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Geschichte und Gegenwart der romanistischen Fachdidaktik und Lehrkräftebildung

0429
2024
978-3-8233-9578-2
978-3-8233-8578-3
Gunter Narr Verlag 
Daniel Reimann
10.24053/9783823395782

Die Fachdidaktik hat sich in den letzten Jahrzehnten in der deutschsprachigen Romanistik als eigenständige Teildisziplin neben Linguistik, Literatur- und Kulturwissenschaft etablieren können. Die Fachgeschichte dieser Teildisziplin ist indes noch zu schreiben. Während die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts selbst - die bis ins 19. Jahrhundert hinein ganz überwiegend eine Geschichte des Unterrichts der romanischen Sprachen, insbesondere des Französischen, war - bereits relativ gut erforscht ist, bestehen im Bereich der Erforschung der Geschichte der Lehrkräftebildung in den romanischen Sprachen und der Geschichte der akademischen Disziplin "Fachdidaktik" noch große Lücken. Diesen Desiderata in der Historiographie der Fremdsprachenforschung einerseits und der Romanistik andererseits möchte der vorliegende fachgeschichtlich ausgerichtete Band begegnen, indem er unterschiedliche Untersuchungen und Einzelfallstudien zur Geschichte und zur Gegenwart der romanistischen Fachdidaktik und Lehrkräftebildung aus verschiedenen regionalen Kontexten und mit Fokus auf das 19. und 20. Jahrhundert vereint.

<?page no="0"?> Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung 25 Daniel Reimann (Hrsg.) Geschichte und Gegenwart der romanistischen Fachdidaktik und Lehrkräftebildung <?page no="1"?> Geschichte und Gegenwart der romanistischen Fachdidaktik und Lehrkräftebildung <?page no="2"?> Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung Herausgegeben von Daniel Reimann (Berlin) und Andrea Rössler (Hannover) Band 25 <?page no="3"?> Daniel Reimann (Hrsg.) Geschichte und Gegenwart der romanistischen Fachdidaktik und Lehrkräftebildung <?page no="4"?> DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783823395782 © 2024 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Überset‐ zungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 2197-6384 ISBN 978-3-8233-8578-3 (Print) ISBN 978-3-8233-9578-2 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0460-9 (ePub) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 9 15 57 95 119 161 Inhalt Daniel Reimann Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung Daniel Reimann Prolegomena zu einer Geschichte der romanistischen Fachdidaktik und der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur frühen Geschichte des Unterrichts der romanischen Sprachen im deutschsprachigen Raum Christine Michler Französischlehr- und lernmethoden aus dem 14. und 18.-Jahrhundert . . . . Zur frühen Geschichte der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen im deutschsprachigen Raum Marcus Reinfried Die Anfänge der deutschen Lehrerbildung in den neueren Fremdsprachen und die Struktur des höheren Schulwesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften als Quellen einer Geschichte der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen Daniel Reimann Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften als Quellen einer Geschichte der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen. Einführung, schulgeschichtliche und fremdsprachenhistorische Kontextualisierung . . . Daniel Reimann Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen für die romanistisch-didaktische Historiographie . . . . . . . <?page no="6"?> 215 241 305 363 395 405 423 469 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften als Quellen einer Geschichte der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen. Forschungsfrage, Korpus und Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse der Personalunterlagen von Lehrerinnen und Lehrern höherer Schulen des 19. und frühen 20.-Jahrhunderts (Alphabetabschnitte AA - AH, AI - AM, BAA - BAR) . . Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften als Quellen einer Geschichte der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen. Ergebnisse der Teilstudien, vergleichende Zusammenfassung, Methodenreflexion und Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniel Reimann Untersuchungen zur Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch im höheren Lehramt in Preußen zwischen 1840 und 1940 . . . . . . . . . . . . . . . Einzelfallstudien zur Geschichte der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen in verschiedenen regionalen und institutionellen Kontexten Heide Schrader Die Französischmethodik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Phasen der Entwicklung einer Wissenschaftsdisziplin (1945 - 1990) . . . . . . . . . . . . Jürgen Mertens Die Ausbildung zur Französischlehrkraft am Gymnasium in Baden-Württemberg. Eine Analyse im Spiegel der universitären Curricula von 1949 bis 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik im Kontext extra-universitärer Ausbildungsstrukturen. Eine Untersuchung französischdidaktischer Quellen der Pädagogischen Hochschule Freiburg 1966-2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Isabel Margarida Duarte Formaç-o de professores de Português Língua Estrangeira na Universidade do Porto: a história do início . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="7"?> 489 513 Perspektiven des Unterrichts und der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen in Gegenwart und Zukunft Sílvia Melo-Pfeifer/ Anna Schröder-Sura Überzeugungen zu Pluralen Ansätzen - Zwei Untersuchungen in der ersten und dritten Phase der Lehrkräftebildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inez De Florio-Hansen Französischunterricht im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 7 <?page no="9"?> Vorwort Daniel Reimann Die romanistische Fachdidaktik hat sich inzwischen innerhalb der Romanistik und in der deutschsprachigen Hochschullandschaft als eigenständige roman‐ istische Teildisziplin neben Linguistik, Literatur- und Kulturwissenschaft eta‐ blieren können. Eine „Fachgeschichte“ dieser Teildisziplin ist indes noch zu schreiben. Während die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts, auch die des Unter‐ richts der romanischen Sprachen, seit langem Gegenstand zahlreicher Einzel‐ untersuchungen ist, sind die Geschichte der Reflexion über den Unterricht der romanischen Sprachen und die Geschichte der Didaktik der romanischen Sprachen und Literaturen im engeren Sinn bisher weitgehend unerforscht. Zwar gibt es punktuell Beiträge der Fachgeschichte gerade auch zur Frühzeit der Disziplin, welche auch die Lehrerbildung berücksichtigen, doch sind diese meist eher aus der Perspektive der traditionellen philologischen Teildisziplinen verfasst. Aus diesen Beobachtungen ergibt sich das Desiderat einer spezifischen Fach‐ geschichte der Didaktik der romanischen Sprachen und Literaturen. Angesichts der Tatsache, dass die modularisierten Lehramtsstudiengänge infolge der sog. Bologna-Reform inzwischen etabliert sind und somit der grundlegende Ausbau der Disziplin in seiner aktuellen Etappe - die zu einer beinahe flächendeckenden Einführung (auch romanistisch-) fachdidaktischer Professuren geführt hat - zumindest in institutioneller Perspektive weitgehend abgeschlossen ist, scheint es an der Zeit, den Versuch zu unternehmen, Aspekte und Momente einer spe‐ zifischen Fachgeschichte der romanistischen Didaktik in diskursgeschichtlicher und in institutionengeschichtlicher Perspektive genauer zu untersuchen und eine entsprechende Fachgeschichtsschreibung zu initiieren. Die Wechselwirkungen zwischen Romanistik und Lehrerbildung ziehen sich wie ein roter Faden durch die Fachgeschichte: Die Institutionalisierung der Romanistik steht in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Einrichtung einer wissenschaftlichen Lehrerbildung an den Universitäten im 19. Jahrhundert <?page no="10"?> und Bedürfnisse der Schule wirkten sich allmählich auch auf die Programme der Universitäten aus, zugleich gaben die Fachwissenschaften immer wieder Impulse für die Weiterentwicklung des Fremdsprachenunterrichts. In diskurs‐ geschichtlicher Perspektive lässt sich beispielsweise feststellen, dass es im 19. Jahrhundert - nicht zuletzt um die sog. neusprachliche Reformbewegung, aber auch schon früher - schriftlich fixierte Reflexionen über Fremdsprachen‐ unterricht gab, die als fachdidaktische Arbeit ante litteram bezeichnet werden können (und die in institutionengeschichtlicher Hinsicht oft an herausgeho‐ benen schulischen Positionen angesiedelt waren). So zeigt sich beispielsweise, dass bereits in genau der Zeit, in der sich die Romanistik als Disziplin etablieren konnte und erste ‚Gründungsdokumente‘ des Faches entstanden (etwa Diez’ Grammatik), vertiefte Reflexionen über die Beziehungen zwischen Linguistik und Fremdsprachenunterricht angestellt wurden (etwa bei Karl Mager). Eine Fachdidaktik als - u. a. - vermittelnde Disziplin zwischen beiden Sphären und eine Fremdsprachenforschung romanistischer Prägung mit ihr eigenen Fragestellungen haben sich indes erst verhältnismäßig spät entwickelt. Diese Interdependenzen und die Entstehung einer eigenständigen Disziplin an ausgewählten Einzelfällen zu untersuchen, war Zielsetzung der Sektion „Ge‐ schichte und Gegenwart der romanistischen Fachdidaktik und Lehrerbildung in deutschsprachigen und romanophonen Kontexten“ des XXXVI. Romanistentags 2019 „Wiederaufbau, Rekonstruktion, Erneuerung“ in Kassel. Der vorliegende Band geht auf ausgewählte Beiträge dieser Sektion zurück, die hier in überar‐ beiteter Form und um weitere einschlägige Einzelfallstudien ergänzt vorgelegt werden. Für die Publikation wurden die Beiträge auf folgende thematische Abschnitte verteilt: „Einleitung“, „Zur frühen Geschichte des Unterrichts der romanischen Sprachen im deutschsprachigen Raum“, „Zur frühen Geschichte der Lehrerbil‐ dung in den romanischen Sprachen im deutschsprachigen Raum“, „Pilotstudien zu Personalakten von Lehrkräften als Quellen der Lehrerbildung in den ro‐ manischen Sprachen“, „Einzelfallstudien zur Geschichte der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen in verschiedenen regionalen und institutionellen Kontexten“, sowie „Perspektiven des Unterrichts und der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen in Gegenwart und Zukunft“. Die redaktionelle Arbeit an den Beiträgen des Romanistentages war abge‐ schlossen, als drei Aufsätze zur Fremdsprachenlehrerbildung im 19. Jahrhundert von Friederike Klippel erschienen. Zwar erfordern diese primär aus anglisti‐ scher Perspektive verfassten Aufsätze eine Auseinandersetzung im Rahmen der hier vorgestellten Untersuchungen nicht zwingend, verstehen sich eher als einführende Überblicksdarstellungen oder fokussieren andere Fragestellungen 10 Daniel Reimann <?page no="11"?> als die hier vorgelegten Beiträge - gerade deshalb soll an dieser Stelle aber für weitere Lektüren auf sie hingewiesen werden: „„Die geeignetste Vorbildung der Lehrer“ - Fachdiskussion und bildungspolitische Entwicklungen in der neusprachlichen Reformbewegung“, in: Grünewald, Andresa / Noack-Ziegler, Sabrina / Tassinari, Maria Giovanna / Wieland, Katharina (Hrsg.): Fremdspra‐ chendidaktik als Wissenschaft und Ausbildungsdisziplin. Festschrift für Daniela Caspari. Tübingen: Narr, 27-43, „Was sollen Sprachlehrer wissen und können? Grundmuster der Fremdsprachenlehrkräftebildung im 19. Jahrhundert“, in: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 33, 1, 2022, 73-95, „Lehrerbildung, Neu‐ philologie und Fremdsprachenunterricht von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg - Grundlegung der Moderne“, in: Wilden, Eva / Alfes, Luisa / Cantone, Katja F. / Çıkrıkçı, Sevgi / Reimann, Daniel (Hrsg.): Standort‐ bestimmungen in der Fremdsprachenforschung. Baltmannsweiler: Schneider Ho‐ hengeheren / Bielefeld: wbv 2023, 70-83. Allen Beiträgerinnen und Beiträgern, die es trotz aller - u. a. Covid-19-be‐ dingter - Widrigkeiten dieser Jahre möglich gemacht haben, in einer - in historischer Perspektive - insgesamt überschaubaren Zeit ihre Beiträge fertig zu stellen, sei herzlich für ihre Mitarbeit an diesem grundlegenden Projekt gedankt. Auch gebührt dem Verlag Narr Francke Attempto und hier insbesondere der den Band betreuenden Redakteurin, Frau Kathrin Heyng M. A., großer Dank für die bewährte, geduldige, hilfsbereite und kompetente Unterstützung. Möge der Band Anlass für weitere Forschungen zur Fachgeschichte der (Fach-)Didaktik der romanischen Sprachen und Literaturen und der romanisti‐ schen Fremdsprachenforschung geben. Berlin, im Dezember 2023 Vorwort 11 <?page no="13"?> Einleitung <?page no="15"?> Prolegomena zu einer Geschichte der romanistischen Fachdidaktik und der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen Daniel Reimann 1 Entwicklung der Neuphilologie und der Fremdsprachenlehrkräftebildung seit dem 19. Jahrhundert (Schwerpunkt Romanistik) 1.1 Anfänge der romanischen Philologie Bis ins 19. Jahrhundert gibt es keine institutionalisierte Fremdsprachenleh‐ rerbildung. Der Unterricht wird häufig von muttersprachlichen Lehrkräften, traditionell so genannten „Sprachmeistern“, erteilt (vgl. Reimann 2023, 83- 127, bes. 102 f.). Eine frühe philologische Professur mit einem linguistischen Schwerpunkt wird 1821 als Professur für Orientalische Literatur und Allgemeine Sprachkunde an der Universität zu Berlin eingerichtet und mit Franz Bopp, der als Begründer der vergleichenden indogermanischen Sprachwissenschaft gilt, besetzt. Zu Bopps Korrespondenten und „Schülern“ im weiteren Sinne gehören u. a. Friedrich Rückert, Wilhelm von Humboldt und August Wilhelm Schlegel (Meier-Brügger 2010, 135 ff.). Die Anfänge der romanischen Philologie werden in der Fachgeschichte häufig ebenfalls um die Wende zu den 1820er Jahren datiert, und zwar - mit Blick auf einzelne Studien - beispielsweise unter Bezug auf Friedrich Diez’ Übersetzungen altspanischer Romanzen ab 1817 und seine Studien zur provenzalischen Troubadour-Dichtung aus den 1820er Jahren (z. B. Die Poesie der Troubadours, 1826) oder auch unter Bezug auf August Wilhelms Schlegels Publikation Observations sur la langue et la littérature provençales von 1818 (vgl. Reimann 2017b, 14). Der Beginn einer institutionalisierten romanischen Philologie wird üblicherweise mit den Vorlesungen des Berliners Valentin Schmidt über altfranzösische und klassische französische, spanische und italie‐ nische Literatur ab 1821, den Bonner Vorlesungen von Friedrich Diez über romanische Sprachen und Literaturen ab 1821/ 1822 (vgl. z. B. Lieber 2003, <?page no="16"?> 836) und von August Wilhelm Schlegel über „Geschichte der französischen Literatur“ ab 1823/ 24 (z. B. Rohlfs 1950, 10 f.) sowie mit der Besetzung der Hallenser Professur für südeuropäische Sprachen und Literaturen mit Ludwig Gottfried Blanc 1822 (ab 1833 Ordinarius für Romanische Sprachen und ihre Literaturen) datiert (Lieber 2003, 835). Professoren, die im heutigen Sinne romanistische Lehrveranstaltungen abhalten, sind damals noch oft zugleich für germanistische, romanistische und anglistische Studien zuständig, wobei die deutsche Literaturwissenschaft meist vorrangig ist (so auch bei Diez, vgl. Lieber 2003, 836 und 835). Neuphilologische Professuren, die etwa ab 1860 eingerichtet werden, sind anfangs oft nur teilweise der Romanistik und zugleich der Anglistik gewidmet (z. B. Haas 1995, 483, Lieber 2003, 836). Seitens der Lehrenden war die Anglistik meist weniger angesehen, so dass die Romanisten für eine Loslösung der Anglistik von ihren Lehrstühlen plädierten (Lieber 2003, 837). Ein erster rein romanistischer Lehrstuhl wurde 1870 in Berlin eingerichtet (z. B. Lieber 2003, 837), ein erster anglistischer 1872 (Haas 1995, 483, vgl. Reimann 2017b, 15 f.). 1.2 Romanische Philologie und Lehrkräftebildung im 19.-Jahrhundert Die romanische Philologie war zur Zeit ihrer Entstehung im 19. Jahrhundert in ihrem Selbstverständnis zunächst vor allem eine mediävistische Disziplin (z. B. Reimann 2017b, 14). Sie hat ihre Ursprünge in der deutschen Romantik einerseits und in der entstehenden Germanistik andererseits (Lieber 2003, 835). Die oben genannten frühen Studien wie auch erste größere Grundlagenwerke - beispielsweise Diez’ monumentale historische Grammatik der romanischen Sprachen (1836-1844) und sein Etymologisches Wörterbuch der romanischen Sprachen (1853) - beinhalten folglich keine fremdsprachendidaktischen Refle‐ xionen (einführend zu Friedrich Diez z. B. Baum 1993). Auch die romanischen Studien der sog. Junggrammatiker ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts - etwa Wilhelm Meyer-Lübkes Grammatik der romanischen Sprachen (1890- 1902) oder sein Romanisches etymologisches Wörterbuch (1911 ff.) - sehen ihre Untersuchungen noch losgelöst von der etwaigen Nachbarschaft einer anwen‐ dungsbezogenen Disziplin wie einer noch zu begründenden Fachdidaktik. Noch Gustav Gröber bezeichnet in seinem Grundriß der romanischen Philologie im Jahr 1888 unmissverständlich „die unverstandene oder unverständlich gewordene Rede und Sprache“ als alleinigen Gegenstandsbereich der Philologie (Gröber 1888, zitiert bei Gier 2000, 49, vgl. Reimann 2017b, 14 f.). 16 Daniel Reimann <?page no="17"?> Bis heute existierende, bedeutende Zeitschriften aus der Entstehungszeit der Romanischen Philologie sind etwa das Archiv für das Studium der neueren Spra‐ chen (begründet 1846), die Zeitschrift für Romanische Philologie (1877) und die Romanischen Forschungen (1882); gerade die letztgenannten Zeitschriften ent‐ halten bis heute traditionellerweise keine fremdsprachendidaktischen Beiträge. Frühe Lehrerzeitschriften, die teilweise als didaktische Publikationsorgane ante litteram gelten dürfen, sind indes Die Neueren Sprachen (ab 1893), die 1995 eingestellt und 2010 als Jahrbuch wieder belebt wurden (vgl. Schröder 2010), Zeitschrift für französischen und englischen Unterricht (ab 1902), später auch die Zeitschrift für neusprachlichen Unterricht (ab 1935) sowie die Neuphilologische Monatsschrift (ab 1930) (vgl. Rohlfs 1950, 11 f., 14 f., Lieber 2003, 838, Reimann 2017b, 16). Zwar werden Sprachkenntnisse, im Vergleich zu heute freilich in geringem Ausmaß und vor allem an den Bedürfnissen des philologischen Studiums orientiert, seinerzeit auch an den Universitäten vermittelt - vgl. z. B. den Aufenthalt Luigi Pirandellos als Lektor in Bonn in den Jahren 1889 bis 1891 (vgl. Pirandello 1994) -, eine Reflexion über Fremdsprachenunterricht im Sinne einer eigenständigen wissenschaftlichen Disziplin ist vor dem Hintergrund des oben skizzierten Wissenschaftsverständnisses an den Universitäten in dieser Zeit indes nicht belegt (vgl. Reimann 2017b, 15). Dennoch ist die Romanistik schon früh in unmittelbarem Bezug zur Leh‐ rerbildung, mithin zur Schulpraxis zu sehen. Durch die Konstituierung eines staatlichen öffentlichen Schulwesens und die zunehmende Einführung auch neusprachlichen Unterrichts (vgl. Reimann 2023, 83-147, bes. 115-119) entsteht der Bedarf nach professioneller und im Sinne einer Verstaatlichung des Schul‐ wesens regulärer Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften, zunächst gerade auch des Französischen. So führen nicht zuletzt die Bedürfnisse der Schulpraxis u. a. zur Einrichtung und Gründung folgender Institutionen, Organisationen und Publikationsorganen: • an Schulen angegliederte, spezifisch für die Lehrerbildung ausgerichtete (pädagogischer) Seminare für neuere Sprachen außerhalb der Universitäten (z.-B. 1860 Berlin), • neuphilologische Professuren ab etwa 1860, • erster romanistischer Lehrstuhl 1870 (Berlin, als Extraordinariat bereits 1867 besetzt), • erstes universitäres, spezifisch romanisches Seminar für die wissenschaft‐ liche Lehrerbildung 1874 (Straßburg), Prolegomena zu einer Geschichte der romanistischen Fachdidaktik und der Lehrerbildung 17 <?page no="18"?> • Königlich Romanisches Seminar in Bonn 1878, an dem eine „pädagogische Einweisung“ explizit vorgesehen ist (vgl. jeweils Reimann 2017b, 15 f., mit weiterführender Bibliographie), • Fachverband Verein für neue Sprachen im Jahr 1880 (als erster Fremdspra‐ chenlehrerverband in Europa, seit 1886 mit geändertem Namen Allgemeiner Deutscher Neuphilologen-Verband (ADNV), Nachfolger seit 1972 Fachver‐ band Moderne Fremdsprachen (FMF), seit 2006 Gesamtverband Moderne Fremdsprachen (GMF) als Dachverband der Fremdsprachenlehrerverbände, vgl. Hagge 2003, 589, Bausch et al. 2016, 2, Berthelmann 2016, 651), • nicht nur tendenziell philologisch orientierte Zeitschriften wie Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen (1846), sondern auch dezidiert fremdsprachendidaktische Zeitschriften seit etwa 1890 (bes. Neu‐ philologisches Centralblatt: 1887, Die Neueren Sprachen: 1893, Zeitschrift für französischen und englischen Unterricht: 1902, als erste fremdsprachendidak‐ tische Zeitschriften weltweit, Schröder 2003, 594). Die Forderungen gerade auch der weiterführenden Schulen haben seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts spürbare Auswirkungen auf Forschungs- und Lehrprogramme der Universitäten v.-a. in folgenden Bereichen: • Bedeutung der Phonetik, • Bedeutung der Realienkunde, • Berücksichtigung moderner Literatur (verstärkt ab ca. 1900) (Reimann 2017a, 16 f., mit weiterführender Bibliographie). Weiterhin einführend in die frühe Geschichte der romanischen Philologie gerade auch mit Blick auf die Lehrerbildung kann exemplarisch auf die Beiträge Stierle 1979 (besonders zum Bezug der entstehenden Neuphilologie zur klassischen Philologie mit forschungsmethodischem und wissenschafts‐ theoretischen Fokus) und Selig 2005 sowie Selig 2020 verwiesen werden; vertiefend auf die entsprechenden Abschnitte in der umfassenden Studie zur frühen Institutionengeschichte der Romanistik von Alexander Kalkhoff (Kalkhoff 2010, in Grundzügen aufgegriffen z. B. in Teixeira Kalkhoff 2020) sowie in der ideen- und diskursgeschichtlichen Studie zur Entstehung der romanischen Philologie im 19.-Jahrhundert Wolf 2012 (jeweils mit weiterfüh‐ render Bibliographie). 18 Daniel Reimann <?page no="19"?> 1.3 Fallbeispiele zur frühen Lehrkräftebildung in den romanischen Sprachen im 19.-Jahrhundert: Bayern und Berlin Exemplarisch soll die frühe Geschichte der fremdsprachlichen Lehrerbildung an den Beispielen Bayerns und Berlins skizziert werden. Mit der Auflösung des Jesuitenordens 1773 kommt es in Bayern zu einer Verstaatlichung der (Aus-)Bildung für das Höhere Lehramt ab 1798/ 99 (Neuerer 1978, 13, 15 ff.). In der Lehramtsprüfungsordnung von 1809 ist für den gymnasialen Bereich das Phi‐ lologische Lehramt bestimmend, das die Fächer Latein, Griechisch, Deutsch und Geschichte mit Anteilen auch der Mathematik, nach einer Novellierung 1811 auch mit Anteilen von Französisch und den orientalischen Sprachen umfasst (op. cit., 47). 1854 wird erstmals Französisch in einer Lehramtsprüfungsordnung bzw. der als solche fungierenden gymnasialen Schulordnung genannt (Englisch und Italienisch implizit unter Französisch im Jahr 1873, Italienisch (neben Französisch und Englisch) explizit im Jahr 1895, vgl. Reimann 2009b, 21; Neuerer 1978, 54). 1873 und in der Neufassung der Lehramtsprüfungsordnung von 1895 ist erstmals ein Neuphilologisches Lehramt vorgesehen, das traditionellerweise die Fächer Französisch und Englisch umfasst (op. cit., 56). Ab 1864 werden an Realgymnasien und Industrieschulen Französisch und Englisch zu Hauptfächern. Das Handelsministerium regt in der Folge beim zu‐ ständigen Innenministerium die Begründung eines neuphilologischen Lehramts an. Das neuphilologische Lehramt wird nunmehr dem philologisch-historischen (s. o.) und dem zwischenzeitlich ebenfalls konstituierten Lehramt für Mathe‐ matik und Physik gleichgestellt (op. cit., 56 f.). Zwei weitere Lehrämter, die keinen Zugang zu den Gymnasien haben, sind Chemie und beschreibende Naturwissenschaften (im Wesentlichen Biologie) sowie das Realienlehramt (im Wesentlichen Deutsch, Geschichte, Erdkunde) (op. cit. 57 ff.). Zum Ver‐ gleich kann die Preußische Lehramtsprüfungsordnung von 1866 herangezogen werden, die vier Lehrämter kannte: ein philologisch-historisches, ein mathema‐ tisch-naturwissenschaftliches, ein theologisches und ein neuphilologisches (op. cit., 101). Allerdings sind zunächst keine fachdidaktischen Studien im Rahmen der ersten Phase der Lehramtsausbildung vorgesehen. Dennoch gibt es beispiels‐ weise in Bayern seit Beginn des 19. Jahrhunderts erste Ansätze, unterrichts‐ praktische Erfahrungen zumindest im Sinne einer impliziten fachdidaktischen Propädeutik mit in die Lehrerausbildung zu integrieren oder zumindest das universitäre Studium an den Bedürfnissen der Lehrerbildung zu orientieren: so werden etwa 1810 Überlegungen zur Verbindung der fachwissenschaftli‐ chen mit einer methodisch-didaktischen Ausbildung z. B. im Rahmen eines philologischen Seminars an der Universität Landshut angestellt, letztlich aber Prolegomena zu einer Geschichte der romanistischen Fachdidaktik und der Lehrerbildung 19 <?page no="20"?> nicht umgesetzt (vgl. Neuerer 1978, 137 f.). Ab 1876 wird ein neuphilologischlehrerbildendes Seminar an der Universität München eingerichtet (zuvor hat es nur einzelne Lehrstühle gegeben), das allerdings keine fachdidaktischen Studien anbietet (op. cit. 154 f.). Zunächst angesetzte „praktische Prüfungen“ im Rahmen der wissenschaftlichen Prüfungen werden „mit der fortschreitenden Verwissenschaftlichung der gymnasialen Lehrämter in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts“ (Neuerer 1978, 169) eher zurückgefahren. Der Studienplan für das neuphilologische Lehramt an der Universität München von 1892 sieht etwa folgende Lehrveranstaltungen vor (Neuerer 1978, 98 f.): A Vorlesungen für das Examen: Französische und englische Literaturgeschichte, vier Vorlesungen Encyklopädie der romanischen und englischen Philologie, zwei Vorlesungen Interpretation altfranzösischer, provenzalischer, mittel- und neufranzösischer, alt-, mittel- und neuenglischer Texte, sechs Vorlesungen Neufranzösische und neuenglische Stilübungen Französische und englische Phonetik und Methodologie, zwei Vorlesungen Historische Grammatik der französischen und der englischen Sprache, vier Vorle‐ sungen Französische und englische Metrik Philosophie [, eine Vorlesung aus der systematischen Philosophie (Logik oder Psy‐ chologie), vier über Geschichte der Philosophie, eine über Pädagogik] Geschichte, je eine Vorlesung über Geschichte des Mittelalters, der neuern und neuesten Zeit Deutsche Literaturgeschichte, eine Vorlesung B Wünschenswerte Vorlesungen: Interpretation eines lateinischen Autors Vulgärlatein Italienisch Spanisch Historische Grammatik der deutschen Sprache Es ist offensichtlich, dass hier noch immer keine fachdidaktischen Studienin‐ halte vorgesehen sind. Allerdings kommt es in Bayern ab 1893 an zunächst fünf Gymnasien zur Einrichtung pädagogisch-didaktischer Gymnasialseminare, an denen nunmehr die zweite Phase der Lehrerbildung angesiedelt ist (op. cit., 169, 186 ff.). Als zweites Beispiel sei der Fall Berlins betrachtet: Die Romanistik an der Universität zu Berlin bzw. der Friedrich-Wilhelms-Universität gehört seit ihrer Gründung zu den Instituten, die das Fach Romanische Philologie deutschland‐ 20 Daniel Reimann <?page no="21"?> weit und damit international maßgeblich geprägt haben. Der 1867 bzw. formal 1870 mit Adolf Tobler (1835-1910) besetzte Lehrstuhl für Romanische Philologie an der Friedrich-Wilhelms-Universität darf als der erste nur der Romanistik gewidmete Lehrstuhl im deutschen Sprachraum überhaupt gelten (s. o., vgl. z. B. Lieber 2003, 837, zur Vorgeschichte der Romanistik an der Berliner Universität vgl. Kalkhoff 2010, 131-135). Tobler gehörte seinerzeit zu den anerkannten Größen seines Faches und prägte u. a. die Gebiete der historisch-vergleichenden Sprachenwissenschaft, der historischen Grammatikographie und der Lexikogra‐ phie auch in forschungsmethodischer Hinsicht (z. B. Bott 2010, 345, 347). Marie- Luise Bott wertet seine Leistung prägnant wie folgt: „Zu Beginn seiner Berliner Lehrtätigkeit war Tobler 32 Jahre alt. In den folgenden 43 Jahren wurde die Universität Berlin mit der Tobler-Schule zur prima inter pares für Romanistik in Deutschland.” (Bott 2010, 346). Doch die spezifischen Bedürfnisse der fachlichen Lehrerbildung finden an der Berliner Universität auch unter Tobler noch kaum Berücksichtigung in den Lehr- und Forschungsschwerpunkten des Lehrstuhls (z. B. Lieber 2003, 836): Obschon er, zunächst ausgebildeter klassischer Philologe, als habilitierter Schweizer Gymnasiallehrer für Französisch und Italienisch berufen wurde (z. B. Kalkhoff 2010, 143, Bott 2010, 342, 345), fanden Inhalte einer Lehrerbildung zu seiner Zeit noch keinen Niederschlag im universitären Curriculum (z. B. Bott 2010, 347, Kalkhoff 2010, 157) und es wurde vielmehr auf eine strikte Trennung der universitären romanischen Philologie von den Belangen der Lehrerbildung insistiert (vgl. z.-B. Kalkhoff 2010, 170). Die eher an der Schule orientierte neuphilologische (Weiter-)Bildung fand eher parallel und außerhalb der Universität statt. Seitens wissenschaftlich qualifizierter, aber zugleich für die Bedürfnisse der Lehrerbildung offener Schul‐ praktiker und Schuldirektoren, insbesondere um Ludwig Herrig, entstanden in Berlin daher schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts mehrere Institutionen, die sich einer auch akademischen Fremdsprachenlehrerbildung verschrieben, ins‐ besondere seit 1860 das Berliner Seminar für Lehrer der neueren Sprachen, das dem Friedrichs-Gymnasium angegliedert war und auch nach der Gründung des grundsätzlich auch der Lehrerbildung gewidmeten, aber noch immer beinahe ausschließlich philologisch ausgerichteten Romanisch-englischen Seminars im Jahr 1877 weiter fortbestand (z. B. Kalkhoff 2010, 170 f.; letzteres wurde 1896 in zwei fachspezifische Seminare für Romanistik und Anglistik überführt (vgl. Bott 2010, 343 f., Kalkhoff 2010, 158)). In das Seminar aufgenommen werden konnten Kandidaten, die bereits ein Staatsexamen oder Examen pro facultate docendi erfolgreich abgelegt hatten, sowie ausnahmsweise und als Hospitanten besonders begabte Studierende nach der universitären Zwischenprüfung (Kalk‐ hoff 2010, 170). Mit Blick auf die grundlegende wissenschaftliche Lehrerbildung Prolegomena zu einer Geschichte der romanistischen Fachdidaktik und der Lehrerbildung 21 <?page no="22"?> hatte Herrig 1872 weiterhin eine Akademie für moderne Philologie gegründet, die allerdings aufgrund der positiven Entwicklung des Lehrstuhls und der Einrichtung des universitären Romanisch-englischen Seminars (s. o.) 1880 wieder geschlossen werden konnte (vgl. Kalkhoff 2010, 171). Darüber hinaus hatte Herrig schon um 1850 die oben erwähnte frühe neuphilologische Zeitschrift, das Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen begründet (vgl. Bott 2010, 343) und etwa zeitgleich die Berliner Gesellschaft für das Studium der neueren Sprachen initiiert, die sich durch eine umfassende und breitenwirksame Vortrags- und Debattentätigkeit mit dem Zielpublikum überwiegend der gymnasialen (Neu-)Philologen auszeich‐ nete (vgl. Bott 2010, 343, weiterführend Kalkhoff 2010, 168-170): In den ersten fünfzig Jahren ihres Bestehens fanden ca. 1700 Vorträge in etwa 750 Sitzungen im Konzertsaal des Berliner Schauspielhauses statt, wobei (fach-)wissenschaftliche sowie fachdidaktische Themen erörtert wurden (vgl. Kalkhoff 2010, 169). Erst im Jahr 1892 ist innerhalb der universitären Romanistik in Berlin erstmals eine Übung „Methodik des französischen Unterrichts (mit Bezug auf die Lehrpläne von 1892)” belegt, die nur wenige Folgeveranstaltungen kannte, da der sie erteilende Schuldirektor und Extraordinarius Stefan Waetzoldt bereits 1894 wieder aus dem Dienst der Universität ausschied, um sich ganz der Schulverwaltung zu widmen (vgl. Kalkhoff 2010, 136, 150). Auch in anderen Ländern gibt es im 18./ 19. Jahrhundert erste punktuelle Versuche, die Lehrerbildung so früh wie möglich auch an Bedürfnissen der Praxis zu orientieren. So versucht beispielsweise das Philologische Seminar an der Universität Göttingen unter dem innovativen Johann Matthias Gesner ab 1734, eine fachwissenschaftlich-philologische Ausbildung mit pädagogischen Vorlesungen und Unterrichtsversuchen an der Stadtschule zu verbinden. Auch das Philologische Seminar an der Universität Halle bemüht sich ab 1787 unter Friedrich August Wolf, unterrichtspraktische Versuche in das Lehramtsstudium zu integrieren (vgl. z. B. Neuerer 1978, 194 ff., vgl. Reimann 2018, 131-135). Ins‐ gesamt lässt sich jedoch die Tendenz feststellen, dass im 18. und 19. Jahrhundert die Universitäten häufig unabhängig von den Bedürfnissen der Praxis ausbilden und sich, je nach Standort, zunächst (schulische) „Seminare“ auch außerhalb der Universitäten etablieren, die sozusagen als parallele Institutionen strukturierter und zugleich praxisnäher ausbilden wollen (vgl. z. B. Lieber 2003, 836). Erst allmählich bildet sich die heute übliche Struktur der zweiphasigen Ausbildung - erste Phase an der Universität, zweite Phase an einem (Studien-) Seminar, heraus. Vorbild ist hier seit 1890 das Preußische Modell, das schon 1893 in Bayern übernommen wird (Neuerer 1978, 187). 22 Daniel Reimann <?page no="23"?> 1.4 Vorgeschichte der romanistischen Fachdidaktik im 19./ 20.-Jahrhundert Wiewohl es seinerzeit noch keine institutionalisierte Disziplin Fachdidaktik bzw. Fremdsprachendidaktik/ Fremdsprachenforschung gibt, liegen seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einzelne Veröffentlichungen vor, die sich mit Zielsetzungen, Inhalten und Methoden des Fremdsprachenunterrichts auf einer theoretischen Ebene befassen und mithin als Vorläufer einer wissenschaftlichen Fremdsprachendidaktik gelten dürfen (hierzu einführend z. B. Reimann 2018, bes. 135-149). Erste Veröffentlichungen, die einer (romanistischen) Fremdspra‐ chendidaktik ante litteram zugeschrieben werden können, sind ab etwa 1840 nachgewiesen. Sie entstammen also genau der Zeit, in der mit Friedrich Diez’ Grammatik der romanischen Sprachen (1836-1844) eines der ersten Hauptwerke der Romanistik publiziert wurde, und sind im bildungsgeschichtlichen Kontext einer Ausweitung des Fremdsprachenunterrichts im Zuge der Schulreformen des 19. Jahrhunderts und einer Institutionalisierung der Lehrerbildung zu sehen. Sie haben ihre institutionengeschichtlichen Ursprünge zumeist in den Lehrerbildungsseminaren, ihre Autoren sind beispielsweise Lehrer oder Rek‐ toren. So legt etwa Karl Mager 1843, seinerzeit Lehrer für Französisch an der Kantonsschule Aarau (vgl. Hausmann 2016 ff., s.v. Mager) mit seinen Modernen Humanitätsstudien ein bildungstheoretisch fundiertes Konzept für den Fremdsprachenunterricht an Schulen vor - wenn man so möchte, eine „erste Fremdsprachendidaktik“ (vgl. Christ 2010, 17). Mager umreißt u. a. sehr anschaulich, inwiefern wissenschaftliche Linguistik für den schulischen Fremdsprachenunterricht aus seiner Sicht relevant ist, allerdings in didaktisch transformierter Form. In dieser könnten zeitgenössische wissenschaftliche Erkenntnisse den schulischen Fremdsprachenunterricht, wie er üblicherweise erteilt werde, spürbar verbessern und lernpsychologisch bzw. kognitiv-linguis‐ tisch bereichern. Vergleichende Grammatik, wie Grimm, Bopp, Benfey, Pott, W. v. Humboldt, Ray‐ nouard, Diez u.s.w. sie üben, vergleichende Grammatik als Doctrin, gehört nicht in die Schule, sondern auf philologische Seminare und in die Akademien der Wissen‐ schaften; aber der hergebrachte Sprachunterricht vergleicht gar nicht, oder doch fast gar nicht, und das ist ein großer Fehler. Das unwillkürliche Vergleichen, das der Schüler nothgedrungen zwischen seiner Muttersprache und der fremden anstellt, genügt nicht; der Lehrer muß zum Vergleichen anleiten, er muß im Gymnasium das Lateinische mit dem Griechischen, beide mit dem Deutschen, sowie mit den beiden andern neueren Sprachen, er muß auf der h. Bürgerschule die neueren Sprachen unter sich vergleichen; die Schule thut wenig, wenn sie den Schülern Kenntnisse aus ver‐ Prolegomena zu einer Geschichte der romanistischen Fachdidaktik und der Lehrerbildung 23 <?page no="24"?> schiedenen Fächern in den Kopf bringt; diese Kenntnisse müssen zusammengebracht werden, damit das Eine Licht vom andern empfängt, und vor Allem, damit sie sich gegenseitig befruchten, damit sie Junge hecken. (Mager 1843/ 1965, 99, vgl. Reimann 2014a, 11) Mager fasst hier intuitiv und möglicherweise auf der Verhaltensebene beobach‐ tend vorweg, was neurolinguistische Ergebnisse über 150 Jahre später belegen (vgl. Reimann im Druck b, Kap.-1.2, bes. 1.2.7). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts intensivieren sich im Kontext der neusprachlichen Reformbewegung (vgl. Reimann im Druck a, bes. Kap. 2.3) die Debatten über den Fremdsprachenunterricht. Zwar gibt es noch immer keine akademische Disziplin „fremdsprachliche Fachdidaktiken“/ „Fremdsprachendi‐ daktik“/ „Fremdsprachenforschung“, doch entstehen zahlreiche Zeitschriften als Foren des Austauschs (s. o.) sowie weitere frühe Handbücher zum Fremdspra‐ chenunterricht. Zu erwähnen ist in diesem Kontext ferner insbesondere das Handbuch Encyklopädie des französischen Unterrichts. Methodik und Hilfsmittel für Studierende und Lehrer der französischen Sprache mit Rücksicht auf die Anforderungen der Praxis von Otto Wendt aus dem Jahr 1888 (Wendt 1895). Im Wesentlichen werden hier der Sprach- und Literaturunterricht reflektiert; kulturkundliche Aspekte werden, wenn, dann im Bezug auf das Französische eher in ablehnender Intention erwähnt (vgl. Wendt 1895, 4) (vgl. Reimann 2018, 136 f.). Man kann feststellen, dass bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein keine wissenschaftliche Fremdsprachendidaktik mit einem eigenen diszi‐ plinären Selbstverständnis (epistemologische und forschungsmethodologische Reflexion) existiert. Dennoch wurden mehrere umfassende Bestandsaufnahmen zum Fremdsprachenunterricht vorgelegt, oft unter impliziter, teils auch unter expliziter Anknüpfung an philologische (und psychologische) Bezugswissen‐ schaften. Gerade in den 1920er Jahren sind Veröffentlichungen zu verzeichnen, in denen Ansätze epistemologischer Reflexion erkennbar sind (bes. Otto, Aron‐ stein) (zu den 1920er Jahren als einem Jahrzehnt, in dem sich eine Konstitution der Fremdsprachendidaktik als wissenschaftlicher Disziplin abzeichnet, vgl. Christ 2006). In ihnen wird (Fremdsprachen-) Didaktik allerdings tendenziell als Teilgebiet der Pädagogik verstanden. Eine grundlegende Sensibilität zumin‐ dest mancher Philologen und Institute für Belange der Lehrerbildung scheint dennoch zumindest punktuell bereits gegeben gewesen zu sein (vgl. Reimann 2018, 143). Als es nach dem ersten Weltkrieg zu einer Ausdifferenzierung der Romani‐ schen Philologie in dem Sinne kommt, dass sich Sprach- und Literaturwissen‐ schaft zunehmend als eigenständige Disziplinen konstituieren, ist von einer 24 Daniel Reimann <?page no="25"?> Fachdidaktik als etwaiger dritter Disziplin im universitär-institutionellen Kontext indes noch nicht die Rede (Reimann 2017b, 18). Das ändert sich erst allmählich nach dem zweiten Weltkrieg. Noch in Gerhard Rohlfs Einführungs‐ werk Romanische Philologie aus dem Jahr 1950 finden sich folgerichtig keine Hinweise auf eine Subdisziplin „Fachdidaktik“, auch werden Lehramtsstudie‐ rende lediglich an wenigen Stellen als Zielgruppe explizit erwähnt (Rohlfs 1950, 2, 3, 15), ohne dass dabei ggf. auf deren spezifische Bedürfnisse einge‐ gangen würde (vgl. Reimann 2017b, 18). Ein zunehmendes Problembewusst‐ sein für Fragen des Fremdsprachenlernens und -lehrens zeichnet sich zunächst in der anglophonen Linguistik ab, und hier insbesondere im Kontext der so genannten Applied Linguistics, die in ihren Anfängen dem Behaviorismus nahe stehend insbesondere auch im Bereich der kontrastiven Linguistik nach Möglichkeiten einer Optimierung des Fremdsprachenlernens sucht - man denke etwa an Publikationen von Fries und Lado zwischen 1945 und 1957 (vgl. Fries 1945, Lado 1957) und die so genannte Kontrastivitätshypothese, in der Schwierigkeiten und Erleichterungen der Fremdsprachenaneignung durch Übereinstimmungen bzw. Divergenzen zwischen Ausgangsbzw. Erst- und Zielsprache des Fremdsprachenunterrichts zu erklären versucht wurden (z. B. Reimann 2014a, 14). Auch in Deutschland befasst sich die Linguistik gerade in den 1960er und 1970er Jahren mit Fragestellungen des Fremdsprachenlernens (exemplarisch aus romanistischer Sicht z.B.: Hausmann 1975, Barrera-Vidal/ Kühlwein 1975, aus anglistischer Perspektive z.-B. Burgschmidt et al. 1974). 1.5 Entwicklung der romanistischen Fachdidaktiken seit den 1960er Jahren Seit den 1960er und 1970er Jahren werden dann erstmals an den Pädago‐ gischen Hochschulen Professuren für Fachdidaktik(en) der Fremdsprachen eingerichtet, z.-B. 1971 ein Lehrstuhl für Didaktik der französischen Sprache und Literatur an der PH Berlin (besetzt mit Ludger Schiffler, ab 1980 an der FU Berlin). Mit der Überführung der Lehrerbildung an die Universitäten folgen auch dort erste Lehrstuhlgründungen, z. B. 1974 ein Lehrstuhl für Didaktik des Französischen an der Universität Gießen (besetzt mit Herbert Christ). In den Jahren 1970 und 1972 erfolgt einerseits die Definition der Fächergruppe „Fachdidaktik“ durch den Deutschen Bildungsrat, andererseits die Formulierung des Forschungsprogramms „Sprachlehrforschung“ durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) (aus dem insbesondere auch das Bochumer Seminar für Sprachlehrforschung hervorging, das faktisch 2016 geschlossen wurde) (vgl. Reimann 2017b, 21 f., Reimann im Druck a, bes. Prolegomena zu einer Geschichte der romanistischen Fachdidaktik und der Lehrerbildung 25 <?page no="26"?> Kap. 1.2.2, 1.2.3). Wichtige fremdsprachendidaktische Handbücher dieser Zeit, die teilweise weit bis in die Folgejahrzehnte hinein weiter aufgelegt wurden, sind etwa Schröter/ Ladwein: Der neusprachliche Unterricht (1962), Leisinger: Elemente des neusprachlichen Unterrichts (1966) und Arnold: Fachdidaktik Französisch (1973) (der letzte im Karlsruher Virtuellen Katalog (KVK) (Stand 14.01.2022) verzeichnete Nachdruck der dritten Auflage stammt aus dem Jahr 1997). Beiträge wie der Aufsatz „Zur Didaktik der französischen Sprache im Hochschulbereich“ von Wolfgang Maier und Erich G. Pohl aus dem Jahr 1973 enthalten indes wenig konkrete Daten über den Ausbauzustand des Faches, lassen aber aus ihren Formulierungen und Forderungen schließen, dass das Fach noch beinahe inexistent ist (Maier/ Pohl 1973). Noch 1980 muss ein Studienführer für das Fach Romanistik sehr knapp, aber im Grunde treffend feststellen: „Fachdidaktik ist kaum in Ansätzen vorhanden“ (Beyer/ Gallasch 1980, 15, vgl. Reimann 2017b, 21 f.). Dennoch dürfen die 1960er und 1970er Jahre insgesamt in institutionen- und fachgeschichtlicher Hinsicht als die ei‐ gentliche Gründungsphase einer wissenschaftlichen Fremdsprachendidaktik in Deutschland gelten (vgl. Reimann 2018, 143 f.). 2 Zur gegenwärtigen Situation der romanistischen Fachdidaktiken 2.1 Situierung der Fachdidaktik innerhalb der Romanistik Eine zentrale fachwissenschaftliche Bezugsdisziplinen der romanistischen Fachdidaktiken ist die romanistische Linguistik (und hier insbesondere die Teildisziplinen Phonetik und Phonologie, Pragmatik und Varietätenlinguistik, in gewissem Maße auch die historische Linguistik) (vgl. Reimann im Druck b, bes. Kap. 3.1, 4.1). In besonderem Maße relevant sind - mit Blick auf die Entwicklung inter- und transkultureller Lernprozesse - weiterhin die romanistischen Landes- und Kulturwissenschaften sowie eine sich allmählich konstituierende romanistische Medienwissenschaft. Insofern literarische Texte im Fremdsprachenunterricht eingesetzt werden, bleibt auch die romanistische Literaturwissenschaft eine relevante Bezugsdisziplin (vgl. hierzu bes. Band III, Medien-, Kultur- und Literaturdidaktik, zu den fachwissenschaftlichen Bezugs‐ disziplinen der romanistischen Fachdidaktiken vgl. auch Reimann 2020a, 534). Wünschenswert wäre weiterhin, dass die Neurowissenschaften/ Neurolingu‐ istik mit sprachspezifischen Untersuchungen als Bezugsdisziplinen erschlossen würden (vgl. Reimann im Druck b, Kap.-1.2). 26 Daniel Reimann <?page no="27"?> romanistische Linguistik romanistische Literaturwissenschaft Romanistische Fremdsprachenforschung Fachdidaktik Französisch/ Spanisch/ Italienisch/ Portugiesisch/ Rumänisch romanistische Landes- und Kulturwissenschaften, romanistische Medienwissenschaft Abb. 1: Romanistische Fachdidaktiken und ihre intradisziplinären Bezugsdiskurse inner‐ halb der Romanistik (eigene Darstellung) Fachwissenschaftliche Aspekte von Relevanz finden sich u. a. in der Erforschung der romanischen Gegenwartsliteraturen und der romanistischen Medienwis‐ senschaft (einführend in die romanistische Literaturwissenschaft z. B. zum Französischen Klinkert 2017, Gröne/ Reiser 2017 bzw. mit auch kulturwissen‐ schaftlicher Ausrichtung Hartwig/ Stenzel 2007, Mecke/ Wetzel 2007, spezifisch zur französischen Kultur- und Medienwissenschaft Lüsebrink et al. 2004; zum Italienischen Grewe 2009, Gröne/ von Kulessa/ Reiser 2012, Liebermann/ Kuhn 2014, zum Spanischen Stenzel 2010, Gröne/ von Kulessa/ Reiser 2016, Hartwig 2018 mit Schwerpunkt Hispanoamerika und mit kulturwissenschaftlicher Aus‐ richtung, zum Portugiesischen Zepp 2014; speziell zur Lyrik im Französischen, Italienischen und Spanischen Wetzel 2016). Landes- und kulturwissenschaft‐ liche Inhalte sind für die Lehrerbildung ebenso unabdinglich, Einführungen und Überblicksdarstellungen sind z. B. Röseberg 2001, Grosse/ Lüger 2008, Lüsebrink 2011 zu Frankreich, Grosse/ Trautmann 1997, Baasner/ Thiel 2004 zu Italien, Bernecker 2008, Gimber 2003, Gimber/ Walter 2012 zu Spanien, Kreutzer 2013, Briesemeister/ Schönberger 1997 sowie Hendrich/ Pereira Martins 2018 zu Portugal, Costa/ Kohlhepp/ Nitschack/ Sangmeister 2010 zu Brasilien. Weiterhin finden sich für die Lehrerbildung relevante Inhalte gerade auch in der roman‐ istischen Linguistik (einführend z. B. Platz-Schliebs/ Schmitz/ Müller/ Merino Claros 2012 (sprachenübergreifend), Sokol 2007, Stein 2014 zum Französischen, Prolegomena zu einer Geschichte der romanistischen Fachdidaktik und der Lehrerbildung 27 <?page no="28"?> Kabatek/ Pusch 2011, Dietrich/ Noll 2012, Becker 2013 zum Spanischen, Haase 2012, Michel 2016 zum Italienischen, Endruschat/ Schmidt-Radefeldt 2014 zum Portugiesischen). Hier ist, mehr als in der Vergangenheit, als entsprechende Kenntnisse selbstverständlich waren, zunächst grundlegend die historische Lin‐ guistik zu nennen. Sprachhistorisches Wissen hilft, scheinbare Unregelmäßig‐ keiten im Sprachsystem zu erklären und kann folglich als Merkhilfe vermittelt werden (z.-B. im Französischen zur Begründung des Präpositionsgebrauchs bei Benennung der Jahreszeiten en hiver - en été - en automne vs. au printemps). An Studienorten, an denen ein Latinum nicht mehr verpflichtend ist, können Lehr‐ veranstaltungen eines „Latein für Romanisten“ oder Einführungen in die Ent‐ wicklungen vom Lateinischen zu den romanischen Sprachen sinnvollerweise an dessen Stelle treten (vgl. Müller-Lancé 2020 sowie Müller-Lancé/ Kropp/ Siebel/ Stöckel 2021, Kiesler 2018). Auch sprachwissenschaftliche Lehrveranstaltungen zu historischen Sprachstufen sollten (wieder) eine Selbstverständlichkeit sein (einführend z. B. noch immer Wolf/ Hupka 1981 zum Altfranzösischen, Michel 1997 und Heinemann 2017 zum Altitalienischen, Barme 2014 zum Altspani‐ schen, noch immer Huber 1933 zum Altportugiesischen). Weiterhin grundle‐ gend sind Erkenntnisse der (mehrsprachigen) Spracherwerbsforschung (z. B. Müller/ Kupisch/ Schmitz/ Cantone 2011), der Phonetik und Phonologie (z. B. Pustka 2016 zum Französischen, Blaser 2007, Gabriel/ Meisenburg/ Selig 2013 sowie Pustka 2021 zum Spanischen, Heinz/ Schmid 2021 zum Italienischen), der Varietätenlinguistik (z. B. einführend Sinner 2013, Pöll 2017 zur Frankophonie, Herling/ Patzelt 2013, Noll 2019 zum Spanischen) und der Pragmatik (z. B. Siebold 2008, Sieberg 2018, Reimann/ Robles i Sabater/ Sánchez Prieto 2019 zum Spani‐ schen und Portugiesischen). Linguistische Sprachbetrachtung mit Blick auf die Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften kann immer in kontrastiv-linguis‐ tischer Perspektive erfolgen (einführend z. B. Tekin 2012, exemplarisch Reimann 2014d, Robles i Sabater/ Reimann/ Sánchez Prieto 2016a, b, Reimann/ Robles i Sabater/ Sánchez Prieto 2019, Wolf-Farré/ antone/ Moraitis/ Reimann 2021). 2.2 Fachdidaktische Ansätze und Forschungsschwerpunkte Die Fachdidaktik der romanischen Schulsprachen bezog sich traditionellerweise vor allem auf das Französische, seit der Etablierung des Italienischen und Spani‐ schen als dritten Fremdsprachen vor allem seit den 1980er Jahren zunehmend auch auf Spanisch und Italienisch, nunmehr punktuell auch auf Portugiesisch. Als Eckdaten und historische Orientierungsmarken können für das Spanische z. B. die Gründungen der Zeitschriften Hispanorama im Jahr 1972 und Der fremdsprach‐ liche Unterricht Spanisch 2003 sowie die Veröffentlichung erster Einführungen 28 Daniel Reimann <?page no="29"?> in die Fachdidaktik (Grünewald/ Küster 2009, Sommerfeldt 2011 und Bär/ Franke 2016) gelten, für das Italienische die Gründung der Fachzeitschrift Italienisch - Zeitschrift für italienische Sprache und Kultur mit regelmäßig mindestens einem fachdidaktischen Beitrag im Jahr 1979, die Publikation fachdidaktischer Sektionen der Italianistentage seit den 2000er Jahren, z. B. Becker/ Heinz/ Lüderssen 2001 sowie die erste spezifische Einführung in die Fachdidaktik Italienisch Michler/ Reimann 2019, für das Portugiesische einführende Erhebungen wie Scotti-Rosin 1997 und Reimann 2017b, ein erster schwerpunktmäßig auf das Portugiesische als Fremdsprache in Deutschland ausgerichteter Band wie Koch/ Reimann 2019 sowie, als „Gründungsdokument“ einer Fachdidaktik Portugiesisch, Reimann et al. i.Vb. Als weitere historische Wegmarke für die Entwicklung einer fächerübergreifend und sprachvernetzend arbeitenden Fachdidaktik der romanischen Sprachen kann die Gründung der Zeitschrift für Romanische Sprachen und ihre Didaktik im Jahr 2007 angesehen werden. Die theoretisch-konzeptionell wie auch empirisch forschende Fachdidaktik der romanischen Schulsprachen befasst sich dabei im Wesentlichen mit allen Bereichen der Fremdsprachendidaktik und Fremdsprachenforschung. Aufgrund der an vielen Hochschulen noch immer defizitären Ausstattung des Faches ist der Forschungs‐ output gemessen an größeren Fachdidaktiken trotz des Einsatzes seiner Akteu‐ rinnen und Akteure bislang noch überschaubar; auch größere Forschungsprojekte oder -verbünde sind selten. Größere Studien werden überwiegend im Rahmen von Qualifikationsschriften (Dissertationen und - selten - Habilitationen) durchgeführt (vgl. Caspari 2016b, 13), die in ihrer Zahl insgesamt spürbar zunehmen (wenn auch die Zahl der Habilitationen rar bleibt - zwischen 2010 und 2020: circa fünf). In den vergangenen beiden Jahrzehnten seit Veröffentlichung der Bildungs‐ standards für den Mittleren Schulabschluss (KMK 2003), die auf den Fremd‐ sprachenunterricht insgesamt große Strahlkraft haben - nicht zuletzt, weil sie seinerzeit ohnehin virulente Bemühungen um Kompetenzmodellierungen durch den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (Europarat 2001) und eine Stärkung der „Mündlichkeit“ (Hör-/ Sehverstehen und Sprechen) katalysierten - hat sich ein breiter theoretisch-konzeptioneller und empirischer Forschungsdiskurs um Kompetenzorientierung, Aufgabenorientierung, Differen‐ zierung und Inklusion im Unterricht der romanischen Sprachen entwickelt, wobei sich dieser besonders in der verhältnismäßig jungen Spanischdidaktik entfalten konnte (vgl. z. B. Tesch 2010, Meißner/ Tesch 2010, Abendroth-Timmer/ Bär/ Ro‐ viró/ Vences 2011a, Bär 2013a, Grünewald/ Krämer 2014). Eine in den letzten beiden Jahrzehnten (neu) modellierte Teilkompetenz, an deren (Weiter-)Entwicklung die romanistische Fachdidaktik beteiligt war, ist der Bereich der Sprachmittlung (also der situations- und adressatenadäquaten, sinngemäßen Übertragung von Prolegomena zu einer Geschichte der romanistischen Fachdidaktik und der Lehrerbildung 29 <?page no="30"?> Texten aus einer in eine andere Sprache, einführend z. B. Reimann 2016a). In jüngerer Zeit finden sich verstärkt theoretisch-konzeptionelle Erinnerungen an die Bedeutsamkeit von - motivierenden und (allgemein-)bildenden - „Inhalten“ im Unterricht der romanischen Schulsprachen (z. B. Reinfried 2017c, bes. 79, exemplarisch Imbach 2011, Steinbrügge 2016, Reimann 2017a). Andreas Grünewald und Katharina Verriere konnten im Jahr 2014 an 29 von 34 angeschriebenen Hochschulen, die eine Lehramtsausbildung in den romanischen Sprachen anboten, Daten zur Stellensituation und zu Forschungs‐ schwerpunkten erheben (Grünewald/ Verriere 2015, 19). Dabei wurden - auf den Angaben der jeweiligen Professuren basierend - bei einer einfachen deskriptiv-statistischen Auswertung der induktiv auf der Grundlage einer offenen Fragestellung gewonnenen Kategorien folgende von wenigstens einem Fünftel der Antwortenden bearbeitete Forschungsschwerpunkte ersichtlich (Grünewald/ Verriere 2015, 20 f., 27): • inter-/ transkulturelles Lernen 48% • Literaturdidaktik 44% • Standardorientierung/ Kompetenzorientierung 41% • Mehrsprachigkeit (einschließlich Zweitsprachenforschung) 33% • bilingualer Unterricht 30% • Mediendidaktik 30% • Linguistik 22% • Aufgabenorientierung 22% • Teilkompetenzen (Sprechen, Sprachmittlung, Schreiben) 22% In einem Forschungsüberblick zur Französischdidaktik der Jahre 2005 bis 2015 kann Lars Schmelter folgende thematische Schwerpunkte feststellen: Kompetenzorien‐ tierung, Behandlung kultureller, medialer und literarischer Inhalte, interkulturelle Kompetenz, Sprachmittlung, Mehrsprachigkeitsdidaktik, Motivation (Schmelter 2016). Dabei muss festgestellt werden, dass Unterrichtsforschung im Bereich der Französischdidaktik noch weitgehend als Desiderat bezeichnet werden muss (Schmelter 2016, 124). Dieser Befund gilt auch für die Fachdidaktiken des Spani‐ schen (vgl. z.-B. Bär 2019) und des Italienischen (vgl. Reimann 2009c, 2019c). Historisch zurückblickend, Spezifika der romanistischen Fachdidaktik unter‐ streichend und ihre besonderen Leistungen für die Fremdsprachenforschung 30 Daniel Reimann <?page no="31"?> insgesamt würdigend können - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - u. a. folgende Forschungsfelder hervorgehoben werden: Ein Gebiet, in dem der Un‐ terricht der romanischen Sprachen - hier des Französischen - eine Vorreiterrolle zukam, war seit den 1960er Jahren die Entwicklung des bilingualen Sachfachun‐ terrichts (z. B. Mentz/ Nix/ Palmen 2007, Schmelter 2013, Deutsch 2016). Damit eng verbunden ist der Bereich des frühen Fremdsprachenlernens, in dem das Französische insbesondere im Südwesten (v. a. Baden-Württemberg, Saarland, Rheinland-Pfalz) lange eine besondere Bedeutung innehatte und für den früh‐ zeitig Konzepte für eine „Didaktik des Übergangs“, mithin für eine Kontinuität zwischen Frühbeginn und Sekundarstufe I, entwickelt wurden (z.-B. Prinz 1999, Prinz 2003, Kierepka/ Krüger/ Mertens/ Reinfried 2004, Mertens 2003, Mertens 2018). Ein Bereich, in dem die romanistische Fachdidaktik vor allem seit den 1990er Jahren richtungweisende Pionierarbeit geleistet hat, ist die so genannte Mehrsprachigkeitsdidaktik. Diese ist u. a. insbesondere mit den Namen Franz- Joseph Meißner und Marcus Reinfried verbunden (vgl. z. B. Meißner/ Reinfried 1998, Martinez/ Reinfried 2006). Naheliegenderweise hat sich die Fachdidaktik der romanischen Sprachen, die beinahe als einzige Fremdsprachendidaktik mehrere Schulfremdsprachen aus einer Sprachenfamilie vertritt, die in einer schulischen Lernbiographie aufeinander folgend erlernt werden können (z.-B. in den 1990er Jahren Spanisch als spät beginnende Fremdsprache nach Französisch als 3. Fremdsprache, zunehmend auch z. B. Italienisch als 3. Fremdsprache nach Französisch als 2. Fremdsprache und inzwischen z. B. auch Französisch oder Italienisch als 3. oder spät beginnende Fremdsprachen nach Spanisch als 2. Fremdsprache), als erste und wohl am intensivsten Gedanken über sprachenver‐ netzendes Lehren und Lernen schulischer Fremdsprachen gemacht und damit auch Impulse für die Fremdsprachendidaktik insgesamt gegeben (vgl. z. B. die Bezeichnung des Verbands der Englischlehrerinnen und -lehrer als E & M - Englisch und Mehrsprachigkeit, usw.). Im Kontext der Mehrsprachigkeitsdidaktik hat sich im weiteren Verlauf zum einen die Interkomprehensionsforschung entwickelt (Erforschung insbesondere der Möglichkeiten des rezeptiven Sprach‐ verstehens auf der Grundlage vorhandener Sprachkompetenzen in anderen, z. B. verwandten, Sprachen), zu der die romanistische Fachdidaktik wiederum maßgebliche Beiträge vorlegen konnte (z. B. Klein/ Stegmann 2000, Meißner 2005, Bär 2009). In jüngerer Zeit hat man zunehmend auch die lebensweltliche Mehrsprachigkeit in den Blick genommen (z. B. Hu 2003) und es wurden theoretische Konzepte vorgelegt, beide Forschungsrichtungen der Mehrspra‐ chigkeitsdidaktik/ -forschung zu integrieren, etwa unter den Vorzeichen einer „aufgeklärten Mehrsprachigkeit“ (z. B. Reimann 2016b, Reimann/ Siems 2015, Reimann 2017d, vgl. weiterhin z. B. García García/ Prinz/ Reimann 2020). Auch Prolegomena zu einer Geschichte der romanistischen Fachdidaktik und der Lehrerbildung 31 <?page no="32"?> zu der von der europäischen Sprachenpolitik (bes. Europäisches Fremdspra‐ chenzentrum des Europarats) beförderten Entwicklung einer Modellierung von Kompetenzen und Ressourcen zu „Pluralen Ansätzen zu Sprachen und Kulturen“, die einen weit gefassten Begriff von Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität zu modellieren versuchen, hat die romanistische Fachdidaktik einschlägige Veröffentlichungen beigesteuert (z.-B. Schröder-Sura 2018, Schröder-Sura 2020, Melo-Pfeifer/ Reimann 2018a). Spezifika des Lernens und Lehrens der romani‐ schen Sprachen als dritter und ab der späten Mittelstufe neu einsetzender spät beginnender Fremdsprachen etwa aus Perspektive der Unterrichtsforschung und der Lernersprachenforschung werden indes derzeit noch zu wenig in umfassenden Studien erforscht (vgl. als Vorläufer die Publikation Christ 1985 zu Französisch als spät beginnende Fremdsprache, Bahr et al. 1996 zu Italienisch und Spanisch im Rahmen des Bochumer Tertiärsprachenprojekts sowie Bouw‐ meester 2011 zu Spanisch als dritter Fremdsprache). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die Fachdidaktiken der romanischen Sprachen bzw. die romanistische Fremdsprachenforschung im Grunde mit allen Fragen der gegenwärtigen Fremdsprachendidaktik auseinandersetzen. Vor der Folie der anderen fremdsprachlichen Fachdidaktiken - etwa Anglistik, aber auch Slavistik - darf als spezifisches Verdienst innerhalb der Fremdsprachenforschung seit den 1990er Jahren sicherlich die maßgebliche Beteiligung an der Entwicklung einer Mehrsprachigkeitsdidaktik gelten (vgl. Reimann 2020a, 534-536). 2.3 Fachdidaktische Forschungsmethoden Die Fremdsprachenforschung verfügt derzeit mit Settinieri et al. (2014) und Caspari et al. (2016) über zwei aktuelle und umfassende Handbücher zu For‐ schungsmethoden. An dem letztgenannten Band war die romanistische Fremd‐ sprachenforschung mit Daniela Caspari maßgeblich beteiligt. Eine konzise Ein‐ führung, die für eine erste Orientierung etwa im Bachelor-Studium mit Blick auf erste eigene Forschungsvorhaben geeignet ist, hat ebenfalls aus romanistischer Perspektive Reimann 2020b vorgelegt. Neben traditionelle, hermeneutische Methoden der historischen (bes. Marcus Reinfried, z. B. Reinfried 2014, 2016) und vor allem der theoretisch-konzeptionellen fachdidaktischen Forschung sind in den letzten Jahrzehnten zunehmend empirische Methoden getreten. Dabei bedient sich die Fremdsprachenforschung, wie andere Fachdidaktiken auch, u. a. durch Psychologie und Bildungswissenschaften vermittelt, überwiegend der empirischen Sozialforschung entlehnter Methoden. Dabei wird immer wieder dafür plädiert, das spezifische Potential einer kleineren Teildisziplin der Fremd‐ sprachenforschung insbesondere im Bereich qualitativer Ansätze zu nutzen. 32 Daniel Reimann <?page no="33"?> Neben etablierten Verfahren wie v. a. leitfadengestützten Interviews, Lerntage‐ büchern usw. wird in jüngerer Zeit z. B. auch das Erfassen unterrichtsbezogener Produkte angeregt, d. h., „von Texten bzw. Dokumenten auszugehen, die nicht extra erhoben werden müssen, sondern bereits vorhanden sind […], z. B. Unterrichtsplanungen, Tafelbilder, […] Kurz-Präsentationen, Gedichte, Plakate […] Rollenspiele usw.“ (Caspari 2016b, hier 193). Quantitative Einzelstudien auf umfassender Datenbasis, die über einfache deskriptivstatistische Operationen hinausgehen, stellen bislang eher die Ausnahme dar (z. B. Porsch/ Köller 2010, Venus 2017). Insgesamt geht die Tendenz zu mixed-methods-Ansätzen, Triangu‐ lation gilt als eine zentrale Forschungsstrategie. In der historischen Entwicklung der Disziplin und ihrer Forschungsmethoden - von einer eher auf die Verschriftlichung von Unterrichtsentwürfen bzw. Beispielen für die Unterrichtspraxis zielenden systematisierenden Unterrichtsmethodik seit dem 19. Jahrhundert bis in die 1960er/ 1970er Jahre (vgl. Reimann 2018, bes. 135- 149), über eine vor allem bis in die 1970er/ 1980er Jahre stark aus der hermeneu‐ tisch-geisteswissenschaftlichen Tradition geprägten theoretisch-konzeptionellen Forschung einer Fachdidaktik als „Transformation“ bezugswissenschaftlicher In‐ halte (die hier vor allem philologisch, allenfalls landeswissenschaftlich gedacht wurden, vgl. Schumann/ Steinbrügge 2008) hin zu einer sich durch Anregungen aus der in den 1970er Jahren geprägten Sprachlehrforschung einerseits (vgl. z. B. Gnutzmann/ Königs/ Küster 2011, Königs 2013, Bausch et al. 2016) und der empi‐ rischen Bildungsforschung besonders seit etwa 2000 andererseits wandelnden, sich zunehmend empirischer Methoden bedienender forschenden Fachdidaktik andererseits, die ihr methodisches Instrumentarium in enger Interaktion mit den anderen verwandten (Fremd-)Sprachendidaktiken (bes. Anglistik, aber auch Slavistik und Niederlandistik sowie DaF/ DaZ) beständig reflektiert und weiter‐ entwickelt, ist die romanistische Fachdidaktik und Fremdsprachenforschung in demselben Beziehungsgefüge zu verstehen, wie Cramer 2019 es anschaulich für andere Fachdidaktiken nachgewiesen hat (vgl. z.-B. Reimann 2019). Insgesamt verzeichnet die Fremdsprachenforschung in den vergangenen Jahren spürbar mehr wissenschaftlichen Nachwuchs. Eine sehr gute Nachwuchsförde‐ rung findet auch durch die Deutsche Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF) statt, die u. a. gezielt Nachwuchstagungen und Sommerakademien für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler ausrichtet (vgl. www.dgff. de). Die zunehmende Professionalisierung der fremdsprachlichen Fachdidaktiken zeigt sich u. a. in der zunehmenden Zahl an Promotionen und durch die Aus‐ differenzierung und Reflexion des forschungsmethodischen Repertoires, wobei sich neben hermeneutisch-konzeptionellen Zugriffen zunehmend qualitative und quantitative Ansätze etabliert haben. Abschließend kann man feststellen, dass in Prolegomena zu einer Geschichte der romanistischen Fachdidaktik und der Lehrerbildung 33 <?page no="34"?> der aktuellen romanistischen Fachdidaktik historische, theoretisch-konzeptionelle und empirische Forschungsdesigns koexistieren, wobei verstärkt seit etwa 2000 eine Hinwendung zur Empirie mit einem Übergewicht der qualitativen Forschung festzustellen ist. In den letzten Jahren sind punktuell eine Rückbesinnung auf theoretisch-konzeptionelle Forschung einerseits und Versuche, empirische For‐ schung mit einem erstrebten Praxisbezug z. B. in erneuerten Konzepten der Handlungsforschung wie etwa Design-Based-Research zu verbinden andererseits anzutreffen (z.-B. Grünewald et al. 2014) (vgl. Reimann 2020b, 536, weiterführend vgl. Reimann 2020a und Reimann im Druck a, Kap. 8). 2.4 Institutionelle Verankerung des Faches und fachdidaktische Curricula im Studium Erst seit etwa 2005 wurden im Kontext der Umstellung auf Bachelor-/ Master- Studiengänge und der zeitgleich auferlegten Akkreditierungen ansatzweise flächendeckend fremdsprachendidaktische Professuren eingerichtet, was eine grundsätzlich sehr erfreuliche Entwicklung darstellt und das Forschungspoten‐ tial der Disziplin grundlegend stärkt. Allerdings sind noch immer Defizite u. a. in folgenden Bereichen festzustellen: Nicht alle Universitäten, die ein Lehramts‐ studium in einer Fremdsprache anbieten, richten auch Professuren ein (noch gravierender ist dieses Defizit im Übrigen im Bereich der Didaktik der Alten Sprachen), in jüngerer Zeit musste wiederholt festgestellt werden, dass de facto fachwissenschaftliche Professuren im Namen der Fachdidaktik oder auch als „Kombinations-Professuren“ vom Typ „Fachwissenschaft und Didaktik in der Sprache X“, bei Erwartung im Extremfall ausschließlich fachwissenschaftlicher Forschungsschwerpunkte, ausgeschrieben wurden. Vor allem aber sind die Pro‐ fessuren mitunter nicht ausreichend ausgestattet, um forschungsstark agieren und den für die Zukunft der Fächer zwingend notwendigen wissenschaftlichen Nachwuchs fördern zu können. Nicht zuletzt ist ein negativer Nebeneffekt der Stärkung der fremdsprachlichen Fachdidaktiken die institutionelle „Abwick‐ lung“ der traditionellen Sprachlehrforschung in Bochum und Hamburg (vgl. z. B. http: / / staff.germanistik.rub.de/ sprachbildung/ seminar-fuer-sprachlehrfosc hung-slf/ (19.01.2022) https: / / www.uni-hamburg.de/ campuscenter/ studienange bot/ studiengang.html? 1115052380, 03.04.2018). Derzeit (Stand 2022) gibt es in Deutschland in der romanistischen Fremdspra‐ chenforschung etwa 25 Professuren und 5 Juniorprofessuren. Im Detail handelt es sich dabei um 18 Professuren an Universitäten sowie um 4 Professuren an Pädagogischen Hochschulen (zusätzliche 4 Professuren sind derzeit vakant). Da‐ neben treten 4 Juniorprofessuren an Universitäten und 1 an einer Pädagogischen 34 Daniel Reimann <?page no="35"?> Hochschule. Weiterhin gibt es 8 Universitäts- und PH-Professuren mit romanis‐ tisch-didaktischen Anteilen (6 bzw. 2, 7 davon mit fachwissenschaftlichen, 1 mit anglistisch-didaktischen Anteilen), sowie 2 Juniorprofessuren mit romanistischdidaktischen Anteilen. Dies wird in folgender Graphik veranschaulicht: Abb. 2: Deutschland-Karte der romanistisch-didaktischen Professuren (eigene Darstel‐ lung, © Daniel Reimann) Prolegomena zu einer Geschichte der romanistischen Fachdidaktik und der Lehrerbildung 35 <?page no="36"?> In der Lehre spiegelt sich die insgesamt verbesserte personelle Ausstattung des Faches in größeren fachdidaktischen Studienanteilen im Lehramtsstudium, an vielen Standorten erfreulicherweise bereits im Grundstudium bzw. im B.A.-Studium. So durchlaufen beispielsweise Studierende an der Universität Duisburg-Essen je nach Wahl des Faches im Berufsfeldpraktikum mindestens 8, maximal 10 Semesterwochenstunden Lehre (also 4-5 Lehrveranstaltungen) in romanistischer Fachdidaktik bis zum Erwerb des B.A. mit Lehramtsoption, auf die im Master nochmals 6 Semesterwochenstunden Lehre (zuzüglich eines Praxissemesters an einer Schule) folgen. Insgesamt umfasst das Studium mithin 14 bis 16 Semesterwochenstunden fachdidaktische Lehrveranstaltungen (zuzüg‐ lich schulischer Anteile des Praxissemesters). Bei den fachdidaktischen Curricula ist grundlegend und prototypisch zwi‐ schen Hochschulen zu unterscheiden, an denen die fachdidaktische Ausbil‐ dung bereits in den ersten Studienjahren einsetzt (im Folgenden: „extensives Curriculum“) und solchen, an denen sie erst im Hauptstudium bzw. in der Master-Phase einsetzt (im Folgenden: „intensives Curriculum“). Diese grund‐ legende Unterscheidung kann mit Blick auf den Studienortwechsel für die Studierenden problematisch werden, sie ist insbesondere dann bedauerlich, wenn an benachbarten Studienorten grundlegend divergierende Studienver‐ laufspläne gelten, wie dies z. B. in Nordrhein-Westfalen der Fall sein kann. Hier zeigt sich eine grundlegende Schwierigkeit der Bologna-Reform bezogen auf die lehramtsspezifischen Inhalte des Studiums. Inhaltlich weisen die zwei grundlegenden Ansätze folgende Vor- und Nachteile auf: bei Konzentration der fachdidaktischen Anteile im Master steht dieser ganz unter den Vorzeichen der Ausbildung für die Schule und erlaubt eine Fokussierung auf Didaktik und Schulpraxis (häufig verbunden mit einem Praxissemester). Bei Verteilung über den gesamten Studienverlauf ab dem ersten oder zweiten Studienjahr werden fachdidaktisches Wissen und didaktisch-methodische Kompetenzen sukzessive und systematisch aufgebaut und erlaubt, in die Phase eines längeren studienbegleitenden Praktikums im Hauptstudium (z. B. Bayern) oder eines Praxissemesters im Master (z. B. Nordrhein-Westfalen, Berlin) auf der Grund‐ lage eines relativ fundierten und über einen gewissen Zeitraum gefestigten Schatzes an Wissen, Kenntnissen und Fertigkeiten einzutreten. Aufgrund der obigen Feststellungen zur Relevanz fachwissenschaftlicher Inhalte stellt der frühe Zeitpunkt im Studium in der Regel keine gravierenden Hindernisse dar, vor allem sprachpraktische Defizite könnten hinderlich werden (an manchen Universitäten gelten tatsächlich absolvierte sprachpraktische Module auf einem bestimmten Niveau als Zugangsvoraussetzung). 36 Daniel Reimann <?page no="37"?> Im Folgenden soll zunächst der prototypische Verlauf eines extensiven Curriculums skizziert und ein Beispiel für ein romanistisch-fachdidaktisches Curriculum im Detail gegeben werden: Häufig wird ein aus zwei bis drei Lehr‐ veranstaltungen bestehendes fachdidaktisches Grundlagenmodul im zweiten oder dritten Fachsemester angeboten. Idealiter besteht es aus einer Einführungs‐ vorlesung und einer seminaristischen Einführungsveranstaltung, die genau auf die Vorlesung abgestimmt deren Inhalte vertieft. Ein bis zwei weitere, monogra‐ phische Seminare im Verlauf des B.A. mit Lehramtsoption/ B.Ed. können folgen. Im Master werden üblicherweise Hauptseminare, Seminare zu Forschungsme‐ thoden der Fremdsprachenforschung sowie Begleitveranstaltungen zu den verschiedenen fachdidaktischen Praxisphasen angeboten (vgl. Reimann 2020a, 536 f.). Als Beispiel sei das romanistisch-fachdidaktische Curriculum an der Universität Duisburg-Essen genannt: B.A. mit Lehramtsoption Semester Veranstaltungstyp Titel und inhaltliche Aspekte Modul „B.A.-Modul Fachdidaktik“ 2 Vorlesung (2 SWS) Einführung in die Fachdidaktik der roma‐ nischen Schulsprachen 2 Proseminar (2 SWS) Begleitseminar zur Einführungsvorlesung 3 Proseminar (2 SWS) monographisches Proseminar, i.-d.-R. mit einem Schwerpunkt auf Mehrsprachig‐ keit (lebensweltlich/ schulisch) 3 (fakultativ) Tutorium (2 SWS) Tutorium zur Einführung in die Fachdi‐ daktik der romanischen Schulsprachen 5 Wiss. Übung (2 SWS) Begleitseminar zum „Berufsfeldprak‐ tikum“ Modul „Berufsfeldpraktikum“ 5/ 6 Wiss. Übung (2 SWS) - Begleitseminar zum Berufsfeldpraktikum Modul „Abschluss-Modul Fachdidaktik“ Modul „Abschluss-Modul Fachdidaktik“ 6 B.A.-Seminar (2 SWS) monographisches Seminar („Mittelse‐ minar“), keine thematische Festlegung Prolegomena zu einer Geschichte der romanistischen Fachdidaktik und der Lehrerbildung 37 <?page no="38"?> M.Ed. Semester Veranstaltungstyp Titel und inhaltliche Aspekte Modul „Master-Modul-Fachdidaktik“ 7 (bzw. 1) Hauptseminar (2 SWS) monographisches Seminar, keine thematische Festlegung, i.d.R. unter Berücksichtigung von As‐ pekten der Inklusion - Modul „Praxissemester - Schule und Unterricht forschend verstehen“ 8 (bzw. 2) Wiss. Übung (2 SWS) fachdidaktisches Begleitseminar zum Pra‐ xissemester unter Berücksichtigung von Aspekten der Inklusion Modul „Begleitmodul zur Master-Arbeit - Professionelles Handeln wissen‐ schaftsbasiert weiterentwickeln“ 10 (bzw. 4) Hauptseminar (2 SWS) Forschungsmethoden in der Fachdidaktik der romanischen Schulsprachen Abb. 3: Modul- und Studienverlaufsplan Fachdidaktik Romanistik an der Universität Duisburg-Essen (eigene Darstellung) Sozusagen eine Misch- oder Kompromissform der beiden prototypischen Stu‐ dienverläufe („extensives“ und „intensives Curriculum“) stellt das Modulcurri‐ culum der Humboldt-Universität zu Berlin dar, das hier als zweites Beispiel vor‐ gestellt werden soll. Nach einer fundierten Einführung in die Fachdidaktik im Bachelor werden hier fachdidaktische Studienanteile tendenziell verstärkt in das Master-Studium integriert: Die Studierenden besuchen im B.A.-Studium fach‐ didaktische Lehrveranstaltungen im Umfang von 4 Semesterwochenstunden (Einführung und Seminar), im Master im Umfang von 11 Semesterwochen‐ stunden, so dass auch hier das Studium insgesamt 15 Semesterwochenstunden fachdidaktischer Studienanteile (wiederum zuzüglich schulischer Anteile des Praxissemesters) vorsieht. 38 Daniel Reimann <?page no="39"?> B.A. mit Lehramtsoption Semester Veranstaltungstyp Titel und inhaltliche Aspekte Modul „Grundlagen der Didaktik des Französisch-/ Italienisch-/ Spanischun‐ terrichts“ 5 Vorlesung (2 SWS) Einführung in die Didaktik der romani‐ schen Sprachen und Literaturen 6 Proseminar (2 SWS) monographisches Seminar M.Ed. Semester Veranstaltungstyp Titel und inhaltliche Aspekte Modul „Aufbaumodul Fachdidaktik“ 7 (bzw. 1) Hauptseminar (2 SWS) Inklusion und Heterogenität 8 (bzw. 2) Hauptseminar (2 SWS) Problemfelder des Fremdsprachenlehrens und -lernens Modul „Planung, Durchführung und Reflexion von Französisch-/ Spa‐ nisch-/ Italienischunterricht“ 8 (bzw. 2) Wiss. Übung (2 SWS) Vorbereitung des Schulpraktikums - 9 (bzw. 3) Wiss. Übung (1 SWS) Nachbereitung des Schulpraktikums Modul „Transfermodul Fachdidaktik“ 10 (bzw. 4) Hauptseminar (2 SWS) Perspektiven fachdidaktischer Forschung 10 (bzw. 4) Hauptseminar (2 SWS) oder Kolloquium (2 SWS) Perspektiven fachdidaktischer Forschung (II) bzw. Kolloquium zur Masterarbeit Abb. 4: Modul- und Studienverlaufsplan Fachdidaktik Romanistik an der Humboldt- Universität zu Berlin (eigene Darstellung) Ein weiterer Reflex der verbesserten institutionellen Rahmenbedingungen ist das Aufblühen einer Handbuch-Literatur zur Einführung in einzelsprachliche Prolegomena zu einer Geschichte der romanistischen Fachdidaktik und der Lehrerbildung 39 <?page no="40"?> Fachdidaktiken und zur Fremdsprachendidaktik im Allgemeinen, im Falle der Romanistik seit 2006 (mit dem Vorläufer Leupold 2002), welche die Einfüh‐ rung in die Fachdidaktik Französisch von Arnold aus dem Jahr 1973 (mit Neuauflagen bis 1997, s. o., 1.5) ablösten. Die aktuelle Generation von für die Didaktiken der romanischen Sprachen und Literaturen relevanten Einführungs- und Überblicks-Darstellungen lässt sich aus heutiger Perspektive in zwei Phasen unterteilen, eine erste von 2006 bis 2010/ 2011 datierende Phase - mit einem Schwerpunkt um das Jahr 2010 - und eine zweite, die etwa 2014/ 2015 einsetzt, in der teilweise überarbeitete Neuauflagen von Werken der ersten Phase erschienen, teilweise aber auch noch neue Publikationen hinzugetreten sind. Diese jüngere Handbuch-Generation sei an dieser Stelle tabellarisch erfasst, wobei auf die Frage eingegangen werden soll, ob Fachdidaktik als Wissenschaft a) definiert und b) durch (forschungs-) methodologische Abschnitte auch als solche eingeführt wird. Berücksichtigt wurden romanistische Einführungsdar‐ stellungen sowie sprachenübergreifende Einführungen und Handbücher, die für die Romanistik relevant sind. Erstauflagen sind dabei mit Fettdruck (Autor und Titel) bezeichnet. 40 Daniel Reimann <?page no="41"?> Jahr Werk Fachdidaktik/ Fremdspra‐ chenforschung explizit als Disziplin modelliert Forschungsmethodologie ein‐ geführt 2002 Leupold: Französisch unterrichten (Seelze: Kallmeyer) ja (bes. 24-44) nein 2006 Nieweler (Hrsg.): Fachdidaktik Französisch (Stuttgart: Klett) ja (bes. 12-26) nein 2007 Krechel (Hrsg.): Französisch-Methodik (Berlin: Cornelsen) nein nein 2009 Grünewald/ Küster (Hrsg.): Fachdidaktik Spa‐ nisch (Stuttgart: Klett) ja (bes. 42-83) ja (79-83) 2010 Leupold: Französisch lehren und lernen (Seelze: Kallmeyer) ja (bes.92-99) nein 2010 Fäcke: Fachdidaktik Französisch (Tübingen: Narr) ja (bes. 2-14) nein 2010 Decke-Cornill/ Küster: Fremdsprachendidaktik (Tübingen: Narr) ja (bes. 1-9) nein 2010 Hallet/ Königs (Hrsg.): Handbuch Fremdspra‐ chen-didaktik (Seelze: Kallmeyer) ja (bes. 11-39) ja (z.-B. 359-372) 2010 Metzler Lexikon Fremdsprachendidaktik (Stuttgart: Metzler) ja (vgl. 347: „Bezugswissenschaften und Teilbereiche) ja (v.-a. s.v. Empirie, Forschungsmethoden und -instrumente) 2011 Fäcke: Fachdidaktik Spanisch (Tübingen: Narr) ja (bes. 2-14) nein Prolegomena zu einer Geschichte der romanistischen Fachdidaktik und der Lehrerbildung 41 <?page no="42"?> 2011 Sommerfeldt (Hrsg.): Spanisch-Methodik (Berlin: Cornelsen) nein nein 2014 Krechel (Hrsg.): Französisch unterrichten (Berlin: Cornelsen) nein nein 2014 Krechel (Hrsg.): Französisch-Methodik (Berlin: Cornelsen, 4. Auflage) nein nein 2015 Krechel (Hrsg.): Französisch-Didaktik (Berlin: Cornelsen) nein nein 2015 Decke-Cornill/ Küster: Fremdsprachendidaktik (Tübingen: Narr, 3. Auflage) ja nein 2016 Bär/ Franke (Hrsg.): Spanisch-Didaktik (Berlin: Cornelsen) nein nein 2016 Burwitz-Melzer et al. (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachenunterricht (Tübingen: Francke) ja (bes. 1-7) ja (bes. 571-596) 2017 Fäcke: Fachdidaktik Französisch (Tübingen: Narr, 2. Auflage) ja (bes. 2-14) nein 2017 Nieweler (Hrsg.): Fachdidaktik Französisch (Stuttgart: Klett, 2. Auflage) ja (bes. 19-30) nein 2017 Metzler Lexikon Fremdsprachendidaktik (Stuttgart: Metzler) ja ja (v.-a. s.v. Empirie, Forschungsmethoden und -instrumente) 2018 Grünewald/ Küster (Hrsg.): Fachdidaktik Spanisch (Stuttgart: Klett, 2. Auflage) ja (bes. 60-95) ja (bes. 96-110) 42 Daniel Reimann <?page no="43"?> 2019 Hallet/ Königs (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachendi‐ daktik (Seelze: Kallmeyer, 3. Auflage (2. Auflage: 2013)) ja (bes. 11-39) ja (z.-B. 359-372) 2019 Michler/ Reimann: Fachdidaktik Italienisch (Tübingen: Narr) ja (bes. 279-302) ja (bes. 279-302) - 2019 Sommerfeldt (Hrsg.): Spanisch-Methodik (Berlin: Cornelsen, 6. Auflage) nein nein 2019 Bär/ Franke (Hrsg.): Spanisch-Didaktik (Berlin: Cornelsen, 2. Auflage, 2. Druck: 2021) nein nein 2020 Koch: Einführung in die Fachdidaktik Spanisch (Berlin: Erich Schmidt) ja (bes. 24-36) nein 2020 Hallet/ Königs/ Martinez (Hrsg.): Handbuch Methoden im Fremdsprachenunter‐ richt (Seelze: Kallmeyer) nein Forschungsmethoden bes. als Lehr-/ Lernmethoden fokus‐ siert (505-527) fett = Erstauflage, nicht fett = Neuauflage (Neuauflagen nur auswahlartig berücksichtigt, z.-B., wenn lange nach Erstauflage erschienen bzw. wenn überarbeitet) Abb. 5: Fremdsprachendidaktische Einführungsdarstellungen (Schwerpunkt Romanistik) seit dem Jahr 2000 (eigene Darstellung) Prolegomena zu einer Geschichte der romanistischen Fachdidaktik und der Lehrerbildung 43 <?page no="44"?> Im Unterschied zu den historischen Vorläufern seit dem 19. Jahrhundert (vgl. Reimann 2018) erfolgt eine Reflexion der Fachdidaktik als Disziplin nunmehr beinahe regelmäßig. Allerdings wird sie wie in der Vergangenheit häufig vor allem in den Kontext ihrer Bezugswissenschaften gestellt und in Abgrenzung zu einer - inzwischen beinahe als historisch zu bezeichnenden - Allgemeinen Didaktik (vgl. Reimann im Druck a, Kap. 1.4.1) eingeführt. Methodologische Reflexionen zur Fachdidaktik als forschender Disziplin bleiben in den Einfüh‐ rungen meist sehr eklektisch und sind sehr knapp gehalten (Ausnahmen sind z. B. Grünewald/ Küster 2009, 2018 und Michler/ Reimann 2019). Dies mag an der Zielsetzung der genannten Bände liegen, die insbesondere Lehramtsstudierende in die praxisrelevanten Aspekte des Fachgebiets einführen wollen, ist aber mit Blick auf Fachdidaktik als eigenständige wissenschaftliche Disziplin und in Hinblick auf die Bildung eines wissenschaftlichen Nachwuchses sicherlich zu hinterfragen. Handbücher wie Hallet/ Königs 2010, das Metzler Lexikon Fremd‐ sprachendidaktik (2010) wie auch das neue Handbuch Fremdsprachenunterricht (Burwitz-Melzer et al. 2016) enthalten indes verlässliche (forschungs-)methodo‐ logische Abschnitte bzw. Einträge. Mit der grundlegend überarbeiteten Neuauf‐ lage des Handbuch Fremdsprachenunterricht (Burwitz-Melzer et al. 2016) liegt darüber hinaus nunmehr auch für die Praxis ein Werk vor, das den aktuellen Forschungsstand der Disziplin in handbuchartiger Form kompakt darstellt. Abschließend kann festgehalten werden, dass sich die Fremdsprachendidaktik in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren massiv weiterentwickelt hat, von einer überwiegend hermeneutisch ausgerichteten Anwendungsdisziplin zu einer empirisch orientierten Fremdsprachenforschung (insgesamt vgl. Reimann im Druck, Kap.-1.1). Bibliographie Abendroth-Timmer, Dagmar/ Bär, Marcus/ Roviró, Bàrbara/ Vences, Ursula (Hrsg.) (2011): Kompetenzen beim Lernen und Lehren des Spanischen. 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Voraussetzung zur Bildung solcher Aussagen ist die Fähigkeit, nach festgelegten Regeln Satzgefüge bilden zu können. Zwischen Personen aus einer Sprach‐ gemeinschaft ergeben sich normalerweise nur durch dialektal-semantische oder aussprachebedingte Varianten Verständigungsschwierigkeiten. Will man jedoch mit Angehörigen anderer Sprachgemeinschaften nicht nur mit isolierten lexikalischen Einheiten sprachlich kommunizieren, ist neben dem Wissen um soziale Regeln die Vertrautheit mit Strukturen und Wortbedeutungen der fremden Sprache erforderlich. Eine bedeutsame Triebfeder für die Aneignung entsprechender Kenntnisse ist seit jeher das Bedürfnis nach gedanklichem Austausch über die unterschied‐ lichsten Themen, wobei nicht zuletzt der Wunsch von Geschäftsleuten nach direkten Handelsbeziehungen über Gebiets- und Sprachgrenzen hinweg eine zentrale Rolle einnimmt. Die wirtschaftliche Stärke eines Landes führt folge‐ richtig zusammen mit seinem politisch-kulturellen Prestige zur Wertschätzung der Sprache, die dort hauptsächlich gesprochen wird. Französischkenntnisse waren mindestens seit dem Mittelalter hoch ange‐ sehen. Die französische Literatur beeinflusste über die Grenzen der Nation hinaus die Literatur anderer Länder, wie u. a. zahlreiche Übersetzungen bzw. Adaptionen belegen (z. B. der Versromane des Chrestien de Troyes). Spätestens seit Ende des 30-jährigen Krieges 1648 war Frankreich in Europa eine enorme politisch-wirtschaftliche Macht, so dass die Vertrautheit mit dem Französischen nicht nur für Handeltreibende weiter an Bedeutung gewann, sondern zum <?page no="58"?> 1 Die insgesamt am stärksten nachgefragte (moderne) Fremdsprache war bis dahin allerdings das Italienische vor dem Französischen (vgl. Reimann 2018, S.-126). 2 Vgl. Minerva/ Reinfried 2012, S. 19: „En Allemagne se sont ensuite constituées dans la deuxième moitié du XVIIIe siècles les premières méthodologies destinée à l’enseigne‐ ment en classe.” 3 Die ältesten Lehrbücher der französischen Sprache entstanden laut Stengel (1890/ 1970, S. 12) in England am Ende des 14. Jahrhunderts. In Deutschland wurden Grammatiken in Straßburg, Köln, Frankfurt, Nürnberg, Halle, Jena, Leipzig, Berlin, Hamburg und Dresden gedruckt. (Stengel 1890/ 1970, S. 13). Stengel (S. 91) erwähnt auch die Gram‐ matik Lunckenbeins (vgl. hier Abschnitt 2.2). Beispiel auch für junge Adelige als Vorbereitung auf die Grand Tour von erheblichem Nutzen war. Da die flüssige Anwendung des Französischen das Renommee des Sprechers steigerte, waren außerdem Kleriker und das aufstre‐ bende Bürgertum daran interessiert, sich in der Sprache unterhalten zu können, denn sie eröffnete den Zugang zu innovativen Ideen in vielen Bereichen (u. a. militärtechnisches Sachwissen) und brachte Vorteile z. B. „für die Bekleidung höherer säkularer Ämter“ (vgl. Reinfried 2014: 11). Das Französische wurde alles in allem für den wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und merkantilen Austausch zur wichtigsten europäischen Fremdsprache (vgl. Michel 2006: 21) und löste ab dem 17./ 18. Jahrhundert endgültig das Lateinische als lingua franca ab. 1 Die Aneignung erfolgte und erfolgt immer noch vornehmlich auf zwei Wegen: direkt im fremden Land durch den ungesteuerten Erwerb (Immersion) oder durch das unterschiedlich intensiv gesteuerte Lernen durch Selbstlernma‐ terialien, durch Privatlehrer oder in einem schulischen Kontext (zur Entwick‐ lung des Fremdsprachenlernen vgl. u. a. Kelly 1969; schwerpunktmäßig auf das Englische bezogen Klippel 1994). Im Mittelalter war die Unterweisung in Fremdsprachen, d. h. namentlich des Lateinischen, hauptsächlich den Klöstern vorbehalten. Doch bald gab sich insbesondere das erstarkte Bürgertum damit nicht mehr zufrieden, so dass die Aufgabe in zunehmendem Maß auf weltliche Einrichtungen überging. In Deutschland existierte bereits im 17. Jahrhundert Französischunterricht in „schulmäßig organisierter“ Form (Mannzmann 1983: 95), und spätestens im 16. und 17. Jahrhundert gab es für einen gezielten Sprachunterricht neben Grammatiken auch Lehrbücher, 2 die pragmatisch-funktional konzipiert waren (vgl. Neuner 2004: 288). 3 Solche historischen Dokumente zum gesteuerten Lernen des Französischen illustrieren mit Einblicken in Methoden des Lehrens und Lernens die Ge‐ schichte des Unterrichts sowie Entwicklungslinien des Fremdsprachenlehrens und -lernens bzw. einer Fremdsprachendidaktik ante litteram. Überdies sind 58 Christine Michler <?page no="59"?> 4 Während die Fassungen von 1399 und 1415 nur knapp mit Manières de langage betitelt sind, haben die Manières von 1396 einen umfänglicheren Titel: La maniere de langage que t’enseignera bien a droit parler et escrire doulz françois selon l’usage et la coustume de France. (vgl. http: / / txm.bfm-corpus.org/ pdf/ maniere1396.pdf; 10.09.2020). 5 Wegen des didaktischen Schwerpunkts des Beitrags erfolgt weder eine Zusammenfas‐ sung der Überlieferung der Manières noch eine eine sprachlich-dialektale Einordnung des Textes oder eine Analyse sprachgeschichtlicher Aspekte. sie von sprachgeschichtlicher und kulturwissenschaftlicher Relevanz, da sie den Sprachstand und die Konversationskultur eines bestimmten Zeitraums veranschaulichen. Für die Untersuchung entsprechender Materialien besteht demnach erhebliches Erkenntnisinteresse. 2 Untersuchungskorpus Die folgende Analyse fokussiert zwei unterschiedliche Methoden repräsentie‐ rende Lehrgänge für das Französische aus zwei Jahrhunderten: 1. Die in drei Fassungen (1396, 1399, 1415) 4 überlieferten Manières de langage eines unbekannten Autors (Kristol 1995). Genutzt wurde der als Sammlung von lexikalischen Einheiten und Redewendungen angelegte Sprachkurs vorwiegend in England, wo ein großes Interesse am Französischen u. a. bei Handeltreibenden bestand (vgl. u.-a. Critten 2015; 2019). 2. Die Grammatik des an der Universität Leipzig tätigen Lehrers der franzö‐ sischen Sprache Christian Lunckenbein (vgl. Jöcher 1813: 168). Die aus dem Jahr 1752 stammende Sprachlehre mit dem zeittypisch ausführlichen Titel Des neuen Versuchs, die Französische Sprache auf eine angenehme und gründ‐ liche Art in kurzer Zeit zu erlernen, vollständige Grammatik oder Sprachlehre, zum Gebrauch Academischer Lectionen auf acht Tabellen entworfen, auf eine neue Art eingerichtet, und mit den berühmten Französischen Briefen der Mademoiselle Babet, samt einem Deutsch-Französischen Wörterbuch, nach Alphabetischer Ordnung vermehrt, durch Christian Lunckenbein, der Rechte Beflissenen ist einem systematischen, an grammatischen Gesichtspunkten ausgerichteten Vorgehen verpflichtet. Untersuchungsschwerpunkte sind jeweils die im Dokument explizit festge‐ legten Zielsetzungen des Lehrgangs, Aufbau, Anpassung an die Zielgruppe, Auswahl, Schwerpunkte und Darbietung des Lehrstoffes sowie die Gewichtung der Fertigkeiten. 5 In einer abschließenden Bewertung werden soweit möglich Bezüge zur heutigen Sprachvermittlung hergestellt. Französischlehr- und lernmethoden aus dem 14. und 18.-Jahrhundert 59 <?page no="60"?> 2.1 Manières de langage Da der Rahmen dieses Beitrags die Begutachtung aller drei Fassungen der Ma‐ nières nicht zulässt, wird nur der Text von 1399 herangezogen - ein ausdrücklich an Kinder gerichtetes französisches Konversationshandbuch: Cy comence un petit livre pour enseigner les enfantz de leur entreparler comun françois. 2.1.1 Aufbau und Inhalt Der Autor gliedert den Lehrgang in elf Abteilungen, die meist noch weiter unterteilt sind. Nicht alle Rubriken sprechen neue Themengebiete an, vielmehr werden einige Inhalte (z. B. le chemin, salutations) zyklisch mehrfach aufge‐ griffen. Rubriken Inhalt 1. Nominale 1. 1. L’année ecclésiastique -Cy comence un petit livre pour enseigner les enfantz de leur entreparler comun françois. Pour ce sçachez primierement que le an est divisé en deux, c’est assçavoir le yver et la esté. Le yver a six mois et la esté atant, que vallent douse. Et ces sont ces: march, april et may sont le primier quarter de l’an; jun, julet et aoust sont le seconde quartier; septembre, octobre et novembre sont le troisiesme; decembre, janver et fevrer sont le quatriesme. -Et en chescun mois yl y a des bonnes festes, qar en march comence volentiers le Quaresme, començant par Quaresme prennant. Et luy ens est volentiers l’Anunciaçoun de Nostre Dame et Pasques fleuri et denaprés Pasques. Et april est la feste de mon seignur seint Ambroise evesque et docteur et de mon seignur saint George chivalier et martyr et de mon seignur saint Marc evange‐ listre. En may est la feste des mes seignurs saint Phelippe et saint Jaque apostres, et la Invencion de la Sainte Crois. Et volenters l’Ascencion de Nostre Sire et le Pentecouste et la feste de la benoite Trinité. En jun est la feste de mon seignur saint Barnabé l’apostre et de mon seignur Jehan le Baptistre et des mes seignurs saint Pierre et saint Pol apostres. En julet est la feste de ma dame sainte Margarete vierge et martire et de ma dame sainte Marie Magdalene et de mon seignur saint Jaque apostre et de ma dame sainte Anne la mere a Nostre Dame. En aoust est la feste de mon seignur saint Lorens martir et de l’Assumpcion Nostre Dame, et de mon seignur 60 Christine Michler <?page no="61"?> saint Bartholomeu apostre. En septembre est la nativité de Nostre Dame et l’Exaltacion de la Sainte Crois et la feste de mon seignur saint Ma‐ thieu apostre et evangelistre, et de mon seignur saint Michel archangre. En octobre est la feste de mon seignur saint Dienise et ses compaignons et de mon seignur saint Edward roy et confessour, et de mon seignur saint Luc evaungelistre et de mes seignurs saint Simon et saint Jude apostres. En novembre est la feste de Toutz Saintz et Toutez Saintez et de mon seignur saint Leonarde abbé et de mon seignur saint Martin evesque et con‐ fessour et de ma dame sainte Katerine vierge et martire et de mon seignur saint Andreu apostre. En decembre est la feste de mon seignur Nicholas et de la concepcion de Nostre Dame et la feste de saint Thomas apostre et Nouel. En janver est la Circumcision de Nostre Sire et la Eptiphanie. En fevrer est la feste de la Chandeleur et de mon seignur saint Mathy apostre. -Et chescun mois a quatre sepmaines et chescun sepmaine a sept jours et sept nuys, c’est asça‐ voir lundi, maredi, mercredi, jeudi, vendredi, semmedi, dimenche, et chescun jour ové sa nuyt a vint et quatre heures. 1.2. Les numéros, monnaies Et maintenant il fara bon d’ensaigner les enfans a conpter. Pour ce comencez ainsi enpreuf : un, deux, trois, quatre, cinq, six, sept, uuit, neuf, dis, onse, dous, tresze, quatorse, quinse, sesze, dis et sept, dis et uuyt, dis et neuf, vint, vint et un, vint et deux, vint et trois, vint et quatre, vint et cinq, vint et six, vint et sept, vint et uuyt, vint et neuf, trente, trente et un, trente et deux, et cætera. Quarant, quarant et un, et cætera. Cinquant, cinquant et un et cætera. Soixant, soixant et un et cætera jusques soixant et dis neuf. Doncques di quatre vins, quatre vins et un et coetera jusques quatre vins et dis et neuf. Et doncques di cent, deux cens, trois cens, quatre cens et cætera, neuf cens, mil. -Le primier, le seconde, le trois, le quart, ou ainsi : uniesme, le deusiesme, le troisiesme, le quatri‐ esme, le cinquiesme, le sisiesme, le septiesme, le uuytiesme, le neufiesme, le disiesme, le onsiesme, le dousiesme, le tresziesme, le quatorsiesme, le quinsiesme, le sesziesme, le disiseptiesme, le di‐ siuuytiesme, le disi neufiesme, le vintiesme, le vint et uniesme, le vint et deusiesme, et cætera, le trentiesme, le quarantiesme, le cinquantiesme, le soixantiesme, le qatrevinsiesme, le centiesme, le milliesme. Französischlehr- und lernmethoden aus dem 14. und 18.-Jahrhundert 61 <?page no="62"?> Et sçachez que deux poetevines font un maille, et deux mailles font un denier, et quatre deniers font un gros blanc, et trois blans font un soulde, et trois souldes englois font un franc, et un franc et un gros blanc font un escu, et deux escus font un noble, et deux nobles font une marc, et une marc et demy font une livre d’Angliterre, et ainsy serront rebatuz. 1.3. Êtres humains, animaux Maintenant parlons de plus communs noms des choses et començons ainsi: Mon pere, ma mere, mon frere, ma soier, mon filz, ma fille, mon aiel, ma aielle, mon uncle, ma ante, mon mari, ma femme espousee, mon compaignon, ma com‐ paigne, mon amy, m’amye, mon seigneur, ma dame. Et ainsi ditez ton, ta, son et sa, le et la. -Autre maniere de parler : un homme, une femme, un enfant, une pucelle, un garçon, une garse, un valton, un valet, une chamberiere, un proud homme, une proude femme, un ribaud, une ri‐ baude, un maquerel, une maquerelle, un putier, une putaigne, un villein, une villeine. Un emperour, une emperesse, un roy, une roigne, un prince, une princesse, un duc, une ducesse, un conte, une contesse, un viconte, une vicon‐ tesse, un baron, une baronesse, un chivailier, une chivailieresse, un escuier, une escuieresse, un da‐ moisel, une damoiselle, un varlet, une moilere, un laron, une larronesse, un sorcier, une sorcieresse, un murdre, une murdriere. -Pape, un patriarch, un cardinal, un arcevesque, un evesque, un arcediacre, un curé, un prestre, un chapelain, un clerc, un moigne, une nonaine, un chanoine, un frere, un religious, un seculier, un abbé, une abbesse, un prieur, une prieuresse, un jacobin, un cordeler, un frere de carme, un augustin. -Un chival, un jument, un torel, une vache, un beuf, un veel, un senglier, une truye, un porc, un porcel, un cuilart, une brebis, un moton, un aignel, un cog, une gelline, un oef, un poucin, un gars, une oue, un canard, une cane, une coulon, une pigon, un ouaysel, une beste, un chien, une biche, un lievr, une lievrer, un rat, un chat, une souris, un poil, un puche, une mouche, un cre‐ poud, un serpent, un lisard, un ver. 1.4. Habits, etc. Mon chapron, ma cornette, ma robe, mes draps, ma chemise, ma manche, mon chapel, ma bar‐ rette, mon gardcorps, mon purpoint, ma hope‐ lande, mon mantel, mon boton, mes braies, ma 62 Christine Michler <?page no="63"?> chause, mes soule[r]s, mes gans, mes polaines, mes hosiale, mes esperons, ma semelle, ma sainture, mon espee, ma lance, mon arc, ma fleche, ma sette, mon baslard, mon lit, mes lin‐ cialz, ma maison, ma chambre. 1.5. Le corpus humain Mon chief, ma teste, ma greve, mes chevelz, mon hanapel, mon cervil, ma cervelle, mon haterel, mes temples, mon front, mes surcilz, mes yeux, mes cilz, la chasie, ma prunelle, mes palpebres, mon regart, ma veue, mon morvat, mon nese, mes levres, mon palet, ma lengue, mes dens, mes maxiliers, mon menton, ma barbe, mon coul, mes nerfs, ma gorge, mes gencives, ma gargatte, mon cuer, mon poulmon, ma faie, mon feel, ma ratte, mes boialz, mon alaine, mon parler, ma poetrine, mes mamilles, mon ventre, mon nombril, mon penil, mon vit, mes coillons, ma conne, mes cuisses, mes genous, ma jambe, mon mouel, ma chevil, ma souris, mon pié, mon ortoille, mon ongle, ma plante, mon talon, mon cul, mes fesses, mon dors, ma eschine, mon cote, ma cotee, mon espaule, mon blesson, mon bras, ma coude, ma main, mon poing, ma poignee, ma jalaine, mon pouce, mon nelle, mon doit. 1.6. Objets divers; adjectifs, pro‐ noms, adverbes Le chemin, la rue, la pais, la ville, le champe, le bois, le pres, la arbre, la herbe, le blé, le feing, le jonc, la foerre; le feu, la yaue, le tison, la tincelle, la mere, la terre, le aier, le vent, les nues, le fouldre, la tonerre, la lune, le soulail, les estoilles; Dieux, le diable, paradis, enferre, joie, paine. -Fourment, segle, orge, avoine, feves, pois, fruit, pome, poire, nois, pain, vin, servoise, let, megue, beure, char, poisson, or, argent, plom, estaing, fer, acier, cuivre, araine, laton. Bon, mal; grand, petit; hault, bas; sain, malade; cler, orbe, barboillé; bel, lait; long, court; navré, guelri; riche, povre; plain, vuyde; cras, meger; fres, salé; doulx, amer; egre, atrampé; blanc, noir, rouge, pers, vert, gris, vermail, brun; chaut, froit; moillé, sec; hardi, couart; couroucé, lee; chier, a bon marché; saige, sot. -Je, tu, cil; nous, vous, ceux; moy, toy, soy; me, te, se; cil, ceulx ou cilz; celle, celles; il, ils ou eulx; elle, elles; ce ou cest, ces, ceste ou cestes; la, le, les; mon, ma, mes; ton, ta, tes; son, sa, ses; nostre, nous, vostre, vous, leur mesmes; mien, miens, mienne, miennes; tien, tiens, tienne, tiennes; sien, siens, sienne, siennes. Französischlehr- und lernmethoden aus dem 14. und 18.-Jahrhundert 63 <?page no="64"?> Sus, jus; avant, arriere; en costé, au bor ; en hault, en bas; ciens, liens; dedens, dehors; deça, de illeques, de la; loing, pres; ycy, illeques; la, ça; par ça, par la, par cy; sus, soubz; desus, des‐ oubz; par desus, par desoubz; oultre, parmy; jus‐ ques, auques; autour, tout environ, aileurs; anuyt, huy, maintenant, naguieres, pieça, ier, demain, mesouen, d’ores en avant; formient, belcoupe, defois, onques mais, ja, ja mais, tourjours, a tousjours mais, une fois, deulx, trois fois, ne, nemy, non, ouy, voire, donques, denaprés, co‐ ment, combien, purquoy; apertement, bellement, saigement, sotement, bonnement, mauveisement et ainsi des aultres. 2. Aultre manier de language pour demander le droit chemin. 2.1. Salutations; l’heure; le chemin -— Sire, Dieu vous doint bon jour. — Dieu vous doint bon jour et bon estraine. Ou : … bon santé. Ou : … bon joie. — Dame, Dieu vous doint bonnez vespres. — Sire, vous soiez le bien venu. — Dieu vous avant, bon amy. — Dieu vous garde de mal, m’amye. — Quelle heure est il de jour? — Prime. Ou : Tres. Ou : Middy. Ou : Noune. — Quantez heures est il? — Entre six et sept. — Combien decy a Paris? — Douse liaues ou auques. — A il bel chemyn? — Si Dieu m’aid, entre deux. — Le chemyn est il droit? — Si Dieu m’aid, deux sire, nemy, est il bien tort. — Et ditez, quantez liaues a il decy la? — Je vous di douse ou entour. — Est il assés seur de larons? — Si m’aid Dieux, sire, nemy. Il y eut des gens robbés maintenant. — Voire? — Voire, sire, vrayement. 2.2. Sur le chemin de Windsor — Ditez moy le nom de ceste ville. — Sire, cest vile est appellé Windessore. — Et qui est seigneur d’icelle ? Ditez, ou demoure il maintenant? Et la dame, ou demoure elle? — Ditez, sa fille est elle mariee? — Nanyl sire, par Dé. — Ditez moy, avons nous assés du jour jusques la? — Sire, il vous fault cheminer - ou : chevaucher - fort. — Le chemyn est il assés seur? — Voir, sire, vous pouez passer assés bien. 64 Christine Michler <?page no="65"?> — A il point de peril des larons? — Certez, sire, nous ne ouysme de nulle. — Et a quelle main tendrey je? — Tenez a la droite main, et donques tournés a la pote main, et donques tout fin droit. — Sire, Dieu ait en sa garde. — Dame, Dieu vous conduye. — Sire, Dieu vous avant. — Sire, bonne aventure aiez vous. — Alez achater nostre diner. — Il serra fait maintenant. 2.3. En route pour Canterbury — Que est la droite voie vers Canterbers? — Ditez, a il point du peril des larrons? — Et par ou purrey je passer sauvement? — Sire, il est assés sauf par jour, mais e[n]contre la nuyt il est perilleus. Pour ce attendez jusques a demain. Et donques nous dejunerons ensemble. Et quant vous choses seront accompliez, donques vous vous despartirez de moy. — Dieu vous doint bonne chevauché et vous encroisse en voz marchandisez. — Alez avant en vostre chemyn, que vous puissez venir a vostre herbage, qar il convient que vous vous hastez. — Sire, Dieu vous doint bonne aventure et vous encroisse es honneurs, et vous doint tielle vie a manier que luy en soit paié, et sa tresdoulce mere, Dieu pour sa grande grace. 3.Autre manier de language a parler des bourdeus et de trufes et tensons. 3.1. Injures et insultes -— Mauvaise ribaud, vous mentez. — Alez, ribaud, vous pendre. — Ribaud, vous estez digne d’estre perdu. — Alez decy, senglent filz de putaigne. — Certez, pailard, vous ne eschiverez jamais. — Garçon, vous le achetrez. — Ribaud, vous baserez mon cuel. — Va, ribaud, le diable vous confonde. — Pailard, je serrey bien vengé de vous. 3.2. Conter fleurette à une demoi‐ selle — Ditez, damoiselle, parlez a moy. Damoiselle, ou demourez vous? Voullez estre refete? Je vous ay veu aileurs. Ditez moy, que est vostre nom? — Damoiselle, vuillez vous aler ovesque moy et vous serrez m’amye? Et que vous donnerey je pour estre m’amye? — Damoiselle, ditez en bonne foy. Certez, vous ne averez plus pour moy. 3.3. Autres insultes — Va ribaud, et te pens. — Tu mens, faulz villein. — Paillard, vous ne eschiverez ja. Französischlehr- und lernmethoden aus dem 14. und 18.-Jahrhundert 65 <?page no="66"?> — Garçon, va decy au deable. — Alez, ribaud, que Dieu vous met en mal an. — Larron, tu averas male aventure. — Villein, vous mentez, et vous le acheterez. — Ribaud, tu averas le hault gibet. — Garçon, tu seras tué de male mort. — Pailard, alez hors de ma veue. — Va decy, ville puant paillard. — Ribaud, vous baserez le cul au deable. — Larron, vous fuissez digne d’estre pendu. — Va te en a ta putaigne, de part le diable, quar vous estez bien cuillez ensemble. — Garçoun, de moy tu ne averas ja bien. — Ribaud, tu me as mal servi et ce te serra bien acquité. — Pailard, je serrey bien vengé de toy, ville taig‐ neus que tu es. 4. Aultre maniere de language pour parler aus dames et aus damoi‐ selles. 4.1. Parler à une dame -— Dame, Dieu vous garde. Dame, Dieu soit ové vous. — Sire, Dieu vous doint bon vespres. — Dame, vous soiez la bien venue. — Sire, Dieu vous doint bonne aventure. — Dame, vous soiez bien encontree. — Dame, coment vous est il? — Bien, sire, a vostre commandement, mercié soit Dieu. — Et coment le fait vostre maistre? — Bien, sire, que bien aiez vous, loué soit Dieu. — Avez vous esté bien aise, dame? — Voire, sire, la vostre mercy. — Dame, benoit soit Dieu. — Dont venez vous? — Sire, jeo venke de Dunbare. — Dame, vuillez vous rien que je puisse faire? — Oil, sire, molt la vostre mercy. — Dame, vous le me comanderez. — Dame, nostre Sire soit gardien de vous. — Sire, Dieu vous conduye. 4.2. Faire la cour — Damoiselle, reposez vous bien. — Sire, grande joie vous doint Dieu. — Damoiselle, bien soiez vous trouvez. Ou fustez vous nee? Ditez moy, que est vostre nom? Damo‐ iselle, ou demourez vous? Ditez, ou serrés vous trouvez? Damoiselle, n’avés vous point nul amy? Voulez vous estre m’amye? Damoiselle, je vous purroie bien aymer. — Sire, vous plaise il a boire? Sire, je le vous donrey volentiers. — Damoiselle, a Dieu vous commande. — Sire, a Dieu. 66 Christine Michler <?page no="67"?> 5. Or parlerons en aultre maniere. 5.1. Dialogue à l’auberge — Ditez, portier, ou est la dame de ciens? — Sire, en la sale ou en la chambre. — Alez, faitez mon message a elle. — Sire, coment luy direy je? — Ditez luy que je suis cy. — Ma dame, un homme vouldroit parler ové vous. — Savez vous que il est? — Oy, vous le cognoissez bien. — Ditez luy que vendrey tantost. — Dame, Dieu vous doint bon jour. — Sire, bon jour avez vous. — Dame, avez hostiel pour nous trois compaig‐ nons? — Sire, combien longuement vuillez vous de‐ mourer? — Dame, nous ne vous sçavons pas dire. — Donques, que vuillez vous donner pour vostre table le jour? — Dame, que vuillez vous prendre pour chescun de nous? — Sire, rien mains de six deniers le jour. — Dame, nous le donrons volentiers. — Sire, par Dieu, vous soiez bien venu. — Doncques, dame, nous envoierons noz choses ça. — Sires, je suis bien content de vous. — Dame, faitez que noz choses soient misez sus. — Sire, elles serront misez en sauvegarde. — Ore, dame, nous irons pour noz bousoigns. — Sire, vous bevrez avant que vous voisiez. — Dame, de part Dieu. — Donque faitez le venir. — Ditez que elle nous aporte a boire. — Sire, prennez le hanape, vous comencerez. — Dame, non ferrey devant vous. — Sire, vous ferez vrayement. — Par sainte Marie, c’est bon boire. — Ore, sire, grant bien vous face il. — Ore, dame, a Dieu vous comande. — Sire, a Dieu soiez vous et cætera. 6. Aultre manier de language pour parler pour hostiel. 6.1. Dialogue à l’auberge -— Dieu garde la belle compaignie! Ditez, ou a il bon hostel? — Sire, la devant vous, au signe du sine. — Or Dieu soit ciens. — Sire ou dame, hostel pour charité et pour la Sainte Crois. — Sire, entrez de part Dieu. — Dame, avez vous de bon vin? — Voire, sire, belcoup. — Quel vin? — Et blanc vin et vermail. Französischlehr- und lernmethoden aus dem 14. und 18.-Jahrhundert 67 <?page no="68"?> — A combien? — A sesze, a dousze, a dis, a uuyt, a six, a quatre, a deux. — Et de foing et de avoine et des aultres choses que nous apartient? — Or, sire, vous averez assés. — Dame, coment vendez vous de la servoise? — Sire, la galon a trois mailles. — Dame, faitez atraier la servoise. Dame, faitez empler le hanap. Et portez nous des tasses et goblés pour le vin. Dame, faitez nous souper. Dame, faitez venir de la viande. — Or, mes seigneurs, faitez bonne chere. — Dame, faitez nous venir du fourmage. Dame, faitez ostre la nappe. Dame, venez conpter. Dame, combien est venu ciens? — Sir, de certein taunt. — Dame, prennez ce que raison est. Dame, est il pour tout paié? Dame, sont nos lis fais? — Sire, oil. — Or alons dormir donques. 6.2. Autre dialogue à l’auberge — Dieu soit ciens. — Vous soiez bien venu. Que demandez vous? — Dame, pourrons nous estre logez ciens? — Oy, sire, vous avrez icy bon hostel et toutes choses que a vous partiennent. Ditez, combien des chevalx avez vous? — Dame, nous avons six chevalx. — Bien, sire, vous serrez bien eisez. — Or moustrez nous nostre chambre. — Valton---ou : garson -, va ovesque eulx. — Or, coment vous plaist il, sires? — Dame, nous sumez bien paiez. — Sire, vous ne fauldrez rien. — Moustrez nous donques de vostre servoise. Dame, coment vendez vous de ceste icy? — Sire, le galon pour trois mailles. — Dame, huchez le clerc de ciens. — Me veez cy, sire. — Es tu clerc de ciens, mon amy? — Voire, sire, mes que il vous plais. — Sa, conpter, mon amy, et oste decy. Combien est venu ciens? — Sire, il y a en meilleur quatre deniers. Et en vin uuyt deniers, que sont dousze, et en cuissin sesze deniers, que sont deux soulds et quatre deniers, et en fruit quatre deniers, que sont deux soulds et uuyt deniers, et en fourmage deux deniers, et en belle chere quatre deniers, que sont trois soulds et deux deniers. — Et combien a il en foigne et en avoine? Et que avras pour les litz et pour la littiere? — Sire, rien 68 Christine Michler <?page no="69"?> pour les litz, mais pour la litiere quatre deniers, que sont trois soulds et six deniers. — Or clerc, pren ce que raison est. Or il est tout quite maintenant? — Voir, sire, come j’enten. — Dame, sont noz litz faitz? — Oy, sire, ils sont dessus entour eulx. — Dame, veez que nous [aions] bons lincialz et assés des draps, et que noz chevalx soient bien eisez. — Cleir, donnez nous a boire. Or alons nous couchier. — Sire, Dieu vous doint bonne nuyt et bon repose et bel lit et couchiez dehors. 7. Aultre manier de language pour saluer les bons gens. 7.1. Formules de salutation -— Sire, vous soiez le bien venu. — Sire, Dieu vous doint bonne nuyt. — Bonne nuyt vous doint Deux. — Sire, vous soiez bien encontré. — Sire, coment le faitez vous? — Sire, quelles nouvelles avez vous? — Sire, nous ne ouysmez nulles. — Sire, quant fustez a le hostel et coment le font ils en voz partiez? 7.2. Porter un message — Dame, Dieu soit oveque vous. — Sire, vous soiez le bien venu. — Dame, ou est le seigneur de ciens? — Sire, il est alé hors de la ville, mais il vendra tantost, se croy je. Ditez moy, sire, vostre bouso‐ igne. — Dame, je vouldroye parler a luy. — Vrayement, il ne y est pas. — Dame, vendra il point tost? — Par ma alme, sire, je ne sçay. — Sire, ditez moy vostre message. — Nemy, dame, je le luy vouldroie dire moy mesmes. — Sire, vous beverez, s’il vous plaist. — Nemy, dame, quant a present. — Sire, je direy vostre messaige. — Dame, Dieu le vous rende. — Sire, ditez moy vostre nom. — Dame, je suis appellé R. — Et que est vostre surnom ? — H. — Sire, en bonne heure. — Dame, je vous pri a dire mon bousoigne a vostre maistre. — Sire, je le ferrey voulentiers. — Dame, Nostre Seigneur vous ait en sa garde. Französischlehr- und lernmethoden aus dem 14. und 18.-Jahrhundert 69 <?page no="70"?> 7.3. Autres formules de salutation — Sire, Dieu vous doint bon jour. — Sire, bon jour aiez vous et bonne vie. — Sire, bon matin vous doint Dieux. — Sire, bon matin puissez vous avoir. — Sire, Nostre Seigneur vous garde. — Dame, Dieu vous doint bonne aventure. 7.4. Demander des nouvelles et des renseignements — Sire, vous soiez le bien venu. — Dame, coment le faitez vous? — Bien, sire, loué soit Dieu. — Dame, avez vous bonne santé? — Oy, sire, la vostre mercie. — Dame, il ne a de quoy, mais longuement ainsi vous tiegne Dieux. — Sire, quelles nouvelles avez vous? — Dame, mervailleuses. — Sire, ou est le roy et la roigne maintenant? — Par Dieu, dame, Dieu le sçache, je ne sçay. — Sire, ou tiendront ils leur Nouel? — Vraiement, dame, alme nee ne sçait encore. — Sire, quant venistez de le hostel? Et coment font toutz voz amys et amyes? — Sire, ils sont en bonne santee. — Sire, quel marché a il de blé la? — Dame, fourment a uuyt soulds le quartier. Et orge le meilleur a quatre soulds le quartier et trois deniers, et segle vault atant et feves aussi. — Benoit soit Dieu, c’est bon marché. — Et pois et avoine vaulent atant. — Sire, combien longuement demourerez vous yci? — Dame, jusques je ay eschivé mes bousoignes. — Sire, quant irez vous a l’ostel? Sire, je vous empri, faitez mon messaige. — Si ferrey je, dame, vrayement. Ditez le moy. — Je vous empri, saluez moy toutz mes amys et toutes mes amyes. — Sire, voulez vous rien que je puisse faire? — Oy, dame, ce est grand euffre, la vostre mercy, pour moy. — Sire, vous plaist il a boire? — Nemy, dame, il serroit guasté. — Sire, je le vous en donerey volentiers et de bon cuer. — Dame, je le sçay bien, Dieu le vous rende. — Oy, sire, par ma foy que mien est, vous trou‐ verez tout prest. — Dame, grand mercy, ce est sanz ma desert. — Nemy, sire, vraiement, je vous ay trouvé droit naturel. — Dame, Dieux amende lé faultes. Or Dieu vous ait en sa garde. 70 Christine Michler <?page no="71"?> 8. Aultre maniere de language pour achetre et vendre. 8.1. Au marché -— Ditez, a combien cest cy? Ditez, coment le averey je? — Le vuillez vous avoir? — Voire, sire, ditez a un mot. — Sire, vous me donrez tant pour ce. — Nemy, sire, sauve vostre grace, ce est trop. — Et que me donrez vous donques? — Ditez coment le me donrez vous a droit. — Vous le averez a bon marché. — Ditez a un mot et ne tarjez plus. — Par mon seurement, sire, vous ne le averez rien mains. — Sire, il ne vault pas le argent. — Sir, coment le voillez vous avoire? — Le averey je pour tant d’argentz? — Nemy, sire, il me couste plus. — Dites en bone foie coment l’avera jeo. — Sire, direy je a un mot? — Voire, pour Dieu. — Par saint Jaque, vous me donrez tant. Sire, a un mot, prennez ou laissez. — Vraiement, vous ne averez plus pour moy. — Prennez vostre argent si vous vuillez. — Ditez, n’avez vous point de meilleur a vendre? — Marie, sire, ce est tresbon. Et encore je vous trouverey tresmeilleur et tresbonnes denrees. — Et a combien? — Sire, il vaut centz solides. — Certez, il est trope chere. 8.2. Autre scène de marché — Sire, veés, j’ay tresbonne chose pour vous. Ditez, vuillez vous acheter cela? — Oy, dame, ce est tresbon pour nous. Ditez, coment le vuillez vous donner? — Sire, vous me donnez tant pour cecy. — Ditez, que est la derrain mot? Dame, a un mot, vous ne l’averez mains? Certes, vous le amez trop chierement, car il ne vault pas tant d’argent. — Sire, je vous trouverey meilleur si vous vuillez. — Or moustrez moy donques. — Veés cy bonne chose pour vous. — Or, de quel pris est cest cy? — Sire, vuillez vous a un mot? Vous me donrez tant pour cest cy se vous l’avez. — Nemy, mais je vous donrey tant pour cela, et tenez un denier en arres. Certes, je ne vous donrey plus. — Or le prennez donques en bon estrein. — Par ma foy, vous avez meilleur marché que nul aultre. Et pour ce faitez nous venir a boire, qar par ma foy, vous estez digne de le faire. — Or, a Dieu que vous garde. Französischlehr- und lernmethoden aus dem 14. und 18.-Jahrhundert 71 <?page no="72"?> 9. Encore un aultre maniere de language pour saluer les bonnes gens dedens ou dehors ou en quel lieu q’ils soient. 9.1. Dialogue entre maître et do‐ mestique -Pour ce sçachiez : au matin : bon jour, a remonté: bon vespres, et a soir : bonne nuyt, sicome il s’ensuyt. — Mon seigneur, Dieu vous doint bon jour. — Tu soiez le bien venu, mon amy. Dont vien tu, mon amy? — Dont je vien, mon seigneur? Marie, je vien de Paris, la ou vous m’avez envoié. — Et quelles nouvelles, je te empri? — Vraiement, je n’ay ouy nulles que bonnes. — Le roy, coment le fait il? — Par Dieu, sire, la mercy Dieu, tresbien. — Et la roigne aussi? — Marie, elle est en bon point, come j’ay ouy. — Et ou vas tu maintenant? — Si Dieu m’ait, sire, je vois a ma maison. — Voire? — Voire, sire, si m’ait Dieux. — Vuils tu aler anuyt? — Se je vuil aler anuyt? — Je croy que tu te moque de moy. — Par saint Jasque, sire, non fois, sauve vostre grace. Mais q’il ne vous desplaise, sire, je songe en voz paroles, pour ce que je ne puis pas bien ouyr. — Fais, par saint Marie. — Sire, oy. — Je le te pardonne. Donques va te en. Dieu te conduye. 10. Or pour saluer les bonnes gens. 10.1. Formules de salutation ; porter un message -— Dieu vous doint bon jour, ma dame. — Dieu vous doint bon vespres, sire. — Dieu vous doint bonne nuyt, ma damoiselle. Dieu soit ciens. — Vous soiez le bien venu, sire. — Damoiselle, Dieu vous doint bon jour et bonne estreine. — Bon jour aiez vous, sire, et bonne santee. — Dame, ou est le seigneur de ciens? — Parquoy demandez vous, sire? — Marie, je ne le demande pour nul mal, mais je parlasse volenters a luy. — Vraiement, il est alé hors de la ville. — Est? — Par ma alme, sire, ouy. Mais pour tant je croy q’il revendra tantost. — Fera? — Je ne sçay pour certain, mais je croy que si fera. Vuillez vous chose que je luy en puisse dire? — Vraiement, je parlasse volenters a luy. — Vraiement, sire, il ne y est pas. 72 Christine Michler <?page no="73"?> — Sçavez vous s’il vendra en piece? — Nemy, sire, vraiement. Ditez moy vostre mes‐ sage. — A quoy le vous direy je? Il ne vous profruit rien. Il me fault parler a luy de bouche. — De part Dieu, sire. Vuillez vous boire de son vin? — Nemy, dame, grant mercy quant a present. — Je vous prye que vous bevez du vin de ciens. — Vraiement, le vostre mercy, je n’ay point mes‐ tier. — Par ma foy, sire, vous le eussiez tresvolontiers. Et toutzjours serrey a vostre comandement. — Dame, la vostre treschier mercy, et pour ce que je ne le trouve pas ciens, je vous empri que vous luy diez mon messaige. — Sire, se ferey je de bon cuer. Mes non vous desplaise, je ne vous cognoiz point. Et pour ce, s’il vous plaist, ditez moy vostre nom. — Par saint Jaques, dame, non ferey je, mais a Dieu vous comande. — Sire, a Dieu soiez vous et cætera. 11. Encore en aultre maniere a parler aus bonnes gens. 11.1. Formules de salutation et de politesse -— Sire, Dieu vous doint bon vespres. — Sire, bon vespres vous doint Dieux et bonne joie. — Dame, Dieu vous doint bon matin. — Sire, et a vous aussi. — Dame, Dieu vous doint bonne aventure. — Sire, Dieu vous garde de mal. — Dame, coment faitez vous? — Bien, sire, a vostre comandement. — En bonne foy, coment vous est il? — Dieu mercie, bien, sire ; que bien aiez vous. — Dame, estez vous en bon point et bonne santee? — Par saint Jaques, sire, entre deux. — Dame, vuillez vous rien que je puisse? — Nemy, sire. — Il n’a de quoy, dame, mais s’il vous fault rien, ditez hardiment. 11.2. Politique contemporaine; nouvelles de Paris — Dame, vous soiez bien trouvee. — Vraiement, sire, vous soiez bien encontré. Et quelles nouvelles, sire? — Vraiement, dame, tresmervailleuses. — Et quelles, je vous emprie? — Si me ait Dieu, dame, j’ay ouy dire que le roy d’Angliterre est osté. — Quoy, desjoie? — Par ma alme, voir. — Et les Anglois n’ont ils point de roy donques? Französischlehr- und lernmethoden aus dem 14. und 18.-Jahrhundert 73 <?page no="74"?> 6 Da für den didaktischen Schwerpunkt das Layout der von Kristol erstellten pdf.-Datei unerheblich ist, wird auf dessen Übernahme verzichtet. — Marie, ouy. Et que celuy que fust duc de Lancastre, que est nepveu a celluy que est osté. — voire? — Voire vraiement. — Et le roygne, que fera elle? — Par Dieu, dame, je ne sçay. Je n’ay pas esté en conceille. — Et le roy d’Angliterre, ou fust il coroné? — A Westmynstre. — Fustez vous la, donques? — Marie, oy. Il y avoit tant de presse que par un pou que ne mouru, quar a paine je eschapey a vie. — Et ou serra il a Nouuel? — Par ma foy, je ne sçay, mais l’en dit q’il serra en Escoce. — Que Dieu l’avant de faire bien. Quant venistez vous de l’ostel ? A il grand piece que vous ne fustez la? — Par saint Jaques, nemy, il n’a guieres. Mais il y a grand piece que je fu a Paris. — Voir? — Par saint Jaques, oy. Je fu piecea. — Et en a il la bonnes escoles ? — Par ma foy, oy. C’est une grande université, et cætera. Tab. 1: Tabellarische Darstellung des Inhalts 6 Der Sprachkurs beginnt mit der grammatischen Kategorie ‚Nominale‘ (Abtei‐ lung 1), der sechs Unterpunkte zugeordnet sind: L’année ecclésiatique (1.1); Les numéros, monnaies (1.2); Êtres humains, animaux (1.3); Habits, etc. (1.4); Le corpus humain (1.5); Objets divers; adjectifs, pronoms, adverbes (1.6). In 1.1 folgen auf die Einteilung des Jahres in Winter und Sommer (Le yver a six mois et la esté atant, que vallent douse) die Jahresviertel März-April-Mai, Juni-Juli-August, September-Oktober-November, Dezember-Januar-Februar. Zu jedem Monat des Jahres werden kirchliche Feste nach dem gleichen Satzbauprinzip (z. B. En julet est la feste de ma dame sainte Margarete vierge …; En septembre est la nativité de Nostre Dame …) angegeben, so dass mit der prominenten Position dieser Feiertage die bedeutende Stellung der Kirche im ausgehenden 14. Jahrhundert belegt wird. Hinzugefügt werden die Unterteilung eines Monats in quatre sepmaines, die einer Woche in sept jours et septs nuyts, und die Aufzählung der Wochentage (lundi, maredi, mercredi, jeudi, vendredi, semmedi, dimenche), die jeweils vint et quatre heures dauern. 74 Christine Michler <?page no="75"?> In 1.2 Et maintenant il fara bon d’ensaigner les enfans a conpter folgen auf die Grundzahlen (un, deux, trois …) die Ordnungszahlen (Le primier, le seconde …), außerdem Beispiele für die Umrechnung von englischer in französische Wäh‐ rung (z.-B. trois souldes englois font un franc). Êtres humains, animaux (1.3) besteht aus Listen von Nomen. Zunächst werden Benennungen für Familienangehörige bzw. Verwandtschaftsgrade (Mon pere, ma mere…) angeführt, dazu allgemeine Bezeichnungen wie un homme, une femme, un enfant, aber auch pejorative Ausdrücke (une putaigne, un villein, une villeine). Auf Adelstitel (Un emperour, une emperesse…) folgen un laron, une larronesse, un sorcier, une sorcieresse, un murdre, une murdriere, dann Ränge von Klerikern (Pape, un patriarch, un cardinal …). Begriffe für Tiere schließen die Abteilung 1.3 ab (Un chival, un jument, un torel …). Aufzählungen gibt es ebenfalls in 1.4 Habits, etc. (Mon chapron, ma cornette …), in 1.5 Le corpus humain (Mon chief, ma teste …) und in 1.6 Objets divers (Le chemin, la rue …, Dieux, le diable, paradis …, Fourment, segle …), denen auch Adjektive, Pronomen und Adverbien (Bon, mal …, Je, tu, cil …, Sus, jus, avant…) zugeordnet sind. Ab Abteilung 2 Aultre manier de language pour demander le droit chemin mit den Rubriken Salutations, l’heure; le chemin (2.1); Sur le chemin de Windsor (2.2); En route pour Canterbury (2.3) geht der Sprachkurs über isolierte lexikalische Einheiten hinaus. In kurzen, meist parataktischen Sätze (z. B. Sire, Dieu ait en sa garde) werden die Lernenden mit elementaren, einfachen Redewendungen für den gesellschaftlichen Umgang bekannt gemacht (z. B. Sire, vous soiez le bien venu; Combien decy a Paris? ). Auffällig sind die zahlreichen Wiederholungen (mehrfach z.-B. Si Dieu m’aid, …; Si Dieu m’aid, …; Si m’aid Dieux …). Zwischenmenschliche Begegnungen sind Thema in Abschnitt 3 Autre manier de language a parler des bourdeus et de trufes et tensons mit den Schwerpunkten Injures et insultes (3.1), Conter fleurette à une demoiselle (3.2), Autres insultes (3.3). Durch diese eigenwillige Reihenfolge werden Möglichkeiten der Annäherung an eine Dame (z. B. Je vous ay veu aileurs. Ditez moy, que est vostre nom? ) von Beschimpfungen eingerahmt (z. B. Alez decy, senglent filz de putaigne; Va decy, ville puant paillard). Teil 4 Aultre maniere de language pour parler aus dames et aus damoiselles macht weitere Vorschläge zum Ansprechen einer weiblichen Person: Parler a une dame (4.1) und Faire la cour (4.2). Die Spannbreite reicht von Allgemein‐ plätzen bei der Kontaktaufnahme (z. B. Dame, Dieu vous garde; Dame, vous soiez bien encontree) bis zu konkreten Fragen (z. B. Damoiselle, n’avés vous point nul amy? Voulez vous estre m’amye? ). Französischlehr- und lernmethoden aus dem 14. und 18.-Jahrhundert 75 <?page no="76"?> Rubrik 5 Or parlerons en aultre manière mit dem Unterpunkt Dialogue à l’auberge (5.1) sowie Rubrik 6 Aultre manier de language pour parler pour hostiel mit Dialogue à l’auberge (6.1) und Autre dialogue à l‘auberge (6.2) umfassen Phrasen, die in einer Herberge nützlich sein können (z. B. 5.1: Dame, avez hostiel pour nous trois compaignons? ; 6.1: Dame, que vuillez vous prendre pour chescun de nous? ; Dame, avez vous de bon vin? ). Nummer 7 Aultre manier de lanugage pour saluer les bons gens widmet sich mit Formules de salutation (7.1), Porter un message (7.2), Autres formules de salutation (7.3) und Demander des nouvelles et des renseignements (7.4) nach 2.1 erneut Redensarten zur Begrüßung und zum Erbitten von Auskünften bzw. Überbringen von Nachrichten und belegt damit deren Stellenwert für zwischenmenschliche Kontakte. Da das Thema in 10.1 und 11.1 noch einmal aufgegriffen wird, gibt es mehrere inhaltliche Wiederholungen (z. B. 2.1 und 7.2: Sire, vous soiez le bien venu). Abteilung 8 Aultre maniere de language pour achetre et vendre konzentriert sich mit Au marché (8.1) und Autre scène de marché (8.2) auf Kauf- und Verkaufsgespräche (z. B. 8.1: Ditez, n’avez-vous point de meilleur a vendre? ; 8.2: Sire, veés, j’ay tresbonne chose pour vous; Certes, vous le amez trop chierement, car il ne vault pas tant d’argent). Begrüßungsphrasen und Modellsätze für ein Gespräch zwischen Herrn und Diener präsentiert Nummer 9 (Encore un aultre maniere de language pour saluer les bonnes gens dedens ou dehors ou en quel lieu q’ils soient) mit Dialogue entre maître et domestique (9.1). Wie schon in den vorhergehenden Zusammenstel‐ lungen handelt es sich überwiegend um grundlegende Ausdrücke: Mon seigneur, Dieu vous doint bon jour - Tu soiez le bien venu, mon amy. Dont vien tu, mon amy? Weitere Grußformeln finden sich in den Rubriken 10 Or pour saluer les bonnes gens und 11 Encore en aultre maniere a parler aus bonnes gens wieder mit Wendungen zum Übermitteln einer Nachricht und Höflichkeitsfloskeln (10.1: Formules de salutation; porter un message; 11.1: Formules de salutation et de politesse). Auch hier überwiegen wie z. B. 10.1 und 11.1 Allgemeinplätze: Sire, Dieu vous doint bon vespres; 11.1: Dame, Dieu vous doint bonne aventure. In den Vorschlägen für Unterhaltungen über politische Themen in der Unterabteilung Politique contemporaine; nouvelles de Paris (11.2) fallen, wie auch schon in Abteilung 7, die Fragen nach dem König und der Königin und Anspielungen auf Zeitgenossen auf (z. B. 7.4. Sire, ou est le roy et la roigne maintenant? ; 11.2 Si me ait Dieu, dame, j’ay ouy dire que le roy d’Angliterre est osté. … Et les Anglois n’ont ils point de roy donques? 11.2 Et que celuy que fust duc de Lancastre, que est nepveu a celluy que est osté; … Et le roy d’Angliterre, ou fust 76 Christine Michler <?page no="77"?> 7 Hervorgehoben werden bei der folgenden Besprechung hauptsächlich Aspekte, die die Zielrichtung des Sprachkurses und landestypische Gepflogenheiten anschaulich machen. 8 Vgl. https: / / www.arlima.net/ mp/ maniere_de_language.html#v1; https: / / www.arlima.n et/ -mp/ maniere_de_language.html#v2; https: / / www.arlima.net/ mp/ maniere_de_langu age.html#-v3 (jeweils: 26.8.2021). il coroné? … Et ou serra il a Nouuel? … Par ma foy, je ne sçay, mais l’en dit q’il serra en Escoce). 2.1.2 Bewertung 7 Der Text der Manières von 1399 ist, wie auch die Versionen von 1396 und 1415, als „Manuel de conversation française destiné à des apprenants anglophones“ aus‐ gewiesen. 8 Insofern ist die gelegentliche Bezugnahme auf England verständlich (z. B. 1.2 Les numéros, monnaies: une marc et demy font une livre d’Angliterre; 2.2 Sur le chemin de Windsor; 2.3 En route pour Canterbury; 11.2 Si me ait Dieu, dame, j’ay ouy dire que le roy d’Angliterre est osté). Frankreich als das Land, in dem die zu erlernende Sprache gesprochen wird, wird jedoch vernachlässigt, so dass die Lernenden in Bezug auf die dortigen Lebensbedingungen und Gebräuche keine Auskünfte erhalten. Allgemein gehaltene inhaltliche Schwerpunkte (z. B. Frage nach dem Weg, nützliche Fragestellungen und Antworten für eine Interaktion zwischen Reisenden und Händlern oder Wirten) sind indes grundsätzlich für die Vorbereitung auf eine Reise in ein fremdes Land sinnvoll. Wie im ersten Satz der Manières (Cy comence un petit livre pour enseigner les enfantz de leur entreparler comun françois) festgelegt, wird insbesondere die Fertigkeit ‚Sprechen’ ins Auge gefasst. Dazu bieten die Manières alltagsbezogene Sprechakte an, die im Prinzip direkt übernommen und angewendet werden können. Darüber hinausgehende Angaben, die einen kreativen Umgang mit den dargebotenen Modelldialogen fördern, fehlen allerdings. Der Sprachkurs bietet also den Lernenden keine Anleitung für sprachliches Verhalten in Situationen, in denen das Gegenüber nicht in der von den Manières vorgegebenen Weise reagiert. Auch eine didaktische Reflexion, beispielsweise in einem Vorwort, metalinguistische Informationen oder eine systematische Sprachbeschreibung, etwa in Bezug auf grammatische Strukturen, mit denen die isoliert in Listen präsentierten lexikalischen Einheiten selbständig zu korrekten Sätzen zusam‐ mengefügt werden können, sind nicht vorhanden. Instruktionen dazu sind wohl den Aufgaben eines Sprachlehrers zuzuordnen, der in den Manières jedoch nicht explizit vorausgesetzt wird. Französischlehr- und lernmethoden aus dem 14. und 18.-Jahrhundert 77 <?page no="78"?> 9 Als Synonym von Ribaud, aude geben Rey-Debove/ Rey (1933: 1983) an: putain. Zu den „incongruent speech behaviours“ (z. B. sarcasm, banter, and irony) in den Manières vgl. Reed 2018. Methodisch-didaktisch folgt die Präsentation der Redewendungen und lexi‐ kalischen Einheiten in etwa dem Prinzip einer das Memorieren fördernden Vernetzung. So ist zum einen der Zusammenhalt der lexikalischen Einheiten durch den jeweiligen Oberbegriff (z. B. 1.4 Habits) oder durch Gegensatzpaare (z. B. 1.6 grand, petit; hault, bas) gegeben, zum anderen dienen die zahlreichen Wiederholungen der Umwälzung und damit der Festigung. Die inhaltliche Anpassung des Lehrgangs an Kinder als Zielgruppe ist gemessen an heutigen Standards etwas heikel, ist aber insofern plausibel, als Kinder im Spätmittelalter in der Regel wie kleine Erwachsene behandelt wurden (vgl. u. a. Ariès 1960). Dieser Blick auf Kindheit und Jugend bedingt mit hoher Wahrscheinlichkeit Phrasen, die Kindern oder Jugendlichen das Weintrinken nahelegen (10.1: De part Dieu, sire. Vuillez vous boire de son vin? ; Je vous prye que vous bevez du vin de ciens.), sowie Vorschläge für Unterhaltungen über politische Themen im weiteren Sinn in Politique contemporaine; nouvelles de Paris (11.2) und sprachliche Anleitungen für eine hofierende und schmeichelnde Kontaktaufnahme mit Mädchen oder Frauen (z. B. 3.2 Conter fleurette à une demoiselle; 4.2 Faire la cour). Die dort angebotenen Ausdrücke reichen von allgemein höflichen Phrasen (z. B. 3.2 Damoiselle, ou demourez vous) bis zu direkten Fragen (3.2 Damoiselle, vuillez vous aler ovesque moy et vous serrez m’amye? Et que vous donnerey je pour estre m’amye? ). Sie gelten, genauso wie beispielsweise die in diesem Kontext überraschenden Rubriken 3.1 Injures et insultes (z. B. Ribaud, vous estez digne d’estre perdu; Va, ribaud, le diable vous confonde) bzw. 3.3 Autres insultes (z. B. Pailard, alez hors de ma veue), in denen die Bezeichnung ribaud (etwa: Schurke, Hurenbock) 9 sehr häufig ist, heute sicherlich kaum als kindgerecht. 2.2 Christian Lunckenbein: Des neuen Versuchs, die Französische Sprache-… 2.2.1 Aufbau und Inhalt Einen anderen Ansatz als die Manières verfolgt Christian Lunckenbein in seiner Grammatik Des Neuen Versuchs, die Französische Sprache auf eine ange‐ nehme und gründliche Art in kurzer Zeit zu erlernen, vollständige Grammatik oder Sprachlehre zum Gebrauch Academischer Lektionen auf acht Tabellen 78 Christine Michler <?page no="79"?> 10 Mir ist die Grammatik nur in der zweiten Auflage Leipzig 1752 zugänglich (Leipzig 2 1752). 11 Die Vorrede umfasst sechs separat gezählte recte- und versus-Seiten, die Nummerie‐ rung des Grammatikteils erfolgt fortlaufend ab S.-1, beginnend mit der Erläuterung der ersten Tabelle. entworfen … aus dem Jahr 1752 (vgl. Anhang, Abb. 1). 10 In einer Vorrede (S. 2-4) 11 erläutert Lunckenbein Anspruch, Ziel und Aufbau der Grammatik. Dabei hebt er ausdrücklich die Klarheit seiner Präsentation hervor, die er bereits im Titel mit den Adjektiven ‚angenehm‘, ‚gründlich‘ und ‚vollständig‘ anklingen lässt, und verweist auf seine erheblichen Anstrengungen zum einen bei der Darstellung der Verben und Hilfsverben, zum anderen bei der Unter‐ scheidung der Tempora composita von den Simplicibus, die man „so deutlich in keiner Grammatik finden wird“ (2v). Obwohl er von der Transparenz seiner Erklärungen überzeugt ist, hält er einen „geschickten Sprachlehrer“ (S. 2v) für nötig, der „nicht nur die gehörige Anwendung der gegebenen Regeln und Beobachtungen zu zeigen, sondern auch die öfters ziemlich kurz gefaßten Stellen, durch seine Anmerkungen und Erklärungen zu erläutern und recht brauchbar zu machen“ (S.-2v) im Stande ist. In den acht Tabellen, die gemäß Lunckenbein das Lernen des Französischen erleichtern (vgl. S. 2r), schreitet er einem verbreiteten Prinzip folgend von der Aussprache zu grammatischen Kategorien wie Nomen, Adjektiven, Pronomen, Tempus und Modus voran. Die „Erste Tabelle, worinnen auf eine leichte und vollkommene Art gezeiget wird, wie man am geschwindesten lesen lerne“ (S. 1-18), beginnt mit einer „Vor‐ erinnerung an diejenigen, welche bey Anweisung der Französischen Sprache gegenwärtige Tabellen zu Grunde legen wollen.“ (S. 2) Die Lernenden werden aufgefordert, „die Ursachen anzugeben, warum nemlich ein Wort so und nicht anders gelesen werde.“ (S. 2) Anhand des Begriffs Abécédaire veranschaulicht Lunckenbein, dass die Silben „ce wie se, ai wie ä, und re wie er“ ausgespro‐ chen werden müssen. Angehängt sind fünfzehneinhalb Seiten alphabetisch aufgelisteter Wörter, beginnend mit „Abécédaire, m. ABC Schütze“, endend mit „Zibeline, f. Zobelfell“ (vgl. Anhang, Abb. 2). Die „Zweyte Tabelle“ (S. 19-32) befasst sich mit allgemeinen „Erklärungen der französischen Grammatik oder Sprachlehre“ (S. 19; vgl. Anhang, Abb. 3). Die dreispaltige Aufstellung enthält jeweils Erläuterungen und Beispiele zu dem in der ersten Spalte genannten Begriff. Französischlehr- und lernmethoden aus dem 14. und 18.-Jahrhundert 79 <?page no="80"?> Beispiel (S.-21): Definitus Articulus Definitus ist, wenn ich im Deutschen der, die das, setzen kann le Frère, der Bruder la Soeur, die Schwester le Cheval, das Pferd Der Zusatz „Allgemeine Regel, wie man sich in der französischen Wortfügung verhalten soll“ (S. 31), verdeutlicht Besonderheiten der französischen Sprache durch weitere Anmerkungen (z. B. S. 31: „Wenn gefragt wird, so wird das Verbum dem Nominativo vorgesetzt, und wird auf diese Weise - eine kleine Linie dazwischen gemacht …“ dis-je bien? sag ich recht? “). In der dritten Tabelle (S. 33-46) zeigt Lunckenbein, „wie aus dem Singulari der Pluralis zu machen, wie das Geschlecht der Nominum aus dem Ausgange zu erkennen“ ist, „ingleichen wie die Adjectiva mascula ihre Foeminina machen“ (S. 33). Dazu gibt es einen „Anhang derjenigen Wörter, die bald Generis masculini, bald Generis foeminini sind“ (S. 33) wie z. B. Adultere Ehebrecher, Ehebrecherin, (S.-45). Beispiel (S.-35) Ausgang des Singu‐ laris Exempel Ausgang des Pluralis Exempel Ausnahmen al Cardinal, der Cardinal aux Cardinaux Bals, Tänze, Fanals, Seeleuchten, Cals, Schwielen, navals, was zum Schiff gehörig, … Die vierte Tabelle (S. 47-60) handelt „von allen Artickeln, von Comparativis und Superlativis, und von denen Zahlen und ihrem Gebrauch“ (S. 47). Thematisiert werden Formen und Beispiele für den bestimmten, unbestimmten und partitiven Artikel. Die Adjektivstellung vor und nach Substantiven, Bedeutungsunter‐ schiede bei Vor- oder Nachstellung, Redensarten, in denen die Wörter „im Deutschen verkehrt gesetzt werden müssen“ wie z. B. Nuit et Jour - Tag und Nacht (S. 55), Komparativ, Superlativ, Kardinal- und Ordnungszahlen sowie „der Gebrauch der Zahlen insgemein“ (S.-59) vervollständigen das Kapitel. 80 Christine Michler <?page no="81"?> Beispiel (S.-49): -In Masculino im Singulari I. Articulus definitus N. Acc. le G. Ab.--du.---------Père D.---------au.---------Vater Voc.------ô III. Articulus partitivus N. Acc.--du G. Ab.---de.--------Pain D.----------à du.---- Brod - II Articulus indefinitus N. Acc. Dieu G. Ab.--de Dieu.------Gott D.---------a Dieu IV Articulus unitatis N. Acc.-un G.Ab. d’un. Prince Masculinum D.---------à un-----Fürst -N. Acc. …une G. Ab…..d’une.---Princesse D. à une. Fürstin. Foeminin. Wieder durch Beispiele ergänzt, erläutert die fünfte Tabelle (S. 61-78) die Per‐ sonal-, Possessiv-, Demonstrativ-, Interrogativ-, Relativ-, Indefinitivpronomen. Beispiel (S.-66): Gebrauch der „Pronominum personalium“ Gebrauch der Conjunctivorum Exempel 1, Setze die Conjunctiva bey die Verba je parle, ich rede, tu parles, du redest, il parle, er redet ec. 2, Vor die Adverbia voici, voilà me voici, hier bin ich, le voilà, da ist er Die sechste Tabelle (S. 79-111) widmet sich den „Verbis auxiliaribus, regularibus, passivis, impersonalibus und reciprocis“, den Modi und Tempora sowie deren Gebrauch. Nochmals verweist Lunckenbein auf den hohen Wert seiner Arbeit: „[…] deutlicher und leichter nicht kann gehandelt werden.“ (S.-79). Beispiel (S.-81): Tempora simplicia. Tempora composita. Praesens Perfectum j’ai un Gobelet, ich habe einen Becher j’ai eu des Raisins, ich habe Trauben ge‐ habt Französischlehr- und lernmethoden aus dem 14. und 18.-Jahrhundert 81 <?page no="82"?> 12 Wie die meisten Grammatiken, die sich am Lateinischen orientieren, benutzt Luncken‐ bein statt der grammatischer Kategorien objet direct, objet indirect die lateinischen Kasusbezeichnungen. Auch der Hinweis auf den Vokativ (Tabelle 4, hier S. 81 oben) belegt die Nähe zur lateinischen Grammatik. 13 Von Lunckenbein liegt eine weitere Ausgabe der Lettres vor: Lettres de Mademoiselle Babet, worinnen die schwersten Stellen denen Anfängern zu grössern Nutzen in teutscher Sprache erkläret werden. Schwabach: Jean Jacques Enderes 1752. Die siebte Tabelle (S. 113-122) listet „alle Verba irregularia nach alphabetischer Ordnung“ auf. Beispiel (S.-115): Infinitivus, Supinium, Participium. Indicativus Conjunctivus Imperativus Absoudre, losspre‐ chen absous, absolvant Praesens. j’absous, tu absous, il absout, nous absolvons, vous ab‐ solvés, ils absolvent Imperf. j’absoud‐ rois absous, qu’il ab‐ solve Die achte Tabelle (S. 123-136) beinhaltet eine alphabetische Zusammenstellung von Adverbien, Präpositionen, 12 Konjunktionen und Interjektionen samt Ge‐ brauch und Funktion. Beispiel (S.-130): Von den Präpositionibus Mit einem Genitivo werden gesetzt: Mit einem Accusativo: à cause, wegen à, zu à côté, auf Seiten après, nach Darauf folgt unter dem Titel „Auszug der nützlichsten und nothwendigsten Wörter und Redensarten“ (S. 137) eine wiederum alphabetisch geordnete Wör‐ terliste (S.-139-196). Sie reicht von „Aal, l’anguille“ bis „zwölfte, le douziéme“. Die Grammatik beschließen als Übung deklarierte Teile aus dem Briefroman von Edmé Boursault (1638-1701) „Lettres de Mademoiselle Babet“ (Boursault 1720), in dem Mademoiselle Babet und ihr Geliebter Nachrichten austauschen. Ohne über den Verfasser oder über die benutzte Quelle Angaben zu machen, druckt Lunckenbein 27 der insgesamt 30 Briefe ab (S. 199-212; vgl. Anhang, Abb. 4), 13 „worinnen die schwersten Stellen denen Anfängern zu größerm Nutzen in deutscher Sprache erklärt werden.“ (S.-197). 82 Christine Michler <?page no="83"?> 14 Emile Colombey urteilt in seinem Vorwort zur Ausgabe von 1886: „C’est un petit chefd’oeuvre d’entrain et d’humour, un vrai duel à l’esprit entre deux amoureux, dont l’un a trente ans et l’autre dix-neuf. Et c’est la fillette qui le plus souvent lance le mot le plus vif.” (Colombey 1886: 37). 2.2.2 Bewertung Lunckenbein misst in seiner kognitiv ausgerichteten und an das Modell der lateinischen Grammatik angelehnten Grammatik der Sprechfertigkeit einen hohen Stellenwert zu, was vermutlich damit zusammenhängt, dass es für den Adel und höher gestellte Schichten im 18. Jahrhundert zum guten Ton gehörte, sich auf Französisch unterhalten zu können. Die Schulung der Fertig‐ keit erfolgt jedoch nicht auf der Basis eines heute üblichen handlungs- und anwendungsorientierten Prinzips. Bereits im Vorwort stellt Lunckenbein klar, dass die Vertrautheit mit den Grundregeln der Sprache und der Wortfügung die wesentliche Voraussetzung für die Sprachanwendung ist: „… das einzige Mittel, bald und sicher zu einer Fertigkeit im Sprechen zu gelangen, ist dieses, daß man sich anfänglich die Grundregeln der Sprache und insonderheit der Wortfügung wohl bekannt mache, und hiernächst eine Menge Wörter zu erlernen sich bemühe …“ (4r). Die Lernenden sollen demzufolge die Einzelwörter aus den abgedruckten alphabetischen deutsch-französischen Wörterlisten gemäß den vorher erlernten Regeln zu Sätzen zusammenfügen. Gesprächsmodelle lehnt Lunckenbein grundsätzlich ab, denn sie seien unnötig für den Spracherwerb, sogar für das Sprechen hinderlich: „Es ge‐ schiehet dieses fast insgemein, und viele glauben, daß man ohne selbige weder eine rechte Anweisung zum Sprechen haben, noch eine Fertigkeit darinnen erlangen könne. Allein ich … glaube vielmehr Ursache zu haben, die Gespräche zu Erhaltung dieses Zwecks für unzulänglich, und überhaupt für unnöthig anzusehen. Unzulänglich scheinen sie mir, da man gewiß durch solche blos einige wenige Redeformeln ins Gedächtniß bekommt, ausser denen man denn auch sodann gemeiniglich weiter nichts zu sprechen weiß.“ (S.-3v, 4r). Er empfiehlt stattdessen sein „ziemlich vollständiges Verzeichnis der gebräuchlichsten französischen Wörter und Redensarten“ (S. 4r), aus dem die Lernenden täglich eine gewisse Anzahl von Wörtern mit verschiedenen Anfangsbuchstaben auswendig lernen und dann wieder von vorn beginnen sollen. Er schlägt weiter vor, mit dem Lehrer Verben im Zusammenhang mit anderen Wörtern durchzuarbeiten, um sich so an die richtige Wortfügung und die richtige Aussprache zu gewöhnen. Trotz seines Plädoyers gegen Gespräche als Basis der Einübung von Dialogen etc. will Lunckenbein anhand der in „einer muntern und wohlfliessenden reinen Schreibart“ verfassten (S. 3v) Lettres de Mademoiselle Babet  14 das Sprechen Französischlehr- und lernmethoden aus dem 14. und 18.-Jahrhundert 83 <?page no="84"?> 15 Eine erste Form derartiger Konglomerate liegt in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in dem flandrischen Livre des mestiers de Bruges (zum Livre … vgl. Coseriu 99/ Meister‐ feld 2003: 299; siehe auch: https: / / www.arlima.net/ mp/ mestiers_livre_des.html; https: / / www.persee.fr/ doc/ rbph_0035-0818_1933_num_12_4_1436_t1_1153_0000_1; Zugriff: 10.02.2021). und Schreiben mit Hilfe eines Sprachlehrers üben lassen. Wie dabei konkret vorzugehen ist, erläutert Lunckenbein nicht. Da schwierige Stellen der Briefe jedoch in Fußnoten ins Deutsche übertragen werden, kann vermutet werden, dass die Übersetzung eine bedeutende Rolle spielt. Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass Lunckenbein explizit als Zielgruppe Frauen anspricht. Ihnen, denen „sonsten die regelmäßige und gründliche Erlernung dieser so schönen und überall beliebten Sprache, so wie andern unstudirten, schwer, und sogar verdrießlich, zu fallen pfleget“ (S. 2v), will er mit seiner Grammatik die Gelegenheit zum Erlernen des Französischen geben. Insgesamt verfolgt Lunckenbein sein Ziel der vollständigen Sprachvermitt‐ lung in erster Linie durch die deduktive Darlegung der Regularitäten. Realistisch erkennt er, dass seine Grammatik weder eine Selbstlerngrammatik ist noch sie allein zur Sprechfertigkeit führen kann, sondern ein Sprachlehrer als Modell zur Anwendung des Französischen notwendig ist. 3 Vergleich und Fazit Die Manières und die Lunckenbein’sche Grammatik erheben den Anspruch, die Sprechfertigkeit zu fördern, gehen dabei aber verschiedene Wege. Die Manières, die junge englische Adelige, von einem Diener begleitet, zur Kommunikation während einer Reise nach Frankreich vorbereiten wollen, haben eine eindeutig praktische Ausrichtung (vgl. Bonin/ Wilburn 1977: 188), denn in diesem „medieval ‚Berlitz Guide‘, designed for Britishers to improve their foreign language skills“ (Bliss 2018: 190), werden alltägliche Kontexte und Situationen, in die ein Reisender bei einem Aufenthalt im Zielsprachenland kommen kann, meist dialogisch durchgespielt, 15 wie es auch heute in vielen touristischen Sprachführern üblich ist (vgl. Reisesprachführer aus den Verlagen Pons, Marco Polo, Langenscheidt). Seine Vorstellungen über die Durchführung des Lernens der französischen Sprache erläutert der anonyme Autor der Manières nicht explizit. Erkennbar ist jedoch, dass das Memorieren einerseits von nicht in Syntagmen eingebun‐ denen lexikalischen Einheiten und andererseits von pattern im Vordergrund steht. Wie schon erwähnt, wird der Lernende so nicht auf Situationen vorbe‐ 84 Christine Michler <?page no="85"?> reitet, in denen das Gegenüber nicht in der von den Manières vorgegebenen Weise antwortet. Genau dieses Verfahren kritisiert Lunckenbein. Er verzichtet ausdrücklich auf Gesprächsmodelle, da sich der Lernende auf diese Weise nur einige Formu‐ lierungen einprägen und nur diese reproduzieren könne (vgl. Lunckenbein 1752: 3v, 4r). Zwar betrachtet er seine Grammatik ebenfalls als Anleitung zur Sprechfertigkeit, doch legt er den Fokus auf ein kognitives Konzept mit einer an die lateinischen grammatischen Termini angelehnten Vermittlung und Erklärung des Regelsystems der französischen Grammatik. Beispiele erläutern die auf Deutsch formulierten Regeln. Da nicht zuletzt die Lettres die Bedeutung, die Lunckenbein der Übersetzung zumisst, belegen, überwiegt methodisch ein deduktives Vorgehen, wie es im Fremdsprachenunterricht mit der Gram‐ matik-Übersetzungs-Methode zum Teil bis in die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts verbreitet war. Abgesehen von zeitgebundenen inhaltlichen Besonderheiten besteht zwi‐ schen den beiden Lehrbüchern mit ihren unterschiedlichen Wegen der Sprach‐ vermittlung und dem aktuellen Fremdsprachenunterricht aus mindestens zwei Gründen ein großer Unterschied. So haben sich die Anforderungen an den Sprachunterricht vor allem in den letzten Jahrzehnten stark geändert und sind insbesondere dem Erwerb von interbzw. transkultureller kommunikativer Kompetenz verpflichtet. Diesen Bedürfnissen werden beide Sprachkurse nicht einmal ansatzweise gerecht, da sie Sitten und Gebräuche in Frankreich nicht berücksichtigen. Außerdem sind weder der Verzicht auf eine grammatische Basis wie in den Manières noch das Erlernen einer Sprache durch grammatische Regeln oder mit Hilfe von Übersetzungen mit aktuellen Vorstellungen eines effizienten Sprachlehrgangs in Einklang zu bringen. Obwohl also beide Lehrgänge den Erfordernissen des gegenwärtigen Fremd‐ sprachenunterrichts nicht genügen, ist, wie eingangs bereits erwähnt, die Durchsicht alter Zeugnisse der Fremdsprachenvermittlung lohnend. Die aus den Dokumenten herauszulesenden Auskünfte über Inhalte und Methoden des Lehrens und Lernens sind Bausteine der Historiographie der Fachdidaktik bzw. Fremdsprachenforschung innerhalb der deutschen Romanistik. Da die frühen Sprachlernbücher gesellschaftliche und bildungspolitische Tendenzen ihrer Entstehungszeit spiegeln, liefert ihre Begutachtung relevante Einblicke in die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachendidaktik und zeigt damit Entwicklungsschritte des methodischen Handelns. Französischlehr- und lernmethoden aus dem 14. und 18.-Jahrhundert 85 <?page no="86"?> Anhang Titelblatt der Grammatik von Lunckenbein Abb. 1: Lunckenbein (1752) 86 Christine Michler <?page no="87"?> Tabelle 1 Abécédaire Abb. 2: Lunckenbein (1752: 3) Französischlehr- und lernmethoden aus dem 14. und 18.-Jahrhundert 87 <?page no="88"?> Tabelle 2: Allgemeine Erklärungen der französischen Grammatik oder Sprachlehre Abb. 3: Lunckenbein (1752: 21) 88 Christine Michler <?page no="89"?> Lettres de Mademoiselle Babet Abb. 4: Lunckenbein (1752: 199) Französischlehr- und lernmethoden aus dem 14. und 18.-Jahrhundert 89 <?page no="90"?> Literatur Ariès, Philippe (1960): L’enfant et la vie familiale sous l’ancien régime. Plon: Paris. Bliss, Jane (2018): An Anglo-Norman Reader. Cambridge (UK): Open Book Publishers, 190- 203. https: / / www.openbookpublishers.com/ product/ 589 (last accessed: 15.02.2021). 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Es wurde am intensivsten in England und in Flandern im schulischen Unterricht gelernt. Auch in deutschen Handelsstädten wurde im 15. und 16. Jahrhundert von Sprachmeistern Franzö‐ sisch- und Italienischunterricht angeboten (vgl. z. B. Glück 2002: 88; Hüllen 2005: 53). Das Französische blieb während der gesamten Neuzeit bis zum Anfang der 1930er Jahre die häufigste deutsche Fremdsprache; die zweithäufigste deutsche Fremdsprache war bis zum letzten Drittel des 18. Jahrhunderts das Italienische, wurde aber dann - vor allem im Norden Deutschlands - vom Englischen abgelöst. (Vgl. Schröder 1985: IX ff.). Das Spanische schließlich erlebte im 16. Jahrhundert unter Kaiser Karl dem V. eine größere Nachfrage in Norddeutschland (Voigt 1998: 31) und rückte damals vorübergehend unter den neueren deutschen Fremdsprachen an den dritten Platz (vgl. Schröder 1980: VII-ff.). Alle diese Sprachen wurden in der Frühzeit des Fremdsprachenunterrichts, die bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert andauerte, meist unter anderen Be‐ dingungen vermittelt als in der modernen Ära, die sich als zweite Hauptperiode daran anschloss und die sich bis zur Gegenwart fortsetzt. Der prototypische Sprachmeister oder die prototypische Sprachmeisterin der Frühzeit (der Frau‐ enanteil betrug vor dem Jahr 1800 nur etwa 5 %) befand sich nicht selten in einer prekären Lage: Er oder sie bezog kein regelmäßiges Einkommen, sondern wurde nur stundenweise für das Unterrichten von Einzelpersonen oder kleineren Gruppen bezahlt - und der Fortbestand der Kundschaft war <?page no="96"?> bisweilen sehr unsicher. Oder der Fremdsprachenlehrer war ein Hofmeister, die Fremdsprachenlehrerin eine Gouvernante, die in einer adligen oder reichen bürgerlichen Familie lebten und für deren Unterkunft, Essen und oft auch Kleidung gesorgt wurde, die jedoch nur ein geringes Gehalt bezogen (vgl. Klippel 2014). Sprachmeister, die an einer höheren Schule unterrichteten, hatten nur ausnahmsweise eine regulär bezahlte Lehrerstelle, wie sie beispielsweise Latein- und Griechischlehrern zustand. Französisch- und Italienischunterricht gehörten meist nicht zum Pflichtpensum der Gelehrtenschulen, sondern wurden am Nachmittag als kostenpflichtiger Zusatzunterricht angeboten. Nur an den Ritterakademien, d.-h. den höheren Adelsschulen, gehörten Italienisch und vor allem Französisch zu den obligatorischen Fächern. Dort gab es auch in der Regel - wenngleich nicht für alle Sprachmeister - Dozentenstellen mit einem feststehenden Jahresgehalt. An den Universitäten traf dies in der Frühzeit des Fremdsprachenunterrichts nur für besonders wenige, herausragende Lektoren‐ stellen zu: So bekam beispielsweise zwischen 1660 und 1707 die große Mehrheit der Sprachmeister an der Universität Jena, es waren 15 Personen, kein Gehalt von der Universität ausbezahlt. Das stand nur Professor Carlo Caffa zu, der mit den öffentlichen Sprachlehrveranstaltungen betraut war und an den die Sprachmeister auch noch einen monatlichen Geldbetrag von einem Taler für entgangene Lehreinnahmen entrichten sollten. (Siehe Koch 1955/ 2019: 33-35.) 2 Grundlagen zur Ermittlung der quantitativen Entwicklung des frühen Fremdsprachenunterrichts Zur quantitativen Entwicklung der Zahl der Lehrkräfte für neuere Fremdspra‐ chen gibt es bisher für kein europäisches Land statistische Angaben zur Neuzeit, d.-h. für die Epoche von 1500 bis 1800. Dabei ist Deutschland das einzige Land, für das zwar keine Berechnung mit letzter Präzision, aber immerhin doch eine approximative Berechnung (die eher einer evidenzbasierten Schätzung gleicht) möglich wäre. Eine Schwierigkeit ist allerdings dabei die Abgrenzung zwischen Haupt- und nebenberuflichen Fremdsprachenlehrern. Schon der erste deutsche Fran‐ zösischlehrer, dessen Unterrichtsmedien erhalten geblieben sind, lehrte im Nebenberuf: Bernardin Pfot, so hieß der sächsische Domherr, der bei einem längeren Parisaufenthalt an der Sorbonne studiert hatte, versah etwa um 1500 französischsprachige Texte mit lateinischen Interlinearversionen. Er erfüllte damit den Auftrag, dem damals dreißigjährigen Landesfürsten Friedrich dem Weisen französische Sprachkenntnisse zu vermitteln. (Vgl. Kuhfuß 2014: 71-79.) 96 Marcus Reinfried <?page no="97"?> Die Möglichkeit, die Entwicklung der deutschen Lehrerzahlen im Laufe der frühen Neuzeit abzuschätzen, basiert auf Konrad Schröders Lexikon der Fremd‐ sprachenlehrer im deutschsprachigen Raum (1989-1999). Es ist ein sechsbändiges Werk, das in den 1990er Jahren erschienen ist und etwa 3.700 Einträge zu Fremdsprachenlehrern, Lehrbuchautoren und Dolmetschern enthält, die auf etwa 5.000 gedruckten Quellen beruhen. Etwas störend ist, dass die bibliographi‐ schen Quellenangaben nicht unmittelbar bei den Artikeln aufgeführt werden, sondern nur summarisch an mehreren Stellen in dem Nachschlagewerk, was eine wissenschaftliche Überprüfung der in das Lexikon übernommenen Fakten erschwert. Dennoch war die Erstellung dieses Lexikons mit einem großen Zeitaufwand verbunden und stellt weltweit eine einmalige Besonderheit dar. Die systematische Auswertung des Nachschlagewerks ist allerdings bisher noch unterblieben, sieht man einmal von einer empirischen Studie von Walter Kuhfuß (2015) ab, der die Entwicklung der Französischlehrer zwischen 1775 und 1800 für einen Aufsatz berechnet und analysiert hat. Eine vordringliche Aufgabe wäre allerdings zuerst einmal die Zuordnung aller im Lexikon verzeichneten Sprachlehrer zu zeitlichen Epochen und zu deutschen Regionen. Hinweise auf die quantitative Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts und, damit zusammenhängend, auch auf die Zunahme der Fremdsprachenlehrer können ebenfalls aus Schröders vierbändiger Quellensammlung Linguarum recentium annales (1980-1985) abgeleitet werden. Es besteht außerdem die Möglichkeit, zur Ermittlung des Umfangs des Lehrbuchgebrauchs das Chro‐ nologische Verzeichnis französischer Grammatiken von Edmund Stengel mit den Ergänzungen von Hans-Josef Niederehe (1976/ 1890) heranzuziehen. Die Entwicklung des Französischunterrichts in der frühen Neuzeit lässt sich wahr‐ scheinlich auch grob auf die Gesamtheit des neueren Fremdsprachenunterricht übertragen, weil er fortwährend den allergrößten Anteil am neueren Fremd‐ sprachenunterricht repräsentierte. 3 Schätzungen zum Umfang des frühen Französischunterrichts Zu Beginn des 16. Jahrhunderts war die Zahl der Französischschüler in Deutsch‐ land noch äußerst begrenzt, wahrscheinlich bei einem Promill ober bei ganz wenigen Promillen des männlichen Bevölkerungsanteils, sieht man von bilin‐ gualen Enklaven und einigen Grenzzonen ab (vgl. z.-B. Christ 2020: 288, Rauch 2019: 78 ff.). Doch gegen Ende des 16. Jahrhunderts dürfte der Anteil an der männlichen Bevölkerung, der Französischunterricht hatte, sich auf etwa ein halbes Prozent erhöht haben. Im Laufe des Jahrhunderts waren immerhin 137 Die Anfänge der deutschen Lehrerbildung in den neueren Fremdsprachen 97 <?page no="98"?> gedruckte Französisch-Lehrbücher erschienen, wie die Auszählung der Titel in der Stengel-Bibliographie mit den Ergänzungen von Niederehe ergeben hat. Die meisten Sprachmeister waren Hugenotten, darunter auch viele geflüchtete Wallonen aus den Niederlanden und geflüchtete Waldenser aus Savoyen. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erhöhte sich aufgrund des ansteigenden Renommees Frankreichs in Politik, Wirtschaft und Technik der Bedarf nach Französischunterricht, wahrscheinlich aber kam es wegen des Dreißigjährigen Krieges noch zu keinem rasanten Zuwachs. Trotzdem beträgt für das gesamte 17. Jahrhundert die Anzahl der von Stengel bibliographisch erschlossenen Französisch-Lehrbücher 388 Titel, das heißt im Vergleich zum 16. Jahrhundert gab es nahezu eine Verdreifachung der erschienenen Fremdsprachenlehrbücher. Zu diesem rasanten Wachstum hat das französische Edikt von Fontainebleau aus dem Jahre 1685 stark beigetragen. Es hob die Glaubensfreiheit des Edikts von Nantes wieder auf und führte dann schließlich zu Zerstörungen protestantischer Kirchen sowie zu Verfolgungen der Gläubigen und zu Hinrichtungen der Pfarrer. Der jahrelang wachsende Leidensdruck, dem die Hugenotten ausgesetzt waren, setzte eine große Migrationswelle in Gang: Mindestens 50.000 Exilanten, darunter auch manche hochgebildete, suchten ihr Refugium in protestantischen deutschen Ländern. Während der folgenden Jahrzehnte führte das zu einem Überangebot an französischen Sprachmeistern an einigen deutschen Orten; der Unterricht verbilligte sich und wurde für breitere deutschstämmige Schichten erschwinglich. Um 1700 herum dürfte der Anteil der Französischschüler an der männlichen deutschen Bevölkerung schon bei etwa 2-% gelegen haben. Für das 18. Jahrhundert zählen Stengel und Niederehe in ihrer Bibliographie 567 Titel auf, das heißt, die bereits im 17. Jahrhundert erreichte Zahl der Französisch-Lehrbücher nahm noch einmal um die Hälfte zu. Außerdem erhöhte sich die Zahl der Auflagen: Etwa ein Drittel der Französisch-Grammatiken und weiteren Lehrbücher wurde mindestens zweimal abgedruckt, und einige wenige Lernmittel wurden zu regelrechten Bestsellern; so führt allein Stengel (1890: 58-61) 67 Auflagen der Grammaire royale française et allemande von Jean Robert des Pepliers auf. Außerdem wurde durch zahlreiche Damengrammatiken ein neues Lernpublikum erschlossen. Dadurch dürfte im letzten Drittel des 18. Jahr‐ hunderts der Anteil der Französischschüler an der männlichen deutschen Bevöl‐ kerung bereits etwa 4 % betragen haben, der Anteil der Französischschülerinnen an der weiblichen Bevölkerung wahrscheinlich etwa 2-%. Im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts waren nach Kuhfuß‘ Berechnung (2015: 164) 316 im Lexikon der Fremdsprachenlehrer des deutschsprachigen Raums erfasste Französischlehrer tätig. Wenn man (so wie ich) von der Annahme ausgeht, dass etwa nur ein Sechstel der im 18. Jahrhundert im Hauptberuf tätigen 98 Marcus Reinfried <?page no="99"?> Fremdsprachenlehrer von Schröders Lexikon der Fremdsprachenlehrer erfasst werden konnten, so wäre eine damalige deutschlandweite Anzahl von etwa 2000 Französischlehrern plausibel (siehe auch Schröder 2 1991: XX, der von einer Erfassung von 10 % ausgeht). Inwieweit diese Lehrerschaft sich austauschte und voneinander lernte, ist in den meisten Fällen nicht bekannt. Eine Fachöf‐ fentlichkeit bestand aber in der Frühphase des Fremdsprachenunterrichts noch nicht. 4 Die ersten Methodiken des Fremdsprachenunterrichts Der erste Schritt in diese Richtung war eine Methodik des Fremdspra‐ chenunterrichts, die 1724 auf Lateinisch von Christian Friedrich Seidelmann als kleines Buch abgefasst wurde. Seidelmann war ein armer und sehr be‐ gabter Student an der Universität Jena, der sein theologisches Studium weit‐ gehend durch Fremdsprachenunterricht finanziert hat. Seine methodischen Überlegungen können überwiegend der Grammatik-Übersetzungs-Methode zugeordnet werden. Sprachunterricht ist für ihn eine Verflechtung von Sprach‐ analyse und Sprachsynthese, wobei die Grammatik sowohl über Regeln als auch durch den Gebrauch in Übungssätzen vermittelt und gefestigt wird. (Vgl. S. 4 f., 36 ff.) Neben dieser - wahrscheinlich sogar europaweit - ersten und einzigen Monographie zur Methodik des Fremdsprachenunterrichts enthalten auch zahl‐ reiche Lehrbücher des 18. Jahrhunderts Vorworte mit didaktisch-methodischen Inhalten. So erscheint im selben Jahr wie Seidelmanns Methodik eine Franzö‐ sisch-Grammatik des Trarbacher Gymnasialdirektors Johann Jacob Schatz mit einem umfangreichen didaktisch-methodischen Vorwort. In ihm werden zahl‐ reiche Übungsformen erwähnt. Es handelt sich um damals bereits verbreitete Übungen wie zum Beispiel verschiedene Übersetzungsvarianten (vgl. Schatz 1724; § 28, 2. Bogen, Blatt 8 r.; § 29, 2. Bogen, Blatt 8 v.). Daneben werden von Schatz (ebd.: § 30, 3. Bogen, Blatt 1 v. f.) aber auch weniger konventionelle Übungen empfohlen, wie beispielsweise das Abfassen von Nacherzählungen, die Durchführung von Rollenspielen und Lehrer-Schüler-Gespräche bei gemein‐ samen Spaziergängen. Die Anfänge der deutschen Lehrerbildung in den neueren Fremdsprachen 99 <?page no="100"?> 5 Im Zeichen des Neuhumanismus: Der Fremdsprachenunterricht kommt in den staatlichen Einflussbereich Die entscheidenden Umbrüche im neusprachlichen Unterricht, die ihn aus seiner Frühphase in den Bereich der staatlichen Regelung und Normierung hineinführen sollten, kündigten sich dann im letzten Viertel des 18. Jahrhun‐ derts an, wie Walter Kuhfuß in einem 2015 erschienenen Aufsatz nachgewiesen hat. In diesem Zeitraum zwischen 1775 und 1800 führt Schröders Lexikon der Fremdsprachenlehrer nur noch 49 Einträge bei den privaten Sprachlehrern an, 90 Einträge bei den Sprachlehrern an Universitäten und Ritterakademien sowie 177 Einträge bei den Sprachlehrern an den Gelehrtenschulen. Damit nahm die Zahl der Lehrkräfte an den öffentlichen und privaten Schulen bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts überproportional stark zu. Viele Eltern wünschten sich für ihre Kinder Französischunterricht, und obwohl die Mehrzahl der Latein- und Griechischlehrer immer noch die Nase rümpfte, weil sie den neueren Sprachen nur einen geringen Bildungswert beimaß, boten ihn etwa 83 % der preußischen Gelehrtenschulen an (vgl. Kuhfuß 2015: 164). Zwei Drittel der neu eingestellten Lehrer, die den Französischunterricht erteilten, sind bereits in den letzten Jahrzehnten des 18.-Jahrhunderts deutschstämmig, nur noch ein Drittel französischstämmig (vgl. ebd.: 165). Da es in den 1780er Jahren eine Überfül‐ lungskrise vor allem bei den Theologen gab, kamen viele junge Absolventen dieses Studienfachs bei den Kirchen nicht unter und waren froh, wenn sie mit dem Erteilen von Latein- und auch Französischunterricht wenigstens eine Stelle als Hilfslehrer an einer höheren Schule bekommen konnten. Überdies wurde die genaue Beherrschung der morphosyntaktischen Grammatikregeln, die damals von Lateinschülern erwartet wurde, von manchen neuhumanistisch geprägten Schulleitern als wichtiger eingeschätzt als die flüssige Sprechfertigkeit oder die adäquate Aussprache einer neueren Fremdsprache, die am besten von immigrierten Muttersprachlern beherrscht wurden. Eine wesentliche administrative Voraussetzung für eine Vereinheitlichung des preußischen Schulwesens war die Gründung eines Oberschulkollegiums im Jahre 1787 durch den Minister Karl Abraham von Zedlitz. Der Minister, der zeitweilig in Ungnade bei dem preußischen König fiel, wollte das höhere Schulwesen durch die allgemeine Einführung des Abiturs reformieren, den kirchlichen Einfluss etwas verringern und in den preußischen Schulen eine staatliche Schulaufsicht einführen, wobei Schulräte vom Oberschulkollegium in die Schulen geschickt wurden (vgl. Heinemann 1974: 152 ff.). Er förderte den Berliner Gymnasialdirektor Friedrich Gedike, der als erster ein Studienseminar für Gymnasiallehrer bereits 1779 gegründet hatte und für Zedlitz ein weiteres 100 Marcus Reinfried <?page no="101"?> aufbauen sollte (vgl. Mandel 1989: 10 f., 21 f.). Zu einer nachhaltigen und breiten Einführung von Bezirksseminaren kam es aber damals noch nicht, wobei auch der frühe Tod von Zedlitz eine Rolle gespielt haben mag. Erst im Jahre 1890 wurde ein Seminarjahr für alle preußischen Lehramtskandidaten verbindlich eingeführt - anfangs allerdings noch ohne Gehalt, so dass Lehramtsanwärter in der Regel zu Berufsbeginn auf eine Unterstützung durch ihre Eltern angewiesen waren (ebd.: 48, 52, 77). 6 Der Französischunterricht in Stundentafeln Das Französische hatte sich damals bereits seit mehreren Jahrzehnten an allen höheren preußischen Schulen und auch an den preußischen Mittelschulen fest etabliert. Im Jahre 1837 wurde es nach einer fast zwanzigjährigen Pause, die eine Folge des in den antinapoleonischen Kriegen angestauten Hasses war, an sämt‐ lichen humanistischen Gymnasien wieder zur Pflichtsprache. Anfangs wurde es in 6 Schuljahren jeweils 2 Wochenstunden lang unterrichtet, wohingegen der Lateinunterricht in fast allen Klassen über 10 Wochenstunden verfügte (Christ & Rang 1985b: 23). 1859 wurden aus den 12 Wochenstunden Französischunterricht während der gesamten Gymnasialzeit 22 Wochenstunden (ebd.: 75). Von größerem Umfang war der Französischunterricht an den Realschulen, die während des ganzen 19. Jahrhunderts etwa ein Drittel zur Gesamtzahl der Abiturienten beitrugen, während die klassischen Gymnasien die anderen zwei Drittel zum Abitur führten, das ab 1834 zur alleinigen Studienvoraussetzung geworden war (vgl. Bölling 2010: 48 und 50 f.). Gemäß den Lehrplänen von 1882 entfielen bei den preußischen Realgymnasien 34 Wochenstunden auf den Französischunterricht, 20 Stunden auf den Englischunterricht und 44 Stunden auf den Lateinunterricht (Christ & Rang 1985b: 85). Im preußischen Landesdurchschnitt leistete ein vor allem in der zweiten Jahrhunderthälfte konstanter Prozentsatz von etwa 7 % der männlichen Schüler seine Schulpflicht an einem humanistischen Gymnasium, einer höheren Realschule oder einer Mittelschule ab, wo man stets Französisch erlernte, bisweilen auch eine zweite moderne Fremdsprache (meist Englisch) und seltener eine dritte moderne Fremdsprache (meist Italienisch) (vgl. Lundgreen 1980: 80 f.). 7 Die Prüfungsordnungen für Lehramtsanwärter Die Etablierung des Fremdsprachenunterrichts wie auch anderer Unterrichts‐ inhalte an den höheren preußischen Staatsschulen wurde durch eine Reihe von Verfügungen zur Lehrerbildung flankiert. Der erste Erlass wurde im Jahre 1810 Die Anfänge der deutschen Lehrerbildung in den neueren Fremdsprachen 101 <?page no="102"?> unter Wilhelm von Humboldts Leitung der Sektion für Kultus und Unterricht im Berliner Innenministerium ausgearbeitet. Er thematisiert - noch in allgemeiner und relativ wenig fachspezifischer Form - eine wissenschaftliche Staatsprü‐ fung für angehende Gymnasiallehrer und angehende höhere Realschullehrer, die examen pro facultate docendi genannt wurde. Dabei mussten vor allem fremdsprachliche, historisch-geographische und mathematische Kenntnisse nachgewiesen werden. Im Zentrum der Prüfung stand die Antike - nicht nur im fremdsprachlichen und historischen Teil, sondern sogar im geographischen Teil bezogen sich die meisten Aufgaben darauf; selbst geometrische Abhandlungen über Kugel und Zylinder sollten auf Lateinisch formuliert werden (Bölling 2010: 29). Die preußische Prüfungsordnung von 1831 setzte diese neuhumanistischgeneralistische Orientierung fort (vgl. Mandel 1989: 39 f.). Erst die darauffolgende Prüfungsordnung von 1866 rückte vier Fachgebiete in den Vordergrund, aus denen die Lehramtsanwärter eine Auswahl treffen konnten. Es handelte sich dabei um • das altphilologisch-historische Gebiet; • das mathematisch-naturwissenschaftliche Gebiet; • Religion und Hebraistik; • das neuphilologische Gebiet, wozu normalerweise Französisch und Englisch gehörten (ebd.: 41 f.). Jedes dieser vier universitären Fachgebiete bestand aus zwei oder drei Stu‐ dienfächern, die schulischen Fächern entsprachen. Zu ihren zwei bis drei Hauptfächern, die das ausgewählte Fachgebiet konstituierten, suchten die Lehramtsanwärter meist noch zwei zusätzliche Einzelfächer aus anderen Fach‐ gebieten aus. Die Hauptfächer konnten bis zum Abitur unterrichtet werden, die Nebenfächer waren auf die Unter- und Mittelstufe der höheren Lehranstalten beschränkt. Bei guten Noten in diesen vier bis fünf Fächern wurde Prüfungs‐ kandidaten normalerweise ein Prüfungszeugnis ersten Grades ausgestellt - sofern die Hauptfächer nicht ausschließlich zum neuphilologischen Gebiet gehörten. Kandidaten mit Französisch und Englisch als einzigen Hauptfächern erhielten jedoch auch bei sehr guten Noten nur ein Prüfungszeugnis zweiten Grades, das dem Realschullehrer-Abschluss entsprach (was zu einer niedrigeren Besoldungsstufe führte). Diese Diskriminierung der Neuphilologen kann meines Erachtens als Beleg für die tendenziell geringere Wertschätzung der Realgymnasien im Vergleich zur Wertschätzung der humanistischen Gymnasien durch die Schulverwaltung interpretiert werden. In der Mitte des 19. Jahrhunderts waren die sprachenpo‐ litisch konservativen Kräfte, die dem Neuhumanismus in seiner traditionellen 102 Marcus Reinfried <?page no="103"?> Ausprägung der ersten Jahrhunderthälfte anhingen, vor allem in akademischen Kreisen noch sehr einflussreich. Doch allmählich, parallel zur beginnenden Industrialisierung (die sich in Deutschland später als in England und Frank‐ reich vollzog), baute sich ein gewisser Druck in Teilen der deutschen Öffent‐ lichkeit auf, sich mehr um die Naturwissenschaften, die Technik und die modernen Fremdsprachen an den höheren Schulen zu kümmern. Anfang der 1870er Jahre erkannten nicht nur die Franzosen, dass die Defizite des französischen Deutschunterrichts zum verlorenen preußisch-französischen Krieg beigetragen hatten (was dann zu entsprechenden kompensatorischen Bildungsanstrengungen während der Troisième République führte). Auch die preußische Schulverwaltung musste nun zugeben, dass das Französische und das Englische aufgrund von fehlendem akademisch qualifiziertem Lehrernach‐ wuchs sich zu den größten Mangelfächern an den höheren Schulen entwickelt hatten, die einer dringenden Förderung bedürfen (siehe Wiese 1874: 57). Nun wurde die Einschränkung aus der Prüfungsordnung von 1866 abgeschafft: Der erfolgreiche Realschulabschluss erster Ordnung (der ab 1859 offiziell so benannten Realschulart mit relativ umfangreichem Lateinunterricht) wurde ab 1870 als grundsätzliche Berechtigung akzeptiert, um sich für einen mindes‐ tens dreijährigen Lehramtsstudiengang an der philosophischen Fakultät einer deutschen Universität einzuschreiben (vgl. Irmer 1902: 711 f.). Damit wurde dem allergrößten Teil der deutschen Realschulabiturienten die Möglichkeit eröffnet, nach einem akademischen Abschluss Französisch und Englisch bis zur Oberstufe der humanistischen Gymnasien zu unterrichten. Zur völligen Gleichstellung von Realschulabsolventen erster Ordnung mit den Absolventen der humanistischen Gymnasien kam es allerdings erst durch die Prüfungsordnung von 1887 (vgl. Irmer 1887: 755 ff.), welche den auch in der Oberstufe der humanistischen Gymnasien unterrichtenden Realschu‐ labsolventen ermöglichte, als Französisch- und Englischlehrer Klassenlehrer zu werden, was eine wesentliche Voraussetzung für die Beförderung zum Oberlehrer war (den man heute vielleicht mit dem Amt des Oberstudienrats vergleichen kann). Zu einer Gleichstellung, die auch die Realschul-Abiturienten zweiter Ordnung (die lateinlosen Oberrealschüler, die allerdings noch deutlich in der Minderzahl waren) einbezog, kam es allerdings erst in der Prüfungsord‐ nung von 1901. Im Vorjahr hatte eine große Konferenz mit vielen Experten zu den preußischen Leitlinien höherer Schulbildung stattgefunden, auf der sogar der Kaiser Wilhelm II. eine Rede gehalten und es zur gleichberechtigten Anerkennung des Realschulabiturs (sowohl in seiner latein-integrierenden als auch in seiner lateinlosen Variante) mit dem altsprachlichen Abitur der humanistischen Gymnasien gekommen war (Bölling 2010: 49). Die Anfänge der deutschen Lehrerbildung in den neueren Fremdsprachen 103 <?page no="104"?> 8 Romanistik und Anglistik: die Entstehung neuer akademischer Disziplinen Am Ende des 19. Jahrhunderts verfügte mittlerweile auch fast jede deutsche Universität über mindestens eine Professur im Bereich der Romanistik und Anglistik, welcher die wissenschaftliche Bildung für angehende Französisch- und Englischlehrer oblag. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte es deutschlandweit erst ein paar Professoren gegeben, die an einer vergleichenden Literaturwissenschaft, oft mit einem italianistischen Schwerpunkt, interessiert waren. Zu ihnen gehören beispielsweise Friedrich Wilhelm Valentin Schmidt, außerordentlicher Professor ab 1821 an der Universität Berlin, und Ludwig Gott‐ fried Blanc, ordentlicher Professor ab 1833 an der Universität Halle (vgl. Kalkhoff 2010: 105 f.). Als „Gründungsvater“ der deutschen Romanistik gilt aber in der Regel Friedrich Diez, ordentlicher Professor an der Universität Bonn ab 1830, der sowohl literaturals auch sprachwissenschaftlich, sowohl mehrsprachig als auch historisch vergleichend geforscht und gelehrt hat. Von Diez, der eine Reihe von „Schülern“ hatte und der auch von einflussreichen Altphilologen geschätzt wurde, gingen erhebliche forschungsmethodische Anregungen aus. Es kam in den 1840er Jahren zu mindestens vier deutschen „Doppelhabilitationen“ in den Bereichen der romanistischen und anglistischen Philologie, wobei meistens der Schwerpunkt auf der Romanistik lag. Drei dieser Habilitierten bekamen anschließend eine ordentliche, ein Habilitierter eine außerordentliche Professur (vgl. Christmann 1985: 22). Das blieb aber vorerst ohne große Einwirkung auf die inhaltliche Gestaltung von neusprachlichen Lehramtsstudiengängen. Auch wenn gegen Ende der 1830er Jahre Kommissionen für das examen pro facultate docendi eingerichtet wurden, wobei die Prüfung der klassischen Gymnasiasten und die der Real‐ gymnasiasten getrennt wurden, sind mir keine gegenwärtigen empirischen Analysen zu den damaligen Examensaufgaben bekannt. Es ist zu vermuten, dass in den Anfangsjahren (neben der humanistischen Allgemeinbildung) vor allem die schriftliche und mündliche Beherrschung des Französischen und Englischen sowie die Kenntnis von Grammatikregeln bei denjenigen Examenskandidaten überprüft wurde, die diese Fremdsprachen einmal als schulische Hauptfächer unterrichten sollten, was anfangs noch sehr viel häufiger an höheren Real‐ schulen als an klassischen Gymnasien der Fall war. Eine besondere Rolle spielten in dieser Anfangszeit „Grenzgänger“ zwischen Wissenschaft und Schulpraxis, die das Französische und Englische an höheren Schulen selbst unterrichteten, unter Umständen auch in der Schulverwaltung in Funktionsstellen tätig waren und sich für neuphilologische Fragen besonders interessierten. Es kam zur Gründung eines „Vereins deutscher Philologen und 104 Marcus Reinfried <?page no="105"?> Schulmänner“, dessen Mitglieder Alt- und Neuphilologen zusammenbrachten, um sich jährlich auf einer Tagung jeweils in einer anderen deutschen Stadt zu treffen, philologische und pädagogische Fragen zu diskutieren und sich gelegentlich auch bei Schulprojekten auf regionaler Ebene gegenseitig zu un‐ terstützen (zu den Statuten des Vereins siehe Anonym 1840, in: Verhandlungen der zweiten Versammlung: 1 f.). Als vielfältig interessierter und publizistisch sehr aktiver Grenzgänger zwi‐ schen Pädagogik und Schulpolitik, Sprachphilosophie und moderner Philologie trat Karl Wilhelm Eduard Mager in den 1840er Jahren in Erscheinung. Er gab eine Zeitschrift heraus, die Pädagogische Revue, die in der Schweiz erschien, aber auch eine internationale Beachtung fand. Zeitweilig war er Deutschlehrer am Collège Calvin in Genf und Direktor der Bürgerschule in Eisenach. Mager hat auch fremdsprachendidaktische Aufsätze abgefasst, in denen er vor allem zur Wortschatzvermittlung tiefgründige, oft an Schriften Wilhelm von Hum‐ boldts anschließende Gedanken entwickelt (vgl. Reinfried 1995: 46-50). Zwei Jahrzehnte lang litt er an einem Rückenmarksleiden, das ihn zu einer Lähmung und einem relativ frühen Tod führte. Erwähnenswert im Rahmen der romanistischen und anglistischen Gründer‐ jahre sind auch „Brückenbauer“ zwischen Schule und Universität wie Ludwig Herrig und Heinrich Viehoff, die beide noch eine stark neuhumanistischuniversalistische Prägung aufweisen und in einer Zeit studiert haben, in der die universitäre Lehrerbildung noch wenig entwickelt war (vgl. Klippel 2010: 43). Sie waren ab 1846 Herausgeber der Zeitschrift Archiv für das Studium der neueren Sprachen. Herrig unterrichtete Französisch, Englisch, Latein, Geschichte und Geographie an höheren Realschulen in Elberfeld und Berlin und war Mit‐ glied der Berliner Prüfungskommission für das Staatsexamen. Er gründete die „Berliner Gesellschaft für das Studium der neueren Sprachen“, deren Mitglieder sich fünfzehn Mal jährlich zu Fachvorträgen und abendlichen gesellschaftlichen Veranstaltungen, die vor allem den französischen und den britischen Kulturen gewidmet waren, trafen (vgl. Kalkhoff 2010: 168 f.). Ob Viehoff, dem (genauso wie Herrig) der Professortitel verliehen wurde, ebenfalls als Mitglied einer frühen universitären Prüfungskommission eingesetzt wurde, konnte von mir nicht in Erfahrung gebracht werden. Sowohl Viehoff als auch Herrig waren publizistisch vor allem literaturhistorisch orientiert und interessierten sich für die Fremdsprachenphilologien; der Letztere befasste sich auch intensiv mit klassischen Autoren des muttersprachlichen Deutschunterrichts, der in der Zeitschrift Archiv für das Studium der neueren Sprachen mitberücksichtigt wurde (vgl. E. Schröder 1896, Klippel 2010: 44). Die Anfänge der deutschen Lehrerbildung in den neueren Fremdsprachen 105 <?page no="106"?> Ein Einschnitt für die Ausprägung der romanistischen und anglistischen Fachgeschichte war, wie bereits im 7. Abschnitt des vorliegenden Aufsatzes beschrieben worden ist, die neue preußische Examensprüfungsordnung von 1866, deren Auswirkungen durch Novellierungen in den Jahren 1870, 1887 und 1901 nochmals verstärkt worden sind, wie bereits im 7. Abschnitt des vorliegenden Aufsatzes beschrieben worden ist. 1864 war die Anzahl der erfolgreichen neuphilologischen Lehramtskandidaten mit romanistisch-anglis‐ tischem Prüfungsschwerpunkt noch auf insgesamt 13 Personen in Preußen begrenzt gewesen, 1868 handelte es sich bereits um 25 Prüfungsabsolventen (vgl. Wiese 1869: 616). Es folgten in den sich anschließenden Jahren kontinuierliche Zuwächse bei den Absolventenzahlen. Im Examenssemester 1885/ 86 wurde allerdings ein Höchststand mit 150 erfolgreichen romanistischen und anglisti‐ schen Hauptfach-Examensabsolventen erreicht (vgl. Irmer 1902: 777), was zu einer Sättigung im neuphilologischen Lehrerbedarf und wohl auch zu einem vorübergehenden Ausschreibungsstopp für Professoren in der zweiten Hälfte der 1880er Jahre führte. Insgesamt kam es aber zwischen den 1870er Jahren und der Jahrhundertwende durchschnittlich etwa alle zwei Jahre zur Ausschreibung einer in Deutschland neu eingerichteten Professur (vgl. Christmann 1985: 28) - anfangs noch häufig als „Doppelprofessur“ für Romanistik und Anglistik in Personalunion, später dann oft als Zweitbesetzung, die nach den Wünschen der Philosophischen Fakultäten und der Wissenschaftsadministration ab den 1880er Jahren überwiegend anglistisch orientiert sein sollte, weil die Mehrheit der Professoren aus der Gründergeneration sich stärker für das Französische oder für den Vergleich romanischer Sprachen als für die Anglistik interessierte und auch ihre sprachliche und kulturelle Hauptkompetenz eher im Bereich des Französischen als des Englischen hatte (ebd.: 20 und 27). 9 Die Auseinandersetzung um die Seminareinrichtung und Lehrerbildung Universitätsseminare waren bereits in der frühen Neuzeit im Rahmen des theologischen Studiums entstanden und hatten sich gegen Ende des 18. Jahr‐ hunderts auch im Rahmen des altphilologischen Studiums an neuhumanistisch geprägten Universitäten, wie zum Beispiel in Göttingen und Halle, etabliert. Sie waren anfangs eher für besonders interessierte Studenten gedacht, die unter Anleitung und Beratung durch Professoren erste eigene wissenschaft‐ liche Projekte verfolgen und dabei auch abstrakte Vorlesungskonzepte in einem speziellen Untersuchungsfeld forschungspraktisch anwenden sollten. Von der Seminareinrichtung erhofften sich sowohl Dozenten als auch Studenten 106 Marcus Reinfried <?page no="107"?> fachliche Ausstattungsvorteile: Im Normalfall gehörte zu einem Seminar eine Seminarbibliothek, die für die Studierenden die Standardliteratur eines Faches oder einer Fächergruppe bereitstellte und über studentische Arbeitsplätze mit großzügigen Öffnungszeiten verfügte (vgl. auch Christmann 1985: 37 f.). Die meisten neuphilologischen Seminare wurden erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts eingerichtet. Es waren oft schon romanistische und anglis‐ tische Seminare in separierter Form, mit gemeinsamer oder mit getrennter Bibliotheksnutzung, oft auch traditionelle romanistisch-anglistische Verbünde; in selteneren Fällen und an kleineren Universitäten gab es sogar vorüber‐ gehend noch germanistisch-romanistisch-anglistische Seminar-Zusammenle‐ gungen (vgl. Christmann 1985: 34 f.). Eine Vielfalt wie bei der organisatorischen Eingliederung der Seminare findet man auch bei den Beschreibungen ihres in‐ tendierten Zwecks: Da gab es die rein wissenschaftlichen Seminarausrichtungen in altphilologischer Tradition, in deren Veranstaltungen vor allem textkritische, interpretatorische und sprachwissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt werden. Diese zuletzt genannten Lehrveranstaltungen konnten in großem Umfang die deutsche Sprache als Arbeitssprache, oft auch in Verbindung mit Herübersetzungen literarischer Texte, einsetzen, wobei das sicherlich die für die meisten Dozenten bequemste Arbeitsform war, bei der es weniger studentische Missverständnisse gab (vgl. ebd.: 33 und 36). Die meisten Lektoren und einige Professoren tendierten allerdings in ihren Seminarveranstaltungen auch dazu, den Gebrauch der Fremdsprache als Übungschance der Studenten bewusst einzubeziehen. Stefan Waetzoldt, der vier Jahre lang eine (vermutlich befristete) außerordentliche Professur für romani‐ sche Philologie an der Berliner Universität innehatte, hielt auf einem Treffen des Allgemeinen Deutschen Neuphilologen-Verbands einen langen Vortrag zu den praktischen Möglichkeiten und Defiziten des mündlichen und schriftlichen Gebrauchs der französischen Zielsprache beim universitären Französischstu‐ dium und bei Auslandsaufenthalten im Rahmen der Lehrerfortbildung (siehe Waetzoldt 1892). Die Resonanz des kritischen Vortrags bei den anwesenden Französisch-Lehrern war überwiegend positiv, bei den anwesenden Wissen‐ schaftlern aber eher negativ (siehe ebd.: 3), was vermutlich dazu beigetragen hat, dass Waetzoldt im Jahr 1894 von der Universität zu Berlin in die preußische Schulverwaltung überwechselte, wo er 1899 Abteilungsleiter für das höhere Mädchenschulwesen im preußischen Kultusministerium wurde (vgl. Anonym ohne Jahr: 1). Wenige Befürworter fand auch das neuphilologische Seminarkonzept der schulvorbereitenden universitären Lehrerbildung, das von Ludwig Herrig erst‐ mals 1848 für die Berliner Universität vorgeschlagen wurde, aber nur außerhalb Die Anfänge der deutschen Lehrerbildung in den neueren Fremdsprachen 107 <?page no="108"?> davon als praktischer Teil der Lehrerausbildung erst 1860 an einer Berliner Realschule verwirklicht werden konnte, die mit dem Friedrichs-Gymnasium verbunden war (Christmann 1985: 32 f.). Im 19. Jahrhundert kam es nur selten zum Abhalten fremdsprachendidaktischer Seminarveranstaltungen. Eine Aus‐ nahme stellte der anglistische und romanistische Professor Wilhelm Viëtor dar, der dreimal (zwischen 1899 und 1901) einen langen, vierteiligen Vortrag zur Ge‐ schichte der neusprachlichen Unterrichtsmethoden gehalten hat (Viëtor 1902). Das geschah im Rahmen von sommerlichen Ferienkursen an der Universität Marburg, an denen ausländische und deutsche Französisch- und Englischlehrer teilnahmen. Wahrscheinlich hat Viëtor diese Fortbildungsveranstaltung auch als Vorlesung für seine Studenten angeboten. 10 Vom Neuhumanismus zum Pragmatismus In den letzten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts trat Deutschland (sehr viel später als England und Frankreich) in die Anfangsphase der industriellen Revolution ein. Das führte im höheren Schulwesen zu einer Hinwendung auf moderne Sprachen und Kulturen, obwohl die alten Sprachen Latein und Grie‐ chisch zuerst noch erstaunlich stabil blieben und die Realgymnasien sich nicht linear fortentwickelten, sondern nur mit Rückschlägen, d. h. trotz zeitweiliger Verluste, durchsetzten. Bei den Lernerquoten ergibt der Vergleich von 1880 und 1900 folgendes Bild: 1880 beschränkte sich der Anteil der Abiturienten auf lateinlosen preußischen Schulen erst auf 1,7 %, im Jahre 1900 betrug er 11,4 %; 1880 gab es bei den Realgymnasiasten einen Abiturienten-Anteil von 26,6 %, der sich im Jahre 1900 auf 17,2 % reduzierte; und der Abiturienten-Anteil des klassischen Gymnasiums, der 1880 bei 71,8 % gelegen hatte, blieb im Jahre 1900 mit 71,4 % zuerst noch nahezu unverändert (vgl. Bölling 2010: 48). Diese unterschiedlichen Entwicklungstrends führten in der Mitte der 1920er Jahre zu einem Gleichstand der Abiturientenzahlen in den drei höheren Schul‐ arten in Deutschland. Eingeleitet wurde die Fortentwicklung vom Monopol des neuhumanistischen Gymnasiums zur stärkeren Berücksichtigung der neu‐ sprachlichen und „realistischen“, d.-h. stärker an modernen Sachfächern orien‐ tierten höheren Schulen, durch eine preußische Schulreform. Die Reform wurde von einer Expertenkommission mit drei bis vier Dutzend Mitgliedern begleitet, zu der leitende Beamte des preußischen Kultusministeriums, renommierte Uni‐ versitätsprofessoren und führende Funktionäre akademischer Berufsverbände gehörten. Dabei wurden auch außerpreußische Experten zu Tagungen einge‐ laden, da gesetzliche Änderungen mit Auswirkungen auf Gesamtdeutschland im Bundesrat koordiniert werden mussten. 108 Marcus Reinfried <?page no="109"?> Treffen der Expertenkommission oder ihrer einzelnen Arbeitsgruppen fanden zwischen 1888 und 1902 statt. Die erste große Plenarversammlung, die sogenannte „Dezemberkonferenz“, tagte vom 4. bis zum 17. Dezember 1890 (vgl. Paulsen 1921: 595 ff.), um einen intensiven Meinungsaustausch zu umstrittenen schulpolitischen Fragen zu ermöglichen, wobei die Zulassung zum Universitätsstudium mit den „realistischen“ höheren Schulabschlüssen, vor allem mit dem Realabitur, am heftigsten diskutiert wurde. Das größte Aufsehen erregte Kaiser Wilhelm II., der gegen Konferenzende unerwartet selbst erschien und eine Rede hielt, in der er für die Oberrealschulen und gegen die Realgymnasien plädierte (vgl. Christ 2011: 70 ff.). Erstaunlicherweise wurde dieser Vorschlag nahezu einstimmig von der Expertenkommission, die ohnehin in ihrer Mehrheit für die Aufrechterhaltung des Gymnasialmonopols war, angenommen - was sich wahrscheinlich nur durch die in der Kommission stark ausgeprägte bildungsbürgerliche Mentalität erklären lässt, für welche das Realgymnasium nur eine humanistische Schwundform verkörperte, und durch die zahlreich anwesenden Beamten, die dem Kaiser in der Öffentlichkeit nicht zuwider handeln oder zu widersprechen wagten (vgl. auch Lexis 1902: 49). Es kam dann aber doch nicht zur Auflösung der Realgymnasien, da diese Schulform mit ihrer Förderung des Lateinunterrichts und der modernen Fremd‐ sprachen sowie ihrem Verzicht auf das Altgriechische ja durchaus einen sinn‐ vollen Kompromiss darstellte und selbst heute noch darstellt. Allerdings vertrat in den 1890er Jahren erst eine deutliche Minderheit der Juristen diese Auffas‐ sung. Ein großer Teil sah noch in „der Zulassung der Realgymnasiasten zum Rechtsstudium […] ein nationales Unglück, eine Verderbnis des akademischen Unterrichts, des Juristenstandes, der Staatsverwaltung, eine Verkehrung des deutschen Idealismus in das ohnehin schon arg überhandnehmende Banau‐ sentum“ (Lexis 1902c: 107), wie man einer Petition entnehmen kann, die von einer Reihe von Juristen unterschrieben worden ist. Etwas ausgewogener waren die Äußerungen der Mediziner und der Natur‐ wissenschaftler. Im Laufe der 1890er Jahre fand bei manchen Ärzten eine all‐ mähliche Gewöhnung an das Realabitur statt. Es gab Dozenten der Medizin, die bei den Realgymnasiasten bessere physiologische oder chemische Kenntnisse als bei den klassischen Gymnasiasten beobachten (Lexis 1902b: 97), während diese manchmal einen erheblichen Vorteil in der guten Beherrschung des Grie‐ chischen und des Lateinischen für den Erwerb der medizinischen Fachsprache sahen oder das Verstehen der englischen und der französischen Sprache für einen Trumpf bei der Lektüre von Fachliteratur hielten (vgl. Lexis 1902b: 91). Der Kommission zur Schulreform gehörten auch einige bekannte Ärzte (wie Rudolf Virchow) und einige bekannte Naturwissenschaftler (wie Hermann von Die Anfänge der deutschen Lehrerbildung in den neueren Fremdsprachen 109 <?page no="110"?> Helmholtz) an, die sich sehr mit dem tradierten neuhumanistischen Gymnasium identifizierten (vgl. Lexis 1902b: 89 und 87). Der Physiker und Chemiker Helmholtz hielt sogar die Erlernung des Griechischen und Lateins für eine grundlegende Geistesbildung, die auch für das Medizinstudium nützlich sei (Lexis 1902b: 87). Dabei bediente er sich explizit der formalen Bildungstheorie, wie sie unter anderem von Georg Friedrich Wilhelm Hegel entwickelt worden ist (vgl. Reinfried 1992: 91 f.). Die Idee, dass die Konzentrationsfähigkeit, das Gedächtnis und der Verstand der Schüler durch Übersetzungen und durch Grammatikunterricht ausgebildet würden, war in der altphilologischen Lehrer‐ schaft sehr verbreitet, obwohl viele der ersten erziehungswissenschaftlichen Professoren, die überwiegend Herbartianer waren, eher eine Gegenposition zur formalen Bildungstheorie vertraten (vgl. ebd.: 92). Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kamen Wilhelm II. und seine Berater im preußischen Kultusministerium zur Einsicht, dass eine Begrenzung des Ange‐ bots an höheren Schulen auf zwei Schularten oder gar eine Schulart zu keiner sinnvollen Reform führen würde, weil eine solche Begrenzung der vorhandenen Nachfrage der Schülereltern nicht gerecht würde. Der „allerhöchste Erlass vom 26. November 1900“ (siehe Wilhelm II. 1902) geht schließlich von dem „Prinzip der Gleichwertigkeit der drei Formen der höheren Schule“ (siehe Paulsen 1902) als zukünftigem Hauptgrundsatz aus: „Bezüglich der [Studien-]Berechtigungen ist davon auszugehen, dass das [humanistische] Gymnasium, das Realgymna‐ sium und die Oberrealschule in der Erziehung zur allgemeinen Geistesbildung als gleichwerthig anzusehen sind und nur insofern eine Ergänzung erforderlich bleibt, als es für manche Studien und Berufszweige noch besonderer Vorkennt‐ nisse [für welche universitäre Zusatzkurse, wie zum Beispiel für das Latinum, eingerichtet wurden] bedarf.“ (Wilhelm II. 1902: VII.) Es blieb noch, wie man den Andeutungen im königlichen Erlass an mehreren Stellen entnehmen kann, als eine weitere, abschließende Aufgabe der Schulreform für die folgenden Jahre, eine nationalistisch motivierte Stärkung des Deutsch-, Geschichts-, Englisch- und Geographieunterrichts zu unterstützen. Auf die neueren Sprachen bezieht sich im November-Erlass der Satz „[Es] ist mit besonderem Nachdruck Gewandtheit im Sprechen und sicheres Verständnis der gangbaren Schriftsteller anzustreben.“ (Wilhelm II. 1902: VIII.) Damit wurde die neusprachliche Reformbewegung, die teilweise parallel zur angestrebten Schulreform verlief, in dem königlichen Erlass nur kurz gestreift. Bezug wird im Erlass auf die Mündlichkeit des neusprachlichen Unterrichts genommen, die ein zentrales Ziel der neusprachlichen Reformbewegung darstellte und als solches auch in den preußischen Lehrplänen für neuere Sprachen von 1901 genau beschrieben und von der Schulverwaltung offiziell anerkannt wurde 110 Marcus Reinfried <?page no="111"?> (vgl. Christ/ Rang 1985a: 82 f.). Die Mündlichkeit soll aber, so kann man diese Stelle im Erlass interpretieren, nicht bis zum konsequent einsprachigen Unter‐ richt, dem „Verharren“ in der Fremdsprache, getrieben werden - wie es von einigen radikalen Repräsentanten der Reformbewegung propagiert wurde, was den Schülern das Verständnis schwierigerer (zum Beispiel literarischer) Texte erschwerte. Die neusprachliche Reformbewegung stellte einen Höhepunkt der deutschen Lehrerbildung dar, wie es ihn weder zuvor noch danach jemals im Bereich der Fremdsprachenvermittlung gegeben hatte. Friederike Klippel (2018: 176) erklärt treffend die Abhängigkeit ihres Entstehens durch günstige Kontextbe‐ dingungen. Sie zählt als wichtigste Faktoren auf: „eine ausreichend große Gruppe von Menschen, die sich interessiert und engagiert; Zustände, die Widerspruch erregen und nach Veränderung rufen; Ideen, die entwickelt, geteilt und verbreitet werden; Möglichkeiten der Kommunikation nach innen und außen.“ Während der rund fünfundzwanzigjährigen Dauer der neusprachlichen Reformbewegung sind etwa 850 Schriften zum Fremdsprachenunterricht im deutschsprachigen Raum erschienen; in der Minderzahl handelte es sich dabei um Monographien, in der Mehrzahl um Aufsätze in Sammel- oder Zeitschrif‐ tenbänden. In diesem Rahmen entstand erstmals eine breite Fachöffentlichkeit, in der manches sorgfältig geschrieben, intensiv gelesen und praktisch im Unterricht ausprobiert wurde. In den Ortsvereinen des Allgemeinen Deutschen Neuphilologen-Verbands sowie bei Landestagungen und nationalen Kongressen kam es öfter zur Präsentation von unterrichtsbezogenen Anregungen und zu leidenschaftlich geführten Diskussionen. 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Umfassende Untersuchungen zur Geschichte des Französischunterrichts wie Kuhfuß 2014 betrachten die Lehrerbildung am Rande bzw. ohnehin nur bis etwa 1800, ohne sie vertieft in den Blick zu nehmen. Beiträge wie Christ 2005 („Du Maître de langue au „Neuphilologe““) sind sehr verdienstvoll, verbleiben aber letztlich auf der Ebene einer grundlegenden Einführung. Institutionengeschichtliche Studien wie Kalkhoff 2010 untersuchen den universitär-institutionellen Rahmen der frühen romanistischen Lehrerbildung, ohne dass man daraus schließen kann, inwieweit dieser institutionelle Rahmen von Studierenden und angehenden Lehrkräften tatsächlich wahrgenommen und ausgefüllt wurde. Mit dem Beitrag Reinfried im vorliegenden Band wird erstmals eine sehr präzise und dichte Synthese zur Geschichte der Französischlehrerbildung mit einem Schwerpunkt auf das 19. Jahrhundert vorgelegt. Was bislang fehlt sind Studien, die ausgehend von Berufsbiographien von Lehrkräften versuchen, zu rekonstruieren, wer im frühen staatlichen Schulwesen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts Französischlehrkraft wurde, in Verbindung mit welchen anderen Fächern diese Personen Französisch studiert und unterrichtet haben - was eine nicht unerheb‐ liche Auswirkung auf die Entwicklung des fachlichen Selbstverständnisses und von Fachlichkeiten insgesamt gehabt haben dürfte. Hier erweist sich das Fehlen einer Fortsetzung des umfassenden Biographische[n] und bibliographische[n] Le‐ <?page no="120"?> xikon[s] der Fremdsprachenlehrer des deutschsprachigen Raumes. Spätmittelalter bis 1800 von Konrad Schröder (Schröder 1987 ff.) eben für die Zeit nach 1800 als schwerwiegendes Desiderat. Was indes als Quellenmaterial vorliegt, sind Personalbögen von Lehrkräften in Preußen aus der Zeit etwa von 1840 bis 1940. In diesen handschriftlichen Dokumenten, die in Berlin in der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF) des DIPF - Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in physischer und digitalisierter Form vorliegen, wurden u. a. Eckdaten zum Stu‐ dium, Studienfächer und Prüfungstermine sowie weitere Angaben zum beruf‐ lichen Werdegang (etwa Probejahr bzw. Vorbereitungsdienst, Beförderungen, wissenschaftliche Veröffentlichungen usw.) verzeichnet (zu einer Vorstellung des Quellenmaterials vgl. den Beitrag Adamus/ Lubinski/ Merholz/ Reimann u. a. zu Korpus und Methode im vorliegenden Band). Diese Daten waren zwischen Oktober 2022 und Oktober 2023 infolge eines Cyberangriffs nicht frei verfügbar, wurden aber am 24.10.2023 wieder freige‐ schaltet (https: / / bbf.dipf.de/ de/ aktuell/ aktuelles-aus-der-bbf/ aktuelle-informat ionen-cyberangriff, 01.11.2023). Wenn dieses Ereignis die Anfälligkeit digita‐ lisierten Datenmaterials in aktuellen Krisenzeiten zeigt, so erwies sich das Vorhandensein solcher digitaler Korpora in Zeiten einer anderen Krise der letzten Jahre, der Covid-19-Pandemie, als empirisches Forschen an den Schulen zeitweilig unmöglich war, als besonders geeignet, um forschendes Lernen im Rahmen von Studienabschlussarbeiten zu ermöglichen. So entstanden an meiner damaligen Essener Professur zwischen 2020 und 2021 drei von mir ange‐ regte B.A.- und M.Ed.-Arbeiten, die jeweils aus Personalbögen eines bestimmten Alphabetabschnitts berufliche Biographien von Französischlehrkräften des 19. und frühen 20. Jahrhunderts rekonstruierten und das jeweilige Korpus nach be‐ stimmten Kriterien untersuchten (vgl. ebenfalls Adamus/ Lubinski/ Merholz/ Rei‐ mann im vorliegenden Band sowie die sich an diesen Beitrag anschließenden Abschnitte zur Ergebnisdarstellung). Diese Arbeiten zeitigten nach meinem Dafürhalten derart interessante und für die Geschichte der Französischlehrerbildung aufschlussreiche Ergebnisse, dass sie, trotz einzelner auf dem Niveau von Studienabschlussarbeiten ver‐ ständlicher Schwächen, im Kontext des vorliegenden Bandes für veröffentlich‐ ungswert erachtet wurden. In einem ersten Schritt wurden daher die drei Arbeiten im Jahr 2022 vom Herausgeber in Absprache mit den Verfasserinnen behutsam überarbeitet. Um allzu große Redundanzen (etwa in einführenden Abschnitten zur Geschichte des Französischunterrichts oder auch in der Dar‐ stellung des Datenmaterials) bei der Lektüre zu vermeiden, zugleich besondere Vertiefungen und Stärken einzelner Ausarbeitungen besonders zur Geltung 120 Daniel Reimann <?page no="121"?> kommen zu lassen, wurde letztlich dafür optiert, die Arbeiten lediglich auszugs- und abschnittsweise in Form einzelner Aufsätze in den vorliegenden Band aufzunehmen, wobei die Autorschaft einzelner Abschnitte jeweils kenntlich gemacht wurde. So stehen die Ergebnisse der Einzeluntersuchungen unmit‐ telbarer nebeneinander und es soll für die Leserinnen und Leser ein gut lesbarer Gesamteindruck von den drei sich ergänzenden Teilstudien entstehen. Eingerahmt werden diese Aufsätze und Abschnitte durch Ausführungen des Herausgebers zur historischen Kontextualisierung im Rahmen der Entwicklung des öffentlichen Schulwesens und der Geschichte des Französischunterrichts besonders im 19. Jahrhundert, zur Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehramts an höheren Schulen im 19. Jahrhundert insgesamt, in deren Rahmen die berufsbiographischen Untersuchungen zu den Französischlehrkräften zu verstehen sind, sowie durch weiterführende Sondierungen zur Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch, die für die Entwicklung von Fach‐ lichkeiten angesichts des Mehr-Fach-Lehrerprinzips an deutschen Gymnasien essentiell scheinen und in dieser Deutlichkeit in den einzelnen Teilstudien nicht erfolgt waren. Trotz der sorgfältigen, zugleich aber umsichtigen Überarbeitung der Aus‐ arbeitung der Absolventinnen, für deren Bereitschaft zur Teilnahme an dieser Publikation hier ausdrücklich gedankt sei, verbleiben vereinzelte Redun‐ danzen, teilweise Überschneidungen, bisweilen auch kleinere Widersprüche zwischen den einzelnen Teilstudien, usw., die zumindest teilweise durch die von mir ergänzten Abschnitte etwa zur Ergebniszusammenfassung relativiert werden sollen. Insgesamt beeinträchtigen sie nach meinem Dafürhalten die (Gesamt-)Ergebnisse der Untersuchungen aber nicht, so dass hier angesichts der bestehenden, oben skizzierten immensen Forschungsdesiderate in diesem Bereich die Entscheidung für eine öffentliche Verfügbarmachung der Ergebnisse und Erkenntnisse im Sinne von Pilotierungen beinahe unausweichlich schien. Weiterführende Studien an dem Quellenmaterial wären indes mehr als wün‐ schenswert. 2 Schulgeschichtliche Kontextualisierung mit Schwerpunkt höhere Schulen/ Gymnasium Im staatlichen Schulwesen des 19. Jahrhunderts war das Gymnasium der verbreitetste Schultyp im Bereich der höheren Schulen. Auch im Kontext einer fortgeschrittenen Industrialisierung und trotz damals bereits bestehender alternativer Angebote besuchten noch in den 1880er Jahren etwa 60-70 % der „höheren Schüler“ ein Gymnasium (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 64). Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften - Einführung 121 <?page no="122"?> Daher wird im Folgenden zunächst auf das Gymnasium, anschließend auf die realistischen Schulen einschließlich höherer Bürgerschulen und auf die höheren Mädchenschulen eingegangen. Die Schulart Gymnasium und dadurch mittelbar der Französischunterricht wurden seit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert durch eine allmähliche staatliche Lenkung geprägt. Der Bildungshisoriker Karl-Ernst Jeismann for‐ muliert sogar: „Die fortschreitende Verstaatlichung blieb das beherrschende Element der politischen Geschichte des höheren Schulwesens.“ ( Jeismann 1987, 163; vertiefend zu den Bildungsreformen des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts vgl. die Studie Jeismann 1974). Meilensteine der Verstaatli‐ chung und der Reform des höheren Schulwesens in Preußen waren etwa: • 1787 Einrichtung eines staatlichen Oberschulkollegiums • 1788 Einführung des Abiturs (vgl. z.-B. Führ 1992, 421) • 1808 Einrichtung einer Sektion für Kultus und Unterricht innerhalb des Preu‐ ßischen Innenministeriums (> Wilhelm von Humboldt) • 1810 Einrichtung Wissenschaftlicher Deputationen zur beratenden Begleitung der Bildungsreformen an Schulen und Universitäten • 1810 Einführung des Examen pro facultate docendi als Staatsexamen für das Höhere Lehramt • 1812 Neuordnung der Abiturinstruktion von 1788 mit bisher eher empfeh‐ lendem Charakter in einem Abiturreglement (obligatorisch war das Abitur nach wie vor nur für Stipendiaten und für Kandidaten für ein Staatsexamen) (vgl. z.-B. Geißler 2011, 137) • 1816 Fertigstellung eines nicht in Kraft getretenen, dennoch verbreiteten und faktisch maßgeblichen neuen Lehrplans für das Gymnasium mit dem Ziel einer „allgemeinen Menschenbildung“ • 1817 Einrichtung eines eigenständigen Kultusministeriums (vgl. Jeismann 1987, 155) Die Entwicklung des Gymnasiums im 19. Jahrhundert war mit der Entwicklung des Bürgertums und dem allmählichen Bedeutungsverlust des Adels aufs engste verknüpft. An die Stelle eines Standeswesens sollte ein „Berechtigungswesen“ (z. B. Enzelberger 2001, 47) treten, in dem Chancen auf der Grundlage von Qualifikation vergeben werden sollten: Die politische Bedeutung der neuhumanistischen Reformkonzeption lag in der Lösung der künftigen sozialen Stellung von den objektiven Gegebenheiten von Geburt oder Stand und ihrer Verbindung mit der subjektiv und prinzipiell allgemein erwerbbaren 122 Daniel Reimann <?page no="123"?> 1 In Bayern beispielsweise war das Gymnasium seinerzeit nur achtjährig, setzte in seinen zwei Zyklen einer vierjährigen Lateinschule und einer vierjährigen Studienan‐ stalt/ Gymnasium sogar ursprünglich nach nur zwei Jahren Volksschulbesuch ein, um erst 1874 von einem achtzu einem neunjährigen Gymnasium ausgebaut zu werden, vgl. z.-B. Geißler 2011, 144f. Bildung. […] An die Stelle von Patronage und lokaler Absicherung trat die Rationalität durch Prüfung ermittelter, durch Zeugnis beglaubigter, im ganzen Staatsgebiet aner‐ kannter und honorierter Qualifikation. ( Jeismann 1987, 163, 167) In bildungshistorischer Perspektive ist festzuhalten, dass das Gymnasium mit dem Abitur, aber auch mit der Oberstufenreife im engeren Sinn („Primareife“) und im weiteren Sinn („Sekundareife“) sowie mit dem Besuch der mittleren Klassen verschiedene Karrierewege eröffnete (ausführlicher vgl. z. B. Wiese 1864, 618-621 oder Beier 1909, 280-351), darunter u.a.: • Abitur: Offiziersdienst, gehobener Verwaltungsdienst z.-B. in Post, Bergbau, Militär, Staatsbaudienst • Primareife: Steuerverwaltung, Provinzialverwaltung, subalterner Jus‐ tizdienst • Sekundareife: Apothekerlehre, Studium der Tiermedizin, Ausbildung für technische Lehrerstellen • mittlere Klassen/ Realschulen: Aufnahme in Berg- und Provinzial-Gewerbeschulen, subal‐ terner Dienst in unteren und mittleren Beamtenstellen bei Lokal- und Regionalbehörden (vgl. Jeismann 1987 167) Das Gymnasium des 19. Jahrhunderts ist daher trotz der niedrigen Schülerzahlen keineswegs als Eliteschule zu verstehen. In der Absicht, die Gesellschaft durch höhere Bildung möglichst weiter Bevölkerungskreise voranzubringen, nimmt es vielmehr Kinder aus allen Schichten auf, von denen viele das ursprünglich zehnjährige, seit 1837 nur noch neunjährige Gymnasium ( Jeismann 1987, 156, Geißler 2011, 143) 1 auch nicht bis zum Abitur besuchen, dadurch aber eine höhere Bildung in Grundzügen genießen. Der Bildungshistoriker Karl-Ernst Jeismann bringt das wie folgt auf den Punkt: Das soziale Bezugsfeld der gelehrten Schule war um 1800 das Stadtbürgertum im weitesten Sinne. Als städtische „Einheitsschule“ war sie polyfunktional. Die meisten Schüler verließen sie lange vor der (in Preußen seit 1788) empfohlenen Abiturprüfung. Ohne daß die Schule sozial exklusiv gewesen wäre, überwogen unter der kleinen Gruppe der Abiturienten die Söhne des in Kirche, Staat oder Gemeinden beamteten Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften - Einführung 123 <?page no="124"?> Bürgertums, das für seine soziale Stellung auf Bildung angewiesen war. ( Jeismann 1987, 154) Gert Geißler resümiert seinerseits: Insofern ist das Gymnasium, obzwar mit seinem festen Kern, allemal mit dem Lateinunterricht, von der Eingangsklasse an auf die akademische Studienbefähigung ausgerichtet, eine Schule nicht nur für künftige Akademiker, sondern auch eine solche, die junge Leute hervorbringt, die sich mehr oder weniger zu Recht zur Schicht der ‚Gebildeten‘ rechnen können. Nur noch mit vielleicht einem Dutzend Schülern besetzt, dienen Sekunda und Prima, wie schon Tertia zweijährig angelegt, dann ausschließlich der Vorbereitung auf den Universitätsbesuch. (Geißler 2011, 140) Die Positionierung des Adels zum neu gestalteten höheren Bildungswesen resümiert Jeismann wie folgt: „Der Adel ergriff nach einer kurzen Phase der Ablehnung des neuen Bildungssystems die Möglichkeit, Leistungsqualifikation mit Geburtsvorteilen zu vereinen.“ ( Jeismann 1987, 166). Die Wissenschaften konnten sich in Deutschland - und nicht zuletzt in Preußen und Berlin - im 19. Jahrhundert schnell und wirkmächtig entfalten. R. Steven Turner etwa formuliert anerkennend: Im Verlauf des 19. Jahrhunderts erreichte die deutsche Wissenschaft die führende Stellung in der Welt, in der klassischen und vergleichenden Philologie schon um 1830, in der Geschichte und Bibelkritik um 1840, in vielen Gebieten der Naturwissenschaften zwischen 1840 und 1865. Parallel dazu zeigte sich das Leben an den Universitäten immer stärker geprägt vom Primat der Forschung. (Turner 1987, 238) In der Folge verschob sich der Fokus der Gymnasien - mit fortschreitender Ent‐ wicklung der Wissenschaften als solcher - etwa in der Jahrhundertmitte von der „allgemeinen Menschenbildung“ hin zu einer „wissenschaftlichen Bildung“, in der Folge „erschien ein frühzeitiger Abgang als defizitär. Das Selbstverständnis des Gymnasiums richtete sich im 19. Jahrhundert zunehmend am Abitur aus.“ ( Jeismann 1987, 156, vgl. auch 157). Dennoch erreichten beispielsweise in den 1860er Jahren nur ca. 30 % der Sextaner das Abitur ( Jeismann 1987, 156). Insgesamt wurde wohl ca. 6 bis 7 % der eingeschulten männlichen Kinder und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter gymnasiale Bildung zuteil ( Jeismann 1987, 156); die Partizipation an höherer Bildung war bei Protestanten auffällig höher als bei Katholiken und stieg bei jüdischen Schülern insbesondere nach 1848/ 49 stark an ( Jeismann 1987, 156). Städtische Real- und höhere Bürgerschulen waren vor allem bei „Eltern des in Handel und Gewerbe tätigen Mittelstands“ beliebt und sollten eine höhere Bildung mit besonderem Blick auf die spätere „Ausübung der ‚bürgerlichen Ge‐ 124 Daniel Reimann <?page no="125"?> schäfte‘ vor allem im technischen, gewerblichen und kaufmännischen Bereich“ vermitteln (Geißler 2011, 149). Die weit überwiegende Zahl dieser Bildungsein‐ richtungen stand unter städtischem Patronat (z. B. Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 70, vgl. weitere Beispiele in Jeismann 1987, 162). Sie gingen entweder aus städtischen Lateinschulen hervor oder aber aus Bürgerschulen, die nunmehr um Latein- und Französischunterricht erweitert werden mussten ( Jeismann, 161). Sie waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts in keinerlei Hinsicht mit den Gymnasien konkurrenzfähig, da sie keine Berechtigungen (s. o.) verleihen konnten. Hans-Georg Herrlitz, Wulf Hopf, Hartmut Titze und Ernst Cloer gelangen zu folgender Einschätzung: Unter dem Führungsanspruch der gebildeten Beamtenschaft und dem gymnasialen Berechtigungsmonopol war das realistische Schulwesen im Vormärz in eine lang‐ fristig aussichtslose Entwicklungsbahn gedrängt worden. Statt selbstbewusst eine an den bürgerlichen Interessen orientierte moderne Alternative zur altklassischen Bildung vertreten zu können, mussten die Realschulen wegen der vorenthaltenen Berechtigung notgedrungen den vorbildlichen Gymnasien nacheifern und mit ihnen konkurrieren. (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 63) Im Westen Preußens wurden früh an den Gymnasien so genannte Realklassen angesiedelt (vgl. exemplarisch den Beitrag Apel 2001), was aber bald von der Bildungsadministration unterbunden wurde, um die gymnasiale Bildungsidee nicht unterwandern zu lassen ( Jeismann 1987, 161). Ab den 1830er Jahren wurden sie allmählich, aber zunächst nur kurzfristig, durch staatliche Regula‐ rien in den Bereich des staatlich supervidierten, mithin vergleichbare Standards erfüllenden und anerkannten öffentlichen Bildungswesens integriert (Geißler 2011, 149). Gegenstände der Abschlussprüfungen waren ab einer Regelung von 1832 sowohl Latein und Französisch als auch Mathematik und Natur‐ wissenschaften ( Jeismann 1987, 161). Die Realschulen konnten nunmehr die Berechtigung zum einjährig freiwilligen Militärdienst verleihen, weiterhin den Zugang zu nichtakademischen Laufbahnen in der Verwaltung und nicht zuletzt zum Post-, Forst- und Baufach ermöglichen ( Jeismann 1987, 161, Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 63 f.). Nach der gescheiterten Revolution von 1848 wurde etwa die Berechtigung, den Zugang zum Baufach zu ermöglichen, wieder gestrichen (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 64). Erst 1859 wurden die neunjährigen, so genannten Realschulen 1. Ordnung, an denen Latein und Mathematik zentrale Fächer waren, spürbar aufgewertet, 1882 erfolgte deren Umbenennung in „Realgymnasien“. Allerdings berechtigte deren Abschluss noch immer nicht vollumfänglich zum Studium an den Universitäten (vgl. z. B. Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 64). Und es zeigte sich deutlich, dass das „Kriterium der Lati‐ Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften - Einführung 125 <?page no="126"?> nität“ noch immer entscheidend war: Von 30 Realschulen, die 1859 nicht in die „1. Ordnung“ erhoben wurden, bestand Ende der 1880er Jahre nur noch eine einzige als „lateinlose“ Schule weiter fort (die Friedrichswerdersche Gewerbeschule in Berlin); von 350 Städten mit Bildungsangeboten im höheren Schulwesen gab es in 160 ausschließlich ein Gymnasium (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 64). Allerdings wurde zunehmend auch Kritik an den Gymnasien laut, die für die Entwicklung der Realanstalten zuträglich war. Diese „bezo[g] sich vor allem auf die wachsenden Ansprüche an die Beherrschung der modernen Fremdsprachen (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 65, Herv. im Original). Deren Stellung wurde sodann in den gymnasialen Lehrplänen des Jahres 1882 gestärkt. Die Übernahme des Lehrplans der Realgymnasien durch das Kadettencorps beförderte deren Selbstbewusstsein zusätzlich (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 65). Nicht zuletzt gerieten die Gymnasien gegen Ende des 19. Jahrhunderts weiter unter Druck, insofern sie immer noch Haupt- oder zumindest quantitativ spürbare Zulieferer für die Technischen Hochschulen waren, zu denen formal inzwischen auch der Abschluss einer realistischen Anstalt den Zugang verschaffen konnte: Die heterogene, teils humanistische, teils realistische Vorbildung der Studienanfänger, besonders aber die Defizite der Gymnasialabiturienten in den Naturwissenschaften und der Mathematik, wirkten sich nachteilig auf die fachwissenschaftliche Ausbildung an der Technischen Hochschule aus. Auch unter diesem Aspekt der Effektivierung der TH-Ausbildung geriet die traditionelle höhere Bildung unter einen Modernisie‐ rungszwang, der sich mit dem Ausbau und der Konsolidierung der Technischen Hochschulen in den 90er Jahren stetig verschärfte. (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 67, Herv. im Original) Ein Ziel der Preußischen Schulpolitik der 1890er Jahre war u. a. deshalb auch die Stärkung der sog. lateinlosen Anstalten. Zwar gelang die offensichtlich beabsichtigte Abschaffung der beliebten Realgymnasien nicht, doch erhöhten sich die Zahl der Realschulen im engeren bzw. annähernd heutigen Sinn (Nicht-Vollanstalten) von 55 auf 138 sowie die Zahl der noch recht jungen, so genannten Oberrealschulen (spätere mathematisch-naturwissenschaftliche Gymnasien) ohne Latein, dafür mit zwei modernen Fremdsprachen und hohen Stundenanteilen für Mathematik und Naturwissenschaften (s. u. Abb. 6) spürbar (von neun auf 35 Anstalten), die der Realgymnasien reduzierte sich leicht (von 87 auf 75 Einrichtungen). Im Jahr 1900 wurden dann die drei voll ausgebauten höheren Schulen formal gleichgestellt, d. h. alle drei - Gymnasien, Realgymn‐ asien und Oberrealschulen - durften ein voll umfängliches Abitur verleihen, was bis 1907 sukzessive realisiert wurde („Allerhöchster Erlass“ von Wilhelm II. vom 26. November 1900) (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 74-77, 79, 81). Die 126 Daniel Reimann <?page no="127"?> höheren Mädchenschulen konnten im Jahr 1908 weitgehend nachziehen (s. u., vgl. z.-B. Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 83). Die (nunmehr lateinlosen) Realschulen waren in der Tradition der städtischen Real- und höheren Bürgerschulen, auch infolge einer Neuorganisation durch Lehrpläne aus dem Jahr 1892, insbesondere für Eltern und Kinder aus dem „gewerbliche[n] und verbeamtete[n] Kleinbürgertum“ bzw. im damaligen Wort‐ laut für den „mittleren Bürger- und Beamtenstand“ attraktiv (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 79 f.). Sie verfügten über ein „mittlere[s] Berechtigungsniveau ohne weitere Aufstiegsperspektiven“ (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 79, Herv. im Original). Aus bildungspolitischer Sicht hatten sie die „doppelt[e] Funktion, Bildungschancen zu eröffnen und gleichzeitig zu begrenzen“ (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 79) - eine Funktion, die sie offensichtlich erfüllen konnten: Wie die verfügbaren Daten zur sozialen Herkunft der höheren Schüler im Kaiserreich nahelegen, scheint diese als „Mittelstandsförderung“ getarnte Umschleusungsstra‐ tegie zur Abwehr von Statuskonkurrenz in den akademischen Karrieren teilweise Erfolg gehabt zu haben. Im Zeitraum von 1876 bis 1900 […] wurden die Söhne des handwerklichen Kleinbürgertums aus den vollberechtigten Gymnasien zunehmend in die weniger berechtigten Realschulen verdrängt. (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 80) Die Mädchenbildung fand im Elementarbereich bis ins späte 18. Jahrhun‐ dert meist im häuslichen Bereich statt; ab etwa 1800 galt die Schulpflicht auch für Mädchen (Küpper 1987, 181). Seit Mitte des 18. Jahrhunderts und verstärkt ab dem Ende des 18. Jahrhunderts entstanden zunehmend höhere Mädchenschulen, die zunächst überwiegend privat (Lehrerinnen und Lehrer, Pfarrer, kirchliche Gemeinden, Elternvereine, vgl. Küpper 1987, 186), teilweise (i. d. R. erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts) städtisch und vereinzelt - ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts - auch staatlich getragen oder zumin‐ dest mitfinanziert wurden (in überwiegend katholischen Regionen sind auch bei Klöstern angesiedelte Mädchenschulen mit angegliederten Pensionaten verbreitet, Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 86 f., Geißler 2011, 154 f.). Diese Schulen waren keineswegs nur punktuelle Erscheinungen: Nach den Statistiken von Erika Küpper gab es beispielsweise bereits im Jahr 1822 in Preußen 129 Gymnasien und weitere Gelehrtenschulen, 447 „Mittelschulen“ für Knaben und 263 öffentliche Schulen für Mädchen, die ebenfalls dem mittleren Schulwesen zugeschrieben wurden (Küpper 1987, 182). In der Frühzeit der höheren Mäd‐ chenbildung gab es in Städten mit überwiegend evangelischer Bevölkerung durchaus auch „kombiniert[e] Schulen für Mädchen und Knaben“ (Küpper 1987, 183). Beispielsweise wurden in Preußen erst um 1800 Mädchenabteilungen Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften - Einführung 127 <?page no="128"?> von den Gymnasien abgetrennt (Küpper 1987, 185). In schulaufsichtlicher Perspektive waren sie der lokalen Schulaufsicht wie die Volksschulen und nicht wie die Gymnasien den Provinzialschulkollegien zugeordnet, also ganz offenkundlich von den höheren Schulen im Sinne des sich entwickelnden Berechtigungswesens abgekoppelt (vgl. Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 94). Die höhere Mädchenbildung setzte im Grunde bereits auf der Ebene der elementaren Bildung ein, was Küpper wie folgt begründet: „Die strenge Scheidung der städtischen Sozialschichten machte den Besuch der Elementarschulen für die Töchter aus den besitzenden und gebildeten Familien undenkbar.“ (Küpper 1987, 181). Ziel der Ausbildung war nicht die Befähigung zu einem Studium oder einer bestimmten Berufstätigkeit, sondern „die Befähigung zu standesgemäßem gesellschaftlichen Auftreten an der Seite des künftigen Ehemanns“ (Geißler 2011, 154). Als berufliche Perspektive stand allenfalls das Lehrfach und ab den 1830er Jahren das Berufsbild der Kindergärtnerin/ Erzieherin im Raum (vgl. Geißler 2011, 154 f.). Der Schulbesuch war für die Eltern mit höheren Kosten verbunden als der Besuch eines Gymnasiums (Geißler 2011, 154), daher gab es für Mädchen aus einfacheren Verhältnissen nach der Elementarschule kaum weiterführende Möglichkeiten des Schulbesuchs (Geißler 2011, 155). Man kann eine „scharfe soziale Exklusivität“ der höheren Mädchenbildung konstatieren (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 87). Die höhere Mädchenbildung sah sich folglich auch besonderen Ansprüchen ausgesetzt, sollte sie doch in drei Bereichen wirken, namentlich in denen: a) […] des Pflichtpensums des öffentlichen Elementarunterrichts (Religion, Lesen, Schreiben, Rechnen), b) […] einer Hausfrauenschule („weibliche Arbeiten“, „Diä‐ tetik“), c) […] einer sprachlich-literarischen Kultivierung, die soziale Distanz „nach unten“ schafft, mithin das „Höhere“ dieser Bildung ausmacht und zugleich den geselligen Verpflichtungen des späteren Ehelebens entspricht (Deutsche Sprache und Literatur, Französisch). (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 87) Neben die „ethischen“ Fächer wie Religion, Deutsch, Geschichte und Erdkunde sowie „realistische“ Fächer wie „Rechnen und Naturkunde“ traten somit „auch die neueren, für Konversation und Lektüre empfehlenswerten Sprachen, an erster Stelle das Französische“ (Geißler 2011, 154). In inhaltlicher Perspektive war der Fremdsprachenunterricht das hervorstechendste Kriterium zur Unter‐ scheidung von den Volksschulen (Küpper 1987, 182). Mädchenbildung sollte überwiegend „ethisch und ästhetisch“ ausgerichtet sein (Geißler 2011, 155). Beachtenswert ist, dass, ähnlich den realistischen Knabenschulen, Latein zwar im 18. Jahrhundert an höheren Mädchenschulen belegt ist, im 19. Jahrhun‐ dert aber - bis zur Einrichtung der Gymnasialklassen und der gymnasialen 128 Daniel Reimann <?page no="129"?> bzw. realgymnasialen Kurse der Studienanstalten am Ende des 19./ Beginn des 20. Jahrhunderts - aus dem Kanon der höheren Mädchenschulen verschwunden zu sein scheint: Das Latein kam zwar im 19. Jahrhundert in Lehrplänen von Mädchenschulen noch vor, scheint aber spätestens seit der Jahrhundertwende in einer Weise mit gelehrter Bildung identifiziert worden zu sein, daß die ideologischen Grenzen der Mädchen‐ bildung diese Sprache in die höheren Mädchenschulen nicht mehr einbeziehbar machten. Das Englische verbreitete sich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts so sehr, daß die Unterscheidung in mittlere Mädchenschulen mit dem Unterricht in einer fremden Sprache (Französisch) und höhere Mädchenschulen mit zwei Fremdsprachen (Französisch und Englisch) als Ausdifferenzierung des Mädchenschulwesens bereits absehbar wurde. (Küpper 1987, 188) Für die „höheren Töchterschulen“ gab es noch keine staatlichen Regularien, folglich bewegten sie sich „außerhalb des staatlichen Prüfungs- und Berech‐ tigungswesens“ (Geißler 2011, 154). Man kann das Dilemma der höheren Mädchenschulen im 19.-Jahrhundert wie folgt veranschaulichen: Weil die höhere Bildung immer umfassender im Staatsdienst aufging und damit auf Berufskarrieren abzielte, die dem weiblichen Geschlecht verschlossen waren und verschlossen bleiben sollten, hatte die „höhere Töchterschule“ in diesem sich rasch entwickelnden System von Leistung und Berechtigung keine Funktion, war sie „nicht allgemein notwendig“, blieb sie „privat“. […] Als höhere Schule ohne Latein, die mit ihren Abschlusszeugnissen keine einzige Berechtigung zu vergeben hatte, blieb die „höhere Töchterschule“ […] das ganze 19 Jahrhundert hindurch von den berechtigenden, nämlich männlichen höheren Lehranstalten durch eine tiefe Kluft getrennt. (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 89 f.) Aus der Ermangelung staatlicher Regulierung ergab sich andererseits eine große Freiheit für die einzelnen Einrichtungen, so dass „die Ausgestaltung der höheren Mädchenschulen im einzelnen stärker [variierte]“ (Küpper 1987, 183). Als Lehrkräfte fungierten häufig Lehrer der staatlichen höheren Knaben‐ schulen, die an den Mädchenschulen nebenberuflich unterrichteten (Küpper 1987, 186, Geißler 2011, 154). Im Jahr 1872 tagte erstmals deutschlandweit eine Versammlung der „Dirigenten und Lehrenden der höheren Mädchenschulen“, die sich darüber einig war, dass die Leitung einer öffentlichen höheren Mädchenschule und der Unterricht in ihrer Oberstufe ausschließlich in den Händen wissenschaftlich ausgebildeter und geprüfter Direktoren und Oberlehrer liegen [dürfe], während die seminaristisch geschulten Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften - Einführung 129 <?page no="130"?> Lehrerinnen lediglich auf den unteren Klassenstufen und in technischen Fächern einzusetzen seien. (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 90 f.) Es ging dabei sicherlich auch um die Bewahrung von Standesprivilegien, welche die Oberlehrer an den höheren Mädchenschulen hatten etablieren können (vgl. Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 90). Erika Küpper spricht etwa von einem „besonderen Standesbewußtsei[n] der an den Mädchenschulen tätigen Lehrer“ (Küpper 1987, 188). Diese wurden jedoch zunehmend hinterfragt, spätestens seit 1887 ein „Kreis Berliner Frauen und Mütter“ dem Abgeordnetenhaus eine Petition vorlegte, die u.-a. folgende zentrale Forderungen enthielt: 1. dass dem weiblichen Element eine größere Beteiligung an dem wissenschaftli‐ chen Unterricht auf Mittel- und Oberstufe der öffentlichen höheren Mädchen‐ schulen gegeben und namentlich Religion und Deutsch in Frauenhand gelegt werde, 2. dass von Staats wegen Anstalten zur Ausbildung wissenschaftlicher Lehrerinnen für die Oberklassen der höheren Mädchenschulen mögen errichtet werden. (zit. in Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 91) Im gleichen Jahr forderte Helene Lange einen „vollständigen Systemwechsel“ in der Mädchenbildung und ging dabei von dem Befund aus, dass seinerzeit nur etwa 5 % des wissenschaftlichen Unterrichts der Oberstufe an den öffent‐ lichen höheren Mädchenschulen in Berlin durch Frauen erteilt wurde. Sie plädierte dafür, dass insbesondere Religion, Deutsch und Geschichte von Frauen unterrichtet werden sollten und dass nur Frauen Klassen- und Schulleitungen übernehmen sollten (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 91). Sie sprach sich aller‐ dings für einen allmählichen Prozess nach Einführung eines Studiums für angehende Oberlehrerinnen aus, da die bisherigen Lehrerinnen - seminaristisch wie bzw. als Volksschullehrerinnen ausgebildet und überwiegend im Selbststu‐ dium fachlich weitergebildet - für den Oberstufenunterricht tatsächlich noch nicht geeignet wären: „So wie die Sachen liegen, haben die Männer ganz recht, wenn sie die Mädchenschulen nicht aus der Hand geben wollen, denn so wie wir sind, dürfen wir sie gewissenhafterweise nicht übernehmen“ (zit. in Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 92) (zur Oberlehrerinnenprüfung ab 1894 und zu den empfohlenen Fächerverbindungen der Oberlehrerinnen vgl. den Beitrag Reimann zur Ausbildungsgeschichte im vorliegenden Band, mit weiteführender Bibliographie). Im Jahr 1889 begründete Helene Lange ebenfalls in Berlin „Realkurse für Frauen“, die auf einer zehnjährigen höheren Mädchenbildung aufbauten und der Vorbereitung auf die Schweizerische Abiturprüfung dienten, da Frauen u. a. in Zürich schon seit den 1860er Jahren offiziell studieren konnten (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 92). Im Jahr 1893 wurde eine „Ver‐ 130 Daniel Reimann <?page no="131"?> einigung zur Veranstaltung von Gymnasialkursen für Frauen“ eingerichtet, welche die inhaltliche Vorbereitung junger Frauen auf die Abiturprüfungen an Gymnasien und Realgymnasien als externe Kandidatinnen ermöglichen sollten (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 92). Bis zur offiziellen, weitgehenden Gleichstellung der höheren Mädchenschulen mit den Anstalten für Knaben ab dem Jahr 1908 (s. u.) wurden im Deutschen Reich seit den 1890er Jahren etwa 30 solche Gymnasial- und Realgymnasialklassen eingerichtet, die ein frühes Abitur für Mädchen ermöglichten (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 92). Im Jahr 1894 bahnten sich darüber hinaus einige formale Entwicklungen für die höheren Mädchenschulen an: In „Bestimmungen über das Mädchenschulwesen in Preußen“ wurden sie näher definiert, und zwar als neunjährige Anstalten mit zwei Fremdsprachen - die freilich immer noch nicht zu weiterführenden Berechtigungen führen durften. Zeitgleich wurde die bereits angesprochene „Ordnung der Wissenschaftlichen Prüfung der Lehrerinnen“ erlassen, die noch nichts mit der männlichen Lehramtsprüfung pro facultate docendi zu tun hat, sondern lediglich erfolgreiche Fortbildungsbemühungen berufstätiger Lehrerinnen in zwei Fächern testiert und damit zur Übernahme der Planstelle als „Oberlehrerin“ befähigt […]. (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 94, s. o., vgl. den Beitrag zur Ausbildungs- und Sozialgeschichte im vorliegenden Band) Die deutsche Diskussion darüber, ob Frauen zum Studium an den Universitäten zugelassen werden sollten, bezieht sich insbesondere auf die akademische Vorbildung der beiden (potentiellen) Berufsgruppen der Ärztinnen und der Lehrerinnen (Küpper 1987, 189). Während etwa in Baden bereits im Jahr 1900, in Bayern 1903 und in Württemberg 1904 der Zugang von Frauen zu Abitur und Studium geregelt worden war, zog Preußen im Jahr 1908 nach und ermöglichte durch einen Ministererlass einen weitgehenden Zugang von Frauen zu Abitur und Studium (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 94 f.) - allerdings blieben die Berechtigungen z.-B. auf der Ebene der Obersekundareife (s.-o.) deutlich hinter denen der Knabenanstalten zurück (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 99; vgl. auch Küpper 1987, 185 zum Universitätsstudium von Frauen bis etwa 1825). Der darauf vorbereitende Mädchenbildungsgang war nunmehr wie folgt konzipiert: Beginnend ab dem 7. Lebensjahr („Eintritt mit sechs Lebensjahren“) war die höhere Mädchenschule in der Regel zehnklassig, mit Französisch als erster Fremdsprache ab der 4., Englisch als zweiter Fremdsprache ab der 7. Klasse. Ab dem siebzehnten Lebensjahr gab es folgende fünf Optionen: Entweder am Lyzeum die zweijährige Frauenschule (ohne Abitur) oder ein vierjähriges höheres Lehrerinnenseminar, von dem das letzte Jahr ein praktisches Jahr war. Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009 (98) sehen hierin die Anbahnung einer Zweipha‐ Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften - Einführung 131 <?page no="132"?> sigkeit der Lehrerinnenbildung, wie sie auch bei den Männern inzwischen üblich war (s. den Beitrag zur Ausbildungsgeschichte im vorliegenden Band). Das Min‐ destalter bei der Lehramtsprüfung war auch in den Prüfungsordnungen stets mit 20 Jahren ausgewiesen (vgl. wiederum den Beitrag zur Ausbildungsgeschichte). Alternativ konnte ab der Tertia bzw. Sekunda der Ausbildungszug einer „Stu‐ dienanstalt“ besucht werden, der die klassischen drei Ausbildungsrichtungen der Knabenanstalten als „Gymnasiale Kurse“, „Realgymnasiale Kurse“ und „Oberrealschulkurse“ abbildete (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 96-99). In der Praxis blieben höhere Frauenschulen und Lehrerinnenseminare die dominanten Formen der höheren Mädchenschulen. Im Jahr 1912 gab es in Preußen 70 Frau‐ enschulen, 129 Lehrerinnenseminare und nur 34 Studienanstalten für Frauen (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 100). Erst in der Weimarer Republik kam es zu einer weitergehenden Gleichstellung der höheren Mädchenbildung mit der Knabenbildung, so dass im Jahr 1932 bereits 27 % der Abiturienten in Preußen Frauen waren (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 100). 3 Kontextualisierung in der Geschichte des Französischunterrichts des 19. und frühen 20.-Jahrhunderts 3.1 Äußere Geschichte des Französischunterrichts Mit Blick auf die äußere Geschichte des Französischunterrichts, mithin die Nachfrage nach Fremdsprachen und die (sprachen- und schul-) politischen Rahmenbedingungen (zur Konzeption von äußerer und innerer Geschichte des Fremdsprachenunterrichts vgl. Reimann 2023a, 83), sollen als Hintergrund der vorzustellenden Pilotstudien folgende Eckdaten rekapituliert werden: Ab dem Jahr 1788 wurde an den (humanistischen) Gymnasien in Preußen das Abitur als Abschluss eingeführt. Dabei wurden u. a. bereits französische Aufsätze zu historischen, philosophischen oder auch naturwissenschaftlich-technischen Themen gefordert (Kuhfuß 2014, 591-598, Reinfried 2014, 263). Ein gewisser Rückgang der Bedeutung des Französischen zu Beginn des 19. Jahrhunderts kann u. a. mit dem Trauma der napoleonischen Kriege in Verbindung gebracht werden. Die geringe Rolle des Unterrichts in den modernen Fremdsprachen im staatlichen Schulsystem des 19. Jahrhunderts bei gleichzeitigem hohen Stundenkontingent für die alten Sprachen kann wiederum nicht nur mit der Attraktivität der alten Sprachen unter dem Aspekt des Neuhumanismus und als Distinktionsmerkmal eines entstehenden Bildungsbürgertums gesehen werden, sondern auch als Folge eines (bildungs-) politischen Vakuums, das das Franzö‐ sische als moderne Fremdsprache in einer Zeit hinterlässt, in der das Englische 132 Daniel Reimann <?page no="133"?> noch nicht bedeutsam genug war, um sofort an dessen Stelle nachzurücken. Konrad Schröder bringt dies wie folgt auf den Punkt: Die Französische Revolution und die napoleonische Zeit verändern die Sprachenland‐ schaft: Französisch, die Kultur- und Modesprache des 18. Jahrhunderts, wird nun als Idiom einer überwundenen Epoche gebrandmarkt, später dann als Feindsprache. Mit dem Fall Napoleons fällt auch seine Sprache […]. Da durch den Abbau des Fran‐ zösischen und anderer moderner Sprachen Stundenkontingente frei werden, kommt die Altphilologie quantitativ voran: 15 Wochenstunden Latein und 7 Wochenstunden Altgriechisch sind an den (stets altsprachlichen) Gymnasien der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts keine Seltenheit; die anderen Fächer sind einbis zweistündig. Wie schon in der Renaissance ist das Lateinische nun sprachästhetische Richtschnur, die griechisch-römische Literatur gilt als Vermittlerin (säkularisierter) „ewiger Werte“. (Schröder 2017, 109, vgl. Reinfried 2014, 263) An den (humanistischen) Gymnasien wurde Französisch, z. B. in Preußen seit 1837 als Pflichtfach, meist nur mit zwei, dann auch bis drei Wochenstunden in einem zunächst sechs-, später auch bis zu achtjährigen Kursus unterrichtet (Reinfried 2003, 143, und 2017a, 34, jeweils mit weiterführender Bibliographie, insgesamt vertiefend Ostermeier 2012). Im Geiste des Neuhumanismus musste sich der gymnasiale Fremdsprachenunterricht dem Ideal der «zweckfreien All‐ gemeinbildung» fügen, der Unterricht in den modernen Sprachen wurde stark an dem der alten Sprachen ausgerichtet. Ein am Kriterium der Zweckmäßigkeit ausgerichteter tendenziell kommunikativer Fremdsprachenunterricht fand im 19. Jahrhundert v. a. an den höheren Bürger-, Real- und Handelsschulen statt, während der Privatunterricht in den höheren Ständen allmählich aufgegeben wurde (vgl. z.-B. Reinfried 2003, 146). Tatsächlich konnte sich Unterricht in den modernen Fremdsprachen - zu‐ nächst ganz überwiegend im Französischen - erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im schulisch-institutionalisierten Kontext verstärkt etablieren, und zwar an den Real- und Oberrealschulen, Realgymnasien und höheren Mädchenschulen als überwiegend vierbis sechsstündiges Hauptfach über sieben oder neun Schuljahre hinweg (Reinfried 2003, 143, 146, Reinfried 2017a, 34, s. u., Abb. 1 - 11), so dass beispielweise an preußischen Realgymnasien ab 1882 insgesamt 34 ( Jahres-)Wochenstunden, an den Oberrealschulen sogar 56 ( Jahres-)Wochenstunden Französischunterricht in der gesamten Schullaufbahn durchlaufen wurden (Reinfried 2014, 263, mit weiterführender Bibliographie, vertiefend vgl. Ostermeier 2012, s. u., Abb. 5 und 6). Ab 1900 wurden diese Schularten dem Gymnasium gleichgestellt, an ihnen konnte nunmehr das Abitur erlangt werden (s. o., Abschnitt 2.). Dies führte dazu, dass sie einen Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften - Einführung 133 <?page no="134"?> immensen Schülerzuwachs verzeichneten, der denjenigen der (humanistischen, altsprachlichen) Gymnasien zahlenmäßig übertraf. Französisch und Englisch wurden somit „zu den meistgelernten schulischen Fremdsprachen“ (Reinfried 2003, 143, Reinfried 2017a, 34). Bis zum Ersten Weltkrieg war Französisch meist die erste (lebende) Fremdsprache (vgl. z. B. Reinfried 2003, 143, Reinfried 2017a, 35). Nach dem ersten Weltkrieg ist bis Ende der zwanziger Jahre eine leichte Abwendung des deutschen Bildungswesens vom Französischen vor dem Hinter‐ grund des Versailler Vertrages bei gleichzeitiger Hinwendung zum Englischen, aber auch zum Spanischen festzustellen, welche mit der zunehmenden wirt‐ schaftlichen Bedeutung Großbritanniens und der USA einerseits sowie der Neutralität der hispanophonen Staaten in den Kriegshandlungen andererseits begründet werden kann (Reinfried 2003, 143, Reinfried 2013, 32, Reinfried 2014, 265). Ende der 1920er Jahre war das Französische wieder fest etabliert und erneut mindestens genauso verbreitet wie das Englische (Voigt 1998, 45, Reinfried 2003, 143), seine Wiedereinführung als erste Fremdsprache - nachdem 1923 in fünf Ländern der Weimarer Republik Englisch zur ersten Fremdsprache geworden war (Schröder 2017, 110) - wurde für 1933 beschlossen (Reinfried 2017a, 35). Erst mit der nationalsozialistischen Reform des Unterrichtswesens der Jahre 1935/ 1936ff. wurde Englisch für alle Schulen verpflichtend, mithin das Französische zum Wahlpflichtfach abgewertet (z. B. Hausmann 2008, 62, 64, Reinfried 2013, 29 ff.). Zugleich wurden das Spanische und das Italienische als Sprachen wichtiger politischer Partner grundsätzlich mit dem Französischen gleichgestellt (wohlgemerkt mit Wahl(pflicht)fachstatus, d. h., maximal drei Wo‐ chenstunden in drei Schuljahren, Hausmann 2008, 65, vgl. auch Reinfried 2013, 31 sowie die Richtlinien in Christ/ Rang 1985, Band III, 165 f., zu einer einfüh‐ renden Sichtung der Lehr-/ Lernmaterialien der fraglichen Zeit vgl. Hausmann 2008, 80-88). Nur an einem Teil der Mädchenschulen konnte sich Französisch einen besseren Status erhalten (Reinfried 2003, 144) (vgl. auch Reimann 2023a, 115-119). Die Rolle des Französischunterrichts lässt sich auch an den Stundentafeln nachvollziehen. Exemplarisch seien Stundetafeln ausgewählter Jahrzehnte und Schularten betrachtet (für eine detaillierte Untersuchung vgl. Ostermeier 2012). In der Stundentafel von 1816 spielt das Französische entsprechend den oben getroffenen Beobachtungen zur Entwicklung des Französischunterrichts in der nach-napoleonischen Ära zunächst keine Rolle mehr: 134 Daniel Reimann <?page no="135"?> I (3 Jahre) II (2 Jahre) III (2 Jahre) IV (1 Jahr) V (1 Jahr) VI (1 Jahr) Summa Latein 8 8 8 8 6 6 76 Griechisch 7 7 5 5 - - 50 Deutsch 4 4 4 4 6 6 44 Mathematik 6 6 6 6 6 6 60 Naturwis‐ senschaften 2 2 2 2 2 2 20 Geschichte und Geo‐ graphie 3 3 3 3 3 3 30 Religion 2 2 2 2 2 2 20 Hebräisch (2) (2) - - - - (10) Zeichnen - - 2 2 3 3 10 Kalligraphie - - - - 4 4 8 - 32 32 32 32 32 32 318 Abb. 1: Stundentafel Gymnasium in Preußen 1816 ( Jeismann 1987, 172) Allerdings wird Französisch bald wieder in das Bildungsangebot integriert, wie aus der Stundentafel von 1837 hervorgeht - und zwar als zweite Fremdsprache ab der Untertertia, wenn auch nur in dem sehr geringen Umfang von 2 Unterrichtsstunden pro Woche: - VI V IV III II I Lateinisch 10 10 10 10 10 8 Griechisch - - 6 6 6 6 Deutsch 4 4 2 2 2 2 Französisch - - - 2 2 2 Religion 2 2 2 2 2 2 Mathematik - - 3 3 4 4 Rechnen und geometr. An‐ schauungslehre 4 4 - - - - Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften - Einführung 135 <?page no="136"?> Physik - - - - 1 2 Philos. Propädeutuik - - - - - 2 Geschichte und Geographie 3 3 2 3 3 2 Naturbeschreibung 2 2 2 2 - - Zeichnen 2 2 2 - - - Schönschreiben 3 3 1 - - - Gesang 2 2 2 2 - - - 32 32 32 32 30 30 Hebräisch - - - - 2 2 Abb. 2: Stundentafel Gymnasium in Preußen 1837 ( Jeismann 1987, 172) Mitte des 19. Jahrhunderts setzt Französisch dann bereits im zweiten Jahr der weiterführenden Schule, der Quinta, ein, und erhält immerhin im ersten Lernjahr drei Wochenstunden: - VI V IV III II I Religion 3 3 2 2 2 2 Deutsch 2 2 2 2 2 3 Lateinisch 10 10 10 10 10 8 Griechisch - - 6 6 6 6 Französisch - 3 2 2 2 2 Geschichte und Geogr. 2 2 3 3 3 3 Mathem. und Rechnen 4 3 3 3 4 4 Physik - - - - 1 2 Naturkunde (2) (2) - 2 - - Zeichnen 2 2 2 - - - Schreiben 3 3 - - - - - 28 30 30 30 30 30 Abb. 3: Stundentafel Gymnasium in Preußen 1856 ( Jeismann 1987, 173) 136 Daniel Reimann <?page no="137"?> Die Stundenkontingente werden sodann allmählich ausgebaut, mit dem Lehr‐ plan von 1882 erhält Französisch, nach wie vor in Quinta einsetzend, in den ersten beiden Lernjahren vier und fünf Wochenstunden, bevor es über die weiteren Jahre wiederum nur jeweils im Umfang von zwei Wochenstunden unterrichtet wird. Mit den Lehrplänen von 1892 verschiebt sich der Beginn in die Quarta, Französisch erhält im ersten Lernjahr vier Wochenstunden, in drei weiteren Lernjahren bis einschließlich der Untersekunda drei Wochenstunden, bevor es ab der Obersekunda in den letzten drei Gymnasialjahren nur noch zwei‐ stündig ist. In den Lehrplänen von 1901 erhält Französisch über den gesamten Ausbildungszyklus eine Jahreswochenstunde mehr, wobei sich nach einem ersten Lernjahr nach wie vor mit vier Wochenstunden und dem zweiten und dritten mit jeweils nur zwei Wochenstunden die „Dreistündigkeit“ nach hinten verschiebt (von der Untersekunda bis zur Oberprima). Mit den Lehrplänen von 1924 verliert die moderne Fremdsprache spürbar an Gewicht und fällt auf einen Umfang zurück, der etwa dem Status zwischen 1837 und 1856 entspricht, indem Französisch ab der Quarta im ersten Lernjahr dreistündig, danach über weitere sechs Lernjahre nur noch zweistündig unterrichtet wird. Zur Veran‐ schaulichung sei auf die Zusammenstellung in Ostermeier 2012, 265 (basierend auf Christ/ Rang 1985, Band VII) zurückgegriffen, welche die Stundenanteile der sprachlichen Fächer an den Gymnasien in Preußen gegenüberstellt: Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften - Einführung 137 <?page no="138"?> VI V IV UIII OIII UII OII UI OI Gesamt 1816 - - - - - - - - - - Latein 6 6 8 8 8 8 8 8 8 76 Griechisch - - 5 5 5 7 7 7 7 50 Französisch - - - - - - - - - - 1837 - - - - - - - - - - Latein 10 10 10 10 10 10 10 8 8 86 Griechisch - - 6 6 6 6 6 6 6 42 Französisch - - - 2 2 2 2 2 2 12 1856 - - - - - - - - - - Latein 10 10 10 10 10 10 10 8 8 86 Griechisch - - 6 6 6 6 6 6 6 42 Französisch - 3 2 2 2 2 2 2 2 17 1882 - - - - - - - - - - Latein 9 9 9 9 9 8 8 8 8 77 Griechisch - - - 7 7 7 7 6 6 40 Französisch - 4 5 2 2 2 2 2 2 21 138 Daniel Reimann <?page no="139"?> 1892 Latein 8 8 7 7 7 7 6 6 6 62 Griechisch - - - 6 6 6 6 6 6 36 Französisch - - 4 3 3 3 2 2 2 19 Englisch (wahl‐ frei) - - - - - - (2) (2) (2) (6) 1901 - - - - - - - - - - Latein 8 8 8 7 7 7 6 6 6 62 Griechisch - - - 6 6 6 6 6 6 34 Französisch - - 4 3 3 3 2 2 2 19 Englisch - - - - - - 3 3 3 9 Englisch (wahl‐ frei) - - - - - - (2) (2) (2) (6) 1924 - - - - - - - - - - Latein 7 7 7 6 6 5 5 5 5 53 Griechisch - - - 6 6 6 6 6 6 36 Neure Fremd‐ sprache - - 3 2 2 2 2 2 2 15 Abb. 4: Fremdsprachen in den Stundentafeln der Gymnasien in Preußen von 1816 bis 1925 (aus: Ostermeier 2012, 265) Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften - Einführung 139 <?page no="140"?> An den Realschulen 1. Ordnung bzw. Realgymnasien haben die neueren Fremd‐ sprachen und vor allem das Französische, trotz nach wie vor großer Bedeutung des Lateinischen, spürbar größeres Gewicht. Hier setzt der Unterricht zunächst (1859 und 1882) bereits in Quinta ein (am Gymnasium ebenfalls 1856 und 1882, s. o.), allerdings jeweils fünfstündig in den ersten beiden Lernjahren, noch 1901 - dann einsetzend in Quarta - beginnend mit fünf Wochenstunden im ersten Lernjahr und vier im zweiten Lernjahr. Die niedrigste Wochenstundenzahl in allen Lehrplänen und Jahrgängen beträgt vier. Erst mit den Lehrplänen von 1924 verlieren die Fremdsprachen (und insbesondere die erste Fremdsprache) relativ an Gewicht (vgl. auch am Gymnasium, s.-o.). - VI V IV UIII OIII UII OII UI OI Gesamt 1859 - - - - - - - - - - Latein 8 6 6 5 5 4 4 3 3 44 Franzö‐ sisch - 5 5 4 4 4 4 4 4 34 Englisch - - - 4 4 3 3 3 3 20 1882 - - - - - - - - - - Latein 8 7 7 6 6 5 5 5 5 54 Franzö‐ sisch - 5 5 4 4 4 4 4 4 34 Englisch - - - 4 4 3 3 3 3 20 1892 - - - - - - - - - - Latein 8 8 7 4 4 3 3 3 3 43 Franzö‐ sisch - - 5 5 5 4 4 4 4 31 Englisch - - - 3 3 3 3 3 3 18 1901 - - - - - - - - - - Latein 8 8 7 5 5 4 4 4 4 49 Franzö‐ sisch - - 5 4 4 4 4 4 4 29 Englisch - - - 3 3 3 3 3 3 18 140 Daniel Reimann <?page no="141"?> 1924 Latein 7 7 7 4 4 3 3 3 3 41 Erste neuere Fremd‐ sprache - - 3 4 4 4 4 (3) 4 (3) 4 (3) 27 (24) Zweite neuere Fremd‐ sprache - - - 4 4 3 3 (4) 3 (4) 3 (4) 20 (23) Abb. 5: Fremdsprachen in den Stundentafeln der Realschulen 1. Ordnung und Realgymn‐ asien in Preußen von 1816 bis 1925 (aus: Ostermeier 2012, 266) An den Oberrealschulen ist die Stellung des Französischen noch einmal deutlich stärker: Als erste Fremdsprache jeweils ab Sexta einsetzend, fällt es nur in den Lehrplänen von 1924 (vgl. den rückgehenden Stundenumfang der Fremd‐ sprachen in diesen Lehrplänen auch an Gymnasien und Realgymnasien) in mehreren Jahrgängen (ab der Untersekunda) als erste Fremdsprache auf drei Wochenstunden. In allen anderen Lehrplänen und Jahrgangsstufen ist die Stundenzahl höher und liegt nicht selten bei sechs, in den Lehrplänen von 1882 in den ersten drei Lernjahren sogar bei acht Wochenstunden. Insgesamt übertrifft Französisch als erste Fremdsprache der Oberrealschule damit die Stundenzahlen von Griechisch an den Gymnasien und nähert sich denen des Lateinischen an den Realschulen 1. Ordnung bzw. Realgymnasien, die es 1859 bis 1892 leicht über-, 1901 leicht unterschreitet. Zur Veranschaulichung sei wieder die Tabelle von Ostermeier 2012 herangezogen: - VI V IV UIII OIII UII OII UI OI Gesamt 1859 - - - - - - - - - - Franzö‐ sisch 6 6 6 6 6 4 4 4 4 46 Englisch - - - 4 4 3 3 3 3 20 1882 - - - - - - - - - - Franzö‐ sisch 8 8 8 6 6 5 5 5 5 56 Englisch - - - 5 5 4 4 4 4 26 Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften - Einführung 141 <?page no="142"?> 1892 Franzö‐ sisch 6 6 6 6 6 5 4 4 4 47 Englisch - - - 5 4 4 4 4 4 25 1901 - - - - - - - - - - Franzö‐ sisch 6 6 6 6 6 5 4 4 4 47 Englisch - - - 5 4 4 4 4 4 25 1924 - - - - - - - - - - Erste neuere Fremd‐ sprache 6 6 6 5 5 3 3 3 3 40 Zweite neuere Fremd‐ sprache - - - 5 5 3 3 3 3 22 Abb. 6: Fremdsprachen in den Stundentafeln der Oberrealschulen in Preußen von 1816 bis 1925 (aus: Ostermeier 2012, 266) Auch der prozentuale Anteil einzelner Fächer am Stundenkontingent ver‐ schiedener Schularten lässt die Entwicklung der modernen Fremdsprachen und hier insbesondere des Französischen anschaulich vor Augen treten. Im Folgenden werden die Prozentangaben für ausgewählte Fächer an ausge‐ wählten Schularten für Knaben aus Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009 (66, Tab. 2) wiedergegeben: 142 Daniel Reimann <?page no="143"?> Gymnasium Realgymnasium Oberrealschule - 1816 1837 1856 1882 1901 1924 1859 1882 1911 1924 1882 1901 Latein 24 31 32 29 26 21 16 19 19 16 0 0 Griechisch 16 15 16 15 14 14 0 0 0 0 0 0 Deutsch 14 9 8 8 10 12 10 10 11 12 11 13 Französisch 0 4 6 8 8 6 12 12 11 11 20 18 Englisch 0 0 0 0 0 0 7 7 7 8 9 10 Geschichte/ Erdkunde 9 9 9 11 10 12 11 11 11 13 11 12 Mathematik 19 12 12 13 13 13 17 16 16 14 18 18 Nat.wiss. 6 6 5 7 7 7 12 11 11 10 13 14 Abb. 7: Prozentualer Anteil (gerundet) ausgewählter Schulfächer in den Stundentafeln/ am gesamten Stundenkontingent ausgewählter weiterführender Schularten für Knaben im 19./ frühen 20.-Jahrhundert nach Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 66 Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften - Einführung 143 <?page no="144"?> Zum Vergleich seien auch exemplarische Stundentafeln höherer Mädchen‐ schulen in Preußen im 19. und frühen 20. Jahrhundert betrachtet. Aufgrund der oben angesprochenen ausbleibenden staatlichen Regulierung bis weit in das 19. Jahrhundert hinein konnten die höheren Mädchenschulen ihre Lehrpläne und Stundentafeln freier ausgestalten als die Gymnasien (s. o.). Vor diesem Hin‐ tergrund können hier nur sehr punktuelle Betrachtungen angestellt werden. Als erstes Beispiel sei die immer wieder zitierte höhere Mädchenschule Magdeburg betrachtet (vgl. z.-B. auch Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 88): Klasse 1 2 3 4 5 Zusam. Religion und Religionsgeschichte, biblische Ge‐ schichte 2 2 3 2 2 11 Weibliche Moral. Klugheits- und Anstandslehre 1 - - - - 1 Deutsche Sprache und Literatur 6 6 4 2 - 18 Übungen mit Anschauen u. Sprechen, besonders nach Bildern - - - - 2 2 Sprech- und Denkübungen, ohne Bilder - - - - 2 2 Lesen - - 4 5 10 19 Französisch 3 3 3 3 - 12 Geschichte 2 2 1 1 - 5 Geographie 2 2 2 1 - 7 Naturgeschichte mit häuslicher Technologie 2 2 1 - - 5 Diätetik und Seelenlehre in pädagogischer Rücksicht 1 - - - - 1 Naturlehre 1 - - - - 1 Kopf- und Tafelrechnen 2 2 2 3 3 12 Schreiben 2 2 2 4 3 13 Gemeinnützige Kenntnisse 1 1 - 2 - 4 Gesang 2 2 1 - - 5 Zeichnen 1 1 2 1 - 5 Weibliche Arbeiten 8 8 8 8 8 40 Zusammen 36 33 33 31 30 163 Abb. 8: Stundentafel der städtischen höheren Mädchenschule in Magdeburg aus dem Jahr 1819 (Küpper 1987, 192) 144 Daniel Reimann <?page no="145"?> Anders als an den Gymnasien zur damaligen Zeit (s. o.) ist Französisch hier fest in der Stundentafel verankert, allerdings noch im relativ geringen Umfang von je drei Wochenstunden über die ersten vier Jahre des Bildungsgangs hinweg. Bis 1861 entwickelt sich die Stundentafel wie folgt weiter: Klasse 1 2 3 4 5 6 7 8 Summe Religion 3 3 3 3 3 3 3 2 23 Literatur 3 2 - - - - - - 5 Deutsch 3 3 4 4 4 3 5 - 26 Lesen 1 1 1 1 1 2 3 10 20 Hersagen 1 1 1 1 1 1 1 - 7 Anschauung - - - - - - - 2 2 Französisch 4 4 4 4 3 3 - - 22 Englisch 3 3 - - - - - - 6 Geschichte 2 2 2 2 2 2 - - 12 Geographie 2 2 2 2 2 2 1 - 13 Rechnen 2 2 2 2 3 3 4 4 22 Physik 2 2 3 3 2 1 1 - 14 Schreiben - 1 2 2 2 2 4 - 13 Zeichnen 2 2 2 2 2 1 - - 11 Singen 2 2 2 2 2 1 - - 10 Handarbeit 2 2 4 4 4 4 4 8 32 Vormittags 24 24 24 24 22 20 18 18 - Nachmittags 8 8 8 8 8 8 8 8 - Summe 32 32 32 32 30 28 26 26 - Abb. 9: Stundentafel der städtischen höheren Mädchenschule in Magdeburg aus dem Jahr 1861 (Küpper 1987, 183) Französisch ist nunmehr überwiegend ein vierstündiges Fach über die acht Jahre des höheren mädchenbildenden Ausbildungszyklus hinweg, mit 22 Wochen‐ stunden ist es aber gemessen am Umfang des Französischunterrichts an Gymnasien und Realschulen 1. Ordnung (den späteren Realgymnasien) nicht auffällig stark Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften - Einführung 145 <?page no="146"?> ausgebaut (wobei im Vergleich der absoluten Zahlen die Zahl der Jahrgangsstufen der jeweiligen Bildungseinrichtungen nicht übersehen werden darf). Die folgende Stundentafel der zunächst zehnjährigen höheren Mädchenschule, wie sie im Jahr 1908 für Preußen etabliert wurde (s. o., ohne die anschließenden Klassen des Lyzeums bzw. den vorzeitigen Abgang nach dem siebten (Realgymna‐ siale und Gymnasiale Kurse) bzw. achten Schuljahr (Oberrealschulkurse), zeigt, dass Französisch hier als erste Fremdsprache bereits in der heutigen Jahrgangsstufe 4 einsetzte (mit sechs Wochenstunden) (s.-o., Kap. 2.) und dann mit hohem Stun‐ denkontingent fortgesetzt wurde (je fünf Stunden im zweiten und dritten Lernjahr, je vier Stunden vom vierten bis zum siebten Lernjahr). Bis etwa zur (im heutigen Sinne) zehnten Jahrgangsstufe wurden somit 32 Stunden Französischunterricht durchlaufen, womit das Fach die Stundenzahl des neunjährigen Realgymnasiums leicht, den der Gymnasien aber bei weitem übertrifft. - X IX VIII VII VI V IV III II I Summe Religion 3 3 3 3 3 3 2 2 2 2 26 Deutsch 10 9 8 6 5 5 4 4 4 4 59 Französisch - - - 6 5 5 4 4 4 4 32 Englisch - - - - - - 4 4 4 4 16 Geschichte / Kunstgeschichte - - - - 2 2 2 2 2 3 13 Erdkunde - - 2 2 2 2 2 2 2 2 16 Rechnen / Mathe‐ matik 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 30 Naturkunde - - - 2 2 2 3 3 3 2 17 Schreiben - 3 2 1 1 1 - - - - 8 Zeichnen - - - 2 2 2 2 2 2 2 14 Nadelarbeit - 2 2 2 2 2 2 2 2 2 18 Singen 1 1 1 2 2 2 2 2 2 2 17 Turnen 1 1 1 2 2 2 3 3 3 3 21 Zusammen 18 22 22 31 31 31 33 33 33 33 287 Abb. 10: Stundentafel der Höheren Mädchenschulen im Preußen im Jahr 1908 (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 97) 146 Daniel Reimann <?page no="147"?> Abschließend sei als beispielhafter Ausblick für die Übergangsphase zwischen den Neuregelungen des Jahres 1894 und der Neuordnung des höheren Mädchen‐ schulwesens im Jahr 1908 die Stundentafel der Gymnasialklassen in Köln aus dem Jahr 1902 betrachtet: Fächer - - - Klassen - - - - UIII OIII UII OII UI OI Summe Religion 2 2 2 2 2 2 12 Deutsch 3 3 3 3 3 3 18 Latein 10 10 8 8 8 7 51 Grie‐ chisch - - 8 8 8 8 32 Franzö‐ sisch 3 3 2 2 2 2 14 Ge‐ schichte und Erd‐ kunde 4 4 2 2 2 3 17 Rechnen / Mathe‐ matik 4 4 3 3 3 3 20 Natur‐ kunde 2 2 2 2 2 2 12 Zeichnen 2 2 - - - - 4 Turnen 2 2 2 2 2 2 12 Summe 32 32 32 32 32 32 192 Abb. 11: Stundentafel an Kölner Gymnasialklassen für Mädchen im Jahr 1902 (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 93) Hier wird die konsequente Orientierung an der Stundentafel des Gymnasiums für Jungen offensichtlich. Ähnlich wie an den Gymnasien wird Französisch hier nur noch zwei-, maximal dreistündig unterrichtet, aufgrund des Vorlaufs im Französischen ist die Stundenzahl ab der Untertertia sogar geringer als am Gymnasium, die Zahl der Latein- und Griechischstunden aufgrund des späteren Einsetzens dieser beiden Sprachen in einzelnen Jahrgangsstufen ab der Untertertia höher (zur Stundentafel der Gymnasien von 1901 s.-o. Abb. 4). Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften - Einführung 147 <?page no="148"?> 3.2 Innere Geschichte des Französischunterrichts Bezogen auf die innere Geschichte des Französischunterrichts, also im Wesent‐ lichen die Geschichte der Unterrichtsmethoden und -techniken (vgl. Reimann 2023a, 83), können folgende Entwicklungslinien festgehalten werden, die später vor dem Hintergrund der aus den Berufsbiographien abzuleitenden Entwick‐ lungen von Fachlichkeiten reflektiert werden können (v. a. im Beitrag Reimann zur Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch im vorliegenden Band): Mit der Verstaatlichung des Schulwesens im 19. Jahrhundert und der zunehmenden Etablierung zunächst des Französischen, dann auch des Engli‐ schen als curriculare Schulfremdsprachen (s. o., Kap. 2. und 3.1), kam es auch zu einer Vereinheitlichung und Standardisierung der Methodik des Fremd‐ sprachenunterrichts. Marcus Reinfried etwa spricht von einer „immer stärker werdende[n] Tendenz zur Normierung der Unterrichtsmethodik“ (Reinfried 2020, 21). Hintergrund einer solchen Vereinheitlichung waren u. a. die Lehrpläne und die auf diesen basierenden Lehrwerke, auf deren Grundlage der Unterricht durchgeführt wurde (vgl. Reinfried 2020, 21). Grammatik-Übersetzungsmethode Insbesondere in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und an den altsprach‐ lichen Gymnasien wurde an die bereits in der Vergangenheit belegten deduk‐ tiven Methodenkonzeptionen angeknüpft, es entwickelte sich die so genannte Grammatik-Übersetzungsmethode, auch synthetische Grammatik-Übersetzungs‐ methode (z.-B. Reinfried 2020, 22) oder in der älteren Literatur auch „synthetischkonstruktive Methode“ (z. B. Aronstein 1926, 35-39) genannt (die ihrerseits durchaus wieder Unterströmungen kannte, aus beinahe zeitgenössischer Sicht z. B. Wendt 1895, bes. 31-80). Die Bezeichnung „synthetisch“ (wie auch der Zusatz „konstruktiv“) „soll zum Ausdruck bringen, dass in einem Lehrbuch die neu vermittelten grammatischen Formen oder Strukturen mit abgedruckten Vo‐ kabeln von den Lernenden regelkonform so verbunden werden sollen, dass damit korrekte fremdsprachige Sätze konstruiert werden können“ (Reinfried 2020, 22). Als Gründungsdokument dieser Methode gilt gemeinhin Meidingers Praktische Französische Grammatik aus dem Jahr 1783. Die Besonderheiten und Innovationen des Lehrwerks von Meidinger bringt Marcus Reinfried wie folgt auf den Punkt: Das Besondere an diesem Lehrbuch war die leicht verständliche und wohl portionierte Präsentation grammatischer Formen und Regeln. Ihr schloss sich, und das war das eigentlich Neuartige, in jeder Lektion ein Übungsteil an, in dem die Schüler die auf ein bis zwei Seiten vermittelten Formen und Regeln durch ausgiebige Übersetzungen vom Deutschen ins Französische praktisch anwandten. Erstmals war hier eine Schul‐ 148 Daniel Reimann <?page no="149"?> grammatik entstanden, die etwa zwei Drittel ihres Raums der praktischen Einübung widmete […]. (Reinfried 2017b, 68) Für den schulischen Französischunterricht wurde das Lehrwerk Meidingers in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Karl Ploetz’ Lehrbuch der französischen Sprache abgelöst, das etwa um 1880 an den meisten höheren Schulen Preußens Verwendung fand (Reinfried 2020, 22, vgl. Reinfried 1992, 89, erste Auflage von 1848). Ploetz wandte sich von der oben beschriebenen, an Donat orientierten Gliederung nach Wortarten ab und führte eine didaktisch begründete Progression ein. Vor allem aber ergänzte er Beispielsätze und Texte in der Zielsprache - hier Französisch -, die bei Meidinger noch gefehlt hatten (dort wurde direkt auf die (Hin-) Übersetzung in das Französische hingearbeitet) (vgl. Reinfried 2017b, 69). Ziel der Grammatik-Übersetzungsmethode war vor allem die Auseinanderset‐ zung mit Sprache in Form von Grammatik (sowie in der Oberstufe mit klassischen Texten der Literatur), der unter den Vorzeichen des Neuhumanismus auch formal-bildender Wert zugeschrieben wurde (vgl. Reinfried 2003, 148 f., Reinfried 2017b, 69; zum Verhältnis von altzu neusprachlicher Unterrichtsmethodik im 19. Jahrhundert vgl. weiterführend Klippel 2000). Die schriftlichen Fertigkeiten, insbesondere auch in Form der Übersetzung in die Fremdsprache, standen im Zentrum des impliziten Kompetenzmodells dieser Methode (vgl. Reinfried 2017b, 73). Das Vorgehen der Grammatik-Übersetzungs-Methode kann mithin in einem ersten Schritt (bei Meidinger) wie folgt beschrieben werden: • Einführung einer Grammatik-Regel, • Übersetzungen von Beispielsätzen aus dem Deutschen in die Zielsprache (Hin-Übersetzung) (vgl. deduktive Methode des 16. Jahrhunderts/ Huma‐ nismus), • im Unterricht für Fortgeschrittene: Lektüre klassischer literarischer Texte. Bei Ploetz traten, wie oben angedeutet, bereits vor der Lektüre neben die Gram‐ matik-Erklärungen und -Übungen in Form der Hin-Übersetzung zusätzlich Beispielsätze/ -texte in der Zielsprache Französisch sowie Her-Übersetzungen aus dem Französischen (vgl. Reinfried 2017b, 69, Reinfried 2020, 22). Der typische Lektions-Aufbau bei Ploetz war daher: • Einführung einer Grammatik-Regel, • Her-Übersetzung aus dem Französischen (version), • Hin-Übersetzung ins Französische (thème) (Reinfried 2006, 38). Bei den Übersetzungsübungen handelte es sich in den Anfangsphasen der Sprachlehrgänge in der Regel um Zusammenstellungen nicht zusammenhän‐ gender, dekontextualisierter Einzelsätze, die zunehmend von zusammenhän‐ Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften - Einführung 149 <?page no="150"?> genden Texten abgelöst wurden (vgl. z.-B. Reinfried 2006, 38; einführend in die Lehrwerke von Karl Ploetz vgl. z.-B. Willems 2013, 282-332). - Abb. 12a-c: Das schulische Französisch-Lehrwerk der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schlechthin: das Lehrbuch der französischen Sprache von Ploetz (Ploetz, Carl ( 18 1860): Lehrbuch der französischen Sprache. Berlin: Herbing, 58f. 150 Daniel Reimann <?page no="151"?> Die Abbildungen 12b und c lassen das beschriebene Vorgehen bei Ploetz gut erkennen: Im leicht fortgeschrittenen Unterricht (Lektion 56) wird eine kurze Einführung der Grammatik vorgenommen, gefolgt von einem Text in der Fremdsprache zur Herübersetzung ins Deutsche, an den sich die Übersetzung von Sätzen ins Französische anschließt (hier weiterhin gefolgt von einer neu‐ erlichen Herübersetzung aus dem Französischen). Die Ebene der unzusammen‐ hängenden Einzelsätze ist in dieser Lektion bereits weitgehend überwunden, es wird ein weites, gerade auch das Altertum umfassendes, historisches Wissen angenommen, das verständniserleichternd wirken soll. Das Gesamtkonzept des Lehrwerks sieht ferner einen „Lesebuch“-Teil (Ploetz 1860, 103-120), einen Vokabelteil (Ploetz 1860, 121-144) sowie eine „Systematische Übersicht der grammatischen Elemente“ vor (Ploetz 1860, 145-167). Direkte Methode In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich dann, insbesondere ausgehend von den eher an praktischer Sprachverwendung interessierten „latein‐ losen“ Schulen, wie etwa den Real- und Oberrealschulen sowie den höheren Mädchenschulen, nach aktuellem Forschungsstand getragen von einer jungen Generation erstmals vollumfänglich als „Neuphilologen“ an den Universitäten ausgebildeter Lehrer (hierzu z. B. Reinfried 2006, 38, Teixeira Kalkhoff 2020, 222), die so genannte „direkte Methode“ als Methode einer neusprachlichen Reformbewegung (ca. 1880 - 1910). Die zentrale Zieldimension dieses Ansatzes war das Sprechen über den (in manchen Ansätzen konkret sichtbaren und durch Bilder zu veranschaulichenden) Alltag (vgl. Reinfried 2017b, 73). Karl Kühn etwa formuliert in seiner kurzen Monographie Der Französische Anfangsunterricht. Eine Begleitschrift zu dem Französischen Lesebuch und den französischen Übungen aus dem Jahr 1887 folgende drei Kernanliegen der Reform in Abgrenzung zur Grammatik-Übersetzungsmethode: sie muß 1. von den fremden Lauten ausgehen [sc. und nicht von der Schrift/ den Buchstaben]; 2. statt der Sätze und Sätzchen zusammenhängenden Inhalt in der fremden Sprache bieten; 3. alle Regeln so lange wie möglich von den Schülern fernhalten. (Kühn 1887, 6) In zeitgenössischen und älteren, die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts retrospektiv reflektierenden Quellen, ist diesbezüglich auch von „analytisch-imi‐ tativen Methoden“ die Rede (z. B. Aronstein 1926, 39-42). Der Zusatz „analytisch“ bezieht sich darauf, dass in diesen Methoden von gegebenen, komplexeren Texten ausgegangen und anhand dieser Texte Sprache analysiert wird, bevor es zur Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften - Einführung 151 <?page no="152"?> eigenen Sprachproduktion kommt (vgl. z.-B. Aronstein 1926, 39). Die direkte Me‐ thode mit ihren Spielarten wollte sich bewusst von der Grammatik-Übersetzungs‐ methode abwenden und strebte einen mündlich orientierten, einsprachig ziel‐ sprachlichen Fremdsprachenunterricht an, in dem u.-a. eine korrekte Aussprache - für die der Lehrer das Vorbild sein sollte - eine zentrale Rolle spielte (hierzu vgl. z.-B. Reimann 2021, Reimann 2023b). Hinter dem Prinzip der Einsprachigkeit stand die psychologische Grundannahme, dass auf diese Weise ein „Umweg“ über die Muttersprache/ Erstsprache vermieden werden könne, d. h. z. B. eine direkte Verknüpfung im Gehirn zwischen bildlich dargestellten Gegenständen und den Lexemen der Fremdsprache entstehen könne. Hierdurch sollte eine unmittelba‐ rere, direkte Rezeption und Produktion in der Fremdsprache ermöglicht werden (vgl. z. B. Reinfried 2017b, 69). Die jungen Disziplinen (Sprach-) Psychologie und Phonetik waren mithin wesentliche Bezugsdisziplinen der fremdsprachlichen Reformmethode (vgl. Reinfried 2017b, 73). In ihrer Orientierung an Einsprachigkeit und Mündlichkeit als grundle‐ genden Unterrichtsprinzipien griff die direkte Methode also Ansätze auf, die bereits die Dessauer Philanthropen verfolgt hatten (vgl. z. B. Reimann 2023a, 129, mit weiterführender Bibliographie). Im Unterschied zur Grammatik-Überset‐ zungsmethode sollte die Grammatikvermittlung im Fremdsprachenunterricht nur eine untergeordnete, dienende Rolle ausüben und Übersetzungen, vor allem Hin-Übersetzungen in die Fremdsprache, insbesondere im Anfangsunter‐ richt vermieden werden (vgl. Reinfried 2017b, 69, Reinfried 2020, 22 f.). Im Anfangsunterricht kannte die direkte Methode folgende zwei grundlegende Ausprägungen: Auf der einen Seite gab es eine gemäßigte Variante, die auch als Lesebuchmethode bezeichnet wurde und ausgehend von (v. a. narrativen) Lesetexten arbeitete, womit sie an die Lese-Übersetzungs-Methode als Spielart der imitativen Methode des 18. Jahrhunderts anknüpfte. Diese Texte lieferten Beispielmaterial für eine im Hintergrund noch immer wirkende grammatische Progression; die „Regeln“ der Grammatik sollten nunmehr induktiv von den Schülern aus den Texten heraus erschlossen werden (vgl. z.-B. Reinfried 2017b, 69). Auf der anderen Seite stand die konsequent einsprachig-direkte Variante, die so genannte Anschauungsmethode, die an die Versinnlichungsmethode der Dessauer Philanthropen anknüpfte und einsprachig-zielsprachlichen Unterricht vor allem durch den Einsatz von Bildmaterial (zur Semantisierung, Veranschau‐ lichung und als Sprechanlass) zu gestalten versuchte (vgl. Reinfried 2020, 23). Zu den einsprachigen, stark auf Imitation und Reproduktion vorgegebenen Sprachmaterials setzenden Übungsformen der direkten Methode gehörten: • Beantwortung von Fragen, • Nacherzählung, 152 Daniel Reimann <?page no="153"?> • Inhaltsangabe, • Diktate, • Umformungs- und Ergänzungsübungen (Reinfried 2017b, 69, Reinfried 2020, 23, vertiefend Reinfried 2007). Trotz des umfangreichen Schrifttums, mithin einer umfassenden theoretischen Modellierung, konnte sich die direkte Methode in der Praxis nach heutigem Erkenntnisstand nicht flächendeckend etablieren (z.-B. Reinfried 2017b, 70). Als Beispiel für ein Lehrwerk der direkten Methode, das zunächst der Lese‐ buchmethode zuzuordnen ist, zunehmend aber auch die Wandbilder von Hölzel im Sinne der Anschauungsmethode integrierte, kann das Lehrbuch Französi‐ sches Lesebuch für Anfänger von Karl Kühn betrachtet werden ( 1 1891, 4 1899). Das Lehrbuch ist für die ersten beiden Lernjahre der ersten modernen Fremdsprache und damit für Kinder etwa im Alter von 9 bis 10 Jahren konzipiert (Kühn 1899, IIIf.). Ganz offensichtlich ist der induktive, auf zusammenhängenden, thematisch gezielt schülernahen Texten basierende Ansatz, der auch Reime und Lieder umfasst. Der grammatische Anhang ist - anders als die durchaus umfassenden Vokabelverzeichnisse (Kühn 1899, XXXII-XLVI, 63-112) - auf ein Minimum reduziert (Kühn 1899, 113-128). Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften - Einführung 153 <?page no="154"?> Abb. 13a-d: Ein Französisch-Lehrwerk der neusprachlichen Reformbewegung: Das Französisch[e]Lesebuch für Anfänger von Karl Kühn ( 1 1891, hier 4 1899, I, XVI, 6, 27) (Bielefeld/ Leipzig: Velhagen & Klasing) Für die Konzeption der Methode sind sowohl die Vorworte der ersten bis vierten Auflage (Kühn 1899, III-VII) als auch die erläuternden Ausführungen zu einem Vorläufer-Lehrwerk sehr aufschlussreich (Kühn 1887). Hier erfolgen u. a. eine dezidierte Abgrenzung von der Grammatik-Übersetzungsmethode, eine grundlegende Einführung der Reform-Methode einschließlich Überlegungen zum Ausschluss der Übersetzung aus dem Anfangsunterricht bei gleichzeitiger Einführung geeigneter alternativer Übungen, Ausführungen zum Anfangsun‐ terricht, der für die Implementierung der direkten Methode als wesentlicher Ansatzpunkt erachtet wird, sowie Hinweise auf die Art der Vermittlung der Lautlehre und des zusammenhängenden Lesens, die Bedeutung von Gedichten gerade auch im Anfangsunterricht und von Lesestücken für den Französisch‐ unterricht (Kühn 1887; einführend in die Lehrwerke Kühns vgl. auch Willems 2013, 418-455, zum zunehmenden Einsatz der Hölschelschen Bildtafeln durch Kühn und zur Position Kühns zwischen Lesebuch- und Anschauungsmethode vgl. Reinfried 1992, 118, 121, 141, zu späteren unter Beteiligung Kühns entstan‐ 154 Daniel Reimann <?page no="155"?> denen Lehrwerken, die eher der vermittelnden Methode zuzurechnen sind, vgl. Reinfried 1992, 165-171). Vermittelnde Methode Mit Blick auf die starke Tradition der Grammatik-Übersetzungsmethode und die Schwierigkeiten der neusprachlichen Reformbewegung, sich in der Fläche durchzusetzen, ist es verständlich, dass sich in Deutschland seit Ende des 19. Jahrhunderts als Kompromiss zwischen Grammatik-Übersetzungs- und direkter Methode eine so genannte vermittelnde Methode entwickelte und spätestens ab etwa 1910 spürbar präsent war. In der vermittelnden Methode wurde ein auf Mündlichkeit und Sprechen ausgerichteter, möglichst einspra‐ chiger Fremdsprachenunterricht angestrebt, der aber nicht auf die (bevorzugt induktive) Erschließung und Erklärung grammatikalischer Zusammenhänge und deren Einübung sowie auf Aktivitäten zum Übersetzen verzichten wollte. Dieser vermittelnde Ansatz war bis weit in die 1960er Jahre (vgl. Reinfried 2020, 23), vielleicht, realistisch betrachtet, sogar noch darüber hinaus, spürbar im deutschen Fremdsprachenunterricht wirksam. In den 1960er Jahren wurde kurzzeitig auch wieder eine konsequentere Orientierung an der direkten Me‐ thode empfohlen (Reinfried 2020, 23). Für das Gebiet der ehemaligen DDR kann bis in die 1980er Jahre hinein eine Dominanz der vermittelnden Methode angenommen werden: „[…] an den Polytechnischen Oberschulen der DDR bleibt die ,vermittelnde Methode‘ bis zur Selbstauflösung des Staates 1990 im Wesentlichen erhalten“ (Schröder 2017, 110) (hierzu vgl. Reimann 2023a, 127- 136). Exemplarisch für ein Lehrwerk der vermittelnden Methode kann das Ele‐ mentarbuch von Gustav Ploetz aus dem Jahr 1891 (hier in der Auflage von 1908) herangezogen werden. Gustav Ploetz war der Sohn von Karl Ploetz (vgl. Kössler 2008, s.v. Ploetz, Gustav) und hat in diesem Werk versucht, „die gesunden und fruchtbaren Momente der heutigen Reformbewegung im Sinne altbewährter methodischer Grundsätze zu verwerten“ (Ploetz 1908, VIII). Es besteht für jede Lektion aus den drei Teilen „Lesebuch“, „Elementar‐ grammatik“ und „Übungen“, die aufeinander bezogen sind, aber innerhalb des Buches in diesen Kategorien jeweils separat abgedruckt sind (also ein „Lesebuch“-Teil, ein „Grammatik“-Teil usw., das Auffinden ist durch das tabellarische Inhaltsverzeichnis gut möglich). Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften - Einführung 155 <?page no="156"?> - 156 Daniel Reimann <?page no="157"?> Abb. 14 a-f: Ein Lehrwerk der Vermittelnden Methode (Ploetz, Gustav (1908, 1 1891): Ploetz-Kares Kurzer Lehrgang der französischen Sprache - Elementarbuch. Berlin: Herbig, I, XIII, 3, 75 f., 127) Bibliographie Adamus, Carolin/ Lubinski, Magdalene/ Merholz, Anna-Maria/ Reimann, Daniel (im vor‐ liegenden Band): Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften als Quellen einer Geschichte der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen - Forschungsfrage, Korpus und Methode. Apel, Hans Jürgen (2001): „ … das Gymnasium [ist] keineswegs ein Real-Gymnasium-…“ (1831). Kompromisse in der Auseinandersetzung um humanistische oder realisti‐ sche Gymnasialbildung, in: Apel, Hans Jürgen/ Kemnitz, Heidemarie/ Sandfuchs, Uwe (Hrsg.): Das öffentliche Bildungswesen. Historische Entwicklung, gesellschaftliche Funk‐ tionen, pädagogische Sicht. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 140-155. Aronstein, Philipp ( 2 1926, 1 1921): Methodik des neusprachlichen Unterrichts. Leipzig/ Berlin: Teubner. Beier, Adolf ( 3 1909): Die höheren Schulen in Preußen (für die männliche Jugend) und ihre Lehrer. Halle a.d.S.: Buchhandlung des Waisenhauses. 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Der Beitrag Christ 2005 skizziert in groben Zügen die Rahmenbedingungen der Fremdsprachenlehrerbildung im 19. Jahrhundert. Das Kapitel „Fremdsprachen‐ lehrer“ des postum veröffentlichten in die Geschichte des Fremdsprachenunter‐ richts einführenden Vorlesungsskripts Christ 2020 (30-98) bleibt letztlich mit Blick auf die Französischlehrer im staatlichen Schulwesen des 19. Jahrhundert bei genauem Hinsehen dem Vorlesungscharakter entsprechend oberflächlich, die hier untersuchte Gattung der Personalakten wird unter den zahlreichen genannten Quellengattungen nicht erwähnt (Christ 2020, bes. 43-47). In einem Aufsatz aus dem Jahr 1983 hatte Herbert Christ einleitend formuliert: Aus der Sicht des Jahres 1980 unterscheidet Ehrhart drei Gruppen von Französi‐ schlehrern, die er jeweils einer Periode des Französischunterrichts zuordnet: die Sprachmeister des 16., 17. und 18. Jahrhunderts, die Reallehrer des ausgehenden 19. Jahrhunderts und schließlich die Neuphilologen der zweiten Hälfte des 19. Jahr‐ hunderts […]. Man müßte aus heutiger Sicht darüber hinaus den schulform-spezifisch, in zwei Phasen wissenschaftlich ausgebildeten Fremdsprachenlehrer nennen, der im <?page no="162"?> Licht seiner Studien und von seiner Tätigkeit her nicht mehr als Neuphilologe zu bezeichnen ist. (Christ 1983, 109) Mit dieser Formulierung wird die in der jüngeren historischen Forschung immer wieder angeführte Annahme, an der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sei der Französischunterricht Domäne der Neuphilologen gewesen, begründet (vgl. hierzu auch den Beitrag Reimann zu Fächerverbindungen mit Französisch, bes. Kap. 1, im vorliegenden Band). Allerdings nuanciert Christ - im Unterschied zu einigen jüngeren Darstellungen - gegen Ende seines Beitrags durchaus: Die hier scheinbar als geradlinig skizzierte Entwicklung vom Sprachmeister zum Neuphilologen ist jedoch insofern in Frage zu stellen, als ein zeitliches Nacheinander nicht den Tatsachen entspricht; die Wirklichkeit war erheblich komplizierter. Denn der Reallehrer und der an den Gymnasien arbeitende Philologe mit Französischkennt‐ nissen lösten den Sprachmeister nicht von heute auf morgen ab; noch viel weniger ersetzte der Neuphilologe den Reallehrer und den Universal-Philologen von einem Tag auf den andern; die Reallehrer unterrichteten weiterhin Französisch - namentlich in den unteren Klassen der Realschulen; die Neuphilologen, die an Gymnasien, Realgymnasien und Oberrealschulen (also an den Schulen mit Abiturberechtigung) tätig wurden, arbeiteten in Konkurrenz zu den klassischen Philologen. (Christ 1983, 113) Abgesehen davon, dass der Begriff „Konkurrenz“ hinterfragt werden könnte, und die Frage zu beantworten sein wird, inwieweit eine solch binäre Kategori‐ sierung der Französischlehrerschaft im frühen staatlichen Schulwesen haltbar ist, wird hiermit das Feld eröffnet, in dem sich die vorliegenden Untersuchungen bewegen. In den hier vorgelegten Pilotierungen sollte zu ergründen versucht werden, wer die Französischlehrkräfte an den höheren Schulen in Preußen im 19. Jahrhundert waren, und wie ihre fachliche Prägung durch den Erwerb der Lehrbefähigungen in anderen Fächern neben dem Französischen nuanciert war. Der weitere von Christ angesprochene Fall, namentlich der durch in der Regel außeruniversitäre fachliche Weiterqualifikation zu „Reallehrern“ aufge‐ stiegenen Volksschullehrer (Christ 1983, 111), stellt ebenfalls ein hoch interes‐ santes Forschungsfeld dar, das in anderen Studien bearbeitet werden müsste. An dieser Stelle soll zunächst der Versuch unternommen werden, Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen in Preußen zu skizzieren, insoweit diese für das Verständnis der Personalakten, mithin der folgenden Beiträge des vorliegenden Bandes, relevant ist. Dabei wird einerseits von historisch-pädagogischen sowie bildungs- und sozialgeschichtli‐ chen Forschungen ausgegangen, andererseits eine vertiefte Betrachtung der Lehramtsprüfungsordnungen mit spezifischem Blick auf das Französische 162 Daniel Reimann <?page no="163"?> durchgeführt. Zitate und Verweise auf die genannte einschlägige Literatur ver‐ stehen sich immer einschließlich des Zusatzes „(mit weiterführenden Quellen/ Belegen)“. 2 Grundzüge einer Ausbildungsgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen (Schwerpunkt Preußen, aus der Perspektive der romanistisch-didaktischen Historiographie) 2.1 Die Entwicklung der Prüfungsordnungen und die Rolle des Faches Französisch 2.1.1 Vorgeschichte einer Professionalisierung des höheren Lehramts im 18. und beginnenden 19.-Jahrhundert Bis ins 19. Jahrhundert unterrichteten an den höheren Schulen, die in der Regel städtische Schulen waren, überwiegend katholische und protestantische Theo‐ logen (z. B. Führ 1992, 420). Häufig diente die Schulstelle der vorübergehenden Überbrückung der Wartezeit auf eine Pfarrstelle, mitunter handelte es sich auch um aus verschiedenen Gründen aus dem Pfarramt ausgeschiedene Theologen (vgl. z. B. Bölling 1983, 20). Insofern war das Lehramt in vielen Fällen nur eine berufliche „Durchgangsstation“ (Bölling 1983, 20). Einstellungsprüfungen fanden jeweils vor Ort im Einzelfall, d. h. für die einzelne zu besetzende Stelle statt und wurden jeweils vom Schulträger durchgeführt - es gab also noch keine allgemeine, orts- und stellenübergreifend gültige Qualifikation (vgl. Bölling 1983, 20). So wurde bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Notwendigkeit einer Reform der Lehrerbildung erkannt. Christoph Führ etwa gelangt zu folgender Wertung: In der um 1770 sich verstärkenden großen Bildungsreform-Debatte im Zeichen der „Nationalerziehung“ wurde betont, daß eine durchgreifende Schulreform nur über eine Verbesserung der Lehrerbildung zu erreichen sei. (Führ 1992, 420) Eine Verstaatlichung des Schulwesens setzte ein, in den katholischen Regionen entstand durch die Aufhebung des Jesuitenordens im Jahr 1773 zwingender Handlungsbedarf, die (höhere) Lehrerbildung neu zu organisieren: Noch unter den politischen und gesellschaftlichen Bedingungen des alten Reiches zeichneten sich Schul- und Lehrerbildungsreformen ab. Sie liefen in protestantischen und katholischen Ländern weitgehend in die gleiche Richtung: Es begann die Ver‐ staatlichung des höheren Schulwesens. 1773 wurde der Jesuitenorden aufgehoben. Dies war für die katholischen Länder eine bildungsgeschichtliche Zäsur und stellte sie vor die Notwendigkeit, die höhere Schulbildung neu zu ordnen. (Führ 1992, 420) Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 163 <?page no="164"?> In Preußen etwa sind die Einrichtung eines staatlichen Oberschulkollegiums (1787) und die Einführung des Abiturs als Abschlussprüfung des Gymnasiums (1788) unter Minister Karl Abraham von Zedlitz zwei bedeutende Wegmarken innerhalb der Reform der höheren Schulen, die eine Reform der Lehrerbildung unabdinglich werden ließen. So förderte von Zedlitz u. a. Friedrich August Wolf und Friedrich Gedike, die sich um eine Reform der höheren Lehrerbildung bemühten. Christoph Führ ordnet die gegenseitige Abhängigkeit von Schul- und Lehrerbildungsreform vor dem Hintergrund der einleitend umrissenen Wertigkeit des höheren Lehramts für Theologen wie folgt ein: Dem Gedanken eines von der Theologenausbildung gelösten weltlichen Lehramts lag die praktische Erwägung zugrunde, daß ein geordneter Schulbetrieb langfristig gesehen nur mit „Lehrern auf Dauer“, nicht mit „Lehrern auf Zeit“ gewährleistet werden könne. Der mit der Gründung des Oberschulkollegiums eingeleitete Aufbau einer staatlichen, sich von der kirchlichen Aufsicht lösenden Schulverwaltung und die Trennung des Lehramts vom geistlichen Amt vollzogen sich gleichzeitig. (Führ 1992, 421, vgl. Enzelberger 2001, 48) In wissenschaftshistorischer und disziplinengeschichtlicher Hinsicht lässt sich die Entwicklung wie folgt prägnant fassen: „Philologie und Altertumswissen‐ schaft lösten die Theologie als Grundlage der höheren Lehrerbildung ab.“ (Führ 1992, 422). Sabina Enzelberger formuliert weiterführend: „Aufgrund seines Bemühens, die klassischen Philologien zur Berufswissenschaft der Lehrer an den Gelehrtenschulen zu erheben, gilt F. A. Wolf (1759-1824) als der maßgeb‐ liche Mitbegründer des Philologenstands.“ (Enzelberger 2001, 48). Insgesamt lässt sich für verschiedene deutsche Regionen, insbesondere auch Preußen und Bayern, im frühen 19. Jahrhundert ein spürbares „Interesse an pädagogischer Veränderung“ nachvollziehen (Tenorth 1987, 251). In struktureller Hinsicht konnte die beschriebene Entwicklung vom Theologen zum Philologen nur durch die Einführung von eigenen Prüfungsordnungen und Prüfungen durch‐ gesetzt werden (Tenorth 1987, 255). Der gesamtgesellschaftliche Hintergrund der Entwicklung der höheren Lehrerbildung im 19. Jahrhundert kann wie folgt umrissen werden: […] die Ablösung des Adels durch das Bürgertum in der staatlichen Herrschaft und Verwaltung, dann der Einfluss der technischen, naturwissenschaftlichen und ökonomischen Entwicklung und zuletzt die Durchsetzung der Gleichberechtigung der Geschlechter [stellten] wichtige außerschulische Tendenzen dar, die die Schulent‐ wicklung beeinflussten. (Müller-Benedict 2008, 187) 164 Daniel Reimann <?page no="165"?> Dabei kam es zur Etablierung des „meritokratische[n] Prinzips im Bildungs‐ wesen“ auf der Grundlage der Entwicklung eines „System[s] von auf Prüfungen beruhenden Berechtigungen“ (Müller-Benedict 2008, 187). Sabina Enzelberger bringt weiterhin die miteinander verwobenen Entwicklungen von Bildung und Staatsbildung im 19. Jahrhundert auf den Punkt, indem sie formuliert: „„Bildung“ im allgemeinen philosophischen Sinne und „Staatsbildung“ im Sinne meritokra‐ tisch-idealistischer Beamtenschaft rückten eng aneinander.“ (Enzelberger 2001, 49). 2.1.2 Die Einführung des wissenschaftlichen Staatsexamens im Jahr 1810 und nachfolgende Entwicklungen der Prüfungsordnungen Als Meilenstein für die Professionalisierung der Lehrkräfte höherer Schulen in Preußen gilt sodann in der Regel die Einführung einer wissenschaftlichen Staatsprüfung als Examen pro facultate docendi im Jahr 1810, gesetzlich vor‐ geschrieben ab 1813 (z. B. Bölling 1983, 20, Führ 1992, 425, Geißler 2011, 137; vertiefter einführend z. B. Mandel 1989, 26 ff.; in Bayern wurde eine entsprechende Prüfung bereits 1809 eingeführt, z. B. Bölling 1983, 28, Führ 1992, 418 f., 423 f.). Die Prüfung wurde von Wilhelm von Humboldt veranlasst und von seinem Mitarbeiter Johann Wilhelm Süvern maßgeblich ausgestaltet (z. B. Bölling 1983, 20). Eine solche Prüfung hatte sich bereits 1787 mit einer entsprechenden Instruktion für das Oberschulkollegium abgezeichnet, 1809 war ein Examen „pro ascensione“ für „das Aufrücken in höhere und besser dotierte Stellen“ eingeführt worden (Führ 1992, 424). Eine grundsätzliche Neuerung gegenüber den früheren, lokalen und punktuellen Einstellungsprüfungen für eine bestimmte Stelle (s. o., Kap. 2.1) war, dass es sich um „eine generelle Prüfung für einen bestimmten Beruf ohne Rücksicht auf den Ort der Ausübung dieses Berufes“ ( Jeismann 1974, 313, zit. z. B. bei Bölling 1983, 20) oder einen „gene‐ rellen Fähigkeitsnachweis“ (Tenorth 1987, 255), mithin eine echte professionelle Qualifikation, handelte. Man spricht hier von einem „Berechtigungswesen“, das sich im 19. Jahrhundert auch in anderen akademischen Bereichen entwickelte - etwa Theologie, Jura und Medizin, Zahnmedizin und Pharmazie - und das sich durch folgende Eigenschaften auszeichnet: a. die Prüfung ist zeitlich und räumlich entkoppelt von der Berufung auf eine Stelle, b. alle Prüfungsbewerber werden formal gleich behandelt, für ihre Bewertung ist nur ihre bisher erbrachte Leistung wichtig, c. die Prüfungen haben die gleichzeitige Funktion des Befähigungsnachweises und der Abweisung von Nicht-Befähigten (es gibt eine ausdrückliche Nicht- Bestehens-Möglichkeit). Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 165 <?page no="166"?> d. es existiert ein „Fachtypus“: ein festgelegter Umfang professioneller Leistungen, die von einem Geprüften erwartet werden können, e. es gibt ein System von hierarchisch aufeinander aufbauenden Prüfungen, die sukzessiv oder wechselseitig Voraussetzung füreinander sind. (Müller-Benedict 2008, 31) So sollte mit einer solchen Staatsprüfung auch „dem Mißbrauch der Patronats‐ rechte bei der Anstellung von Gymnasiallehrern [entgegengewirkt werden].“ (Führ 1992, 425). Von der wissenschaftlichen Staatsprüfung waren lediglich Inhaber eines von einer preußischen Universität verliehenen Magister- oder Doktorgrads befreit - diese mussten nur die Probelektion bestehen (vgl. z. B. Führ 1992, 425) -, ansonsten galt sie nunmehr als generelle Einstellungsvoraussetzung für das Lehramt an staatlichen Gymnasien (z. B. Bölling 1983, 20). Es gab noch keine Fächerverbindungen im heutigen Sinne, alle Kandidaten mussten (klassisch) philologische, historische und mathematische Kenntnisse schriftlich und münd‐ lich nachweisen und eine Lehrprobe vor einer Kommission abhalten (z. B. Bölling 1983, 20). Das Studium der Altertumswissenschaften konnte dabei implizit als „umfassende Bildungswissenschaft“ (Mandel 1989, 43) verstanden werden. Die Mindeststudiendauer betrug sechs Semester (Bölling 1983, 26), die philosophische Fakultät der 1809/ 1810 neu gegründeten Berliner Universität wurde mit der spezifischen Aufgabe betraut, „den Philologennachwuchs auszubilden“ (Führ 1992, 424) (in Abgrenzung zur nicht-wissenschaftlichen, praktischen, zweibis dreijährigen Ausbildung der Volksschullehrer an einem Lehrerseminar, wie sie in den 1820er und 1830er Jahren flächendeckend eingeführt wurde, vgl. z.-B. Herr‐ litz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 41: Das Seminar gehörte dem Bereich des niederen Schulwesens an, nur durch die Seminarlehrer und Seminardirektoren sowie die Seminaraufsicht war es mit dem höheren Bildungswesen verbunden, vgl. z. B. Tenorth 1987, 253). Die Prüfungs-Anforderungen vor allem in den alten Sprachen galten als sehr hoch (über die rein philologische Prüfung hinaus wurde beispiels‐ weise ein Aufsatz zu mathematischen Themen in lateinischer Sprache gefordert), so dass von 39 zwischen 1810 und 1815 geprüften Kandidaten (also etwa sieben pro Jahr) über die Jahre hinweg insgesamt nur sieben als „unbeschränkt tauglich“ bestehen konnten (Bölling 1983, 20 f., zur Entwicklung der Bestehensquoten, der Noten wie auch zum Verbleib zwischen der späteren ersten und zweiten Staatsprüfung im höheren Lehramt insgesamt vgl. die Datenreihen in Müller- Benedict 2008, 36-39). Das Zeugnis wurde auf drei Stufen verliehen, und zwar mit folgender Unterscheidung: Oberlehrer - beschränkter Oberlehrer - Unterlehrer (im Ausnahmefall sogar „beschränkter Unterlehrer“) (Führ 1992, 425). Folglich konnten nicht - wie ursprünglich geplant - alle der insgesamt aus heutiger Perspektive wenigen Stellen (s.-u., Kap. 3.1) mit qualifiziert geprüften Kandidaten 166 Daniel Reimann <?page no="167"?> besetzt werden; mitunter wurden Kandidaten mit der Auflage eingestellt, die Prüfung nachzuholen bzw. zu wiederholen (z. B. Bölling 1983, 21). Darüber hinaus waren etwa bis zur Jahrhundertmitte nach wie vor Theologen unter den Lehrkräften in der Überzahl (z. B. Bölling 1983, 21). Insgesamt wertet Christoph Führ daher die landläufige Interpretation des Jahres 1810 als „Wendepunkt“ in der Geschichte der Gymnasiallehrerbildung, u.-a. in Anlehnung an Jeismann, als „überpointiert“. Er konstatiert: Schloß doch schon die ältere Ausbildungsform im Rahmen der theologischen Fakultät Philologie mit ein. Auch blieben die theologischen Fakultäten nach 1810, wie sich aus zahlreichen Lebensläufen ergibt, teilweise weiterhin Stätte der Gymnasiallehrer‐ bildung. (Führ 1992, 425) Zudem konnte oben gezeigt werden (vgl. Kap. 2.1.1), dass sich die Notwendigkeit einer eigenständigen Gymnasiallehrerbildung bereits seit dem 18. Jahrhundert anbahnte und entsprechende Maßnahmen bereits vor 1810 allmählich in die Wege geleitet worden waren. 2.1.3 Spezifizierungen des Jahres 1824, die Prüfungsordnung von 1831 und ergänzende Verfügungen zu Französisch/ Englisch von 1838/ 1854 Die Prüfungsordnungen wurden in der Folge in Zusammenarbeit von Mi‐ nisterium, Universität und Schule weiterentwickelt, konkret wurden die Prü‐ fungskommissionen und die Schuldirektoren in die Ausgestaltung einbezogen (Führ 1992, 426). Dabei können vereinfachend folgende Entwicklungen nachge‐ zeichnet werden: In einer Spezifizierung aus dem Jahr 1824 wurde die Prüfungs‐ kommission angewiesen, Fächer einer allgemeinen Bildung wie Philosophie - besonders Logik und Metaphysik, Psychologie und Geschichte der Philosophie -, Geschichte und Theologie (stärker) zu berücksichtigen (Bölling 1983, 21, Führ 1992, 427 f.), mit einer neuen Prüfungsordnung aus dem Jahr 1831 wurde zum ersten Mal formal das Abitur als Zulassungsvoraussetzung gefordert, verpflichtende Zulassungsvoraussetzung zur Prüfung war darüber hinaus nach wie vor das Absolvieren eines dreijährigen Studiums (Führ 1992, 427). Weiterhin wurde einerseits der allgemeinbildende Aspekt bzw. eine grundlegende Fach‐ kompetenz in allen Unterrichtsfächern des Gymnasiums erstmals formalisiert festgelegt, andererseits auch erstmals eine gewisse fachliche Schwerpunktbil‐ dung ermöglicht (die vorsichtige Formulierung „gewisse Schwerpunktbildung“ findet sich auch bei Mandel 1989, 40). Grundsätzlich musste ein Lehramtskan‐ didat nach wie vor in allen „vorgeschriebenen Haupt-Lehrgegenständen“ des Gymnasiums (§ 5, vgl. z. B. Mandel 1989, 40) fachlich ausgewiesen sein. Es finden sich aber im untersuchten Korpus auch Personalunterlagen aus der fraglichen Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 167 <?page no="168"?> 1 Bis in die 1890er Jahre war der Geschichtsunterricht in den beiden Klassen der Prima an den Gymnasien in Preußen der Antike gewidmet, vgl. z.-B. Geißler 2011, 277f. Zeit, die z. B. drei Fächer als Pürfungsfächer explizit benennen (s. u. den Beitrag Reimann zu Fächerverbindungen mit Französisch). Es muss weiterführenden Studien vorbehalten bleiben, diesen vordergründigen Widerspruch ggf. aufzu‐ klären. Innerhalb der Prüfungsordnung selbst wurden folgende Fächergruppen und Prüfungsgegenstände ausgewiesen, namentlich • Sprachen: Deutsch, Griechisch, Latein, Französisch, Hebräisch, • Wissenschaften: Mathematik, Physik, Naturgeschichte, • Geschichte und Geographie (mit Schwerpunkt auf Altertumskunde, Mytho‐ logie, Geschichte und Literaturgeschichte der Griechen und Römer) 1 • Philosophie und Pädagogik; Theologie. (vgl. auch Wiese 1864, 548) Die Bedeutung des Französischen in jener Zeit wird dadurch ersichtlich, dass eine Zusatzbestimmung von jedem Lehramtskandidaten gewisse Französisch‐ kenntnisse verlangte: Im Französischen ist von einem Jeden, wenn er auch nicht in dieser Sprache unter‐ richten will, Kenntniß der Grammatik und die Fertigkeit zu verlangen, einen Dichter oder Prosaisten mit Geläufigkeit zu übersetzen. (Wiese 1864, 548) In die Zeit dieser Prüfungsordnung fallen auch die Einführung des königlich gestifteten Französischen Reisestipendiums und der Französischen Stipendia‐ tenstellen am Französischen Gymnasium Berlin (1838), was die Bedeutung, die dem Französischen seinerzeit zugemessen wurde, ebenfalls unterstreicht (zu diesen beiden Einrichtungen vgl. Wiese 1864, 534 f., und unten Kap. 2.3 zu Probe- und Seminarjahr). Die Einführung des neuphilologischen Lehramts in der Prüfungsordnung von 1866 (s. u.) zeichnete sich in der Zwischenzeit insofern ab, als in einer ergänzenden Verfügung zur Prüfungsordnung von 1831 in den Jahren 1838 und 1854 festgelegt wurde, dass man sich ausnahmsweise auch für eine facultas docendi in der Fächerverbindung Französisch/ Englisch prüfen lassen konnte, allerdings nur unter der Voraussetzung gesicherter und im Grunde für die II. Stufe (Mittelstufe) berechtigender Kenntnisse insbesondere in Latein, Geschichte, Geographie und Philosophie: Ausnahmsweise werden auch Candidaten zur Prüfung zugelassen, welche ausschließ‐ lich eine facultas docendi im Französischen und Englischen erwerben wollen. Von denselben ist jedoch zu fordern, „daß sie außer der gründlichen und genauen Kenntniß der Sprache und Literatur, für welche sie sich speciell prüfen lassen, so viel allge‐ meine Bildung und namentlich so viel lateinische, historische, geographische und 168 Daniel Reimann <?page no="169"?> philosophische Kenntnisse besitzen, als die Lehrer für die mittleren Classen eines Gymnasiums nachweisen müssen.“ (Wiese 1864, 551) Zwischen 1838 und 1841 (und dann wieder ab 1853/ 1866) stellten auch „Theo‐ logie und Hebräisch“ eine eigene Fächergruppe dar (Wiese 1864, 550, Führ 1992, 428). Kandidaten mussten in wenigstens einer der drei Fächergruppen im en‐ geren Sinn - Deutsch und die beiden alten Sprachen, Mathematik und Naturwis‐ senschaften, Geschichte und Geographie - „bei gehöriger Vorbereitung“ für den Unterricht in der Prima (Abiturklasse) geeignet erscheinen und darüber hinaus ausreichende Kenntnisse in allen anderen Schulfächern nachweisen können („unbedingte facultas“, z. B. Bölling 1983, 21 f., Mandel 1989, 41, Müller-Benedict 2008, 189). Wer im gewählten fachlichen Schwerpunkt nur für die Unter- und Mittelstufe geeignet schien oder wer zwar im gewählten Schwerpunkt für die Oberstufe geeignet schien, in den übrigen Fächern nur unzureichende Kenntnisse aufwies, konnte eine eingeschränkte Fakultas verbunden mit der Auflage, die Kenntnisse bis zur endgültigen Anstellung nachzuweisen, erhalten (z. B. Bölling 1983, 22. Führ 1992, 428). Darüber hinaus gab es eine auf den Unterricht in Unter- und Mittelstufe beschränkte Fakultas („bedingte facultas“ - nach wie vor auch auf der Grundlage eines Theologiestudiums mit zusätzlicher Prüfung zu erwerben, Führ 1992, 428, Müller-Benedict 2008, 189). Innerhalb dieser Prüfungsordnung wurden ferner drei weitere Kategorien von Prüfungen eingeführt bzw. aufgegriffen: „pro loco“ für eine einzelne zu besetzende Stelle, „pro ascensione“ für den Erwerb einer unbedingten Fakultas und „pro rectoratu“ als Kolloquium mit dem Ziel der Qualifikation für eine Direktorenstelle (Wiese 1864, 549, Müller-Benedict 2008, 189). Bis etwa 1860 legten nunmehr etwa 100 Kandidaten pro Jahr die Prüfung ab; darunter war der Anteil derer, die das Schwerpunktgebiet „Alte Sprachen und Deutsch“ wählten, am höchsten (38 % zwischen 1839 und 1863) (Bölling 1983, 22). Noch Mitte des Jahrhunderts galt an den Gymnasien das Dictum „mathematicus non est collega“ (Bölling 1983, 22). Auswirkungen der Einführung des Staatsexamens machten sich natürlich erst etwas zeitversetzt etwa ab den 1830er/ 1840er Jahren deutlich bemerkbar (Tenorth 1987, 252). Dennoch zeichnete sich offensichtlich insgesamt noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine spürbare Professionalisierung ab, wie sich z. B. in folgender zeitgenössischer Quelle schon aus den späten 1830er Jahren zeigt, einer Stellungnahme von August Spilleke, des damaligen Direktors des Berliner Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums: Übersieht man die Geschichte des Schulwesens in den letzten 30 bis 40 Jahren, so findet man, daß sich seitdem erst ein eigentlicher Gymnasiallehrerstand gebildet hat, Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 169 <?page no="170"?> der sich weit über den früheren erhebt […] Denn wenn es früher auch an einer oder der anderen Schule Männer gab, welche durch vielseitige Kenntnisse sich auszeichneten, so waren dies doch immer nur einzelne Lichtpunkte […] Ganz anders verhält es sich jetzt. Die Stellen an den Gymnasien sind dem größten Teile nach mit Männern von ausgezeichneten Kenntnissen besetzt; nicht wenige unter ihnen gibt es, welche geschickt sind, den akademischen Lehrstuhl zu besteigen; und gewiß würde der unter seinen Kollegen eine geringe Achtung genießen, der nicht unablässig bemüht wäre, seine Kenntnisse zu vermehren und tiefer zu begründen. (zit. in Bölling 1983, 21) 2.1.4 Die Prüfungsordnung von 1866 Etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts führten gesellschaftliche Entwicklungen im Kontext der Industrialisierung nicht nur zu einer erhöhten Nachfrage nach den so genannten „realistischen Anstalten“, sondern auch nach einer erhöhten Zahl an höheren Schulen insgesamt, was wiederum einen erhöhten Lehrerbedarf zur Folge hatte. Dieser Bedarf konnte unter Beibehaltung der noch immer hohen Prüfungsanforderungen nicht bedient werden, so dass 1866 eine neue Prüfungsordnung verfasst wurde (Bölling 1983, 22, einführend z. B. auch Mandel 1989, 41 f.). Das Abitur war verpflichtende Zulassungsvoraussetzung (Führ 1992, 427). Bezogen auf die Tatsache, dass bis 1870 (s. u.) ausschließlich das Abitur eines Gymnasiums den Zugang zum Studium des höheren Lehramts ermöglichte, formuliert Volker Müller-Benedict prägnant: „Dadurch verzahnten sich die gymnasiale Bildung und universitäre Ausbildung der Gymnasiallehrer zu einem in sich geschlossenen System der höheren Schule.“ (Müller-Benedict 2008, 188). In der Lehramtsprüfung selbst wurde der allgemeinbildende Anteil noch einmal gestärkt, Prüfungsfächer in diesem Gebiet sollten Religion der jeweiligen Konfession, Geschichte, Geographie, Philosophie und Pädagogik sowie Sprachen sein (Bölling 1983, 23), wobei die Prüfungskommission auf der Grundlage eines „vorzügliche[n] Abiturientenzeugnis[ses]“ auf Prüfungen in den genannten Fächern, außer in der Pädagogik, verzichten konnte (Centralblatt 1867, 16). Pädagogik musste also im allgemeinen Teil auf jeden Fall geprüft werden. Unter den Sprachen wurde im Bereich der „allgemeinen Bildung“ von den Nicht-Philologen insbesondere Latein verlangt („Diejenigen Candidaten, welche keinen philologischen Unterricht ertheilen wollen, müssen doch einen leichteren lateinischen Text zu übersetzen, und besonders auch über die Bedeu‐ tung der griechischen und lateinischen Terminologie ihres wissenschaftlichen Fachs Rechenschaft zu geben im Stande sein.“, Centralblatt 1867, 24), ebenso aber auch Französisch (nicht aber Englisch): „Auch wer nicht in den neueren Spra‐ chen unterrichten will, muß doch einen leichteren französischen Schriftsteller 170 Daniel Reimann <?page no="171"?> zu übersetzen im Stande sein.“ (Centralblatt 1867, 25). Für die Neuphilologen wiederum galten auch im Kontext der allgemeinen Bildung besondere Anforde‐ rungen im Lateinischen: „Die Erforschung der allgemeinen Vorbildung (s. §. 10) ist bei den künftigen Lehrern der neueren Sprachen insbesondere auch darauf zu richten, ob sie eine hinlängliche Kenntnis der lateinischen Grammatik besitzen.“ (Centralblatt 1867, 25). Es wurden nunmehr drei Zeugnisgrade unterschieden und Zeugnisse ersten, zweiten und dritten Grades verliehen. Die Zuweisung eines Zeugnisgrades leitete sich aus Fächerverbindung und/ oder Intensität und Grad der Vertiefung her und implizierte schulische Entwicklungs- und Aufstiegschancen (s.-u. konkret zum Französischen). Als Unterrichtsfächer bzw. Fächergruppen im engeren Sinn konnten nun‐ mehr folgende vier Bereiche gewählt werden: • das philologisch-historische Fach • das mathematisch-naturwissenschaftliche Fach • Religion und Hebräisch • neuere Sprachen. (Führ 1992, 428) Ausgehend von diesen Fächergruppen waren Fächerverbindungen mit drei bis vier (teilweise fünf) Fächern vorgesehen. Für das Fach Französisch ergaben sich daraus konkret folgende Kombinationsmöglichkeiten: Für ein Zeugnis ersten Grades: 1. Mathematik/ Physik (bis einschließlich Oberstufe)/ Französisch (bis einschließlich Mittelstufe) 2. Chemie/ beschreibende Naturwissenschaften (bis einschließlich Oberstufe)/ Fran‐ zösisch (bis einschließlich Mittelstufe) 3. Religion/ Hebräisch/ Französisch (bis einschließlich Oberstufe) 4. Französisch/ Englisch (bis einschließlich Oberstufe)/ Latein/ Griechisch (bis ein‐ schließlich Mittelstufe) 5. Französisch/ Englisch (bis einschließlich Oberstufe)/ Latein/ Deutsch (bis ein‐ schließlich Mittelstufe) 6. Französisch/ Englisch (bis einschließlich Oberstufe)/ Religion (bis einschließlich Mittelstufe) 7. Französisch/ Englisch (bis einschließlich Oberstufe)/ Geschichte/ Erdkunde (bis einschließlich Mittelstufe) 8. Französisch/ Englisch (bis einschließlich Oberstufe)/ Mathematik/ beschreibende Naturwissenschaften (bis einschließlich Mittelstufe) Für ein Zeugnis zweiten Grades: Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 171 <?page no="172"?> 9. Religion/ Französisch (bis einschließlich Mittelstufe) 10. Französisch/ Englisch/ Latein/ Deutsch (bis einschließlich Mittelstufe) 11. Französisch/ Englisch/ Deutsch/ Geschichte/ Erdkunde (bis einschließlich Mittel‐ stufe) 12. Französisch/ Englisch/ Mathematik/ beschreibende Naturwissenschaften (bis ein‐ schließlich Mittelstufe) 13. Französisch als „Erweiterungsfach“ für die Unterstufe zu einer beliebigen Fächer‐ verbindung der Zeugnisse zweiten Grades. (Centralblatt 1867, 20 f.) Zusätzlich gab es die Möglichkeit, sich ausschließlich als „besondere Fachlehrer“ für Französisch oder für die beiden neueren Sprachen zu qualifizieren, was aber eine Einstellung als regulärer Gymnasiallehrer und einen Aufstieg inner‐ halb des Kollegiums („Ascension“) ausschloss. Dies wurde auch durch den niedrigeren Grad des ausgestellten Zeugnisses, selbst bei einer fachbezogenen Lehrbefähigung bis zur Oberstufe, angezeigt. Folgende Optionen standen in Verbindung mit Französisch zur Wahl: Französisch/ Englisch bis einschließlich der Oberstufe: Zeugnis zweiten Grades, nur Französisch bis einschließlich der Oberstufe: Zeugnis dritten Grades, Französisch/ Englisch bis einschließlich der Mittelstufe: Zeugnis dritten Grades (Centralblatt 1867, 25). Eine Erleichterung stellte also die Tatsache dar, dass die Lehrbefähigung in den einzelnen Unterrichtsfächern auch nur auf einzelne Schulstufen beschränkt werden konnte: Man konnte die Lehrbefähigung für alle Stufen (in den Personal‐ akten tritt dann mitunter der Vermerk auf: „I. Stufe“), für Unter- und Mittelstufe (bis Untersekunda, „II. Stufe“) oder nur für die Unterstufe erwerben („III. Stufe“) (Bölling 1983, 23) - teilweise geht aus den Personalunterlagen hervor, dass in der Praxis noch feinere Differenzierungen vorgenommen werden konnten, etwa bis zur Obersekunda/ (Ober-) Tertia usw. (z. B. die Datensätze M40, M44, A47 im untersuchten Korpus). Ein Zeugnis ersten Grades war Voraussetzung für die spätere Berufung auf eine Oberlehrerstelle (Centralblatt 1867, 22), ein Zeugnis dritten Grades (nur für die Unterstufe) wurde verliehen, wenn zwar die fachwissenschaftlichen Kenntnisse für ein Zeugnis zweiten Grades (Mittelstufe) ausreichend waren, aber die allgemeinbildenden Kenntnisse unzureichend, oder umgekehrt (Centralblatt 1867, 21). Diese Möglichkeiten der Differenzierung scheinen in der Tat von vielen Kandidaten wahrgenommen bzw. von den Prüfungskommissionen bedarfsadäquat umgesetzt worden zu sein: Bölling referiert Zahlen, nach denen sich zwischen 1869 und 1873 beinahe ein Drittel der verliehenen Lehrbefähigungen auf die Unterstufe beschränkte und 65 % der Lehrbefähigungen die Mittelstufe betrafen, während nur etwa 5 % der Kandidaten die Lehrbefähigung bis zur Oberstufe erhielt (Bölling 1983, 23). Eine weitere Maßnahme zur Erhöhung der Zahl der Lehramtsabsolventen war 172 Daniel Reimann <?page no="173"?> 1870 die Öffnung der Lehramtsstudien für Mathematik, Naturwissenschaften und neuere Sprachen auch für Absolventen der Realschulen erster Ordnung (Realgymnasien) (während bis dahin nur die Absolventen der (humanistischen) Gymnasien Zugang zum Lehramtsstudium hatten) (z. B. Bölling 1983, 23, Führ 1992, 427, Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 68); erst im Jahr 1900 wurde eine Gleichwertigkeit der Abschlusszeugnisse von Gymnasium, Realgymnasium und Oberrealschule herbeigeführt, vgl. z. B. Führ 1992, 427). Insgesamt konnte die Durchfallquote nach 1860 auf etwa 10 % gesenkt werden (Bölling 1983, 23). Auch der spürbare Ausbau der (zu beträchtlichen Teilen lehrerbildenden) philosophischen Fakultäten bis ca. 1880 kann als „ein Indiz für den verstärkten Eigenausbau des höheren Bildungssystems“ gewertet werden (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 68). 2.1.5 Die Prüfungsordnung von 1887 In der Folge kam es zu einer „Überfüllung“ des höheren Lehramts und einer massiven Verschlechterung der Einstellungschancen. In diesem Zusammenhang wurden die Prüfungsanforderungen in einer neuen Prüfungsordnung von 1887 wieder erhöht, u. a. wurde die Lehrbefähigung, die sich ausschließlich auf die Unterstufe bezog, als eines Gymnasiums bzw. einer höheren Schule unwürdig wieder abgeschafft (z. B. Bölling 1983, 23, Führ 1992, 429). Um das Zeugnis ersten Grades oder „Oberlehrer-Zeugnis“ (Mandel 1989, 42) zu erhalten, das nunmehr zugleich Einstellungsvoraussetzung für die Position als „Oberlehrer“ war (s. u., Kap. 3.3), musste in zwei so genannten „Hauptfächern“ (bezogen auf das Individuum des Lehrers, nicht auf die Stundentafel der Schüler) die Lehrbefähigung bis zum Abitur, in zwei so genannten „Nebenfächern“ (s. o.) die Lehrbefähigung bis zur Mittelstufe erworben werden; alternativ bestand die Möglichkeit, die Lehrbefähigung in drei „Hauptfächern“ bis einschließlich der Oberstufe zu erwerben (Centralblatt 1887, 186, vgl. z. B. Führ 1992, 429). Für ein einfaches „Lehrerzeugnis“ war es ausreichend, die Lehrbefähigung in drei Fächern für die Mittelstufe, in einem vierten Fach für die Unterstufe zuerkannt zu bekommen (Centralblatt 1887, 186, vgl. z. B. Mandel 1989, 42, Führ 1992, 429). Es gab die beiden Fachgebiete „sprachlich-geschichtlich“ und „mathematischnaturwissenschaftlich“; daneben trat die Fächerverbindung Religion/ Hebräisch, die um ein weiteres Fach des sprachlich-historischen Bereichs für die Oberstufe oder um zwei Fächer des sprachlich-historischen Bereichs für die Mittelstufe erweitert werden musste (Centralblatt 1887, 187, vgl. Müller-Benedict 2008, 189). Zu den sprachlich-geschichtlichen Fächern zählten laut Prüfungsordnung: Deutsch, Latein, Griechisch, Französisch, Englisch, Geschichte (Centralblatt 1887, 186). Für die Wahl der vier Fächer galt dann folgende Kombinationsregel: Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 173 <?page no="174"?> Beide Hauptfächer und mindestens eines der Nebenfächer musste demselben Fachgebiet angehören (Bölling 1983, 23). Daraus ergaben sich für das Fach Französisch u. a. folgende Kombinationsmöglichkeiten als Hauptfach (vgl. Centralblatt 1887, 186 f.): Deutsch/ Französisch Latein/ Französisch Griechisch/ Französisch Englisch/ Französisch Französisch/ Geschichte Religion/ Hebräisch/ Französisch. (für ein Oberlehrerzeugnis, Centralblatt 1887, 187) Darüber hinaus konnte Französisch als drittes oder viertes Unterrichtsfach z. B. zu einer „grundständigen“ Fächerverbindung wie Latein/ Griechisch, zu Latein/ Deutsch/ Geschichte, aber auch zu einer aus drei naturwissenschaftli‐ chen Fächern bestehenden Fächerverbindung wie beispielsweise Mathematik, Physik, Chemie und Mineralogie usw. treten. Weiterhin unterlag Französisch nunmehr einer aus der Historie der Philologie herzuleitenden gewichtigen Ein‐ schränkung: Französisch musste auf jeden Fall mit Latein kombiniert werden, wenn auch verpflichtend nur mit der Lehrbefähigung für Latein in der Unter‐ stufe. In der Prüfungsordnung von 1887 liest man: Die Freiheit der Wahl der zu einer Kombination von zwei Hauptfächern hinzuzunehm‐ enden zwei Nebenfächer ist durch folgende zwei Bestimmungen beschränkt: Erstens. Mit der Lehrbefähigung Lateinisch 1 [bis einschließlich der Oberstufe] ist nothwendig zu verbinden Griechisch 2 [bis einschließlich der Mittelstufe], mit Griechisch 1 Lateinisch 2, mit Mathematik 1 Physik 2; mit jeder Stufe der Lehrbefähigung im Französischen oder Englischen ist Lateinisch 3, mit jeder Stufe der Lehrbefähi‐ gung in der Geschichte ist Geographie 3 zu verbinden. (Centralblatt 1887, 187, Herv. d. Verf.). Mit der Prüfungsordnung von 1887 wurde die fachliche Spezialisierung des höheren Lehramts spürbar vorangetrieben, was wiederum ein Spiegel der Ausdifferenzierung und Entwicklung der den Schulfächern zugrunde liegenden Wissenschaften im 19. Jahrhundert war. Bölling formuliert prägnant: „[dies] trug der fortschreitenden fachlichen Spezialisierung Rechnung, die sich an den Universitäten schon machtvoll durchgesetzt hatte“ (Bölling 1983, 23). Zugleich wurde von der Prüfung der allgemeinen Bildung im früheren Sinn abgesehen; dennoch wurden alle Kandidaten in Philosophie und Pädagogik, deutscher Sprache und Literatur sowie Religion (bei Konfessionszugehörigkeit) geprüft (z.-B. Bölling 1983, 23, Mandel 1989, 42, Führ 1992, 429). 174 Daniel Reimann <?page no="175"?> 2.1.6 Die Prüfungsordnung von 1897 und ihre Revisionen von 1901 und 1906 Diese Prüfungsordnung und in der Folge das auf die entsprechenden Prüfungen vorbereitende Lehramtsstudium galt manchen folglich als „zu spezialisiert“, „zu wissenschaftlich“ und zu wenig an den Bedürfnissen der Praxis ausgerichtet (dem hielten Vertreter der Wissenschaft wie etwa Wilamowitz-Moellendorff entgegen, dass die Universität ja nicht die alleinige Aufgabe der Lehrerbil‐ dung habe, vgl. z. B. Bölling 1983, 24 f.), folglich sah sich das Ministerium verpflichtet, schon 1898 eine neue Prüfungsordnung zu veröffentlichen. Hier wurde einerseits wieder eine allgemeinbildende Prüfung (weiterhin unter Bezug auf die zuvor genannten Fächer, namentlich Philosophie, Pädagogik, deutsche Literatur, Religion) eingeführt, andererseits explizit gefordert, „daß „sowohl in der Allgemeinen als in der Fachprüfung […] dem Unterrichtsbedürfnisse der höheren Schulen Rechnung zu tragen“ sei“ (Bölling 1983, 25). Der Vorsitzende der Prüfungskommission musste nunmehr dem Schuldienst entstammen. Die Lehrbefähigung in einzelnen Fächern war jetzt wie folgt gestuft: Es gab eine Qualifikation bis einschließlich der Oberstufe (I. Stufe) und eine Qualifikation bis einschließlich der Mittelstufe (II. Stufe) ( Jantzen 1909, 166 f., vgl. z. B. Führ 1992, 429). Jeder musste die Prüfung in mindestens drei Fächern ablegen und dabei in wenigstens einem von drei Fächern die volle Lehrbefähigung bis einschließlich der Oberstufe bestehen, für ein besseres Zeugnis als „genügend“ sogar in zwei der drei Fächer ( Jantzen 1909, 179). Die Unterscheidung in Lehrer- und Oberlehrerzeugnis wurde in diesem Zuge aufgegeben (stattdessen wurden die drei Prädikate „mit Auszeichnung bestanden“, „gut bestanden“, „genügend bestanden“ eingeführt, z. B. Mandel 1989, 43, Führ 1992, 430). Damit wurde erst‐ mals eine „einheitliche Lehrbefähigung“ (Bölling 1983, 25) für alle Kandidaten vorgeschrieben, was für die von den Philologen angestrebte besoldungsmäßige Gleichstellung mit den Juristen bzw. dem höheren Justizdienst, für die bzw. den es ebenfalls nur einen für alle Kandidaten einheitlichen Qualifikationsnachweis gab, eine Grundvoraussetzung darzustellen schien (Bölling 1983, 25, s. u. Kap. 3.4). Den Kandidaten standen 15 Unterrichtsfächer zur Wahl; dabei wurden erstmals fest stehende Fächerkombinationen vorgeschrieben, die ihm Rahmen der oben beschriebenen Drei-Fach-Fächerverbindung enthalten sein mussten, z. B. Latein/ Griechisch, Religion/ Hebräisch (oder Griechisch oder Deutsch). Als solche „Fächerverbindung“ gab es in der Prüfungsordnung von 1898 um Fran‐ zösisch nur die Kombinationen Französisch/ Englisch und Französisch/ Deutsch, seit einer Revision von 1906 auch die Verbindung Französisch/ Latein (z. B. Centralblatt 1898, 692, 707 f., Jantzen 1909, 165, 179, vgl. z. B. Führ 1992, Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 175 <?page no="176"?> 429); dies schloss aber nicht aus, dass die Lehrbefähigung für Französisch bis zur I. Stufe nicht auch in Verbindung etwa mit Latein/ Griechisch oder Geschichte/ Erdkunde erworben und dabei eines oder zwei der genannten Fächer nur bis zur Lehrbefähigung für die II. Stufe vertieft wurde. In inhaltlicher Hinsicht wurden für angehende Französischlehrer nach wie vor explizit auch Anforderungen im Lateinischen gestellt, zunächst aber vor allem auf Kandidaten für die I. Stufe beschränkt - im Vergleich zur Prüfungs‐ ordnung von 1887 also deutlich reduziert. In „§ 17 Französisch“ heißt es 1898 bezogen auf die I. Stufe: […] übersichtliche Kenntnis der geschichtlichen Entwickelung der Sprache seit ihrem Hervorgehen aus dem Lateinischen, für welches Kenntnis der Elementargrammatik nachzuweisen ist nebst der Fähigkeit, einfache Schulschriftsteller, wie Caesar, wenigs‐ tens in leichteren Stellen richtig aufzufassen und zu übersetzen; […] (Centralblatt 1898, 698) Erst mit einer Revision der Prüfungsordnung in einer Verfügung aus dem Jahr 1901 werden die Anforderungen im Lateinischen an künftige Französischlehrer wieder insofern gesteigert, als der betreffende Einschub als Vorsatz an den Beginn des Paragraphen gestellt wird und somit auch auf Kandidaten zutrifft, die eine Lehrbefähigung nur für die II. Stufe anstreben: § 17 Französisch. Von den Kandidaten, welche die Lehrbefähigung im Französischen nachweisen wollen ist zu fordern, daß sie Kenntnis der lateinischen Elementargram‐ matik nachweisen nebst der Fähigkeit, einfache Schulschriftsteller, wie Cäsar, wenigs‐ tens in leichteren Stellen, richtig aufzufassen und zu übersetzen; sodann a) für die zweite Stufe: […] b) für die erste Stufe: […] übersichtliche Kenntnis der geschichtlichen Entwickelung der Sprache seit ihrem Hervorgehen aus dem Lateinischen; […] (Beier 1909, 524 f.) Die um die Jahrhundertwende sehr günstigen Einstellungschancen bei gleichzei‐ tigem weiteren Ausbau des höheren Schulwesens führten letztlich erneut zu einer „Kandidatenschwemme“ (Bölling 1983, 25), aufgrund derer - nicht nur aufgrund der Anforderungen der Prüfungsordnung von 1898 - die bis dahin niedrigen Durchfallquoten von unter 10 % innerhalb eines Jahres auf 20 % und bis zum Ersten Weltkrieg auf etwa 40 % anstiegen (Bölling 1983, 25; Müller-Benedict 2008, 190, referiert folgende Zahlen: 5-% im Jahr 1898, 29-% im Jahr 1900). Seit den 1890er Jahren wurde die Bedeutung der Sprechfertigkeit für die Lehr‐ kräfte der neueren Sprachen zunehmend erkannt. Diese war in den Lehrplänen für die höheren Schulen des Jahres aus dem Jahr 1892 spürbar aufgewertet worden. So kommt es zwischen den Prüfungsordnungen von 1887 und 1898 176 Daniel Reimann <?page no="177"?> - in Analogie zu bereits bestehenden archäologischen (für die Altphilologen) und naturwissenschaftlichen Ferienkursen - zur Einführung so genannter „Neusprachliche[r] Ferienkurse“ in Berlin ab dem Jahreswechsel 1894/ 1895 (28. Dezember bis 09. Januar, im Gebäude der Universität) (Beier 1909, 1102 f.). 2.1.7 Die Prüfungsordnung von 1917 Die sechste und letzte für die vorliegende Untersuchung relevante Prüfungsord‐ nung wurde 1917 erlassen und blieb bis 1940 gültig. Zum Bestehen der Prüfung war nunmehr der Nachweis der Lehrbefähigung in zwei Fächern bis einschließ‐ lich der Oberstufe und in einem Nebenfach bis einschließlich der Mittelstufe vorgesehen; dabei war die Wahl bzw. die Kombination der Fächer „erstmalig und einmalig“ vollkommen frei (Mandel 1989, 60). Die Mindeststudiendauer wurde erstmals seit 1810 erhöht und betrug nunmehr acht Semester (Bölling 1983, 26). Allerdings „[lag] die durchschnittliche Studiendauer der preußischen Philologen […] einschließlich der damals noch verbreiteten Promotion schon bei zwölf Semestern“ (Bölling 1983, 26). Die Pädagogik wurde in verschiedener Hinsicht aufgewertet: Ab 1897 waren Lehrstühle für Pädagogik an den preußischen Universitäten eingerichtet worden und es war nach der neuen Prüfungsordnung von 1917 möglich, Pädagogik als Nebenfach zu studieren (zur Problematik des geringen Ansehens der Pädagogik im vorausgegangenen 19. Jahrhundert vgl. z. B. Jäger/ Tenorth 1987, z.-B. 92, 96 („Der Pädagogik fehlt im 19.-Jahrhundert die theoretische wie gesellschaftliche Dignität.“), 96 f. weiterhin interessante Analysen zur Struktur des pädagogischen Wissens). Erstmals gab es nunmehr auch eine zweite, pädagogische Staatsprüfung. Dafür wurde die Teilprüfung im Fach Pädagogik für alle Kandidaten im ersten Staatsexamen abgeschafft (Bölling 1983, 26). Auch insgesamt wurde die allgemeine Prüfung mit der Prüfungsordnung von 1917 abgeschafft, erhalten blieb lediglich eine Prüfung für alle Lehramtskandidaten in Philosophie (Führ 1992, 430, Müller-Benedict 2008, 191). Die gesamte Entwicklung der Prüfungsordnungen im 19. und frühen 20. Jahr‐ hundert kann resümierend mit Christoph Führ wie folgt umrissen werden: Deutlich wurde die fortschreitende Spezialisierung, die Auffächerung der Lehrämter und die allmähliche Reduktion der allgemeinen Prüfung. […] Zwischen 1810 und 1887 gab es drei wissenschaftliche Standards beim höheren Lehramt [sc. die Zeugnisgrade], nach 1887 zwei, seit 1898 nur noch einen einheitlich-gleichwertigen Abschluß der Lehramtsprüfung. (Führ 1992, 430) Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 177 <?page no="178"?> 2.1.8 Die Prüfungen für Lehrerinnen und Oberlehrerinnen seit 1874, 1894 und 1900 und für Sprachlehrerinnen ab 1887 Für angehende Lehrerinnen galt seit 1874 die Bestimmung, dass diejenigen, die in den mittleren und höheren Klassen der Mädchenschulen unterrichten wollten, im Rahmen einer „Lehrerinnenprüfung“ neben Rechnen, Geographie, Naturbeschrei‐ bung, Naturlehre, Pädagogik, Gesang, Turnen und „weiblichen Handarbeiten“ vertiefter im Deutschen, Französischen, Englischen und in der Geschichte zu prüfen waren (Jantzen 1909, 133 ff.). Die Lehrerinnenprüfung als solche wurde etwa im Alter von 18 Jahren an Bildungsanstalten für Lehrerinnen abgelegt, die an größeren Schulstandorten den höheren Mädchenschulen angegliedert waren (vgl. z. B. Küpper 1987, 189). Die soziale Funktion der Lehrerinnenbildung und des Lehrberufs für Frauen zunächst an Volksschulen, später auch an den höheren Mädchenschulen, beschreibt Erika Küpper wie folgt: „Für die Töchter des neuen Mittelstandes bedeutete die Lehrerinnenprüfung die Grundlage selbständiger Lebenssicherung.“ (Küpper 1987, 189). Seit 1887 gab es zusätzlich die Möglichkeit, eine Prüfung als „Sprachlehrerin“ nur für Französisch, nur für Englisch oder für Französisch und Englisch abzulegen (Jantzen 1909, 198-201). Mit zunehmendem Einsatz der durch die Zusatzprüfungen für die mittleren und höheren Klassen nach der Prüfungsordnung von 1874 ausgewiesenen Lehrerinnen auch in der Oberstufe entstand der Bedarf einer wissenschaftlichen Prüfung für Lehrerinnen („Ober‐ lehrerinnenprüfung“), die ab 1894 eingeführt wurde (Jantzen 1909, 124 ff.) und „vor allem für Lehrerinnen mit einigen Jahren Praxis […], die in 2 Lehrgebieten eine einem 2-3jährigen Universitätsstudium äquivalente Leistung“ nachweisen konnten, konzipiert war (Müller-Benedict 2008, 190). In einer Verfügung aus dem Jahr 1900 liest man, dass sich bis dahin etwa 100 Lehrerinnen in Preußen der wissenschaftlichen Prüfung unterzogen hatten. Französisch war dabei mit 31 Kandidatinnen das viertmeist gewählte Fach (nach Deutsch: 61, Geschichte: 38, Englisch: 35), Deutsch/ Französisch und Französisch/ Englisch gehörten dabei zu den häufigsten Fächerverbindungen (neben etwa Religion/ Deutsch, Religion/ Geschichte sowie Deutsch/ Englisch) (Jantzen 1909, 145). Im Jahr 1900 erging dann auch eine neue „Ordnung für die Wissenschaftliche Prüfung der Lehrerinnen (Oberlehrerinnenprüfung)“ (Jantzen 1909, 150-159, hier 150), die weiterhin im Wesentlichen eine Zertifizierung nebenberuflich angeeigneter, wissenschaftli‐ cher Weiterqualifikation im Schuldienst praktizierender Lehrerinnen darstellte (Jantzen 1909, 150). In dieser Prüfungsordnung waren die Fächerverbindungen frei wählbar, Französisch war ein wählbares Prüfungsfach. Allerdings wurden bestimmte Fächerverbindungen empfohlen, darunter Französisch/ Englisch und Französisch/ Deutsch (Jantzen 1909, 151). Ab 1905/ 1906 galt auch für Frauen - die seit 1894 als „Externe“ an Knabenanstalten das Abitur ablegen (vgl. z. B. Müller-Be‐ 178 Daniel Reimann <?page no="179"?> nedict 2008, 190, Schraut 2019) und ab 1908 auch an den höheren Mädchenschulen ein vollwertiges, hochschulzugangsberechtigendes Abitur erwerben konnten (Beier 1909, 505-514, Jantzen 1909, 161, vgl. den diesen Abschnitt einleitenden Aufsatz Reimann zur schulgeschichtlichen Kontextualisierung im vorliegenden Band) - im Regelfall die Prüfungsordnung von 1898 in der revidierten Fassung von 1906 (Jantzen 1909, 160 f., hierzu s. o.) und somit bestand nunmehr Möglichkeit, eine den Männern gleichberechtigte Prüfung für das höhere Lehramt abzulegen (vgl. z.-B. Müller-Benedict 2008, 187, 190). 2.1.9 Französisch in den preußischen Prüfungsordnungen des 19./ frühen 20.-Jahrhunderts Im Folgenden wird versucht, einen Überblick über die Prüfungsgegenstände bzw. Fächergruppen und Fächerverbindungen in den verschiedenen preußi‐ schen Prüfungsordnungen des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts zu geben, und dabei jeweils die Stellung Französische innerhalb der einzelnen Prüfungs‐ ordnungen hervorzuheben: Prüfungsordnung von 1810: Nachweis (klassisch) philologischer, historischer und mathematischer Kenntnisse (schriftlich und mündlich), Lehrprobe; Französisch nicht eigens erwähnt (z.-B. Bölling 1983, 20) (ergänzende Anweisung von 1824): ergänzend/ vertiefend Allgemeinbildung, sichergestellt durch Prüfung von Kenntnissen in Philosophie, Geschichte und Theologie (z.-B. Bölling 1983, 21) Prüfungsordnung von 1831 und Zusätze zu Französisch/ Englisch von 1838 und 1854: Die Prüfung bezog sich auf alle „Haupt-Lehrgegenstände“ des Gymnasiums, eine gewisse Schwerpunktsetzung war möglich; Französisch explizit benannt im Bereich „Sprachen“ und ausnahmsweise in der Verbindung mit Englisch ab 1854: • Sprachen: Deutsch, Griechisch, Latein, Französisch, Hebräisch • Wissenschaften: Mathematik, Physik, Naturgeschichte Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 179 <?page no="180"?> • Geschichte und Geographie (mit Schwerpunkt Antike) • Theologie und Hebräisch (zwischen 1838 und 1841, wieder ab 1853/ 1866) • Französisch/ Englisch (mit Latein, Geschichte, Geographie für die Mit‐ telstufe) (ausnahmsweise, ab 1838/ 1854) • Philosophie und Pädagogik; Theologie (Wiese 1864, 548-551, Mandel 1989, 39-41, bes. 40, Herv. D.R., vgl. z. B. Bölling 1983, 22, Führ 1992, 428) Prüfungsordnung von 1866: hier Lehrämter: • das philologisch-historische Fach • das mathematisch-naturwissenschaftliche Fach (für Zeugnis ersten Grades u. a. auch: Mathematik/ Physik I. Stufe, Französisch II. Stufe; Chemie/ beschreibende Naturwissenschaften I. Stufe, Französisch II. Stufe) • Religion und Hebräisch (für Zeugnis ersten Grades u. a. auch: Reli‐ gion/ Hebräisch/ Französisch für I. Stufe) • neuere Sprachen (für Zeugnis ersten Grades: Französisch/ Englisch I. Stufe/ Latein/ Griechisch oder Latein/ Deutsch oder Religion oder Ge‐ schichte/ Erdkunde oder Mathematik und beschreibende Naturwissen‐ schaften für II. Stufe); für ein Zeugnis zweiten Grades auch: • Religion und Französisch für II. Stufe • Französisch/ Englisch und Latein/ Deutsch oder Deutsch/ Geschichte/ Erdknde oder Mathematik und beschreibende Naturwissenschaften Fachlehrer für neuere Sprachen/ Französisch (ohne Möglichkeit der „Ascension“ innerhalb des Kollegiums): • Französisch/ Englisch I. Stufe: Zeugnis zweiten Grades • Französisch I. Stufe: Zeugnis dritten Grades • Französisch/ Englisch II. Stufe: Zeugnis dritten Grades Allgemeinbildung in den Fächern Religion, Geschichte, Geographie, Philo‐ sophie und Pädagogik, Sprachen (explizit auch Französisch); kann durch Leistungen im Abiturzeugnis ersetzt werden. (z.-B. Bölling 1983, 22 f., Führ 1992, 428, Centralblatt 1867, 16, 20 f., 25) 180 Daniel Reimann <?page no="181"?> Prüfungsordnung von 1887: zwei vertiefte Fächer (bis einschließlich der Oberstufe) und zwei nicht vertiefte Fächer (bis einschließlich der Mittelstufe), wobei die zwei vertieften Fächer und eines der nicht vertieften Fächer demselben aus den folgenden zwei Fachgebieten angehören mussten: • sprachlich-geschichtlich • mathematisch-naturwissenschaftlich Mögliche Fächerverbindungen mit Französisch: Deutsch/ Französisch Latein/ Französisch Griechisch/ Französisch Englisch/ Französisch Französisch/ Geschichte Religion/ Hebräisch/ Französisch (für ein Oberlehrerzeugnis) Bei jeder Fächerverbindung mit Französisch musste Latein mindestens bis einschließlich der Unterstufe zumindest Nebenfach sein; Französisch konnte Nebenfach zu jeder anderen möglichen Fächerverbindung sein, also z. B. zu Latein/ Griechisch/ Deutsch, aber auch zu Mathematik, Physik, Botanik und Zoologie, usw. Prüfung in Philosophie und Pädagogik, deutsche Sprache und Literatur, Religion (bei Konfessionszugehörigkeit) (z.-B. Bölling 1983, 23, Centralblatt 1887, 186 f.) Prüfungsordnung von 1898 und ihre Revisionen von 1901 und 1906: ein vertieftes Fach (bis einschließlich der Oberstufe) und zwei nicht vertiefte Fächer (bis einschließlich der Mittelstufe) (bestmöglichstes Prädikat: „genü‐ gend“) oder zwei vertiefte Fächer (bis einschließlich der Oberstufe) und ein nicht ver‐ tieftes Fach (bis einschließlich der Mittelstufe) Allgemeine Prüfung in Philosophie und Pädagogik, deutsche Sprache und Literatur, Religion (bei Konfessionszugehörigkeit), Fächerverbindungen um Französisch im Rahmen verpflichtender Drei-Fach- Fächerverbindungen: Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 181 <?page no="182"?> Französisch/ Englisch Französisch/ Deutsch Französisch/ Latein (ab 1906) (z.-B. Centralblatt 1898, 692, 707 f. Jantzen 1909, 165, 179, Bölling 1983, 25) Lehrerinnen- und Oberlehrerinnenprüfung von 1874, 1894 und 1900 und für Sprachlehrerinnen ab 1887 (bis 1905, mit Übergangsfrist) 1874: (Volksschul-)Lehrerinnenprüfungen zuzüglich Deutsch/ Französisch/ Englischen/ Geschichte 1887: Sprachlehrerinnenprüfung in Französisch oder Französisch/ Englisch oder Englisch 1894: zwei Lehrgebiete, u.-a. Französisch/ Englisch, Französisch/ Deutsch 1900: Frei wählbare Fächerverbindungen, empfohlen u. a. Französisch/ Deutsch, Französisch/ Englisch ( Jantzen 1909, 133 ff., 198-201, 124 ff., 145, 151) Prüfungsordnung von 1917 (bis 1940): zwei vertiefte Fächer (bis einschließlich der Oberstufe), ein nicht vertieftes Fach (bis einschließlich der Mittelstufe), vollkommen freie Fächerverbindungen Keine allgemeine Prüfung in Pädagogik mehr, dafür zweites Staatsexamen als „pädagogische Prüfung“ (z.-B. Bölling 1983, 26, Mandel 1989, 60) 2.2 Abstufungen der Lehrbefähigung für Unter-, Mittel- und Oberstufe sowie Ergänzungs- und Erweiterungsprüfungen Mit der Prüfungsordnung von 1866 konnten Lehrbefähigungen für einzelne Fächer erstmals auf drei Stufen erworben werden: bis zur Oberprima/ zum Abitur („I. Stufe“), bis einschließlich der Mittelstufe („II. Stufe“) und auf die Unterstufe beschränkt („III. 182 Daniel Reimann <?page no="183"?> Stufe“) (Bölling 1983, 23). Die Prüfungsordnung von 1887 schaffte die Lehrbefähigung für die „III. Stufe“ wieder ab (Bölling 1983, 23). Auch nach den Prüfungsordnungen von 1898 und 1917 gab es die Lehrbefähigung auf zwei Stufen, also bis einschließlich der Mittelstufe respektive bis einschließlich der Oberstufe (Bölling 1983, 25f.). Die genannten Abstufungen der Lehrbefähigung werden in den Personalunterlagen der Lehrkräfte der entsprechenden Zeiträume regelmäßig erfasst. Ferner treten in den Personalbögen immer wieder die Begriffe „Ergänzungs-“ und „Erweiterungsprüfung“ auf. Laut Prüfungsordnung von 1887 besteht fol‐ gender Unterschied: „Ergänzungsprüfungen“ waren diejenigen Prüfungen, die binnen einer Frist von drei Jahren nach der ersten Prüfung und vor Festanstellung abgelegt werden mussten, wenn in einem Fach oder in der allgemeinen Bildung einzelne Leistungen in der ersten Staatsprüfung unzureichend waren und nur ein bedingtes Lehrerbzw. Oberlehrerzeugnis ausgestellt werden konnte. Mit erfolgreichem Absolvieren der Ergänzungsprüfung konnten die Mängel behoben und eine entsprechende Festanstellung erzielt werden. Der Begriff „Erweiterungs‐ prüfung“ bezieht sich indes auf Prüfungen, in denen die Lehrbefähigung erweitert wird, z. B. von der III. zur II. oder von der II. zur I. Stufe (vgl. Centralblatt 1887, 203 f.). In der Prüfungsordnung von 1898 wird spezifiziert, dass Ergänzungs- (und Wiederholungs-) Prüfungen binnen zweier Jahre abzulegen waren, wobei sich Ergänzungsprüfungen nur auf unzureichende Teilleistungen in einem Fach, Wiederholungsprüfungen auf ein ganzes Fach bezogen. Erweiterungsprüfungen mussten binnen sechs Jahren abgelegt werden und dienten nunmehr explizit dem Erwerb der Lehrbefähigung in einem zusätzlichen Fach oder der oben beschriebenen „Stufen-Erweiterung“ (Jantzen 1909, 179-181). Letzterer Fall ist für das Fach Französisch im untersuchten Korpus häufig nachzuweisen, mutmaßlich auch, weil der Bedarf an Französischlehrkräften mit Fakultas für die Oberstufe gerade im Laufe des 19. Jahrhunderts mit dem sukzessiven Ausbau des Faches anstieg (vgl. z. B. den Fall M39, geb. 1839). Bei Sichtung der Personalbögen im untersuchten Korpus kann aufgrund der unterschiedlichen Definition in den verschiedenen Prüfungsordnungen daher auch der Eindruck entstehen, die Be‐ griffe seien teilweise uneinheitlich gebraucht worden (vgl. den Aufsatz Adamus/ Lubinski/ Merholz/ Reimann zu Ergebnissen der Teilstudien im vorliegenden Band, bes. Kap. 2, zur nachträglichen Erweiterung vgl. auch Führ 1992, 430). 2.3 Probejahr und Seminarjahr als Vorläuferinstanzen des Referendariats Angesichts der starken, ja fast ausschließlichen Betonung der wissenschaftli‐ chen Qualifikation schon in der ersten Fassung des preußischen Staatsexamens Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 183 <?page no="184"?> von 1810 wurde bereits 1826 mit Blick auf die pädagogische Eignung der Lehramtskandidaten ein so genanntes „Probejahr“ eingeführt (z. B. Bölling 1983, 21, Geißler 2011, 137 f. vertiefter einführend Mandel 1989, 32-35), das ab 1867 Grundvoraussetzung für die so genannte „Anstellungsfähigkeit“ wurde (Führ 1992, 434). In dieser Zeit sollten die Kandidaten „[h]ospitieren und eigene Unterrichtsversuche im Umfang von sechs bis acht Wochenstunden“ durchführen (Bölling 1983, 26 f.). Allerdings wurde häufig bemängelt, dass die Kandidaten im Probejahr kaum von qualifizierten Ausbildern betreut wurden und als kostengünstige „Aushilfslehrer“, auch mit höherem Deputat als vorge‐ sehen, ausgenutzt wurden (z. B. Bölling 1983, 27, Führ 1992, 434). Tatsächlich war der Dienst im Probejahr unbezahlt (Bölling 1983, 30) und die Kandidaten mussten sich selbst eine Schule suchen (Führ 1992, 434). Für einen äußerst geringen Anteil der Kandidaten gab es die Möglichkeit, anstelle des Probejahrs eine „qualifiziertere Ausbildung“ (Bölling 1983, 27) an einem pädagogischen Seminar zu durchlaufen, das entweder an eine Universität oder an eine Schule angegliedert war (Bölling 1983, 27). Ein frühes Beispiel hierfür ist das von Friedrich Gedike 1787 am Friedrich- Werderschen Gymnasium in Berlin eingerichtete und von ihm später an das Gymnasium zum Grauen Kloster transferierte Seminar, dessen etwa fünf bis sechs, später acht Seminaristen in zweijährigen Zyklen ausgebildet wurden. Sie entstammten nicht selten dem ebenfalls 1787 eingerichteten universitären philologischen Seminar von Friedrich August Wolf (Führ 1992, 422 f., vertiefter einführend z.-B. Mandel 1989, 7-25). Als zusätzliche Qualifikationsmöglichkeiten für angehende Französisch‐ lehrer gab es ab 1838 auch ein (von Friedrich Wilhelm III.) gestiftetes „Französi‐ sches Reisestipendium“, das angehenden Französischlehrern einen einjährigen Aufenthalt in Frankreich ermöglichen sollte (bis 1857 ein Stipendium pro Jahr, danach zwei Stipendien in je drei Jahren, Wiese 1864, 534). Dieses Stipendium konnte explizit auch an praktizierende Lehrkräfte am französischen Gymna‐ sium in Berlin verliehen werden, die - in heutiger Terminologie - „bilingualen Sachfachunterricht“ im Französischen unterrichten wollten und sollten („[…] welche nicht sowohl das Französische lehren, als sich vielmehr im mündlichen Gebrauch desselben vervollkommnen wollten, um es nach dem Bedürfniß dieser Anstalt als Unterrichtssprache für andere Gegenstände mit Fertigkeit benutzen zu können.“ (Wiese 1864, 534)). Darüber hinaus gab es pro Jahr zwei „Französische Stipendiatenstellen“ am Königlichen französischen Gymnasium in Berlin, durch die angehende (deutsche) Lehrkräfte des Französischen eine Art Unterrichtsassistenz im Französischunterricht wahrnehmen konnten, was 184 Daniel Reimann <?page no="185"?> ebenfalls der Förderung der Sprechfertigkeit dienen sollte („daß sie sich ihrer als Unterrichtssprache bedienen können“, Wiese 1864, 534 f.). Speziell für angehende Lehrkräfte des Französischen und Englischen gab es seit 1860 das Berliner Seminar für Lehrer der neueren Sprachen, das dem Friedrichs-Gymnasium angegliedert war. In das Seminar aufgenommen werden konnten Kandidaten, die bereits ein Staatsexamen oder Examen pro facultate docendi erfolgreich abgelegt hatten, sowie ausnahmsweise und als Hospitanten auch besonders begabte Studierende nach der universitären Zwischenprüfung (Kalkhoff 2010, 170 f., vgl. Wiese 1864, 534). Allerdings wirkten diese Seminare noch nicht in die Fläche, nicht alle Kandidaten kamen in den Genuss einer solchen Qualifikation. Bereits 1849 hatte daher eine Landesschulkonferenz von Direktoren und Oberlehrern in Berlin eine zweijährige praktische Ausbildung an „besonders dazu zu bezeichnenden und einzurichtenden Lehranstalten“ gefordert (Bölling 1983, 27, vgl. Mandel 1989, 35-38), dennoch wurde erst 1890 vor dem Probejahr ein so genanntes Seminarjahr eingeführt, in dem vor allem eine „theoretisch-pädagogische Aus‐ bildung“ (Bölling 1983, 27) stattfinden sollte, während das Probejahr weiter vor allem der eigenen unterrichtspraktischen Entwicklung dienen sollte: Zu diesem Zweck wurden jeweils ca. sechs Kandidaten ausgewählten höheren Schulen zugewiesen, deren Direktoren zusammen mit geeigneten Lehrern diese Aufgabe übernahmen. Das anschließende Probejahr diente dann vorwiegend der praktischen Bewährung im selbständigen Unterricht und mußte in der Regel an einer anderen Schule abgeleistet werden. (Bölling 1983, 27) Der Unterricht im Probejahr umfasste etwa 8-10 Wochenstunden und war wei‐ terhin unentgeltlich zu leisten (Führ 1992, 434, einführend in das Seminarjahr ab 1890 vgl. Mandel 1989, 48-50). Während bis zur Novellierung der Prüfungsordnung von 1917 das Provinzial-Schulkollegium auf der Grundlage der Gutachten der Direktoren über die Anstellungsfähigkeit zu befinden hatte, wurde 1917 mit der Einführung der pädagogischen Prüfung als zweites Staatsexamen erstmals auch auf dieser Ebene ein einheitlicher Qualifikationsnachweis geschaffen (erstmalige Durchführung 1919) (z.-B. Bölling 1983, 27f.). Sie umfasste folgende Prüfungsteile: • schriftliche Hausarbeit mit erziehungswissenschaftlichem Fokus, die an die Praxiserfahrungen der Vorbereitungsphase angelehnt sein sollte • zwei Lehrproben (Mitteilung der Themen 24 Stunden vor der Lehrprobe) • mündliche Gruppenprüfung vor der Prüfungskommission. (Bölling 1983, 28, vertiefter einführend in die zweiphasig-qualifizierende Lehrerbildung seit 1917 vgl. Mandel 1989, 53-60; für das am Preußischen Vorbild orientierte Modell Bayerns ab 1893 vgl. Neuerer 1989, 182-194, bes. 186) Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 185 <?page no="186"?> 3 Grundzüge einer Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen (Schwerpunkt Preußen, aus der Perspektive der romanistisch-didaktischen Historiographie) 3.1 Entwicklung der Zahl der Lehrkräfte an höheren Schulen Die Zahlen der höheren Schulen für die männliche Jugend und die ihrer Lehr‐ kräfte im 19. Jahrhundert in Preußen sind, wie die nachfolgenden, auszugsweise auf der Grundlage von Bölling 1983 erstellten, Zahlenreihen zeigen, äußerst überschaubar. Hintergrund ist, dass in einem langwierigen Aussonderungsprozess aus dem Bestand von etwa 400 Latein‐ schulen unterschiedlichster Größe und Qualität eine Spitzengruppe von nicht einmal hundert künftigen Gymnasien ausgewählt [wurde, die] lehrplanmäßig normiert und mit dem Privileg der Abiturfähigkeit versehen wurde[n]. (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 89) Jahr Zahl der höheren Schulen (für Jungen) Zahl der hauptamtlichen Lehrer 1788 70 ? 1816 ca. 100 ca. 1.000 1837 243 2.079 1860 232 2.702 1870 382 4.788 1880 492 6.350 1890 552 7.558 1900 627 8.060 1910 824 11.658 1915 904 13.624 Abb. 1: Zahl der höheren Schulen (Knabenanstalten) und der hauptamtlichen Lehrkräfte an höheren Schulen für Jungen in Preußen im 19./ 20. Jahrhundert (eigene Darstellung, ausgehend von Bölling 1983, 17 und Müller-Benedict 2008, 188 (zu 1788) sowie Enzel‐ berger 2001 und Führ 1992, 418 (zu 1816, Zahl der Schulen und Zahl der Lehrer)) Diese Zahlen können und sollen lediglich der Orientierung dienen; in ver‐ schiedenen Publikationen finden sich hierzu teils widersprüchliche Angaben, 186 Daniel Reimann <?page no="187"?> die sich auch nicht durch die Frage, ob jeweils nur Gymnasien oder auch andere „höhere Schulen“ berücksichtigt wurden, lösen lassen. Gert Geißler geht beispielsweise für 1835 für das Gebiet des gesamten späteren Kaiserreichs von 310 Gymnasien aus (Geißer 2011, 135), Volker Müller-Benedict referiert von der oben wiedergegebenen Statistik leicht abweichende, in der Grundtendenz jedoch entsprechende Zahlen: 1822: 952 Lehrer, 1837: 1.546, 1860: 1.911, 1870: 4.155, 1915: 13.137 (Müller-Benedict 2008, 193). Erneute und vertiefte historischquantitative Untersuchen wären erforderlich, um diesbezüglich Klarheit zu schaffen. Dennoch vermögen diese Datenreihen die im Vergleich zu heute sehr geringen absoluten Zahlen sowie die Entwicklungstendenzen wiederzugeben. Die weitere Entwicklung lässt sich anhand folgender Zahlen schlaglichtartig beleuchten. Auch die Zahl der (hauptamtlichen) Lehrkräfte an höheren Schulen im Deutschen Reich insgesamt (nicht nur Gymnasien und Knabenanstalten) war naheliegenderweise noch zu Beginn des 20.-Jahrhunderts keinesfalls mit heutigen Verhältnissen vergleichbar. Rainer Bölling referiert bezogen auf den für die hier vorliegende Untersuchung relevanten Zeitraum etwa folgende Zahlen: Jahr Gesamtzahl darunter weiblich in % 1911 35.339 26,9 1921 42.316 25,9 1926 43.831 23,4 1931 44.902 24,4 1937 43.013 24,4 Abb. 2: Zahl der hauptamtlichen Lehrkräfte an höheren Schulen im Deutschen Reich und Frauenanteil im frühen 20. Jahrhundert (eigene Darstellung, ausgehend von Bölling 1983, 10) Dem gegenüber standen und stehen etwa im Jahr 1980 133.722 Lehrkräfte an höheren Schulen einschließlich Gesamtschulen (davon 37,8 % Frauen) (Bölling 1983, 10) und weitere etwa vierzig Jahre später, im Jahr 2021/ 2022, 277.922 Lehrkräfte (davon 98.274 an Gesamtschulen, insgesamt 173.384 bzw. 62,4 % Frauen) (Destatis 2022). Über die Jahrzehnte hinweg wählen im 19. und frühen 20. Jahrhundert bei‐ nahe konstant etwa zwei Drittel aller Lehramtskandidaten (und allmählich auch Lehramtskandidatinnen) philologisch-historische Fächer, etwa ein Drittel mathe‐ matisch-naturwissenschaftliche Fächerverbindungen (Müller-Benedict 2008, 193). Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 187 <?page no="188"?> Für die quantitative Entwicklung des Berufsstandes (zum Konzept s. o. bereits Spilleke in den 1830er Jahren, vgl. Bölling 1983, 21, weiterführend z. B. auch Enzelberger 2001, 48, vgl. auch unten Kap. 3.4) und sein wissenschaftliches Selbstverständnis (s. Kap. 3.4.2) in hohem Maße relevant sind auch die Zahlen der absolvierten und bestandenen wissenschaftlichen (ersten) Staatsprüfungen, später auch der pädagogischen (zweiten) Staatsprüfungen und der Promotionen. Die sehr ausführlichen Datenreihen aus Müller-Benedict 2008 zu Preußen (dort z.-B. auch Angaben zum jeweils erzielten Zeugnisgrad bzw. Prädikat) sollen hier in einigen sehr ausgewählten, die grundlegenden Tendenzen aber illustrierenden Auszügen wiedergegeben werden: Jahr Zahl der abge‐ legten wiss. Prü‐ fungen Zahl der be‐ standenen wiss. Prü‐ fungen Zahl der abgelegten päd. Prü‐ fungen Zahl der be‐ standenen päd. Prü‐ fungen Zahl der Pro‐ motionen von Lehr‐ amts-kandi‐ daten 1820 k.A. 77 -/ - -/ k.A. 1845 96 88 -/ - -/ k.A. 1850 115 112 -/ - -/ k.A. 1860 139 130 -/ - -/ k.A. 1870 375 356 -/ - -/ - 119 1880 512 465 -/ - -/ - 234 1890 518 472 -/ - -/ - 316 1900 387 281 -/ - -/ - 296 1910 1.905 1.213 -/ - -/ - 669 1920 1.556 1.439 -/ - -/ - 336 1930 1.417 993 422 371 675* 1940 600 453 708 637 521* Abb. 3a: Zahl der abgelegten wissenschaftlichen und pädagogischen Prüfungen und der Promotionen von Lehramtskandidaten in Preußen (* = Deutsches Reich insgesamt, eigene Darstellung, ausgehend von Müller-Benedict 2008, 203-205) Die Zahlen der Prüfungen weiblicher Kandidatinnen werden von Volker Müller- Benedict ab 1911 erfasst und stellen sich für den Untersuchungszeitraum wie folgt dar: 188 Daniel Reimann <?page no="189"?> Jahr Zahl der abgelegten wiss. Prüfungen Zahl der bestandenen wiss. Prüfungen Zahl der abge‐ legten päd. Prüfungen Zahl der bestan‐ denen päd. Prüfungen 1911 34 25 -/ - -/ - 1920 349 313 -/ - -/ - 1930 575 436 244 219 1940 249 191 413 381 Abb. 3b: Zahl der abgelegten wissenschaftlichen und pädagogischen Prüfungen und der Promotionen von Lehramtskandidatinnen in Preußen (eigene Darstellung, ausgehend von Müller-Benedict 2008, 207) Graphisch wird die Entwicklung der Zahlenreihen zu den bestandenen wissen‐ schaftlichen Prüfungen der Männer und der Frauen in Müller-Benedict 2008 wie folgt veranschaulicht: Abb. 4: Bestandene wissenschaftliche Prüfungen für das höhere Lehramt in Preußen (Müller-Benedict 2008, 206) Immer wieder kam es zu Mangel- und Überfüllungsphasen, in denen der Lehrerbedarf nicht gedeckt werden konnte bzw. in denen viele ausgebildete Lehrer arbeitslos waren oder sich mit der Position des Wissenschaftlichen Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 189 <?page no="190"?> Hilfslehrers begnügen mussten. Volker Müller-Benedict spricht hier von eineer „doppelte[n] zyklische[n] Struktur“, die sich „nicht nur im Lehramt, sondern in allen staatsnahen Karrieren“ wiederfinde und in der bildungssoziologischen Forschung hinlänglich dokumentiert sei (Müller-Benedict 2008, 194). Im unter‐ suchten Zeitraum des 19. und frühen 20. Jahrhunderts lassen sich folgende Überfüllungs- und Mangelphasen ausmachen (vgl. auch die Hinweise zu den Prüfungsordnungen, die diese Phänomene begünstigen konnten und teilweise darauf reagierten, s.-o. Kap. 2.1): • Eine erste Überfüllungsphase gab es etwa zwischen der Mitte der 1830er und der 1850er Jahren mit einem Schwerpunkt in den 1840er Jahren (Hilfs‐ lehrerquote um 1850: 37 %, durchschnittliche Wartezeit bis zur Anstellung z.-B. in der Provinz Westfalen: 7 Jahre) (Müller-Benedict 2008, 194). • Eine spürbare Mangelphase zeichnete sich in den 1870er Jahren ab; die Wartezeit bis zur Festanstellung sank auf unter ein Jahr, teilweise wurden Kandidaten ohne absolviertes Probejahr fest angestellt oder Kandidaten im Probejahr werden mit voller Stundenzahl und nicht im Sinne der Ausbildung mit reduzierter Stundenzahl eingesetzt (vgl. Kap. 2.3 zu Probe- und Seminar‐ jahr), Lehramtsstudierende ohne Studienabschluss kamen kommissarisch zum Einsatz (Müller-Benedict 2008, 194). • In der Folge stiegen die Zahlen der Lehramtsstudenten massiv, im Jahr 1880 stellten sie 42 % aller Studenten. Es folgte die „erste öffentlich breit diskutierte reichsweite Überfüllungskrise“ von Mitte der 1880er Jahre bis ca. 1900 (Anfang der 1880er Jahre sind infolge des vorausgegangenen Mangels etwa drei Viertel aller Lehrer unter 45 Jahre alt): Hilfslehrerquote um 1890: 40 %, durchschnittliche Wartezeit auf Festanstellung in den 1890er Jahren: 6 Jahre, 1894 beinahe 10 Jahre (Mellmann 1929, 18); zwischen zwei Drit‐ teln und drei Vierteln der anstellungsfähigen Absolventen des Probejahrs hatten nur prekäre Anstellungen als Hilfslehrer oder mussten sich beruflich umorientieren. Erstmals führte das preußische Kultusministerium eine so genannte Warteliste ein (nach Jahr des absolvierten Probejahrs sortiert) (Müller-Benedict 2008, 194). • Es folgte eine neue Mangelphase zwischen 1900 und 1910 mit Wartezeiten bis zur Festanstellung erneut unter einem Jahr wie in den 1870er Jahren, Direkteinstellung als Oberlehrer von 11 % der Absolventen des Seminarjahrs (erstes Jahr des nunmehr zweijährigen Vorbereitungsdienstes, s. o. Kap. 2.3), Vollbeschäftigung mit dem Gehalt eines Oberlehrers von zwei Dritteln aller Teilnehmer des Probejahrs (zweites Jahr der praktischen Ausbildung, s. o.) (Müller-Benedict 2008, 194). 190 Daniel Reimann <?page no="191"?> • Ab den 1920er Jahren schloss sich eine neue Überfüllungsphase an (bis Ende der 1930er Jahre). Mitte der 1920er Jahre lag die Wartezeit bei sieben bis acht Jahren. 1923 wurde sogar die Entlassung von verheirateten Reichs‐ beamtinnen ermöglicht und 1931 bestätigt. Ein kurzfristiger Mangel in den Sprachen (und in Mathematik) Ende der 1920er Jahre infolge des Ausbaus u. a. der höheren Mädchenschulen fiel insgesamt nicht ins Gewicht (Müller- Benedict 2008, 195, 198). 3.2 Rekrutierung und soziale Herkunft der Lehrer an höheren Schulen In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich das höhere Lehramt zu einer Etappe des sozialen Aufstiegs. Volker Müller-Benedict beschreibt das Gefüge der akademischen Karrieren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wie folgt: Die Theologie war im 19. Jahrhundert nicht am allgemeinen Stellenwachstum der akademischen Karrieren beteiligt und verlor ihre Rolle als zentrale normenvermit‐ telnde gesellschaftliche Institution an die Schule. Die anderen Karrieren wie Jura und Medizin waren seit je her sozial exklusiver und hatten höhere Quoten der Berufs‐ vererbung. In der Lehramtskarriere gab es als einzige die Möglichkeit, Wartezeiten bis zur Anstellung mit Bezahlung, etwa als voll- oder stundenweise beschäftigter Hilfslehrer, zu überbrücken. Die Lehramtskarriere löste deshalb in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Theologie als die traditionelle soziale Aufstiegskarriere ab, über die bisher bildungsferne Schichten in akademische Statusgruppen aufrücken konnten. (Müller-Benedict 2008, 198) Die soziale Herkunft der Lehrkräfte konnte in Grundzügen rekonstruiert werden, etwa auf der Grundlage der Matrikelverzeichnisse der Universitäten. Sicherlich wären weiterführende Forschungen durch Rückgriff auf die Jahres‐ berichte aus der Schulzeit der Kandidaten, in denen der Beruf des Vaters in der Regel erfasst wurde, mit einigem Aufwand möglich, sie wurden meines Wissens aber bislang noch nicht unternommen und stellen insofern ein Desiderat für die historische Pädagogik dar. Die soziale Herkunft der Philologiestudenten insgesamt lässt sich punktuell gut erfassen, mit folgender von Bölling nach‐ vollziehbarerweise vorgenommenen Einschränkung bezogen auf die daraus zu rekonstruierende Zusammensetzung des Lehrkörpers: Eine Einschränkung ist etwa insofern zu machen, als Angehörige unterer und mitt‐ lerer Schichten unter den späteren Berufsangehörigen vermutlich etwas schwächer vertreten waren als unter den Studenten, weil sie schlechtere Voraussetzungen für Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 191 <?page no="192"?> einen erfolgreichen Abschluß des Studiums mitbrachten. Insbesondere bei hohen Mißerfolgsquoten im Staatsexamen, wie sie vor dem Ersten Weltkrieg in Preußen üblich waren […], ist eine stärkere Abweichung aufgrund sozialer Selektion nicht auszuschließen. (Bölling 1983, 41) Insgesamt scheint, trotz der verhältnismäßig guten Besoldung und der gesi‐ cherten Stellung zumindest der Lehrer der staatlichen Gymnasien, das höhere Lehramt im 19. Jahrhundert zunächst kein über die Maßen attraktives Berufsbild dargestellt zu haben. Der entsprechende Qualifikationsweg war offensichtlich eher für junge Menschen aus den mittleren Schichten denn aus der Oberschicht attraktiv. Heinz-Elmar Thenort zeichnet die Situation wie folgt prägnant nach: Besonders im Verlauf des 19. Jahrhunderts zeigt die Rekrutierung sehr deutlich, daß die Philologen das geringere Prestige der philosophischen Fakultäten gegenüber den juristischen, medizinischen und theologischen auch in ihrer Berufstätigkeit nicht kompensieren können. Die Hierarchie der akademischen Berufe spiegelt sich deutlich in den Rekrutierungsmustern: Einerseits gehen die Selbstrekrutierungsraten bei Philologen sehr viel deutlicher als bei anderen akademischen Berufen zurück; nachdem der Aufstieg in den bürgerlich-akademischen Stand gelungen ist, wendet sich die zweite Generation der Philologen (nach 1850) offenkundig nur noch zu einem geringen Prozentsatz dem Oberlehrerberuf zu. Andererseits nehmen die Kinder von Volksschullehrern und der Anteil der Studierenden aus Handwerkerberufen und mittleren Beamtenschichten, die in den Philologenberuf streben, deutlich zu. Das Ansehen der Philologen dürfte schließlich auch dadurch belastet worden sein, daß sie an den Leitbildern, Ranghierarchien und Statussymbolen nicht partizipieren, die anderen Hochschulabsolventen und dem Militär - vom Adel ganz zu schweigen - gewährt werden. (Tenorth 1987, 259 f.) Auch Sabina Enzelberger geht von einer „Statusunterlegenheit der Philologen“ aus: Die Statusunterlegenheit der Philologen zeigte sich auch im Verhältnis zu den Offi‐ zieren, den Gelehrten an den Universitäten und im weiteren Verlauf des 19. Jahrhun‐ derts auch gegenüber Medizinern und Naturwissenschaftlern als den Repräsentanten der modernen Wissenschaften, die immer mehr gesellschaftliches Prestige gewannen. (Enzelberger 2001, 52) Für den Zeitraum zwischen 1887 und 1900 etwa konnte man rekonstruieren, dass etwa ein Drittel der Philologiestudenten aus den höheren Schichten stammte (z. B. höhere Beamte, Lehrer an höheren Schulen, Professoren, Ärzte, Unternehmer als Väter), zwei Drittel aus den mittleren Schichten (z. B. Hand‐ werker, Landwirte, Mittlere Beamte, Volksschullehrer) und nur 1 % aus den 192 Daniel Reimann <?page no="193"?> unteren Schichten; etwa 20 % der Philologiestudenten entstammte Akademiker‐ familien (Bölling 1983, 42 f.). Zum Vergleich: In den Fakultäten für Medizin und Jura kamen etwa 25 % der Studenten aus Akademikerfamilien, in der evangelischen Theologie sogar etwa ein Drittel (hohe „Selbstrekrutierungsrate“ oder „Berufsvererbung“) (Bölling 1983, 43, weiterführende Daten vgl. Müller- Benedict 2008, 198). Dies kann als „Indiz dafür, daß für Akademikersöhne mit dem höheren Lehramt ein vergleichsweise geringes Sozialprestige verbunden war“, gesehen werden (Bölling 1983, 43). Gleichzeitig erkennt man weiterhin eine relativ geringe Selbstrekrutierungs‐ rate bei den Gymnasiallehrern: Aus einer Erhebung im Jahr 1895 geht hervor, dass seinerzeit nur etwa 16 % der Oberlehrersöhne diesen Beruf ergreifen wollten, während es bei den Juristen, Medizinern und Theologen zum fraglichen Zeitpunkt beinahe jeweils 50 % waren, die den Beruf des Vaters ausüben wollten - eine Quote, die bei den Juristen nach der Jahrhundertwende weiter ansteigen sollte, während sie bei den Theologen wieder auf etwa ein Drittel sank (Bölling 1983, 43). Für die Oberlehrersöhne indes war in jener Zeit das Jurastudium am attraktivsten (38 % im Jahr 1902/ 1903) (Bölling 1983, 43). Insgesamt bewegte sich die Berufsvererbungsquote im höheren Lehramt im Kaiserreich zwischen 28 % und 43 % (Müller-Benedict 2008, 199). Müller- Benedict bringt diese Beobachtungen auf folgende Formel: „Dass es sich um eine Aufstiegskarriere handelte, ist auch daran abzulesen, dass sich die Söhne von Lehrern an höheren Schulen weniger am Beruf ihres Vaters orientierten, sondern zu einem hohen Anteil in die juristische Karriere strebten.“ (Müller- Benedict 2008, 198). Diese Verhältnisse änderten sich umgehend nach der Gleichstellung der Oberlehrer mit den Juristen im Jahr 1909 (s. u. Kap. 3.4.3 und 3.4.4). Die Zahl der Einschreibungen von Oberlehrersöhnen an der Juristischen Fakultät sanken auf 25 % im Jahr 1911/ 1912, während 28 % Philologie studierten (ohne Mathematik und Naturwissenschaften für das höhere Lehramt) (Bölling 1983, 43). Insgesamt war das nunmehr attraktiver gewordene höhere Lehramt die „wichtigst[e] Aufstiegsschleuse für die studierenden Söhne von mittleren Be‐ amten und insbesondere Volksschullehrern“ (etwas mehr als die Hälfte der studierenden Volksschullehrerkinder waren 1911/ 1912 für das höhere Lehramt eingeschrieben) (Bölling 1983, 44). Immer wieder wird als prototypischer Be‐ rufsweg von Generation zu Generation das Diktum „Volksschullehrerfamilie - Oberlehrerkarriere“ kolportiert (z. B. Bölling 1983, 44, Führ 1992, 445), Bölling schreibt sogar: „[…] so daß unter Berücksichtigung nur der studierenden Söhne die Statusfolge: Volksschullehrerfamilie - Oberlehrerkarriere ebenso wahrscheinlich geworden war wie die Berufsvererbung der traditionellen Aka‐ Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 193 <?page no="194"?> demikerberufe“ (Bölling 1983, 44, vgl. Führ 1992, 445). Über drei Generationen betrachtet kann man weiterhin eine prototypische „Aufstiegsleiter „Volksschul‐ lehrer - Oberlehrer - anderes akademisches Studium““ postulieren (Müller- Benedict 2008, 199). Die soziale Herkunft der Anfang des 20. Jahrhunderts allmählich zahlrei‐ cheren Studentinnen für das höhere Lehramt unterschied sich von dem Profil der Männer deutlich: Hier war der Anteil des Ursprungs aus höherer Beamtenfa‐ milien doppelt so hoch wie bei den Männern, entsprechend niedriger der Anteil der mittleren und unteren Beamtenschichten (1908 bis 1932: ca. 20 % aus höheren Beamtenfamilien, vs. 11 % bei den Männern, 33 % aus mittleren und niedrigeren Beamtenfamilien, vs. 42 % bei den Männern) (Müller-Benedict 2008, 199). Für junge Frauen, für die sich in historischer Perspektive überhaupt erstmals der Weg in eine akademische Laufbahn öffnete, war das höhere Lehramt also ganz offensichtlich entsprechend attraktiver. Mit Blick auf die oben beschriebenen Mangel- und Überfüllungsphasen (s. o. Kap. 3.1) kann man bezogen auf die soziale Herkunft der Lehramtskandidaten konstatieren, dass in Mangelphasen das Lehramt auch für nicht akademische Familien zugänglicher wirkte, in Überfüllungsphasen die soziale Rekrutierung hingegen wiederum exklusiver war: Die zyklisch wechselnden Arbeitsmarktchancen des höheren Lehramts-Studiums hatten aus verschiedenen Gründen auf die Studenten, die aus bisher nicht-akademi‐ schen Familien stammten, eine stärkere Attraktionsbzw. Abschreckungswirkung als auf Familien, die schon seit mehreren Generationen ihre soziale Stellung über Bildungspatente reproduzierten. Deshalb pendelte die soziale Herkunft gerade der höheren Lehramts-Karriere zwischen einer Öffnung nach unten in Mangelphasen (günstige Berufsaussichten) und einer Abschließung und wieder exklusiveren Her‐ kunft in Überfüllungsphasen. (Müller-Benedict 2008, 199) Nach Müller-Benedict war wiederum die soziale Herkunft als solche - neben der bis zur besoldungsmäßigen Gleichstellung mit den Juristen im Jahr 1909 (s. u., Kap. 3.4.3) geringeren Bezahlung, der niedrigeren Einstufung in den preußischen Hof- und Beamtenhierarchien sowie dem „geringere[n] Ansehen der philosophischen Fakultät als Ausbildungsinstitution“ - „eine Ursache für das das ganze 19. Jahrhundert währende geringere soziale Prestige des höheren Lehramts im Vergleich zu anderen beamteten Hochschulabsolventen und dem Militär.“ (Müller-Benedict 2008, 199). Insgesamt kann man für die Schulart Gymnasium als solche und für die Rekrutierung der Gymnasiallehrkräfte folgende überblickartige Einschätzung 194 Daniel Reimann <?page no="195"?> des 19. Jahrhunderts aufgreifen, die als Hintergrund für das Verständnis der untersuchten Personalunterlagen dienen kann: Entgegen weit verbreiteten Vorstellungen, war das Gymnasium im 19. Jahrhundert keine Standesschule nur für Söhne der Schichten von Besitz und Bildung und diente keineswegs ausschließlich der Selbstrekrutierung der Akademiker. Deren Söhne stellten etwa ein Drittel der Schüler. […] Wie die Schülerschaft, so stammten auch die Lehrer der Gymnasien überwiegend aus dem Kleinbürgertum und dem Mittel‐ stand. […] kam die Mehrzahl der Lehramtskandidaten um die Jahrhundertwende aus Familien von Volksschullehrern und nicht-akademischen Beamten sowie aus dem gewerbe- und handeltreibenden Bürgertum. […] Nach der Jahrhundertwende stellten Söhne von Handwerkern und Kleinkaufleuten (alter Mittelstand), von mittleren Beamten und Volksschullehrern (neuer Mittelstand) fast zwei Drittel aller Studie‐ renden der schulwissenschaftlichen Disziplinen. Kaum vertreten waren Aufsteiger aus den unteren sozialen Schichten, der Arbeiterklasse und den niederen öffentlich Bediensteten, deren Anteil an der Studentenzahl damals unterhalb von einem Prozent lag (was wiederum darauf zurückzuführen ist, daß sie schon im Gymnasium nicht vertreten waren). (Führ 1992, 444 f.) 3.3 Berufslaufbahn: Beamtenstatus, Amtsbezeichnungen, Titel und Charaktere, Einordnung in der preußischen Hofrangliste Seit 1794 sollten Gymnasiallehrer in Preußen nach dem Allgemeinen Landrecht den Beamten gleichgestellt sein. Sie waren aber noch keine Beamten im en‐ geren Sinn, so dass sie beispielsweise auch aus den Regelungen des ersten Gesetzes über Beamtenpensionen aus dem Jahr 1825 ausgenommen waren. Die Pensionen der Gymnasiallehrer wurden erst 1846 geregelt, ab 1852 galten die Lehrkräfte an staatlichen Gymnasien offiziell als Beamte, was beispielsweise auch eine Freistellung von der Wehrpflicht bedeutete (Müller-Benedict 2008, 188, 192). Lehrkräfte an städtischen Schulen, z. B. Realgymnasien (vgl. den Bei‐ trag Reimann zur schulhistorischen Kontextualisierung im vorliegenden Band, wurden sukzessive zu Kommunalbeamten ernannt (z. B. Führ 1992, 436). Der Beamtenstatus wurde dabei von der Lehrerschaft als Grundvoraussetzung von Bildungsfreiheit angesehen und daher auch unabhängig von den persönlichen Privilegien positiv konnotiert (z. B. Führ 1992, 436 f.). Dies ist auch vor dem Hintergrund des früheren, zweifachen Spannungsfelds externer Einflussnahme auf die Lehrkräfte am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts heraus zu verstehen, was Karl-Ernst Jeisemann wie folgt prägnant umreißt: Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 195 <?page no="196"?> In der äußeren, materiellen und personellen Situation auf die Patrone, d. h. meist auf die Kommunen angewiesen, in bezug auf die Inhalte des Unterrichts unter kirchlicher Aufsicht, begrüßte die Mehrzahl der an gelehrten Schulen tätigen Lehrer den reformerischen Zugriff des Staates. ( Jeisemann 1987, 153 f.) Die Amtsbezeichnungen, Titel, Charaktere und Ränge der einzelnen Lehrer werden in den Personalbögen regelmäßig erfasst. Aus diesem Grund soll zum Verständnis der Analysen hier in Grundzügen skizziert werden, wie sich die entsprechenden Bezeichnungen und Zuordnungen im untersuchten Zeitraum des 19. und frühen 20.-Jahrhunderts entwickelt haben. Nach der wissenschaftlichen Prüfung trat der Absolvent als „Probekandidat“ das unbezahlte Probejahr an (Bölling 1983, 30, Müller-Benedict 2008, 191, zum Probejahr s. o. Kap. 2.3). Mit erfolgreichem Abschluss des Probejahrs wurde eine grundsätzliche Anstellungsfähigkeit erreicht, der Kandidat durfte sich in der Folge „Wissenschaftlicher Hilfslehrer“ nennen und konnte auch, sofern er keine feste Stelle (Planstelle) erhielt, unter dieser Bezeichnung beispielsweise als Vertretungslehrer tätig werden (z. B. Bölling 1983, 30). Die Wartezeiten auf Planstellen variierten je nach Einstellungsbedarf und Absolventenzahl: War es beispielsweise in Jahren hohen Lehrerbedarfs wie den 1860er und 1870er Jahren oder den Jahren nach 1900 kaum ein Jahr durchschnittliche Wartezeit, so erhöhten sich die Wartezeiten in Phasen des Überangebots wie den 1880 und 1890er Jahren massiv. In den 1890er Jahren (sog. Überfüllungskrise) mussten anstellungsfähige Lehrer im Schnitt über sechs Jahre auf eine Festanstellung warten, für eine feste Einstellung im staatlichen Schuldienst sogar über acht Jahre (Bölling 1983, 30). Erstmals gab es seit den 1880er/ 1890er Jahren auch Wartelisten für qualifizierte Bewerber (so genannte „Kandidatenlisten“, s. o. Kap. 3.1). In diesen Wartezeiten mussten die Lehrer ihren Lebensunterhalt eben als Aushilfslehrer (als Überbrückungsmaßnahme gab es auch den „etatmäßig angestellte [n] Hilfslehrer“, der etwa so viel wie ein Volksschullehrer verdiente, Führ 1992, 439) oder auch mit ganz anderen Tätigkeiten sicherstellen (Bölling 1983, 30 f.). Nach dem Vorbereitungsdienst im Probejahr als „Probekandidat“ (Führ 1992, 442) und der (nicht zwingenden, aber eben in vielen Fällen realistischen) Phase als „Wissenschaftlicher Hilfslehrer“ ergaben sich bei Festanstellung im höheren Schuldienst zu verschiedenen Zeitpunkten jeweils unterschiedliche Positionen und Dienststellungen. Die entsprechenden Begrifflichkeiten sind in den untersuchten Personalbögen regelmäßig anzutreffen. Im Folgenden wird versucht, deren Entwicklung in groben Zügen zu umreißen: 196 Daniel Reimann <?page no="197"?> • Ab 1810 gab es „Unterlehrer“, die in den unteren Klassen des Gymnasiums unterrichteten, und „Oberlehrer“: Als solche wurden ausschließlich fest angestellte Lehrer mit voller Fakultas bis einschließlich der Oberstufe, die auch tatsächlich in der Oberstufe unterrichteten, bezeichnet (Führ 1992, 441). • Ab 1837 wurde sodann eine Unterscheidung zwischen „Lehrern“ (bis 1842) bzw. „ordentlichen Lehrern“ und „Oberlehrern“ vorgenommen. Ordent‐ licher Lehrer war jeder fest angestellte Lehrer eines Gymnasiums, als Oberlehrer wurden nur die so genannten „Ordinarien“ (Klassenlehrer) der Oberstufe bezeichnet (z. B. Bölling 1983, 31, Müller-Benedict 2008, 191). Für eine Ernennung zum Oberlehrer waren die wissenschaftliche Aktivität und Publikationstätigkeit (Bölling 1983, 35) sowie u. U. Zusatzprüfungen „pro loco“ oder „pro ascensione“ entscheidend (Müller-Benedict 2008, 191). Hieraus ergaben sich Unterschiede in der Pflichtstundenzahl (niedriger beim Oberlehrer) und in der Besoldung (höher beim Oberlehrer). Ältere Oberlehrer, die zudem wissenschaftliche Arbeiten (z. B. in den zwischen 1824 und 1875 verpflichtenden Schulprogrammschriften) vorgelegt hatten, konnten mit dem Titel bzw. Charakter „Professor“ geehrt werden, der ab 1843 zugleich die Aufnahme in den Rang der Räte V. Klasse der preu‐ ßischen Hofrangliste, mithin eine Anerkennung als höherer Staatsdiener, implizierte. Sie erhielten damit den gleichen Rang wie außerordentliche Professoren an den Universitäten (Wiese 1864, 568, Bölling 1983, 31, Müller- Benedict 2008, 191 f.). Dies wirkte sich wiederum sowohl auf Besoldung als auch auf das Sozialprestige aus (Bölling 1983, 31). Die mit dem Professo‐ rentitel versehenen Oberlehrer wurden also außerordentlichen Professoren an Universitäten gleichgestellt, während Direktoren vom Rang her seit 1842/ 1843 ordentlichen Professoren gleichgestellt waren und ihnen der Rang der Räte IV. Klasse zuerkannt worden war (Führ 1992, 442). Seit 1845 wurde zusätzlich eine Unterscheidung zwischen „ordentlichen Lehrern“, „etatsmäßigen Oberlehrern“ und „Titular-Oberlehrern“ (persönliche Aus‐ zeichnung bei Bewährung, vor etwaiger Zuweisung einer etatsmäßigen Oberlehrerstelle) eingeführt (Wiese 1864, 569, Führ 1992, 442). • 1886 wurden alle Lehrer an staatlichen höheren Schulen in den Rang der Räte V. Klasse, mithin den höheren Staatsdienst, aufgenommen (z. B. Bölling 1983, 31, Führ 1992, 442). • Ab 1892 wurde die Dienstbezeichnung „Oberlehrer“ für alle Lehrer der höheren Schulen generalisiert. Ein Drittel (die Dienstältesten, nach frühes‐ tens 12 Dienstjahren), ab 1906/ 1907 die Hälfte der Oberlehrer, durfte auch den Titel eines „Professors“ führen. Damit einher ging nunmehr auch die Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 197 <?page no="198"?> Einordnung unter die Räte IV. Klasse - zunächst nur für die Hälfte dieser „Professoren“, ab 1898 für alle (Beier 1909, 747 ff., Bölling 1983, 31, Führ 1992, 442, Müller-Benedict 2008, 192). • Insofern auch nicht wissenschaftliche Lehrer an höheren Schulen und teilweise besonders qualifizierte Lehrer an Volksschulen als „Oberlehrer“ bezeichnet wurden, beklagten die wissenschaftlich voll ausgebildeten Gym‐ nasiallehrer eine Entwertung ihrer Amtsbezeichnung und suchten nach einer würdigeren Bezeichnung. Wiederum in Anlehnung an den Bereich des höheren Justizdienstes und unter Rückgriff auf den in Bayern bis 1891 üblichen Zusatz „Studien-“ (Führ 1992, 443) wurden die Bezeichnungen Studienreferendar, Studienassessor und Studienrat vorgeschlagen, die ab 1918/ 1920, verbunden mit der Einordnung in den Rang der Räte IV. Klasse, eingeführt wurden. Damit verbunden war allerdings der generelle Verzicht auf den Titel eines „Professors“ (z. B. Bölling 1983, 31 f., Führ 1992, 441, 443). Ab 1920/ 1921 wurde zwar die Beförderungsstelle des Oberstudienrats geschaffen, sie konnte aber vom Prestige her nicht mit dem verlorenen „Professorentitel“ konkurrieren (Bölling 1983, 32) und wurde zunächst nur sehr wenigen Lehrkräften übertragen (zwischen 2 % und 3 % von 1922 bis 1931, Müller-Benedict 2008, 193). Ab 1922 wurden auch die Amtsbezeich‐ nungen des Studiendirektors und des Oberstudiendirektors, primär für die Leiter von Nicht-Vollanstalten bzw. von Vollanstalten, eingeführt (Müller- Benedict 2008, 192). Aufstiegsmöglichkeiten bestanden im 19. Jahrhundert in der Regel nur innerhalb der Schule zum Direktor - nach einem entsprechenden Colloquium pro rectoratu (Führ 1992, 443) -, da leitende Positionen in der Schulverwaltung, ausgenommen die wenigen Stellen als Provinzialschulrat (Führ 1992, 443), „fast ausnahmslos mit Juristen besetzt wurden“ (Bölling 1983, 32). Um 1900 waren etwa 9 % aller höheren Lehrer in Planstellen Direktoren, um 1930 etwa 8 % (Müller- Benedict 2008, 193). Im Ministerium war die höchste für Gymnasiallehrer erreichbare Stellung die des „Vortragenden Rats“ (Führ 1992, 443). Die schlechten Beförderungschancen wurden auch von den Gymnasiallehrern immer wieder angemahnt, folgende Eckdaten verdeutlichen die Situation: „In Preußen hatte um 1900 jeder fünfte Jurist die Chance, eine höhere Stelle zu erreichen, bei den Oberlehrern nur jeder zwölfte“ (Führ 1992, 443). Bei der Besetzung der Direktorenstellen war im ersten Drittel des 19. Jahrhun‐ derts die wissenschaftliche Qualifikation relevant, ab etwa den 1840er Jahren das „Kriterium staatspolitischer und kirchlicher Gesinnungstüchtigkeit“ essentiell (Bölling 1983, 32). Die Direktoren hatten innerhalb der Schule eine deutlich 198 Daniel Reimann <?page no="199"?> herausgehobenere Position als heute, Mitbestimmungsrechte der Oberlehrer in Konferenzen gab es erst seit 1910. Rainer Bölling resümiert anschaulich: Solche personalpolitischen Maßnahmen waren um so wirkungsvoller, als nach den Dienstanweisungen alle wesentlichen Entscheidungskompetenzen beim Direktor lagen, gegenüber dessen Machtvollkommenheit das gesamte Kollegium ohne Einfluß war. Erst 1910 erhielten die Oberlehrer Mitbestimmungs- und Beschlußrecht auf den Ebenen der Gesamtkonferenz (z. B. Entscheidung über Anstaltsverweisung eines Schülers), der Klassenkonferenz (Versetzung der Schüler, Zeugnisse, Schulstrafen) und der Fachkonferenz (z.-B. Einführung von Schulbüchern). (Bölling 1983, 32) 3.4 Arbeitsbedingungen und wissenschaftlicher Anspruch, höherer Justizdienst als Referenz und standespolitische Organisation, Besoldung und Zulagen 3.4.1 Arbeitsbedingungen: Klassengrößen und Pflichtstundenzahl Die Arbeitsbedingungen gehen in einem ersten Schritt mit den Klassengrößen, aber auch mit dem Lehrdeputat (der Pflichtstundenzahl) einher. Da diese Ver‐ hältnisse zur Analyse und Interpretation der untersuchten Personalunterlagen nicht unmittelbar erforderlich waren, wird der diesbezügliche Forschungsstand mit dem Ziel eines insgesamt besseren historischen Verständnisses hier nur in groben Zügen zusammengefasst. Zugleich ist offensichtlich, dass etwa Möglich‐ keiten der wissenschaftlichen Forschungs- und Publikationstätigkeit, die in den Personalbögen erfasst wurde, ganz spürbar von solchen äußeren Umständen der Berufstätigkeit abhängen. Die Entwicklung der Gesamtgröße der höheren Schulen umreißt Bölling wie folgt: 1832 zählte noch jedes zweite Gymnasium weniger als 200, nur eines mehr als 500 Schüler. 1904 dagegen war der Anteil der kleinen Anstalten (unter 200 Schüler) auf ein Viertel gesunken, und fast ebenso viele hatten bereits zwischen 500 und 1000 Schüler. (Bölling 1983, 32; vgl. z.-B. Geißler 2011, 135) Bölling rekonstruiert in der Folge, dass 1832 die Schülerzahl pro Klasse etwa bei maximal 20 gelegen haben muss, während gegen Mitte des Jahrhunderts die Schülerzahlen derart rapide angestiegen waren, „daß 1867 die maximale Schülerzahl für die unteren Klassen auf 50, die mittleren auf 40 und die oberen auf 30 festgesetzt wurde.“ Offensichtlich gab es teilweise sogar noch größere, andererseits aber nach wie vor auch kleinere Klassen. Die großen Unterschiede, die wiederum Unterschiede nicht nur in der Lernqualität seitens der Schüler, sondern eben auch in der Arbeitsbelastung seitens der Lehrer implizieren mussten, veranschaulicht Bölling am Beispiel Berlins wie folgt: „An den 28 Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 199 <?page no="200"?> höheren Schulen Berlins gab es 1906 drei Oberprimen mit mehr als 30 und eine Quarta mit 60 Schülern, aber auch 16 Oberprimen und sogar fünf Quarten mit weniger als 20 Schülern.“ (Bölling 1983, 33) Das Deputat bzw. die Pflichtstundenzahl der Lehrkräfte (Unterrichtsstunden) wurde erstmals 1863 festgelegt, vorher gab es je nach Schulstandort erhebliche Unterschiede. Ab 1863 galten als Maximalstundenzahlen: 22 bis 24 Unterrichts‐ stunden für ordentliche Lehrer, 20 bis 22 Stunden für Oberlehrer, 14 bis 16 für Direktoren. Dabei galt, dass diese Höchststundenzahlen nur dann zulässig waren, wenn „die Klassenfrequenzen gering waren und keine umfangreicheren Korrekturen erledigt werden mußten“ (Bölling 1983, 33). Ab 1892 wurde die bisherige Maximalstundenzahl von 24 zur „allgemeinen Pflichtstundenzahl“ für alle Lehrer an höheren Schulen erklärt, die für Oberlehrer höherer Dienst‐ altersstufen um zwei Stunden reduziert werden konnte. Diese Erhöhung der Pflichtstundenzahl ging einher mit einer Besoldungserhöhung im Jahr 1892 (s. u. Kap. 3.4.4) (Bölling 1983, 33). Im Jahr 1901 wurde insofern wieder eine leichte Entlastung verfügt, als die Reduktion um zwei Stunden bereits nach 12 Dienstjahren einsetzen, nach 24 Dienstjahren eine Reduktion um weitere zwei Stunden erfolgen sollte, ältere Oberlehrer also nur 20 statt 24 Stunden unterrichten mussten (Bölling 1983, 34). Im Jahr 1911 ergab sich indirekt eine weitere kleine Reduktion, da die Unterrichtsstunden von bis dahin üblichen 50 Minuten auf 45 Minuten verkürzt wurden (Bölling 1983, 34) 3.4.2 Wissenschaftlicher Anspruch, Beteiligung am Kulturleben und Selbstverständnis als Beamte Der wissenschaftliche Anspruch der Philologen/ Gymnasiallehrer und des Gym‐ nasiums im 19. Jahrhundert zeigt sich in den untersuchten Dokumenten u. a. daran, dass in den Formularen in ihren verschiedenen Varianten großer Raum für Angaben zu einer etwaigen Promotion und vor allem zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen vorgesehen ist (vgl. den Beitrag Adamus/ Lubinski/ Mer‐ holz/ Reimann zu Korpus und Methode im vorliegenden Band). Bis etwa 1840 war die wissenschaftliche Qualifikation beispielsweise ein entscheidendes Kri‐ terium bei der Besetzung von Direktorenstellen, bis in die 1890er Jahre auch bei der Besetzung der Oberlehrerstellen (Bölling 1983, 32, s.-o. Kap. 3.3). Gymnasiallehrer standen also im 19. Jahrhundert in unmittelbarem Kontakt zur Wissenschaft, Wechsel an die Universität waren zunächst keine Ausnahme. Letztlich bildeten Gymnasium und Universität auch insofern eine Einheit, als lange Zeit einzig das (humanistische) Gymnasium den Zugang zur Universität ermöglichte. Mit der Ablösung der Theologen durch die Philologen hatte sich auch das Selbstverständnis der Gymnasiallehrer verändert. Sie fühlten 200 Daniel Reimann <?page no="201"?> sich nicht nur als einem eigenen Berufsstand zugehörig, sondern definierten sich auch über ihr wissenschaftliches Selbstverständnis: „Der Gymnasiallehrer wurde noch selbstbewusster, er sah sich nun nicht mehr als frommer Gelehrter, sondern als gebildeter Akademiker und Fachwissenschaftler und fühlte sich zum Bildungsbürgertum zugehörig.“ (Enzelberger 2001, 51). R. Steven Turner formuliert das wissenschaftliche Selbstverständnis der frühen Gymnasiallehrer prägnant wie folgt: „Die neuen akademischen Oberlehrer sahen sich veranlaßt, sich mit den professionellen Standards ihrer Disziplin zu identifizieren, nicht mit solchen der Pädagogik oder einer sozialen Dienstleistung.“ (Turner 1987, 239) Der wissenschaftliche Anspruch ging im Laufe des 19. Jahrhunderts aller‐ dings immer weiter zurück, eine deutlich „sinkende Teilhabe am wissenschaft‐ lichen Leben“ lässt sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts feststellen (Bölling 1983, 34). Christoph Führ formuliert sehr pointiert, „in der Bismarck-Ära [sei] der alte humanistische Gelehrtentypus vom philologischen Drillmeister und Unterrichtsbeamten abgelöst worden“ (Führ 1992, 451, offensichtlich in Anlehnung an Hartmut Titze; insgesamt scheint die Formulierung überspitzt, kann aber eine Tendenz jener Zeit wiedergeben, vgl. auch Mandel 1989, 43, Müller-Benedict 2008, 187, u. a.). Als ein Symptom für das allmähliche Nach‐ lassen des wissenschaftlichen Anspruchs der Gymnasiallehrer an sich selbst kann die Entwicklung der Jahresberichte und Programmschriften der Schulen angesehen werden. Diese mussten ursprünglich je eine wissenschaftliche Ab‐ handlung enthalten, was ab 1875 nicht mehr verpflichtend war - die Zahl der wissenschaftlichen Beiträge sank danach rapide ab, auch die inhaltlichen Schwerpunkte verschoben sich in Richtung praxisrelevanter und pädagogischer Fragestellungen: [sc. Die sinkende Teilhabe am wissenschaftlichen Leben] läßt sich an den wissen‐ schaftlichen Abhandlungen in den gedruckten Schulprogrammen ablesen, deren jährliche Herausgabe den höheren Schulen 1824 zur Pflicht gemacht worden war. 1876 - ein Jahr nach Aufhebung des Pflichtcharakters - wurden über 500 Abhand‐ lungen herausgegeben, 1908 waren es nur noch 272, obwohl die Zahl der Oberlehrer sich inzwischen etwa verdoppelt hatte. Zudem gingen die fachwissenschaftlichen Abhandlungen zugunsten solcher aus dem Bereich der Pädagogik und Methodik zurück, die 1876 gut ein Fünftel, 1908 aber die Hälfte aller Programmabhandlungen ausmachten. (Bölling 1983, 34) Ein weiteres Symptom ist die Zahl der promovierten Gymnasiallehrer. Sie ging nach der Wende zum 20. Jahrhundert sehr stark zurück: Waren etwa 1908 noch etwa 50 % der Direktoren und Oberlehrer promoviert, so waren es im gleichen Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 201 <?page no="202"?> Jahr unter den wissenschaftlichen Hilfslehrern nur noch etwa 30 % (Bölling 1983, 34). Rainer Bölling sieht die Gründe hierfür einerseits in den Wissenschaften selbst, die sich so sehr weiterentwickelten, dass ein Lehrer ihnen nicht über sein Berufsleben hinweg aus nächster Nähe folgen konnte, andererseits auch im Lehramt selbst, insofern ab 1892 alle fest angestellten Gymnasiallehrer „Oberlehrer“ waren, es praktisch keine weiteren Aufstiegschancen mehr gab und Besoldungsaufstiege lediglich nach dem Dienstalter erfolgten (Bölling 1983, 34 f., Müller-Benedict 2008, 192, s.-o., Kap. 3.3). Bölling führt weiterhin aus: Die Aussichten auf eine Universitätskarriere waren gegenüber der ersten Jahrhun‐ derthälfte [sc. des 19. Jahrhunderts] ohnehin gesunken. Je weniger somit die wis‐ senschaftliche Tätigkeit berufliche Aufstiegschancen eröffnete, desto schneller wan‐ delten sich die akademisch gebildeten Lehrer zu reinen Vermittlern wissenschaftlicher Erkenntnisse, an deren Gewinnung sie kaum noch beteiligt waren, ja deren bloße Rezeption sich zunehmend schwieriger gestaltete. (Bölling 1983, 35) Zugleich wurde bei den Gymnasiallehrern das Bewusstsein für die erzieherische Aufgabe immer größer, so dass z. B. auch die Philologenvereine und ihr Vereinsverband (s. u. Kap. 3.4.3) in ihren Argumentationen gerade auch auf die Erziehungsaufgaben abhoben (z. B. Führ 1992, 449). So formulierte der Vorstand des Vereinsverbandes im Jahre 1906: Die Charakterisierung unseres Standes als „Gelehrtenstand“ treffe nicht mehr zu und könne, ja dürfe nur noch für einzelne von uns zutreffen, weil unsere Hauptaufgabe in der Erziehung des Schülers, in der Bildung seines Charakters, in der Entwicklung aller geistigen und sittlichen Kräfte bestehe. Gewiß müsse unsere Arbeit auf gelehrter Grundlage aufgebaut sein, gewiß habe jeder die Pflicht, in unmittelbarer Berührung mit der Wissenschaft zu bleiben, aber Gelehrte zu sein, wie es früher möglich gewesen, das machten die heute viel größeren pädagogischen Pflichten, die wir zu erfüllen hätten, geradezu unmöglich. (zit. in Führ 1992, 448) In der Folge dieser Distanzierung von der laufenden Weiterentwicklung und Weiterbildung des Wissens und der Wissenschaften wurde auch die Frage nach der Lehrerfortbildung immer stärker thematisiert (Bölling 1983, 35). Neben der Wissenschaftsnähe sei eine weitere Facette des Selbstverständ‐ nisses der Gymnasiallehrer im 19. Jahrhundert in Erinnerung gerufen, die in den Personalbögen auch insofern erfasst wird, als neben wissenschaftlichen auch „literarische“ Veröffentlichungen erfasst werden konnten: Gymnasiallehrer nahmen als Gelehrte aktiv am Kulturleben ihrer Dienst- und Wohnorte teil, insbesondere auch in der Provinz spielten sie für das lebenslange Lernen der Be‐ völkerung eine wichtige Rolle, prägten das soziale Leben, gründeten charitative 202 Daniel Reimann <?page no="203"?> Einrichtungen (beispielsweise Waisenhäuser) usw. In gewisser Hinsicht waren sie auch Vorläufer der späteren und heutigen Erwachsenenbildung, indem sie Vorträge für die Öffentlichkeit hielten usw. Christoph Führ bringt das prägnant wie folgt auf den Punkt: […] Prägten sie doch maßgeblich das Kulturleben vor allem in den Klein- und Mittelstädten, wirkten in damaligen Formen der Erwachsenenbildung mit, traten in der Heimat- oder landesgeschichtlichen Forschung hervor und hatten so einen weit über die Schule hinausreichenden Einfluß auf ihre Mitbürger. (Führ 1992, 449) Gert Geißler wiederum formuliert anschaulich: Die Schulmänner treten mit wissenschaftlichen Veröffentlichungen hervor, bringen sich ein in das öffentliche Vortragswesen und betätigen sich so auf einem Feld, das später mit den Institutionen der Erwachsenenbildung […] besetzt werden wird. (Geißer 2011, 146) Demgegenüber dürften sich weite Teile der höheren Lehrerschaft - jenseits des berufs- und standespolitischen Engagements vor allem seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts - politisch eher wenig engagiert haben. Dies ist auch in ihrer Rolle als Beamte begründet (weiterführend vgl. Führ 1992, 449-452). Das Selbstverständnis der Gymnasiallehrer als Beamte wiederum skizzierte Friedrich Paulsen Anfang des 20. Jahrhunderts wie folgt - in sicherlich idealistischen Formulierungen, angesichts des Anlasses seines Vortrags beim ersten so genannten „Oberlehrertag“ im Jahr 1904 dürften diese Formulierungen aber von vielen Oberlehrern befürwortet worden sein: Der Lehrer ist Beamter, aber ein Beamter von besonderer Art; er ist „Kulturbeamter“, nicht politischer Beamter; er steht im Dienst nicht eigentlich des politischen Gemein‐ wesens, sondern der nationalen Kultur, des Staats nur, sofern dieser selbst die Kultur sich zum Zweck macht. […] Das Lehramt muß eine Art exemter Stellung einnehmen, eine Stellung analog des geistlichen Amts in den alten Landeskirchen … […] (zit. in Führ 1992, 452) Das berufliche Selbstverständnis, die Teilhabe am Wissenschaftsbetrieb und die Beteiligung am Kulturleben abwägend kommt etwa Christoph Führ zu folgender Würdigung der gesellschaftlichen Bedeutung der Lehrkräfte höherer Schulen im 19.-Jahrhundert: Unstrittig dürfte sein, daß die höheren Schulen und ihre Lehrer maßgebliche Voraus‐ setzungen für den politischen und gesellschaftlichen Wandel Deutschlands von der Agrarzur Industriegesellschaft schufen. (Führ 1992, 417) Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 203 <?page no="204"?> 3.4.3 Der höhere Justizdienst als Referenz und die berufs-/ standespolitische Organisation der Gymnasiallehrer In unmittelbarem Zusammenhang mit der Entwicklung der Amtsbezeich‐ nungen und der Besoldung (dazu vgl. Kap. 3.3 und 3.4.4) ist die Orientierung der Gymnasiallehrer am Status des höheren Justizdienstes zu sehen, die sich leitmotivartig durch die berufs- und standespolitischen Debatten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts - insbesondere seit 1870 (Führ 1992, 439) - und des frühen 20. Jahrhunderts zieht, bis eine entsprechende Gleichstellung zu Beginn 20.-Jahrhundert erreicht werden konnte. Dieses Bemühen ist in unmittelbarem Zusammenhang mit der Entwicklung der berufs- und standespolitischen Or‐ ganisation der Gymnasiallehrer zu sehen, welche daher in diesem Abschnitt ebenfalls kurz gewürdigt werden soll. Ziel der Gymnasiallehrer war die Gleich‐ stellung mit den Richtern erster Instanz (d. h. Amts- und Landrichter), die für sie eine „normative Bezugsgruppe“ darstellten (Bölling 1983, 36). Diese Gleichstellung wurde bereits 1845 vom Kultusminister Eichhorn angeregt, 1872 als Regierungsvorlage vom Abgeordnetenhaus abgelehnt und schließlich erst ab 1909 realisiert (in Bayern beispielsweise bereits 1872 - hier wurden damals „Studienlehrer“, die in den fünf unteren Klassen des Gymnasiums unterrichten durften, wie Richter der niedrigsten Kategorie, Gymnasialprofessoren der Ober‐ stufe sogar wie Oberamtsrichter eingestuft - in Hessen 1898, Bölling 1983, 36, 37, 41, Führ 1992, 419, 439 f.). Der Landtag argumentierte 1872, die (Ober-) Lehrer hätten „weniger Dienst‐ stunden und längere Ferien [als die Richter] und kämen leicht zu Nebeneinan‐ nahmen durch Privatunterricht und Aufnahme von Pensionären“ (Führ 1992, 440), doch schon 1890 erging eine Kabinettsorder von Wilhelm II., in der er ver‐ lauten ließ, es sei „unerläßlich, daß die äußeren Verhältnisse des Lehrerstandes, wie dessen Rang- und Gehaltsverhältnisse eine entsprechende Regelung er‐ fahren“ (zit. in Führ 1992, 440). Schließlich setzten sich Argumente wie die des Oberlehrers Heinrich Schröder durch, der in seiner weit rezipierten Schrift „Oberlehrer und Richter in Preußen“ im Jahr 1896 folgende Punkte vorbrachte: längere Ausbildung als bei vergleichbaren Beamten, höhere Belastung (durch Statistiken zur Sterblichkeit von Oberlehrern untermauert), geringste Bezah‐ lung einschließlich Hinterbliebenenversorgung und Beförderungsaussichten unter vergleichbaren Beamtenkategorien (Führ 1992, 440). Dass es letztlich zur angestrebten Gleichstellung kommen konnte, ist sicher‐ lich eine Folge der berufsbzw. standespolitischen Organisation der Gymnasi‐ allehrer (vgl. z. B. Führ 1992, 442). Als Vorläufer eines Gymnasiallehrerverbandes im weiteren Sinne kann der „Verein deutscher Philologen und Schulmänner“ gelten, der erstmals 1837 in einer „Versammlung deutscher Philologen und 204 Daniel Reimann <?page no="205"?> Schulmänner“ zusammenkam (z. B. Bölling 1983, 47, Führ 1992, 446). Bei der Gründungsversammlung - angeregt von Friedrich Thiersch - kamen 27 Teilnehmer zusammen, überwiegend Universitätsprofessoren, Schulleiter und Vertreter der Schulverwaltung, darunter auch Alexander von Humboldt (Führ 1992, 446). Philologenvereine als Interessenvertretungen im engeren Sinne wurden in den verschiedenen Regionen des Deutschen Reichs im Wesentlichen seit den 1870er/ 1880er Jahren gegründet, als die berufliche Situation der Phi‐ lologen besonders schlecht war („Überfüllungskrise“, lange Wartezeiten auf Festanstellung, Unzufriedenheit mit der Besoldung, vgl. z. B. Kap. 3.1, 3.4.4) (vgl. Bölling 1983, 47; Vorläufer sind z. B. in Berlin der 1844 gegründete „Berliner Gymnasiallehrerverein“ (z. B. Führ 1992, 446 f.) oder in Bayern der 1863/ 1864 gegründete der „Verein von Lehrern an bayerischen Studienanstalten“ (Bölling 1983, 49 f.), seit 1886 „Bayerischer Gymnasiallehrerverein“, seit 1924 „Verein bayerischer Philologen“, nach dem zweiten Weltkrieg „Bayerischer Philologen‐ verband“). Dem Preußischen Philologenverband gehörten gegen Ende der Wei‐ marer Republik ca. 95 % aller höheren Lehrer an (Müller-Benedict 2008, 200). Ab 1903 kam es auch zu Zusammenschlüssen der Philologenvereine bzw. zur Grün‐ dung von Dachverbänden auf Reichsebene, namentlich wurden 1903 zunächst der „Vereinsverband akademisch gebildeter Lehrer Deutschlands“ gegründet, der 1921 in den „Deutschen Philologenverband“ (DPhV) überführt wurde (z.-B. Bölling 1983, 50) und als solcher bekanntlich bis heute besteht. Ebenfalls 1903 - nach einer punktuellen, frühen Initiative im Jahr 1848, die sich zunächst im Kontext der Restauration nicht etablieren konnte, und der kontinuierlichen Entwicklung einer Interessenvertretung seit den 1870er Jahren (Küpper 1987, 189), u. a. der Gründung des Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenvereins im Jahr 1890 (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 92) - organisierten sich die Lehre‐ rinnen an höheren Schulen zunächst separat in einem „Verband akademisch gebildeter Lehrerinnen“, der 1922 in den „Deutschen Philologinneverband“ überführt wurde und 1927 etwa 60 % aller Lehrerinnen des höheren Schuldi‐ enstes vertrat. Von den männlich geprägten Philologenverbänden wurden sie damals noch immer als Konkurrenz erachtet (Müller-Benedict 2008, 201). Der Vereinsverband vertrat die große Mehrheit aller Lehrer höherer Schulen, war entsprechend einflussreich und konnte die Interessen der Gymnasiallehrer - etwa die Gleichstellung mit den Richtern, verbunden mit einer spürbaren finanziellen Besserstellung - nach seiner Gründung innerhalb Preußens dann auch relativ schnell im Jahr 1909 durchsetzen. Noch heute vertritt der Deutsche Philologenverband mit ca. 90.000 Mitgliedern (Nachricht an den Verf. vom 11.09.2023) mittelbar noch immer mehr als die Hälfte der Gymnasiallehrkräfte in Deutschland. Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 205 <?page no="206"?> Ein „Allgemeiner Deutscher Realschulmännerverein“, der gerade auch im Rheinland und in Westfalen große Wirkmacht entfalten konnte, wurde bereits 1876 gegründet (Herrlitz/ Hopf/ Titze/ Cloer 2009, 69). Etwa zeitgleich wurde in den 1880er Jahren auch der erste Fachverband der Fremdsprachenlehrer gegründet („Verein für neue Sprachen“ 1880, dann „Allgemeiner Deutscher Neuphilologen-Verband (ADNV) 1886, vgl. den einführenden Beitrag Reimann zu einer Grundlegung der Geschichte der romanistischen Lehrerbildung im vorliegenden Band). 3.4.4 Besoldung und Zulagen Ähnlich wie die Pflichtstundenzahl erst 1863 festgelegt wurde (s. o., Kap. 3.4.1), so war auch die Besoldung in der gesamten ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom jeweiligen Schulträger abhängig (Bölling 1983, 35). Lehrer an städtischen und privaten Schulen, aber auch an höheren Mädchenschulen („Töchterschul- Lehrer“) waren in der Regel schlechter gestellt (z. B. Müller-Benedict 2008, 196). Geprüfte Oberlehrerinnen, die es seit 1894 gab (s. o. zu den Prüfungsordnungen, Kap. 2.1.8), verdienten beispielsweise noch um 1905 nur etwa halb soviel wie die männlichen Kollegen an der jeweils selben Schule, 1920 lag ihr Gehalt noch 10 % unter dem der Kollegen (Müller-Benedict 2008, 197). Insgesamt galt das Prinzip des so genannten (schulinternen) „Stellenetats“, d. h., dass einzelne Planstellen mit unterschiedlicher Besoldung versehen waren und ein Lehrer innerhalb seiner Schule nur dann eine höher dotierte Stelle erreichen konnte, wenn jene z. B. durch Pensionierung oder Versetzung frei wurde (Bölling 1983, 35 f.). Mit Christoph Führ seien in einem ersten Schritt folgende Anhaltspunkte zur Einschätzung der Gehälter von Gymnasiallehrern im 19.-Jahrhundert erinnert: Grob gesprochen, lag die Gymnasiallehrerbesoldung zwar oberhalb der Elementar‐ lehrer (Volksschullehrer), aber unterhalb der juristisch vorgebildeten Verwaltungsbe‐ amten und Richter. Direktoren größerer Schulen wurden etwa wie Universitätspro‐ fessoren besoldet. (Führ 1992, 437) Im Jahr 1852 erließ das Kultusministerium erstmals Richtwerte für die Lehrer‐ besoldung: „1000 Taler Jahresgehalt für den Direktor, 800 für den zweiten Lehrer, 700 für den dritten und vierten, 600 für die nächsten drei“ (Bölling 1983, 36). Ein weiterer Meilenstein in Richtung einer einheitlichen Lehrerbesoldung ist der so genannte Normaletat des Jahres 1863. Ein Normaletat war allerdings nur ein vom Landtag verabschiedeter „Zielrahmen“, so dass der Normaletat von 1863 bis zu seiner Revision 1872 noch nicht vollständig umgesetzt war (Führ 1992, 438); zugleich galt er nur für die staatlichen und staatlich finanzierten Gymnasien (Bölling 1983, 36). Dennoch ist die Bedeutung dieses Normaletats mit Blick 206 Daniel Reimann <?page no="207"?> auf eine systematisch strukturierte Lehrerbesoldung nicht zu unterschätzen. Es wurden Mindest- und Höchstgehälter für Direktoren und ordentliche Lehrer festgesetzt. Das Direktorengehalt war beinahe doppelt so hoch wie das der anderen Lehrer. Die Gehälter wurden bezogen auf drei „Ortsklassen“ festgelegt (Bölling 1983, 36). Dabei wurden folgende Gehaltsmargen festgelegt: Dritte Ortsklasse: 500 bis 1000 (Durchschnitt: 750, Direktoren: 1200 bis 1400) Taler, zweite Ortsklasse: 550 bis 1150 (Durchschnitt: 850, Direktoren: bis 1600) Taler, erste Ortsklasse: 600 bis 1300 (Durchschnitt 950, Direktoren: bis 1800) Taler, Berlin genoß einen Sonderstatus und ordentliche Lehrkräfte wie auch Direk‐ toren erhielten Gehälter, die über denen der ersten Ortsklasse lagen (Müller- Benedict 2008, 196). Der Normaletat von 1863 war (wie auch die nachfolgenden bis 1892) nach wie vor ein Stellenetat (s. o., vgl. z. B. Führ 1992, 438). Insgesamt implizierte der Normaletat von 1863 eine Gehaltserhöhung für die Gymnasial‐ lehrer, die aber durch gleichzeitige Preissteigerungen weitgehend ausgeglichen wurden (Bölling 1983, 36). Der Normaletat von 1872 wiederum brachte Besoldungserhöhungen von etwa 25 %, aber nach wie vor nicht die erstrebte Gleichstellung mit den Richtern (Bölling 1983, 37, s. o., Kap. 3.4.3), insbesondere mit einer neuen Gerichtsverfassung von 1879 vergrößerte sich der Abstand sogar wieder (Führ 1992, 438). Erstmals galt der Normaletat nicht nur für die Gymnasien, son‐ dern auch für die (staatlichen und staatlich finanzierten) Realschulen erster Ordnung („Realgymnasien“). Das Gehalt rangierte zwischen 1.800 und 4.500 Mark Jahresgehalt (für Berlin: 2.100 bis 5.100 Mark); eine Gehaltserhöhung war nach wie vor nur im Rahmen des Aufstiegs innerhalb des Stellenetats möglich (s. o.). Die Direktoren waren nach wie vor deutlich besser gestellt, sie verdienten - in zwei Ortsklassen unterschieden - zwischen 4.500 und 6.000 Mark (Berlin: 6.600 Mark) (Bölling 1983, 37). An Nicht-Vollanstalten - etwa Progymnasien ohne Oberstufe - war das Gehalt bis ca. 20 % niedriger (Bölling 1983, 37). Aufgrund der stark angestiegenen Mietpreise wurde 1873 ein Wohnungsgeldzuschuss für Staatsbeamte eingeführt. Die ordentlichen Lehrer erhielten einen Zuschuss - wiederum nach Ortsklassen gestaffelt - zwischen 180 und 540 Mark und wurden dadurch wie „mittlere Beamte“ behandelt, die Oberlehrer und Direktoren erhielten den Zuschuss für „höhere Beamte“ in Höhen zwischen 360 und 900 Mark (je nach Ortsklasse) (Bölling 1983, 39, Müller-Benedict 2008, 196 f.; viele Lehrer an städtischen Schulen - noch um die Wende zum 20. Jahrhundert etwa zwei Drittel aller preußischen Oberlehrer (Bölling 1983, 39, vgl. z. B. Müller-Benedict 2008, 187 f.) - erhielten keinen Wohngeldzuschuss durch den Schulträger (Bölling 1983, 37)). Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 207 <?page no="208"?> Der Normaletat von 1892 brachte den Gymnasiallehrern eine spürbare finan‐ zielle Besserstellung, die sie allerdings mit einem erhöhten Unterrichtsdeputat auch nicht ohne Gegenleistung erhielten (s. o. Kap. 3.4.1, Bölling 1983, 38). Dieser Normaletat galt nunmehr für alle höheren Schulen (einschließlich der Gewährung des Wohngeldzuschusses), wenn er auch für die nichtstaatlichen Schulträger erst 1929 zur bindenden Rechtsvorschrift erhoben wurde (s. u. „Studienratsgleichstellungsgesetz“, Bölling 1983, 38, Müller-Benedict 2008, 197). Weiterhin wurde nunmehr das Prinzip des Stellenetats durch einen Dienstal‐ tersaufstieg ersetzt. Das Gehalt der Oberlehrer - nunmehr waren alle fest angestellten Gymnasiallehrer Oberlehrer (s. o., Kap. 3.3) - entwickelte sich in den ersten 27 Dienstjahren von 2.100 Mark zu 4.500 Mark, die Gleichstellung mit den Richtern erster Instanz wurde aber immer noch nicht vollzogen (diese verdienten zwischen 2.400 und 6.000 Mark, Bölling 1983, 38). 50 % der Lehrer (an Nicht-Vollanstalten 25-%) erhielten darüber hinaus, neben dem Wohnungs‐ geldzuschuss, eine pensionsfähige Zulage von 900 Mark. Zwar sollte diese ursprünglich nur aufgrund besonderer wissenschaftlicher und unterrichtlicher Leistungen vergeben werden, doch wurden bald die Noten in den Abschluss‐ prüfungen und das Dienstalter zu den entscheidenden Vergabekriterien (Bölling 1983, 38). Die Oberlehrer konnten damit einen Gehaltsanstieg von bis zu 20 % verbuchen (Bölling 1983, 38). Allerdings wurde zugleich das Privileg der Schulgeldfreiheit für Lehrersöhne aufgehoben, was in vielen Fällen die Gehaltserhöhung wieder relativierte (z. B. Bölling 1983, 38, Führ 1992, 439). Das Gehalt der Direktoren blieb hingegen weitgehend unverändert gegenüber 1872, so dass sich der Abstand zwischen Lehrern und Direktoren insgesamt spürbar verringerte (Bölling 1983, 38). Ein Aufschwung der Konjunktur ab Mitte der 1890er Jahre ermöglichte 1897 eine weitere Erhöhung der Beamtengehälter um beinahe 20-%; das Oberlehrer‐ gehalt wurde um 600 Mark erhöht und stieg nun in 24 Dienstjahren von 2.700 auf 5.100 Mark (zuzüglich wie oben beschrieben der Zulage von 900 Mark) (das Gehalt der Richter stieg allerdings ebenso, diese verdienten nunmehr zwischen 3.000 und 6.600 Mark, die höheren Verwaltungsjuristen - Regierungsräte etc. - sogar zwischen 4.200 und 7.200 Mark) (Bölling 1983, 38 f.). Der Statistiker und Ökonom Wilhelm Lexis kommt als Zeitzeuge schon 1898 zu folgender Einschätzung: Für sich betrachtet, hat sich die Lage der höheren Lehrer seit 1872 und vollends seit 1863 mehr verbessert als die irgendeiner anderen Klasse der akademisch gebildeten Beamten, weil eben der Ausgangspunkt der Steigerung ein besonders niedriger war. (Lexis 1898, zit. bei Führ 1992, 439) 208 Daniel Reimann <?page no="209"?> Im Jahr 1909 wurde dann durch ein Besoldungsgesetzt die lange ersehnte und erkämpfte Gleichstellung mit den Richtern (erster Instanz) vollzogen (s. o., Kap. 3.4.3), allerdings nur in Bezug auf das Endgehalt von 7.200 Mark (Bölling 1983, 39). Zwar lag das Einstiegsgehalt unter dem der Richter, allerdings hatten diese längere Wartezeiten auf eine Einstellung und bereits nach neun Dienstjahren glichen sich die Gehälter an (Bölling 1983, 39). Der Wohnungsgeldzuschuss war nunmehr in fünf Ortsklassen gegliedert und er betrug zwischen 560 und 1.200 Mark (Berlin). Die wissenschaftlichen Hilfslehrer erhielten nun zwischen 2.100 und 3.000 Mark und verdienten damit in etwa soviel wie ein Volksschullehrer (Bölling 1983, 39). Innerhalb des gesamtgesellschaftlichen Gefüges konnte das Gehalt der Gymnasiallehrer spätestens jetzt als sehr hoch bezeichnet werden. Sie gehörten sozusagen zu den Spitzenverdienern. Rainer Bölling führt das wie folgt aus: [eine materielle Statusverbesserung], die den Oberlehrern innerhalb der preußischen Einkommensschichtung einen Platz unter den ersten vier Prozent sicherte. Ihr Höchst‐ gehalt wurde 1912 sogar nur von einem Prozent aller Einkommen übertroffen, so daß sie sich auch im Hinblick auf ihre materielle Situation zur Elite der Nation zählen konnten. (Bölling 1983, 39) Allerdings galt der Haushalt von 1909 wiederum nur für die Lehrer an staatli‐ chen und staatlich finanzierten Schulen. Knapp zwei Drittel der preußischen Oberlehrer, die an städtischen Schulen tätig waren, profitierten zumeist nicht von den Erhöhungen (Bölling 1983, 39). Es folgten Rechtsstreitigkeiten und juristische Stellungnahmen von Staatsrechtlern, die davon ausgingen, dass auch Lehrer an städtischen höheren Schulen Staatsbeamte zu sein hätten. Diese Auffassung wurde jedoch vom Reichsgericht zwischen 1912 und 1923 vier Mal zurückgewiesen und der Status der städtischen Lehrer als Kommunalbeamte zementiert. In der Folge wurde 1929 ein Gesetz erlassen, das „Studienratsgleichs‐ tellungsgesetzt“, das dafür sorgte, dass Lehrer als kommunale Beamte genauso besoldet und versorgt werden mussten wie staatliche Beamte (Bölling 1983, 40, vgl. z.-B. Müller-Benedict 2008, 187). Im Jahr 1920 wurde ein Reichsbesoldungsgesetz verabschiedet, in dem die Beamten in 13 aufsteigende Besoldungsgruppen von I bis XIII eingruppiert wurden. Die Gymnasiallehrer wurden dabei in Gruppe X eingeordnet (Volks‐ schullehrer in Gruppe VII) (Müller-Benedict 2008, 197). Im Jahr 1924 erging eine „Anwärterordnung“, die erstmals die Situation zumindest eines Teils der Wartekandidaten verbessern sollte: Wer keine volle Beschäftigung als Anwärter erhielt, wurde mit dem Gehalt von 80 % einer Vollbeschäftigung vergütet (Müller-Benedict 2008, 197). In den 1930er Jahren kam es in der Folge Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen 209 <?page no="210"?> der Weltwirtschaftskrise zu massiven Verschlechterungen auch der Situation der Gymnasiallehrer: Gehaltskürzungen von durchschnittlich 20 % durch die Notverordnungen von 1930/ 1931, weiterhin Kürzungen bei den niedrigeren Ortsklassen, 10 % Gehaltskürzungen bei unverheirateten Lehrerinnen, Bestäti‐ gung der Möglichkeit der Entlassung verheirateter Beamtinnen. Dennoch waren „die höheren Lehrer […] insgesamt gesehen unter den am wenigsten betroffenen Bevölkerungsgruppen (Müller-Benedict 2008, 198). In den 1940er Jahren verbes‐ serte sich die Situation wieder: „Die höheren Lehrer und Lehrerinnen konnten so ihre Einkommenseinbußen aus der Weltwirtschaftskrise in der NS-Zeit wieder etwa zur Hälfte einholen“ (Müller-Benedict 2008, 198). Bezüglich der Anfang des 19. noch nicht geregelten Alters- und Hinterblie‐ benenversorgung (vgl. Kap. 3.3, 3.4.3) kann für das ausgehende 19. und das frühe 20. Jahrhundert Folgendes festgehalten werden: Ab 1872 partizipierten die Gymnasiallehrer infolge eines allgemeinen Pensionsgesetzes an einer grund‐ sätzlichen Altersversorgung durch den Staat (die Lehrkräfte an nicht staatlichen Anstalten hatten entsprechenden Anspruch durch ihren Dienstherren erst ab 1896), ab 1882/ 1888 war die Hinterbliebenenversorgung durch den Staat gewährleistet (für Lehrkräfte an nicht staatlichen Anstalten wiederum erst ab 1929 in gleichem Maße sichergestellt) (Bölling 1983, 40, Müller-Benedict 2008, 193). 4 Resümierende Eckpunkte einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des höheren Lehramts im 19./ frühen 20.-Jahrhundert Für eine Zusammenfassung wesentlicher Grundzüge der vorausgegangenen Abschnitte kann auszugsweise auf die entsprechenden, treffenden und sehr prägnanten Ausführungen bei Christoph Führ zurückgegriffen werden: 1. [… D]ie Ablösung der Theologen durch Philologen […] war ein langwieriger Prozeß, der nicht allein an einem Datum wie 1809 oder 1810 festgemacht werden kann. […] Zumindest im protestantischen Deutschland ruhte die Ausbildung der Philologen auf der älteren philologisch-theologischen Ausbildung […] und ging bruchlos aus ihr hervor. Der erwähnte Ablösungsprozeß setzte bei den mitteldeutschen Universitäten Göttingen, Halle, Jena und Leipzig in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts voll ein und strahlte von dort auf Nord- und Süd‐ deutschland aus […] Die allmähliche Ablösung der Theologen durch Philologen ist zugleich Teil eines weitgreifenden Säkularisierungsprozesses, der mit der allmählichen Verstaatlichung des höheren Schulwesens in das lange durch 210 Daniel Reimann <?page no="211"?> katholische Ordensschulen geprägte süddeutsche Schulwesen tiefer eingreift als in das des protestantischen Deutschland. […] 2. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wird der am Leitbild der klassischen Altertumswis‐ senschaft orientierte, umfassend gebildete „gelehrte Schulmann“ abgelöst durch Fachwissenschaftler: z. B. Alt- und Neuphilologen, Historiker, Germanisten, Mathematiker, Naturwissenschaftler. […] 3. Der soziale Aufstieg der Philologen wird im großen und ganzen im Kaiserreich abgeschlossen. Die Philologenvereine gewannen erst, als nach 1870 die Zahl der höheren Lehrer im Reich über 5.000 hinaus zu wachsen begann [Anm.: bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 41 Millionen im Jahr 1871, Bundeszentrale für politische Bildung 2012], jenes personelle Potential, das offensichtlich notwendig war, um ihren Forderungen in Parlamenten, Ministerien und Stadtverwaltungen nachhaltiges Gewicht zu verleihen. Es hat den sozialen Aufstieg der Philologen lange erschwert, daß es drei- oder zweistufige [sc. höhere] Lehrämter gab. Erst als sich am Ende des 19.-Jahrhunderts im größeren Teil des Reiches ein einheitlichgleichwertiges höheres Lehramt durchzusetzen begann, war der Weg für die status- und besoldungsmäßige Gleichstellung der Philologen mit den Juristen geebnet. […]. (Führ 1992, 453 f.) Mit Heinz-Elmar Tenorth kann resümiert werden, dass sich durch die wis‐ senschaftliche Lehrerbildung des 19. Jahrhunderts die (zunächst männlichen) Lehrer an höheren Schulen zu einem eigenen sozialen „Stand“ entwickelt haben (vgl. Kap. 2.1.3, 3.1, 3.4), dass es sich beim höheren Lehramt um einen „staats‐ abhängige[n] und eigenständige[n] Beruf “ handelte und dass die „Konstitution des Lehrerberufs für die männlichen Lehrer bis 1870 endgültig vollzogen“ war (Tenorth 1987, 250). 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Weiterhin ist ein großes Interesse der Forschung an der Geschichte der Lehr- und Lernmaterialien zu bemerken (vgl. Klippel 2016, 32), kaum aber an der Geschichte der Lehrkräfte und der Lehrkräftebildung. Auch Friederike Klippel stellt beispielsweise fest, dass historische Untersuchungen zu Lehrerbildung und Lehrerverhalten fehlen (vgl. Klippel 2016, 35): Auch wenn es angesichts der zahlreichen historischen Untersuchungen aus gut einhundert Jahren und der großartigen Synthesen von Hüllen (2005) und Kuhfuß (2013) [Korr. D.R.: korrekt 2014] so scheinen mag, als lägen Erkenntnisse für alle Epochen und Aspekte der Geschichte des Sprachenlernens und -lehrens der unter‐ schiedlichen Sprachen vor, gibt es doch viele weiße Flecken auf der Landkarte der Vergangenheit.[…] Nimmt man das Didaktische Dreieck mit seinen drei „Ecken“ Lehrer-Lerner-Stoff als Ausgangspunkt, dann fehlen historische Untersuchungen zur Lehrerbildung und Lehrerverhalten, wenngleich letzteres natürlich nur sehr schwer zu rekonstruieren ist. (Klippel 2016, 35) <?page no="216"?> Wenn auch Grundzüge des Rahmens einer Geschichte der Französischlehrkräf‐ tebildung durchaus bekannt sind (vgl. exemplarisch Dorfeld 1891, Christ 1983 oder Kuhfuß 2014), so fehlt es doch an Details zu von Individuen tatsächlich wahrgenommenen Angeboten der Lehrerbildung, Fächerverbindungen usw. In diesem Zusammenhang kann festgehalten werden, dass eine Rekonstruktion der Biographien einzelner Lehrkräfte eine Forschungslücke darstellen, die auch einen mittelbaren Zugang zur Geschichte der Lehrerbildung, hier in den romanischen Sprachen und insbesondere im Französischen, eröffnen. Forschungsdefizite offenbaren sich u. a. hinsichtlich folgender Merkmale der Französischlehrerschaft im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts: tatsächliche Fächerverbindungen und weitere Prüfungsfächer, genaues Ausmaß der Lehrbe‐ fähigung (Unter-, Mittel- oder Oberstufe), biographischer Bezug zu Frankreich, amtliche Stellung und wissenschaftliche oder literarische Veröffentlichungen speziell der Französischlehrkräfte. Vor diesem Hintergrund wurde den vorlie‐ genden Pilotierungen folgende Forschungsfrage zugrunde gelegt: Welche Berufsbiographien von Französisch-Lehrkräften des 19. und frühen 20.-Jahrhunderts in Preußen lassen sich anhand der digitalisierten Personalunter‐ lagen des Archivs der BBF mit Blick auf Ausbildung, Lehrbefähigung und amtliche Stellung rekonstruieren und welche Rückschlüsse lassen diese Erkenntnisse auf die Qualifikation von Lehrkräften in der Frühzeit des staatlichen schulischen Französischunterrichts in Preußen zu? 2 Methodik 2.1 Historisches Forschen in der Fremdsprachendidaktik (Magdalene Lubinski) Die Beschäftigung mit der Vergangenheit des Fremdsprachenunterrichts stellt gerade für Fremdsprachenlehrende eine wichtige Rückversicherung dar, um „[…] Errungenschaften und Probleme der Gegenwart auf der Basis der histo‐ rischen Entwicklungen besser zu verstehen.“ (Klippel/ Ruisz 2020, 9). Bislang ist die historische Forschung in der Fremdsprachendidaktik jedoch eher unter‐ repräsentiert. Friederike Klippel und Dorottya Ruisz heben in diesem Zusam‐ menhang die Notwendigkeit für die Fremdsprachenforschung hervor, sich an den geeigneten Werkzeugen der Historiker/ innen zu bereichern (Klippel/ Ruisz 2020, 10). So bildet den Hauptgegenstand für die vorliegende Arbeit die Analyse historischer Quellen. Um die Forschungsfrage dieser Arbeit beantworten zu können, ist es in erster Linie nötig, sich auf Dokumente zu stützen, welche entsprechende 216 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="217"?> Erkenntnisse liefern können. Folglich stellt eine Dokumentensammlung den ersten Schritt eines entsprechenden Vorhabens dar. Dokumente werden in diesem Zusammenhang als „[…] Texte, Materialien und Medien verstanden, die nicht im Kontext aktueller wissenschaftlicher Arbeit als wissenschaftliche (Sekundär-)Literatur entstanden sind, sondern ursprünglich einem anderen Zweck dienen […].“ (Kolb/ Kippel 2016, 124). Bei der Vielzahl von Unterlagen, die heutzutage existieren, lassen sich unterschiedliche Charakteristika feststellen. Für die Forschung können sowohl Primärals auch Sekundärdokumente ver‐ wendet werden. Für den Forschungszweck der vorliegenden Untersuchung werden Primärdokumente verwendet. Diese wurden von Zeitzeug/ innen und direkten Beteiligten selbst produziert (vgl. ebd., 124). In diesem Fall sind es von den Lehrerinnen und Lehrern persönlich ausgefüllte Personalbögen bezüglich ihrer schulischen, beruflichen und akademischen Laufbahn. In der fremdsprachendidaktischen Forschung werden die verschiedenen Arten von Dokumenten nach Zugänglichkeit und Vertriebsweg unterschieden und als offizielle, halboffizielle, öffentliche und private Dokumente bezeichnet (vgl. Legutke 2016, 62, Kolb/ Klippel 2016, 125). Öffentliche Dokumente sind Quellen, die leicht zugänglich sind. Es können Zeitschriften, Lehrwerke, An‐ zeigen aber auch literarische Texte sein. Bei privaten Schriften handelt es sich um Tagebücher von Lernenden oder Lehrenden, Briefe, Autobiographien oder Interviews. Diese Zeugnisse der Vergangenheit geben nur einen kleinen Ausschnitt aus den unterschiedlichen Bereichen wieder und müssen in Hinblick auf die Korrektheit und Zuverlässigkeit mit Sorgfalt und Vorsicht interpretiert werden. Als halboffizielle Dokumente können Schulprogrammschriften, schul‐ interne Curricula, Klassenbücher oder Zeugnisse bezeichnet werden. Halboffi‐ zielle Dokumente „entstehen in der Kommunikation zwischen Institutionen und Privatpersonen“ (ebd.). Dieser Dokumententyp wird tendenziell eher in‐ nerhalb der Institution Schule verfasst (vgl. ebd., 125). Offizielle Dokumente „werden von staatlichen Institutionen veröffentlicht und in erster Linie auch rezipiert“ (ebd.). Dabei handelt es sich beispielsweise um (Schul-) Gesetze, Lehrpläne, Stundentafeln usw. (ebd.). Die in der vorliegenden Arbeit unter‐ suchten Dokumente bewegen sich vor diesem Hintergrund an der Schnittstelle zumindest zwischen offiziellen (die Formulare sind standardisiert und vom Staat vorgegeben) und halboffiziellen Dokumenten, denn sie waren Bestandteil der Kommunikation zwischen dem Dienstherrn und den einzelnen Lehrkräften. Letztlich tragen sie auch Züge privater Dokumente, denn die Formulare wurden wie autobiographische Notizen von der jeweiligen Lehrkraft handschriftlich ausgefüllt und erst in der späteren Zeit gelegentlich von Schulleitern in ihrer Richtigkeit bestätigt. Aktuell sind es Dokumente, die von der Gutachterstelle für Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 217 <?page no="218"?> das deutsche Schul- und Studienwesen und die BBF verfügbar gemacht wurden (vgl. BBF 2020b). Die Untersuchung kann dem Bereich der (historischen) Lehr- und Professions‐ forschung zugeordnet werden. Hierunter sind Forschungsarbeiten zu verstehen, die sich - hier in historischer Perspektive - im weitesten Sinn „mit dem Lehren fremder Sprachen als Beruf“ befassen (Caspari 2016, 14). Neben Aspekten der Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte werden in diesem Kontext beispielsweise auch das berufliche Selbstverständnis und die gesellschaftlichen Anforderungen, die an die Lehrenden gestellt werden, betrachtet (vgl. Caspari 2016, 14). 2.2 Die historische Methode in der Geschichtswissenschaft (Anna-Maria Merholz) Der hier untersuchte Bestand von Personalbögen der Lehrkräfte höherer Schulen Preußens ist als historische Quelle anzusehen. Eine historische Quelle wird mit der historischen Methode ausgewertet und analysiert. Dieses Verfahren soll im Folgenden beschrieben werden. Grundsätzlich besteht die historische Methode aus den drei Prinzipien der Heuristik, Kritik und Interpretation. Sie ist die Regelung eines Erkenntnisprozesses, der einzelne kognitive Vorgänge nachvollziehbar, überprüfbar und kritisierbar macht. Am Anfang steht das methodische Verfahren der Heuristik, die das Suchen nach der historischen Erfahrung oder die Frage und das Finden von möglichen Inhalten bedeutet (vgl. Rüsen 2013, 171-173). Der Ursprung jeder angewandten historischen Methode ist die Fragestellung. Erst durch eine Fragestellung an das Dokument wird das Dokument zu einer Quelle. So werden also aus Archivbeständen erst Quellen, wenn eine historische Frage an sie gerichtet wird. Diese Fragen entstehen oft im Kontext der gegenwärtigen Diskurse, die an die Vergangenheit gerichtet werden (vgl. Pandel 2012, 150). Hier ist anzumerken, dass der Ertrag der Quelle von der jeweiligen Frage abhängt, die erst ertragreich wird, wenn sie nach etwas fragt, was außerhalb des schon erforschten Bereichs liegt (vgl. Rüsen 2013, 174). Danach folgt der zweite Schritt der Heuristik, der sich mit dem Sammeln und Finden der Dokumente befasst. Hierbei wird sich einschlägiger Fachdiszi‐ plinen der historischen Hilfswissenschaften wie etwa der Archivwissenschaft und auch technischer Hilfen, Datenbanken usw. bedient. Schließlich werden die Dokumente gesammelt, gesichtet und zum forschenden Gebrauch aufbereitet. Des Weiteren unterscheiden Historikerinnen und Historiker bei Quellenbeständen zwischen Überrest und Tradition. Dies soll Auskunft über den geschichtlichen Wert der Quelle geben und zur Überprüfung der historischen Relevanz dienen (vgl. Rüsen 2013, 177-178). Überreste sind Quellen, die ohne den Hintergedanken, 218 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="219"?> etwas an die spätere Generation weiterzugeben, also unbeabsichtigt, hinterlassen wurden. Dazu zählt, zum Beispiel, privates Schriftgut, wie Tagebücher und Briefe oder Geschäftsschriftgut, wie Akten oder Protokolle etc. oder auch sogenannte Sachüberreste wie Arbeitsgeräte, Waffen oder Schmuck. Traditionen dagegen sind Quellen, die mit Absicht hinterlassen wurden, die Erinnerung an Begebenheiten zu erhalten. Hierzu zählen historiographische Texte wie Annalen, Chroniken oder Autobiographien (vgl. Pandel 2012, 12-13). Im nächsten Schritt folgt das Prinzip der Quellenkritik. Sie stellt den Teil des Forschungsprozesses dar, in dem aus den Quellen zuverlässige und überprüfbare Informationen zu den Fragen was, wann, wo, wie und warum geschehen ist, herausgearbeitet werden. Hiermit beginnt die Auswertung einer Quelle, anhand derer die Tatsachen der Vergangenheit durch empirische Bekundung in der Gegenwart überprüft werden. (vgl. Rüsen 2013, 180). Mit der äußeren Quellenkritik beginnt die Analyse der Quelle. In diesem Schritt wird alles geprüft, was den Ursprung, die Bestimmung, die Aussagen und die Echtheit der Quelle betrifft. Um hierzu Aussagen treffen zu können, werden Fragen nach Echtheit, Entstehungszeit und -ort, Verfasser und Wert der Quelle gestellt. Somit befasst sich die äußere Quellenkritik mit den formalen Aspekten einer Quelle. Danach folgt die innere Quellenkritik, welche den Textinhalt untersucht (vgl. Pandel 2012, 160). Bei der Untersuchung des Textinhaltes wird die Zeitnähe zur Zeit des Dokumentierten untersucht, indem Ereignisse und Ereignisfolgen herausgearbeitet werden. Darüber hinaus werden Quellenaussagen auf ihre Kohärenz, mit Blick auf historische und alle anderen empirischen Wissensbestände der Gegenwart, geprüft (vgl. Rüsen 2013, 180). Dabei handelt es sich um eine Textanalyse, in der Fragen zu Textgliederung, Grammatik, Satzbau und Textstruktur, Schlüsselbegriffen, Hauptaussagen, Wi‐ dersprüchen, Motiven, historischem Kontext und Wahrheitsanspruch gestellt werden (vgl. Pandel 2012, 175-176). Zuletzt erfolgt der Schritt der Interpretation. In der Interpretation werden diejenigen Zusammenhänge herausgearbeitet, die der Beantwortung der Fragestellung dienen. Außerdem hat die Interpretation die Funktion, intersubjektiv die ermittelten Tatsachen im Hinblick auf die Fragestel‐ lung zu Zeitverläufen zusammenzufügen und diese erklärend darzustellen (vgl. Rüsen 2013, 185). 2.3 Die historische Methode in der Fremdsprachenforschung (Magdalene Lubinski) Wie bereits in dem vorausgegangenen Abschnitt 2.2 erwähnt wurde, steht die Auseinandersetzung mit historischen Quellen im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchungen. Quellen geben Aufschluss über einen bestimmten Zeitraum in Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 219 <?page no="220"?> der Vergangenheit (vgl. Klippel/ Ruisz 2020, 11 f.). Drei zentrale Verfahren, die charakteristisch für so genannte „historische Methode“ sind, sind die „Regulative“ Heuristik, Kritik und Interpretation der Quellen (Klippel/ Ruisz 2020, 13, unter Berufung auf Rüsen 2008, 120-128). Im Grundsatz handelt es sich dabei um drei Phasen der Forschungsarbeit. Dennoch arbeiten die Forschenden diese Regulative nicht zwingend nacheinander ab, vielmehr lebt die historische Methode von der Bewegung zwischen den drei Teilaspekten der Quellenuntersuchung auch während des Forschungsprozesses. Die Forschungsfrage steht am Anfang dieses Prozesses, doch kann sie im Verlauf der Untersuchungen noch modifiziert werden (vgl. Klippel/ Ruisz 2020, 13). Im Zentrum der Heuristik steht die Erstellung des Korpus, welches untersucht werden soll. Es bildet den Ausgangs- und Mittelpunkt der historischen Forschung. Es geht im Rahmen der Heuristik u. a. darum, die zu untersuchenden Dokumente so weit einzugrenzen, dass aufschlussreiche Erkenntnisse zur Beantwortung der Forschungsfrage gewonnen werden können. Es folgt die (Quellen-) Kritik, welche sich aus der inneren und äußeren Quellenkritik zusammensetzt. Dazu werden die Quellen bei der äußeren Kritik in Bezug auf ihre Echtheit, Verfasser und Vollständigkeit überprüft. Auch die Art der Quelle, ob es sich beispielsweise um offizielle Dokumente, wissenschaftliche oder (auto-)biographische Texte handelt, wird in diesem Schritt überprüft (vgl. Ruisz/ Kolb/ Klippel 2016, 221). Die innere Quellenkritik stellt den „Kern jeder historischen Quellenarbeit“ (Klippel/ Ruisz 2020, 14) dar. Sie kontrolliert die Ergiebigkeit, Zeitnähe und Aussagekraft der Dokumente mit Blick auf die Forschungsfrage (vgl. Ruisz/ Kolb/ Klippel 2016, 221). Die Zuverlässigkeit historischer Quellen kann auch geprüft werden, indem sie mit weiteren Quellen oder Sekundärliteratur verglichen und in den historischen Kontext eingebettet werden (vgl. Klippel/ Ruisz 2020, 14). Dieses Vorgehen wird auch als multiperspektivisches Arbeiten bezeichnet und es verleiht einer Studie besondere Glaubwürdigkeit, „wenn gleichzeitig die Quellen selbst die ausschlaggebenden Belege liefern.“ (Klippel/ Ruisz 2020, 14). Nachdem das Quellenkorpus erstellt und der Quellenkritik unterzogen wurde, folgt die Interpretation. Hier kommen häufig hermeneutische Verfahren zum Tragen (vgl. z. B. Klippel/ Ruisz 2020, 15). Hierbei bildet die Quelle den Mittelpunkt der historischen Methode. Das Heraussuchen, Zusammenfassen und das texti‐ mmanente Verstehen des Korpus bilden dabei den Hauptgegenstand dieser Vor‐ gehensweise. Zusammenhänge und Widersprüche können durch den Einsatz von Sekundärliteratur und die Berücksichtigung des historischen Kontextes erklärt werden. Kontextinformationen aus anderen Quellen, aus der Sekundärliteratur und Bezüge innerhalb des Korpus werden hergestellt und in eine Interpretation überführt (vgl. ebd.). 220 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="221"?> 2.4 Begründung der Methodenwahl (Magdalene Lubinski) Anhand der Personalbögen von Lehrerinnen und Lehrern höherer Schulen Preußens sollten in den Pilotstudien Portraits von Französischlehrkräften rekonstruiert werden. Ziel war es demnach herauszufinden, welche Typen von Lehrkräften sich im Hinblick auf bestimmte Aspekte der akademischen und beruflichen Laufbahn eruieren lassen. Vor dem Hintergrund der in den Abschnitten 2.2 und 2.3 vorgestellten historischen Methode sollte das vorge‐ stellte Korpus hermeneutisch ausgewertet werden. Die historische Methode wurde gewählt, da es sich bei dem zu untersuchenden Korpus um komplexe Dokumente an der Schnittstelle von offiziellen und halboffiziellen Dokumenten (mit einigen Zügen privater Dokumente) handelt, namentlich um Personal‐ bögen bzw. Formulare, die von Lehrkräften des 19. und 20. Jahrhunderts selbst ausgefüllt wurden. Sie enthalten hauptsächlich biographische Informationen mit dem Ziel, Daten über die schulische, akademische und berufliche Laufbahn der Lehrkräfte festzuhalten. Mit Hilfe der Lehrerportraits, die in den folgenden Kapiteln präsentiert werden, sollten die erhobenen Daten in einem ersten Schritt syntheseartig zusammengefasst werden, um im Anschluss auf die Forschungs‐ frage und die sie konstituierenden Teilfragen eingehen zu können. Vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse des 19. und 20. Jahrhunderts (vgl. die einleitenden Beiträge Reimann zur historischen Kontextualisierung und zur Ausbildungs- und Sozialgeschichte des höheren Lehramts speziell aus roma‐ nistisch-didaktischer Perspektive) werden die erhobenen Daten ausgewertet, quantifiziert und im historischen Kontext interpretiert. 3 Korpus 3.1 Vorstellung des Archivs und der Quellen (Carolin Adamus/ Anna-Maria Merholz) Grundlage der hier vorgestellten Pilotierungen sind Personalunterlagen von Lehrkräften höher Schulen in Preußen, die über das Archiv der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF) des Deutschen Instituts für inter‐ nationale pädagogische Forschung - Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation mit Standort in Berlin, digitalisiert frei zugänglich zur Verfügung stehen. Die BBF ist eine Forschungsbibliothek mit Bibliotheks- und Archivbeständen zur deutschen Bildungsgeschichte mit internationalen Bezügen. Hier wird Wissen in Form von Quellen sowie nationaler und interna‐ Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 221 <?page no="222"?> tionaler Forschungsliteratur zur deutschen Bildungsgeschichte in historischer Perspektive gesammelt und in vielfältigen Formen zugänglich gemacht. Insge‐ samt verfügt die Bibliothek über einen Bestand von 770.000 Medien. Ursprüng‐ lich entstand die Bibliothek aus einem Schulmuseum und einer Lehrerbücherei, die sowohl das professionelle Wissen der Lehrkräfte als auch das disziplinäre Wissen der Erziehungswissenschaft dokumentierte. Seit 1992 wird der Bestand kontinuierlich durch aktuelle, bildungshistorische Forschungsliteratur ergänzt (vgl. BBF 2021a). Historische Quellen werden überwiegend digitalisiert bereit‐ gestellt. Auch das Archiv der BBF, in dem das originale Schriftgut aufbewahrt wird, archiviert auf 1.800 Regalmetern Dokumente und Schriftgutbestände, die sowohl privater als auch institutioneller Provenienz sind und u. a. Nachlässe, Sammlungen, Handschriften und Fotografien umfasst. Auch dieser Bereich wird kontinuierlich systematisch und nach archivfachlichen Grundsätzen erweitert (vgl. ebd.). Der Teil des Bestandes, der in dieser Arbeit verwendet wird, ist der Bestand „GUT LEHRER“, der sich im Archivbestand befindet und ebenfalls in digitalisierter Form vorliegt. Dieser Bestand der Gutachterstelle für deutsches Schul- und Studienwesen wurde 1889 mit der königlich preußischen Auskunfts‐ stelle für Lehrbücher des höheren Unterrichtswesens begründet und 1913 in die staatliche Auskunftsstelle für Schulwesen umgewandelt. Danach wurde sie 1936 zunächst zur Reichsstelle für Schulwesen, 1946 zur Hauptstelle für Erziehungs- und Schulwesen und 1967 zur Gutachterstelle für deutsches Schul- und Studienwesen, bis sie schließlich 1967 zur Gutachterstelle für deutsches Schul- und Studienwesen im Berliner Institut für Lehrerfort- und -weiterbildung und Schulentwicklung (BIL) wurde (vgl. BBF 2021b). Die Unterlagen des Be‐ standes „GUT LEHRER“ wurden 1997 an das Archiv der BBF übergeben. Sie beinhalten Karteien von Volkschullehrkräften, Sammlungen der Personalbögen und -karten der Lehrkräfte an den höheren Schulen Preußens und Schriftgut der Gutachterstelle sowie ihrer Vorgängereinrichtungen. Den hier untersuchten Dokumenten ist nicht zu entnehmen, an welchem Datum sie ausgefüllt wurden. Allerdings steht fest, dass mit dem Ausfüllen of‐ fensichtlich obligatorisch erst 1871 nach der Reichsgründung begonnen wurde, auch rückblickend für Lehrerinnen und Lehrer, die zu dieser Zeit schon im Dienst waren. Der Bestand umfasst insgesamt ca. 207.000 Karten aller Lehre‐ rinnen und Lehrer an preußischen Schulen, davon sind ca. 52.000 Karten von Lehrkräften der höheren Schulen. Auch aufgeführt sind Studienassessorinnen und Assessoren, die nach dem Ablegen der pädagogischen Prüfung nie in den Schuldienst eintraten, sowie Lehrerinnen und Lehrer, die vom Nationalso‐ zialistischen Regime entlassen wurden (BBF 2020a). In einigen dieser Fälle sind dann keine Personalakten mehr verfügbar. In dem im Teilkorpus Adamus 222 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="223"?> untersuchten Abschnitt konnte ein Lehrer (#67 Ballof, Walter) ermittelt werden, der aus politischen Gründen im Dritten Reich entlassen wurde, seine Akte ist aber vollständig vorhanden. Es handelt sich um offizielle Dokumente, die von den Lehrkräften zu größten Teilen selbst ausgefüllt wurden. Zu größten Teilen bedeutet, dass man anhand der Handschrift teilweise Nachträge erkennen kann, wenn sich in der Biografie Neuerungen ergeben haben. Eine örtliche oder zeitliche Eingrenzung erfolgt nicht, da sich die Unterlagen in dem entsprechenden zu erforschenden Rahmen bewegen. Innerhalb der Dokumente, die alphabetisch sortiert sind, wie in Abbildung 1 zu sehen, findet eine systematische Suche statt. Abb. 1: Exemplarischer Ausschnitt der Tektonik Lehrerinnen und Lehrer der Volksschulen können auf einen Blick identifiziert werden, da durch Anklicken des jeweiligen Namens eine Vorschau zu den Un‐ terlagen angezeigt wird. Die Personalakten der Volkschullehrer/ innen bestehen in der Regel aus ein bis zwei Seiten, die geschlechterspezifisch auf blauem Papier für Männer oder auf rötlichem Papier für Frauen gedruckt sind. Abbildung 2 stellt diese als Beispiel dar. Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 223 <?page no="224"?> Abb. 2: Vorschau der Personalakten von Volksschullehrerinnen und -lehrern (rötlich: Baach, Charlotte; blau: Baack, Albert) Abbildung 3 zeigt hingegen die Vorschau der Personalbögen von Lehrerinnen und Lehrern höherer Schulen. Diese sind auf farblosem Papier gedruckt und umfassen zwei bis vier Seiten (es existierten leicht voneinander abweichende Vordrucke). Abb. 3: Vorschau einer Personalakte eines Lehrers der höheren Schule (Baack, Wilhelm) Diese Vorschau ermöglicht es, auf einen Blick zu erkennen, bei welchen Unter‐ lagen es sich um Lehrkräfte von höheren Schulen handelt, wodurch nur diese auf ihre Fächer überprüft werden müssen. Aufgrund der Fülle an vorliegenden Unterlagen war es nicht möglich, eine vollständige Erfassung aller möglichen Dokumente des Gesamtkorpus in diesen Sondierungen vorzunehmen. Zur besseren Nachvollziehbarkeit der Arbeitsweise und zur Einschätzung des aus den Personalbögen hervorgehenden Datenbestands soll an dieser Stelle eine genauere Beschreibung der formularartigen Dokumente erfolgen. Die Akten der einzelnen Lehrkräfte bestehen in der Regel aus zweibis vierseitigen Personalbögen, wobei die chronologisch späteren die vierseitigen Bögen sind. 224 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="225"?> Beide Versionen unterscheiden sich in den auszufüllenden Items. Nachfolgend soll deshalb jeweils ein Personalbogen vorgestellt und der Scan abgebildet werden, dazu wurden solche ausgewählt, die gut leserlich sind. Als Beispiel für einen zweiseitigen Bogen wird der von Bahrs, Hugo (#52) präsentiert, dieser enthält folgende Items, die exakt übernommen wurden: 1. Name, nebst Vornamen 2. Geburts-Zeit und -Ort, Religion (Konfession) 3. Gymnasium, Ort und Datum des Maturitätszeugnisses 4. Universität, Ort und Datum des Lehramtsprüfungs-Zeugnisses (event. Promotion) 5. Angabe der Lehrbefähigung, event. Ergebnisse von Nachprüfungen 6. Angabe der Zeit u. der Anstalt, wo das Probejahr abgelegt ist, event. Beschäftigung als Hilfslehrer 7. Anstellungen, wann, wo, in welcher Stellung, mit welchem Dienstein‐ kommen? 8. literarische Publikationen 9. Bemerkungen Die Abbildungen 4 und 5 zeigen die digitalisierten Scans der Seiten aus der Personalakte Hugo Bahrs. Bahrs legte die Lehramtsprüfung 1875 ab. Als Beispiel für einen vierseitigen Bogen wurde der von Ballein, Johannes (#64) gewählt. Er legte seine Lehramtsprüfung im Jahr 1909 ab. Die vierseitigen Bögen, die in den Abbildungen 6, 7, 8 und 9 dargestellt sind, enthalten folgende Items, die hier exakt übernommen wurden (Hervorhebungen im Original): 1. a. (Familienname) b. (Vornamen, Rufname zu unterstreichen) geboren am in---------------, Kreis usw. Bekenntnis (Religion) Sohn des 2. Datum des Reifezeugnisses und Anstalt, an der es erworben ist Zur Zeit der Reifeprüfung beheimatet in (Wohnort der Eltern) 3. Angaben über Ort sowie über Zeit (Anfang und Ende mit genauer An‐ gabe der etwaigen Unterbrechungen) des Universitätsstudiums, das zur Vorbereitung auf die Lehramtsprüfung diente (gegebenenfalls auch entsprechende Angaben über das Studium der Theologie) Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 225 <?page no="226"?> 4. a. Datum und Ort der Lehramtsprüfung nebst Angabe der Art der Prü‐ fung (ob erste-, Wiederholungs-, Ergänzungs-, Erweiterungsprüfung) sowie der Fächer und der Stufen der Lehrbefähigung und des erteilten Zeugnisprädikats. Das Datum der Prüfung, gegebenenfalls des letzten Tages der Prüfung, die vorbehaltlos zur Anstellung befähigte, ist zu unterstreichen b. Datum etwaiger anderer Prüfungen (Turnen, Zeichnen, Gesang, theologische Prüfungen), gegebenenfalls auch Tag der Priesterweihe 5. Etwaige Tätigkeit im Schul- oder Kirchendienste vor Eintritt in den höheren Schuldienst (Art der Tätigkeit, Ort, Zeit unter genauer Angabe der Daten 6. Antritt des Seminarjahres (Zeitpunkt und Seminaranstalt), außerdem gegebenenfalls Ort, Anstalt, Anfang, Ende der kommissarischen Beschäf‐ tigung während des Seminarjahres Antritt des Probejahrs (Zeitpunkt und Anstalt) außerdem gegebenenfalls Ort, Anstalt, Anfang, Ende der kommissarischen Beschäftigung während des Probejahres 7. a. Datum der Anstellungsfähigkeit in Preußen (gegebenenfalls Datum und Nummer des Ministerialserlasses) b. Datum der Vereidigung c. Datum der Anciennität für die Verleihung des Charakters als Pro‐ fessor d. Dienstalter im höheren Schuldienste Preußens 8. Datum der ersten festen Anstellung im höheren Schuldienste Preu‐ ßens (d. i. Tag, von dem ab die Bezüge der Stelle etatmäßig verliehen sind) Das Besoldungsalter rechnet vom 9. Datum der Verleihung des Charakters als Professor (Datum und Nummer des Ministerialerlasses) Datum der Verleihung des Ranges der Räte IV. Klasse (Datum der allerhöchsten Order) 10. a. Datum der Allerhöchsten Bestallung (Order) bei der Ernennung zum (Bestätigung als) Director einer Richtvollanstalt Dienstantritt als Director einer Richtvollanstalt (d. i. Tag, von dem ab die Bezüge der Stelle etatmäßig verliehen sind) Besoldungsdienstalter als Director einer Richtvollanstalt Datum der Verleihung des Ranges der Räte IV. Klasse (Datum der allerhöchsten Order) b. Datum der Allerhöchsten Bestallung (Order) bei der Ernennung zum (Bestätigung als) Director einer Vollanstalt 226 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="227"?> Dienstantritt als Director einer Vollanstalt (d. i. Tag, von dem ab die Bezüge der Stelle etatmäßig verliehen sind) Besoldungsdienstalter als Director einer Vollanstalt 11. Akademische und sonstige Titel nebst Datum ihrer Verleihung, bei der Doktorwürde Angabe des Promotionstages und der Universität, an der sie erworben ist Orden und Ehrenzeichen (unter Angabe des Zeitpunktes der Verleihung) 12. Amtliche Stellung nach Erlangung der Anstellungsfähigkeit nebst An‐ gabe der Anstalten und der Zeit der Beschäftigung A. Vor der festen Anstellung B. Nach der festen Anstellung 13. Nebenamtliche Tätigkeit nebst Angabe der Vergütung 14. Militärverhältnis Seiner Dienstpflicht genügte er als Einjährig-Freiwilliger (gegebenenfalls als ----------) vom ----------bis----------in (Ort) beim (Truppenteil) Beförderung im Militärverhältnis Teilnahme an Feldzügen Dauernd untauglich? --------------------Landsturm 1. Aufgebots? Ersatzreserve------------------------Zurückgestellt bis 15. Titel und Jahr wissenschaftlicher Veröffentlichungen in Buchform 16. Bemerkungen (z.-B. Angabe des Familienstandes, Ehrenämter usw.) Für die zwei- und vierseitigen Bögen gelten die beiden vorgestellten als Beispiel und stehen repräsentativ für verschiedene Ausführungen, allerdings gibt es bei einigen Bögen kleinere Abweichungen, die einer Analyse aber nicht hinderlich sind. Auch gibt es in vielen Fällen eine Randbemerkung über den Tod oder über einen anderweitigen Austritt aus dem Lehramt. Nicht alle Items werden für die Beantwortung der Forschungsfrage benötigt. Besonders betrachtet werden Geburtsdatum, Schulform, Geschlecht, Unterrichtsfächer, Auslandsauf‐ enthalte während des Studiums, Datum der Lehramtsprüfung, Datum der ersten festen Anstellung im höheren Schulwesen, militärische Aktivitäten, amtliche Stellung, Promotion und wissenschaftliche beziehungsweise literarische Veröf‐ fentlichungen. Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 227 <?page no="228"?> Abb. 4: Seite-1 Personalbogen, Bahrs, Hugo (#52) (BBF) 228 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="229"?> Abb. 5: Seite-2 Personalbogen, Bahrs, Hugo (#52) (BBF) Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 229 <?page no="230"?> Abb. 6: Seite-1 Personalbogen, Ballein, Johannes (#64) (BBF) 230 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="231"?> Abb. 7: Seite-2 Personalbogen, Ballein, Johannes (#64) (BBF) Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 231 <?page no="232"?> Abb. 8: Seite 3 Personalbogen, Ballein, Johannes (#64) (BBF) 232 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="233"?> Abb. 9: Seite-4 Personalbogen, Ballein, Johannes (#64) (BBF) Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 233 <?page no="234"?> 3.2 Quellenkritik 3.2.1 Quellenkritik I am Beispiel des Teilkorpus AI - AM (Anna-Maria Merholz) In diesem Abschnitt werden das untersuchte Korpus und seine Dokumente quellenkritisch betrachtet. Hierbei ist zu beachten, dass der heuristische Teil bereits durch das Archiv und den die diesem Beitrag zugrunde liegende Quali‐ fikationsarbeit betreuenden Dozenten (Prof. Dr. Reimann, seinerzeit Universität Duisburg-Essen, jetzt Humboldt-Universität zu Berlin) geschehen ist. Bei den hier vorliegenden Quellen handelt es sich um Personalbögen und Personal‐ karten von Lehrkräften an höheren Schulen Preußens. Aus historischer Sicht sind diese als schriftliche Überreste einzuordnen, da sie als Schriftgut aus ge‐ schäftlichem bzw. dienstlichem Interesse in der Vergangenheit entstanden sind. Somit wurden sie unabsichtlich hinterlassen und dienten Verwaltungszwecken. Des Weiteren sind diese Quellen Teil des Bestands „GUT LEHRER“, der sich, wie oben bereits dargestellt (vgl. Kap. 3.1), im Archivbestand der Bibliothek für bildungsgeschichtliche Forschung (BBF) des DIPF befindet (vgl. BBF 2021a). Die Archivbestände der Bibliothek sind bereits nach archivfachlichen Grundsätzen aufbereitet (vgl. BBF 2021b). Die Karten und Bögen sind Originalquellen und stehen als Digitalisate in der digitalen Archivdatenbank der BBF über einen Link frei zur Verfügung. Unter „Personalunterlagen von Lehrkräften“ wurden die Unterlagen alphabetisch nach Nachnamen der Lehrkräfte geordnet. Insgesamt umfasst der Bestand ca. 52.000 zweibis vierseitige Personalbögen (vgl. BBF 2021c). Für die vorliegende Untersuchung wurden die 993 Quellen im Alpha‐ betabschnitt AI bis AM vollständig durchgesehen und analysiert. Diese lagen alle in digitalisierter Form im Folio-Format vor und waren als Originalquelle zu erkennen. Hier ist anzumerken, dass die Originalquellen aufgrund der digital bereitgestellten Form im Original nicht für eine Benutzung vorgesehen sind. Die Verfasser/ innen dieser Quellen waren die Gymnasiallehrkräfte selbst, die verpflichtet waren, die Personalbögen selbst auszufüllen. Der Zeitpunkt der Entstehung dieser Quellen lässt sich nicht eindeutig feststellen, da diese von den Lehrkräften selbst und zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgefüllt wurden. Es kann lediglich festgestellt werden, dass sie allgemein einen Zeitraum von etwa 1800 bis etwa 1945 umfassen. Des Weiteren ist kein erkennbarer Adressat der Dokumente angegeben. Es lässt sich lediglich vermuten, dass diese für das Personalkarteien, ggf. für eine übergeordnete Dienststelle wie Schulämter (vgl. Beglaubigungen durch Oberstudiendirektoren in der NS-Zeit), ausgefüllt worden sind. Der für diese Untersuchung relevante Teilbestand besteht aus den Personalbögen der Kategorie „Personalblatt A für Direktoren, 234 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="235"?> wissenschaftliche Lehrer und Kandidaten des höheren Schulamts“, welches für Lehrkräfte der „höheren Lehranstalten“ erstellt wurde. Dieses Personalblatt besteht in der Regel (s. o., Kap. 3.1) aus vier Blättern mit 16 Unterpunkten, die in Form von Tabellen, kurzen Sätzen, offenen Fragen und Lückentexten dargestellt wurden. Hier wird nach Angaben wie Name, Geburtsdatum und -ort, Vaterschaft, Reifezeugnis, Studienlaufbahn, Lehramtsprüfung und -befähigung, andere Prüfungen, Schul- und Kirchendienste, Vorbereitungsjahre, Vereidigung, Anstellungsfähigkeit und -verhältnis, Einkommen, Beförderung, akademischer Grad und Veröffentlichungen, Anstellungen, nebenamtliche Tätigkeiten, Mili‐ tärverhältnis und weiteren Bemerkungen gefragt. Hierbei ist anzumerken, dass das Personalblatt A nicht immer gleich ist. Manche Blätter beziehen auch die Wohnadresse der Lehrkraft ein, machen keine Angaben zum Studienverlauf, haben entweder ein Vorbereitungsjahr und ein Probejahr oder zwei Vorberei‐ tungsjahre und machen teilweise Angaben zu Mitgliedschaften der NSDAP, wie zum Beispiel in den Personalbögen Nr. 19 und 29 des Teilkorpus Merholz. Dar‐ über hinaus ist anzumerken, dass alle Personalbögen handschriftlich ausgefüllt wurden. Durch einen Abgleich von Schriftarten mit Hilfe der Paläographie, konnte festgestellt werden, dass es sich bei den Schriftarten um Kurrent und Sütterlin handelt (vgl. Dütsch 2020, 27-29). In seltenen Fällen wurde das Blatt mit einer Schreibmaschine ausgefüllt. Hier kann nicht garantiert werden, dass die Lehrkraft den Personalbogen selbst ausgefüllt hat. Auf der sprachlichen Ebene sind Begriffe wie Reifezeugnis und Maturazeugnis auffällig, welche die Historizität der Dokumente aufzeigen. Die Matura schließt heute eine Schülerin oder ein Schüler aus Österreich ab. Des Weiteren wird nicht von einer Institution, sondern von einer Anstalt gesprochen. Der Begriff Lyzeum (DWDS 2021, https: / / www.dwds.de/ wb/ Lyzeum, 24.6.2021) ist durch den historischen Kontext begründet und bedeutet höhere Mädchenschule. Grundsätzlich wird eine sehr einfache Sprache verwendet. Sowohl die Vorgaben des Dokuments als auch die Angaben der Lehrkräfte sind einfach zu verstehen. Bei den Vorgaben des Dokuments ist allerdings anzumerken, dass Fachbegriffe der Verwaltung wie Anstellungsfähigkeit, Bestallung oder Aufrückungsstelle verwendet werden. Des Weiteren werden oft Abkürzungen wie W.Z. für Woh‐ nungszuschuss, M.E. für Mietsentschädigung und D.W. für Dienstwohnung verwendet. Diese Begriffe werden im Dokument selbst, wie zum Beispiel bei Nr. 1 des digital verfügbaren Datensatzes im Anhang, erläutert. Darüber hinaus ist auffällig, dass bei der Aufzählung von wissenschaftlichen Veröffentlichungen im Alphabet der Buchstabe „j“ fehlt. Auf der sachlichen Ebene ist anzumerken, dass im Personalbogen Nr. 36 des Teilkorpus Merholz vermerkt wurde, dass dieser „auf den Führer vereidigt wurde“. Des Weiteren enthält das Dokument Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 235 <?page no="236"?> einen Stempel mit dem Reichsadler und dem Hakenkreuz (vgl. Archivalie zu Nr. 36 Teilkorpus Merholz). Diese beiden Angaben weisen deutlich auf die Zeit des dritten Reichs hin. Die angegebenen Prüfungsdaten und Anstellungsdaten (vgl. digitaler Anhang) lassen darauf schließen, dass die Dokumente insgesamt in einem Zeitraum von 1850 bis 1940 entstanden sind. Im historischen Kontext stellt dies ein breites Spektrum der Geschichte des deutschen Bildungswesens insgesamt und des Französischunterrichts und der Französischlehrerbildung im Besonderen dar. So beinhaltete dieser Zeitraum den Deutschen Bund, der 1850 noch existierte, sowie das Königreich Preußen bis hin zur Weimarer Republik, die sich 1918 gründete und schließlich ab 1933 zum Dritten Reich wurde. Im Hinblick auf die Fragestellung der hier vorliegenden Untersuchung kann festgestellt werden, dass die Personalbögen der Lehrkräfte grundsätzlich viele Informationen auf verschiedene Arten zur Verfügung stellen. Diese sind für die Beantwortung der Fragestellung in hohem Maße geeignet. 3.2.2 Quellenkritik II am Beispiel des Teilkorpus BAA - BAR (Carolin Adamus) Bei historischen Arbeiten, die auf der Sichtung von Dokumenten fußen, kann auf eine Auseinandersetzung mit der Qualität und der Zuverlässigkeit der Quellen nicht verzichtet werden (Ruisz/ Kolb/ Klippel 2016: 220). Bei der äußeren Quel‐ lenkritik geht es darum, die Entstehung und Überlieferung zu hinterfragen. Zur Entstehung kann im Fall der Personalunterlagen festgehalten werden, dass diese von den Lehrkräften weitestgehend selbst ausgefüllt wurden. Teilweise können aber auch Nachträge in anderen Handschriften erkannt werden, was eine Echtheit der Angaben nicht in Frage stellt und deren Vollständigkeit begünstigt. Die Personalakten einiger Lehrerinnen und Lehrer sind allerdings unvollständig oder weisen Lücken in der Biografie auf. So wird in einem Fall nicht von einer Beteiligung im Krieg berichtet, jedoch wurde dieser Person ein entsprechender Orden verliehen. Die Überlieferung der analogen Akten in die digitale Bibliothek der BBF ist im Allgemeinen gut gelungen. Die Bildqualität ist gut und die Akten in den meisten Fällen fehlerfrei gescannt und abgespeichert. Beispielsweise ergab sich ein Fehler bei der Lehrerin Käthe Baer. Unter ihrem Namen sind die Unterlagen von Käthe Nehring zu finden. Auf eine Namensänderung durch eine Ehe kann nicht geschlossen werden, da sie für den Familienstand ledig eingetragen hatte. Ein weiterer konkreter Fall ergab sich im Fall von Emil Bamberg. Hier wurde die zweite Seite aus seiner Akte zwei Mal gespeichert, nicht vorhanden ist dadurch die dritte. Hinderlich bei der Auswertung der Per‐ sonalunterlagen ist, dass diese von den Lehrerinnen und Lehrern handschriftlich ausgefüllt wurden - wie zu dieser Zeit üblich in der Kurrentschrift. Beide 236 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="237"?> Aspekte stellten sich für die Auswertung teilweise als schwierig heraus, da ein Vergleich mit einer Zeichentabelle zur Kurrentschrift herangezogen werden musste. In wenigen Fällen war die Handschrift so schlecht zu lesen, dass einige Informationen weggelassen werden mussten, um Spekulationen zu vermeiden. Im Allgemeinen konnten, mit Zuhilfenahme von Tabelle 1, die gewünschten Informationen aus den Akten vollständig herausgearbeitet werden. Tab. 1: Kurrent-Alphabet (Müller, o.-J.) 4 Stichprobe und Erstellung der Untersuchungskorpora (Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann) Die gezogene Stichprobe bezieht sich daher auf drei ausgewählte Alphabet- Abschnitte, und zwar von AA bis AH (Teilkorpus Lubinski), AI bis AM (Merholz) und BAA bis BAR, konkret bis Barlen, Heinrich (#100) (Teilkorpus Adamus). Daraus ergibt sich für die Teiluntersuchungen eine Stichprobe aus 50 (Lubinski), 57 (Teilkorpus Merholz) und 100 (Adamus) Französischlehrkräften, hervorge‐ hend aus einer Gesamtsumme von 695 Personalakten von Lehrkräften nur der höheren Schulen (Lubinski), bzw. von 993 (Merholz) und 1511 Personal‐ akten (Adamus) aller Kategorien von Lehrkräften, Volksschullehrerinnen und -lehrer eingeschlossen. Insgesamt wurde für die vorliegenden Pilotierungen also eine Stichprobe von 207 Französischlehrkräften aus einem Teilkorpus von 3.199 insgesamt untersuchten Personalbögen gezogen. Erfasst wurden dabei Lehramts-Prüfungen im Französischen zwischen 1841 und 1939. Bei dem in der Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 237 <?page no="238"?> BBF digitalisierten Gesamtkorpus von etwa 52.000 Personalbögen der höheren Lehrer/ innen Preußens zwischen etwa 1840 und 1940 ergibt sich daraus eine geschätzte, erwartbare Gesamtpopulation der Lehrkräfte mit Französisch von ca. 3.350. Entsprechend einer einfachen Stichprobenrechnung ergibt sich daraus bei einer Fehlerspanne von 5 % ein Konfidenzniveau von etwas mehr als 85 %. Dies entspricht zwar nicht einer optimalen Stichprobengröße (ein Konfidenzniveau von 90 % würde ab etwa 250 Fällen, ein Konfidenzniveau von 95 % ab etwa 350 Fällen erreicht), erlaubt aber im Kontext einer Pilotierung durchaus erste Aussagen bezogen etwa auf die Entwicklung von Fächerverbindungen (vgl. htt ps: / / www.surveymonkey.de/ mp/ sample-size-calculator/ , 06.11.2023). Zur Auswertung werden alle erhobenen Daten idealerweise in eine SPSS- Datei eingetragen und mit Hilfe der dort zur Verfügung stehenden analytischen Methoden ausgewertet (so durchgeführt im Fall der Teilstudie Adamus). Bei der Auswertung sollten unter Umständen Einzelfallaspekte der jeweiligen Lehrkraft nicht außer Acht gelassen werden. Geht es zum Beispiel um die Zeit zwischen dem Ablegen der Lehramtsprüfung und der ersten festen Anstellung als Leh‐ rerin oder Lehrer, kann dies Aufschluss über Mangel- oder Überfüllungsphasen bezüglich des Lehrpersonals geben. Allerdings gab es in der untersuchten Zeit auch immer wieder Kriege, wie den Deutsch-Französischen Krieg und die beiden Weltkriege, in denen viele Männer eingezogen wurden, wodurch sich Lücken in den beruflichen Lebensläufen erklären lassen. Bibliographie BBF (2020a) = Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung in Berlin: Über uns, htt ps: / / bbf.dipf.de/ de/ die-bbf/ ueber-uns (07.12.2020). BBF (2020b) = Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung in Berlin: Personalunter‐ lagen der Gutachterstelle für deutsches Schul- und Studienwesen, https: / / bbf.dipf.de / de/ sammeln-entdecken/ besondere-bestaende-sammlungen/ gutachterstelle-fuer-deu tsches-schul-und-studienwesen (07.12.2020). BBF (2021a): Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung in Berlin. Über uns, https : / / bbf.dipf.de/ de/ die-bbf/ ueber-uns (19.06.2021). BBF (2021b): Personalunterlagen der Gutachterstelle für deutsches Schul- und Studi‐ enwesen, https: / / bbf.dipf.de/ de/ sammeln-entdecken/ besondere-bestaende-sammlun gen/ gutachterstelle-fuer-deutsches-schul-und-studienwesen (19.06.2021). BBF (2021c): Archivdatenbank der BBF. Tektonik, https: / / archivdatenbank.bbf.dipf.de/ a ctaproweb/ archive.xhtml? id=Best++++A3D504EF-9EFA-4100-8A4A-45BBE37D8C27 #Best____A3D504EF-9EFA-4100-8A4A-45BBE37D8C27 (19.06.2021). 238 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="239"?> Caspari, Daniela (2016): Grundfragen fremdsprachendidaktischer Forschung, in: dies. et al. 2016, 7-21. Caspari, Daniela/ Klippel, Friederike/ Legutke, Michael K./ Schramm, Karen (Hrsg.): For‐ schungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik - Ein Handbuch. Tübingen: Narr. Christ, Herbert (1983): Zur Geschichte des Französischunterrichts und der Französisch‐ lehrer, in: Mannzmann, Anneliese (Hrsg.). Geschichte der Unterrichtsfächer. Bd. 1. München: Kösel. 95-117. Dorfeld, Karl (1891): Beiträge zur Geschichte des französischen Unterrichts in Deutsch‐ land, in: Programm des Grossherzoglich hessischen Gymnasium zu Giessen. Gießen: Keller, 1-29. Dütsch, Gerald (2020): Die Schrift von den Karolingern bis Sütterlin anhand Schriftbei‐ spielen aus und über Bamberg aus dem Stadtarchiv Bamberg, http: / / www.stadtarch iv-bamberg.de/ data/ uploads/ downloaddateien/ duetsch_die_schrift_online-version.pdf (23.6.2021). Klippel, Friederike (2016): Historische Forschung, in: Caspari et al. 2016, 31-39. Klippel, Friederike/ Ruisz, Dorottya (2020): Historisch forschen in der Fremdsprachendi‐ daktik, in: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 31, 1, 7-21. Kolb, Elisabeth/ Klippel, Friederike (2016): Dokumentensammlung, in: Caspari et al. 2016, 124-132. Kuhfuß, Walter (2014): Eine Kulturgeschichte des Französischunterrichts in der frühen Neuzeit. Französischlernen am Fürstenhof, auf dem Marktplatz und in der Schule in Deutschland. 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Theorie der Geschichtswissenschaft. Köln: Böhlau. Ruisz, Dorottya/ Kolb, Elisabeth/ Klippel, Friederike (2016): Analyse historischer Quellen, in: Caspari et al. 2016, 220-229. 240 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="241"?> Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse der Personalunterlagen von Lehrerinnen und Lehrern höherer Schulen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts (Alphabetabschnitte AA - AH, AI - AM, BAA - BAR) Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus 1 Alphabetabschnitt AA - AH (Magdalene Lubinski) (L1) Abegg, Elisabeth wurde am 03.03.1882 in Straßburg geboren. Ihr Studium begann sie 1909 und beendete es mit der Lehramtsprüfung im Jahre 1915. Sie erlangte die Lehrbefähigung in den Fächern Französisch und Geschichte für die Oberstufe. Für das Fach Latein verfügte sie über eine Lehrbefähigung für die Mittelstufe. Den Titel des Dr. phil. erwarb sie 1916 in Leipzig. Sie publizierte folgende wissenschaftliche Veröffentlichungen: „Die Politik Mailands in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts“, erschienen 1918, und zusammen mit Gerhard Schwartz „Die Geschichtsschreibung des Klosters San Michele della chiusa“, welches im Jahr 1924 erschienen ist. Bis zum Jahr 1935 arbeitete sie als Studienrätin. Sie wurde am 01.04.1941 in den Ruhestand entlassen. (L2) Abel, Friedrich, wurde am 05.01.1891 in Radevormwald geboren. Im Ersten Weltkrieg nahm er 1915 an Stellungskämpfen in der Champagne und an der Schlacht um die Loretto-Höhe teil. Dies war somit der Grund für die Unterbrechung seines Studiums zwischen 1914-1917. Sein Studium begann er 1911 und beendete es 1920. Er legte die Lehramtsprüfung 1921 in den folgenden Fächern ab: Englisch, Deutsch, Französisch, Philosophie. Nach seinem Vorbereitungsjahr und der pädagogischen Prüfung war er von 1922 bis 1927 Studienassessor, danach arbeitete er als Studienrat in Rastenburg. Er ging 1928 in den Ruhestand. Aufgrund seiner Stationierung in Frankreich während des Krieges kann die Vermutung aufgestellt werden, dass er während des Krieges mit der französischen Sprache in Kontakt kam. <?page no="242"?> 1 Die Alliance Française ist eine Organisation, die 1883 in Paris von Paul Cambon und Pierre Foncin gegründet wurde. Ihr Ziel war es, und ist es bis in die heutige Zeit, die französische Sprache und die frankophone Kultur überall auf der Welt zu verbreiten. Dies gelingt dieser Vereinigung mit Sitzen in 133 Ländern (vgl. Alliance Francaise, 2020). (L3) Abée, Friedrich wurde am 14.08.1880 in Marburg geboren. Die Lehramts‐ prüfung legte er 1907 in Französisch und Englisch für die OI ab und für Lateinisch für die UI. Mit der wissenschaftlichen Veröffentlichung „Laut- und Formenlehre zu den Werken des Adenet le Roi“ von 1905 erwarb er den Titel des Dr. phil. am 3.11.1905 in Halle. Die höchste amtliche Stellung, die er erreichte, war die Position des Oberstudiendirektors im Jahr 1925. Der Familienname Abée kann ebenfalls ein Hinweis auf französische Wurzeln und Vorfahren sein. (L4) Abel, Antonie wurde am 10.01.1885 in Quedlinburg geboren. Die erste Lehrerprüfung legte sie im Jahre 1904 ab. Aufgrund ihrer Aufenthalte in Dijon und Paris in den Jahren 1912-1913 erlangte sie 1912 in Paris an der Alliance Française 1 das Certificat d’aptitude à l’enseignement du français usuel. Andere Fächer wurden in ihrer Personalakte nicht vermerkt. Sie scheint demnach nur Französisch unterrichtet zu haben. Sie arbeitete als Oberschullehrerin. (L5) Abel, Bruno wurde am 26.08.1884 in Berlin geboren. Er beendete sein Universitätsstudium 1909 und legte die erste Lehramtsprüfung 1910 für Latein und Französisch für die zweite Stufe ab. Durch die Ergänzungsprüfung im Jahr 1911 erlangte er die Lehrbefähigung für Französisch für die erste Stufe, Latein und Griechisch für die zweite Stufe. 1918 erreichte er die amtliche Stellung des Oberlehrers. Ab 1926 wurde die Position in die Bezeichnung des Studienrats geändert. (L6) Abel, Paul wurde am 04.11.1880 in Berlin geboren. Er legte seine Lehr‐ amtsprüfung am 18.06.1907 in Französisch und Englisch für die Oberstufe und in Deutsch für die Mittelstufe ab. Er wurde bis 1913 als Oberlehrer besoldet. (L7) Abendroth, Franz wurde am 26.04.1891 in Gräfenhainichen geboren. Er absolvierte die Lehramtsprüfung am 13.12.1919 in Englisch, Französisch und Religion. Für welche Stufen er die Lehrbefähigung erhielt, konnte aufgrund der Schrift nicht erkannt werden. Er wurde am 24.02.1938 als Direktor einer Vollanstalt angestellt. (L8) Abicht, Ernst wurde am 21.05.1868 im Kreis Naumburg geboren. Er legte seine erste Lehramtsprüfung am 13.11.1891 in Breslau ab und erhielt die Lehrbefähigung für Latein und Griechisch für alle Klassen und für Französisch und Englisch für die mittleren Klassen. In der Zeit von April bis Oktober 242 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="243"?> 1906 war er als Oberlehrer angestellt. Am 18.11.1909 wurde ihm der Titel des Professors in Berlin verliehen. 1906 veröffentliche er folgendes Werk: „Der gegenwärtige Stand der Handschriftenfrage bei Arrian“. (L9) Abicht, Maximilian wurde am 07.12.1855 in Simmenau geboren. Er hat die erste Prüfung am 06.05.1881 in Religion und Hebräisch jeweils für die OI, Latein, Griechisch und Französisch jeweils für die IV. Stufe abgelegt. Die Ergän‐ zungsprüfung am 20.04.1883 befähigte ihn für den Unterricht in Deutsch für die UII und Französisch für die UIII. Durch die Ergänzungsprüfung am 29.07.1887 konnte er außerdem in Deutsch OII, Latein OIII, Französisch OIII unterrichten. Außerdem legte er am 03.05.1895 noch eine weitere Ergänzungsprüfung im Fach Englisch für die UII ab. Ihm wurde der Rang der Räte IV. Klasse verliehen. (L10) Abraham, Fritz wurde am 01.06.1841 in Berlin geboren. Die erste Prüfung legte er in Berlin am 08.07.1867 für die Fächer Geschichte und Geographie für alle Klassen ab. Deutsch und Französisch konnte er in den unteren und mittleren Klassen unterrichten. In Latein und Griechisch reichte seine Lehrbefähigung bis zur OII. Das Fach Mathematik unterrichtete er in den unteren Klassen. Den Grad des Dr. phil erlangte er am 15.05.1878 in Leipzig. Er publizierte folgende wis‐ senschaftliche Veröffentlichungen: „Jahresberichte der Geschichtswissenschaft I- III“, veröffentlicht 1880; „Über die Tarquinier“ von 1874; „Zur Geschichte der germanischen und pannonischen Kriege unter Augustus“ von 1875; „Velleius und die Parteien in Rom unter Tiberius“ von 1885 und „Tiberius und Seijan“ von 1888. Alle Werke wurden in Berlin publiziert. Er war als Oberlehrer angestellt. (L11) Abramczyk, Roland wurde am 27.01.1880 in Treuen im sächsischen Vogtland geboren. Die Lehramtsprüfung legte er am 04.07.1907 in Deutsch für die OI und Englisch für die OI ab. Außerdem wurde er in Französisch für die UII geprüft. Am 07.03.1908 absolvierte er die Ergänzungsprüfung in der philosophischen Propädeutik. Im Jahr 1903 erwarb er den Titel des Dr. phil. an der Universität Leipzig. Als Direktor war er ab dem 1. April 1912 bis 1924 tätig. Er veröffentlichte die Dissertation „Über die Quellen zu Walter Scotts Roman Ivanhoe“ 1903 in Halle. (L12) Abt, Ludwig wurde am 29.11.1851 in Seitzenhahn geboren. Die erste Prüfung absolvierte er im Juli 1892. Durch die Erweiterungsprüfung im Lehramt erlangte er die Lehrbefähigung in Religion, Hebräisch bis zur OI und in Franzö‐ sisch bis zur UII. In den Jahren 1891-1892 unterrichtete er als Religionslehrer am Realgymnasium in Limburg. Später wurde er als Oberlehrer angestellt. Er veröffentlichte folgende Werke: „Die Familie auf christlicher Grundlage“ von 1897; „Der Dom zu Limburg. Eine historisch-architektonische Skizze“ von 1885; Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 243 <?page no="244"?> 2 Landgraf Friedrich II. von Hessen-Homburg gab den verfolgten Protestanten, den soge‐ nannten Hugenotten und Waldensern, die unter der Religionspolitik des französischen Königs Ludwig XIV Frankrich und Savoyen verlassen mussten, eine neue Heimat in Dornholzhausen (vgl. Banzer/ Duvenbeck 1999, 5-6; 19). Somit können französische Einflüsse in dieser Region vermerkt werden. Eine weitere Besonderheit dieses Ortes war, dass die Französische Sprache in den öffentlichen Bereichen wie in der Kirche und in der Schule genutzt wurden. Hierbei handelte es sich um das Patois, eine proven‐ zalische Mundart mit italienischen und französischen Einflüssen. Das Französische beeinflusste das Leben und die Identität der Dornholzhäuser Einwohner und Siedler (vgl. ebd., 31-32). „Seelenberg“ 1696-1896 und vier weitere Werke, die aufgrund der Schrift nicht gelesen werden konnten. Weitere Informationen über Ludwig Abt konnten dem Landesgeschichtlichen Informationssystem aus Hessen entnommen werden. Nach seinem Studium am Priesterseminar Mainz und an der Universität Würz‐ burg war er bis 1885 Lehrer am Bischöflichen Gymnasium in Grenoble (vgl. Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen, 2021). Erst danach studierte er Französisch. Sein Studium der französischen Sprache erfolgte nach seinem Frankreichaufenthalt. (L13) Achard, Louis wurde am 22.09.1838 in Dornholzhausen 2 geboren. Die erste Prüfung bestand er 1859. Weitere Prüfungen legte er an der Académie de Bordeaux 1864 in Französisch für die II. Stufe ab. Er absolvierte an der College School in London eine Prüfung für das Englische für die II. Stufe. Von 1865 bis 1866 unterrichtete er als ordentlicher Lehrer in Französisch an der Realschule zu Homburg an der Höhe und war ab 1898 als Oberlehrer an der gleichen Schule tätig. Er veröffentlichte 1878 den „Traité de l’accentuation franc“ und „Die Waldenser Gemeinde Dornholzhausen“ im Jahr 1894. Bei Louis Archard kann vermerkt werden, dass er aufgrund der französischen Einflüsse und des Französischen als primär genutzte Sprache in den öffentlichen Bereichen der Gemeinde Dornholzhausen bereits früh mit der Sprache in Kontakt kam. (L14) Achilles, Herbert wurde am 12.11.1887 in Berlin geboren. Er legte seine Ergänzungsprüfung am 02.05.1911 in Englisch und Französisch für die Klassen der Stufe I und in Religion für die Klassen der Stufe II ab. Vor Eintritt in den höheren Schuldienst unterrichtete er bereits im Sommerhalbjahr 1911 an der höheren Schule zu Hermsdorf Englisch, Französisch, Religion, Deutsch und Latein. Er erreichte den Status als Oberlehrer. (L15) Acht, Wilhelm wurde am 15.06.1880 in Niedertiefenbach geboren. Am 03.11.1908 bestand er die Wiederholungsprüfung in Geschichte für die Stufe I, Lateinisch und Französisch für die Stufe II. Er erlangte den Doktortitel am 244 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="245"?> 06.04.1908 in Leipzig. Dazu veröffentlichte er 1908 seine Dissertation zu dem Thema „Die Entstehung des Jahresanfangs mit Ostern“. In der Zeit von 1928-1934 war er als Studienrat angestellt. (L16) Achtelik, Karl wurde am 14.07.1879 in Bannewitz geboren. Er wurde 1898 für ein Noviziat aufgenommen. Karl Achtelik bestand seine Prüfung 1908 in Breslau für die katholische Religion, Latein und Französisch. Er war als Oberschullehrer angestellt. (L17) Achternbosch, Friedrich Ernst August wurde am 13.01.1823 in Rhein‐ berg geboren. Er beendete die Universität am 14.08.1846 und erhielt die Lehrbe‐ fähigung für die klassischen Sprachen und Französisch für die unteren Klassen. (L18) Achtert, Karl wurde am 29.11.1841 in Breslau geboren. Die erste Prüfung absolvierte er am 31.01.1868 in den Naturwissenschaften für die OI, Mathematik und Französisch für die IV. Die Erweiterungsprüfung des 18.03.1881 legte er in Französisch für die UII ab. Ab 1875 arbeitete er als Oberlehrer. Er veröffentlichte im Jahr 1875 das Werk „Über Pflanzennahrungsmittel“. (L19) Ackermann, Franz wurde am 23.08.1883 in Zillbach geboren. Die erste Lehramtsprüfung legte er in Deutsch und Französisch für die 2. Stufe am 29.10.1910 ab (offensichtlich nicht voll bestanden). Am 12.05.1911 absolvierte er die Ergänzungsprüfung in Deutsch für die 1. Stufe, Französisch und Latein jeweils für die 2. Stufe. 1929 war er nach der festen Anstellung als Studienrat tätig. (L20) Ackermann, Johann wurde am 21.09.1879 in Kehrig geboren. Die erste Lehramtsprüfung absolvierte er am 12.01.1909 in Geschichte und philosophi‐ scher Propädeutik für die I. Stufe, Deutsch, Französisch, Religion für die II. Stufe. Die Erweiterungsprüfung 1914 legte er im Fach Deutsch für die I. Stufe ab. Ab dem 01.04.1917 arbeitete er als Oberlehrer. (L21) Acquistapace, Ludwig wurde am 24.03.1893 geboren. Der Geburtsort konnte aufgrund der Handschrift nicht ermittelt werden. Sein Studium begann er 1911 in Jena, welches er jedoch aufgrund des Krieges bis 1919 unterbrechen musste. Am 31.10.1920 legte er seine wissenschaftliche Fachprüfung in Franzö‐ sisch und in Englisch für die I. Stufe. Die philosophische Prüfung legte er 1921 ab. Er war ab 1927 als Studienrat in Wilhelmshaven tätig. (L22) Adam, Emil wurde am 01.10.1863 im Kreis Kassel geboren. Seine erste Prüfung legte er 1890 in Marburg in den Fächern Englisch und Deutsch für die OII, in Französisch für die UII und in Latein für die IV. Stufe ab. Mit der Erweiterungs- und Ergänzungsprüfung 1892 erlangte er die Lehrbefähigung für Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 245 <?page no="246"?> Französisch in bis zur OI. Am 20.01.1909 wurde ihm die Auszeichnung des Rangs der Räte IV. Klasse verliehen. (L23) Adam, Franz wurde am 02.02.1835 in Weitzenberg geboren. Die erste Prüfung absolvierte er am 03.07.1862 in den Fächern Latein, Griechisch, Deutsch und Philosophie bis zur OI. Französisch unterrichtete er in der III. Stufe. Die Ergänzungsprüfung legte er am 06.07.1866 in Religion ab. Sein Seminarjahr absolvierte er am Französischen Gymnasium in Berlin. Er erlangte den Titel Dr. phil. im Jahr 1861 an der Universität in Berlin. Die höchste amtliche Stellung, die er erreichte, war die Position des Direktors in den Jahren 1876 bis 1899. Seine Promotionsschrift aus dem Jahr 1861 trägt den Titel „De Aristotele“. Im Jahr 1881 veröffentliche er sein Werk „Über die 28. Ode im I. Buche des Horaz“. (L24) Adam, Johannes wurde am 10.10.1887 in Köln geboren. Er legte die Lehramtsprüfung am 24.02.1912 in Breslau ab. Die erste Prüfung beinhaltete die Abfrage der Fächer Französisch und Englisch für die I. Stufe und Lateinisch für die II. Stufe. Er veröffentlichte 1912 die „Übersetzung und Glossar des altspa‐ nischen Poema del Cid“ in Erlangen, in der Zeitschrift Romanische Forschungen. Er erreichte die amtliche Stellung des Studienrats. (L25) Adam, Reinhard wurde am 10.10.1899 in Dirschau geboren. Seine Lehramtsprüfung legte er 1924 in den Fächern Deutsch, Französisch und Geschichte für die I. Stufe ab. Er nahm 1918 an Feldzügen in Frankreich teil. 1923 veröffentlichte er das Werk „Die Provinz Preussen [sic] und die preussisch [sic]-deutsche Politik von 1840-1858.“ in Königsberg. Er war bis zum 31.09.1928 als Studienrat an einem Realgymnasium angestellt. (L26) Adam, Richard wurde am 28.09.1851 in Neuruppin geboren. Er erlangte 1875 die Lehrbefähigung für Mathematik, Naturwissenschaften und Franzö‐ sisch. Er wurde als ordentlicher Lehrer angestellt. (L27) Adami, Oskar wurde am 09.08.1894 in Berlin geboren. Am 09.03.1920 absolvierte er die Lehramtsprüfung für die Fächer Englisch und Französisch für die erste Stufe und Religion für die zweite Stufe. Ab Oktober 1922 war er als Studienrat tätig. (L28) Adelhoefer, Gerta wurde am 22.05.1909 in Eydtkuhnen geboren. Am 15.02.1936 legte sie die Wiederholungsprüfung in den Fächern Erdkunde und Englisch für die erste Stufe sowie Französisch für die zweite Stufe ab. (L29) Adeneuer, Johann wurde am 18.07.1854 in Köln geboren. Am 15.11.1879 legte er die Ergänzungsprüfung in Französisch und Englisch bis zur OI und Geschichte und Geographie bis zur UII ab. Er arbeitete als Oberlehrer. 246 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="247"?> (L30) Adler, Fritz wurde am 01.05.1870 in Wolkramshausen geboren. Er ab‐ solvierte die erste Prüfung am 03.07.1897 und erhielt die Lehrbefähigung in Französisch und Englisch bis zur OI, in Deutsch bis zur UII und Latein bis zur IV. 1899 legte er die Erweiterungsprüfung im Fach Religion für die mittleren Klassen ab. Am 01.05.1895 erwarb er den Doktortitel in Halle an der Saale. Er war als Studienrat tätig; seine Dissertation trug den Titel „Das Verhältnis von Shakespeare’s Antony und Cleopatra zu Plutarch’s Biographie des Antonius“. (L31) Adler, Hans wurde am 31.01.1887 in Potsdam geboren. Die erste Lehr‐ amtsprüfung legte er am 11.05.1912 ab, die Ergänzungsprüfung anschließend im Jahr 1913. Er unterrichtete die Fächer Französisch, philosophische Propädeutik und Englisch für die II. Stufe. Er war als Studienrat tätig. Vom 10.06.1915 bis zum 30.11.1918 war er nach seinem Studium in Lüttich stationiert. Seine Dissertation verfasste er 1911 zu dem Thema „Die lautliche und begriffliche Entwicklung der französischen Verben des Infinitivausganges Vokal + y + er“. (L32) Adler, Johann Gottlieb Hermann wurde am 31.08.1817 in Breslau geboren. Sein Studium beendete er am 25.02.1845. Der Doktortitel wurde ihm am 26.09. 1841 in Berlin verliehen. Er erlangte die Lehrbefähigung in den Fächern Deutsch, Griechisch und Latein für alle Klassen im Gymnasium. Außerdem absolvierte er die Prüfung in Geschichte und Geographie für die mittleren Klassen und Französisch für die unteren Klassen. Ein weiteres Fach konnte hier aufgrund der Schrift nicht ermittelt werden. Während seiner Berufslaufbahn war er als Oberlehrer angestellt. Er publizierte fünf Schriften, unter anderem „De Dinarchi Attici oratoris Vita et dictione“ von 1841. (L33) Adler, Johannes wurde am 28.08.1881 in Neufahrwasser geboren. Er absolvierte die erste Prüfung am 29.11.1907 in den Fächern Englisch und Französisch für die erste Stufe und Deutsch für die zweite Stufe. Ihm wurde der Titel des Dr. phil. am 25.06.1906 in Königsberg verliehen. Er war als Oberlehrer angestellt. Im Jahr 1906 publizierte er eine wissenschaftliche Veröffentlichung zum Thema „Zur Shakespeare-Kritik des 18.-Jahrhunderts“. (L34) Adler, Otto wurde am 19.02.1830 in Lehmgraben geboren. Im Dezember 1859 absolvierte er die Lehramtsprüfung in den Fächern Mathematik, Physik und Naturwissenschaften für alle Klassen sowie Deutsch, Französisch und Geschichte für die unteren Klassen und Lateinisch und Griechisch. Die Klassen‐ stufen konnten für diese Fächer aufgrund der Schrift nicht ermittelt werden. Er war als ordentlicher Lehrer angestellt. Am 10.11.1860 wurde er zum Dr. phil. promoviert und verfasste seine Dissertation zum Thema „De superficie curva, quae continetur aequatione ...“ Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 247 <?page no="248"?> (L35) Adolph, Gottfried Heinrich Wilhelm Carl wurde am 08.04.1838 in Nordstemmen geboren. Er absolvierte die erste Prüfung in Mathematik und Physik für alle Klassen. Die Ergänzungsprüfung legte er am 10.07.1866 in Göttingen in den Fächern Mathematische Geographie für alle Klassen, Geschichte für die unteren Klassen und Französisch, Englisch und Geographie ab. Auf welche Jahrgangsstufen sich die Lehrbefähigung in den Fächern Fran‐ zösisch, Englisch und Geographie bezieht, konnte aufgrund der nicht-lesbaren Handschrift nicht ermittelt werden. Er promovierte in Göttingen und erhielt am 10.07.1893 den Doktortitel. Er war als Oberlehrer angestellt. Die Titel seiner Publikationen können aufgrund der Handschrift ebenfalls nicht ermittelt werden. (L36) Adolph, Eliza wurde am 23.08.1887 in Aurich geboren. Im Jahr 1915 legte sie die Lehramtsprüfung in den Fächern Deutsch und Englisch für die erste Stufe und Französisch für die zweite Stufe ab. (L37) Adolphi, Paul wurde am 13.11.1884 in Leopoldshall geboren. Die Ergän‐ zungsprüfung in den Fächern Englisch für die erste Stufe, Französisch und Deutsch für die zweite Stufe bestand er am 29.07.1911. Er promovierte am 21.05.1910 in Marburg und verfasste seine Dissertation zu dem Thema „Dop‐ pelsuffixbildung und Suffixwechsel im Englischen. Mit besonderer Rücksicht auf das lateinisch-romanische Element“. Der Doktortitel wurde ihm am 21.05.1910 verliehen. (L38) Adrian, Franz Rudolph Leo wurde am 27.03.1825 in Neuzelle geboren. Er beendete die Universität am 27.07.1855 und absolvierte die Lehramtsprüfung in den Fächern Französisch und Geschichte für die unteren Stufen und erhielt ebenfalls die Lehrbefähigung für Deutsch und die klassischen alten Sprachen. Er verfasste die Werke „De cantico quod est apud Euripidem Bacch. Verss. 367- 426“, welches 1860 erschien. Des Weiteren verfasste er 1871 „De locis aliquot primi idyllii Theocritei difficilioribus“ und 1875 „Über das lateinische participium passivi“. Er war als Oberlehrer angestellt. (L39) Adrian, Gerhard wurde am 07.05.1868 in Elbing geboren. Die erste Prüfung legte er am 07.07.1894 in den Fächern Latein, Griechisch, Deutsch und philosophischer Propädeutik für die OI ab. Bei der Erweiterungsprüfung am 24.07.1897 erwarb er zusätzlich die Lehrbefähigung für das Fach Französisch für die UII. Er war als Oberlehrer angestellt. Der Titel des Dr. phil. wurde ihm am 06.06.1893 in Würzburg verliehen. Dazu verfasst er seine Dissertation 1893 mit dem Titel „Quaestiones Statianae“. 248 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="249"?> (L40) Adrian, Theodor wurde am 02.03.1861 in Danzig geboren. Die erste Prüfung legte er am 18.07.1883 in Mathematik und Physik bis zur OI ab und Französisch bis zur IV. Durch die Ergänzungsprüfung am 08.02.1884 legte er zusätzliche eine Prüfung in der allgemeinen Bildung und für das Französische bis zur UII ab. Er wurde am 22.11.1882 in Berlin zum Dr. phil. promoviert. Seine Dissertation erschien im gleichen Jahr zu dem Thema „Über Projektivitäts- und Dualitäts-Beziehungen im Gebiete mehrfach unendlicher Kegelschnittschaaren.“ Er war als Oberlehrer angestellt. (L41) Aehle, Wilhelm wurde am 11.07.1884 in Coswig geboren. Die erste Prüfung legte er am 16.07.1910 in Halle an der Saale für die Fächer Französisch und Englisch für die erste und Deutsch für die zweite Stufe ab. Er war als Oberlehrer angestellt. (L42) Aettner, Käthe wurde am 15.04.1915 in Berlin geboren. Die wissen‐ schaftliche Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen absolvierte sie am 06.12.1939 in den Fächern Deutsch, Französisch und Religion. In der Prüfung für Französisch erreichte sie sogar das Prädikat ‚mit Auszeichnung’, obwohl sie keinen Auslandsaufenthalt vorweisen konnte. (L43) Agats, Arthur wurde am 22.07.1879 in Wald geboren. Er legte die erste Prüfung am 22.07.1905 in den Fächern Geschichte und Deutsch für die erste Stufe und Französisch für die zweite Stufe ab. Der Doktortitel wurde ihm im März 1904 in Heidelberg verliehen. Dafür verfasste er 1904 die wissenschaftliche Abhandlung mit dem Titel „Der hansische Baienhandel“. Er war als Oberlehrer angestellt. (L44) Agethen, Werner wurde am 28.01.1905 in Oberhausen geboren. Die erste Lehramtsprüfung absolvierte er in Bonn am 27.07.1930 für die Hauptfächer Französisch und Englisch. Die Prüfung für das Zusatzfach legte er in Turnen ab. Den Titel des Dr. phil. erlangte er an der Universität Bonn 1930. Seine Dissertation verfasste er zu dem Thema „Der Einfluß des Provenzalischen auf das Französische in den Mundarten Westfrankreichs“. Ab 1940 war er als Studienrat angestellt. (L45) Ahlbäumer, Wilhelm wurde am 07.02.1884 in Welschen-Ennest geboren. Die erste Lehramtsprüfung absolvierte er am 20.01.1913. Am 23.07.1913 legte er die Wiederholungsprüfung in den Fächern Religion und Hebräisch für die erste und Französisch für die zweite Stufe ab. (L46) Ahlborn, Hermann wurde am 24.03.1851 in Göttingen geboren. Die Universität beendete er am 13.12.1873. Er erhielt die Lehrbefähigung in Mathe‐ Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 249 <?page no="250"?> matik und Physik für allen Stufen, Französisch und Englisch für die mittleren und unteren Stufen. In einer Nachprüfung am 02.07.1875 erhielt er die Lehrbe‐ fähigung in den Naturwissenschaften. Er veröffentlichte 1875 folgende Studie: „Ueber das Pentagramma mirificum“, und zwar im Programm der Realschule zu Osnabrück. Er war als ordentlicher Lehrer angestellt. (L47) Ahlburg, Wilhelm Ernst August wurde am 18.11.1857 in Beinum geboren. Die erste Prüfung legte er am 17.07.1886 in den Fächern Englisch für die erste und Französisch für die zweite Stufe ab. In diesem Abschnitt wie auch in der Spalte für die Ergänzungsprüfung des 12.05.1888 werden noch drei weitere Fächer mit Abkürzungen benannt. Diese können nicht zu bestimmten Schulfächern zugeordnet werden. 1890 erlangte er durch die Erweiterungsprü‐ fung ebenfalls die Lehrbefähigung für Französisch für die erste Stufe und für evangelische Religion für die zweite Stufe. Am 30.07.1912 wurde ihm der Rang der Räte IV. Klasse verliehen. (L48) Ahlert, Paul wurde am 27.05.1888 in Emmerich am Rhein geboren. Die erste Prüfung legte er am 25.03. und 14.04.1914 in den Fächern Deutsch und Französisch für die erste Stufe und Englisch für die zweite Stufe ab. In der Ergänzungsprüfung am 26.04.1921 wurde er für das Fach Philosophie geprüft. Der Titel des Dr. phil. wurde ihm am 11.08.1914 in Königsberg verliehen. Die Dissertation dazu verfasste er zu dem Thema „Dialektgeographische Kriterien nördlich des Teutoburger Waldes“. Der Titel konnte nur teilweise erfasst werden. Ab 1925 arbeitete er als Studienrat. (L49) Ahn, Franz Heinrich wurde am 07.05.1835 in Aachen geboren. Er absolvierte das Examen pro facultate docendi in Englisch und Französisch für alle Klassen und in Deutsch für die unteren Klassen. Er promovierte ab Juli 1859 in Bonn und erhielt am 20.07.1865 den Doktortitel. Seit Dezember 1875 arbeitete er als Oberlehrer. Er veröffentlichte Lehrwerke für das Englische und Französische, aber auch zum Italienischen, unter anderem „Manuel théorique et pratique de compositions françaises“, „English reading book“, „Class-book of English litterature“, „Grammaire italienne“, „Vocabulaire systematique et manuel de conversation anglaise“ und „Französische Grammatik I und II“. Er war als Oberlehrer angestellt. (L50) Ahrendt, Asmus wurde am 04.09.1866 in Siemz bei Schönberg geboren. Die erste Prüfung absolvierte er am 10.12.1889 in den Fächern Mathematik, Physik für die OI und in Geographie, Chemie und Mineralogie für die UII. Die Erweiterungsprüfung legte er in Rostock im Dezember 1891 in Geschichte und Französisch für die UII ab. Der Doktortitel wurde ihm am 09.09.1888 in Rostock 250 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="251"?> verliehen. Seine Dissertation verfasste er zu dem Thema „Untersuchungen über die Parallelflächen zweiten Grades“. Zudem veröffentlichte er drei weitere Werke. Anmerkung: Die Personalakte 151037 von Hildegard Ackermann konnte auf‐ grund der für Verf. unleserlichen Schrift nicht ausgewertet werden. 2 Alphabetabschnitt AI - AM (Anna-Maria Merholz) (M1) Aistermann, Franz Josef Wilhelm wurde am 28. November 1879 in Calcar im Kreis Kleve geboren. Er war katholischer Konfession und war Sohn des verstorbenen Rektors der städtischen Rektoratschule zu Calcar, Heinrich Aistermann. 1898 erlangte er das Reifezeugnis und legte am 31. Juli 1909 die philologische Staatsprüfung vor der königlichen wissenschaftlichen Prüfungs‐ kommission Bonn für die Lehrbefähigung in Latein, Griechisch und Französisch für die erste Stufe (bis einschließlich der Oberstufe) ab. Daraufhin tritt er im September 1909 am königlichen Hohenzollern-Gymnasium in Düsseldorf sein sogenanntes Seminarjahr an. Bereits 1904 bis 1905 ging er seinem militärischen Dienst in Heidelberg nach, woraufhin er Vizefeldwebel der Reserve wurde. Darüber hinaus sind keine weiteren Angaben in seiner Personalakte aufgelistet. (M2) Albarus, Charlotte wurde am 28. März 1905 in Lyck in Ostpreußen geboren und war evangelisch. Sie war die Tochter des im Jahre 1907 verstor‐ benen Oskar Albarus und erlangte 1925 ihr Reifezeugnis. Ab 1925 besuchte sie die Universitäten Berlin und Jena und legte schließlich 1930 in Jena ihre Lehramtsprüfung für die Fächer Englisch, Deutsch und Französisch ab. Deutsch und Französisch sind hier als Hauptfächer und Englisch als Nebenfach ange‐ geben. Weiterhin ist angegeben, dass sie 1930 ihr Vorbereitungsjahr im Gese‐ nius-Wegener-Oberlyzeum in Stettin ablegte und den Dr. phil. erlangte. Hier ist anzumerken, dass keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen angegeben sind. 1932 erhielt sie eine Anstellung im höheren Schuldienst für Preußen. In den Anmerkungen wird darauf hingewiesen, dass sie ab dem 1. 4. 1934 beurlaubt wurde. Hier ist keine Begründung angegeben. Außerdem ist in den Bemerkungen angegeben, dass 1930 die Richtigkeit ihrer Daten in Stettin von einer Oberstudienrätin bestätigt wurde. (M3) Albers, Josef Lucas Anton wurde am 6. März 1897 in Neuenkirchen im Kreis Steinfurt geboren, war katholisch und der Sohn eines Zigarrenfabrikanten namens Lucas Albers und dessen Ehefrau Elisabeth, die als eine geborene Heyne angegeben ist. In diesem Dokument ist auffällig, dass es mit einer Schreibmaschine ausgefüllt wurde, während die restlichen überwiegend hand‐ Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 251 <?page no="252"?> schriftlich ausgefüllt wurden. Des Weiteren absolvierte Lucas Albers 1914 seine Reifeprüfung und studierte daraufhin in Münster. Sein Studium wurde durch einen dreijährigen Heeresdienst unterbrochen. 1929 legte er schließlich die Lehramtsprüfung in Englisch und Französisch als Hauptfach und Spanisch als Zusatzfach ab. Darüber hinaus erlangte er in einer Erweiterungsprüfung die Lehrbefähigung für das Fach Kunstgeschichte. Des Weiteren ist vermerkt, dass ihm sein erstes Vorbereitungsjahr nach Erlass UII Nr. 115,1 erlassen wurde und er von 1929 bis 1934 für eine Oberrealschule in Gelsenkirchen „auf den Führer“ vereidigt wurde. 1930 absolvierte er die pädagogische Prüfung und wurde schließlich 1935 im höheren Schuldienst in Preußen als Studienrat angestellt. In dem Dokument ist eine Beteiligung an dem Feldzug auf dem „westlichen Kriegsschauplatz“ im ersten Weltkrieg aufgeführt, die als Auslandsaufenthalt in Frankreich gesehen werden kann. (M4) Albers, Paul Marvin Franz Bruno wurde am 29. Juni 1866 in Adenau im Kreis Adenau in der Eifel geboren, war katholisch und der Sohn des verstor‐ benen Dr. med. Paul Ludwig Oskar Albers. 1887 erhielt er sein Reifezeugnis und fing daraufhin in Bonn an, Theologie und klassische Philologie zu studieren. 1919 legte er schließlich eine Lehramtsprüfung in den Fächern Latein, Religion, Griechisch und in einer Erweiterungsprüfung im Fach Französisch ab. Hierbei erlangte er die Lehrbefähigung in Religion und Latein für die Oberstufe und in Griechisch und Französisch für die Mittelstufe. Weiter ist angegeben, dass er 1892 die Priesterweihe erhielt und 1911 einen Doktor in Theologie erlangte. Nach der Erlangung seiner Lehrbefähigungen absolvierte er ein Seminarjahr und wurde schließlich 1922 im höheren Schuldienst von Preußen als Studienrat angestellt. Des Weiteren ist anzumerken, dass er als „dauerhaft untauglich“ für den Militärdienst galt und keinen Auslandsaufenthalt aufweisen kann. Zuletzt ist anzumerken, dass der Rest der Dokumente nicht ausgefüllt wurde. Hier kann eine Unvollständigkeit vorliegen oder es kann der Tatsache geschuldet sein, dass in den anderen Bereichen Fehlanzeige bestand. (M5) Albersmeyer, Wilhelm wurde am 2. Mai 1906 in Langeneicke im Kreis Lippstadt in Westfalen geboren, war katholisch und Sohn des Landwirtes Franz Albersmeyer in Hüttinghausen bei Soest in Westfalen. 1925 erhielt er sein Reifezeugnis und studierte daraufhin an den Universitäten Münster und Greifswald die Fächer Naturwissenschaften, dann Französisch, Englisch und Leibesübungen. Bereits 1929 bestand er eine Turn- und Sportlehrerprüfung für das Fach Leibesübungen, 1931 absolvierte er Ergänzungsprüfungen für die erste Stufe in Englisch und Französisch. Er unterrichtete also Turnen/ Sport, Englisch und Französisch. Danach ging er ins Vorbereitungsjahr und erhielt 1934 die 252 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="253"?> Anstellungsfähigkeit in Preußen. Zu einer Anstellung kam es dann nicht, da er, laut Dokument, am 12.4.1934 aus nicht angegebenen Gründen beurlaubt wurde. Weitere Angaben sind nicht gemacht worden. (M6) Albert, Paul Friedrich, Dr. phil. wurde am 9. Mai 1855 in Coethen in Anhalt geboren und war evangelischer Konfession. 1873 schloss er seine Matura an einem Gymnasium in Coethen ab und studierte danach in Tübingen, Halle und Leipzig. Bereits 1876 erlangte er einen Doktortitel mit einer Dissertation, die den Titel „De Rheso tragedia“ trägt. Dann erhielt er 1877 die Lehrbefähigung für die Fächer Latein, Griechisch und Deutsch für alle Klassen, sowie in Französisch bis zur Untersekunda. Seine Fächerverbindung war also Latein, Griechisch, Deutsch, Französisch. Hier ist anzumerken, dass keine Angabe zur Stufenbefähigung für Französisch angegeben ist. Des Weiteren absolvierte er sein Probejahr 1878 und 1879 und wurde 1880 als ordentlicher Lehrer an einem Gymnasium in Hildesheim angestellt, wo er ein Gehalt von 1800 Mark und 360 Mark für W.Z. bekam. Aus dem Personalblatt von Albrecht, Emil mit der Aktennummer 153564 (vgl. Anhang I- Nr. 12) kann entnommen werden, dass die Abkürzung W.Z. für einen Wohngeldzuschuss steht. Des Weiteren lässt sich aus den restlichen Angaben seines Dokumentes erschließen, dass er ab dem 1.4.1882 2000 Mark Gehalt und 360 Mark Wohnungsgeldzuschuss erhielt. Am 22.4.1882 ist er verstorben. (M7) Alberts, Hermann Johann wurde am 7. Januar 1903 in Ostrhauder‐ fehn im Kreis Leer im Ostfriesland geboren, war evangelisch und Sohn des Gummersbacher Lehrers Hermann Alberts. 1922 erhielt er sein Reifezeugnis und studierte danach an der Universität Marburg. Das Studium schloss er dann 1928 mit der Lehramtsprüfung in den Fächern Deutsch und Englisch als Hauptfächern und Französisch als Nebenfach ab. Zu dieser Zeit erlangte er ebenfalls einen Doktortitel. In der vorliegenden Akte ist keine wissenschaftliche Veröffentlichung von ihm angegeben. Danach ging er ins Vorbereitungsjahr und bekam eine Anstellung als Studienassessor in Preußen, bis er 1937 zum Studi‐ enrat im höheren Schuldienst befördert wurde. 1928 wurde die Richtigkeit der angegebenen Daten beglaubigt, was die Glaubwürdigkeit der Akte unterstreicht. Weitere Angaben zur militärischen Laufbahn oder ähnlichem fehlen. (M8) Alberts, August Wilhelm wurde am 12. Mai 1894 in Lüdenscheid im Kreis Lüdenscheid geboren, war evangelisch und Sohn des verstorbenen Rektors Wilhelm Alberts und seiner Frau Lina, die eine geborene Rauckhage war. 1913 erhielt er sein Reifezeugnis und begann, an der Universität Marburg an zu studieren. Sein Studium wurde durch einen Einsatz im Krieg von 1914 bis 1918 unterbrochen. 1921 absolvierte er schließlich die Lehramtsprüfung in Englisch Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 253 <?page no="254"?> und Französisch für die erste Stufe. Bereits 1914 hatte er die Prüfung im Fach Turnen abgelegt. Er unterrichtete also Turnen/ Sport, Englisch und Französisch. Im Dokument sind weder ein Doktortitel noch Veröffentlichungen angegeben. Nach der bestandenen Lehramtsprüfung ging er ins Vorbereitungsjahr und bekam 1920 eine Anstellung als Studienreferendar, 1926 wurde er zum Studi‐ enrat befördert. Ein Auslandsaufenthalt ist nicht angegeben. (M9) Albertus, Josef wurde am 21. August 1879 in Wiesweiler im Kreis Saar‐ gemünd im damaligen Elsass-Lothringen geboren, war katholisch und Sohn des Rentners Nik Albertus. 1899 erlangte er sein Reifezeugnis. Die Lehrbefähigung für die Fächer Griechisch und Französisch für die erste Stufe und Latein für die zweite Stufe erhielt er 1908. Seine Fächerverbindung war also Griechisch, Französisch und Latein. Daraufhin trat er sein Seminarjahr an und bekam 1910 eine erste Anstellung als Oberlehrer. Laut seiner Personalakte wurde er 1907 von der philosophischen Fakultät an der Kaiser Wilhelm Universität in Straßburg zum Dr. phil. promoviert. Seine Dissertation hatte folgenden Titel: „Die Παρακλητικoί in der griechischen und römischen Literatur“ als Teildruck eines Werkes mit demselben Titel. (M10) Albien, Ferdinand Paul wurde am 21. Februar 1874 in Paznizen im Kreis Ragnit in Ostpreußen geboren, war evangelisch und Sohn des Lehrers Ludwig Albien. Er ging in Potsdam zur Schule und erlangte 1902 sein Reifezeugnis. Danach studierte er in Berlin und absolvierte 1907 die Lehramtsprüfung in den Fächern Mathematik für die erste Stufe und Physik und Französisch für die zweite Stufe. Daraus ergibt sich die Fächerverbindung Mathematik, Physik und Französisch. Unter der Angabe „andere Prüfungen“ wurde notiert, dass er 1894 und 1896 in Ragnit Volksschullehrerprüfungen absolvierte und auch zwischen 1894 und 1904 auch als solcher tätig war. Nach der bestandenen höheren Lehramtsprüfung absolvierte er 1907 das Seminarjahr und erlangte 1908 einen Doktor der Philosophie an der Universität Erlangen mit einer romanistisch geprägten pädagogischen Untersuchung zu „Das Pädagogische in der Enzyklopädie von Diderot“. Nach Angaben der Personalakte wurde ihm das Probejahr erlassen und seine Anstellungsfähigkeit in Preußen wurde gemäß des Ministerialerlasses vom 26. März 1908 nach UII Nr. 956 vollzogen. So erhielt er 1908 eine direkte Anstellung im höheren Schuldienst als Oberlehrer. Ebenfalls interessant erscheint hier auch, dass aufgrund der vorausgegangenen Anstel‐ lungen sein Besoldungsdienstalter als ab 1903 einsetzend festgelegt wurde. (M11) Albrecht, August Joseph wurde am 9. Januar 1878 in Bienen im Kreis Rees geboren, war katholisch und erhielt 1898 sein Reifezeugnis vom königlichen Gymnasium in Emmerich. Ein Studium ist hier nicht verzeichnet. 254 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="255"?> 1904 bestand er die Lehramtsprüfung für die Fächer Französisch, Deutsch und Latein bis zur Untersekunda (Mittelstufe) und absolvierte 1905 zweimal eine Ergänzungsprüfung. Beim zweiten Mal erhielt er die Lehrbefähigung in Französisch für die Oberprima. Danach trat er sowohl das Seminarjahr als auch das Probejahr an, um schließlich 1909 seine erste Anstellung als Oberlehrer in Wuppertal-Vohwinkel zu erhalten. Des Weiteren ist eine einjährige freiwillige Militärdienstzeit ab 1907 verzeichnet. In den restlichen Spalten wurden keine Angaben getätigt. (M12) Albrecht, Johann Wilhelm Emil wurde am 28. Februar 1851 in Hamburg im gleichnamigen Kreis Hamburg geboren und war evangelisch. Die Vaterschaft ist nicht lesbar. Nachdem er 1876 sein Reifezeugnis in Hamburg er‐ langte, legte er 1883 erfolgreich die Lehramtsprüfung für Französisch, Englisch, Geschichte und Erdkunde für die Untersekunda und in Latein bis zur Quarta (Unterstufe) in Kiel ab. 1887 legte er erfolgreich eine Erweiterungsprüfung in Französisch für Obersekunda, in Englisch für Obersekunda und in Deutsch für/ bis zur Quarta ab. Er unterrichtete also die sechs Fächer Latein, Deutsch (nur Unterstufe), Französisch, Englisch, Geschichte und Geographie. Danach wurde er bis 1906 als Mittelschullehrer angestellt, bis er ein Probejahr absolvierte und 1906 seine erste Anstellung im höheren Schuldienst als Oberlehrer erhielt. Hier sind ein Gehalt als Mittelschullehrer zwischen 2100 bis 4200 Mark angegeben und ein Gehalt von 4500 Mark und ein Wohngeldzuschuss von 660 Mark für seine Anstellung als Oberlehrer angegeben. Im restlichen Dokument sind keine weiteren Angaben zu finden. (M13) Albrecht, Georg Wilhelm Paul wurde am 13. Juni 1881 in Stolp im Kreis Pommern geboren, war evangelisch und der Sohn des Schuhmachermeisters Al‐ brecht. 1901 erlangte er das Reifezeugnis. Ein Studium ist nicht verzeichnet. 1908 absolvierte er sowohl die Lehramtsprüfung als auch eine Ergänzungsprüfung für die Fächer Französisch und Englisch für die erste Stufe und in Deutsch für die zweite Stufe. Danach trat er sowohl das Seminarjahr als auch das Probejahr an und arbeitete als Lehrer für 150 Mark, bis er schließlich 1911 als Oberlehrer angestellt wurde. Es ist schlecht lesbar, aber offensichtlich wurde er 1922 als Studienrat angestellt. Es ist weder ein Doktortitel noch ein Auslandaufenthalt verzeichnet worden. Er war aus nicht angegebenen Gründen vom Militärdienst befreit und starb 1948. (M14) Albrecht, Ludwig Carl Ferdinand Wilhelm wurde am 4. Mai 1883 in Sarkwitz im Großherzogtum Mecklenburg im Kreis Schwerin geboren, war evangelisch-lutherischer Konfession und war Sohn des Gutspächters Robert Al‐ brecht zu Sarkwitz. 1901 erlangte er sein Reifezeugnis und studierte in Rostock, Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 255 <?page no="256"?> Freiburg und Göttingen. Außerdem wurde er 1904-1905 nach England berufen und war dort als Lehrer beschäftigt, sodass er Auslandserfahrung in England sammeln konnte. 1906 legte er schließlich erfolgreich die Lehramtsprüfung für Englisch für die erste Stufe und für Französisch für die zweite Stufe ab. In einer Ergänzungsprüfung 1907 erlangte er die Lehrbefähigung in Geschichte für die zweite Stufe und in einer Erweiterungsprüfung 1910 in Französisch für die erste Stufe. Er unterrichtete also Englisch, Französisch und Geschichte. Nach dem er das Seminarjahr und Probejahr absolvierte wurde er 1910 im höheren Schuldienst angestellt. Dem Dokument ist nicht zu entnehmen, in welcher Position er angestellt wurde. Im Jahr 1906 wurde er zum Dr. phil. promoviert. Es sind keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen angegeben. (M15) Albrecht, Marie Luise Carolin wurde am 25. Februar 1881 geboren. Die Angaben zu Geburtsort, Kreis, Konfession und Vaterschaft sind schlecht lesbar. Bei der Geburtsstadt könnte es sich um die Stadt Eislingen handeln. Sie erlangte 1906 das Reifezeugnis an einem Realgymnasium in Berlin. Danach studierte sie in verschiedenen Städten wie Berlin, Freiburg und Marburg und absolvierte schließlich 1912 in Marburg die Lehramtsprüfung. Sie erhielt die Lehrbefähigung in Deutsch und Geschichte für die erste Stufe und in Französisch für die zweite Stufe. Zur selben Zeit erhielt sie den Doktor der Philosophie mit einer Dissertation zu „Mirabeau und die Erklärung der Menschenrechte“. Danach trat sie beide Vorbereitungsjahre an und wurde schließlich 1914 als Oberlehrerin im höheren Schuldienst von Preußen angestellt. 1920 wurde sie zu Studienrektorin befördert. (M16) Albrecht, Paul Friedrich Karl wurde am 15. Januar 1890 in Potsdam ge‐ boren, war evangelisch und Sohn des verstorbenen Schuhmachermeisters Fried‐ rich Albrecht. In einer Entlassungsprüfung 1910 erhielt er sein Reifezeugnis in Havelberg. Daraufhin erlangte er die Lehrbefähigung als Volksschullehrer. Nach den Vermerken im Dokument wurde 1919 der Paragraph 4 in einer Verordnung erlassen. Deshalb musste er 1923 eine Gymnasialprüfung in Berlin ablegen. Zwischen 1910 und 1929 studierte er in Berlin und legte zwischendurch 1921 die Mittelschullehrerprüfung in Deutsch und Französisch ab. Nachdem er 1929 sein Studium beendete, legte er die Lehramtsprüfung in Deutsch und Französisch für die erste Stufe und in Pädagogik ab. Das erste Probejahr wurde ihm gemäß dem Erlass UII 15699/ 23 vom 12.3.1924 erlassen. Weiterhin ist verzeichnet, dass er für seine verschiedenen Anstellungen mehrfach vereidigt wurde und dass seine Anstellungsfähigkeit in Preußen gemäß Erlass vom 15.12.1930 - UII 12782 festgestellt wurde. Hierzu passt, dass er 1930 zum Studienrat im höheren Schuldienst in Preußen ernannt wurde. Unter „Bemerkungen“ wurde 256 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="257"?> angegeben, dass er Mitglied der Prüfungskommission für die zweite Lehrerprü‐ fung und zwischen 1925 und 1927 Mitglied des zweiten Studiengremiums für die wissenschaftliche Pädagogik war. (M17) Albrecht, Hermann Karl Theodor wurde am 14.August 1888 in Berlin geboren, war evangelisch und Sohn des Rektors Theodor Albrecht in Berlin. 1907 erlangte er sein Reifezeugnis und studierte danach bis 1912 in Berlin an der Universität. 1914 absolvierte er die Lehramtsprüfung und erhielt die Lehrbefähigung in den Fächern Französisch und Englisch für die erste Stufe und in Deutsch für die zweite Stufe. Nachdem er dann das Seminarjahr und das Probejahr angetreten hatte, arbeitete er zunächst als Mittelschullehrer am königlich französischen Gymnasium und als Studienassessor an einer Realschule. Zu dieser Zeit verdiente er erst 175 Mark und danach 225 Mark. 1919 wurde er schließlich als Oberlehrer im höheren Schuldienst von Preußen angestellt. Bereits 1913 erhielt er die Doktorwürde in Philosophie. Der Titel seiner Dissertation war: „Der Sprachgebrauch des Dialektdichters Charles E. Benham zu Colchester in Essex.“. 1916 wurde diese mit demselben Titel als Volldruck veröffentlicht. (M18) Albrecht, Walter Hermann Wilhelm wurde am 31. August 1902 in Altena- Bahrenfeld geboren, war evangelisch und Sohn des Postinspektors Gustav Albrecht. Nachdem er 1921 das Reifezeugnis erlangte, studierte er bis 1927 an der Universität zu Berlin. Danach promovierte er und erhielt 1928 die Doktorwürde mit der Dissertation zum Thema „Über das Theatrum Poetarum von Miltons Neffen Eduard Philips (1675)“. Schließlich legte er 1929 die erste Lehramtsprüfung in den Fächern Englisch, Französisch und Erdkunde für die Oberstufe ab. Danach unterrichtete er als Studienassessor und auch teilweise unentgeltlich an verschiedenen Schulen, bis er schließlich 1938 als Studienrat im höheren Schuldienst von Preußen angestellt wurde. (M19) Albrecht, Wolfram wurde am 13. Juli 1913 in Ludwigshafen im Kreis Ludwigshafen geboren, war evangelisch und Sohn des Dr. phil. Walther Al‐ brecht, der Chemiker war. 1932 absolvierte er die Reifeprüfung und studierte da‐ nach bis 1937. Sein Studium beendete er erfolgreich mit der Lehramtsprüfung für das höhere Lehramt und erhielt die Lehrbefähigung in den Fächern Geschichte und Deutsch für die erste Stufe und Französisch für die zweite Stufe. Im selben Jahr legte er eine Prüfung als Gleitfluglehrer ab. Danach ist dokumentiert, dass er 1938 das erste Vorbereitungsjahr noch antrat und danach seinen Militärdienst als Funker und Fluglehrer fortführte. Er gehörte verschiedenen Abteilungen der NSDAP an, was in dieser Fassung des Personalbogens auf Seite 4 erfragt wurde. Generell ist festzustellen, dass dieses Dokument anders aufgebaut ist als Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 257 <?page no="258"?> die Dokumente, die vor dem Jahr 1933 ausgefüllt wurden. Die Richtigkeit der Angaben wurde 1938 von einem Oberstudiendirektor in Wiesbaden bestätigt. Weitere Angaben werden nicht gemacht. (M20) Albring, Franz Stefan wurde am 12. Mai 1883 in Herne im Kreis Herne in Westfalen geboren, war katholisch und Sohn des Rektors Wilhelm Albring. 1904 absolvierte er die Reifeprüfung an einem Gymnasium in Attendorn bei Herne. Ein Studium ist nicht dokumentiert. Trotzdem wurde erfasst, dass er 1909 die Lehramtsprüfung für die Fächer Französisch und Englisch mit Lehrbefähigung bis zur Oberprima und in Deutsch mit der Lehrbefähigung bis zur Untersekunda erhielt. Danach trat er sowohl das Probejahr als auch das Seminarjahr an und wurde schließlich 1911 als Oberlehrer im höheren Schuldienst angestellt. Ab 1934 wurde er als Studienrat angestellt. Weitere Angaben wurden nicht gemacht. (M21) Alderath, Theodor Hubertus wurde am 25. November 1908 in Düssel‐ dorf-Eller geboren, war römisch-katholisch und Sohn des Volksschullehrers Theodor Alderath. 1928 erlangte er sein Reifezeugnis und studierte danach in Bonn, Würzburg und Münster. Von Ostern 1930 bis zum Herbst 1930 studierte er in Paris. 1933 legte er schließlich die Lehramtsprüfung in Deutsch und Französisch als Hauptfächer und Latein als Nebenfach ab. Eine Ergänzungsprü‐ fung 1939 befähigte ihn nochmals, Latein als Nebenfach zu unterrichten. Eine Angabe zu den jeweiligen Zulassungen der Stufen wurde nicht gemacht. Auf der ersten Seite in der rechten Ecke oben wurde 1934 die Richtigkeit der Angaben durch einen Oberstudiendirektor bescheinigt. Nach der Angabe, dass er beide Vorbereitungsjahre absolvierte, werden keine Angaben mehr gemacht. (M22) Alef, Peter wurde am 4. Oktober 1888 in Obermendig im Kreis Mayen geboren, war katholisch und Sohn des Bäckermeisters Wilhelm Alef in Ober‐ mendig. Nachdem er 1908 das Reifezeugnis erlangt hatte, studierte er in Mün‐ chen, Bonn, Marburg und Münster. 1913 absolvierte er schließlich in Münster die erste Lehramtsprüfung und erhielt die Lehrbefähigung in Geschichte für die erste Stufe und in Latein und Griechisch für die zweite Stufe. In einer Erweiterungsprüfung 1926 erhielt er die Lehrbefähigung in Französisch für die erste Stufe. Er unterrichtete also Französisch, Geschichte, Latein und Griechisch. Bereits 1914 wurde ihm die Doktorwürde in Philosophie verliehen. Weiterhin ist keine Angabe zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen gemacht worden. Nachdem er von 1915 bis 1918 als Leutnant am Feldzug in Frankreich beteiligt war, wurde er als vollbeschäftigter Studienassessor angestellt. Zwischendurch wurde er mit dem Grund „in der Industrie“ von 1922-1925 beurlaubt. Erst 1930 wurde er als Studienrat im höheren Schuldienst von Preußen angestellt. Zu 258 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="259"?> dieser Zeit wurde auch die Richtigkeit seiner Angaben von einem Oberstudien‐ direktor aus Oppeln bescheinigt. (M23) Alert, Johann Wilhelm Bernhard wurde am 18. März 1872 in Alt‐ hausen im Kreis Bersenbrück bei Hannover geboren, war katholisch und Sohn des Gutsbesitzers Gerhard Alert zu Althausen. Nachdem er 1894 am Gymnasium in Osnabrück sein Reifezeugnis erhalten hatte, studierte er bis 1898 an der Uni‐ versität Münster. 1899 beendete er sein Studium, indem er die Lehramtsprüfung in Deutsch, Englisch und Französisch für die Oberstufe, in Geschichte für die Mittelstufe und in Latein für die Unterstufe absolvierte. Daraus ergibt sich die Fächerverbindung Latein, Geschichte (nur Unterbzw. Mittelstufe), Deutsch, Englisch und Französisch. Danach trat er beide Vorbereitungsjahre an und wurde zunächst ab 1902 als Oberlehrer im höheren Schuldienst von Preußen angestellt. Hierbei ist vermerkt, dass ihm seine Nebentätigkeiten und sein militärischer Dienst als Unteroffizier zur Anstellung anerkannt wurden. Unter „amtliche Stellungen“ sind folgende besondere Tätigkeiten und Funktionen aufgelistet: 1906-1909 Kreisschulinspektor für Neuß-Krefeld (Land) in Neuß; 1910-1915 Direktor am Lehrerseminar in Elten am Niederrhein; 1915-1925 Direktor am Lehrerseminar in Hamm in Westfalen; mehrere Monate 1925 Hilfsarbeiter im Provinzialschulkollegium in Münster; 1925-1926 Direktor am Lehrerinnenseminar in Münster; mehrere Monate 1927 Hilfsarbeiter im Provinzialschulkollegium in Münster; 1903 und 1926 mehrere Monate in Frank‐ reich; 1904 und 1927 mehrere Monate in England. Bereits 1910 wurde er zum Studienrektor ernannt, 1927 erhielt er eine Anstellung als Direktor. 1928 wurde er schließlich zum Oberstudiendirektor ernannt. (M24) Aley, Friedrich Wilhelm Karl wurde am 7. September 1905 in Mag‐ deburg Sudenburg geboren, war evangelischer Konfession und war Sohn des 1910 verstorbenen Schutzmannes Karl Aley und seiner Ehefrau Elisabeth, die eine geborene Schulze war. 1925 beendete er erfolgreich die Oberrealschule und erwarb im Herbst 1928 durch eine Ergänzungsprüfung beim Provinzial‐ schulkollegium in Magdeburg die Reife eines Oberrealgymnasiums. Danach studierte er an der Universität in Halle an der Saale und beendete 1932 sein Studium mit der Lehramtsprüfung. Dadurch erhielt er die Lehrbefähigung in Französisch und Englisch für die erste Stufe. Bereits 1927 bekam er durch eine Sonderprüfung die Lehrbefähigung für die Fächer Turnen und Sport. Er unter‐ richtete also Turnen/ Sport, Englisch und Französisch. Ab 1931 promovierte er an der Universität in Halle und wurde 1932 zum Dr. phil. promoviert. Der Titel seiner romanistischen Dissertation lautet: „Auffassung und Darstellung des Religiösen im altprovenzalischen Drama“. 1939 wurde er als Studienrat im Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 259 <?page no="260"?> höheren Schuldienst Preußens angestellt. Weitere Angaben sind nicht gemacht worden. (M25) Allard, Emmy wurde am 25. September 1881 in Lüdinghausen im Kreis Lüdinghausen in Westfalen geboren, war katholisch und die Tochter des Rechnungsrates Joseph Allard und seiner Frau Elisabeth, die eine geborene Bernschen war. Sie ging auf das städtische Gymnasium und Realgymnasium in Münster in Westfalen und erhielt 1908 das Reifezeugnis. Bereits 1900 und 1904 besuchte sie ein Lehrerinnenseminar für höhere Mädchenschulen. Danach arbeite sie dann auch als Lehrerin an höheren Mädchenschulen in Trier und Bochum, 1904 unterrichtete sie an einem College in England, 1906 war sie in Paris und besuchte dort die Sprachkurse der Alliance Française (brevet supérieur) und studierte danach an den Universitäten Berlin und Marburg. Ihr Studium schloss sie 1914 mit der Lehramtsprüfung in den Fächern Französisch, Englisch und philosophische Propädeutik für die erste Stufe ab. Bereits 1913 erlangte sie den Doktorgrad der Philosophie. Ihre romanistische Dissertation trug folgenden Titel: Friedrich der Große in der Literatur Frankreichs. Mit einem Ausblick auf Italien und Spanien (Beiträge zur Geschichte der romanischen Sprachen und Literaturen 7. Halle a.S.: Niemeyer 1913). Danach veröffentlichte sie 1914 die wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel Die Angriffe gegen Descartes und Malebranche im Journal de Trévoux 1701-1715 (Halle a. S.: Niemeyer = Abhandlungen zur Philosophie und ihrer Geschichte, Heft 43, 1914)“. Sodann arbeitete sie ein Jahr lang als Vertretungslehrerin, bis sie schließlich 1916 eine Anstellung im höheren Schuldienst als ordentliche Lehrerin bekam. (M26) Allermann, Theodor wurde am 25. September 1880 in Bottrop im Kreis Recklinghausen in Westfalen geboren, war katholisch und der Sohn des Kaufmanns Anton Allermann. Nachdem er 1902 sein Reifezeugnis erhielt, studierte er erst in Bonn, dann ein Jahr in Paris, dann einige Monate in München, bevor er sein Studium 1908 mit der Lehramtsprüfung in Bonn abschloss. 1909 erhielt er mit dem Ablegen einer Ergänzungsprüfung die Lehrbefähigung in Geschichte für die erste Stufe und in Deutsch und Französisch für die zweite Stufe. Danach trat er sowohl das Seminarjahr als auch das Probejahr an und arbeitete zunächst bis 1915 als mittlerer Hilfslehrer mit einer Vergütung von 2100 bis 2700 Mark p. a. an einem Lyzeum in Gelsenkirchen. Schließlich wurde er 1915 als Oberlehrer im höheren Schuldienst von Preußen angestellt. Kurz darauf wurde er 1916 zum Dr. jur. promoviert. Die entsprechende Leistung wurde nach Angaben der Personalakte nicht in Buchform publiziert. Am 1.11.1938 begab er sich in den Ruhestand. 260 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="261"?> (M27) Allmann, Philipp Ludwig wurde am 4. April 1887 in Silz in der Rheinpfalz geboren, war katholisch und Sohn des Landwirts Jakob Allmann in Silz. Nachdem er 1906 sein Reifezeugnis erhalten hatte, begann er in Straßburg im damaligen Elsass-Lothringen zu studieren und beendete dieses Studium 1911 mit der Lehramtsprüfung. Hier erhielt er die Lehrbefähigung in Deutsch für die erste Stufe und in Geschichte und Französisch für die zweite Stufe. 1913 erhielt er ebenfalls in einer Erweiterungsprüfung die Lehrbefähigung in Geschichte für die erste Stufe. Im selben Jahr erwarb er einen Doktor der Philosophie. Hierzu wurden keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen angegeben. Nach der Promotion absolvierte er sowohl das Seminarjahr als auch das Probejahr und arbeitete „ohne Lehrauftrag“ bis 1919 an einem Realgymnasium. Danach wurde er als Oberlehrer im höheren Schuldienst von Preußen angestellt. Unter „Militärverhältnis“ wurde angegeben, dass er von 1906 bis 1907 als Unteroffizier in Straßburg war. Laut handschriftlicher Angabe auf der ersten Seite in der oberen rechten Ecke ist er am 17.2.1931 verstorben. (M28) Allner, Eugen Wilhelm Hugo wurde am 28. August 1887 in Berlin geboren, war evangelisch und Sohn des Kaufmannes Hugo Allner. Nachdem er 1910 das Reifezeugnis erhalten hatte, studierte er bis 1919 in Berlin. Zwischen‐ zeitlich nahm er 1914 und 1919 an Feldzügen teil. 1920 beendete er erfolgreich sein Studium mit der Lehramtsprüfung und erlangte die Lehrbefähigung in Englisch für die erste Stufe und in Französisch und Geschichte für die zweite Stufe. Danach absolvierte er das Probejahr und arbeitete von 1922 bis 1929 als vollbeschäftigter Lehrer. 1929 wurde er schließlich als Studienrat im höheren Schuldienst von Preußen angestellt. Weitere Angaben wurden nicht gemacht. (M29) Alt, Herbert Hermann Wilhelm wurde am 23. Februar 1906 in Bochum geboren, war katholisch und Sohn des Bauingenieurs Bruno Alt. Das Reifezeugnis erhielt er 1927. Danach studierte er bis 1934 und fiel bei der ersten Lehramtsprüfung 1934 durch. In der Wiederholungsprüfung 1936 erhielt er schließlich die Lehrbefähigung in seinen Hauptfächern Geographie und Englisch und in seinem Nebenfach Französisch. Danach absolvierte er das erste Vorbereitungsjahr. Außerdem war er als NSDAP-Mitglied tätig. Weitere Einträge wurden nicht gemacht. Die Richtigkeit der Einträge wurde 1936 von einem Studiendirektor bescheinigt. (M30) Alt, Karl Hermann wurde am 30. Oktober 1873 in Riga im damaligen Russland geboren, war evangelisch und Sohn des 1891 verstorbenen Rektors und städtischen Sekretärs Eugen Alt in Riga. Nachdem er 1892 sein Reifezeugnis erhalten hatte, begann er in Berlin sein Studium. Weiterhin studierte er in München und Marburg. Bereits 1897 wurde er grundständig zum Dr. phil. Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 261 <?page no="262"?> promoviert; in seiner Personalakte sind folgende fünf wissenschaftliche Veröf‐ fentlichungen in Buchform mit eindeutig germanistischem Schwerpunkt ver‐ zeichnet: Studien zur Entstehungsgeschichte von Goethes Dichtung und Wahrheit, München, 1898; Schiller und die Brüder Schlegel, Weimar, Böhlau, 1904; Goethe und seine Zeit (Wissenschaft und Bildung) 1911; Hrsg. Goethes Briefe, Mainzer Ausgabe 4, Abt. Bd. 24-26.; Hrsg. Goethes Werke, Goethes Klassikerbibliothek. 1907-1927. Weitere konnten wegen Unleserlichkeit nicht ausgewertet werden. Bereits vor der Lehramtsprüfung unterrichtete er von 1904 bis 1914 als Privat‐ dozent für deutsche Philosophie und Literaturgeschichte. 1914 beendete er sein Lehramtsstudium und erhielt die Lehrbefähigung in den Fächern Deutsch und Geschichte für die erste Stufe und in Französisch für die zweite Stufe. Danach absolvierte er ein verkürztes Seminarjahr und arbeitete danach als kommissarischer bzw. staatlicher Prorektor an verschiedenen Lehrerseminaren. Bis 1927 arbeitete er dann als vollbeschäftigter Lehrer, bevor er im April 1927 zum Studienrat ernannt wurde und eine Anstellung im höheren Schuldienst von Preußen erhielt. (M31) Altenberg, Adolf Werner Paul wurde am 5.Oktober 1890 in Berlin ge‐ boren, war evangelisch und Sohn des Kaufmanns Hermann Altenberg. Nachdem er 1908 sein Reifezeugnis erhielt, studierte er bis 1913 in Berlin und Genf und schloss das Studium 1914 mit der Lehramtsprüfung ab. Damit erhielt er die Lehrbefähigung in Französisch und philosophische Propädeutik für die erste Stufe sowie in Deutsch für die zweite Stufe. Nach einer Ergänzungsprüfung 1914 erhielt er auch die Lehrbefähigung für das Fach Philosophie. Außerdem wird angemerkt, dass er 1911 in Paris den diplôme supérieur der Alliance Française absolvierte. Nach Beendigung seines Studiums ging er zum Militär und war von 1914-1918 Kriegsfreiwilliger. Laut Angaben im Dokument war er bis Dezember 1919 in französischer Kriegsgefangenschaft. Danach trat er das Probejahr an und wurde schließlich 1921 im höheren Schuldienst von Preußen als Studienrat angestellt. (M32) Altenburg, Julius wurde am 4. Dezember 1854 in Schleusingen im Kreis Schleusingen im Regierungsbezirk Erfurt geboren und war evangelisch. Er erhielt 1869 das Reifezeugnis und absolvierte 1873 die erste Lehramtsprüfung in den Fächern Mathematik bis zur Unterprima, Physik, Botanik, Zoologie, Mineralogie bis zur Untersekunda und Französisch bis zur Quinta. 1878 erlangte er in einer Erweiterungsprüfung die Lehrbefähigung in Chemie bis zur Ober‐ prima. 1882 absolvierte er ein weiteres Mal zwei Erweiterungsprüfungen in Physik für die Unterprima und die Oberprima. Seine Fächerverbindung war also Mathematik, Physik, Chemie, Biologie (in heutiger Terminologie) und 262 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="263"?> Französisch (nur Unterstufe). 1875 bekam er seine erste feste Anstellung als ordentlicher Lehrer. Ab 1883 wurde er schließlich als Oberlehrer mit einem Gehalt von 4200 Mark und einem Wohngeldzuschuss von 480 Mark eingestellt. 1893 bekam er die Charakterisierung als Professor und 1898 verlieh man ihm den Rang der Räte der IV. Klasse. Er weist weder einen Doktortitel noch einen Auslandsaufenthalt auf. (M33) Altenburg, Gustav Emil Oskar wurde am 6. August 1843 in Schleu‐ singen im Kreis Schleusingen im Regierungsbezirk Erfurt geboren, war evange‐ lisch und Sohn des verstorbenen Direktors am Gymnasium zu Schleusingen Dr. Friedrich Wilhelm Altenburg. 1861 erwarb er das Reifezeugnis und absolvierte schließlich 1866 die Lehramtsprüfung in den Fächern Deutsch, Latein und Griechisch für die erste Stufe und in Geschichte und Französisch bis zur Quarta. Er unterrichtete also Latein, Griechisch, Deutsch, Geschichte und Französisch (letztere beide nur Unterstufe). Bereits 1865 wurde ihm die Doktorwürde in Phi‐ losophie verliehen. Insgesamt sind in seiner Personalakte 26 unterschiedliche wissenschaftliche Arbeiten, die folgende Titel trugen: a) De interpolatione apud Euripidem, sectio I. Dissertation, Halle 1865. b) Pädagogische Gänge. O.-Programm, Schweidnitz 1869. c) Didaktische Studien I. O.-Programm Ohlau 1874. Didaktische Studien II.1875 d) Über Selbsttätigkeit. Jahrbuch des Vereins für wissenschaftliche Pädagogik .9.1877. e) Die Leichenrede des Perikles. Eine schulexegetische Studie. Jahrb. d.V.f.wiss.Päd.10.1878. f) Zur Lehrplanorganisation für die Prima des huma‐ nistischen Gymnasiums. A-Pr. Wohl.1891. g) Winke zur Auslegung der Germania des Tacitus. A.-Pr. Wohlau 1892. h) Winke zur Schulauslegung der Lieder des Horaz I. O.-Pr. Wohlau 1893. i) Winke zur Schulauslegung des Horaz II. Lehrpr. u. Lehrg. Abs. 36 1894. j) nicht vorhanden k) Sprach- und Sprechübungen zur Germania des Tacitus, Lehrpr. u. Lehrg. Abs. 38 1894. l) Winke zur Schulauslegung der Lieder des Horaz III. O.-Programm Wohl. 1894. m) Winke zur Schulauslegung der Lieder des Horaz IV. Lehrpr. u. Lehrg. Abs.40 1894. n) Einführung in die Lektüre von Horazens Briefen nach induktivem Lehrgang. Lehrpr. u. Lehrg Abs. 46 (1896). o) Zwei Studien zur Schulauslegung der vierten Dekade des Livius, Buch 31. Lehrpr. u. Lehrg Abs 49-50 (1896). p) Probe einer Schulauslegung zu Tacitus’ Agricola. O.-Progr. Wohlau 1896. q) Die Kunst des psychologischen Beobachtens[: praktische Fragen der pädagogischen Psychologie]. Sammlung von Studien zur Psychologie und Physiologie II. Berlin 1898. r)…. und der Lateinunterricht im Lehrplan der Prima Lehrpr. u. Lehrg. 99 Abs. 58. s) Versetzungen, wissenschaftliche Vereine, Zensuren, Zuspätkommen der Schüler. Enzyklopädisches Handbuch der Pädagogik 1899. t) Ausbildung und Fortbildung im Gymnasium. Eine pädagogische Rutine über P. Lacombes Esquisse d’un Enseignement basé sur la psychologie de l’enfant. (…) 1900 u) Die Arbeit im Dienste der Gemeinschaft. Reuther Reinhardt. 1901. Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 263 <?page no="264"?> Die weiteren Buchstaben v) w) x) y) z) konnten wegen Unleserlichkeit nicht ausgewertet werden. Es handelt sich also - neben klassisch-philologischen Untersuchungen, begonnen mit der Dissertation - auch um zahlreiche pädago‐ gische, pädagogisch-psychologische und (fach)didaktische Veröffentlichungen, darunter auch eine zum Transfer des zeitgenössischen französischen pädago‐ gisch-psychologischen Forschungsstands (t). Nachdem er das Studium beendet hatte, bekam er als ordentlicher Lehrer seine erste Anstellung und wurde schließlich 1873 als Oberlehrer angestellt. Ab 1888 wurde er als Direktor mit einem Gehalt von 6500 Mark und einer Dienstwohnung beschäftigt. Ab 1899 bekam er dann ein Gehalt von 6900 Mark und eine Dienstwohnung. (M34) Altenburg, Wilhelm wurde am 27. April 1835 in Bonn im Kreis Bonn im Regierungsbezirk Köln geboren, war katholisch und Sohn des verstorbenen Brauereibesitzers Franz Otto Altenburg in Bonn. Nachdem er 1855 die Reife‐ prüfung abgelegt hatte, studierte er in Bonn und absolvierte 1861 die erste Lehramtsprüfung. Er erhielt die Lehrbefähigung in Französisch und Englisch für die Oberprima. 1877 erhielt er durch eine Ergänzungsprüfung die Lehrbefä‐ higung in Deutsch und Erdkunde ebenfalls bis zur Oberprima. Er unterrichtete also Französisch, Englisch, Deutsch und Erdkunde. Nach der ersten Lehramts‐ prüfung trat er das Seminarjahr an und wurde ab 1863 als Oberlehrer angestellt. Er bekam ein Gehalt von 5100 Mark und einen Wohnungsgeldzuschuss. Danach wurde er 1893 zum Professor ernannt und ihm wurde der Rang der Räte der IV. Klasse verliehen. Es ist nicht angegeben, dass er einen Doktortitel erhalten hat, jedoch sind sechs wissenschaftliche Veröffentlichungen angegeben, die bis auf einen anglistischen Beitrag überwiegend wegen Unleserlichkeit nicht ausgewertet werden konnten. (M35) Altendorf, Hermann Robert wurde am 2. April 1825 in Büren in Westfalen geboren und war katholischer Konfession. 1845 erlangte er die Hochschulreife am Gymnasium von Recklinghausen. Danach studierte er an der Universität Berlin und beendete sein Studium mit der Lehramtsprüfung im Jahr 1851. Dabei erhielt er die Lehrbefähigung für den „philologische[n] Unterricht“ [sc. Latein, Griechisch] in den unteren und mittleren Klassen, unter der Voraussetzung besonderer Vorbereitung bis zur Oberstufe, Franzö‐ sisch bis zur Oberstufe, Deutsch bis zur Untersekunda, unter Voraussetzung besonderer Vorbereitung auch bis zur Oberstufe, Geschichte für die unteren Klassen insgesamt, Mathematik für die beiden unteren Klassen und Religion für die unteren und mittleren Klassen. Er gehört mithin noch der Generation der Gymnasiallehrer oder „Philologen“ im weitesten Sinne an, die Latein, 264 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="265"?> Griechisch, Deutsch und Geschichte sowie die Anfangsgründe der Mathematik und ggf. Französisch und/ oder auch Religion wie auch Turnen (dazu s. u. zu den Bezügen Altendorfs) unterrichteten. In seinem Fall stellt allerdings Französisch das Fach dar, in dem die höchste Qualifikationsstufe erreicht wurde. Nach der Lehramtsprüfung absolvierte er das Probejahr und wurde schließlich 1854 als ordentlicher Lehrer angestellt. 1870 veröffentlichte er eine wissenschaftliche Arbeit, er wurde indes nicht promoviert. Ab 1871 wurde er als Oberlehrer für ein Gehalt von 4050 Mark und einen Wohnungsgeldzuschuss von 360 Mark und weitere 30 Mark eingestellt. Bei letzterem Betrag handelt es sich offensichtlich um 30 Mark zur Miete eines Bibliotheksraumes, die am 01.04.1877 wegfielen. Dafür erhielt er ab 1877 eine Zulage als Turnlehrer von 300 Mark. Ab 1881 erhielt er ein Gehalt von 4500 Mark bei einer Wohngeldzulage von 360 Mark, die ab 1887 auf 420 Mark anstieg. (M36) Alter, Erich Paul Friedrich wurde am 21. Dezember 1907 in Über‐ lingen am Bodensee im Kreis Konstanz geboren, war römisch-katholisch und Sohn des Volksschulrektors Otto Alter. 1926 erhielt er sein Reifezeugnis und studierte danach in Freiburg und Heidelberg. 1930 beendete er sein Studium mit der ersten Lehramtsprüfung in Englisch und Deutsch als Hauptfächern und Französisch als Nebenfach. Danach trat er sowohl das erste als auch das zweite Vorbereitungsjahr in Freiburg im Breisgau an. 1931 wurde er das erste Mal vereidigt und 1935 durch den deutschen Botschafter in Madrid „auf den Führer“ vereidigt. Im Jahr 1932 wurde er zum Lehramtsassessor und 1940 zum preußischen Studienassessor ernannt. Laut Punkt „A. Vor der ersten Anstellung“ arbeitete er bereits ab 1933 bis 1936 als Studienassessor an einer Deutschen Oberrealschule in Madrid und 1937 bis 1938 an der Deutschen Schule in San Sebastián (dazwischen in Königswinter), 1939/ 1940 in Konstanz und Koblenz. 1941 wurde er schließlich im höheren Schuldienst von Preußen als Studienrat am Beethoven-Gymnasium in Bonn berufen. Der Oberstudiendirektor des Kaiserin Augusta Gymnasiums in Koblenz beglaubigte am 8. Mai 1940 die Angaben des Personalblattes. (M37) Altermann, Johannes Otto Georg wurde am 10. Februar 1887 in Peilau im Kreis Reichenbach in Schlesien geboren, war evangelisch und Sohn des Kantors und Lehrers Otto Altermann in Löwenberg in Schlesien. 1906 erwarb er das Reifezeugnis am Realgymnasium in Görlitz und studierte danach in Halle an der Saale und in Breslau. Seine erste Lehramtsprüfung 1913 in Breslau bestand er nicht. Danach zog er als Leutnant der Reserve von 1914 bis 1918 in den Krieg und machte dann die erste Wiederholungsprüfung in Französisch und Erdkunde für die zweite Stufe (bis zur Mittelstufe). Hier ist unklar, ob er Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 265 <?page no="266"?> diese Prüfung bestand. Erst 1920 legte er die zweite Wiederholungsprüfung ab, nunmehr in Französisch für die erste Stufe und in Englisch für die zweite Stufe sowie in Philosophie. Bereits 1910 erlangte er in einer Sonderprüfung die Lehrbefähigung als Turnlehrer. Er war also befähigt, die Fächer Französisch, Englisch und Turnen/ Sport zu unterrichten. Nach der bestandenen Prüfung 1920 trat er sein Seminarjahr in Görlitz an und wurde 1920 vereidigt. Weitere Angaben wurden nicht getätigt. (M38) Altert, Franz Arthur Heinrich wurde am 3. Dezember 1885 in Schwerin im Großherzogtum Mecklenburg geboren, war katholisch und Sohn des Rent‐ ners Heinrich Altert zu Schwerin in Mecklenburg. Nachdem er 1905 sein Reifezeugnis am Realgymnasium in Schwerin erhalten hatte, begann er 1906 in Berlin zu studieren. Er absolvierte 1910 eine Fachprüfung und beendete sein Studium in Münster mit der Lehramtsprüfung in den Fächern Deutsch und Englisch für die erste Stufe (bis zur Oberstufe) und in Französisch für die zweite Stufe (bis zur Mittelstufe). Danach trat er sowohl das Seminarjahr als auch das Probejahr an und arbeitete zunächst bis 1915 als Hilfslehrer mit einem Gehalt von zunächst 2400 Mark und dann 2700 Mark. 1915 wurde er schließlich als Oberlehrer im höheren Schuldienst angestellt. Von 1905 bis 1918 war er im Militärdienst aktiv, nahm aber nicht an Feldzügen teil. (M39) Althans, Adam Karl Friedrich August wurde am 20. Mai 1839 in Heiligenkirchen im Fürstentum Lippe geboren, war evangelisch und Sohn des verstorbenen Rektors Althans zu Heiligenkirchen. 1858 erwarb er das Reife‐ zeugnis am Gymnasium Leopoldinum in Detmold. 1867 absolvierte er die erste Lehramtsprüfung an der Universität Greifswald und erhielt die Lehrbefähigung in Griechisch und Latein für Obersekunda, Deutsch und Französisch Unterse‐ kunda und in Geschichte und Geographie bis zur Quarta. Bereits 1866 erwarb er einen Doktortitel der Philosophie und veröffentlichte fünf wissenschaftliche Ar‐ beiten. Einige Jahre später, 1872, absolvierte er eine Wiederholungsprüfung im Fach Religion und Erweiterungsprüfungen in Französisch und Deutsch für die Oberprima. Seine Fächerverbindung war also schließlich Französisch, Deutsch, Griechisch, Latein, Geschichte, Erdkunde und (evangelische) Religion. Zunächst arbeitete er als Hilfslehrer, bis er 1873 seine erste Festanstellung als ordentlicher Lehrer erhielt. Hier bekam er ein Gehalt von 6000 Mark und zusätzlich 900 Mark Wohngeldzuschuss. Ab 1878 arbeitete er als Oberlehrer; ab 1897 ist ein Gehalt von 5100 Mark und 900 Mark Wohngeldzuschuss verzeichnet. Unter Punkt 6 wurde angegeben, dass er 1893 die Charakterisierung als Professor erhielt und 1918 zum Studienrat ernannt wurde. Bereits seit 1896 war er Mitglied im Rang der Räte IV. Klasse. Dieser wurde 1918 bestätigt. 266 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="267"?> (M40) Althans, Ernst Ludwig wurde am 9. Mai 1848 in Berlin geboren, war evangelisch und Sohn des Professors der Philosophie an der Berliner Univer‐ sität Karl Heinrich Althans. 1866 erwarb er das Reifezeugnis am Friedrich- Werderschen Gymnasium in Berlin. Ein Studium ist nicht explizit angegeben, doch legte er 1871 eine erste Lehramtsprüfung ab. Mit dieser Lehramtsprüfung erhielt er die Lehrbefähigung in den Fächern Griechisch, Latein und Deutsch für Oberprima und in Geschichte und Geographie für die Quarta. 1881 legte er eine Erweiterungsprüfung im Fach Französisch mit der Lehrbefähigung für Obertertia ab. Er unterrichtete also schließlich Griechisch, Latein, Deutsch, Französisch, Geschichte und Erdkunde (letztere beiden Fächer nur bis zur Unterstufe). Bereits 1872 trat er das Probejahr am französischen Gymnasium in Berlin an. 1874 erhielt er einen Doktortitel in Philosophie und veröffentlichte seine Dissertation mit dem Titel Quaestionum de Julii Pollucis fontibus specimen. Zwischen 1873 und 1878 arbeitete er mehrere Jahre als Aushilfslehrer, bis er 1878 seine erste Anstellung als Oberlehrer bekam. Hier bekam er ein Gehalt von 4800 Mark und einen Wohnungsgeldzuschuss von 900 Mark. 1895 erhielt er die Charakterisierung als Professor und 1898 wurde ihm der Rang der Räte IV. Klasse verliehen. Am oberen Rand des ersten Blattes ist vermerkt, dass er am 1.4.1917 in den Ruhestand ging. (M41) Althof, Hermann Leopold Julius wurde am 17. Mai 1880 in Elberfeld im Kreis Elberfeld geboren, war katholisch und Sohn des Postmeisters Peter Althof. Das Reifezeugnis erwarb er 1901 am Gymnasium zu Kempen am Rhein. 1905 absolvierte er schließlich die erste Lehramtsprüfung und erhielt die Lehrbefä‐ higung in den Fächern Deutsch, Französisch und Geographie für die erste Stufe und Geschichte für die zweite Stufe. Er unterrichtete also Deutsch, Französisch, Erdkunde und Geschichte. Danach trat er das Seminarjahr und das Probejahr an. Das Probejahr absolvierte er teilweise (für sechs Monate) als Fremdsprachen- Assistent in Lille, danach an einem Realgymnasium in Buer. 1908 wurde er schließlich als Oberlehrer angestellt. Ab 1905 trat er seine Dienstpflicht im Militär an und wurde später auch im Militärverhältnis befördert. (M42) Althoff, Friedrich August Robert wurde am 8. September 1874 in Somborn in Westfalen im Kreis Bochum geboren, war evangelisch und Sohn des Geschäftsführers Wilhelm Althoff aus Dortmund. Im Herbst 1894 erwarb er am Gymnasium zu Dortmund das Reifezeugnis. Im Jahr 1900 absolvierte er die Lehramtsprüfung für das höhere Lehramt, legte dafür Prüfungen in Philosophie und Pädagogik ab und erwarb die Lehrbefähigung in Französisch für die erste Stufe, in Deutsch für die zweite Stufe. Des Weiteren absolvierte er im selben Jahr eine Ergänzungsprüfung für die Fächer Religion und Englisch für die zweite Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 267 <?page no="268"?> Stufe. Er unterrichtete also Französisch, Deutsch, Englisch und Religion. Danach trat er sowohl das Seminarjahr als auch das Probejahr an. 1902 wurde er dann schließlich als Oberlehrer angestellt und erhielt 1914 die Charakterisierung als Professor sowie den Rang eines Rates IV. Klasse. Am oberen Rand des ersten Blattes wurde angegeben, dass er am 1.10.1936 in den Ruhestand ging. (M43) Altkamp, Carl Franz wurde am 21. Mai 1868 in Rheine in Westfalen im Kreis Steinfurt und Regierungsbezirk Münster geboren, war katholisch und Sohn des verstorbenen Ferdinand Altkamp zu Rheine. 1887 erwarb er das Reifezeugnis am Gymnasium in Rheine. Danach ist weder ein Studium noch der Ort des Studiums angegeben. Doch absolvierte er 1899 die erste Lehramts‐ prüfung. Dadurch erhielt er die Lehrbefähigung in den Fächern Deutsch für die oberen Klassen und Griechisch und Latein für die mittleren Klassen. In einer Ergänzungsprüfung im Jahr 1900 erhielt er die Lehrbefähigung in Französisch für die unteren Stufen. Er unterrichtete also Deutsch, Latein, Griechisch und Französisch. Danach trat er sowohl das Probejahr als auch das Seminarjahr an und wurde 1902 als wissenschaftlicher Hilfslehrer am Gymnasium in Essen angestellt. Ab 1903 wurde er schließlich als Oberlehrer am Progymnasium Grevenbroich angestellt. Im Jahr 1914 wurden ihm sowohl der Charakter eines Professors sowie den Rang der Räte der IV. Klasse verliehen. Am oberen Rand des ersten Blattes wurde vermerkt, dass er am 1.4. 1932 in den Ruhestand ging. Weitere Angaben sind nicht gemacht worden. (M44) Altmann, Karl Julius Wilhelm wurde am 31. Juli 1856 in Scheidelwitz im Kreis Brieg geboren, war evangelisch-lutherisch und Sohn des verstorbenen Freigärtners Altmann zu Scheidelwitz. 1877 erwarb er das Reifezeugnis am königlichen Gymnasium von Brieg. Danach folgte ein Studium, welches er 1883 mit der ersten Lehramtsprüfung in Latein und Griechisch für die Untersekunda abschloss. 1884 legte er eine Ergänzungsprüfung im Fach Religion für die Quarta ab. Einige Jahre später, 1887, absolvierte er eine weitere Ergänzungsprüfung in den Fächern Latein und Griechisch für die Obersekunda, Religion für Obertertia und in Französisch für die Quarta. 1893 legte er dann eine Erweiterungsprü‐ fung in Deutsch und Religion für die Untersekunda ab. Er unterrichtete also Latein, Griechisch, Deutsch, Religion und Französisch, wobei er schließlich in Latein und Griechisch die Lehrbefähigung bis zur beginnenden Oberstufe, in Deutsch und Religion bis einschließlich der Mittelstufe, und in Französisch für die Unterstufe erworben hatte. Bereits 1883 trat er das Probejahr an und arbeitete ab 1884 bis 1891 als wissenschaftlicher Hilfslehrer an verschiedenen Gymnasien. 1894 wurde er als Oberlehrer im höheren Schuldienst von Preußen angestellt. Zwischen 1897 bis 1900 erhielt er ein Gehalt von 3000 Mark und 268 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="269"?> einen Wohnungsgeldzuschuss von 480 Mark und ab 1900 ein Gehalt von 3300 Mark, sowie ab 1903 eine feste Zulage von 300 Mark. Im Jahr 1906 erhielt er die Charakterisierung als Professor und ihm wurde der Rang der Räte IV. Klasse verliehen. Darüber hinaus erhielt er ab diesem Jahr einen zusätzlichen Bezug von 600 Mark. (M45) Altmeyer, August Justin Lothar wurde am 4. Oktober 1910 in Düssel‐ dorf geboren, war katholisch und war Sohn des Oberstudiendirektors Prof. Dr. August Altmeyer. Nachdem er 1929 am städtischen Gymnasium in Emmerich sein Reifezeugnis erhalten hatte, studierte er in Freiburg, Wien und Köln; bereits im Sommersemester 1930, seinem 3. Fachsemester, studierte er ein Jahr lang in Paris und absolvierte somit ein Auslandssemester. Im Jahr 1935 legte er schließlich die Lehramtsprüfung in Köln ab und erhielt die Lehrbefähigung in seinen Hauptfächern Erdkunde und Französisch sowie in seinem Zusatzfach Spanisch. Danach trat er 1936 das erste Vorbereitungsjahr an und wurde vereidigt. Im selben Jahr hat der damalige Oberstudienrektor Dr. Hofmann vom Friedrich Wilhelm-Gymnasium in Köln die Richtigkeit der Angaben beglaubigt. Weitere Angaben sind nicht gemacht worden. (M46) Altona, Johannes Theodor wurde am 19. Juni 1858 in Jever im Groß‐ herzogtum Oldenburg geboren, war der evangelisch-lutherischen Konfession angehörig und Sohn des verstorbenen Kaufmanns Rudolf Altona. Er erwarb 1879 an einem Realgymnasium in Bielefeld sein Reifezeugnis. Es fehlen so‐ wohl die Angabe eines Studiums als auch die Angabe eines Studienortes. Die Lehramtsprüfung absolvierte er 1883 und erhielt die Lehrbefähigung in Französisch, Englisch und Geographie für die Oberprima und in Geschichte für die Untersekunda. 1884 trat er das Probejahr an und arbeitete danach als wissenschaftlicher Hilfslehrer. Von 1892 bis 1896 unterrichtete er an einer Grammar School in Manchester Deutsch und Französisch. 1896 wurde er als Oberlehrer angestellt. Bereits im Jahr 1889 erhielt er einen Doktortitel der Philosophie und veröffentlichte mehrere wissenschaftliche Arbeiten. Laut den Anstellungsvermerken erhielt er als Oberlehrer 1897 ein Gehalt von 2700 Mark und einen Wohnungsgeldzuschuss von 540 Mark. Ab 1898 erhielt er ein Gehalt von 3300 Mark und einen Wohnungsgeldzuschuss von 540 Mark. 1899 war es dann ein Gehalt von 3600 Mark, welches 1900 noch einmal auf 3900 Mark erhöht wurde, wozu ab 1902 ein Wohnungsgeldzuschuss von 660 Mark dazu kam. Weiterhin erhielt er eine feste Zulage von 600 Mark. Unter „Sonstige Bezüge“ ist im Jahr 1897 eine dienstlicher Nebenbezug von 900 Mark als „persönliche Zulage“ angegeben. Im Jahr 1906 erhielt er den Charakter eines Professors und Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 269 <?page no="270"?> den Rang der Räte IV. Klasse verliehen. Auf dem ersten Blatt wurde oben am Rand vermerkt, dass er 1907 pensioniert wurde und 1928 verstarb. (M47) Altrock, Karl Hermann Gottlieb wurde am 2. Januar 1887 in Berlin ge‐ boren, war evangelisch und Sohn des verstorbenen Rentners Altrock. Nachdem er 1908 das Reifezeugnis erhalten hatte, studierte er an der Universität zu Berlin und in Greifswald. Bereits im Jahr der Abiturprüfung absolvierte er die Turn‐ lehrerprüfung und erhielt damit die Lehrbefähigung für das Fach Turnen. 1912 beendete er schließlich mit der Lehramtsprüfung sein Studium in Greifswald. Da nur die Absolvierung der Prüfung angegeben wurde, ist unklar, für welche Fächer er eine Lehrbefähigung erhielt. Jedoch absolvierte er 1912 eine Ergän‐ zungsprüfung, in der er die Lehrbefähigung in Französisch und Englisch für die erste Stufe und in Deutsch für die zweite Stufe erhielt. Er war also befähigt, Französisch, Englisch, Deutsch und Turnen/ Sport zu unterrichten. Ebenfalls im Jahr 1912 wurde ihm in Greifswald die Doktorwürde der Philosophie für seine romanistische Dissertation mit dem Titel „Parallelismus, Antithese und romantische Ironie in Rostands ‚Cyrano de Bergerac‘“ verliehen. In den Jahren 1913 und 1914 trat er sowohl das Seminarjahr als auch das Probejahr an. Bereits von 1907 bis 1909 und danach ab 1912 hatte er als Volksschullehrer gearbeitet. Ab 1917 bis 1925 wurde er schließlich als Oberlehrer im höheren Schuldienst von Preußen angestellt. Am oberen Rand des ersten Blattes wurde vermerkt, dass er 1925 als Professor für Leibesübungen an der Universität zu Leipzig eingeschrieben war. (M48) Altrogge, Franz Bernhard wurde am 26. März 1879 in Feldhausen im Kreis Recklinghausen geboren, war katholisch und Sohn des Landwirts Johann Altrogge zu Feldhausen. Nachdem er 1903 am Gymnasium in Warendorf die Hochschulreife erlangt hatte, studierte er in Bonn, München und Münster. Sein Studium schloss er schließlich 1907 mit der Lehramtsprüfung ab. Hier ist nicht angegeben in welchen Fächern er diese abschloss. 1910 absolvierte er eine Wiederholungsprüfung. Hier wurde wiederum nicht angegeben in welchem Fach er diese absolvierte. Danach absolvierte er 1911 eine Ergänzungsprüfung und erhielt die Lehrbefähigung in Griechisch für die erste Stufe und Latein und Erdkunde für die zweite Stufe. Unter sonstigen „Schul- oder Kirchendiensten“ ist vermerkt worden, dass er von 1907 bis 1908 Deutsch, Latein, Französisch, Geschichte und Geographie an der Rektoratsschule in Everswinkel unterrich‐ tete. Da er bereits 1907 die erste Lehramtsprüfung absolviert hatte, ist davon auszugehen, dass er mit der Lehramtsprüfung die Lehrbefähigung für diese Fächer angestrebt hatte. Ob eine Lehrbefähigung für Französisch vorlag, lässt sich anhand der Unterlagen nicht abschließend klären. 1911 absolvierte er dann 270 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="271"?> das Seminarjahr an einem Realgymnasium in Wanne. Am oberen Rand des ersten Blattes ist vermerkt, dass er 1918 in den Ruhestand ging. Ein Kreuz lässt darauf schließen, dass er verstarb. Wann er verstarb ist unklar. Danach wurden keine weiteren Angaben gemacht. (M49) Alzer, Rudolf Albert Josef wurde am 15. Mai 1888 in Elspe im Kreis Olpe in Westfalen geboren, war katholisch und Sohn des verstorbenen P. Alzer. Nachdem er 1908 in Vechta im Kreis Oldenburg sein Reifezeugnis erlangte, studierte er in Münster, Würzburg und Berlin. Das Studium beendete er 1913 mit der Lehramtsprüfung in Münster. Hier wurde nicht angegeben in welchen Fächern er eine Lehrbefähigung erhielt. Danach absolvierte er im selben Jahr eine Ergänzungsprüfung. Hier wurde ebenfalls nicht angegeben, auf welches Fach sich diese Ergänzungsprüfung bezog. 1914 absolvierte er ein weiteres Mal eine Ergänzungsprüfung in Münster und erhielt die Lehrbefähigung in Latein für die erste Stufe und Griechisch und Französisch für die zweite Stufe. Er unterrichtete demnach Latein, Griechisch und Französisch. Nach der zweiten Ergänzungsprüfung absolvierte er das Probejahr und wurde in Preußen vereidigt. Seine erste feste Anstellung als Studienrat erhielt er 1927. Weitere Angaben sind nicht getätigt worden. (M50) Ambrosius, Fritz Richard wurde am 26. Februar 1888 in Niebudzsen im Kreis Gumbinnen geboren, war evangelisch und Sohn des Gastwirts Wilhelm Ambrosius. Nachdem er 1907 an der städtischen Oberrealschule an der Burg in Königsberg in Preußen das Reifezeugnis erhalten hatte, studierte er im selben Ort. Sein Studium beendete er schließlich 1911 mit der Lehramtsprüfung. Hier erhielt er die Lehrbefähigung für Deutsch, Englisch, philosophische Pro‐ pädeutik für die erste Stufe und in Französisch für die zweite Stufe. Seine Fächerverbindung war also Deutsch, Philosophie, Englisch und Französisch. Danach absolvierte er sowohl das erste als auch das zweite Vorbereitungsjahr und arbeitete danach bis 1918 als Hilfslehrer an verschiedenen Schulen. In den ersten Jahren als Hilfslehrer absolvierte er einen Militärdienst und wurde über diesen auch vergütet. Später verdiente er ein Monatsgehalt von zunächst 151,67 Mark, ab 1914 zwischen 2400 und 2700 Mark. 1918 wurde er schließlich als Oberlehrer im höheren Schuldienst von Preußen angestellt. Von 1920 bis 1925 wurde er für die „Dienstleistung als Studienrat“ beurlaubt und schließlich 1925 zum Studienrat ernannt. Auch im Militärdienst wurde er mehrfach bis hin zum Unteroffizier befördert. (M51) Amdohr, Otto Johann Ferdinand wurde am 26. März 1844 in Ohlau in Schlesien geboren, war evangelisch und Sohn des verstorbenen Ober-Post‐ commissarius L. Amdohr. Bis 1864 besuchte er das Gymnasium in Minden und Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 271 <?page no="272"?> erwarb dort sein Reifezeugnis. Danach begann er ein Studium möglicherweise in Greifswald, da er 1868 dort die erste Lehramtsprüfung in den Fächern Deutsch für die erste Stufe und Latein und Griechisch für die Obersekunda absolvierte. Danach erhielt er seine erste Anstellung als wissenschaftlicher Hilfslehrer in Frankfurt an der Oder, bereits 1871 erhielt er eine Anstellung als Oberlehrer im höheren Schuldienst von Preußen - ebenfalls am Königlichen Gymnasium zu Frankfurt an der Oder - und wurde 1873, im Alter von 29 Jahren, zum Dr. phil. promoviert. 1875 - im Alter von 31 Jahren - absolvierte er dann eine Erweiterungsprüfung, in der er die Lehrbefähigung für Latein und Griechisch für die erste Stufe und Französisch für die mittleren Klassen erhielt. Seine Fächerverbindung war demnach seit 1868 Deutsch, Latein, Griechisch, seit 1875 Deutsch, Latein, Griechisch und Französisch. 1893 wurde ihm die Charakterisierung als Professor, 1895 der Rang der Räte IV. Klasse verliehen. Ab 1897 bekam er ein Gehalt von 5100 Mark und erhielt zusätzlich 660 Mark Woh‐ nungsgeldzuschuss. Seine klassisch-philologische Dissertation trug den Titel „Prologi Hecyrae Terentianae Grammatica, Critica, Historica Ratione Pertractantur 1873.” Des Weiteren verfasste er folgende wissenschaftliche Arbeiten: b) „Der Komparativ bei Homer, Neue Jahrb. f. Philol. 1880.“; c) Compte-rendu adressé au Ministère de l’Instruction, 93, Progr., Gym. Frankfurt/ Oder.“; d) „Zwei Elegien des Frankfurter Rektors Georg Sabinus in Fest-Programm des Frankf. Kgl. Gymnasiums 94.“. (M52) Amelungk, Heinrich Wilhelm wurde am 9. Dezember 1845 in Dahlem im Kreis Hildesheim geboren und war der lutherischen Konfession angehörig. Anstelle eines Reifezeugnisses am Gymnasium absolvierte er eine Ausbildung an einem Lehrerseminar, welches er von 1864 bis 1866 in Ahlfeld besuchte und schließlich 1866 erfolgreich beendete. Hier erhielt er ein Übergangszeugnis. 1866 bis 1868 absolvierte er das Probejahr und erhielt 1868 seine erste Anstellung als Lehrer an einer Hauptschule in Tannenberg. Ab 1870 wurde er dann als Lehrer einer Realschule und später einer Bürgerschule in Lauenburg an der Elbe angestellt. Danach wurde 1873 als Lehrer einer höheren Tochterschule in Kassel angestellt. 1878 wurde er dann infolge einer Lehramtsprüfung als Lehrer an Mittelschulen in Kassel zugelassen. Hier erhielt er die Lehrbefähigung für die Fächer Religion, Geschichte, Latein und Französisch. Für welche Stufen er die Lehrbefähigung erhielt ist nicht angegeben. Ab 1878 war er dann an einer städtischen Handelsschule in Kassel mit einem Gehalt von 2250 Mark angestellt. Ein paar Jahre später, 1880, absolvierte er eine Rektoratsprüfung in Kassel, um eine Anstellung als Rektor an Mittelschulen und höheren Mädchenschulen zu erhalten. Ein Doktortitel wurde nicht angegeben, dafür aber eine Publikation, die den Titel „Dr. G. F. Dinter’s Grundsätze der Erziehung und des Unterrichts. kurz 272 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="273"?> zusammengestellt und pädagogisch gewürdigt (Plauer bis Schröter)“ trug. Weitere Angaben sind nicht gemacht worden. (M53) Ammann, August wurde am 25. Januar 1839 in Driedorf im Westerwald geboren, war evangelisch und erlangte 1859 sein Maturazeugnis am Gymnasium von Weilburg. Von 1859 bis 1863 studierte er an den Universitäten Heidelberg, Bonn und Göttingen. 1863 bestand er die Lehramtsprüfung in Bonn und erhielt die Lehrbefähigung für die Fächer „altklassische“ Philologie für die Oberstufe (1863) und in Französisch ebenfalls für alle Klassen (1865). Er unterrichtete demnach Griechisch, Latein und Französisch. Danach legte er kein Probejahr ab, sondern wurde ab 1864 direkt als besoldeter und vollbeschäftigter Kollaborator am Gymnasium in Wiesbaden angestellt. Ab 1869 wurde er schließlich als ordentlicher Gymnasiallehrer am Gymnasium zu Wiesbaden eingestellt und erhielt ein monatliches Gehalt von 3000 Mark sowie eine Mietsentschädigung von 432 Mark. Ab 1876 stieg sein Gehalt kontinuierlich. So erhielt er ab 1876 ein Gehalt von 3450 Mark bei gleichbleibendem Wohnungsgeldzuschuss, ab 1877 ein Oberlehrergehalt von 3450 Mark mit einem Wohnungsgeldzuschuss von 660 Mark, ab 1878 3500 Mark , ab 1880 3700 Mark und ab 1881 3800 Mark und jeweils denselben Zuschuss. Am 1.10.1890 wurde er dann schließlich pensioniert. Weitere Angabe wurden nicht getätigt. (M54) Ammer, Heinrich Alois wurde am 7. Juli 1890 in Wüstheuterode im Kreis Heiligenstadt in der Provinz Sachsen geboren, war katholisch und Sohn des Lehrers Johannes Ammer. Nachdem er 1909 das Reifezeugnis erhalten hatte, studierte er an den Universitäten in Paderborn, Breslau, Münster und Greifswald. 1919 absolvierte er schließlich die Lehramtsprüfung in Greifswald und erhielt die Lehrbefähigung in Englisch, Französisch und Deutsch für die erste Stufe. Bereits 1914 hatte er die Turnlehrerprüfung absolviert und somit die Lehrbefähigung für das Fach Turnen erhalten. Er unterrichtete mithin die Fächer Englisch, Französisch, Deutsch und Turnen/ Sport. Nach der Lehramtsprüfung trat er das erste Vorbereitungsjahr in Paderborn und Coesfeld an. Für den Zeitraum 1919 bis 1927 sind keine Angaben gemacht worden. 1927 wurde er schließlich in Paderborn zum Studienrat im höheren Schuldienst von Preußen ernannt. Im Militär war er bis 1918 aktiv. (M55) Ammerlahn, Georg Albert Oskar wurde am 21. Februar 1862 in Berlin geboren, war evangelisch und Sohn des im Jahre 1865 verstorbenen Restaurateurs Ed. Ammerlahn. 1880 erwarb er sein Reifezeugnis und fing dann vermutlich an zu studieren. Ein Studium ist nicht angegeben, aber eine Lehr‐ amtsprüfung, welche ein Studium voraussetzt. Bereits 1884 absolvierte er die Turnlehrerprüfung und erhielt somit die Lehrbefähigung für das Fach Turnen. Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 273 <?page no="274"?> 1889 absolvierte er die erste Lehramtsprüfung und erhielt die Lehrbefähigung für die Fächer Physik für die Oberprima, in Mathematik für die Untersekunda und in Französisch und Religion für die Quarta. Danach trat er sowohl das Seminarjahr als auch das Probejahr an und arbeitete danach zwischen 1893 und 1896 als wissenschaftlicher Hilfslehrer und Turnlehrer. 1891 absolvierte er eine Ergänzungsprüfung in Geographie und erhielt die Lehrbefähigung für die Untersekunda. Wiederum fünf Jahre später, 1896, absolvierte er Erweiterungs‐ prüfungen und erhielt die Lehrbefähigung in Mathematik für die Oberprima und in Französisch für die Untersekunda. Seine Lehrbefähigung umfasste also schließlich die Fächer Mathematik, Physik, Geographie, Französisch, Turnen/ Sport und Religion. Im Jahr der Erweiterungsprüfungen, 1896, wurde er schließ‐ lich im höheren Schuldienst von Preußen als Oberlehrer angestellt und erhielt ein Gehalt von 2700 Mark sowie einen Wohnungsgeldzuschuss von 660 Mark. Ab 1899 stieg sein Gehalt auf 3300 Mark. Am oberen Rand des ersten Blattes ist vermerkt worden, dass er am 15.7. 1918 verstarb. (M56) Amram, William wurde am 8. Februar 1869 in Aschersleben in der Provinz Dessau geboren, war evangelisch und Sohn des Kaufmannes Louis Amram zu Altenburg. 1888 erwarb er das Reifezeugnis und studierte danach vermutlich, da er 1894 die Lehramtsprüfung ablegte. Mit der Lehramtsprüfung an der Universität Jena erhielt er die Lehrbefähigung im Fach Englisch für die Stufe Oberprima und in Französisch, Deutsch und Latein für die Untersekunda. 1895 legte er eine Erweiterungsprüfung ab und erhielt die Lehrbefähigung für Französisch für die Oberprima. Seine Fächerverbindung war also Englisch, Französisch, Deutsch und Latein. Des Weiteren legte er im Jahr 1895 eine Prüfung für „Diction“ an der Universität in Genf ab. Danach trat er sowohl das Seminarjahr als auch das Probejahr an und arbeitete danach als wissenschaftli‐ cher Hilfslehrer. 1897 wurde er schließlich als Oberlehrer angestellt und war zuletzt am Realgymnasium Ruhrort tätig. Dabei erhielt er ein Gehalt von 2700 Mark sowie eine Mietentschädigung von 660 Mark. Ab 1900 stieg sein Gehalt auf 3000 Mark und einen Wohngeldzuschuss von 540 Mark. 1910 wurden ihm die Charakterisierung als Professor und der Rang der Räte IV. Klasse verliehen. Unter „sonstige Bezüge“ unter Punkt „c)“ wurde angegeben, dass er 1898 für ein Unterrichtsfach an der kaufmännischen Fortbildungsschule 350 Mark pro Monat und ab 1900 jährlich 320 Mark pro Monat für Unterrichtsstunden in Ruhrort erhielt. Am oberen Rand auf dem ersten Blatt wurde vermerkt, dass er am 1.8.1928 in den Ruhestand ging. Weitere Angaben sind nicht gemacht worden. 274 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="275"?> (M57) Amther, Willy Berthold wurde am 29. September 1888 in Halle an der Saale im Stadtkreis Halle geboren, war evangelisch und Sohn des verstorbenen Bäckermeisters Gustav Amthor zu Halle an der Saale. Nachdem er 1907 das Reifezeugnis am Stadtgymnasium von Halle erhalten hatte, studierte er ebenda und im Wintersemester 1908/ 1909 in Frankreich in Dijon. 1914 absolvierte er schließlich die erste Lehramtsprüfung und erhielt die Lehrbefähigung in den Fächern Französisch und Latein für die Oberstufe sowie in Geschichte für die Mittelstufe. Danach trat er das Seminarjahr am Königlichen Domgymnasium zu Merseburg an und wurde vereidigt. Weitere Angaben sind nicht gemacht worden. Am oberen Rand des ersten Blattes sind verschiedene Zahlen ange‐ geben, deren Bedeutung nicht erkennbar sind. Ein Kreuz lässt darauf schließen, dass er ggf. 1916 verstorben ist. 3 Alphabetabschnitt BAA - BAR (Carolin Adamus) (A1) Baader, Hans Rudolf wurde am 2. Juli 1889 in Köthen als Sohn des Lokomotivführers Franz Baader geboren. Das Reifezeugnis legte er am 19. September 1907 an der Oberrealschule der Franckeschen Stiftungen zu Halle ab. Im Anschluss daran besuchte er die Universität zu Halle von 1911 bis 1919, allerdings mit einer Unterbrechung von August 1914 bis November 1918, da er zu dieser Zeit im Ersten Weltkrieg kämpfte. 1915 wurde er zum Leutnant befördert, zudem erhielt er mehrere Auszeichnungen: 1915 erhielt er zunächst das Anhaltische Friedenskreuz sowie das Eiserne Kreuz der zweiten Klasse und 1918 wurde ihm schließlich das Eiserne Kreuz der ersten Klasse verliehen, das zu den höchsten preußischen Kriegsauszeichnungen zählte (Estelmann 2020, s. p.). Nach seiner Stationierung im Krieg setzte er sein Studium fort und legte im Frühjahr 1920 in Halle seine Lehramtsprüfung ab. Dadurch erhielt er die Befähigung Französisch, Erdkunde und Englisch zu unterrichten. Seine erste feste Anstellung im höheren Schuldienste Preußens trat er im Oktober 1921 als Studienrat an. (A2) Baader, Katharina Auguste Helene wurde am 14. Dezember 1897 in Frodon geboren, das im heutigen Polen liegt. Als Tochter des Strafanstalts- Direktors Florian Baader legte sie 1917 ihr Reifezeugnis an dem städtischen Oberlyzeum in Düsseldorf ab. Ihr Studium begann sie 1923 an der Universität in Köln und führte es von 1925 bis 1928 in Bonn fort. Dort legte sie noch im gleichen Jahr ihre Lehramtsprüfung ab, die Fächer Deutsch und Französisch als Hauptfach und philosophische Propädeutik als Zusatzfach. Nach ihrer Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 275 <?page no="276"?> Vereidigung 1929 dauerte es noch 12 Jahre zu ihrer ersten festen Anstellung in Düren als Studienrätin. Davor war sie als Studienassessorin tätig. (A3) Baak, Johannes Karl wurde am 26. Mai 1892 in Arnsberg als Sohn des Oberpostdirektors Karl Baak geboren. 1914 erlangte er sein Reifezeugnis an der Oberrealschule in Berlin-Pankow. Das Lehramtsstudium begann er 1914 in Berlin, welches schon nach kurzer Zeit durch seinen Dienst im Krieg und seiner Teilnahme am Feldzug in Russland unterbrochen wurde, er erhielt dafür das Eiserne Kreuz der zweiten Klasse als Auszeichnung. Danach setzte er sein Studium zunächst in Berlin fort. 1917 bis 1920 studierte er in Marburg und von 1920 bis 1922 in Münster. Dort legte er im darauffolgenden Jahr die Lehramtsprüfung ab. Die Prüfungen für Deutsch, Englisch und Französisch, die er in der ersten Stufe unterrichtete, bestand er mit Auszeichnung. Zudem promovierte er im August 1922 zum Dr. phil. und war anschließend ab 1927 als Studienrat in Warendorf tätig. (A4) Baake, Ernst Wilhelm Theodor wurde am 10. Juli 1880 in Emlichheim in Niedersachsen geboren. Im März 1902 legte er die Reifeprüfung am Realgym‐ nasium in Osnabrück ab. Über den Ort und die Dauer seines Studiums sind keine Aufzeichnungen vorhanden. Die Lehramtsprüfung legte er 1906 ab und durfte daraufhin Englisch, Französisch, Philosophie und Deutsch lehren. 1907 begann er sein Seminarjahr und 1908 sein Probejahr. Die erste feste Anstellung erhielt er im April 1909 als Oberlehrer am Realgymnasium Nordhausen. Am staatlichen Gymnasium in Nordhausen war er ab 1920 als Studienrat tätig. 1926 besetzte er schließlich die Stelle des Studiendirektors an einer staatlichen Schule in Treptow. Seine Dissertation mit dem Titel „Die Verwendung des Traummotivs in der englischen Dichtung“ publizierte er 1906. Baake trat im Oktober 1932 in den Ruhestand ein. (A5) Baaken, Johannes Franz wurde am 12. Dezember 1892 in Rossenray geboren, das heute zu Kamp-Lintfort gehört. Nach der Erlangung seines Rei‐ fezeugnisses im Februar 1912 begann er das Lehramtsstudium in Freiburg, welches er zehn Jahre später erfolgreich beendete. Sein Studium wurde durch die Teilnahme am Ersten Weltkrieg unterbrochen. Dabei wurde er 1917 zum Leutnant befördert. Nach dem Krieg setzte er 1919 sein Studium fort. November 1921 legte er die Lehramtsprüfung für Französisch ab. Die Prüfung für Latein und Griechisch bestand er einen Monat später. Etwa zwei Monate später folgte die Prüfung für das Fach Philosophie. Die erste feste Anstellung im höheren Schuldienst Preußens erfolgte schon 1920. Anschließend war er seit 1926 in Mülheim an der Ruhr und ab 1928 in Bitburg als Studienrat tätig. 276 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="277"?> (A6) Baar, Wilhelm wurde am 18. November 1897 in Celle geboren. Dort legte er im Juni 1915 seine Reifeprüfung am königlichen Gymnasium ab. Direkt danach begann für ihn der Kriegsdienst, den er bis 1919 ausübte, wobei er bereits 1917 zum Leutnant befördert wurde und zudem das Eiserne Kreuz sowohl der zweiten als auch der ersten Klasse als Auszeichnung erhielt. Die Lehramtsprüfung legte er im November 1924 ab, für die Fächer Englisch, Französisch und Deutsch. Nach seiner Vereidigung 1925 war er von 1927 bis 1930 an verschiedenen Schulen als Studienassessor angestellt. 1931 folgte die erste feste Anstellung in den höheren Schuldienst als Studienrat. (A7) Bach, Adolf Lucian Phillip wurde am 31. Januar 1890 in Bad Ems im Unterlahnkreis geboren. Sein Vater war der Kaufmann Ludwig Bach. In Darmstadt legte er 1909 sein Reifezeugnis an einer Oberrealschule ab. Im gleichen Jahr begann er sein Studium, wobei er je ein Semester in Kiel und Paris verbrachte und sechs Semester an der Universität in Giessen. Nach dem Ende seines Studiums bestand er im November 1914 die Lehramtsprüfung für die Fächer Deutsch, Englisch und Französisch und erhielt die Gesamtnote ‚ausgezeichnet‘. Die erste feste Anstellung besetzte er 1927 als Studienrat an einer Schule in Rinteln. Bach veröffentlichte insgesamt fünf wissenschaftliche Arbeiten auf Deutsch und Französisch. Am 1. April 1927 wurde Bach aus dem Amtsverhältnis entlassen. (A8) Bach, Carl Emil kam am 18. Mai 1878 in der Stadt Luxemburg, als Sohn des Lokomotivführers Emil Bach, zur Welt. Im Alter von 20 Jahren bestand er 1897 die Reifeprüfung, die er an einem Gymnasium in Diedenhofen (Lothringen- Frankreich) ablegte. In Straßburg begann er 1897 sein Studium und beendete es mit der Ablegung seiner Lehramtsprüfung 1902. Er erhielt die Befähigung die Fächer Griechisch, Latein, Deutsch und Französisch zu unterrichten. 1905 besetzte er seine erste feste Stelle im höheren Schuldienst in Elsass-Lothringen und ab dem 1. Oktober 1908 schließlich in Preußen. Bis 1914 war er als Oberlehrer in Colmar, Buchsweiler und Saargemünd angestellt. Danach war er an verschiedenen Orten, wie Bromberg oder Warendorf als Studienrat tätig. Von Februar bis Juni 1916 nahm er an den Feldzügen beim Infanterie Regiment 136 zu Straßburg teil. Ιm Juni 1924 trat Bach in den Ruhestand ein. (A9) Bach, Johannes Friedrich Helmut wurde am 14. Januar 1850 geboren. 1870 erlangte er sein Maturitätszeugnis und begann drei Jahre später sein Studium, unter anderem in Leipzig und Genf, und schloss es 1878 erfolgreich ab. Die Lehrbefähigung für die Fächer Französisch, Englisch, Geschichte, Deutsch und Geografie erhielt er im Jahr 1882. Schon während seines Studiums war er drei Jahre als Hilfslehrer tätig. An einem Realgymnasium in Berlin besetzte er Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 277 <?page no="278"?> ab 1883 eine feste Stelle als ordentlicher Lehrer. Im Alter von nur 42 Jahren verstarb Helmut Bach. (A10) Bach, Ludwig Friedrich Wilhelm Ferdinand wurde am 27. Januar 1875 als Sohn des Rektors Johannes Gottlob Bach in Kassel geboren. Am königlichen Wilhelms-Gymnasium in Cassel absolvierte er im September 1893 seine Reife‐ prüfung. Nach der Turnlehrerprüfung 1896 legte er 1903 die Lehramtsprüfung für die Fächer Religion, Hebräisch, Deutsch und Französisch ab. Bereits 1901 wurde er Pastor der evangelischen Kirche. Vor seiner ersten festen Anstellung war er etwa ein Jahr am Wilhelms-Gymnasium in Cassel als Hilfslehrer tätig. Ab 1905 war er schließlich als Oberlehrer angestellt. Auch veröffentlichte er eine wissenschaftliche Arbeit. 1937 schied er aus dem Lehramt aus. (A11) Bach, Hugo Volkmar wurde am 31. Mai 1862 in Oberkaka im Landkreis Weißenfels geboren. Am Realgymnasium zu Halberstadt legte er im Jahr 1882 seine Reifeprüfung ab, zu der Zeit lebte er in Naumburg. Mit Bestehen der ersten Lehramtsprüfung 1888 erhielt er die Befähigung die Fächer Französisch, Englisch und Geografie zu unterrichten. Seit einer Ergänzungsprüfung am 20. Dezember 1895 durfte er diese Fächer bis zur Oberprima lehren. Die erste feste Anstellung bekam er 1897, davor war er fast sieben Jahre als Hilfslehrer an verschiedenen Schulen tätig. Bereits vor dem Bestehen der Lehramtsprüfung wurde ihm am 15. September 1887 die Doktorwürde in Marburg verliehen, seine Dissertation veröffentlichte er unter dem Titel „Die Angriffswaffen in den altfranzösischen Artus- und Abenteuerromanen“. 1907 erhielt er den Charakter Gymnasialprofessor und den Rang der Räte IV. Innerhalb seines Militärverhält‐ nisses erhielt er verschiedene Beförderungen: 1889 zum Unteroffizier, 1891 zum Vizefeldwebel, 1892 zum Leutnant. Im Ersten Weltkrieg wurde er am 13. Oktober 1914 zum Hauptmann befördert, währenddessen wurde ihm zum einen das Eiserne Kreuz der zweiten Klasse und zum anderen das Ritterkreuz der ersten Klasse verliehen. In den Ruhestand trat Bach 1925 ein. (A12) Bacher, Walter Lotar wurde am 10. März 1907 als Sohn des Volksschul‐ lehrers Ferdinand Bacher geboren. Im März 1928 erhielt er an einer Oberreal‐ schule zu Tilsit das Reifezeugnis. Im gleichen Jahr begann er sein Studium in Königsberg und beendete es 1933 in Marburg, zwischenzeitlich studierte er etwa ein Jahr lang in England. Er unterrichtete Englisch und Leibesübungen jeweils als Hauptfach und Französisch als Nebenfach, die Befähigung dazu erhielt er 1933, durch das Ablegen der Lehramtsprüfung. (A13) Bachfeld, Hanno-Ludwig wurde am 2. April 1903 in Hagenau im Elsass als Sohn des Regierungsrats Dr. Ludwig Bachfeld geboren. Am Lessing-Gymna‐ 278 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="279"?> sium in Frankfurt am Main erwarb er 1924 das Reifezeugnis. Direkt im Anschluss begann er sein Lehramtsstudium, das er zum Teil auch in Berlin absolvierte. 1929 erhielt er die Lehrbefähigung für Französisch und Religion als Hauptfach, sowie Deutsch und Philosophie als Nebenfach. Durch eine Erweiterungsprüfung 1932 war er befähigt Englisch als Nebenfach zu unterrichten. Die erste feste Anstellung im höheren Schuldienste Preußens erhielt er 1941 als Studienrat. (A14) Bachmann, Carl Friedrich Wilhelm wurde am 14. April 1886 in Bad Wildungen im Kreis Waldeck als Sohn des Privatmanns Carl Bachmann geboren. Nach der erworbenen Hochschulreife 1905 begann er sein Studium in München und führte es später in Leipzig, Berlin und Paris fort, wo er ein Semester verbrachte. 1910 beendete er sein Studium in Marburg. Im darauffolgenden Jahr fiel er durch die erste Lehramtsprüfung in den Fächern Englisch und Erdkunde. In einer Ergänzungsprüfung erhielt er kurz danach die Befähigung für das Fach Französisch. Direkt nach dem Studium kam er seiner Dienstpflicht als Einjährig-Freiwilliger nach und wurde zum Unteroffizier befördert. Acht Jahre später, am 1. Oktober 1920, trat er seine erste feste Anstellung im höheren Schuldienste als Studienrat an. Unter dem Titel „Der Reis, Geschichte, Kultur und geographische Verbreitung, seine Bedeutung für die Wirtschaft und den Handel“ veröffentlichte er 1912 eine wissenschaftliche Arbeit. (A15) Bachmann, Hans Eduard wurde am 28. Oktober 1889 in New York als Sohn des praktischen Arztes Dr. med. Eugen Bachmann geboren. Die Reifeprü‐ fung bestand er 1910 an einer Oberrealschule in Weißenwels an der Saale. Das Lehramtsstudium schloss sich daran an und wurde ohne Unterbrechungen im November 1915 in Greifswald beendet. 1918 legte er die erste Lehramtsprüfung für die Fächer Englisch, Französisch und evangelische Religionslehre ab. Zwei Jahre darauf folgte in einer Erweiterungsprüfung das Fach Deutsch und wieder zwei Jahre später erhielt er die Lehrbefähigung für Latein. Die Doktorwürde erhielt er im Juni 1916. Danach nahm er im Krieg an einer Reihe von Feldzügen in Frankreich teil und wurde zum Unteroffizier befördert. Vor seiner ersten festen Anstellung im Schuldienst war er acht Jahre als Studienassessor tätig und ein Jahr als Internatsleiter. Die Festanstellung als Studienrat folgte im Jahr 1926. Unter dem Titel „Das englische Sprachgut in den Romanen Jules Verne’s“ veröffentlichte er einen Artikel in einer Zeitschrift. 1935 trat Bachmann in den Ruhestand ein. (A16) Bachmann, Heinrich Friedrich wurde am 8. Oktober 1861 geboren. Im September 1880 bekam er das Reifezeugnis überreicht. Nach seinem Studium legte er 1886 die Lehramtsprüfung für die Fächer Französisch, Englisch und Religion ab. Daraufhin war er ein Jahr als Hilfslehrer tätig. Im Anschluss Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 279 <?page no="280"?> besetzte er eine feste Anstellung als Oberlehrer. 1906 erhielt er den Charakter Gymnasialprofessor und den Rang der Räte IV. Seiner Dienstpflicht als Ein‐ jährig-Freiwilliger genügte er von April 1881 bis April 1882 in Leipzig. Eine Teilnahme an Feldzügen ist jedoch nicht verzeichnet. Im April 1927 beendete er seine Lehrertätigkeit und ging in den Ruhestand. (A17) Bachmann, Heinrich Richard Edmund Paul wurde am 13. Juni 1846 in Berlin als Sohn des Hofrats Heinrich Bachmann geboren. Am königlichen Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Berlin bestand er 1864 die Reifeprüfung. Die Lehramtsprüfung legte er 1868 für die Fächer Mathematik, Physik, Französisch, Geschichte und Geografie ab. An der Schule, an der er seine Reife erhielt, bekam er 1869 eine Festanstellung als Oberlehrer. Wenige Jahre später wurde ihm am 24. April 1874 die Doktorwürde verliehen. Insgesamt veröffentlichte er zwei wissenschaftliche Arbeiten: 1874 mit dem Titel „Über die Bewegung materieller Punkte“ und 1882 „Über die Bewegung eines Punktes“. 1890 erhielt er den Charakter des Gymnasialprofessors und den Rang der Räte IV. 1899 wurde Bachmann im Alter von 52 Jahren pensioniert (A18) Back, Maximilian Josef kam am 3. April 1890 als Sohn eines Hofküsters in Düsseldorf zur Welt. Dort erwarb er auch 1909 das Reifezeugnis. Das Lehr‐ amtsstudium absolvierte er in Bonn, München, Berlin und Münster. In Münster legte er im September 1914 die Lehramtsprüfung ab, wodurch er die Befähigung erhielt, die Fächer Deutsch, Französisch und Latein zu unterrichten. Dort wurde ihm auch im gleichen Jahr die Doktorwürde verliehen. Am 1. Oktober 1926 wurde er als Studienrat fest angestellt. Davor nahm er von August 1914 bis Oktober 1918 an Feldzügen teil und wurde bereits 1915 zum Leutnant befördert. Zudem wurde ihm das Eiserne Kreuz der ersten und zweiten Klasse verliehen. (A19) Backe, Gottlieb Eduard Wilhelm wurde am 7. April 1834 Königsberg geboren. Im Alter von 19 Jahren erhielt er in Stettin das Maturitätszeugnis. Die Lehramtsprüfung für die Fächer Deutsch, Latein, Griechisch, Französisch und Englisch bestand er 1871 in Greifswald. Bereits 1865 promovierte er in Leipzig. Ab 1873 war er als Oberlehrer tätig. Insgesamt publizierte er drei Arbeiten, darunter „Faillir et Falloir als Programm der Realschule 1ter Ordnung in Stralsund“ im Jahr 1870. Er verstarb im Juni 1884. (A20) Backers, Hermann wurde am 15. August 1878 in Meppen an der Ems geboren. 1905 erwarb er das Reifezeugnis an einem Realgymnasium in Osnabrück. Im gleichen Jahr begann er das Lehramtsstudium in Berlin und beendete es 1910 in Rostock und erlangte die Doktorwürde an der Universität 280 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="281"?> in Greifswald. 1911 bestand er die Lehramtsprüfung für die Fächer Französisch, philosophische Propädeutik und Englisch. (A21) Backes, August Karl Jakob wurde am 26. Januar 1891 in Frankfurt am Main als Sohn des Lehrers Anton Becker geboren. 1910 absolvierte er, ebenfalls in Frankfurt, die Reifeprüfung, an die sich das Lehramtsstudium anschloss, das er 1914 erfolgreich beendete. Die Fachprüfung erfolgte im Mai 1919 für Geschichte, Englisch und Französisch. Davor kämpfte er etwa 4 Jahre lang im Krieg und erhielt dafür das Eiserne Kreuz der ersten und zweiten Klasse. 1919/ 20 schied er aus dem Lehramt aus und war als Kaufmann tätig. Er besetzte nie eine feste Stelle. (A22) Backes, Johann Maria Heinrich wurde am 27. Mai 1864 in Sinzig im Kreis Ahrweiler geboren. Am königlichen Gymnasium in Koblenz bestand er 1883 die Reifeprüfung. Die Lehrbefähigung erhielt er 1888 für die Fächer Geschichte, Geografie, Latein und Deutsch. Ergänzend erhielt er 1891 die Befähigung Griechisch und seit 1894 auch Französisch zu lehren. Bevor er 1895 fest als Oberlehrer angestellt wurde, arbeitete er seit 1889 als Hilfslehrer in verschiedenen Institutionen. 1906 erhielt er den Charakter eines Professors und 1907 den Rang der Räte IV. 1929 schied Backes aus dem Erwerbsleben aus. (A23) Backes, Rudolf Jakob wurde am 16. April 1890 in Köln als Sohn des Rektors Christian Backes geboren. Am Kaiser Wilhelm Gymnasium erwarb er 1910 das Reifezeugnis. Im gleichen Jahr begann er ein vierjähriges Universitäts‐ studium in Bonn, von dem er ein Semester beurlaubt am University College in London verbrachte. Vor dem Ablegen der Lehramtsprüfung in den Fächern Deutsch, Englisch und Französisch 1921, kam es zum Krieg, in dem er von 1914 bis 1920 an der Westfront diente. Seine angegebene Dienstzeit im Krieg geht über das Ende des Krieges hinaus, da er insgesamt fast 5 Jahre in französischer Gefangenschaft verbrachte. Seit 1923 war er fest als Studienrat angestellt. (A24) Backhaus, Georg Gustav Karl wurde am 11. Juni 1886 in Demmin als Sohn des Zollassistenten Karl Backhaus geboren. In Gartz an der Oder erwarb er 1908 sein Reifezeugnis und noch im gleichen Jahr begann er das Studium und studierte bis zum Kriegsausbruch in Greifswald. Während des Kriegs diente er und nahm von 1914 bis 1918 an Feldzügen teil, zudem wurde er zum Leutnant befördert. Nach Beendigung des Krieges legte er am 21. Juli 1919 die Lehramtsprüfung für die Fächer Deutsch, Englisch und Französisch ab. Bis zu der Festanstellung als Studienrat ab 1927 war er ab 1919 unter anderem als Studienassessor tätig. Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 281 <?page no="282"?> (A25) Backhaus, Wilhelm Georg Walter wurde am 22. Mai 1881 als Sohn eines Rektors in Stettin geboren. Dort legte er auch im Jahr 1899 die Reifeprü‐ fung am Stadtgymnasium ab. Sein Studium begann er direkt im Anschluss und beendete es 1904 in Greifswald, wo er auch die Lehramtsprüfung für die Fächer Französisch, Englisch und Latein bestand. Direkt nach der Absolvierung der beiden Vorbereitungsjahre erhielt er 1906 eine feste Anstellung als Oberlehrer. Ab Oktober 1915 nahm er im Krieg an Feldzügen teil, jedoch verbrachte er ab August 1916 mehr als vier Jahre in russischer Gefangenschaft. Er starb im April 1926 im Alter von 44 Jahren. (A26) Backhaus, Oskar Heinrich August Franz Otto wurde am 12. Dezember 1874 in Schwarmstedt als Sohn des Seminar-Oberlehrers Karl Backhaus geboren. 1893 erwarb er an einem Gymnasium in Bremerhaven das Reifezeugnis. Die Doktorwürde wurde ihm 1899 an der Universität in Halle verliehen. 1901 bestand er die Lehramtsprüfung für die Fächer Englisch, Französisch und Geschichte. Die erste feste Anstellung als Oberlehrer folgte 1903. Unter dem Titel „Über die Quelle der mittelenglischen Julianenlegende und ihr Verhältnis zu Cynewulfs Juliana“ veröffentlichte er eine wissenschaftliche Arbeit. 1915 erhielt er den Charakter eines Professors und den Rang der Räte IV. In den Ruhestand trat Backhaus am 1. Januar 1935. (A27) Backhaus, Wilhelm Friedrich Otto wurde 1850 im heute polnischen Voigtshagen geboren. Backhaus erhielt für eine ganze Reihe von Fächern 1879 die Lehrerlaubnis: Mathematik, Geschichte, Zoologie und Botanik, Chemie und Mineralogie, Physik, Französisch, Geografie, Religion und Englisch. Am 3. De‐ zember 1884 legte er die Rektorenprüfung in Stettin ab. In Altstadt-Pyritz erhielt er direkt nach seinem Studium, aber ohne eine bestandene Lehramtsprüfung, 1871 eine feste Anstellung. Backhaus nahm 1889 eine Rektorenstelle an einer Communalschule an. (A28) Backs, Johanna Christine Charlotte wurde am 27. Februar 1888 in Er‐ furt als Tochter des Bankdirektors Bernhard Backs geboren. Nach dem Erlangen der Hochschulreife 1907 begann sie am 25. Oktober 1910 das Universitätsstu‐ dium in Greifswald und beendete es dort 1914. Die Fächer Französisch, Deutsch und Englisch unterrichtete sie seit 1915 als wissenschaftliche Hilfslehrerin und besetzte ab 1918 eine feste Stelle als Studienrätin. (A29) Bächt, Hermann wurde am 7. Mai 1858 im Kreis Fritzlar als Sohn des Ökonomen Georg Ludwig Bächt geboren. An einer Realschule erster Ordnung in Kassel erwarb er 1879 das Reifezeugnis. Nach dem Studium erlangte er 1883 in einer ersten Prüfung die Lehrbefähigung für die Fächer Französisch, Englisch, 282 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="283"?> Erdkunde und neue Geschichte. Etwa ein Jahr später legte er eine Ergänzungs‐ prüfung für alte Geschichte und Deutsch ab. 1884 erhielt er den Titel Dr. phil. der Universität Erlangen. 1905 erhielt er den Charakter Gymnasialprofessor und den Rang der Räte IV. In Kassel war er seit 1887 als Oberlehrer fest angestellt. Seine wissenschaftliche Veröffentlichung und Doktorarbeit aus dem Jahr 1884 trägt den Titel: „Sprachliche Untersuchung über Huon de Bordeaux“. Im April 1921 trat er in den Ruhestand ein. (A30) Bäcker, Max wurde am 8. Juni 1889 in Berlin geboren. Nach dem Erwerb des Reifezeugnisses 1908 begann er in Berlin das Lehramtsstudium und führte es von 1912 bis 1913 in Jena zu Ende. Schon vor dem Ablegen der Lehramtsprü‐ fungen für Französisch, Englisch und Deutsch im Jahr 1918 war er zur Zeit des Krieges als Hilfslehrer tätig, da er als „dauernd untauglich“ eingestuft wurde. Er veröffentlichte zwei wissenschaftliche Arbeiten, erlangte den Doktortitel im Jahr 1913 und war seit 1921 fest als Studienrat angestellt. Aus weiteren Recherchen geht hervor, dass Dr. Max Bäcker und seine Frau Elfriede aufgrund ihres jüdischen Glaubens am 23. Oktober 1944 nach Auschwitz transportiert und dort auch ermordet wurden (Institut Terezínské iniciatvy 2020). (A31) Bade, Karl Heinrich Wilhelm wurde am 8. Februar 1891 in Sarnow in Ostprignitz als Sohn eines Gastwirts geboren. In Charlottenburg erhielt er 1910 das Reifezeugnis und begann sein Studium in Berlin und beendete es dort im Jahr 1919. Im Zuge seiner Lehramtsprüfung 1920 erhielt er die Befähigung für die Fächer Englisch, Erdkunde und Französisch, sowie durch eine Ergänzungsprüfung für Latein. Auch Bade nahm an Feldzügen im Krieg teil, von 1916 bis 1918. Er durchlief verschiedene Beförderungsstufen und wurde schließlich zum Leutnant befördert, zudem wurde ihm das Eiserne Kreuz der zweiten Klasse verliehen. Eine feste Anstellung erfolgte 1920 als Studienrat. (A32) Badke, Hermann Otto wurde am 16. Juli 1851 in Jacobsdorf als Sohn eines Lehrers geboren. In Pyritz in Pommern erhielt er 1871 das Reifezeugnis und kam im Anschluss daran seiner einjährigen Dienstpflicht nach, bei der er zum Oberjäger befördert wurde. Der akademische Titel Dr. phil. wurde ihm 1877 in Tübingen verliehen. In den Fächern Englisch, Deutsch, Latein und Französisch legte er 1880 die Lehramtsprüfung ab und erhielt kurz darauf eine feste Anstellung an einem Realgymnasium in Stralsund als Oberlehrer, nachdem er dort kurze Zeit als Hilfslehrer tätig war. 1900 erhielt er den Charakter eines Professors und den Rang der Räte IV. Insgesamt veröffentlichte er neun wissenschaftliche Texte zwischen 1878 und 1907. Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 283 <?page no="284"?> (A33) Badura, Johann wurde am 28. September 1851 in Urbanowitz, das im heutigen Schlesien liegt, geboren. Am königlichen St. Matthias Gymnasium in Breslau absolvierte er 1873 die Reifeprüfung. Nach dem Studium erhielt er durch Ablegen der Lehramtsprüfung 1890 die Lehrerlaubnis für die Fächer Latein, Französisch, Polnisch und Deutsch. Bereits davor war er an verschiedenen Institutionen, die im heutigen Polen liegen, als Hilfslehrer tätig. Im Jahr 1893 folgte eine feste Anstellung als Oberlehrer in Tremessen. (A34) Baehr, August Adalbert Alfred wurde am 20. September 1889 in Waldhaus als Sohn des königlichen Hegemeisters Adalbert Baehr geboren. Am königlichen Gymnasium in Allenstein erhielt er 1908 das Reifezeugnis. Im Anschluss daran studierte er bis 1912 in Königsberg und legte kurz darauf die Lehramtsprüfung für die Fächer Französisch, Englisch und Erdkunde ab und bestand diese mit Auszeichnung. Am 17. Dezember 1912 wurde ihm die Doktorwürde verliehen und er veröffentlichte die Arbeit unter dem Titel „Zur Landeskunde der Maskarenen“ [sc. La Réunion]. Von 1914 bis 1918 nahm er an Feldzügen in Ostpreußen, Russland, Galizien und Frankreich teil, wobei er mehrere Beförderungen erhielt, bis er 1917 zum Leutnant ernannt wurde. Auch das Eiserne Kreuz der zweiten Klasse wurde ihm für seine Dienste als Kriegs‐ freiwilliger verliehen. Nach dem Krieg war er zunächst als Studienassessor tätig und erhielt 1919 eine Festanstellung als Studienrat. (A35) Baehr, Hermann Oscar Walter wurde am 15. August 1885 in Schweid‐ nitz in der Provinz Schlesien geboren und absolvierte dort 1907 die Reifeprüfung. Sein Studium begann er 1908 in Jena und beendete es 1913 in Greifswald. Die Lehrbefähigung wurde ihm 1914 für die Fächer Geografie, Geschichte und Französisch erteilt. Bevor er als Lehrer tätig werden konnte, genügte er als Kriegsfreiwilliger von 1914 bis 1918. In Feldzügen gegen Russland und Frankreich wurde er zum Leutnant befördert und ihm das Eiserne Kreuz der zweiten Klasse verliehen. Nach dem Dienst im Krieg dauerte es bis 1929, bis er als Studienrat eine feste Anstellung erhielt. (A36) Baenfer, Erna wurde am 7. Oktober 1887 in Dortmund geboren. Sowohl die Reifeprüfung 1907, als auch das Studium 1911 bis 1915 und die Lehramts‐ prüfung 1916 absolvierte sie in Königsberg. Dabei erhielt sie die Lehrbefähigung für die Fächer Deutsch, Geschichte und Französisch. Schon vor Beginn ihres Studiums war sie als Hilfslehrerin voll beschäftigt. Eine feste Anstellung im höheren Schuldienste Preußens erhielt sie 1918 als Studienrätin an einem Lyzeum in Marienwerder. 284 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="285"?> (A37) Baenisch, Hermann Louis Julius wurde am 14. Februar 1863 in Breslau geboren. An einer Realschule erster Ordnung erwarb er 1881 sein Reifezeugnis. 1887 schloss er sein Studium ab und erhielt die Lehrbefähigung für die Fächer Zoologie und Botanik, Mineralogie, Französisch, Religion und Englisch. Insge‐ samt war er zehn Jahre als Hilfslehrer an verschiedenen Institutionen tätig, bis er 1898 als Oberlehrer an der königlichen Ritterakademie Liegnitz fest angestellt wurde. Baenisch verstarb am 2. November 1922. (A38) Baensch, Katharina Helene wurde am 19. Januar 1891 in Leipzig ge‐ boren und bestand dort auch 1910 ihre Reifeprüfung. Von 1910 bis 1914 studierte sie unter anderem in Jena und England. Ihre erste und einzige Lehramtsprüfung für die Fächer Deutsch, Französisch und Englisch legte sie am 23. Mai 1917 ab und 1920 bestand sie auch die pädagogische Prüfung. Etwa sechs Jahre war sie ab 1928 als Studienassessorin tätig, allerdings sind keine Angaben dazu gemacht, ob sie je eine feste Stelle als Lehrerin besetzte. (A39) Baer, Franz Emil Otto wurde am 10. Januar 1849 in Halle an der Saale geboren. An der dortigen Lateinischen Hauptschule erwarb er 1868 das Reife‐ zeugnis. Anschließend genügte er seiner Dienstpflicht als Einjährig-Freiwilliger, wurde innerhalb dessen zum Leutnant befördert und kämpfte 1870/ 71 im Deutsch-Französischen Krieg. Dafür erhielt er verschiedene Auszeichnungen, darunter die Kriegsdenkmünze, sowie den königlichen Kronen-Orden. Die Lehrbefähigung erhielt er 1874 für die Fächer Mathematik, Physik, Französisch, Geschichte und Geografie. Im folgenden Jahr besetzte er eine feste Anstellung als ordentlicher Lehrer. Später war er in Berlin als Oberlehrer angestellt. 1878 wurde ihm der akademische Titel des Dr. phil. verliehen. Außerdem erhielt er 1893 den Charakter Gymnasialprofessor und 1989 den Rang der Räte IV. Insgesamt veröffentlichte er drei wissenschaftliche Arbeiten, unter anderem auch auf Französisch. Im Jahr 1915 wurde er pensioniert. (A40) Baeske, Friedrich Carl Wilhelm wurde am 15. April 1878 in Berlin als Sohn eines Kaufmanns geboren. In Berlin legte er sowohl die Reifeprüfung 1897 als auch die Lehramtsprüfung 1907 ab. Dabei erhielt er die Befähigung die Fächer Deutsch, Englisch und Französisch zu unterrichten. Seine Dissertation mit dem Titel „Oldcastle-Falstaff in der englischen Literatur bis zu Shakespeare“ wurde 1905 veröffentlicht. Unmittelbar danach genügte er seiner einjährigen Dienstpflicht, nahm allerdings nicht an Feldzügen teil. 1917 erhielt er eine Festanstellung als Studienrat, wurde 1924 als Studiendirektor an der gleichen Schule eingestellt. 1925 wurde er dann zum Direktor einer Richtvollanstalt ernannt. Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 285 <?page no="286"?> (A41) Baetgen, Heinrich Ludwig Andreas wurde am 16. September 1848 in Hamburg geboren und erwarb dort auch 1870 das Maturitätszeugnis. Acht Jahre später legte er die Lehramtsprüfung für die Fächer Englisch, Französisch und Religion ab. 1879 erhielt er eine feste Anstellung als ordentlicher Lehrer an einer Realschule. An das Realgymnasium in Eisenach ging er 1880 über. Aus weiteren Recherchen geht hervor, dass Baetgen 1886 eine Arbeit mit dem Titel „Zur Neugestaltung des französischen Unterrichts“ veröffentlichte (Coriand et. al. 2011, s.v. Beatgen). (A42) Baethcke, Hermann wurde am 19. April 1848 in Neu-Ruppin geboren. Nach dem Erhalt seines Reifezeugnisses 1867 studierte er bis 1874 in Leipzig und Berlin. 1873 promovierte er in Göttingen. Die Lehrbefähigung erhielt er für die Fächer Deutsch, Griechisch und Latein, später durch eine Nachprüfung auch für Französisch. 1875 wurde er als ordentlicher Lehrer und ab 1878 als Oberlehrer in Lübeck berufen. Neben seiner Doktorarbeit veröffentlichte er eine weitere wissenschaftliche Arbeit, beide in französischer Sprache. (A43) Baethke, Walter Hugo Hermann wurde am 28. März 1884 in Sternberg geboren. In Stettin erwarb er 1902 das Reifezeugnis. Die Lehrerlaubnis erhielt er 1907 für die Fächer Deutsch, philosophische Propädeutik, Französisch und Englisch. Im Rahmen seines Studiums wurde ihm am 10. Dezember 1906 der akademische Titel Dr. phil. in Halle an der Saale verliehen. Die erste feste Anstellung ist am 1. April 1910 verzeichnet. Angaben für eine Teilnahme an Feldzügen können der Personalakte nicht entnommen werden, jedoch wurde Baethke 1917 das Verdienstkreuz für Kriegshilfe verliehen, was auf eine Teil‐ nahme schließen lässt. An einer Realschule in Bergen besetzte er ab 1916 den Direktorenposten. Neben seiner Dissertation veröffentlichte er sieben weitere wissenschaftliche Arbeiten. Im Februar 1936 schied er aus dem Schuldienst aus. (A44) Baetz, Konrad Wilhelm wurde am 19. Februar 1891 in Köln geboren und absolvierte 1910 am Realgymnasium in Kassel die Reifeprüfung. 1910 begann er sein Studium an der Universität in Marburg, das im August 1914 durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs unterbrochen wurde, in dem er zum Leutnant befördert wurde und für seine Dienste das Eiserne Kreuz der ersten und zweiten Klasse verliehen bekam. Nach dem Krieg setzte er 1918 sein Studium in Marburg fort, das er im darauffolgenden Jahr beendete und die Lehramtsprüfung für die Fächer Französisch, Englisch und Erdkunde ablegte. Im Jahr 1925 erhielt er seine erste feste Anstellung als Studienrat in Eschwege und später in Göttingen. (A45) Bähr, Gerhard Paul Felix wurde am 6. Mai 1900 in Udana in Legazpi (Baskenland) als Sohn eines Bergwerksdirektors geboren. Sein Studium in 286 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="287"?> Göttingen begann er 1918, das allerdings schon nach kurzer Zeit durch einen Feldzug in Belgien unterbrochen werden musste. Die Lehramtsprüfung legte er 1926 für die Fächer Chemie, Philosophie, Französisch und Spanisch ab und bestand sie mit Auszeichnung. Bis zu seiner festen Anstellung als Studienrat im Jahr 1930 war er als Studienreferendar und als Studienassessor tätig. Mit dem Titel „Estudio sobre el verbo quipuscoano“ veröffentlichte er 1926 eine wissenschaftliche Arbeit. (A46) Bähre, Hermann August wurde am 17. Dezember 1859 in Bremen- Vegesack geboren. Am 22. März 1878 legte er seine Reifeprüfung an einem Re‐ algymnasium in Vegesack ab. In Göttingen bestand er 1888 die Lehramtsprüfung in den Fächern Englisch und Französisch und 1894 erhielt er die Befähigung Turnen zu unterrichten. Zu dem Zeitpunkt war er bereits seit zwei Jahren als ordentlicher Lehrer an einem Realgymnasium fest angestellt. Im Jahre 1900 besetzte er den Direktorenposten. Seiner Dienstpflicht als Einjährig-Freiwilliger kam er ab 1885 in Berlin nach. 1890 wurde er zum Leutnant und 1898 zum Oberleutnant befördert. 1919 trat er in den Ruhestand ein. (A47) Bahlsen, Karl Wilhelm Julius Leopold wurde am 23. Juli 1860 als Sohn des Kaufmanns Wilhelm Bahlsen in Erfurt geboren. Dort erwarb er 1880 am königlichen Realgymnasium das Reifezeugnis. Im gleichen Jahr genügte er seiner Dienstpflicht als Einjährig-Freiwilliger. Zwischen 1880 und 1897 wurde er mehrfach befördert: 1880 zum Gefreiten, 1881 zum Unteroffizier und später zum Vizefeldwebel, 1889 zum Leutnant und 1897 zum Oberleutnant. Die erste Lehramtsprüfung legte er 1885 für die Fächer Französisch, Englisch, Deutsch und Geschichte ab. In einer Erweiterungsprüfung etwa 3 Jahre später erhielt er die Befähigung Deutsch bis zur Oberprima zu unterrichten, zuvor durfte er dies nur bis zur Obersekunda. Bereits 1884 wurde Bahlsen die Doktorwürde in Marburg verliehen. Vor seiner ersten festen Anstellung war er ab 1886 am Friedrichsrealgymnasium in Berlin als wissenschaftlicher Hilfslehrer tätig. Ebenfalls in Berlin erhielt er 1887 seine erste feste Anstellung als ordentlicher Lehrer und später als Oberlehrer. An einem Realgymnasium in Stralsund übernahm er im Oktober 1905 den Direktorenposten. Im Ersten Weltkrieg nahm er aktiv teil und erhielt im Zuge dessen mehrere Kriegsauszeichnungen, darunter 1918 das Eiserne Kreuz der zweiten Klasse. Seinen Personalunterlagen zufolge veröffentlichte Bahlsen 22 wissenschaftliche Arbeiten auf Englisch, Deutsch und Französisch, darunter „Adam de la Hales Dramen und das »Jus du pelerin«“, 1884; „Schulfestspiele aus der Geschichte des Vaterlandes. Für die Dilettantenbühne“, 1893; „Unsers Kaisers Wesen und Walten“, 1897; „Der französische Sprachunterricht im neuen Kurs“, 1892 und „The Teaching of Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 287 <?page no="288"?> modern languages“, Boston 1905. Im Mai 1924 beendete er seine aktive Zeit als Lehrer und Direktor. (A48) Bahmer, Karl wurde am 25. November 1866 in Frankfurt am Main als Sohn eines Lokomotivführers geboren. In Frankfurt erwarb er auch 1885 das Reifezeugnis. Die erste Lehramtsprüfung im März 1898 bestand er nicht. Erst fünf Jahre später bestand er die Wiederholungsprüfung für die Fächer Englisch, Französisch und Deutsch. Vor seiner ersten festen Anstellung war er ab 1904 in Fulda an einer Oberrealschule und ab 1905 an einem Gymnasium in Oberlahnstein als wissenschaftlicher Hilfslehrer tätig. Die erste feste Anstellung folgte 1906 an einem Gymnasium in Dillenburg, wo er als Oberlehrer angestellt war. An der gleichen Schule wurde er 1925 zum Oberstudienrat berufen. Seiner Dienstpflicht genügte er als Einjährig-Freiwilliger von Oktober 1894 bis Oktober 1895 in Frankfurt. Eine Teilnahme an Feldzügen kann seiner Personalakte nicht entnommen werden. 1932 schied er aus dem Amt. (A49) Bahn, Ernst wurde am 14. September 1846 in Belzig geboren. In Berlin erhielt er 1866 das Reifezeugnis. In Rostock erwarb er 1872 den akademischen Titel Dr. phil. In einer ersten Lehramtsprüfung 1874 erhielt er die Befähigung die Fächer Geschichte, Geographie, Latein und Griechisch zu unterrichten. Durch eine Ergänzungsprüfung 1883 war er befähigt auch Deutsch und Französisch zu lehren. Ab 1875 war er in Potsdam als Hilfslehrer angestellt. Im darauffolgenden Jahr bekam er an der gleichen Schule eine feste Stelle als ordentlicher Lehrer. Eine Stelle als Oberlehrer besetzte er ab 1885 in Berlin. 1891 besetzte er die amtliche Stellung als Gymnasialprofessor. Im Deutsch-Französischen Krieg kämpfte Bahn 1870 bis 1871 und wurde zum Unteroffizier befördert und erhielt für seinen Dienst verschiedene Auszeichnungen wie die Kriegsdenkmünze und die Erinnerungsmedaille an Kaiser Wilhelm II. Zudem veröffentlichte er zwei wissenschaftliche Arbeiten. (A50) Bahnsen, Julius Friedrich August wurde im März 1830 in Tondern geboren. 1848 erwarb er sein Reifezeugnis und begann im Anschluss daran sein Studium an der Universität Kiel und beendete es 1856 mit der Lehramts‐ prüfung. Dabei erhielt er die Befähigung die Fächer Deutsch, Latein, Geschichte, Griechisch, Geographie, Französisch und Englisch zu unterrichten. In Tübingen promovierte er am 15. Oktober 1859. Daraufhin war er als Hilfslehrer beschäf‐ tigt, bis er 1862 eine feste Stelle als ordentlicher Lehrer antrat. Im gleichen Jahr folgte die Anstellung als Oberlehrer. Bahnsen legte eine Vielzahl von Veröffentlichungen vor, darunter eins mit dem Titel „Zum Verhältnis zwischen Willen und Motiv“ aus dem Jahr 1870. Am 7. Dezember 1881 verstarb er. 288 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="289"?> (A51) Bahr, Paul Joseph wurde am 24. Juni 1859 in Köslin geboren. Am städtischen Gymnasium in Danzig erwarb er 1880 sein Reifezeugnis. Bahr pro‐ movierte 1885 in Leipzig. In Greifswald legte er 1888 die erste Lehramtsprüfung für die Fächer Geographie, Englisch, Französisch und Geschichte ab. In einer Ergänzungsprüfung 1896 erhielt er die Befähigung für Geschichte bis in die Oberprima und Latein zu lehren. 1898 legte er eine Erweiterungsprüfung ab, die ihn befähigte Französisch bis in die Untersekunda zu unterrichten. Vor seiner festen Anstellung als Oberlehrer im Jahr 1898 war er als Hilfslehrer an verschiedenen Schulen in Zehlendorf beschäftigt. Am 1. Mai 1924 trat er seinen Ruhestand an. (A52) Bahrs, Emmerig Justus Georg Hugo wurde am 31. Januar 1850 in Ha‐ meln an der Weser geboren. Sein Maturitätszeugnis erhielt er 1870 in Lüneburg. Das Studium beendete er 1875 in Göttingen und erhielt die Lehrbefähigung für die Fächer Englisch, Französisch, Deutsch und Latein. Ein Jahr lang war er als wissenschaftlicher Hilfslehrer angestellt, bis er 1876 als ordentlicher Lehrer an einem Gymnasium in Glückstadt beschäftigt wurde. Im April 1878 wurde er auf seinen Antrag hin entlassen. (A53) Baier, Bruno Clemens Paul wurde am 23. November 1859 in Sichdichfür im Kreis Sagan (Schlesien) geboren und erwarb dort auch sein Reifezeugnis 1878. An der Universität Breslau schrieb er 1884 seine Promotion und erhielt 1886 das Lehramtsprüfungszeugnis, das ihn befähigte, die Fächer Latein, Griechisch, philosophische Propädeutik, Deutsch, Französisch und Geschichte zu lehren. Am 1. Oktober 1889 erhielt er in Sagan eine feste Anstellung als ordentlicher Lehrer, nachdem er zuvor als Hilfslehrer arbeitete. Neben seiner Dissertation veröffentlichte er eine weitere Arbeit. (A54) Bake, Friedrich Rudolf Theodor wurde am 6. Mai 1882 in Apen im Kreis Oldenburg als Sohn des Pastors Rudolf Bake geboren. In Leer, ebenfalls im Kreis Oldenburg gelegen erwarb er das Reifezeugnis im Jahr 1902. Im Anschluss studierte er in Tübingen, Göttingen und Rostock bis 1907. In Rostock legte Bake auch 1907 die Lehramtsprüfung in den Fächern Französisch, Englisch und Deutsch ab und erwarb den akademischen Titel Dr. phil. am 7. Februar. Fest angestellt war er seit April 1911 als Oberlehrer. Zwischenzeitlich kam er zwischen 1909 und 1910 seiner Dienstpflicht als Einjährig-Freiwilliger nach. Eine Teilnahme an Feldzügen ist nicht aufgeführt, jedoch ist in seiner Akte verzeichnet, dass er am 28. Oktober 1914, also kurz nach Beginn des Ersten Weltkriegs, gefallen ist, was eine Teilnahme am Krieg belegt. Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 289 <?page no="290"?> (A55) Balcke, Julius Rudolf Eberhard Egon wurde am 25. November 1885 in Brätz im Kreis Meseritz, das zum heutigen Polen gehört, als Sohn des Fabrikdirektors Otto Balcke geboren. An der Hohenzollernschule in Berlin- Schöneberg legte er 1904 seine Reifeprüfung ab. Sein Universitätsstudium wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs unterbrochen, in dem er von Oktober 1916 bis Januar 1919 diente. Nach dem Krieg und dem Studium legte er 1922 die Lehramtsprüfung für die Fächer Geschichte, Deutsch und Französisch ab. Zwischen 1924 und 1930 war er an verschiedenen Schulen als Studienassessor beschäftigt. 1930 folgte eine feste Anstellung an einer staatlichen Aufbauschule. Nur sechs Jahre später starb er. (A56) Balcke, Konrad Rudolf wurde am 26. September 1888 in Christianstadt im Kreis Sorau, im heutigen Polen gelegen, als Sohn des Kaufmanns Ernst Balcke geboren. Nach dem Erhalt des Reifezeugnisses begann er im Jahr 1908 sein Studium in Lausanne in der Schweiz, setzte es aber kurz darauf in Berlin fort und beendete es dort 1912. Die erste und einzige Lehramtsprüfung legte er im Januar 1914 für die Fächer Latein, Griechisch und Französisch ab. Für den Wehrdienst wurde er bis Oktober 1914 zurückgestellt. In seiner Personalakte ist festgehalten, dass er am 28. April des Jahres 1918 für sein Vaterland gestorben ist, was für eine aktive Teilnahme am Krieg spricht. (A57) Baldow, Johannes Alwin Georg wurde am 13. April 1884 in Guben in Brandenburg als Sohn des Volksschullehrers Johann Baldow geboren. Nach dem Erhalt des Reifezeugnisses begann er im April 1902 sein Universitätsstudium in Halle und studierte dort bis 1906. Währenddessen war er an Dr. Krause’s höherer Lehranstalt tätig. 1907 promovierte er in Halle und veröffentlichte 1908 seine Dissertation mit dem Titel „Ehe und Familie in den englisch-schottischen Volksballaden“. 1911 fiel Baldow durch die erste Lehramtsprüfung. Etwa zwei Jahre später erhielt er im Jahr 1913 in einer Wiederholungsprüfung die Lehrbe‐ fähigung für die Fächer Englisch, Französisch und Latein. Innerhalb des Militärs war er für den Landsturm eingeteilt worden. Über Anstellungen im Schuldienst können der Personalakte keine Informationen entnommen werden. (A58) Baldow, Georg Günter Willi wurde am 26. Juli 1862 in Frankfurt an der Oder als Sohn des Lehrers Friedrich Wilhelm Baldow geboren. Im Rahmen seines Studiums promovierte Baldow 1886 in Halle-Wittenberge und veröffentlichte seine Arbeit. Von 1887 bis 1888 kam er seiner Dienstpflicht als Einjährig-Freiwilliger nach und wurde erst zum Unteroffizier und später zum Vizefeldwebel befördert. 1891 wurde er zum Leutnant und 1899 schließlich zum Oberleutnant ernannt. Unter anderem wurde ihm für seine Dienste das Eiserne Kreuz der zweiten Klasse verliehen. Die erste Lehramtsprüfung bestand er 1889 290 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="291"?> für die Fächer Französisch, Englisch und Erdkunde. In zwei nachfolgenden Erweiterungsprüfungen 1895 und 1896 erhielt er zunächst die Befähigung für Latein bis zur Mittelstufe, dann die Befähigung zum Unterricht von Englisch und Latein bis in die Oberprima. Von 1890 bis 1896 war er an verschiedenen Institutionen als wissenschaftlicher Hilfslehrer beschäftigt. Eine feste Stelle als Oberlehrer erhielt er 1896, bis er schließlich 1908 an einer Realschule in Wittenberge eine Direktorenstelle besetzte. 1917 wurde er als Hauptmann in den Krieg eingezogen und kehrte im Dezember 1918 aus dem Felde zurück. Am 1. Oktober 1927 trat er in den Ruhestand ein. (A59) Balke, Friedrich August Gustav wurde am 3. August 1852 in Berlin geboren. Im Jahr 1875 absolvierte er die Reifeprüfung am luisenstädtischen Gymnasium in Berlin. In Tübingen wurde ihm 1879 die Doktorwürde verliehen. Die erste Prüfung pro facultate docendi legte er im Juli 1881 in Straßburg für die Fächer Französisch, Deutsch und Englisch ab. In einer weiteren Prüfung 1885 erhielt er die Lehrbefähigung für die Fächer Geschichte, Geographie, Phi‐ losophie und Pädagogik. Eine feste Anstellung erhielt er ab 1897 am königlichen Gymnasium in Rogason, das im heutigen Polen liegt, als Oberlehrer. Zudem veröffentlichte er zwei wissenschaftliche Arbeiten. Die erste 1879 mit dem Titel „Trutz-Nachtigal von Friedrich Spee“ und die zweite „Thomas Murner. Die deutschen Dichtungen des Ulrich von Hutten“ 1892. Am 2. November 1905 verstarb er. (A60) Balkenhol, Leo Wilhelm wurde am 20. April 1884 in Halle an der Saale in der Provinz Sachsen als Sohn des Postdirektors Bernhard Balkenhol geboren. Am Paulinumgymnasium in Münster erwarb er das Reifezeugnis. An der Universität zu Münster studierte Balkenhol von 1905 bis 1909, dabei verbrachte er das Sommersemester im Jahr 1907 in Paris. Die Lehramtsprüfung bestand er im März 1910 für die Fächer Französisch, Geographie und Geschichte. Für das Militär wurde er bis Oktober 1910 zurückgestellt. Über jegliche Anstellungen in den Schuldienst sind in den Personalunterlagen keine Aufzeichnungen zu finden. Balkenhol fiel im Ersten Weltkrieg am 6. Mai 1915. (A61) Balkenhol, Matthias August Wilhelm wurde am 27. Januar 1904 in Trier als Sohn des Stadtinspektors Martin Balkenhol geboren. Nach dem Erhalt des Reifezeugnisses 1925 begann er sein Universitätsstudium in Freiburg. Im Herbst 1925 wechselte er an die Universität zu Münster. Das Wintersemester 1926/ 27 verbrachte er in Dijon und Montpellier in Frankreich. Danach setzte er sein Studium bis 1929 in München und Münster fort. Im Februar 1929 schloss Balkenhol die staatliche Turn- und Sportlehrerprüfung ab. Danach war er für drei Monate an der höheren westfälischen Privatschule in Dortmund als Sprach‐ Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 291 <?page no="292"?> lehrer in Vollzeit beschäftigt. Ein Jahr später bestand er die Lehramtsprüfung für Französisch, Englisch und Deutsch. Vor seiner ersten festen Anstellung als Studienrat 1939 war er seit 1932 als Studienassessor beschäftigt. (A62) Ballas, Franz Emil Albert wurde am 12. April 1843 in Tilsit, damals in Ostpreußen gelegen, als Sohn des Kanzleirats Ferdinand Ballas geboren. Am königlichen Gymnasium in Tilsit erwarb er im April 1862 das Reifezeugnis. Zum Dr. phil. promovierte er 1868 an der Universität in Greifswald und veröffentlichte seine Dissertation mit dem Titel „Grammatica Plautina“. Vier Jahre später veröffentlichte er einen zweiten Teil. Die erste Lehramtsprüfung legte er 1870 für Latein, Griechisch, Deutsch und Französisch ab. In einer Erweiterungsprüfung fast 5 Jahre später erhielt er die Befähigung Latein und Griechisch bis in die Oberprima und Deutsch bis in die Untersekunda zu unterrichten. Die erste feste Anstellung besetzte er 1871 an einem Progymna‐ sium in Tremessen als ordentlicher Lehrer. Etwa 20 Jahre später war er als Gymnasialprofessor angestellt. Neben seiner Doktorarbeit veröffentlichte Ballas sechs weitere wissenschaftliche Arbeiten. (A63) Ballas, Johann Georg wurde am 6. Oktober 1817 in Trier geboren und erwarb dort fast 20 Jahre später sein Reifezeugnis. An der Universität zu Bonn absolvierte er im November 1844 die Lehramtsprüfung, wodurch er die Lehrbefähigung für die Fächer Physik, Chemie und Mineralogie, Zoologie und Botanik, Mathematik, Französisch und durch eine nachträgliche Prüfung 1850 für Latein erhielt. Direkt nach dem absolvieren seiner Prüfung war er als zweiter ordentlicher Lehrer und ab 1852 als erster ordentlicher Lehrer am Progymnasium in Linz fest angestellt. Achtzehn Jahre später erhielt Ballas eine Anstellung als Oberlehrer. In den Jahren 1854 bis 1876 veröffentlichte er sechs wissenschaftliche Arbeiten. Im April 1888 trat er in den Ruhestand ein. (A64) Ballein, Hermann Johannes wurde am 23. Dezember 1870 in Gnaden‐ thal im Kapland als Sohn des Missions-Schuldirektors Rudolph Ballein geboren und besuchte das Pädagogium in Niesky. Von Ostern 1891 bis 1894 studierte er am Seminar der Bürgergemeinde in Gnadenfeld in Oberschlesien. Im Anschluss daran kam er seiner Dienstpflicht als Einjährig-Freiwilliger nach und wurde 1895 zum Unteroffizier und 1896 zum Vizefeldwebel befördert. Von 1895 bis 1903 war Ballein als Lehrer an einer Knabenschule in der Gemeinde Neuwied und von 1903 bis 1906 am Lehrerseminar in Niesky angestellt. Zwischenzeitlich legte er im Juni 1899 in Koblenz die Rektorprüfung für die Mittelschule mit fremdsprachlichem Unterricht ab. Seit Mai 1906 studierte er an der Universität in Marburg. Das Studium schloss er 1909 mit dem Ablegen der Lehramtsprüfung ab. Dabei erhielt er für die folgenden Fächer eine Lehrerlaubnis: Französisch, 292 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="293"?> Englisch, Deutsch und Religion. Im gleichen Jahr erhielt er den akademischen Titel Dr. phil. und veröffentlichte seine Dissertation über „Jeremy Collier’s Angriff auf die englische Bühne“. An einem Realgymnasium in Düsseldorf war er seit 1911 fest als Oberlehrer angestellt. Im April 1933 verabschiedete sich Ballein in den Ruhestand. (A65) Ballenstedt, Theodor Erich wurde, als Sohn des Kaufmanns Julius Ballenstedt, am 3. Dezember 1864 in Hannover geboren und erwarb dort 1884 an einem Realgymnasium sein Reifezeugnis. An der Universität zu Göttingen wurde ihm 1890 die Doktorwürde verliehen und er veröffentlichte seine Arbeit im darauffolgenden Jahr. Zwischenzeitlich genügte er seiner Dienstpflicht als Einjährig-Freiwilliger in Hannover. Neben der ersten Lehramtsprüfung im Frühjahr 1892 legte Ballenstedt 1893 eine Ergänzungsprüfung und 1897 eine Erweiterungsprüfung ab. Dabei erhielt er die Lehrbefähigung für die Fächer Deutsch, Englisch, Religion, Latein und Französisch. Die erste feste Anstellung im höheren Schuldienst Preußens besetzte er noch im gleichen Jahr als Ober‐ lehrer. Im Ersten Weltkrieg nahm er an Feldzügen teil und wurde 1894 zum Leutnant, 1912 zum Hauptmann und schließlich 1920 zum Major befördert. Für seine Dienste im Militär erhielt er einige Orden und Ehrenzeichen, wie zum Beispiel das Eiserne Kreuz der zweiten und ersten Klasse. 1912 legte er zusätzlich die offizielle Dolmetscherprüfung für Englisch ab. Aus dem Lehramt verabschiedete er sich im Oktober 1929. (A66) Ballhausen, Lee Christoph am 7. Dezember 1891 als Sohn des Postsekre‐ tärs Johannes Ballhausen in Duderstadt geboren, absolvierte 1911 am dortigen Gymnasium die Reifeprüfung. Sein Lehramtsstudium an der Universität in Göttingen wurde durch den Eintritt in das Heer unterbrochen. Im Feldzug des Ersten Weltkriegs von 1914 bis 1918 wurde er drei Mal verwundet und 1915 zum Leutnant befördert und ihm wurde das Eiserne Kreuz der zweiten Klasse verliehen. 1918 erhielt er das Eiserne Kreuz der ersten Klasse. 1919 legte er die wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen ab. Dies befähigte ihn die Fächer Englisch, Französisch und Deutsch zu unterrichten. Vor der ersten festen Anstellung als Studienrat 1926 war er sechs Jahre als Studienassessor beschäftigt. Ab 1939 war Ballhausen als Oberstudiendirektor angestellt. (A67) Ballof, Emil Walter wurde am 10. September 1893 in Tondern, das im heutigen Dänemark liegt, geboren. Am altstädtischen Gymnasium in Königs‐ berg erhielt er das Zeugnis der Reife im Jahr 1913. An der dortigen Universität studierte er im Anschluss bis 1920. Sein Studium wurde durch den Dienst im Ersten Weltkrieg unterbrochen. Im Zuge dessen wurde er zum Leutnant Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 293 <?page no="294"?> befördert und ihm wurde das Eiserne Kreuz der zweiten Klasse verliehen. Beim Prüfungsamt in Königsberg legte er 1920 die Lehramtsprüfung für die Fächer Geschichte, Französisch und philosophische Propädeutik ab. Für zwei Monate war er von Oktober bis Dezember 1921 als Studienassessor tätig. Im Folgemonat Januar 1922 ließ er sich zu Studienzwecken bis 1925 beurlauben. Ballof besetzte nie eine feste Stelle als Lehrer im höheren Schuldienst Preußens. Aus weiteren Recherchen geht hervor, dass Ballof zunächst Mitglied der Sozial‐ demokratischen Partei war und später während der Zeit des Nationalsozialismus aus dem Schuldienste entlassen wurde und von da an als Kaufmann tätig war. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er Stadtrat und Dezernent für das Schulwesen in Bremerhaven (Büttner & Voß-Louis, 2014: 446). (A68) Baltes, Johann Peter am 9. Juni 1883 in Bonn geboren, absolvierte 1905 am Gymnasium in Euskirchen die Reifeprüfung und studierte im Anschluss bis 1909. Im darauffolgenden Jahr legte er die Lehramtsprüfung für die folgenden Fächer ab: Latein, Griechisch und Französisch. Er war für die Ersatzreserve des Militärs eingesetzt. Eine Beteiligung am Ersten Weltkrieg ist nicht verzeichnet, allerdings weisen die Personalunterlagen genau für diesen Zeitraum eine Lücke auf, die auf eine Beteiligung deuten lässt. Seit 1921 war er als Studienrat fest angestellt. (A69) Baltrusch, Milly wurde am 18. August 1907 in Düsseldorf geboren. Am städtischen Oberlyzeum in Düsseldorf absolvierte sie die Reifeprüfung. Sie studierte von 1927 bis 1933 in Köln und Berlin und legte im Anschluss die Lehramtsprüfung für die Fächer Geschichte, Französisch und Englisch ab. Für die Zeit nach ihrer Vereidigung am 30. November 1933 sind keine weiteren Angaben den Personalunterlagen zu entnehmen. (A70) Baltruschel, Heinrich Adolf wurde am 12. Juli 1908 in Pillkallen geboren, das zu dem Teil von Preußen gehörte, der heute in Russland liegt. Nach dem Erhalt des Reifezeugnisses im März 1927 begann er ein Universitätsstudium in Königsberg und beendete es 1933 an der Universität Marburg. Für die Fächer Philosophie, Englisch und Französisch legte er die Lehramtsprüfung im Frühjahr 1934 ab. Bereits 1930 bestand er die Turn- und Schwimmlehrerprüfung. Nach seiner Vereidigung am 8. Januar 1935 gibt es in seiner Personalakte keine weiteren Informationen über berufliche Tätigkeiten. Allerdings kann der Akte entnommen werden, dass er ab April 1934 an militärischen Feldzügen teilnahm. Die fehlenden Informationen über seinen weiteren Werdegang können ein Hinweis darauf sein, dass er in diesen Feldzügen fiel. 294 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="295"?> (A71) Baltzer, Justus Carl Richard Wilhelm wurde am 24. Januar 1863 in Treptow an der Rega, im heutigen Polen gelegen, als Sohn eines Pastors geboren. Am königlichen Mariengymnasium in Stettin erwarb er 1882 das Reifezeugnis. Im Anschluss studierte er in Leipzig, Berlin und Greifswald bis 1885. In der ersten Lehramtsprüfung 1886 und in einer Erweiterungsprüfung erhielt er die Lehrer‐ laubnis für die Fächer Französisch, Englisch, Religion, Latein und Geschichte. Bevor er im Jahr 1899 seine erste feste Stelle als Direktor antrat, war er als Hilfslehrer an verschiedenen Institutionen in Stettin tätig. Vom Militär wurde er als dauerhaft untauglich eingestuft. Er veröffentlichte zwischen 1904 und 1910 insgesamt zehn wissenschaftliche Arbeiten unter anderem mit dem Titel „Die wichtigsten preussischen Schulordnungen“ und „Die wichtigsten Pädagogen des 19. Jahrhunderts“. 1912 wurde ihm der Ritterorden Roter Adlerorden der vierten Klasse verliehen. Im April 1928 schied Baltzer aus dem Lehramt aus und trat in den Ruhestand ein. (A72) Baltzer, Johann Wilhelm wurde am 21. Februar 1860 im Fürstentum Birkenfeld als Sohn des königlichen Bauinspektors Karl Wilhelm Baltzer ge‐ boren. An einem Gymnasium in Recklinghausen erwarb er im Jahr 1878 das Reifezeugnis. Insgesamt drei Lehramtsprüfungen in den Jahren 1883, 1885 und 1887 befähigten ihn dazu, die Fächer Deutsch, Französisch, Geschichte, Erdkunde und Latein zu unterrichten. Von 1884 an war Baltzer als Hilfslehrer tätig, bis er 1889 eine feste Stelle als Oberlehrer besetzte. Am 30. Oktober 1922 verstarb er im Alter von 62 Jahren aufgrund eines Herzleidens. (A73) Balz, Hermann August wurde am 8. Juni 1864 in Neuwied geboren. Das Maturitätszeugnis erwarb er 1883 am Eberhard-Ludwigs-Gymnasium in Stuttgart. In Leipzig legte er im Oktober 1888 die Lehramtsprüfung für die Fächer Deutsch, Englisch, Französisch, Geschichte, Latein und Geographie ab. Bis zu seiner ersten festen Anstellung im April 1893 als Oberlehrer an einer Realschule in Essen war Balz als Hilfslehrer tätig. Bereits zwei Jahre später schied er wegen Krankheit aus dem Amt aus. (A74) Balzer, Karl Friedrich wurde am 26. Februar 1891 in Kassel als Sohn des Privatmannes Karl Eduard Balzer geboren. Nach dem Erhalt des Reifezeugnisses 1909 begann er das Universitätsstudium in Marburg, setzte es in Berlin fort und beendete es 1912 in Greifswald. 1913/ 14 legte er die Lehramtsprüfung für die Fächer Deutsch, Geschichte und Französisch ab. Seine erste feste Anstellung als Studienrat erhielt er 1922 an einer Oberrealschule erster Ordnung in Kassel. (A75) Balzer, Ferdinand Willi Oskar wurde am 14. März 1889 in Bromberg als Sohn des Lokomotivführers Oskar Balzer geboren. In Thorn, im heutigen Polen Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 295 <?page no="296"?> gelegen, absolvierte er 1908 am königlichen Realgymnasium die Reifeprüfung. In Berlin studierte er von 1908 bis 1909, wobei er das Studium bis 1912 in Kö‐ nigsberg beendete. Im Jahr 1910 legte er die Turnlehrerprüfung und Dezember 1912 die Lehramtsprüfung für die Fächer Englisch, Französisch und Religion ab. Die erste feste Anstellung als Studienrat erhielt er 1919 in Oranienburg. (A76) Bamberg, Alfred Wilhelm Ferdinand wurde am 24. Juli 1897 in Angermünde als Sohn des Verwaltungskaufmanns Albert Bamberg geboren. An der Siemens Oberrealschule in Charlottenburg legte er 1915 die Reifeprüfung ab. Bamberg studierte ab 1916 in Berlin und schloss sein Studium 1924 mit dem Staatsexamen ab. Unterbrochen wurde sein Studium durch Feldzüge in Schlesien und Frankreich, wo er 1918 zum Leutnant befördert und ihm das Eiserne Kreuz verliehen wurde. Die Lehramtsprüfung legte er für die Fächer Englisch, Französisch, Philosophie und Spanisch 1923/ 24 ab. Bevor er 1927 fest als Studienrat in Eberswalde angestellt wurde, war er dort seit 1925 als Studienassessor tätig. (A77) Bamberg, Emil Franz Eginhard wurde am 4. Juni 1865 in Sao Paulo in Brasilien geboren. Sein Reifezeugnis legte er in Hamburg an einem Realgymna‐ sium im Jahr 1885 ab. Nach seinem Studium legte er für die Fächer Religion, Hebräisch und Französisch 1901 die Lehramtsprüfung ab. Eine Teilnahme am Krieg ist in der Personalakte von Bamberg nicht verzeichnet, jedoch wurde ihm im Juli 1918 der Verdienstorden für Kriegshilfe verliehen. Über Anstellungen an Schulen gibt es keine Informationen. Er trat 1930 in den Ruhestand ein. (A78) Bamme, Gotthold Karl Walther wurde am 26. Februar 1894 in Güsten in Anhalt als Sohn des Ober-Bahnhofvorstehers Karl Bamme geboren. Nach dem Erhalt des Reifezeugnisses im Jahr 1912 begann er sein Studium in Halle. Während er in Göttingen studierte, kam es 1914 zum Ersten Weltkrieg, in dem er an Feldzügen teilnahm und zum Vizewachtmeister befördert und ihm das Eiserne Kreuz der zweiten Klasse verliehen wurde. Scheinbar später wurde er vom Militär als dauernd untauglich eingestuft, was auch mit der Auszeichnung des schwarzen Verwundetenabzeichen stimmig ist. Nach dem Krieg schloss er sein Studium 1921 ab und erlangte die Doktorwürde. Seine Dissertationsschrift veröffentlichte er mit dem Titel „Die Stellung des attributiven Adjektivs im Französischen“ im Jahr 1920. Für die Fächer Französisch, Englisch und Erdkunde legte er im Juni 1921 die Lehramtsprüfung ab. In Merseburg erhielt er 1925 eine feste Anstellung als Studienrat. (A79) Bandlow, Walter Friedrich Paul Albert wurde am 29. August 1887 in Stettin geboren. Im März 1906 schloss er seine schulische Ausbildung mit dem 296 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="297"?> Erhalt des Reifezeugnisses ab und begann im Anschluss sein Studium in Halle. Er führte dies in Berlin fort und beendete es im Frühjahr 1910 in Greifswald, wo er auch 1910 durch die erste Lehramtsprüfung fiel. Die Wiederholungsprüfung fand im Februar 1911 für die Fächer Französisch und Geschichte statt, diese bestand er. Sein Probejahr wurde durch seinen Eintritt ins Heer im August 1914 unterbrochen. Erst im Dezember 1918 wurde er wieder aus dem Heeresdienst entlassen und erhielt im April 1919 eine feste Stelle als Oberlehrer. Ab 1928 war Bandlow als Studienrat in Pölitz angestellt. (A80) Bandow, Karl Agathon Traugott wurde am 31. Dezember 1826 in Schla‐ lach im Kreis Belzig als Sohn eines Predigers geboren. An einem Gymnasium in Berlin erwarb er 1845 das Reifezeugnis. In seiner ersten Lehramtsprüfung erhielt Bandow die Lehrbefähigung für die Fächer Geschichte, Geographie, Englisch, Deutsch, Französisch und Religion. Nach Abschluss des Probejahres am königlichen französischen Gymnasium in Berlin galt er ab 1850 als anstel‐ lungsfähig. Im gleichen Jahr erhielt er auch seine erste feste Anstellung an einer höheren städtischen Töchterschule in Bromberg als ordentlicher Lehrer. Im Sommer 1861 erlangte er den akademischen Titel Dr. phil. in Jena. 1874 erhielt er die Charakterisierung als Professor und ca. zwei Jahre später war er Direktor einer Vollanstalt. In den Jahren 1856 bis 1890 veröffentlichte er mindestens fünf wissenschaftliche Arbeiten auf Englisch und Deutsch, darunter eine mit dem Titel „Teachers and boys of English Public Schools“ im Jahr 1864. Im Januar 1894 wurde ihm der Rote Adlerorden der vierten Klasse verliehen und zu seiner Pensionierung im Oktober 1899 bekam er als Auszeichnung den Roten Adlerorden der dritten Klasse. (A81) Bangert, Friedrich Heinrich wurde am 11. Mai 1850 in Korbach im Fürstentum Waldeck geboren und absolvierte 1866 am fürstlichen Landesgym‐ nasium in Korbach die Reifeprüfung. Im Februar 1874 befähigte ihn eine Lehramtsprüfung mit Ergänzungsprüfung, die Fächer Französisch, Englisch, Deutsch, Geschichte, Geographie, Latein und Mathematik zu unterrichten. Zuvor hatte er im Mai 1868 die waldeckische Elementarlehrerprüfung abge‐ legt. Die erste feste Anstellung als ordentlicher Lehrer erhielt er im Oktober 1875. Den akademischen Titel Dr. phil. und Mag. art. lib. erwarb er 1884 in Marburg. 1885 erhielt er den Rang der Räte IV und wurde zum Direktor einer Richtvollanstalt ernannt. Zwischen 1879 und 1904 veröffentlichte Bangert elf wissenschaftliche Arbeiten. Zudem erhielt er 1917 sowohl den Roten Adler Orden der vierten Klasse als auch das Verdienstkreuz für Kriegshilfe. 1919 trat Bangert in den Ruhestand ein. Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 297 <?page no="298"?> (A82) Bankwitz, Arthur Ernst wurde am 8. Oktober 1871 in Jena-Lobeda in Weimar als Sohn des Oberpfarrers Christian August Bankwitz geboren. Am Carolo-Alexandrinum Gymnasium in Jena bestand er im Februar 1894 die Reifeprüfung. Das Lehramtsstudium vollzog er zwischen 1894 und 1899 an den Universitäten in Jena, Berlin und Leipzig und erhielt in Jena im Januar 1899 die Doktorwürde. Schon vor dem Ablegen der Lehramtsprüfung 1901 war er nach dem Abschluss des Studiums als Hilfslehrer angestellt. Er war befähigt die Fächer Deutsch, Französisch, Englisch und Religion zu unterrichten. Im Dezember 1915 erhielt er den Charakter eines Professors und einen Monat später den Rang der Räte IV. Klasse. Als Oberlehrer war er ab 1904 in Potsdam fest angestellt. Nebenamtlich unterrichtete er an einer städtischen Fortbildungs‐ schule Französisch. 1905 veröffentlichte er die wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel „Die religiöse Lyrik der Anette von Droste-Hülshoff “ und 1909 arbeitete er an dem Werk „Die vor- und frühgeschichtlichen Altertümer Thüringens“. Über seinen Eintritt in den Ruhestand ist folgendes verzeichnet: „1.5.24 in den einstweilig. Ruhestand entlassen“ zudem eine weitere Randnotiz „1.10.33 Ruhestand“. (A83) Banner, Friedrich August wurde am 18. Juli 1905 in Augsburg als Sohn des Steuerinspektors August Banner geboren. Mit 18 Jahren absolvierte er die Reifeprüfung und begann das Universitätsstudium in München für die neueren Sprachen Französisch, Englisch, Italienisch und Spanisch und beendete es 1928 mit dem Abschluss der Lehramtsprüfung. Im Frühjahr 1931 promovierte er zum Dr. phil. ebenfalls in München. Von 1929 bis 1936 war er an verschiedenen Schulen in Düsseldorf als Studienassessor angestellt, bis er 1936 fest als Studi‐ enrat und später als Oberstudienrat eingestellt wurde. (A84) Banner, Max Markus wurde am 3. Mai 1856 in Posen als Sohn des Kultusbeamten Simon Moses geboren. In Frankfurt legte er im April 1878 die Reifeprüfung an einem städtischen Gymnasium ab. Etwa fünf Jahre später, im Jahr 1883, absolvierte er die Lehramtsprüfung für die Fächer Französisch, Englisch, Deutsch und Latein. Im gleichen Jahr schrieb er seine Dissertation und erlangte die Doktorwürde an der Universität in Marburg. Im September 1905 erhielt er den Charakter des Professors und im März des darauffolgenden Jahres den Rang der Räte IV. Klasse. Vor seiner ersten festen Anstellung als Oberlehrer 1889 war Banner seit 1884 als wissenschaftlicher Hilfslehrer tätig. Zwischen 1884 und 1898 veröffentlichte er neun wissenschaftliche Arbeiten auf Deutsch und Französisch unter anderem mit dem Titel „Französische Sprachlehre“ und „Das französische Theater der Gegenwart“. Im Oktober 1921 schied er aus seinem Amt aus. 298 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="299"?> (A85) Banning, Adolf Friedrich Bernhard wurde am 24. September 1860 in Tecklenburg als Sohn des Kaufmanns Bernhard Banning geboren. 1880 absolvierte er in Osnabrück die Reifeprüfung an einem Realgymnasium. In Marburg legte Banning 1885 für die Fächer Französisch, Englisch, Geschichte und Geographie die Lehramtsprüfung ab. Im darauffolgenden Jahr erlangte er die Doktorwürde und veröffentlichte die Arbeit. Vor seiner ersten festen Anstellung als Oberlehrer 1897 in Hagen war er seit 1888 als wissenschaftlicher Hilfslehrer tätig. Später war er als Studienrat angestellt. 1906 erhielt er den Charakter Gymnasialprofessor und den Rang der Räte IV. Klasse. Neben seiner Dissertation veröffentlichte er eine weitere wissenschaftliche Schrift. Im April 1924 trat Banning in den Ruhestand ein. (A86) Bär, Friedrich Karl Alfred wurde am 8. April 1895 in Wiesbaden als Sohn eines Kaufmanns geboren. Im Alter von 18 Jahren legte er im März 1914 die Rei‐ feprüfung an einer Oberrealschule in Wiesbaden ab. Das Lehramtsstudium, das er 1914 in Marburg begann und 1921 beendete, wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges unterbrochen. Im Krieg nahm er an zahlreichen Feldzügen teil und wurde zum Leutnant befördert. Zudem wurde ihm das Eiserne Kreuz der ersten und zweiten Klasse verliehen. Nach dem Krieg beendete er das Studium und legte im Dezember 1921 die erste und einzige Lehramtsprüfung für die Fächer Englisch, Französisch, Philosophie und Erdkunde ab. Bis zu seiner ersten festen Anstellung als Studienrat 1925 war er seit 1923 als Studienassessor tätig. Ab 1935 war er als Oberstudiendirektor angestellt. Seit 1928 veröffentlichte Bär drei wissenschaftliche Arbeiten mit neusprachlichen Themen. (A87) Baranius, Bernhard Edgar wurde am 28. Oktober 1908 im Kreis Kalau (heute Calau) geboren und absolvierte 1927 die Reifeprüfung. Im gleichen Jahr begann er sein Studium in Berlin, das er 1932 in Halle an der Saale beendete. Für die Fächer Englisch, Französisch und Geschichte legte Baranius 1932 die Lehr‐ amtsprüfung ab. Von 1934 bis 1940 war er als Studienassessor in verschiedenen Institutionen tätig. 1940 erhielt er eine feste Anstellung als Studienrat, diente aber schon einen Monat später im Zweiten Weltkrieg. Baranius war der NSDAP und dem NSLB (Nationalsozialistischer Lehrerbund) zugehörig. (A88) Barche, Karl Wilhelm Albert wurde am 11. Juli 1873 in Soest geboren und legte am königlichen paulinischen Gymnasium im Münster 1873 die Reifeprüfung ab. Die Lehramtsprüfung für die Fächer Deutsch, Französisch, Pädagogik und Latein bestand er im Januar 1899 in Münster. Seiner Dienstpflicht als Einjährig-Freiwilliger genügte er 1900 bis 1901 in Münster, er wurde 1903 zum Leutnant, 1915 zum Oberleutnant und 1916 zum Hauptmann befördert. Zudem wurde ihm das Eiserne Kreuz der zweiten Klasse verliehen. 1913 erhielt Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 299 <?page no="300"?> er den Charakter Gymnasialprofessor und den Rang der Räte IV. Klasse. Seit 1902 war Barche als Oberlehrer an einem Gymnasium in Solingen fest angestellt. Im Oktober 1935 trat er seinen Ruhestand an. (A89) Bardenwerper, Kurt Erich wurde am 18. Februar 1885 in Braunschweig als Sohn des Fabrikanten Johannes Bardenwerper geboren. Am Martino-Katha‐ rineum Gymnasium in Braunschweig absolvierte er 1905 die Reifeprüfung. Im Anschluss daran begann er das Universitätsstudium in Halle, wo er 1910 den akademischen Titel Dr. phil. erlangte und seine Dissertation mit dem Titel „Die Anwendung fremder Sprachen und Mundarten in den französischen Mysterien des Mittelalters“ veröffentlichte. 1912 legte er die Lehramtsprüfung für die Fächer Französisch, Religion und Englisch ab. Über jegliche Anstellungen im Schuldienst ist in den Personalakten nichts verzeichnet. Bereits 1923 schied er aus dem Dienst. (A90) Bardey, Erich Friedrich Heinrich wurde am 6. Oktober 1886 in Neustrelitz in Mecklenburg als Sohn des Zivilingenieurs Franz Bardey geboren. 1904 erhielt er das Reifezeugnis am Carolinum Gymnasium in Neustrelitz. Im gleichen Jahr begann er sein Studium In Freiburg, Berlin und Kiel bis 1908. Danach war er bis September 1909 als Hauslehrer beschäftigt. Im Sommer 1910 legte er die erste und einzige Lehramtsprüfung für die Fächer Französisch, Englisch und Geschichte ab. Bevor er 1913 eine feste Stelle als Oberlehrer besetzte, war er seit 1911 als wissenschaftlicher Hilfslehrer beschäftigt. Über eine militärische Beteiligung sind keine Aufzeichnungen vorhanden, allerdings findet sich auf der ersten Seite eine Notiz darüber, dass er am 13. Oktober 1916 für sein Vaterland starb. (A91) Bares, Nikolaus wurde am 24. Januar 1871 in Idenheim im Kreis Bitburg als Sohn des Landwirts Johann Bares geboren. Die Reifeprüfung bestand er 1891 an einem Gymnasium in Trier. Nach seinem Studium legte er 1903 die Lehramtsprüfung ab, die ihn befähigte, die Fächer Religion, Hebräisch und Französisch zu unterrichten. Nach seiner Vereidigung 1905 erhielt er direkt eine feste Anstellung als Oberlehrer. (A92) Barfurth, Dietrich wurde am 25. Januar 1849 in Dinslaken geboren. In Duisburg erlangte er 1870 das Maturitätszeugnis. Innerhalb seines Studiums in Göttingen und Bonn promovierte er im Dezember 1874, wobei er die Arbeit ver‐ öffentlichte. Abgeschlossen hat er sein Studium 1875. Für die Fächer Mineralogie und Chemie, Botanik und Zoologie, Mathematik, Physik, Deutsch und Französisch legte er im gleichen Jahr die Lehramtsprüfung ab. 1876 besetzte er die erste feste Stelle als ordentlicher Lehrer an einem Gymnasium in Köln. Bereits drei Jahre später wurde er auf seinen Antrag hin aus dem Schuldienst entlassen. 300 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="301"?> (A93) Bargon, Johann Ernst wurde am 7. November 1881 in Frankfurt am Main als Sohn des Kaufmanns Georg Bargon geboren. Im Herbst 1900 legte er an der Klinger-Oberrealschule in Frankfurt die Reifeprüfung ab, danach schloss er eine lateinische Ergänzungsprüfung am Wöhler-Realgymnasium ab. Nach seinem Studium in Marburg und Berlin von Herbst 1900 bis Ostern 1906, war er mit Promotionsarbeiten beschäftigt, war dabei aber durch Familienverhältnisse an der Arbeit gehindert worden. Im März 1913 legte er für die Fächer Englisch, Französisch und Deutsch die Lehramtsprüfung ab. Beim Militär war er für die Ersatzreserve eingeteilt. In Fulda besetzte er ab April 1920 die erste feste Stelle an einer Oberrealschule als Studienrat. Am 15. März 1930 starb er im Alter von 49 Jahren an einem Herzschlag. (A94) Barke, Herbert Richard Wilhelm wurde am 30. Januar 1912 in Berlin als Sohn des Abteilungsleiters Eduard Paul Barke und seiner Frau Else geboren. Am Andreas Realgymnasium in Berlin schloss er 1930 die Reifeprüfung ab. Nach der ersten Lehramtsprüfung 1936 legte er drei Jahre später eine Wieder‐ holungsprüfung und 1940 eine Ergänzungsprüfung ab, die ihn letztendlich dazu befähigte, die Fächer Englisch, Französisch und Geschichte zu unterrichten. An der Universität in Berlin promovierte er 1937 und veröffentlichte die Disserta‐ tion mit dem Titel „Bales ‚Kynge Johan‘ und sein Verhältnis zur zeitgenössischen Geschichtsschreibung“. Nebenamtlich war er als Dozent am Volksbildungswerk in Berlin tätig. Zudem war er ab 1935 Mitglied der Sturmabteilung als Sturm‐ mann und betätigte sich seit 1937 in der NSDAP. (A95) Barkhausen, Max wurde am 9. Oktober 1883 in Montjoie, das heute Monschau heißt, als Sohn des Fabrikbesitzers Alfred Barkhausen geboren. Im Februar 1902 erwarb er am städtischen Gymnasium in Bonn das Reifezeugnis. Nach dem Studium legte er 1908 die erste Lehramtsprüfung für die Fächer Geschichte, Deutsch und Französisch ab und erlangte die Doktorwürde. Neben seiner Promotionsarbeit mit dem Titel „Die Entwicklung der politischen An‐ schauungen Guicciardinis bis zum Sturze der florentinischen Republik, 1512“ veröffentlichte er eine weitere wissenschaftliche Arbeit. Vor seiner ersten festen Anstellung als Oberlehrer an einer Oberrealschule in Krefeld 1911 war er ein Jahr lang als Hilfslehrer tätig. (A96) Barkholt, Anton Joseph wurde am 8. September 1846 in Münster ge‐ boren, wo er 1866 sein Reifezeugnis erwarb. Nach seinem Studium legte er 1871 die Lehramtsprüfung für die Fächer Latein, Griechisch, Deutsch, Französisch, Geschichte und Geographie ab. Im Dezember 1873 in Rostock erlangte er den akademischen Titel Dr. phil. Seit 1874 besetzte er in Marburg eine feste Stelle als ordentlicher Lehrer. An dem gleichen Gymnasium war er später als Oberlehrer Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 301 <?page no="302"?> angestellt. Zudem veröffentlichte er eine wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel „Horatii de veteribus Romanorum poetis sententiae“. Im April 1904 starb Barkholt im Alter von 58 Jahren. (A97) Barkholt, Bernhard wurde am 16. Januar 1853 in Münster geboren. Am königlichen Gymnasium in Münster erwarb er 1873 das Maturitätszeugnis. Dort begann er im Februar 1875 das Lehramtsstudium, das er im Sommer 1881 beendete und die Lehramtsprüfung für die Fächer Deutsch, Griechisch, Latein, Geschichte, Geographie und Französisch erfolgreich ablegte. Im gleichen Jahr besetzte er eine feste Stelle als ordentlicher Lehrer an einem Gymnasium in Bochum. Er veröffentlichte eine wissenschaftliche Arbeit. Im Jahr 1888 starb er im Alter von nur 35 Jahren. (A98) Barkowski, Johanna Charlotte wurde am 12. März 1909 in Labiau, im heutigen Russland gelegen, als Tochter des Oberpostsekretärs Ferdinand Barkowski geboren. Das Universitätsstudium absolvierte sie von 1928 bis 1931 in Königsberg und München. Im Dezember 1932 legte sie in Königsberg die Lehramtsprüfung für die Fächer Französisch, Englisch und Geschichte ab. Über jegliche Anstellungen im höheren Schuldienste Preußens sind den Personalun‐ terlagen keine Informationen zu entnehmen. (A99) Barlage, Johannes Heinrich Joseph wurde am 2. Juni 1892 in Osna‐ brück als Sohn des Privathandelsschuldirektors Heinrich Barlage und seiner Frau Elisabeth geboren. Im Jahr 1911 absolvierte er am königlichen Gymnasium in Duisburg die Reifeprüfung. Im Anschluss begann er sein Studium in Bonn, führte es in Freiburg fort und beendete es 1919 in Münster. Sein Studium wurde durch den Ersten Weltkrieg von Oktober 1916 bis November 1918 unterbrochen. Schon vor dem Eintritt in das Militär promovierte Barlage an der Universität in Münster. 1919 legte er für die Fächer Geschichte, Französisch und Latein die Lehramtsprüfung ab. Er veröffentlichte eine wissenschaftliche Arbeit. In Düsseldorf besetzte er eine Stelle als Studienassessor. Ab wann er sie besetzte, ist nicht verzeichnet, auch nicht, ob er je eine feste Stelle besetzte. (A100) Barlen, Heinrich wurde am 10. April 1893 in Sterkrade in Oberhausen als Sohn des Postmeisters Bernhard Wilhelm Barlen geboren. Am 10. März 1911 an der Humboldt-Oberrealschule in Essen erlangte er das Reifezeugnis. Im gleichen Jahr begann er das Universitätsstudium in Marburg, setzte es in Bonn und Kiel fort. Durch den Ersten Weltkrieg wurde sein Studium unterbrochen. Innerhalb einer Schlacht wurde er so schwer verwundet, dass er als dauernd heeresdienstunfähig erklärt wurde. Für seinen Dienst im Krieg wurden ihm das Eiserne Kreuz der zweiten Klasse, das schwarze Verwundeten Abzeichen und das Schlageter-Schild 302 Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Carolin Adamus <?page no="303"?> mit Schwertern als Auszeichnung verliehen. Nach dem Krieg absolvierte er ein juristisches Studium in Greifswald, das er 1919 beendete. Im Dezember 1919 legte er die Lehramtsprüfung für die Fächer Französisch, Englisch und Deutsch ab. Im darauffolgenden Jahr belegte er einen Spiellehrerkursus in Marburg. Die erste feste Stelle besetzte er ab 1928 als Studienrat, davor war er als Studienassessor an verschiedenen Institutionen tätig. Bibliographie Alliance Française (2020): Qui sommes nous, https: / / www.alliancefr.org/ index.php/ fr/ q ui-sommes-nous/ lalliance-francaise-paris-ile-de-france (05.01.2021). Banzer, Jürgen/ Duvenbeck, Birgitta (1999): 1699-1999 - 300 Jahre Dornholzhausen - 300 Jahre Waldenser Kirchengemeinde, https: / / waldenser.evangelisch-hochtaunus.de/ dorn holzhausen/ geschichte-dornholzhausen/ festschrift/ v98mdl584/ fs-sw.pdf (16.12.2020). Coriand, Rotraud et al. (2011): Alphabetische Bibliografie Pädagogischer Herbartianismus. https: / / www.uni-due.de/ herbartianismus-forschungsstelle/ Bibliographie.shtml#a_z_ B_2_1 (11.07.2021). Estelmann, Mike (2020): Die Befreiungskriege im Spiegel preußischer Auszeichnungen. Eine historische und statistische Übersicht, https: / / www.deutsche-gesellschaft-fuer-ordens kunde.de/ DGOWP/ links/ dokumente/ die-befreiungskriege-im-spiegel-preussischer-a uszeichnungen/ (24.06.2021). Institut Terezínské iniciatvy (2020). Opferdatenbank Dr. Max Baecker, https: / / www.holo caust.cz/ de/ opferdatenbank/ opfer/ 4811-max-baecker/ (01.05.2021). Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (2021): Abt, Ludwig, in: Hessische Biographie, https: / / www.lagis-hessen.de/ de/ subjects/ idrec/ sn/ bio/ id/ 3409 (letzter Zu‐ griff 15.12.2020). Französischlehrkräfte in Preußen - Eine Analyse von Personalunterlagen 303 <?page no="305"?> Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften als Quellen einer Geschichte der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen Ergebnisse der Teilstudien, vergleichende Zusammenfassung, Methodenreflexion und Perspektiven Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann Im Folgenden werden Ergebnisse der Auswertungen zu folgenden Fragestel‐ lungen zu den einzelnen Teilkorpora, wie sie in den vorausgegangenen Kapiteln vorgestellt wurden, kurz referiert: • Frauenanteil im höheren Lehramt des Französischen, • Fächerverbindungen und Stufen der Lehrbefähigung, • Auslandsaufenthalte, • Doktorgrad und wissenschaftliche Veröffentlichungen, • Amtliche Stellung, Charakter/ Titel. Das Ergebnisreferat erfolgt zunächst separat bezogen auf die einzelnen Teil‐ korpora, da teilweise auch andere (Teil-) Fragestellungen vorlagen, bei der Auswertung anders vorgegangen wurde usw. Die Ergebnisse der Teilkorpora mögen also zunächst für sich stehen, im Anschluss an deren Vorstellung wird versucht, eine synthetisierende Zusammenfassung zu geben. <?page no="306"?> 1 Ergebnisse der Teilstudien 1.1 Teilkorpus AA - AH (n = 50) (Magdalene Lubinski) 1.1.1 Anteil der Französischlehrkräfte und Frauenquote - Jahr der Lehramtsprüfung im Fach Französisch Auf der Grundlage der Untersuchung ausgewählter Personalunterlagen von Lehrinnen und Lehrern höherer Schulen Preußens ergibt sich bezogen auf den Anteil der Französischlehrkräfte in der gesamten Lehrerschaft und bezogen auf den Anteil der Frauen innerhalb der Französisch-Fachschaft folgendes Bild: Diagramm 1: Anteil der Lehrkräfte mit dem Fach Französisch im untersuchten (Teil-)Korpus Aus 695 untersuchten Personalunterlagen konnten 50 Französischlehrkräfte aus Preußen ermittelt werden, die zwischen den Jahren 1841 und 1939 eine Lehramtsprüfung sowohl im Fach Französisch als auch in weiteren Fächern abgelegt haben. Somit lässt sich feststellen, dass nur knapp 7 % der untersuchten Lehrkräfte für das Fach Französisch qualifiziert waren. Im Durchschnitt hat demnach nur jede/ r 14. Lehrer/ in der Stichprobe das Fach Französisch mit Lehr‐ befähigung unterrichtet. Die relativ geringe Anzahl an Französischlehrkräften von nur 7 % kann durch die erst allmähliche Etablierung des Französischunter‐ richts zu einem staatlich regulierten Schulfach an den Gymnasien, erst später dann auch an den Realgymnasien usw. mit insbesondere in den Anfängen geringem Stundenumfang und mit einem in der Folge zunächst relativ geringem 306 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="307"?> Lehrerbedarf begründet werden (vgl. die einleitenden Beiträge Reimann zur Einführung, zur historischen Kontextualisierung und zur Ausbildungs- und Sozialgeschichte der Lehrkräfte an höheren Schulen). Diesbezüglich können die Abschlussjahre der Lehramtsprüfungen weitere Erkenntnisse liefern. Im folgenden Diagramm wird der prozentuale Anteil an den insgesamt erfassten 50 Lehramtsprüfungen nach Jahrzehnten chronologisch sortiert wiedergegeben: Diagramm 2: Abschlussjahre der Lehramtsprüfung im Fach Französisch Mit dem Anstieg der Qualifikationsanforderungen an die Lehrkräfte durch die endgültige Etablierung des Französischunterrichts wurde erst ab den 1860er/ 1870er Jahren die wissenschaftliche und mit Einschränkungen auch die pädagogische Ausbildung der Französischlehrkräfte vorangetrieben (vgl. den einleitenden Beitrag Reimann im vorliegenden Band, mit weiterführender Bibliographie). In den darauffolgenden Jahrzehnten kann diesbezüglich somit ein genereller Anstieg der neu qualifizierten Französischlehrkräfte verzeichnet werden. Von 1840 bis zum Jahr 1899 bleibt die Zahl der universitär ausgebildeten Französischlehrkräfte insgesamt niedrig, dennoch steigt der Prozentsatz von 4 % auf 10 % der erfassten Prüfungen. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun‐ derts entstand durch die fortschreitende Industrialisierung ein großer Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften. Das weiterführende Bildungswesen musste demnach ausgebaut und verbessert werden. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler höherer Schulen in Preußen stiegt in der Folge dieser Entwicklungen auf mehr als das Doppelte an. Daraus resultierte ein bis etwa zum Jahre 1880 anhaltender Lehrermangel. Durch vereinfachte Prüfungsordnungen und Gehaltserhöhungen für die Oberlehrer um 25 % wurde die Attraktivität des Lehrberufs erhöht. Obwohl die Berufsaussichten für angehende Lehrkräfte viel‐ Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 307 <?page no="308"?> versprechend waren, konnten die Studierenden, die nach etwa 1875/ 1880 ihre wissenschaftliche Ausbildung an der Universität anfingen, aufgrund eines sich schnell abzeichnenden Überschusses an Lehramtskandidaten, damit rechnen, keine Stelle zu finden (vgl. Bölling 1987, 3; vgl. den Beitrag zur Ausbildungs- und Sozialgeschichte im vorliegenden Band, bes. Kap. 2.1.4, 3.1, 3.4.4). Aufgrund der restriktiven Einstellungspolitik des Preußischen Kultusministeriums in den 1890er Jahren und in der Folge des bereits erwähnten kaiserlichen Erlasses aus dem Jahr 1900 kam es erneut zu einem Lehrermangel, gerade auch in den neueren Fremdsprachen. Denn in der Folge der Gleichwertigkeit des Abiturs an allen höheren Schulen stieg die Schülerzahl an den Realanstalten, mithin auch die Zahl der Französisch- und Englischschülerinnen und -schüler (vgl. Reinfried 2008, 148). Insgesamt konnten die Fremdsprachen ihre Stellung im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts spürbar verbessern (vgl. Ostermeier 2012, 54). Infolgedessen herrschten nach der Jahrhundertwende deutlich bessere Berufs‐ aussichten für angehende Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer. Insgesamt verfünffachte sich die Zahl der Lehramtsstudierenden zwischen 1892 und 1912 (vgl. Bölling 1987, 4). Dieser Anstieg spiegelte sich auch in der steigenden Anzahl Lehramtsabschlüssen im Fach Französisch zwischen den Jahren 1890 und 1919 (vgl. Diagramm 2). Durch die steigende Anzahl von Studierenden bis 1912 wurden 1913 erneut Überfüllungsprognosen von Philologen ausgegeben. Die Folgen machten sich jedoch erst nach dem Krieg bemerkbar, als die Zahl der Studienassessorinnen und -assessoren erneut auf einem hohen Niveau war (vgl. Bölling 1987, 4). 1924 konnten auf 100 Festangestellte ca. 14 Kandidaten/ innen ohne Beschäftigung im Schuldienst verzeichnet werden. Durch den Numerus Clausus, eingeführt durch die Kultusverwaltung, sollte die Anzahl der Lehramtsanwärter/ innen angepasst werden (ebd., vgl. wiederum den einführenden Beitrag zur Ausbildungs- und Sozialgeschichte im vorliegenden Band). Die Situation auf dem Lehrkräftear‐ beitsmarkt verschlechterte sich zunehmend, auch durch die erheblichen Folgen der Weltwirtschaftskrise ab dem Jahr 1929. Nach dem ersten Weltkrieg wurden der Fremdsprachenunterricht Franzö‐ sisch und seine Ziele zunehmend in Frage gestellt. Die aus deutscher Perspek‐ tive negativen Erfahrungen, die mit Frankreich im Krieg gemacht wurden, hinterließen tiefe Zweifel, ob der Französischunterricht überhaupt noch weiter fortgeführt werden sollte. Vor dem Krieg war das Ansehen des Französischen auf einem überaus hohen Niveau, während ihm nach dem Krieg jeglicher Bildungswert abgesprochen wurde. Ein regelrechter Hass gegen Frankreich als Nation, welcher sich in weiten Teilen der Bevölkerung nach Ende des Kriegs entwickelte, sollte durch die Abschaffung des Französischunterrichts 308 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="309"?> aufgezeigt werden (vgl. Ostermeier 2012, 187). In dieser Zeit schien es schwer, die Schülerinnen und Schüler für das Erlernen der Sprache zu gewinnen und sie für diese zu begeistern (vgl. ebd., 188). Dennoch setzten sich viele Neuphilologen erfolgreich für eine Weiterführung ein. Die Krise des Französischunterrichts jener Jahre spiegelt sich in der Zahl der Lehramtsabschlüsse für Französisch. Ihr Anteil innerhalb des untersuchten (Teil-) Korpus sank rapide von 24 % zwischen 1910 und 1919 auf 8-% zwischen 1920 und 1929. Weitere Beobachtungen wurden bezüglich der Verteilung zwischen männ‐ lichen und weiblichen Französischlehrkräften in Preußen innerhalb der Stich‐ probe angestellt. Sie werden im nachfolgenden Diagramm verdeutlicht: Diagramm 3: Anteil von weiblichen und männlichen Französischlehrkräften Lediglich 10 % der Französischlehrkräfte im erfassten Zeitraum der 1840er bis 1930er Jahre waren weiblich. Dies deutet darauf hin, dass auch das Fach Französisch an den höheren Schulen in Preußen lehrkräfteseitig eindeutig von Männern dominiert war. Die Gründe hierfür liegen in der erst späten Einbeziehung von Mädchen und jungen Frauen in das höhere Schulwesen. Heute ist der Lehrberuf auch an den höheren Schulen zunehmend von Frauen dominiert, was sich beispielsweise am hohen Anteil von 60,5% weiblicher Lehrkräfte an Gymnasien zeigt (vgl. Destatis 2020). Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts kam es zwar vermehrt zur Gründung von Mädchenschulen, die jedoch als private Einrichtung anzusehen waren (vgl. Herrlitz et al. 2005, 86). Die Kommunalisierungen dieser Unternehmungen fand erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts statt. Erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts beteiligte sich der Staat mit finanziellen Mitteln am höheren Mädchenschulwesen (Herrlitz et al. 2005, 87). Durch ein hohes Schulgeld, wel‐ ches nur wenige bürgerliche Familien aufbringen konnten, wurde der Besuch Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 309 <?page no="310"?> der Mädchenschule zu einem sozialen und exklusiven Privileg. Dadurch kann wiederum in der Folge die geringe Zahl der Absolventinnen eines Universitäts‐ studiums generell und somit auch für das Fach Französisch begründet werden (vgl. auch den in den schulhistorischen Kontext einführenden Beitrag Reimann im vorliegenden Band). 1.1.2 Fächerverbindungen und Lehrbefähigungen der Französischlehrkräfte Die Analyse der Personalunterlagen hat gezeigt, dass es sehr unterschiedliche Fächerkombinationen mit dem Fach Französisch gibt, sodass eine detaillierte Gruppierung und Auswertung den Rahmen der vorliegenden Arbeit überstiegen hätte (vgl. hierzu den die Pilotierungen einleitenden Aufsatz Reimann im vorliegenden Band). Daher wird an dieser Stelle lediglich eine Auflistung aller Studienbzw. Lehramtsprüfungsfächer erstellt, die im 19. und zu Beginn des 20.-Jahrhunderts in Verbindung mit Französisch studiert wurden. Diagramm 4: Fächer in Kombination mit Französisch Mit 52 % scheint Englisch bei den Französischlehrkräften innerhalb des (Teil-)Korpus das beliebteste Kombinationsfach gewesen zu sein. Darin kann ein Spiegel der Etablierung des in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingerich‐ teten neuphilologischen Lehramts (vgl. den Beitrag zur Ausbildungsgeschichte im vorliegenden Band) gesehen werden. Etwa jede zweite Französischlehrkraft innerhalb des untersuchten Korpus studierte somit Englisch als weiteres Fach. Auch spiegelt dies die Entwicklung des Schulfaches Englisch v. a. ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Mit den Lehrplänen von 1901 wurde 310 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="311"?> auch Englisch erstmals als vollwertiges Unterrichtsfach in den Lehrplan der Gymnasien aufgenommen (vgl. Ostermeier 2012, 183). Durch die industriellen Entwicklungen im 19. Jahrhundert kam es zu einem verstärkten Austausch zwischen den deutschen, englischen und amerikanischen Gelehrten, weshalb es nunmehr als sinnvoll erachtet wurde, Englisch als Schulfach auch an den Gymnasien einzuführen. Vorher wurde der Englischunterricht nur an den realistischen Schulen durchgeführt, da dort die im Alltag nützlicher scheinenden Bildungsgegenstände im Mittelpunkt standen (vgl. z. B. Ostermeier 2012, 116- 117). Auf den Plätzen zwei und drei befinden sich mit 42 % Deutsch und mit 36 % Latein. Die Muttersprache wurde an höheren Schulen zunehmend als Haupt‐ unterrichtsgegenstand angesehen (vgl. Rülcker 1969, 13), was die Beliebtheit des Faches Deutsch innerhalb der Stichprobe teilweise erklären kann. Andere klassische Sprachen wie Griechisch mit 20 %, aber auch Hebräisch mit nur 6 % wurden in Kombination mit Französisch deutlich seltener studiert. Dennoch reflektieren auch diese Zahlen die starke Verwurzelung des Lehramts im 19. Jahrhundert in der klassisch-philologischen Tradition - heute studieren die wenigsten Lehramtskandidatinnen und Kandidaten Griechisch und Französisch innerhalb einer (auch erweiterten) Fächerverbindung, während im untersuchten Korpus immerhin jede fünfte Lehrkraft, die eine Lehrbefähigung für Französisch hatte, auch Griechisch unterrichtete. Neben den Sprachen wurden in Verbindung mit Französisch die Fächer Religion mit 24 % der Fälle, Geschichte mit 22 % und Philosophie mit 18 % ebenfalls verhältnismäßig häufig genannt. Es folgen die mathematisch-natur‐ wissenschaftlichen Fächer(verbindungen), die naheliegenderweise im Vergleich zu den Geisteswissenschaften weniger häufig im Zusammenhang mit dem Französischen studiert und unterrichtet wurden. Dabei tritt Mathematik, die in den ursprünglichen Prüfungsordnungen des Examen pro facultate docendi noch im Verbund mit den alten Sprachen zur „Grundausstattung“ eines jeden Gymnasiallehrers zählte, mit 16 % der belegten Fälle am häufigsten auf, die Naturwissenschaften (in heutiger Terminologie am ehesten mit der Fächerver‐ bindung Chemie/ Biologie gleichzusetzen) mit 8 % und Physik mit 6 % sind deutlich seltener als Kombinationsfächer belegt. Vereinzelt wurden in den Personalunterlagen zudem die Prüfungsfächer der Allgemeinen Bildung (vgl. Lehrer L40, hier und im Folgenden: die Nummern beziehen sich auf die Num‐ merierung der Lehrkräfte im jeweiligen Teilkorpus, s. z. B. vorausgegangene Kapitel), Turnen (vgl. L44) und mathematische Geographie (vgl. L35) ermittelt. Nur eine Lehrerin studierte neben Französisch nach den Aufzeichnungen im Personalbogen kein weiteres Fach (Lehrerin L4). Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 311 <?page no="312"?> In der Regel studierten die Lehrkräfte neben Französisch noch zwei bis drei weitere Fächer. Offensichtlich ist, dass Lehrkräfte, die ihre Prüfung bis etwa Mitte des 19. Jahrhunderts und damit noch in größerer zeitlicher Nähe zum ursprünglich eher generalistischen examen pro facultate docendi von 1810 abgelegt haben (vgl. z. B. den Beitrag Reinfried oder den Aufsatz zur Ausbildungsgeschichte im vorliegenden Band), tendenziell mehr Prüfungsfä‐ cher aufführen konnten. Hier können die Fälle (L9), (L10), (L23), (L32), (L34), (L35) und (L50) des vorliegenden (Teil-)Korpus genannt werden. Sie legten ihre Lehramtsprüfungen in den Jahren 1845 bis 1881 in fünf und teilweise bis zu sechs Fächern ab. In diesem Zusammenhang kann die Prüfungsordnung von 1831 als Erklärung hinzugezogen werden. Damit die Fähigkeiten der Lehramtsanwärter/ innen erkannt werden konnten, mussten die Kandidaten Kenntnisse in allen Schulfächern nachweisen. Darüber hinaus sollten die Studierenden in mindestens einem der drei grundlegenden Fachgebiete „1) in den beiden alten Sprachen und in der Muttersprache; 2) in der Mathematik und den Naturwissenschaften und 3) in Geschichte und Geographie“ (Mandel 1989, 40) über derart vertiefte Kenntnisse verfügen, „um bei gehöriger Vorbereitung diesen Gegenstand in einer der beiden oberen Klassen eines Gymnasiums mit Erfolg zu lehren“ (Mandel 1989, 40, vgl. wiederum den Beitrag zur Aus‐ bildungs- und Sozialgeschichte im vorliegenden Band). Durch diese Regelung kann die aus heutiger Perspektive hohe Anzahl der verschiedenen Fächer bei den genannten Lehrkräften erklärt werden. Bei der Auswertung der Personalunterlagen konnten neben den Fächer‐ kombinationen auch die Stufung der Lehrbefähigungen bezogen auf einzelne ( Jahrgangs-)Stufen ermittelt werden. Die Qualifikationen teilen sich in verschie‐ denen Prüfungsordnungen eine Lehrbefähigung für Ober-, Mittel- und teilweise auch für die Unterstufe (im Detail vgl. den Beitrag Reimann zur Ausbildungsge‐ schichte im vorliegenden Band). Demzufolge konnte ein Lehrer beispielsweise Französisch und Englisch bis zur Oberstufe unterrichten, Latein jedoch nur in der Unterstufe (vgl. z. B. Lehrer (L3)). Solche Fälle konnten in den Portraits der Lehrkräfte häufiger gefunden werden. Im folgenden Diagramm wurden die Lehrbefähigungen für das Fach Französisch in die Qualifikationsebenen Unter-, Mittel- und Oberstufe eingeteilt. 312 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="313"?> Diagramm 5: Lehrbefähigung für Französisch nach Jahrgangsstufen Nur rund 14 % der untersuchten Französischlehrerinnen und -lehrer in Preußen absolvierten die Lehramtsprüfung im Fach Französisch lediglich für die Unter‐ stufe. Festzuhalten ist, dass alle erfassten Lehrer, die nur in der Unterstufe unterrichteten, keinen Auslandsaufenthalt vorweisen konnten (vgl. Lehrer (L9), (L17), (L23), (L32), (L34), (L40)). Eine relative Mehrheit der Französischlehrenden erhielten die Qualifikation, das Fach Französisch bis zur Mittelstufe zu unter‐ richten (38 %). Hier können zwei von achtzehn Lehrern einen Auslandsaufent‐ halt vorweisen (vgl. (L12), (L13)). Für den Unterricht in der Oberstufe der höheren Schulen Preußens erfüllten 30 % die notwendigen Voraussetzungen. Bei 18 % der Lehrkräfte wurden für die Lehrbefähigung im Fach Französisch keine Angaben über die Jahrgangsstufen eingetragen. 1.1.3 Auslandsaufenthalt in Frankreich Der Auslandsaufenthalt während des Sprachenstudiums in Deutschland wird heutzutage häufig als Pflichtteil während der universitären Ausbildung ange‐ sehen. Die Auswertung der historischen Personalunterlagen der Französisch‐ lehrkräfte in Preußen im 19. und frühen 20. Jahrhundert lässt auf eine grundlegend andere Situation schließen. Mit 90 % gehören diejenigen, die vor oder während der Studienzeit keinen Auslandsaufenthalt absolvierten, zur überwiegenden Mehrheit der erfassten Französisch-Lehrkräfte. Nur 10 % der untersuchten Lehrerinnen und Lehrer können einen Aufenthalt vorweisen, sei es durch die Stationierung während eines Krieges, aufgrund eines Studiums oder Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 313 <?page no="314"?> einer Anstellung an einer französischen Schule (vgl. z. B. die Fälle (L2), (L12), (L13), (L25)). Diagramm 6: Gründe für einen Auslandsaufenthalt in Frankreich Die Anforderungen an das neusprachliche Lehramt änderten sich mit Durch‐ setzung des Französischen als reguläres Schulfach. Dementsprechend war es an der Zeit für das Kultusministerium, auch die Anforderungen an die Französi‐ schlehrkräfte zu konkretisieren. Es scheint eine Unzufriedenheit u. a. bezüglich des sprachlichen Könnens der Lehrkräfte gegeben zu haben (vgl. z. B. Mangold 1902, 195, vgl. auch Abschnitt 2. des vorliegenden Beitrags). Dieser Befund der Historiographie korreliert mit dem Ergebnis der vorliegenden Untersuchung, insofern nur etwa jede 8. Französischlehrkraft für eine bestimmte Zeit in Frankreich gelebt hat. Schließlich forderte Stephan Waetzold am Ende des 19. Jahrhunderts in seiner Ansprache auf, die Ausbildung eines Sprachenlehrers im Hinblick auf das sprachliche Können und die kulturelle Bildung über das Zielland zu verbessern (s. o., Abschnitt 2.). Die zuständigen Professoren gingen seinen Forderungen nach und führten den mehrmonatigen, verpflichtenden Auslandsaufenthalt ein (vgl. Mangold 1902, 212-213). 314 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="315"?> 1.1.4 Doktorgrad und wissenschaftliche Veröffentlichungen Weitere Beobachtungen konnten bezüglich der Erlangung eines Doktorgrads durch die Französischlehrkräfte in Preußen angestellt werden. Diese werden in nachfolgendem Diagramm dokumentiert: Diagramm 7: Doktortitel verteilt nach Geschlecht Anders als bei den vorherigen Darstellungen wurden die Werte in diesem Fall als absolute Zahlen angegeben, da sich die Verteilung sowohl bei den männlichen Lehrkräften als auch bei den weiblichen identisch verhält. In beiden Geschlechtern konnten je 40 % einen Doktorgrad erlangen und 60 % nicht. Durch den insgesamt geringen Umfang der Stichprobe, insbesondere bei den Frauen, ist die prozentuale Verteilung nur bedingt aussagekräftig. In einem ersten Schritt soll eine Darstellung der Französischlehrer, die einen Doktorgrad erreichen konnten, erfolgen. Aus dem Diagramm geht hervor, dass 18 von insgesamt 45 männlichen Französischlehrern ein Doktortitel verliehen wurde. Zwei von fünf Frauen erlangten den Doktorgrad (vgl. (L1), (L36)). Lehrerin (L1), Elisabeth Abegg, wurde der Doktortitel im Jahr 1916 verliehen. Sie hatte Französisch, Geschichte und Latein studiert und wurde mit einer zwar historischen, aber romanistikaffinen Arbeit zu Die Politik Mailands in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts promoviert. Die geringe Zahl an Promotionen von Frauen lässt sich auch dadurch erklären, dass es Frauen im Allgemeinen erst ab 1908 möglich war, das Abitur und somit auch den Zugang zu einer Universität zu erlangen (vgl. den Beitrag zur Ausbildungs- und Sozialgeschichte im vorliegenden Band). Für die zweite promovierte Französischlehrerin, Eliza Adolph, konnte aus der Per‐ sonalakte kein Datum für die Verleihung des Doktorgrades entnommen werden. In ihrem Fall wurde der Doktortitel lediglich ihrem Namen hinzugefügt. Es ist Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 315 <?page no="316"?> jedoch auch von einer Promotion etwa ab 1915 ( Jahr des Studienabschlusses) auszugehen. Die seinerzeit noch größere Nähe des höheren Lehramts zur Wissenschaft zeigt sich auch darin, dass insgesamt 27 der erfassten 50 Lehrkräfte Veröffent‐ lichungen mit wissenschaftlichem Anspruch vorgelegt haben (auch jenseits etwaiger publizierter Dissertationen). Zudem verfassten vier Lehrer ebenfalls eine Publikation zu literarischen Themen (vgl. (L32), (L35), (L46), (L49)). Bei den wissenschaftlichen Veröffentlichungen handelte es sich indes nur selten um Inhalte und Themen, die Bezug zum Französischen aufwiesen (vgl. Lehrer (L3), (L13), (L31), (L44), (L49)). Unter den weiteren wissenschaftlichen Veröffentli‐ chungen finden sich, abhängig von den anderen Studienfächern, Abhandlungen zu politischen, historischen, naturwissenschaftlichen oder zu anderen fremd‐ sprachlichen Themen etwa zum Lateinischen oder Englischen. 1.1.5 Amtliche Stellungen der Lehrkräfte In den Personalunterlagen der Französischlehrkräfte wurde teilweise auch die höchste erreichte amtliche Stellung der jeweiligen Personen vermerkt. Diese Daten werden in der folgenden Graphik erfasst: Diagramm 8: Amtliche Stellung der Französischlehrer/ innen Generell konnten als gängige Bezeichnungen die Kategorien Oberlehrer/ in, Studienrat/ -rätin, ordentlicher Lehrer/ in, Oberschullehrer/ in, Direktor/ in, Oberstu‐ diendirektor/ in und Professor/ in erfasst werden. Je nach Anstellungsjahr wurde 316 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="317"?> den Lehrkräften eine unterschiedliche Bezeichnung zugeschrieben. Da die Bezeichnung Oberlehrer/ in ab 1918 in Studienrat/ -rätin geändert wurde (vgl. den Beitrag zur Ausbildungs- und Sozialgeschichte im vorliegenden Band), können die Oberlehrer/ innen, Studienräte/ innen aber auch die Oberschullehrer/ innen dieses Diagramms letztlich zu einer Gruppe zusammengefasst werden. Es ergibt sich demzufolge eine Mehrheit von 64 % der erfassten Französisch-Lehrkräfte, deren amtliche Stellung als die einer Studienrätin bzw. eines Studienrats be‐ zeichnet werden kann. Durch eine Verfügung von 1837 war die Unterscheidung zwischen den Klassenlehrern und Nicht-Klassenlehrern der Oberstufe eingeführt worden. Erstere wurden als Oberlehrer bezeichnet, letztere als „einfache“ Lehrer bzw. ordentliche Lehrer. Der Begriff ‚ordentlicher Lehrer‘ war im Jahr 1842 durch eine Zirkularverfügung etabliert worden (vgl. Müller-Benedict 2008, 191). Diese Gruppe ist mit 6 % unter den Französischlehrkräften vertreten. Der Unterschied in der Einstufung richtete sich nach den Ergebnissen des Examens pro facul‐ tate docendi. Ordentliche Lehrer konnten dennoch Oberlehrerstellen besetzen, indem sie eine Zusatzprüfung absolvierten. Die Oberlehrer erhielten im Ge‐ gensatz zu den ordentlichen Lehrern ein höheres Gehalt und unterrichteten insgesamt weniger Stunden. Erst 1892 wurden die unterschiedlichen Kategorien der Lehrkräfte aufgehoben und durch die Bezeichnung Oberlehrer/ in für alle ersetzt (Bölling 1983, 31, vgl. wiederum den Beitrag zur Ausbildungs- und Sozialgeschichte im vorliegenden Band). Als höchste amtliche Stellung in der Laufbahn der Lehrkräfte konnte die Position des Direktors erreicht werden. Im vorliegenden (Teil-) Korpus war dies bei 8 % der erfassten Lehrkräfte mit der Lehrbefähigung für Französisch der Fall. Diese Kategorie kann mit der der Oberstudiendirektoren zusammengefasst werden, die die einfache Bezeichnung des Direktors ablöste (vgl. erneut den überblickenden Beitrag zur Ausbildungs- und Sozialgeschichte). Somit wurden insgesamt 10 % der erfassten (Auch-)Französisch-Lehrkräfte im Laufe ihres Berufslebens mit der Funktion einer Schulleitung betraut. Darüber hinaus konnten die Oberlehrer/ innen auf der Grundlage aner‐ kannter wissenschaftlicher Publikationen den Titel des/ r Professors/ in erlangen (vgl. z. B. Müller-Benedict 2008, 191), worauf jedoch kein Anspruch bestand und wofür zu bestimmten Zeiten unterschiedliche Quoten-Regelungen vorlagen (vgl. den Beitrag zur Ausbildungs- und Sozialgeschichte). In den in dieser Teilstudie untersuchten Personalunterlagen konnte daher nur eine Person (2 %) mit dem eingetragenen Titel des Professors ausfindig gemacht werden, obwohl insgesamt 27 Französischlehrkräfte wissenschaftliche Veröffentlichungen vor‐ gelegt hatten. Vor 1918 konnte nur bestimmten Oberlehrern, zunächst sogar nur Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 317 <?page no="318"?> Direktoren und Professoren, der Charakter Rang der Räte IV. Klasse verliehen werden, was eine Aufnahme in die preußische Hochrangliste bedeutete (s. wie‐ derum die Ausführungen zur Ausbildungs- und Sozialgeschichte). Infolgedessen erhielten sie auch eine bessere Bezahlung und genossen ein höheres soziales Prestige (vgl. z. B. Müller-Benedict 2008, 192). Dieser Charakter ist mit 6 % unter den erfassten Französischlehrkräften vertreten (vgl. (L9) , (L22), (L47)). Bei 12 % der Lehrkräfte wurden in den Personalunterlagen keinerlei Angaben zu der amtlichen Stellung gemacht. 1.2 Teilkorpus AI - AM (n=57) (Anna-Maria Merholz) 1.2.1 Anteil der Französischlehrkräfte und Frauenquote Auf Grundlage der vorliegenden Untersuchung der Personalunterlagen von Lehrer/ innen höherer Schulen in Preußen ergibt sich folgendes: Diagramm 1: Anteil der untersuchten Lehrkräfte mit dem Fach Französisch Aus insgesamt 993 untersuchten Personalunterlagen im Alphabetabschnitt AI bis AM konnten 57 Lehrkräfte aus Preußen, die auch das Fach Französisch unterrichteten, ermittelt werden. Die jeweilige Lehrbefähigung wurde zwischen den Jahren 1851 und 1937 erworben. Französischlehrkräfte machten 6 % des gesamten Lehrkörpers im untersuchten Korpus aus. Mithin hatte im gesamten 318 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="319"?> erfassten Zeitraum im untersuchten Alphabetabschnitt etwa jede/ r 17. Lehrkraft eine Lehrbefähigung für Französisch erhalten. Im Vergleich zur Teilstudie Lubinski ist anzumerken, dass die Zahlen im Falle des Anteils der Französischlehrkräfte sich ähneln. In der zitierten Untersuchung wurde ein Anteil von 7 % auf 695 untersuchten Personalbögen festgestellt, während in dieser Arbeit ein Anteil von 6 % bei 993 untersuchten Personalbögen festgestellt werden konnte (vgl. Kap.-1.1.1). Bezüglich des Frauenanteils unter den Französischlehrkräften konnten fol‐ gende Daten erhoben werden: Diagramm 2: Geschlechterverteilung der Französischlehrkräfte Wie in Diagramm 2 gut zu erkennen ist, sind lediglich 5 % der Französischlehr‐ kräfte im Zeitraum von 1851 bis 1937 weiblich. Mit 95 % stellen die männlichen Französischlehrkräfte eine deutliche Mehrheit dar. In der hier vorgestellten Untersuchung konnten drei weibliche Lehrkräfte belegt werden. Diese sind Charlotte Albarus (Datensatz M2), Marie Albrecht (M15) und Emmy Allard (M25). Alle drei haben die Lehrbefähigung für das Fach Französisch im Rahmen einer Lehramtsprüfung erhalten. Unter ihnen war Marie Albrecht diejenige, die als erste Frau im untersuchten Korpus, und zwar im Jahr 1912, die Lehrbe‐ fähigung für Französisch erhielt. Emmy Allard erwarb die Lehrbefähigung für Französisch im Jahr 1914 und Charlotte Albarus im Jahr 1930. Diese Ergebnisse sind ebenfalls ähnlich zu den Ergebnissen aus der Teilstudie Lubinski. Sie stellte Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 319 <?page no="320"?> fest, dass 10 % der von ihr ausgewerteten Personalbögen weibliche Französi‐ schlehrkräfte in einem Zeitraum von 1840 bis 1939 betrafen (vgl. wiederum Kap. 1.1.1). Wenn es sich auch nur um drei Fälle handelt, so bestätigt ihre Chronologie doch die grundlegende Tendenz, dass in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts der Anteil der Studienrätinnen allmählich zunahm. Nach der Darstellung zur Sozialgeschichte des Lehrberufs von Sabina Enzelberger war zur Zeit der Weimarer Republik der Beruf der Studienrätin unter den studierwilligen Frauen der beliebteste. Im Laufe der 1920er Jahre näherte sich dann der Prozentsatz der studierenden Frauen dem der Männer an. Im Jahr 1921 verzeichnete Preußen, laut Enzelberger, in der Kartegorie der Studienräte 17 % Frauen (vgl. Enzelberger 2001, 163-164). 1.2.2 Fächerverbindungen Folgende Fächer kombinierten die Lehrkräfte mit dem Fach Französisch: Diagramm 3: Fächerkombination der Französischlehrkräfte Französisch wird in diesem Diagramm als Vergleichs- und Probegröße aufge‐ führt, d. h., der Anteil wird mit 100 % beziffert. Mit einem Anteil von 60 % ist das Fach Deutsch das am häufigsten mit dem Französischen kombinierte Fach. Da‐ nach folgt das Fach Englisch mit 46 %. Dies lässt sich sicherlich mit den Vorgaben der Prüfungsordnungen gerade ab 1898 begründen, seit der die Verbindungen von Französisch mit Englisch bzw. Deutsch als Hauptfach-Verbindungen ein‐ geführt wurden. Ebenso lassen sich Spuren der anfänglich verpflichtenden 320 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="321"?> Verbindung mit Latein und Griechisch im Diagramm erkennen (zur Entwick‐ lung der Lehrämter und Fächerverbindungen in den Prüfungsordnungen vgl. den einführenden Beitrag Reimann zur Ausbildungs- und Sozialgeschichte). In der hier vorliegenden Teiluntersuchung ist Griechisch mit 21 % und Latein mit 35 % vertreten. In nicht wenigen Fällen wurde Französisch als drittes oder viertes Fach in einer Fächerverbindung auf der Grundlage von Latein/ Griechisch gewählt. Auch Geschichte und Erdkunde bzw. Geographie treten relativ häufig in der Verbindung mit dem Fach Französisch auf, und zwar in 32 % (Geschichte) bzw. 21 % (Erdkunde/ Geographie) der Fälle. Das Fach Religion wurde in 12 % der Fälle mit Französisch kombiniert. Hebräisch ist als Kombinationsfach in dieser Auswertung nicht vorgekommen, was darauf schließen lässt, dass die hier untersuchten Lehrkräfte entweder alternativ Deutsch gewählt oder Religion als Zusatzfach unterrichtet haben. Mit 60 % ist das Fach Deutsch am häufigsten vertreten. Dies bestätigt, dass das Fach Deutsch vermehrt als Ersatzfach für die oben genannten Fächer gewählt wurde. Mathematik ist mit 7 %, Physik mit 5 % als Kombinationsfach zum Französischen vertreten. Chemie, Mineralogie, Botanik und Zoologie sowie „Naturwissenschaften“ allgemein wurden in jeweils 2 % der Fälle mit Französisch kombiniert. Des Weiteren wurden Philosophie in 7 % - wobei die Übergänge zu 5 % philosophische Propädeutik fließend sind -, Turnen bzw. Leibesübungen in insgesamt 7 % sowie Pädagogik und Spanisch in jeweils 4-% der Fälle als Prüfungsfächer gewählt. 1.2.3 Lehramtsprüfungen Weitere Auswertungen haben folgende Ergebnisse in Bezug auf Zeitpunkt und Art der Prüfungen ergeben: Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 321 <?page no="322"?> Diagramm 4: Abschlussjahre der allgemeinen Lehramtsprüfung Diagramm 4 zeigt, wie häufig zu welchem Zeitraum die allgemeine Lehramts‐ prüfung von den Kandidatinnen und Kandidaten, die früher oder später auch im Französischen geprüft wurden, abgelegt wurde. Diesen zu betrachten ist wichtig, da mit der allgemeinen Lehramtsprüfung nicht immer eine Erteilung der Lehrbefähigung für Französisch verbunden war. Diagramm 4 lässt sich entnehmen, dass im Zeitraum von 1910 bis 1919 die meisten Lehramtsprüfungen innerhalb des untersuchten Korpus abgelegt wurden. In dieser Dekade absol‐ vierten 25-% der hier ausgewerteten Lehrkräfte ihre Lehramtsprüfung. Danach folgt der Zeitraum von 1900 bis 1909, in dem 19 % der ausgewerteten Lehrkräfte die Lehramtsprüfung ablegten. Am dritthäufigsten kann die Dekade von 1930 bis 1939 mit 14 % verzeichnet werden. Des Weiteren lässt sich eine steigende Tendenz in den Jahren von 1860 bis 1889 feststellen. Im Folgenden sollen diese Zahlen mit dem Zeitpunkt der Prüfungen im Fach Französisch verglichen werden: 322 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="323"?> Diagramm 5: Abschlussjahre der höchsten Prüfung für das Fach Französisch Diagramm 5 weist ebenfalls den höchsten Wert im Zeitraum von 1910 bis 1919 mit 24 % auf. Generell lässt sich erkennen, dass der Verlauf von Diagramm 5 in etwa dem von Diagramm 4 vergleichbar ist. Allerdings lassen sich höhere Werte für die Prüfung im Fach Französisch leicht zeitversetzt feststellen, was sich dadurch erklärt, dass Französisch nicht selten Dritt- oder Viertfach im Rahmen einer bestehenden Fächerverbindung war (z. B. Griechisch/ Latein + Deutsch + Französisch) und die entsprechende Fachprüfung erst zu einem späteren Zeitpunkt abgelegt wurde (z. B. 1860-1869 8 % der Lehramtsprüfungen, 6 % der Lehrbefähigungen für Französisch, dann 1870-1879 7 % der Lehramtsprüfungen, aber 8 % der Lehrbefähigungen für Französisch, 1880-1889 wiederum 7 % der Lehramtsprüfungen, aber 9 % der Lehrbefähigungen für Französisch, usw.). Der häufige Fall der nachträglichen Erweiterung einer Fächerverbindung durch eine Prüfung im Französischen lässt sich aus den Einzelfallbetrachtungen des Beitrags Lubinski/ Merholz/ Adamus im vorliegenden Band erkennen; diese Tendenz systematisierend zu analysieren, muss weiteren Studien vorbehalten bleiben. Insgesamt lässt sich feststellen, dass es in den oben genannten Zeit‐ räumen nicht nur einen Anstieg an Lehramtsabsolventen gab, sondern auch einen Anstieg der Absolventen im Fach Französisch. Im Folgenden soll betrachtet werden, welche Art von Prüfung für das Fach Französisch nach Ausweis der Personalunterlagen abgelegt wurde (Anmerkung: Prozentsummen von über und unter 100 in dieser und in einigen der folgenden Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 323 <?page no="324"?> Graphik sind darauf zurückzuführen, dass Excel bei der Erstellung von Gra‐ phiken Nachkommastellen aufbzw. abrundet; eine von 100 abweichende Summe wurde der Darstellung von Nachkommazahlen in den Graphiken bis auf einen Fall (Diagramm 7) bevorzugt): Diagramm 6: Art der abgeschlossenen Französischprüfung Dabei steht die Abkürzung EG für Ergänzungsprüfung, LP für Lehramtsprüfung, EW für Erweiterungsprüfung, NF für Nebenfach und HF für Hauptfach. Die Zusammenfassung von LP/ NF bedeutet, dass das Fach Französisch im Rahmen der Lehramtsprüfung abgeschlossen, jedoch als Nebenfach angegeben wurde. Die Zusammenfassung von LP/ HF bedeutet entsprechend, dass das Fach Fran‐ zösisch in der Lehramtsprüfung abgeschlossen und als Hauptfach angegeben wurde. LP + EW oder EG bedeutet, dass das Fach Französisch in der Lehramts‐ prüfung abgelegt wurde, aber die Lehrbefähigung mit einer Ergänzungs- oder Erweiterungsprüfung erweitert wurde (z. B. im Rahmen der Lehramtsprüfung nur Lehrbefähigung bis zur Untersekunda, später dann bis zur Oberprima, usw.) - wobei der Begriffsgebrauch innerhalb der Personalbögen aufgrund der historischen Entwicklungen in den Prüfungsordnungen schwankend ist (vgl. den Beitrag Reimann zur Ausbildungsgeschichte im vorliegenden Band): Die beiden Begriffe „Ergänzungsprüfung“ und „Erweiterungsprüfung“ können sich jeweils sowohl auf ein grundlegend neues Fach als auch auf eine Erweiterung der Lehrbefähigung auf eine höhere Stufe beziehen, z.B.: 324 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="325"?> • Erweiterungsprüfung im Sinne „zusätzliches Fach“ in den Bögen (M3), (M4), (M22), (M40), • Erweiterungsprüfung im Sinne „zusätzliche (höhere) Stufe“ in den Bögen (M12), (M13), (M14), (M27), (M39), (M56), • Ergänzungsprüfung im Sinne „zusätzliches Fach“ in den Bögen (M14), (M31), • Ergänzungsprüfung im Sinne „zusätzliche (höhere) Stufe“ in den Bögen (M5), (M11), (M34), • differenzierender Begriffsgebrauch innerhalb ein und desselben Bogens: Erweiterung im Sinne „zusätzliche (höhere) Stufe“ - Ergänzungsprüfung im Sinne „zusätzliches Fach“: (M14), (M55), • sich überlagernder Begriffsgebrauch innerhalb ein und desselben Bogens - Erweiterungsprüfung sowohl im Sinne von „zusätzliches Fach“ als auch im Sinne von „zusätzliche (höhere) Stufe“: (M32), (M51), • sich doppelt überlagernder Begriffsgebrauch innerhalb ein und desselben Bogens - Erweiterungs- und Ergänzungsprüfung sowohl im Sinne von „zusätzliches Fach“ als auch im Sinne von „zusätzliche (höhere) Stufe“: (M44). In Diagramm 6 ist zu erkennen, dass etwa zwei Drittel (67 %) der Französi‐ schlehrkräfte die Lehrbefähigung für Französisch im Rahmen ihrer ersten Lehramtsprüfung erhielten (LP, LP/ HF, LP/ NF). Weitere 9 % bzw. 4 % erwarben ihre Lehrbefähigung im Rahmen der Lehramtsprüfung, erweiterten diese aber zu einem späteren Zeitpunkt durch eine Erweiterungsbzw. Ergänzungsprü‐ fung. 9 % legten eine nachträgliche Ergänzungsprüfung, 7 % eine nachträg‐ liche Erweiterungsprüfung ab. Es zeigt sich, dass in etwa 20 % der Fälle die Lehrbefähigung erst nachträglich erworben wurde. Auch der nachträgliche Erwerb der Lehrbefähigung einer höheren Stufe zu einem späteren Zeitpunkt stellt aufgrund dieser Daten keine Ausnahme dar. Der Status als Haupt- oder Nebenfach ist nicht in allen Personalbögen benannt, in der Regel wurde eher die (Klassen-)Stufe angegeben, bis zu der die Lehrbefähigung erworben wurde (vgl. zur chronologischen Entwicklung dieser Bezeichnungen in den Prüfungs‐ ordnungen den Beitrag zur Ausbildungsgeschichte im vorliegenden Band). Entsprechend den Angaben in den Personalbögen wurde die Lehrbefähigung für folgende Stufen erworben: Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 325 <?page no="326"?> 6,35% 1,59% 7,94% 1,59% 4,76% 1,59% 20,63% 30,16% 1,59% 3,17% 4,76% 1,59% 14,29% Oberprima (ca. bis Jg. 13) Obersekunda (ca. bis Jg. 11) Untersekunda (ca. bis Jg. 10) Obertertia (ca. bis Jg. 9) Quarta (ca. bis Jg. 7) Quinta (ca. bis Jg. 6) zweite Stufe (ca. bis Jg. 10) erste Stufe (ca. bis Jg. 13) untere Klassen/ Stufe mittlere Klassen/ Mittelstufe Oberstufe alle Klassen keine Angabe 0,00% 5,00% 10,00% 15,00% 20,00% 25,00% 30,00% 35,00% Lehrbefähigung (Stufen) in Französisch Diagramm 7: Lehrbefähigung nach Stufen für das Fach Französisch Die unterschiedliche Terminologie ist dadurch zu begründen, dass das Datenset insgesamt mehrere Jahrzehnte umfasst und unterschiedliche Prüfungsord‐ nungen zugrunde lagen. Ursprünglich wurden tendenziell die weiter gefassten Bezeichnungen „untere Klassen“, „Unterstufe“ usw. verwendet, später wurden genauere Unterscheidungen nach Jahrgangsstufen wie Sexta bis Oberprima ver‐ wendet. Aus der Verordnung der Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen vom 12.9.1898 lässt sich aus Paragraph 11 Absatz 1 entnehmen, dass es in den einzelnen Fächern zwei Stufen der Lehrbefähigung gab. Weiter wird definiert, dass die „zweite Stufe“ die Lehrbefähigung in den unteren und mittleren Klassen bezeichnete und die erste Stufe die oberen Klassen bis zur Oberprima (vgl. Beier 1902, 283). Fasst man nun die einander entsprechenden Lehrbefähigungen in den unterschiedlichen Terminologien zusammen, so wird deutlich, dass ca. 45-% der Französisch-Lehrkräfte eine Lehrbefähigung bis zur Oberstufe (i.-d.-R. Oberprima/ Jahrgangsstufe 13) erworben haben, etwa 32 % bis zur ausgehenden Mittelstufe (Untersekunda/ etwa Jahrgangsstufe 10) unterrichten durften und nur sehr wenige Lehrkräfte eine sich nur auf die Unterstufe (i. d. R. bis Quarta/ etwa Jahrgangsstufe 7) beschränkende Lehrbefähigung erhalten haben (ca. 8 %). 1.2.4 Amtliche Stellung und Beförderung In den Personalunterlagen wurden ebenfalls Angaben zur amtlichen Stellung und Beförderungen getätigt. Diese weisen folgende Ergebnisse auf: 326 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="327"?> 7% 33% 21% 2% 1% 2% 11% 10% 12% 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% Amtliche Stellung der Lehrkräfte Diagramm 8: Amtliche Stellung der Französischlehrkräfte Bei den Angaben der amtlichen Stellungen konnten die Bezeichnungen ordent‐ liche/ r Lehrer/ in, Oberlehrer/ in, Studienrat/ -rätin, Studiendirektor/ -in, Oberstu‐ diendirektor/ -in, Direktor/ -in, Professor/ -in und Rang der Räte IV. Klasse erfasst werden. Auch hier handelt es sich bekannterweise um eine historisch begrün‐ dete unterschiedliche, sich teilweise überlagernde Terminologie: Im 19. Jahrhun‐ dert war der „Oberlehrer“ ganz überwiegend der mit der Lehrbefähigung für die Oberstufe versehene, voll ausgebildete und angestellte Gymnasiallehrer, dem im Verlauf der Titel eines Professors verliehen werden konnte. Dieser wiederum war Voraussetzung für die Verleihung des „Charakters“ bzw. „Charakter-Titels“ des Rangs der Räte zunächst der V., dann der IV. Klasse - alles Maßnahmen, die das Ansehen des Lehrberufs steigern sollten, und die 1918 in die von der Gymnasiallehrerschaft - u. a. von Vorläufern des Philologenverbands - hart erkämpfte Überführung der Amtsbezeichnung „Oberlehrer“ in „Studienrat“ mündeten (zur genauen Chronologie vgl. den Beitrag zur Ausbildungs- und Sozialgeschichte im vorliegenden Band). Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass über 50-% der Lehrkräfte mit einer Lehrbefähigung (auch) für Französisch den Status eines Oberlehrers bzw. Studienrats erlangten, aber auch auf diesem verblieben, nur etwa 5 % im untersuchten (Teil-) Korpus hatten laut Angaben in den Personalbögen höhere Funktionen auf Schulleitungsebene inne (Direktor, Studiendirektor, Oberstudiendirektor). Immerhin etwas mehr als 10 % wurden Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 327 <?page no="328"?> im Laufe der Zeit die Titel eines Professors und eines Rangs der Räte IV. Klasse verliehen. Das folgende Diagramm soll Aufschluss über den Zeitpunkt der zuvor erfassten höchsten Beförderungen und Ernennungen geben: Diagramm 9: Zeitpunkt der Beförderung der Französischlehrkräfte Auffällig ist die hohe Zahl der Beförderungen zwischen 1910 und 1919. Diese lässt sich ggf. darauf zurückführen, dass es im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhun‐ derts, besonders in der Zeit des ersten Weltkrieges, einen Lehrkräftemangel im Volksschulbereich, aber auch an höheren Schulen gab. Folglich wirkte eine Studienratskarriere sehr aussichtsreich und Abiturienten strömten in die Studiengänge für das höhere Lehramt. Dadurch studierten schließlich ein Drittel der männlichen Studierenden auf das höhere Lehramt (vgl. Enzelberger 2001, 159). Da eine Hochschulausbildung für das höhere Lehramt eine sechs-, seit 1917 achtsemestrige Ausbildung mit abschließender Staatsprüfung und anschließendem 1-2 jährigen Vorbereitungsdienst sowie einer zweiten Staats‐ prüfung bedeutete, konnten diese großen Kohorten im zweiten und dritten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zum Oberlehrer bzw. Studienrat befördert bzw. ernannt werden (vgl. Enzelberger 2001, 157). Ein Rückgang der 1920er Jahre setzt sich in den 1930er Jahren fort und führt in den 1940er Jahren zu einem weiteren Rückgang. Unabhängig von der Zahl der insgesamt chronologisch erfassten Fälle spiegeln diese Tendenzen die wirtschaftliche Entwicklung und 328 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="329"?> die Entwicklung des Bildungswesens dieser Jahrzehnte wieder: Hier sind u. a. die Folgen der Inflation von 1923 festzustellen. Die Weltwirtschaftskrise verur‐ sachte ein gravierendes Problem der Arbeitslosigkeit, erstmalig wurden sogar verbeamtete Lehrer und Lehrerinnen aus dem Staatsdient entlassen. Hiervon waren 10 % der höheren Schulen betroffen. Dazu kamen Zwangspensionie‐ rungen und spürbare Gehaltskürzungen (vgl. z. B. Enzelberger 2001, 159, vgl. auch den Beitrag zur Ausbildungs- und Sozialgeschichte im vorliegenden Band). Vor diesem Hintergrund wie auch vor dem Hintergrund der späteren Wirren des zweiten Weltkriegs kann der starke Rückgang von Beförderungen ab 1923 begründet werden. 1.2.5 Auslandsaufenthalt und Doktortitel Bei den Auswertungen der Daten fiel auf, dass nur wenige Lehrkräfte einen Auslandsaufenthalt in Frankreich aufweisen konnten. Dieser wird heute in einem Fremdsprachenstudium für das höhere Lehramt in der Regel vorausge‐ setzt. Somit soll das folgende Diagramm Aufschluss darüber geben, ob ein Auslandsaufenthalt damals üblich war: Diagramm 10: Anteil der Französischlehrkräfte mit Auslandsaufenthalt Das Diagramm 10 stellt deutlich dar, dass 60 % der hier ausgewerteten Franzö‐ sischlehrkräfte keinen Auslandsaufenthalt absolvierten. Dieser Teil stellt damit die absolute Mehrheit dar. 23 % dagegen absolvierten einen Auslandsaufenthalt. Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 329 <?page no="330"?> Bei 18 % der Französischlehrkräfte wurde dazu keine Angabe gemacht. Nach Angaben der Lehrkräfte in den Personalbögen gab es sieben Lehrkräfte, die für ein einige Monate bis zu einem Jahr in Frankreich studierten (vgl. M9, M21, M23, M26, M27, M45, M57). Des Weiteren gab es drei Lehrkräfte, die sich aufgrund des Krieges in Frankreich aufhielten (vgl. M3, M22, M50). Drei weitere Lehrkräfte absolvierten in Frankreich ein Diplom oder besuchten ein französisches Gymnasium (vgl. M25, M31, M40). Während Auslandsaufenthalte als qualifizierendes Moment also eher die Ausnahme darstellten, war der wissenschaftliche Anspruch der Gymnasiallehr‐ kräfte gerade im 19. Jahrhundert hoch. Nicht wenige erlangten den Grad eines Doktors (in der Regel Dr. phil, aber auch Dr. jur. belegt (vgl. M26). Im Folgenden soll dies genauer dargestellt werden: Diagramm 11: Gesamtanteil der Doktortitel Nach Diagramm 11 konnte ein Gesamtanteil von 40 % der Französischlehrkräfte mit Doktortitel festgestellt werden, d. h., fast die Hälfte - 23 von 57 im untersuchten Teilkorpus - der Lehrkräfte (auch) für Französisch war über das Staatsexamen hinaus wissenschaftlich durch eine Promotion ausgewiesen. Dabei handelt es sich häufig um klassisch-philologische Arbeiten, nicht selten aber tatsächlich auch um romanistische Dissertationen. Bezogen auf die Ge‐ schlechterverteilung der Promotionen lässt sich Folgendes feststellen: 330 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="331"?> Diagramm 12: Geschlechterverteilung der Doktortitel unter den Französischlehrkräften Zu diesem Diagramm ist zunächst in Erinnerung zu rufen, dass sich die zugrunde liegende Geschlechterverteilung sehr ungleich verhält. So ging aus Diagramm 2 hervor, dass 95 % der erfassten Französischlehrkräfte Männer und nur 5 % Frauen waren. Demnach lassen die Zahlen in Diagramm 12 den Rückschluss zu, dass alle Frauen einen Doktortitel erhielten. Aus den ausgewerteten Personalbögen lässt sich ablesen, dass die erste Frau unter den ausgewerteten Lehrkräften 1912 die Doktorwürde erlangte. Hierbei handelt es sich um Marie Albrecht (vgl. M15). Nur ein Jahr später, 1913, erhielt Emmy Allard die Doktorwürde und 1930 dann Charlotte Albarus (vgl. M25 und M2). Bei den männlichen Lehrkräften hat die Mehrheit keinen Doktortitel (sie repräsentieren die 60 % der Nicht- Promovierten im gesamten Korpus), aber immerhin 35 %, also mehr als jeder Dritte, der männlichen Lehrkräfte für Französisch können einen Doktortitel nachweisen. 1.2.6 Wissenschaftliche Veröffentlichungen Weiterhin scheint vor dem Hintergrund des wissenschaftlichen Anspruchs der höheren Schulen seit dem 19. Jahrhundert - der allein durch die Einführung einer solchen Kategorie in den Formularen der Personalbögen hervorgeht - die Frage interessant, inwieweit Lehrkräfte, die (auch) Französisch unterrich‐ teten, wissenschaftlich publizierten. Eine Auswertung des Korpus ergibt, dass Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 331 <?page no="332"?> immerhin etwa ein Drittel (30 %) der Lehrkräfte eine oder mehrere wissenschaft‐ liche Veröffentlichungen in ihrer Personalakte angegeben haben. Diagramm 13: Anteil der wissenschaftlichen Veröffentlichungen bei den Lehrkräften mit Fakultas für Französisch Darüber hinaus wurde untersucht, ob alle (Französisch-)Lehrkräfte, die einen Doktortitel erlangten, auch (ggf. weitere) wissenschaftliche Veröffentlichungen vorgelegt haben. Innerhalb der Kategorie der Promovierten machen sie die Mehrheit aus, d. h., von den promovierten (Französisch-)Lehrkräften hat etwas über die Hälfte (52 %) mindestens eine wissenschaftliche Veröffentlichung vorgelegt (in der Regel die schriftliche Promotionsleistung). Ein Anteil von 48 % verzeichnete trotz Doktortitel keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen oder machte zumindest keine Angabe dazu. Dies ist darauf zurückzuführen, dass im 19. Jahrhundert noch keine Publikationspflicht bei der schriftlichen Promotionsleistung bestand. Des Weiteren ist anzumerken, dass die Personal‐ akte von Wilhelm Altenburg (vgl. M34) als einzige eines Nicht-Promovierten im untersuchten (Teil-)Korpus wissenschaftliche Veröffentlichungen aufwies, aber keine Angabe zu einem Doktorgrad gemacht wurde. 332 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="333"?> 1.3 Teilkorpus BAA - BAR (n = 100) (Carolin Adamus) 1.3.1 Frauenanteil an preußischen Schulen und unter den Französischlehrkräften Für die Auswertung der Geschlechterverteilung wurden die erhobenen Daten nach verschiedenen Kriterien analysiert und graphisch dargestellt. In einem ersten Schritt wurden die Lehrkräfte aller Schulformen nach dem Geschlecht aufgeteilt, zu sehen ist dies in Diagramm 1. Es ergab sich eine Anzahl von 378 Frauen, was einem Prozentsatz von 25.08 % entspricht. Daraus ergibt sich, dass etwa ein Viertel der insgesamt erfassten Lehrkräfte Frauen sind. Auffällig ist hier nicht nur die stark abweichende Anzahl von Männern und Frauen, sondern auch die zeitliche Verschiebung der Daten. Während hier der erste Lehrer 1806 geboren wurde, wurde die erste Frau 1859, also über 50 Jahre später geboren. Van Essen und Rogers sprechen bei dem ungleichmäßigen Eindringen von Frauen in den Lehrerberuf im Laufe des 19. Jahrhunderts von einer „Feminisierung des Berufs“ (Van Essen/ Rogers 2006, 321). Die Lehrerin erhält das Bild der mütter‐ lichen Erzieherin (Van Essen/ Rogers 2006, 321). Dennoch zeigt die hier erstellte Grafik, dass das Auftreten der Frauen nicht dazu führte, dass weniger Männer sich für das Lehramt entschieden. Eine feministische Bewegung entsteht in der Mitte des 19. Jahrhunderts, die unter anderem durch die steigende Anzahl der Mädchenschulen ausgelöst wurde, denn mit dieser weiteren Verbreitung treten immer mehr Lehrerinnen in den Berufsstand ein. Ziel dieser Bewegung ist es die Professionalisierung von Frauen im Lehrberuf durchzusetzen (Van Essen/ Rogers 2006, 325, vgl. auch den in Ausbildungs- und Sozialgeschichte einführenden Beitrag im vorliegenden Band). Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 333 <?page no="334"?> n=1133 n=378 Diagramm 1: Gegenüberstellung von Lehrerinnen und Lehrern an allen erfassten preu‐ ßischen Schulen; n=1511 In einem weiteren Schritt wurden die Daten nach der Schulform gefiltert ana‐ lysiert. Diagramm 2 zeigt die Anzahl der Lehrerinnen und Lehrer ausschließlich an höheren Schulen. Hierbei ungeachtet sind, wie in der vorherigen Diagramm auch, die gewählten Fächer. Bei einer Anzahl von insgesamt 430 erfassten Lehr‐ kräften an höheren Schulen, sind 72 Lehrerinnen und 358 Lehrer auszumachen. Der Anteil der Frauen an höheren Schulen betrug somit 16.74 %. Auch hier ist deutlich zu erkennen, dass Frauen mit einem Geburtsjahr nach 1859 langsam den Weg in die höheren Schulen fanden, aber noch lange den männlichen Lehrkräften zahlenmäßig unterlegen waren. 334 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="335"?> n=73 n=357 Diagramm 2: Gegenüberstellung von Lehrerinnen und Lehrern an höheren Schulen nach Geburtsdatum; n=430 n F rauen_V olks = n F rauen_gesamt − n F rauen_H öℎer e 1 Über Formel 1 kann der absolute Anteil der Frauen an Volkschulen n F rauen_V olks aus der Differenz der Frauen an allen erfassten Schulen n F rauen_gesamt und der Frauen an höheren Schulen n F rauen_H öℎer e berechnet werden. n V olks_gesamt = n gesamt − n H öℎer e_gesamt 2 Analog dazu erfolgt in Formel 2 die Berechnung für die gesamten Lehrenden an Volksschulen n V olks _gesamt aus der Differenz aller erfassten Lehrkräfte n gesamt und denen der höheren Schulen n H öℎer e_gesamt . n F rauen_V olks _ % = n F rauen_V olks ⋅ 100 n V olks _gesamt 3 Aus den Ergebnissen der Formel 1 und 2 kann nun der prozentuale Anteil der Frauen an Volksschulen ermittelt werden. Die Formeln 4, 5 und 6 geben diese Rechnungen wieder, die mit den ermittelten Werten durchgeführt wurden. Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 335 <?page no="336"?> n F rauen_V olks = 378 − 72 = 306 4 n V olks _gesamt = 1511 − 430 = 1081 5 n F rauen_V olks _ % = 306 ⋅ 100 1081 = 28 . 31 % 6 Aus Formel 6 wird deutlich, dass der Frauenanteil an Volksschulen 28.31 % beträgt. Somit übersteigt er den Anteil der Lehrerinnen an höheren Schulen deutlich. Die nachfolgende Formel 7 gibt die Berechnung wieder, welcher Anteil der Frauen an Volks- und welcher an höheren Schulen unterrichtete. n V olksscℎulleℎr erinnen_ % = n F rauen_V olks ⋅ 100 n F rauen_gesamt 7 Mit den eingesetzten Werten ergibt sich aus Formel 8, dass 80.95 % der Leh‐ rerinnen insgesamt an Volksschulen unterrichteten und analog dazu 19.05 % der Lehrerinnen eine Lehramtsprüfung für den Unterricht an höheren Schulen absolvierten. n V olksscℎulleℎr erinnen_ % = 306 ⋅ 100 378 = 80 . 95 % 8 Konkret auf den Französischunterricht bezogen konnte ein Frauenanteil n F rauen_F ranzösicℎ von 6 % ausgemacht werden, was auch, bedingt durch die Größe der Stichprobe, dem absoluten Wert entspricht. Dies ist in Diagramm 3 graphisch dargestellt. 336 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="337"?> 6 94 Lehrerinnen Lehrer Diagramm 3: Französischlehrerinnen und -lehrer; n=100 Insgesamt zeigen die ermittelten Daten und Werte, dass Frauen erst ein halbes Jahrhundert später in den Lehrberuf einstiegen. Im gesamten Betrachtungszeit‐ raum sind sie den Lehrern zahlenmäßig, sowohl an Volksals auch an höheren Schulen, unterlegen. Circa 80 % aller Frauen im Lehrerberuf unterrichteten an Volksschulen. Mithilfe von Formel 9 soll berechnet werden, wie groß der Anteil der Französischlehrerinnen innerhalb der Frauen an höheren Schulen n F ranzösiscℎleℎr erinnen_% war. n F ranzösiscℎleℎr erinnen_% = n F rauen_F ranzösicℎ ⋅ 100 n F rauen_H öℎer e 9 Durch Einsetzen der Werte ergibt sich: n F ranzösiscℎleℎr erinnen_% = 6 ⋅ 100 72 = 8.33% 10 Von den verbleibenden 20 % haben wiederum nur 8.33 % eine Lehramtsprüfung für die neue Fremdsprache Französisch abgelegt. Der geringe Anteil an Frauen vor allem im höheren Schulwesen Preußens, kann damit begründet werden, dass für Mädchen und Frauen es erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch die Bestimmungen über die Neuordnung des höheren Mädchenschulwesens allmählich möglich wurde, das Abitur abzulegen und damit eine Zugangsbe‐ rechtigung für die Universitäten erhielten (Herrlitz et al. 2005, 83). Dass 80 % der weiblichen Lehrkräfte an Volksschulen unterrichteten, kann damit erklärt Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 337 <?page no="338"?> werden, dass für die Ausbildung kein Universitätsstudium vorgesehen war. Somit war die Volksschule lange der einzige Weg für Frauen in den Schuldienst. 1.3.2 Lehrkräfte an höheren Schulen Bei der Auswertung der Daten muss berücksichtigt werden, dass es sich in der Darstellung aus Diagramm 4 um das Geburtsdatum der Lehrkräfte handelt. Eine Lehramtsprüfung dürfte in den meisten Fällen circa 25 Jahre später stattgefunden haben. Der rasche Anstieg der Zahl der Lehrkräfte insgesamt, die nach 1840 und vor allem nach 1860 geboren wurden, könnte also damit zusammenhängen, dass alle Lehrerinnen und Lehrer der höheren Schulen ab 1852 als Beamte definiert wurden, wodurch die Attraktivität des Berufs deutlich anstieg (Müller-Benedict 2008, 192). Der Anstieg seit den 1850er Jahren des 19. Jahrhunderts kann damit erklärt werden, dass in den 1870er Jahre eine starke Mangelphase entstand, die durch die wachsende Zahl der Gymnasien und die industriellen Entwicklungen verursacht wurde. Dadurch kam es um 1880 dazu, dass ein immer größerer Teil der Studenten, etwa 40 %, Lehramts‐ anwärter waren. Mitte der 1880er Jahre bis 1900 war eine Überfüllungskrise zu verzeichnen (Müller-Benedict, 2008: 194), was die starke Abflachung um 1900 erklären könnte, da sich weniger Studierende für ein Lehramtsstudium entschieden (vgl. auch den Beitrag zur Ausbildungs- und Sozialgeschichte im vorliegenden Band, bes. Kap. 3.1). Diagramm 4: Verteilung der Lehrerinnen und Lehrer an höheren Schulen nach Geburts‐ datum; n=430 338 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="339"?> 1.3.3 Fremdsprachenlehrkräfte und Fächerkombinationen Französisch erlebte als neue Fremdsprache im Laufe des 19. und 20. Jahr‐ hunderts viele Veränderungen und musste sich immer wieder gegen äußere Einflüsse durchsetzen. Aber diese waren es auch, die dem Französischen zu seinem Aufschwung verholfen haben. Auch allgemeine Phasen von Mangel und Überfüllung wirkten sich auf die Verteilung bezüglich des Datums der Festanstellung aus. Der erste hier erfasste Lehrer wurde 1844 fest angestellt, was mit der Prüfungsordnung von 1831, die erstmals Französisch explizit als Prüfungsgegenstand des sprachlichen Bereichs vorsah (vgl. den Beitrag zur Ausbildungsgeschichte im vorliegenden Band, bes. Kap. 2.1.3 und 2.1.9), und der Ministerialverfügung von 1837 begründet werden kann, nach der Französisch als verbindlicher Lehrgegenstand an Gymnasien eingeführt wurde (vgl. den einleitenden Beitrag Reimann zur historischen Kontextualisierung im vorliegenden Band, Kap. 3.1). Ab den 1880er Jahren erfuhr das Französi‐ sche einen weiteren Aufschwung, indem Realgymnasien und Oberrealschulen sukzessive aufgewertet wurden (vgl. wiederum den Beitrag zur historischen Kontextualisierung im vorliegenden Band, bes. Kap. 2). Nach einem kleinen Einbruch unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg war Französisch ab Ende der 1920er Jahre wieder voll etabliert, wurde aber nach der Machtübernahme von Adolf Hitler durch die nationalsozialistische Bildungsreform spürbar abgewertet (vgl. einführend z. B. Reimann 2023, 120 f., mit weiterführender Bibliographie). Vor dem Hintergrund dieser Eckdaten zur Geschichte des Französichunterrichts lassen sich die Entwicklungen in Diagramm 5 gut erklären. Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 339 <?page no="340"?> Diagramm 5: Aufstellung der Französischlehrerinnen und -lehrer nach dem Datum der Festanstellung; n=100 Um die Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts und vor allem die profes‐ sionelle Identitätsbildung der Lehrkräfte nachvollziehen zu können, ist eine Betrachtung der mit Französisch im höheren Lehramt kombinierten Sprachen relevant. Nachfolgend werden statistische Auswertungen über die Fächer La‐ tein, Griechisch und Hebräisch als alte Fremdsprachen sowie Englisch, Spanisch und Italienisch als neue Fremdsprachen vorgestellt. Dafür werden zunächst die Lehrerinnen und Lehrer genauer betrachtet, die diese Fächer ohne Französisch als Kombinationsfach lehrten, und mit dem Französischen gegenübergestellt. Diagramm 6 zeigt die prozentuale Verteilung der Fremdsprachenlehrkräfte an höheren Schulen. Daraus wird deutlich, dass die Zahl der Französischlehrkräfte mit 23.26 % nur leicht unter denen der alten Sprachen mit 25.35 % liegt. Werden die anderen neuen Sprachen mit dem Französischen zusammengenommen, überwiegen diese sogar knapp mit 26.98 %. Zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass alle Lehrkräfte einer neuen Fremdsprache ohne Französisch als Kombinations‐ fach, die hier erfasst wurden, Englisch unterrichteten. Insgesamt haben 36.51 % der Lehrerinnen und Lehrer an höheren Schulen keine Lehrbefähigung für eine Fremdsprache erhalten. 340 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="341"?> Diagramm 6: Fremdsprachenlehrkräfte an höheren Schulen; n=430 Alle seinerzeit etablierten Fremdsprachen sind als Kombinationsfach zu Fran‐ zösisch vertreten. Darüber hinaus auch noch Spanisch und Italienisch, als neue Sprachen, sowie viele weitere mögliche Fächerkombinationen. Der Lehrer Backhaus, Wilhelm (A27) legte sogar in zehn Fächern die Lehramtsprüfung ab, mit denen er alle Fachrichtungen und Gebiete abdeckte. Er unterrichtete so‐ wohl Naturwissenschaften, Geschichte, Religion als auch Sprachen. Diagramm 7 stellt die Häufigkeit der Kombinationsfächer neben Französisch dar. Der errechnete Durchschnitt der Anzahl an Kombinationsfächern liegt bei 2.95 Fächern, also hat durchschnittlich jede Lehrkraft für vier Fächer eine Lehrer‐ laubnis erhalten. Bei der Auswertung muss beachtet werden, dass diese Fächer ebenfalls untereinander kombiniert wurden. Besonders sticht in dem Diagramm Englisch als häufigstes Fach hervor, mit 66 von insgesamt 100 Lehrerinnen und Lehrern. Auffällig ist hierbei vor allem, dass die alten Fremdsprachen zusammengenommen nicht an den Wert von Englisch herankommen. Als Ausnahme zu betrachten sind diejenigen Lehrkräfte, die zusätzlich Italienisch und/ oder Spanisch unterrichteten, da sie in dieser Zeit nur selten an den höheren Schulen Preußens unterrichtet wurden, daher sind diese Zahlen sehr gering. Nicht verwunderlich ist es, dass sie mit Französisch in Kombination auftreten, da es sich bei allen um neue Fremdsprachen handelt. So kann aus der Grafik geschlussfolgert werden, dass das Französische wahrscheinlicher mit einer weiteren neuen Fremdsprache kombiniert wurde als mit einer der alten. Dass der Anteil der Sprachen überwiegt, liegt daran, dass bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts die Wahl der Fächerkombinationen den Lehrerinnen und Lehrern nicht freigestellt war. Mindestens beide Hauptfächer sollten aus dem Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 341 <?page no="342"?> gleichen Gebiet stammen: entweder Sprachen oder Mathematik und Naturwis‐ senschaften (Mandel 1989, 42-60). Abgesehen von den Sprachen lassen sich weitere beliebte Kombinationsfächer ausmachen. An insgesamt dritter Stelle der beliebtesten Fächer steht Geschichte, mit 36 Lehrkräften, die dieses Fach unterrichteten. Ebenfalls hervor stechen Religion, Geographie und Philosophie. Diagramm 7: Kombinationsfächer zu Französisch (n=100 Lehrerinnen und Lehrer) Durch den zahlenmäßigen Angleich, insgesamt und innerhalb der Französi‐ schlehrkräfte, zwischen den neu- und altsprachlichen Lehrkräften im betrach‐ teten Zeitraum, wird nachfolgend dargestellt, wie sich die Verteilung der kombinierten Sprachen im zeitlichen Verlauf verhält. Diagramm 8 zeigt diesen Verlauf der Kombinationsfächer Hebräisch (rot), Griechisch und Latein (grün) und Latein (blau) grafisch. Gut zu erklären sind diejenigen Lehrkräfte, die Hebräisch mit Französisch kombiniert unterrichteten. In allen drei aufgetre‐ tenen Fällen handelt es sich um Theologen. Die erfassten Lehrer legten die Lehramtsprüfung für Hebräisch in den Jahren 1901 und 1903 ab. Im Jahr 1938 wurde durch einen amtlichen Erlass durch das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung und der Unterrichtsverwaltungen der Länder (1938, 15) der Hebräischunterricht an den höheren Schulen Preußens aufgehoben. Daher ist die hier ermittelte Zahl und der dazugehörige Zeitpunkt der Lehramtsprüfung der Hebräischlehrer nicht verwunderlich. Es kann an dieser Stelle also festgehalten werden, dass die verzeichneten Lehrer noch ca. 35 Jahre den Hebräischunterricht erteilen durften. 342 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="343"?> n=36 Anzahl der Lehrkräfte Diagramm 8: Verteilung der Kombinationsfächer Hebräisch (rot), Griechisch und Latein (grün) und Latein (blau) nach dem Datum der Lehramtsprüfung; n=36 Als Kombinationsfach zu Französisch ist Griechisch ausschließlich mit Latein als weiterem Fach aufgetreten. 13 Lehrerinnen und Lehrer unterrichteten diese Fächer miteinander verknüpft. Aber auch hier zeigt der zeitliche Verlauf, dass diese vor Mitte der 1880er Jahre verstärkt auftraten, wohingegen nach 1900 nur noch rund ein Drittel der Lehrkräfte die Lehrbefähigung erhielten. Die Zahl der Lateinlehrerinnen und -lehrer verhält sich für den untersuchten Zeitraum nahezu konstant. Hüllen erklärt dieses Phänomen folgendermaßen: Die gymnasiale Idee von altsprachlichem Fremdsprachenunterricht […] hat […] so viel Schubkraft entwickelt, dass in Deutschland bis heute sehr viel mehr Lateinunterricht in allgemeinen Schulen angeboten wird als in allen anderen Ländern Europas. (Hüllen 2005, 86) Die gleiche Aufstellung wurde für die neuen Sprachen erstellt und ist in Diagramm 9 zu sehen. In Verbindung mit Französisch wurde am häufigsten Englisch als neue Fremdsprache hinzugewählt. Insgesamt unterrichteten 66 Lehrerinnen und Lehrer Englisch mit Französisch kombiniert. Diagramm 9 stellt den zeitlichen Verlauf der Kombinationsfächer Englisch (blau), Spanisch (grün) und Englisch, Italienisch und Spanisch (rot) nach dem Datum der Lehramtsprü‐ fung der Lehrkräfte grafisch dar. Hervorstechend ist, dass der erste Englisch‐ lehrer nach 1832 auftritt, denn zu diesem Zeitpunkt wurde „das Englische als fakultatives Fach in die Lehrpläne aufgenommen“ (Mugdan/ Paprotté 1983, 72). Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 343 <?page no="344"?> Erste Bündelungen für Englisch treten um 1880 auf. Zurückzuführen ist dies auf die Tatsache, dass in dieser Zeit Englisch, aufgrund seiner industriellen und wirtschaftlichen Bedeutung, bereits auf dem Weg zur Weltsprache war (Mugdan/ Paprotté 1983, 74). Der Vergleich von Diagramm 8 mit Diagramm 9 zeigt deutlich, dass der letzte erfasste Latein- und Griechischlehrer 1921 die Lehramtsprüfung ablegte, jedoch die neuen Fremdsprachen nicht nur bis 1940 vertreten sind, sondern ab 1924 auch Spanisch und 1928 Italienisch neben Englisch in Verbindung mit Französisch als Fächerkombination auftraten. Diese Ergebnisse decken sich mit den Aussagen von Ostermeier: Spanisch und Italienisch nahmen an den höheren Schulen in Preußen eine untergeordnete Stellung ein und wurden in der Regel nur als Wahlfach unterrichtet. Meist tauchte das Spanische nicht einmal in den Lehrplänen auf. Vor den zwanziger Jahren des 20.-Jahrhunderts blieb Spanisch für den institutionalisierten Fremd‐ sprachenunterricht nahezu bedeutungslos. Italienisch erhielt im Gegensatz dazu eine stärkere Rolle in Bayern, dort konnte bereits ab 1873 eine Lehramtsprüfung für dieses Fach abgelegt werden (Ostermeier 2012, 71-75). n=68 Diagramm 9: Verteilung der Kombinationsfächer Spanisch (grün), Italienisch, Spanisch und Englisch (rot) und Englisch (blau) nach dem Datum der Lehramtsprüfung; n=68 1.3.4 Lehrbefähigung, Publikationen, Promotion und amtliche Stellung der Lehrkräfte Es konnten nicht nur zwischen den Lehrkräften verschiedene Lehrbefähigungen ausgemacht werden, sondern es konnte auch eine Lehrerin oder ein Lehrer für die verschiedenen Fächer unterschiedliche Lehrbefähigungen erhalten. 344 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="345"?> Diese wurden für Französisch quantitativ erfasst und für die vereinfachte Interpretation in Unter-, Mittel- und Oberstufe zusammengefasst. Die Lehrbe‐ fähigungen der erhobenen Lehrkräfte sind in Diagramm 10 dargestellt. Nur jeweils drei Lehrkräfte haben entweder in der Unterstufe unterrichtet oder keine Befähigung angegeben. In Ober- und Mittelstufe verhält sich die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer gleich bei je 47 %. Für die Lehrerinnen kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass 3 von 6 in der Mittelstufe und 3 in der Oberstufe Unterricht für Französisch erteilten. Diagramm 10: Lehrbefähigung für Französisch; n=100 Besonders gut lassen sich, durch die gleiche Anzahl, diejenigen Lehrkräfte bezüglich Promotion und Publikationen vergleichen, die in der Mittel- und Oberstufe Französisch unterrichteten. Die Korrelation zwischen Promotion und Lehrbefähigung sowie zwischen Publikationen und der Lehrbefähigung in Französisch ist in Diagramm 11 dargestellt. Im Fall der Lehrerinnen und Lehrer, die Französisch in der Oberstufe unterrichteten, fällt auf, dass sie zwar, im Vergleich zu denjenigen mit einer Lehrbefähigung für die Mittelstufen, häufiger die Doktorwürde erwarben, jedoch seltener wissenschaftliche Arbeiten und Texte publizierten. Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 345 <?page no="346"?> Diagramm 11: Korrelation zwischen der Lehrbefähigung für Französisch und Promotion sowie Publikation Insgesamt hat in beiden Fällen die Mehrheit der Lehrkräfte weder einen akademischen Titel erworben noch eine wissenschaftliche Arbeit veröffentlicht. Aufklärung darüber, warum Lehrerinnen und Lehrer mit einer Lehrbefähigung für die Oberstufe zwar häufiger promovierten, aber seltener wissenschaftliche Texte publizierten, könnte Tabelle 1 geben, in der dargestellt wird, auf welche amtlichen Stellungen sich die Lehrkräfte der Oberstufe verteilten. Aus der Tabelle wird deutlich, dass die Oberstufenlehrkräfte häufig eine der höheren amtlichen Stellungen besetzten. So waren 12,8 % von ihnen als Direktoren und 14,9 % als Gymnasialprofessoren tätig. Diese Stellungen erforderten mehr außer‐ unterrichtliches Engagement, wodurch die Annahme entsteht, dass diese Lehr‐ kräfte in höheren Positionen weniger zeitlichen Aufwand betreiben konnten, um wissenschaftliche oder literarische Texte zu veröffentlichen. 346 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="347"?> Tabelle 1: Verteilung der Lehrkräfte der Oberstufe auf amtliche Stellungen; n=47 Zwar ist die Zahl der erfassten Unterstufenlehrkräfte mit 3 sehr gering, aber alle haben wissenschaftliche Arbeiten im Laufe ihrer Karriere veröffentlicht (vgl. Abb. 11). Bei diesen drei Lehrkräften handelt es sich um einen ordentlichen Lehrer, einen Oberlehrer und einen Gymnasialprofessor, der diesen Rang jedoch erst einige Zeit nach seinen Publikationen erhielt. Zwar kann die vorherige Annahme dadurch nicht aussagekräftig bestätigt werden, allerdings auch nicht widerlegt. Zu erwähnen bleibt, dass keine der sechs zusammengetragenen Französischlehrerinnen promovierte oder eine Arbeit publizierte. Auf die Ge‐ samtheit der untersuchten Französischlehrkräfte gesehen, haben 42 % den akademischen Titel des Doktors erworben und 44 % eine wissenschaftliche Arbeit veröffentlicht. Die hohe Zahl der Lehrerinnen und Lehrer mit Doktortitel und/ oder Publikation war mitbestimmend dafür, dass das Ansehen der Gymna‐ siallehrkräfte in der Gesellschaft stieg (Kraus 2008, 55). Zur Veranschaulichung der amtlichen Stellungen der Lehrkräfte, die in den meisten Fällen in den Personalunterlagen vermerkt waren, dient Diagramm 12. Die Zweiteilung des Balkens der Studienräte ist darin begründet, dass der untere Teil die Lehrerinnen darstellt. Alle der sechs erfassten Frauen waren in ihrer höchsten Position als Studienrätin angestellt. Darüber hinaus waren folgende amtliche Stellungen in dieser Stichprobe vertreten: Oberlehrer, Gymnasialpro‐ fessor, Direktor, ordentlicher Lehrer, Oberstudienrat, Oberstudiendirektor und Studiendirektor. In Summe hat bei 16 % der Lehrkräfte eine Angabe über eine feste Anstellung im höheren Schuldienst Preußens gefehlt. Auch kann nicht immer davon ausgegangen werden, dass die Unterlagen bis zur Pension oder sonstigem Ausscheiden aus dem Amt fortgeführt wurden. Aus der quantitativen Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 347 <?page no="348"?> Analyse der gewonnenen Daten konnte ermittelt werden, dass insgesamt ein Drittel der Französischlehrerinnen und -lehrer als Studienrat oder -rätin fest angestellt waren. Diagramm 12: Amtliche Stellung der Französischlehrerinnen und -lehrer; n=100 Der Titel des Professors konnte seit 1892 vom jeweils dienstältesten Drittel der Oberlehrer getragen werden (Kraus 2008, 55). Ab 1898 stiegen alle von ihnen in den IV. Rang der Räte auf (Müller-Benedict 2008, 192). Weitere Änderungen ergaben sich in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts (vgl. detaillierter den Beitrag zur Ausbildungs- und Sozialgeschichte im vorliegenden Band, bes. Kap. 3.3). Zum Ausgleich für den weggefallenen Professorentitel wurde die Stellung des Oberstudienrats geschaffen. Zudem erhielten Direktoren ab 1922 die Bezeichnung Oberstudiendirektor oder Studiendirektor (Müller-Benedict 2008, 192). Die Bezeichnung als Oberlehrer oder Oberlehrerin wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufgehoben und wurde zu Studienrat oder -rätin (Bölling 1983, 30). Daher werden diese in der Deutung der Daten zusammengefasst. Als Professor, oder gleichbedeutend als Oberstudienrat, waren 16 % der ermittelten Lehrpersonen angestellt. Die Hälfte der Lehrkräfte war als Studienrat oder -rätin oder als Oberlehrer angestellt. 14 weitere Oberlehrer stiegen nach 1892 zum Gymnasialprofessor auf. 12 % der erfassten Lehrerinnen und Lehrer standen in einer leitenden Position als Direktor oder (Ober-) Studiendirektor im Dienst. Nur 6-% waren in den Personalbögen als ordentliche Lehrer ausgewiesen. 348 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="349"?> 1.3.5 Kriegsbeteiligung und -auszeichnungen Im untersuchten Zeitraum fanden drei große Kriege mit deutscher und franzö‐ sischer Beteiligung statt: 1870-1871 der Deutsch-Französische Krieg, 1914-1918 der Erste- und 1939-1945 der Zweite Weltkrieg. Diagramm 13 kann entnommen werden, dass insgesamt 38 % der Lehrer in den verschiedenen Feldzügen dienten. Zwei Lehrer wurden als unklar eingestuft, da keine eindeutigen Informationen dazu in den Unterlagen zu finden sind. Bei einem von ihnen (A68 Baltes, Peter) weist eine entsprechende Lücke im Lebenslauf, eines ansonsten vollständig scheinenden Personalbogens, auf eine Kriegsbeteiligung hin. Im zweiten Fall (A90 Bardey, Erich) fehlen ebenfalls explizite Informationen, jedoch findet sich in den Unterlagen eine Randnotiz mit der Bemerkung, dass er für sein Vaterland starb. Um Spekulationen zu vermeiden, wurden diese beiden Lehrkräfte als unklar eingestuft. Weitere zwei Lehrer wurden als dauernd untauglich einge‐ stuft, wodurch ihnen eine Teilnahme an Feldzügen nicht möglich war. Keine Teilnahme am Krieg gaben 58 % der Lehrkräfte an, wobei zu erwähnen bleibt, dass sich darunter auch die sechs Lehrerinnen befinden. Da der Erste Weltkrieg mittig des Betrachtungszeitraums liegt, ist es nachvollziehbar, dass die meisten der Lehrer mit Kriegsbeteiligung in diesem dienten. Lediglich jeweils zwei Lehrer dienten im Deutsch-Französischen Krieg bzw. im Zweiten Weltkrieg. Nur wenige der Kriegsbeteiligten gaben den genauen Ort des Einsatzes an. Aller‐ dings kann von vieren eindeutig eine Stationierung in Frankreich entnommen werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass einige Lehrer durch eine Stationierung in Frankreich den Kontakt zur neuen Fremdsprache erhielten oder aufgrund ihrer Fremdsprachenkenntnisse dort zum Einsatz kamen. Diagramm 13: Kriegsbeteiligung der Französischlehrerinnen und -lehrer; n=100 Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 349 <?page no="350"?> Auch ein Teil der Lehrer, die keine Feldzüge in ihren Unterlagen angaben, er‐ hielten Kriegsauszeichnungen, in den meisten Fällen für Kriegshilfe. Diagramm 14 veranschaulicht die Zahl der Lehrpersonen mit Kriegsauszeichnung. Von den 38 Lehrern, die an einem der Kriege beteiligt waren, erhielten 26, also 68.42 %, eine oder mehrere Auszeichnungen oder Orden für ihre Dienste im Heer. Hingegen nur 12 Personen erhielten nie eine Auszeichnung. Diagramm 14: Teilnahme an Feldzügen und Kriegsauszeichnungen; n=100 1.3.6 Auslandsaufenthalte während des Studiums Während heutzutage ein Auslandsaufenthalt für Lehramtsstudierende, die eine Fremdsprache lehren möchten, vollkommen üblich, in manchen Prüfungsord‐ nungen sogar verpflichtend ist, ist die Zahl der erfassten Lehrkräfte mit Aus‐ landssemester sehr gering. Die Bögen, die von den Lehrerinnen und Lehrern ausgefüllt wurden, sind unterschiedlich. Einige beinhalten Items, die Informa‐ tionen über den Studienort erfragten, eine Vielzahl allerdings nicht. Diagramm 15 zeigt eine graphische Darstellung der Auswertung über Auslandsaufenthalte während des Studiums. 350 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="351"?> Diagramm 15: Auslandsaufenthalte während des Studiums; n=100 46 % der Unterlagen der Französischlehrkräfte verlangten keine Angaben über den Studienort. So verbleiben zu einer angemessenen Auswertung noch 54 Personalbögen. Von den 54 Lehrerinnen und Lehrer, die Informationen über ihre Studienorte in den Unterlagen eingetragen haben, konnten 8 Lehrkräfte einen Aufenthalt im Studium aufweisen, was einem Prozentsatz von 14.81 % entspricht. Lediglich bei einem Lehrer (A8 Bach, Carl) konnte ein biografischer Bezug zum Französischen festgestellt werden, er wurde in Luxemburg geboren und absolvierte seine schulische und universitäre Ausbildung in Frankreich. Zu den Orten der Auslandsaufenthalte kann festgehalten werden, dass fünf von den acht Lehrkräften ein Semester in Frankreich verbrachten, zwei in England und einer in der Schweiz. 2 Vergleichende Zusammenfassung, Methodenreflexion und Perspektiven (Daniel Reimann/ Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz) 2.1 Vergleichende Zusammenfassung der Ergebnisse (Daniel Reimann) Wie in Kap. 4 des Beitrags Adamus/ Lubinski/ Merholz/ Reimann zu Forschungs‐ frage, Korpus und Methode im vorliegenden Band beschrieben, wurde in den drei Teilstudien insgesamt eine Stichprobe von 207 Lehrkräften mit einer Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 351 <?page no="352"?> Lehrbefähigung im Französischen aus 3.199 erfassten Personalbögen ermittelt. Zwar kann für den jeweils benannten Alphabetabschnitt von einer Vollerhebung gesprochen werden, allerdings kann die Stichprobe insgesamt noch nicht als repräsentativ gelten. Dennoch sollen die wesentlichen Ergebnisse hier in Kurzform noch einmal vergleichend gegenübergestellt werden - auch weil sich zeigt, dass die Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen durchaus miteinander vergleichbar sind und einander stützen. Anteil der Französischlehrkräfte und Frauenanteil Im (Teil-) Korpus Lubinski wurde ein Anteil von etwa 7 % der Lehrkräfte, die unter anderem eine Lehrbefugnis für Französisch erworben haben, ermittelt, im Korpus Merholz ein Anteil von ca. 6 %, in der Studie Adamus wiederum von 7 % (wobei die Werte nicht genau vergleichbar sind, da Merholz und Adamus als Grundgesamtheit die Zahl aller erfasster Personalbögen einschließ‐ lich der Volksschullehrer/ innen angeben). Dennoch sind diese Daten in sich konsistent und man darf bis auf Weiteres davon ausgehen, dass im erfassten Zeitraum insgesamt etwa sieben, maximal acht Prozent aller Lehrkräfte an den höheren Schulen, oder jede vierzehnte, maximal jede dreizehnte Lehrperson eine Fakultas auch im Französischen besaß. Auch bezüglich des Frauenanteils stützen sich die Befunde der einzelnen Teil‐ studien, weichen aber etwas voneinander ab: Lubinski ermittelt 10 %, Merholz 5 %, Adamus 6 % innerhalb der Französischlehrkräfte. Auch diesbezüglich wären weitere Untersuchungen erforderlich, es zeichnet sich aber ganz deutlich ab, dass auch im Fach Französisch, das heute mehrheitlich von Frauen unterrichtet wird, im 19. und frühen 20. Jahrhundert der Frauenanteil noch sehr gering war - was sich natürlich durch den Zugang zum höheren Lehramt und den Frauenanteil im höheren Schuldienst insgesamt erklären lässt. Examensjahr im Fach Französisch Das Abschlussjahr der Lehramtsprüfung im Französischen wurde nur in den Teilstudien Lubinski und Merholz eigens untersucht (bei Adamus lag der Schwerpunkt darauf, Entwicklungen in der Wahl der mit Französisch kombi‐ nierten Unterrichtsfächer zu eruieren). Die Ergebnisse der beiden genannten Untersuchungen sind dabei allerdings beinahe identisch: Sowohl im Teilkorpus Lubinski als auch im Teilkorpus Merholz sind für den Zeitraum zwischen 1840 und 1849 nur sehr wenige Prüfungen zu verzeichnen (4 % bzw. 0 % aller im Fach Französisch abgelegten Examina), dies betrifft im Fall der Untersuchung Merholz auch noch die 1850er Jahre (2 %, vs. 8 % bei Lubinski), bis von den 1860er bis in die 1890er Jahre jeweils zwischen 6 % und maximal 10 % aller 352 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="353"?> erfassten Französisch-Prüfungen abgelegt werden. Ein deutlicher Anstieg im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts (18 % in beiden Teiluntersuchungen) und ein Höhepunkt in den Jahren zwischen 1910 und 1919 (24 % in beiden Teilun‐ tersuchungen) wird gefolgt von einem neuerlichen Absinken auf unter 10-% in den 1930er Jahren. Diese Ergebnisse lassen sich mit den jeweils genannten his‐ torischen Kontextbedingungen im Allgemeinen und den bildungshistorischen Entwicklungen im Besonderen sehr gut begründen. Fächerverbindungen mit Französisch In den drei Pilotierungen wurde auch untersucht, welche Fächer jeweils mit Französisch kombiniert wurden. Diesbezüglich sind weitere Studien erforderlich, da letztlich nur die Fächerverbindungen der Lehrkräfte insgesamt bezogen auf die Qua‐ lifikation und das sich daraus ggf. (mit) ergebende Verständnis von Französischun‐ terricht wirklich aussagekräftig wären (Beispiel: in einer Fächerverbindung Latein, Griechisch, Deutsch, Geschichte, Geographie, Französisch, Englisch dürfte Franzö‐ sisch eine andere Rolle spielen als in einer Fächerverbindung Französisch/ Englisch/ Italienisch, obwohl in beiden Fällen Englisch als Kombinationsfach erfasst werden kann). Lediglich in der Teilstudie Adamus wurde der Versuch unternommen, zumindest in Ansätzen Fächerverbindungen mit zu erfassen und diesbezügliche historische Entwicklungen über die Jahrzehnte aufzudecken. Dennoch sollen die Ergebnisse über die - absolut und abstrahiert von Fächerverbindungen betrachteten - „Kombinationsfächer“ mit Französisch hier kurz rekapituliert werden. Auszüge aus der „Rangliste“ der Kombinationsfächer aus den Teilstudien sollen hierfür tabellarisch nebeneinander gestellt werden. Korpus Lubinski Korpus Merholz Korpus Adamus - Fach Prozent‐ satz Fach Prozent‐ satz Fach Prozent‐ satz Englisch 52% Deutsch 60% Englisch 66% Deutsch 42% Englisch 46% Deutsch 53% Latein 36% Latein 35% Geschichte 36% Religion 24% Geschichte 32% Latein 32% Geschichte 22% Griechisch 21% - - Griechisch 20% - - - - Abb. 1: Am häufigsten ( ≧ 20-%) mit Französisch kombinierte Fächer in den Teilstudien Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 353 <?page no="354"?> Es zeigt sich, dass Englisch und Deutsch in allen drei Teilkorpora die häufigsten Kombinationsfächer waren (jeweils zwischen 40 % und 60 %), gefolgt von Latein und Geschichte (jeweils ca. 30 % bis 35 %), aber auch von Religion (wenn auch bei Merholz nur 12 %, bei Adamus nur 16 %) und Griechisch (je etwa 20 % bei Lubinski und Merholz, allerdings nur 13 % bei Adamus). Die hohen Quoten für Englisch und Deutsch lassen sich mit der Verteilung der Französisch- Examina in der Chronologie insgesamt (s. o., starker Schwerpunkt in den 1910er Jahren) und der zunehmenden Etablierung genuin neuphilologischer Fächerverbindungen begründen. Die Häufigkeit des Faches Geschichte wie‐ derum kann bis auf weitere Untersuchungen mit seiner zentralen Rolle in den klassisch-philologischen Fächerverbindungen der Frühzeit einerseits und einer auch noch deutlich belegten Rolle im Rahmen tendenziell neuphilologischer Fächerverbindungen seit der zweiten Hälfte des 19, Jahrhunderts andererseits zu begründen versucht werden (also z. B. Französisch/ Englisch/ Deutsch/ Ge‐ schichte). Ähnliches gilt für die Stärke des Faches Latein, das in zwei Teilstudien am dritt-, in einer weiteren Teilstudie mit vergleichbarem Prozentanteil am vierthäufigsten belegtes Kombinationsfach ist: Seine Häufigkeit begründet sich durch die typischen Fächerverbindungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, innerhalb derer Französisch häufig (auch nachträgliches) Erweiterungsfach zu klassisch-philologischen Fächerverbindungen war, aber auch durch seine Rolle in tendenziell neuphilologischen Fächerverbindungen ab der zweiten Jahrhunderthälfte (z. B. Französisch/ Englisch/ Deutsch/ Latein) und nicht zuletzt durch die Ermöglichung bzw. Einführung der grundständigen Fächerverbin‐ dung Latein/ Französisch mit den Prüfungsordnungen und Revisionen von 1887 und 1906. Die hier kurz nachgezeichnete Entwicklung lässt wiederum auch die hohen Quoten des Griechischen mit etwa einem Fünftel aller in den Teilkorpora Lubinski und Merholz erfassten Fälle begründen (wenn auch bei Adamus nur 13 %). Die ebenfalls relativ hohe Zahl der Belege mit Religion kann bis auf Wei‐ teres wiederum mit dem frühen Zustand, als nicht selten neben Altphilologen auch Theologen mit Französischunterricht betraut wurden, erklärt werden. Wie bereits einleitend angedeutet, sagen die hier in Grundzügen resümierten Ergebnisse noch nichts über die genauen historischen Entwicklungen im 19. und frühen 20. Jahrhundert aus, können aber als orientierende Befunde so festgehalten werden. Lehrbefähigung Es war durchaus üblich, dass die Lehrbefähigung im Rahmen einer umfas‐ senderen Fächerverbindung nicht in allen Fächern für alle Jahrgangsstufen erworben wurde, sondern dass man sich in einigen (v. a. Erweiterungs-) 354 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="355"?> Fächern mit einer Lehrbefähigung nur bis zur Mittelstufe oder sogar nur für die Unterstufe begnügte. Bisweilen wurden sogar konkret einzelne, auch dazwischen liegende, Jahrgangsstufen benannt. Nicht zuletzt ist in Einzelfällen auch nachvollziehbar, dass eine Lehrkraft im Laufe der Zeit mehrere Prüfungen in einem Fach (z. B. auch Französisch) ablegte und so über die Berufslaufbahn hinweg sukzessive höhere Lehrbefugnisse in einzelnen Fächern erwarb. Im Falle des jungen Faches Französisch ist durchaus denkbar, dass dies mit dem sukzessiven Ausbau des Faches an einer bestimmten Schule einherging - dies könnte im Einzelfall z. B. anhand von Schuljahrbüchern nachvollzogen werden. Die Ergebnisse der drei Teilstudien gelangen diesbezüglich zu folgenden Ergeb‐ nissen (jeweils gerundet): 18 % (Lubinski), 14 % (Merholz), 3 % (Adamus) keine Angabe, 14 % (Lubinski), 8 % (Merholz), 3 % (Adamus) Französisch nur für die Unterstufe, 38 % (Lubinski), 34 % (Mehrholz), 47 % (Adamus) für die Mittelstufe und 30-% (Lubinski), 44-% (Merholz) bzw. 47-% (Adamus) für die Oberstufe. Auch diesbezüglich weichen die Ergebnisse der Teilstudie Adamus von denen der anderen beiden Teilstudien ab. Es gibt verschiedene Indizien, die darauf hinweisen, dass der Alphabetabschnitt der Teilstudie Adamus tendenziell einen jüngeren Klumpen als die beiden anderen untersuchten Stichproben enthalten könnte; dies müsste jedoch weiterführend geprüft werden - nicht zuletzt liegt der Studie Adamus ja auch die größte Teilstichprobe zugrunde. Trotz der in diesem Falle deutlicher voneinander abweichenden Ergebnisse wird deutlich, dass sich ein Teil der - auch - Französisch Unterrichtenden mit einer Lehrbefugnis nur für die unteren Jahrgangsstufen begnügte (zwischen 3 % und 18 %), und dass maximal etwa die Hälfte der Französischlehrkräfte das Fach bis einschließlich der Oberstufe unterrichten durfte (zwischen 30 % und 47 %), während ein etwa gleich großer Anteil (zwischen 34 % und 47 %) über eine Lehrbefugnis nur für die Mittelstufe verfügte. Auslandsaufenthalte Heute geradezu zum Standard der Fremdsprachenlehrkräfte(aus)bildung zäh‐ lende Auslandsaufenthalte sind in den drei Teilkorpora nur sehr selten belegt. Insgesamt war wohl höchstens ein Zehntel (Lubinski) bis ein Fünftel (Merholz) der Französischlehrkräfte im frankophonen Ausland, wobei neben Frankreich auch die französischsprachige Schweiz eine Rolle spielte. Studium, Lehrtätigkeit und auch kriegsbedingte Aufenthalte in Frankreich halten sich dabei mit jeweils etwa 2 % bis 4 % (Lubinski) bzw. 3 % bis 5 % (Merholz) der erfassten Fälle in etwa die Waage. Mit 8 % der insgesamt erfassten Personalbögen von Französi‐ schlehrkräften ist im Teilkorpus Adamus der Anteil der Fachlehrpersonen mit einem Studienaufenthalt im frankophonen Ausland am höchsten. Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 355 <?page no="356"?> Promotion und wissenschaftliche Veröffentlichungen Die Zahl der Promotionen unter den Lehrkräften auch für Französisch ist - wie im 19.-Jahrhundert durchaus erwartbar - verglichen mit heutigen Verhält‐ nissen relativ hoch. Nur in sehr wenigen Fällen handelt es sich jedoch um romanistische Promotionen oder z. B. historische Dissertationen mit Bezug zur Romania. Häufig ist die Promotion - so überhaupt näher spezifiziert - im Kontext der grundlegenden Fächerverbindung angesiedelt, also beispielsweise im Bereich der Klassischen Philologie. Insgesamt sind im Teilkorpus Lubinski 18 Männer und zwei Frauen mit Lehrbefugnis im Französischen promoviert, das entspricht jeweils einem Anteil von 40 % aller erfassten (Auch-) Französisch- Lehrerinnen und Lehrer. Auch im Teilkorpus Merholz sind insgesamt genau 40 % der Französisch-Lehrkräfte promoviert, im Teilkorpus Adamus etwa 42 %. Insgesamt 27 der 50 Lehrkräfte des Teilkorpus Lubinski haben wissenschaftliche Publikationen vorgelegt (> 50 %), im Teilkorpus Merholz sind es etwa 30 %, bei Adamus etwa 44 %. Es zeigt sich, dass in den drei Pilotstudien jeweils etwa 40 % der Lehrkräfte, die auch eine Fakultas im Fach Französisch erwarben, promoviert waren; hingegen schwankt die Zahl derjenigen, die (darüber hinaus oder davon unabhängig) wissenschaftlich durch Publikationen ausgewiesen waren, zwischen etwa 30-% und 50-%. Dienstliche Stellung Die Angaben über die höchste verzeichnete dienstliche Stellung sind nur bedingt vergleichbar, weil einerseits die Zahl der Nicht-Angaben relativ hoch ist (z. B. jeweils 12 % in den Teilkorpora Lubinski und Merholz, 20 % bei Adamus) und die Bögen ggf. nicht immer bis ans Ende der jeweiligen Dienstzeit ausgefüllt wurden, andererseits in zwei Teilstudien bereits bei der Erfassung eine Vermengung von dienstlicher Stellung und Professorentitel bzw. Charakter (Rang der Räte IV. Klasse) stattgefunden hat, die aufgrund der aktuellen Nicht- Verfügbarkeit der Datenbanken noch nicht korrigiert werden konnte. Auch ist der Vergleich insofern schwierig, als durch die verschiedenen erfassten Zeiträume teilweise von der Bedeutung her identische, aber anders bezeichnete Dienststellungen benannt werden. Dennoch soll versucht werden, die Ergeb‐ nisse hier überblickend zusammenzufassen, da sie zumindest Anhaltspunkte mit Blick auf die dienstliche und soziale Stellung der (Auch-) Französischlehrer‐ schaft geben können. Im Teilkorpus Lubinski sind es etwa 60 %, deren höchste im Personalbogen angegebene dienstliche Stellung die des Oberlehrers bzw. Studienrats ist (bei Merholz ca. 55 %, bei Adamus ca. 45 %), etwa 17 % wurden Gymnasialprofessoren oder Studiendirektoren (Teilkorpus Adamus), etwa 10 % wurden Direktor bzw. 356 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="357"?> Oberstudiendirektor (bei Merholz ca. 5 %, bei Adamus 13 %). Weitere etwa 10 % geben Oberschullehrer oder Ordentlicher Lehrer als letzte Dienstposition an (bei Merholz ca. 7 %, bei Adamus 4 %). Etwas weniger als 10 % erreichten darüber hinaus den Titel Professor und den Charakter Rang der Räte IV. Klasse (bei Merholz 11-% bzw. 10-%). Man kann daraus trotz der oben angedeuteten Einschränkungen Folgendes schlussfolgern. Die Zeiten der prekären Sprachmeister für Französisch waren im staatlichen Schulsystem seit dem 19. Jahrhundert überwunden. Etwa die Hälfte, ggf. etwas mehr als die Hälfte der erfassten (Auch-)Französischlehrkräfte verbleibt auf dem verbeamteten Rang eines Oberlehrers bzw. Studienrats, etwa 10 % Lehrkräfte, die auch eine Lehrbefugnis für Französisch hatten, wurde (Oberstudien-)Direktor. Den Titel Professor und den Charakter Rang der Räte IV. Klasse erreichten etwa 10-% der erfassten Französisch-Lehrerschaft. Fazit Aus den vorgestellten rekonstruierten Berufsbiographien von Französischlehr‐ kräften im 19. und frühen 20. Jahrhundert im höheren staatlichen Schulwesen Preußens, aus der Auswertung dieser Biographien mit Blick auf ausgewählte Fragestellungen und dem zusammenfassenden Vergleich der Ergebnisse zeigt sich das Bild der Lehrerschaft eines noch jungen Schulfaches, das in den einzelnen Berufsbiographien häufig nicht dominierend, aber insgesamt zuneh‐ mend als Realität spürbar wird (wobei zur Prüfung dieser Annahme verglei‐ chende Untersuchungen mit anderen Fächern angestellt werden müssten). Im Französischen wird keineswegs von allen eine Lehrbefugnis bis einschließlich der Oberstufe angestrebt, was auf die Bedeutung des Faches innerhalb des jeweiligen Ausbildungsprofils der einzelnen Lehrkräfte einerseits und auf seine Stellung im höheren Schulsystem andererseits schließen lässt. Auslandsaufent‐ halte im Studium sind noch keineswegs die Regel. Französisch wird über die insgesamt recht lange betrachtete Zeitspanne hinweg sehr häufig mit anderen philologischen Fächern wie Latein, Griechisch, Deutsch, Englisch sowie mit Geschichte kombiniert, viele Lehrkräfte weisen sich durch hohe Wissenschaft‐ lichkeit, belegt durch Promotion und wissenschaftliche Veröffentlichungen, aus. Die Lehrkräfte, die auch Französisch unterrichten, genießen eine relativ hohe soziale Stellung als Oberlehrer bzw. Studienräte, etwa ein Zehntel der Lehrkräfte mit Französisch wird auch Schulleiter, etwa jedem Zehnten wird weiterhin der Titel des Professors und der Charakter des Rangs der Räte IV. Klasse verliehen. Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 357 <?page no="358"?> 2.2 Methodenreflexion, Limitationen und Perspektiven (Anna-Maria Merholz/ Magdalene Lubinski/ Carolin Adamus/ Daniel Reimann) In Bezug auf Korpus und Methode kann rückblickend festgestellt werden, dass die Forschungsfrage anhand des Korpus der Personalbögen preußischer Lehr‐ kräfte gut bearbeitet werden konnte und die Quellen zahlreiche Informationen bereitgestellt haben. Positiv festzuhalten ist, dass es sich bei den herangezo‐ genen Dokumenten um offizielle Schriftstücke handelt, die von den Lehrerinnen und Lehrern in der Regel selbst ausgefüllt wurden. Untersucht wurden mithin historische Quellen, die durch ihren Aufbau und Zweck der Verwaltung grund‐ legende Angaben über Lehrpersonen in einer Art Lebenslauf zur Verfügung stellten. Es handelt sich um authentische biographische Informationen der bzw. zu den Lehrkräften, mithin um authentische Dokumente von Zeitzeugen der fraglichen Epoche. Es lagen Digitalisate von Originaldokumenten vor, wodurch Übertragungsfehler weitestgehend ausgeschlossen werden können. Rückblickend kann in Bezug auf die angewandte Methode festgehalten werden, dass sich diese grundlegend für die Einschätzung und Auswertung der Quellen eignet. Die Daten konnten mit den drei Regulativen der Heuristik, Kritik und Interpretation beurteilt und bearbeitet werden, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu gelangen. Allerdings ist festzustellen, dass die Personalbögen handschriftlich ausgefüllt wurden und dadurch in Ausnahmefällen passagenweise als unleserlich gelten mussten. Es handelt sich bei den meisten Personalbögen um Kurrent- und Sütterlinschrift, die sich kurzfristig anzueignen waren, um sie fließend lesen zu können. Des Weiteren war eine Schwierigkeit bei der Auswertung, dass einzelne Dokumente teilweise insgesamt unvollständig ausgefüllt erschienen (z. B. im Teilkorpus Merholz die Personalbögen (M21), (M29), (M45), (M48)). Darauf wurde geschlossen, wenn bei Rubriken des Formulars, die durchaus ausgefüllt waren, einschlägige Informationen fehlten. In diesen Fällen wurden auch Leerstellen nicht als „nein“ oder Fehlanzeige, sondern als „keine Angabe“ interpretiert. Letztlich könnten sie in der Auswertung aber jeweils der Kategorie „nein“/ Fehlanzeige zugeschrieben werden. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich aus dem weiten erfassten Zeitraum, in dem die Formulare auch in leicht abgewandelter Form vorlagen und teilweise unterschiedliche Nomenklaturen zur Anwendung kamen (sowohl in den Vorgaben der Formulare als auch in den handschriftlichen Einträgen), so etwa bei den verschiedenen Bezeichnungen für die Stufen der Lehrbefähigung, die amtliche Stellung oder auch die Benennung der Fächer. Da nicht immer sichergestellt werden konnte, dass innerhalb der Kri‐ 358 Carolin Adamus/ Magdalene Lubinski/ Anna-Maria Merholz/ Daniel Reimann <?page no="359"?> terien dasselbe gemeint ist, wurden teilweise alle verwendeten Bezeichnungen aufgeführt und deren Häufigkeit aufgelistet. Daraus ergaben sich andererseits die bereits oben im Ergebnisvergleich beschriebenen Überschneidungen von dienstlicher Stellung, Titel und Charakter. Um fundiertere und repräsentativere Ergebnisse zu erhalten, müsste in einem ersten Schritt vor allem die Stichprobe erweitert und repräsentativ gestaltet werden (etwa in Form randomisierter Klumpenstichproben für weitere Alphabetabschnitte, wenn keine Vollerhebung möglich sein sollte). Für eine weiterführende Arbeit kann es darüber hinaus interessant sein, die Recherche mithilfe von weiteren Dokumenten und Datenbanken zu vertiefen, um so ein detaillierteres Bild über einzelne Lehrkräfte zu erhalten und mögliche Leerstellen in den Biographien zu füllen. Anhand dieser Unterlagen ließen sich zudem weitere Forschungsfragen generieren. Ein vollständiger Abgleich mit dem Korpus Kössler beispielsweise steht noch aus. Bei stichprobenartigen Prüfungen hat sich ergeben, dass Kössler nicht alle in den Personalunterlagen aktenkundige Lehrkräfte erfassen konnte. Dennoch kann es sein, dass die bei Kössler aus Jahresberichten bzw. Schuljahrbüchern rekonstruierten Lehrkräfte‐ biographien in einigen Fällen Ergänzungen zu den aus den Personalunterlagen direkt rekonstruierbaren Berufsbiographien darstellen könnten. Insgesamt wäre es wünschenswert, noch zahlreichere und detailliertere berufsbiographische Portraits erstellen zu können. Auch wäre es denkbar, ausgehend von einzelnen Lehrerportraits anhand von Schuljahrbüchern Einzelfallstudien zur Entwick‐ lung des Französischunterrichts an einzelnen Schulstandorten vorzunehmen, aus denen sich ggf. auch nachträgliche Erweiterungen der Fakultas im Franzö‐ sischen erklären lassen. Als Limitation der vorliegenden Untersuchungen, die zugleich Perspektiven für weiterführende Studien eröffnet, kann darüber hinaus der im Rahmen einer Pilotierung bewusst weit gefasste, beforschte Zeitrahmen gelten, der mit Lehramtsexamina zwischen 1841 und 1939 doch eine sehr große Spanne umfasst. Hier könnten ggf. aus kleineren Querschnitts-Stichproben präzisere Momentaufnahmen zur Französischlehrerbildung in bestimmten Zeit‐ räumen entstehen. Bibliographie Adamus, Carolin/ Lubinski, Magdalene/ Merholz, Anna-Maria/ Reimann, Daniel (im vor‐ liegenden Band): Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften als Quellen einer Geschichte der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen - Forschungsfrage, Korpus und Methode. Beier, Adolf ( 2 1902): Die höheren Schulen in Preußen und ihre Lehrer. Halle a.S. Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 359 <?page no="360"?> Bölling, Rainer (1983): Sozialgeschichte der deutschen Lehrer. Ein Überblick von 1800 bis zur Gegenwart. 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Reimann, Daniel (im vorliegenden Band a): Prolegomena zu einer Geschichte der romanistischen Fachdidaktik und der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen Reimann (im vorliegenden Band b): Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften als Quellen einer Geschichte der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen - Einführung, schulgeschichtliche und fremdsprachenhistorische Kontextualisierung. Reimann (im vorliegenden Band c): Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen für die romanistisch-didaktische Historiographie. Reinfried, Marcus ( 2 2008): Der Unterricht des Französischen in Deutschland, in: Kolboom, Ingo/ Kotschi, Thomas/ Reichel, Edward (Hrsg.): Handbuch Französisch: Sprache - Literatur - Kultur - Gesellschaft. Berlin: Erich Schmidt, 148- 159. Rülcker, Tobias (1969): Der Neusprachenunterricht an höheren Schulen. Zur Geschichte und Kritik seiner Didaktik und Methodik. Frankfurt a. M. et al.: Diesterweg. Van Essen, Mineke/ Rogers, Rebecca (2006): Zur Geschichte der Lehrerinnen: Historio‐ graphische Herausforderungen und internationale Perspektiven, in: Zeitschrift für Pädagogik,-52, 3, 319-337. Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften 361 <?page no="363"?> Untersuchungen zur Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch im höheren Lehramt in Preußen zwischen 1840 und 1940 Daniel Reimann 1 Forschungsstand und Fragestellung In Darstellungen zur Geschichte des Französischunterrichts und in den wenigen Untersuchungen, die sich gezielt mit der Geschichte der Französischlehrerbil‐ dung beschäftigen, wird immer wieder auf die Einführung des so genannten „neuphilologischen“ Lehramts, mithin, seinerzeit, der grundständigen Fächer‐ verbindung Französisch/ Englisch, in den 1860er Jahren als eine Art Wendepunkt in der Professionsentwicklung der Französischlehrkräfte, und damit auch in der Entwicklung der Fachlichkeit des Französischunterrichts, abgehoben (z. B. Bayern 1864, im für die vorliegende Untersuchung relevanten Fall Preußens 1866, hierzu vgl. den einleitenden Beitrag Reimann (Prolegomena) und den Beitrag Reinfried im vorliegenden Band). So formuliert etwa Marcus Reinfried in einem Beitrag in der weit verbreiteten Fachdidaktik Französisch des Klett- Verlags aus dem Jahr 2017: Seit den 1830er Jahren sollte Fremdsprachenunterricht (d. h. seinerzeit bes. Fran‐ zösischunterricht) nur noch durch solche akademisch ausgebildeten (Gymnasial-) Lehrer erteilt werden, d. h., in der Regel unterrichteten Altphilologen auch Franzö‐ sisch, eine Situation, die bis etwa 1860 anhielt. (vgl. Reinfried 2017, 35) Nuancierter geht er an anderer Stelle für die Zeit seit den 1860er/ 1870er Jahren von einer fachspezifisch-akademisch ausgebildeten neusprachlichen Lehrerschaft an den Realanstalten aus, die ab den 1890er Jahren auch Zugang zu den Gymnasien erhalten habe (Reinfried 2014, 264). Wiederum an anderer Stelle betont er, dass durch die Einführung des neuphilologischen Lehramts „[e]ine neue Lehrergruppe entstand, die sich über ihr neuphilologisches Studium definierte und von den stärker traditionsbewussten Altphilologen abgrenzte“ (Reinfried 2003, 146) (und in der Folge Initiatorin und Trägerin der sog. neu‐ <?page no="364"?> sprachlichen Reformbewegung wurde). Wenn diese Formulierungen durchaus einen differenzierten Erkenntnisstand durchscheinen lassen, so verleiten die an prominenter Stelle erschienenen pointierten Ausführungen doch zu der Rezeptionshaltung, ab den 1860er Jahren von überwiegend oder sogar aus‐ schließlich neuphilologisch ausgebildeten Französischlehrkräften auszugehen (vgl. auch den im einleitenden Beitrag Reimann zur Ausbildungsgeschichte näher betrachteten Beitrag Christ 1983). Auch in der tendenziell eher fachwissenschaftlich-philologisch orientierten romanistischen Historiographie finden sich ähnliche Formulierungen. Bei‐ spielsweise legen selbst weitgehend differenzierte Referate wie etwa von Alexander M. Teixeira Kalkhoff (zuletzt z. B. Teixeira Kalkhoff 2020) in ihrer pointiert Grenzen ziehenden (z. B. „eine erste Revolte gegen die übermächtige altsprachliche Vorlage wird in der Neusprachlichen Reformbewegung erfolg‐ reich geübt“, Teixeira Kalkhoff 2020, 222), auf einen sich in der Folge der Einführung des neuphilologischen Lehramts verstärkt herausbildenden ‚neuen Typus‘ von Fremdsprachenlehrer fokussierenden Darstellung die Lesart nahe, dass es in der Folge der Einführung dieses Lehramts, mithin der grundständigen Fächerverbindung „Französisch/ Englisch“, beinahe ausschließlich den heute bekannten Zwei-Fach-Lehrer eben für Französisch und Englisch gegeben haben könnte und dass die neusprachliche Reformbewegung in die Fläche hätte wirken können, was so nicht haltbar ist (hierzu vgl. z. B. Reinfried 2017, 70, vgl. auch die Wirkmacht der so genannten „vermittelnden Methode“, hierzu vgl. Reinfried 2020, 23, vgl. auch Reimann 2023, 134-137). Nicht zuletzt finden sich auch in der anglistisch-didaktischen Historiographie jüngst einige Formulierungen, die näher zu untersuchen wären. So scheinen Aussagen wie in Klippel 2022: „Französisch musste bis 1887 mit Englisch kombiniert werden (Haenicke 1982: 47)“ (Klippel 2022, 76) oder gar die Rede von einer „anfangs bestehenden Zwangskombination der Studienfächer Französisch und Englisch“ (Klippel 2023, 79) vor dem Hintergrund der oben aufgezeigten Entwicklungen der Prüfungsordnungen in dieser Absolutheit zumindest für den Fall Preußens zu hinterfragen und können wohl zu Fehlinterpretationen bezüg‐ lich des fachlichen Hintergrunds von Französischlehrenden im 19. Jahrhundert verleiten. Denn bei der Auseinandersetzung mit den im Archiv der BBF vorgehaltenen Personalakten fällt beispielsweise auf, dass noch bis Ende des 19. Jahrhunderts Fächerverbindungen mit Latein sehr stark vertreten sind, sogar die Verbindung mit Latein und Griechisch spürbar bis nach den 1860er Jahren anzutreffen ist. Auch die Verbindung von Französisch mit Religion/ Hebräisch sowie die Kom‐ bination naturwissenschaftlicher Fächerverbindungen mit Französisch ist, wie 364 Daniel Reimann <?page no="365"?> von den verschiedenen Prüfungsordnungen ermöglicht (vgl. den einführenden Beitrag zur Ausbildungsgeschichte im vorliegenden Band), immer wieder an‐ zutreffen. Das so genannte neuphilologische Lehramt in der „Reinform“ einer Verbindung ausschließlich von Französisch und Englisch ohne weitere philolo‐ gisch-historische Komponente scheint im 19. Jahrhundert hingegen beinahe inexistent. Für das frühe 20. Jahrhundert ist dann u. a. die Häufigkeit der Erweiterung der Fächerverbindung Deutsch/ Geschichte mit Französisch auf‐ fällig. Vor dem Hintergrund der Analyse der Lehramtsprüfungsordnungen (s. o. den Beitrag Reimann zur Ausbildungsgeschichte) und dieser Beobachtungen schien es lohnenswert, in einem weiteren Schritt der Pilotierung den Versuch zu unternehmen, die Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch im 19. und frühen 20. Jahrhundert quantitativ und chronologisch detaillierter nachzuzeichnen. 2 Ziel und Vorgehen Ziel war mithin, zu erkennen, inwieweit sich die in den verschiedenen Prüfungs‐ ordnungen ermöglichten Fächerverbindungen mit Französisch (vgl. wiederum den Beitrag zur Ausbildungsgeschichte im vorliegenden Band) in einzelnen aus den Personalakten hevorgehenden Berufsbiographien tatsächlich wieder‐ fanden. Dazu wurden zunächst aus den in den drei Teilkorpora erfassten 207 bzw. 206 auswertbaren Lehrerbiographien die Fächerverbindungen tabella‐ risch erfasst. Dabei erfolgte eine Orientierung an den in den verschiedenen Prüfungsordnungen vorgesehenen Lehrämtern bzw. Fächerverbindungen, im Falle der Fächerverbindungen um Latein/ Griechisch wurde in einem weiteren Schritt feiner differenziert, um das Ausmaß der altphilologischen Prägung der Französischlehrkräfte genauer ermitteln zu können. Im Falle der Fächer‐ verbindungen mit Mathematik und/ oder Naturwissenschaften wurde auf eine Unterteilung in das Lehramt Mathematik/ Physik und Chemie/ beschreibende Naturwissenschaften usw. (s. o. den Beitrag zur Ausbildungsgeschichte) ver‐ zichtet, da diese Verbindungen mit Französisch - die durchaus vorkamen - insgesamt weniger ins Gewicht fallen und vor allem auch eine Differenzierung insofern schwierig gewesen wäre, als z. B. Mathematik/ Physik häufig zugleich mit Chemie und beschreibenden Naturwissenschaften kombiniert wurde und umgekehrt. Zusätzliche Unschärfen, die im Rahmen dieser Pilotierung nicht berücksichtigt werden konnten, entstehen dadurch, dass die Lehrkräfte ihr eigenes Profil durch nachträgliche Ergänzungen und Erweiterungen weiter ausprägen und verändern konnten. So konnten etwa Geschichte und Erdkunde, die beispielsweise ursprünglich als Erweiterungsfächer zu einer Mittelstufen- Untersuchungen zur Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch 365 <?page no="366"?> Fächerverbindung Latein/ Griechisch/ Deutsch studiert wurden, durch Erweite‐ rungsprüfung zu den einzigen beiden Fächern werden, die ein Lehrer bis zur Oberstufe unterrichten durfte - und wäre insofern als Äquivalent zu einem grundständigen Lehramt Geschichte/ Erdkunde anzusehen - um nur eine denkbare Konstellation exemplarisch zu benennen. Als exemplarische Fälle, in denen das Fach Französisch von individuellen Profilbildungen betroffen war, seien etwa folgende drei Beispiele betrachtet: August Althans (*1839, M39) legte 1867 ein Lehramtsexamen mit den Fächern Griechisch und Latein bis zur Obersekunda, Deutsch und Französisch bis zur Untersekunda sowie Geschichte und Geographie bis zur Quarta ab. 1872 legte er dann die Prüfung zunächst in Französisch, dann auch in Deutsch für die Lehrbefähigung bis zur Oberprima ab. Peter Alef (*1888, M22) legte 1913 sein Examen in Geschichte für die Oberstufe sowie Latein und Griechisch für die Mittelstufe ab, qualifizierte sich dann aber so weiter, dass er ab 1926 Französisch und Geschichte für die Oberstufe, Latein und Griechisch weiter für die Mittelstufe unterrichten durfte. In beiden Fällen, zwischen denen etwa ein halbes Jahrhundert liegt, ist also aus einer originär altphilologischen-historischen Fächerverbindung eine solche entstanden, in der Französisch und Deutsch bzw. Französisch und Geschichte mit Blick auf die Qualifikation die dominanten Fächer wurden. Ernst Althans (*1848, M40) wiederum qualifizierte sich zunächst im Jahr 1871 in Latein, Griechisch und Deutsch für die Oberstufe sowie in Geschichte und Erdkunde für die Unterstufe, im Jahr 1881 - u. a. nach seinem Probejahr am französischen Gymnasium in Berlin - nachträglich für Französisch bis zur Obertartia. Auch ein Fall wie Josef Albertus (*1879, M9), der im Kreis Saargemünd (damals Elsass-Lothringen) geboren wurde, in Montigny bei Metz (heute Montigny-lès- Metz) sein Abitur ablegte und vor diesem Hintergrund den nachvollziehbaren Ausnahmefall darstellt, dass er Griechisch und Französisch bis zur Oberprima, Latein bis zur Mittelstufe unterrichten durfte, wurde der übergeordneten Ka‐ tegorie Latein/ Griechisch/ Französisch zugewiesen, weil die Eröffnung einer eigenen Kategorie die Auswertbarkeit mit Blick auf eine erste grundlegende, pilotierende Orientierung beeinträchtigt hätte. Daher werden die Rubriken der Tabelle auch vorsichtiger und umfassender als „Fächerverbindungen mit …“ bezeichnet (und nicht etwa als „Fächerverbindungen auf der Grundlage von …“), wobei die Zuordnung dennoch in der Regel dem ursprünglichen und höchsten Lehramt/ Lehrfach entsprechend erfolgte. In der Tabelle werden jeweils auch das Jahr der höchsten Lehramtsprüfung für Französisch (wenn beispielsweise eine Lehrkraft die Lehrbefähigung für Französisch zunächst nur für die Mittelstufe, zu einem späteren Zeitpunkt auch für die Oberstufe erworben hat) und der Beleg in den drei Teilkorpora 366 Daniel Reimann <?page no="367"?> erfasst, um eine Rückbeziehbarkeit auf Einzelfälle zu gewährleisten (A = Korpus Adamus, L = Korpus Lubinski, M = Korpus Merholz, vgl. den Beitrag Adamus/ Lubinski/ Merholz zu den Lehrkräftebiographien im vorliegenden Band). Von den insgesamt aufgearbeiteten 207 Biographien konnten für diese Auswertung 206 berücksichtigt werden, da nicht aus allen Lehramt und Fächerverbindung in einer solchen Deutlichkeit hervorgehen, dass sie dieser Auswertung zu Grunde gelegt werden konnten. Auf dieser Grundlage konnten allgemeine Beob‐ achtungen zu Fächerverbindungen mit Französisch systematisiert beschrieben werden. Sodann wurden einzelne Fragestellungen zur Prägung und Entwick‐ lung der Profession der Französischlehrkräfte, mithin indirekt der Fachlichkeit des Französischunterrichts, mit deskriptiv-statistischem Vorgehen untersucht. 3 Ergebnisse 3.1 Allgemeine Beobachtungen zu Fächerverbindungen mit Französisch Grundsätzlich fällt auf, dass Verbindungen mit Latein und Griechisch in großer Zahl und in vielen Variationen auftreten (insgesamt 37 Fälle, davon in 32 Fällen auf der Grundlage der Fächerverbindung Latein/ Griechisch, die anderen Fälle im Rahmen von Erweiterungen z. B. der Lehrämter Religion/ Hebräisch oder auch Geschichte/ Erdkunde). Mithin war fast jeder Fünfte Französischlehrer im erfassten Korpus auch Latein- und Griechischlehrer (detaillierter hierzu s. u. Abschnitt 3.3). Kombinationen von Französisch nur mit Latein waren noch häufiger, insgesamt wurde Französisch in 71 Fällen mit Latein kombiniert, d. h., mehr als jeder dritte Französischlehrer im Untersuchungskorpus unterrichtete auch Latein, s.-u., bes. Abschnitte 3.2.1 und 3.2.2). Daneben ist die Häufigkeit der Verbindung mit Englisch festzuhalten, wobei beobachtet werden kann, dass die „rein neuphilologische“ Fächerverbindung aus Französisch und Englisch nur in drei Fällen belegt ist, und dass das neuphilo‐ logische Lehramt im fraglichen Zeitraum und im untersuchten Korpus beinahe immer erweitert wurde, wobei wiederum die Häufigkeit der Verbindungen mit Latein auffällt: Hier sind 19 Fälle festzustellen (insgesamt, d. h. auch im Rahmen anderer Fächerverbindungen, konnte die Kombination von Englisch und Französisch mit Latein in 24 Fällen festgestellt werden, vgl. Abschnitte 3.2.1 und 3.2.2). Die Fächerverbindung Französisch/ Englisch/ Deutsch/ Latein (bisweilen mit weiteren Erweiterungsfächern) ist insgesamt zwölf Mal belegt, mit einem Schwerpunkt in den Anfängen des sog. neuphilologischen Lehramts, insbesondere in dem Vierteljahrhundert zwischen den Jahren 1875 und 1899. Beispielsweise darf in Fällen wie M23 aus dem Jahr 1899 mit der Fächerverbin‐ Untersuchungen zur Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch 367 <?page no="368"?> dung Französisch/ Englisch/ Deutsch/ Latein/ Geschichte darf trotz neuphilologi‐ schen Lehramts von einer starken klassisch-historischen Prägung ausgegangen werden. Aus diesen Befunden lässt sich folgern, dass die frühen so genannten Neuphilologen - unabhängig von der Art und Weise, wie die romanische Phi‐ lologie gerade in ihren Anfängen nach dem Vorbild der Klassischen Philologie betrieben wurde (hierzu vgl. exemplarisch Stierle 1979 oder auch Selig 2005, 2020) - in vielen Fällen auch durch ein Studium und eigene Unterrichtspraxis zumindest des bzw. im Lateinischen geprägt waren. Zahlenmäßig ist über den gesamten Untersuchungszeitraum gesehen Englisch durchaus das häufigste Kombinationsfach, mit dem Französisch studiert und gelehrt wurde (insgesamt 114 Fälle, davon 105 Fälle, die man dem neuphilologischen Lehramt im engeren Sinne zurechnen könnte). Quantitativ ins Gewicht fallen weiterhin - nach den Fächerverbindungen mit Latein (und Griechisch) und denen mit Englisch - Fächerverbindungen mit Deutsch, häufig mit Deutsch und Geschichte. In den Jahren ab 1887 handelt es sich dabei um die in der fraglichen Prüfungsordnung vorgesehene Fächer‐ verbindung Deutsch/ Französisch mit etwaigen Erweiterungsfächern, seit In- Kraft-Treten der Prüfungsordnung von 1917 ist zu beobachten, dass Französisch häufig nur als Erweiterungsfach zu Deutsch und Geschichte gewählt wird, so dass wiederum nicht von genuin neuphilologisch geprägten Fächerverbin‐ dungen gesprochen werden kann. Die Fächerverbindungen mit Deutsch und Französisch (und ohne Latein und Griechisch, hierzu s. o.) sind insgesamt zwi‐ schen 1883 und 1939 belegt, mit Schwerpunkten in den Jahrzehnten zwischen 1901 und 1920. Sie sind tendenziell bis 1930 spürbar vertreten. Nur vordergründig auffällig sind die vier Belege der Fächerverbindung Religion/ Hebräisch/ Französisch aus der Zeit zwischen 1882 und 1903 (zuzüglich weiterer Verbindungen mit Religion/ Hebräisch bzw. Religion/ Latein/ Griechisch mit weiteren Fächern zwischen 1887 und 1918), die u. a. auf die Empfehlung der Ergänzung von Religion/ Hebräisch um ein weiteres Fach bis zur Fakultas für die Oberstufe (alternativ zweier Fächer bis zur Mittelstufe) mit Blick auf die Erlangung eines Oberlehrerzeugnisses in der Prüfungsordnung von 1887 zurückzuführen ist (vgl. den Beitrag zur Ausbildungsgeschichte im vorliegenden Band, Centralblatt 1887, 187). Fächerverbindungen von Französisch mit einem Sachfach wurden überhaupt erst durch die Wahlfreiheit der Prüfungsordnung von 1917 möglich (vgl. ebenfalls den erwähnten Beitrag zur Ausbildungsgeschichte) und spielen in quantitativer Hinsicht noch keine Rolle (drei Belege zwischen 1920 und 1935). Ähnliches gilt für die Erweiterung der Fächerverbindung Geschichte/ Erdkunde mit Französisch, die insgesamt nur sieben Mal belegt ist (schwerpunktmäßig 368 Daniel Reimann <?page no="369"?> zwischen den 1860er und den 1910er Jahren). Im Verhältnis dazu verhältnis‐ mäßig häufig (insgesamt 17 Belege) findet sich beinahe im gesamten erfassten Zeitraum - die Belege stammen aus der Zeitspanne zwischen 1844 und 1926 - Erweiterungen genuin naturwissenschaftlicher Lehrämter bzw. Fächerverbin‐ dungen - v. a. Mathematik/ Physik und Chemie/ Biologie (seinerzeit: Chemie und Mineralogie sowie Zoologie und Botanik bzw. Chemie und beschreibende Naturwissenschaften) - mit Französisch. Diese Verbindungen lassen auf die Be‐ deutung des Französischen als neuem Schulfach schließen, für das es durchaus Lehrerbedarf gab. 3.2 Prägung der Fachlichkeit durch Latein oder/ und Englisch 3.2.1 Fächerverbindungen mit oder ohne Latein und/ oder Englisch Da in der bisherigen Forschung immer wieder betont wurde, dass Franzö‐ sischunterricht zunächst von den klassischen Philologen, mit Einführung des neuphilologischen Lehramts 1866 dann von Neuphilologen unterrichtet worden sei (s. o. Kap. 1) - was von der grundlegenden Tendenz natürlich zutreffend ist, aufgrund der Auseinandersetzung mit den Berufsbiographien aber hinterfragt werden konnte - sollte zunächst genauer geprüft werden, mit welcher Häufig‐ keit Französisch innerhalb der untersuchten Berufsbiographien mit Latein bzw. mit Englisch kombiniert wurde. Über den gesamten erfassten Zeitraum erweist sich tatsächlich Englisch als häufiges Kombinationsfach: in insgesamt 120 der erfassten 206 Fächerverbindungen mit Französisch ist Englisch vertreten. Allerdings ist auch Latein mit insgesamt 71 von 206 Fällen zwischen 1840 und 1940 ein sehr häufiges Kombinationsfach, d. h., etwas mehr als jeder dritte Französischlehrer unterrichtete auch Latein (35 %). Fälle der Kombination nur mit Latein betreffen 23 % der erfassten Biographien, beinahe jeder vierte Französischlehrer unterrichtete also auch Latein, ohne zugleich Englisch zu unterrichten. Knapp die Hälfte aller Französischlehrkräfte des erfassten Korpus unterrichteten Französisch in der Verbindung mit Englisch, ohne auch Latein zu unterrichten (46 %). Nur knapp jede fünfte Lehrkraft des ausgewerteten Korpus hat Französisch nicht mit Latein und/ oder Englisch gemeinsam unterrichtet. Graphisch kann dies wie folgt dargestellt werden: Untersuchungen zur Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch 369 <?page no="370"?> Abb. 1: Fächerverbindungen um Französisch mit oder ohne Latein und/ oder Englisch (eigene Darstellung) 3.2.2 Fächerverbindungen Englisch/ Französisch mit oder ohne Latein In einem weiteren Schritt wurde untersucht, inwieweit an der tendenziell „neuphi‐ lologischen“ Verbindung der Fächer Französisch und Englisch auch Latein beteiligt war. Ansatzpunkt für diese Teiluntersuchung ist wiederum die oben beschriebene Tatsache, dass manche historiographische Darstellungen zu der Rezeption verleitet, dass das neuphilologische Lehramt ausschließlich aus der Fächerverbindung Fran‐ zösisch/ Englisch bestanden habe und dass zugleich die Französisch-Lehrkräfte der Generation ab 1866 eindeutig und beinahe ausschließlich neuphilologisch geprägt gewesen seien. Die Betrachtung der Lehramtsprüfungsordnungen hat jedoch gezeigt, dass immer Erweiterungsfächer vorgesehen waren, dass in der Prüfungsordnung von 1887 sogar eine „kleine Fakultas“ für die Unterstufe im Fach Latein für alle angehenden Französischlehrkräfte verpflichtend war (s. o. den Beitrag zur Ausbildungsgeschichte im vorliegenden Band). Bei der Durchsicht der Biographien und auch bei der tabellarischen Erfassung fiel immer wieder die Fächerverbindung Französisch/ Englisch/ Deutsch/ Latein (teilweise ergänzt um zusätzliche Erweiterungsfächer) im Rahmen des neuphilologischen Lehramts auf (insgesamt zwölf Fälle), zusätzlich ergaben sich Fälle der Verbindung u. a. von Latein, Französisch und Englisch auch im Rahmen anderer Lehrämter und Fächer‐ verbindungen. Insgesamt konnte festgestellt werden, dass die Verbindung (u. a.) von Englisch und Französisch über den gesamten Untersuchungszeitraum betrachtet 370 Daniel Reimann <?page no="371"?> zwar in 96 Fällen ohne Latein erfolgte (80-%), immerhin in 24 Fällen aber mit Latein (20-%). Graphisch und prozentual kann dieser Befund wie folgt dargestellt werden: Abb. 2: Fächerverbindungen mit Englisch und Französisch - mit und ohne Latein (eigene Darstellung) Insgesamt zeigt sich aus der Untersuchung der in 3.2.1 und 3.2.2 aufgeworfenen Fragestellungen, dass die Prägung der Berufsbiographien der Französischlehr‐ kräfte durch das Fach Latein im gesamten Untersuchungszeitraum von etwa 1840 bis 1940 zwar nicht dominant, aber dennoch spürbar gewesen ist. Mehr als ein Drittel aller Französischlehrkräfte unterrichtete auch Latein, selbst unter der Teilgruppe der tendenziell als Neuphilologen zu bezeichnenden Lehrkräften, die Französisch und Englisch unterrichteten, war ein Fünftel auch Lateinlehrkraft. 3.2.3 Chronologische Entwicklung der Fächerverbindungen um Französisch und Englisch bzw. Latein Die bislang betrachteten Datenreihen geben Aufschluss über die berufsbiogra‐ phische Beeinflussung der Französischlehrkräfte auch durch studiertes und unterrichtetes Latein und Englisch, nicht aber über den Einfluss dieser Fä‐ cher zu bestimmten Zeitpunkten innerhalb des doch relativ langen erfassten Zeitraums von 1840 bis 1940, der durch große Entwicklungen innerhalb des staatlichen Schulsystems, auch bezogen auf die Bedeutung der Fremdsprachen, gekennzeichnet war (in groben Zügen einführend vgl. den in das Projekt einleitenden Beitrag Reimann im vorliegenden Band). Daher wurde in einem Untersuchungen zur Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch 371 <?page no="372"?> weiteren Schritt untersucht, inwieweit sich verschiedene Fächerverbindungen auf die einzelnen Jahrzehnte des erfassten Untersuchungszeitraums verteilen. Der Untersuchungszeitraum wurde dafür in Zehn-Jahres-Schritte untergliedert (1841-1850, 1851-1860 usw.). Für die graphische Darstellung und nähere Analyse wurden die Fächerverbin‐ dungen pro Jahrzehnt jeweils in zwei Balken erfasst, von denen der erste Fächer‐ verbindungen mit Latein, der zweite Fächerverbindungen mit Englisch enthält. Fächerverbindungen mit Latein und Englisch wurden in dieser Graphik jeweils als ein Treffer in beiden Balken erfasst, da die Lehrperson somit von beiden Fächern geprägt war. Aus dieser Untersuchung ergibt sich folgende Darstellung: 0 5 10 15 20 25 30 35 40 Chronologie der Fächerverbindungen mit Französisch und Latein bzw. Englisch 1840-1940 L Gr L Gr D L F Rel / Hebr F / SF F / E D / F G / Ek M Ph C SF 1841-50 1851-60 1861-70 1871-80 1881-90 1891-1900 1901-10 1911-20 1921-30 1931-40 L E L E L E L E L E L E L E L E L E L E Abb. 3: Chronologie der Fächerverbindungen mit Französisch und Latein bzw. Englisch (SF = Sachfach, eigene Darstellung) Bezogen auf die Kombination mit Latein oder Englisch ergibt sich aus dieser chronologischen Erfassung folgendes eindeutiges Bild, das die aufgrund bis‐ heriger romanistisch-historiographischer Darstellungen naheliegende Rezept‐ ionshaltung, nach der ab den 1860er Jahren der Einfluss des Englischen dominant geworden sein könnte, zu nuancieren hilft: Im Grunde waren bis 1900 - mit einem „Ausreißer“ in den 1880er Jahren, in denen der Wert für Englisch geringfügig höher als für Latein liegt - Fächerverbindungen von Französisch mit Latein solchen von Französisch mit Englisch (und ohne Latein) zahlenmäßig überlegen. Erst ab 1900 - und nicht früher - ist Englisch im untersuchten Korpus als im Vergleich zu Latein dominantes Kombinationsfach mit Französisch nachgewiesen, mit einem eindeutigen Schwerpunkt in den 1910er Jahren. Die in heutiger Wahrnehmung lange Zeit „übliche“ Fächerver‐ 372 Daniel Reimann <?page no="373"?> bindung Englisch/ Französisch (ohne Latein) ist im vorliegenden Korpus also trotz der grundlegenden Möglichkeiten der Prüfungsordnung von 1866 erst ein Phänomen des 20. Jahrhunderts. Die bei Betrachtung des gesamten Zeitraums in den Abb. 1 und 2 erscheinende Überlegenheit des Englischen als Kombinati‐ onsfach mit Französisch (ohne Latein) kann chronologisch ganz klar auf die Jahrzehnte nach 1900 eingegrenzt werden. Mithin kann - zumindest bezogen auf das analysierte Korpus - bis wenigstens 1900 von einer dominanten Prägung der Französischlehrerschaft (wenigstens auch) durch klassisch-philologische Studien, noch bis etwa 1920 von einer spürbaren altphilologischen Prägung der Französischlehrerschaft ausgegangen werden. 3.3 Klassisch-philologische Prägung der Berufsbiographien der Französischlehrkräfte und romanistische Tendenzen im klassisch-philologischen Lehramt Vor diesem Hintergrund sollte vertiefend der Grad der altphilologischen Prägung der Französischlehrkräfte untersucht werden, also der Frage nach‐ gegangen werden, inwieweit etwa eine Verbindung „nur“ von Latein und Französisch oder aber eine traditionell altphilologische Verbindung wie La‐ tein/ Griechisch/ Deutsch um Französisch erweitert wurde. Die Fächerverbin‐ dung Latein/ Französisch wurde ja bekanntermaßen 1906 explizit als solche zugelassen, war aber grundsätzlich auch schon nach der Prüfungsordnung von 1887 möglich (s. o. den Aufsatz zur Ausbildungs- und Sozialgeschichte im vorliegenden Band). Auch sollte in umgekehrter Richtung betrachtet werden, inwieweit das klassisch-philologische Lehramt in Einzelfällen eine relativ starke romanistische Prägung erfahren konnte, wenn etwa Französisch andere übliche Erweiterungsfächer wie Geschichte ergänzte oder sogar ersetzte. Fächerverbindungen mit Latein/ Griechisch/ Deutsch, häufig erweitert um Geschichte und in den Anfängen des Faches traditioneller Weise auch um Erdkunde, weiterhin um das Französische und ggf. das Englische, wie auch um Mathematik und/ oder Religion, gelten bekanntermaßen als die ursprünglichen gymnasialen Fächerverbindungen (vgl. „Philologe“ als Synonym für Gymnasi‐ allehrer). Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die klassische Fächerverbin‐ dung um Latein/ Griechisch/ Deutsch relativ häufig belegt ist, durchaus häufig direkt um Französisch oder um Geschichte und Französisch erweitert. Franzö‐ sisch war im Rahmen dieser Fächerverbindungen über die Jahrzehnte also weniger, wie ganz ursprünglich, fünftes oder sechstes Fach eines Lehrers, sondern durchaus häufig auch viertes oder allenfalls fünftes Fach. Insgesamt Untersuchungen zur Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch 373 <?page no="374"?> macht diese Fächerverbindung etwas mehr als ein Drittel aller Kombinationen mit Latein aus (24 Belege oder 34-% der erfassten Fälle). Auffällig ist, dass zudem die grundständige Verbindung von Französisch mit Latein und Griechisch immer wieder gewählt wurde (ggf. in Kombination mit anderen Erweiterungsfächern außer Deutsch) (insgesamt in 12 Fällen oder in 17-% der erfassten Biographien, mithin beinahe in jedem fünften Fall einer Fächerverbindung mit Latein). Dies zeugt von der Rolle des Französischen als erste moderne Fremdsprache im staatlichen Schulwesen des 19.-Jahrhunderts und von der Sensibilität für die Bedeutung des Französischen seitens der (angehenden) Lehrkräfte. Neben mehreren Belegen ab den 1890er Jahren (s. Kap. 3.4) finden sich vereinzelte Belege ab den 1840er Jahren, in denen explizit Französisch als einziges Erweiterungsfach genannt wird. Es handelt sich um die Fälle Achternbosch (L17) aus den 1840er Jahren („Angabe der Lehrbefähigung, event. Ergebnisse von Nachprüfungen: in den Klassischen Sprachen und im Französischen für die unteren Klassen“, https: / / bbf-archi vdatenbank.de/ actaproweb/ image.xhtml? id=9b58cd3c-c2fe-4d6c-ae80-bc34e5 bdf26b, 06.11.2023) und Ammann (M53) mit Examina in den Jahren 1863 und 1865 (Französisch) („Erhielt die Lehrbefähigung in der altklassischen Philologie für die Oberstufe, außerdem […] die fac. doc. im Französischen für alle Klassen.“, https: / / bbf-archivdatenbank.de/ actaproweb/ image.xhtml? i d=ef06603e-3a46-47b4-8678-97d0e947bb4c, 06.11.2023). Damit wurden beide formal nach der Prüfungsordnung von 1831 geprüft, die eine derartige Schwer‐ punktbildung zunächst noch gar nicht vorsah (vgl. wiederum den Beitrag zur Ausbildungsgeschichte im vorliegenden Band). Es müssten weiterführende Untersuchungen angestellt werden, inwieweit, wie die Eintragungen nahe‐ legen, eine Schwerpunktsetzung in der Praxis doch erfolgte oder inwieweit es sich hier um Angaben handelt, die a posteriori mit Ausfüllen der Bögen - teilweise erst ab 1871 (vgl. den Aufsatz Adamus/ Lubinski/ Merholz/ Reimann zu Korpus und Methode im vorliegenden Band) - unter Berücksichtigung fachlicher Schwerpunkte vollzogen wurde. Ob hier weiterhin doch auch Deutsch mitgedacht wurde, müsste geprüft werden; auffällig ist aber, dass Deutsch in vielen anderen Personalbögen eigens genannt wird, in diesen Fällen nicht. Die grundständige Fächerverbindung Latein/ Französisch, die formal ab 1887 möglich war (s. o.), ist in 10 Fällen - in einem Fall bereits in den 1870er Jahren - bzw. in 14-% der Fälle belegt (bei dem gemessen an den Prü‐ fungsordnungen „Ausreißer“ aus den 1870er Jahren handelt es sich um einen Lehrer, der sich auf der Grundlage einer Volksschullehrerausbildung durch Studien weiterqualifizierte und die Lehrbefähigung für Religion, Geschichte, 374 Daniel Reimann <?page no="375"?> Latein und Französisch - ohne Angabe der Stufen der Lehrbefähigung - erhielt, vgl. Fall Amelungk, M52). Beinahe ebenso häufig wie Latein/ Griechisch/ Deutsch/ Französisch (ggf. mit weiterem Erweiterungsfach) (34 % der Fälle, s. o.) ist die Erweiterung von Französisch/ Englisch u. a. um Latein (ggf. mit zusätzlichen Erweiterungsfä‐ chern, aber nicht Griechisch) zu erfassen (20 Belege bzw. 28 % der Fälle; insgesamt entstehen im Rahmen aller Fächerverbindungen 24 Kombinationen von Französisch, Englisch und Latein). Hieran zeigt sich erneut die relativ große Bedeutung, die der Erweiterung von Französisch/ Englisch durch Latein noch lange Zeit nicht nur gemäß den Prüfungsordnungen (vgl. u. a. die Verpflichtung zur Erweiterung von Fächerverbindungen mit Französisch durch Latein in der Prüfungsordnung von 1887, s. o. den Beitrag zur Ausbildungsgeschichte im vor‐ liegenden Band), sondern auch in der Praxis der Wahl der Lehramtskandidaten zukam. Vereinzelt sind auch (in absteigender Rangfolge) Fächerverbindungen um Deutsch/ Französisch/ Latein (+ Erweiterungsfach, aber nicht Griechisch), um Mathematik/ Physik mit den Erweiterungsfächern Latein (ggf. auch Griechisch) und Französisch, sowie Religion/ Hebräisch/ Latein (ggf. auch Griechisch) und Französisch belegt. In der graphischen Darstellung stellen sich die beschriebenen Verhältnisse wie folgt dar: Untersuchungen zur Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch 375 <?page no="376"?> Abb. 4: Fächerverbindungen um Latein/ Französisch Wozu auf der Grundlage dieser Pilotierung keine Aussagen getroffen werden können, sind die prozentualen Anteile der „Auch-Französisch-Lehrer“ an der Zahl der altphilologischen Lehrer insgesamt. Hierzu bedürfte es weiterer Stu‐ dien. Dennoch zeigt sich in dieser Teiluntersuchung, dass nicht nur das Fach Französisch stark durch die Klassische Philologie geprägt war, sondern dass es auch eine sichtbare Zahl von Altphilologen gegeben hat, für die Französisch einen spürbaren Bestandteil ihrer Fächerverbindung, mithin ihrer beruflichen Identität, dargestellt hat bzw. haben muss. 3.4 Chronologische Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch zwischen 1840 und 1940 insgesamt In einem weiteren Untersuchungsschritt wurde sodann die Häufigkeit der einzelnen Fächerverbindungen mit Französisch insgesamt über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg erfasst und betrachtet, um mögliche Tendenzen 376 Daniel Reimann <?page no="377"?> in den bevorzugten Fächerkombinationen mit Französisch eruieren zu können. Fächerverbindungen mit Latein und Griechisch sind, wie gezeigt wurde, von Beginn des Untersuchungszeitraums bis in die 1920er Jahre belegt. „Klassisch“ altphilologische Verbindungen wie Latein/ Griechisch/ Deutsch/ Geschichte (ggf. und weitere), in denen Französisch nur ein „weiteres“ Erweiterungsfach war, überwiegen und dominieren gerade in den 1860er, 1870er und 1880er Jahren. Fächerverbindungen, in denen Französisch einziges erwähntes Erweiterungs‐ fach zu Latein/ Griechisch ist, sind bereits in den 1840er und 1860er Jahren belegt, dann aber ab den 1890er Jahren - von den Prüfungsordnungen nunmehr standardmäßig ermöglicht - verstärkt bis in die 1920er Jahre anzutreffen (s. o. Abschnitt 3.3 sowie den Beitrag zur Ausbildungsgeschichte im vorliegenden Band). Fächerverbindungen aus Latein/ Französisch (+ Erweiterungsfach) sind vereinzelt ab den 1870er Jahren belegt, etwas häufiger dann ab den 1900er Jahren, als die Verbindung ja auch von der Prüfungsordnung explizit vorgesehen war (vgl. wiederum den Beitrag zur Ausbildungs- und Sozialgeschichte). Die vordergründig nicht ganz naheliegend scheinende Verbindung von Reli‐ gion/ Hebräisch mit Französisch als Erweiterungsfach ist von den 1880er bis in die 1910er Jahre immer wieder belegt; die Fächerverbindung ergibt sich auch aus der Auflage für das Lehramt in Religion/ Hebräisch in der Prüfungsordnung von 1887, ein drittes sprachliches Fach mit der Lehrbefähigung bis zur Oberstufe abschließen zu müssen, um ein Oberlehrerzeugnis zu erhalten (vgl. den Beitrag zu Ausbildungsgeschichte im vorliegenden Band). Fächerverbindungen von „Französisch + Sachfach“ finden sich vereinzelt ab den 1910er Jahren, als solche Verbindungen von der Prüfungsordnung grundsätzlich zugelassen waren. Insgesamt etwa halb so häufig wie die Verbindungen mit „grundständigem Latein“ um Latein/ Griechisch/ (+ X)/ Französisch und Latein/ Französisch (insge‐ samt 42 Belege) finden sich Fächerverbindungen um Deutsch/ Französisch (+ Erweiterungsfach) sowie um Deutsch/ Geschichte/ Französisch (insgesamt 20 Belege), wobei sich diese Kombinationen bis auf zwei Ausnahmen aus den 1880er Jahren ausschließlich auf die Jahre nach 1900 verteilen und häufig von der Nennung der Reihenfolge bzw. vom Grad der Lehrbefähigung her eher als „deutschkundliche“ Verbindungen um Deutsch/ Geschichte mit Französisch als Erweiterungsfach gelten dürfen (zu Entwicklungen in der Fachdidaktik Deutsch vgl. z.-B. Kämper-van den Boogaart 2010). Die „klassisch neuphilologische“ Fächerverbindung Französisch/ Englisch ist als grundständiges Lehramt in 109 Fällen belegt, dabei teilweise in Verbindung auch mit Latein (s. o. Abschnitte 3.2.1, 3.2.2, auch 3.2.3). Nach einzelnen Belegen in den 1860er und 1870er Jahren erstarkt diese Fächerverbindung ab den 1880er Jahren, in denen sie die grundständig-altphilologischen Fächerverbindungen Untersuchungen zur Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch 377 <?page no="378"?> erstmals zahlenmäßig übertrifft (nicht aber zwingend die Gesamtzahl der Ver‐ bindungen von Französisch mit Latein, s. o. Abschnitt 3). Als deutlich dominant kann diese Kombination unter den Fächerverbindungen mit Französisch erst ab den 1900er, besonders den 1910er Jahren gelten (19 bzw. 37 Belege). Nur eine untergeordnete Rolle spielt Französisch als Erweiterungsfach zum historisch-geographischen Lehramt (insgesamt sieben vereinzelte Belege zwi‐ schen den 1840er und 1910er Jahren). Häufiger als man aus heutiger Perspek‐ tive intuitiv annehmen würde, war Französisch indes Erweiterungsfach zu grundständig naturwissenschaftlichen Fächerverbindungen wie etwa Mathe‐ matik/ Physik und Chemie-Mineralogie/ Zoologie-Botanik (ggf. verbunden mit anderen Erweiterungsfächern) (insgesamt 17 Belege, mit einem Schwerpunkt in den 1870er und 1880er Jahren: insgesamt 9 Belege). Auch hieran kann man die Bedeutung des Französischen als Schulfach in den fraglichen Jahrzehnten ermessen. Insgesamt lassen sich die beschriebenen Entwicklungen graphisch wie folgt veranschaulichen: Abb. 5: Chronologische Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch insgesamt (eigene Darstellung) 378 Daniel Reimann <?page no="379"?> 4 Zusammenfassung, Limitationen und Perspektiven für die weitere Forschung Es konnte gezeigt werden, dass die alten Sprachen die Französisch-Lehrerper‐ sönlichkeiten im 19. Jahrhundert spürbar geprägt haben müssen, insofern zwischen 1840 und 1940 mehr als ein Drittel aller Französischlehrkräfte zu‐ mindest auch Latein unterrichteten (vgl. Abschnitt 3.2.1). In chronologischer Perspektive wurde deutlich, dass bis 1900 Latein im Vergleich zu Englisch das häufigere Kombinationsfach mit Französisch war (mit einem geringfügigen Ausreißer zwischen 1881 und 1890), und erst danach sukzessive vom Englischen als überwiegendem Kombinationsfach abgelöst wurde (spürbar erst ab den 1910er/ 1920er Jahren) (vgl. Abschnitt 3.2.3). Von den 1880er bis in die 1910er Jahre ist Französisch darüber hinaus immer wieder auch Erweiterungsfach in Fächerverbindungen und Religion und Hebräisch, im gesamten Untersuchungs‐ zeitraum auch zu naturwissenschaftlichen Fächerverbindungen wie auch zu Geschichte/ Erdkunde. Seit den 1870er Jahren ist die neuphilologische Fächer‐ verbindung Französisch/ Englisch belegt, wobei sie in den Anfängen bis in die 1890er Jahre häufig um Deutsch/ Latein (teilweise auch durch Deutsch/ Latein/ Geschichte usw.) erweitert wird. Ab etwa 1900 wird die Kombination Französisch/ Englisch innerhalb der Fächerverbindungen mit Französisch domi‐ nant, wobei sie noch immer in spürbarem Anteil um Latein erweitert wird (s. o., s. auch Tabelle im Anhang). Daneben werden ab 1900 auch Fächerverbindungen mit Deutsch (entweder als grundständige Kombination Deutsch/ Französisch oder in Form von Erweiterungen der Verbindung Deutsch/ Geschichte mit Französisch) spürbar, wobei diesen bis etwa 1920 die Verbindungen Latein/ Grie‐ chisch/ Französisch und Latein/ Französisch in quantitativer Perspektive noch immer ebenbürtig sind (vgl. Abschnitte 3.2.3 und 3.4 sowie, zu allen Punkten, die Tabellen im Anhang). Vor dem Hintergrund vollkommen zutreffender Befunde zur Einrichtung neuphilologischer Lehrämter und zu Trägern der neusprachlichen Reformbe‐ wegung gerade unter den jungen, im neuphilologischen Lehramt ausgebildeten Lehrern fokussiert die landläufige Rezeption eine scheinbar beinahe abrupte, vor allem aber sich vom altsprachlichen Unterricht abgrenzende Entwicklung des neusprachlichen Unterrichts (der zunächst vor allem Französisch-, bald aber auch Englischunterricht war) in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die untersuchten Biographien der Lehrkräfte mit Fakultas im Französischen im 19. Jahrhundert zeigen indes recht deutlich, dass der Französischunterricht im ganzen 19. Jahrhundert in spürbarem Maße sozusagen in Personalunion durch Lehrkräfte mit der Fakultas häufig in Latein und Griechisch, ggf. zusätzlich im Deutschen (und weiteren Fächern wie Geschichte/ Erdkunde bzw. Geogra‐ Untersuchungen zur Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch 379 <?page no="380"?> phie) entwickelt und getragen wurde. Selbst Lehrkräfte des neuphilologischen Lehramtes hatten in der Regel ein oder zwei Erweiterungsfächer wie Deutsch und Geschichte oder Deutsch und Latein (auch in dieser Kombination) - also ebenfalls häufig einen historisch-klassisch-philologischen Hintergrund. Vor diesem Hintergrund erklären sich nicht nur grundlegende (unterrichts-) metho‐ dische Parallelen in alt- und neusprachlichem Unterricht weit über die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts hinaus (differenziert zu Konvergenzen und Diver‐ genzen der alt- und neusprachlichen (Unterrichts-) Methodik im 19. Jahrhundert vgl. Klippel 2000). Auch die Wirkmacht einer so genannten „vermittelnden Methode“ vor allem seit etwa 1900 (vgl. z. B. Reinfried 2020, 23, auch Reimann 2023, 134-137, sowie im vorliegenden Band den die Sektion einleitenden Beitrag Reimann zur schul- und fremdsprachenhistorischen Kontextualisierung des Projekts, Kap. 3.2), die eine Synthese aus grammatik-übersetzungsorientierten Ansätzen mit Prinzipien der direkten Methode versuchte, ist angesichts der spürbaren Präsenz des hier eruierten klassisch-philologisch geprägten Fran‐ zösischlehrertyps gut verständlich. Weiterhin erklären sich auch inhaltliche Schwerpunktsetzungen des Französischunterrichts im 19. Jahrhundert wie die Konzentration auf Fénelons Télémaque oder die Tragödien der französischen Klassiker nicht nur etwa aus Wirkmacht der gerade einmal etwa zweihundert Jahre alten Literatur des französischen siècle classique oder im Sinne einer Legitimierungsfunktion gegenüber dem altsprachlichen Unterricht, sondern sie ergeben sich vor diesem Hintergrund geradezu natürlich als naheliegende In‐ halte der Arbeit möglicherweise nicht selten derselben Lehrer, die mit denselben Schülern an denselben Stoffen bereits im altsprachlichen Unterricht gearbeitet haben. Auch die größere Wirkmacht der häufig übersehenen „vermittelnden Methode“ im Vergleich zur direkten Methode (vgl. den einleitenden Beitrag Reimann zur schulgeschichtlichen und fremdsprachenhistorischen Kontextua‐ lisierung) lässt sich möglicherweise dadurch begründen. Unabhängig davon, dass im 19. Jahrhundert eben auch die romanische Phi‐ lologie bzw. generell die so genannte „Neuphilologie“ ganz überwiegend als eine philologische Disziplin nach dem Vorbild der Klassischen Philologie betrieben wurde und die Sprachpraxis, geschweige denn die Fachdidaktik, nur eine äußerst marginale Rolle im Lehramtsstudium spielte(n) (prägnant einführend vgl. z. B. Teixeira Kalkhoff 2020), ist festzuhalten, dass es den höheren Lehrer nur für Französisch und Englisch so gut wie nicht gab, sondern dass immer wieder Fächerverbindungen wie beispielsweise Französisch/ Englisch/ Latein/ Deutsch vorlagen. Diese implizieren eine starke Verwurzelung auch der vordergründig neuphilologisch geprägten Lehrer in der klassisch-philologischen Tradition, wie - neben anderen Befunden - in diesem und den vorausgegangenen Beiträgen 380 Daniel Reimann <?page no="381"?> dieser Sektion zunächst anhand der Prüfungsordnungen, dann anhand der Per‐ sonalakten von Lehrkräften gezeigt werden konnte. Weitere Untersuchungen sollten angestellt werden, um diese Arbeitshypothese zu prüfen. Limitationen der vorliegenden Studie sind insbesondere in folgenden Be‐ reichen auszumachen: Im Rahmen der Pilotierung konnte, wie im Beitrag Adamus/ Lubinski/ Merholz/ Reimann im vorliegenden Band gezeigt wurde, nur ein begrenztes Korpus von etwa 200 Lehrkräften des Französischen untersucht werden. Eine Erweiterung der Datengrundlage wäre aus statistischer Perspek‐ tive wünschenswert (s. ebd.). Sehr wohl aber zeichnen sich innerhalb des Korpus Entwicklungen in den Fächerverbindungen ab, die als Grundlage für die Entwicklung von Arbeitshypothesen für weiterführender Studien dienen können. Zum Zwecke der Systematisierung und angesichts des Pilotierungscharakters dieser Untersuchung wurde auf eine noch feingliedrigere Kategorisierung der Fächerverbindungen, etwa nach dem Vertiefungsgrad der Lehrbefähigung in einzelnen Fächern, verzichtet. Dies soll weiteren Studien vorbehalten bleiben. Insbesondere könnte es gewinnbringend sein, an Einzelfällen die Entwicklung individueller Lehrbefähigungen für Französisch durch Ergänzungs- und Er‐ weiterungsprüfungen (z. B. von Unterstufe bis Oberprima) in Relation zur Entwicklung des Faches insgesamt und an der jeweiligen Einsatzschule der Lehrperson (z. B. anhand von Schuljahrbüchern) zu untersuchen. Es zeigt sich in den Biographien, dass Französisch für viele Lehrkräfte, gerade auch für viele Altphilologen, nicht nur ein auf die Lehrbefähigung für die Unterstufe beschränktes „kleines Erweiterungsfach“ war oder blieb, sondern, nicht selten auch im Laufe des beruflichen Werdegangs, die Lehrbefähigung bis zur Ober‐ stufe erworben wurde. Auch mit Blick auf diese Beobachtung wären weiterführende Untersu‐ chungen nicht nur mit dem Corpus Kössler (Kössler 2008) - das sich bei stich‐ probenartigen Kontrollen immer wieder als lückenhafter als die vorliegenden Datensätze erwiesen hat, dennoch nach wie vor ergänzend eine ausnehmend wertvolle Quellensammlung darstellt -, sondern auch im ergänzenden Abgleich mit Schuljahrbüchern wünschenswert. So könnten Einzelfallstudien zur Ent‐ wicklung des Faches an einzelnen Schulstandorten im Zusammenhang mit den Vitae einzelner Lehrkräfte erfolgen. Es wäre beispielsweise zu prüfen, ob die Weiterqualifikation einzelner Lehrkräfte im Französischen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Auf- und Ausbau des Faches an einzelnen Schulen steht. Untersuchungen zur Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch 381 <?page no="382"?> Bibliographie Adamus, Carolin/ Lubinski, Magdalene/ Merholz, Anna-Maria/ Reimann, Daniel (im vor‐ liegenden Band): Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften als Quellen einer Geschichte der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen - Forschungsfrage, Korpus und Methode Becker, Lidia et al. (Hrsg.) (2020): Geschichte des Fremdsprachenstudiums in der Romania. Romanistisches Kolloquium XXXI. Tübingen: Narr. Centralblatt (1887) = Centralblatt für die gesammte Unterrichts-Verwaltung in Preußen, Jahrgang 1887. Berlin: Hertz, https: / / archive.org/ details/ bub_gb_LcwQgMyeEskC/ m ode/ 2up (13.09.2023). Christ, Herbert (1983): Zur Geschichte des Frantösischunterrichts und der Französisch‐ lehrer, in: Mannzmann, Anneliese (Hrsg.): Geschichte der Unterrichtsfächer. I: Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch, Latein, Griechisch, Musik, Kunst. München: Kösel, 94-117. Kämper-van den Boogaart, Michael (2010): Oberlehrer, Hochschulgermanisten und die Lehrerausbildung. Facetten einer nicht spannungsfreien Kooperation im Zeichen nationalpädagogischer Ideologien, in: Zeitschrift für Germanistik 20, 2, 265-289. Klippel, Friederike (2000): Zum Verhältnis von altsprachlicher und neusprachlicher Methodik im 19. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 11, 1, 41-61. Klippel, Friederike (2022): Was sollen Sprachlehrer wissen und können? Grundmuster der Fremdsprachenlehrkräftebildung im 19. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Fremdspra‐ chenforschung 33, 1, 73-95. Klippel, Friederike (2023): Lehrerbildung, Neuphilologie und Fremdsprachenunterricht von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg - Grundlegung der Moderne, in: Wilden, Eva/ Alfes, Luisa/ Cantone, Katja F./ Çıkrıkçı, Sevgi/ Reimann, Da‐ niel (Hrsg.): Standortbestimmungen in der Fremdsprachenforschung. Baltmannsweiler: Schneider Hohengeheren/ Bielefeld: wbv 2023, 70-83. Kössler, Franz (2008): Personenlexikon von Lehrern des 19. Jahrhunderts. 25 Bände. Gießen: Universitätsbibliothek Gießen (http: / / geb.uni-giessen.de/ geb/ volltexte/ 2008/ 6106/ , 08.11.2023). Reimann, Daniel (2023): Kompendium Fachdidaktik Romanistik. Französisch - Italienisch - Spanisch. I: Grundlagen. Tübingen: Narr. Reimann, Daniel (im vorliegenden Band a): Prolegomena zu einer Geschichte der romanistischen Fachdidaktik und der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen Reimann (im vorliegenden Band b): Pilotstudien zu Personalunterlagen von Lehrkräften als Quellen einer Geschichte der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen - Einführung, schulgeschichtliche und fremdsprachenhistorische Kontextualisierung. Reimann (im vorliegenden Band c): Grundzüge einer Ausbildungs- und Sozialgeschichte des Lehrberufs an höheren Schulen für die romanistisch-didaktische Historiographie. 382 Daniel Reimann <?page no="383"?> Reinfried, Marcus (2003): Der Unterricht des Französischen in Deutschland, in: Kolboom, Ingo/ Kotschi, Thomas/ Reichel, Edward (Hrsg.): Handbuch Französisch. Berlin: Erich Schmidt, 143-154. Reinfried, Marcus (2014). European History of Romance Language Teaching, in: Fäcke, Christiane (Hrsg.). Manuals of Romance Linguistics: Language Acquisition. Berlin/ New York/ Boston: De Gruyter, 255-273. Reinfried, Marcus (2017): Die Entwicklung des Schulfaches Französisch, in: Nieweler, Andreas (Hrsg.): Fachdidaktik Französisch. Stuttgart: Klett, 34-37. Reinfried, Marcus (2020): Die historische Entwicklung der Fremdsprachenmethodik, in: Hallet, Wolfgang/ Königs, Frank G./ Martinez, Hélène (Hrsg.) (2020a): Handbuch Methoden im Fremdsprachenunterricht. Hannover: Kallmeyer, 19-24. 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Untersuchungen zur Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch 383 <?page no="384"?> Tabellarische Übersicht über die Fächerverbindungen mit Französisch (systematisiert, ohne Berücksichtigung der Stufungen der Lehrberechtigung) (n = 206) (Stichprobe: 207, 1 nicht leserlich) Abkürzungen: L = Latein, Gr = Griechisch, D = Deutsch, Hebr = Hebräisch, F = Französisch, E = Englisch, It = Italienisch, Span = Spanisch, Poln = Polnisch, G = Geschichte, Ek = Erdkunde/ Geographie, Phil = Philosophie/ philosophische Propädeutik, Rel = Religion, M = Mathematik, Ph = Physik, Natwiss = Naturwissenschaften, C/ Min = Chemie und Mineralogie, Bot/ Zool = Zoologie und Botanik, Turn = Turnen, Leibes = Leibesübungen Fächerverbindung - Zahl der Be‐ lege Jahr der Belege ( Jahr des höchsten Abschlusses im Fach Französisch) - Belege inner‐ halb des Korpus Fächerverbindungen mit Latein/ Griechisch/ Französisch (ohne Deutsch) (Σ = 12): • Latein/ Griechisch/ Französisch, Latein/ Griechisch/ Französisch + weiteres Beifach L Gr F 8 1846, 1865, 1908, 1909, 1910, 1911, 1914, 1914 L17, M53, M9, M1, A68, L5, A56, M49 - L Gr F E 1 1891 L8 L Gr F G 1 1926 M22 L Gr F Phil 1 1921 A5 L Gr F Rel 1 1919 M4 384 Daniel Reimann <?page no="385"?> Fächerverbindungen mit Latein/ Griechisch/ Deutsch (Geschichte)/ Fran‐ zösisch (Σ = 20): • Latein/ Griechisch/ Deutsch/ Französisch, Latein/ Griechisch/ Deutsch/ Französisch + weitere Beifächer L Gr D F 6 1870, 1874, 1875, 1877, 1900, 1902 A62, A42, M51, M6, M43, A8 L Gr D F E 1 1871 A19 L Gr D G F 2 1855, 1866 L38, M33 L Gr D G Ek F - 4 1841, 1871, 1881, 1881 zwei weitere Belege (1883, 1894) unter G/ Ek L32, A96, M40, A97 L Gr D G Ek F M - ein Beleg (1867) unter G/ Ek - L Gr D G Ek F E 1 1856 A50 L Gr D G Ek Rel F 1 1872 M39 L Gr D G Phil F 1 1886 A53 L Gr D Phil F 1 1897 L39 L Gr D Rel F 1 1887 M44 L Gr D Phil Rel F 1 1862 L23 L Gr D G Rel F M Turn 1 1851 M35 L Gr D G F M Ph Natwiss - ein Beleg (1859) unter M/ Ph - Untersuchungen zur Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch 385 <?page no="386"?> Fächerverbindungen mit Latein/ Französisch (Σ = 10): • Latein/ Französisch + weiteres Beifach L F D 3 1905, 1911, 1933 M11, L19, M21 L F G -- 4 1908, 1914, 1915, 1919 L15, M57, L1, A99 L F G Rel 1 1878 M52 L F Rel 1 1908 L16 L F Poln D 1 1890 A33 NB: Zu Fächerverbindungen mit Latein vgl. auch Fächerverbindungen mit • Religion/ Hebräisch (Rel Hebr D F E L Gr) • Französisch/ Englisch (Französisch/ Englisch/ Latein, Französisch/ Eng‐ lisch/ Deutsch/ Latein usw.) • Französisch/ Deutsch (Französisch/ Deutsch/ Latein usw.) • Geschichte/ Erdkunde/ Französisch (Geschichte/ Erdkunde/ Franzö‐ sisch/ Englisch/ Latein, Geschichte/ Erdkunde/ Französisch/ Latein/ Grie‐ chisch + ggf. weitere Beifächer) Fächerverbindungen auf der Grundlage von Religion/ Hebräisch (Σ = 6): • Religion/ Hebräisch/ Französisch Religion/ Hebräisch/ Französisch + weiteres Beifach Rel Hebr F 4 1892, 1901, 1903, 1913, L12, A77, A91, L45 Rel Hebr D F Turn 1 1903 A10 Rel Hebr D F E L Gr -- 1 1887 L9 Ein-Fach-Lehrkraft mit Französisch (Σ = 1) F 1 1912 L4 386 Daniel Reimann <?page no="387"?> Fächerverbindungen mit Französisch + Sachfach (Σ = 4) • Französisch/ Geschichte Französisch/ Erdkunde Französisch/ Religion (ggf. + weiteres Sachfach) F G 1 1911 A79 F G Phil 1 1920 A67 F Ek Span 1 1935 M45 F Rel D E Phil 1 1929 A13 Fächerverbindungen mit Französisch/ Englisch (Σ = 109): • Französisch/ Englisch • Französisch/ Englisch/ Sport (Turnen, Leibesübungen) • Französisch/ Englisch/ Latein (ggf. + weiteres Beifach) • Französisch/ Englisch/ Deutsch (ggf. + Latein und/ oder Sachfach) • Französisch/ Englisch/ Italienisch und/ oder Spanisch • Französisch/ Englisch + Sachfach (v. a. Geschichte, Erdkunde, Reli‐ gion oder Philosophie) F E -- 3 1864, 1907, 1920 L13, L6, L21 F E Turn F E Leibes - 7 1888, 1920, 1921, 1930, 1931, 1932, 1933 A46, M37, M8, L44, M5, M24, A12 F E L 4 1904, 1907, 1912, 1913 A25, L3, L24, A57 -- F E L G Rel -- 1 1886 A71 F E L Ek -- 2 1889, 1920 - A58, A31 - F E L G Ek -- - 1 Beleg (1898) unter G/ Ek - Untersuchungen zur Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch 387 <?page no="388"?> F E D 27 1865(? ), 1903, 1907, 1907, 1907, 1907, 1907, 1908, 1909, 1910, 1910, 1911, 1913, 1914, 1914, 1915, 1917, 1918, 1919, 1919, 1919, 1921, 1922, 1924, 1928, 1930, 1930 L49, A48, L33, A40, A54, L11, M13, M20, L41, M38, L37, A93, M17, A28, A7 L36, A38, A30, A66, A100, A24, A23, A3, A6, M7, M2, M36 F E D Turn 3 1912, 1919, 1930 M47, M54, A61 -- F E D L -- 5 1875, 1880, 1883, 1892, 1895 - A52, A32, A84, L22, M56 F E D L G -- 1 1899 M23 F E D L G Ek -- 2 1887, 1888 M12, A73 F E D L G Ek M -- 1 1874 A81 F E D L Rel -- 3 1892, 1897, 1918 A65, L30, A15 F E D G -- 1 1885 A47 F E D Ek -- 1 1861 M34 F E D G Ek -- 3 1881, 1882, 1883 A59, A9, A29 F E D G Ek Rel -- - ein Beleg (1849) unter G/ Ek - F E D Phil -- 5-- 1906, 1907, 1911, 1914, 1920 - A4, A43, M50, L48, L2 388 Daniel Reimann <?page no="389"?> F E D Rel -- 3-- 1900, 1901, 1909 M42, A82, A64 F E Span -- 1 1929 M3 F E It Span -- 1 1928 A83 F E G -- 9 1901, 1910, 1910, 1919, 1920, 1932, 1932, 1933, 1936 - A26, A90, M14, A21, M28, A98, A87, A69, A94 F E G Ek -- 3 1879, 1883, 1885 L29, M46, A85 F E Ek -- 9 1895, 1911, 1912, 1912, 1919, 1920, 1921, 1936, 1936 - A11, A14, A34, M18, A44, A1, A78, L28, M29 - F E Rel 7-- 1878, 1886, 1890, 1911, 1912, 1919, 1920 A41, A16, L47, L14, A89, L7, L27 F E Rel Turn -- 1 1912 A75 F E Phil 3 1911, 1913, 1914, A20, L31, M25, -- F E Phil Turn 1 1934 A70 -- F E Phil Span -- 1 1924 A76 F E Phil Ek -- 1 1921 A86 Untersuchungen zur Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch 389 <?page no="390"?> Fächerverbindungen mit Französisch/ Deutsch (Σ = 20): • Deutsch/ Französisch • Deutsch/ Französisch/ Latein • Deutsch/ Geschichte/ Französisch, Französisch/ Deutsch/ Geschichte • Deutsch/ Französisch/ Geschichte/ Erdkunde (+ Latein) • Deutsch/ Französisch/ Religion • Deutsch/ Französisch/ Philosophie D F 1 1929 M16 D F L 2 1899, 1914 A88, A18 D F G 11 1905, 1908, 1909, 1911, 1912, 1914, 1914, 1916, 1922, 1924, 1937 - L43, A95, M26, M27, M15, M30, A74, A36, A55, L25, M19 - D F G Ek 1 1905 M41 D F G Ek L 1 1883 A72 D F G Phil Rel 1 1909 L20 D F Rel 1 1939 L42 D F Phil 2 1914, 1928 M31, A2 NB: zu Fächerverbindungen mit Deutsch s. auch unter Fächerverbin‐ dungen mit Französisch/ Englisch: Französisch/ Englisch/ Deutsch (+ ggf. weitere Beifächer) Fächerverbindungen mit Geschichte/ Erdkunde/ Französisch (Σ = 7): • Geschichte/ Erdkunde/ Französisch • Geschichte/ Erdkunde/ Französisch/ Englisch/ Latein • Geschichte/ Erdkunde/ Französisch/ Latein/ Griechisch + ggf. weitere Beifächer) G Ek F - 2 1910, 1914 A60, A35 G Ek F E L 1 1898 A51 G Ek L Gr D F 2 1883, 1894 A49, A22 390 Daniel Reimann <?page no="391"?> G Ek L Gr D F M 1 1867 L10 G Ek F E D Rel 1 1849 A80 Fächerverbindungen mit Mathematik/ Physik/ Französisch sowie mit Chemie und Mineralogie/ Zoologie und Botanik bzw. beschreibende Naturwissenschaften/ Französisch (Σ = 17): M Ph F 2 1884, 1907 L40, M10 M Ph Natwiss F E 1 1873 L46 M Ph Ek Rel F Turn 1 1896 M55 M Ph G Ek F 2 1868, 1874 A17, A39 M Ph G Ek F E 1 1866 L35 M Ph Natwiss L Gr D F G 1 1859 L34 M Ph C/ Min Ek G F 1 1891 L50 M Ph C/ Min Bot/ Zool F 1 1873 M32 M Ph C/ Min Bot/ Zool F L 1 1844 A63 M Ph C/ Min Bot/ Zool G Ek Rel F E 1 1879 A27 Natwiss M F 2- 1875, 1881 - L26, L18 - Min/ C Bot/ Zool M Ph D F 1 1875 A92 Bot/ Zool Min F E Rel 1 1887 A37 C Phil F Span 1 1926 A45 Untersuchungen zur Entwicklung der Fächerverbindungen mit Französisch 391 <?page no="393"?> Einzelfallstudien zur Geschichte der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen in verschiedenen regionalen und institutionellen Kontexten <?page no="395"?> Die Französischmethodik an der Humboldt-Universität zu Berlin Phasen der Entwicklung einer Wissenschaftsdisziplin (1945 - 1990) Heide Schrader An der Humboldt-Universität Berlin entwickelte sich die Methodik des Franzö‐ sischunterrichts nach 1945 in einem länger währenden Prozess zu einer eigenen wissenschaftlichen Disziplin. Als Studienbereich innerhalb der universitären Lehrerausbildung war die Methodik von Beginn an stark von den Anforde‐ rungen der Schule an ihre Lehrkräfte geprägt. Die inhaltliche Entwicklung in der Französischmethodik bestimmte zudem der Erkenntnisstand in den Fremdsprachenmethodiken und den für sie relevanten Bezugswissenschaften. Die fachliche und institutionelle Bindung an die Romanistik war ebenfalls wichtig. In dem Rückblick, den dieser Beitrag vornimmt, soll eine spezielle Perspek‐ tive entfaltet werden. Es stehen diejenigen Aspekte im Vordergrund, die die Französischmethodik an der Humboldt-Universität zu einem universitären Wissenschaftsgebiet werden ließen. Das betrifft Lehre und Forschung ebenso wie den Status als kleine Struktureinheit. Die Anfangsjahre Für den Zeitraum bis Anfang der fünfziger Jahre gibt es zur Lehrerausbildung in der Französischmethodik an der Humboldt-Universität kaum schriftliche Unterlagen oder Aufzeichnungen. Eine geringe Zahl von Studierenden wurde aber auch damals schon theoretisch und praktisch in der Französischmethodik ausgebildet. Lehraufträge zur Französischmethodik erteilte das Institut für Unterrichtsmethodik der Pädagogischen Fakultät. 1953 wurde für die Schulpraktischen Übungen in Englisch und Französisch erstmals ein wissenschaftlicher Assistent eingestellt, der in einem festen <?page no="396"?> arbeitsrechtlichen Verhältnis zur Universität stand. Die Lehrveranstaltungen bestanden in jenen Jahren aus Vorlesungen zur Englisch- und Französisch‐ methodik sowie aus Schulpraktischen Übungen an den Oberschulen (Klassen‐ stufen 9 bis 12). Einheitliche Lehrprogramme oder ähnlich geartete Empfeh‐ lungen speziell zur Französischmethodik gab es für diesen Zeitraum noch nicht. Zusammenhängende fachmethodische Praktika waren im Studienplan noch nicht vorgesehen. Es wurden auch keine Abschlussarbeiten zur Französisch‐ methodik geschrieben. 1956 stellte man erstmals einen wissenschaftlichen Mitarbeiter ein, der eigens für die Französischmethodik zuständig war. Er hatte zuvor bis 1953 an der Humboldt-Universität studiert und anschließend drei Jahre als Lehrer gearbeitet. Ihm verdanken sich diese Erinnerungen aus den Anfangsjahren. Die Französischmethodik erwirbt den Status einer kleinen Struktureinheit Die Eingliederung der Französischmethodik an der Universität war ab 1968 starken Veränderungen unterworfen. Im Gefolge der 3. Hochschulreform wurden Sektionen als neue Struktureinheiten gebildet. Noch bis 1968 galt die Französischmethodik an der Humboldt-Universität als eine Art Unterabteilung der Abteilung Fremdsprachen am Institut für Unterrichtsmethodik der Pädago‐ gischen Fakultät. Ab September 1968 bildete sie ein sogenanntes Fachkollektiv zunächst im Bereich Unterrichtsmethodik dann im Bereich Französisch inner‐ halb der neuen Sektion Philologien/ Germanistik. 1973 gründete sich abermals eine neue Sektion. Während des Bestehens dieser neuen Sektion Anglistik/ Ame‐ rikanistik/ Romanistik (1973 bis 1980) führte die kleine Struktureinheit den Namen „Bereich Methodik des Französischunterrichts“, den sie auch nach der Gründung der Sektion Romanistik ab Oktober 1980 behielt. So hatte der Weg über die Jahre weggeführt von der anfänglichen, nur lockeren Anbindung an die Unterrichtsmethodik innerhalb der Pädagogik hin zur fachlichen Eingliederung in die Romanistik. Die Französischmethodik war zu einer romanistischen Teildisziplin neben Linguistik, Literaturwissenschaft und Landeskunde geworden. Der Ausbau des Bereichs Methodik des Französischunterrichts Seit Anfang der fünfziger Jahre waren die Studierenden als Lehrerstudenten immatrikuliert. Nachdem sie zunächst noch selbst eine Kombination aus zwei 396 Heide Schrader <?page no="397"?> Unterrichtsfächern wählen konnten, gab es später festgelegte Kombinationen, zuerst aus Deutsch und Französisch, dann mit einigen Ausnahmen, in der Regel Kombinationen aus Russisch und Französisch. Das Ausbildungsprofil orientierte sich in allen Phasen wesentlich an den Anforderungen, die die Schule stellte. Die Immatrikulationszahlen wurden jeweils auf diesen Bedarf abgestimmt. So kam es auch immer wieder zu einem Wechsel von vier- und fünfjährigem Studium, je nachdem, ob ein Einsatz als Französischlehrkraft an einer zum Abitur führenden erweiterten Oberschule oder im fakultativen Französischunterricht an einer zehnklassigen Oberschule vorgesehen war. In den 70er Jahren stiegen die Immatrikulationszahlen an. Dies kann im Zusammenhang gesehen werden u. a. mit den zunehmenden Anforderungen durch das 1965 in Kraft getretene „Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“. Auch der langwierige, letztlich erfolgreiche Prozess der Auf‐ nahme diplomatischer Beziehungen zwischen Frankreich und der DDR trug vermutlich dazu bei. Der fakultative Unterricht Französisch stabilisierte sich. Die Teilnehmerzahlen waren gestiegen. Sie blieben dennoch insgesamt sehr niedrig und deutlich niedriger als die für Englisch. Viele Unterrichtsmaterialien waren inzwischen entwickelt worden, u. a. auch ein Rundfunkkurs. Die Ausbil‐ dung der Französischlehrer wurde vorangetrieben. (vgl. Serner/ Utermark 1976: 109 ff.). Eine grundsätzliche Neuerung in der Methodikausbildung hatte sich noch im Jahr 1966 vollzogen. Während in den Jahren davor die fachmethodischen Praktika in Form von je sechs bis acht Wochen für jedes Unterrichtsfach getrennt durchgeführt wurden, gab es jetzt das Schulpraktische Semester. Das letzte Schulpraktikum dieser Art fand im Frühjahrssemester 1985 statt, bevor im Rahmen des nun wieder fünfjährigen Lehrerstudiums das gesamte fünfte Studienjahr als Schulpraktisches Jahr gestaltet wurde. (vgl. Ministerium für Volksbildung, 1982) Sowohl in den Schulpraktischen Übungen als auch im Schulpraktikum wurden die Studierenden vom Bereich Französischmethodik betreut, im Praktikum zusätzlich von Lehrkräften an der Schule. Die Studie‐ renden erhielten nach erfolgreich bestandenen Abschlussprüfungen ihr Dip‐ lomzeugnis und nahmen direkt eine Tätigkeit an einer Schule auf. Es handelte sich grundsätzlich um eine einphasige Französischlehrerausbildung mit einer dadurch bedingten engen Verbindung zwischen Theorie und Praxis. Beginnend mit dem Studienjahr 1969/ 70 wurde das Lehrpersonal in der Französischmethodik den zunehmenden Anforderungen entsprechend aufge‐ stockt durch befristete und unbefristete wissenschaftliche Assistentenstellen und Aspiranturen. Bei den Personen handelte es sich durchweg um ausgebildete, teilweise auch langjährig praxiserfahrene Französischlehrkräfte. Es kam somit Die Französischmethodik an der Humboldt-Universität zu Berlin 397 <?page no="398"?> ab den 70er Jahren zu einem bedeutenden Ausbau der Ressourcen für Lehre und Forschung im Bereich der Methodik des Französischunterrichts an der Humboldt-Universität. Die erste Professur im Bereich Methodik des Französischunterrichts In die Phase der Verankerung der Französischmethodik in der Romanistik, während der 3. Hochschulreform und der deutlichen Verbesserung der Perso‐ nalausstattung, fällt 1968 die erste Promotion A im Bereich der Methodik des Französischunterrichts. Ab Mitte der 70er Jahre sollten sich weitere Promo‐ tionen anschließen. Entscheidend war 1982 die erste Promotion B. Sie schuf eine wichtige Voraussetzung für die Einrichtung und Besetzung der ersten Professorenstelle im Bereich der Französischmethodik, die dann 1984 erfolgte. Durch die Promotionen und die Professur gewann der Bereich an wissenschaft‐ lichem Gewicht. Arbeitsergebnisse wurden auf Konferenzen vorgestellt, flossen in Publikationen und Lehrmaterialien ein. Forschungsschwerpunkte waren u. a. die Ziel-Stoff-Strukturen in einem kommunikativ orientierten Französisch‐ unterricht, die Entwicklung der rezeptiven Fertigkeiten, die Übungsprozesse und Unterrichtsverfahren. In universitären und staatlichen Gremien zum Fremdsprachenunterricht, zur Lehrerbildung und zur Fremdsprachenmethodik war der Bereich Französisch‐ methodik kontinuierlich vertreten. Zu nennen wäre hier die Zentrale Fach‐ kommission Methodik Englisch- und Französischunterrichts beim Ministerium für Volksbildung/ Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Diese Kommis‐ sion traf sich regelmäßig zum Austausch und erstellte u. a. Vorlagen für Studien- und Lehrprogramme. Ebenso gehörte die Französischmethodik zur Lehrerbil‐ dungskommission der Humboldt-Universität, in der alle Methodiken vertreten waren und über grundsätzliche Probleme des Lernens berieten. Hierbei stand der tätigkeitsorientierte Ansatz im Mittelpunkt. Einen intensiven Austausch gab es im Rahmen des über viele Jahre in der Regie der Russischmethodik durchgeführten, regelmäßig tagenden Forschungs‐ seminars (vgl. Brandt 1989). Vielfältige Arbeitsbeziehungen bestanden darüber hinaus zu Methodikbereichen an anderen Universitäten, die sich mit ähnlichen Fragen in Lehre und Forschung beschäftigten. Auch innerhalb der Romanistik gab es Anknüpfungspunkte, daneben in der Linguistik generell (u. a. Text‐ linguistik, Psycholinguistik, Kommunikativ-funktionale Sprachbetrachtung). Ab Ende der 70er Jahre ergaben sich vermehrt Möglichkeiten zum wissen‐ schaftlichen Austausch insbesondere dank der sich entwickelnden staatlichen 398 Heide Schrader <?page no="399"?> Beziehungen zu Frankreich. So kamen französische Referenten zu Vorträgen und zu Lehrerweiterbildungen. Das an Universitäten und Forschungseinricht‐ ungen in Frankreich sehr weit entwickelte Gebiet des FLE (Français langue étrangère) bot sehr viele Anregungen. Durch das BELC (Bureau pour l’enseig‐ nement de la langue et de la civilisation françaises à l’étranger) trat u. a. der kreativ-spielerische Aspekt ins Blickfeld. Auch Arbeiten des Europarates (Niveau-seuil) spielten eine wichtige Rolle. Reisen zu Forschungsaufenthalten führten nach Frankreich, zur Teilnahme an internationalen Kongressen und zu Sommerkursen. 1984 öffnete das Centre culturel in Berlin Unter den Linden seine Türen. Mit der Universität Paris VIII schloss die Humboldt-Universität einen Vertrag ab, der einen regelmäßigen Dozentenaustausch ermöglichte. Die Beziehungen zur Schulpraxis waren durch die regelmäßigen Schulbe‐ suche während der wöchentlich stattfindenden Schulpraktischen Übungen und während des Schulpraktikums sehr eng. Daneben arbeitete der Bereich Franzö‐ sischmethodik auf eigene Initiative in verschiedenen Lehrerfachzirkeln für Französisch in Berliner Stadtbezirken mit. Es wurden auch sehr viele Veranstal‐ tungen zur regionalen und zentralen Lehrerweiterbildung durchgeführt. Durch die vielfältigen Kontakte, Herausforderungen und Arbeitsfelder schärfte sich das wissenschaftliche Profil der Französischmethodik in Lehre und Forschung. Das erste eigene Lehrprogramm zur Französischmethodik erscheint Von Beginn an hatten Studienpläne die universitäre Ausbildung an der Hum‐ boldt-Universität geordnet. Es waren Rahmenpläne für den gesamten Inhalt sowie die zeitliche Gliederung der einzelnen Studiengänge, die entsprechend dieser Vorgaben organisiert wurden und von den Studierenden zu absolvieren waren. Diese von den Ministerien für Volksbildung bzw. Hoch- und Fachschul‐ wesen herausgegebenen einheitlichen Studienpläne für das Lehrerstudium erfuhren im Laufe der Jahre mehrfach eine Neugestaltung. Das traf auch für das Studienfach Französisch zu. Interessant ist, dass für die Methodik schon recht früh ein Lehrmaterial existierte. Es wurde 1960 veröffentlicht und hieß „Vorlesungsprogramm für die Methodik des englischen bzw. französischen Unterrichts“ (Apelt 1960). Es kam nicht von staatlicher Seite, sondern wurde von allen Methodikern des Englisch- und Französischunterrichts an den Universi‐ täten gemeinsam erarbeitet als Richtlinie für die methodische Ausbildung der Lehrer. Es sollte ein „einheitliches, gemeinsames Vorgehen“ (Apelt 1960: 104) gewährleisten, das man für sehr wichtig hielt. Der Entwurf zu diesem Programm wurde breit diskutiert und überarbeitet, bis er schließlich 1959 in Halle auf Die Französischmethodik an der Humboldt-Universität zu Berlin 399 <?page no="400"?> einer Konferenz der Methodiker angenommen wurde. In dem Programm war der Inhalt der Methodikausbildung klar strukturiert und detailliert dargestellt, auch mit Stundenzahlen versehen. Ein Vergleich mit späteren Lehrprogrammen wäre vielleicht lohnenswert, um Veränderungen und Entwicklungen in den Konzeptionen festzustellen, die auch Rückschlüsse auf den Wechsel in den Sprachlernauffassungen zuließen. Für die Methodikausbildung innerhalb des Französischlehrerstudiums gab es über lange Zeit stets Lehrprogramme in Form einer gemeinsamen Veröffent‐ lichung mit Englisch (1966, 1970 und 1976). Beide Sprachen, Englisch und Französisch, hatten an den zehnklassigen Schulen eine geringere Bedeutung als Russisch (1.Fremdsprache) und ihre Gemeinsamkeit als fakultatives Sprachlern‐ fach, als 2.Fremdsprache, stand aus schulpolitischer Sicht wohl zunächst im Vordergrund. Dies widerspiegelte sich auch in anderen Publikationen, die die Schul- und Studienfächer Englisch und Französisch betrafen, so in dem 1978 in erster Auflage erschienenen Buch „Methodik Englisch- und Französischunter‐ richt“ (Autorenkollektiv 1978), das von Englisch- und Französischmethodikern gemeinsam erarbeitet wurde. Das Buch setzte an der kommunikativen Orien‐ tierung an und war wegweisend in der Lehreraus- und -weiterbildung. Ein weiteres Beispiel ist die Zeitschrift „Fremdsprachenunterricht“, die sich an Lehrkräfte in der Schule wie an Lehrerbildner wandte und die die Entwick‐ lung von Beginn an begleitete. Das Spektrum der Artikel reichte von der Publikation schulpolitischer Dokumente bis zu unterrichtspraktischen Tipps. Interessant ist, wie hier im ersten Heft (1, 1957) eine eigene Rubrik für Russisch und eine Rubrik gemeinsam für Englisch und Französisch existierte. In dieser gemeinsamen Rubrik erschienen sowohl Artikel zu grundsätzlichen methodi‐ schen Fragen, zu Problemen des fakultativen Unterrichts, die beide Fächer betrafen, als auch Artikel zu speziellen Themen wie beispielsweise zur Ausspra‐ cheschulung im Französischunterricht. Das Erscheinen der Zeitschrift wurde sehr begrüßt, gab es doch kaum etwas zum fakultativen Unterricht Englisch und Französisch als zweite Fremdsprache, der 1957 eingeführt wurde. (vgl. Rehfeldt 1957) Zögerlich verlief diese Einführung auch wegen teils noch fehlender Lehrkräfte und Lehrbücher. Nachteilig wirkte sich aus, wenn der Unterricht in Randstunden abgehalten werden musste. Man diskutierte seinerzeit auch noch über eine zweite obligatorische Fremdsprache (Englisch) nach Russisch, argumentierte aber auch zugunsten von Französisch. (vgl. Herms/ Schlecht 1964). Im Prozess der Entwicklung der Französischmethodik als Wissenschaft war es ein Fortschritt, als 1983 das erste eigene Lehrprogramm erschien, d. h. nicht mehr wie bisher eine Publikation gemeinsam mit der Englischmethodik. Der 400 Heide Schrader <?page no="401"?> Bereich Französischmethodik an der Humboldt-Universität war maßgeblich an der Erarbeitung dieses Lehrprogramms beteiligt. (vgl. Ministerium für Volksbil‐ dung/ Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen 1983) Das Lehrprogramm beschreibt den Ausbildungsprozess in der Methodik des Französischunterrichts als „Einheit von Vermittlung und Aneignung theoretischer Kenntnisse und praktischer Befähigung der Studenten […] zur Führung eines kommunikativ-orientierten, erziehungswirksamen Französisch‐ unterrichts“ (Ministerium für Volksbildung/ Ministerium für Hoch- und Fach‐ schulwesen 1983: 5). Das Lehrprogramm ist in drei Hauptkapitel gegliedert. Darin geht es um die Theoretischen Lehrveranstaltungen, die Schulpraktische Ausbildung und die Gestaltung der Wahlweise-obligatorischen Ausbildung. Die Vorlesungen und Seminare werden genau beschrieben in ihren Zielen, Inhalten und Methoden. Die Lehre sollte entsprechend dieser Struktur ablaufen und abgestimmt sein. Zu vielen der Lehrveranstaltungen wurden im Bereich Fran‐ zösischmethodik der Humboldt-Universität Lehrkonzepte und Lehrmaterialien erarbeitet, diskutiert und ausgetauscht. Da es sich um eine einphasige, sehr kompakte Lehrerausbildung handelte, war auch der zeitliche Anteil der Fran‐ zösischmethodik relativ hoch. Die theoretischen Veranstaltungen umfassten 30 Stunden Vorlesungen, 45 Stunden Seminare und 10 Stunden Theorie im 5. Studi‐ enjahr parallel zum Schulpraktikum. Für die Schulpraktischen Übungen wurden 30 Stunden Unterrichtstätigkeit und 30 Stunden seminaristische Auswertung veranschlagt. Das Schulpraktikum im 5. Studienjahr bestand aus 13 Wochen im 9. Semester und 14 Wochen im 10. Semester. Die Hauptprüfung in der Methodik des Französischunterrichts umfasste eine schulpraktische und eine mündliche Prüfung. Sie wurde im 10. Semester von Lehrkräften des Methodikbereichs abgenommen. Mit dem Methodiklehrprogramm von 1983 kam es zu einer Neuerung, der Wahlweise-obligatorischen Ausbildung. Über drei Semester hin zum Ende ihres Studiums konnten Studenten im Rahmen eines Forschungsprojekts ihre Diplomarbeit vorbereiten und schreiben. Im ersten Abschnitt sollten die theo‐ retischen und methodischen Grundlagen geschaffen werden für die selbständige Bearbeitung eines Themas. Im zweiten Abschnitt wurde diese Arbeit fortgesetzt und eine Konzeption für die Durchführung der Untersuchungen erstellt. Im dritten Abschnitt fanden die praktischen Untersuchungen statt sowie die Aus‐ wertung und Interpretation der gewonnenen Ergebnisse. (vgl. Ministerium für Volksbildung/ Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen 1983: 30 ff.). Die Französischmethodik an der Humboldt-Universität zu Berlin 401 <?page no="402"?> Die Französischmethodik an der Humboldt-Universität zwischen 1945 und 1990. Wesenszüge einer zurückliegenden Epoche Nach 1990, dem Jahr der deutschen Wiedervereinigung, kam es zu Umgestal‐ tungen an der Humboldt-Universität. Im Studienjahr 1991/ 92 traten wieder neue Studienpläne in Kraft und die Lehrerausbildung veränderte sich. Von 1945 bis 1990 hatte sich die Französischmethodik an der Humboldt-Universität als Wis‐ senschaftsdisziplin herausgebildet. Sie war als kleine Struktureinheit innerhalb der Romanistik institutionell verankert, verfügte über Mittelbau und Professur, folgte einem eigenen Lehrprogramm, entwickelte Forschungsprojekte und war mit Theorie und Praxis gut vernetzt. All dies geschah vor dem Hintergrund einer einphasigen, wissenschaftlich orientierten und zugleich praxisnahen universitären Lehrerausbildung unter zentralstaatlicher Leitung und Lenkung. Inhaltlich-konzeptionell versuchte die Französischmethodik, den wachsenden Erwartungen an das schulische Sprachenlernen gerecht zu werden, die darin bestanden, dass es zu anwendungsbereiten Kenntnissen und Fähigkeiten auf hohem Niveau führen sollte vor allem auch im mündlichen Sprachgebrauch. Nach 1945 hatte man begonnen, sehr stark auf eine wissenschaftliche Lehrer‐ ausbildung zu setzen, wie das Beispiel der Entwicklung der Französischme‐ thodik an der Humboldt-Universität zeigt. Dieser nach 1945 eingeschlagene Weg wurde von der grundsätzlichen Ausrichtung her bis in die Gegenwart fortgeführt trotz zahlreicher Veränderungen. In die Zukunft lässt sich nicht blicken, aber immer wieder neu wird sich die Frage stellen, was eine Gesellschaft von ihrer Schule erwartet und wie Lehrkräfte auszubilden sind. Bibliographie Apelt, Walter (1960): Das Vorlesungsprogramm für die Methodik des englischen und französischen Unterrichts, in: Fremdsprachenunterricht 2, 103-111. Apelt, Walter (1961): Zur Situation des Englisch- und Französischunterrichts an der zehnklassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule, in: Fremdsprachen‐ unterricht 5, 270-274. Autorenkollektiv unter der Leitung von Pohl, Lothar/ Schlecht, Günter/ Utheß, Sabine (1978): Methodik Englisch- und Französischunterricht. Berlin: Volk und Wissen. Brandt, Bertolt (1989): Zur Herausbildung der Methodik des Russischunterrichts als Wissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin, Reihe Gesellschaftswissenschaften 2, 190-193. Herms, Joachim/ Schlecht, Günter (1964): Die zweite Fremdsprache - eine ökonomische und bildungspolitische Notwendigkeit, in: Fremdsprachenunterricht 9, 422-425. 402 Heide Schrader <?page no="403"?> Ministerium für Volksbildung (1982): Gemeinsame Anweisung des Ministers für Volks‐ bildung und des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen vom 29. Juni 1982 zur schul‐ praktischen Ausbildung im 5. Studienjahr des Diplomlehrerstudiums. Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung, Nr. 8, 120. Berlin. Ministerium für Volksbildung/ Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen (1983): Lehr‐ programm für die Ausbildung von Diplomlehrern der allgemeinbildenden polytech‐ nischen Oberschulen in Methodik des Französischunterrichts an Universitäten der DDR. Berlin. Ministerium für Bildung und Wissenschaft (1990): Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung 1953-1989. Berlin: Staatsverlag. Ministerium für Volksbildung (1966): Mitteilung zur Gestaltung des fakultativen Eng‐ lisch- und Französischunterrichts ab dem Schuljahr 66/ 67 (1966), in: Fremdsprachen‐ unterricht 11, 427-430. Rehfeldt, Werner (1957): Grundlagen und Perspektiven des Englisch- und Französisch‐ unterrichts in den allgemeinbildenden Schulen der DDR. Rückschau und Ausblick, in: Fremdsprachenunterricht 1, 5-8. Rehfeldt, Werner (1957): Die neuen Lehrpläne und Anweisungen für den Englisch- und Französischunterricht in den allgemeinbildenden Schulen der DDR, in: Fremdspra‐ chenunterricht 8, 401-408. Röske, Marion (1984a): Chronik des Fremdsprachenunterrichts in der DDR, Teil I (1945- 1952), in: Fremdsprachenunterricht 9, 437-451. Röske, Marion (1984b): Chronik des Fremdsprachenunterrichts in der DDR, Teil II (1953- 1957), in: Fremdsprachenunterricht 12, 578-580. Röske, Marion (1985): Chronik des Fremdsprachenunterrichts in der DDR, Teil III (1957- 1959), in: Fremdsprachenunterricht 12, 583-585. Röske, Marion (1986a): Chronik des Fremdsprachenunterrichts in der DDR, Teil IV (1960-1961), in: Fremdsprachenunterricht 2-3, 68-70. Röske, Marion (1986b): Chronik des Fremdsprachenunterrichts in der DDR, Teil V (1962-1963), in: Fremdsprachenunterricht 6, 261-263. Röske, Marion (1986c): Chronik des Fremdsprachenunterrichts in der DDR, Teil VI (1964-1970), in: Fremdsprachenunterricht 7, 358-362. Serner, Arpad/ Utermark, Gisela (1976): Zu Stand, Problemen und Entwicklungs‐ tendenzen im Französischunterricht, in: Fremdsprachenunterricht 2/ 3, 108-124. Voigt, Margarete (1958): Eine zweite Fremdsprache in unseren Mittelschulen ab 1. September 1957, in: Fremdsprachenunterricht 4, 200-202. Die Französischmethodik an der Humboldt-Universität zu Berlin 403 <?page no="405"?> 1 Ausgewählte Fachrichtungen (z. B. Berufliche Bildung/ Ingenieurwissenschaften) sind mit dem Ziel der „Befähigung für die Laufbahn des höheren Schuldienstes an berufli‐ chen Schulen“ auch außerhalb einer Universität studierbar (z. B. in Kooperation mit einer (Fach)Hochschule - PH Ludwigsburg und Hochschule/ University of Applied Sci‐ ences Esslingen) (siehe Studien- und Prüfungsordnung der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg für den Masterstudiengang Berufliche Bildung/ Ingenieurwissenschaften, Master of Science - M.-Sc., vom 29. Juli 2013, o.S.). Die Ausbildung zur Französischlehrkraft am Gymnasium in Baden-Württemberg Eine Analyse im Spiegel der universitären Curricula von 1949 bis 2016 Jürgen Mertens 1 Einleitung Baden-Württemberg ist das letzte Bundesland, das in Sachen Lehrerbildung zweigleisig fährt und die Ausbildung zur Lehrkraft an zwei unterschiedlichen Hochschultypen ansiedelt. Während die Zuständigkeit für die Schularten des Primarbereichs und der Sekundarstufe I (Grundschule, Haupt- und Re‐ alschule, Gemeinschaftsschule; Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungs‐ zentren/ SBBZ) bei den fünf Pädagogischen Hochschulen des Landes (FR, HD, LB, SG, WG) liegt, ist das Studium für das sogenannte „höhere“ Lehramt am Gymnasium (und im beruflichen Schulwesen) 1 traditionellerweise den Univer‐ sitäten vorbehalten. In diesem Beitrag wird schwerpunktmäßig der Blick auf die sogenannte „erste“ Phase der Lehrerausbildung gelegt, d. h. den Ausbildungsabschnitt, dessen erfolgreiches Bestehen dazu berechtigt, sich für den Vorbereitungsdienst („zweite“ Phase) zu bewerben, mit der die Ausbildung zur Gymnasiallehrkraft <?page no="406"?> 2 Verordnung des Kultusministeriums über den Vorbereitungsdienst und die Zweite Staatsprüfung für die Laufbahn des höheren Schuldienstes an Gymnasien (APrOGymn), vom 10. März 2004 (Fassung vom 8. März 2015; letzter Zugang 23.03.2022). - in der Zuständigkeit der Seminare für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte - abschließt. 2 2 Beschreibung des Untersuchungsgegenstands In diesem Beitrag werden für Baden-Württemberg geltende Prüfungsord‐ nungen aus den Jahren 1948, 1959, 1966, 1978, 2001, 2009 und 2016, für das Lehramt am Gymnasium einer Analyse unterzogen. Diese Rahmenpapiere definieren die formalen Grundlagen des ersten Ausbildungsabschnitts von angehenden Gymnasiallehrer- und -lehrerinnen. Aus Gründen der Forschungs‐ ökonomie wurden weitere Quellen (z. B hochschulinterne Papiere, wie Studi‐ enpläne oder Vorlesungsverzeichnisse) nicht in die Analyse mitaufgenommen, wohlwissend, dass deren Analyse die Interpretation hätte deutlich vertiefen können. Dieser Beitrag reiht sich in die Erforschung historischer Quellen ein, deren Analyse zum Ziel hat „Kontinuitäten als auch Brüche“ (Ruisz, Kolb, Klippel 2022b: 233) aufzuzeigen, die sich im Bezugszeitraum 1948 bis 2016 auf der Datengrundlage des o. g. Korpus abzeichnen. Die Zusammenstellung dieses aus offiziellen Dokumenten bestehenden Korpus erfolgte zielgerichtet, mit der Intention das für die leitenden Forschungsfragen vorhandene Datenmaterial (hier: Prüfungsordnungen) vollständig zu sammeln. Was den Erkenntnisgewinn angeht, so muss vorab eingeräumt werden, dass die Formulierungen in den Dokumenten weitgehend als „Absichtserklärungen auf der Makroebene der [Hoch-; JM]Schul- und Unterrichtsorganisation“ (Ruisz, Kolb, Klippel 2022a: 131) zu verstehen sind, keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Ausbildungs‐ praxis erlauben und möglicherweise von begrenzter Reichweite sind. Das Datenmaterial konnte über das Archiv des Prüfungsamts an der Univer‐ sität Tübingen in Kopie bereitgestellt werden, wobei aus ökologischen Gründen allein die auf das Studienfach Französisch entfallenden Textteile zur Verfügung standen. Die Prüfungsordnungen sind bis einschließlich 2009 allesamt für das gesamte Bundesland Baden-Württemberg (hier: Lehramt an Gymnasien) gültig. Ab 2016 führt allerdings die Umstellung vom Staatsexamen zur von den einzelnen Universitäten verantworteten Bachelor/ Master-Struktur dazu, dass die Regelungen von Universität zu Universität sich unterscheiden können. Da die Universität Tübingen im Gegensatz zu anderen Universitäten im Lande bei der Lehrerbildung auf eigene Fachdidaktik- Professuren setzt (anstatt wie 406 Jürgen Mertens <?page no="407"?> andere mit Pädagogischen Hochschulen zu kooperieren), wurden exemplarisch deren Modulhandbücher zur Analyse herangezogen. Auf der Basis einer Synopse wurden die Formulierungen der Inhalte (später Kompetenzen) einander gegenübergestellt, um Parallelen, Veränderungen und Leerstellen visualisieren zu können. Aus dem Blick des heutigen Betrachters müsste jede Verordnung darauf hin gesichtet werden, inwieweit Lehrerkompe‐ tenzen in diesen Texten direkt oder indirekt formuliert werden. Bei der Analyse wird daher ein gesondertes Augenmerk auf die verwendeten Verben gelegt, da diese Rückschlüsse darauf zulassen, in welcher Weise die Studierenden ihr Studienwissen anwenden können sollen. 3 Die Textsorte Verordnung Eine Prüfungsordnung ist ein gesetzartiger Text, der verbindliche Rechtsnormen definiert, die in einem bestimmten Geltungsbereich allgemeine Gültigkeit haben. Berechtigt, solche Verordnungen zu erlassen, sind Regierungs- und Verwaltungsorgane, in deren Zuständigkeitsbereich die zu regelnde Rechts‐ norm fällt. Prüfungsordnungen für Lehramtsstudiengänge, so auch die o. g. Rechtnormen für das Lehramt an Gymnasien, wurden mit Ausnahme der Prüfungsordnung aus dem Jahr 2016 im Amtsblatt des Kultusministeriums veröffentlicht. Aufgrund der Angleichung der Studienabschlüsse im Rahmen des Bologna-Prozesses (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 1999) ging die Zuständigkeit für die Prüfungsordnungen mit der Verordnung aus dem Jahr 2016 auf die Hochschulen über. Verordnungen gehören zu den Textsorten, die nach Adam (2017: 259-260) Handeln initiieren, es leiten und lenken und bei einem juristischen Text un‐ ausweichlich dieses normiert. Die «finalité pratique» (a.a.O.: 261), die solchen Texttypen innewohnt, formuliert ein Garantieversprechen, sofern der beschrie‐ bene Weg eingehalten wird. Im Gegensatz zu Texttypen des Alltagsdiskurses (Rezept, Gebrauchsanweisung, etc.) spricht die Verordnung keine allgemeine und individuell einzuordnende Empfehlung aus; sie definiert vielmehr eine rechtsverbindliche Handlungsanweisung für die Lehrenden/ Prüfenden und sichert den Studierenden/ den Prüflingen eine Verfahrensgarantie zu. Im Bauplan einer Prüfungsordnung (vgl. Adam: 61-63, 260) lassen sich Makro- und Mikrostrukturen unterscheiden. Makrostrukturell ist diese Text‐ sorte durch eine weitgehend formalisierte Binnengliederung gekennzeichnet. Dabei lassen sich grob Abschnitte mit allgemeinen Aussagen zur Situierung des Textes im Rechtssystem, mit der Benennung der festsetzenden Behörde (z. B. „Kultusministerium“), des Geltungsbereichs (z. B. „Wissenschaftliche Die Ausbildung zur Französischlehrkraft am Gymnasium in Baden-Württemberg 407 <?page no="408"?> Prüfung“, „Lehramt an Gymnasien“, „Baden-Württemberg“) und des Datums des Inkrafttretens (z. B. „19. März 1958“) von die spezifische Rechtssituation normierenden Passagen unterscheiden. Was die Mikrostruktur angeht, so weist die Textsorte - hier nur im Hinblick auf das Fach Französisch betrachtet - eine stringent gegliederte Binnenstruktur auf, die der juristischen Fachsprache folgend (vgl. Cornu 2005) typographisch durch Paragraphenzeichen gekennzeichnet ist und teilweise durch alphanume‐ rische Bestandteile weiter ausdifferenziert wird. Alternativ findet sich in der PO 2001 die dezimale Gliederungsart. Die jeweils definierten Konzepte (z. B. das Studienfach, Zugangsvoraussetzungen zur Prüfung, inhaltliche Anforderungen, Prüfungsmodalitäten) rhythmisieren die Textsorte und bilden die Bezugspunkte für die im weiteren Textverlauf gemachten Festlegungen. Morphosyntaktisch bedient sich die Textsorte Prüfungsordnung vielfach alltagssprachlicher Formu‐ lierungen („Le langage juridique s’inscrit à l’intérieur de la langue courante“, Dolata-Zaród 2017: 44), deren Gebrauch jedoch von einer „culture juridique“ (a. a. O.) abhängt und einer juristischen Normierung unterliegt (z. B. „soll der Nachweis … erbracht werden“, Kultusministerium 2001: o.S. Hervorhebung JM); „Sollen“ im juristischen Sinne bietet z. B. nur wenig Ermessensspielraum, ist näher an Müssen als in der Alltagskommunikation, wo es schnell zur alternativen Möglichkeit wird. Ein drittes Merkmal der Textform Prüfungsord‐ nung liegt neben der syntaktischen Knappheit (Aufzählungen, überwiegend parataktischer Stil, einfache Modalsätze, …) in der Verwendung einer vornehm‐ lich fachsprachlichen Lexik (z. B. Prüfung, Klausur, …; Übung, Proseminar, Hauptseminar; …). Von diesen formalsprachlichen Aspekten abgesehen konkretisiert die Text‐ form Verordnung durch die Benennung inhaltlicher Kategorien und die Be‐ schreibung von Verfahrensweisen zu deren Umsetzung die in der Normenhie‐ rarchie höher angesiedelten Gesetze (hier z. B. das Ausbildungsgesetz). Auf die letztgenannten Aspekte soll sich die Analyse der Dokumente beschränken, weshalb folgende Forschungsfragen in einer ersten Annäherung beantwortet werden sollen. 1) Welche Teildisziplinen und welche Inhalte innerhalb derselben sollen im jeweiligen Geltungsabschnitt studiert bzw. erlernt werden (und welche nicht)? 2) Wozu sollen die Studierenden im Studium des Französischen befähigt werden, und mit welchen Instrumenten soll dies nachgewiesen werden? 3) Welche Konzeption von Lehrerbildung lässt sich im jeweiligen Zeitraum aus den Dokumenten ablesen? 408 Jürgen Mertens <?page no="409"?> 4 Die Analyse des Datenkorpus 4.1 Wissenschaftliche Prüfung für das Höhere Lehramt in Württemberg (1948) Die Studieninhalte für das Lehramt an „Höheren Schulen“, das ist auffallend, sind eine Aneinanderreihung von Themenfeldern, die sich um Sprachkompe‐ tenz, Literaturwissenschaft, Landeskunde und Sprachwissenschaft ranken. Dabei orientiert sich diese erste Prüfungsordnung des sich neu formierenden Landes Württemberg an dem Anspruch an die Lehramtsstudierenden, die Fremdsprache aktiv (und auch rezeptiv) verwenden zu können („Gewandtheit im […] Gebrauch“, Kultusministerium 1948: 27), auf der Basis einer „lautreine[n], fließende[n] Aussprache“, 1948: 27). Die erwartete Sprachkompetenz der Stu‐ dierenden richtet sich an einem soziokulturell höher markierten Register aus. So zeigt der Hinweis auf „Umgangssprache“ zwar in Richtung alltagssprachli‐ cher Sprachkenntnisse, durch den Zusatz „der Gebildeten“ (Kultusministerium 1948: 27) wird jedoch verdeutlicht, dass es um eine gepflegte Ausdrucksweise geht, wie sie einem akademisch gebildeten Personenkreis zugeschrieben wird. Was die Kenntnis bzw. Beherrschung der sprachlichen Mittel angeht, so sind diese quantifizierend, wenn auch unpräzise beschrieben mit Adjektiven wie ‚umfangreich‘ bzw. ‚eingehend‘ (a.a.O.: 27 f). In Literaturwissenschaft werden Kenntnisse in folgenden Bereichen formu‐ liert: a) Überblick über die Literaturgeschichte, incl. der Literatur der alt- und mittelfranzösischen Epoche, b) vertiefte Kenntnisse des „neueren Schrifttums“ (a.a.O.: 28), d. h. ab dem 17. Jahrhundert, c) Überblickswissen über die Epochen des Alt- und Mittelfranzösischen und Kenntnis ausgewählter Werke. Es wird dabei auf einen nicht genannten, aber indirekt angedeuteten Kanon verwiesen. Dieser speist sich aus den Werken „bedeutendere[r] Persönlichkeiten“ bzw. „herausragender Schriftsteller“ (a.a.O.: 28). Im Gegensatz zu den Ausführungen zu Englisch, wo explizit auf die Kenntnis des „Nordamerikanischen Schrifttums“ hingewiesen wird, unter Verweis auf die „Bedeutung der Vereinigten Staaten von Amerika“ (a.a.O.: 28), ist frankophone Literatur aus französischsprachigen Regionen außerhalb Frankreichs kein Thema, woran sich deutlich ein Eurozen‐ trismus ableiten lässt. Im Bereich der Landeskunde stehen Inhalte der politischen Geschichte wie auch die Kenntnis der „staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen des fremden Landes“ (a.a.O.: 28) im Vordergrund. Die Ausführungen zur Sprachwissenschaft sind eher gering gehalten. Kurso‐ risch wird auf „Grundlagen und Arbeitsweisen“ rekurriert, ohne die historische Die Ausbildung zur Französischlehrkraft am Gymnasium in Baden-Württemberg 409 <?page no="410"?> Dimension zu ignorieren („geschichtliche[n] Entwicklung von den Anfängen bis zur Gegenwart“, a.a.O.: 28). 4.2 Wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an Gymnasien in Baden-Württemberg (1959) Die Anforderungen an die Sprachkompetenz werden in dieser Prüfungsordnung sehr gerafft umschrieben mit 1) „Beherrschung der Phonetik und Grammatik“ (Kultusministerium 1959: 209), 2) „Sicherheit im mündlichen und schriftlichen Gebrauch“ (a.a.O.: 209). In der Literaturwissenschaft geht es wie in der Prüfungsordnung aus dem Jahr 1948 um die „Geschichte der Literatur“ (a. a. O.) ab dem Mittelalter. Dabei wird weiterhin deutlich, dass auf Exemplarität, eigene Lektüre und die „Hoch“literatur wert gelegt wird („bedeutenden Schriftstellern“, a.-a.-O.). Was die fachwissenschaftlichen Anteile angeht, so sind diese in etwa de‐ ckungsgleich mit denen der vorherigen Prüfungsordnung, wenn auch sprach‐ lich in etwas modernerem Gewand. In der Sprachwissenschaft wird weiterhin Wissen über die Sprachgeschichte erwartet. Neu hinzu kommen Anforderungen an Kenntnisse über innerromanische Entwicklungs- und Verbindungslinien ausgehend vom Lateinischen. Im Gegensatz zur vorigen Prüfungsordnung erfolgt die Erwähnung des Be‐ reichs Landeskunde nur lapidar („wesentliche[n] Erscheinungen der Geschichte und des kulturellen Lebens“, Kultusministerium 1959: 210). 4.3 Wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an Gymnasien (1966) Diese Prüfungsordnung stellt, was die Studieninhalte angeht, mehr eine re‐ daktionelle und formale Überarbeitung und weniger eine inhaltsbasierte Neu‐ fassung dar. Die Formulierungen werden im Großen und Ganzen wörtlich übernommen. Zum Teil erhalten besondere Inhalte einen eigenen Abschnitt, womit möglicherweise ein Akzent gesetzt werden soll. So stehen in der PO 1959 „Angemessenen Kenntnisse im Altfranzösischen“ (Kultusministerium 1959: 209) innerhalb einer ganzen Reihe unterschiedlicher Aspekte, die es im Bereich der Sprachwissenschaft zu beherrschen gilt. In der PO 1966 erhält dieser Studieninhalt losgelöst von den Inhalten der (historischen) Sprachwissenschaft einen eigenen Absatz und somit mehr Gewicht. Aufmerksamkeit verdient auch die Beobachtung, dass die Formulierung vom Plural „Kenntnisse des Altfranzö‐ sischen“ zum Singular „Kenntnis des Altfranzösischen“ wechselt. Der Singular 410 Jürgen Mertens <?page no="411"?> suggeriert eine umfassendere und anspruchsvollere Erwartungshaltung an die Sprachkompetenz als die Formulierung im Plural; ersteres sieht das Altfranzö‐ sische als Block, zweiteres deutet hin auf Sprache (hier das Altfranzösische) als vielgestaltiges und vielschichtiges Medium, aus dem es in Auswahl Aspekte zu beherrschen gilt. 4.4 Wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an Gymnasien (1977) Die Großbereiche, aus deren Umfeld sich die Anforderungen an die zu prü‐ fenden Personen ableiten, sind die „Sprachbeherrschung“, „Sprachwissenschaft“ und „Literaturwissenschaft“. Die Definition der fremdsprachlichen Kompetenz ist qualitativ und quantitativ normiert („Sicherheit im … Gebrauch“, „Richtige … Aussprache“, „Umfangreicher … Wortschatz“, „Fähigkeit auch schwierige Texte“, o.S.), allerdings ohne fachliche gesicherte Bezugsgrößen miteinzubeziehen. So wird bspw. in Bezug auf die Aussprache einerseits auf eine Norm verwiesen, diese jedoch nicht näher spezifiziert. Bei den Anforderungen in Literaturwissenschaft geht es vornehmlich um eine literaturgeschichtliche Gesamtschau ab dem Mittelalter, um einen kompa‐ ratistischen Überblick und die Befähigung zur Deutung von Literatur in ihrer kontextuellen Situierung. Bzgl. der Teildisziplin Sprachwissenschaft wird einerseits auf das Wissen um die geschichtliche Entwicklung des Französischen innerhalb der Romania rekur‐ riert, zum anderen auf die Fähigkeit zur Anwendung sprachwissenschaftlicher Methoden auf Fragestellungen der Synchronie. Aus der Formulierung „Kenntnis insbesondere der für den Unterricht bedeutsamen sprachwissenschaftlichen Grundbegriffe“ (o.S.) könnte man eine Nähe zur angewandten Linguistik ab‐ leiten. 4.5 Wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an Gymnasien (2001) Neben Sprachpraxis und Landeskunde werden die Fachwissenschaften Sprach- und Literaturwissenschaft sowie Fachdidaktik als Teildisziplinen aufgeführt (Ministerium 2001: 224). Was den Grad der Sprachbeherrschung angeht, so wird dieser in Bezug auf verschiedene Bereiche exemplarisch umrissen, ohne dass er aber opera‐ tionalisiert wird. Gerafft könnte man resümieren, dass die Sprache auf der Basis vorhandener sprachlicher Mittel (Lexik, Grammatik, Aussprache) auf Die Ausbildung zur Französischlehrkraft am Gymnasium in Baden-Württemberg 411 <?page no="412"?> einem hohen Niveau („auch schwierige Texte ohne Hilfsmittel […] verstehen“, Ministerium 2001: 224) sowohl produktiv wie auch rezeptiv beherrscht werden soll (Ministerium 2001: 224). Die fachwissenschaftlichen Inhalte unterscheiden sich nicht von den Berei‐ chen, die in den Verordnungen zuvor genannt wurden: 1. Sprachwissenschaft: a) Hauptgebiete der Sprachwissenschaft, b) Methoden der Disziplin, c) Historische Dimension/ en, d) Verbindungslinien innerhalb der Romania und dem Lateini‐ schen. 2. Literaturwissenschaft: a) Überblick über die literarischen Epochen und Hauptgattungen, b) Methoden der Literaturwissenschaft, c) Kenntnis eines (selbst gewählten) Lektürekanons. Die zu erwerbenden Kompetenzen auf der o. g. inhaltlichen Wissensbasis sind rein akademischer Natur und weisen keine Bezüge zum späteren Lehrberuf auf. Die Sprachkenntnisse werden im Rahmen einer Übersetzung ins Französische und der Darstellung fachlicher Inhalte der Fachwissenschaften in einer münd‐ lichen Staatsexamensprüfung nachgewiesen. Die Fachdidaktik ist als Disziplin von geringer Bedeutung. Ihre Inhalte werden wie die der Landeskunde in dieser Verordnung völlig ausgespart. Die Fachdidaktik hat nur den rein formalen Status eines Gebiets, das es im Umfang von „1 fachdidaktischen Lehrveranstaltung“ (Ministerium 2001: 224) erfolgreich zu studieren gilt. Damit ist auch klargestellt, dass die Fachdidaktik im Rahmen dieser wissenschaftlichen Staatsprüfung kein Gewicht und keinen Anteil an der Endnote hat. Zugleich kann gefolgert werden, dass ihr keine Wissenschaftlichkeit zugestanden werden soll. 4.6 Wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an Gymnasien (2009) Im Gegensatz zu den vorhergehenden Ordnungen markiert der Text aus dem Jahr 2009 eine Wende. Während bislang Wissen und allenfalls akademische Anwendbarkeit im Vordergrund gestanden hatten, fokussiert diese Fassung die Anwendbarkeit für die spätere Tätigkeit als Lehrkraft. Expressis verbis wird das Studienfach Französisch mit dem Lehrerberuf verknüpft, wie folgendes Zitat verdeutlicht: „Der schulische Unterricht erfordert, die erworbenen Kompetenzen schülerbezogen einzubeziehen.“ (Ministerium 2009, Präambel). Während zuvor der Fokus auf der Befähigung zum wissenschaftlichen Ar‐ beiten im Bereich der Romanistik gelegen hatte, scheint nunmehr - zumindest auf der Ebene des Gesetzestextes - die Anbindung an das Berufsfeld in den Fokus zu rücken. Der universitäre Ausbildungsabschnitt wird als eine Phase neben dem Referendariat („zweite Phase an den Seminaren“, a. a. O.) wie auch der anschließenden „Phase der Berufsausübung, in der die erworbenen 412 Jürgen Mertens <?page no="413"?> Kenntnisse im Sinne des lebenslangen Lernens weiterentwickelt werden“ (a. a. O.) gesehen. Eine weitere Neuerung liegt darin, dass die erworbenen Wissensbestände zum einen nicht mehr isoliert, sondern verbunden verfügbar sein sollen („vernetzte Kompetenzen“, a. a. O.); zum anderen, dass es Wis‐ sensbestände sind, die in berufsbezogene Handlungen einmünden sollen. Dieser Handlungsbezug zeigt sich in der Verwendung entsprechender Verben und Formulierungen, wie einsetzen, verfügen über Kompetenzen, können darstellen/ beschreiben/ …, aber auch allein darin, dass neben Studieninhalten auch ein erster Abschnitt „Kompetenzen“ gewidmet ist, die die Studierenden im Rahmen des Fachstudiums erwerben sollen. Der Fokus liegt, diesen Kompe‐ tenzbeschreibungen zufolge, neben dem Erwerb von Wissen und Erfahrungen (u. a. Auslandsaufenthalt) auf der Beschreibung von und Reflexion über die Zusammenhänge von fachwissenschaftlichen Wissensbeständen im Lichte unterrichtsrelevanter Problemstellungen oder -situationen. Der berufsfeldbe‐ zogene Grundansatz dieser Prüfungsordnung zeigt sich auch in der Reihung der Kompetenzbeschreibungen, die über die Sprach- (1.1.) und interkulturelle Kompetenz (1.2), die fachwissenschaftlichen Kompetenzen (1.3-1.7) in schul- und unterrichtsbezogene Kompetenzbeschreibungen einmündet (1.8, 1.9). So wird hier auch zum ersten Mal die Fachdidaktik kompetenzorientiert als Teil‐ disziplin implizit genannt („Orientierungswissen und Problembewusstsein im Hinblick auf fremdsprachliche … Lehr- und Lernprozesse“, a.a.O.: 1.1.8) und ein weiteres Mal auf die Verknüpfung der Wissensbestände rekurriert („fachwissenschaftliche Inhalte funktional … für die Schulpraxis nutzbar machen“, a.a.O.: 1.1.9). Was die Studieninhalte angeht, so zeigt sich die Anwendungs- und Berufs‐ feld(um)orientierung in den Formulierungen zu den Fachwissenschaften wie auch in der Einführung der Fachdidaktik als Disziplin. Für die Sprachpraxis wird beispielsweise für die produktiven Kompetenzen ein registertüchtiges Können formuliert („verschiedene[n] Kommunikationssituationen, a.a.O.: 2.1.1.3; „in verschiedenen Kontexten, a.a.O.: 2.1.1.4), wie auch die Verwendung von der Zielsprache in mehrsprachigen Kontexten („Formen der Sprachmittlung“, a.a.O.: 2.1.1.5). Interessant ist auch die Aufsplittung der Sprachpraxis in die verschie‐ denen Ebenen: a) (Sprach-)Kompetenz (hier allerdings bezeichnet als „Sprach‐ liche Fertigkeiten“, a.a.O.: 2.1.1), b) sprachliche Mittel, die traditionell und sehr knapp formuliert sind und gegenüber den früheren Prüfungsordnungen keinen Fortschritt erkennen lassen, c) Nutzung verschiedener Medien. Dies verdeut‐ licht den technischen Fortschritt und die bessere Zugänglichkeit zielsprachli‐ cher Sprachproduktionen, die im Rahmen der Sprachpraxis nutzbar gemacht werden sollen. Eine wichtige Neuerung stellt auch die Umorientierung bei der Die Ausbildung zur Französischlehrkraft am Gymnasium in Baden-Württemberg 413 <?page no="414"?> Unterrichtssprache dar. Ob allerdings „Veranstaltungen in der Zielsprache“, so wie von der Verordnung gesetzt, stattfinden (a.a.O.: 2.1.3), bleibt anzuzweifeln. Ein Blick in die Vorlesungsverzeichnisse dürfte genügen, um zu beweisen, dass die Formel Zielsprache = Lernsprache + Arbeitssprache ignoriert wurde und diese Neuerung lettre morte blieb. In den Fachwissenschaften zeigt sich bei den Studieninhalten eine größere Präzision bei der Formulierung der Studieninhalte. Neben vielen Aspekten, die auch bereits in den vorangegangenen Texten genannt worden waren (z. B. Sprachwandel, Sprachgeschichte, Zweige der Sprachwissenschaft), finden im Bereich der Linguistik Themen der jüngeren Fachgeschichte wie bspw. Varie‐ täten- und Soziolinguistik, Psycho- und Neurolinguistik, Mehrsprachigkeit und Sprachkontakt Erwähnung. Auch in der Literaturwissenschaft lässt sich eine Öffnung erkennen, insofern als Literatur auch im Rahmen anderer „medialer, Ausdrucksformen“ (a.a.O.: 2.3.4, 2.3.5), mit einer Akzentuierung zeitgenössi‐ scher Literatur, die ins „21. Jhd.“ (a.a.O.: 2.3.6) weitergeschrieben wird, explizit auf die Frankophonie ausgeweitet und im Rahmen transkultureller Diskurse verortet wird (a.a.O.: 2.3.7). Was die Landes- und Kulturwissenschaften angeht, so zeigt sich eine Tendenz zur Aufgabe der alleinigen Frankreichorientierung, indem auf die „wichtigsten Zielsprachenländer“ (a.a.O.: 2.4.1) verwiesen wird, wie auch die Einordnung und Kontrastierung in den europäischen wie auch globalen Zusammenhang. Die Fachdidaktik ist, wie oben bereits erwähnt, ein neues Element in dieser Verordnung. Die Formulierungen der Inhalte orientieren sich an der Vorlage der KMK (2004, 2009), mit dem Ziel „ausgewählte theoretische und praktische Grundlagen“ (a.a.O.: 2.5) für den Ausbildungsabschnitt im Studienseminar zu legen. Erkennbar ist die Fokussierung auf das Schulpraxissemester, das im Rahmen des Studiums neu eingeführt wurde: „Die Studieninhalte orientieren sich an den Inhalten und Erfordernissen des Schulpraxissemesters“ (a.a.O.: 2.5). Auf den ersten Blick erscheint diese Formulierung stimmig. Allerdings zeigt sie deutlich, dass ein Verständnis von Fachdidaktik den Formulierungen zugrunde liegt, das eher eine an der Praxis ausgerichtete Didaktik im Sinne von Methodik suggeriert als eine wissenschaftliche Disziplin, „die Inhalte, Begründungen und Zielsetzungen fachbezogenen Lehrens und Lernens sowie methodische Umsetzungen zum Gegenstand hat und analysiert“ (Fäcke 2010: 2). So fehlen bspw. die Geschichte der Fremdsprachendidaktik, Einblicke in Forschungsmethoden, aber auch der Blick auf Lehr- und Lernsituationen, die jenseits des schulischen Kontextes bestehen: „Sie [= die Fachdidaktik; JM] befasst sich mit Lehr-/ Lernzusammenhängen in schulischen und anderen institutionellen Zusammenhängen“ (Fäcke 2010: 2; Hervorhebung JM). Aus der 414 Jürgen Mertens <?page no="415"?> Tradition der gymnasialen Ausbildung heraus ist diese verkürzte Sichtweise insofern erklärbar, als die Ausbildung in den Fachwissenschaften durch wis‐ senschaftlich qualifiziertes Personal an der Universität erfolgte, während die schulpraktische Ausbildung im Referendariat durch erfahrende Praktiker*innen der Studienseminare verantwortetet wurde. Diese verfügten jedoch i. d. R. - und das weitgehend bis heute - über keine fremdsprachendidaktische Qualifizierung über das hinaus, was sie selbst in ihrer Lehrerausbildung erfahren hatten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen liegen keine genuin fachdidaktischen Qualifi‐ kationsarbeiten von dieser Berufskategorie vor (außer z.-B. Abel 2018). Mit der Vorverlagerung der Fremdsprachendidaktik in den ersten Ausbildungsabschnitt (und der damit einhergehenden Kürzung des Referendariats von 24 auf 18 Monate ab 2005) ist diese strukturell zwar nunmehr im Rahmen des Studiums verankert, inhaltlich wird sie jedoch enggeführt und in wissenschaftlicher Sicht verkürzt, wenn nicht gar überwiegend auf methodische Aspekte reduziert vermittelt. 4.7 Bachelor of Education/ Master of Education für das Lehramt an Gymnasien (2016ab) Die Regelungen ab dem Jahr 2016 sind noch deutlicher auf Kompetenzentwick‐ lung ausgerichtet als in der vorhergehenden Prüfungsordnung. Rein formal ist die Aufsplittung in zwei getrennte Studiengänge, Bachelor of Education und Master of Education, entsprechend den Erfordernissen des Bologna-Prozesses, festzustellen. Zum anderen sind der Ablauf des Studiums wie auch die Qualifi‐ kationsziele ausführlich erläutert. Inhalte und anvisierte Kompetenzen werden im Gegensatz zu früheren Prüfungsordnungen in Modulen zusammengefasst, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu erwerben sind. Somit unterliegen die Studieninhalte einer Progression, die vom Überblick über die Teildisziplinen zu exemplarischen Vertiefungen im Rahmen des Bachelors und dann vertiefend in der Master-Phase fortgeführt wird. • Sprachpraxis: Bei der Sprachpraxis wird eine Art Übergangsmodul ange‐ boten, in dem zu Studienbeginn das Sprachniveau B2 angestrebt wird. Im Zuge der weiteren Semester soll, so die Planung, das Sprachniveau auf C1 ausgebaut werden. Infolgedessen wird in den leicht versetzt ange‐ botenen Teildisziplinen Sprachwissenschaft, Literatur- und Kulturwissen‐ schaft sowie Fremdsprachendidaktik im jeweiligen Einstiegsmodul ein unterhalb des Abiturniveaus angesiedeltes Niveau B1 als Minimalvoraus‐ setzung formuliert. Dies hat zur Konsequenz, dass im Gegensatz zur Sprachpraxis mit einer Arbeitssprache „überwiegend Französisch/ Deutsch“ Die Ausbildung zur Französischlehrkraft am Gymnasium in Baden-Württemberg 415 <?page no="416"?> (Universität Tübingen 2016a: 19) in den anderen Teilbereichen Französisch und Deutsch als Alternativen genannt sind. Als weiterer Baustein zum Erwerb zielsprachlicher Kenntnisse wird ein Auslandsaufenthalt in einem Zielsprachenland bis Ende des Master-Studiengangs erwartet. Diese Vor‐ aussetzung kann allerdings auf Antrag ausgesetzt werden, wenn auch der Nachweis der in einen solchen Auslandsaufenthalt erworbenen Kenntnisse „sichergestellt“ (Ministerium 2016a: 5) werden muss. In der Masterphase soll die Sprachkompetenz in der Sprachbzw. Lite‐ ratur-/ Kulturwissenschaft im Schriftlichen bis zum Niveau C1 bis C2-Ni‐ veau (vgl. Ministerium 2016b: 10, 12) ausgebaut werden, mit dem Ziel „schriftliche akademische Texte sprachlich korrekt in der Fremdsprache“ verfassen zu können (Ministerium 2016b: 10, 12). Dies erfolgt im Rahmen einer im jeweiligen Fachmodul angesiedelten Übung „Wissenschaftliche Textproduktion“ (Universität Tübingen 2016b: 10, 13). Für die Fachdi‐ daktik wird allein das Eingangsniveau formuliert (C1; vgl. Ministerium 2016b: 9), ohne dass der Kompetenzaufbau in dieser Teildisziplin voran‐ getrieben werden soll. Diese Verteilung zeigt sich auch an den Regelungen zur Rolle der Fremdsprache. Während für Literatur/ Kulturwissenschaft bzw. Sprachwissenschaft von Französisch als Arbeitssprache ausgegangen werden kann, deutet allein schon die Reihung „Deutsch/ Französisch“ (Universität Tübingen 2016b: 9) darauf hin, dass in der Fachdidaktik Deutsch der Vorzug gegenüber dem Französischen gegeben wird. Ein weiterer Hinweis auf diese Vermutung sind die Regelungen zur Prüfungs‐ leistung: bei den Fachwissenschaften ist die Hausarbeit auf Französisch zu verfassen, während diese Frage bzgl. der Hausarbeit in der Fachdidaktik nicht geklärt wird. Wie für den Bereich der schriftlichen produktiven Kompetenz wird ebenso für das Mündliche eine eigene Übung angeboten, in der die Studierenden auf der Basis literatur-/ kulturwissenschaftlicher bzw. sprachwissenschaftlicher Inhalte und Fragestellungen ihre zielsprachlichen Kompetenzen ausbauen sollen (vgl. Universität Tübingen 2016b: 14). Welches Kompetenzniveau dabei erreicht werden soll, wird nicht genannt. Ziel dieser Übung ist die Zuarbeit zur mündlichen Prüfung (je 30 Minuten pro Fachwissenschaft), die als weiterer Qualifikationsschritt zum Master of Education gilt. • Sprachwissenschaft/ Literatur- und Kulturwissenschaft: In diesen Teildiszi‐ plinen liegt der Fokus auf dem Erwerb eines generellen Überblicks über das Fachgebiet, dem Kennenlernen und Einüben von Arbeitsmethoden des Faches sowie der vertieften Kenntnis ausgewählter Bereiche der Literatur bzw. dem Kennenlernen der historischen Dimension der Sprachentwick‐ 416 Jürgen Mertens <?page no="417"?> 3 Im sog. Komplementärmodul, d. h. der Disziplin, die nicht schwerpunktmäßig studiert wird, ist dies mit 21 ECTS immer noch mehr als das Doppelte. lung. Deutlich erkennbar ist das Bemühen, dem eigenständigen Wissens‐ erwerb Platz einzuräumen: z. B. „relevante Textkorpora … selbständig zu analysieren“ (Universität Tübingen 2016a: 12), „auf der Basis eigener exem‐ plarischer Lektüre“ (Universität Tübingen 2016a: 13), „selbst … Probleme zu analysieren und schriftlich darzustellen“ (Universität Tübingen 2016a: 15). Bezüge innerhalb der Teildisziplinen werden nicht formuliert, abgesehen von der bereits in den Titeln der Module genannten Verbindung von Literatur- und Kulturwissenschaft. Laut dem Modulhandbuch für den Master of Education legen die Studie‐ renden ihren Schwerpunkt auf eine Fachwissenschaft und ergänzen die Fachstudien um die jeweils andere Teilwissenschaft, jedoch in etwas gerin‐ gerem Umfang. Beide Fachgebiete werden sowohl schriftlich (entweder als Klausur bzw. als Hausarbeit; Universität Tübingen 2016a: 10-13) wie auch mündlich abgeprüft (Universität Tübingen 2016b: 14). • Fachdidaktik: Diese in einem Lehramtsstudium zentrale Wissenschaft wird im Gegensatz zu den sog. ‚Fach‘wissenschaften mit lediglich 9 ECTS stu‐ diert. Damit handelt es sich um ein Drittel dessen, was im Rahmen der im Schwerpunkt studierten Teildisziplin Sprachwissenschaft oder Literatur- und Kulturwissenschaft vorgesehen ist (hier: 27 ECTS). 3 Inhaltlich fokus‐ siert dieses Modul in erster Linie auf einen Überblick über das Fachgebiet, gibt Einblicke in praxisrelevante Fragestellungen und Techniken, vermittelt einen theoriebezogenen Blick auf unterrichtliche Lehr- und Lernprozesse und soll die Studierenden in erster Linie dazu befähigen, über Lehren und Lernen von Fremdsprachen zu reflektieren und einen forschenden Blick auf das Unterrichtsgeschehen einzunehmen (Universität Tübingen 2016a: 18). Der Ansatz des forschenden Lernens (vgl. Schön 1983, Schocker-von Ditfurth 2001) wird im Master of Education ausgebaut, der ein ganzes Semester Unterrichtspraktikum miteinschließt. Dabei gilt es Kompetenzen zur Durchführung eines eigenständigen unterrichtsbezogenen Forschungs‐ projekts, dessen Evaluation und der damit verbundenen verschrifteten Darstellung zu entwickeln. Bei der Formulierung der o. g. summarischen Qualifikationsziele werden inhaltliche Aspekte im Grunde ausgespart („Ver‐ tiefung von Grundlagen und gegenstandstheoretischem Wissen“, Univer‐ sität Tübingen 2016b: 9) und allein auf einer Metaebene angesiedelte Kompetenzerwartungen wie „eigenständige[n] Durchführung“‚ „kritische Reflexionsfähigkeit“ und „eigenständiges Erkenntnisinteresse“ (Universität Die Ausbildung zur Französischlehrkraft am Gymnasium in Baden-Württemberg 417 <?page no="418"?> 4 Auch wenn im Modul 4.4 Interdisziplinäre Vernetzung als Qualifikationsziel „Sie können außerdem interdisziplinäre Aspekte bzw. Zusammenhänge erkennen“ (Ministerium 2016b: 14) genannt ist, lassen getrennte Veranstaltungen und getrennte Prüfungen nicht auf diesen interdisziplinären Ansatz schließen. Tübingen 2016b: 9) formuliert. Deutlich erkennbar ist aber die Ausrichtung der fachdidaktischen Kompetenzentwicklung an konkreten Unterrichtser‐ fahrungen, die die Studierenden im Rahmen des o. g. einsemestrigen Schulpraktikums erwerben (vgl. Universität Tübingen 2016b: 9), und die Rückbindung dieser Unterrichtserfahrungen an den fachtheoretischen Dis‐ kurs der Fremdsprachendidaktik. Trotz der erkennbaren Weiterentwicklung in Richtung Kompetenzentwicklung im Rahmen der Lehrerbildung verharrt auch diese Verordnung weiterhin in einem additiven Nebeneinander der Teildisziplinen. Wenn auch die konzeptuelle Ausgestaltung der fachdidaktischen Studien in sich stimmig erscheinen mag, mit einem ausgeprägten Theorie-Praxis-Bezug, einem reflexiven Blick auf das erlebte und später zu gestaltende Berufsfeld und dem Fokus auf einen Habitus des forschenden Lerners, so wenig drängt sich einem der Eindruck auf, dass die Verknüpfung mit den Fachwissenschaften gelungen, denn überhaupt im Blick ist. Allein der Titel des Moduls 4.4 im Master ist entlarvend: „Wissen‐ schaftliche Vernetzung“ (Universität Tübingen 2016b: 14). In diesem, aus 2 Veranstaltungen bestehenden Modul, ist weder ein interdisziplinärer Ansatz 4 zwischen Literatur-/ Kulturwissenschaft und Sprachwissenschaft (da: getrennte Kolloquien, 1 sprachpraktische Übung), noch, was eigentlich zu erwarten wäre, die Zusammenführung der verschiedenen Wissensbestände im Hinblick auf berufsfeldorientierte Fragestellungen mit der Fachdidaktik als Leitwissenschaft (Mertens 2006) erkennbar. Die Fachdidaktik bleibt in diesem Modul, das wis‐ senschaftliche Vernetzung vorgibt, außen vor. Es genügt auch ein Blick auf den Studienverlaufsplan (Universität Tübingen 2016b: 4 f), um festzustellen, wie wenig die Entwicklung der Lehrerpersönlichkeit im Fokus steht. Gerade die Teildisziplin, die mit dem geringsten Umfang studiert wird (in BEd und MEd insgesamt 15 SWS), soll bereits innerhalb des ersten Masterjahres abgeschlossen sein, während die beiden Fachwissenschaften vom 2. bis 4. Fachsemester im Master platziert sind (a. a. O.). Der Gedanke, dass es sich hierbei um den subtilen Versuch handelt, Studierende von einer fachdidaktischen Masterarbeit fernzuhalten, ist wohl nicht von der Hand zu weisen …. Insgesamt ist auch bei dieser Prüfungsordnung eine starke Orientierung am Studium der Romanistik erkennbar. Unverkennbar ist der Hang zu einer akademischen und nicht berufsrelevanten Sprachkompetenz (z.B. bzgl. der 418 Jürgen Mertens <?page no="419"?> schriftsprachlichen Kompetenz: „schriftliche akademische Texte […] verfassen“, Universität Tübingen 2016b: 10, 12). 5 Fazit Die universitär verantwortete Ausbildung von Französischlehrkräften fußte bis einschließlich den Regelungen aus dem Jahr 2001 (d. h. mit Wirkung bis über weit über das Jahr 2010 hinaus) auf althergebrachten Vorstellungen von einer sog. wissenschaftlichen, philologisch konzipierten Bildung im Studienfach Französisch. Während in der Verordnung aus dem Jahr 1977 an einer einzigen Stelle auf die Erfordernisse des Lehrberufs Bezug genommen wird („für den Unterricht bedeutsame[n] … Grundbegriffe“; Ministerium 2001, § 1.2.2.1), finden sich solche Hinweise in den anderen Verordnungen bis 2001 nicht. Eine Wende ist erkennbar mit dem Einzug des Kompetenzbegriffs in die Verordnungen ab 2009. Die inhaltliche Dimension wird ergänzt durch die Formulierung von Beschreibungen dessen, wie und was mit diesen Inhalten getan werden soll. Dabei orientiert sich diese Handlungsdimension weiterhin an akademischen Kompetenzen, ohne die Zusammenführung der Disziplinen mit Ausrichtung auf Lehr- und Lernkontexte zu leisten. Diese wäre ab den Verordnungen 2001 durch den Einzug der Fachdidaktik als Studiengegenstand möglich gewesen. War in 2001 die Fachdidaktik eine eher formale Kategorie, deren Bedeutung in der Prüfungsordnung aus diesem Jahr nicht weiter von Belang war, so änderte sich dies in den späteren Verordnungen (2009, 2016), ohne dass die Führungsrolle der Fachwissenschaften in Frage gestellt wurde. Selbst in der aktuell gültigen Verordnung für das Bachelor- und Masterstudium bleibt die Fachdidaktik ein Bereich für sich, dem die Zusammenführung mit der Sprach- und Literaturwis‐ senschaft qua formale Setzung über die Modulkonfektionierung verwehrt bleibt. Die romanischen Sprachen an den Universitäten verdanken ihre Existenz weitgehend dem Umstand, dass ihre Absolventen und Absolventinnen in den Lehrberuf einmünden. Die Verordnungslage nimmt den Gedanken der Berufs‐ feldorientierung nur halbherzig auf. Im Grunde handelt es sich weiterhin um ein Studium, bei dem additiv die Disziplinen nebeneinanderstehen, ohne dass die Chance genutzt würde, kohärent Berufskompetenzen zu entwickeln, zu denen jede Teildisziplin von ihrer Warte aus Aspekte zur Bewältigung unterrichtlicher Situationen beisteuert. Was den weiteren Stellenwert der Fachdidaktik in diesem Feld angeht, so darf der Umstand, dass an einem Standort wie Tübingen wis‐ senschaftlich qualifiziertes Personal diese Disziplin verantwortet, nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies an allen anderen Standorten weitgehend nicht der Fall ist. Zwar sind die Universitäten gehalten, in Sachen Fachdidaktik mit Die Ausbildung zur Französischlehrkraft am Gymnasium in Baden-Württemberg 419 <?page no="420"?> den Pädagogischen Hochschulen zu kooperieren, wo die Expertise in dieser Disziplin vorhanden ist; vielfach wird jedoch die Fachdidaktik der Studiensemi‐ nare schlichtweg in den universitären Lehramtsstudiengang vorverlagert und den Studierenden ein wissenschaftlich qualifizierter Zugang zu ihrer zentralen Disziplin verwehrt. Bibliographie Abel, Clémentine (2018): Ausspracheschulung: Erhebung der Kompetenzen, Überzeugungen und Praktiken von Französischlehrkräften. Tübingen: Narr Francke Attempto. Adam, Jean-Michel ( 4 2017)-: Les textes: types et prototypes. Malakoff: Armand Colin. Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.) (1999): Der Europäische Hoch‐ schulraum. Gemeinsame Erklärung der Europäischen Bildungsminister. 19. Juni 1999, Bologna. https: / / www.bmbf.de/ pubRD/ bologna_deu.pdf (letzter Zugang: 22.05.2022). Caspari, Daniela/ Klippel, Friederike/ Legutke, Michael K./ Schramm, Karen (Hrsg.) ( 2 2022, 1 2016): Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik. Ein Handbuch. Tübingen: Narr Francke Attempto. Cornu, Gérard ( 3 2005): Linguistique juridique. Paris: Montchrestien. Dolata-Zaród, Anna (2017): «Nul n’est censé ignorer la loi» Le langage du droit ou le droit dans le langage - la perspective théorique et pratique, in: Texte de spécialité, texte scientifique à l’université 42-49. http: / / hdl.handle.net/ 11025/ 26575 (letzter Zugriff: 23.03.2022). Kultusministerkonferenz (2004): Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.12.2004). Standards Lehrerbildung KMK-Arbeitsgruppe (letzter Zugriff: 22.05.2022). Kultusministerkonferenz (2009): Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (Beschluss der Kultusmi‐ nisterkonferenz vom 16.10.2008 i. d. 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Datenkorpus (Verordnungen chronologisch) Kultusministerium (1948): Ordnung für die Wissenschaftliche und die Pädagogische Prüfung sowie den Vorbereitungsdienst für das Höhere Lehramt in Württemberg. Amtsblatt des Kultusministeriums, Nr. 2, 28. Februar 1948, 27-29. Kultusministerium (1959): Ordnung der Wissenschaftlichen Prüfung für das Lehramt an Gymnasien in Baden-Württemberg. Kultus und Unterricht 1959, 8. Jahrgang, 20. April 1959, 209-210. Kultusministerium (1966): Verordnung des Kultusministeriums Baden-Württemberg über die Wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an Gymnasien und über die Wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an der Unter- und Mittelstufe der Gym‐ nasien, Vom 6. Juni 1966. Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1966, 15. Jahrgang, 20. Juli 1966, 101. Kultusministerium (1978): Verordnung des Kultusministeriums über die Wissenschaft‐ liche Prüfung für das Lehramt an Gymnasien vom 02. Dezember 1977. Kultus und Unterricht 1978, 27. Jahrgang, 473. Ministerium für Jugend, Kultus und Sport Baden-Württemberg (2001): Verordnung des Kultusministeriums über die Wissenschaftliche Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien (Wissenschaftliche Prüfungsordnung), 13. März 2001, (GBL, 2001, 22.03.2001, Nr. 6, 201-284). Landesrecht BW GBl. Nr. 6 | Seite 201-284 | Verordnung des Kultusministeriums über die Wissenschaftliche Staatsprüfung für das Lehramt an … | vom 22.03.2001 (landesrecht-bw.de) (letzter Zugang: 22.05.2022). Ministerium für Jugend, Kultus und Sport Baden-Württemberg (2009): Verordnung des Kultusministeriums über die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien (Gymnasiallehrerprüfungsordnung I), Vom 31. Juli 2009 (GBl. S. 373, K.u.U. S. 125) http: / / llpa-bw.de/ ,Lde/ Startseite/ Pruefungsordnungen-Ausbildungsstandards/ Erste-Sta atspruefungen (letzter Zugriff: 05.05.2022). Universität Tübingen (2016a): Modulhandbuch Bachelor of Education Lehramt Gymna‐ sium Französisch (Stand: 29.04.2022). 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Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik im Kontext extra-universitärer Ausbildungsstrukturen Eine Untersuchung französischdidaktischer Quellen der Pädagogischen Hochschule Freiburg 1966-2000 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck 1 1 Einleitung Die romanistische Fachdidaktik als wissenschaftliche Disziplin, wie sie sich heute in eigenen Universitätsprofessuren und Sektionen innerhalb der roman‐ istischen Fachverbände und ihrer Publikationsorgane äußert, findet ihre Prä‐ missen in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts und ist mit der Ausbildung von Französischlehrkräften an Pädagogischen Hochschulen (PHs) eng verbunden. Die These eines Kausalzusammenhangs zwischen der Institu‐ tionalisierung dieses Hochschultypus und der Begründung der romanistischen Fachdidaktik stellten bereits Zeitgenossen auf. So beklagt Weller (1979: 249), dass Französisch an seinem Standort (Universität Bonn bzw. NRW) nicht an der PH gelehrt werde und „für eine romanistische Hochschul-Fachdidaktik also keine Erfahrungen vorliegen“. 2 Die These der Vorreiterrolle wird auch aus heutiger Sicht vertreten: Als Studieninhalt sei die Disziplin selbst zunächst nur an PHs als „Zentren fremdsprachendidaktischer Lehre und Forschung“ (Christ 2002: 72) verankert gewesen, und zwar für angehende Grundschul-, Haupt- oder Realschullehrkräfte, bevor sie - u. a. mit der Eingliederung der PHs in die <?page no="424"?> 3 Die Erstautorin fand nach Abschluss ihrer Ausbildung zur Gymnasiallehrerin (Univer‐ sität Freiburg, Seminar Rottweil) erst an der PH Freiburg ein Umfeld vor, das ihr 2013 die Aufnahme eines fachdidaktischen Promotionsprojekts gestattete; die Zweitautorin war zuerst Universitätsprofessorin für die Didaktik der romanischen Schulsprachen an der Universität Duisburg-Essen, bevor sie an der PH Freiburg auf die Professur für französische Sprache und ihre Didaktik berufen wurde. 4 Durch die gemeinsame erfolgreiche Antragstellung im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung konnte die Neukonzeption eines gemeinsamen Master of Education für die Sekundarstufe I und II umgesetzt werden, der von den zwei zentralen Konzepten ‚Kohärenz‘ und ‚Professionsorientierung‘ geprägt ist. Die PH Freiburg ist allein zu‐ ständig für die Fachdidaktik in Forschung und Lehre sowohl im Bachelor als auch im Master. Universitäten - überhaupt erst für das gymnasiale Lehramt verfügbar werden konnte (Reinfried 2008: 151). Im vorgelegten Beitrag verfolgen wir die Frage, unter welchen spezifischen Ausbildungsstrukturen sich die Französischdidaktik an der PH Freiburg als Beispiel einer wissenschaftlichen und professionsorientierten romanistischen Fachdidaktik herausgebildet hat. Selbstverständlich impliziert unsere Frage‐ stellung keineswegs, dass ähnliche Entwicklungen nicht auch an anderen Standorten in Deutschland stattgefunden hätten. Unsere Standortwahl fällt auf unsere eigene - ehemalige und aktuelle - berufliche Wirkstätte. Die PH Freiburg erschien uns jedoch nicht nur aufgrund persönlicher Motivation 3 interessant. Da Baden-Württemberg als einziges Bundesland bis heute am Hochschultypus PH festhält, konnten Ausbildungsbedingungen hier überhaupt erst über mehrere Jahrzehnte wirksam werden. Für Freiburg wiederum ist eine Kontinuität in der Ausbildung für das Fach Französisch und in der strukturellen und inhalt‐ lichen Entfaltung der Französischdidaktik bis hin zur jüngsten Lehramtsreform (Mordellet-Roggenbuck/ Zaki 2019) charakteristisch: Mit ihr weitete die PH ihren Zuständigkeitsbereich für die fachdidaktische Ausbildung ins gymnasiale Lehramt aus. Durch eine enge Kooperation beider Hochschularten relativiert sich am Standort Freiburg somit das mitunter kritisch betrachtete duale Aus‐ bildungssystem Baden-Württembergs („Zweiklassensystem“, Doff 2008: 188; Klippel 2005: 432). 4 Um exemplarisch für Freiburg jene Ausbildungsstrukturen zu untersuchen, die für die Etablierung der Französischdidaktik als conditio sine qua non zu betrachten sind, rekonstruieren wir zunächst den institutionsgeschichtlichen Kontext der Lehrerbildung nach 1949 sowie drei in diskursgeschichtlicher Hinsicht bedeutsame Diskursebenen. Dies ermöglicht das Aufzeigen von Fort‐ schreibungen oder Brüchen in unserem Quellenkorpus, Vorlesungsverzeich‐ 424 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="425"?> nissen und Forschungsberichten der PH Freiburg, die wir von 1966 bis zur Jahrtausendwende betrachten. 2 Institutionsgeschichtliche Perspektive Als ersten Zugriff auf Makroebene skizzieren wir institutionengeschichtliche Entwicklungen nach 1949 in ihrer Bedeutung für die romanistische Fachdi‐ daktik. Dabei gehen wir zunächst auf die Lehrerbildung der ersten Phase in der Bundesrepublik ein, bevor wir erläutern, wie sich der Hochschultypus PH in Baden-Württemberg herausbildete; flankierend thematisieren wir jeweils die bildungspolitischen Voraussetzungen für schulisches Fremdsprachenlernen. Während der Hochschultypus PH seit den 1970er Jahren in allen anderen Bundesländern von der Universität abgelöst wurde, mit letzten Schließungen 1994 (PH Kiel) und 2001 (PH Erfurt) (Scheuble 2007: 995; 1002), so hält Baden- Württemberg bis heute an ihm fest (Abb. 1). Abb. 1: Institutionen der nicht-gymnasialen Lehrerbildung (1. Phase) nach 1949 in der Bundesrepublik (oben) mit Ausnahme Baden-Württembergs (unten) In ihrer heutigen Ausprägung sind die baden-württembergischen PHs „bildungswissenschaftliche Hochschulen universitären Profils mit Promotions- und Habilitationsrecht“ (Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Forschung Baden-Württemberg 2022) und professionsorientiertem Ausbildungsprofil für sämtliche nicht-gymnasialen Lehrämter. 2.1 Bundesrepublikanische Institutionen der Lehrerbildung nach 1949 Mit dem Düsseldorfer Abkommen (Kultusministerkonferenz 1955) wurden die neueren Sprachen als Unterrichtsfächer an Gymnasien und Mittelschulen Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik 425 <?page no="426"?> 5 Einschränkend wurde festgehalten: „Ausnahmsweise kann ein Zug eines Gymnasiums mit Latein oder Französisch als erster Fremdsprache beginnen, wenn im Schulbezirk eine ausreichende Zahl von Schulen des Normaltyps vorhanden ist.“ (§10, Abs. 2) 6 Die neueren Sprachen gewannen auch am altsprachlichen Gymnasium an Bedeutung, wo sie 2. Fremdsprache zulasten von Altgriechisch (3. Fremdsprache) wurden (ibid.: Abs. 1). 7 Darüber hinaus wurde für die Realschulen und Fachoberschulen die Option einer 2. Fremdsprache als Wahlfach eröffnet (§10, Abs. 2 sowie §10a, Abs. 2). ausgeweitet. An beiden Schularten gab es fortan eine Pflichtfremdsprache („in der Regel Englisch“, §7, Abs. 3); im gymnasialen Bereich wurde im neusprach‐ lichen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweig die Sprachenfolge Englisch (ab dem 5. Schuljahr) und Französisch oder Latein (ab dem 7. Schuljahr) vereinheitlicht (§10, Abs. 2) 5 und im neusprachlichen Zweig die 3. Fremdsprache eingeführt (§10, Abs. 3) 6 . Weiterhin verantworteten die Universitäten das philo‐ logische Fachstudium angehender Gymnasiallehrkräfte auf der Grundlage von Prüfungsordnungen, die mit „bemerkenswerter Kontinuität“ (Haenicke 1980: 195) nach wie vor dem Ideal des formal und neuhumanistisch gebildeten Lehrers (Latein, Philosophie, Geschichte) verpflichtet waren (ibid.: 190). Die für das 19. Jahrhundert typische Stofforientierung in der universitären Lehrerinnenbil‐ dung verstärkte sich mit der Gründung der Studienseminare seit den 1890er Jahren noch (ibid.: 193; Standop 1970: 111). So blieb (Fach)didaktik in der Nachkriegszeit nur mit der Vorstellung einer Methodenlehre assoziiert, die als „Meisterlehre“ durch erfahrene Lehrpersonen in der 2. Phase ausgebracht wurde. Alle anderen Fremdsprachenlehrkräfte wurden in den frühen 1950er Jahren ein- oder zweiphasig und ohne einheitlich geregelte Ausbildungsdauer an lehrerbildenden Seminaren, Pädagogischen Akademien oder PHs ausgebildet (Doff 2008: 101). Durch das Hamburger Abkommen (Kultusministerkonferenz 1964) wurde endgültig die Dreigliedrigkeit des Schulwesens festgeschrieben (§4, Abs. 2) und das Fremdsprachenlernen auch an der Volksschuloberstufe bzw. Hauptschule verpflichtend („in der Regel Englisch“, §9, Abs. 2) 7 . Im Zuge der Stärkung der Volksschullehrerbildung als zentralem bildungspolitischen Anliegen der Nachkriegszeit wurden in den späten 1950er und 1960er Jahren bundesweit PHs eingerichtet bzw. weiter ausgebaut (Doff 2008: 101). Dies ermöglichte die Verankerung einer hochschulischen Ausbildung in der ersten Phase (mindestens sechs Semester Dauer, Stärkung des Fachlehrerprinzips, Wahlfachstudium ab 1964) (ibid.: 104), während die seminaristische Ausbildung fortan erst in einer 2. Phase erfolgte, was sich vor dem Zweiten Weltkrieg noch nicht überall 426 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="427"?> 8 Während sich nicht gymnasiale Lehrerausbildung in Form einer „Meisterlehre in enger Anbindung an eine Ausbildungsschule“ (ibid.) bis in die 1860er Jahre zurückverfolgen lässt, so setzte erst ab den 1920er Jahren eine institutionelle „Verselbständigung der Studienseminare“ ein (ibid.), die nun als Träger der 2. Phase zur Verfügung standen. 9 Im Kapitel zu den Vorschlägen für eine Reform der Lehrerbildung heißt es einleitend: „Weil allen Lehrerberufen grundlegende Aufgaben gemeinsam sind, hat auch die Ausbildung für den Lehrerberuf viele Gemeinsamkeiten.“ (ibid.) 10 Im genauen Wortlaut heißt es hier: „Die Forderung nach einem wissenschaftlichen Fachstudium für alle Lehrer ist zugleich eine Forderung nach Orientierung des Fachstu‐ diums an dem später zu erteilenden Unterricht.“ Im Strukturplan wird das Fachstudium als Ausbildung(sphase) bezeichnet, auf das die Phasen der „Einführung in den Beruf “ und „Weiterbildung“ folgen (ibid.: 221-226). und schulartübergreifend durchgesetzt hatte (Krechel 2016: 607). 8 Mit dem Hamburger Abkommen wurde Fremdsprachenunterricht für alle Schüler und Schülerinnen obligatorisch, während er zuvor nur im höheren und mittleren Schulwesen verortet war (De Cillia/ Klippel 2016: 625). Die stärkere Verwissen‐ schaftlichung und Fachorientierung der Volksschullehrerbildung sowie der massive Bedarf an qualifiziert ausgebildeten Fremdsprachenlehrkräften waren für die Institutionalisierung der Fremdsprachendidaktik entscheidend: Mit der Einführung des Fremdsprachenunterrichts in Hauptschulen wurden jedoch neue Überlegungen nötig. Hauptschullehrer wurden in Pädagogischen Hochschulen ausgebildet, in denen es keine philologischen Professuren gab. Daher wurden dort, beginnend mit den sechziger Jahren, Dozenturen und Lehrstühle für die Ausbildung von Fremdsprachenlehrern eingerichtet, die sich deutlich von den philologischen Professuren an Universitäten unterschieden. (Christ 2002: 72) Sie unterschieden sich nicht nur in ihrem Aufgabenbereich (fachwissenschaft‐ lich-fachdidaktische Denomination, Betreuung von Schulpraktika), sondern auch in ihren Qualifikationsvoraussetzungen (Besetzung durch unterrichtser‐ fahrene, aber nur z.T. promovierte und noch seltener habilitierte Gymnasiallehr‐ kräfte oder Fachleitungen, z.T. mit akademischem Hintergrund in einer anderen neueren Sprache) (Doff 2008: 101; Klippel 2005: 427). Die bildungspolitischen Reformbemühungen der 1960er Jahre fanden mit dem Strukturplan des Deutschen Bildungsrates 1970 ihren Höhepunkt. Das 1965 gegründete, mit Planungs- und Entwicklungsaufgaben betraute Gremium sprach sich für eine strukturelle Annäherung aller bis dato lehrerbildenden In‐ stitutionen aus (Deutscher Bildungsrat 1970: 221) 9 und formulierte verschiedene Ansprüche an eine wissenschaftliche und zugleich berufsqualifizierende Leh‐ rerbildung (ibid.: 228) 10 , die man auch an den PHs aufgrund ihres gegenwärtigen Leistungs- und Personalstands noch nicht bzw. nur „nominell“ erfüllt sah (ibid.: Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik 427 <?page no="428"?> 11 Der Bildungsrat bestand aus einer Bildungs- und Regierungskommission, wobei letztere im Gegensatz zum 1957 gegründeten und heute noch bestehenden Wissenschaftsrat kein Stimmrecht besaß: „Der konzeptionellen Freiheit entsprach nicht die Kraft, die Pläne im politischen Raum durchzusetzen.“ (Anweiler 2006: 720) 1975 wurde der Bildungsrat aufgelöst (ibid.: 726). 12 Klippel (2005: 432) hält fest: „As a rule the professors and lecturers of English language education constituted a small minority in the University English departments they had been introduced to.” 13 Mit den Standards in den Bildungswissenschaften (Kultusministerkonferenz 2004) und den Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken (Kultusministerkonferenz 2008) wurden erstmals Akkreditierungskrite‐ 249). Stattdessen empfahl man ihre Integration in bestehende Universitäten, ihren Ausbau zu Universitäten mit Fakultäten oder die Neugründung primär lehrerbildender Universitäten (ibid.). Seit Anfang der 1970er Jahre vollzog sich - mit Ausnahme Baden-Württembergs (Kap. 2.2) - die Eingliederung der PHs in Universitäten oder, seltener, deren Neugründung als solche (De Cillia/ Klippel 2016: 629; Doff 2008: 102; Scheuble 2007: 995; 1002). Eine Reform der Lehrerinnenbildung im Sinne des Strukturplans blieb jedoch aufgrund strittiger Haushaltsfragen und des parteipolitischen Dissenses der Länder aus, deren Bildungspolitik von früher getroffenen Entscheidungen und vorhan‐ denen Konzepten geprägt blieb (Anweiler 2006: 724-726) 11 . So empfahl der Strukturplan die schulartübergreifende Einrichtung einer Fachdidaktik, die von Hochschullehrern vertreten werden solle, deren „Hauptaufgabe die Didaktik in Lehre und Forschung darstellt“ (Deutscher Bildungsrat 1970: 246). Diesem Desiderat widersprachen die lokal sehr unterschiedlichen und noch weitgehend unerforschten Bedingungen der Eingliederung der PHs (Klippel 2005: 432): So wurden die Fachdidaktiken der neueren Sprachen z.T. in neu entstandene (ibid.) oder erziehungswissenschaftliche Fakultäten integriert, indem sie auf eine Professur zusammengeführt wurden (Doff 2008: 102). Auch die Integration in philologische Abteilungen verlief mitunter reibungsvoll, 12 denn aufgrund eines überfüllten Lehrerarbeitsmarkts in den 1980er Jahren kam es zu Ausstattungs‐ defiziten und fachwissenschaftlichen Umwidmungen, woraus ein erheblicher Nachwuchsmangel in den Folgejahren entstand (Doff 2008: 189sq.). Überdies blieben diese Entwicklungen für die gymnasiale Lehrerinnenbildung auf institu‐ tioneller Ebene noch lange folgenlos. Auch wenn durch die Eingliederung der PHs der Professionalisierungsgedanke in die Universität hineingetragen (Kather 2020: 29) und früh diskursiv auch für das Gymnasiallehramt aufgegriffen wurde (Kap. 3.3), so wurde Fachdidaktik als Studieninhalt erst in den letzten zwei Jahrzehnten - im Zuge des Bologna-Prozesses und nach PISA - für die 1. Phase aller Lehrämter verbindlich. 13 428 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="429"?> rien für Lehramtsstudiengänge ausgewiesen, die dezidiert dem Aufbau von anschluss‐ fähigem und berufsqualifizierendem Wissen verpflichtet waren (Surkamp 2016: 597). 14 Seit 2004 setzt der Fremdsprachenfrühbeginn in Baden-Württemberg mit Französisch am Oberrhein ein, wo es seit 2012 auch an Werkrealschulen in Form von Zusatzunter‐ richt ab Klasse 5 vertreten ist. 15 Neben Freiburg waren dies Esslingen, Heidelberg, Karlsruhe, Ludwigsburg, Reutlingen, Schwäbisch-Gmünd und Weingarten; 1966 trat außerdem noch Lörrach hinzu (Scheuble 2007: 998). 2.2 Pädagogische Hochschulen in Baden-Württemberg In den baden-württembergischen Lehr- und Bildungsplänen der Nachkriegszeit war Französisch früh schulartübergreifend bedeutsam. Am neusprachlichen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasium wurde es in Grenz‐ nähe als 1. Fremdsprache ab Klasse 5 (Sonderfall) und darüber hinaus als 2. bzw. 3. Fremdsprache unterrichtet (Normalfall) (Kultusministerium Baden- Württemberg 1958: 11-13). Auch an zweizügigen Mittelbzw. Realschulen am Oberrhein konnte es in einem Zug den Status der Pflichtfremdsprache innehaben und wurde im anderen Zug bzw. den anderen Landesteilen als Arbeitsgemeinschaft empfohlen (Kultusministerium Baden-Württemberg 1964: 11; 165). Diese Empfehlung entwickelte sich später zum Wahlpflichtbereich an der Realschule weiter: Ab Klasse 7 tritt ein Wahlpflichtbereich hinzu, der aus drei Fächern, nämlich Natur und Technik, Hauswirtschaft/ Textiles Werken und der zweiten Fremdsprache (in der Regel Französisch) besteht; eines dieser Fächer ist vom Schüler zu wählen. (Kultusministerium Baden-Württemberg 1984: 12) Im Gymnasium und an der Realschule bestehen die oberrheinische Sonderfall- Regelung (1. Fremdsprache) sowie der Wahlpflichtbereich an der Realschule (2. Fremdsprache) bis heute. Auch für die Volksschule der Nachkriegszeit wurde freiwilliger Französischunterricht von der 5.-8. Klasse ausgewiesen (Kultusministerium Baden-Württemberg 1958: 129sq.), wofür die Zahl der Deutsch- und Rechenstunden gekürzt werden konnte (ibid.: 21). In den Vorgaben für die Grund- und die aus der Volksschuloberstufe hervorgegangene Haupt‐ schule spielte es hingegen bis zur Jahrtausendwende keine Rolle mehr. 14 Die PH Freiburg wurde 1962 als eine von insgesamt 8 PHs begründet, 15 wofür der baden-württembergische Landtag 1958 die Weichen stellte: Die Pädagogischen Hochschulen haben die Aufgabe, im Rahmen der Verfassung auf der Grundlage wissenschaftlicher Forschung in hochschulmäßiger Lehre und praktischer Übung die Einsichten, Kenntnisse und Methoden zu vermitteln, deren der Volksschullehrer in seiner Unterrichts- und Erziehungsarbeit bedarf. Zur Förderung Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik 429 <?page no="430"?> ihrer Aufgaben erstreben die Pädagogischen Hochschulen eine enge Verbindung mit den wissenschaftlichen Hochschulen. (Landtag Baden-Württemberg 1958: §1, Abs. 1) Die Vorstellung hochschulischer Lehrerbildung, die das bis dato schulmäßige Lernen ablösen sollte, war zunächst wesentlich durch das Vorbild der preu‐ ßischen Pädagogischen Akademien bzw. Eduard Sprangers geprägt, der bei der Gründungsfeier einen Festbeitrag hielt (Scheuble 2007: 998sq.); aufgrund des fehlenden eigenen Forschungsauftrags (siehe Appell zur „Verbindung“ mit der Universität) handelte es sich allerdings noch nicht um wissenschaftliche Hochschulen im eigentlichen Sinne. 1971 übertrug der Gesetzgeber dann einen eigenen Forschungsauftrag im Bereich der Erziehungswissenschaften und der Didaktik der Fächer, der mit einer Ausdifferenzierung des Studienangebots einherging: Die Pädagogischen Hochschulen haben die Aufgaben, für eine differenzierte Leh‐ rerausbildung wissenschaftliche Studiengänge einzurichten und bei der Fort- und Weiterbildung der Lehrer mitzuwirken, im Bereich der Erziehungswissenschaften und der Didaktik der Fächer Forschung zu betreiben, erziehungswissenschaftliche Studiengänge für andere Berufszweige einzurichten, Studiengänge einzurichten, die mit der Verleihung des Diploms für Erziehungswissenschaft abschließen, für die Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu sorgen. (Landtag Baden- Württemberg 1971: §2, Abs. 1) Als Mitglieder wurden neben Professoren und Dozenten, die ihr Fachgebiet als Forscher und Lehrer zu vertreten hatten, auch Fachlehrer und Assistenten zur wissenschaftlichen Qualifikation bestimmt, die darüber hinaus Aufgaben in der Lehre und der Betreuung von Schulpraktika übernehmen sollten (ibid.: §6, Abs. 1-3). Ein mit der Universität geteiltes Promotionsrecht erhielten die PHs allerdings erst 1977 (ibid. 1977: § 41, Abs. 2), das 1987 in ein uneingeschränktes umgewandelt wurde (ibid. 1987: Art. 2, Ziff. 16). Es handelt sich um eine im bun‐ desrepublikanischen Vergleich späte Entwicklung, denn anderen Standorten wurde das Promotions- und sogar Habilitationsrecht bereits in den 1970er Jahren zuteil (Klippel 2005: 432sq.). In den 1980er Jahren erfolgten aufgrund des Rückgangs der Studierenden‐ zahlen und der Abhängigkeit vom Lehrerarbeitsmarkt Schließungen an drei Standorten und der Hochschultypus stand ganz grundsätzlich in Frage. 1990 beauftragte die Landesregierung eine Strukturkommission, Empfehlungen für die Zukunft der PHs zu erarbeiten. Auf Basis von sieben diskutierten Optionen votierte das Gremium in seinem Abschlussbericht einstimmig für die Fakultäts- Lösung, d. h. deren Integration „als Erziehungswissenschaftliche Fakultäten in die bestehenden Universitäten des Landes Baden-Württemberg“ (Ministerium 430 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="431"?> für Wissenschaft und Forschung Baden-Württemberg 1993: 120). Die ebenfalls diskutierte Ausbau-Lösung, d. h. den Ausbau zu universitätsgleichen Einrich‐ tungen, wurde als „in der Priorität deutlich zurückstehend[]“ (ibid.) bewertet. Aus bis heute vertraulich behandelten Gründen (Scheuble 2007: 1002) entschloss sich der baden-württembergische Ministerrat dennoch für die Ausbau-Lösung und den Erhalt der PHs (ibid.). Sie wurden mit der Ausdifferenzierung ihres Studienangebots im Lehramt und im außerschulischen pädagogischen Bereich betraut, ihnen wurde eine Beteiligung an der Ausbildung im Gymnasial- und Berufsschullehramt eröffnet und ein Forschungsauftrag mit entsprechend er‐ weitertem Gegenstandsbereich erteilt: Die Pädagogischen Hochschulen haben die Aufgabe, für die Ausbildung der Lehrer an Grundschulen, Hauptschulen, Realschulen und Sonderschulen wissenschaftliche Studiengänge einzurichten. […] Sie können sich in den Bereichen Schulpraxis, Erziehungswissenschaften und Fachdidaktiken an der Ausbildung der Lehrer an Gymnasien und beruflichen Schulen beteiligen. Sie können auf außerschulische Er‐ ziehungs- und Bildungsprozesse bezogene Studiengänge für andere Berufe einrichten. Im Rahmen ihrer Aufgabenstellung betreiben sie Forschung und sorgen für die Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. (Landtag Baden-Württemberg 1995: §1, Abs. 1) Zu diesem Zeitpunkt verlieh man ihnen zudem ein mit der Universität geteiltes Habilitationsrecht (ibid.: §41a, Abs. 2), das seit 2005 uneingeschränkt gilt. Zudem wurde damals der Schulbezug bei Neuberufungen gesetzlich verankert: Als Einstellungsvoraussetzung gilt eine fünfjährige Berufspraxis, „von der mindestens drei Jahre außerhalb des Hochschulbereichs ausgeübt worden sein müssen“ (ibid.: §48, Abs. 4 (1)). 3 Diskursgeschichtliche Perspektive Unser zweiter Zugriff auf Makroebene ist diskursgeschichtlich, wobei wir drei quasi koinzidierende Diskursbereiche als Einflussgrößen für die Begründung der romanistischen Fachdidaktik in den Blick nehmen: • neue Ansprüche an die Lehrerbildung zu Zeiten der Bildungsexpansion und -reform (1960er), • ein seitens der Englischdidaktik früh artikulierter Autonomieanspruch (1960er), • die in romanistischen Fachkreisen geübte Selbstkritik in Bezug auf uni‐ versitäre Ausbildungsstrukturen im Gymnasiallehramt (1970er). Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik 431 <?page no="432"?> 16 „Die neueren Sprachen“ gilt als eine der ältesten fremdsprachendidaktischen Zeit‐ schriften von internationalem Renommee und war inoffizielle Verbandszeitschrift des ADNV. Sie wurde 1893 als Organ der neusprachlichen Reformbewegung von Viëtor gegründet und 1995 eingestellt (Schröder 2007: 593sq.). Die seit 1948 bestehenden „Neusprachlichen Mitteilungen“ sind das offizielle Organ des ADNV bzw. (seit 1972) des Fachverbands Moderne Fremdsprachen (ibid.: 595). 17 Der ADNV stellte bis in die 1960er die einzige Interessensvertretung für Lehrkräfte moderner Fremdsprachen aller Schularten dar (Hagge 2007: 590); erst ab den 1970ern kam es zu diversen Neugründungen von Verbänden je nach Zielsprache oder Schulart (Schröder 2007: 595). 18 Nur die quantitative Verteilung solle je nach Schulart differieren, nicht aber die Qualität der Ausbildungsanteile (Kather 2020: 25). Ein Ende der Beliebigkeit in den Ausbildungs‐ anteilen fordert auch noch die von der KMK 1998 eingesetzte gemischte Kommission Lehrerbildung als erste „dringlichste Änderungsnotwendigkeit[]“: „Erarbeitung eines Kerncurriculums der Erziehungswissenschaften und Fächer/ Fachdidaktiken im Lehr‐ amtsstudium“ (Terhart 2000: 20). Die Standardisierung durch die KMK erfolgte dann 2004 und 2008. Den ersten Diskursbereich rekonstruieren wir anhand des durch den Deutschen Bildungsrat 1970 vorgelegten Strukturplans, der eine der ersten Definitionen für Fachdidaktik als wissenschaftliche Disziplin vorlegt. Es handelt sich um das „erste und einzige Dokument gesamtstaatlicher Bildungsplanung in der Bundesrepublik Deutschland“ (Anweiler 2006: 724). Für die beiden anderen Diskursbereiche gehen wir auf Diskussionsbeiträge der 1960er und 1970er ein, die in „Die neueren Sprachen“ und „Neusprachliche Mitteilungen“ als (in)offizielle Publikationsorgane des ADNV (Allgemeiner Deutscher Neuphilo‐ logenverband) erschienen sind. 16 Für die Zeitspanne, die für uns von Interesse ist, handelt es sich um die wichtigsten Publikationsorte zur „Diskussion und Verbreitung schulisch bedeutsamer wissenschaftlicher Fragen“ (Schröder 2007: 593) 17 . 3.1 Bezugspunkt Fachwissenschaft: Theorie für die Unterrichtspraxis Der Strukturplan des Deutschen Bildungsrats antizipierte bereits 1970 in wesentlichen Punkten jene Empfehlungen zur Reform der Lehrerinnenbildung, die im Zuge des Bologna-Prozesses erarbeitet (Terhart 2000) und erst nach 2000 wirksam wurden. Der Lehrperson wurden fünf Aufgabenbereiche zugewiesen (Lehren, Erziehen, Beurteilen, Beraten, Innovieren), wobei das Lehren als „Vermitteln von Kenntnissen und Fertigkeiten“ als primäre Aufgabe zu erachten sei (Deutscher Bildungsrat 1970: 217). Für die Ausbildung aller Lehrämter sollten Anteile in der Erziehungsbzw. Gesellschaftswissenschaft, der Fachwissen‐ schaft/ Fachdidaktik und Unterrichtspraxis ausgewiesen werden (ibid.: 221). 18 432 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="433"?> 19 Auch die gemischte Kommission Lehrerbildung hält als zweite „dringlichste Ände‐ rungsnotwendigkeit[]“ drei Jahrzehnte später die „Verstärkung der Fachdidaktiken in Forschung und Lehre (Professuren für Fachdidaktik)“ fest (Terhart 2000: 20). Fachdidaktik wird auf pointierte Weise als Teil des fachwissenschaftlichen Studiums aufgefasst: „Zum fachwissenschaftlichen Studium gehört immer auch das Studium der jeweiligen Fachdidaktik“ (ibid.: 228). 19 Man könne keine For‐ derung nach einem wissenschaftlichen Fachstudium für alle Lehrer stellen, ohne zugleich das Fachstudium am später zu erteilenden Unterricht zu orientieren (ibid.). Dabei werden der Fachdidaktik vier Aufgaben zugesprochen, die sie als normativ-operative Wissenschaft (Decke-Cornill/ Küster 2014: 4) kennzeichnen: 1. festzustellen, welche Erkenntnisse, Denkweisen und Methoden der Fachwissen‐ schaft Lernziele des Unterrichts werden sollen; 2. Modelle zum Inhalt, zur Methodik und Organisation des Unterrichts zu ermitteln, mit deren Hilfe möglichst viele Lernziele erreicht werden; 3. den Inhalt der Lehrpläne immer wieder dahingehend kritisch zu überprüfen, ob er den neuesten Erkenntnissen fachwissenschaftlicher Forschung entspricht […]; 4. erkenntnistheoretische Vertiefung anzuregen und fächerübergreifende Gehalte des Faches bzw. interdisziplinäre Gesichtspunkte zu kennzeichnen (Deutscher Bil‐ dungsrat 1970: 225sq.). Diese Definition verdeutlicht eine klare Ausrichtung an der Fachwissenschaft, von der aus die Brücken in die Praxis zu schlagen seien (ibid.: 230): So obliege es der Fachdidaktik, fachliche Inhalte und Methoden nach wissenschaftlichen Kriterien auszuwählen (ibid.: 225) und bereits implementierte Lernziele vor dem Hintergrund der Fachwissenschaft zu prüfen (Punkt 1 und 3, normative Dimension). Für diesen „ständigen Prozess der Curriculum-Revision“ (ibid.: 229) käme es auch auf die „Kooperation mit den Erziehungswissenschaften“ an, nämlich um die „wesentlichen Gehalte und die Strukturen des Fachs“ auf ihre „Leistungen für menschliche Kommunikation und Entwicklung“ bzw. ihre pädagogische Ergiebigkeit hin zu befragen (ibid.). Hier ist als weitere Bezugsdisziplin die Allgemeine Didaktik zitiert, die in den 1960ern als Teildisziplin der Erziehungswissenschaften entstand und wesentlich von der Bildungstheorie Klafkis (1963) mit ihrem geisteswissenschaft‐ lich-hermeneutischen Paradigma geprägt war. Zum Erreichen der so festgesetzten Lernziele obliege es der Fachdidaktik darüber hinaus, Unterrichtsmethoden zu erarbeiten (Punkt 2, operative Dimension). Der hier vorgestellte Diskursbereich verortet die Fachdidaktik zwischen der Fachwissenschaft (bzw. ihren Teildisziplinen) sowie Allgemeinen Didaktik als Bezugsdisziplinen und eröffnet einen Bezug zur Praxis auf Grundlage hermeneutischer Überlegungen (Abb. 2). Aus heutiger Sicht trägt ein solches Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik 433 <?page no="434"?> 20 Diese Chance verpasst der Strukturplan, obwohl er bereits für ein schulisches und didaktisches Praktikum im Studium wirbt und für letzteres die Beteiligung der Fachdi‐ daktik sowie ein „Studienvorhaben“ empfiehlt (Deutscher Bildungsrat 1970: 232sq.). Auch die gemischte Kommission Lehrerbildung spricht sich 2000 für die Integration schulpraktischer Studien „im Sinne eines aufsteigenden Curriculums“ aus (Terhart 2000: 108). 21 Aufgrund seiner 1930 erstmals erschienenen und mehrfach aufgelegten Methodik (Bohlen 5 1966) galt Adolf Bohlen auch in der Nachkriegszeit noch als „fachlich ausge‐ wiesener und anerkannter Experte“ für neusprachlichen Unterricht (Doff 2008: 153). Verständnis innovative wie auch konservative Züge. Innovativ, da gerade das offene Bekenntnis zu ihrer normierenden Rolle und Funktion die Fachdidaktik von Vorstellungen einer reinen Methodenlehre löst, wie sie jahrzehntelang in Form seminaristischer „Meisterlehre“ erbracht wurde. Abb. 2: Bezugsdisziplinen und Praxisbezug der Fremdsprachendidaktik (1960er) Die normative Dimension unterstreicht die Notwendigkeit, Fachdidaktik wis‐ senschaftlich bzw. hochschulisch zu repräsentieren (Primat der Didaktik vor der Methodik, Klafki 1971). In Bezug auf Fremdsprachen haftet der normativen Dimension aber auch die Perpetuierung des geisteswissenschaftlich-hermeneu‐ tischen, historisierenden Paradigmas und ein konservatives Moment an, denn sie ermöglicht es der romanistischen Fachdidaktik noch nicht, erkenntnis‐ theoretische Konzepte jenseits der Fachwissenschaft zu entwickeln, um sich die Praxis als ihren zentralen Untersuchungsbereich zu erschließen. 20 3.2 Die empirisch unteilbare Wissenschaftlichkeit aller Lehrämter: Theorie über das Lernen In Bezug auf die Fachdidaktik für neuere Sprachen erweiterte die Englisch‐ didaktik den Diskurs um eine entscheidende Perspektive. 1967 richtete Adolf Bohlen 21 einen Brief an den Präsidenten des ADNV, der seitens der Kollegen 434 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="435"?> 22 Das neue kommunikative Ideal formuliert Hüllen (1967: 196) wie folgt: „Dazu gehört ein für die Entfaltung der Persönlichkeit wichtiges Erlebnis der Bereicherung, das aus der Erfahrung, sich in einem fremden Idiom ausdrücken und verständigen zu können, entsteht. Dazu gehört auch eine Erweiterung des geistigen Horizonts, da mit der fremden Sprache auch das fremde Volk und Land in den Blick des Lernenden kommen.“ und Kolleginnen an den PHs für Aufsehen sorgte und eine breite fachöffentliche Kontroverse auslöste. Unter Verweis auf die unterschiedlichen Ausbildungsbe‐ dingungen an PH und Universität schließt Bohlen auf die prinzipielle Ungleich‐ artigkeit gymnasialen und nicht-gymnasialen Fremdsprachenunterrichts: Die Vielzahl der Fächer an den Pädagogischen Akademien läßt die Frage aufwerfen, ob die dort geleistete Ausbildung in der Fremdsprache derjenigen unserer Neuphilologen als gleichwertig anzusetzen ist. Ist sie es nicht, dann muß bezweifelt werden, ob der entsprechende Volksschulunterricht mit dem unserer Unterstufe gleichzusetzen ist, […]. Es kann auch der Anglistik als Wissenschaft nicht gleichgültig sein, ob ihre Tätigkeit mit völlig andersartigen Lehrgängen gleichgesetzt wird. (Bohlen 1967: 65) Bohlen argumentiert hier für die Anders- und Höherwertigkeit gymnasialen Fremdsprachenunterrichts auf der Grundlage eines ausschließlich philologisch fundierten Wissenschaftsverständnisses und dem zugehörigen formalsprach‐ lich-humanistischen Bildungsideal. Bohlens Votum muss der Englischdidaktik an der PH als bereits historisch anmuten, ist sie doch seit ihren Anfängen damit beauftragt, „Konzepte für nichtgymnasialen Unterricht bereitzustellen und wissenschaftlich zu begründen“ (Doff 2008: 161). Hierbei erweisen sich die institutionell bedingte Nähe zur Praxis (Betreuung integrierter Schulpraktika) sowie die Rezeption der syn‐ chronen Linguistik des angloamerikanischen Raums als entscheidende Faktoren (ibid.: 107; 161). In seiner Antwort an Bohlen rückt Hüllen die Unterrichtspraxis in legitimatorischer und epistemologischer Hinsicht in den Fokus. Zum einen bekennt er sich offen zur „bewusst und unmittelbar pragmatisch[en]“ Zielset‐ zung des Englischunterrichts an der Hauptschule (Hüllen 1967: 196), der im Übrigen bereits vor dem Hamburger Abkommen an einigen Schulen praktiziert worden sei (ibid.: 195). Mehr noch, er weist der hauptschulischen Progression (vom praktischen Spracherwerb hin zu allgemeineren Zielen) Vorbildcharakter zu: Es handle sich um „die einzige, dem Charakter einer lebenden Fremdsprache angemessene Unterrichtsweise“ (ibid.: 196). So umreißt Hüllen ein neues, nicht mehr schulartspezifisch zu trennendes Ideal, das die Legitimationsdiskurse von Bildung und Nutzen integriert und die kommunikative Wende (Piepho 1974) vorwegnimmt. 22 Zum anderen steht der eher „lerntheoretisch-psychologisch“ angegangene Unterrichtsentwurf der Hauptschule (Hüllen 1967: 196) auch Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik 435 <?page no="436"?> 23 Ähnliche Desiderate lassen sich seitens der Allgemeinen Didaktik (Berliner Schule mit ihrem lehr-lerntheoretischen Modell, Heimann et al. 1965) und Erziehungswissenschaft (Roths Plädoyer für eine Erfahrungswissenschaft, Roth 1963) beobachten. 24 Unterrichten ist für Hüllen keine „Sache der Erfahrung“ oder „Begabung“, sondern „eine rationale Tätigkeit, in der methodische Auswahlentscheidungen aufgrund […] einer Faktoren-Analyse des Lehrvorgangs getroffen werden“ (Hüllen 1967: 197). 25 Die Bedeutung und Funktion des Schulfachs sei „unter soziologischen, politischen und pädagogischen Rücksichten zu reflektieren“, die Inhalte der Fachwissenschaften seien „im Einvernehmen mit der Erziehungswissenschaft (und anderen Basiswissenschaften) auszuwählen“, Vermittlungstechniken „im Zusammenwirken mit Soziopsychologie, Lerntheorie und Schulpädagogik zu entwerfen, zu erproben und zu lehren“ ( Jungblut 1973: 66). Pate für ein neues Wissenschaftsverständnis. Hüllen spricht sich für Konzepte aus, „die näher bei der Praxis des Unterrichtens liegen als die Kategorien der Bildungstheorie“, die „deshalb unmittelbar in den Unterricht hineinwirken“ und erst dadurch überprüfbar bzw. „verifizierbar“ sind (ibid.). 23 Zu diesem Zweck greift man in der Englischdidaktik als „kurzfristige, aber effiziente Lösung“ (Doff 2008: 161) maßgeblich auf psycho- und soziolinguistische Erkenntnisse zum Spracherwerb aus dem angloamerikanischen Raum zurück (Strukturalismus und generative Grammatik, später auch Pragmatik) (ibid.). Unter einer wissen‐ schaftlichen Didaktik will Hüllen fortan eine empirisch-operative Didaktik verstanden wissen, die unterrichtliche Lehr- und Lernprozesse in den Blick nimmt: Die Wissenschaftlichkeit des Unterrichts entscheidet sich […] nicht am philosophi‐ schen Anspruch des Lehrgegenstandes, sondern an dem Maß, in dem der Lehrvollzug auf seine Intentionen und seine Bedingungen abgestellt wird. (Hüllen 1967, 197) 24 Jungblut wiederum versöhnt die neu hinzugetretene empirische Dimension von Fachdidaktik, die in der „notwendige[n] Rückkopplung von Praxis und Lehre“ „durch längerfristige Beobachtung von organisierten Lernprozessen“ bestehe ( Jungblut 1973: 66), mit ihren normativen und operativen Aufgaben. Auffallend ist dabei ihre nicht nur fach-, sondern auch erziehungs- und sozialwissen‐ schaftliche Argumentation. 25 Sie plädiert für ein Wissenschaftsverständnis, das auf den genuinen - und dezidiert nicht wertneutralen - Aufgaben der Fachdidaktik aufbaut, auch und gerade in Abgrenzung zu bereits etablierten Disziplinen: Die Gefahr besteht darin, daß die Fachdidaktiken versuchen könnten, sich um jeden Preis akademisch hoffähig zu gebärden, d. h. sich den bestehenden Konzeptionen von Wissenschaft vorbehaltlos anzupassen. Sie könnten dies wohl nur unter Mißachtung der Aufgaben, denen sie ihre Entstehung verdanken. ( Jungblut 1973: 65) 436 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="437"?> 26 So konstatiert sie einerseits den Nachholbedarf empirischer Analyse aufgrund einer 200 Jahre alten Dominanz der Geisteswissenschaften in Schule und Unterricht (ibid.: 69), verwehrt sich zugleich aber der „einseitig orientierten Wissenschaftsschule ame‐ rikanischer Lerntheorie“ bzw. einer „Vorherrschaft empirischer Methoden im Bereich des Lehrens und Lernens“ (ibid.). So solle sich die Fachdidaktik weder vollumfänglich dem geisteswissen‐ schaftlich-hermeneutischen noch naturwissenschaftlich-empirischen Para‐ digma anschließen, 26 da beide Fakten bzw. Bestehendes als selbstverständlich und Norm setzen würden, die es nur zu verstehen bzw. zu erklären gelte (ibid.: 67). Fachdidaktik hingegen komme um ein (auch) kritisch-sozialwissenschaftli‐ ches Paradigma nicht umhin, gehe es ihr doch um das Hinterfragen bestehender sowie das Setzen neuer Normen (ibid.) bzw. um a) die Frage nach der Berechtigung des normativen Vorgehens von Wissenschaft und b) die Frage nach der Tauglichkeit gebräuchlicher Wissenschaftsmethoden für die Bewältigung der gestellten Aufgaben. (ibid.: 66) Der hier vorgestellte Diskursbereich verortet die Fachdidaktik in einem empi‐ rischen und folglich wechselseitigen Verhältnis zur Unterrichtspraxis: Während Fachdidaktik zuvor rein fachwissenschaftlich begründet war und unidirektional in die Praxis hineinwirken sollte, so fließt nun die Praxis selbst in Form psycho- und soziolinguistischer Untersuchungen mit in fachdidaktische Theoriebildung ein (Abb. 3). Abb. 3: Bezugsdisziplinen und Praxisbezug der Fremdsprachendidaktik (1970er) Diese Entwicklung ist von weitreichender Konsequenz. Zum einen rücken nun auch empirische Konzepte jenseits der Linguistik (Erziehungs- und Sozial‐ wissenschaften) in den Fokus, die geeignet scheinen, die Vermittlung zwi‐ schen Lerngegenstand und Lernenden zu untersuchen. Mithilfe des leichter Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik 437 <?page no="438"?> 27 Damit umschreibt Weller eine Romanistik, die zu spät auf den Vorwurf reagiert habe, „im Elend des philologischen Historismus eine praxisferne Gelehrtenzunft geblieben zu sein“ (Weller 1979: 242). 28 So hat auch die Romanistik in der „Verschränkung von Berechtigungen zum Studium an der Universität und zur Berufsausübung am Gymnasium im Zuge der preußischen Reformphase um 1800 ihre Wurzeln“ (Kather 2020: 10). Es handelt sich um ein ursprünglich zur Französischlehrerbildung eingerichtetes Fach (ibid.: 11). operationalisierbaren Lernbegriffs fokussiert man stärker auf die Prozessebene des Lernens und die operative Dimension mit ihren Materialien und Medien wird deutlich aufgewertet (Abb. 4). Abb. 4: Vermittlung zwischen Lerngegenstand und Lernenden im didaktischen Dreieck (links) und Lerngegenstand, Lernenden sowie Materialien/ Medien im didaktischen Tetraeder (rechts) (Prediger et al. 2017) Auf der anderen Seite werden erstmals erkenntnistheoretische Fragen salient bzw. erscheint der ausschließlich geisteswissenschaftlich-hermeneutische Zu‐ gang als unzureichend. Die frühe epistemologische Diskussion zeugt von einem Selbstverständnis als fachbezogene Unterrichtswissenschaft, die vor‐ sichtig und im Rahmen ihrer Aufgaben auch auf das naturwissenschaftlichempirische Paradigma zurückgreift und zugleich die Bedeutung eines kritischsozialwissenschaftlichen Paradigmas angesichts des permanenten Wandels von Generationen und individuellen wie gesellschaftlichen Voraussetzungen von Unterricht vor Augen führt. 3.3 Romanistik im „Dornröschenschlaf“ 27 : Der Weckruf der Profession In den neuphilologischen Fächern, die ursprünglich als Fächer zur gymnasialen Lehrerbildung begründet wurden 28 , mehrten sich in den 1970er Jahren selbst‐ 438 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="439"?> 29 Sie wird von Standop als Auffassung paraphrasiert, „wonach man einen Stoff erlernt, den man dann später nur noch an den Schüler weiterzugeben braucht“ (Standop 1970: 111); durch die Einführung des Referendariats sei diese Auffassung nur bestärkt worden, „jetzt mit der irrigen Annahme, daß das Stoffliche des Universitätsstudiums nur einem Prozeß der didaktischen Besinnung unterworfen zu werden brauchte, um bereits in angemessener Weise vermittelt werden zu können“ (ibid.). 30 Standop stellt eine analoge Überlegung an, um die Bedeutung der Sprachpraxis im Rahmen des Lehramtsstudiums zu untermauern: „Wer nicht ordentlich Englisch spricht, kann nicht Sprachlehrer, wohl aber Universitätsprofessor (Philologe) werden! “ (Standop 1970: 115) kritische Stimmen. In den Vorschlägen zur anglistischen Studienreform wurde die reine Stofforientierung der 1. Phase 29 moniert, unter der ganz besonders die Sprachenfächer gelitten hätten: „Fremdsprachenunterricht ist nicht gleich Philologie, und umgekehrt.“ (Standop 1970: 112) Weller schließt sich diesem Votum für die Romanistik an, wenn er die fehlende Fremdsprachlichkeit des Studiums als dessen schwerwiegendstes Defizit einstuft (Weller 1979: 247): Die aktive Sprachbeherrschung ist im strengen Sinne kein wissenschaftliches Ziel und damit auch kein Studiengegenstand; und weil die praktische Sprachenbeherrschung für die Sprachforscher nicht notwendig ist, hat die Universität lange Zeit die Sprach‐ lehre auch nicht zu ihrem Forschungsgegenstand gemacht. (ibid.: 250) 30 Der selbstkritische Diskurs innerhalb der Romanistik fiel in eine Zeit, in der die Romanische Philologie als traditionell historisch und vielsprachig orientiertes Fach auf eine überwältigende Mehrheit an Lehramtsstudierenden im Fach Französisch traf: Romanistik ist einerseits viel zu weit konzipiert für das Schulfach Französisch, ande‐ rerseits vom fachwissenschaftlichen Selbstverständnis her zu eng im Hinblick auf die berufs- und tätigkeitsfeldorien-tierten Ansprüche der weit über 90 % Lehrerstudenten. (Weller 1979: 242) Auf der anderen Seite wurde das Fach mit neuen Disziplinbildungen kon‐ frontiert: So brachten die seit 1975 weitgehend institutionalisierte Englischdi‐ daktik (Doff 2008: 188) und eine ebenfalls an PHs aufkeimende „romanistische Hochschul-Fachdidaktik“ (Weller 1979: 249) neben den ersten universitären Sprachlehrinstituten (Wissenschaftsrat 1970: 162-165) und Lehrstühlen für Sprachlehrforschung (Bausch et al. 6 2016: 3) neue Orientierungen für den innerfachlichen Diskurs. Beide Spannungsgefüge führten zu einer Zuspitzung in der Diskussion professioneller Lehrkompetenz(en): Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik 439 <?page no="440"?> 31 Dabei wurde mitunter ihre Herauslösung aus den Fachinstituten und Anbindung an die Sprachlehrinstitute zur Diskussion gestellt (Standop 1970: 140; Wissenschaftsrat 1970: 163). 32 Schumann (1973: 165sq.) sieht drei obligatorische Niveaustufen für das Grundstudium vor: Auf einen Vor- oder Intensivkurs, der mit durchschnittlichem Abiturniveau abschließe, folgt die Niveaustufe II zur Intensivierung der noch isoliert geprüften vier Fertigkeiten Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben sowie Übersetzungs-, Grammatik- und Wortschatzkurse; erst auf Niveaustufe III sollten die Fertigkeiten kombiniert geübt und getestet werden. 33 Untersucht wurden Lehrveranstaltungen in französischer Sprachpraxis an 30 Stand‐ orten im SoSe 1972. 34 Von allen untersuchten Kursen entfielen 44,2% auf Übersetzungskurse, je 13-14% für Hören/ Sprechen, Grammatikübungen und Lesen/ Schreiben, 2,4% auf Wortschatzü‐ bungen und 13,5% der Kurse sind nicht spezifiziert (ibid.). Bringt man zudem die phonetischen Hör-/ Sprechübungen in Abzug, so wurden Hören/ Sprechen als kommu‐ nikative Fertigkeiten nur zu knapp 7-% gelehrt (ibid.). Was braucht der zukünftige Lehrer tatsächlich an Sprachkenntnissen; wie kann er das auf der Universität Gelernte verwerten; braucht er zusätzliche Fertigkeiten? (Schumann 1973, 162) In den damaligen Vorschlägen zur romanistischen Studienreform wurde der „für alles grundlegenden Sprachpraxis“ (Bludau et al. 1978: 144) viel Aufmerksamkeit zuteil. 31 In quantitativer Hinsicht sollten sprachpraktische Kenntnisse und Fertigkeiten schwerpunktmäßig im Grundstudium (ibid.) durch gestufte Anfor‐ derungsniveaus 32 (Schumann 1973: 165sq.) aufgebaut und fertigkeitsorientiert (Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben, Übersetzen, Grammatik, Wortschatz) ge‐ prüft werden (ibid.). Die sprachliche Grundausbildung solle mit der freien Kombination der vier Fertigkeiten abschließen (ibid.: 165; Bludau et al. 1978: 145), die „in natürlichen Kommunikationssituationen ohne besondere Vorbe‐ reitung und ohne Hilfsmittel aktivierbar sein“ müssten (ibid.). In qualitativer Hinsicht nahm man an der „literarische[n] Schriftsprache“ als maßgeblich vermitteltem Sprachregister Anstoß, das nicht länger mit dem Sprachbegriff des 20. Jahrhunderts („Sprache als Kommunikationsmittel“) kompatibel sei (Schumann 1973: 162). In ihrer Analyse von Vorlesungsverzeichnissen 33 zeigt Schumann auf, wie die „philologischen Sprachfertigkeiten, allen voran die grammatikalisierende Übersetzung“ (ibid.: 164), höher gewichtet wurden als kommunikative Fertigkeiten und das lexikalische Ausdrucksvermögen. 34 Dies entspräche weder den professionellen Belangen Lehramtsstudierender noch der Spracharbeit der Sprachlehrinstitute, an denen ein Neubeginn „ohne historischen Ballast“ gelungen sei (ibid.: 164). Zudem gerieten studien- und unterrichtsspezifische Sprachverwendungskontexte ins Blickfeld. So empfiehlt Schumann (1973: 165sq.), im Hauptstudium den Fokus auf philologische Fach‐ 440 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="441"?> 35 Bei Lehramtsstudierenden der Sekundarstufe II sollten zudem Texte älterer Sprach‐ stufen einbezogen und die Fähigkeit ausgebildet werden, „literaturkritische, insbeson‐ dere textanalytische Themen schriftlich zu behandeln“ (ibid.). 36 Auch Standop empfiehlt (1970: 116), ¼ der verfügbaren Zeit im Grundstudium für sprachdidaktische Lehre vorzusehen, neben ½ für Sprachpraxis und ¼ für die Fachwis‐ sprache zu legen; auch Bludau et al. (1978: 146sq.) formulieren studienspezifi‐ sche sprachpraktische Fähigkeiten: […], landeskundliche und essayistische Texte sowie literarische Texte […] ohne Hilfsmittel zu lesen; […], wissenschaftliche […] Texte […] zu erarbeiten; […], die genannten Textsorten in eigenen Darstellungen, z. B. durch Zitieren, Übersetzen, Übertragen in deutsche Terminologie, zu verwenden; […], über Texte der genannten Sorten mündlich zu diskutieren […]; […] schriftliche Stellungnahmen zu verfassen. 35 Außerdem erläutern sie unterrichtsspezifische sprachpraktische Kompetenzen bzw. „Techniken der Sprachdarlegung und -erklärung“, „die sinnvollerweise […] wenigstens zum Teil während der sprachpraktischen Ausbildung zu erwerben“ seien (ibid.: 147). Hierzu werden verschiedene Fähigkeiten in den Bereichen der Aussprache-, Wortschatz- und Grammatikvermittlung gelistet, z.B.: Äußerungen der Lerner etwa durch Wiederholen, Variieren oder Kommentieren zu korrigieren; […]; Wörter […] durch Definitionen, Paraphrasen, Kontextualisierungen inhaltlich zu umschreiben; […] kommunikative Eigenschaften von Satzstrukturen etwa durch Kontextualisierung sichtbar zu machen. (ibid.) Zudem gehen die Autoren auf die Textarbeit (z. B. „Fähigkeit, Erschließung‐ sfragen zu formulieren“, „textliche Ausdrucksmittel in ihrer Funktion sichtbar zu machen“) sowie den mündlich und schriftlich geführten Fremdsprachen‐ unterricht ein („Fähigkeit, Redeanlässe […] herzustellen“, „Gespräche zu lenken“, „Schreibanlässe herzustellen“, „Ausdrucksmittel […] bereitzustellen“) (ibid.). Um den „erheblichen Mangel an berufsqualifizierender Substanz“ (Weller 1979: 242) im Bereich der Sprachlehrkompetenz auszugleichen, setzten die Vor‐ schläge zur romanistischen Studienreform neben der Sprachpraxis auch bei der Fachdidaktik und im Besonderen der Sprachdidaktik an. Letztere nimmt aus drei Gründen breiten Raum ein, nämlich „weil diese Disziplin den Fremdsprachen‐ unterricht als Ganzes bedenkt und begründet“ (Bludau et al. 1978: 148), konkrete Handlungsanweisungen zur Verfügung stellt (ibid.) und „in der bisherigen fach‐ didaktischen Theorie und Forschung auch am weitestgehendsten behandelt“ sei (Laitenberger 1973: 74). 36 Während Bludau et al. (1978: 148sq.) unter Sprach‐ didaktik Aspekte fassen, die die Legitimation von Fremdsprachenunterricht, Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik 441 <?page no="442"?> senschaften, wobei Querbezüge von Sprachpraxis und Sprachdidaktik in die Fachwis‐ senschaften hinein mitbedacht sind. 37 Der romanistische Diskurs knüpft somit in zweifacher Hinsicht an die Empfehlungen des Wissenschaftsrats an, die „Sprachlehre als Studiengegenstand (Sprachlehrdidaktik)“ curricular besser abzubilden, sowohl für „Studenten aller lehrerausbildenden Fächer“ (Wissenschaftsrat 1970: 161), als auch im Hinblick auf die universitären Sprachlehre‐ rinnen, die zwar die Muttersprache beherrschten, „jedoch in der Sprachlehre selbst keine Ausbildung erhalten haben“ (ibid.: 159). seine Rolle im gesamten Bildungsprozess, seine Lernziele, -inhalte und Pro‐ gression umfassen, so ist sie bei Weller (1979: 255) spezifischer in Bezug auf Sprachlehrforschung, Schulgrammatik und Wortschatzarbeit ausgewiesen. Laitenberger (1973: 73sq.) wiederum ordnet ihr die Auswahl des Lernstoffs (je nach Fertigkeit, Kommunikationssituation, lexikalischen oder grammatischen Kriterien), dessen Vermittlung (Unterrichtsprinzipien, -methoden und Medien) und Aspekte der Leistungsmessung zu. Lerntheoretische Grundlagen werden entweder der Sprachdidaktik zugeordnet (Weller 1979: 255) oder separat geführt (Bludau et al. 1978: 150-152, Laitenberger 1973: 72sq.). Nur Weller (1979: 255) weist ein eigenes Themenfeld für Literatur- und Kulturdidaktik aus; bei Bludau et al. (1978: 164sq.) entfällt dies, bei Laitenberger (1973: 74) werden beide zu einem zusammengefasst, da die Art der fachdidaktischen Aufarbeitung ähnlich sei. Die besondere Stellung der Sprachlehre in der frühen romanistischen Diskussion spiegelt sich auch im Desiderat, die Sprachpraxis künftig in Hände von Dozierenden zu legen, die Fremdsprachenunterricht für Erwachsene auf hoher Fortbildungsstufe und mit berufsspezifischen Zielen wissenschaftlich zu planen, zu erteilen und zu evaluieren vermögen. (Bludau et al. 1978: 145) 37 Der hier vorgestellte Diskursbereich belegt eine frühe, besonders prägnant artikulierte Professionsorientierung innerhalb der romanistischen Fachdi‐ daktik. Neu war, das Studium als beruflichen Qualifikationsprozess zur Aus‐ bildung von Lehrkompetenz zu begreifen, wobei sich in den romanistischen Quellen ein besonderes Interesse am Konstrukt der Sprachlehrkompetenz zeigt (Abb. 5). 442 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="443"?> Abb. 5: Sprachlehre als primärer Qualifikationsgegenstand im romanistischen Lehramts‐ studium (1970er) Im bewussten Eingeständnis eines uneinholbaren Vorsprungs der englischen Fachdidaktik (Weller 1979: 243) wurden damals fachspezifische Probleme und Fragen isoliert, die sich gerade aus der Konfrontation mit überlieferten fachlichen Traditionen ergaben. So lenkte der Diskursbeitrag zur Sprachpraxis das Augen‐ merk erstmals auf eine studien- und unterrichtsspezifische Sprachpraxis jenseits der grammatikalisierenden Übersetzung. Der sprachdidaktische Diskursbeitrag veranschaulicht, dass der primäre Qualifizierungsgegenstand im romanistischen Lehramtsstudium nicht philologischer Natur ist: Es handelt sich um Sprachlehre, für die Studierende sprachdidaktisch auszubilden sind (Theorie für die Praxis und über das Lernen) und für die romanistische Dozierende durch ihre eigene Lehre permanent qualifizieren, denn sie impliziert auch dann sprachliches Lernen, wenn sie literatur-, sprach- oder kulturwissenschaftliche Ziele verfolgt (Abb. 5). 4 Quellenanalyse Folgend geht es darum, mithilfe der Sichtung von Vorlesungsverzeichnissen (VVen) und Forschungsberichten (FBen) der Französischabteilung an der PH Freiburg die eingangs erwähnte Vorreiterrolle des Hochschultypus PH zu prüfen und das Augenmerk auf den disziplinbildenden Zusammenhang von Lehre und Forschung zu lenken. Auf der Meso- und Mikroebene sind beide Quellentypen in der Lage, institutionell-strukturelle Vorgaben sowie die diskursprägende Funktion Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik 443 <?page no="444"?> 38 Andere hochschuleigene Publikationen hingegen tendieren stärker nur zu einem Pol, wie bspw. Studien- oder Prüfungsordnungen (institutionell-strukturelle Vorgaben) oder die seit 1976 erscheinende Hochschulzeitschrift PH-FR (individueller Diskursbeitrag). 39 Dies sind 1. ihre Ziele (Klassenlehrer für den Grundschulbereich vs. Fachlehrer an weiter‐ führenden Schulen), 2. ihre inhaltlichen Komponenten, 3. die Form ihrer Institutionalisie‐ rung (Hochschulen, staatliche Seminare), 4. die Form der Theorie-Praxis-Verknüpfung, 5. die Eingangsselektivität der Ausbildung (z. B. Sprachkenntnisse in der studierten Sprache), 6. der Grad an Wettbewerbsorientierung zwischen den Ausbildungsinstitutionen sowie 7. die Kontrolle ihrer Leistungsfähigkeit. individueller Akteure zu spiegeln. 38 Während VVe stärker dem erstgenannten Pol zuneigen (Aufnahme von Fachrichtungen bzw. Disziplinen, Anbindung an Studien- und Prüfungsordnungen), so lässt ihre Ankündigungspraxis auch Raum für individuelle Diskursbeiträge (Wahl der Kurstitel). In FBen wiederum spiegelt sich stärker letztgenannter Pol (Berichte zu laufender oder abgeschlossener eigener Forschung), doch machen sie auch Angaben zu Mitarbeitenden (und deren Quali‐ fikation) sowie zur Finanzierung von Projekten. Aus den bisherigen Ausführungen leiten wir zwei Vorannahmen ab: Von den nach Blömeke (2006: 395sq.) unterschiedenen Kernmerkmalen von Ausbildungs‐ systemen im Bereich der Lehrerinnenbildung 39 stechen im Hinblick auf unser Forschungsinteresse zwei Merkmale besonders hervor, nämlich die inhaltlichen Komponenten sowie die Theorie-Praxis-Verknüpfung. Wir gehen erstens davon aus, dass die an der Französischabteilung der PH Freiburg vermittelten Inhalte eine Orientierung am Fach(lehrerprinzip) (statt an schulpädagogischen oder schulart‐ spezifischen Fragen) und einem eher integrativen Konzept für Fachwissenschaft und -didaktik (statt ihrer strikten Trennung, Weller 1979: 249) belegen. Zweitens ist anzunehmen, dass sich in den Quellen der Anspruch aufzeigen lässt, verschie‐ dene Wissensdimensionen (Sprache, Kultur, Literatur, Sprachpraxis, Pädagogik, Sozio- und Psychologie) im Spannungsfeld von Theorie und Praxis des Franzö‐ sischunterrichts zu integrieren (Doff 2008: 106). Unsere Quellen betrachten wir für den Zeitraum 1966 (Beginn der Ausbildung in Fremdsprachen) bzw. 1971 (erster vorhandener Forschungsbericht) bis zur Jahrtausendwende. Anfang der 1970er Jahre wurden zwei Lehrstühle mit fach‐ wissenschaftlich-fachdidaktischem Doppelprofil für Französisch eingerichtet: ein Lehrstuhl mit sprachlichem Profil (seit 1969 von Prof. Dr. Manfred Pelz besetzt) und ein weiterer für Literatur und Kultur (seit 1971-72 von Prof. Dr. Eckhard Rattunde besetzt). Beide Lehrstuhlinhaber verfügten über ein Doktorat und schulpraktische Erfahrung (Gymnasium, DAAD-Lektorat); sie konnten zu Anfang der 1970er Jahre je eine Lektorats- und Mittelbaustelle besetzen. War die Lehrerbildung in den 1960er Jahren grundsätzlich noch von Inhalten geprägt, die von der Praxis für die Praxis in der Hochschullehre bereitgestellt wurden 444 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="445"?> 40 Seit 1970-71 finden sich dort für einzelne Veranstaltungen weiterführende Angaben (Kursziele, -inhalte, -voraussetzungen und Literaturverweise). 41 Für die ersten Jahre liegen zwei FBe vor (FB I: 1971-75 und FB II: 1971-77); ab dem FB III erscheinen die FBe immer in Abständen von drei Jahren. 42 Im SoSe 1967 und 1968 werden nur Übersetzungskurse und die Kurse „Littérature française“ und „Compte rendu de lecture“ ausgewiesen, im WiSe 1968-69 gab es gar kein Angebot für Französisch. („Meisterlehre“), so begann danach die Hochphase theoretischer Forschung bzw. die Bereitstellung von Theorie für die Praxis. Wir schließen unsere Betrachtungen mit den 1990er Jahren, da seit dieser Zeit Inhalte hinzugetreten sind, die den Weg von der Praxis über die Theorie und Empirie zurück zur Praxis gegangen sind. Das erste im Archiv vorhandene VV aus dem SoSe 1962 ist in die Bereiche „Erziehungs- und Grundwissenschaften“ sowie „Besondere Unterrichtslehre“ (A. Geistes- und Naturwissenschaften und b. Musische Bildung) gegliedert. Unter A. werden 1966 die Fremdsprachen, ab 1971 das Fach Französisch aufgeführt. Grundlage unserer Analyse sind sämtliche Veranstaltungstitel mit Bezug zum Fach Französisch; die z.T. im Anhang geführten Abstracts bleiben unberücksichtigt 40 . Der erste FB für die Jahre 1971-75 41 umfasst im 1. Teil Forschungsvorhaben, die nach Fachbereichen bzw. Fakultäten strukturiert sind (hier II für Sprachen), und im 2. Teil sämtliche nach Fächern gegliederte Veröf‐ fentlichungen (hier Französisch) sowie ein Namensregister; ab 1985 werden die Veröffentlichungen projektbezogen in den 1. Teil integriert, der neu nach Fächern geordnet ist (hier Französisch), und es treten ein Bericht der neu einge‐ richteten Forschungsstelle und ein Schlagwortregister hinzu. Für unsere Ana‐ lyse betrachten wir sämtliche Projekteinträge; die zitierten Veröffentlichungen (Titel oder Volltexte) bleiben außen vor. 4.1 Gründungs- und Konsolidierungszeit: 1966-1981 4.1.1 Lehre Es finden sich frühe Belege einer engen Zusammenführung der Konzepte von Fachlichkeit und Didaktik: Ab dem VV 1967 wird der Bereich „Besondere Unterrichtslehre“ zu „Fachwissenschaften und Didaktik ihrer Unterrichtsfächer“ umbenannt; der erste überhaupt für das Fach Französisch (und Englisch) ausge‐ wiesene Kurs ist die Vorlesung „Didaktik und Methodik des fremdsprachlichen Unterrichts“, gefolgt von Übersetzungsübungen; im Folgesemester treten fachbe‐ zogene Kurse in Literatur, Phonetik und Übersetzungstheorie hinzu (Abb. 6). Nach einer Phase der Reduktion 42 , der auch die Fachdidaktik zum Opfer fällt, erweitert sich das Lehrangebot erst wieder mit der Ankunft von Pelz 1969. Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik 445 <?page no="446"?> Abb. 6: VV 1966, S. 18 (links) und 1966-67, S. 18 (rechts) für die Fächer Englisch und Französisch In Personalunion bietet Pelz nun sprachpraktische, landeskundliche, literatur‐ wissenschaftliche sowie die ersten beiden fachdidaktischen Kurse im engeren Sinne an („Französischunterricht: Einführung in die Didaktik des Faches“ & „Kolloquium zur Methodik und Didaktik des Französischen“) (Abb. 7). Abb. 7: VV 1969, S. 33sq. (links) und VV 1969-70, S. 35sq. (rechts) für das Fach Französisch Dieses frühe, noch sehr begrenzte Lehrangebot im Fach Französisch weist zwei Merkmale auf: Zum einen wird die Prägung durch die Bildungstheorie Klafkis deutlich, denn Linguistik und sprachpraktische Übungen jenseits der Übersetzung sind zunächst nicht bedeutsam. Andererseits ist durchaus das Bestreben erkennbar, ein Fachstudium zu implementieren, das sich am später zu erteilenden Unterricht orientiert, wie im Strukturplan 1970 gefordert (3.1) (erste 446 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="447"?> fachdidaktische Kurse, sprachpraktische Schwerpunktbildung, zielsprachlich angekündigte Fachstudien in Literatur und Landeskunde). Die frühen 1970er Jahre bringen eine Gliederung der VV in ein- und weiterführende Kurse und eine stärkere Orientierung an der Linguistik. So bietet Pelz 1970-71 das erste integrative Proseminar „Sprachwissenschaft und Sprachdidaktik des Französischen“ an und auch die Sprachpraxis entwickelt sich zu einer Sprachlehre, die sich an den Strukturalismus anlehnt und auch die mündlichen Fertigkeiten miteinbezieht (Abb. 8). Abb. 8: VV 1971, S.-37sq. für das Fach Französisch Bereits im Kommentar zur Vorschau (Abb. 8) deutet sich eine implizite Glie‐ derung des Lehrangebots in literarische, methodisch-didaktische, sprachwissen‐ schaftliche und frankreichkundliche Themen an; darüber hinaus ist auch das Selbstverständnis als Romanistik (siehe Einführungsveranstaltung) bemerkens‐ wert. Erstens bringt diese Selbstzuschreibung zum Ausdruck, dass ein so diffe‐ renziertes Lehrangebot im Begriff ist - die Ankunft Rattundes stand unmittelbar bevor - den eigenen fachlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Zweitens zeigt sich bereits hier die fortschreitende fachdidaktische Disziplinbildung. Auch wenn die Quellenstruktur für die Jahre 1970-74 noch keine explizite Einordnung als französischdidaktische Lehrveranstaltung vorgibt, so lassen sich aufgrund expliziter Bezugnahmen im Titel („im Französischunterricht“ o.Ä.) Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik 447 <?page no="448"?> 43 Die Zusammenstellung listet die Differenzierungskriterien in der Reihenfolge ihres ersten Auftretens in den VVen. Ab 1973 treten zudem Kombinationen zwischen Schulart und einem weiteren Differenzierungskriterium auf (z. B. „Unterrichtsplanung an der Grundschule“, „Arbeits- und Testmaterialien in der Grundschule“, „Die Rolle der Motivation für den Französischunterricht an der Realschule“). 44 Hierzu finden sich aufgrund des Forschungsbezugs (4.1.2) die meisten Seminare, die mehrheitlich mit dem Fach Englisch angeboten wurden, z. B. „Fehleranalyse und verschiedene, insgesamt eher linguistisch orientierte Differenzierungsprozesse beobachten (Abb. 9). Abb. 9: Erste Ausdifferenzierungen des französischdidaktischen Lehrangebots 1970-75 43 Zuerst wird das Angebot schulartspezifisch und auf den Gegenstand Sprache hin ausdifferenziert, bevor es sich nach Medien und Material, Leistungsmessung, einzelnen Vermittlungsaspekten sowie in Richtung Landeskunde und Psycho‐ logie hin spezifiziert. Indem Kurse ab 1974 explizit dem Bereich „Didaktik und Methodik“ zuge‐ ordnet werden, der neben „Übungen zur Sprachkompetenz“, „Linguistik und Angewandte Linguistik“ und „Textwissenschaft“ ausgewiesen wird (Abb. 10), kommt die fachdidaktische Disziplinbildung zu einem Abschluss in der Frei‐ burger Lehre. Innerhalb der Fachwissenschaften zeigt sich in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre im sprachwissenschaftlichen Bereich die größte Nähe zur Fachdidaktik. Es treten regelmäßig Titel mit unterrichtlichen Bezugnahmen rund um die Themen Fehleranalyse 44 , Pragmatik oder kommunikative Kompe‐ 448 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="449"?> Fehlertypologie“ 1974, „Fehleranalyse und Fehlerbewertung“ 1974-75, „Übungen zur Fehlertypologie“ & „Probleme der Fehleranalyse“ 1975-76 etc. 45 z.B. „Linguistik und Lehrmethode (die Rolle der Pragmatik in der Abfassung von Lehr‐ werkstexten)“ 1975, „Pragmatik und kommunikative Kompetenz: Zur Neudefinition von Lernzielen“ 1976. 46 z.B. „Kontrastive Landeskunde - Das Deutschland- und Frankreichbild in Schulbü‐ chern“ 1974-75, „Volkslied - Schlager - Chansons (Textanalysen und Unterrichtsse‐ quenzen)“ 1975. 47 z.B. Anouilh, Theater Camus’, Boris Vian, roman policier (Simenon, Dard), Prosa im 20. Jhd. vs. Komödie, Romantik, roman avant la révolution, Symbolismus, Baudelaire - Flaubert - Zola. tenz 45 auf. Im Bereich „Textwissenschaft“ ist dies seltener und nur in Bezug auf landeskundliche Themen der Fall 46 . Abb. 10: VV 1974, S.-56sq. für das Fach Französisch In der Literaturwissenschaft hingegen erfolgen keine unterrichtlichen Bezug‐ nahmen, allerdings sind Kurse zum 20. Jahrhundert genauso häufig wie solche zu älteren Epochen 47 - eine Tendenz, die in jedem Semester und über den ganzen Untersuchungszeitraum hinweg besteht. Im Bereich „Didaktik und Methodik“ treten ab 1977 durchgehend (mit Ausnahme der ersten Hälfte der Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik 449 <?page no="450"?> 48 Für die 1970er liegen sieben Einträge unter Beteiligung des Fachs Französisch vor, die sich zu vier Projekten zusammenfassen lassen, da zwei Projekte mit identischem Titel in FB I und II geführt werden und ein in FB III nur angekündigtes Projekt in 4.2.2 zu diskutieren ist. 1990er Jahre) Begleitveranstaltungen zu Praktika auf; ansonsten bleiben von den ersten Differenzierungen (Abb. 9) vor allem jene produktiv, die sich auf die Schulart (Elementarfranzösisch, Anfangsunterricht Realschule, Realoberstufe), Medien und Materialien (Originalaufnahmen, audiovisuelle Medien) und ein‐ zelne Vermittlungsaspekte (Strukturübungen, Grammatikunterricht, Semanti‐ sierung) beziehen. 4.1.2 Forschung Analog zur Lehre ist die Forschung der 1970er Jahre wesentlich linguistischempirisch durch die zwei Verbundprojekte (2) und (4) in Kooperation mit dem Fach Englisch geprägt, die sich über das ganze Jahrzehnt erstrecken; bei (1), dem frühsten Projekt an der Französischabteilung, handelt es sich um eines mit theoretisch-normativer Orientierung, die auch in (3) greift, denn bei beiden wird Forschung für die Praxis betrieben, ohne dass Erprobungen berichtsrelevant werden (Tab. 1). (1) intendiert, „ein Curriculum für Französisch in der Grundschule ab Klasse 1 bzw. ab Klasse 3 zu erarbeiten“ (FB-I: 37, FB-II: 41). Tab. 1: Projekte der 1970er im Fach Französisch (FB-I 1971-1975, FB-II 1971-1977, FB-III 1978-81) 48 450 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="451"?> 49 Unter Bezugnahme auf Lado, einem Leitautor der Zeit (Doff 2008, 125), solle zudem ab Klasse 1 nur Sprechen und Hören, ab Klasse 3 auch Lesen und Schreiben geschult werden (ibid.). 50 Weiterhin werden Programme zur Erklärung und Bewertung von Fehlern und Fehler‐ kunde sowie ein Fehlerkorpus entwickelt. Dies erfolgte auf Antrag des Kultusministeriums 1972 hin unter Beteiligung von schulischen, hochschulischen und ministeriellen Akteurinnen. Der im FB zitierte Antrag spiegelt zentrale Grundideen des Fremdsprachenfrühbeginns wider: Situativ ist dieses Curriculum, weil es sich nicht zu einem progressiv fortschreitenden, graduell aufbauenden zusammenzuschließen braucht. Es genügt, daß bei dem punk‐ tuellen Ereignis der Französischstunde die Motivation für die neue Sprache erhalten bleibt. (ibid.) 49 Laut FB umfasst der erarbeitete Lehrplanentwurf (ab Klasse 3) eine Begründung für den Frühbeginn, Ausführungen zu allgemeinen Gesichtspunkten (psycho‐ logische Aspekte, elementare Aussagen, Sachbereich und Situationen), eine Minimalgrammatik, Lernzielbeschreibungen, methodisch-didaktische sowie bi‐ bliographische Hinweise (FB I: 38sq.; FB II: 42sq.). Das Projekt kann als theo‐ retische Grundlagenforschung zur Einführung des Fremdsprachenfrühbeginns bezeichnet werden, wie er tatsächlich zwei bis drei Jahrzehnte später erfolgte. Deutlich wird die normierende Rolle und Funktion, die dieser neuen hochschu‐ lischen Disziplin seitens der Bildungspolitik (cf. Deutscher Bildungsrat 1970) zugeschrieben wurde (3.1). (2) hingegen ist strukturalistisch-kontrastivlinguistisch ausgerichtet und ver‐ folgt das Ziel, Programme für computerunterstützten Unterricht zu erstellen. Dabei stehen die systematische Fehlererfassung in Art und Frequenz, die Unter‐ suchung von Abhängigkeiten zwischen Fehler- und Testtyp und Vergleichsunter‐ suchungen zur Effizienzmessung unterschiedlicher Programme im Fokus (FB I: 34; FB II: 45). 50 Während der medienorientierte und fehleranalytische Zugang symptomatisch für die damaligen Entwicklungen in Fremdsprachenunterricht und -forschung sind, so ist die primäre Zielgruppe des Projekts bemerkenswert: Es soll der „Optimierung der Ausbildung“ (FB II: 45) sowie dem Einsatz in den fremdsprachlichen Studiengängen und somit primär Studierenden dienen; auch (3) und (4) nehmen diese Zielperspektive ein. Indem das Studium als Sprachlehre (und insofern als Verlängerung von Schulunterricht) aufgefasst und als solche beforscht wird, vollzieht sich ein Bruch mit der universitären romanistischen Tradition (3.3). Von hier aus ist es nur ein kleiner Schritt, sich auch empirisch überprüfbaren Konzepten für den Schulunterricht zuzuwenden (3.2), sodass in der zweiten Phase von (2) auch Tests in 10 Realschulklassen Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik 451 <?page no="452"?> 51 Die Betonung möglicher Synergien verdeutlichen auch die in (1) festgehaltenen Desiderate, lernergrammatische Beobachtungen zu ausgewählten Lernproblemen „durch verschiedene Lernstadien im Schul- und Hochschulbereich“ anzustreben, Programme zur Fehlerbewer‐ tung in SuS-Arbeiten sowie ein schülerseitiges Fehlerkorpus zu erstellen (FB II: 46). 52 z.B. „Unterrichtsanalyse und Unterrichtsvorbereitung“ 1981-82, „Lehrwerkkonzepti‐ onen und didaktische Analyse von Unterrichtseinheiten“ 1982, „Unterrichtsanalyse und Unterrichtsplanung“ 1982-83, 1983, 1983-84. durchgeführt werden (ibid.). 51 In (4) wiederum werden Weiterentwicklungen hin zu Selinkers Lernersprachenkonzept manifest und die Grenzen zwischen einer rein linguistisch und einer auch sozialwissenschaftlich fundierten Empirie verwischen. Untersucht werden multikausale Fehlererklärungen „im Blick auf die Beteiligung bewußter oder unbewußter Prozesse“ und der „Nachweis der Relevanz subjektiver Lernervariablen“ (FB III: 28). Auffällig ist im Vergleich zu (2) die Herleitung der Forschungsfrage aus einer Kritik an der bis dato selbst praktizierten psycholinguistischen Interferenzforschung heraus: Empirische Fehleruntersuchungen sind bisher vorwiegend von der Hypothese ausge‐ gangen, fehlerhafte Äusserungen von L2-Lernern auf die ihnen zugrunde liegenden Ursachen analysieren […] zu können. Hierbei wurde der Fehler jedoch häufig aus dem Lernkontext isoliert und als von individuellen Variablen unabhängiges Phänomen behandelt. (ibid.) Im Gegensatz zu (2) wird das methodische Vorgehen nicht als selbstverständlich genommen, sondern ausführlich reflektiert, wobei man sich neu auch einer Befragung bzw. der autorisierten Interpretation durch die Lernenden bedient: Bearbeitung von Lückentexten zu ausgewählten sprachlichen Problembereichen, unmittelbare Befragung der Probanden nach jeder Aufgabe im Blick auf lernersprach‐ liche Begründungen für die gewählte sprachliche Form; Nachtest (Multiple Choice) mit den zuvor ermittelten Fehlervarianten (ibid.). Der selbstreflexive und nicht nur sprach-, sondern auch lernerbezogene Zugang zeugt von fortschreitender Disziplinbildung. 4.2 Krisen- und Ausbaujahre: 1980-2000 4.2.1 Lehre Im Lehrangebot besteht 1981-82 bis 1984 der Bereich „Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Realschulen“ (Abb. 11), dessen Lehrveranstaltungstitel sich wesentlich an der Allgemeinen Didaktik der 1960er Jahre orientieren 52 und der symptomatisch auf die strukturellen Probleme der Zeit verweist. Ab 1983-84 452 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="453"?> tritt die Rubrik „Activités“ hinzu, die Angebote mit Projektcharakter versammelt (Abb. 11): Neben Konversationskursen und dem „club-théâtre“ werden hierunter regelmäßig wiederkehrende Exkursionen an lehrerbildende Institutionen in Frankreich angeboten (z. B. Centre International d’Etudes Pédagogiques de Sèvres, École normale bzw. IUFM Besançon, Lyon, Perpignan). Im Vergleich zum früheren Jahrzehnt ist die Linguistik, die ab 1977 an 3. Stelle hinter der Sprachpraxis und „Literatur/ Landeskunde“ ausgewiesen wird, eher rückläufig oder fällt mitunter ganz aus dem Programm. In den 1980ern führt dieser Rückgang zu einer Konzentration auf genuin linguisti‐ sche Themen (Strukturalismus, Varietäten, Sozio-, Psycho- oder Textlinguistik, Sprachgeschichte); in den 1990er Jahren wiederum tendiert man eher zu inte‐ grativen Kursen, wobei man an Themen der 1970er Jahre anknüpft (Pragmatik, Lehrwerke, Grammatikmodelle, code écrit). Abb. 11: VV 1983-84, S. 83sq. für das Fach Französisch Als besonders stabil erweist sich 1980-2000 der konsequent zielsprachlich angekündigte Bereich „Literatur/ Landeskunde“, der die Wissensfacetten Lite‐ ratur, Kultur und Sprachpraxis zusammenführt. Eine zusätzliche Integration der Didaktik ist weiterhin nur für landeskundliche Kurse charakteristisch, Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik 453 <?page no="454"?> 53 z.B. „Landeskunde in neueren Lehrwerken der Sekundarstufe I“ 1984, „Les régions en France: Ein landeskundliches Thema im Französischunterricht? “ 1988-89. 54 z.B. „L’actualité culturelle et politique en France“ 1981-82, „Les jeunes des années 90“ 1995, „Das Frankreichbild der Deutschen - Deutschlandbild der Franzosen aus aktueller Sicht“ 1999-2000. 55 z.B. „Les relations franco-allemandes (R.F.A. et R.D.A.)“ 1984, „Points chauds de la société française: Le racisme“ 1985-86, „La société française face au défi multiculturel“ 1991. 56 z.B. „La France avant et après les élections présidentielles (à l’aide d’émissions de la télévision française)“ 1981, „La BD: Astérix et compagnie“ 1983, „Cinéma français: Jean- Luc, François et les autres“ 1988-89. Des Weiteren treten Kurse zum französischen Ausbildungssystem auf (z. B. Erwach‐ senenbildung in Frankreich 1984, Schulsystem und Ausbildung von Lehrkräften in Frankreich 1986). entweder durch explizite Bezugnahmen im Titel 53 oder implizit durch Themen mit Aktualitätsbezug 54 oder Bezug zum französischen Schul- und Ausbildungs‐ system. Besonders gut führen die landeskundlichen Titel der 1980er verschie‐ dene Wissensfacetten zusammen, da sie auch Kontroversen nicht scheuen 55 , multimodale Medien miteinbeziehen 56 und - parallel zum Aufkommen des Bereichs „Activités“ - Vor-Ort-Begehungen anbieten, bei denen der Fokus entweder auf Recherchearbeit (Franche-Comté & Résistance im Elsass 1983-84, La Lorraine 1985, Perpignan 1988) oder Begegnungen mit jungen Menschen liegt (Projektwoche zu politischer Bildung mit Studierenden aus Lille 1984, „Les jeunes en 1987 (journaux, chansons, vidéo, enquête en France)“ 1987). Im Bereich „Didaktik und Methodik“, der ab 1991 noch vor dem sprachwissen‐ schaftlichen Lehrangebot ausgewiesen wird, werden Kurse hauptsächlich nach Medien und Materialien differenziert (Lehrwerke und ihre Begleitmaterialien, Lehrwerksanalyse, visuelle und auditive Medien, audiovisuelle Medien wie Film, Video oder Schulfernsehen, Schülerzeitschriften, Computer und neue Medien), gefolgt von psychologisch orientierten Kursen (Lernpsychologie, Motivation, Superlearning, psychologische Aspekte) und - ab den 1990ern - kulturwissen‐ schaftlichen Orientierungen (interkulturelles Lernen, Austausch). Außerdem treten neue Differenzierungen mit Bezug zur Politik, Pädagogik, Literatur, Bilingualismus und Disziplingeschichte hinzu (Abb. 12), wobei Pädagogik und Bilingualismus auch aufgrund eines engen Forschungsbezugs am produktivsten sind. 454 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="455"?> Abb. 12: Neue Ausdifferenzierungen des Lehrangebots im Bereich „Didaktik und Me‐ thodik“ 1980-2000 4.2.2 Forschung Im Vergleich zu den 1970ern sind sämtliche Projekte der 1980er operativ orien‐ tiert, mit einem Schwerpunkt auf theoretisch-operativer Forschung (Tab.-2). Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik 455 <?page no="456"?> 57 Von den insgesamt sieben Projekteinträgen sind (5) und (7) zweimal mit identischem Titel und drei zu demselben Förderprogramm aufgeführt, weshalb sie hier als (6) zusammengefasst werden. 58 Das Projekt, „bei dem neben dem Unterricht in der jeweiligen Nachbarsprache auch regelmäßige Begegnungen zwischen deutschen und französischen Grundschülern stattfinden“ (FB VIII: 135), bestand seit 1984 an oberrheinischen Grundschulen. Tab. 2: Projekte der 1980er im Fach Französisch (FB IV 1982-85, FB V 1985-88, FB VI 1989-91) 57 Auf eine Konjunktur der theoretisch-operativen Forschung weisen die Projekte (6) und (7) hin. Mit dem ersten Teilprojekt von (6) setzt die Begleitforschung zum Europaprojekt „Lerne die Sprache des Nachbarn“ 58 ein, wobei zunächst die Erstellung von Videomaterial in Koproduktion im Mittelpunkt steht. Das Filmmaterial soll Begegnungssituationen der Kinder einfangen, in denen „das Verstehen und Verwenden der jeweils anderen Sprache sich als notwendig und nützlich“ (FB IV: 40) erweist. Ziel eines Einsatzes in anderen Klassen ist es, „die Identifikation mit solchen (imaginierten) Sprachanwendungssituati‐ onen“ zu suchen und „das emotionale Vorfeld für schulischen Fremdsprachen‐ unterricht [zu] erschließen“ (ibid.). Im dritten Teilprojekt von (6) entsteht zudem eine Materialsammlung für kreatives Lehren und Lernen geleitet von den „methodischen Prinzipien ‘persönlichkeitsorientiert‘, ‘kreativ‘, ‘kommuni‐ kativ‘, ‘funktional‘ und ‘spielerisch‘“ (FB VI: 73). Auch (7) hat eine theoretischoperative Stoßrichtung: Ausgehend von der Lehrwerksarbeit mit ihrer lingu‐ 456 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="457"?> 59 Der ursprüngliche Titel lautete „Sichtung, Chronologisierung, Erschließung von Lehr‐ probenentwürfen der letzten 10 Jahre im Fach Französisch an der PH Freiburg“ (FB III: 32). Im Ergebnis entstand ein einführender Registerband, der für jeden Entwurf Angaben „zu einem Planungstyp (Video, Gutachten, Prüfung, Zulassungsarbeit)“, zu Klasse, Thema, Lehrwerk, Inhalten bzw. Zielen und der methodischen Konzeption macht (FB IV: 31). Dieser Band und sämtliche Entwürfe wurden in nach Klassenstufen geordneten Bänden über das Sprachdidaktische Zentrum der PH verfügbar gemacht (ibid.). istisch-pragmatischen Progression (Vorstellen von Schule, Stadt, Schulalltag, Freizeitaktivitäten) werden Videos in der Partnerstadt und -schule gedreht, „um den jeweils anstehenden Lernbereich zu aktualisieren und auf die Part‐ nerschule zu beziehen“ (FB IV: 41) und - im Anschluss an schulische Erpro‐ bungen in Besançon und Freiburg - ein Modell zu erarbeiten, „in welcher Form entsprechende Videoeinheiten über die Partnerschaft und ergänzende Unterrichtsmaterialien eingesetzt werden können“ (FB V: 81). Während in (6) tragende Konstrukte der Fachdidaktik in Frage gestellt und Alternativen entwickelt werden (Begegnungssprachenvs. Lehrgangskonzept), so ist (7) an Modellbildung für den lehrwerksbasierten Unterricht interessiert. In ihrer gegenseitigen Komplementarität verdeutlichen die Projekte die Bandbreite theoretischer Forschung. Aber auch das historische und empirische Paradigma sind in diesem Jahr‐ zehnt vertreten. (5) lässt sich als historisch-operativ einordnen, da hier Lehrent‐ würfe der Sekundarstufe I von 1969-1984 nach einem Raster erschlossen und „der Arbeit an der Hochschule zur Verfügung gestellt [werden] (Lehrerausbil‐ dung; fachdidaktische, z. B. diachronische Forschung)“ (FB IV: 31). Auch wenn in der Berichterstattung die operative Ausrichtung im Vordergrund steht 59 , so zeigt sich dennoch ein Bewusstsein für die Historizität des Materials bzw. eine Selbstzuschreibung als mittlerweile historisch gewachsene Disziplin. Es gehe auch darum, die Entwicklung der Fachdidaktik im genannten Zeitraum zu reflektieren (FB III: 32): Die theoretische Annahme zu Beginn, Lehrentwürfe spiegelten in ihrem Nachein‐ ander die unterschiedlichen Akzentsetzungen der Fachdidaktik, hat sich bewahr‐ heitet. (FB IV: 31sq.) Interessant ist das Projekt zudem aufgrund seiner Professionsorientierung: Es postuliert beobachtbare Zusammenhänge zwischen der hochschulischen Ausbildung und dem Handeln als Referendarin und weist im Umkehrschluss den Entwürfen der 2. Phase Professionalisierungspotential für Studierende im Sinne von best practice zu. Das zweite Teilprojekt (6) ist empirisch-operativ und erstmals soziolinguistisch orientiert: Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik 457 <?page no="458"?> 60 In der Wiederaufnahme des Projekts spiegelt sich dieses Moment in der Zielsetzung einer „Vorstellung von Konzepten und Erfahrungen in Veranstaltungen der regionalen Lehrerfortbildung“ (FB VII: 79) wider. Untersucht wird die Sprache der Schüler in Begegnungsmaßnahmen, […], sodann der Anteil der Lehrerinterventionen und die Sprache (von Lehrern und Schülern), in der ein Rekurs auf die bilinguale Situation erfolgt. (FB V: 77) Wie bereits in (4) (Tab. 1, 4.1.2) wird das methodische Vorgehen auch in Anlehnung an sozialwissenschaftliche Konventionen formuliert („Corpus von Video- und Tonbandaufzeichnungen“, „quantitative und inhaltsanalytische Auswertung des Corpus“, FB V: 77). Neu wird jedoch eine eingeschränkte Reichweite linguistischer Beschreibungskategorien angedeutet („soweit sie [die Sprache] sich in pragmalinguistischen Begriffen beschreiben läßt“) und der operative Charakter der empirischen Forschung betont, denn sie soll auch „eingehen in Arbeitsmaterialien für die Organisation und Durchführung von Schülerbegegnungen“ (ibid.). In den 1990ern liegt der Schwerpunkt insgesamt auf empirisch-operativen Projekten, die im Sinne qualitativer und quantitativer Sozialforschung nicht mehr nur linguistisch ausgerichtet sind. So erklärt sich die breitere Beteiligung von Akteuren im schulischen Feld und Vertreterinnen anderer Disziplinen (Pädagogik, Psychologie, Ökonomie) (Tab. 3). (8) lässt sich als vorempirischer Erfahrungsbericht einordnen, da Handlungsempfehlungen zum Umgang mit szenischen Texten nicht nur auf Basis einer Dokumentenanalyse („Dokumenta‐ tion und Sichtung vorliegender theaterpädagogischer Ansätze“, FB VI: 76) gegebenen werden: Der Bericht rückt auch die Momente von Erfahrung („[i]m Rahmen einer Kontaktstelle Austausch von Erfahrungen bestehender Gruppen“) 60 und Erprobung („von ausgewählten Texten mit unterschiedlichen Lerngruppen“) in den Vordergrund (ibid.: 77). In FLuG 1 bzw. dem ersten Teilprojekt von (9) wiederum entfällt dies; auch wenn die Ergebnisse von (9) für dieses Projekt als wesentlich zu erachten sind (mise en espace als Transfermög‐ lichkeit für kreatives und gestalterisches Arbeiten), so erfolgen im Bericht nur Bezugnahmen auf vorhandene Texte („Textbereich: Gegenwartsautoren, franz. Kinder- und Jugendtheater“ FB VII: 80, „Gedichte und Reime“, ibid.: 71) oder Theorie („Konzeption der ‘Simulation globale‘ ( J.M. Caré)“, ibid.: 80). 458 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="459"?> 61 Insgesamt liegen fünf Einträge für Französisch vor, wobei FLuG 1 und 2 zu (9) zusammengefasst werden und (10) zweimal mit identischem Titel ausgewiesen ist. 62 Mit den „in einer Pilotstudie ermittelten Beobachtungskategorien“ (FB VII: 74) ist vermutlich das pragmalinguistisch orientierte zweite Teilprojekt von (6) angesprochen (Tab. 2, 4.2.2). Tab. 3: Projekte der 1990er im Fach Französisch (FB VII 1992-95, FB VIII 1996-99) 61 Das gemeinsam mit Englisch ausgebrachte FLuG 2 hingegen ist von vorneherein als „Handlungsforschungsprojekt“ charakterisiert: Der Feldbezug wird nicht mehr als Erfahrung oder Erprobung umschrieben, sondern unter Rückgriff auf einen kodifizierten forschungsmethodischen Terminus qualitativ-explora‐ tiver Forschung wiedergegeben (FB VIII: 71sq.) (Abb. 13). Während (8) und (9) die oftmals weichen Übergange zwischen theoretischer, vorempirischer und qualitativer Forschung verdeutlichen, so verortet sich (10) eindeutig im quantitativen Paradigma. Im ersten Teilprojekt werden die „Entwicklung und Überprüfung des Instrumentariums“ für die eigentliche Evaluation (Teilprojekt 2) angestrebt, wozu die „Bestimmung der Gütekriterien (Objektivität, Zuverläs‐ sigkeit, Gültigkeit)“ von Beobachtungskategorien 62 und die „Bereitstellung der Befragungsinstrumente“ zählen (FB VII: 74) (Abb. 13). Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik 459 <?page no="460"?> Abb. 13: Kurzbeschreibungen zu (9) „Fremdsprachliches Lernen und Gestalten in Sach‐ feldern - FluG 2“ (links, FB VIII: 71sq.) und (10) „Entwicklung und Evaluation einer auf zweisprachigen Begegnungen bezogenen Didaktik und Methodik“ (rechts, FB VII: 74) Die Evaluation im zweiten Teilprojekt umfasst erstens eine Befragung von Lehrkräften zu ihren Einstellungen und deren „statistische Auswertung“ (FB VII: 74), zweitens einen „quasi-experimentellen Versuchsplan“ mit den vermutlich in (6) entstandenen und kategorisierten Begegnungsmaterialien als unabhängige Variable sowie eine „statistische Auswertung“ zum Sprachverhalten der Schü‐ lerinnen und Schüler als abhängige Variable (ibid.). Von allen anderen Kurzbe‐ schreibungen grenzt sich (10) durch die Komplexität des dargestellten Designs ab: Erstmals fehlen Ausführungen zum eigentlichen Untersuchungsgegenstand zugunsten von kodifizierten methodischen Angaben, die in eine prozesshaftzeitliche Dimension gebracht werden. 5 Fazit und Ausblick Aus heutiger Sicht und mit Blick auf die Fremdsprachen lagen die Stärken des neuen Hochschultypus PH im Bereich des fachspezifischen Professionswissens, das früh in seinen unterschiedlichen Facetten (Sprach‐ praxis, Literatur-, Sprachwissenschaft oder Landeskunde, Fachdidaktik) er‐ fasst, integriert vermittelt (v. a. Sprachpraxis & Fachwissen, Fachwissen und fachdidaktisches Wissen) und in seiner fachdidaktischen Teildimen‐ sion überhaupt erst durch Forschung verfügbar wurde. Der institutionell gesetzte einheitliche Professionsbezug führte dazu, dass die aufgezeigten reformerischen Diskursbereiche der 1960er und 1970er Jahre, die summa summarum für mehr hochschulische Fachdidaktik eintraten, zügig realisiert, wenn nicht sogar avant la lettre praktiziert wurden. Zu den disziplinbildenden institutionellen Voraussetzungen zählten die Einrichtung von Lehrstühlen mit fachwissenschaftlich-fachdidaktischem Profil und die für alle Hochschul‐ 460 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="461"?> mitglieder gegenwärtige Unterrichtspraxis (integrierte und hochschulisch betreute Tages- oder Semesterpraktika). Für das Fach Französisch am Standort Freiburg wurde in der Analyse deut‐ lich, dass die bestellten Hochschullehrenden ein „von didaktischer Reflexion durchdrungenes Fachstudium“ (Deutscher Bildungsrat 1970: 230) implemen‐ tierten und in der Forschung die Fachdidaktik als ihre Hauptaufgabe begriffen (ibid.: 246). In der Lehre erwiesen sich die Linguistik und Landeskunde als für die Fachdidaktik besonders durchlässige, die Literaturwissenschaft als eher autonomer Bereich. Im Hinblick auf aktuelle Modellierungen schulisch erweiterten Fachwissens würde sich eine eingehendere (auch standortüber‐ greifende) Analyse der literaturwissenschaftlichen Veranstaltungsabstracts anbieten; dieses Desiderat gilt auch für die Sprachpraxis, für die der Hoch‐ schultypus PH ebenfalls interessante Ausgestaltungen verspricht. Für den wissenschaftlichen Autonomieanspruch der Fremdsprachendidaktik waren die sprachdidaktische Ausrichtung der 1970er und die Vermittlung des Fachs Englisch zentral, wofür die gemeinsamen Lehr- und Forschungsprojekte zur Fehler- und Lernersprachenanalyse und das frühe historische Projekt Rattundes ((5), Tab. 2, 4.2.2) Belege liefern. Es wäre aufschlussreich, dieselben Quellen (auch standortübergreifend) für das Fach Englisch hinzuzuziehen, um die Synergien der Anfangsphase sowie Autonomisierungsprozesse in den eng‐ lisch- und französischdidaktischen Diskursen zu verfolgen. Der institutionell geförderte Fach- und Praxisbezug ermöglichte es der Französischabteilung der PH Freiburg auch, eigenständige Themen und insgesamt eine Breite an forschungsmethodischen Zugängen für die romanistische Fachdidaktik zu er‐ schließen, seien es normativ-operative Fragen zum Frühfranzösisch (1970er), grenz- und begegnungsdidaktische Überlegungen zum interkulturellen und bilingualen Lernen (1980er) sowie ein qualitativer Zugang zur Literatur- und Textdidaktik oder quantitative Evaluationsforschung zu „Lerne die Sprache des Nachbarn“ (1990er) unter Beteiligung von Akteurinnen der Praxis und weiterer Bezugswissenschaften (Abb. 14). Zur Disziplinbildung romanistischer Fachdidaktik 461 <?page no="462"?> Abb. 14: Bezugsdisziplinen der romanistischen Fachdidaktik und ihr doppelter Praxis‐ bezug In den Quellen manifestiert sich zudem ein Bewusstsein für den Umstand, dass ein Lehramtsstudium im Fach Französisch auch und maßgeblich als Sprachlehre zu begreifen ist (cf. zielsprachlich ausgerichtete Lehre, Studie‐ rende als Zielgruppe von Forschung, Exkursionen und Begegnungsprojekte). Dieser doppelte Praxisbezug (schulischer Unterricht, hochschulische Lehre) (Abb. 14) ist für die romanistische Fachdidaktik eminent wichtig, um auf die Rolle zielsprachlicher Wissensrepräsentation im Rahmen von Qualifika‐ tions- und Professionalisierungsprozessen aufmerksam zu machen. Aufgrund fachgeschichtlicher Traditionen (Latein, 2. romanische Sprache, Diachronie, Weller 1979: 247) neigt die Romanistik zur Ausrichtung von sprachenüber‐ greifender Lehre auf Deutsch, obwohl Studierende bei Studienbeginn über (im Vergleich zu Englisch) geringere Zielsprachenkenntnisse verfügen und größere lebensweltliche und sprachentypologische Distanz zu überwinden haben. Daher ist dringlich geboten, dass auch Fachdidaktik und Fachwissenschaften an der sprachpraktischen Ausbildung für jene von ihnen verantworteten Facetten des Professionswissens teilhaben, die im schulischen Unterricht zielsprachlich repräsentiert sein müssen (Dietrich-Grappin 2022: 344). Auch wenn sich die aufgezeigten Meilensteine der Disziplinbildung in den Freiburger Quellen bis 2000 widerspiegeln, bedeutet dies nicht, dass die Fachdi‐ daktik diskursiv zu einem Abschluss gekommen oder institutionell abgesichert wäre. Ihre schwache Stellung im Wissenschaftssystem (Hochschulrektoren‐ konferenz 1998, 2006) geht auf viele Faktoren zurück, darunter ihr noch junges Alter, die Tendenz zur Übernahme fachwissenschaftlicher erkenntnis‐ theoretischer Positionen im Ringen um wissenschaftliche Anerkennung sowie ihre Zurückhaltung in der öffentlichen Diskussion bildungspolitischer Gestal‐ 462 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="463"?> tungsräume der Zukunft. Um eigenständige erkenntnistheoretische Positionen in Anbetracht ihrer Aufgaben einzunehmen und für die Anerkennung ihrer Leistungen zu werben, sollte sich die romanistische Fachdidaktik verstärkt in interdisziplinäre fachdidaktische und/ oder lehrerbildende Forschungszentren einbringen und dabei neben der Schule auch auf Aus- und Weiterbildungs‐ strukturen fokussieren (ibid.). Zugleich sollte sie aus dem Krisenmoment der 1980er lernen, wie wichtig es ist, „Konzepte der Gegenwart mit Problemen und möglichen Kontroversen zu konfrontieren, die sich für die Zukunft ab‐ zeichneten“ (Doff 2008: 192). Für die romanistische Fachdidaktik entstand in dieser Zeit das mehrsprachigkeitsdidaktische Paradigma (cf. Pelz’ Seminar „Die Mehrsprachigkeit des Menschen: Linguistische, psychologische, soziale und sprachenpolitische Determinanten“ im SoSe 1988), das auch im Zeitalter inklu‐ siver Lehrerbildung (Hochschulrektoren- und Kultusministerkonferenz 2015) weiterhin tragend und produktiv ist. Doch muss die romanistische Fachdidaktik es endlich auch normativ aufgreifen und nutzen, um den Legitimationsdiskurs des Fachs zu aktualisieren und aktuelle Zielvorgaben der Lehrpläne in Frage zu stellen: Wie legitimieren sich nachgelernte Fremdsprachen für SuS, die bereits über Zweitsprachenkenntnisse verfügen, oder für einsprachig sozialisierte, die jedoch regelmäßig Kontakt zu Freunden und Familien haben, in denen Zweitsprachen gelebt werden? Welches europäische Bewusstsein lässt sich mit romanischen Sprachen nach der EU-Osterweiterung und im Zuge von Flucht- und Migrationsbewegungen v. a. aus dem Nahen Osten und Afrika schulen? Übertragen wir grundlegende Prämissen des deutschen Bildungssystems - Stichwort Bildungssprache - nicht ungerechtfertigter Weise auf unser Fach, wenn wir monologisch-schriftlich verzerrte Prüfungsvorgaben hinnehmen statt für eine Priorisierung jener Fähigkeiten einzutreten, die den polyglotten inner‐ gesellschaftlichen und innereuropäischen Dialog begünstigen: Interaktion, Sprachmittlung, Mehrsprachigkeits- und interkulturelle Kompetenz? Bibliographie Anweiler, Oskar (2006): Bildungspolitik, in: Hockerts, Hans Günter (Hrsg.): Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945. Baden-Baden: Nomos, 709-753. Bausch, Karl-Richard/ Burwitz-Melzer, Eva/ Krumm, Hans-Jürgen/ Mehlhorn, Grit/ Riemer, Claudia ( 6 2016): Fremdsprachendidaktik und Sprachlehr-/ -lernforschung, in: Burwitz-Melzer, Eva/ Mehlhorn, Grit/ Riemer, Claudia/ Bausch, Karl-Richard/ Krumm, Hans-Jürgen (Hrsg.) 2016, 1-7. 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Tübingen: J. C. B. Mohr. 468 Sarah Dietrich-Grappin / Isabelle Mordellet-Roggenbuck <?page no="469"?> 1 A interrupç-o das atividades da Faculdade, no dia 11 de março de 2020, devido à pandemia do COVID19, impediu-nos de continuar a consulta do Arquivo, que seria importante para completar os dados já recolhidos. Formaç-o de professores de Português Língua Estrangeira na Universidade do Porto: a história do início Isabel Margarida Duarte 1 Introduç-o Está por contar a história da formaç-o de professores de Português Língua Estrangeira (PLE) na Faculdade de Letras da Universidade do Porto (FLUP), apesar de ter tido início no ano letivo de 1994-1995, ou seja, de ter feito no ano letivo de 2019-20, 25 anos. Sobre os primeiros anos de funcionamento do curso, s-o muito escassos os documentos a que poderemos ter acesso através da Internet, pelo que a consulta do arquivo da Faculdade de Letras se revelou preciosa. Os documentos aí arquivados merecem mais e mais pormenorizada atenç-o da nossa parte 1 . O único texto que faz um balanço sobre a situaç-o do PLE na FLUP, de Matos (2007), junta a formaç-o de professores e o ensino de PLE a estudantes estrangeiros, na época em que foi publicado a experimentar um crescimento assinalável, como o autor refere. Por outro lado, esse texto tem já uns anos, e, embora Sérgio Matos tenha previsto certeiramente a evoluç-o de um setor em franca expans-o, n-o poderia adivinhar a verdadeira dimens-o dessa expans-o ent-o apenas imaginada. De entre o conjunto de dados que o autor apresenta, v-o interessar-nos, sobretudo, os que dizem respeito aos cursos de formaç-o de professores de PLE, dados que completámos com a consulta do arquivo. Os objetivos deste texto, ser-o, portanto dois - - <?page no="470"?> 2 Agradeço a Rogelio Ponce de León a leitura deste texto. 3 Hoje Camões Instituto da Cooperaç-o e da Língua. 4 Ver https: / / sigarra.up.pt/ flup/ pt/ cur_geral.cur_view? pv_curso_id=111 [consultado a 9 de março de 2020]. (1) Apresentar o Curso de Especializaç-o Diploma Universitário de Formaç-o de Professores de Português, Língua Estrangeira, da Faculdade de Letras da Univer‐ sidade do Porto. (2) Confrontá-lo brevemente com o Curso de Especializaç-o Ensino do Português Língua Estrangeira e com o Mestrado em Português Língua Segunda/ Língua Estrangeira, que lhe sucederam 2 . Dado que o Diploma Universitário de Formaç-o de Professores de Português, Língua Estrangeira é o primeiro curso direcionado para a a formaç-o de professores neste âmbito disciplinar, ao tentarmos reconstituir a sua história, estamos também a tratar da história da formaç-o de professores de PLE em Portugal. Como refere Matos, No início dos anos 90, o Instituto Camões 3 propôs à FLUP a realizaç-o de um curso de pós-graduaç-o destinado à formaç-o de professores de PLE, assegurando a atribuiç-o de bolsas preferencialmente encaminhadas para candidatos estrangeiros. Esse curso, designado como «Diploma Universitário de Formaç-o de Professores de Português Língua Estrangeira», formou dezenas de docentes, quer portugueses, quer, sobretudo, estrangeiros. Em 2004, este «Diploma» foi reestruturado e substituído pelo «Curso de Especializaç-o em Ensino de Português Língua Estrangeira», que está neste momento em funcionamento. (Matos 2007: 105) Procuraremos, portanto, contar a história do início e apresentar os dados apurados para melhor se poder compreender o alcance e a eficiência destes primeiros passos na formaç-o de docentes de PLE. 2 O Diploma Universitário de Formaç-o de Professores de Português Língua Estrangeira O Diretor deste primeiro curso, que o concebeu, montou e dirigiu desde o início, foi Joaquim Fonseca, Professor de Linguística na Faculdade de Letras do Porto. A única referência que existe, no sistema de informaç-o da FLUP, sobre o Diploma 4 , é da sua autoria e vale a pena transcrevê-la, por ser quase visionária, avaliada à distância de 25 anos. Por um lado, era notória a falta de formaç-o de professores nesta área, o que justifica que o Instituto Camões tenha decidido pedir ajuda à Universidade para colmatar essa falha. Por outro lado, era previsível, já nessa 470 Isabel Margarida Duarte <?page no="471"?> 5 Informações sobre a legislaç-o primeiramente recolhidas em Ribeiro e Fernandes (2001). 6 Diário da República, 2 .a série, n.o 186, pp.-8319 e 8320. altura, que o domínio do ensino de PLE crescesse francamente. Eis ent-o o que nos diz o sistema: Tendo consciência de que existe um número considerável de docentes de Português como língua estrangeira e como língua segunda, tanto no país como no estrangeiro, nem sempre dotados de condições de formaç-o para progredirem na sua tarefa, e de que estamos em presença de um domínio com francas possibilidades de crescimento, propõe-se aqui um curso de especializaç-o que possa ir ao encontro das legítimas expectativas dos profissionais de educaç-o tanto no respeitante a questões científicas e pedagógicas como de valorizaç-o formal. Destina-se a licenciados ou bacharéis, de qualquer nacionalidade, residentes em Portugal ou no estrangeiro, que demonstram conhecimentos de nível avançado de Língua Portuguesa e de nível intermédio em Literaturas e Culturas de Língua Portuguesa e Metodologias do ensino de Línguas. O curso ent-o desenhado tinha a duraç-o de um ano. Teve início, como já dito, em 1994-1995 e funcionou, pela última vez, no ano letivo de 2003-2004, tendo sido substituído, no ano letivo de 2004-2005, pelo Curso de Especializaç-o Ensino do Português Língua Estrangeira (por seu lado sem ediç-o a partir de 2008/ 2009, e ao qual nos referiremos abaixo, mais resumidamente). A criaç-o do Diploma Universitário de Formaç-o de Professores de Português Língua Estrangeira está registada no Diário da República de 04/ 07/ 1994 5 , que sofreu uma retificaç-o no do dia 12/ 08/ 1994 6 . A retificaç-o é da maior relevância, porquanto o que se acrescentou, no DR 12/ 08/ 1994, foi a sequência: “e com o apoio do Instituto Camões”. Ora este apoio veio a revelar-se crucial para a sustentaç-o e o sucesso do curso, também no que concerne à internacionalizaç-o dos estudantes. Por outro lado, como pudemos apurar nos documentos arqui‐ vados na FLUP, o curso foi mesmo idealizado a pedido do Instituto Camões, que tinha ent-o, à frente dos seus destinos, Luís Ad-o da Fonseca, presidente entre 1992 e 1995. Segundo se pode ler no Diário de República da criaç-o do curso, A Universidade do Porto, através da Faculdade de Letras e com o apoio do Instituto Camões, ministra o curso de especializaç-o “Diploma Universitário de Formaç-o de Professores de Português, Língua Estrangeira”, destinado à preparaç-o específica de professores de língua e cultura portuguesas a estrangeiros. Este curso contemplará, a par da necessária preparaç-o pedagógico-didáctica, uma adequada componente cultural. Formaç-o de professores de Português Língua Estrangeira na Universidade do Porto 471 <?page no="472"?> 7 Para os n-o bolseiros, a propina era de 60 000$00, ou seja, sessenta mil escudos. Embora o texto legal se refira apenas a “língua e cultura portuguesas”, veremos que o desenho curricular revelava já alguma preocupaç-o de estender os conhe‐ cimentos a ministrar a outras variedades do português e a outras literaturas de língua portuguesa, como adiante se verá. Já no que concerne à internacionalizaç-o dos estudantes, as preocupações foram centrais na conceç-o do curso, como poderemos testemunhar pelas habilitações de acesso à candidatura. De facto, além de estarem previstas habilitações de cidad-os portugueses como Filologia Românica, Clássica os cursos de Línguas e Literaturas Modernas que tinham vindo substituir essas Filologias (Estudos Portugueses, Português/ Francês, Português/ Inglês e Portu‐ guês/ Alem-o), Línguas e Literaturas Clássicas e Portuguesas e outros cursos de Humanidades, outros destinatários, sobretudo estrangeiros, ou nacionais licenciados fora de Portugal vêm em segundo lugar: “Os cidad-os nacionais ou estrangeiros titulares de uma licenciatura obtida em universidade estrangeira com componente de estudos portugueses.” Foi também notória, desde a conceç-o do Diploma, a preocupaç-o, que traduz uma responsabilidade histórica, em relaç-o aos estudantes dos Países Africanos de Língua Portuguesa (PALOP), dado que Timor continuava sob ocupaç-o da Indonésia e a consideraç-o de estudantes vindos do território n-o se colocava nesses anos. Com efeito, uma percentagem de vagas seria reservada para estudantes dos PALOP e uma outra para candidatos de outros países. A maior parte destes estudantes, pelo menos nos primeiros anos do curso, que conseguimos documentar com mais segurança, eram bolseiros do Instituto Camões e n-o pagavam propinas 7 . Uma característica do curso também já anunciada no texto legal que o criou é o altíssimo nível de proficência em português que viria a ser o dos estudantes, mesmo dos estrangeiros. Fazia parte dos critérios de seleç-o, além da classificaç-o na licenciatura e do “currículo académico, científico e técnicoprofissional”, “competência linguística em português, no caso dos candidatos estrangeiros”. Ora essa competência, poderemos deduzi-la, indiretamente, hoje, através de alguns dados: da complexidade das matérias lecionadas, como atestaremos, pela apresentaç-o de programas e a transcriç-o de sumários; da qualidade do percurso posterior dos estudantes que conseguimos identificar e seguir; da obrigatoriedade da frequência de uma disciplina extra de língua portuguesa. 472 Isabel Margarida Duarte <?page no="473"?> 8 Criaç-o registada no Diário da República, 2.ª série, N.º 114, de 15 de Junho de 2007. 2.1 Apresentaç-o do plano curricular oficial do curso O plano curricular será apresentado em dois quadros, um por semestre, que comentaremos de seguida. Unidades curriculares horas letivas Literatura Portuguesa I 22 Linguística Portuguesa I 22 Cultura Portuguesa I 22 História de Portugal I 22 Literatura Brasileira 15 Geografia de Portugal 15 Sociedade Portuguesa Contempo‐ rânea 15 Quadro 1: 1.º semestre: Unidades Curriculares/ horas letivas Como seria de esperar, há um conjunto de Unidades Curriculares nucleares, às quais s-o atribuídas mais horas de aula e por isso mais peso (embora a diferença n-o seja muito significativa em relaç-o às disciplinas com menos peso). S-o elas a Literatura, a Linguística, a Cultura e a História de Portugal, consideradas estruturantes. Esta centralidade de disciplinas no objeto múltiplo língua-literatura-cultura-história portuguesas difere radicalmente do modelo atual, já que, no Mestrado em Português Língua Segunda/ Língua Estrangeira, em funcionamento desde 2007-2008 8 e avaliado já, posteriormente, em 2016, pela Agência de Avaliaç-o e Acreditaç-o do Ensino Superior (A3ES), de forma muito positiva, procura apresentar-se o português como uma língua pluricêntrica, como tentámos mostrar (Duarte, 2019). No Diploma, já é dada atenç-o à Literatura Brasileira, presente também, aliás, nas licenciaturas tradicionais de Filologia Românica. Mas essa componente está, quanto ao número de horas letivas previstas, ao nível das disciplinas Geografia de Portugal e Sociedade Portuguesa Contemporânea, ou seja, tem um caráter periférico relativamente ao peso ocupado pelo que diz respeito a Portugal. Formaç-o de professores de Português Língua Estrangeira na Universidade do Porto 473 <?page no="474"?> Unidades curriculares horas letivas Unidades Literatura Portuguesa II 22 1 Linguística Portuguesa II e História da Língua 30 2 Linguística contrastiva 15 1 Psicolinguística e Aprendizagem de lín‐ guas 15 1 Literaturas Africanas de Express-o Por‐ tuguesa 15 1 Literatura Comparada 22 1 Metodologia do Ensino do Português 44 2 Quadro 2: 2.º semestre: Unidades Curriculares/ horas letivas No desenho curricular do segundo semestre, há indícios de que o contacto com outras variedades do português estaria já nas preocupações dos responsáveis pela arquitetura do curso, facto que é visível n-o só pela presença das Literaturas Africanas de Express-o Portuguesa, mas também pela existência de um módulo de História da Língua onde n-o poderiam deixar de constar referências a outras variedades diferentes do Português Europeu. Em disciplinas como Linguística Contrastiva e Psicolinguística e Aprendizagem de Línguas está patente a decis-o de dotar os estudantes de bases teóricas sólidas, que lhes permitissem, depois, refletir sobre os seus próprios contextos de atuaç-o e sobre fatores que facilitam ou dificultam a aprendizagem de línguas estrangeiras. Por fim, o peso muito considerável atribuído à Metodologia do Ensino do Portugês atesta o lado claramente prático do curso, que tinha por objetivo primeiro preparar professores, assim se justificando o lugar central que esta disciplina de didática ocupa no currículo. Resta-nos acrescentar mais dois comentários a este plano curricular. Para os estudantes estrangeiros, como veremos, a larga maioria nas primeiras edições, existia a obrigatoriedade de frequentarem Língua Portuguesa I, no primeiro semestre, com 40 horas e Língua Portuguesa II, no segundo, com 20 horas. Os conhecimentos e competências dos formandos eram completados por con‐ ferências e visitas de estudo. No documento de criaç-o do curso, pode ler-se: “Aos alunos estrangeiros será ainda proporcionado um aprofundamento do conhecimento da realidade sócio-cultural portuguesa, nomeadamente através de séries de conferências e de visitas de estudo.” Pelo menos algumas destas 474 Isabel Margarida Duarte <?page no="475"?> 9 Procurámos nomes através de alguns que conhecíamos, de listas do arquivo, dos recibos das bolsas oferecidas pelo Instituto Camões. Por serem essas as fontes, por vezes n-o conseguimos saber o nome, nem o número de estudantes portugueses. visitas realizaram-se, dado que há, na documentaç-o arquivada, pedidos para que o Instituto Camões pague despesas de visitas de estudo e orçamentos para elas. Poderíamos portanto resumir que, em linhas centrais, o documento legal de criaç-o do Diploma revela uma especial atenç-o aos estudantes oriundos dos PALOP, esboça já alguma preocupaç-o com a pluricentricidade pelo menos das Literaturas em Língua Portuguesa (e talvez mesmo também com a língua), tem uma vis-o abrangente do que s-o os saberes necessários a um professor de PLE, procurando oferecer uma formaç-o interdisciplinar, reserva um lugar fulcral à Didática do Português Língua N-o Materna e aposta numa formaç-o sólida em Língua Portuguesa para quem n-o a fala como língua materna. Sublinhese, por fim, o papel central que o Instituto Camões tem, n-o só como entidade financiadora do curso, mas também como entidade parceira e cúmplice em relaç-o a ele. 2.2 Os estudantes do Diploma As listas que conseguimos apurar de estudantes do Diploma n-o s-o muito seguras nem estabilizadas 9 . Também tentámos seguir o rasto dos estudantes, nem sempre com inteiro sucesso. Mesmo com essas cautelas, vale a pena arriscar um quadro com todos os dados apurados e alguns comentários posteriores. No primeiro ano de funcionamento, o grupo tinha 18 estudantes, dos quais metade eram estrangeiros. Esta percentagem, como veremos, vai-se alterando depois. Dos estudantes estrangeiros, dois eram dos PALOP (uma moçambicana e um santomense) e outros sete originários de outros países: da Rússia, Bélgica, Espanha, Tailândia e Nigéria e dois do Senegal. Ano letivo total estrangeiros portugueses 1994-1995 18 9 9 1995-1996 ? 10 ? 1996-1997 ? 11 ? 1997-1998 ? 17 ? 1998-1999 17 (? ) 15 2 (? ) Formaç-o de professores de Português Língua Estrangeira na Universidade do Porto 475 <?page no="476"?> 1999-2000 21 18 3 2000-2001 13 (? ) 13 ? 2001-2002 14 (? ) 11 3 (? ) 2002-2003 16 11 5 2003-2004 15 12 3 total ? 127 ? Quadro 3: número de estudantes portugueses e estrangeiros O curso teve, como se pode deduzir, um número maior de estudantes estran‐ geiros, bolseiros do Instituto Camões, do que portugueses. Alguns destes estudantes ocupam hoje cargos importantes nos respetivos países, n-o só do ponto de vista académico, mas também na sociedade civil. Muitos começaram, na FLUP, um percurso profissional e académico que levariam até ao doutora‐ mento. N-o foi possível seguir o trilho de todos os estudantes mas, só do primeiro ano, fizeram parte estudantes com percursos t-o relevantes como Jorge Lopes Bom Jesus, atual Primeiro Ministro de S-o Tomé e Príncipe, Jeroen Dewulf, responsável pelo Department of German & Dutch Studies na UC Berkeley, George Alao, docente no Institut des Langues et Civilisations Orientales, em Paris, Miguel Cupeiro Frade, linguista e professor na Escola Oficial de Idiomas de Vigo, ou o português Delfim Correia, atualmente leitor do Instituto Camões, na Universidade de Goa, na Índia. Da lista de estudantes do segundo ano de funcionamento, constam nomes de professores universitários ligados a depar‐ tamentos de português, como Vesela Chergova, da Universidade de Sófia, ou Manjulata Sharma da University of Delhi. S-o meros exemplos, que poderíamos continuar a enumerar, acrescentando-lhes docentes de universidades africanas de renome: Universidade de Dakar, Senegal, Universidade Obafemi Awolowo, Ile-Ife, Nigéria etc. Para alguns anos, n-o foi possível encontrar listas com os nomes dos estudantes, mas registámos ainda Abdelilah Suisse, atualmente Professor de árabe na Universidade de Aveiro, Aurelia Merlan, da Universidade de Munique, Claire Williams, do St. Peter’s College, Fernando Curopos, da Université Paris-Sorbonne (Paris IV), Raul Calane da Silva, escritor e jornalista moçambicano, já falecido, e muitos outros. Esta enumeraç-o poderia ser completada com mais nomes aos quais tivemos acesso, nomeadamente de estudantes estrangeiros. Mas pensamos que o elenco é suficiente para se perceber que estávamos perante candidatos bem selecionados, 476 Isabel Margarida Duarte <?page no="477"?> bem preparados e que se tornaram profissionais reconhecidos nos diferentes contextos em que trabalham. Resta acrescentar que foram selecionados candi‐ datos de variados países: além dos PALOP e dos países já referidos, houve ainda estudantes de, pelo menos, Cuba, China, Holanda, Macau, Rússia, Espanha, Tailândia, Nigéria, Paraná, Polónia e Itália. 2.3 Os professores e os programas Dos docentes que lecionaram no Diploma, apenas temos registo dos do segundo semestre de 1997-1998, bem como dos que se encarregaram das Unidades Curriculares em 1999-2000, neste ano sem indicaç-o das disciplinas que tiveram a seu cargo, n-o sendo difícil, no entanto, emparelhar disciplinas e docentes. Parte dos docentes do curso eram já catedráticos à data, como Isabel Pires de Lima, docente de Literatura Portuguesa II, Joaquim Fonseca, de Linguística Portuguesa II, Mário Vilela, de Linguística Contrastiva, Graça Pinto, de Psicolinguística e Aprendizagem de Línguas, Ferreira de Brito, de Literatura comparada. Outras Unidades Curriculares estavam a cargo de vários docentes, como Metodologia do Ensino do Português, em que lecionavam Gomes da Torre, Irene Fonseca, Odete Santos e Rosa Bizarro, os dois primeiros catedráticos, ou Literaturas Africanas de Express-o Portuguesa, de que foram docentes Salvato Trigo e Cristina Pacheco, sendo a segunda docente ainda n-o doutorada, o que também se verificava com Clara Barros, docente de História da Língua. A Unidade Curricular de Língua Portuguesa II era da responsabilidade de duas docentes que tinham sido leitoras do Instituto Camões no estrangeiro: Olívia Figueiredo e Rosa Bizarro. Na lista de docentes do ano letivo 1999-2000, tal como a encontrámos no arquivo, há alguns nomes novos, da área da Sociologia (Carlos Gonçalves), da História (Amélia Polónia, doutorada e Luís Amaral e Helena Oswald), da Geografia (Rosa Fernanda Silva), na Literatura Portuguesa Jorge Osório e José Adriano de Carvalho, na Literatura Brasileira, Arnaldo Saraiva, todos catedráticos. Podemos concluir, desta lista, que estavam encarregados da lecionaç-o das várias disciplinas docentes altamente qualificados e competentes, o que contribuiu, com certeza, para o sucesso da experiência. No que respeita aos Programas das diferentes matérias, há vários conservados no arquivo, nomeadamente, todos os do ano letivo 1999-2000. Para se poder ter uma ideia da variedade de questões tratadas, transcrevemos o Programa do módulo de Jorge Osório “Literatura portuguesa de viagens séc. XV e XVI”, da disciplina de Literatura Portuguesa I: Formaç-o de professores de Português Língua Estrangeira na Universidade do Porto 477 <?page no="478"?> 1. O interesse pela viagem: da “verdade” ao “encanto do leitor”. 2. A tradiç-o literária da viagem, estatuto do discurso sobre a viagem. 3. Viajar nos tempos medievais e no séc. XV e XVI. O contexto das navegações atlânticas em finais da Idade Média; o caso português. 4. Viagem e saber; a geografia; a história; a antropologia; as “curiosidades”; a ciência. 5. O relato e descriç-o. A tradiç-o medieval. 6. Literatura de viagem portuguesa (Séc. XV-XVII); os “itinerários”, as “cartas”, os “tratados”, as “descrições”; as “relações” de naufrágios. 7. Dois textos fundamentais: a Carta de Pêro Vaz de Caminha e a Peregrinaç-o de Fern-o Mendes Pinto. 8. Um relato de naufrágio quinhentista: intencionalidades e discurso. O grau de proficiência em língua portuguesa dos estudantes estrangeiros teria de ser muito elevado para que pudessem ter tido acesso a textos como os dois explicitamente referidos no Programa. A mesma conclus-o poderá ser deduzida da consulta dos Sumários a que tivemos acesso: apenas aos de Linguística Portuguesa I, do ano de 2000-2001, de Mário Vilela. Os livros de sumários deveriam ser entregues no final de cada ano letivo mas a prática n-o era, pelos vistos, muito comum, dado que só os deste docente, aparentemente, est-o no arquivo. O livro regista onze aulas sumariadas e pelos sumários se pode verificar o grau de aprofundamento e problematizaç-o da matéria, a exigir dos formandos conhecimentos prévios seguros e bem alicerçados. Veja-se, a título de exemplo, a Imagem 1: 478 Isabel Margarida Duarte <?page no="479"?> Imagem 1: Sumário de Linguística Portuguesa I, 13/ 11/ 1999 Aqui se transcreve o sumário, para mais fácil leitura: 1.4. Funções Frásicas: a) Predicado e predicaç-o (frase predicativa) b) Complemento: - i) complemento/ objecto directo - identificaç-o e caracterizaç-o - sintaxe/ semântica/ texto (sujeito/ “cases”/ tema…) - ii) complemento objecto indirecto: caracterizaç-o - Nota: (falsos) dativos: dativo de posse, - (in)commodi dativus ethicus Esta apresentaç-o, que pretende ser meramente ilustrativa, tem por objetivo contudo reforçar a ideia de que do nível dos estudantes, dos docentes e do grau de Formaç-o de professores de Português Língua Estrangeira na Universidade do Porto 479 <?page no="480"?> 10 https: / / sigarra.up.pt/ flup/ pt/ cur_geral.cur_view? pv_ano_lectivo=2004&pv_curso_id= 377&pv_origem=CUR&pv_tipo_cur_sigla= [acesso em 18/ 04/ 2020]. problematizaç-o e abrangência dos tópicos disciplinares apresentados se pode deduzir a qualidade da formaç-o oferecida. O Diploma, pioneiro na sua área, iria no entanto ser substituído, no ano letivo de 2004-2005, por uma outra proposta formativa. 3 O Curso de Especializaç-o Ensino do Português Língua Estrangeira 3.1 Criaç-o e estudantes Criado pelo Diário da República nº N. o 299, de 29/ 12/ 2003, o Curso de Espe‐ cializaç-o Ensino do Português Língua Estrangeira tem toda a informaç-o já disponível online, no sistema de informaç-o da Faculdade de Letras da Univer‐ sidade do Porto 10 . Será feita, portanto, uma apresentaç-o mais abreviada, em que se chame apenas a atenç-o para os traços mais salientes do curso, que deixou de ter ediç-o a partir do ano de 2008-2009, quando foi substituído pelo atual Mestrado em Português Língua Segunda/ Língua Estrangeira. Como se esclarece no preâmbulo do Diário da República citado, “Este curso constitui uma reformulaç-o do Diploma Universitário de Formaç-o de Professores de Português Língua Estrangeira, neste momento em funcionamento e ministrado nesta Faculdade, em regime de pós-graduaç-o, com a colaboraç-o de docentes de diversos departamentos”. Refere-se, no mesmo preâmbulo, que o Diploma foi criado por sugest-o do Instituto Camões e que o apoio do Instituto, por via da atribuiç-o de bolsas a estudantes estrangeiros, proporcionou “formaç-o nesta área a dezenas de docentes portugueses e estrangeiros, que se encontram a exercer actividade docente em múltiplos países”. A justificaç-o para alteraç-o do curso deve-se à “experiência acumulada ao cabo destes anos” que “aconselha a revis-o e a actualizaç-o do presente currículo, de modo que este curso possa continuar a ter a divulgaç-o e a merecer o interesse que até ao presente se tem verificado em inúmeras universidades e leitorados do estrangeiro.” Durante os quatro anos de funcionamento, o curso teve um total de 64 estudantes, dos quais 20 estrangeiros (26,5%), tendo concluído o curso, aparen‐ temente, 44. 480 Isabel Margarida Duarte <?page no="481"?> Anos letivos portugueses estrangeiros total 2004-2005 12 7 19 2005-2006 17 3 20 2006-2007 12 5 17 2007-2008 6 2 8 total 47 17 64 Quadro 4: número de estudantes do Curso de Especializaç-o Há, visivelmente, menos estudantes no total e menos estrangeiros, o que se relacionará, cremos, com um apoio mais reduzido do Instituto Camões, nomeadamente no que concerne ao total de bolsas de estudo concedidas, como se sublinhará abaixo. 3.2 Estrutura curricular Para se poder fazer um confronto com o Diploma, que o antecedeu, veja-se a estrutura curricular do Curso de Especializaç-o: - horas Uc nac ECTS 1.º semestre Didática do Português Língua Estrangeira I 4T+P 2,5 6 Técnicas de Express-o do Português I 4T+P 2,5 6 Linguística Portuguesa I 4T+P 2,5 6 Temas de Cultura Portuguesa 2T 2 3 História de Portugal e Geografia de Portugal 2T 2 3 Psicolinguística e Aprendizagem de línguas 2T 2 3 Temas de Literatura de Língua Portuguesa 2T 2 3 2.º semestre Didática do Português Língua Estrangeira II 4T+P 2,5 6 Técnicas de Express-o do Português II 4T+P 2,5 6 Linguística Portuguesa II 4T+P 2,5 6 Formaç-o de professores de Português Língua Estrangeira na Universidade do Porto 481 <?page no="482"?> 11 Apenas as que o tempo impõe, com reformas de uns docentes e doutoramentos dos mais jovens. Sociedade Portuguesa 2T 2 3 Produç-o de Materiais Didáticos 2T+P 1,5 3 Variedades do Português 2T 2 3 Temas de Litertura Comparada 2T 2 3 totais 40 30,5 60 Quadro 5: estrutura curricular do Curso de Especializaç-o O balanço que podemos fazer dos dados recolhidos é apresentado a seguir. O curso teve, globalmente, menos estudantes do que o Diploma e menos estudantes estrangeiros. Houve, também, menos bolseiros do Instituto Camões. É já mais assumida a preocupaç-o com o facto de se ensinar português como língua pluricêntrica. Veja-se as Unidades Curriculares de Temas de Literatura de Língua Portuguesa (em vez do peso da Literatura Portuguesa, complementado pela Literatura Brasileira e a dos Países de Língua Portuguesa, com menos importância na estrutura curricular do projeto anterior) e de Variedades do Português. É visível, ainda uma maior espaço para a didática do PLE, que agora conta também com a Unidade Curricular de Produç-o de Materiais Didáticos. No que concerne às outras disciplinas e ao corpo docente, n-o há alterações relevantes a assinalar 11 . 4 O Mestrado em Português Língua Segunda/ Língua Estrangeira O Mestrado foi iniciado no ano letivo de 2007-2008 e, embora já tenha passado por uma avaliaç-o da agência nacional A3ES, globalmente muito favorável, n-o sofreu nenhuma alteraç-o da estrutura curricular até agora. A sua preocupaç-o com o pluricentrismo da língua portuguesa é uma das suas marcas (Duarte, 2019). Uma outra será a componente profissionalizante. Com efeito, foi o primeiro mestrado em PLE, em Portugal, a prever um estágio profissional obri‐ gatório acompanhado de Seminário. Por fim, outra das suas características é uma forte internacionalizaç-o dos estudantes e dos locais de estágio disponibilizados todos os anos. 482 Isabel Margarida Duarte <?page no="483"?> Para se poder formar uma ideia mais rigorosa desta última característica, havia 52 estudantes inscritos no ano letivo de 2019-2020, dos quais 29 eram estrangeiros, oriundos de Brasil, China, Timor-Leste, Moçambique, Espanha, Eslovénia, Peru, Polónia, Goa (Índia). Além destes países, têm frequentado o Mestrado estudantes de outros países como Vietname, Guiné, Cabo Verde, Hungria, Itália, Sérvia, Espanha, França, Senegal. As bolsas de estudo s-o residuais, mas tem havido bolsas do Instituto Camões e da Fundaç-o Gulbenkian, sobretudo (mas n-o apenas) para os países da Comunidade de Países de Língua Portuguesa, que n-o o Brasil, ou seja, PALOP e Timor-Leste, num número que tem variado entre 3 e 5 por ano. Também houve 12 bolseiros de diferentes programas Erasmus Mundus: um do Brasil, de Moçambique, de Cabo Verde e do Vietnam, respetivamente, dois da Guiné, e 7 de Timor-Leste. Com um número de estudantes muito superior aos seus antecessores (ver quadro a seguir), o Mestrado conta com um número significativo de teses concluídas, como se verá. Ano letivo portugueses internacionais total 2008-9 30 2 32 2009-10 28 4 32 2010-11 41 5 46 2011-12 40 6 46 2012-13 40 5 45 2013-14 44 10 54 2014-15 27 16 43 2015-16 27 14 41 2016-17 26 12 38 2017-18 30 14 44 2018-19 30 20 50 2019-20 23 29 52 Quadro 6: Estudantes do Mestrado em Português Língua Segunda/ Língua Estrangeira Formaç-o de professores de Português Língua Estrangeira na Universidade do Porto 483 <?page no="484"?> 12 Est-o juntos estudantes do 1.º ano e do 2.º ano do Mestrado. 13 O Mestrado tem tido bastantes mais candidatos do que vagas, o que é um bom indicador de procura. As vagas para estudantes internacionais também foram alargadas. 14 Há, ainda, 2 opções livres. Toda a informaç-o, sobre os diferentes Programas das várias Unidades Curriculares e respetiva bibliografia, bem como docentes, horários, candidaturas e outras questões está disponível em https: / / sigarra.up.pt/ flup/ pt/ cur_ge ral.cur_view? pv_curso_id=449 [consultado em 16/ 04/ 2020]. É visível, no quadro 12 , o aumento de estudantes internacionais, que, em 2019-20, ultrapassaram já os nacionais. Esses estudantes s-o maioritarimante oriundos da China e do Brasil, mas há estudantes dos PALOP (nomeadamente Guiné, Cabo Verde e Moçambique) e, muito em especial, de Timor-Leste, bem como de outras origens: Vietname, Hungria, Senegal, França, Itália, Espanha, Polónia, Eslovénia, Peru. As variações, apesar de haver um numerus clausus inicial de 15 estudantes, ficam a dever-se ao facto de os bolseiros serem admitidos extra esse numerus clausus. Por outro lado, nos últimos anos, o número de admitidos passou para 20 13 . Quanto à estrutura curricular do Mestrado, já apresentadas em Duarte (2019), três Unidades Curriculares do 1.º ano têm como foco o pluricentrismo da língua Portuguesa: Variedades do Português, Temas de Literatura dos Países de Língua Portuguesa e Temas de Cultura dos Países de Língua Portuguesa. O que n-o significa que as restantes n-o se ocupem, sempre que possível, com as diferentes variedades do Português. Isso acontece, portanto, em maior ou menor grau, em Pragmática e Análise do Discurso, Psicolinguística e Aprendizagem de Línguas, Gramática da Comunicaç-o Oral e Escrita, Didática do Português Língua N-o Materna e Prática Letiva 14 . No 2.º ano, as Unidades Curriculares s-o Seminário e Estágio, com relatório final, avaliado e discutido por um júri de três professores. O número de teses concluídas até abril de 2020 era de 144, o que constitui um bom indicador dos índices de sucesso do curso. 5 Considerações finais No texto de Matos (2008) citado no início deste trabalho, referiam-se algumas áreas de crescimento para o futuro, já visíveis nesse ano agora longínquo. Iremos, para finalizar, comentá-las, à luz da experiência posterior à publicaç-o do artigo de Sérgio Matos. Quanto à “Criaç-o de um espaço científico para o ensino do PLE”, além do projeto referido em 2008, o projeto europeu de ensino de língua n-o materna (WEINE - «Why English is not enough», 2002; WELCOME, 2003-04), fizemos parte, entre 2011 e 2013, do projeto Grundtvig FADO: Find a delightful 484 Isabel Margarida Duarte <?page no="485"?> 15 http: / / www.languagesbysongs.eu/ [consultado a 21 de março, 2020] 16 https: / / sigarra.up.pt/ flup/ pt/ cur_geral.cur_view? pv_curso_id=337 [consultado a 20 de março de 2020]. opportunity to learn portuguese through internet and songs 15 . E fazemos parte, neste momento, do projeto Erasmus+ LMOOC4SLAV. Estes projetos tiveram como consequências positivas, a internacionalizaç-o e o conhecimento de boas práticas de outros países, na área do ensino de Língua Estrangeira. Também foi criado, na Faculdade de Letras, um centro oficial de exames CAPLE, que certifica os diplomados de acordo com os princípios internacionais de avaliaç-o europeia (ALTE). Teve lugar, igualmente, a criaç-o de uma variante de Ensino de PLE na licenciatura Ciências da Linguagem. As propostas e os desideratos de Sérgio Matos para o futuro foram, pelo menos em grande parte, acatadas e concretizadas. Assim, o corpo docente, no que toca ao ensino do PLE, foi-se estabilizando e a sua formaç-o melhorando, com o recrutamento de jovens mestres e até de doutorados na área. Há hoje, com regularidade, atividades de natureza científica, tais como projetos de investigaç-o, conferências com especialistas convidados, colóquios e congressos, na área do ensino do PLE. Têm-se promovido programas de ensino à distância do PLE, incluindo programas de e-learning tutorados. Por fim, a formaç-o contínua de professores de PLE tem sido uma realidade com a criaç-o do CAPPLE, Curso de Atualizaç-o para Professores de Português como Língua Estrangeira (conferente de 3 Créditos ECTS), que, em 2020 terá a sua 14ª ediç-o 16 . Foi pela primeira realizado em julho de 2006, como Curso de Ver-o (duas semanas) para atualizaç-o de professores de PLE, em colaboraç-o com o Instituto Camões. Teve uma ediç-o e-learning, que irá ser repetida, em novos moldes e de novo com o apoio do Instituto Camões, no ano letivo 2019-2020, devido à situaç-o pandémica mundial. Estes novos desafios testemunham a vitalidade da formaç-o de professores de PLE, agora que se celebram os 25 anos do seu início, com a criaç-o do Diploma Universitário de Formaç-o de Professores de Português, Língua Estrangeira, na Faculdade de Letras da Universidade do Porto. Referências Duarte, Isabel Margarida (2019): Português, Língua pluricêntrica: formaç-o de profes‐ sores de PLE na Universidade do Porto, in: Koch, Christian/ Reimann, Daniel (Hrsg.): Formaç-o de professores de Português Língua Estrangeira na Universidade do Porto 485 <?page no="486"?> As Variedades do Português no Ensino de Português Língua N-o Materna. Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag, 47-58. Matos, Sérgio (2007): O Ensino do Português a Estrangeiros na Faculdade de Letras, in: Linguística - Revista de Estudos Linguísticos da Universidade do Porto 2, 105-108. Ribeiro, Fernanda/ Fernandes, Maria Eugénia M. (2001): Universidade do Porto. Estudo Orgânico-Funcional. Modelo de análise para fundamentar o conhecimento do Sistema de Informaç-o Arquivo. Porto: Reitoria da Universidade. Fontes: Diário da República, 2. a série, N.º 186, 12 de Agosto de 1994, pp. 8319 e 8320. Diário da República, II série, N. o 299, 29 de Dezembro de 2003, pp. 18 888 e 18 889. Diário da República, 2.ª série, N.º 114, 15 de Junho de 2007, pp. 16 750-(87) a 16 750-(89). 486 Isabel Margarida Duarte <?page no="487"?> Perspektiven des Unterrichts und der Lehrerbildung in den romanischen Sprachen in Gegenwart und Zukunft <?page no="489"?> Überzeugungen zu Pluralen Ansätzen - Zwei Untersuchungen in der ersten und dritten Phase der Lehrkräftebildung Sílvia Melo-Pfeifer/ Anna Schröder-Sura Einleitung Förderung von Mehrsprachigkeit im Fremd‐ sprachenunterricht ist nicht zum Nulltarif zu haben! Sie macht nicht nur einen veränderten Unterricht, sondern eine veränderte Ausbil‐ dung erforderlich […]. (Königs 2019: 142) Die Förderung der plurilingualen und plurikulturellen Kompetenz wird heute als Bestandteil der Fachdidaktiken aller Sprachenfächer weitestsgehend ak‐ zeptiert und zählt gleichzeitig zu ihren Innovationen. Plurale Ansätze sowie der Referenzrahmen für Plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (fortan REPA) (Candelier et al. 2012) stellen Verfahren und Instrumente zur Förde‐ rung sprachen- und kulturenübergreifenden Lernens und zur Durchführung sprachenübergreifenden Unterrichts bereit. Aufgrund der Diskrepanz zwischen dem pädagogischen sowie affektiven Stellenwert, die der Mehrsprachigkeitsdi‐ daktik bzw. der Didaktik der Mehrsprachigkeit (zur Terminologie siehe z. B. Candelier/ Schröder-Sura 2016) beigemessen werden, und ihrer praktischen Umsetzung (Abschnitt 1.3) kann jedoch nicht die Rede von einer Überwindung des monolingualen Habitus (Gogolin 1994, 2008) und einer Entwicklung hin zu einer Mehrsprachigkeitsdidaktik sein. Studien aus der ersten und dritten Phase der Lehrpersonenbildung, d. h. der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften belegen positive allgemeine Überzeugungen gegenüber den pluralen Ansätzen, zeigen jedoch auch wahrgenommene bzw. antizipierte Schwierigkeiten. Die Durchführung solcher Studien ist besonders wichtig, da sie einerseits positive Haltungen und Praktiken aufdecken, aber auch krisenhafte Momente, (voraussehbare) Handlungsprobleme und Widerstände offenlegen, „da Wider‐ <?page no="490"?> 1 Überzeugungen repräsentieren ein schwer definierbares Konzept, u. a. kann man es in Beziehung zu Konzepten wie subjektiven Theorien, Einstellungen und Vorstellungen, Repräsentationen, Sichtweisen, Konzeptionen, pädagogischen Orientierung, persönli‐ stände, die im Verborgenen bleiben, eine Hauptbedrohung für die Bereitschaft zum Wandel darstellen“ (Tesch 2012: 81). In unserem Beitrag werden wir ausgewählte Ergebnisse sowie eine Syn‐ these von zwei unabhängig voneinander durchgeführten Fragebogenstudien präsentieren, die mit angehenden und praktizierenden Fremdsprachenlehr‐ personen sowie anderen Zielgruppen wie u. a. Entscheidungsträgern, Lehr‐ werkautor: innen durchgeführt wurden, und der Frage nachgehen, welche Überzeugungen dieser Zielgruppen im Rahmen von Aus- und Weiterbildungs‐ maßnahmen zutage kommen. 1 Überzeugungen von Lehrenden zu Mehrsprachigkeitsdidaktik und zu pluralen Ansätzen: Forschungsstand im nationalen und internationalen Kontext In diesem Abschnitt werden empirisch basierte Beiträge im deutschen Kontext und in internationalen Kontexten aus der Fremdsprachenforschung präsentiert, die sich mit Überzeugungen von (angehenden) Lehrpersonen Mehrsprachig‐ keitsdidaktik und pluralen Ansätzen (zum Verhältnis dieser beiden Konzepte vgl. Candelier/ Schröder-Sura/ Vetter, 2024) gegenüber befassen. Zunächst dis‐ kutieren wir jedoch den Begriff Überzeugungen und beschreiben, was unter pluralen Ansätzen zu Sprachen und Kulturen zu verstehen ist. 1.1 Überzeugungen als theoretisches Konstrukt Überzeugungen, meistens mit dem englischen Begriff beliefs gleichgesetzt (Merk 2020: 825), sind ein Bestandteil der teacher cognition und eine konstitutive und unerlässliche Komponente der professionellen Kompetenz (Reusser/ Pauli 2014). Lundberg fasst die Studien zu teacher cognition wie folgt zusammen: The idea that teacher cognition, consisting of teachers’ beliefs and knowledge, informs teachers’ perceptions, judgements, decision making and guides their behaviour or in other words drives their pedagogical actions is relatively uncontested in research. (Lundberg 2020: 26). Studien zu Überzeugungen von Sprachlehrenden haben eine lange Tradition bei der Erforschung der Sprachdidaktiken. Davon zeugen sowohl die Vielfalt der Begriffe, auf die Bezug genommen wird (z. B. Borg 2003 1 ) wie auch die 490 Sílvia Melo-Pfeifer/ Anna Schröder-Sura <?page no="491"?> chen Werten und Grundhaltungen verstehen (vgl. Borg, 2003; Le Pape Racine/ Brüh‐ wiler, 2020; Melo-Pfeifer, 2019; Merk, 2020; Pajares, 1992; Reusser & Pauli, 2014). 2 Borg definiert beliefs wie folgt: “propositions individuals consider to be true and which are often tacit, have a strong evaluative and affective component, provide a basis for action, and are resistant to change” (Borg 2011: 370-371). damit verknüpften Themen und die Methoden zu ihrer Identifizierung (z. B. Fragebogenumfragen, Interviews, visuelle Methoden) (vgl. Barkhuizen 2019). Unter Überzeugungen verstehen wir im Rahmen dieses Beitrags Folgendes: Überzeugungen sind implizit oder explizit für wahr gehaltene Annahmen über Zu‐ sammenhänge von Handlungsabsichten und Handeln, über Wirkungen dessen, was Menschen tun, über Wirkungen oder Formen des Erkennens usw. Sie sind meistens nicht empirisch erhärtet, sondern bestehen aus Annahmen, die sich auf (zuweilen singuläre) Erfahrungen, reflektierte Wissensfacetten, Übernahmen von Vorstellungen anderer Personen oder Transfers eigener Überzeugungen aus anderen Bereichen berufen. (Biedermann/ Steinmann/ Oser 2015: 48). Reusser/ Pauli ordnen Überzeugungen von Lehrpersonen als einen der bedeu‐ tenden Einflussfaktoren für die Qualität des Berufshandelns ein (2014: 642), da Überzeugungen „die Auswahl von Zielen und Handlungsplänen, die Wahr‐ nehmung und Deutung von Situationen sowie das didaktische und kommuni‐ kative Handeln und Problemlösen im Unterricht” (2014: 642) beeinflussen. Überzeugungen sind demnach Konstrukte, die auch dazu beitragen können, wie neues didaktisches Wissen und neue pädagogische Herangehensweisen von Lehrenden wahr- und angenommen werden (Gerlach/ Leupold, 2019: 99). In diesem Sinne sind die Überzeugungen der Lehrpersonen mitverantwortlich für die Umsetzung (oder Nichtumsetzung) von pädagogischen und didaktischen Innovationen (idem), auch wenn sie kein „direktes Abbild der effektiven Unter‐ richtsaktivitäten darstellen“ (Manno, 2022). Laut Merk (2020: 826) haben Überzeugungen drei Kerncharakteristika: Über‐ zeugungen sind mentale Konstrukte, die für wahr gehalten werden; Überzeu‐ gungen haben eine kognitive und eine affektive Komponente; Überzeugungen sind stabil über die Zeit und unter unterschiedlichen Kontexten. Das heißt, Überzeugungen sind resistent gegenüber Umstrukturierungen (Borg 2003; Czer‐ wenka/ Nölle 2014; Reusser/ Pauli 2014) und lassen sich nur gegen Widerstände und Druck, häufig in Verbindung mit Dilemmas und Krisen verändern 2 . In der Praxis haben Überzeugungen drei Funktionen, die direkt oder indirekt das Handeln von Lehrenden beeinflussen: eine Filter-, eine Rahmungs- und eine Steuerfunktion (Merk 2020: 827-828). Nach Gerlach/ Leupold (2019: 94) sind „Überzeugungen über gelingenden Fremdsprachenunterricht […] häufig nicht Überzeugungen zu Pluralen Ansätzen - Zwei Untersuchungen 491 <?page no="492"?> nur durch das Studium, den Vorbereitungsdienst und das eigene Lehrerhandeln geprägt. Eine große Rolle spielen auch die eigenen schulischen Erfahrungen, Fremdsprachenlehrpersonen, die man selbst erlebt und in der damaligen Situa‐ tion (oder erst mit der Zeit) als positiv oder negativ bewertet (vgl. Lortie 1975)“. Überzeugungen im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts können dem‐ entsprechend unterschiedliche Orientierungen aufweisen (Kategorien nach Reusser/ Pauli 2014; auch Merk 2020): • Lerninhalte und Lernprozesse - Überzeugungen über was, wie und wann etwas gelehrt und gelernt wird oder werden soll; • Lehrende und Lernende - Überzeugungen über den Lehrer: innen- und Schüler: innenberuf, über Lehrpersonen- und Schüler: innenmotivationen und -rollen, etc.; • Schule und Gesellschaft - Überzeugungen über Inhalte und Methoden, die in bestimmten Kontexten für die Schule und die Gesellschaft geeignet sind, Überzeugungen über ihre Rolle und Funktionen der Schule etc. Es besteht Konsens darüber, dass die Dynamik der Formung von Überzeugungen von Lehrpersonen in Bezug auf Bildung untersucht werden muss, da Überzeu‐ gungen die Praxis beeinflussen und, unter spezifischen Rahmenbedingungen gleichzeitig von Handlungsprozessen beeinflussbar sind (Caspari, 2014; Merk, 2020). Dies betrifft auch die Bereiche der Mehrsprachigkeitsdidaktik sowie der plurilingualen und plurikulturellen Kompetenz. 1.2 Plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen Plurale Ansätze (Candelier et al, 2012) werden als Lehr- und Lernverfahren definiert, „die zugleich mehrere Sprachen bzw. sprachliche Varietäten und Kulturen einbeziehen“. Sie tragen dazu bei, Sprachen aus einer mehrsprachigen und mehrkulturellen Perspektive zu betrachten, zu unterrichten und zu lernen (Schröder-Sura 2018). Sprachliche und kulturelle Phänomene werden vernetzt und transversal konzipiert, wobei ihren Beziehungen (Ähnlichkeiten, Unter‐ schieden, Spezifitäten, Mischungen usw.) ein besonderer Wert beigemessen wird. Plurale oder auch mehrsprachigkeitsdidaktische Ansätze tragen zur Ent‐ wicklung einer ganzheitlichen, integrativen und dynamischen plurilingualen und plurikulturellen Kompetenz bei, indem alle sprachlichen und kulturellen Erfahrungen der Lernenden anerkannt und sprachenübergreifende Aufgaben und Übungen systematisch und konsequent angegangen werden. Für mehrspra‐ chigen Unterricht wurden mehrere Varianten vorgelegt (z. B. Caspari/ Rössler 2008). Mehrsprachigkeitsdidaktische Ansätze unterscheiden sich auf methodi‐ 492 Sílvia Melo-Pfeifer/ Anna Schröder-Sura <?page no="493"?> scher Ebene von einzelsprachlichen. Gleichzeitig ergänzen sie einander auf methodischer Ebene sowie auch auf der Ebene der Lernziele: Jeder zielsprach‐ liche Unterricht leistet seinen Beitrag zur Entwicklung der plurilingualen und mehrkulturellen Kompetenz bzw. der Repertoires der Lernenden und profitiert gleichzeitig von diesen. Sowohl für die Methodik als auch für die Lernziele handelt es sich also nicht um eine Entweder-oder-Entscheidung (Schröder-Sura 2018). Dies kommt vor allem auch in den transversal angesiedelten Kompetenzbe‐ reichen Sprachenbewusstheit und Sprachlernkompetenz zum Ausdruck, die im Kompetenzmodell für die fortgeführte (KMK 2012) sowie für die erste Fremd‐ sprache (Englisch/ Französisch) (KMK 2023) abgebildet werden. Diese beiden Bereiche beziehen sich nicht nur auf eine zu erlernende Schulfremdsprache, sondern auch auf andere Sprachen und liefern somit „den bedeutendsten Beitrag zum Erwerb von Mehrsprachigkeit in einem kompetenzorientierten Unterricht“ (Caspari 2019: 228). Dies bedeutet, dass im eigenen Fach zunächst u.-a. Platz und Zeit für andere Sprachen eingeräumt werden sollte, Faktoren, die dann durch Syn‐ ergien und Ökonomisierung an anderer Stelle wieder eingespart werden können. Trotz ihrer theoretischen Fundierung und der wachsenden Anzahl empirischer Studien zu ihren positiven affektiven und kognitiven Auswirkungen (siehe Ab‐ schnitt 1.3 zum Forschungsstand), werden mehrsprachigkeitsdidaktische Ansätze in gängigen Lehrwerken (Schröder-Sura/ Melo-Pfeifer 2017) sowie allgemeinen Unterrichtsmaterialien nur unsystematisch berücksichtigt und sind trotz inspirie‐ render Beispiele (Von Rosen 2021) nur vereinzelt Teil des Unterrichtsrepertoires von Lehrenden. Neben z. B. bildungspolitischen Entscheidungen könnten auch Überzeugungen von Lehrpersonen in unterschiedlichen Phasen der Ausbildung eine der Ursachen dieses Phänomens darstellen. 1.3 Forschungsstand Studien zu Überzeugungen von Sprachlehrenden gegenüber mehrsprachigen Ansätzen im Fremdsprachenunterricht mit oder ohne Erwähnung pluraler Ansätze sind in der letzten Zeit häufiger geworden (siehe Araújo e Sá/ Melo- Pfeifer 2015; Barras/ Peyer/ Lüthi 2019; Haukås 2016; Le Pape Racine/ Brühwiler 2020; Lundberg 2019; Melo-Pfeifer 2020 und 2018b; Pérez-Peitx/ Sánchez-Quin‐ tana 2019; Portolés/ Martí 2018). Diese Studien legen, trotz unterschiedlicher nationaler Rahmenbedingungen, Berufserfahrung und unterrichteter Fächer, in der Regel konsistent vergleichbare Ergebnisse und Schlussfolgerungen offen: Die Resultate [der oben vorgestellten Studien] zeigen, dass die Fremdsprachenlehr‐ personen den mehrsprachigkeitsdidaktischen Ansätzen gegenüber grundsätzlich eher Überzeugungen zu Pluralen Ansätzen - Zwei Untersuchungen 493 <?page no="494"?> positiv eingestellt sind. Der Einsatz von mehrsprachigkeitsdidaktischen Elementen in ihrem Unterricht hält sich aber in Grenzen und beschränkt sich vor allem darauf, dass die Lehrpersonen die ihnen bekannten Sprachen spontan im Unterricht mit‐ einander vergleichen. Der relativ geringe Anteil der Mehrsprachigkeitsdidaktik im Fremdsprachenunterricht ist gemäss den befragten Lehrpersonen primär auf zeitliche Beschränkungen zurückzuführen - bei wenigen Wochenlektionen müssen sie den Fokus vor allem auf Aktivitäten legen, in denen die zu unterrichtende Sprache im Zentrum steht. (Barras/ Peyer/ Lüthi 2019: 381-382) Theorien, die mehrsprachige Methoden und Aufgaben für den Unterricht vor‐ schlagen, werden von dem monolingualen Habitus (Gogolin 1994) und von einer zentralen Konzeption von Korrektheit im Fremdsprachenunterricht (Wilken, 2020) überlagert. Zentrale Erkenntnisse dieser Studien könnten in folgenden Punkten zusammenfasst werden: • zukünftige und amtierende Sprachlehrende erkennen den affektiven Wert mehrsprachiger Ansätze im Sprachunterricht unter dem Gesichtspunkt der Motivation und der respektvollen Anerkennung des Sprachrepertoires der Lernenden an. • Obwohl sie dies nicht immer ohne Vorbehalt akzeptieren (z. B. aus Angst vor negativen inter- oder intralingualen Störungen oder aus Angst vor der Fossilisierung von Fehlern), erkennen zukünftige Lehrende die kognitiven Vorteile der Mobilisierung von Sprachkenntnissen an. • Zukünftige Lehrpersonen kontrastieren strukturelle Probleme der Lehr‐ pläne mit dem Erkennen kognitiver und affektiver Vorteile wie der wei‐ terhin einsprachigen Beurteilung, der Trennung von Schulfächern usw. sowie Problemen im Zusammenhang mit dem Zeit- und Ressourcenma‐ nagement. Unterricht (unzureichende Lehrwerke, begrenzte Kommunika‐ tionsräume zwischen Lehrenden verschiedener Sprachen in Schulen) oder sogar das Sprachmanagement im Klassenzimmer, entweder weil sie einen Verlust ihrer Rolle als Sprachexperten fürchten oder weil sie sich selbst nicht als „ausreichend mehrsprachig“ wahrnehmen. • Sprachlehrende verweisen häufig auf die Widersprüche zwischen dem, was sie in ihrem Sprachunterricht (in der Schule oder an der Universität) beobachten oder erlebt haben, und den Herausforderungen, die sich aus der Mehrsprachigkeitsdidaktik ergeben, und betrachten sie als unlösbare Aufgaben, die ihre Identität als Lehrende einer Sprache bedrohen (Melo- Pfeifer/ Araújo e Sá/ Santos 2011). Einige mit Fremdsprachenlehrpersonen durchgeführte Umfragen bestätigen einen gehäuften, aber eher sporadischen, wenig systematischen, gar unsi‐ 494 Sílvia Melo-Pfeifer/ Anna Schröder-Sura <?page no="495"?> 3 Agency hängt zusammen mit ,the selective reactivation by actors of past patterns of thought and action, routinely incorporated in practical activity, thereby giving stability and order to social universes and helping to sustain identities, interactions, and institutions over time‘ (Priestley/ Biesta/ Robinson 2015). cheren Umgang mit mehrsprachigkeitsdidaktischen Ansätzen (Barras/ Peyer/ Lüthi 2019; Fliri 2020; Heyder/ Schädlich 2014; Neveling 2013). Weitere Studien aus der ersten und dritten Phase der Lehrpersonenbildung belegen eine positive allgemeine Einstellung gegenüber den pluralen Ansätzen, zeigen jedoch auch wahrgenommene bzw. antizipierte Schwierigkeiten (vgl. Araújo e Sá/ Melo- Pfeifer 2015; Melo-Pfeifer 2020 und 2018; Schröder-Sura 2015). Tabelle 1 fasst die Ergebnisse von mehreren in diesem Abschnitt zitierten nationalen und internationalen Studien zusammen und zeigt die Überzeugungsorientierungen der Teilnehmer: innen in unterschiedlichen nationalen Kontexten. Orientierung Überzeugungen zu pluralen Ansätzen Lerninhalte und Lern‐ prozesse • plurale Ansätze aktivieren sprachliche, kognitive und kommunikative Kenntnisse der Schüler: innen; • Transferleistungen sind unentbehrliche Faktoren für das Lernen und werden durch plurale Ansätze gefördert; • plurale Ansätze könnten zu inter- und intralingualen Interferenzen und zu Fossilisierung von Fehlern führen. Lehrende und Ler‐ nende • plurale Ansätze könnten als Bedrohung für die Identität von Lehrenden einer Sprache fungieren; • plurale Ansätze könnten zum Verlust der Expertenrolle und zur Hinterfragung der eigenen Mehrsprachigkeit führen; • plurale Ansätze sind für Schüler: innen motivierend, weil sie einen respektvollen Umgang mit ihrem sprachlichen Repertoire gewährleisten. Schule und Gesell‐ schaft • Strukturelle Probleme wie zum Beispiel einsprachige Bewertung, Trennung der Schulfächer, Probleme des Zeitmanagements und der Unterrichtsressourcen er‐ schweren den Einsatz von pluralen Ansätzen; • Dilemma: Erlebter und gelebter Unterricht wird als Ge‐ gensatz zu den Anforderungen der Mehrsprachigkeitsdi‐ daktik und der pluralen Ansätze wahrgenommen. Abb. 1: Überzeugungsorientierung zu pluralen Ansätzen Die Auflistung dieser Überzeugungen und ihrer Orientierungen hängt stark mit der Idee der teacher agency in spezifischen Kontexten oder in unserem Fall mit der Wahrnehmung darüber zusammen, wie teacher agency in Kraft gesetzt oder verringert wird 3 : Überzeugungen zu Pluralen Ansätzen - Zwei Untersuchungen 495 <?page no="496"?> [T]his concept of agency highlights that actors always act by means of their environ‐ ment rather than simply in their environment [so that] the achievement of agency will always result from the interplay of individual efforts, available resources and contextual and structural factors as they come together in particular and, in a sense, always unique situations. (Biesta/ Tedder 2007: 137) Die Betrachtung von teacher agency hilft uns zu verstehen, wie Lehrpersonen in der Lage sind, reflexiv und kreativ zu sein und entgegen gesellschaftlicher Zwänge zu handeln, aber auch, wie sie durch ihre soziale und materielle Um‐ gebung befähigt und eingeschränkt werden (Priestley/ Biesta/ Robinson 2015). Tabelle 1 zeigt, dass Lehrende ihre Entscheidungsfreiheit im Zusammenspiel von persönlichen Fähigkeiten und (sprachliche) Ressourcen, kontextuellen Möglichkeiten und Einschränkungen der Umwelt sehen (vgl. Definition von Priestley et al. 2015, zit. nach Lundberg 2020: 23). Interessant ist, dass Leh‐ rende ihre Entscheidungsfreiheit als reduziert empfinden, auch wenn sie die kognitiven und affektiven Vorteile mehrsprachiger Ansätze für den Sprachun‐ terricht anerkennen. Es sollte daher berücksichtigt werden, dass Lehrpersonen nicht nur positive oder negative Überzeugungen zu Mehrsprachigkeitsdidaktik haben, sondern dass diese vielschichtig sind und eine komplexe Dynamik zwischen lehrerzentrierten und schülerzentrierten Ideologien aufweisen. So gesehen, können Überzeugungen die Fähigkeit von Lehrenden, in spezifischen Situationen praktische und normative Entscheidungen unter alternativen Hand‐ lungsmöglichkeiten (z. B. zw. monolingualen und mehrsprachigen Handlungen zu entscheiden) zu treffen beeinflussen (Priestley/ Biesta/ Robinson 2015). Diese Annahme würde vielleicht erklären, warum positive und negative Überzeu‐ gungen gegenüber der Mehrsprachigkeitsdidaktik und den pluralen Ansätzen koexistieren. An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob sich die Überzeugungen der Lehr‐ personen zwischen der ersten und der dritten Phase unterscheiden und, falls ja, wie sich die Unterschiede interpretieren lassen. Um diese Forschungsfrage zu beantworten, vergleichen wir im nächsten Abschnitt die Ergebnisse der Umfragen in beiden Kontexten. 2 Empirische Studien 2.1 Forschungsfrage Die Studien, die sich mit Überzeugungen von Lehrpersonen zur Mehrsprachig‐ keitsdidaktik im Fremdsprachenunterricht befassen, beziehen sich generell auf keine konkrete curriculare Verankerung der pluralen Ansätze. Folglich 496 Sílvia Melo-Pfeifer/ Anna Schröder-Sura <?page no="497"?> werden für die Analyse der Überzeugungen von Lehrenden häufig Daten zu einem Gegenstand erhoben, der von ihnen zum Zeitpunkt der Datenerfassung unter Umständen nicht bewusst wahrgenommen wird oder ihnen mitunter unbekannt ist. Diese Studie basiert dagegen auf Ergebnissen mit unmittelbarem Bezug zu zwei Modulen der Lehrpersonenausbildung (mit unterschiedlicher Teilnehmerzahl und Dauer), die plurale Ansätze explizit fokussieren. Ziel unserer Arbeit ist es, die Wirkungen einer gezielten Arbeit mit pluralen Ansätzen auf dem Professionalisierungsprozess zu analysieren, unter Berück‐ sichtigung der folgenden Forschungsfrage: • Welche Überzeugungen von Fremdsprachenlehrpersonen kommen im Rahmen von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zutage? • Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sind im Bereich der Orientie‐ rungen bei beiden untersuchten Gruppen erkennbar? Zur Beantwortung dieser Fragen werden Datensätze aus zwei unterschiedlichen Kontexten gegenübergestellt. 2.2 Erste Ausbildungsphase 2.2.1 Kontexte und Rahmenbedingungen Unsere empirische Studie in der ersten Phase der Lehrpersonenausbildung findet im Rahmen des spanischen fachdidaktischen Seminars „Plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen“ an der Universität Hamburg seit dem Winterse‐ mester 2014/ 2015 (einmal jährlich) statt. Dieses Seminar wurde im Durschnitt von 30 angehenden Spanischlehrpersonen besucht und hat sich über 14 Sit‐ zungen mit einer Dauer von drei Zeitstunden erstreckt. Ziel des Seminars ist es, „Didaktisches und pädagogisches Reflektieren und Handeln“ zu fördern. Die Dozentin leitete jede Seminarsitzung mit theoretischem Input und Refle‐ xionsfragen ein (vgl. Araújo e Sá/ Melo-Pfeifer 2015; Melo-Pfeifer 2018 und 2020). Anschließend wurden die Sitzungen von Studentengruppen moderiert und hatten einen empirischen Schwerpunkt bzw. eine praxisorientierte Zielsetzung. Am Ende des Semesters wurde ein Fragebogen zur Datenerhebung eingesetzt. Die Fragen bezogen sich auf die folgenden Aspekte: die Definition der pluralen Ansätze, die persönliche Präferenz der Teilnehmenden bezüglich der pluralen Ansätze, die Bedeutung der pluralen Ansätze im Fremdsprachenunterricht, die Integrierbarkeit aller pluralen Ansätze in den Unterricht. Weitere Fragen (Frage 3 und 4) bezogen sich auf die Vorteile und Probleme, die mit der Einführung von pluralen Ansätzen im Sprachunterricht verbunden sein könnten. Im abschlie‐ Überzeugungen zu Pluralen Ansätzen - Zwei Untersuchungen 497 <?page no="498"?> 4 Im Rahmen dieser Studie werden die Ergebnisse der Fragen 3 und 4 zusammengefasst, die bereits bei Melo-Pfeifer (2018 und 2020) dargestellt worden sind. 5 „Monolingual“ bedeutet hier die Verwendung einer einzigen Sprache im Fremdspra‐ chenunterricht. „Monoglossisch“ bezieht sich auf eine klare Trennung von Sprachen im Curriculum. ßenden Teil wurden die Teilnehmenden gebeten, zu neun Aussagen Stellung zu nehmen 4 . Im Rahmen dieser Studie werden die Ergebnisse der Fragen 3 und 4 zusam‐ mengefasst, die bereits bei Melo-Pfeifer (2018 und 2020) dargestellt worden sind. Ziel des Fragebogens war es, den Einfluss eines Seminars im Masterstudium auf die Überzeugungen künftiger Spanischlehrpersonen zu pluralen Ansätzen und auf ihre Bereitschaft, diese in den Fremdsprachenunterricht zu integrieren und zu nutzen. Als eine Erweiterung dieser Untersuchung werden die Ergebnisse zur Nachhaltigkeit dieses Seminars von Cetin (2020) einbezogen. Mit Hilfe von Leitfadeninterviews mit ehemaligen Studierenden untersuchte Cetin, inwie‐ weit der Kontakt mit pluralen Ansätzen Einfluss auf die Schulpraxis nehmen könnte. Die Absolvent: innen des Masterstudiengangs besuchten die 2. Phase der Lehrpersonenausbildung bzw. ihren Vorbereitungsdienst bereits abgeschlossen, und hatten bereits Schulerfahrung gesammelt. Dieser qualitative Exkurs aus der zweiten Ausbildungsphase fungiert als Verbindung zwischen den beiden Hauptstudien. 2.2.2 Ausgewählte Ergebnisse der ersten Ausbildungsphase (und ein Exkurs) Ergebnisse unserer Studien in der ersten Phase der Lehrpersonenausbildung zeigen, dass plurale Ansätze ein hohes transformatives Potenzial bieten, weil sie die Überzeugungen und die monolingualen und monoglossischen 5 Lehr- Lern- Schemata hinterfragen. Ihre Integration in die erste Phase der Lehrper‐ sonenausbildung könnte das Potenzial haben, mehrsprachige Traditionen und Erlebnisse zusammen explizit zu reflektieren, wobei Dilemmas und Unsicher‐ heiten entstehen und aufgearbeitet werden könnten. Die positiven Erfahrungen bei der Planung und Durchführung einer Stunde mit den pluralen Ansätzen im Seminar sorgten für eine positive Bewertung des Einbezugs pluraler Ansätze. Trotzdem betrachten die Befragten den Einbezug pluraler Ansätze im künftigen Schulalltag als potentiell problematisch, was für tief verankerte Überzeugungen in Bezug auf die starren Handlungsfelder spricht (Melo-Pfeifer 2020). Auch angehende Lehrpersonen äußern Überzeugungen zu pluralen Ansätzen (Abb. 2). 498 Sílvia Melo-Pfeifer/ Anna Schröder-Sura <?page no="499"?> Orientierung Überzeugungen zu pluralen Ansätzen Lerninhalte und Lern‐ prozesse • „Dass sie die Fremdsprachenkenntnisse durch Verknüp‐ fungen fördern und dadurch besser festigen“; • „sie fördern das sprachenübergreifende Lernen“; • „Lernende können lernen und Lernstrategien entwickeln, ohne im Unterricht immer das Gleiche zu hören“; • „Ich finde es logisch, die Lernenden nicht ohne ersichtli‐ chen Grund kognitiv mit sprachlichen oder auch nicht sprachlichen Aspekten zu überfrachten, die sie bereits in anderen Fächern gelernt haben“; • „Gut durchzuführen“-; • „Da man sich fast nur auf Sachen bezieht, die bereits ein Teil des Curriculums sind“. Lehrende und Ler‐ nende • „Dass sie [die pluralen Ansätze] nicht nur reines Wissen fokussieren, sondern auf das lernende Individuum ein‐ gehen“; • „Sie ermöglichen die Zusammenarbeit zwischen Fremd‐ sprachenlehrern und erhöht nicht deren Bedarf an Vor‐ bereitung“. Schule und Gesell‐ schaft • „Dass sie [die pluralen Ansätze] die Möglichkeit bieten über den Tellerrand hinaus zu blicken, was für eine globale, tolerante Gesellschaft ein Kernmerkmal ist“; • „Weil dieser Ansatz die Lernenden von Vorurteilen, Ste‐ reotypen und Folgeerscheinungen wie Rassismus oder verschärftem Nationalismus wegführt; weil er auch die Persönlichkeit positiv formt und die Lernenden zu aufge‐ schlosseneren Menschen erzieht“. Abb. 2: Überzeugungsorientierung zu pluralen Ansätzen von angehenden Lehrpersonen Wie in Melo-Pfeifer (2018 und 2019) gezeigt wurde, sind plurale Ansätze am Ende des Semesters von angehenden Lehrpersonen positiv eingeschätzte pädagogische und didaktische Herangehensweisen: • Bildungsvorteile werden am häufigsten angegeben, um, vor dem Hinter‐ grund des interkulturellen Lernens, persönliche Präferenzen zu begründen; • Pädagogische und didaktische Vorteile werden am meisten genannt, um die Bereitschaft zu begründen, die Pluralen Ansätze im Fremdsprachenun‐ terricht zu integrieren (in Bezug auf die pragmatische Anwendbarkeit aus der Perspektive der Lehrkräfte); • Erwerbsvorteile werden benutzt, um den Wert verschiedener pluraler An‐ sätze im Fremdsprachenunterricht zu belegen (im Hinblick auf Ökonomie und Effizienz des Lernprozesses aus der Perspektive der Lernenden). Überzeugungen zu Pluralen Ansätzen - Zwei Untersuchungen 499 <?page no="500"?> Die wahrgenommenen Vorteile für Lernende stehen im deutlichen Kontrast zu den weniger positiven Überzeugungen, die durch die eher wenig flexiblen schu‐ lischen Curricula, Strukturen im Bildungswesen und Traditionen verursacht werden: schwere Integrierbarkeit in schon zu volle Lehrpläne, hoher Arbeits‐ aufwand aufgrund fehlender Unterrichtsmaterialien, schwere Messbarkeit von sprachenübergreifenden Kompetenzen und mangelnde Akzeptanz seitens der amtierenden Kolleg: innen. Diese antizipierten Schwierigkeiten finden ihren Ausdruck in Aussagen wie („Dass es eine zeitaufwändige Methode ist, und der Lehrplan ein anderes Tempo vorgibt“), unzureichende Ressourcen („Dass sie bisher wenig in den Lehrwerken berücksichtigt sind“) und Kollegialität in der Schule („Es kann auf Ablehnung bei Kollegen stoßen“). Diese Antworten signalisieren, dass angehende Spanischlehrpersonen davon ausgehen, dass die vorgegebene (normative) Ordnung Handlungsweisen aufdrängt und reprodu‐ ziert (in der Schule, im Kollegium, im Bildungsplan). In der ersten Phase der Lehrpersonenausbildung befinden sich die ange‐ henden Lehrpersonen in einem eher positiven Prozess von cognitive dissonance (Neri et al. 2019), und zwar: künftige Lehrende bewegen sich in einem Span‐ nungsfeld zwischen der Anerkennung von potenziellen positiven Lerneffekten und den projizierten Handlungsschwierigkeiten, die in der Literatur bestätigt werden: Teachers’ willingness and ability to implement CRE [Cultural Responsive Education] is often diminished by conflicting mandates, standards, and responsibilities and a lack of resources, materials, and support from colleagues and leadership. (Neri/ Lozano/ Gomez 2019: 203) Ein Exkurs zu diesen Ergebnissen erlaubt uns die Masterarbeit von Cetin (2020), die sich mit der Frage beschäftigt hat, welchen Einfluss das Seminar zu pluralen Ansätzen auf die Professionalisierung von Lehrpersonen hat. Cetin, die selbst an diesem Seminar teilgenommen hat, kam zu dem Schluss, dass die Lehrenden eine sehr positive Einstellung zur Mehrsprachigkeitsdidaktik entwickelt zu haben scheinen und sich der Möglichkeiten bewusst waren, Sprachvergleiche im Bereich Grammatik und Wortschatz anwenden zu können. Die Teilnehmenden berichteten über Praktiken, in denen sie den Gebrauch mehrsprachiger Strate‐ gien beschrieben, wenn auch in eher unspezifischen Begriffen. Alle befragten Studierenden gaben an, in der zweiten Phase der Lehrpersonenausbildung allgemein über die Mehrsprachigkeitsdidaktik oder konkreter über plurale Ansätze nicht thematisiert zu haben (außer als eine mögliche Strategie für die Wortschatzarbeit). Zwei von fünf ehemaligen Studierenden gaben an, Her‐ kunftssprachen der Lernenden in die Wortschatzarbeit einzubinden (Cetin 2020: 500 Sílvia Melo-Pfeifer/ Anna Schröder-Sura <?page no="501"?> 48). Probleme bei dem Einsatz von pluralen Ansätzen sind konkreter geworden: nicht vorhandene Sprachkenntnisse und fehlendes grammatikalisches Wissen seitens der Schülerschaft und ungeeignete Schulformen könnten das Einbinden der pluralen Ansätze erschweren (Cetin 2020: 52). Die Verfasserin fasst die Ergebnisse wie folgt zusammen: […] der Einfluss der Pluralen Ansätze auf den eigenen Professionalisierungsprozess [macht sich] hauptsächlich auf drei Ebenen bemerkbar: die positive Grundhaltung gegenüber der Mehrsprachigkeit, die bewusste Wahrnehmung dieser und die konkrete Integrierung von anderen Sprachen im Spanischunterricht. (Cetin 2020: 65) 2.3 Dritte Ausbildungsphase 2.3.1 Kontexte und Rahmenbedingungen Das Europäische Fremdsprachenzentrum des Europarats (EFSZ) bietet seit 2012 ein Programm an, im Rahmen dessen internationale Projektteams die Möglichkeit haben, Fortbildungs- und Beratungsmaßnahmen in Form bilate‐ raler Kooperationen in den Mitgliedsstaaten seines Erweiterten Teilabkommens durchzuführen und die Projektergebnisse zu präsentieren sowie den Ländern bei der Implementation von erstellten Instrumenten beratend zur Seite zu stehen. Die Fortbildungen haben eine durchschnittliche Dauer von einem halben Tag bis zu drei Tagen. Die Zielsetzungen der Vorträge, Workshops und Beratungs‐ gespräche waren neben der Dissemination u. a. auch die Überarbeitung bzw. Erweiterung von Rahmenplänen, die Erstellung von Unterrichtsmaterialien und die Begleitung der Implementierung mehrsprachigkeitsdidaktischer Ansätze an einzelnen Schulen (vgl. Candelier et al. 2020, Schröder-Sura 2015). Die Fortbildungen wurden in der Regel in den Sprachen Englisch, Französisch und Deutsch durchgeführt, z.T. mit Übersetzungen in die Sprache des Ziellandes. Bei den Zielgruppen handelt es sich im Wesentlichen um Fremdsprachenlehrende, Ausbildende, Bildungsverantwortliche, Studierende und vereinzelt Lehrende der Schulsprachen und Lehrwerkautor: innen. Zur Erhebung der Reaktionen der Teilnehmenden wurde am Ende jeder Fortbildung ein Fragebogen mit geschlossenen und offenen Fragen zu folgenden Themenbereichen eingesetzt: • Erhebung spontaner Reaktionen der Teilnehmenden in Form einer fiktiven E-Mail an Adressaten der eigenen Professionsgemeinschaft (Ein(e) Kol‐ lege/ Kollegin hätte gerne an der Fortbildung teilgenommen, war jedoch verhindert. Im Anschluss an die Fortbildung schreiben Sie ihm/ ihr eine E- Mail, um ihm/ ihr von der Veranstaltung zu berichten. Erzählen Sie ihm/ ihr, was Sie erfahren haben und was Sie darüber denken.); Überzeugungen zu Pluralen Ansätzen - Zwei Untersuchungen 501 <?page no="502"?> • Fragen zum beruflichen und sprachlichen Profil, zur eigenen (auch sprachenübergreifenden) Unterrichtspraxis sowie zu persönlichen Einstel‐ lungen zum Sprachenlernen; • Erhebung von Vor- und Nachteilen des Einsatzes von pluralen Ansätzen allgemein und von Vor- und Nachteilen der REPA-Instrumente, unter Berücksichtigung des eigenen bildungspolitischen Kontextes; • Aussagen zu künftigen Einsatzmöglichkeiten der REPA-Instrumente im eigenen Arbeitsbereich (Schröder-Sura 2015: 67). 2.3.2 Ausgewählte Ergebnisse der dritten Ausbildungsphase Bis Ende 2020 wurden um den Referenzrahmen für Plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (REPA) (Candelier et al. 2012) 41 Fortbildungen in 21 Ländern durchgeführt und 553 Fragebögen erhoben. Die Teilnahme an einer Erhebung erfolgte im Anschluss an die Fortbildung und war freiwillig, so dass die Anzahl der Teilnehmenden die Anzahl der Fragebögen übersteigt. Die meisten Fragebögen wurden bis 2015 erhoben. In Deutschland haben insgesamt fünf Beratungs- und Fortbildungsmaßnahmen in unterschiedlichen Kontexten statt‐ gefunden: 2014 am Goethe-Institut in München, 2014 und 2015 am Albert- Schweizer Gymnasium in Hürth, 2017 an der Universität Duisburg-Essen in Essen und 2018 am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung in Hamburg. An den Fortbildungen haben mehrheitlich Fremdsprachenlehr‐ personen teilgenommen. Im vorliegenden Beitrag werden die Ergebnisse der Fortbildungen in Duisburg-Essen und Hamburg in den Fokus genommen. Auch diese Studie konnte belegen, dass die Teilnehmenden, in unserem Fall in erster Linie Lehrende, im direkten Anschluss an die Fortbildung sehr positiv bis positiv pluralen Ansätzen gegenüberstehen, ohne hier zwischen den Ansätzen zu differenzieren. So reagierten die Befragten mit einem Anteil von insgesamt 90 % mit absoluter Zustimmung bzw. großem Interesse, 10 % der Befragten haben Vorbehalte geäußert, in keinem Fall stoßen die pluralen Ansätze auf Ablehnung. Über 50 % der Befragten geben an, von pluralen Ansätzen bereits gehört zu haben oder zwischensprachliche Verbindungen und Sprachvergleiche im Unterricht zu thematisieren. Die Befragten beabsichtigen mehrheitlich (297 Antworten, 62 %) plurale Ansätze und auch den REPA nach der Fortbildung in der Praxis zu nutzen oder erklären sich bereit, als Multiplikator: innen zu fungieren. Ein geringer Anteil (12 %) äußert sich nicht zu dieser Frage und ein Viertel gibt überraschenderweise ein „vielleicht“ als Antwort. Um diese Ergebnisse deuten zu können, haben wir versucht, sie in einen Zu‐ sammenhang mit den geäußerten Bedenken im Hinblick auf den Einsatz pluraler Ansätze zu bringen. Die häufigsten Einwände (75 %) beziehen sich nicht auf die 502 Sílvia Melo-Pfeifer/ Anna Schröder-Sura <?page no="503"?> pluralen Ansätze selbst, sondern auf Fragen nach ihrer Implementierung: an erster Stelle werden institutionelle Widerstände genannt sowie mit einem Anteil von etwa 25 % die allgemeinen Überzeugungen der Bildungsverantwortlichen. Hinzu kommen Aspekte wie Zeitmangel (10 % der Aussagen), die ebenfalls im institutionellen Kontext begründet liegen (vgl. Andrade/ Schröder-Sura 2019). Diese Tendenzen spiegeln sich auch in den Antworten der analysierten Datensätze aus den Fortbildungen in Hamburg und Essen. Hier finden sich ebenfalls mehrheitlich positive Antworten auf die Frage eines künftigen Ein‐ satzes der pluralen Ansätze in der Praxis (17 von 20 Teilnehmenden). Drei Teilnehmende zeigen sich unentschlossen („vielleicht, ich habe einfach nicht die Zeit, mich mit Kollegen darüber auszutauschen“; „vielleicht - zeitliche Kompo‐ nente“; „weiß ich noch nicht, da ich mich darüber noch genauer informieren muss“). Die Stichprobe in Hamburg und Essen wurde nicht in die statistische Auswer‐ tung einbezogen, daher geben wir einen kurzen Überblick über die Nachteile, die von den insgesamt 20 TN für den Einsatz pluraler Ansätze in der Schulpraxis genannt werden. Dabei geben wir für die gebildeten Unterkategorien jeweils ein Beispiel an, um die Vielfalt der Antworten zu zeigen: Nachteile der pluralen Ansätze: Anwendung im heutigen Schulkontext (Insgesamt: 35 Aussagen) „Schwierigkeit der Umsetzung“ „Deutsches Schulsystem gibt Fächergrenzen vor“ „In Deutschland schwer vereinbar mit […] dem Habitus der Lehrer und Lehrerinnen“ „Zeitfaktor mit 3-4 Stunden“ „Organisatorisch: Zuständigkeiten festlegen unter den Fachschaften“ „Fehlende Materialien für den Einsatz“ „Mangelnde Kompetenz“ (seitens der Lehrkräfte) „Hoher […] Vorbereitungsaufwand für Lehrkräfte“ Nachteile: Effekte pluraler Ansätze (Zusammen: Vier Aussagen) „Könnte zu Verwirrungen [von Seiten der SuS] führen“ „Wenig Interesse bei Schülern“ „Keine erwiesenen Ergebnisse“ Abb. 3: Nachteile der pluralen Ansätze Unter diesen Nachteilen befinden sich sehr wenige Aussagen (Vier Aussagen), die sich auf die Effekte pluraler Ansätze beziehen. Die meisten (35 Aussagen) haben mit der Anwendung im heutigen Schulkontext zu tun. An dieser Stelle wird eine Übereinstimmung mit den auf die erste Phase der Lehrpersonenbil‐ dung bezogenen Ergebnisse sichtbar, die oben als „Spannungsfeld zwischen Überzeugungen zu Pluralen Ansätzen - Zwei Untersuchungen 503 <?page no="504"?> der Anerkennung von potentiellen positiven Lerneffekten und den projizierten Handlungsschwierigkeiten“ interpretiert werden. Die meisten Lerneffekte, die in unseren Fragebögen zum Ausdruck kommen, befinden sich nämlich im Bereich der Vorteile, also als „potentielle positive Lerneffekte“, was in der folgenden Tabelle sichtbar wird: Orientierung Exemplarische Aussagen Lerninhalte und Lernprozesse: (46 Aussagen) • „Zusammenhänge und Unterschiede zwischen Sprachen erkennen und Kenntnisse für lebenslanges Sprachen‐ lernen nutzen“ • „Schüler merken, dass Sprachen miteinander verknüpft sind bzw. in Verbindung zueinander stehen“ • „Synergieeffekte fördern“ • „Entwicklung von Lernstrategien“ • „Besonders bei mehrsprachigen Kindern Ressourcen nutzen“ Lehrende und Ler‐ nende: (2 Aussagen) • „Sie (die pluralen Ansätze) verbinden die verschiedenen Sprachunterrichte“; • „Sie schaffen die Basis für eine Zusammenarbeit“ Schule und Gesell‐ schaft: (5 Aussagen) • „Aufwertung von Sprachen außerhalb des Schulcurricu‐ lums - stärkt Selbstbewusstsein der Schüler“ • „Mehrsprachige SuS fühlen sich mitgenommen/ wahrge‐ nommen“ • „Wertschätzung der persönlichen Fähigkeiten“ • „SuS werden auf eine globalisierte Welt vorbereitet“ • „Es ermöglicht den Einbezug von Herkunftssprachen“ Abb. 4: Überzeugungsorientierung zu pluralen Ansätzen Es fällt auf, dass sich ein Großteil der Vorteile der Kategorie Lerninhalte und Lernprozesse zuordnen lassen, was sich eventuell mit der Praxisnähe der Befragten erklären lässt. 3 Diskussion und Perspektiven Aufgrund der geringen Anzahl der Teilnehmenden der beiden hier vorgestellten empirischen Studien wird kein Anspruch auf Repräsentativität erhoben. Dar‐ über hinaus bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Kontexten, in denen die Daten erhoben wurden. Trotz der unterschiedlichen Kontexte und zum Teil leicht abweichender Fragestellungen stimmen jedoch die Ergebnisse in einem wesentlichen Aspekt überein, der in der ersten Studie als ein Span‐ nungsfeld zwischen der Anerkennung von potentiellen positiven Lerneffekten und den projizierten Handlungsschwierigkeiten bezeichnet wurde und in der 504 Sílvia Melo-Pfeifer/ Anna Schröder-Sura <?page no="505"?> zweiten in der Form eines Übergewichts der kontextgebundenen Items unter den Nachteilen sichtbar wird. Beide untersuchten Gruppen, sowohl künftige Lehrende als auch Lehrper‐ sonen in der Praxis, empfinden ihre Autonomie und Willensfreiheit im Bereich der Mehrsprachigkeitsdidaktik durch eine im bestehenden Kontext zu starre Handlungspraxis als eingeschränkt. Die Positionierung beider Gruppen scheint darauf hinzudeuten, dass vergangene und aktuelle Unterrichtseinflüsse (eine immer noch starke Fokussierung des pädagogischen monolingualen Habitus), eine Auseinandersetzung mit der Gegenwart (verfügbare materielle Ressourcen, der Zustand des persönlichen mehrsprachigen Repertoires, wahrgenommene Akzeptanz bei Peers, Tutoren oder Eltern) sowie insbesondere für Studierende Orientierungen an der Zukunft (ein idealisierter monolingualer Unterricht) von zentraler Bedeutung für die Interpretation von Dilemmata und „kognitiven Konflikten“ gegenüber den prinzipiell als positiv und wünschenswert erschei‐ nenden pluralen Ansätzen sind. Im Hinblick auf Überzeugungen von Lehrkräften in der Primarstufe gegen‐ über Mehrsprachigkeit meint Huxel (2018) Folgendes: Studien zu Überzeugungen von Lehrkräften zu Mehrsprachigkeit zeigen, dass Lehr‐ kräfte […] Mehrsprachigkeit grundsätzlich zwar durchaus für eine Ressource und für wertvoll halten, dass sie einem konstruktiven Einbezug in ihren Unterricht jedoch eher skeptisch gegenüberstehen und sich nicht genügend qualifiziert und professionalisiert fühlen. (Huxel 2018: 110) Die zahlreichen Aussagen der Lehrenden zu den Vorteilen der pluralen Ansätze bestätigen eine grundsätzliche Aufgeschlossenheit gegenüber einem konstruk‐ tiven Einbezug in den Unterricht. Ganz im Gegenteil weisen die 46 Aussagen über Lerninhalte und Lernprozesse auf eine prinzipielle Bereitschaft, diese zugunsten und zum Wohl der Lernenden einzusetzen. Künftige Lehrkräfte hingegen befürchten negative Auswirkungen auf den Erwerb der Zielsprache (Fossilisierung, verschiedene negative Interferenzen) und die Tatsache, dass sich die Schüler: innen überfordert fühlen könnten. Der Widerspruch zwischen erlebter Wirklichkeit und eigener Bereitschaft führt zu folgenden Überlegungen bezüglich der eigenen Verantwortung der Lehrenden und Ausbildenden sowie der institutionellen Verantwortlichkeit. Auch wenn die Lehrenden und Ausbildenden zurecht davon überzeugt sind, dass zur vollständigen Entwicklung mehrsprachigkeitsdidaktischer Ansätze gewisse Rahmenbedingungen notwendig sind, sollten sie diese nicht erst abwarten. Wenn plurale Ansätze im Unterricht zum Einsatz kommen sollen, müssen die Lehrenden bereit sein, sie einzusetzen, ohne dass alle institutionellen Überzeugungen zu Pluralen Ansätzen - Zwei Untersuchungen 505 <?page no="506"?> Rahmenbedingungen erfüllt sind. Das erfordert ein hohes Ausmaß an teacher agency. Ausbildende sollten sich nicht darauf beschränken, ideale Bedingungen zu schaffen, die zwar zufriedenstellend sind, aber das Risiko bergen, Handlungen zu verzögern. Das hindert beide Gruppen jedoch nicht daran, diese Bedingungen einzufordern, und die kleinen unmittelbaren Schritte, die in der Zwischenzeit unternommen werden, können erste Auswirkungen zeigen, die das Interesse an weiterführenden Entwicklungen deutlich machen. Das bedeutet, dass In‐ novationen oder Veränderungen auch in Bezug auf die Umsetzung der Mehr‐ sprachigkeitsdidaktik und der pluralen Ansätze nicht notwendigerweise von oben nach unten erfolgen muss, sondern erfolgreicher sein könnten, wenn topdown- und bottom-up-Maßnahmen kombiniert werden, wobei erstere durch Gesetze und Unterrichtsmaterialien und letztere durch eine erhöhte teacher agency der Lehrenden unterstützt werden. In Anlehnung an Gerlach & Leupold (2019, 98) ist die Integration von Innovationen in einem kontextsensiblen Fremdsprachenunterricht dann nicht nur von „wollen“ und „können“, sondern auch von der Perzeption von Freiräumen, Selbstkompetenzen und der Reflexion deren Integration abhängig. Literatur Andrade, Ana Isabel/ Schröder-Sura, Anna (2019): Le recours au « Cadre de Référence pour les Approches Plurielles des langues et des cultures (CARAP) » dans la formation des enseignants de langues - Vers un référentiel spécifique de compétences des enseignants, in: Français dans le Monde, Recherches et applications 67, 90-100. Araújo e Sá, Maria Helena/ Melo-Pfeifer, Sílvia (2015): Représentations de futurs pro‐ fesseurs de Langues Romanes par rapport aux approches plurielles, in: Mantesanz del Barrio, Maria (Hrsg.): La enseñanza de la intercomprensión a distancia. Madrid: Universidad Complutense de Madrid, 77-97. 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Überzeugungen zu Pluralen Ansätzen - Zwei Untersuchungen 511 <?page no="513"?> Französischunterricht im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz Inez De Florio-Hansen Der vorliegende Rückblick auf die Geschichte der Lehrkräftebildung wäre aus meiner Sicht unvollständig, würde man nicht auch die Entwicklung der digitalen Technologien einbeziehen. Die Freigabe des Internets für alle Interessierten, die das WWW mitgestalten wollen, bis hin zum Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) stellt die Fort- und Weiterbildung von Lehrpersonen vor neue Herausforde‐ rungen. Der folgende Ausblick bietet Denkanstöße hinsichtlich der sogenannten neuen Medien, und zwar in zwei Richtungen: Welche Kenntnisse muss der Französischunterricht vermitteln, damit die Schülerinnen und Schüler eine angemessene digitale Mündigkeit ausbilden, die sie heute und vor allem in ihrem späteren Berufsleben voranbringt? Wie kann man digitale Technologien und KI so in den Französischunterricht integrieren, dass die mündlichen und schriftlichen Sprachkenntnisse verbessert werden? Es geht also um das Lernen über Digitalisierung und KI (Medienpädagogik) und das Lehren und Lernen mithilfe der mehr oder weniger neuen Technologien (Mediendidaktik). 1 Zur Stellung des Französischen 1.1 Die Vormachtstellung des Englischen Wissenschaftler und Lehrpersonen, die mit der französischen Sprache befasst sind, beklagen immer wieder den Verlust an Ansehen, den das Französische gegenüber dem Englischen in den letzten Jahrzehnten hinnehmen musste. Meist wird die weltbeherrschende Stellung der USA für die Ausbreitung der englischen Sprache ins Feld geführt. Das ist sicher richtig; zu bedenken sind aber noch weitere Faktoren. Generell kann man festhalten, dass Sprachen größere Verbreitung finden, wenn ihre Elemente möglichst kurz und einfach zu handhaben sind. Damit ist nicht gesagt, das Englische sei insgesamt leichter als beispielsweise Französisch oder Deutsch. Es ist aber nicht zu bestreiten, dass englische Grundkenntnisse <?page no="514"?> relativ rasch erworben werden können. Dafür verantwortlich ist vor allem die übersichtliche Flexion der veränderlichen Wörter: Modern English grammar is the result of a gradual change from a typical Indo- European dependent marking pattern, with a rich inflectional morphology and relatively free word order, to a mostly analytic pattern with little inflection, a fairly fixed SVO word order and a complex syntax. (Wikipedia s.v.: English) Dass außerdem die Kürze der Ausdrucksmittel die Verbreitung einer Sprache beeinflusst, haben Linguisten immer wieder betont und belegt (vgl. Crystal 2006). Bedenken sollte man auch, dass in Europa in den letzten Jahrhunderten eine Verkehrssprache auf die andere folgte. Das Lateinische wurde durch Italienisch abgelöst. Ihm folgte, nicht zuletzt aufgrund kultureller Einflüsse wie Revolution und Aufklärung, das Französische. Inzwischen hat sich - vorangetrieben durch Globalisierung und elektronische Technologien - Englisch als Lingua franca durchgesetzt. Es wird hauptsächlich als Sekundär- und Verkehrssprache zwi‐ schen Sprechern unterschiedlicher Sprachgemeinschaften verwendet (vgl. De Florio-Hansen 2019a, 37). Insgesamt sprechen 1132 Mill. Menschen Englisch (davon 379 Mill. Muttersprachler) gefolgt von Spanisch mit 572 Mill. (davon 477 Mill. Muttersprachler). Französisch bringt es auf 280 Mill. (davon 77 Mill. Muttersprachler). Gleichwohl gilt Französisch als Weltsprache, denn in die Be‐ trachtung fließen auch geographische Gesichtspunkte ein, d. h. die Verbreitung über mehrere Kontinente ist von Bedeutung. Eine wichtige Rolle spielt auch die kurz angesprochene Sprachentwicklung. Die weltweite Verbreitung der englischen Sprache hat nämlich zu Verände‐ rungen und Vereinfachungen geführt, die Rückwirkungen auf britisches und amerikanisches Englisch haben. Aufgrund dieser Entwicklung werden Verstöße gegen die Sprachnorm im Englischen eher hingenommen als im Französischen, welches immer noch durch die Académie française reglementiert wird. Steven Pinker, Professor für Kognitionswissenschaft und langjähriger Leiter des Center for Cognitive Neuroscience am Massachusetts Institute of Technology kritisiert den reglementierenden Einfluss einer Gelehrtengemeinschaft wie der Académie française. Erkenntnisse der Kognitionswissenschaft und der Neurobiologie zeigen, dass Sprachen sich aufgrund wechselnder Einflüsse stetig weiterentwi‐ ckeln (Pinker 2007). Nach Pinkers Auffassung hemmt die Académie française diese Entwicklung, indem sie z. B. numérisation oder passage au numérique vorschreibt, während sich digitalisation durchaus in das französische Klangbild einfügen ließe. Es erfüllt Pinker mit Hoffnung, dass viele junge Menschen von monde digital etc. sprechen (vgl. De Florio-Hansen 2018). 514 Inez De Florio-Hansen <?page no="515"?> 1.2 Was Französischlehrkräfte tun können Selbstverständlich lässt sich die Entwicklung nicht aufhalten. Das bedeutet aber nicht, dass Französischlehrerinnen und -lehrer nichts tun können, um das Ansehen und die Stellung des Französischen an ihrer Schule bzw. im schulischen Kontext zu verbessern (vgl. auch zum Folgenden De Florio-Hansen 2019b, 23-42). Zunächst einmal bietet es sich an, die Schulleitung, gleichgültig welche Fachrichtung sie vertritt, regelmäßig über Initiativen zu informieren wie z. B. multimediale Ausstellungen von Austauschfahrten oder die Präsentation gelun‐ gener Schülerarbeiten in der Schulöffentlichkeit. Es fördert die Motivation der Lernenden nachweislich, wenn sie merken, dass die Schulleitung eine positive Haltung gegenüber dem Fremdsprachenlernen und insbesondere dem Fran‐ zösischunterricht einnimmt. Solche Informationen haben eine noch größere Wirkung, wenn sich die Französischlehrkräfte einer Schule zusammenschließen und möglichst mit einer Stimme sprechen. Schulinterne Lehrkräftebildung leistet einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung. Selbstverständlich ist die Zusammenarbeit der Lehrpersonen eines Faches an derselben Schule oder im Rahmen eines Schulverbunds auch aus anderen Gründen angezeigt. Projekte und Initiativen lassen sich gemeinsam besser planen und leichter verwirklichen. Hinzukommt der Austausch unter den Lern‐ gruppen, die aus verschiedenen Klassen, aber auch aus verschiedenen Schulen stammen können. Diese Kontakte bestärken die Schülerinnen und Schüler, die sich für das Fach Französisch entschieden haben, in ihrer Wahl. In der erwähnten Publikation Wirksame Motovierungsstrategien für den Französischunterricht (De Florio-Hansen 2019b) widme ich das erste von neun Kapiteln der Stellung und dem Ansehen des Französischen im schulischen Kontext. Das praxisorientierte Buch stellt dazu 6 Stratégies vor, die jeweils mehrere Activités umfassen. Neben kognitiven Zielen beziehen sie auch emotionale und soziale Aspekte in die Betrachtung ein. Die Arbeitsblätter für die Hand der Lernenden stehen im Download zur Verfügung. Sie sind nach Schwierigkeit gestuft, können aber ohne besonderen Aufwand an die jeweilige Lerngruppe und ihren Lernkontext angepasst werden. Dazu zwei Beispiele: In Stratégie 1: Que savez-vous de …? geht es um die Aktivitäten, die das Institut français, FranceMobil sowie das OFAJ (Office franco-allemand pour la Jeunesse) entfalten (ibid., 25-26). Mit Hilfe von Internetrecherchen - sie ermöglichen zudem das Aufsuchen von Informationen in französischer Sprache - legen sich die Schülerinnen und Schüler Rechenschaft über Ziele und Aufgaben der jeweiligen Organisation ab und überlegen, wie sie durch entsprechende Einladungen und/ oder Besuche ihre Beziehung zur französischen Kultur und Französischunterricht im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 515 <?page no="516"?> Sprache vertiefen können. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass zwar fast alle Regierungen im Ausland entsprechende Institute unterhalten, dass aber das deutsch-französische Verhältnis aus (darzulegenden) politischen Gründen besondere Bedeutung hat. Stratégie 6 ist mit der Frage überschrieben: Connaissez-vous EMILE? (ibid., 39-42). EMILE steht bekanntlich für Enseignement d’une Matière Intégré à une Langue Étrangère. Die Aktivitäten dieser Einheit veranlassen die Schülerinnen und Schüler (und die Lehrkraft) über Möglichkeiten nachzudenken, an der Schule Bilingualen Sachfachunterricht Französisch einzurichten. Dabei erleich‐ tert kontinuierliche Lehrkräftefortbildung nicht nur den Einstieg, sondern auch die gesamte Durchführung. Beispielsweise können die Lernenden darüber diskutieren, welches Unterrichtsfach sich ihrer Ansicht nach am besten für eine (zeitweise) Behandlung in französischer Sprache eignet. Dabei ist zu bedenken, dass bilingualer Unterricht aus nachvollziehbaren Gründen im Kommen ist; manche Experten gehen davon aus, dass die Niveaus B2, C1 und C2 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens (GeR 2001) nur durch bilingualen Sachfachunterricht zu erreichen sind (Sheils 2001). Es versteht sich von selbst, dass die Verbesserung des Ansehens und der Stel‐ lung des Faches Französisch nur einen kleinen Teil dessen ausmacht, was Fran‐ zösischlehrerinnen und -lehrer tun können. Ohne Zweifel kommt es in erster Linie auf den Unterricht selbst an. Dazu gehören neben motivierenden Inhalten ein umsichtiges Klassenmanagement, ein lernförderliches Klassenklima sowie die Einsicht der Lehrkraft, dass sie selbst ein Modell für Motivation und Leistung ist. Hinzukommen sollte die Beteiligung der Lernenden an der Festlegung der Ziele und der Auswahl der Inhalte sowie eine angemessene Selbstevaluation aller Beteiligten. Dazu nötig sind Rückmeldungen in verschiedene Richtungen: das kontinuierliche Feedback der Lehrkraft für die individuellen Lernenden, der Austausch zwischen den Lernenden selbst und schließlich die Rückmeldung, die einzelne Schülerinnen und Schülern ihrer Lehrerin oder ihrem Lehrer zu geben bereit sind. Damit ist ein äußerer Rahmen abgesteckt, der erheblich zum Gelingen des Unterrichts beiträgt. Die Anbahnung Interkultureller Diskurskompetenz sowie die Rolle von Literatur sind (neben anderen) inhaltliche Bereiche von grundlegender Wichtigkeit, von denen die Wahl der Lehr- und Lernmethoden abhängt. Für die meisten Lehrpersonen sind Methoden und in ihrem Gefolge Medien der alles entscheidende Faktor (ausführlich zu diesen und weiteren Einzelheiten De Florio-Hansen 2019a). Im Folgenden beschränke ich mich auf einen Aspekt, der meines Erachtens besondere Aufmerksamkeit verdient, wenn der Französischunterricht oder 516 Inez De Florio-Hansen <?page no="517"?> besser die französische Sprache und die mit ihr verbundenen Kulturen nicht zum ‚Weltkulturerbe‘ (so ein Kollege) werden sollen. Es geht um eine umfassende Medienkompetenz, in der die sogenannten neuen Medien trotz ihrer rasanten Entwicklung und ihres Einflusses auf (fast) alle Lebensbereiche immer noch eine zu geringe Rolle spielen. Damit meine ich mehr als den gelegentlichen Gebrauch des Internets und der sozialen Medien oder Überlegungen zu deren Nutzen und Gefahren. Eine Kollegin hat es hervorragend auf den Punkt gebracht: Ich bin der Auffassung, Lehrkräfte benötigen hier selbst informatische Bildung, damit sie in der Lage sind, für ihre jeweiligen Unterrichtsfächer Konzepte zu entwickeln, die auf einem tiefergehenden Verständnis der digitalen Medien gründen und nicht ausschließlich auf Anwendungswissen, Umgang mit Apps etc. In der derzeitigen Diskussion über Digitalisierung halte ich die kritische Medienreflexion hoch. Solche Prozesse können von Lehrkräften jedoch nur angeleitet werden, wenn sie selbst die digitalen Medien verstehen und zwar technisch und hinsichtlich ihrer wirtschaftli‐ chen und gesellschaftlichen Bedeutung. (Schleicher 2019, Interview) Genaueres dazu lege ich in den folgenden Teilen meines Beitrags dar. Selbstver‐ ständlich ist auch in diesem Zusammenhang zielführende Lehrkräftefortbildung äußerst wichtig, nicht zuletzt, um Vorbehalte gegenüber den neuen Medien abzubauen und ihre Nutzung in passende Bahnen zu lenken. Die folgenden Aus‐ führungen bieten eine knappe Vorschau auf meine Publikation: Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Robotik. Eine Einführung für Schule und Unterricht (2020 Waxmann UTB) und fokussieren speziell auf den Französischunterricht, haben aber auch, wie gesagt, für das Lehren und Lernen anderer romanischer Sprachen Gültigkeit. Ich knüpfe an Kapitel 15 der Fachdidaktik Französisch - Lehren und Lernen im digitalen Zeitalter an, in dem ich Die Interdependenz zwischen bewährten Methoden und digitalen Medien ausführlich behandele (ibid. 2019a, 289-321). Selbstverständlich sollen Französischlehrkräfte keinen Informatik-Kurs ab‐ solvieren, und ich plädiere auch nicht für Digitalkunde als Schulfach (Weinert 2018). Vielmehr geht es um einen Französischunterricht, der den Entwicklungen des digitalen Zeitalters gerecht wird und eine fremdsprachliche Bildung an‐ bahnt, die - neben anderen wichtigen Kompetenzen - einen kritisch-konstruk‐ tiven Umgang mit allen Medien, also auch den elektronischen und vor allem in Form von KI, bewirkt. Jedes Fach muss dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche in naher Zukunft sowie in ihrem späteren Leben Nutzen und Gefahren elektronischer Technologien erkennen und entsprechend handeln können. Das beinhaltet auch, sie für negative Entwicklungen hinreichend zu Französischunterricht im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 517 <?page no="518"?> sensibilisieren. Nur so besteht die Chance, dass sie unethische Entscheidungen smarter Maschinen unterbinden oder zumindest beeinflussen können (vgl. Misselhorn 2018). Gleich zu Beginn ist eine Klarstellung nötig: Die selbstverständliche Forde‐ rung ‚Pädagogik vor Technik‘ huldigt dem Irrglauben, erprobte Ziele und Methoden sollten durch ‚digitales Lernen‘ abgelöst werden. Im gesamten Beitrag zeige ich anhand von Forschungsergebnissen und Expertenmeinungen, dass bewährte Kulturtechniken sowie entsprechendes Wissen und Können unver‐ zichtbar sind. Sie bilden die Grundvoraussetzung für die sinnvolle Nutzung der elektronischen Medien und insbesondere von KI-Systemen wie Sprachmodellen und Bildgeneratoren. 2 Zur Rolle von elektronischen Technologien und KI-Systemen 2.1 Digitalisierung - was heißt das eigentlich? Im deutschsprachigen Raum bezeichnet der Begriff ‚Digitalisierung‘ mehr oder weniger alles, was mit elektronischen Medien zu tun hat. Wirft man einen Blick auf die englischsprachige, insbesondere die US-amerikanische Literatur, stellt man fest, dass (frühkindliches und schulisches) Lernen dort selten mit Digitalisierung in Verbindung gebracht wird. Das heißt nicht, dass die elek‐ tronischen Technologien und eine übergreifende Computer Literacy dort eine untergeordnete Rolle spielen, im Gegenteil. Ursprünglich bezeichnet der Terminus Digitalisierung lediglich die Über‐ führung von Zeichen in eine für Maschinen bzw. Computer lesbare Form. Digitalisierung in diesem Sinn beinhaltet die Umwandlung in einen Code, der die Kommunikation mit Hilfe von Geräten und Maschinen ermöglicht. So beruhen beispielsweise das Morse-Alphabet und die Blindenschrift Braille auf Digitalisierung. Im Zusammenhang mit Computern erfolgt die Digitalisierung in der Regel durch einen binären Code, der nur aus Nullen und Einsen besteht. Es gibt jedoch auch Codes, die auf mehr als nur zwei Zeichen zurückgreifen. Ein weiteres Missverständnis beruht auf der Gegenüberstellung von ‚ana‐ logem‘ und ‚digitalem Lernen‘ oder sogar einer ‚analogen‘ und einer ‚digitalen Welt‘ (vgl. unten das KMK-Strategiepapier). Es gibt jedoch nur die reale Welt, in der Digitalisierung und elektronische Medien eine zunehmend größere Rolle spielen. Und wie steht es mit analog vs. digital? Es ist ein Irrtum zu glauben, die Digitalisierung führe zu genaueren Ergebnissen. Sie ermöglicht einen maschinenlesbaren Code in gleichbleibender Qualität. Dies hat in jüngster Zeit zu erheblichen Fortschritten geführt - man denke nur an ChatGPT und 518 Inez De Florio-Hansen <?page no="519"?> weitere KI-Sprachmodelle wie das neue Tool Gemini Advanced von Google, welches seit Februar 2024 auf dem Markt ist und Googles Bard abgelöst hat). Schriftliche und mündliche Anfragen sowie Gespräche (Chats) sind inzwischen in sehr guter Qualität auch in französischer Sprache möglich, und die KI- Bildgeneratoren, wie z. B. der Microsoft Bing Image Creator, liefern ansprechende Illustrationen, die speziell auf den eigenen Lehr- und Lernkontext zugeschnitten werden können (nähere Ausführungen in De Florio-Hansen, I. 2024a: KI-Tools für den Unterricht und De Florio-Hansen 2024b zu KI-Bildgeneratoren; beide mit zahlreichen Praxisbeispielen, Basel/ Weinheim: Beltz; De Florio-Hansen, Inez: 2024c: KI-Tools für den Englischunterricht. Ein praxisnaher Ratgeber mit zahlreichen Unterrichtsbeispielen; Stuttgart: ibidem). Während früher neben gesprochener Sprache meist gedruckte Quellen, d. h. Lehrwerke, Literatur und Sachtexte, den Unterrichtdominierten, hat inzwischen die ganze Bandbreite der Medien, von Audio über Film und Video, Einzug in den Unterricht gehalten. Mit Hilfe elektronischer Technologien sind diese Medien insgesamt noch leichter zugänglich als zuvor. Die Aufgabe von Fran‐ zösischlehrkräften besteht zunächst einmal darin, die elektronischen Medien und die Anwendung von KI-Systemen in ein umfassendes Konzept von Medi‐ enkompetenz zu integrieren. Eine Hilfe dabei bieten Gerhard Tulodziecki, Bardo Herzig und Silke Grafe in der vollständig überarbeiteten und aktualisierten Fassung ihres Buches Medienbildung in Schule und Unterricht (Tulodziecki et al. 2019). In einem Abschnitt des 3. Kapitels, welches die mediendidaktische Perspektive behandelt, geht das Autorenteam auf Empirische Forschungsansätze und Forschungsergebnisse ein (ibid., 132-150). Zu Beginn des Abschnitts listet das Team Annahmen auf, die im Zusammenhang mit elektronischen Medien häufig geäußert werden, z.B.: „Die Einführung von Tablets in Schulklassen führt zwar zu einer höheren Lernmotivation. Lernwirkungen in Bezug auf das fachliche Lernen sind allerdingst nicht zu erwarten“ (ibid., 132). Dass diese und weitere häufig vorgebrachte Annahmen so nicht haltbar sind, zeigt das Autorenteam anhand von wissenschaftlichen Untersuchungen zu allgemeinen und speziellen Medieneffekten (ibid., 133-140) sowie durch Erhebungen zu mediendidaktisch relevanten Aspekten und Evaluationen zum Lernen mit Medien (ibid., 140-145). Lehrkräftefortbildung kann zu einer differenzierten Sicht führen, die neben dem Alter der Schülerinnen und Schüler den Lernkontext und nicht zuletzt die Vorbildung der Lehrperson berücksichtigt. Wohlgemerkt: Das Autorenteam geht an dieser Stelle nur auf das Lernen mit Medien, also Mediendidaktik, in unterschiedlichen Schulformen, Jahrgangstufen und Fächern ein. Das Lernen über Medien, also Medienpädagogik, ist dem folgenden Kapitel 4 vorbehalten (ibid., 151-214). Es ist bedauerlich, dass sich Tulodziecki und die Mitautoren Französischunterricht im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 519 <?page no="520"?> immer noch auf ältere Ausführungen von John Hattie (2009) stützen und dessen neuere Forschungsergebnisse nicht berücksichtigen. Inzwischen hat Hattie seine Untersuchungsergebnisse von ursprünglich 138 auf 252 Faktoren erwei‐ tert. Nachdrücklich belegt er, dass elektronische Medien bei entsprechendem Einsatz in vielen Bereichen höchst lernwirksam sind (vgl. https: / / visible-lea rning.org/ hattie-ranking-influences-effect-sizes-learning-achievement/ letzter Zugriff Februar 2020). 2.2 Bildungspolitische Vorgaben Dass sich das Lernen mit Hilfe elektronischer Technologien und das Lernen über diese Medien bisher nicht in hinreichendem Umfang durchsetzen konnten, ist nach meiner Einschätzung auch darauf zurückzuführen, dass viele Lehrerinnen und Lehrer mit den bildungspolitischen Vorgaben nicht so vertraut sind, wie man es sich wünschen würde. Das lässt den Rückschluss zu, dass die Initiativen der KMK in Form des Strategiepapiers Bildung in der digitalen Welt von 2016 und die einschlägigen Vorläufer- und Folgepapiere bisher noch nicht ausreichend zur Kenntnis ge‐ nommen wurden. Zu wenig Beachtung finden auch die zahlreichen Initiativen der Kultusbehörden der Länder und anderer Organisationen, die vor allem in Form von Medienplattformen online einsehbar sind. Das grundlegende 60seitige Papier der KMK trägt den Titel Strategie der Kultusministerkonferenz - Bildung in der digitalen Welt (Dezember 2017). Es bildet explizit oder implizit den Ausgangspunkt für die zahlreichen Publika‐ tionen der einzelnen Kultusministerien und der nachgeordneten Institute der Bundesländer. Das Hauptziel der KMK besteht darin, Lehrpersonen auf dieser Grundlage für eine angemessene Medienerziehung ihrer Schülerinnen und Schüler zu sensibilisieren. Schon Ende 2016 stellen die Experten der KMK in der Präambel klar, dass digitale Medien bzw. elektronische Technologien nicht länger als Anhängsel im Unterrichtsgeschehen betrachtet werden dürfen, sondern in geeignete pädagogische Praktiken in die Curricula jedes einzelnen Faches zu integrieren sind (KMK 2016, S. 9). Dazu werden sechs Kompetenzbe‐ reiche genannt und spezifiziert (KMK 2016, S.-15-18). Es geht um: 1. Suchen, Verarbeiten und Aufbewahren 2. Kommunizieren und Kooperieren 3. Produzieren und Präsentieren 4. Schützen und sicher Agieren 5. Problemlösen und Handeln 6. Analysieren und Reflektieren. 520 Inez De Florio-Hansen <?page no="521"?> Insgesamt beruhen die Forderungen der KMK auf einem umfassenden Kompe‐ tenzbegriff, der - über Wissen und Können hinaus - auf Einstellungen fokussiert (vgl. Weinert 1999). Auch in der ergänzenden Empfehlung zur Strategie »Bil‐ dung in der digitalen Welt« der Kultusministerkonferenz werden entsprechende Ziele angesprochen (kmk.org. 2022). Einen Überblick über die relevanten Daten bietet der jährliche Bericht des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) International Computer und Information Literacy (ICILS). In der Studie von 2013, auf die sich auch das KMK-Strategiepapier bezieht, stellen die Autoren (Bos et al. 2014) die Leistungen im Bereich Computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern der 8. Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich gegenüber. Die betreffenden deutschen Schülerinnen und Schüler finden sich im Mittelfeld. Daran hat sich bis heute nichts geändert (Eickelmann et al. 2019; weitere Einzelheiten vgl. Pädagogik 1/ 2020, S.-59; ). Während das Strategiepapier der KMK, zumindest in der grundlegenden Fassung, bekannt ist, hat ein weiteres Projekt der Europäischen Kommission im Zusammenhang mit elektronischen Medien bisher keine große Verbreitung gefunden. Ende 2017 wurde ein Rahmen für die digitale Kompetenz von Lehr‐ personen veröffentlicht, nämlich DigCompEdu: European Framework for the Digital Competence of Educators (Autorin: Christine Redecker, Herausgeber: Ives Punie). Wie beim Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen hat das Goethe-Institut die deutsche Übersetzung übernommen. Sie steht unter dem Titel: Europäischer Rahmen für die Digitale Kompetenz Lehrender im Download zur Verfügung. Auf der Grundlage von 20 evidenzbasierten Studien und weiteren 120 Veröffentlichungen haben die Experten der Europäischen Kommission sechs Bereiche herausgefiltert, denen sie die wünschenswerten ‚digitalen‘ Kompetenzen von Lehrkräften und Erziehern zuordnen: 01 Professional Engagement 02 Digital Resources 03 Teaching and Learning 04 Assessment 05 Empowering Learners 06 Facilitating Learners’ Digital Competence. (ibid., S.-18-87) Ähnlich wie beim GeR werden diese Kompetenzbereiche jeweils in sechs Niveaus von A1 bis C2 unterteilt. (Unter der Autorenschaft von Stephanie Wössner hat das Landesmedienzentrum Baden-Württemberg eine kurze Ein‐ führung: Der digitale Kompetenzrahmen für Europa online gestellt: https: / / ww w.lmz-bw.de/ newsroom/ aktuelle-beitraege-aller-bereiche/ detailseite/ der-digi‐ Französischunterricht im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 521 <?page no="522"?> tale-kompetenzrahmen-fuer-europa/ ). Übrigens: Künstliche Intelligenz in Form von KI-Sprachmodellen und Bildgeneratoren spielen in den genannten Papieren keine Rolle. Hinweise, die sich auch gut in der Weiter- und Fortbildung von Lehrpersonen integrieren lassen, findet man in den beiden folgenden Veröffent‐ lichungen: HKM (Hessisches Kultusministerium)) (2023): Künstliche Intelligenz (KI) in Schule und Unterricht. Handreichung für Lehrkräfte zum Umgang mit KI-basierten Anwendungen. Wiesbaden: HKM. MBS NRW (Ministerium für Schule und Bildung Nordrhein-Westfalen) (2023): Umgang mit textgenerierenden KI-Systemen. Ein Handlungsleitfaden. Düsseldorf: MSB. Beide Papiere, sowie die ähnlich ausgerichteten Veröffentlichungen anderer Ministerien und Landesinstitute werden kontinuierlich auf den neusten Stand gebracht. 3 Implementierung elektronischer Technologien im Französischunterricht 3.1 Wichtige Begriffe In Abschnitt 2.1 erfolgte eine erste Erläuterung des Begriffs Digitalisierung; im engeren Sinn ist damit, wie oben ausgeführt, die Umwandlung von Daten in eine computerlesbare Form unter Verwendung eines binären Codes gemeint. Was zunächst einfach klingt, ist jedoch ein komplexer Vorgang, der Vorzüge und Einschränkungen mit sich bringt, mit denen wir uns in Abschnitt 4 näher beschäftigen werden. In 3.1 geht es um die Klärung einiger Termini, die Lehrpersonen und Lernenden möglichst von Anfang an kennen sollten, wenn sie elektronische Daten gezielt einsetzen und erfolgreich nutzen wollen. Häufig hört man, und keineswegs nur von Schülerinnen und Schülern: „Da schaue ich einfach im Internet nach“ oder sogar: „Das braucht man sich nicht zu merken, das steht doch im Internet“. Solche Aussagen sind nicht nur (päd‐ agogisch) bedenklich, sondern schlicht unzutreffend. Wenn wir einen Browser nutzen, um eine Website aufzusuchen, so tun wir das mithilfe des Internets. Es verschafft uns den Zugang zu den Daten, ist aber nicht die Information selbst. Das Internet bezeichnet vielmehr alle verbundenen Netzwerke, die das Internet Protokoll (IP) zur weltweiten Verbindung mit entsprechenden Geräten nutzen. Es ist gleichsam das Netzwerk der Netzwerke und umfasst globale und regionale Netzwerke aller nur denkbaren Bereiche. Es basiert auf einer Fülle von Ressourcen wie z. B. Hypertext-Dokumenten sowie Anwendungen des World Wide Web (WWW), aber auch E-Mail-Programmen, Telefonie und Datenaustausch. Den eigentlichen Informationsbereich bildet das WWW; auf 522 Inez De Florio-Hansen <?page no="523"?> ihm sind die entsprechenden Sites und Daten gespeichert, zu denen wir über das Internet Zugang haben. In diesem Zusammenhang ist oft von Plattformen die Rede. Es gibt eine Vielzahl von Plattformen und Plattformkonzepten im Informatikbereich, z. B. Hardware- und Softwareplattformen. Plattformen bilden die Basis für darauf aufsetzende Computerprogramme und bieten eine einheitliche Grundlage, auf der Anwendungsprogramme ausgeführt und entwickelt werden können. Eine Internetplattform ist also eine Website, auf der sich Nutzer etwas ansehen, anhören, sich informieren oder miteinander diskutieren können. In Form eines Kommunikations-Netzwerks dient eine Plattform häufig zur Übermittlung von Wissen oder Daten. Auch Google, Facebook etc. nutzen das Plattform- Geschäftsmodell. Dokumente und andere Ressourcen werden im WWW mit Hilfe der URL (Uniform Source Locator), der Webadresse, aufgefunden. Webressourcen sind durch Hypertext- Links miteinander verbunden, die es dem Nutzer gestatten, von einem Dokument zu einem anderen zu gehen, indem er beispielsweise markierte Wörter oder Bilder anklickt. Auf Websites, die in Hypertext Markeup Lnguage (HTML) formatiert sind, kann man über das Internet zugreifen. Das Hypertext Transfer Protocol (http) dient der Übertragung der Daten, während HTML die Beschreibungssprache bezeichnet, die zur Darstellung der Daten im Web genutzt wird. (De Florio-Hansen 2019a, 292). Die eigentliche Entwicklung des Internets, so wie wir es heute kennen, beginnt mit der Erweiterung des Web 1.0 zum Web 2.0 in der 1980er Jahren. Mit dem Web 2.0 (heute sind wir bei Web 4.0 angekommen) eröffnete sich für den Nutzer die Möglichkeit, das Internet aktiv, d. h. für die Veröffentlichung eigener Beiträge, zu nutzen. Seine Verbreitung ist aufs engste mit dem Namen des am CERN (franz. Akronym für European Organisation for Nuclear Research) tätigen Tim Berners-Lee verbunden. Der britische Wissenschaftler hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass das Internet, welches ursprünglich in erster Linie den Geheimdiensten und einigen Experten diente, dergestalt demokratisiert wurde, dass jeder darauf Zugriff hat und vor allem auch selbst Texte, Bilder, Audio und Video unzensiert einstellen kann. Dass diese demokratische Entwicklung nicht immer wünschenswert ver‐ laufen ist und inzwischen zu erheblichen Auswüchsen geführt hat, ist Berners- Lee natürlich nicht verborgen geblieben. Mit Auswüchsen sind nicht nur Fake News, Hate Speech und Cybermobbing gemeint, sondern insbesondere dem Profit geschuldete Algorithmen, die das Suchtpotential fördern, Depressionen aus‐ lösen können und bei nicht wenigen Nutzern zu einem unerklärlichen Wandel in den politischen Anschauungen führen (vgl. Abschnitt 4). Nach ca. dreißig Französischunterricht im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 523 <?page no="524"?> Jahren hat Berners-Lee daher 2019 ein von über 80 Organisationen konzipiertes Dokument mit dem Titel Contract for the Web auf einer Konferenz vorgestellt, welches das Internet festigen (to fix the Internet) und vor einer digitalen Dystopie (digital dystopia) schützen soll (vgl. Wikipedia.org s.v.: Contract for the Web). 3.2 Unterrichtspraktische Überlegungen Bisweilen vertreten Lehrkräfte die Meinung, man solle auf elektronische Tech‐ nologien nur zurückgreifen, wenn man durch ihren Einsatz mehr erreichen könne als mit herkömmlichen Methoden und Medien. Diese Haltung ist aus verschiedenen Gründen problematisch: Klammert man die elektronischen Medien aus dem Französischunterricht weitgehend aus, fügt man dem Fach einen Imageschaden zu. Im Falle des weit‐ gehenden Verzichts nehmen die meisten Schülerinnen und Schüler den Fran‐ zösischunterricht als antiquiert wahr, insbesondere wenn in anderen Fächern, vor allem im Englischunterricht, digitale Medien häufig und selbstverständlich genutzt werden. In vielen Fällen ist mit dem Einsatz der elektronischen Technologien eine Steigerung der Motivation verbunden, auch wenn sich die Lernziele unter Umständen ohne die „neuen Medien“ erreichen lassen. Die Lernenden müssen es aber als widersinnig empfinden, dass die entsprechenden Medien im Franzö‐ sischunterrichtaußen vor bleiben, während sie nicht nur das Alltagsleben von Kindern und Jugendlichen, sondern auch das von Erwachsenen beherrschen. Dass es trotz des Einsatzes digitaler Medien nicht zu einer Verbesserung der Lernergebnisse kommt - vgl. auch die bei Tulodzieki et al. (2019) angeführte Annahme - liegt nicht unbedingt am mangelnden Mehrwert der elektronischen Technologien, sondern häufig auch daran, dass es an geeigneten Fortbildungs‐ maßnahmen fehlt. Wie mehrfach ausgeführt, geht es zwar um die konkrete Nutzung digitaler Medien im Unterricht, und zwar dann, wenn sie das Lernen erleichtern, diffe‐ renzierte Wege zu den Zielen und zusätzliche Perspektiven eröffnen. Die Haupt‐ aufgabe besteht aber darin, die Lernenden zu einem kritisch-konstruktiven Umgang mit den elektronischen Technologien, der digitalen Mündigkeit, zu führen - und zwar im Verbund mit anderen Medien. Wenn die Lernenden in der von Digitalisierung, KI und Robotik geprägten öffentlichen und privaten Welt die ihnen gebührenden Möglichkeiten jetzt und in Zukunft wahrnehmen sollen, dürfen auch Französischlehrkräfte keinesfalls auf diese Medien verzichten. Das gilt erst recht für die Anwendung von KI-Systemen. 524 Inez De Florio-Hansen <?page no="525"?> 3.3 Von herkömmlichen Medien zur Bildungstechnologie Die folgenden Gegenüberstellungen zeigen zum einen, dass sich die Medien ergänzen. Von Ersetzen kann in vielen Fällen nicht die Rede sein. Zum anderen bieten sich die folgenden Ergänzungen an, wenn man mit Schülerinnen und Schülern über das reine Wischen und Klicken hinaus tiefer in die Thematik einsteigen möchte. 3.3.1 Tafeln und Whiteboards Seit ca. 1990 werden interaktive Whiteboards (IWB), heute meist in Form von Smartboards, nicht länger nur in der Wirtschaft, sondern auch im Unterricht eingesetzt (vgl. De Florio-Hansen 2019a, 295). Der Vorteil eines IWB besteht in erster Linie darin, dass man für die verschiedenen Medien-Einsätze nur ein ein‐ ziges Gerät braucht. Lehrpersonen (und Lernende) nutzen IWBs hauptsächlich, um kontinuierlichen Zugang zum Internet zu haben, Inhalte zu visualisieren, erstelltes Material zu speichern und wiederzuverwenden, Materialien auf eine gemeinsame Plattform hochzuladen und mit anderen Schulen zu kooperieren (vgl. auch Thaler 2012, 74). 3.3.2 Lehrwerke und Lernsoftware Trotz der Möglichkeiten, die die Einbindung der verschiedensten Medien für das Lehren und Lernen fremder Sprachen eröffnet, bilden Lehrwerke und die zugehörigen Materialien nach wie vor die Grundlage des Unterrichts. Das gilt für den Französischunterricht in besonderem Maße. Gründe dafür sind die vermeintlich komplexere Struktur der französischen Sprache sowie die geringere Zeit, die für das Lernen zur Verfügung steht. Ohne Zweifel sind Lehrwerke unerlässliche Hilfsmittel für die Gestaltung des Unterrichts, sofern sie durch weitere Materialien und Medien ergänzt werden. Um sich Rechenschaft über die Gestaltung von Fremdsprachen-Lehrbüchern abzulegen, bietet sich ein Vergleich des im Unterricht verwendeten Lehrwerks mit einem älteren Lehrbuch an (vgl. De Florio-Hansen 2019a, 297: Les manuels scolaires hier et aujourd’hui). Es zeigt sich, dass auch in neueren Lehrwerken der Fokus immer noch auf Vollständigkeit liegt: Alle Vorgaben der Kultusmi‐ nisterien der 16 Bundesländer sollen in einem Lehrwerk abgedeckt werden. Eine umfängliche Studie mit dem Titel Appschaffung der Lehrkraft, die Torben Schmidt 2016 veröffentlicht hat, zeigt, dass sich im Laufe der Jahre wenig Veränderungen ergeben haben: Auch heute noch sind die Übungsinhalte selten in einen kommunikativen Kontext eingebunden. Französischunterricht im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 525 <?page no="526"?> 3.3.3 Text und Hypertext Man kann feststellen, dass es vielen Menschen zunehmend schwerfällt, zusam‐ menhängende Texte zu schreiben. Die Nutzung digitaler Medien hat nicht nur bei Kindern und Jugendlichen dazu geführt, dass die Regeln des guten Schreibens nicht mehr hinreichend beachtet werden. Das gilt nicht nur für Texte im Web, sondern auch für solche in Printmedien. Nicht nur das Lesen und Schreiben von SMS, Tweets und anderen Kurzmitteilungen hat Spuren hinterlassen; die Schreibstile werden zusätzlich durch Hypertexte beeinflusst. Un hypertexte est un document ou un ensemble de documents composé de plusieurs unités d’information qui sont liées entre elles par des hyperliens. Ce système permet à l’utilisateur d’aller directement, c’est-à-dire d’une façon non-linéaire, à l’unité qui l’intéresse. Beaucoup d’unités ne sont pas seulement textuelles, mais aussi audiovisuelles; dans ce cas on parle d’hypermédias. (De Florio-Hansen 2019a, S.-300) Das Web stellt folglich die Hypertext-Plattform des Internets dar. In den meisten Fällen haben die Schülerinnen und Schüler längst Erfahrungen mit Hypertexten und Hyperlinks gemacht. Da sie bei ihren Suchen in erster Linie mit den Inhalten beschäftigt sind, legen sich die wenigsten Rechenschaft über die Organisation von Hypertexten ab. 3.3.4 Lernplattformen und Open Educational Resources Aufgrund der rasanten Entwicklung und Verbreitung der elektronischen Tech‐ nologien verändern sich auch die Werkzeuge, die im Web Verwendung finden, so rasch, dass es für viele Tools keine exakte Definition gibt. So ist es beispielsweise schwierig, die Unterschiede zwischen dem älteren CALL (Computer Assisted Language Learning) und dem neueren CELL (Computer Enhanced Language Learning) genau zu benennen. Deshalb bietet es sich an, in erster Linie auf die Lernergebnisse zu fokussieren. Un learning management system (LMS) ou learning support system (LSS) est un logiciel qui accompagne et dirige le processus d’apprentissage ou un ensemble pédagogique. En français, il y a une série de dénominations parmi lesquelles ‘plateforme d’appren‐ tissage’, ‘formation ouverte et à distance’ (FOAD) ou ‘formation en ligne’ sont les plus courantes. (adapté de Wikipédia.fr s.v. Learning management system) Im Gegensatz zu Lernsoftware sind Lernplattformen komplexe Anwendungen, die den Nutzern ganz unterschiedliche Aktivitäten ermöglichen. Neben vielfäl‐ tigen Lerninhalten bestehen ihre Vorzüge vor allem in einer größeren Individua‐ lisierung des Lernens. Einerseits können die Nutzerinnen und Nutzer ihr Lernen selbst organisieren und überprüfen. Andrerseits haben Lehrpersonen oder 526 Inez De Florio-Hansen <?page no="527"?> Tutoren die Möglichkeit, das Lernen der Schülerinnen und Schüler im Detail mitzuverfolgen und ihnen jederzeit ein individuelles Feedback zu geben (vgl. auch zum Folgenden http: / / www.medienberatung.schulministerium.nrw.de/ ler n-it/ lernplattformen.htm). Das Bildungsportal von NRW listet die wichtigsten Potenziale von Lernplattformen wie folgt auf: Daten ablegen, Aufgaben erstellen und bearbeiten, Kommunizieren (Mail oder Chat), Mitteilungen senden, Arbeits‐ pläne erstellen, E-Content einbinden. Besonders hervorzuheben ist die Möglichkeit von Lernplattformen, Wikis zu erstellen. Wikis sind Hypertext-Systeme, deren Inhalte nicht nur gelesen, sondern auch online am Browser ergänzt und umgeschrieben werden können. Zudem ist es möglich, interne und externe Links sowie Bilder zu integrieren. Die vielfältigen Funktionen von Lernplattformen haben ihren Preis. Viele sind daher kostenpflichtig und oft sehr teuer (vgl. www.e-teaching.org/ technik/ distribution/ lernmanagementsysteme). Die meisten Kultusministerien machen Angaben zu sogenannter Open Source Software, die kostenfrei genutzt werden kann. Auch die UNESCO hält Open Educational Resources (OERs) bereit, um die Implementation von Lernplattformen in europäischen Schulen voranzubringen (vgl. https: / / openeducationalresources.de/ was-its-oer/ ). Es bietet sich an, die in Abschnitt 3.3.4 genannten Tools, in Fortbildungsver‐ anstaltungen zu thematisieren und sich im Verbund mit anderen Lehrerinnen und Lehrern Sammlungen von zielführenden Links anzulegen. 4 Informationstechnologie und Kommunikationstechnologie Wie oben dargelegt, hat die eigentliche Verbreitung des Internets bzw. des WWW mit dem Web 2.0 begonnen; von diesem Zeitpunkt an konnten die User auch selbst Beiträge einstellen, während sie vorher auf die Rolle passiver Nutzerinnen und Nutzer beschränkt waren. Auch der französische Begriff TIC (Technologie de l’Information et de la Communication) unterstreicht die Verbin‐ dung der beiden Bereiche. Dennoch nehme ich in der folgenden Darstellung eine Trennung vor: Zunächst gehe ich auf die wichtigsten Werkzeuge der Informationstechnologie ein, um anschließend die Nutzung der Kommunika‐ tionstechnologie im Französischunterricht anhand der wichtigsten Netzwerke darzustellen. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: • Noch immer suchen die Schülerinnen und Schüler - angeregt durch die Lehrkraft oder aus eigenem Antrieb - für Unterrichtszwecke in erster Linie Informationen im Web auf, ohne im schulischen Kontext in gleichem Umfang über das Internet zu kommunizieren. Nicht ohne Grund nennt das Französischunterricht im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 527 <?page no="528"?> KMK-Strategiepapier Bildung in der digitalen Welt (vgl. 2.2) als erstes der sechs Kompetenzfelder Suchen, Verarbeiten und Aufbewahren. • Häufig werden die Lernenden mit der Suche im Web allein gelassen, während das Auffinden der passenden Information sowie die Bewertung ihrer Zuverlässigkeit der Übung bedarf. Daher bietet sich vor allem in Lern‐ gruppen, die im Französischunterricht bisher wenig Erfahrungen mit dem Web gemacht haben, vorrangig die Suche im Netz und die Begutachtung der vorgefundenen Ergebnisse an. 4.1 Zur Nutzung der Informationstechnologie im Französischunterricht Depuis l’apparition des médias de l’information il y a quelques décennies, il est évident que les médias de l’information n’offrent aucune garantie d’un apprentissage effectif en soi, mais que l’enseignant doit faciliter l’usage de ces dispositifs. Il faut intégrer la technologie électronique moderne dans l’éducation d’une façon positive pour promouvoir un environnement d’apprentissage plus diversifié. Même si la technologie de l’information est considérée parfois comme supplément pour enrichir les méthodologies éprouvées, c’est l’enseignant qui introduit et explique les outils numériques. Les apprenants ont besoin d’indications claires quant à la manière et l’objectif de leur usage afin d’éviter des distractions et des dérivations. (De Florio- Hansen 2019a, 308) 4.1.1 Wikipedia Es besteht kein Zweifel, dass nicht nur Lehrpersonen, sondern auch die meisten Schülerinnen und Schüler immer häufiger nach Informationen in der online- Enzyklopädie Wikipedia suchen. Dieses von Nutzern gestaltete Lexikon exis‐ tiert seit 2001 und wird in fast 300 Sprachen veröffentlicht. Wikipedia und die damit verbundenen Werkzeuge (für einen Überblick siehe Wikipedia.org) bieten mehr als 40 Millionen Einträge, darunter über 2 Millionen in französischer Sprache. Wissenschaftliche Untersuchungen gehen davon aus, dass Wikipedia trotz gegenteiliger Vermutungen weniger Irrtümer enthält als Print-Lexika, die der Konkurrenz nicht standhalten konnten und inzwischen eingestellt wurden. Mit Blick auf das Fremdsprachenlehren und -lernen ist es sicher kein Nachteil, dass sich die Einträge zum gleichen Stichwort in verschiedenen Sprachen inhaltlich oft beträchtlich unterscheiden. Fortgeschrittene Schülerinnen und Schüler können beispielsweise die Einleitungstexte bzw. Definitionen zu Bande Dessinée in Wikipedia.fr und Comic in Wikipedia.de vergleichen. 528 Inez De Florio-Hansen <?page no="529"?> 4.1.2 Vergleich von Wörterbucheinträgen Mit der schlichten Eingabe der gesuchten Vokabel oder des fehlenden Ausdrucks mit dem Zusatz ‚französische Übersetzung‘ ist es keineswegs getan. Nehmen wir einmal an, die Lernenden suchen nach einer Entsprechung für ‚trainieren‘ im Sinn von ‚jemanden trainieren‘. Sie geben ‚trainieren französische Übersetzung‘ in eine Suchmaschine ein. Das erste Verb, welches sie erhalten, ist s’entraîner. Um nun aber die Entsprechung zu erhalten, die sie benötigen, müssen sie weitere online-Wörterbücher anklicken und die Einträge durchsehen, z. B. https: / / de.ba b.la/ woerterbuch/ deutsch-franzoesisch/ trainieren oder https: / / de.pons.com/ %C 3%BCbersetzung/ deutsch-franz%C3%B6sisch/ trainieren (letzter Zugriff Februar 2024). Besonders eignen sich online-Wörterbücher, die neben der Übertragung auch Beispiele in französischer Sprache sowie die zugehörige Übersetzung der Satzbeispiele ins Deutsche enthalten. Der folgende Unterrichtsvorschlag Comparez les entrées dans les dictionnaires imprimés et en ligne führt die Lernenden in einen Wörterbuchvergleich ein undmacht ihnen - hoffentlich - deutlich, dass es mit der einfachen Eingabe des gesuchten Wortes und ein paar Klicks nicht getan ist. Wenn sie sich wirklich Rechenschaft über die Bedeutung von einzelnen Vokabeln oder Ausdrücken ablegen wollen, müssen sie die gesuchten Items in einsprachigen und zweispra‐ chigen Print- und online-Wörterbüchern vergleichen. Der Vergleich gewährt Einblicke in die Vorzüge von online-Wörterbüchern und solchen in Printform, zeigt aber auch die jeweiligen Grenzen auf. Als Beispiel nehmen wir das Verb percevoir. Um die Suche für die Schüle‐ rinnen und Schüler nicht zu langwierig zu gestalten, gibt die Lehrkraft ausge‐ wählte online-Wörterbücher vor, welche die Lernenden vorrangig benutzen sollen. Diese Vorgaben begründet sie damit, dass die im Netz zur Verfügung stehenden Wörterbücher keineswegs gleichwertig sind. Mit der Zeit können die Lernenden aufgrund der Vorgaben und Empfehlungen der Lehrkraft für sich die zwei oder drei online-Wörterbücher auswählen, mit denen sie besonders erfolgreich und zeitsparend arbeiten. Haben die Lernenden nach Vorgaben der Lehrperson sowie nach eigener Wahl die wichtigsten Bedeutungen von percevoir herausgeschrieben, übersetzen sie die folgenden Sätze ins Deutsche: • Elle n’a rien perçu. • Il perçoit tout de suite le problème. • Jacques est souvent perçu comme perturbateur. • M. X perçoit beaucoup d’intérêts. • Ils sont très mal perçus. • Un ouvrier en Grèce ne perçoit pas le même revenu qu’un ouvrier en France. Französischunterricht im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 529 <?page no="530"?> Die Unterstützung durch die Lehrkraft ist unerlässlich, bis die Lernenden sich im Rahmen mehrerer Übungsphasen mit dem Vorgehen vertraut gemacht haben. 4.1.3 WebQuests Eine weitere wichtige Möglichkeit, die Suche der Lernenden nach Informa‐ tionen im Web zu unterstützen, sind WebQuest (recherche web). Dabei handelt es sich um Unterrichtsformate, bei denen die Schülerinnen und Schüler haupt‐ sächlich mit Informationen aus dem Web arbeiten. Damit der Hauptakzent tatsächlich auf den Lernaktivitäten liegt und sich nicht in der Suche nach geeigneten Informationen erschöpft, trifft die Lehrkraft eine Auswahl möglicher Ressourcen. Nach Georg Fässler (2013, 247) besteht eine WebQuest-basierte Aktivität aus sechs Schritten: 1. Einleitung 2. Aufgabe 3. Informationsquellen 4. Arbeitsprozesse 5. Anleitung 6. Evaluation/ Zusammenfassung. Über die Arbeit an den Unterrichtsinhalten hinaus tragen WebQuests zur Verbesserung der Medienkompetenz bei: Sie lenken die Aufmerksamkeit der Lernenden auf die entscheidenden Websites, tragen zum besseren Navigieren im Internet bei, vermitteln bisher unbekannte Suchstrategien, verstärken die Orientierung auf Websites in der Fremdsprache und begünstigen den Download von Text, Bildern und Audio-Dateien (vgl. Grünewald 2006, 165). Die Arbeit mit WebQuests setzt eine gut ausgebildete Lesekompetenz voraus. Dazu gehören das skimming, das rasche Überfliegen eines Textes auf der Suche nach der we‐ sentlichen Aussage, und das scanning, das Durchlesen auf der Suche nach einer bestimmten Information. Lehrkräfte finden eine große Zahl von WebQuest- Vorschlägen auf den Servern der Kultusministerien der Bundesländer, können sie aber auch selbst gestalten. 4.2 Kommunikationstechnologie und soziale Medien im Französischunterricht Generelle Unterscheidungen helfen bei der Auswahl geeigneter elektronischer Dienste für den Fremdsprachenunterricht: Eine nützliche Differenzierung ist die zwischen synchronem, also zeitgleichem Austausch, und asynchronen Kontakten. Die meisten Französischlernenden fühlen sich durch synchrone 530 Inez De Florio-Hansen <?page no="531"?> Kommunikation überfordert, weil sie ihnen nicht genug Zeit zum Nachdenken lässt. Zudem ist eine direkte Kommunikation allein aus organisatorischen Gründen meist nicht möglich. Wie kann man erwarten, dass die französische Partnerklasse genau zu der Zeit zur Verfügung steht, zu der der Französisch‐ unterricht in der deutschen Schule stattfindet? Synchrone online-Kontakte zwischen mehr als zwei Lerngruppen sind daher in der Regel von vorherein ausgeschlossen. Eine weitere wichtige Unterscheidung ist die zwischen geschriebener und mündlicher online-Kommunikation. Französischlernende bevorzugen schrift‐ liche Repliken, selbst wenn auch diese, wie z. B. beim Chat, sofort erfolgen müssen. Generell stellt sich die Frage, wie man Schülerinnen und Schüler dazu motivieren kann, die Herausforderungen anzunehmen und unmittelbar zu reagieren. Da verschriftete Chats, siehe Chat GPT, ohne großen Aufwand abgespeichert werden können, bieten sich Übungsphasen an, in denen die Lernenden ihre Äußerungen überarbeiten. Aus den genannten Gründen sowie inhaltlichen Erwägungen erfreuen sich E-Mail-Kontakte - es gibt sie seit 1984 - immer noch großer Beliebtheit. Sie gestatten es den Schülerinnen und Schülern, sich mit französischsprachigen Peers auch über heikle Fragen auszutauschen, z. B. Wie geht an mit Cyberbullying um oder: Wie kann man der Spielsucht begegnen? 4.2.1 Internetforen und soziale Netzwerke Für fortgeschrittene Lernende sind Internet-Foren eine gute Alternative zu verschrifteten Chats. Zwar stellen diese Foren hohe Anforderungen an die Schülerinnen und Schüler, denn es handelt sich um öffentliche, meist von französischen Muttersprachlern initiierte online-Diskussionen in Form von geposteten Nachrichten. Der Zugang wird aber dadurch erleichtert, dass man die archivierten Einträge meist ohne Login lesen kann. Oft sind Internet- Foren hierarchisch organisiert und ähneln durch ihre Sub-Foren der Hypertext- Struktur. Der Vorzug dieser online-Gemeinschaften besteht für die Schülerinnen und Schüler darin, dass sie die Posts in Ruhe lesen und anschließend einen Kommentar vorbereiten und einstellen können. Am besten unterstützt die Lehr‐ kraft individuelle Lernende anfänglich bei der Auswahl thematisch interessanter Foren sowie bei der Abfassung geeigneter Kommentare. Avec l’arrivée du réseau 2.0 une série de médias sociaux a été créée dans le domaine de la communication électronique. La plupart des utilisateurs, non seulement les enfants et les adolescents, profitent des médias du réseau social. Un réseau social est une structure qui unie une communauté en ligne et permet à ses utilisateurs de communiquer entre eux. Dans le contexte de l’éducation l’usage adéquat des médias Französischunterricht im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 531 <?page no="532"?> sociaux est un sujet délicat qui exige un traitement particulier, y compris les règles de la nétiquette. (De Florio-Hansen 2019a, 311) An dieser Stelle geht es nicht um eine Diskussion über BYOD (Bring Your Own Device/ etwa: apportez votre propre appareil). Es steht zu wünschen, dass die Schulen durch den Digital-Pakt entsprechend ausgestattet sind, so dass überflüssige Diskussionen dieser Art entfallen. Im Vordergrund steht auch nicht so sehr das Lernen mit Hilfe elektronischer Werkzeuge, als vielmehr die Ausbildung der mehrfach angesprochenen kritisch-konstruktiven Haltung gegenüber den sozialen Medien. Wie können Lehrkräfte ihre Schülerinnen und Schüler im Französischunterricht zum Nachdenken und zur Diskussion über die vielfältigen Gefahren sozialer Medien wie Facebook, X/ Twitter oder Insta‐ gram anregen? Wie können sie erreichen, dass sie nicht als „Spielverderber“ angesehen werden, die von den schönen neuen Tools keine Ahnung haben? In erster Linie geht es, wie wir alle wissen, um die Wahrung der Privatsphäre, die oft leichtfertig vernachlässigt wird. Viele Kinder und Jugendliche überbieten sich mit pikanten (häufig erfundenen) Details aus ihrem Leben, ohne zu bedenken, dass sie dadurch auch von anderen, z. B. Familienmitgliedern oder Freunden, Dinge preisgeben, die in der Öffentlichkeit nichts zu suchen haben. Nur um anderen zu imponieren, stellen viele (freizügige) Selfies ins Netz. Nun gibt es immer wieder Initiativen, nicht zuletzt von den Kultusbehörden und nachgeordneten Organisationen, die Maßnahmen gegen die verschiedenen Formen von Suchtverhalten propagieren, die aber im Ernstfall oft wirkungslos bleiben. In Abschnitt 5 gehe ich im Zusammenhang mit den Funktionen des Smartphones darauf ein, welche Gefahren von bestimmten Algorithmen ausgehen, ohne dass sich die Nutzer der sozialen Netzwerke Rechenschaft über diese Manipulationen ablegen. 4.2.2 Blogs und Podcasts In Abschnitt 4.1.1 wird die Online-Enzyklopädie Wikipedia als Informations‐ quelle beschrieben, die auch in französischer Sprache von den Schülerinnen und Schülern genutzt werden kann. Obgleich die wenigsten Lernenden davon Ge‐ brauch machen, sei darauf verwiesen, dass auch sie sich an der Erweiterung und Verbesserung von Wikipedia beteiligen können. Dazu rufen sie in Wikipedia.fr ein Stichwort auf, arbeiten den Eintrag durch und bringen gegebenenfalls Korrekturen an. Dafür bieten sich vor allem landeskundliche Begriffe oder aber die Namen von Popgrößen an. In diesem Sinn können auch andere Wikis aufgesucht und bearbeitet werden. Eine Möglichkeit speziell für Lehrkräfte stellt das ZUM-Wiki (Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet) dar. Es handelt sich um eine Plattform für Lehr- 532 Inez De Florio-Hansen <?page no="533"?> und Lernprozesse, die den gleichen demokratischen Prinzipien folgt wie alle Wikis. Jeder Einzelne kann allein oder in Kooperation mit anderen an der Gestaltung dieser Plattform mitwirken (https: / / wiki.zum.de/ wiki/ Hauptseite). Blogs (Weblogs) - der bekannteste ist der Mikroblog X/ Twitter - bestehen meist aus Webseiten mit Diskussionen und Informationen, die im WWW veröffentlicht werden (vgl. auch zum Folgenden De Florio-Hansen 2019a, 313). Die einzelnen Posts sind oft in einem informellen Tagebuchstil gehalten und in umgekehrter chronologischer Reigenfolge angeordnet. Während Blogs früher meist von Einzelpersonen gestaltet wurden, gibt es seit ca. 2010 auch Mehr- Autoren-Blogs. Die meisten Blogs, gleichgültig ob sie von Privatpersonen der beispielsweise von Journalisten und Wissenschaftlern gestaltet sind, gestatten es Besuchern, online Kommentare zu hinterlassen. Seit es Blog-Hosting-Dienste und besondere Blog-Software gibt, können aber auch im Unterricht problemlos Blogs geschrieben und ins Netz einge‐ stellt werden, auch solche, die nicht nur aus Text bestehen, sondern durch verschiedene Medien angereichert sind. Zudem können Blogs auf allen digitalen Werkzeugen, also auch auf Smartphones, geschrieben werden. Im Französisch‐ unterricht bietet sich die Gestaltung von Blogs nicht nur wegen ihrer leichten Handhabbarkeit, sondern vor allem wegen ihrer Beliebtheit an. Klassen bzw. Lerngruppen sind Gemeinschaften mit den gleichen Interessen. Sie können beispielsweise ihre unterschiedlichen Meinungen zum gleichen Thema in fran‐ zösischsprachigen Posts festhalten und sie nach entsprechender Überarbeitung ins Netz zu stellen. Besonders bewährt haben sich Litblogs, die auf Literatur fokussieren und folglich auch für andere Klassen oder Lerngruppen interessant sind, die das gleiche literarische Werk gelesen haben. Bisweilen ergibt sich aus der schulübergreifenden Kooperation ein Projekt, das der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann. Französische Blogs, die sich mit dem Erlenen der Sprache beschäftigen, sind oft zu stark auf Wortschatz und Grammatik ausgerichtet, aber dennoch interessant, z.-B. http: / / clasedemiriam.blogspot.com Ça, c’est mon blog ! Un outil qui ouvre un nouveau chemin pour enseigner ce que j’aime le plus, le français. Mais ce n’est pas un blog pour apprendre la langue (ou pas seulement), je veux vous introduire dans un nouveau monde qui, petit à petit, deviendra aussi votre monde : gastronomie, culture, fêtes traditionnelles, musique, cinéma, enfin, tout ce que je pense qui puisse faire plus intéressant l’apprentissage d’une langue, connue par plusieurs comme la ‘langue de l’amour’. N’hésitez pas à naviguer et découvrir ce site, votre site. Soyez les bienvenus ! Französischunterricht im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 533 <?page no="534"?> Podcasts (eine Kontraktion aus iPod und broadcast) sind Audio- oder Video- Dateien zum asynchronen Gebrauch. Da man sie auf alle mobilen Geräte, sogar auf den MP3-Player, herunterladen kann, können Interessenten sie zu jeder für sie passenden Zeit abhören oder lesen. Wenn man sich auf bestimmte Podcasts abonniert, erreichen sie den User - generell gebührenfrei - auf seinem digitalen Gerät. Bekannte Podcast-Gestalter vermarkten ihre Popula‐ rität. Diesogenannten Influencer (influenceur/ influenceuse) gestatten es Firmen gegen Bezahlung, Produktwerbung in ihren Podcasts (oder in anderen sozialen Medien) zu platzieren. Im Französischunterricht werden Podcasts - sie sind inzwischen ein aner‐ kanntes Medium - hauptsächlich für das Abhören von Muttersprachlern ge‐ nutzt. Selbstverständlich können die Lernenden auch selbst Podcasts erstellen, wenn sie sich denn die online-Kommunikation zutrauen (Liste mit Podcasts für den Französischunterricht sowie Vorschläge für die Gestaltung eigener Podcasts vgl. De Florio-Hansen 2019a, 321). 5 Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik 5.1 Warum KI und Robotik im Französischunterricht? Über die Vermittlung von fachlichem Wissen und Können und der Ausbildung entsprechender Kompetenzen hinaus leistet schulischer Unterricht einen wich‐ tigen Beitrag zur fachlichen und lebensweltlichen Bildung der Schülerinnen und Schüler. Das bedeutet, dass alle Lehrpersonen, also auch Französischlehrerinnen und -lehrer, geeignete didaktische und pädagogische Maßnahmen ergreifen müssen, damit die Lernenden nicht nur im Hier und Jetzt angemessen agieren können, sondern auch hinreichend auf ihr späteres berufliches und privates Leben vorbereitet sind. Aufgrund der rasanten Entwicklung der elektronischen Technologien genügt es nicht, das Lernen an geeigneten Stellen mit Hilfe digitaler Medien zu un‐ terstützen. Wie oben mehrfach angedeutet, spielt vielmehr das Lernen über elektronische Medien in jedem Unterricht eine zentrale Rolle; und das betrifft insbesondere KI. Künstliche Intelligenz gibt es schon sei Mitte der 1950 Jahre. Aber erst seit Ende 2022 ist sie durch das KI-Sprachmodell ChatGPT und verschieden KI-Bildgeneratoren ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit getreten. Wer die hinter den digitalen Errungenschaften, vor allem KI-Systemen, ste‐ hende Technik und ihre Vor- und Nachteile auch nur annähernd verstehen will, benötigt Grundkenntnisse in KI und Robotik. Vor allem gilt es, sich Rechenschaft über die Bedeutung und die Auswirkungen von Algorithmen abzulegen, um beispielsweise die Ergebnisse von Such- oder Empfehlungsalgorithmen kritisch 534 Inez De Florio-Hansen <?page no="535"?> zu hinterfragen (vgl. 5.2 und 5.3). Kenntnisse über KI und Robotik sind aber auch im Zusammenhang mit den verschiedenen Formen von Computerspielen) sowie den Auswirkungen von Smarten Maschinen (machines intelligentes) und Robotern auf die für die Lernenden früher oder später relevante Arbeitswelt von elementarer Wichtigkeit (vgl. 5.4). Im Französischunterricht geht es weniger darum, die technischen Errungen‐ schaften zu analysieren. Wenn sie von sachkundigen und verantwortungsbe‐ wussten Data Scientists programmiert werden (vgl. Zweig 2019), sind KI und Algorithmen von sich aus neutral. Sie werfen aber zahlreiche ethische Fragen auf, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Nur wer über die nötigen Kenntnisse verfügt, kann dazu beitragen, dass die elektronischen Technologien ihr positives Potential entfalten und Menschen keinen Schaden zufügen. 5.2 Wo steht KI heute? Welche Entwicklungen sind absehbar? Der Begriff ‚Künstliche Intelligenz‘ ist irreführend. Zum einen fehlt es bisher an einer einschlägigen Definition von (menschlicher) Intelligenz. Zum zweiten verfügen Menschen über verschiedene Ausprägungen von Intelligenz, z. B. kognitive Intelligenz, emotionale Intelligenz und soziale Intelligenz sowie einer Reihe weiterer Charakteristika wie Bewusstsein und Selbstbewusstsein. Drit‐ tens hat KI bisher noch wenig mit menschlicher Intelligenz gemein. Es fällt auf, dass Experten, die sich im Rahmen der Informatik mit diesem Bereich beschäftigen, die bisherigen Möglichkeiten von KI realistisch einschätzen (z. B. Kaplan 2016, dtsch. 2017; Mitchell 2019; vgl. auch Specht 2018). Das gilt auch für Philosophen wie Markus Gabriel, die sich im Rahmen der Ethik in ihren Publikationen damit befassen. Auf der anderen Seite gibt es Spezialisten, vor allem im Unternehmensbereich wie beispielsweise Elon Tusk, die dazu tendieren, Horrorszenarien à la Sci-Fi zu entwerfen: Angeblich werden wir bald von Maschinen dominiert, welche die Spezies Mensch möglicherweise auslöschen, um selbst die Herrschaft auf diesem Planeten zu übernehmen. Mit diesen einleitenden Bemerkungen sollen die Gefahren, die von KI aus‐ gehen können, keineswegs heruntergespielt werden. Eine adäquate Reaktion auf die konkreten Probleme und ethischen Fragen, die sich aus den verschie‐ denen Ausprägungen von KI ergeben, setzt in jedem Fall eine ausreichende Kenntnis über diesen Bereich voraus. Eine realistische Einschätzung der IA (Intelligence Artificielle) bietet der folgende Text der Bechtle AG, einer der größten IT-Firmen weltweit: Französischunterricht im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 535 <?page no="536"?> Quels sont les avantages offerts par l’intelligence artificielle ? Le nombre d’utilisations possibles de l’intelligence artificielle est énorme. Elles ont cependant toutes une base commune : les informations ou les données et leur analyse. L’IA peut par exemple : • Analyser et mettre à disposition des volumes de données très importants (Big Data) en un minimum de temps. • Reconnaître les objets et les situations rapidement et agir immédiatement (par exemple dans le cadre du trafic routier ou de la lutte contre la criminalité) • Tirer des conclusions portant sur l’avenir à partir de données et de situations comparables (par ex. dans le domaine de la prévention médicale, de la maintenance d’appareils techniques ou des assurances). Même si l’intelligence artificielle se contente souvent de reproduire ce que ferait l’Homme, elle est cependant nettement plus efficace. Lorsque par exemple, des milliards de données sont analysées, l’intelligence artificielle est capable de retrouver précisément les deux données qui se correspondent ou se complètent. Cette performance serait beaucoup trop complexe pour l’Homme et impossible à réaliser du point de vue de la durée requise. (https: / / www.bechtle.com/ ch-fr/ solutions-infor matiques/ business-applications/ intelligence-artificielle, letzter Zugriff Februar 2024) In Tandems oder in Vierergruppen können die Lernenden definieren, auf welchen Grundlagen KI arbeitet und was sie leisten kann: Lisez le texte, par lequel l’entreprise Bechtle introduit ses „produits“, c’est-à-dire des applications de l’Intelligence Artificielle (IA). Quelles sont les bases de l’IA? Quels sont les résultats? Pourquoi, selon ce texte publicitaire, l’IA est parfois plus efficace que l’Homme ? Was also bedeutet KI? Es handelt sich um Computersysteme, die menschliche Intelligenz nachahmen. Sie unterscheiden sich von ausgeklügelter Software, wie z. B. der selbstständigen Heizungssteuerung, durch die Fähigkeit, „abstrakte Probleme zu lösen, zu lernen, sowie mit Unsicherheiten und Wahrscheinlich‐ keiten umzugehen“ (Specht 2018, 222). Generell unterscheidet man zwischen einer schwachen KI und einer starken KI. Eine starke KI müsste nicht nur alle kognitiven Leistungen erbringen können, zu denen das menschliche Gehirn fähig ist, sondern darüber hinaus über Bewusstsein, Gefühle und einen freien Willen verfügen. Davon sind wir weit entfernt. Das beweist nicht zuletzt der Turing-Test. Der britische Forscher Alin Turing hat vor Jahrzehnten einen Test entworfen, bei dem ein Proband über Computer mit zwei Gesprächspartnern kommuniziert. Der eine ist ein Mensch, der andere ein Chatbot. Bisher konnten 536 Inez De Florio-Hansen <?page no="537"?> Versuchspersonen den menschlichen Partner immer vom computergesteuerten Bot unterscheiden. KI-Anwendungen haben in den letzten Jahrzehnten erhebliche und seit Ende 2022 rasante Fortschritte gemacht. Diese bestehen vor allem darin, dass die Systeme nicht länger auf bestimmte Anwendungen beschränkt sind. Man kann ChatGPT oder dem neuen Gemini Advanced von Google (vormals Bard), aber auch Bildgeneratoren wie DALL-E3 des kalifornischen Forschungsunter‐ nehmens OpenAI jede Frage stellen bzw. jeden Auftrag mithilfe von Prompts (Eingabeaufforderungen) erteilen, die Tools werden in Sekundenschnelle eine Lösung generieren. Ob sie immer richtig ist und vor allem ob sie den Erwar‐ tungen der Nutzerin oder des Nutzers entspricht, sei dahingestellt. Übt man das Prompting nur ausdauernd genug, wird man in den meisten Fällen mit dem Output zufrieden sein. Bis vor einigen Jahren war KI auf bestimmte Anwendungen beschränkt. Ein Meilenstein in der Entwicklung von KI, ist Alpha Go von Google, ein Computer, der 2016 den Weltmeister im japanischen Brettspiel Go besiegt hat. Die beson‐ dere Leistung dieser Software besteht darin, dass sie sich auf der Grundlage der Fülle eingegebener Daten selbst, d. h. ohne Zutun eines Programmierers, weiterentwickelt hat. Dabei kommen das sogenannte Maschinelle Lernen und das Deep Learning ins Spiel, die freilich noch keine starke KI ausmachen. Nicht nur bei Brettspielen, sondern auch in zahlreichen anderen Bereichen hat KI große Fortschritte gemacht. Wichtige Anwendungsgebiete sind, wie soeben angedeutet, Bild- und Spracherkennung. Im Fremdsprachenunterricht bietet es sich an, die Schülerinnen und Schüler mit Übersetzungssoftware arbeiten zu lassen. Anhand kurzer Texte können sie überprüfen, inwieweit die Übersetzung ins Französische oder ins Deutsche ihren Qualitätskriterien entspricht. Veranlasst man Lernende dadurch nicht, auch bei den Hausaufgaben oder sonstigen schu‐ lischen Aktivitäten auf solche Werkzeuge zurückzugreifen? Zum einen haben die Schülerinnen und Schüler diese Möglichkeiten vermutlich längst von sich aus entdeckt und nutzten sie. Zum anderen darf man nicht vergessen, dass auch Berufsübersetzer in Verlagen und Organisationen derartige Software nutzen und den Texten anschließend nur noch den letzten Schliff geben. Die meisten Werkzeuge dieser Art sind kostenpflichtig und werden von den Arbeitgebern angeschafft. Für einen Versuch im Französischunterricht kann man das frei im Internet zugängliche Tool https: / / www.deepl.com/ translator (letzter Zugriff Februar 2020) ausprobieren, das aus mehreren Sprachen in mehrere Sprachen übersetzt. Bisweilen bietet es sich auch für Sprachmittlungsaufgaben an. Das Fazit, welches Wissenschaftler und Experten ziehen, besagt, dass KI bisher stets auf die Eingabe geeigneter Daten angewiesen ist, auch wenn die Französischunterricht im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 537 <?page no="538"?> Software diese zum Teil „selbstständig“ bearbeitet. Und wie steht es mit KI im Bereich der Kunst? Ohne Vorgaben kann keine Software Bilder gestalten, und die Unvollendete von Beethoven wird nur durch Nachahmung zu Ende geführt. Mit Kreativität hat dies nichts zu tun. Selbst wenn es eines Tages eine KI-Anwendung geben sollte, die Bewusstsein zu haben scheint, ist dies nicht mit dem menschlichen Bewusstsein gleichzusetzen. Überhaupt ist der Vergleich zwischen künstlicher und biologischer Intelligenz aus meiner Sicht nicht zielführend. Schließlich sind Flugzeuge auch keine künstlichen Vögel (vgl. Kaplan 2016). Das bedeutet nicht, dass wir uns die bisherigen Errungenschaften von KI nicht zu Nutze machen sollten. Für Schülerinnen und Schüler ist es sicher interessant, sich mit französischen Jugendlichen über die Möglichkeiten und Grenzen von KI auszutauschen. Welche Erfahrungen haben sie gemacht? Welche Bedenken haben sie? Worin bestehen für sie wichtige Möglichkeiten? 5.3 Welche Rolle spielen Algorithmen? Alle in Abschnitt 5.2 genannten Anwendungen und Aktivitäten und viele weitere basieren auf mehr oder weniger ausgeklügelten Algorithmen. Ohne Algorithmen wäre unser Handy lediglich ein Telefon. Es gäbe keine sozialen Medien, keine Computerspiele, kein Internet der Dinge sowie keine Smarten Maschine und keine Roboter. Vereinfacht ausgedrückt ist ein Algorithmus eine Folge von Anweisungen zur Lösung eines Problems. Diese Definition trifft freilich auch auf ein Kochrezept zu. Üblicherweise wird aber bei Rezepten ein gewisser Spielraum hinsichtlich der Zutaten und/ oder der Zubereitungszeit gelassen. Une recette de cuisine peut être réduite à un algorithme si on peut réduire sa spécification aux éléments constitutifs: • des entrées (les ingrédients, le matériel utilisé). • des instructions élémentaires simples (frire, flamber, rissoler, braiser, blanchir, etc.), dont les exécutions dans un ordre précis amènent au résultat voulu. • un résultat: le plat préparé. Cependant, les recettes de cuisine ne sont en général pas présentées rigoureusement sous forme non ambiguë: il est d’usage d’y employer des termes vagues laissant une liberté d’appréciation à l’exécutant alors qu’un algorithme non probabiliste stricto sensu doit être précis et sans ambiguïté. (Wikipédia.fr s.v. : algorithme) Ein Algorithmus muss also den Vorgaben in jeder Hinsicht strikt folgen. Die Voraussetzung für einen computertauglichen Algorithmus ist die Digitalisie‐ 538 Inez De Florio-Hansen <?page no="539"?> rung, d. h. die Umwandlung einzelner Schritte in einen computerlesbaren Code. Es gibt, wie angedeutet, unzählige Definitionen des Terminus Algorithmus. Zahlreiche Wissenschaftler, aber auch Philosophen haben mit ihren Umschrei‐ bungen zum besseren Verständnis beigetragen. Eine nachvollziehbare Defini‐ tion ist die des russischen Mathematikers A. A. Markov (1954): En mathématiques, ‘algorithme’ se comprend généralement comme une prescription exacte, définissant un processus de traitement qui mène à partir de données initiales variées, au résultat voulu […] Les trois caractéristiques suivantes sont propres aux algorithmes et déterminent leur rôle en mathématique: a. la précision de la prescription, ne laissant aucune place à l’arbitraire, et sa compréhensibilité universelle, donc l’aspect défini de l’algorithme; b. la possibilité de démarrer avec des données initiales, pouvant varier dans des limites données, la généralité de l’algorithme; c. l’orientation de l’algorithme dans la recherche d’un résultat voulu, qui doit s’obtenir en finale à partir de ses données initiales propres: la propriété de conclusion de l’algorithme. Aus dieser Definition folgt, wie oben angedeutet, dass Algorithmen nur so gut sind, wie die Daten und Anweisungen, auf denen sie beruhen. Ein einfaches Beispiel ist ein Suchalgorithmus: Ein Autofahrer möchte von A nach B gelangen, und zwar auf dem besten Weg. Bevor der Algorithmus arbeiten kann, muss er wissen, was der Fahrer unter dem besten Weg versteht: Die kürzeste Entfer‐ nung? Die kürzeste Wegzeit? Welche ‚Bequemlichkeiten‘, z. B. Rastplätze etc., erwartet der Fahrer entlang der Strecke? Ähnlich verhält es sich mit Empfehlungsalgorithmen: Wenn einzelne Schü‐ lerinnen und Schüler auf ihrem Smartphone nach einer Jacke für sich suchen, erhalten sie ganz unterschiedliche Ergebnisse. Diese Unterschiede kommen durch zahlreiche Kriterien zustande, welche die Anbieter in erster Linie durch die sozialen Netzwerke erhalten. Was hat die Person vorher gesucht, wie lange ist sie bei einzelnen Angeboten verweilt, welche zusätzlichen Informationen hat sie über das Internet eingeholt und vor allem: Welche Jacken haben andere Nutzer mit einem ähnlichen Profil angesehen und gekauft? Das Beispiel ist stark vereinfacht, aber es macht deutlich, warum Facebook, Instagram, X/ Twitter und Co. ein so großes Interesse an unseren Likes und sonstigen Zustimmungs‐ bekundungen haben. Bevor der Hinweis kommt: ‚Das könnte dir auch gefallen‘ … haben unzählige Algorithmen im Hintergrund gewirkt. Wer ohne besondere Vorsicht seine Daten in den sozialen Medien preisgibt nach dem Motto: „Ich habe ja nichts zu verbergen.“, kann sich und anderen großen Schaden zufügen. Französischunterricht im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 539 <?page no="540"?> Eine Unterrichtseinheit kann darin bestehen, dass die Lernenden ihre Er‐ fahrungen mit Suchbzw. Empfehlungsalgorithmen (algorithme de recherche, algorithme de recommandation) an einem Beispiel schildern, bei einem Muse‐ umsrundgang die drei aussagekräftigsten Darstellungen auswählen und diese an ihre französischen Partner schicken, um deren Erfahrungen kennenzulernen. Der anschließende Vergleich lässt Rückschlüsse auf das Verhalten der jeweiligen Nutzer im Internet zu und kann zu wichtigen Einsichten verhelfen. Nun ist es keineswegs gravierend, wenn die angebotenen Jacken nicht gefallen. Viel schwerwiegender sind vor allem zwei Aspekte, die an dieser Stelle nur kurz angesprochen werden können (in erweiterter Form vgl. De Florio-Hansen, 2020). Von eminenter Wichtigkeit sind Algorithmen, die Entscheidungen anstelle von Menschen bzw. über Menschen treffen. Positiv werden im allgemein die großen Fortschritte im Bereich der Medizin bewertet, wo Algorithmen im Verbund mit Ärzten bei der Diagnose und der Therapie schwerer Krankheiten helfen können. Auch bei der Erkennung von Hautkrebs leisten sie gute Dienste. Problematisch wird es nach Meinung vieler Experten (vgl. Zweig 2019), wenn die Software entscheidet, welcher Bewerber eingestellt wird und welcher nicht, oder wer von der Kreditvergabe ausgeschlossen wird. Die Daten der betroffenen Personen werden oft ohne deren Wissen benutzt, und häufig können die Verantwortlichen dem Bewerber nicht sagen, warum sie oder er ausgeschlossen wurde. Das liegt daran, dass die Software aus der Fülle der Daten weiterlernt und eigene Rückschlüsse zieht, die selbst von Programmierern ab einem gewissen Punkt nicht mehr nachvollzogen werden können. Besonders gravierend sind solche Entscheidungen im Bereich des Strafvollzugs. In den USA wurden entsprechende Softwareprogramme zur Bestimmung der Rückfallquote in einigen Bundesstaten von den Gerichten benutzt. Wenn das Profil eines Straffälligen Übereinstimmungen mit dem anderer Krimineller aufwies, die rückfällig geworden waren, wurde eine schwerere Strafe verhängt (weitere Details bei Zweig 2019). Es kann im Französischunterricht nicht darum gehen, alle informatorischen Einzelheiten zu klären. Fälle unethischer Nutzung von Algorithmen sollten aber insoweit behandelt werden, dass die Lernenden jetzt und in Zukunft den Mut und passende Argumente finden, um solchen Machen‐ schaften Einhalt zu gebieten. Ein Vergleich der entsprechenden Gesetzgebung in Deutschland und Frankreich bietet sich an. Mindestens ebenso gefährlich sind meines Erachtens die Auswirkungen von Softwareanwendungen, die alle in ihren Smartphones mit sich herumtragen, oft ohne sich dessen bewusst zu sein. Insbesondere WhatsApp, welches zu Facebook gehört, ist in der letzten Zeit verstärkt in die Kritik geraten, sodass sich sogar 540 Inez De Florio-Hansen <?page no="541"?> die traditionellen Printmedien mit den negativen Effekten befassen (vgl. Stern 06. 02. 2020). An dieser Stelle geht es darum, dass die Sprache leidet, viele Menschen heute nicht mehr mit der Hand schreiben (wollen oder können) oder dass face-to-face-Begegnungen abnehmen. Dem kann man entgegenwirken, auch wenn ein Umdenken und vor allem eine Verhaltensänderung nicht leicht zu erreichen sind. Die Digitalisierung, das Internet und das Web sowie soziale Medien haben unschätzbare Vorteile, die die wenigsten von uns missen wollen, ganz zu schweigen davon, dass man sich selbst und vor allem die zukünftigen Generationen durch einen Verzicht ins Abseits katapultieren würde. Unter den zahlreichen Wissenschaftlern und sonstigen Experten, die die gravierenden Folgen der Sozialen Medien angeprangert haben, spielt Jaron Lanier, ein Silicon Valley Pionier auf dem Gebiet der Virtuellen Realität, eine herausragende Rolle. Bereits 2014 ist er mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. Im Jahr 2018 hat er ein Buch vorgelegt mit dem Titel: Ten Arguments for Deleting Your Social Media Accounts Right Now (Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst). Darin zeigt er anhand einschlägiger Quellen, dass die häufige Nutzung der sozialen Medien aufgrund der Algorithmen zwangsläufig zu Suchtverhalten und Depressionen führt. Weitere Gründe für den Verzicht auf Facebook und Co. sind nach Lanier der Verlust des freien Willens, ein Schwinden der Empathiefähigkeit und nicht selten ein Wechsel in den politischen Überzeugungen. Mit diesen Einsichten steht er nicht allein; er hat sie jedoch publikumswirksam gebündelt und auf den Punkt gebracht. Lanier unterstellt den Kollegen im Silicon Valley jedoch keineswegs, dass sie diese Wirkungen mit ihren Algorithmen auslösen wollen. Vielmehr nehmen sie um des Profits willen die erheblichen negativen Effekte bei den Usern in Kauf. Laniers Buch ist 2020 in französischer Überset‐ zung unter dem Titel: Stop aux réseaux sociaux! 10 bonnes raisons de s’en méfier et de s’en libérer erscheinen. Im Unterricht kann man - gegebenenfalls im Austausch mit französischen Jugendlichen - den Präsentationstext bei Amazon.fr diskutieren: Pourquoi nous libérer des réseaux sociaux nous rendra plus heureux : les arguments qui encouragent à sauter le pas. Ce livre révèle l’envers du décor et nous invite à faire les meilleurs choix possibles pour reprendre le contrôle de nos vies. Jaron Lanier, pionnier de la Silicon Valley et génie de la haute technologie, nous alerte sur les dangers des médias sociaux et nous explique pourquoi leurs effets toxiques sont au cœur de leur conception. En 10 arguments simples, il nous encourage à nous libérer de leur emprise pour améliorer notre vie et le monde qui nous entoure. Französischunterricht im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 541 <?page no="542"?> Les médias sociaux nous isolent, nous rendent tristes, craintifs, tribaux et moins empathiques, voire nous mettent en colère. Jaron Lanier s’appuie sur son expertise pour nous expliquer comment, en nous surveillant constamment et en nous manipulant sans que nous en soyons conscients, ils ont des effets dangereux sur nous. Outre ces dix arguments simples, le manifeste de Lanier nous propose une vision alternative offrant les avantages des médias sociaux sans leurs inconvénients. Si vous aspirez à une vie plus heureuse, à un monde plus juste et plus pacifique, ou simplement à la possibilité de penser par vous-même, arrêtez les réseaux sociaux. Tout de suite! Der oben erwähnte Markus Gabriel, Professor für Ethik und KI-Experte, vertritt eine ähnliche Position, auch wenn er sie nicht so radikal äußert wie Lanier (vgl. Kulturzeit.de 07. 02. 2010). Seiner Ansicht nach haben wir die Kontrolle über die Struktur der sozialen Medien verloren; wir spielen eine Art Sozial- Go gegen die KI. Durch unser mehr oder weniger ausgeprägtes Suchtverhalten fühlen wir uns veranlasst, immer wieder das Smartphone zur Hand zu nehmen und nachzuschauen, um ja nichts zu verpassen. Diese emotionalen Reaktionen hat die KI in uns einprogrammiert. Gabriel findet das höchst problematisch, ist aber der Ansicht, dass wir diesen Kontroll‐ verlust rückgängig machen können. Wie zu erwarten, spielen die Anbieter der großen Plattformen wie Facebook oder X/ Twitter nicht mit. Es scheint, dass ihnen hate speech und ähnliches sogar gelegen kommt, denn wissenschaftliche Studien belegen, dass Angst zum Kaufen veranlasst. Nach Ansicht von Gabriel ist Gewalt - gleichgültig ob sie real oder virtuell ausgeübt wird - immer problematisch. Letztlich sieht er dadurch die Demo‐ kratie gefährdet, weil die sozialen Medien keiner nationalen Gesetzgebung unterliegen. Der Kampfmodus wird immer aufrechterhalten, denn bei Facebook oder X/ Twitter kann man bisher keine Gerichtsentscheidung wie in einem Rechtsstaat herbeiführen. Die Plattformen ziehen sich damit aus der Affäre, dass sie für die Inhalte nicht verantwortlich sind. Daher plädiert er dafür, dass die na‐ tionalstaatlichen Gesetze auch in den sozialen Netzwerken anerkannt werden. Vorallem aber sind wir selbst gehalten, bei der Nutzung des Smartphones unser Verhalten bei jedem Schritt zu überwachen. Erst dann können wir die Kontrolle zurückgewinnen. 5.4 Welche Auswirkungen haben Smarte Maschinen und Roboter auf Arbeitsmarkt und Gesellschaft? Digitalisierung und KI haben nicht nur unseren Umgang miteinander sowie den mit Nachrichten und Informationen grundlegend verändert, sondern auch 542 Inez De Florio-Hansen <?page no="543"?> den Arbeitsmarkt. Obgleich die Automatisierung von Arbeitsabläufen schon seit Jahrzehnten zu beobachten ist, hat erst der Einsatz sogenannter Smarter Maschinen seit der Jahrtausendwende zu einer massiven Veränderung geführt. Als Smarte Maschine wird ein auf ausgeklügelten Algorithmen basierendes Softwareprogramm bezeichnet, welches - oft in Gestalt von Robotern bzw. ro‐ boterähnlichen Greifwerkzeugen - monotone sowie anstrengende Tätigkeiten ausführt, die vorher von menschlichen Arbeitskräften erledigt wurden. Wenn ein Unternehmen konkurrenzfähig bleiben will, kommt es nicht umhin, einen mehr oder weniger großen Teil der anfallenden Arbeiten von Smarten Ma‐ schinen verrichten zu lassen. Die Vorzüge liegen auf der Hand: Die Maschinen führen die Arbeiten in gleichbleibender Qualität aus, sind Tag und Nacht im Einsatz und ermüden nicht. Die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt sind beträchtlich: Zahlreiche Jobs sind weggefallen, andere haben eine so starke Veränderung erfahren, so dass die Arbeitnehmer, die mit der Kontrolle betraut sind, viel stärker auf lebenslanges Lernen angewiesen sind, als dies früher der Fall war. Auf der anderen Seite haben Smarte Maschinen und Roboter auch zur Schaffung neuer Arbeitsplätze beigetragen. Smarte Maschinen kommen aber nicht nur in Betrieben zum Einsatz, sondern beispielsweise auch in der Altenpflege. Die Hersteller dieser Software sind bemüht, den Smarten Maschinen ein möglichst menschliches Ansehen zu geben. Dann spricht man von einem humanoiden Roboter. Einmal davon abgesehen, dass viele ältere Menschen die Pflege durch einen Menschen der durch einen Roboter vorziehen würden, haben Untersuchungen ergeben, dass zu große Ähnlichkeit mit uns Menschen keineswegs immer von Vorteil ist. Während Japaner an humanoiden ‚Empfangsdamen‘ in Hotels keinen Anstoß nehmen, flößen humanoide Doppelgänger vielen Menschen Angst ein. Genauer gesagt: die Ähnlichkeit mit Menschen wird nur bis zu einem gewissen Grad akzeptiert. Wird eine bestimmte Grenze aber überschritten, macht sich Ablehnung breit. Über diesen Punkt können sich die Lernenden im Französischunterricht untereinander, aber auch mit französischsprachigen Peers austauschen. Das ist besonders deshalb angesagt, weil NAO, ein in Frankreich konzipierter relativ kleiner humanoider Roboter auch bei uns in der universitären Lehre (z. B. Anglistik Uni Marburg) und im schulischen Unterricht (z. B. Primarstufe in Bayern) eingesetzt wird. Auszüge aus Wikipédia.fr (s.v. NAO (robotique); letzter Zugriff Februar 2024) vermitteln den Lernenden einen ersten Eindruck. Im Tandem bearbeiten sie die folgenden Fragen und diskutieren anschließend darüber im Plenum: Qui a créé Nao? Dans quels domaines est-il utilisé? Avec quels résulats? Französischunterricht im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 543 <?page no="544"?> NAO est un robot humanoïde français, autonome et programmable, initialement développé par la société Aldebaran Robotics, une start-up française située à Paris, rachetée par le groupe japonais SoftBank Group en 2015 qui la renomme en SoftBank Robotics. Le 15 août 2007, Nao remplace le chien robot Aibo de Sony en tant que robot utilisé dans la RoboCup Standard Platform League (SPL), une compétition internationale de robots joueurs de football. Nao a été utilisé dans la RoboCup 2008 et 2009, et le NaoV3R a été choisi comme plate-forme pour le SPL à la RoboCup 2010. Plusieurs versions du robot ont été déployées depuis 2008. Le Nao Academics Edition a été développé pour les universités et les laboratoires à des fins de recherche et d’éducation. Il a été mis à la disposition des institutions en 2008 et du grand public en 2011. Diverses mises à jour de la plate-forme Nao ont été publiées depuis, notammentla Nao Next Gen 2011 et la Nao Evolution 2014. […] Les robots Nao ont été utilisés à des fins de recherche et d’éducation dans de nombreuses institutions académiques du monde entier. En 2015, plus de 5 000 unités Nao sont utilisées dans plus de 50 pays. Dass Nao auch beim RoboCup zum Einsatz kommt, wie oben berichtet, ist mittei‐ lenswert, wenn man die Möglichkeiten von Robotern angemessen einschätzen will. Angeblich soll eine Robotermannschaft im Jahr 2050 Fußballweltmeister‐ werden. Man kann sich fragen, warum das noch so lange dauern soll, wo KI und Algorithmik sich doch so rasant weiterentwickeln. Während man Smarten Maschinen und Robotern eine Reihe von Handgriffen beibringen kann, gilt aber immer noch das sogenannte Paradox von Moravec. Hans Moravec, ein austro-kanadischer, in den USA tätiger Wissenschaftler, hat bereits in den 1980er Jahren die Feststellung gemacht, dass es relativ einfach ist, Algorithmen so zu programmieren, dass sie beachtliche kognitive Leistungen erbringen können. Einem Computer die Fertigkeiten eines einjährigen Kindes hinsichtlich Wahrnehmung und Beweglichkeit beizubringen, ist äußerst aufwendig. Vor allem hapert es den Smarten Maschinen an Gleichgewichtssinn. Bereits 1986 hat die japanische Firma Honda einen Prototyp ihres human‐ oiden Roboters Asimo vorgestellt, der noch relativ unbeweglich war. Während eine Reihe von Informatikern am Äußeren der Roboter arbeiten und ihr Ebenbild zu erschaffen suchen (z. B. Hiroshi Ishiguro), konzentrieren sich andere Forscher auf die Weiterentwicklung der Beweglichkeit. Einen Höhepunkt in diesem Bereich stellt der Roboter Atlas von Boston Dynamics dar, einer Firma, die auch autonome Waffen herstellt. Im Jahr 2017 hat Atlas einen Rückwärtssalto vorgeführt. Moravecs Paradox gilt aber noch immer: Mit Tätigkeiten, die Menschen leichtfallen, tun sich Roboter schwer. Menschen sind körperlich hoch gerüstet 544 Inez De Florio-Hansen <?page no="545"?> (vgl. Specht 2018, 239 ff.). Zusammenfassend kann man festhalten: Nicht nur im kognitiven Bereich, sondern auch im körperlichen Bereich besteht keine Gefahr, Roboter könnten den Menschen übertreffen, obgleich sie inzwischen zu Lösungen kommen können, die ihnen kein Trainer vorgeführt hat. Als zeitlose Maxime für die Roboterprogrammierung gelten die drei Gesetze, die der amerikanische Schriftsteller Isaac Asimov schon vor fast achtzig Jahren vorgeschlagen hat: Exposées pour la première fois dans sa nouvelle Cercle vicieux (Runaround, 1942) mais annoncées dans quelques histoires plus anciennes, les lois sont : 1. Un robot ne peut porter atteinte à un être humain, ni, en restant passif, permettre qu’un être humain soit exposé au danger; 2. Un robot doit obéir aux ordres qui lui sont donnés par un être humain, sauf si de tels ordres entrent en conflit avec la première loi; 3. Un robot doit protéger son existence tant que cette protection n’entre pas en conflit avec la première ou la deuxième loi. (Wikipédia.fr s.v. Trois lois de la robotique) 6 Welche ethischen Probleme ergeben sich? Wie können wir ihnen begegnen? Generell geht es darum, die Würde des Einzelnen, seine Selbstbestimmung und Handlungsfreiheit zu schützen. Wir müssen die Schülerinnen und Schüler darauf vorbreiten, Grenzen zu ziehen zwischen dem, was technisch machbar und dem, was ethisch vertretbar ist. Wie wir den Einschränkungen und Schäden, die wir durch die Sozialen Medien erleiden, begegnen können, wurde bereits oben angesprochen. Die folgenden Denkanstöße - es handelt sich um eine kleine Auswahl möglicher Handlungsoptionen - können und sollen auch beim Lehren und Lernen von Fremdsprachen thematisiert werden. Dass KI und Robotik im Bereich der Medizin gute Erfolge zu verzeichnen haben, sollte niemand veranlassen, seinen Körper zu verändern. Selbstopti‐ mierung, bei der Microchips oder ähnliches in menschliche Körper einge‐ pflanzt werden, ist prinzipiell abzulehnen. Die Handlungen der daraus entste‐ henden Cyborgs können nicht mehr mit konventionellen Maßstäben gemessen werden. Außerdem machen Unzulänglichkeiten, welcher Art auch immer, unser Menschsein aus. Folgen wir dem Optimierungswahn, verdrängen wir das Zwischenmenschliche (vgl. Specht 2018, 335). Ähnlich sieht das auch der Zukunftsforscher Gerd Leonhard in seinem Buch Technology vs. Humanity: Unsere Zukunft zwischen Mensch und Maschine (2017; Französischunterricht im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz 545 <?page no="546"?> Technology vs. Humanity: The coming clash between man and machine 2016): Er fordert für uns Menschen das Recht ein, unsere Menschlichkeit höher zu bewerten als Effizienz. Immer dann, wenn Technik nicht nur Mittel zum Zweck ist, sondern zum Selbstzweck entartet, ist Vorsicht geboten. Es kann sich nicht alles nur um Profitmaximierung drehen. Vielmehr bedarf es einer Reihe von Regularien. Bisher reagiert der Gesetzgeber jedoch viel zu zaghaft. Zwar ist die EU- Datenschutz- Grundverordnung von 2018 ein Schritt in die richtige Richtung. Es sind aber weitere Gesetzesinitiativen nötig. In Arbeit befindet sich u. a. eine Europäische Charta für digitale Grundrechte, die zur Diskussion und Mitwirkung anregen soll (vgl. https: / / digitalcharta.eu/ letzter Zugriff Februar 2024). Bibliographie Bos, Wilfried et al. (2014): ICILS 2013. Computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern in der 8.-Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich. Münster/ New York: Waxmann. Cope, Bill/ Kalantzis, Mary (2009): Multiliteracies: New Literacies, New Learning, in: Pedagogies: An International Journal 4/ 3, 164-195. 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As Variedades do Português no Ensino de Português Língua N-o Materna 2019, 225 Seiten €[D] 68,- ISBN 978-3-8233-8221-8 15 Daniel Reimann, Ferran Robles i Sabater, Raúl Sánchez Prieto (Hrsg.) Kontrastive Pragmatik in Forschung und Vermittlung Deutsch, Spanisch und Portugiesisch im Vergleich 2019, 381 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-8233-8124-2 16 Marta García García, Manfred Prinz, Daniel Reimann (Hrsg.) Mehrsprachigkeit im Unterricht der romanischen Sprachen Neue Konzepte und Studien zu Schulsprachen und Herkunftssprachen in der Migrationsgesellschaft 2020, 409 Seiten €[D] 68,- ISBN 978-3-8233-8385-7 17 Lukas Eibensteiner Transfer im schulischen Drittspracherwerb des Spanischen Wie L2-Kenntnisse des Englischen, Französischen und Lateinischen den L3- Erwerb von perfektivem und imperfektivem Aspekt im Spanischen beeinflussen 2021, 361 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-8233-8435-9 18 Elissa Pustka (Hrsg.) La prononciation du français langue étrangère Perspectives linguistiques et didactiques 2021, 481 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-8233-8428-1 <?page no="550"?> 19 Christian Helmchen, Sílvia Melo-Pfeifer, Julia von Rosen (Hrsg.) Mehrsprachigkeit in der Schule Ausgangspunkte, unterrichtliche Herausforderungen und methodischdidaktische Zielsetzungen 2021, 308 Seiten €[D] 68,- ISBN 978-3-8233-8305-5 20 Cornelia Döll, Christine Hundt, Daniel Reimann (Hrsg.) Pluricentrismo e heterogeneidade O Ensino do Português como Língua de Herança, Língua de Contato e Língua Estrangeira 2022, 470 Seiten €[D] 82,- ISBN 978-3-8233-8487-8 21 Eva M. Hirzinger-Unterrainer (Hrsg.) Aufgabenorientierung im Italienischunterricht Ein theoretischer Einblick mit praktischen Beispielen 2024, ca. 200 Seiten €[D] 58,- ISBN 978-3-8233-8509-7 22 Carmen Konzett-Firth, Alexandra Wojnesitz (Hrsg.) Mündlichkeit im Französischunterricht: Multiperspektivische Zugänge 2022, 323 Seiten €[D] 68,- ISBN 978-3-8233-8496-0 23 Lukas Eibensteiner, Amina Kropp, Johannes Müller-Lancé, Claudia Schlaak (Hrsg.) Neue Wege des Französischunterrichts Linguistic Landscaping und Mehrsprachigkeitsdidaktik im digitalen Zeitalter 2022, ca. 250 Seiten €[D] 68,- ISBN 978-3-8233-8477-9 24 Elissa Pustka (Hrsg.) La bande dessinée Perspectives linguistiques et didactiques 2022, 540 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-8233-8486-1 25 Daniel Reimann (Hrsg.) Geschichte und Gegenwart der romanistischen Fachdidaktik und Lehrkräftebildung Geschichte und Gegenwart der romanistischen Fachdidaktik und Lehrkräftebildung 2024, 548 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-8233-8578-3 26 Ferran Robles, Kathrin Siebold (Hrsg.) El español y el alemán en contraste y sus implicaciones didácticas Nuevas aportaciones desde la gramática, la traducción y la lingüística de corpus 2022, 288 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-8233-8593-6 <?page no="551"?> 27 Juliane Costa Wätzold A Língua de Herança em contexto n-oformal de aprendizagem: o caso da transmiss-o intergeracional do Português Um estudo qualitativo 2023, 389 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-8233-8603-2 28 Katrin Schmiderer Produktiver und rezeptiver Grammatikerwerb im schulischen Italienischunterricht Eine Lernersprachenanalyse 2023, 267 Seiten €[D] 68,- ISBN 978-3-8233-8599-8 29 Jennifer Wengler Emotionales Erleben der mündlichen Fehlerkorrektur Eine Einschätzung von Lernenden im Französischunterricht 2023, 376 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-8233-8623-0 30 Daniel Reimann Kompendium Fachdidaktik Romanistik. Französisch - Italienisch - Spanisch Band I: Grundlagen 2023, 565 Seiten €[D] 118,- ISBN 978-3-381-10241-9 31 Daniel Reimann Kompendium Fachdidaktik Romanistik. Französisch - Italienisch - Spanisch Band II: Sprachdidaktik 2024, ca. 550 Seiten €[D] 108,- ISBN 978-3-381-10541-0 32 Daniel Reimann Kompendium Fachdidaktik Romanistik. Französisch - Italienisch - Spanisch Band III: Medien-, Kultur- und Literaturdidaktik 2024, ca. 400 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-381-10551-9 33 Daniel Reimann, Christian Koch (Hrsg.) Novas perspetivas na didática do português como língua adicional: políticas educacionais - currículos - aplicações Neue Perspektiven für die Didaktik des Portugiesischen als Fremd-, Zweit- und Herkunftssprache: Bildungspolitische Aspekte - Curricula - Praxisbeispiele 2024, ca. 300 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-8233-8588-2 34 Elissa Pustka (Hrsg.) (Apprendre) le français en Autriche Französisch (lernen) in Österreich 2024, ca. 320 Seiten €[D] 68,- ISBN 978-3-8233-8576-9 35 Gwendoline Lovey Interaktives Sprechen im lehrwerkbasierten Fremdsprachenunterricht der Grundschule Interaktives Sprechen im lehrwerkbasierten Fremdsprachenunterricht der Grundschule 2024, ca. 400 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-381-12031-4 <?page no="552"?> BUCHTIPP Das „Kompendium Fachdidaktik Romanistik“ betritt in zweierlei Hinsicht Neuland: erstmals wird eine umfassende, sprachenübergreifend konzipierte Einführung in die Fachdidaktiken der drei großen romanischen Schulsprachen Französisch, Spanisch und Italienisch vorgelegt. Diese erfolgt in derart vertiefter Form, dass das Werk nicht nur als Einführung, sondern auch als studienbegleitende Lektüre, als Repetitorium am Ende des Studiums und als Grundlage für die vertiefende Ausbildung im Referendariat ebenso geeignet ist wie für die individuelle Fortbildung praktizierender Lehrkräfte. Band I ist den „Grundlagen“ der romanistischen Fachdidaktik(en) gewidmet und behandelt die folgenden Themen: Definitionen, Disziplinen und Diskurse - Geschichte des Unterrichts der romanischen Sprachen - Bildung durch Fremdsprachenunterricht - Rahmenbedingungen des Fremdsprachenunterrichts - Unterrichtsplanung und Unterrichtsmethoden - Differenzierung und Inklusion - Professionalisierung und Berufsperspektiven - Forschungsmethoden. Daniel Reimann Kompendium Fachdidaktik Romanistik Französisch - Italienisch - Spanisch Band I: Grundlagen Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung (RFU), Vol. 30 1. Auflage 2023, 565 Seiten €[D] 118,00 ISBN 978-3-381-10241-9 eISBN 978-3-381-10242-6 Bände in Arbeit: (auch als Bundle erhältlich) Band II: Sprachdidaktik Band III: Medien-, Kultur- und Literaturdidaktik Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de <?page no="553"?> Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung 25 ISBN 978-3-8233-8578-3 Die Fachdidak�k hat sich in den letzten Jahrzehnten in der deutschsprachigen Romanis�k als eigenständige Teildisziplin neben Linguis�k, Literatur- und Kulturwissenscha� etablieren können. Die Fachgeschichte dieser Teildisziplin ist indes noch zu schreiben. Während die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts selbst - die bis ins 19. Jahrhundert hinein ganz überwiegend eine Geschichte des Unterrichts der romanischen Sprachen, insbesondere des Französischen, war - bereits rela�v gut erforscht ist, bestehen im Bereich der Erforschung der Geschichte der Lehrkrä�ebildung in den romanischen Sprachen und der Geschichte der akademischen Disziplin „Fachdidak�k“ noch große Lücken. Diesen Desiderata in der Historiographie der Fremdsprachenforschung einerseits und der Romanis�k andererseits möchte der vorliegende fachgeschichtlich ausgerichtete Band begegnen, indem er unterschiedliche Untersuchungen und Einzelfallstudien zur Geschichte und zur Gegenwart der romanis�schen Fachdidak�k und Lehrkrä�ebildung aus verschiedenen regionalen Kontexten und mit Fokus auf das 19. und 20. Jahrhundert vereint.