den iterativen manner-Verben und der atelischen an-Konstruktion zeigen (vgl. dazu Abschn.-4.2.1 und insbesondere Tab.-7). <?page no="188"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 188 (CS) = ∃e: act ∃v: körperteil [manner(e) ∧ knabbern'(e) ∧ agent(e, Mia) ∧ instrument(e, v) ∧ zähne-von'(Mia, v) ∧ boundary' CONTACT (v, indef-s[stift'(s)])] Angemerkt sei, dass das Verb knabbern die inferierte manner-spezifische Entität nicht notwendigerweise als Zähne des Subjektreferenten festlegt, wie die Korpusbelege in (230) illustrieren. Zentral für knabbern ist offenbar der Mund-Bezug und die sich wiederholenden Bewegungen eines Mundteils, seien es Zähne, Kiefer oder Lippen. (230a) Der erste Zahn fehlt noch, doch knabbert das sieben Monate alte Baby schon mal einen Keks. (Die Rheinpfalz, 5.12.2007) (230b) Die knallroten Lippen knabbern am Silber-Kettchen. (Berliner Zeitung, 21.9.2000) Referiert das interne Nomen der an-Phrase auf etwas Essbares, wie bei an einem Apfel knabbern, entsteht auf der Basis von Weltwissen die Konsum-Interpretation. Dieser Interpretationsweg ist durch das Postulat in (226) erfasst. 5.2.4 Metaphorische Interpretation In den Arbeiten, die verbale Argumentalternationen mit einem präpositionalen Element untersuchen, wird die nicht-wörtliche Interpretation oft entweder komplett ausgeblendet oder bleibt lediglich erwähnt. So ist es z. B. bei den Studien zur Konativkonstruktion im Englischen. Broccias (2003) verweist darauf, dass die metaphorische Verbinterpretation in der präpositionalen at-Konstruktion nicht nur möglich ist, sondern in bestimmten Fällen die Zulässigkeit der präpositionalen Verbverwendung erst ermöglicht, wie die Kontraste in (231)-(232) zeigen. In einer korpusbasierten Untersuchung der Konativkonstruktion schließt Perek (2015, S.-120) metaphorische Verbverwendungen mit at aus, obwohl sie eine wichtige Rolle für die Konativkonstruktion zu spielen scheinen. (231a) - Cold winds knifed at them. - (Broccias 2003, S.-302), (300) (231b) *The mugger knifed at them. - (vgl. Broccias 2003, S.-308) (232a) - Rust ate at the gutters. - (Broccias 2003, S.-316, (312c)) (232b) ? Mia ate at the cake. <?page no="189"?> Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion 189 Bei der Analyse des Suchmusters mit der Präposition nach im Deutschen geht Proost (2009, 2015) ebenfalls nicht auf metaphorische Verbverwendungen tiefer ein. 101 Es wird nur vermerkt, dass es einen Zusammenhang zwischen der Verblesart und der syntaktischen Konfiguration gibt. Das Beispiel in (233a) zeigt, dass die wörtliche Lesart von jagen sowohl mit der transitiven als auch mit der präpositionalen Verbverwendung kompatibel ist, während die metaphorische Lesart von jagen in (233b) nur in der nach-Konstruktion zulässig ist. (233a) Mia jagt {Kaninchen/ nach Kaninchen}. (233b) Mia jagt {*Gold/ nach Gold}. Eine Ausnahme stellt die Untersuchung von Dowty (2000, 2001) zu der sogenannten swarm-Alternation im Englischen dar. Die swarm-Alternation involviert die agentive Verbverwendung mit einem Agens als Subjekt, vgl. (234a), und die lokative Variante mit einer Lokation als Subjekt, vgl. (234b). Dowty beobachtet dabei, dass vor allem die Sätze mit einem lokativen Subjekt die metaphorische Verblesart erlauben, wie der Kontrast in (235) zeigt. Die Beobachtung, dass die metaphorische Interpretation manchmal nur in der lokativen, aber nicht in der agentiven Variante möglich ist, ist für Dowty eines der Hinweise dagegen, dieses Phänomen als eine Alternation in der verbalen Argumentstruktur zu betrachten. (234a) Bees swarm in the garden. (234b) The garden swarms with bees. (Dowty 2001, (1)) (235a) *Sarcasm dripped from her voice. (235b) - Her voice dripped with sarcasm. - (Dowty 2001, (14c)) Bei der Untersuchung der atelischen an-Konstruktion können metaphorische Verbverwendungen nicht außer Acht gelassen werden. Die Analyse von Korpusdaten in Abschnitt-4.3.2 hat gezeigt, dass die metaphorische Verblesart in der atelischen an- Konstruktion quantitativ prominent ist und dass die Verben in der an-Konstruktion häufiger metaphorisch gebraucht werden als in der transitiven Struktur. Mit der metaphorischen Interpretation geht einher, dass sich die verbalen Selektionspräferenzen der Verben in den beiden Strukturen unterscheiden. Dieser Befund widerspricht den aspektuellen Ableitungsanalysen, die ein stabiles Selektionsverhalten von Verben in der transitiven und der präpositionalen Verwendung erwarten (Abschn.-2.1). Auf den folgenden Seiten werden die metaphorischen Verwendungen von Kreations- und Konsumverben in der an-Konstruktion untersucht, die durch die Bei- 101 Das Suchmuster mit nach ist in Abschnitt-3.2.2 ausführlicher vorgestellt. <?page no="190"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 190 spiele in (236)-(237) illustriert sind. Die Verbinterpretation interagiert offenbar mit der syntaktischen Realisierung. In (236a) sind beide Strukturen möglich. Die metaphorische Interpretation drückt sich als Präferenz für die präpositionale an-Konstruktion aus. In (236b)-(237c) drückt sie sich hingegen als eine deutliche Beschränkung aus, die transitive Struktur ist ausgeschlossen. (236a) Mia bastelt {am Konzept/ das Konzept}. (236b) Das Team bastelt {am Aufstieg/ *den Aufstieg}. (237a) Das Team knabbert {an der Niederlage/ *die Niederlage}. (237b) Der Winter knabbert {an der Balkontür/ *die Balkontür}. (237c) Der Kummer frisst {an ihm/ *ihn}. Ich gehe wie folgt vor. Zunächst werden metaphorische Verbverwendungen systematisiert und ausführlicher beschrieben. Dann wird skizziert, wie sie im Modifikatoransatz modelliert werden können. Abschließend wird diskutiert, wie die Modifikatoranalyse den Befund erfassen kann, dass die atelische an-Konstruktion metaphernaffiner ist als die transitive Verbverwendung. Metaphorische Verbverwendungen in der an -Konstruktion Grundsätzlich geht man von zwei Quellen für die nicht-wörtliche Lesart aus (Engelberg/ Rapp 2019, S.-33 f.; Rapp 2020). Einerseits kann die Verletzung der semantischen Selektionsbeschränkungen eines Prädikats seine metaphorische Uminterpretation auslösen. In einem Satz wie in (238a) entsteht ein semantischer Konflikt, da die Forderung des Verbs lachen nach einem menschlichen Subjektreferenten nicht erfüllt ist. Andererseits kann der Kontext die nicht-wörtliche Interpretation triggern. So kann der Satz in (238b) je nach Kontext entweder so verstanden werden, dass es sich um eine Straße handelt, die nur eine Zufahrt hat (wörtliche Lesart) oder um eine ausweglose Situation (nicht-wörtliche Lesart). Welche Interpretation-die angemessenere ist, kann nur anhand eines größeren Kontextes entschieden werden. 102 (238a) Die Sonne lacht. (vgl. Maienborn 2017, Fn.-9) (238b) Dieser Weg führt in eine Sackgasse. Die wörtliche Verbinterpretation wird in dieser Arbeit als ein konkreter, physischer Vorgang aufgefasst. In der atelischen an-Konstruktion liegt die konkretwörtliche Verblesart dann vor, wenn eine konkrete Entität als internes Argument von an und ein willentlich (agentiv) am Ereignis beteiligtes Lebewesen als Subjekt involviert 102 Zur Behandlung von Metaphern und Metonymien in linguistischen Kontexten vgl. z. B. Hagemann (2017), zur Modellierung von Metonymien vgl. Dölling (2000). <?page no="191"?> Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion 191 sind und wenn der Satzkontext die wörtliche Interpretation unterstützt, wie in Das Kaninchen knabbert genussvoll an einer Möhre. In Abschnitt- 4.3.2 wurde untersucht, wie häufig eine Auswahl von Kreations- und Konsumverben in der an-Konstruktion, in der transitiven und in der intransitiven Verwendung wörtlich oder nicht-wörtlich verwendet wird (vgl. die Kriterien für die Annotation der wörtlichen Verbinterpretation in (121), die die verbalen Selektionspräferenzen und den Kontexteinfluss berücksichtigen). Basierend auf den Ergebnissen der Korpusuntersuchung betrachte ich hier das interne Argument von an und den Subjektreferenten, um die metaphorischen Verwendungen von Kreations- und Konsumverben in der an-Konstruktion zu systematisieren. Auf den Kontext-Faktor gehe ich nicht näher ein, da die Auslösung der metaphorischen Interpretation auf der Satzbzw. Diskursebene einer von der atelischen an-Konstruktion unabhängigen Modellierung bedarf. 103 Kreationsverben werden in der an-Konstruktion tendenziell häufiger metaphorisch verwendet als in der transitiven Struktur. Die Verben basteln und stricken sind im Vergleich zu anderen Kreationsverben am stärksten mit der an-Konstruktion assoziiert und werden häufig nicht-wörtlich verwendet (Tab.-23a); deswegen werden vor allem diese Prädikate diskutiert. Bei den hier untersuchten Konsumverben ist der mit der an-Konstruktion einhergehende metaphorische Effekt weniger stark ausgeprägt, wie die Ergebnisübersicht in Abbildung-4 zeigt. Bei der Diskussion der metaphorischen Verwendungen von Konsumverben konzentriere ich mich vor allem auf die Prädikate, die häufig metaphorisch verwendet werden (Tab.- 23b). Das sind die inkrementellen Konsumverben fressen und naschen (mit 33% bzw. 44% metaphorischer Verwendungen in der an-Konstruktion), das manner-Verb kauen (33%) sowie das Verb knabbern (42%), das eine variable Interpretation aufweist und als inkrementelles Konsumverb in der transitiven Variante bzw. als manner-Verb in der an-Konstruktion zu analysieren ist. Durch das Nomen in der an-Phrase wird die metaphorische Verblesart vor allem dann ausgelöst, wenn das Nomen auf eine abstrakte Entität referiert, wie z. B. Konzept in an einem Konzept basteln oder Niederlage wie in an der Niederlage knabbern. Ein abstraktes Nomen in der an-Phrase ist der häufigste Grund der metaphorischen Verbinterpretation in der an-Konstruktion (Tab.-22). 103 Der Kontexteinfluss ist in (i) illustriert. Aus dem Gesamtkontext wird klar, dass an den Fingernägeln knabbern im Sinne von ‚aufgeregt, gespannt sein‘ zu interpretieren ist. Man kann nicht immer präzise zwischen dem Kontexteinfluss und der Rolle von Verbargumenten unterscheiden. In (i) wird die nicht-wörtliche Verblesart durch ein Kollektivnomen als Subjekt unterstützt, denn es ist unplausibel, dass die g a n z e Nation an den Fingernägeln knabbert. (i) Im Frühstücksfernsehen vermittelt ein Moderatoren-Pärchen ein glückliches Gemeinschaftsgefühl wegen Tim- - die beiden sagen außerdem noch, daß gestern nachmittag die ganze Nation wegen Tim an den Fingernägeln geknabbert hat, was eine ziemlich unappetitliche Vorstellung ist. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2.7.2003) <?page no="192"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 192 Bei Kreationsverben kann man zwei Konstellationen beobachten, die mit einer abstrakten Entität als internes Argument von an einhergehen. Einerseits gibt es abstrakte Nomen, die in der an-Konstruktion und in der transitiven Struktur möglich sind, z. B. Konzept, Mythos oder Zukunft. Wie (239) zeigt, sind diese Nomen mit mehreren Kreationsverben kompatibel. (239) ⎛ an einem/ ein Konzept ⎞ ⎨ an einem/ einen Mythos ⎬ basteln/ stricken/ schmieden/ bauen ⎝ an einer/ eine Zukunft ⎠ Das Lemma Konzept ist das häufigste Lemma bei basteln an und ist bei tüfteln an und feilen an prominent (Tab.- 19-20). Das Nomen Mythos ist insbesondere bei stricken an häufig und fügt sich in eine Reihe von Nomen ein, die mit stricken an vorkommen und informationelle Objekte bzw. Geschichten bezeichnen, wie etwa Legende, Geschichte oder Epos (Tab.-20). Das abstrakte Nomen Zukunft fällt auf, weil es in den hier untersuchten, relativ kleinen Stichproben für alle vier Verben in (239) belegt ist. In Kombination mit abstrakten Nomen wie Konzept oder Mythos beziehen sich die Kreationsverben zwar nicht mehr auf die Domäne der konkreten Objekte, sie werden aber weiterhin als Kreationsprädikate interpretiert. Sie bezeichnen dann eine mentale Tätigkeit und erhalten die Lesart ‚an etwas arbeiten/ tüfteln‘. Die verbspezifischen Selektionsrestriktionen, die in der wörtlichen Lesart zwischen dem Prädikat und dem kreierten Objekt bestehen, werden aufgelöst. Die Korpusbeispiele in (240)- (241) illustrieren das Vorkommen der Verben basteln, stricken, schmieden und bauen mit dem Nomen Konzept in der an-Konstruktion und in der transitiven Struktur. (240a) Eine Berliner Unternehmensberatung bastelt derzeit an einem neuen Konzept. (Nürnberger Nachrichten, 14.3.1995) (240b) Stadtverwaltung und eine Interessengemeinschaft von Einzelhändlern strickten gemeinsam am Konzept. (Frankfurter Rundschau, 27.9.1997) (240c) Acht Jahre lang hatte das Gründerehepaar Rose und Walter Oehmichen an dem Konzept eines Marionettentheaters geschmiedet. (Rheinpfalz, 27.2.2008) (240d) Sein Fernziel bleibt es, mit allen Mannschaften in der jeweils höchsten Liga zu spielen. Stein auf Stein baut er an diesem Konzept-- damit noch viele junge Beine bis in die Bundesliga laufen. (Nürnberger Nachrichten, 24.4.2006) (241a) Angelika Lorenz bastelte ein neues Konzept und krempelte den Schichtplan um. (Braunschweiger Zeitung, 13.7.2007) <?page no="193"?> Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion 193 (241b) Ein eigenes Konzept für Pflegestellen hat der Kreis Offenbach unter dem Namen Lifeline gestrickt. (Frankfurter Rundschau, 5.3.1999) (241c) Die Familien Porsche und Piëch schmieden ein neues Konzept für die Zukunft des Porsche/ VW-Konzerns. (dpa, 6.5.2009) (241d) Wanninger […] beruhigt sich selbst damit, dass jetzt doch einige Touristiker ein Konzept gebaut haben. (Neuland: Das Wirtschaftsmagazin der Regionen, 1.7.2008) Andererseits sind die an-Konstruktion und die transitive Struktur bei metaphorischer Verblesart nicht immer austauschbar. So können z. B. eventive Nomen als internes Argument von an, aber nicht als direktes Objekt von Kreationsverben auftreten, vgl. (242). Die Korpusbelege in (243) zeigen eventive Nomen in der an-Konstruktion mit den Verben basteln, stricken und schmieden. (242) ⎛ am Aufstieg/ *den Aufstieg ⎞ ⎨ der Rückkehr/ *die Rückkehr ⎬ basteln/ stricken/ schmieden ⎝ am Comeback/ *das Comeback ⎠ (243a) Wittmar bastelt in kleinen Schritten am Aufstieg. Der Aufsteiger TSV Wittmar mischt die neue 1.- Fußball-Kreisklasse weiter kräftig auf. 24 Tore schoss die Offensivabteilung bisher, die Abwehr mit nur zwei Gegentoren in sieben Spielen gilt als wasserdicht. (Braunschweiger Zeitung, 14.10.2005) (vgl. (27a)) (243b) Wladimir Putin bastelt möglicherweise bereits jetzt an seiner Rückkehr in den Kreml. (Rhein-Zeitung, 7.11.2008) (vgl. (27b)) (243c) Guttenberg wäre gut beraten gewesen, für einige Jahre in Sack und Asche zu gehen, Reue und Buße zu üben. Aber dem Narziss reicht nicht die Denk- und Demutspause in den USA. Schon längst strickt er, auch wenn er dies leugnet, an seinem politischen Comeback. (Mannheimer Morgen, 13.12.2011) (243d) In Dummerstorf bei Rostock sitzt ein 50jähriger Herr in feinem Anzug und mit gelockerter gelber Krawatte hinter seinem Schreibtisch und schmiedet am Comeback der Liberalen […]. (Süddeutsche Zeitung, 12.9.1997) Nomen wie Aufstieg, Rückkehr oder Comeback bezeichnen punktuelle Ereignisse, die- einen bestimmten Tätigkeitsablauf präsupponieren. Das Beispiel (243a) illustriert das deutlich. Für den Aufstieg in die bessere Liga muss man einzelne Spiele <?page no="194"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 194 gewinnen. Bei punktuellen eventiven Nomen in der an-Phrase bezieht sich die vom- Verb bezeichnete Tätigkeit, die an kein physisches Kreationsobjekt geknüpft ist, auf die Vo r b e r e i t u n g s p h a s e des durch die an-Phrase eingeführten Ereignisses z: Der Subjektreferent tut etwas, um das Zustandekommen des Ereignisses z zu ermöglichen. Wenn bei Konsumverben eine nicht-wörtliche Interpretation durch die an-Phrase ausgelöst wird, dann stellt der durch die an-Phrase eingeführte Sachverhalt etwas Problematisches für den Subjektreferenten dar. Es kann sich um ein Ereignis (Niederlage, Enttäuschung) oder um ein abstraktes Nomen wie Problem handeln. In den Beispielen (244) fehlt bei den Verben knabbern und kauen der Bezug zu der Domäne der konkreten Objekte, sie werden vielmehr als Psych-Verben im Sinne von ‚etwas verarbeiten‘ interpretiert, vgl. die entsprechenden Korpusbelege in (245). Damit geht eine metonymische Übertragung des Nomens in der an-Phrase einher: Die Niederlage wird als eine psychische Folge der Niederlage verstanden. Diese Interpretation ist auf manner-Verben wie kauen oder knabbern in der an-Konstruktion eingeschränkt, inkrementelle Konsumverben wie naschen oder fressen und eine transitive Verbverwendung sind damit inkompatibel. (244) ⎛ an der Niederlage/ *die Niederlage ⎞ ⎨ an der Enttäuschung/ *die Enttäuschung ⎬ knabbern/ kauen ⎝ am Problem/ *das Problem ⎠ (245a) Auch Natalie Visger knabberte kräftig an der knappen Niederlage. (Rhein-Zeitung, 9.5.2005) (245b) Die drei Marions, Bratschko, Kabinger und Rohrbeck […] kauen sichtlich noch an der EM-Enttäuschung im Frühjahr. (Die Presse, 12.10.1992) (245c) Wir knabbern noch an dem philosophischen Problem, das uns die Finanzkrise gestellt hat. (FOCUS, 9.2.2013) Die konkrete Verbinterpretation setzt einen willentlich handelnden Subjektreferenten voraus. Wenn diese Bedingung verletzt wird, löst der Subjektreferent die metaphorische Verblesart aus. Der Subjektreferent als Quelle der metaphorischen Interpretation wurde in den Daten nur bei Konsumverben belegt. Als nicht-konkrete Subjektreferenten treten bei Konsumverben Naturkräfte (Winter, Frost, Rost usw.) und andere unbelebte Entitäten (Krebs, Inflation usw.) auf, vgl. zur Illustration die Korpusbelege in (246). (246a) Wie nun der Winter an der morschen Balkontür knabbert und sein Kristallgesicht an den Spalt presst und mir in die Stube atmet, gar nicht wahrhaben wollend, dass die Tage wieder merklich länger werden, so kann man bei- <?page no="195"?> Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion 195 spielsweise sich einen Pullover aus modernem Gewebe überstreifen und bei einer Kanne Tee auf der Scheeselong [sic] einmummeln. (Berliner Zeitung, 23.2.2001) (vgl. (119)) (246b) Der Rost frißt an den Fässern, das kann nicht ewig dauern. (Berliner Zeitung, 1.11.1997) (246c) Die weißen Plastikplanen weiter unten knistern, sobald eine Windböe an ihren Rändern leckt. (Nürnberger Nachrichten, 30.3.2010) (246d) Der Magenkrebs frißt an seinem alten Körper, und die Ärzte haben den Gedanken an eine Operation verworfen. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.3.1997) (246e) Sonderausgaben knabbern an Millionen-Gewinn. (Frankfurter Rundschau, 22.7.1998) Ein unbelebter Subjektreferent ist bei echten Konsumverben wie fressen und bei manner-Kontaktverben wie knabbern oder lecken möglich. Dabei zeigt sich der Einfluss der verbklassenspezifischen Bedeutungskomponente in der Verbbedeutung. Ein echtes Konsumverb wie fressen (consume(e)) impliziert Konsum (bzw. sukzessives Vernichten von etwas) in wörtlicher und in nicht-wörtlicher Lesart. Auch die metaphorische Interpretation von fressen in (246b) setzt voraus, dass Teile der Fässer verschwinden, indem sie vom Rost „konsumiert“ werden. 104 Ein Verb wie lecken (manner(e)) ist hingegen nicht auf die Verzehr-Interpretation festgelegt, so werden die Plastikplanen in (246c) vom Wind nicht zerstört, sondern nur berührt. Die Beispiele in (246) enthalten eine Personifikation des Subjekts, denn sie schreiben einem unbelebten Subjektreferenten menschliche Eigenschaften zu. 105 Die Personifikation ist besonders deutlich in (246a) ausgeprägt. Durch die Anforderung des Verbs knabbern muss der Winter als Agens interpretiert werden, weitere menschlichen Eigenschaften werden durch den Kontext eingeführt (sein Kristallgesicht, atmet, nicht wahrhaben wollend etc.). Bei fressen können zudem Emotionen an der Subjektposition auftreten, die die emotionale Lage einer Person beeinflussen, die durch das präpositionsinterne Nomen eingeführt wird. (247a) Er wird andauernd bespitzelt, fühlt sich diskreditiert und verfolgt, der Kummer frisst an ihm, er vergreist zusehends. (Nürnberger Nachrichten, 6.8.2005) (vgl. (122b)) 104 Vgl. eine vergleichbare Verwendung der Konativkonstruktion im Englischen in (232a). Broccias (2003, S.- 316) zufolge wird Erosion metaphorisch als Konsum interpretiert: „[…] verbs of ingestion can also be used metaphorically to denote ‚erosion‘.“ 105 Lakoff/ Johnson (1980, S.-33) führen Personifikation als einen Subtyp von ontologischen Metaphern auf, während Rapp (2020) Personifikationen und Metaphern als zwei semantisch grundlegend unterschiedliche Phänomene des figurativen Sprachgebrauchs auffasst. <?page no="196"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 196 (247b) Bei den meisten Illegalen sei eine stark depressive Grundhaltung auffällig. […] Die ständige Angst, entdeckt zu werden, frißt an den Menschen. (taz, 11.6.2001) Bei Konsumverben fallen drei metaphorische Verwendungsmuster in (248)-(250) auf, die in den Daten prominent sind. (248) ‚Ein mensch verarbeitet etwas problematisches.‘ ? fressen, ? naschen; kauen, knabbern Mia knabbert/ kaut an der Niederlage. (249) ‚Etwas unbelebtes zerstört/ berührt ein konkretes objekt.‘ fressen, ? naschen; kauen, knabbern Die Brandung frisst am Ufer. Der Bagger knabbert an der Oberfläche. (250) ‚Eine emotion quält einen menschen.‘ fressen, ? naschen; ? kauen, ? knabbern Der Kummer frisst an ihm. Es zeigen sich dabei verbspezifische Unterschiede, denn nicht jedes Verb ist in allen drei Mustern möglich. 106 Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das Verb nagen in allen drei Mustern vorkommt, wie die Korpusbeispiele in (251)-(253) belegen. Das Verb nagen kann nicht in der transitiven Struktur verwendet werden und weist in der an-Konstruktion eine starke Affinität zu metaphorischer Interpretation auf: In 90% seiner an-Verwendungen wird nagen nicht-wörtlich interpretiert. Im Vergleich zu anderen Konsumverben weist nagen die größte Flexibilität in der metaphorischen Interpretation auf. Dieser Befund bestätigt die anhand von Korpusdaten aufgestellte Überlegung, dass die Konsumverben sich am Verb nagen orientieren könnten, wenn sie in der an-Konstruktion in metaphorischer Lesart verwendet werden (vgl. die Überlegungen im Teil Diskussion in Abschn.-4.3.2). (251a) Österreich hat sich mit der eigenen Geschichte lange Zeit schwer getan. Auch Braunau nagt an der Vergangenheit. Doch die Stadt ist weder Täternoch Opferort. (Die ZEIT, 11.1.2015) 106 Eine weiterführende Forschungsfrage ist, wie die Zulässigkeit des jeweiligen Musters mit der Verbklasse (consume vs. manner) einerseits und mit den verbidiosynkratischen Eigenschaften andererseits zusammenhängt. So sind z. B. fressen und naschen echte Konsumverben, aber naschen ist im Unterschied zu fressen mit den Mustern in (248)-(250) inkompatibel. <?page no="197"?> Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion 197 (251b) Drum gibt’s nach dem Wirbel von Trainer Günther Wessely („Ich nage noch immer an dieser Niederlage in Himberg“) als Konsequenz heute gegen Eisenstadt einen neuen Sturm. (Neue Kronen-Zeitung, 17.8.1996) (vgl. (127c)) (252a) An Gitterstäben nagt der Rost. (Die Rheinpfalz, 13.3.2010) (vgl. (127a)) (252b) Seit mehr als 20 Jahren nagen werktags Bagger des Unternehmens Gelsenrot an den Hügeln […]. (Frankfurter Rundschau, 7.5.1997) (253a) Die Angst begann an ihm zu nagen, dass vielleicht Verletzte unter dem Löschschaum erstickt waren. (Berliner Zeitung, 27.8.2008) (vgl. (127b)) (253b) Besonders die Partie gegen Norwegen nagt an Fischer. (Braunschweiger Zeitung, 19.5.2012) Modellierungsskizze Die prominenten metaphorischen Verwendungen von Kreations- und Konsumverben wurden am Anfang des Abschnitts in (236)-(237) eingeführt und anschließend diskutiert. In (254)-(255) sind diese Beispiele in modifizierter Form wiederholt. Unterstrichen ist jeweils das Element, das die metaphorische Verbinterpretation auslöst. (254a) Mia bastelt/ strickt am Konzept. das Konzept (254b) Das Team bastelt am Aufstieg. *den Aufstieg (255a) Das Team knabbert an der Niederlage. *die Niederlage (255b) Der Winter knabbert an der Balkontür. *die Balkontür (255c) Der Kummer frisst an ihm. *ihn Bei den unbelebten Subjekten wie Winter in (255b) bzw. Kummer in (255c) ist der Subjektreferent die Quelle der semantischen Unverträglichkeit und löst die metaphorische Interpretation des Verbs aus. Er bezeichnet kein Lebewesen und erfüllt somit nicht die Selektionsanforderungen eines Konsumverbs. Die Modellierung von solchen Fällen hängt jedoch nicht von den theoretischen Annahmen zu der atelischen an-Konstruktion ab. Für die Erfassung der metaphorischen Verbinterpretation in der an-Konstruktion ist es hingegen von besonderer Relevanz, wenn die an-Phrase die nicht-wörtliche Lesart triggert. Die Grundidee, wie die metaphorische Interpretation der an-Konstruktion im hier verfolgten Modifikatoransatz erfasst werden kann, wird anhand des Beispiels in <?page no="198"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 198 (254a) und des Verbs basteln skizziert. Das Verb ist dabei dasjenige Element, das seinen Bedeutungsbeitrag vom konkreten Basteln zu einem abstrakten mentalen Prozess anpasst. Ich möchte nun zeigen, wie diese Interpretation entsteht und an welcher Stelle der metaphernauslösende Konflikt zu lokalisieren ist. Das Nomen in der an-Phrase (Konzept) referiert auf eine abstrakte Entität vom Typ informationelles Objekt (inf_objekt). Die vom atelischen an eingeführte Grenzbereichsrelation ist sortal nicht festgelegt und erlaubt die Identifizierung eines Grenzbereichs sowohl von konkreten als auch von abstrakten Entitäten. Das atelische an kann folglich mit dem Nomen Konzept kombiniert werden. Es ergibt sich die unterspezifizierte Semantische Form in (256). (256) ⟦Mia bastelt einstellig am Konzept⟧ (SF) = ∃e: act [create(e) ∧ basteln'(e) ∧ agent(e, Mia) ∧ i-theme(e, v) ∧ boundary' X (v, def-z[konzept'(z)])] Die einstellige basteln-Variante, mit der sich die atelische an-Phrase verbindet, bezeichnet zunächst einen konkreten, physischen Vorgang und hat eine konkret-wörtliche Interpretation. Diese Annahme ergibt sich aus der Auswertung von Korpusdaten in Abschnitt-4.3.2, die gezeigt hat, dass einstellig verwendete Kreations- und Konsumverben (bis auf seltene Ausnahmen) wörtlich interpretiert werden. 107 Das Verb basteln ist ein inkrementelles Kreationsverb, das auch in einstelliger Verwendung voraussetzt, dass etwas kreiert wird. Die Selektionsrestriktionen bezüglich des ausgelassenen y-Arguments (inkrementelles Thema des Bastel-Ereignisses) bleiben auf konzeptueller Ebene erhalten: Die konkret-wörtlich interpretierte handwerkliche Bastel-Variante impliziert ein physisches Objekt als Ergebnis einer Bastel-Tätigkeit, vgl. das Postulat in (257). (257) ∀e [basteln'(e) → ∃y: phys_objekt [i-theme(e, y)]] Nach dem Postulat in (257) wird die freie Variable v auf konzeptueller Ebene zunächst als inkrementelles Thema des konkreten Bastel-Ereignisses spezifiziert, vgl. die Konzeptuelle Struktur in (256'). Eine semantische Unverträglichkeit entsteht beim Versuch, eine Grenzbereichsrelation zwischen der inferierten konkreten Entität v (Typ phys_objekt) und der durch die an-Phrase eingeführten abstrakten Entität z (Typ inf_objekt) herzustellen. Es ist grundsätzlich nicht möglich, ein konkretes Objekt als einen (externen oder internen) Grenzbereich eines abstrakten Objekts zu konzipieren. In einer Grenzbereichsrelation zu einem abstrakten Objekt können nur abstrakte Objekte stehen. 107 Ein möglicher Erklärungsansatz für die Frage, warum einstellige Verbvarianten im Vergleich zu den zweistelligen Verbverwendungen fast nie metaphorisch interpretiert werden, könnte wie folgt lauten: In einstelligen Verbverwendungen fehlt das direkte Objekt, das bei der Kombinatorik mit dem Verb einen sortalen Konflikt und eine metaphorische Verbinterpretation auslösen könnte. <?page no="199"?> Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion 199 (256') #⟦Mia bastelt einstellig am Konzept⟧ (CS) = ∃e: act∃v: phys_objekt [create(e) ∧ basteln'(e) ∧ agent(e, Mia) ∧ i-theme(e, v) ∧ boundary' X (v, def-z[konzept'(z)])] Die konkret-wörtliche Interpretation von basteln, die sich auf die Handarbeit bezieht, scheidet also aufgrund der sortalen Inkompatibilität zwischen v und z aus, die über die Grenzbereichsrelation verbunden sind. Auf allgemeiner Ebene bezeichnet basteln eine kleinschrittige Tätigkeit, die dazu führt, dass etwas entsteht. Zugleich liefert der an-Modifikator explizit eine Komponente, relativ zu der sich die verbale Tätigkeit entfaltet. Ein Kreationsvorgang, der zu einem informationellen Objekt führen kann, muss ein mentaler Prozess sein. Das Verb basteln wird folglich als ein mentales Verb interpretiert und erhält die Lesart ‚an etwas arbeiten/ tüfteln‘. Die freie Variable v wird als eine Entität vom Typ inf_objekt festgelegt und kann mit einem (nicht-essenziellen) Teil des Konzepts (ebenfalls vom Typ inf_objekt) identifiziert werden. Eine sinnvolle Interpretation von Grenzbereichen eines abstrakten Objekts stellen seine nicht-zentralen Aspekte dar: v könnte z. B. als einzelne Formulierungen im Konzept, Ergänzungen, Details usw. aufgefasst werden. Die metaphorische Lesart von basteln ist in der Repräsentation in (256') als basteln''(e) gekennzeichnet. (256″) ⟦Mia bastelt einstellig am Konzept⟧ metaphorisch (CS) = ∃e: act∃v: inf_objekt [create(e) ∧ basteln''(e) ∧ agent(e, Mia) ∧ i-theme(e, v) ∧ boundary' PART-OF (v, def-z[konzept'(z)])] Die mentale Tätigkeit, die im übertragenen Sinne als „basteln“ oder „stricken“ bezeichnet wird, resultiert in einzelnen Ergebnissen (v), die als Teile des Konzepts (z) verstanden werden. Die Interpretation eines Kreationssatzes mit einem informationellen Objekt in der an-Phrase erfolgt somit parallel zu der Interpretation eines konkreten Kreationssatzes wie Mia malt an einem Bild. In beiden Fällen wird die Grenzbereichsrelation als eine Teil-von-Relation festgelegt (boundary' PART-OF ) und das inferierte inkrementelle Thema (v) wird als ein Teil des internen Arguments von an (z) interpretiert. Diese Analyseskizze bietet eine Erklärung für den Befund, dass sowohl die atelische an-Konstruktion als auch die transitive Struktur möglich sind, wenn die an-Phrase bzw. das direkte Objekt eine abstrakte Entität vom Typ informationelles Objekt einführen. Sowohl in der an-Konstruktion (an einem Konzept basteln) als auch in der transitiven Verbverwendung (ein Konzept basteln) muss das Verb als ein mentales Prädikat interpretiert werden. Dabei wird in den beiden Strukturen ausgedrückt, dass die vom Verb bezeichnete mentale Tätigkeit dazu führt, dass ein abstraktes Objekt kreiert wird. In der an-Konstruktion wird der Kreationsvorgang über die <?page no="200"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 200 freie Variable v vermittelt, die jedoch als Teil des Konzepts verstanden wird, während in der transitiven Verbverwendung Konzept direkt als inkrementelles Thema in das Ereignis integriert wird. In beiden Strukturen wird also eine (direkte oder indirekte) Kreation zum Ausdruck gebracht; deswegen sind sie austauschbar. Wie kann der Zusammenhang zwischen der wörtlichen und der nicht-wörtlichen Verwendung eines Verbs wie basteln modelliert werden? 108 Grundsätzlich sind zwei Optionen denkbar. Die erste Analyseoption besteht darin, dass die verbspezifische Bedeutungskomponente (basteln'(e) bzw. stricken'(e)), die ein physisches Ereignis mit Bezug auf die Handarbeit bezeichnet, durch den sortalen Konflikt aus der semantischen Repräsentation getilgt wird. Es bleibt nur die sortal neutrale Klassenzugehörigkeitskomponente wie create(e) oder consume(e). Für diesen Ansatz spricht die in (239) illustrierte Beobachtung, dass in metaphorischer Lesart mehrere Kreationsverben ohne sichtbaren Bedeutungsunterschied austauschbar sind. Dagegen spricht jedoch, dass sich in der metaphorischen Verwendung verbspezifische Präferenzen und Einschränkungen zeigen. Der Kontrast in (258) illustriert, dass nicht jede Verb-Nomen-Kombination bei Kreationsverben in übertragener Bedeutung möglich ist. (258) an einem Konzept basteln/ stricken/ ? weben/ ? nähen Außerdem scheint es verbspezifische Präferenzen für eine bestimmte Nomenklasse zu geben. Im Zusammenhang mit den Beispielen in (239) wurde bereits erwähnt, dass das Verb stricken in übertragener Bedeutung häufig mit Nomen vorkommt, die Geschichten bezeichnen, wie etwa Legende oder Mythos (vgl. Kookkurrenzdaten in Tab.-20). Diese Tendenz wurde bei anderen Kreationsverben, wie z. B. basteln, nicht beobachtet. Wenn bei den Kreationsverben nur die Klassenzugehörigkeitskomponente create(e) in der nicht-wörtlichen Lesart präsent wäre, müssten alle Verb- Nomen-Kombinationen von Kreationsverben möglich sein und man würde keine lexemspezifischen Präferenzen erwarten. Eine Analyse, die die metaphorische Verblesart allein durch ein klassenbildendes Prädikat wie create(e) erfasst, führt also zur Übergeneralisierung. Ein alternativer Modellierungsansatz besteht in der Fokussierung bzw. Tilgung von bestimmten Aspekten der verbspezifischen Bedeutungskomponente. So kann der tätigkeitsspezifische Bedeutungsbestandteil des Verbs basteln (basteln'(e)) feinkörniger durch mehrere Merkmale definiert werden, die die vom Verb bezeichnete Handlung näher spezifizieren. Als Kreationsverb bezeichnet basteln eine Tätigkeit, die eingehender als handwerklich, kleinschrittig, semiprofessionell usw. charakterisiert werden kann. Ein abstraktes Objekt ist vor allem mit dem Aspekt der handwerk- 108 Rapp (2020) nimmt an, dass bei semantischer Unverträglichkeit zwischen dem Prädikat P und einem seiner Argumente ein metaphorischer Uminterpretationsprozess angestoßen wird, der ein zusätzliches Prädikat P ' einführt, das in einer zu spezifizierenden Relation R zu P steht. <?page no="201"?> Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion 201 lichen Tätigkeit sortal inkompatibel, sodass in übertragener Lesart der Bezug zur handwerklichen Arbeit wegfällt. Die restlichen Bedeutungsaspekte, wie etwa die Kleinschrittigkeit, bleiben erhalten. 109 Auch in den anderen metaphorischen Beispielen in (254)-(255) löst eine semantische Unverträglichkeit die metaphorische Uminterpretation des Verbs aus. Bei der Kombination eines Kreationsverbs mit einer an-Phrase, die ein punktuelles eventives Nomen einführt, wie z. B. Aufstieg oder Rückkehr in (254b), wird der Satz so interpretiert, dass die vom Verb bezeichnete Tätigkeit das Zustandekommen des Ereignisses ermöglicht (vgl. auch die Korpusbelege in (243)). Punktuelle Ereignisse wie ein Aufstieg oder eine Rückkehr haben keine Binnenstruktur, sodass grundsätzlich keine Teil-von-Interpretation der boundary-Relation zwischen v (inferiertes Ergebnis der vom Verb bezeichneten Tätigkeit) und z (ein Aufstieg bzw. eine Rückkehr) möglich ist. Die durch die an-Phrase eingeführte Eventualität präsupponiert einen (typischen) Vorbereitungsablauf, der vorgibt, welche Schritte unternommen werden müssen, damit das Ereignis z geschehen kann. Die inferierte Entität v wird dabei selbst als Ereignis verstanden, das ein Teil der Vorbereitungsphase für z ist. Diese Überlegungen liefern einen Hinweis darauf, warum es den in (254) dargestellten Kontrast in der Austauschbarkeit der transitiven und der präpositionalen Verwendung von Kreationsverben in der metaphorischen Lesart gibt. Im Fall von informationellen Objekten wie ein/ an einem Konzept basteln in (254a) wird das Resultat v der (metaphorisch uminterpretierten) Bastel-Tätigkeit a l s T e i l des durch die an- Phrase eingeführten informationellen Objekts z integriert. Ein informationelles Objekt wie Konzept kann durch einen mentalen Vorgang kreiert werden. Folglich sind sowohl die an-Konstruktion (der Kreationsvorgang ist vermittelt über v) als auch die transitive Verbverwendung (der Kreationsvorgang ist direkt) möglich. Im Gegensatz dazu kann bei eventiven Nomen als internes Argument von an keine Teil-von-Relation zwischen v und z bestehen. Das inferierte Tätigkeitsergebnis v kann n i c h t als Teil der durch die an-Phrase eingeführten Entität z verstanden werden, da es sich um ein punktuelles Ereignis handelt (z. B. Rückkehr). Die Realisierbarkeit dieser Konstellation durch einen transitiven Satz, der eine Kreation des inkrementellen Themas involviert, ist ausgeschlossen. Das Beispiel (255a) illustriert den Fall, wenn ein Konsumverb mit einer an-Phrase kombiniert wird, die etwas Problematisches für den Subjektreferenten bezeichnet, wie etwa eine negative Erfahrung. Die metaphorische Verbinterpretation wird auch hier durch die an-Phrase ausgelöst. Bei einem manner-Verb wie knabbern wird die-auf konzeptueller Ebene inferierte Entität v zunächst als Zähne bzw. Mund des Subjektreferenten instanziiert (vgl. die Analyse der konkreten Verwendung von 109 Ähnliche Überlegungen wurden in der Merkmalstransfertheorie von Levin (1977) aufgestellt, vgl. dazu Hagemann (2017, S.-242). Vgl. auch die Formalisierung in Dölling (2000) und die Überlegungen in Rapp (2020). <?page no="202"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 202 manner-Verben in Abschn.-5.2.3). Die Zähne sind jedoch weder mit einem Ereignis wie Niederlage noch mit einer abstrakten Entität wie Problem sortal kompatibel, sodass keine sinnvolle Interpretation der boundary-Relation möglich ist. Ein manner-Verb wie knabbern wird dahingehend uminterpretiert, dass es ein aktives Bewältigen der psychologischen Folgen eines als negativ wahrgenommenen Ereignisses bezeichnet. Metaphernaffinität der atelischen an -Konstruktion Die in Abschnitt-4.3.2 vorgestellte Analyse von Korpusdaten hat belegt, dass Kreations- und Konsumverben in der atelischen an-Konstruktion häufiger metaphorisch verwendet werden als in der transitiven Struktur. Um sich dieser Beobachtung aus theoretischer Perspektive zu nähern, wurden in den letzten Abschnitten die Beispiele in (254)-(255) diskutiert, die die prominenten metaphorischen Verwendungstypen der Verben in der an-Konstruktion darstellen. Sie zeigen deutlich, dass die metaphorische Verbinterpretation vor allem in der an-Konstruktion, aber nicht in der transitiven Struktur möglich ist (eine Ausnahme ist die Kombination eines Kreationsverbs mit einem informationellen Objekt wie ein/ an einem Konzept basteln in (254a)). Die Unterschiede in den Selektionspräferenzen und die Nicht-Austauschbarkeit der beiden Strukturen sind zentrale Argumente gegen die Annahme eines Ableitungsverhältnisses zwischen der an-Konstruktion und der transitiven Struktur. Der Befund, dass die Verben in der an-Konstruktion häufiger und leichter metaphorisch interpretiert werden als in der transitiven Struktur, liefert eine weitere Evidenz für die Analyse von an-Phrasen als ereignisinterne Modifikatoren, die eine indirekte Relation zum verbalen Ereignis einführen. Die Modifikatoranalyse der atelischen an-Phrasen liefert folglich einen grammatischen Grund dafür, warum die Selektionsrestriktionen leichter aufgehoben werden können. In der transitiven Verbverwendung besteht ein direktes Selektionsverhältnis zwischen dem Verb und seinem y-Argument, das als direktes Objekt realisiert wird. In der an-Konstruktion besteht hingegen k e i n d i r e k t e s S e l e k t i o n s v e r h ä l t n i s zwischen dem Prädikat und dem internen Argument von an, was einen größeren interpretatorischen Spielraum eröffnet. In der an-Konstruktion wird der Fokus auf die Tätigkeitskomponente in der Verbbedeutung gelegt. Sobald die Tätigkeit an kein explizites Kreationsobjekt geknüpft ist, wird eine freiere Interpretation möglich. Ausblick und offene Fragen Neben der phänomenspezifischen Erklärung für die Metaphernaffinität der an-Konstruktion sind phänomenunabhängige Erklärungsoptionen denkbar, die auf allgemeinen Prinzipien fußen. Einerseits dienen lokale Verhältnisse oft als Grundlage für metaphorische Übertragungsprozesse (Lakoff/ Johnson 1980, S.- 14-21). Wie in Abschnitt- 5.1.2 ausgeführt, <?page no="203"?> Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion 203 liegt den atelischen an-Phrasen eine unterspezifizierte boundary-Relation zugrunde, die einen Grenzbereich des Referenzobjekts fokussiert. Dass die präpositionale an- Konstruktion im Vergleich zu der transitiven Verbverwendung metaphernaffiner ist, könnte daran liegen, dass die lokale Bedeutungskomponente, die als Grundlage für metaphorische Übertragungen dient, in der transitiven Variante fehlt. Es stellt sich eine grundsätzliche Frage, ob transitive und vergleichbare präpositionale Verbverwendungen sich dahingehend unterscheiden, dass präpositionale Strukturen generell mehr Metaphern erlauben als transitive Verbverwendungen. Mögliche Hinweise für diese Generalisierung liefert die Beobachtung, dass auch bei anderen Phänomenen die nicht-wörtliche Lesart in der präpositionalen, aber nicht in der transitiven Struktur möglich ist. Man denke beispielsweise an die nach-Phrasen im Suchmuster, vgl. *Gold jagen vs. nach Gold jagen in (233b), oder an die Konativkonstruktion im Englischen, vgl. Cold winds knifed at them vs. *The mugger knifed at them in (231). Um diese Frage zu beantworten, sind mehrere präpositionale Strukturen und ihre transitiven Pendants zu untersuchen. Andererseits wäre zu erforschen, ob es eine allgemein-kognitive Erklärung dafür gibt, dass von zwei vergleichbaren syntaktischen Konfigurationen eine stärker zur metaphorischen Interpretation neigt als die andere. Eine Erklärung dafür könnte die Markiertheit sein. Im Vergleich zu der transitiven Verbverwendung ist die atelische an-Konstruktion markiert: Sie ist seltener, morphosyntaktisch komplexer und, anders als die transitive Verbverwendung, auf die atelische Interpretation beschränkt. Bei einer Auswahl von vergleichbaren Alternativen könnte die markierte Variante besser für Metaphern geeignet sein. Metaphern stellen einen kreativen Sprachgebrauch dar. Möglicherweise kombiniert man als Sprecher mehrere Indikatoren, um den kreativen Sprachgebrauch zu betonen, und drückt eine übertragene, und somit eine ungewöhnliche Bedeutung präferiert durch eine ungewöhnliche sprachliche Struktur aus. Einen weiteren Fragenkomplex stellt die Lexikalisierung der metaphorischen Verblesart dar. Bei der Analyseskizze der metaphorischen Verbverwendungen in der an- Konstruktion bin ich davon ausgegangen, dass die hier untersuchten Kreations- und Konsumverben eine konkret-wörtliche Bedeutung haben, und dass ihre nicht-wörtliche Verwendung mit dieser konkreten Bedeutung zusammenhängt. Es gibt jedoch Indizien dafür, dass bei bestimmten Verben die nicht-wörtliche Bedeutung in der an-Konstruktion lexikalisiert ist. In den bisher diskutierten metaphorischen Fällen in (254)-(255) referieren Nomen in der an-Phrase bzw. an der Subjektposition auf abstrakte Entitäten, die mit den Selektionsanforderungen der Verben inkompatibel sind. Die semantische Unverträglichkeit löst eine metaphorische Verbinterpretation aus. Es gibt aber auch Fälle, in denen zwei Uminterpretationen vorliegen, eine metaphorische am Verb und eine metonymische am Nomen. Dieses Phänomen ist für die Verben stricken und basteln anhand der Korpusbelege in (259)-(260) illustriert. <?page no="204"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 204 (259) Bund und Land haben kürzlich entschieden: Der begonnene Bau für die Topografie des Terrors nach den Plänen von Peter Zumthor wird nicht gebaut. Das Gebäude wird neu ausgeschrieben. Man steht wieder am Anfang. Sind Sie nun am Ende mit Ihren Nerven? Die Nerven halten noch, wenn das auch für eine Institution, die zehn Jahre an einem Bau gestrickt hat, ein herber Schlag ist. (Berliner Zeitung, 7.6.2004) (vgl. (123a)) (260) Noch geht sie für den Schweizer Meister FC Zürich auf Torejagd. […] Die Weichen für eine Zukunft als Trainerin- - sie bastelt gerade am B-Schein- - sind aber längst gestellt. (Die Rheinpfalz, 31.7.2012) In (259) wird das Verb stricken mit der an-Phrase an einem Bau kombiniert, die ein konkretes Objekt einführt. Ein Bau kann in der Regel nicht durch die vom Verb stricken bezeichnete Tätigkeit hergestellt werden, sodass die wörtliche Verbinterpretation unplausibel ist. Der sortale Konflikt wird dadurch aufgelöst, dass stricken als mentales Prädikat im Sinne von ‚an etwas arbeiten/ tüfteln‘ interpretiert wird und aus dem Bau ein abstraktes Objekt inferiert wird (Plan/ Konzept für das Gebäude). Warum wird aber dieser Interpretationsweg gewählt? Generell kommt das Verb stricken häufig mit informationellen Objekten als internes Argument von an vor, die die Lesart ‚an etwas arbeiten/ tüfteln‘ auslösen (vgl. Tab.-20). Der Befund, dass die übertragene Lesart von stricken auch dann möglich ist, wenn die an-Phrase k e i n informationelles Objekt enthält, deutet jedoch darauf hin, dass die Lesart ‚an etwas arbeiten/ tüfteln‘ bei stricken lexikalisiert ist und deswegen für die Auflösung des sortalen Konflikts gewählt wird. Ein ähnliches Phänomen kann bei basteln in (260) beobachtet werden. In Zusammenhang mit dem Beispiel (254b) wurde bereits diskutiert, dass bei eventiven Nomen in der an-Phrase die vom Verb bezeichnete Tätigkeit sich auf die Vorbereitungsphase bezieht und dass das Verb im Sinne von ‚auf etwas hinarbeiten‘ interpretiert wird. Wie das Beispiel (260) illustriert, kann das zukünftige Ereignis auch interpoliert werden: Die angehende Trainerin muss bestimmte Schritte unternehmen (Vorbereitungsphase), um den B-Schein zu b e k o m m e n (interpoliertes Ereignis). In den Beispielen in (259)-(260) wird die metonymische Uminterpretation des Nomens durch das Verb ausgelöst, was ein Hinweis auf die Lexikalisierung der nichtwörtlichen Verblesart ist. Für die Lexikalisierung der nicht-wörtlichen Lesart in der an-Konstruktion sprechen auch die hier erhobenen Korpusdaten. Bei den Verben basteln, stricken und weben wurden Distributionsunterschiede zwischen den Verbverwendungen in der an-Konstruktion und in der transitiven Struktur festgestellt, die Verben feilen und schleifen weisen komplementäre Nomenverteilungen in beiden Strukturen auf (vgl. Abschn.-4.3.1-4.3.2). <?page no="205"?> Zwischenfazit zur Modifikatoranalyse 205 Die theoretischen Fragen, die sich daraus ergeben, sind nicht leicht zu beantworten. Einerseits ist es unklar, ob man zwei koexistierende Verbbedeutungen bei basteln und stricken annehmen muss, eine wörtliche und eine nicht-wörtliche. Andererseits wäre zu untersuchen, wie man erfassen kann, dass Verben in einer bestimmten syntaktischen Konfiguration in der übertragenen Bedeutung lexikalisiert zu sein scheinen. 5.3 Zwischenfazit zur Modifikatoranalyse In diesem Kapitel wurde die Analyse von atelischen an-Phrasen als Modifikatoren von einstelligen Verbvarianten vorgestellt. Die Modifikatoranalyse atelischer an-Phrasen basiert auf den folgenden drei Grundannahmen, die in Abschnitt- 5.1 vorgestellt wurden. Erstens: Atelische an-Phrasen sind ereignisinterne Modifikatoren (Maienborn 1996, 2001, 2003b). Ereignisinterne Modifikatoren haben einen indirekten Bezug zum verbalen Ereignisargument. Die Relation zwischen dem verbalen Ereignis und dem internen Argument der Präpositionalphrase ist durch eine freie Variable gesteuert, die basierend auf der ereignisinternen Struktur auf konzeptueller Ebene spezifiziert wird. Zweitens: Atelische an- Phrasen führen eine unterspezifizierte boundary-Relation ein, die einen Grenzbzw. Randbereich des Referenzobjekts fokussiert (Carstensen 2000, 2001, 2015). Die Grenzbereichsrelation kann als eine Kontakt- oder als eine Teil-von-Relation spezifiziert werden. Zudem nehme ich an, dass sie sortal nicht festgelegt ist und sowohl konkrete als auch abstrakte Objekte verbinden kann. Bei einem konkreten Objekt als internes Argument von an wird sein (äußerer oder innerer) Grenzbereich fokussiert, bei einem abstrakten Objekt werden seine nicht-essenziellen Aspekte als Randbereich konzeptualisiert. Drittens: Atelische an-Phrasen modifizieren einstellige Verbvarianten. Einstellige Verbvarianten erhalten aus unabhängigen Gründen eine atelische Interpretation, denn durch den einstelligen Gebrauch wird die Tätigkeitskomponente in der Verbbedeutung fokussiert (Rapp 1997). Basierend auf diesen drei Annahmen wurde in Abschnitt-5.2 die Modifikatoranalyse von atelischen an-Phrasen vorgestellt. Der Lexikoneintrag für das atelische an wurde in Abschnitt- 5.2.1 formuliert. Atelische an-Phrasen sind bedeutungshaltige Elemente, die einstellige (agentive) Verbvarianten modifizieren und eine boundary- Relation zwischen ihrem internen Argument und einer Entität einführen, die auf konzeptueller Ebene aus dem verbalen Ereignis erschlossen wird. Dies wird durch eine freie Variable in der semantischen Struktur modelliert. In den Abschnitten-5.2.2-5.2.4 wurde an drei Phänomenen illustriert, wie die Modifikatoranalyse von atelischen an-Phrasen die Daten erfasst. Zuerst wurde die atelische Interpretation von inkrementellen Kreations- und Konsumverben in der an-Konstruktion diskutiert (an einem Bild malen, an einem Apfel <?page no="206"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 206 essen). Inkrementelle Kreations- und Konsumverben legen die Interpretation der freien Variable als inkrementelles Thema des jeweiligen Ereignisses fest. Bei gleichzeitiger Festlegung der boundary-Relation als eine Teil-von-Relation entsteht die Gesamtinterpretation, dass bei einem Ereignis wie an einem Apfel essen ein Teil des Apfels inkrementell konsumiert wird. Die Atelizität des Gesamtausdrucks ergibt sich ohne Zusatzannahmen. Die einstelligen Verbvarianten erhalten aus unabhängigen Gründen eine atelische Interpretation. An-Phrasen sind Modifikatoren, die den logischen Typ des Modifikanden nicht-verändern. Sie nehmen auch keinen Einfluss auf die aspektuelle Interpretation des Verbs. Die einstelligen Verbvarianten behalten in der an-Konstruktion den activity-Typ. Anschließend wurden Konsumverben eingehender untersucht. Bei Konsumverben besteht ein Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein der Verzehr-Interpretation und der syntaktischen Konfiguration (transitive vs. präpositionale an-Verwendung). Es wird zwischen drei Verbtypen unterschieden. Auf der einen Seite gibt es „echte“ Konsumverben, also inkrementelle Prädikate, die unabhängig von der syntaktischen Konfiguration auf die Verzehr-Lesart festgelegt sind (essen, fressen, …). Auf der anderen Seite gibt es reine manner-Prädikate, bei denen die Verzehr-Lesart in der an-Konstruktion und in der transitiven Struktur als eine Implikatur zu modellieren ist (kauen, lutschen, …). Schließlich gibt es Verben wie knabbern mit variabler Interpretation. In der transitiven Verwendung sind sie auf die Verzehr-Lesart festgelegt, in der an-Konstruktion hingegen ist die Verzehr-Interpretation als eine pragmatische Auflage zu analysieren. Dieses strukturabhängige Verhalten wird durch zwei Lexikoneinträge erfasst. Der Bedeutungsbeitrag von an ist bei den drei Verbtypen gleich. Die Interpretationsvariabilität bei Konsumverben wird einerseits durch die unterschiedlichen Verbbedeutungen und andererseits durch die Integration des konzeptuellen Wissens in die Bedeutungskomposition erfasst. Die durch die Präposition an eingeführte freie Variable wird auf konzeptueller Ebene belegt. Die Identifikation der inferierten Entität variiert nach Verbtyp. Inkrementelle Verben legen fest, dass die inferierte Entität mit dem inkrementellen Thema des Konsum-Ereignisses zu identifizieren ist. Bei manner-Verben wird hingegen die manner-spezifische Ereigniskomponente erschlossen, wie etwa die Zähne oder der Mund des Subjektreferenten bei knabbern. Auf diese Weise entsteht die Interpretation, dass die Zähne bzw. der Mund in einer Kontaktrelation mit einem Gegenstand stehen, der durch die an-Phrase eingeführt wird. Ist dieser Gegenstand essbar, wird die Verzehr- Interpretation begünstigt. Zum Schluss wurden metaphorische Verbverwendungen in der an-Konstruktion systematisiert. Es wurde skizziert, wie die metaphorische Verbinterpretation in der Modifikatoranalyse erfasst wird. In einem Satz wie Mia bastelt an einem Konzept referiert das Nomen in der an-Phrase (Konzept) auf eine abstrakte Entität. Das Verb basteln ist ein inkrementelles Kreationsverb und legt die Interpretation der freien <?page no="207"?> Zwischenfazit zur Modifikatoranalyse 207 Variable als inkrementelles Thema fest, das den Anforderungen eines handwerklichen Bastel-Ereignisses entsprechen muss. Ein sortaler Konflikt entsteht beim Versuch, eine boundary-Relation zwischen einem abstrakten Objekt (Konzept) und einem konkreten Objekt (das inferierte inkrementelle Thema des Bastel-Ereignisses) herzustellen. Zwischen zwei inkompatiblen Typen kann keine Grenzbereichsrelation hergestellt werden. Die semantische Unverträglichkeit löst eine metaphorische Verbinterpretation aus. Das Verb basteln wird als mentales Prädikat im Sinne von ‚an etwas arbeiten/ tüfteln‘ interpretiert, dessen inkrementelles Thema als Teil eines informationellen Objekts wie Konzept integriert werden kann. An einem Konzept basteln bezeichnet folglich die sukzessive Kreation eines Konzepts, wobei das Verb metaphorisch uminterpretiert wird. Die Modifikatoranalyse hat grundlegende Vorteile, die bei der genauen Betrachtung der Verben in der an-Konstruktion sichtbar geworden sind. Die Einführung der freien Variable, die das konzeptuelle Wissen in die Bedeutungskomposition einbezieht und somit interpretatorische Flexibilität schafft, erlaubt eine einheitliche Behandlung von mehreren Phänomenen. Die Analyse von an-Phrasen als Modifikatoren von einstelligen Verbvarianten ist empirisch adäquat und erfasst die atelische Interpretation des Gesamtausdrucks ohne Zusatzannahmen. Die empirisch festgestellten Unterschiede in den Selektionspräferenzen der Verben in der an-Konstruktion und in der transitiven Verwendung folgen aus dem Modifikatoransatz, denn die Rollen des Akkusativobjekts und der an-Phrase in den beiden Strukturen sind notwendigerweise unterschiedlich. Für die Beobachtung, dass Verben in der an-Konstruktion häufiger metaphorisch interpretiert werden als in der transitiven Struktur, liefert der Modifikatoransatz eine grammatische Grundlage: Das Fehlen eines direkten Selektionsverhältnisses zwischen dem Verb und dem internen Argument von an erleichtert metaphorische Anpassungsprozesse. Insgesamt bietet die Modifikatoranalyse die erforderliche Generalisierungsebene für die Erfassung der Distribution der an-Konstruktion. Der Befund, dass die atelische an-Konstruktion bei einer ganzen Reihe von Verben möglich ist, die einstellig (agentiv) verwendet werden können, wird durch die Anforderungen des Modifikators erfasst und muss weder in einer lexikalischen Regel noch in den Lexikoneinträgen der jeweiligen Verben verankert sein. <?page no="208"?> Atelische an-Phrasen als Modifikatoren 208 <?page no="209"?> Zwischenfazit zur Modifikatoranalyse 209 6. ZUSAMMENFASSUNG Den Gegenstand der vorliegenden Arbeit bildete die atelische an-Konstruktion in (261), in der ein Verb mit einer Präpositionalphrase mit an als Kopf vorkommt. Im Unterschied zur transitiven Verbverwendung in (262) erhält ein an-Satz eine atelische Interpretation. (261a) Mia hat an einem Bild gemalt. (261b) Mia hat an einem Apfel gegessen. (262a) Mia hat ein Bild gemalt. (262b) Mia hat einen Apfel gegessen. Der Ausgangspunkt für die theoretischen Überlegungen und die empirischen Studien waren aspektuelle Ableitungsanalysen, die die an-Konstruktion als eine von der transitiven Verbvariante abgeleitete Struktur und die an-Phrase als präpositionales Pendant zum direkten Objekt betrachten (Krifka 1989a, S.-182; Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997, S.-2188; Filip 1999; Engelberg 2000, S.-75, 2007, S.-17; Ágel 2017, S.- 492). Die bisherigen Analysen basieren jedoch auf introspektiven Urteilen und halten den empirischen Befunden nicht stand. In der vorliegenden Arbeit wurde dafür argumentiert, an-Phrasen in der atelischen an-Konstruktion als Modifikatoren von einstelligen Verbvarianten zu betrachten. In Kapitel-2 wurden dazu zunächst der Forschungsstand zur atelischen an-Konstruktion und die aspektuellen Ableitungsanalysen vorgestellt. Es wurden Evidenzen gegen die Annahme aufgeführt, die atelische an-Konstruktion als eine von der transitiven Verbverwendung abgeleitete Struktur zu betrachten. Die deskriptive Generalisierung der optionalen Zweistelligkeit wurde folgendermaßen formuliert: Nur Verben, die einstellig (agentiv) gebraucht werden können, lassen die atelische an-Konstruktion zu. In Kapitel- 3 wurde die grundlegende Einordnung von atelischen an-Phrasen in einem binär aufgeteilten Argument-Modifikator-Bereich behandelt. Um den Modifikatorstatus der atelischen an-Phrasen aus dieser Perspektive nachzuweisen, wurden die Darstellung der an-Konstruktion in lexikografischen Ressourcen und in Grammatiken untersucht, theoretische Annahmen zur Modellierung der Präpositionsbedeutung besprochen sowie anwendbare Tests für die Bestimmung des Argumentstatus einer Konstituente diskutiert. Kapitel-4 stellte quantitative Korpusstudien der atelischen an-Konstruktion vor, deren Ergebnisse gegen aspektuelle Ableitungsanalysen sprechen. Aufbauend auf den empirischen Ergebnissen wurde in Kapitel- 5 schließlich die Modifikatoranalyse von atelischen an- Phrasen vorgestellt. <?page no="210"?> Zusammenfassung 210 Das Ziel der vorliegenden Arbeit war folglich, eine empirisch angemessene semantische Modellierung der atelischen an-Konstruktion zu präsentieren, die auf einer umfassenden Analyse von Korpusdaten basiert. Um Empirie und Theorie zu verbinden, wurden zwei Forschungsfragen aufgestellt. Aus empirischer Perspektive galt es zu untersuchen, wie die atelische an-Konstruktion mit korpuslinguistischen Mitteln quantitativ erfasst werden kann (Forschungsfrage (I) Korpusmethoden). Aus theoretischer Perspektive war zu bestimmen, wie die atelische an-Konstruktion zu modellieren ist (Forschungsfrage (II) semantische Modellierung). Einen weiteren Schwerpunkt bildeten die metaphorischen Verbverwendungen in der an-Konstruktion. Die hier wiederholte Ausgangsfrage (I) Korpusmethoden zielte auf quantitative korpusbasierte Methoden für die Untersuchung der an-Konstruktion ab, wobei die Ergebnisse der empirischen Studien als Grundlage für die theoretischen Überlegungen dienten. (I) Forschungsfrage-- Empirie: Korpusmethoden Mit welchen korpusbasierten Methoden und Maßen kann die atelische an-Konstruktion untersucht werden? (i) Wie findet man die atelische an-Konstruktion in den Korpusdaten? (ii) Welche Verben und Verbklassen sind in der atelischen an-Konstruktion prominent? (iii) Wie können verbale Selektionspräferenzen und die Verbinterpretation in der an-Konstruktion sowie in der transitiven und in der intransitiven Struktur untersucht und verglichen werden? Der Suchausdruck an ist mehrdeutig und tritt in den Korpusdaten hauptsächlich nicht in der atelischen an-Konstruktion auf. Um den Aufwand der manuellen Datendurchsicht zu erleichtern (Teilfrage (i) ), wurde ein Reduktionsverfahren (Zeschel 2015) implementiert, das irrelevante an-Vorkommen in den Daten identifiziert, wie z. B. Frankfurt am Main, von Anfang an usw. Durch den Ausschluss von irrelevanten an-Treffern wurde die Ausgangsdatenmenge um die Hälfte reduziert. Zur Beantwortung von Teilfrage (ii) galt es zunächst, Verben zu identifizieren, die die atelische an-Konstruktion zulassen. Die an-Konstruktion ist selten und kann in einem Korpus kaum exhaustiv ermittelt werden. Als Alternative wurde eine verbbasierte Vorgehensweise gewählt, mit der für insgesamt 125 Verben ihr Vorkommen in der an-Konstruktion auf der Typenebene nachgewiesen wurde. Anschließend wurden deskriptive und statistische Assoziationsmaße betrachtet, die die gegenseitige Affinität zwischen den Verben und der atelischen an-Konstruktion abbilden. Die Assoziationsanalyse wurde für 63 Verben durchgeführt, die in den hier analysierten Daten in der an-Konstruktion vorkamen. Die Diskussion der Assozia- <?page no="211"?> Zusammenfassung 211 tionsmaße hat ergeben, dass bei der quantitativen Analyse von verbalen Konstruktionen mehrere Assoziationswerte zu betrachten sind. Der oft als Assoziationsmaß eingesetzte p-Wert des exakten Fisher-Tests (Stefanowitsch/ Gries 2003) kann bei sehr starker Assoziation nicht zwischen einzelnen Verben differenzieren. Die relativen Häufigkeiten (der Verben in der an-Konstruktion bzw. der an-Konstruktion relativ zu anderen Verbverwendungen) und andere Assoziationsmaße wie das Odds-Ratio-Maß liefern hingegen ein detaillierteres Bild. Die Assoziationsanalysen haben gezeigt, dass inkrementelle Kreations- und Konsumverben wie schreiben, bauen bzw. essen, trinken, denen eine zentrale Rolle in aspektuellen Ableitungsanalysen zugeschrieben wird (Filip 1999; Engelberg 2007), in der an-Konstruktion nicht prominent sind. Die stärkste Assoziation mit der an-Konstruktion weisen hingegen iterative manner-Verben wie feilen, nippen oder nagen auf. Schließlich wurden Verfahren für die Ermittlung von verbalen Bedeutungsaspekten bzw. Verbklassen diskutiert, die in der atelischen an-Konstruktion eine zentrale Rolle spielen. Einerseits wurden dafür die Verben, die die an-Konstruktion zulassen, auf der Typenebene mit semantischen GermaNet-Klassen annotiert. Die Klassen Schöpfung, Verbrauch, Kontakt und Kognition sind in der an-Konstruktion besonders prominent. Andererseits wurde die hierarchische agglomerative Clusteranalyse eingesetzt, um die Verbverwendungen basierend auf den Nomen in der an-Phrase automatisch zu gruppieren. Die Clusteranalyse ergab interpretierbare Verbgruppen und zeigte zudem nicht-offensichtliche Zusammenhänge in den Daten auf. Das Verb basteln wurde beispielsweise nicht mit anderen Kreationsverben wie bauen, stricken oder schreiben in ein Cluster eingeordnet, sondern mit den Verben tüfteln und feilen, die in der an-Konstruktion hauptsächlich als Verben der mentalen Tätigkeit verwendet werden, vgl. an einem Konzept basteln/ tüfteln/ feilen. Um verbale Selektionspräferenzen bzw. die Verbinterpretation eingehender zu untersuchen (Teilfrage (iii) ), wurden zwei Ansätze implementiert. Einerseits wurden distributionelle Methoden eingesetzt, um die Verbverwendungen in der an-Konstruktion und in der transitiven Struktur zu vergleichen. Die um transitive Verbverwendungen erweiterte Clusteranalyse sowie die Berechnung der Kosinusdistanz zwischen den einzelnen Verbvarianten ergaben, dass sich die verbalen Selektionspräferenzen je nach Struktur unterscheiden. Dabei gibt es auf der einen Seite die Verben malen und schreiben, die mit ähnlichen Nomen in den beiden Strukturen vorkommen. Auf der anderen Seite gibt es die Verben feilen und schleifen mit einer komplementären Nomenverteilung, wobei in der an-Konstruktion ausschließlich abstrakte und in der transitiven Struktur konkrete Nomen vorkommen. Zwischen den beiden Polen befinden sich die Verben basteln und stricken, die konkrete (eine/ an einer Laterne basteln) und abstrakte Verwendungen (ein/ an einem Konzept basteln) in den beiden Strukturen aufweisen. Die transitive Verbverwendung ist jedoch nicht immer mit einer metaphorischen Lesart kompatibel, vgl. *die/ an der Rückkehr <?page no="212"?> Zusammenfassung 212 basteln. Andererseits wurde eine Annotation der Verbinterpretation auf semantischer Ebene vorgenommen. Für eine Auswahl der Kreations- und Konsumverben wurden ihre Verwendungen in der atelischen an-Konstruktion, in der transitiven und in der intransitiven Struktur als wörtlich (konkret) bzw. nicht-wörtlich (metaphorisch) annotiert. Es zeigte sich ein Unterschied im Anteil der metaphorischen Verbinterpretation in den untersuchten Strukturen: In der an-Konstruktion werden die Verben häufiger metaphorisch interpretiert als in der transitiven Struktur, während die intransitiven Verbverwendungen fast ausschließlich nicht-metaphorisch sind. Auch hier wurden verbspezifische Unterschiede festgestellt. So werden z. B. die Kreationsverben schreiben und bauen in der an-Konstruktion und in der transitiven Struktur hauptsächlich wörtlich interpretiert, während basteln, stricken und weben in der an-Konstruktion häufiger metaphorisch verwendet werden als in der transitiven Struktur. Die hier wiederholte Ausgangsfrage (II) semantische Modellierung umfasst drei Teilfragen, die die Kernannahmen einer semantischen Analyse auf den Punkt bringen. (II) Forschungsfrage-- Theorie: semantische Modellierung Wie ist die atelische an-Konstruktion semantisch zu analysieren? (i) Durch welche Generalisierung wird die Distribution der an-Konstruktion erfasst? (ii) Welche Bedeutung hat die Präposition an in der atelischen an-Konstruktion? (iii) Wie wird die Relation zwischen der transitiven Verbverwendung und der präpositionalen an-Konstruktion modelliert? Welchen Status haben atelische an-Phrasen? Die hier vorgestellte Modifikatoranalyse atelischer an-Phrasen basiert auf drei Grundannahmen. Erstens werden atelische an-Phrasen als ereignisinterne Modifikatoren erfasst (Maienborn 1996, 2001, 2003b), die eine verbnahe Position einnehmen und einen indirekten Bezug zum verbalen Ereignisargument herstellen (Teilfrage (iii) ). Demnach stellen atelische an-Phrasen eine Relation zwischen ihrem internen Argument und einer freien Variable her, die als integraler Bestandteil des Ereignisses ausgewiesen und auf konzeptueller Ebene erschlossen wird. Zweitens wird das atelische an wie andere Präpositionen als ein bedeutungshaltiges, relationales Element analysiert (Teilfrage (ii) ). Atelische an-Phrasen führen eine unterspezifizierte boundary-Relation ein und fokussieren einen Grenzbereich des Referenzobjekts (Carstensen 2000, 2001, 2015). Die boundary-Relation verbindet das interne Argument von an und eine Entität, die auf konzeptueller Ebene aus dem verbalen Ereignis erschlossen wird. Die boundary-Relation ist unterspezifiziert und kann, in Abhängigkeit von Kontext und Weltwissen, als Nähe (das Haus <?page no="213"?> Zusammenfassung 213 am Meer), als Kontakt zwischen zwei Objekten (das Bild an der Wand) oder als eine Teil-von-Relation (die Ohren am Kopf, am Rand der Straße) interpretiert werden. Der ereignisinterne Bezug von atelischen an-Phrasen schränkt die Interpretation der boundary-Relation als Kontakt oder Teil-von ein. Es wurde dafür argumentiert, dass die boundary-Relation sortal nicht festgelegt ist und sowohl konkrete als auch abstrakte Objekte verbinden kann. Als Randbereich eines abstrakten Objekts werden seine nicht-essenziellen Aspekte konzeptualisiert. Drittens werden atelische an-Phrasen als Modifikatoren von einstelligen Verbvarianten analysiert. Diese Annahme basiert auf der Generalisierung der optionalen Zweistelligkeit (Teilfrage (i) ). Einstellige Verbvarianten erhalten aus unabhängigen Gründen eine atelische Interpretation, da im einstelligen Gebrauch die Tätigkeitskomponente in der Verbbedeutung fokussiert wird (Rapp 1997). Zusammengefasst werden atelische an-Phrasen als Modifikatoren von einstelligen Verbvarianten analysiert, die die Tätigkeitskomponente in der Verbbedeutung fokussieren. Atelische an-Phrasen führen eine boundary-Relation ein, die zwischen dem internen Argument von an und einer Entität besteht, die ein integraler Bestandteil des verbalen Ereignisses ist und auf konzeptueller Ebene erschlossen wird. Die Anwendung der Modifikatoranalyse von an-Phrasen wurde an drei Phänomenen illustriert: atelische Interpretation von inkrementellen Kreations- und Konsumverben, lokale Interpretation von Konsumverben und metaphorische Verbinterpretation in der an-Konstruktion. Bei inkrementellen Kreations- und Konsumverben (an einem Bild malen, an einem Apfel essen) wird die auf konzeptueller Ebene erschlossene Entität als inkrementelles Thema des verbalen Ereignisses interpretiert. Bei gleichzeitiger Festlegung der boundary-Relation als eine Teil-von-Relation entsteht die Interpretation, dass ein Teil der durch die an-Phrase eingeführten Entität inkrementell konsumiert bzw. hergestellt wird. Die atelische Interpretation des Gesamtausdrucks ergibt sich ohne Zusatzannahmen, da an-Phrasen sich mit Activity-Verbvarianten verbinden und keinen Einfluss auf den Ereignistyp haben. Die Interpretationsflexibilität von Konsumverben wurde durch die Annahme von drei Verbtypen erfasst, die je nach syntaktischer Konfiguration (an-Konstruktion bzw. transitiver Gebrauch) einen Verzehr implizieren. Der jeweilige Verbtyp legt fest, wie die freie Variable auf konzeptueller Ebene spezifiziert wird. Inkrementelle Konsumverben wie essen oder fressen implizieren Verzehr, und zwar unabhängig von der syntaktischen Struktur. Die inferierte Entität wird als inkrementelles Thema des Konsum-Ereignisses festgelegt. Bei manner-Verben wie kauen oder lutschen wird die Verzehr-Lesart hingegen als eine Implikatur modelliert. Die freie Variable wird mit der salienten manner-spezifischen Ereigniskomponente identifiziert, wie etwa mit den Zähnen des Subjektreferenten beim Verb kauen. Verben wie knabbern weisen ein variables, strukturabhängiges Verhalten auf, das durch zwei Lexikoneinträge <?page no="214"?> Zusammenfassung 214 erfasst wird. Die transitive knabbern-Variante wird als inkrementelles Konsumverb analysiert, das die Verzehr-Lesart impliziert. In der an-Konstruktion kommt hingegen die manner-Variante von knabbern vor, bei der die Verzehr-Interpretation eine pragmatische Auflage ist. Die Interpretationsvariabilität bei Konsumverben wird also einerseits durch die Unterschiede in der lexikalisch-semantischen Struktur der Verben und andererseits durch die Integration des konzeptuellen Wissens in die Bedeutungskomposition erklärt. Die metaphorische Verbinterpretation in der an-Konstruktion wurde dadurch erfasst, dass ein sortaler Konflikt eine Uminterpretation des Verbs auslöst. Wenn das Nomen in der an-Phrase auf eine abstrakte Entität referiert, wie z. B. in Mia bastelt an einem Konzept, muss die auf konzeptueller Ebene erschlossene Entität ebenfalls abstrakt sein, damit die boundary-Relation hergestellt werden kann. Beim inkrementellen Kreationsverb basteln wird die freie Variable zunächst als inkrementelles Thema eines handwerklichen Bastel-Ereignisses spezifiziert. Ein sortaler Konflikt entsteht zwischen einem abstrakten Objekt (Konzept) und einem konkreten Objekt (das inferierte inkrementelle Thema des Bastel-Ereignisses), da zwischen zwei inkompatiblen Typen keine Grenzbereichsrelation bestehen kann. Der sortale Konflikt löst eine metaphorische Uminterpretation des Verbs aus. Das Verb basteln wird im Sinne von ‚an etwas arbeiten/ tüfteln‘ interpretiert: Die mentale Tätigkeit führt dazu, dass ein Konzept entsteht, und das inkrementelle Thema eines mentalen Ereignisses wird als Teil des informationellen Objekts integriert. Die Analyse von an-Phrasen als Modifikatoren von einstelligen Verbvarianten basiert auf empirischen Befunden und erfasst die atelische Interpretation des Gesamtausdrucks ohne Zusatzannahmen. Sie bietet zudem die erforderliche Generalisierungsebene, um die Distribution der an-Konstruktion zu erfassen. Dass die atelische an-Konstruktion bei einer ganzen Reihe von einstellig verwendbaren Verben möglich ist, wird durch die Anforderungen des Modifikators erfasst. Empirisch nachgewiesene Unterschiede im Selektionsverhalten der Verben sind mit dem Modifikatoransatz kompatibel, da die Referenten des Akkusativobjekts und der an-Phrase unterschiedlich in das verbale Ereignis eingebunden werden. Die Modifikatoranalyse, die durch die Einführung der freien Variable das konzeptuelle Wissen in die Bedeutungskomposition einbezieht, deckt die interpretatorische Flexibilität ab und erlaubt eine einheitliche Behandlung von mehreren Phänomenen. Sie liefert zudem eine grammatische Begründung für den Befund, dass die Verben in der präpositionalen an-Konstruktion häufiger metaphorisch verwendet werden als in der transitiven Struktur. In der transitiven Verwendung besteht ein direktes Selektionsverhältnis zwischen dem Verb und dem Referenten des Akkusativobjekts, das das verbale Thema-Argument realisiert. In der an-Konstruktion hingegen besteht kein direktes Selektionsverhältnis zwischen dem Verb und dem internen Argument von an. Die Indirektheit der Relation zwischen der durch an eingeführten Entität und dem verbalen Ereignis lässt einen größeren interpretatorischen Spielraum zu. <?page no="215"?> Zusammenfassung 215 Die theoretischen Überlegungen und die empirische Vorgehensweise in der vorliegenden Arbeit können auf andere Phänomene übertragen werden. Weiterhin kann das Inventar von empirischen Methoden bei der korpusbasierten Untersuchung anderer vergleichbarer Verbverwendungen angewendet werden. Die Modifikatoranalyse von an-Phrasen hat Folgen für die theoretische Modellierung von anderen vermeintlichen Alternationen, bei denen die Präpositionalphrase als Pendant zum Akkusativobjekt gesehen werden kann. Hier stellt sich letztendlich die Frage, ob diese wirklich als Alternationen in der Argumentstruktur der Verben zu analysieren sind. Die hier vorgestellten empirischen und theoretischen Überlegungen zu den nicht-wörtlichen Verbverwendungen tragen schließlich dazu bei, die metaphorische Verbinterpretation und den Zusammenhang mit der syntaktischen Realisierung in den Fokus der Forschung zu rücken. <?page no="216"?> Zusammenfassung 216 <?page no="217"?> Literatur 217 LITERATUR Ágel, Vilmos (2017): Grammatische Textanalyse: Textglieder, Satzglieder, Wortgruppenglieder. Berlin/ Boston: De Gruyter. Ágel, Vilmos/ Fischer, Klaus (2010): Dependency grammar and valency theory. In: Heine, Bernd/ Narrog, Heiko (Hg.): The Oxford handbook of linguistic analysis. 2.-Aufl. (=-Oxford handbooks in linguistics). Oxford u. a.: Oxford University Press, S.-223-255. Ágel, Vilmos/ Eichinger, Ludwig M./ Eroms, Hans-Werner/ Hellwig, Peter/ Heringer, Hans Jürgen/ Lobin, Henning (Hg.) 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Berlin/ New York: De Gruyter. <?page no="229"?> Anhang 229 ANHANG Annotation der Verbverwendungen Dieser Abschnitt gibt eine Übersicht darüber, nach welchen Kriterien die Verbverwendungen in den Korpusstudien in Kapitel-4 annotiert werden. Die verbalen Treffer werden in die folgenden vier Kategorien eingeteilt: atelische an-Konstruktion, Fehltreffer, transitive, intransitive sowie sonstige Strukturen. Die folgenden Annotationsrichtlinien dienen dazu, die Vorgehensweise nachvollziehbar und die Ergebnisse replizierbar zu machen. Die Annotation der verbalen Argumentstruktur kann je nach Theorie und Studie variieren und unterschiedliche Granularitätsstufen einnehmen. Hier wird die Strategie verfolgt, die (in)transitiven Verbverwendungen möglichst streng zu definieren. Grundsätzlich werden nur einfache (in)transitive Strukturen als relevant betrachtet. Der hier gewählte Umgang mit Idiomen besteht darin, die Verbvorkommen in Idiomen pauschal als sonstige Verbverwendungen zu behandeln. Den Vorrang hat dabei der idiomatische Status eines Ausdrucks und nicht die verbale Argumentstruktur. Atelische an -Konstruktion Als Instanzen der atelischen an-Konstruktion werden atelische Verbverwendungen mit einer an-Phrase gewertet, in denen die an-Phrase eine verbnahe Position einnimmt. An-Phrasen mit ausschließlich lokaler Interpretation, die z. B. bei den Verben kratzen, rupfen oder zupfen entsteht, werden in die Datensammlung nicht aufgenommen. Wenn die an-Konstruktion zugleich Teil einer Redewendung ist, deren Bestandteile sich auch auf die Verbalphrase beziehen, wird die Kategorie „Verbverwendungen in sonstigen Strukturen“ vergeben. Dies ist bei Redewendungen wie am Hungertuch nagen oder an etwas mit heißer Nadel stricken der Fall. Die idiomatische Nominalphrase der Zahn der Zeit wird hingegen nicht ausgeschlossen, da sich die übertragene Bedeutung am nominalen Ausdruck und nicht am Verb manifestiert. Die Idiome werden konsequenterweise auch bei anderen syntaktischen Konfigurationen auf diese Weise behandelt. Der Umgang mit Idiomen ist unter „Verbverwendungen in sonstigen Strukturen“ weiter unten beschrieben. Fehltreffer Als Fehltreffer werden solche Verbtreffer annotiert, die nicht das gesuchte Verb enthalten. Die Suchabfrage, die für die Erstellung der Verbsamples benutzt wurde, enthält nur das Verblemma, z. B. [lemma = “basteln”] . Ein Fehltreffer liegt dann vor, wenn durch die Suchabfrage eine andere Wortart oder ein anderes Verb gefunden werden. Die Annotation von Fehltreffern erlaubt, den Fehlerkoeffizient zu berechnen, der als Korrektur für die Gesamtfrequenz der Verben dient. Die Fehltreffer-Kategorie wird in den folgenden Fällen vergeben. Das Suchlemma ist Teil eines Partikelverbs, vgl. (A.1). (A.1) schreiben … auf, schreiben … aus, schreiben … herum <?page no="230"?> Anhang 230 Das Suchlemma ist ein Partizip-II, das als flektiertes Adjektiv verwendet wird, vgl. (A.2). (A.2) die geschriebenen Bücher Das Suchlemma ist ein Nomen, vgl. (A.3), eine Abkürzung, vgl. (A.4), ein Eigenname bzw. ein Teil davon, vgl. (A.5), oder ein Wort aus einer anderen Sprache, vgl. (A.6). Oder wenn ein Treffer aufgrund eines Rechtschreibfehlers falsch lemmatisiert ist, vgl. (A.7). (A.3) in die Fresse Lemma fressen (A.4) NÜRNBERG (ass) Lemma essen (A.5) Las Vegas Lemma lesen (A.6) strikes back Lemma backen (A.7) kaut Polizei Lemma kauen Ein Fehltreffer liegt auch dann vor, wenn die Suchabfrage ein homonymes Verb liefert. Die Entscheidung, ob es sich um ein Verb oder zwei verschiedene Verben handelt, wird basierend auf den Einträgen in Duden-Online getroffen. 110 Zwei Verben mit gleichem Lemma werden dann als unterschiedliche Prädikate behandelt, wenn für jedes Verb ein eigenständiger Lexikoneintrag bei Duden-Online vorgesehen ist. In (A.8) sind Verbpaare gelistet, die in dieser Arbeit als Homonyme und folglich als verschiedene Verben behandelt werden. Die Korpusbelege in (A.9)-(A.10) illustrieren die dialektalen Verbverwendungen, die zur falschen Lemmatisierung von sagen bzw. essen führen. (A.8) spinnen/ spannen, schleifen (schwaches Verb)/ schleifen (starkes Verb), lecken (mit der Zunge berühren oder konsumieren)/ lecken (im Sinne von ‚undicht sein‘), sägen/ sagen, essen/ sein (A.9) Wer säget sie, fröget denn d Frau Alder. Lemma sägen (St. Galler Tagblatt, 4.4.1998) (A.10) Dess iss net die fein rheinisch Art. Lemma essen (Frankfurter Rundschau, 15.3.1997) Transitive Verbverwendungen Als transitive Verbverwendungen werden grundsätzlich nur einfache transitive Strukturen betrachtet. Verbalphrasen im Aktiv, Vorgangspassiv und Zustandspassiv werden in die Analyse aufgenommen, vgl. (A.11). (A.11a) Ich baue ein Haus. (A.11b) Das Cabrio wird (von VW) gebaut. (A.11c) Das Cabrio ist schön gebaut. 110 www.duden.de (Stand: 24.3.2022). <?page no="231"?> Anhang 231 Zusätzlich zu den einfachen transitiven Verbverwendungen werden die folgenden komplexen transitiven Verbverwendungen in die Datensammlung aufgenommen: Sätze mit einer als- Phrase wie in (A.12), mit einer instrumentalen mit-Phrase wie in (A.13), mit einer benefaktiven für-Phrase wie in (A.14), mit einer aus/ von-Phrase mit Quellenbedeutung wie in (A.15) sowie Sätze mit einer nach-Phrase mit der Bedeutung ‚Vorlage‘ wie in (A.16). (A.12) Mia hat ihre Bücher gezielt als Bestseller geschrieben. (A.13) Mia schreibt einen Brief mit einem Stift. (A.14) Mia strickt für Charlie einen Pullover. (A.15a) Die Kinder basteln kleine Bauwerke aus Legosteinen. (A.15b) Die Frucht kann direkt von der Staude genascht werden. (A.16) etwas nach einer Vorlage/ nach dem gleichen Muster basteln/ stricken Andere komplexe transitive Verbverwendungen, die weitere argumenthafte Phrasen oder einen Akkusativobjektsatz enthalten, werden als Verbverwendungen in sonstigen Strukturen gewertet. Als sonstige Strukturen werden ebenfalls transitive Sätze bewertet, in denen die Verbalphrase als Bestandteil eines idiomatischen Ausdrucks vorkommt (siehe unten). Intransitive Verbverwendungen Als eine intransitive Verbverwendung wird der einstellige Verbgebrauch im Aktiv und Passiv gewertet, vgl. (A.17). (A.17a) Wir basteln. (A.17b) Es wird gebastelt. Entweder wird gebastelt oder gemalt. Intransitive Verbverwendungen liegen oft bei Aufzählungen wie in (A.18) vor. (A.18a) Die Kinder malen, basteln, töpfern. (A.18b) Malen, basteln, töpfern, Vogelhäuschen bauen … Einstellige Verbverwendungen mit unpersönlichem es wie in (A.19) werden ebenfalls als intransitiv gewertet. (A.19) Angeblich quäkt, gluckst und nuckelt es unter deutschen Dächern immer öfter. (Braunschweiger Zeitung, 31.5.2007) Intransitive Verbverwendungen, die als Bestandteil eines idiomatischen Ausdrucks vorkommen, werden als „Verbverwendungen in sonstigen Strukturen“ gewertet. Verbverwendungen in sonstigen Strukturen Die Kategorie „Verbverwendungen in sonstigen Strukturen“ umfasst solche Verbtreffer, bei denen es sich zwar um das gesuchte Verb handelt (keine Fehltreffer), aber nicht um eine Verwendung des Verbs in der an-Konstruktion oder in der (in)transitiven Struktur. <?page no="232"?> Anhang 232 Als „Verbverwendungen in sonstigen Strukturen“ werden folgende Fälle gewertet: - Unvollständige Sätze wie in (A.20), sofern erkennbar ist, dass es sich um ein Verb handelt. (A.20) Arbeitszeit zehn Prozent kürzen (Tages-Anzeiger, 8.11.1996) - Belege ohne finites Verb wie in (A.21): Das Zielverb ist als Infinitiv oder Partizip in Prädikativfunktion realisiert, das finite Hilfsverb fehlt. (A.21) Frisch poliert und neu verkabelt zwar, aber Original-DDR. (Berliner Zeitung, 8.1.1998) - Sätze, in denen die Funktion der an-Phrase nicht eindeutig bestimmt werden kann. Die an-Phrase in (A.22) ist ambig zwischen der ereignisexternen lokalen Lesart und der Verwendung in der atelischen an-Konstruktion. (A.22) Dann gehen sie schwimmen oder segeln oder basteln an der Laube hinter dem Haus, das die Familie vor sieben Jahren gebaut hat. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.5.1999) - Passivähnliche Strukturen werden als sonstige Verbverwendungen behandelt. Es handelt sich dabei um reflexive Konstruktionen mit lassen wie in (A.23), Sätze mit einem modalen Infinitiv wie in (A.24) vom Typ etwas ist zu machen, es gibt genug/ nichts mehr zu tun, etwas ist irgendwie zu tun sowie um Sätze mit einem bekommen/ kriegen-Passiv. (A.23a) Es lässt sich gemütlich nuckeln. (A.23b) Das Bündnis lässt sich fester schmieden. (A.24) Die ist eigentlich einfach zu kurieren. (Frankfurter Rundschau, 27.12.1997) - Adjektivähnliche Strukturen wie in (A.25), die die Verben scheinen/ wirken/ stehen in Kombination mit einem Partizip II enthalten, werden als sonstige Verbverwendungen behandelt. (A.25) Auch „Saurier-Sterben“ scheint nach dem Handbuch vom hässlichen Deutschland gestrickt. (Tages-Anzeiger, 1.12.1997) - Verbverwendungen mit einem Akkusativobjektsatz ohne Korrelat, vgl. (A.26), sowie in Dialekt-Aussagen, vgl. (A.27), werden als sonstige Strukturen gewertet. (A.26) Er schreibt, was er schon immer schreiben wollte. (A.27) Arik Brauer würde sagen: „Sie ham a Haus baut“. (Kleine Zeitung, 20.1.1999) <?page no="233"?> Anhang 233 Komplexe (in)transitive Verbverwendungen werden als „Verbverwendungen in sonstigen Strukturen“ gewertet. Grund dafür ist, dass in solchen komplexen Strukturen die Verben anders interpretiert werden und teilweise andere semantische Restriktionen bezüglich der Verbargumente bestehen. Folgende komplexe Strukturen werden als Sonstiges gewertet. - Transitive Verbverwendungen mit einem freien Dativ wie in (A.28), denn möglicherweise hat der freie Dativ Einfluss auf die metaphorische Verbinterpretation, die er begünstigt, vgl. ? ein Problem basteln vs. sich ein Problem basteln. (A.28) Wir haben uns hier ein Problem gebastelt. - Verbverwendungen in Resultativkonstruktionen mit einer Adjektivphrase, vgl. (A.29), oder einer Präpositionalphrase, vgl. (A.30). (A.29a) sich gesund kauen (A.29b) die Finger wund lecken (A.30) sich ins Freie nagen - Verbverwendungen mit direktionalen Präpositionalphrasen, die sowohl das direkte Objekt begleiten können, vgl. (A.31), als auch bei einstellig verwendeten Verben vorkommen, vgl. (A.32). (A.31a) einen Satz in das Buch kritzeln (A.31b) ein Loch ins Gehäuse sägen (A.32a) in einstiges Waldgebiet bauen (A.32b) auf die Tafel kritzeln Diese Präpositionalphrasen fungieren als direktionales Komplement bei kausativen Verbverwendungen (Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997, S.-1102 f.). Hinzu kommt, dass die Kreationslesart von Kreationsverben in einer direktionalen Konstruktion ausgeblendet werden kann. In (A.33) wird das Verb basteln als kausatives Positionsverb verwendet. Der Satz erhält die Interpretation, dass ein schon existierendes Objekt irgendwo angebracht wird. (A.33) Die Familie hat eine Garage an das Haus gebastelt. - Verbverwendungen mit einer um-Phrase wie in (A.34), die eine Story-Lesart evoziert (man kann Geschichten und keine Socken um jemanden oder etwas stricken). In dieser Lesart kommen die Verben stricken, weben und spinnen vor. (A.34) Mia hat eine Geschichte um den Protagonisten gestrickt. - Verbverwendungen mit einer Präpositionalphrase wie in (A.35), die mit anderen Präpositionalphrasen oder mit dem direkten Objekt alterniert. (A.35a) von etwas naschen/ essen/ trinken (A.35b) über/ nach etwas tüfteln (A.35c) über/ zu/ nach etwas forschen (A.35d) auf etwas kauen <?page no="234"?> Anhang 234 Verbtreffer, die als verbaler Bestandteil einer Redewendung vorkommen, werden als „sonstige Strukturen“ eingestuft. Diese Einordnung wird unabhängig davon vorgenommen, welche syntaktische Konfiguration beim Verb vorliegt. Ein Beispiel dazu: Der Ausdruck mit heißer Nadel stricken ist als Idiom einzustufen. Sowohl die präpositionale (mit heißer Nadel an dem Entwurf stricken) als auch die transitive Idiom-Variante (mit heißer Nadel den Entwurf stricken) werden als Verbverwendungen in sonstigen Strukturen gewertet. Als Kriterium für die Einordnung eines Ausdrucks als Redewendung dient ein entsprechender Vermerk in den Online-Wörterbüchern Wiktionary (Position „Redewendungen“) bzw. Duden-Online (Positionen „Wendungen“, „Redensarten“, „Sprichwörter“). Die nachfolgende Liste der Redewendungen ist exhaustiv und enthält alle idiomatischen Ausdrücke, die in den Verbsamples belegt sind. Die Redewendungen sind fast ausschließlich den Einträgen für die jeweiligen Verben entnommen. In manchen Fällen ist die Redewendung nicht beim Verb, sondern beim Nomen vermerkt. In der Idiom-Liste ist das dadurch gekennzeichnet, dass das jeweilige Nomen unterstrichen ist. Die Form der Redewendung entspricht dem Eintrag in Wiktionary bzw. in Duden-Online (abgerufen im Januar-Februar 2020). Die Liste der Redewendungen ist nach den Verben alphabetisch sortiert. Durch die Fettsetzung sind Idiome markiert, die in den hier untersuchten Samples in der an-Konstruktion belegt sind. - einen Unfall bauen - auf Sand gebaut haben - dicke Bretter bohren - der Käse ist gegessen - jemandem etwas am Zeug flicken - einen Narren an jemandem gefressen haben - Kreide fressen - in der Not frisst der Teufel Fliegen - aus dem Blechnapf fressen - Friss(, Vogel,) oder stirb - die Weisheit mit Löffeln gefressen haben - fressen oder gefressen werden - die Großen fressen die Kleinen - Kilometer fressen - die Revolution frisst ihre eigenen Kinder - wo gehobelt wird, fallen Späne - an etwas zu kauen haben 111 - Blut lecken - seine Wunden lecken - sich die Finger lecken (nach jemandem/ etwas) - leck mich am Arsch - wie geleckt aussehen - der Drops ist gelutscht - etwas in düsteren Farben malen - den Teufel an die Wand malen - in Stein gemeißelt sein 111 In den hier analysierten Daten ist dieses Idiom auch mit anderen Verben belegt, vgl. an etwas zu schlucken/ zu knabbern/ zu löffeln haben. Das Verb kann auch intransitiv verwendet werden, vgl. Die Nahrungsmittelindustrie hat zu knabbern. <?page no="235"?> Anhang 235 - am Hungertuch nagen - etwas auf Kante nähen - Doppelt genäht hält besser - jemandem die Fresse polieren - den Aufstand proben - Süßholz raspeln - an jemandes Stuhl sägen 112 - den Ast absägen, auf dem man sitzt - auf der Geige sägen - aus etwas Honig saugen - sich etwas aus den Fingern saugen - man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist - aus dem gleichen Holz geschnitzt sein - (schwarze/ rote) Zahlen schreiben - sich etwas auf die Fahne schreiben - falsch gestrickt sein 113 - mit heißer Nadel gestrickt 114 Zudem wurden drei Ausdrücke, die in Wiktionary und in Duden-Online nicht vermerkt sind, als Idiome ausgewertet: Der Wolf frisst in der Nacht, leben und weben und dafür muss eine alte Frau lange stricken, vgl. die Korpusbeispiele in (A.36). Bei (A.36a) erschließt sich aus dem Kontext, dass es sich um eine Redewendung mit dem Verb fressen handelt. (A.36a) „Der Wolf frisst in der Nacht“, zitiert er eine albanische Redensart. (Tages-Anzeiger, 30.6.1997). (A.36b) Draußen erinnert eine Marmorplakette mit gesetzten Worten an den Nobelpreisträger, der hier im Schatten des Riesengebirges lebte und webte. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.1.1997) (A.36c) Damit kommen wir von der „notwendigen“ Neiddiskussion über Harz-IV-Bezüge und über Mindestlöhne zur „widerlichen“ Neiddiskussion über Managergehälter. Auf jeden Fall müsste eine Harz-IV-Empfängerin lange stricken, um die Summe unberechtigt zu beziehen, die unberechtigt an Boni gezahlt, an Steuern hinterzogen oder an Banken verschenkt werden. (Braunschweiger Zeitung, 25.2.2010) 112 Das Nomen in der an-Phrase ist variabel, vgl. am Stuhl/ Sessel/ Thron sägen. 113 Dieser Ausdruck kann zu der Bedeutung ‚irgendwie gestrickt sein‘ generalisiert werden. 114 Das Verb nähen ist hier ebenfalls möglich. <?page no="237"?> Studien zur Deutschen Sprache Forschungen des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache herausgegeben von Arnulf Deppermann, Stefan Engelberg, Andreas Witt und Angelika Wöllstein Aktuelle Bände: Frühere Bände finden Sie unter: http: / / www.narr-shop.de/ reihen/ s/ studien-zurdeutschen-sprache.html 55 Annette Klosa (Hrsg.) elexiko Erfahrungsberichte aus der lexikografischen Praxis eines Internetwörterbuchs 2011, 211 Seiten €[D] 72,- ISBN 978-3-8233-6599-0 56 Antje Töpel Der Definitionswortschatz im einsprachigen Lernerwörterbuch des Deutschen Anspruch und Wirklichkeit 2011, 432 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-8233-6631-7 57 Ludwig M. Eichinger / Albrecht Plewnia / Melanie Steinle (Hrsg.) Sprache und Integration Über Mehrsprachigkeit und Migration 2011, 253 Seiten €[D] 72,- ISBN 978-3-8233-6632-4 58 Inken Keim / Necmiye Ceylan / Sibel Ocak / Emran Sirim Heirat und Migration aus der Türkei Biografische Erzählungen junger Frauen 2012, 343 Seiten €[D] 49,- ISBN 978-3-8233-6633-1 59 Magdalena Witwicka-Iwanowska Artikelgebrauch im Deutschen Eine Analyse aus der Perspektive des Polnischen 2012, 230 Seiten €[D] 72,- ISBN 978-3-8233-6703-1 60 Kathrin Steyer (Hrsg.) Sprichwörter multilingual Theoretische, empirische und angewandte Aspekte der modernen Parömiologie 2012, 470 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-8233-6704-8 61 Ludwig M. Eichinger / Albrecht Plewnia / Christiane Schoel / Dagmar Stahlberg (Hrsg.) Sprache und Einstellungen Spracheinstellungen aus sprachwissenschaftlicher und sozialpsychologischer Perspektive. Mit einer Sprachstandserhebung zum Deutschen von Gerhard Stickel 2012, 370 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-8233-6705-5 62 Heiko Hausendorf / Lorenza Mondada / Reinhold Schmitt (Hrsg.) Raum als interaktive Ressource 2012, 400 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-8233-6706-2 <?page no="238"?> 63 Annette Klosa (Hrsg.) Wortbildung im elektronischen Wörterbuch 2013, 279 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-8233-6737-6 64 Reinhold Schmitt Körperlich-räumliche Aspekte der Interaktion 2013, II, 334 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-8233-6738-3 65 Kathrin Steyer Usuelle Wortverbindungen Zentrale Muster des Sprachgebrauchs aus korpusanalytischer Sicht 2014, II, 390 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-8233-6806-9 66 Iva Kratochvílová / Norbert Richard Wolf (Hrsg.) Grundlagen einer sprachwissenschaftlichen Quellenkunde 2013, 384 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-8233-6836-6 67 Katrin Hein Phrasenkomposita im Deutschen Empirische Untersuchung und konstruktionsgrammatische Modellierung 2015, 510 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-8233-6921-9 68 Stefan Engelberg / Meike Meliss / Kristel Proost / Edeltraud Winkler (Hrsg.) Argumentstruktur zwischen Valenz und Konstruktion 2015, 497 Seiten €[D] 128,- ISBN 978-3-8233-6960-8 69 Nofiza Vohidova Lexikalisch-semantische Graduonymie Eine empirisch basierte Arbeit zur lexikalischen Semantik 2016, ca. 340 Seiten €[D] 128,- ISBN 978-3-8233-6959-2 70 Marek Konopka / Eric Fuß Genitiv im Korpus Untersuchungen zur starken Flexion des Nomens im Deutschen 2016, 283 Seiten €[D] 108,- ISBN 978-3-8233-8024-5 71 Eva-Maria Putzier Wissen - Sprache - Raum Zur Multimodalität der Interaktion im Chemieunterricht 2016, 282 Seiten €[D] 108,- ISBN 978-3-8233-8032-0 72 Heiko Hausendorf / Reinhold Schmitt / Wolfgang Kesselheim Interaktionsarchitektur, Sozialtopographie und Interaktionsraum 2016, 452 Seiten €[D] 138,- ISBN 978-3-8233-8070-2 73 Irmtraud Behr / Anja Kern / Albrecht Plewnia / Jürgen Ritte (Hrsg.) Wirtschaft erzählen Narrative Formatierungen von Ökonomie 2017, 278 Seiten €[D] 108,- ISBN 978-3-8233-8072-6 74 Arnulf Deppermann / Nadine Proske / Arne Zeschel (Hrsg.) Verben im interaktiven Kontext Bewegungsverben und mentale Verben im gesprochenen Deutsch 2017, 494 Seiten €[D] 128,- ISBN 978-3-8233-8105-1 <?page no="239"?> 75 Nadine Schimmel-Fijalkowytsch Diskurse zur Normierung und Reform der deutschen Rechtschreibung Eine Analyse von Diskursen zur Rechtschreibreform unter soziolinguistischer und textlinguistischer Perspektive 2017, 404 Seiten €[D] 128,- ISBN 978-3-8233-8106-8 76 Eric Fuß / Angelika Wöllstein (Hrsg.) Grammatiktheorie und Grammatikographie 2018, 265 Seiten €[D] 108,- ISBN 978-3-8233-8107-5 77 Jarochna D ą browska-Burkhardt / Ludwig M. Eichinger / Uta Itakura (Hrsg.) Deutsch: lokal - regional - global 2017, 474 Seiten €[D] 138,- ISBN 978-3-8233-8132-7 78 Karoline Kreß Das Verb machen im gesprochenen Deutsch Bedeutungskonstitution und interaktionale Funktionen 2017, 396 Seiten €[D] 128,- ISBN 978-3-8233-8153-2 79 Kathrin Steyer (Hrsg.) Sprachliche Verfestigung Wortverbindungen, Muster, Phrasem- Konstruktionen. 2018, 350 Seiten €[D] 118,- ISBN 978-3-8233-8216-4 80 Eric Fuß / Marek Konopka Grammatik im Korpus Korpuslinguistisch-statistische Analysen morphosyntaktischer Variationsphänomene 2019, 357 Seiten €[D] 128,- ISBN 978-3-8233-8257-7 81 Patrick Brandt Discomposition Redressed Hidden Change, Modality, and Comparison in German 2019, 304 Seiten €[D] 118,- ISBN 978-3-8233-8243-0 82 Christian Lang, Roman Schneider, Horst Schwinn, Karolina Suchowolec, Angelika Wöllstein (Hrsg.) Grammatik und Terminologie Beiträge zur ars grammatica 2017 2020, 264 Seiten €[D] 108,- ISBN 978-3-8233-8293-5 83 Swantje Westpfahl POS-Tagging für Transkripte gesprochener Sprache Entwicklung einer automatisierten Wortarten- Annotation am Beispiel des Forschungs- und Lehrkorpus Gesprochenes Deutsch (FOLK) 2020, 418 Seiten €[D] 118,- ISBN 978-3-8233-8361-1 84 Jutta M. Hartmann / Angelika Wöllstein (Hrsg.) Propositionale Argumente Theorie und Empirie In Vorb., ca. 300 Seiten €[D] ca. 128,- ISBN 978-3-8233-8410-6 85 Markus Hundt / Andrea Kleene (Hrsg.) Regiolekte Objektive Sprachdaten und subjektive Sprachwahrnehmung 2020, 460 Seiten €[D] 118,- ISBN 978-3-8233-8317-8 86 Ekaterina Laptieva Atelische an-Konstruktion Eine korpusbasierte Modifikatoranalyse 2022, 236 Seiten €[D] 108,- ISBN 978-3-8233-8542-4 <?page no="240"?> In der atelischen an-Konstruktion im Deutschen treten die Verben mit einer an-Präpositionalphrase auf (an etwas malen/ essen/ basteln). Basierend auf Korpusdaten wird in diesem Band gegen die verbreitete Alternationsanalyse der an-Konstruktion als präpositionales Pendant der transitiven Verbverwendung argumentiert. Stattdessen werden an-Phrasen als ereignisinterne Modifikatoren von einstelligen Activity-Verbvarianten analysiert, die eine in der lokalen Bedeutung der Präposition wurzelnde boundary-Relation einführen. Aus empirischer Perspektive wird ein Inventar von korpusbasierten Methoden und Maßen für die Untersuchung von (vermeintlichen) Argumentalternationen vorgestellt. Schließlich wird der bisher wenig beachtete Zusammenhang von Argumentrealisierung und Metaphernbildung diskutiert. Die Arbeit wurde mit dem Wilhelm von Humboldt Preis des Jahres 2022 der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft (DGfS) ausgezeichnet. ISBN 978-3-8233-8542-4