eBooks

Olympiodors Kommentar zu Platons Alkibiades

Untersuchung, Text, Übersetzung und Erläuterungen

0424
2023
978-3-8233-9590-4
978-3-8233-8590-5
Gunter Narr Verlag 
Cagla Umsu-Seifert
10.24053/9783823395904

Der Neuplatoniker Olympiodor (6. Jh. n. Chr.) fand in der Forschung erst in den letzten Jahrzehnten als Philosoph Beachtung. Cagla Umsu-Seifert diskutiert in diesem Band aktuelle Forschungsthesen zu Olympiodor und erklärt die zentralen Aspekte seiner Philosophie. Die Autorin legt darüber hinaus erstmals eine Übersetzung von Olympiodors Kommentar zu Platons Alkibiades ins Deutsche vor, die mit umfangreichen Anmerkungen erläutert wird. Die Philosophie Olympiodors wird dabei im Kontext der platonischen Tradition, der antiken Literatur und anderer Bildungsbereiche wie der Medizin in Alexandria beleuchtet. So bietet der Band eine umfassende Darstellung der Philosophie Olympiodors und zeigt, dass seine Exegese keineswegs hinter der des Proklos zurücksteht, sondern sich durch das pädagogische Ziel und die Aufgabe auszeichnet, die Vorzüge der platonischen Philosophie hervorzuheben.

<?page no="0"?> ISBN 978-3-8233-8590-5 www.narr.de Der Neuplatoniker Olympiodor (6. Jh. n. Chr.) fand in der Forschung erst in den letzten Jahrzehnten als Philosoph Beachtung. Cagla Umsu-Seifert diskutiert in diesem Band aktuelle Forschungsthesen zu Olympiodor und erklärt die zentralen Aspekte seiner Philosophie. Die Autorin legt darüber hinaus erstmals eine Übersetzung von Olympiodors Kommentar zu Platons Alkibiades ins Deutsche vor, die mit umfangreichen Anmerkungen erläutert wird. Die Philosophie Olympiodors wird dabei im Kontext der platonischen Tradition, der antiken Literatur und anderer Bildungsbereiche wie der Medizin in Alexandria beleuchtet. So bietet der Band eine umfassende Darstellung der Philosophie Olympiodors und zeigt, dass seine Exegese keineswegs hinter der des Proklos zurücksteht, sondern sich durch das pädagogische Ziel und die Aufgabe auszeichnet, die Vorzüge der platonischen Philosophie hervorzuheben. Cagla Umsu-Seifert Olympiodor - Alkibiades Olympiodors Kommentar zu Platons Alkibiades Untersuchung, Text, Übersetzung und Erläuterungen von Cagla Umsu-Seifert <?page no="1"?> Olympiodors Kommentar zu Platons Alkibiades <?page no="2"?> CLASSICA MONACENSIA Münchener Studien zur Klassischen Philologie Herausgegegeben von Martin Hose und Claudia Wiener Band 59 · 2023 <?page no="3"?> Cagla Umsu-Seifert Olympiodors Kommentar zu Platons Alkibiades Untersuchung, Text, Übersetzung und Erläuterungen <?page no="4"?> Umschlagabbildung: Marmorsphinx als Basis. Neapel, Museo Nazionale, Inv. 6882. Guida Ruesch 1789. H: 91 cm INR 67. 23. 57. Su concessione del Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo - Museo Archeologico Nazionale di Napoli. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Zugleich Dissertation an der Ludwig-Maximilians-Universität München. DOI: https: / / www.doi.org/ 10.24053/ 9783823395904 © 2023 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach CPI books GmbH, Leck ISSN 0941-4274 ISBN 978-3-8233-8590-5 (Print) ISBN 978-3-8233-9590-4 (ePDF) www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> Vorwort und Danksagung Die vorliegende Arbeit stellt eine leicht überarbeitete Fassung meiner im Juli 2021 an der Philosophischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München eingereichten Dissertation vor. Ziel dieser Studie ist es, Olympiodors Kommentar zum Alkibiades im Lichte des aktuellen Forschungsstandes darzustellen. Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: A. Einleitung B. Untersuchung des Kommentars C. Text und Übersetzung D. Anmerkungen Mein großer Dank gilt Prof. Dr. Martin Hose, der meine Arbeit über diesen langen Zeitraum unterstützt und mit vielen Inspirationen bereichert hat. Meinem Zweitbetreuer, Prof. Dr. Andreas Schwab, danke ich für seine Geduld und die Zeit, die er sich für Korrekturen und Kommentare zur eingereichten Version genommen hat. Mein besonderer Dank gilt meinem Mann, Karsten Seifert, und meiner Schwester, Buket Umsu, die mir mit viel Verständnis und Engagement zur Seite standen. Während der Arbeit an meiner Dissertation erhielt ich hilfreiche Anregungen von den Mitarbeitern des Instituts für Gräzistik der LMU, Annamaria Peri, Christina Abenstein, Manuela Wunderl und Oliver Schelske, denen ich ebenfalls sehr dankbar bin. Meinem Kollegen Paul Sommer-Weisel danke ich für die stilistischen Hinweise. Herrn Tillmann Bub und Frau Barbara Landwehr vom Narr-Verlag danke ich für die angenehme Zusammenarbeit. München, im März 2023 Cagla Umsu-Seifert <?page no="7"?> Inhalt Vorwort und Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 A. Einleitung I. Olympiodor in seinem sozialhistorischen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1. Zu Olympiodors Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2. Die platonische Bildung in der justinianischen Epoche . . . . . . . . . 13 3. Olympiodors Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 4. Die Spezifik des Kommentar-Korpus von Olympiodor . . . . . . . . . . 19 II. Der Alkibiades in der platonischen Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 III. Forschungsstand zu Olympiodors Alkibiades-Kommentar . . . . . . . . . . . 26 IV. Die Fragestellung und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 B. Untersuchung des Kommentars I. Der strukturelle Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Der Titel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Die Abschnitte des Dialogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Das Unterrichtskonzept als Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 4. Kreisförmige Erzählstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 5. Zusammenfassung der formalen Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 II. Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. Sprachphilosophische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1.1 Aufgabe der Exegese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1.2 Die Rede als Lebewesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1.3 Das exegetische Fragenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1.3.1 Die Absicht ( σκοπός ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1.3.2 Der Nutzen ( χρήσιμον ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1.3.3 Die Stellung ( τάξις ) und die Gliederung ( διαίρεσις ) 62 1.3.4 Die Bedeutung des Skopos für die exegetische Praxis 63 1.4 Sprache als Werkzeug der Exegese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 <?page no="8"?> 2. Ethische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2.1 Die Tugendgrade bei Olympiodor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2.2 Die politische Tugend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2.3 Die kathartische Tugend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2.3.1 Katharsis und Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2.3.2 Die sokratische Katharsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2.4 Übergänge der Tugenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3. Erkenntnistheoretische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.1 Die göttliche und menschliche Erkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.2 Sinneswahrnehmungen in der platonischen Philosophie . . 86 3.3 Selbsterkenntnis und Sinneswahrnehmung im Alkibiades . 89 3.4 Olympiodors Betrachtungen zu Sinneswahrnehmungen . . 90 3.5 Zwei Wege der Erkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 III. Exegetische Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Sprachorientierte Exegese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Performanz und Wahrnehmung des platonischen Dialogs . . . . . . 105 3. Gebrauch von Wahrnehmungswörtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 IV. Olympiodor als Lehrer der platonischen Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . 113 C. Text und Übersetzung I. Die Textüberlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 II. Editionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Die Editio princeps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Westerinks kritische Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 III. Olympiodors Platon-Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 IV. Die Gestaltung des vorliegenden Texts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Liste der abweichenden Textstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Die Editionen antiker Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 V. Zur Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1. Überblick bisheriger Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1.1 Übersetzungen des Alkibiades-Kommentars . . . . . . . . . . . . . . 128 1.2 Übersetzung des platonischen Alkibiades . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 8 Inhalt <?page no="9"?> 2. Die Vorgehensweise der Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2.1 Methodischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2.2 Interpunktion und Textstrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 VI. ΣΧΟΛΙΑ ΕΙΣ ΤΟΝ ΠΛΑΤΩΝΟΣ ΑΛΚΙΒΙΑΔΗΝ - Kommentare zu Platons Alkibiades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 D. Anmerkungen Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 670 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672 Inhalt 9 <?page no="11"?> A. Einleitung <?page no="12"?> I. Olympiodor in seinem sozialhistorischen Kontext 1. Zu Olympiodors Leben Über Olympiodors 1 Leben sind nur spärliche Daten überliefert. Aufgrund eigener Hinweise auf Ammonios als seinen Lehrer 2 und auf Alexandria als die Stadt, in der er lebte, 3 kann geschlossen werden, dass er im 6. Jh. n. Chr. in Alexandria als Philosoph tätig war. Wie Simplikios und Philoponos, war auch Olympiodor ein Schüler von Ammonios, der Kommentare zu Aristoteles verfasste und ungefähr zwischen 440 und 520 n. Chr. lebte. 4 Ammonios war der Sohn des alexandrinischen Philosophen Hermeias und studierte in Athen Philosophie. Nach seiner Rückkehr nach Alexandria übernahm Ammonios, wie sein Vater Hermeias, einen öffentlich finanzierten Lehrstuhl in der alexandrinischen Bildungsstätte. 5 Olympiodor gilt als Philosoph, der in seiner Lehrtätigkeit an Ammonios anknüpfte; daher wird angenommen, dass er als dessen Nachfolger die Leitung der alexandrinischen Philosophenschule übernahm. 6 Ammonios ’ Tod kann auf 1 Der Platoniker im 6. Jh. n. Chr. wird auch als Ὀλυμπιόδωρος ὁ Νεώτερος (der Jüngere) bezeichnet, um ihn von dem ebenfalls alexandrinischen Philosophen gleichen Namens, der am Anfang des 5. Jh. lebte, zu unterscheiden. Zur Identität des ‚ älteren ‘ Olympiodor siehe Saffrey 2005. 2 Olympiodor erwähnt Ammonios als „ unseren Philosophen “ im Kommentar zu Aristoteles ’ Meteorologie (Olymp. in Mete. 6,23; 51,29 - 30) und zu Platons Gorgias ( ὁ φιλόσοφος ὁ ἡμέτερος Ἀμμώνιος , Olymp. in Grg. 40.5,27). Obwohl Olympiodor woanders Ammonios als seinen Vorfahren bezeichnet ( πρόγονος , Olymp. in Mete. 153,7), erklärt Westerink (1990, S. 328) dazu, dass dieser Ausdruck nicht im einfachen Sinne „ Großvater “ bedeute, sondern darauf hinweise, dass zwischen Ammonios ’ und Olympiodors Lehrtätigkeit einige Zeit und möglicherweise ein anderer ‚ Scholarch ‘ lag. 3 Olympiodor nennt Alexandria „ unsere Stadt “ (Olymp. in Mete. 169,34) und erwähnt Hephaistos, einen Archon von Alexandria (um 546 n. Chr.), mit der Aussage: „ hier wurde er Archon “ (Olymp. in Alc. 2,80 - 82). 4 Für eine ausführlichere Darstellung der ‚ Ammonios-Schule ‘ siehe Griffin 2016b und Blank 2010. 5 Watts 2006, S. 209 - 210. Diese Feststellung beruht sowohl auf der Überlieferung bei Damaskios (Dam. Isid. Fr. 124 [Zintzen]) als auch auf anderen Zeugnissen über die Bildung in Alexandria. Zu den archäologischen Befunden über den Schulkomplex in Alexandria siehe Majcherek 2010. Den Umfang der gelehrten Fächer in der alexandrinischen Schule des 6. Jh. n. Chr. erläutert Sorabji 2014. 6 Einige Zeugnisse erwähnen jedoch Eutokios, einen anderen Schüler des Ammonios, als seinen Nachfolger. Eutokios soll Mathematik und aristotelische Logik gelehrt haben. Der <?page no="13"?> die Zeit zwischen 517 und 526 n. Chr. datiert werden. 7 Das späteste von Olympiodor erhaltene Werk ist der Kommentar zur aristotelischen Meteorologie aus dem Jahre 565 n. Chr. 8 Dies legt nahe, dass Olympiodor wahrscheinlich in diesem Jahr noch als Philosophielehrer tätig war. Über sein späteres Leben und seinen Tod ist nichts bekannt. Demzufolge korrespondiert Olympiodors Karriere mit der Zeit der Herrschaft des Kaisers Justinian (527 - 565 n. Chr.). 2. Die platonische Bildung in der justinianischen Epoche Die justinianische Epoche wurde in der früheren Forschung mit dem Niedergang der antiken Philosophietradition identifiziert, der durch die sogenannte Schließung der athenischen Akademie, ausgehend von einem Edikt im Jahre 529, eingeleitet wurde. Alan Cameron vertrat dagegen die Auffassung, dass eine ‚ Schließung ‘ in diesem Sinne wahrscheinlich nicht stattgefunden habe, sondern dass die Beschlagnahmung des Besitzes der Akademie um 560 n. Chr. noch nicht vollständig vollzogen war. 9 Außerdem, so Cameron, demonstrieren Zeugnisse, alexandrinische Exeget Elias weist auf die Vorlesungen des Eutokios zu Porphyrios ’ Isagoge hin (Elias in APr. 134,4 - 5). Dies wird auch durch die erhaltenen Kommentare bestätigt, die Eutokios zu den Schriften des Archimedes und des Apollonios von Perge geschrieben hat. Zu den Werken des Eutokios siehe Folkerts 1998. Vgl. dazu Wildberg 2005, S. 320. Einer weit akzeptierten Forschungsmeinung zufolge soll Olympiodor nach Eutokios die Philosophielehre als ‚ Scholarch ‘ übernommen haben, da seine Kommentare ihn als einen „ großen Philosophen “ bezeichnen. Dieser Ausdruck findet sich beispielsweise am Anfang des Alkibiades-Kommentars ( ἀπὸ φωνῆς Ὀλυμπιοδώρου τοῦ μεγάλου φιλοσόφου ). 7 Folglich kann Olympiodor nach Opsomer (2010, S. 697) nicht später als 505 n. Chr. geboren worden sein. 8 Dieses Datum kann durch die Erwähnung eines Kometen (Olymp. in Mete. 52,31) festgestellt werden, der 565 n. Chr. gesichtet wurde; vgl. Westerink 1976, S. 21. 9 Cameron 1969, S. 11. Hier verweist Cameron auch auf Olympiodors Bemerkung, dass bis zum Zeitpunkt der Abfassung des vorliegenden Kommentars das Stiftungsvermögen ( τὰ διαδοχικά , was auch die finanzielle Ausstattung der Lehrer bezeichnet) der Akademie behalten wurde, obwohl viele Beschlagnahmungen stattfinden würden (Olymp. in Alc. 141,2 - 3: διὸ καὶ μέχρι τοῦ παρόντος σῴζονται τὰ διαδοχικά , καὶ ταῦτα πολλῶν δημεύσεων γινομένων ). Ausgehend von der Datierung des Alkibiades-Kommentars um 560 n. Chr. scheint es, dass die Gesetzgebung Justinians im Jahr 529 nicht zu einer unmittelbaren Einstellung der Aktivitäten der athenischen Akademie geführt hatte. Zur ausführlichen Erklärung dieser Datierung siehe Westerink 1962, S. XIV - XV und im Folgenden Anm. 25. Watts (2004, S. 178 - 179) zeigt außerdem, dass die Textbelege, einschließlich desjenigen von Malalas, die auf ein Verbot der Philosophie hindeuten, größtenteils falsch interpretiert werden und dass Justinians Edikt nur den Philosophieunterricht in der Form verbieten würde, wie er zu dieser Zeit in Athen durchgeführt wurde, während es nicht gegen den Philosophieunterricht an sich gerichtet war. Darüber I. Olympiodor in seinem sozialhistorischen Kontext 13 <?page no="14"?> dass die athenische Akademie nach einer Krise in den vorangegangenen Jahrzehnten unter der Leitung von Damaskios wiederbelebt wurde. 10 In der gegenwärtigen Forschung wird weitestgehend akzeptiert, dass Justinians Herrschaftszeit kein abruptes Ende der Beschäftigung mit der antiken Philosophie, sondern eine vielfältige und lebendige Übergangsperiode darstellt, die sich an der späteren ‚ byzantinischen Philosophie ‘ manifestiert. 11 Olympiodors philosophische Tätigkeit ist zunächst aufgrund seiner sozialgeschichtlichen Umstände auf besonderes Interesse gestoßen: Ausgehend von der Annahme, dass pagane Philosophen zur Zeit Justinians unter politischem Druck große Schwierigkeiten erleben mussten, fand Olympiodor als „ letzter paganer Philosoph “ der Spätantike Beachtung. 12 Die Namen seiner Nachfolger, Elias und David, unterstützten überdies die Interpretation, dass die Philosophie in Alexandria nach Olympiodor von einem christlichen Gesellschaftskreis praktiziert wurde. 13 Gegen diese Annahmen spricht die Tatsache, dass Olymhinaus begründet Watts (2006, S. 137), dass die heidnische Lehre in Athen nach 532 n. Chr. fortgesetzt wurde, wenn auch nicht in großem Umfang. Im Gegensatz dazu, so Watts (ebd.), passten die alexandrinischen Lehrer ihren Unterricht besser an die soziopolitischen Gegebenheiten an, obwohl auch sie Heiden waren. 10 Vgl. ebd. S. 29. Diese Krisenzeit geht aus verschiedenen Quellen hervor. Zum einen verweist Cameron (1969, S. 14) auf Simplikios, der in Athen lehrte und in seinen Werken die Spannungen zwischen ‚ Tyrannei ‘ und Politik erwähnte. Zum anderen gibt es den Bericht des Historikers Agathias über die sieben Philosophen, die Athen nach dem Edikt Justinians in Richtung Persien verließen (ebd. S. 7). Es ist jedoch plausibel, wie auch Cameron hervorhebt, dass sich diese Zeugnisse nur auf den Zeitraum zwischen 529 und 532 n. Chr. beziehen und zu vage sind, um ein Ende der Akademie mit Justinians Edikt in Verbindung zu bringen. Zur Gegenthese von Tardieu über eine neuplatonische Schule des Simplikios in Harr ā n siehe im Folgenden Anm. 16. 11 Vgl. Wildberg 2005, S. 317 - 320. Zum Begriff der byzantinischen Philosophie siehe Ierodiakonou/ Zografidis 2010. 12 In der Forschung wurde Olympiodor als „ der letzte pagane Philosoph “ bezeichnet, beispielsweise von Armstrong 1966, S. 124. Zuletzt wurde auch von Bohle (2020, S. 18) geäußert, dass Olympiodor „ der letzte pagane Lehrer in Alexandrien “ war. 13 Diese Ansicht ist jedoch umstritten. Westerink (1962, S. XXII) vertritt die These, dass Elias, ausgehend von seinem Namen und seinem sozialen Status, christlich gewesen sein muss. Dabei betont Westerink, dass Elias seine philosophische Tätigkeit von religiösen Ansichten nicht beeinflussen ließ, sondern vielmehr der platonischen Tradition verbunden war. Nach Opsomer (2010, S. 697) deuten die Namen Elias und David entweder auf die christliche Identität dieser Philosophen oder darauf, dass sie ihre Namen an die herrschende christliche Kultur angepasst hatten. Wildberg (2005, S. 334) stellt die Gegenthese auf, dass die Kommentare von Elias und David durchaus von paganen Ansichten geprägt sind und wahrscheinlich von zwei paganen Platonikern stammen, deren Namen verloren sind und die die Namen Elias und David in der Überlieferung erhalten haben. Während diese These nicht erklärt, warum die Namen verloren sein sollten, ist die Ansicht dennoch vertretbar, dass Elias und David in ihrer Philosophie keinen überwiegenden Einfluss der christlichen Lehre erkennen lassen. 14 A. Einleitung <?page no="15"?> piodor seine philosophische Tätigkeit noch im späten 6. Jh. ohne Einschränkungen ausüben konnte. 14 Während gesellschaftliche und politische Konflikte unter anderem auch die Lebensumstände der Philosophen beeinträchtigten, 15 wurde die Lehre des klassischen Bildungskonzepts ( παιδεία ) bis ins 7. Jh. fortgeführt. 16 In der Antike galt die Paideia als ideale Erziehung, die die geistigen und körperlichen Fähigkeiten der Menschen durch Literatur, Gym- 14 Westerink (1990, S. 336) bietet hierzu als Erklärung an, dass die philosophische Lehre mit paganen Inhalten zu Olympiodors Lebzeiten eine Freiheit erlebt haben muss, da die christlichen Intellektuellen mit dem monophysitischen Schisma intensiv beschäftigt waren. Dabei ist es unklar, inwiefern Olympiodor als ein paganer Philosoph oder Elias und David als Christen zu definieren sind. Die Kommentare aller drei Philosophen verdeutlichen vielmehr ihre Zugehörigkeit zur Tradition der platonischen Exegese. Nach Wildberg (2005, S. 333 - 334) bieten Elias und David keine Hinweise darauf, dass sie gegen pagane oder für christliche Ansichten eintreten. 15 Die Konflikte in Athen und Alexandria seit dem 4. Jh. n. Chr. werden von Watts (2010) insbesondere in Bezug auf die Bildungsinstitutionen ausführlich behandelt. 16 Es handelt sich dabei um die Fortführung eines pädagogischen Konzepts, das die antike Philosophie aus heidnischer Perspektive lehrt. Dieser Ansatz findet sich später in der Lehre des Stephanos wieder, die eine wesentliche Rolle in der Konzeption der byzantinischen Bildung einnahm. Für die Existenz und Nutzung des alexandrinischen Schulkomplexes nach der persischen (615/ 16 n. Chr.) und arabischen Eroberung (640 n. Chr.) lassen sich nach derzeitigem Stand der Forschung keine eindeutigen Aussagen treffen. Ein Hinweis für den späteren Einfluss der alexandrinischen Philosophie ist die Erwähnung von Olympiodors Kommentaren über Aristoteles ’ De generatione et corruptione und Platons Sophistes in den arabischen Quellen. Beide Kommentare sind nicht erhalten; vgl. Peters 1968, S. 37. Auch wird über syrische Fassungen seiner Kommentare berichtet, die ebenfalls nicht überliefert sind; Gätje 1982, S. 11. Kontrovers diskutiert wurde die These von Tardieu, der von einer bis ins 10. Jh. n. Chr. andauernden neuplatonischen Schule in Harr ā n ausgeht, die von Simplikios nach seiner Abreise aus Athen aufgrund des Edikts von Justinian im Jahr 529 n. Chr. gegründet worden sein soll. Siehe dazu Tardieu 1986, S. 24; Ders. 1990, S. 161 - 163. Tardieu vermutet die Lehrtätigkeit des Simplikos in Harr ā n auf der Grundlage verschiedener, vor allem arabischer Quellen, obwohl die Ähnlichkeiten zwischen syrischen und griechischen Autoren auch auf anderem Rezeptionswege zustande gekommen sein könnten. So glaubt er, dass der Kalender in Harr ā n ein Hinweis auf den Einfluss des Simplikos ist; Tardieu 1987, S. 55. Ferner verließen die sieben Philosophen Athen nach Tardieu (1990, S. 130 - 132) deshalb in Richtung Harr ā n, da diese Stadt außerhalb des byzantinischen Gebiets lag und unter persischer Kontrolle stand. Die neuplatonische Lehrtätigkeit in Harr ā n lässt sich Tardieu zufolge an der Rolle dieser Stadt als Bildungszentrum in der Folgezeit ablesen. Auch Hadot ([Ilsetraut] 1987, S. 13 - 14) vertritt Tardieus These über die neuplatonische Schule des Harr ā n von Simplikios. Nach Golitsis (2015, S. 65) beruht diese These auf einer Interpretation der Textbelege, die eine Identifikation der Bezeichnungen für Griechen und Platoniker erzwingt. Eine umfassende Widerlegung von Tardieus Thesen findet sich in einer überarbeiteten Fassung des Aufsatzes von Cameron 1969 in Cameron 2016, S. 232 - 234. Zu weiteren Kritikern von Tardieu siehe Sorabji 2005, S. 29. I. Olympiodor in seinem sozialhistorischen Kontext 15 <?page no="16"?> nastik und Musik fördert. 17 In späteren Epochen gewann dieses Bildungskonzept eine andere Bedeutungsdimension: Nach der Kaiserzeit wurde die Zugehörigkeit zur griechischen Paideia und Kultur, wie dargelegt von Martin Hose, als ein Identitätsmerkmal der politischen Elite angesehen. 18 Obwohl bis in die Spätantike hinein kein einheitlicher Bildungsbegriff definiert werden kann, gehörten im 6. Jh. n. Chr. Bereiche wie Rhetorik und „ klassische “ Literatur weiterhin zur Paideia in der alexandrinischen Bildungseinrichtung. 19 Die Lehre der Philosophie stellte dabei in engem Kontakt mit anderen Wissenschaften wie Mathematik, Medizin und Astronomie ein wesentliches Element der höheren Bildung dar. 20 Der neuplatonische Philosophieunterricht in der Spätantike hatte nach Ilsetraut und Pierre Hadot zwei feste Bestandteile. 21 Zunächst gab es eine Vorbereitung auf die platonische Philosophie, die durch die Lektüre von Aristoteles erfolgte. 22 Die aristotelische Logik diente hierbei (neben anderen Bereichen wie Mathematik) der Lehre der richtigen Argumentation. Es folgte der zweite Teil für die fortgeschrittenen Schüler, in dem eine kanonische 17 Zum Begriff παιδεία im Hinblick auf das Bildungsverständnis in der antiken Literatur siehe Jaeger 1973. 18 Hose 2012, S. 157 - 158. Nach Hose (ebd. S. 162 - 167) dienten einige ‚ Konstanten ‘ der Bildung zur Identitätskonstruktion in der Kaiserzeit. 19 In diesem Sinne weist Hose zufolge die ‚ griechische Bildung ‘ in der Spätantike keine radikale konzeptionelle Änderung auf (ebd. S. 184 - 187). Zur Kontinuität des klassischen Bildungskonzepts im spätantiken Ägypten siehe Cribiore 2001. 20 So war Alexandria als Ort der exakten Wissenschaft bekannt, und erzielte auch in den Literaturwissenschaften große Fortschritte. Die Zusammenarbeit verschiedener Wissensgebiete zeigt sich am Beispiel der Rhetorik, die Teil der alexandrinischen Philosophie war, wie Olympiodor in seinem Kommentar zu Platons Gorgias darlegt. Die neuplatonische Bildung in Alexandria unterschied sich in dieser Hinsicht von den einzelnen Philosophenschulen und kooperierte mit anderen Fächern im Konzept einer Allgemeinbildung ( ἐγκύκλιος παιδεία ). Es wird auch argumentiert, dass diese Haltung der alexandrinischen Philosophielehrer nicht nur konzeptionell, sondern prinzipiell auch monetär motiviert war. Tarrant (1998, S. 38) vertritt beispielsweise die Ansicht, dass Olympiodor eine positive Darstellung der Rhetorik aufgrund der von den Schülern, die eine politische Laufbahn anstreben, erzielten Einnahmen befürwortete. Vgl. dazu Bohle 2021, S. 145. Diese Ansicht geht auf Westerink (1964, S. 176-177) zurück, der auf die finanziellen Schwierigkeiten der Philosophielehrer in der Spätantike hinweist. Nach Westerink war dies der Grund, warum Syrianos Rhetorik lehrte, Philoponos zeitlebens „ Grammatiker “ blieb und in Alexandria möglicherweise Philosophie- und Medizinunterricht zusammengelegt wurden. Für die Interpretation der archäologischen Funde zu Fächern wie der Astronomie in der alexandrinischen Bildungseinrichtung siehe Sorabji 2014, S. 35 - 38. 21 Hadot 2004, S. 48. 22 Hadot 2004, S. 48 - 49 erläutert den „ aristotelischen Zyklus “ und den Kanon der platonischen Dialoge in der spätantiken philosophischen Lehre. 16 A. Einleitung <?page no="17"?> Auswahl der platonischen Dialoge gelesen und erläutert wurde. Dieses Lehrkonzept hob die Aufgabe der Philosophie hervor, die Bedeutung von Begriffen wie Tugend und Erkenntnis durch die Interpretation der platonischen Dialoge zu vermitteln. Die Kommentare Olympiodors sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung, weshalb sie zugleich als Zeugnisse platonischer Bildung in der Spätantike behandelt werden müssen. 3. Olympiodors Werke Alle von Olympiodor überlieferten Werke bestehen aus Kommentaren zu Platon und Aristoteles, die im Zuge seines Unterrichts ‚ von der Stimme ‘ ( ἀπὸ φωνῆς ) oder ‚ wie vorgetragen ‘ 23 entstanden sind. Insgesamt sind von Olympiodor drei Kommentare zu den Dialogen Platons überliefert: Die Kommentare zum Alkibiades und Gorgias sind vollständig erhalten, der Kommentar zum Phaidon hingegen umfasst nicht den gesamten Dialog, sondern nur die Lemmata ab 61c bis 79e. Darüber hinaus sind von Olympiodor zwei Kommentare zu den Werken des Aristoteles, Meteorologie und Kategorien, erhalten. Die Urheberschaft von Olympiodor an zwei weiteren Werken bleibt umstritten: Der erste ist der Kommentar zu Aristoteles ’ De Interpretatione, der nach Leonardo Tarán (1978, S. XIII) von einem anderen anonymen Kommentator verfasst worden sein muss. Der zweite ist der „ Kommentar zur Energeia des Zosimos von Panopolis “ . Cristina Viano argumentiert für eine Identifikation des Olympiodors ‚ des Alchemisten ‘ , der als Autor dieses Kommentars gilt, mit dem Neuplatoniker Olympiodor, der somit auch der Autor eines ‚ alchemistischen ‘ Werkes sein könnte. 24 Aufgrund seiner kontinuierlichen Lehrtätigkeit ist es anzunehmen, dass Olympiodor diese philosophischen Werke in seinem Unterricht mehrmals zu verschiedenen Zeiten behandelt hat. Die erhaltene Fassung des Alkibiades- Kommentars kann auf etwa 560 n. Chr. datiert werden. 25 Der Gorgias-Kom- 23 Zur Entwicklung des platonischen Kommentars „ in der Form von Schülernachschriften “ siehe Dörrie/ Baltes 1993, S. 193. Eine ausführliche Erklärung der Bezeichnung ἀπὸ φωνῆς bietet Richard 1950, S. 191 - 222. Richard geht von der These aus, dass die Kommentare von Ammonios innerhalb des alexandrinischen „ Schulbetriebes “ in Form der Mitschriften von den Schülern abgefasst wurden. Dies erläutert Schwab am Beispiel von Ammonios ’ Kommentar zu den Kategorien des Aristoteles, der als eine „ Vorlesungsnachschrift “ zu sehen ist und ebenfalls den Titelzusatz „ nach dem Lehrvortrag des Ammonios “ trägt; Schwab/ Gaeb 2011, S. 117. 24 Ursprünglich in Viano 2006, zuletzt auch in Viano 2021, S. 28. 25 Zuerst datierte Creuzer (1821, S. XIV) den Kommentar in die Zeit vor 529, da Olympiodor an einer Stelle die Besitztümer der athenischen Akademie erwähnt (Olymp. in Alc. I. Olympiodor in seinem sozialhistorischen Kontext 17 <?page no="18"?> mentar ist der Einzige, der zu diesem Dialog überliefert ist und folgt dem Alkibiades. 26 Derjenige zum Phaidon wurde nach dem Gorgias-Kommentar verfasst; das Datum der überlieferten Fassung kann jedoch nicht bestimmt werden. 27 Ähnlich verhält es sich mit dem Kommentar zu den Kategorien, der eine umfassende Einführung in die Logik beinhaltet. 141,1 - 3), die nach Justinians Edikt in 529 beschlagnahmt sein sollten. Dagegen steht die Argumentation von Cameron (1969, S. 11 - 13), dass der Text nicht früher als 550 entstanden sein kann, da Olympiodor darin Anatolios erwähnt, der durch Hephaistos ’ Amtsantritt in 545/ 546 berühmt geworden sein soll (Olymp. in Alc. 2,80 - 81). Auch Watts (2004, S. 180) stimmt mit Cameron überein, wobei er aufgrund der Wahrscheinlichkeit, dass die Angabe über Hephaistos nachträglich hinzugefügt worden sein kann, als Datum das Jahr 531 n. Chr. postuliert. Westerink (1976, S. 21) hingegen datiert den Alkibiades- Kommentar nicht viel früher als 560. Olympiodors Hinweis legt nahe, dass Anatolios bereits eine Weile berühmt war, weshalb das Datum des Kommentars vermutlich auf eine Zeit nach Hephaistos ’ Archonschaft um das Jahr 560 festgelegt werden kann; siehe dazu Opsomer 2010, S. 698. Zu den chronologischen Unstimmigkeiten und Argumenten bezüglich der Datierung des Kommentars siehe Westerink 1990, S. 329 - 331. 26 Obwohl Olympiodor im Alkibiades-Kommentar darauf hinweist, dass Gorgias nach diesem Dialog untersucht wird (vgl. Olymp. in Alc. 39,15 - 20; 46,17), wird die erhaltene Fassung des Gorgias-Kommentars einem früheren Datum zugeordnet. Westerink (1976, S. 21) datiert diesen Kommentar auf den Anfang von Olympiodors Karriere um 525 n. Chr. Tarrant (1998, S. 15 - 16) bekräftigt die gleiche Datierung vor 529 n. Chr. Opsomer (2010, S. 698) plädiert dagegen für ein späteres Datum, obwohl seiner Meinung nach der Gorgias-Kommentar dennoch vor dem Alkibiades-Kommentar geschrieben worden sein müsste. Anhand des Inhalts des Gorgias-Kommentars lässt sich nicht feststellen, ob dieser vor 529 n. Chr. oder danach geschrieben wurde. Die Datierung um 525 n. Chr. bestätigt nicht das Argument, so Tarrant (1998, S. 3 - 4), dass Gorgias-Kommentar eine inhaltliche ‚ Unreife ‘ in Olympiodors früherer Karriere demonstriere: Er habe sich bei seinen Kommentaren zu Alkibiades und Gorgias auf ganz andere Vorbilder in der platonischen Tradition gestützt. Ferner bedürfen die Themen beider Dialoge Tarrant zufolge einer differenzierten Betrachtungsweise. Dementsprechend bezieht Olympiodor sich im Gorgias-Kommentar kein einziges Mal auf Damaskios, während er im Alkibiades- Kommentar viele Verweise aus der gesamten platonischen Tradition angibt. Bereits Cameron (1969, S. 27 - 28) hob hervor, mit Verweis auf Westerink (1962, S. XV), dass Olympiodor in seinem frühen Werk von Ammonios geprägt war, während er in späteren Kommentaren Damaskios als Vorbild nahm, wodurch sich nach Cameron eine Überlegenheit der athenischen Akademie zeigt. Ähnlich argumentiert Watts (2006, S. 234), dass das Fehlen von Verweisen auf Damaskios, die für Olympiodors spätere Kommentare charakteristisch sind, den Gorgias-Kommentar zu seinem ersten erhaltenen Werk machen sollte. In dieser Richtung stellt Tarrant (2021, S. 217) fest, dass Olympiodor sich in späteren Werken mit Proklos zunehmend kritischer auseinandersetze. Tarrant zufolge zeigt sich der Wandel der philosophischen Position Olympiodors auch in der Terminologie der Inspiration, die im Gorgias-Kommentar nicht belegt ist, aber in den Kommentaren zu Alkibiades und Phaidon eine zentrale Rolle spielt. 27 Ausgehend von Olympiodors ausführlicher Beschäftigung mit den Positionen des Proklos und des Damaskios ist es plausibel, den Kommentar zum Phaidon nahe der Entstehung des Alkibiades-Kommentars einzuordnen; siehe dazu Filippi 2017, S. XX. 18 A. Einleitung <?page no="19"?> 4. Die Spezifik des Kommentar-Korpus von Olympiodor Zuvor hatte Harold Tarrant hervorgehoben, dass Olympiodors Kommentare innerhalb der platonischen Exegese besondere Merkmale aufweisen. 28 Diese Merkmale von Olympiodors Werken lassen sich meiner Meinung nach wie folgt zusammenfassen: Erstens besteht die zentrale Eigenschaft der erhaltenen Texte darin, dass sie in Form eines Unterrichts gestaltet sind und viele sprachliche Ausdrücke, die spezifisch für eine mündliche Kommunikation sind, beinhalten. 29 Zweitens stellt der Schwerpunkt der Kommentare eine Besonderheit dar, da sie sich überwiegend auf die sprachlichen Erläuterungen konzentrieren, ausführliche theoretische Exkurse dagegen meist vermeiden. Drittens ist zu erwähnen, dass Olympiodor in seinen Kommentaren die Dialoge Platons behandelt, zu denen kein weiteres Werk aus dem Umfeld der spätantiken alexandrinischen Exegeten erhalten ist. 30 Im Einzelnen sollen diese Aspekte näher erläutert werden: 28 Was die Besonderheit von Olympiodor angeht, so weist Tarrant (1998, S. 4) darauf hin, dass er seine philosophischen Interessen durch seine Dialogauswahl demonstriert. Olympiodors Eigenheit besteht nach Tarrant im Wesentlichen darin, dass kein anderer Kommentar einen Dialog untersucht, der durch die Anwendung der sokratischen Methode der Widerlegung ( ἔλεγχος ) gekennzeichnet ist (ebd. S. 5). 29 Über den Philosophieunterricht der hellenistischen Zeit erklärt Marrou (1957, S. 308 - 309), dass dessen Charakteristikum in der Lektüre kanonischer Texte und in Gesprächen mit persönlichem, familiärem Ton bestand. Diese Merkmale könnten sich auch auf die spätantike philosophische Lehre beziehen, wobei im Hellenismus ein anderes Konzept der philosophischen Praxis üblich war. Diesbezüglich stellt Hadot, ([Pierre] 1987, S. 15 - 16) fest, dass die Stoiker den Philosophieunterricht weder als Lehre von abstrakten Theorien noch als Kommentierung der Texte verstanden. Stattdessen stand die geistige Übung, in Hadots Terminologie „ exercices spitiruels “ , an der Spitze der hellenistischen Philosophie. Die Neuplatoniker der Spätantike sahen die Methode dieser Übungen jedoch darin, die Texte früherer Philosophen im Unterricht zu erklären, woraus auch die schriftlichen Kommentare hervorgingen; vgl. hierzu Hadot ([Ilsetraut] 2002, S. 184. Viele Kommentare der spätantiken Philosophen gehen auf deren Lehre zurück. Ob die Philosophielektionen gleichzeitig ‚ diktiert ‘ oder später verfasst worden sind, bleibt jedoch unklar. Meist scheinen die Kommentare „ Gedächtnisprotokolle “ ( ὑπομνήματα ) zu sein. In diesem Zusammenhang gibt Ammonios bei seinem Kommentar zu Aristoteles ’ De interpretatione an, dass er aus dem Gedächtnis nach dem Unterricht des Proklos entstanden sei (vgl. Ammon. in Int. 1 - 11). In einigen Fällen liegt eine lange Zeitspanne zwischen dem Unterricht und der Zusammenstellung des Textes. Dies zeigen die Kommentare des Philoponos, bei denen er einerseits den Ausgangspunkt in der Lehre des Ammonios findet, jedoch im Text nicht Ammonios ’ Unterricht wiedergibt, sondern sich vielmehr argumentativ damit auseinandersetzt. 30 Beziehungsweise von der ‚ Ammonios-Schule ‘ , abgesehen von Ammonios ’ Vater Hermeias, der einen Kommentar zu Platons Phaidros verfasste; vgl. Westerink 1962, S. XLVI. I. Olympiodor in seinem sozialhistorischen Kontext 19 <?page no="20"?> 1) Bevorzugung eines mündlichen Unterrichtsansatzes: Der erste spezifische Aspekt zeigt sich in Form und Inhalt von Olympiodors Kommentaren. Wie im folgenden Kapitel erläutert wird (B. I. Der strukturelle Aufbau), verwendet Olympiodor bestimmte Elemente in wiederkehrender Weise. Seine Erzählstruktur sieht vor, dass die Abschnitte von Platons Text und einige Zitate öfters wiederholt werden. Diese Wiederholungen sind in einem Lehrvortrag angemessen und verstärken somit die Annahme, dass Olympiodors Kommentare die mündliche Unterrichtssituation möglichst exakt wiedergeben. Hinzu kommen Anreden in der zweiten Person, die eine Art von Gespräch imitieren. Darüber hinaus beinhalten Olympiodors Kommentare zum größten Teil paraphrasierte Zitate, was darauf hindeutet, dass diese Texte eher auf mündlicher Unterweisung als auf schriftlicher Bearbeitung beruhen. 2) Schwerpunkt auf sprachliche Erläuterungen: Für Olympiodor stehen der kommentierte Text und seine Erläuterung unter grammatikalischen und lexikalischen Gesichtspunkten im Vordergrund der Exegese. Ein derartiger exegetischer Ansatz führt nicht selten zu der Annahme, dass der Exeget nichts inhaltlich Neues zum Verständnis des Originaltextes beiträgt, sondern lediglich sprachliche Beobachtungen macht. Folglich wird die Originalität solcher Kommentare nicht gewürdigt und der Wert ihrer philosophischen Inhalte in Frage gestellt. Dies wird oft damit begründet, dass die Auslegung anderer Philosophen einen eigenen Beitrag der Exegeten nur in bestimmten Grenzen zulassen würde. Entgegen dieser Ansicht steht eine Auffassung der Kommentierung als philosophische Tätigkeit. Von diesem Blickpunkt her kann die Rolle des Kommentars nach Andreas Schwab und Sebastian Gaeb als „ Medium der Philosophie “ betrachtet werden. 31 Demnach hat die Praxis der philosophischen Exegese nicht nur die Funktion, die Vorlesungen der Lehrer in der Philosophenschule zu dokumentieren, sondern ermöglicht es, auf diese Weise eine eigene philosophische Lehre als Teil einer Tradition zum Ausdruck zu bringen. Zudem können zahlreiche Unterschiede in der platonischen Philosophie gerade durch die verschiedenen Interpretationen in den Kommentaren erklärt werden: Ein Beispiel dazu ist die differierende Auffassung des Begriffs ‚ Daimon ‘ ( δαίμων ) bei Proklos, Damaskios und Olympiodor. 32 Gerade deshalb bietet ein Kommentar, der im Umfeld der philosophischen Schule entstanden ist, wesentliche Einblicke in die Bestandteile des philosophischen Unterrichts. Darüber hinaus zeichnet Olympiodor ein konkretes Bild von der Rezeption antiker Literatur in Auch Damaskios, von dem ein Kommentar zum Phaidon überliefert ist, wird nicht unmittelbar zu den Mitgliedern der Ammonios-Schule gezählt. 31 Schwab/ Gaeb 2011, S. 129 - 131. 32 Zu den relevanten Stellen des Kommentars über den Begriff des Daimons siehe Olymp. in Alc. 15,1 - 23,17 und Erläuterungen. 20 A. Einleitung <?page no="21"?> der spätantiken Bildung, indem er Platons Dialoge mit Verweisen auf antike Werke wie Homer und auf deren sprachliche Besonderheiten erläutert. 3) Von früherer Tradition abweichende Dialogauswahl: Die Exegeten der ‚ Ammonios-Schule ‘ behandeln überwiegend Aristoteles, während Olympiodor mit seinen Kommentaren zu Platons Dialogen eine Ausnahme darstellt. Überdies ist sein Kommentar zum Gorgias die einzige erhaltene exegetische Behandlung dieses Dialogs in der platonischen Tradition. Ferner stellen alle platonischen Dialoge, zu denen ein Kommentar von Olympiodor überliefert ist, eine ‚ frühe ‘ Phase der platonischen Bildung dar. 33 Als Erstes wird im Gorgias die Gerechtigkeit behandelt und auf diese Weise der Weg zur politischen Tugend aufgezeigt. 34 An zweiter Stelle greift der Alkibiades dieses Thema auf, der so zur Selbsterkenntnis ermuntert. Letztere besteht darin, zu erkennen, dass der Mensch die Seele ist, die den Körper als Werkzeug benutzt. Als Drittes folgt die Befreiung der Seele von den körperlichen Affekten und die kathartische Tugend im Phaidon. Da Olympiodor die tiefgründige Behandlung der ersten Tugendstufen hervorhebt, verfolgt sein Werk auch ein pädagogisches Ziel: die Schüler für eine Bildung der ‚ höheren ‘ Philosophie auszustatten. Das Thema der politischen Tugend lenkt anschließend das Augenmerk auf die gesellschaftliche Relevanz der platonischen Philosophie. Charakteristisch für Olympiodors Werke ist auch, dass er Dialoge wie den Timaios, die im Platonismus eine wichtige ontologische Stellung haben, nicht aufnimmt. 35 Stattdessen fordert Olympiodor, durch eine Betrachtung der ‚ früheren Dialoge ‘ dazu auf, den Wert der Grundlagen der platonischen Philosophie für das Wesen des Menschen zu erkennen. Folglich sind Olympiodors Kommentare zu Platons Dialogen insgesamt von einem anthropologischen Interesse geprägt. 33 Das bezieht sich nicht auf die Datierung der platonischen Dialoge, sondern auf ihre Reihenfolge in der philosophischen Bildung. 34 Griffin (2015, S. 39 - 40) sieht in dieser Betonung der Tugendstufen die Besonderheit von Olympiodors Annäherung an die platonische Philosophie. 35 Olympiodors Schwerpunkt deckt sich also nicht mit dem von Proklos, der auch Platons Timaios, Politeia und Parmenides dargelegt hat; vgl. Tarrant 1998, S. 5. Das Thema der politischen Tugend wird bei Olympiodor konkret auf das soziale Leben beschränkt. Proklos hingegen stellt in den Dialogen wie dem Timaios die politischen Dimensionen der kosmischen Ordnung dar. Zu den Grundlagen bei Platon siehe Schäfer 2005, S. 15 - 23. I. Olympiodor in seinem sozialhistorischen Kontext 21 <?page no="22"?> II. Der Alkibiades in der platonischen Bildung Das ideale Bildungskonzept ( παιδεία ) in Platons Politeia zielt auf eine Harmonie der menschlichen Seele, indem die Begierde und die Willenskraft sich der Vernunft unterordnen. 36 Dabei steht die Philosophie, die Dialektik genannt wird, über allen Fachwissenschaften, und die anderen Bereiche stellen ihre Ergebnisse der Dialektik zur Verfügung. 37 Platon bewertet somit Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Harmonik als die Vorbereitung zur Philosophie. 38 In diesem Sinne betrachtet er auch die Beschäftigung mit der Dichtung und insbesondere mit Hymnen als nützlich für pädagogische Zwecke. 39 Dieses Bildungskonzept wurde bei den Platonikern als ideal empfunden und jeweils an die verschiedenen Kontexte angepasst. Im Rahmen des Platonismus in der Spätantike hatte die Philosophie eine Art individuell gestaltete und höhere Bildung zum Ziel. 40 Ihr Schwerpunkt lag auf der Aneignung der Tugenden durch die exegetische Beschäftigung mit den philosophischen Texten. Die Rettung des Menschen aus der materiellen Welt wurde durch den Aufstieg der Seele innerhalb der einzelnen ‚ Tugendgrade ‘ beschrieben. Dementsprechend wurden platonische Dialoge nach ihren jeweiligen Tugendgraden geordnet. Die Platoniker beziehen sich dabei auf Jamblich, der eine Reihenfolge der Dialoge festgestellt und den Alkibiades als ersten und grundlegenden Dialog bestimmt hat. 41 Dieser Meinung waren auch andere Platoniker: 36 Vgl. Plat. Rep. 788b - 823d. Zu der Reformation der alten Paideia im 4. Jh., insbesondere bei Platon, siehe Jaeger 1973, S. 786 - 845. 37 Siehe hierzu Erler 2009. 38 Vgl. Plat. Rep. 534d. 39 Vgl. Plat. Rep. 606e - 607a. 40 Siehe dazu Cribiore 2001, S. 3. Vgl. Marrou 1957, S. 305 - 319. 41 Die Belege hierzu finden sich in zwei späteren Quellen: bei Proklos (Procl. in Alc. 11,11 - 15) und in den anonymen Prolegomena (Anon. Proll. 26,10 - 20). Die Stelle bei Proklos wird von Dillon (1973, S. 229 - 231) als Iamb. in Alc. Fr. 1 aufgefasst und interpretiert. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Vorstellung vom Alkibiades als erstem Dialog auch bei den Mittelplatonikern oder sogar in der früheren Tradition vorhanden war. Als eine frühere Quelle dient Albinos, der in seiner Einführung zur platonischen Philosophie diesen Dialog als Anfang definierte (vgl. Albinos, Isag. 5,15 - 16: ἄρξεται ἀπὸ τοῦ Ἀλκιβιάδου ). Griffin (2015, S. 20 - 21) nennt Zeugnisse nach dem 2. Jh. n. Chr., die belegen, dass der Alkibiades eine etablierte und bedeutende Schrift war. Allerdings war die Stellung des Dialogs vor den Neuplatonikern noch nicht festgelegt, da zum Teil auch der Phaidros als einleitender Dialog behandelt wurde. Siehe dazu Dörrie/ Baltes 1990, S. 360 - 364. <?page no="23"?> So empfand Proklos den Alkibiades als eine Quelle der gesamten platonischen Philosophie wie „ in einem Samenkorn “ . 42 Der Begriff „ Samen “ ( σπέρμα ) kann im Kontext von Proklos ’ Theorie über die Entfaltung ( ἀνέλιξις ) einer verborgenen Seinsfähigkeit ( δύναμις ) verstanden werden. 43 So scheint Proklos ’ Beschreibung der platonischen Philosophie eine Art ontologischen oder biologischen Prozess zu evozieren, als eine natürliche Kraft, die nicht unter menschlicher Kontrolle steht, sondern sich nach ihren eigenen Gesetzen entfaltet. Olympiodor wiederum bezeichnete den Alkibiades in Analogie zu den Mysterienkulten als die „ Eingangstüre des Tempels “ ( προπύλαια ), so dass der Zugang zur platonischen Philosophie notwendigerweise durch den Alkibiades erfolgen muss. 44 Das Bemerkenswerte an Olympiodors Metapher ist, dass er die platonische Philosophie mit einem Tempel und damit einem Ort vergleicht, in dem Menschen und Götter zusammenkommen: Denn einerseits gehören die Tempel den Gottheiten oder stehen unter dem Schutz göttlicher Mächte, andererseits kann ein Tempel als menschliches Konstrukt aufgefasst werden und sich damit auf das menschliche Sozialleben beziehen. Der Grund für den herausragenden Status des Alkibiades liegt nicht nur in seiner Stellung am Anfang des platonischen Kanons, sondern auch darin, dass dieser Dialog die zentrale Rolle der Selbsterkenntnis als Schlüssel zu allen anderen Erkenntnissen bekräftigt. Ein weiterer Grund ist, dass der Alkibiades Andeutungen auf viele andere platonische Dialoge enthält und dadurch von Friedrich Schleiermacher zu Recht als eine Art „ platonisches Handbuch “ bezeichnet wurde. 45 Auf dieser Grundlage hielten die Platoniker den Alkibiades 42 Vgl. Procl. in Alc. 11,14: ὥσπερ ἐν σπέρματι . Mit diesem Gleichnis weist Proklos darauf hin, dass im Alkibiades die wichtigsten Themen der platonischen Philosophie in komprimierter Form behandelt werden, die in anderen Dialogen im Einzelnen dargestellt werden. 43 Vgl. Procl. Inst. 93,9 - 12: κἂν εἰσίῃ πάντα εἰς αὐτό , ἀλλ’ ἔχει τι κρύφιον τοῖς δευτέροις καὶ ἀκατάληπτον · κἂν ἐξελίττῃ τὰς ἐν αὐτῷ δυνάμεις , ἀλλ’ ἔχει τι δι’ ἕνωσιν ἀνυπέρβλητον , συνεσπειραμένον , ἐκβεβηκὸς τῆς ἐκείνων ἀνελίξεως . „ Und auch wenn alle Seienden in dieses Unendliche eingehen, behält es etwas, das für die späteren Seienden verborgen und ungreifbar ist; und selbst wenn die Seienden die im Unendlichen enthaltenen Vermögen entfalten, behält es etwas, das wegen seiner Vereinung unbesiegbar ist, sich in sich zusammengezogen hat und der Entfaltung jener Vermögen entkommen ist. “ (Übers. von Onnasch/ Schomakers 2015). Zur Entfaltung bei Proklos siehe MacIsaac 2002, S. 79. 44 Vgl. Olymp. in Alc. 11,1 - 6. Das Wort προπύλαια ist im spätantiken Platonismus recht selten belegt (nur einmal bei Iamb. VP 30.185,4 - 5; dagegen keine Erwähnung bei Proklos, Damaskios, Simplikios, Ammonios und Philoponos). In den Schriften der ‚ Mittelplatoniker ‘ wie Philon (De som. 233,3; De praem. 75,4) oder Plutarch (Per. 13.12,1; Mor. 499a10) begegnet man diesem Vokabular, allerdings nicht mit der von Olympiodor zitierten Metapher. 45 Schleiermacher 1809, S. 291. II. Der Alkibiades in der platonischen Bildung 23 <?page no="24"?> für eine geeignete Einführung in die Philosophie. 46 Darüber hinaus stellt Griffin fest, dass die wesentliche Bedeutung dieses Dialogs für die Neuplatoniker darin bestehe, den Aufstieg von der natürlichen Tugend zur politischen Tugend zu beschreiben, die die erste philosophische Tugend ist. 47 Über Jamblichs Kommentar zum Alkibiades, der nicht überliefert ist, kann nur vermutet werden, dass er Proklos als Vorbild diente. Proklos ’ Kommentar hingegen ist erhalten, wenn auch nicht vollständig. Von Olympiodors Alkibiades-Kommentar wird angenommen, dass er darin zum größten Teil der prokleischen Interpretation treu geblieben ist. 48 Proklos beginnt seinen Kommentar mit der Feststellung, dass der sicherste Anfangspunkt für die Philosophie die Bestimmung unseres Wesens ist ( τὴν τῆς ἑαυτῶν οὐσίας διάγνωσιν ), da wir hierdurch das Gute und das Böse für uns erfahren und entsprechend handeln können. 49 Das menschliche Wesen wird im Alkibiades ausgelegt; folglich muss die Lehre der Philosophie mit diesem Dialog anfangen. 50 Proklos hebt im Alkibiades einerseits die Erläuterung der Tugenden und den Einstieg in die philosophische Tugend hervor, andererseits die ‚ Rückwendung auf sich selbst ‘ ( ἐπιστροφή ) als die wesentliche Tätigkeit der Seele. 51 Durch diese bewirkt die Seele den Aufstieg in die intelligible Ebene, die bei Plotin als das Ziel des Menschen festgesetzt wurde. 52 Nach Griffin thematisiert Proklos deutlich die Identifizierung der Philosophieschüler mit Alkibiades, in 46 Zu den Zeugnissen hierzu siehe Anm. 40. 47 Griffin 2015, S. 18 - 19. 48 Westerink (1976, S. 18) ist der Ansicht, dass Olympiodor in seinen Kommentaren Proklos als primäre und beinahe einzige Quelle verwendet hat. Nach Griffin (2015, S. 3) geht es auch aus vielen Stellen des Alkibiades-Kommentars hervor, dass Olympiodor darin Proklos folgt. 49 Vgl. Procl. in Alc. 1,1 - 5. 50 Vgl. Procl. in Alc. 6,4 - 9. 51 Auf dieser Grundlage betonte Foucault (2005, S. 206 - 208) die Bedeutung der Rückwendung auf sich selbst ( ἐπιστροφή ) für den platonischen Selbstbegriff. Im 1. und 2. Jh. n. Chr. hingegen habe sich das Verständnis der Selbstrückwendung vom platonischen Konzept von ἐπιστροφή differenziert und eine Transformation erfahren. Foucault (ebd. S. 209 - 210) identifiziert diesbezüglich drei Hauptunterschiede: 1. Während die platonische Rückwendung von der materiellen Welt zur Welt der Ideen gerichtet war, verstehe die hellenistische und römische Kultur die Rückwendung als eine Bewegung von dem, was nicht von uns abhängt, zu dem, was von uns abhängt. 2. Die spätere Bedeutung der Rückwendung zeige, anders als die platonische Befreiung vom Körper, die Herstellung eines perfekten Verhältnisses zwischen Körper und Seele. 3. Die Erkenntnis, die in der platonischen Rückwendung zentrale Stellung einnimmt, überlasse ihren Platz in der späteren Rezeption dem Konzept der Übung ( ἄσκησις ). Zur Bedeutung von Foucault für die Rezeption des platonischen Alkibiades siehe das folgende III. Forschungsstand. 52 Vgl. Plot. III.8.11,1 - 11; V. 3.11,10; VI.7,15. 24 A. Einleitung <?page no="25"?> dessen Lage sich die Schüler versetzen können und wie dieser sich von der materiellen Welt zugunsten der Selbsterkenntnis abwenden. 53 Diese Themen tragen auch für Olympiodors Kommentar eine zentrale Bedeutung. 53 Griffin 2015, S. 30 - 31. II. Der Alkibiades in der platonischen Bildung 25 <?page no="26"?> III. Forschungsstand zu Olympiodors Alkibiades -Kommentar Die Platon-Forschung des 19. Jh. wird häufiger als ein Wendepunkt bezeichnet, wobei gleichzeitig die Frage nach der Einheit des platonischen Denkens vielfältige Diskussionen veranlasste. Ausgehend von seiner Ansicht, dass platonische Dialoge jeweils in sich selbst und miteinander eine Einheit bilden würden, begründete Schleiermacher eine „ natürliche Folge “ , zu der einige platonische Dialoge aufgrund ihres Stils nicht passen würden. 54 Obwohl Schleiermacher in diesem Rahmen auch eine gelungene Übersetzung des platonischen Alkibiades veröffentlichte, argumentierte er in seiner Einleitung zur Übersetzung gegen die Echtheit dieses Dialogs und vertrat die These, dass der Alkibiades aufgrund der sprachlichen und inhaltlichen Besonderheiten von einem Schüler Platons verfasst worden sein könnte, der einen Entwurf seines Lehrers ausgearbeitet habe. 55 Im Gegensatz zu diesem umstrittenen Status des platonischen Alkibiades demonstrierte die Editionsphilologie im 19. Jh. ein großes Interesse an den Werken der Platon-Exegeten. So haben etwa die Erstausgaben der Werke von Proklos 56 die Rahmenbedingungen des Platonismus der Spätantike in den Vordergrund der Forschung gestellt. In diesem Zusammenhang wies Friedrich Creuzer darauf hin, dass die moderne Philosophie die Untersuchung der 54 Schleiermacher 1804, S. 16 - 22. Es ist nicht das Ziel der vorliegenden Einleitung, die Diskussion um Schleiermachers Platon-Bild im gesamten Umfang darzustellen. An dieser Stelle sei lediglich auf folgende Studien hingewiesen: Szlezák (1985, S. 1 - 7) gibt einen Überblick über die zentralen Positionen und richtet die Kritik insbesondere gegen Schleiermachers Theorie des Dialogs und die Annahme einer „ Einheit von Form und Inhalt “ , während er Schleiermachers Forschung dennoch als „ Wendepunkt “ betrachtet (vgl. Szlezák 2004). Eine umfassende Darstellung zu den Ansichten der „ postmodernen Wende “ in der Platon-Forschung bietet Radke 2006, S. 1 - 62. 55 Schleiermacher 1809, S. 298. Zu dieser Ansicht über den Alkibiades siehe Döring 2016, S. 166. Auch Wilamowitz-Moellendorff nahm an, dass Alkibiades nur von einem talentlosen Schüler Platons geschrieben worden sein kann; (vgl. Wilamowitz-Moellendorff 1959, S. 84 Anm. 3; S. 296 Anm. 1). Demgegenüber vertrat Friedländer (1921, S. 38) die These, dass im Alkibiades eine „ Eroslinie “ den Dialog vom Anfang bis zum Ende beherrscht und damit seine Einheit begründet. Diese Einheitlichkeit und auch die Parallelen zu den anderen platonischen Dialogen sprachen nach Friedländer für die Originalität des Alkibiades (ebd. S. 26 - 38). 56 Zu derselben Linie der Editionen von Jean-François Boissonade und Victor Cousin zählt Creuzer auch seine Edition des Alkibiades-Kommentars von Proklos; vgl. Creuzer 1836, S. 122 - 123. <?page no="27"?> Neuplatoniker 57 für ein besseres Verständnis der christlichen Gedankenwelt benötige. 58 Zu diesem Zweck veröffentlichte er Editionen der Neuplatoniker, zu denen die erste Ausgabe von Olympiodors Alkibiades-Kommentar im Jahre 1821 zählt. 59 Eine grundlegende Änderung in der Bewertung des platonischen Alkibiades sowie der neuplatonischen Kommentare hat in der Postmoderne stattgefunden. Aufgrund der neuen Sichtweise der Subjektivität in dieser Zeit erfuhr der platonische Alkibiades eine zunehmende Popularität. Besonders einflussreich in dieser Hinsicht war die Interpretation von Michel Foucault, die den Begriff des Selbst im Alkibiades und seine neuplatonischen Interpretationen in den Mittelpunkt stellte. 60 Begleitet wurde diese philosophische Sichtweise durch die Forschung von Ilsetraut und Pierre Hadot, die in den neuplatonischen Kommentaren Aspekte der spätantiken Philosophie und Bildung aufdeckten. 61 In der 57 Zum Begriff des ‚ Neuplatonismus ‘ sei darauf hingewiesen, dass dieser in der vorliegenden Arbeit als eine Forschungskonvention verwendet wird. Obwohl der ‚ Neuplatonismus ‘ bisweilen durch die negative Konnotation geprägt ist, dass diese Philosophen das platonische Denken nicht in ursprünglicher Form darstellten, ist die Bezeichnung ‚ Neuplatoniker ‘ für die Platoniker nach Plotin in der Forschung etabliert. Zur geschichtlichen Entwicklung dieses Begriffs weist Lemanski (2011, S. 51 - 52) zwar darauf hin, dass bei Augustin der Ausdruck „ recentiores Platonici “ zu finden ist, dessen Bedeutung jedoch nicht geklärt werden kann. Nach Baltes (2000, S. 294) wird der Gebrauch von Begriffen wie denen des Mittel- und Neuplatonismus dadurch unterstützt, dass „ schon die Neuplatoniker ‚ die alten Exegeten ‘ vor Plotinos von ‚ den neuen ‘ unterschieden haben “ . 58 Zum Hintergrund dieser Position vgl. Halfwassen 1999, S. 15 - 17. Als besonderes Motiv nennt Halfwassen die Auseinandersetzung mit der Philosophiegeschichte der Aufklärung, wie sie u. a. von Jacob Brucker vertreten wurde: Diese Sichtweise stellte den Neuplatonismus als ein falsches Verständnis von Platon dar, das der christlichen Lehre nicht standhalten konnte. Der wohl bekannteste Gegner dieser Auffassung war Hegel, der in seinen Werken den ideellen Wert des Neuplatonismus konstant hervorhob. In dieser Linie argumentierte Creuzer (1836, S. 126), dass die christlichen Gelehrten und Neuplatoniker der Spätantike viele Überschneidungen aufwiesen und daher in ihren gegenseitigen Bezügen untersucht werden sollten. Darüber hinaus hatte Creuzer mit seinem Werk Symbolik und Mythologie der alten Völker, besonders der Griechen (Leipzig/ Darmstadt, 1812) einen Einfluss auf Hegels Aufwertung der neuplatonischen Religionsphilosophie; vgl. Halfwassen ebd. S. 150 Anm. 197. Folglich zeigte Hegels Philosophie eine besondere Nähe zum Neuplatonismus und speziell zu Proklos, die nach Halfwassen (ebd. S. 18) von seinen Zeitgenossen und Freunden Friedrich Creuzer und Victor Cousin mit historisch-kritischen Ausgaben Plotins und des Proklos unterstützt wurde. 59 Creuzer hat vier Editionen unter dem Titel „ Initia Philosophiae ac Theologiae ex Platonis Fontibus Ducta sive Procli Diadochi et Olympiodori Platonis Alcibiadem Commentarii “ zwischen 1820 und 1825 veröffentlicht: 1) Proklos ’ Alkibiades-Kommentar, 1820; 2) Olympiodors Alkibiades-Kommentar, 1821; 3) Proklos ’ Institutio Theologiae, 1822, und 4) Nicolae Methonensis Refutatio instituionis theologicae Procli Platonici, 1825. 60 In seinen Vorlesungen von 1981 - 82 (Foucault 2005). 61 Insbesondere zu Simplikios vgl. Hadot [Ilsetraut] 1978 und Hadot [Pierre] 1987. III. Forschungsstand zu Olympiodors Alkibiades-Kommentar 27 <?page no="28"?> Folge wurden die modernen und antiken Konzepte des Selbst, insbesondere in Bezug auf Alkibiades, in mehreren Studien dargelegt. 62 In der zweiten Hälfte des 20. Jh. erschienen auch kritische Editionen sowie Übersetzungen mehrerer spätantiker Kommentare. Die Grundlagen für die Textforschung zu Olympiodor wurden von Leendert Gerrit Westerink durch Textausgaben 63 und die erste Übersetzung eines seiner Werke in eine moderne Sprache gelegt. 64 Dabei vertrat Westerink die Ansicht, dass Olympiodors Kommentare nicht in allen Fällen theoretische Substanz besitzen. 65 Folglich etablierte sich in der Forschung die These, dass Olympiodor im Vergleich zu Proklos weder bedeutende Theorien hervorgebracht noch selbstständige philosophische Werke verfasst habe. 66 Lediglich aufgrund der sozialgeschichtlichen Umstände seiner Zeit wurde Olympiodor als interessant angesehen, da seine Kommentare in Bezug auf die Religionskonflikte zwischen Paganismus und Christentum im spätantiken Alexandria untersucht wurden. 67 Dieser Annäherung lag die These von Karl Praechter zugrunde, der zu den Differenzen zwischen dem athenischen und dem alexandrinischen Platonismus argumentierte, indem er die Ansichten der Alexandriner aufgrund christlicher Dominanz als sehr vorsichtig und dadurch wenig originell bezeichnete. 68 Seine These hat folglich in der Forschung Kritik erfahren, obwohl weiterhin den alexandrinischen Exegeten eine ‚ vereinfachende ‘ und ‚ vorsichtige ‘ Erklärung der theo- 62 Besonders erwähnenswert ist Gill 2006. Spezifisch zur Selbsterkenntnis bei Olympiodor vgl. Renaud 2009. 63 Der erste von Westerink herausgegebene Kommentar von Olympiodor war derjenige zum Alkibiades; Westerink, L. G. (1956): Olympiodorus, Commentary on the first Alcibiades of Plato. Amsterdam. Diese Edition wird nachfolgend ausführlicher dargestellt (siehe Kapitel C. II.2. Westerinks kritische Edition). 64 Die Übersetzung von Olympiodors Kommentar zum Phaidon in Westerink 1976. 65 Westerink 1962, S. XV. 66 Dodds (1957, S. 356) vertrat die Ansicht, dass Olympiodors Alkibiades-Kommentar nichts Originales beinhalte, sondern die Interpretationen von Proklos und Damaskios zusammenstelle. Ähnlich schrieb Cameron (1969, S. 27) zu Olympiodors Kommentaren: „ it is universally agreed that they are philosophically worthless “ . Zuletzt bezeichnete Wildberg (2005, S. 321) Olympiodor als einen „ zahnlosen Platoniker “ . 67 Diese sozialgeschichtliche Interpretation Olympiodors lässt sich vor allem in Westerinks Einleitung zu den anonymen Prolegomena erkennen (Westerink 1962). Hier kommentiert Westerink den Sprachgebrauch in Olympiodors Kommentaren und einige Begriffe, die eine religiöse Bedeutung haben könnten. Dabei vertritt er die These, ebenso wie Cameron (1969, S. 15), dass Olympiodor die christliche Bevölkerung vermutlich durch eine besondere Interpretation in seine Lehre integrieren wollte. Für Beispiele dazu siehe in der Übersetzung Anmerkungen zu δαίμων (15,1) und συνήθεια (21,11). 68 VGl. Praechter 1912; dazu Filippi 2017, S. XV. 28 A. Einleitung <?page no="29"?> retischen Inhalte zugeschrieben wurde, die im Gegensatz dazu insbesondere bei Proklos in ihrem gesamten komplexen Umfang dargelegt werden. 69 In der neueren Forschung zu den Platonikern in der Spätantike sind weitere Studien zu Olympiodor erschienen. Darunter sind insbesondere Beiträge von Harold Tarrant zu erwähnen, in denen er Olympiodor im Zusammenhang mit dem platonischen Bildungskonzept und der Tradition der platonischen Exegese behandelt. 70 In der ersten Übersetzung Olympiodors in eine moderne Sprache - die Übersetzung des Gorgias-Kommentars - behandeln Robin Jackson, Kimon Lycos und Harold Tarrant zahlreiche Aspekte der exegetischen Vorgehensweise Olympiodors. 71 Besonders in Bezug auf die Interpretation der Mythen im Gorgias vertritt Tarrant die These, dass Olympiodors Ansichten nicht prinzipiell als Antwort auf die christliche Lehre konstruiert sind. 72 Indem er eigenständige Elemente von Olympiodors Kommentaren aufdeckt, hat Tarrant einen singulären Beitrag zur Forschung geleistet. Vor diesem Hintergrund gewann vor allem Olympiodors Alkibiades-Kommentar an Bedeutung. Es folgten Übersetzungen dieses Kommentars von Michael Griffin (2015/ 16) und Francesca Filippi (2017). 73 Die aktuellen Forschungen zum Neuplatonismus behandeln weitere Gesichtspunkte in Olympiodors Werken und vergleichen seine Interpretation der sokratischen Methode mit Proklos. 74 Auch im Rahmen der Studien über Genderaspekte im Neuplatonismus findet Olympiodor Aufmerksamkeit. 75 Einen ganzheitlichen Überblick über Olympiodors methodische Perspektive bietet Bettina Bohle durch eine Analyse des Gorgias-Kommentars. 76 Weitere Studien und Übersetzungen der erhaltenen 69 Die Vertreter dieser Kritik weisen auf die formalen Differenzen der Schulen in den beiden Städten hin. Für einen Überblick siehe Haake 2018, S. 40 - 44. Dagegen hat sich die Position, dass die beiden Schulen nur formale Unterschiede aufwiesen, in der zweiten Hälfte des 20. Jh. etabliert. Das alexandrinische Mouseion übertraf in der hellenistischen Zeit Athen durch einen größeren Umfang aller Disziplinen, so Marrou 1957, S. 401 - 403. Zu einer Revision von Praechters These vgl. Hadot [Ilsetraut] 1978, S. 9 - 14. Trotz formaler Unterschiede betont Hadot die Überschneidungen der Themen und Inhalte der Bildung in beiden Städten. Nach Vinzent (2000) wird in der gegenwärtigen Forschung zunehmend die Auffassung vertreten, dass diese Bildungsorte nicht in einem Vergleich bewertet werden sollten. 70 Tarrant/ Renaud 2015. 71 Jackson/ Lycos/ Tarrant 1998. 72 Tarrant 1998, S. 8 - 11. In Bezug auf Paganismus in der Spätantike vgl. Tarrant 1997. 73 Diese Übersetzungen werden ausführlicher dargestellt im Kapitel C. V.1. Überblick bisheriger Übersetzungen. 74 Renaud 2014. 75 Beispielsweise bei Layne 2021. 76 Bohle 2020. Die Thesen von Bohle und Tarrant werden im Folgenden Abschnitt zur Fragestellung ausführlicher vorgestellt. III. Forschungsstand zu Olympiodors Alkibiades-Kommentar 29 <?page no="30"?> Kommentare werden eine systematische Darstellung von Olympiodors Philosophie ermöglichen. 30 A. Einleitung <?page no="31"?> IV. Die Fragestellung und Aufbau der Arbeit Die aktuelle Forschung zu Olympiodor betont zunehmend seine Stellung als eigenständiger Platoniker. Dennoch bleibt die Frage offen, bezüglich welcher Positionen Olympiodor sich Proklos anschließt, und ob er dessen Theorie erweitert oder verwirft. In dieser Hinsicht besteht dahingehend ein Forschungsdesiderat, die Aspekte von Olympiodors Exegese zu identifizieren, die als Ausdruck einer eigenständigen Vorgehensweise angesehen werden können. Die Frage nach der Originalität von Olympiodors Ansatz, der ihn von anderen Platonikern wie Proklos unterscheidet, wurde von Harold Tarrant in einem kürzlich erschienenen Beitrag untersucht. 77 Demnach liege Olympiodors neue Interpretation daran, dass er den platonischen Diskurs als inspiriert definiere. 78 Olympiodor sehe die Inspiration nicht unbedingt als einen Einfluss, der von außen auf die materielle Welt einwirken muss. In dieser Hinsicht, so Tarrant, unterscheide sich Olympiodor vor allem von Proklos, da er die platonische Inspiration als eine Erfahrung betrachte, die nicht ausschließlich aus göttlicher Quelle stamme, sondern auch aus philosophischem Streben. 79 Damit idealisiere er Platons Inspirationen und festige gleichzeitig den Anspruch, dass die platonische Philosophie die inspirierte Erkenntnis vermittelt. 80 Hier geht Tarrant davon aus, dass Olympiodors inspirierte Charakterisierung der platonischen Philosophie bedeutete, dass er keine weitere göttliche Inspirationsquelle benötigte und sich so über theurgische Erklärungen hinwegsetzen konnte, so dass seine Philosophie sowohl die Position des Platonismus stärkte als auch eine größere Akzeptanz in der christlichen Bevölkerung erzeugte. Als Implikation dieser These kann Olympiodor eine Strategie zugeschrieben 77 Tarrant 2021. 78 Ebd. S. 211 - 212. Zu diesem Aspekt erklärt Tarrant, dass Olympiodors Vorgänger wie Proklos und Hermeias Platons Stil als ἰσχνός (schlicht, schmucklos, eventuell auch kurzgefasst) bezeichnen, während sie die Sprache der Poesie und der Mythen als ἁδρός (reif, komplex und gewichtig) betrachten. Der Begriff ἁδρός entspreche wiederum der inspirierten Rede. Folglich identifiziere Olympiodor die platonische Philosophie genau mit dem Stil, den Proklos von Platon abgrenzte und als eine Eigenheit des poetischen und mythischen Diskurses darstellte. 79 Ebd. S. 216 - 217. 80 Ebd. S. 219. Diese Haltung, so argumentiert Tarrant, ermöglicht Olympiodor gleichzeitig, seine Philosophie besser an ein christliches Umfeld anzupassen, da sie es ihm erlaubt, den neuplatonischen theologischen Diskurs zu umgehen und Inspiration als ein Ergebnis der Beschäftigung mit der Philosophie zu definieren. <?page no="32"?> werden, die dazu diente, den Status der platonischen Bildung zu manifestieren und zu verstärken. Diesem Ansatz von Tarrant folgend, stelle ich die Frage nach den unabhängigen und strategischen Aspekten der exegetischen Methode Olympiodors. Ein weiterer Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung findet sich im Diskurs über Form und Inhalt, der seit Friedrich Schleiermacher die Platonforschung maßgeblich geprägt hat. Diese Frage wurde von Bettina Bohle an die neuplatonischen Kommentare gerichtet, mit der Begründung, dass deren Verständnis von Form und Inhalt der platonischen Dialoge die modernen Interpretationen bereichern würde. 81 Bohles Studie belegt die These an Olympiodors Gorgias-Kommentar, dass Olympiodor eine Einheit der Darstellungsweise des Dialogs und des philosophischen Inhalts nachweise. 82 Bohle zufolge gibt Olympiodor den Darstellungselementen wie den Charakteren im Gorgias als Träger einer symbolischen Bedeutung und im allgemeinen Sinne des Inhalts den Vorrang vor der Form. 83 Dennoch sei die Form des Gesprächs nach Olympiodor der angemessene Ausdruck des philosophischen Gehalts. 84 Insbesondere als didaktisches Vorgehen besitze die Dialogform bei Olympiodor und bei den Neuplatonikern eine funktionale Rolle. 85 Vor diesem Hintergrund kommt Bohle zu dem Schluss, dass bei Olympiodor die Dialogform und deren Inhalt aneinander gebunden sind. In dieser Arbeit werde ich Bohles Ergebnis grundsätzlich zustimmen, jedoch gleichzeitig zeigen, dass Olympiodor nicht die Dialogform an sich, sondern bestimmte Merkmale des Dialogs als Vermittler philosophischer Theorien betrachtet. Olympiodors Kommentare widersprechen in zweierlei Hinsicht 81 Bohle 2020, S. 13. 82 Ebd. S. 117 - 118. 83 Ebd. S. 260. 84 Ebd. S. 114. In dieser Hinsicht wird die Form des Gesprächs als entscheidend für die Entstehung der platonischen Erkenntnis bewertet. Radke (2006, S. 13 - 15) betont, dass Schleiermachers Theorie über die Einheit von Form und Inhalt der platonischen Dialoge und seine Beschäftigung mit dem Dialog als Medium die postmoderne Interpretation Platons maßgeblich geprägt hat. So zeige die postmoderne Interpretation ein Interesse an der Form, die das Wesen der platonischen Philosophie entschlüsseln soll (ebd. S. 17). Deshalb gelte die Dialogform nach wie vor als der Zugang und Schlüssel zur Philosophie Platons (ebd. S. 61). In diesem Zusammenhang hebt Radke hervor, dass postmoderne Interpretationen eine absolute Autarkie der sprachlichen Form suggerieren, während Proklos diese Autarkie einschränke und auf den konkreten Inhalt beziehe (ebd. S. 553 - 554). Schließlich ist die wesentliche Rolle der Dialogform für die Neuplatoniker sowohl nach Radke als auch nach Bohle unbestritten. 85 In diesem Sinne ist die Form nach Bohle (2020, S. 116 - 118) dem Inhalt nachgeordnet, wobei sie als die Methode für die Ausbildung des menschlichen Erkenntnisvermögens bezeichnend ist. 32 A. Einleitung <?page no="33"?> der These, dass sich der Sinn der platonischen Philosophie aus ihrer Dialogform erschließen lässt. 1. In Olympiodors Lehrkonzept ist die Dialogform keine strikte Voraussetzung für die Äußerung platonischer Philosophie. Während Olympiodor die wesentlichen Eigenschaften der Dialogform bei Platon hervorhebt, die zu einer effektiven Vermittlung philosophischer Theorien beitragen, stellt seine Exegese diese Eigenschaften in Prosa dar. 2. Die Betonung der Darstellung des Gesprächs als Wiedergabe des Inhalts besteht nach Olympiodor nicht nur in der symbolischen Deutung der formalen Elemente. Der Dialog dient laut Olympiodor zwar der Sinnvermittlung, erzielt aber auch eine darüber hinausgehende Wirkung. In der vorliegenden Untersuchung verfolge ich daher die Auffassung, dass Olympiodor das Verhältnis von Form und Inhalt der platonischen Philosophie im Hinblick auf seine Wirksamkeit bewertet. Zu diesem Zweck gehe ich davon aus, dass Olympiodors Position zur Zusammenwirkung von formalen und inhaltlichen Elementen in seinem methodischen Ansatz deutlich wird. Dabei ist es unerlässlich, eine Erläuterung vorzunehmen, die sich mit Olympiodors philosophischen Standpunkten auseinandersetzt. Bislang fehlt jedoch eine ausführliche Untersuchung der theoretischen Grundlagen seiner Exegese. Um einen Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke zu leisten, wird in der vorliegenden Untersuchung das Ziel verfolgt, die Spezifik der Exegese Olympiodors am Beispiel des Alkibiades-Kommentars zu erarbeiten. Zur Differenzierung von Olympiodors exegetischer Methode sollen die besonderen Merkmale in diesem Kommentar untersucht und die Zusammenhänge zwischen seinen theoretischen Standpunkten und seiner Vorgehensweise ermittelt werden. Berücksichtigung findet hierbei das Verhältnis von Olympiodors Position zur Tradition der platonischen Exegese. Im Anschluss wird der Frage nachgegangen, ob bei Olympiodor im Vergleich zu anderen Platonikern eine unterschiedliche philosophische Annäherung an Platon stattfindet und wodurch sich diese auszeichnet. Zur Beantwortung der genannten Forschungsfragen ist die vorliegende Arbeit in vier Teile gegliedert: Nach der Einführung (Teil A) erläutere ich zunächst im Teil B die formalen Elemente sowie die Grundkonzepte des Kommentars (Kapitel B. I). Danach erfolgt eine Darlegung der theoretischen Grundlagen, die für Olympiodors exegetische Vorgehensweise relevant sind (Kapitel B. II). Anschließend untersuche ich die meiner Studie zugrunde gelegte Forschungsfrage, wie Olympiodor seine exegetische Vorgehensweise gestaltet (Kapitel B. III). Diese Untersuchung schließt mit einer Zusammenfassung der Erkenntnisse sowie einem Ausblick auf die weitere Forschung (Kapitel B. IV). IV. Die Fragestellung und Aufbau der Arbeit 33 <?page no="34"?> Teil C enthält einleitende Bemerkungen zum Text und zur Übersetzung, gefolgt von diesen und den Anmerkungen. An dieser Stelle ist es angebracht, auf einige thematische Einschränkungen hinzuweisen. Im Rahmen dieser Arbeit wird keine umfassende systematische Analyse des Kommentars vorgenommen, sondern eine Erklärung der theoretischen Grundlagen, die für Olympiodors exegetisches Verfahren wesentlich sind. Andere relevante Themen werden aus diesem Grund erst in den Erläuterungen zur Übersetzung des Kommentars adressiert. Da Olympiodor diese theoretischen Grundlagen nicht nur als Erklärungshilfen betrachtet, sondern bei seiner Auslegung auch methodisch anwendet, sind sie für seine exegetische Vorgehensweise von besonders großer Bedeutung. 34 A. Einleitung <?page no="35"?> B. Untersuchung des Kommentars <?page no="36"?> I. Der strukturelle Aufbau Anhand des Aufbaus und der Grundkonzepte des Alkibiades-Kommentars lässt sich der Rahmen von Olympiodors Annäherung an Platons Alkibiades klarer darstellen. Die formale Gestaltung des Kommentars spiegelt einen spezifischen Lehransatz wider und verweist zugleich auf die theoretischen Positionen zur Exegese. Unter der Struktur ist einerseits Olympiodors Definition der Form und Gliederung des platonischen Dialogs zu verstehen, andererseits der Aufbau seines Kommentars. Diese beiden Aspekte sind jedoch nicht nur formaler Natur, sondern auch thematisch bestimmt. Die Einteilung des platonischen Dialogs in Abschnitte wird von Olympiodor durch die sokratische Methode charakterisiert, die in jedem dieser Teile des Dialogs angewendet wird. Zudem scheint die Struktur seines Kommentars in Form von Praxeis dem Umfang der einzelnen Unterrichtseinheiten zu entsprechen und jeweils einen thematischen Zusammenhang zu bilden. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass Olympiodor auf diesen beiden Ebenen - Formbestimmung des platonischen Dialogs und seines eigenen Kommentars - eine gezielte Strukturierung vornimmt, die seinem exegetischen Lehrkonzept einen höheren Rang einräumt als der individuellen Lektüre der philosophischen Texte. 1. Der Titel In der Überlieferung trägt Olympiodors Alkibiades-Kommentar den Titel „ΣΧΟΛΙΑ ΕΙΣ ΤΟΝ ΠΛΑΤΩΝΟΣ ΑΛΚΙΒΙΑΔΗΝ“ . Der Begriff ‚ Scholia ‘ ( σχόλια , der Plural von σχόλιον ) deutet in der geschichtlichen Entwicklung auf verschiedene Aspekte der Kommentierung. Neben einer Diskussion unter Gelehrten sind Scholia auch schriftliche Notizen zu einem Autor oder Randbemerkungen in Handschriften. 86 Als eine Unterrichtsform deutet die Bezeichnung ‚ Scholia ‘ auf eine exegetische Untersuchung von Texten. Folglich nennt Olympiodor seine Kommentare ‚ Schulexegese ‘ der platonischen Dialoge. 87 86 Vgl. dazu Dyck 2001. 87 Das ist in allen überlieferten Kommentaren von Olympiodor der Fall, außer dem Kommentar zum Phaidon, bei dem der Titel verloren zu sein scheint; vgl. hierzu Westerink 1976, S. 28. <?page no="37"?> Das Ziel einer derartigen Exegese besteht überwiegend darin, die Texte sprachlich sowie inhaltlich zu erklären, um sie verständlicher zu machen. Demgegenüber heißt Proklos ’ Kommentar zum Alkibiades nicht ‚ Scholia ‘ , sondern „ Von Proklos dem Nachfolger zu Platons Erstem Alkibiades “ ( ΠΡΟ - ΚΛΟΥ ΔΙΑΔΟΧΟΥ ΕΙΣ ΤΟΝ ΠΛΑΤΩΝΟΣ ΠΡΩΤΟΝ ΑΛΚΙΒΙΑΔΗΝ ). Eine andere Bezeichnung für Kommentare, die von Philoponos verwendet wird, ist „ Schulnotizen “ ( ΣΧΟΛΙΚΑΙ ΑΠΟΣΗΜΕΙΩΣΕΙΣ ). 88 Dieser Begriff hebt den Charakter der Schrift als ‚ zusammenfassende Unterrichtsnotizen ‘ ( ἀποσημείω σις ) eines Schülers hervor, während Olympiodor diesen Titel nur für einen Teilbereich seines Kommentars im Sinne einer Zusammenfassung verwendet. 89 Durch den Titel „ Scholia “ weicht Olympiodor von der Standardbezeichnung für Kommentare bei den spätantiken Exegeten wie Ammonios ab, die den Titel „ Gedächtnisprotokoll “ ( ΥΠΟΜΝΗΜΑ ) bevorzugen. 90 Diese Schriften stellen für die Veröffentlichung überarbeitete und ergänzte Kommentare dar, während Scholia als unbearbeitete ‚ Lektürevorlage ‘ zu betrachten sind. 91 Auf der sprachlichen Ebene verdeutlichen Scholia die mündliche Kommunikation im Unterricht, während ὑπομνήματα konzeptionell schriftlich sind. Demnach ist ein ὑπόμνημα eindeutig als eigenständiges Werk eines Exegeten zu betrachten - auch wenn es sich auf dem Unterricht eines anderen Philosophen stützt. 92 Scholia halten sich dagegen näher an den im Unterricht oder im Text verwendeten Wortlaut und geben diesen wieder. Aus diesem Grund sind die Kommentare mit dem Titel ὑπόμνημα oftmals nicht in Unterrichtseinheiten ( πράξεις ) geteilt, 93 während die Scholia diese Teilung beibehalten. 88 Zu dieser Bezeichnung in den Kommentaren von Ammonios ’ Schülern siehe Schramm 2018, S. 2010. Der Titel von Philoponos ’ Kommentar zu Aristoteles ’ De anima wird bei Schwab/ Gaeb (2011, S. 123) wiedergegeben als „ die Vorlesungsmitschriften des Johannes aus Alexandria zu Aristoteles ’ De anima, basierend auf den Seminaren des Ammonios, Sohn des Hermeias, mit einigen Zusätzen von ihm selbst “ . Van der Eijk (2005, S. 15) übersetzt diesen Titel bei Philoponos mit „ lecture notes “ . Dazu vgl. Phlp. in Arist. APr. 1,2T; in APo. 1,2T; in de An. 1,2T. Mit ἀποσημείωσις betont Philoponos, dass er diese Kommentare ausgehend von Ammonios ’ Exegese verfasst hat, wobei er einige andere Kommentare mit Scholia betitelt, wie es auch bei Olympiodor der Fall ist (vgl. Phlp. in Cat. 1,1T; in GA 1,1T). 89 Siehe Olymp. in Alc. 209,23. 90 Vgl. Ammon. in Int. 1T. Für ausführliche Erklärung der Kommentar-Titel siehe Lamberz 1987, S. 2 - 4. 91 Nach Blank (1996, S. 3) „ school explanations of a text “ . 92 So sind Ammonios ’ Kommentare zu Aristoteles ’ De Interpretatione seine ὑπομνήματα ausgehend von Proklos ’ Unterricht, wobei er selbst als der Verfasser des Kommentars gilt. 93 Dieses Konzept wird im Folgenden ausführlicher erklärt (Kapitel B. I.3. Das Unterrichtskonzept als Praxis). I. Der strukturelle Aufbau 37 <?page no="38"?> 2. Die Abschnitte des Dialogs Neben der Gliederung in Praxeis erwähnt Olympiodor auch eine inhaltliche Aufteilung des platonischen Alkibiades (Olymp. in Alc. 11,7 spricht von κεφάλαια , „ die Hauptteile “ oder „ Kapitel “ ). Nach Olympiodor demonstriert dieser Dialog im größeren Rahmen drei sokratische Methoden, die jeweils eine ‚ Phase ‘ der Argumentation bilden: Die Widerlegung, die Ermunterung und die philosophische Geburtshilfe (in Alc. 11,8: ἐλεγκτικόν , προτρεπτικόν , μαιευτικόν ). Die damit korrespondierenden Teile des Kommentars sind jeweils als Abschnitt ( τμῆμα ) bezeichnet. Zusammen mit der Einführung gliedern sich die drei Abschnitte des Dialogs nach Olympiodor wie folgt: - Einführung ( προοίμιον ): Vom Anfang bis Plat. Alc. 106b. Der Kommentar beginnt mit Platons Leben. Danach folgen eine allgemeine Einleitung zum Alkibiades sowie Kommentare zum Anfang des Dialogs. - 1. Abschnitt = Widerlegung ( ἐλεγκτικόν ): Plat. Alc. 106c - 119a. Nach der Einführung schließt sich der Abschnitt des Dialogs an, in dem Sokrates die Thesen von Alkibiades widerlegt ( ἔλεγχος ), um ihm zu zeigen, dass dieser die Dinge nicht weiß, die er zu wissen behauptet. - 2. Abschnitt = Ermunterung ( προτρεπτικόν ): Plat. Alc. 119a - 124a. Nachdem Alkibiades seine Unwissenheit eingestanden hat, ermutigt Sokrates ihn weiter, um ihm Mut zu machen, seine Forschungen fortzusetzen. - 3. Abschnitt = Philosophische ‚ Geburtshilfe ‘ ( μαιευτικόν ): Plat. Alc. 124a - 135d. Ausgehend von der ‚ sokratischen Hebammenkunst ‘ , die auch als Mäeutik ( μαιευτική ) bekannt ist, benennt Olympiodor den abschließenden Teil des Dialogs, in dem Alkibiades zur ‚ Geburt ‘ der Erkenntnis gebracht wird. Olympiodors Gliederung unterscheidet sich von Proklos ’ Interpretation zur Aufteilung des Alkibiades. In seinem Kommentar stellt Proklos sein Konzept über die Teile des Dialogs anderen Exegeten gegenüber (vgl. Procl. in Alc. 12,1 - 13,15). Es gibt einige, erklärt Proklos ohne explizite Nennung der Namen, die ihre Gliederung auf den sprachlichen Ausdruck stützen (12,1: κατὰ τὸ λεκτικόν ). So verwenden sie Begriffe wie Lob und Tadel bzw. Widerlegung (12,2: ἔπαινον καὶ ἔλεγχον ), Ermunterung und Abwendung sowie ‚ Hebammenkunst ‘ (12,2 - 3: προτροπὴν καὶ ἀποτροπήν…μαιείαν ). Proklos zufolge wird eine derartige Gliederung den Inhalten des Dialogs nicht gerecht: Ihr Ansatz sei zwar in einigen Aspekten richtig, führe aber dazu, dass unwichtige Details in den Vordergrund gerückt würden, so dass der Gegenstand des Gesprächs nicht zur Sprache komme (12,13 - 14: τῆς δὲ τῶν πραγμάτων ἀπολείπονται διαρθρώσεως ). Diese Kritik ist indes nicht ganz klar formuliert, kann jedoch 38 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="39"?> in der Weise gedeutet werden, dass Proklos die genannten Begriffe als zu formale und starre Bestimmungen ansieht. Wenn die Teile des Dialogs a priori mit bestimmten Termini gekennzeichnet sind, konzentrieren sich die Exegeten laut Proklos darauf, die Merkmale dieser Begriffe in den sprachlichen Details zu suchen, anstatt den eigentlichen Inhalt des Gesprächs zu erklären. Proklos führt weiter aus, dass es andere Exegeten gibt, die über den sprachlichen Ausdruck hinausgehen und auf die Ebene der syllogistischen und demonstrativen Aspekte des Dialogs steigen (12,16 - 17: ἀνάγονται δὲ ἐπὶ τὸ συλλογιστικὸν τοῦ διαλόγου καὶ ἀποδεικτικόν ). Nach dieser Auffassung ist der Dialog in zehn Syllogismen geordnet (12,18 - 13,11): 1. Der Beweis, dass Alkibiades nicht weiß, was gerecht ist. 2. Feststellung, dass die Mehrheit nicht in der Lage ist, zu lehren, was gerecht ist. 3. Schlussfolgerung, dass bei Frage und Antwort der Sprecher derjenige ist, der antwortet, und nicht etwa derjenige, der fragt. 4. Die These, dass die gleiche Erkenntnis notwendig ist, um eine Person oder viele zu überzeugen. 5. Folgerung, dass das, was gerecht ist, auch nützlich ist und 6. das, was edel ist, gut ist. 7. Der Beweis, dass Alkibiades doppelt unwissend ist und weder sich selbst kennt noch politische Angelegenheiten versteht. 8. Der Vorwurf, Alkibiades habe nicht einmal überlegt, wer seine Gegner sind. 9. Die Aufzeigung, dass Alkibiades die richtige Bedeutung von ‚ Sorge ‘ oder ‚ Bemühung ‘ um sich selbst nicht kennt ( τῆς ὀρθῆς ἐπιμελείας ). 10. Das Argument, das unser Wesen reinigt und seine Dreiteilung sowie die ‚ Behandlung ‘ ( θεραπεία ) für jeden dieser Teile festlegt. Proklos hält diese Auffassung für richtiger, obwohl auch in diesem Fall keine der Form des Gegenstands entsprechende ( πραγματειώδη ) Unterteilung erfolgt, sondern eine sekundäre Differenzierung gemacht wird, die sich nicht völlig von der Beschäftigung mit den Instrumenten ( ὄργανα ) lösen kann (13,11 - 15). Diese Schlussfolgerungen sind nach Proklos insofern als Instrumente und nicht als essentielle Aspekte der Argumentation zu betrachten. Gegen diese Standpunkte stellt Proklos seinen Entwurf, den er ausgehend von Jamblichs Position ausarbeitet. Er führt aus, dass Jamblich drei Hauptteile ( κεφάλαια ) des Dialogs bestimmt hat, denen er den Gegenstand selbst zugrunde legte (Procl. in Alc. 13,16 - 20). Jamblichs Analyse verbinde stilistische und syllogistische Elemente, denn das Sekundäre und das Instrumentale (d. h. die Schlussfolgerungen) müsse sich dem Primären (d. h. drei Hauptteilen) unterordnen (13,20 - 14,1: δεῖ γὰρ ἀε ὶ τὰ δεύτερα καὶ τὰ ὀργανικὰ τῶν πρώτων καὶ I. Der strukturelle Aufbau 39 <?page no="40"?> κυρίων μερῶν ἀντέχεσθαι ). Daher fragt Proklos, wie der Dialog in seine unmittelbaren und im wahrsten Sinne des Wortes in seine Teile zerlegt werden kann (14,1 - 2: πῶς οὖν φαμὲν τὸν διάλογον εἰς τὰ προσεχῆ καὶ κυριώτατα μέρη διαιρεῖσθαι ; ). Der erste Teil sei also ( κεφάλαιον ἕν ), in dem die Unwissenheit aus der Vernunft entfernt und die Hindernisse für den Erwerb von Wissen beseitigt werden (14,8 - 11). Der zweite Teil des Dialogs beweist, dass die körperlichen Vorteile nicht dazu führen dürfen, dass das Streben nach vollkommener Tugend vernachlässigt wird (14,11 - 14). Im dritten Teil geht es um die Rückbesinnung auf unser wahres Wesen und das Herausfinden der richtigen Anstrengung (14,14 - 15: ἀνάμνησιν πορίζον τῆς ἀληθινῆς ἡμῶν οὐσίας καὶ τῆς ἐπιμελείας τῆς ὀρθῆς τὴν εὕρεσιν ), womit der Dialog zu einem angemessenen Abschluss kommt. Die zehn Syllogismen des Dialogs, die sich in der zweitgenannten Gliederungsvariante befinden, sind nach Proklos jeweils auf einen dieser drei Teile zu beziehen und auf diesem Hintergrund zu verstehen (14,16 - 24). Betrachtet man Olympiodors Gliederung, so scheinen seine Bestimmungen von ἐλεγκτικόν , προτρεπτικόν und μαιευτικόν genau die Begriffe zu verwenden, die Proklos an der ersten von ihm aufgeführten Stelle kritisierte (vgl. Procl. in Alc. 12,2 - 3: ἔλεγχος , προτροπή , μαιεία ). Proklos verwendet zwar diese Begriffe in seinem Kommentar, doch identifiziert er sie nicht mit den Teilen des Dialogs. Auch die Bestimmung der Einführung ( προοίμιον ), die keinen Abschnitt im eigentlichen Sinne darstellt, ist bei Proklos unklar: als Einführung nennt er an einer Stelle Plat. Alc. 103a (Procl. in Alc. 19,11 - 20,1), an einer anderen 113b - c (Procl. in Alc. 129,2 - 131,11). Dies ist jedoch kein Hinweis auf Inkonsequenz, sondern darauf, dass derartige stilistische Begriffe bei Proklos keine interpretationsbestimmende Rolle spielen. Weder greift Proklos bei der Gliederung des Kommentars auf diese Begriffe zurück, noch teilt er seinen Kommentar entsprechend den drei Hauptabschnitten. Im Gegensatz dazu ist der Kommentar von Olympiodor übersichtlich nach der Gliederung der Abschnitte geordnet und inhaltlich ausgerichtet. Olympiodor nimmt also eine grundlegend andere Position zu den Umrissen des Alkibiades ein. Hier stellt sich die Frage, ob die von Olympiodor erwähnten Abschnitte des Dialogs Vorbilder bei den früheren Exegeten haben. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, ob gerade Jamblich, auf den sich Proklos für seinen Gegenentwurf stützte, die drei Hauptteile mit gleichen Begriffen wie Olympiodor benannte. In jedem Fall ist es im Rahmen der pythagoreischen Lehre bezeichnend, dass Jamblich einen ‚ Aufruf zur Philosophie ‘ ( Προτρεπτικός ) schreibt; die anderen Adjektive ἐλεγκτικός und μαιευτικός sind in den erhaltenen Schriften Jamblichs nicht vorhanden. Es ist dennoch nicht auszuschließen, dass Proklos ’ Einwand gegen stilistische Begriffe unberechtigt war, da gerade Jamblich ebenfalls diese Begriffe ver- 40 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="41"?> wendet haben könnte. Denn Proklos erklärt nicht, wie Jamblich die drei Hauptteile genannt hat. Diese Frage lässt sich anhand des Textes nicht klären. Es ist jedoch anzumerken, dass Olympiodor bewusst die Begriffe verwendet, die von Proklos abgelehnt wurden. Ferner erwähnt Olympiodor keine Aufteilung des Dialogs in zehn Syllogismen. Doch welche Vorteile bringen diese Abweichungen von Proklos für die Gestaltung seines Kommentars? Diesbezüglich können einige Überlegungen angestellt werden: Olympiodor scheint den Dialog in etwa gleich lange Abschnitte zu unterteilen, wodurch eine klare Struktur zwischen den drei Hauptteilen erkennbar wird. Diese Strukturierung kann mit der Rolle von Olympiodor als Lehrer in Verbindung gebracht werden. Wahrscheinlich wurden dadurch bestimmte Abschnitte des Dialogs als Etappen des philosophischen Unterrichts gekennzeichnet. Folglich könnte in jedem Abschnitt eine andere sokratische Methode behandelt und abgeschlossen werden, so dass die Schüler durch das Erreichen kleinerer Ziele für die folgenden Teile motiviert werden. Denkbar wäre auch, dass Olympiodor eine Art Interpretationshilfe mit einer klaren Gliederung in Abschnitte bietet und von vornherein auf das prägende Motiv der jeweiligen Textstelle hinweist. So sind seine pädagogischen Ziele in der Gestaltung seines Kommentars vordergründig. 3. Das Unterrichtskonzept als Praxis Die oben genannten Abschnitte sind weiter in Unterrichtseinheiten ( πράξεις / Praxeis) unterteilt, die jeweils eine bestimmte Passage des Dialogs behandeln. Eine Strukturierung der exegetischen Schriften nach der Länge der Textstellen und Unterrichtseinheiten ist in der Spätantike üblich. Dabei werden verschiedene Begriffe für die Teile der Kommentare verwendet. Der Begriff ‚ Praxis ‘ ( πρᾶξις ) für den Unterricht bietet einen Hinweis darauf, wie Olympiodor seine Kommentare konzipiert. 94 Praechter zufolge weist der Titel ‚ Praxis ‘ in den spätantiken Kommentaren auf einen „ Vortrag “ hin. 95 Der Begriff leitet sich vom Verb πράττειν ab, das im Kontext der Philosophenschule „ exegetisch behandeln “ und im „ absoluten Sinne “ , so nach Praechter, „ Exegese treiben “ oder schlichtweg „ Exegese “ 94 In allen seinen platonischen Kommentaren betitelt Olympiodor die Unterrichtseinheiten mit dem Begriff Praxis ( πρᾶξις ). Diese Unterteilung der Kommentare in Praxeis ist speziell bei Olympiodor und seinen Nachfolgern (Elias und David), während diese Bezeichnung bei den alexandrinischen Philosophen vor Olympiodor nicht belegt zu sein scheint. (siehe dazu Kapitel B. I.1. Der Titel). 95 Praechter 1909, S. 532. I. Der strukturelle Aufbau 41 <?page no="42"?> bedeutet. 96 Diese Art von Exegese unterteilt Praechter in „ dialogische “ und „ akroamatische “ Formen, von denen die erste den „ Übungen “ und die zweite den „ Vorlesungen “ im modernen akademischen Lehrbetrieb entsprechen würden. 97 Dabei ist die Gleichsetzung einer exegetischen Praxis der Neuplatoniker mit den modernen Lehrkonzepten fraglich. Im Hinblick auf den Philosophieunterricht ist es zutreffender, von einer Praxis zu sprechen, die sich prinzipiell auf die Exegese konzentriert. Die Benennung von einem Unterricht als Praxis findet sich außer bei Olympiodor noch bei Philoponos, Elias, David und Stephanos, 98 die alle zeitgleich mit oder nach Olympiodor ihre Kommentare verfasst haben. Dagegen bezeichnet Proklos einen philosophischen Unterricht als „ Zusammenkunft “ ( συνουσία ) 99 oder als eine „ gemeinsame Lesung “ ( συνανάγνωσις ). 100 In der handschriftlichen Überlieferung ist der Alkibiades-Kommentar in 28 Praxeis unterteilt, die - mit Ausnahme der ersten - „ mit Gottes Hilfe “ bzw. „ in Begleitung Gottes “ ( σύν θεῷ , wörtlich „ mit Gott “ ) beginnen. 101 Als Unterrichtseinheit besteht eine Praxis aus zwei Teilen: der ‚ Theorie ‘ ( θεωρία ) und der ‚ Redeweise ‘ ( λέξις ). 102 Am Anfang des Unterrichts steht die theoretische Untersuchung ( θεωρία ), in der die maßgebenden Ansichten des zu behandelnden Textabschnitts erläutert werden. Dieser Teil beginnt mit einem Lemma aus dem Originaltext, das bis zum Anfang des folgenden Unterrichts erläutert wird. Der Abschluss der theoretischen Erklärungen wird bei Olympiodor in einigen, jedoch nicht in allen Fällen durch die Formulierung „ Daraus besteht die Theorie “ ( ἐν οἷς ἡ θεωρία ) bzw. „ das hat die Theorie “ ( ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία ) gekennzeichnet. 103 Nach Theoria folgen kurze Erklärungen bestimmter Sätze oder Wörter aus dem Lemma, das vorher aus theoretischer Hinsicht betrachtet wurde. Dieser Teil wird als λέξις bezeichnet, die als ‚ Redeweise ‘ oder ‚ sprachliche Ausdrucksweise ‘ aufgefasst werden kann. Konkreter kann λέξις auf die Wortwahl einer Rede bzw. 96 Praechter 1909, S. 532, Anm. 1. 97 Vgl. ebd. S. 533. Ähnlich verwendet auch Hadot „ Vorlesung “ für πρᾶξις ; vgl. Hadot [Ilsetraut] 2002, S. 184. 98 Siehe Elias in Porph. 1,2T; David. Proll. 1,3T; Stephanos in Int. 1,3T. Bei Philoponos befindet sich der Ausdruck πρᾶξις nicht als Titel, jedoch verteilt an verschiedenen Stellen seiner Kommentare (vgl. Phlp. in Cat. 11,12 - 13: ἐντεῦθεν οὖν ἄρχεται ἡ πρᾶξις ; in de An. 462,23: ἐν οἷς ἡ πρᾶξις ). 99 Übersetzt als „ lecture “ von Blank 1996, S. 2. Siehe dazu die Bezeichnung für die „ ungeschriebene Lehre “ ( ἐν ταῖς ἀγράφοις συνουσίαις , Procl. Theol. Plat. I.42,13). 100 Beispielsweise auf dem Titel von Proklos ’ Kommentar zu Platons Politeia, Procl. in Rep. I.5,3. Vgl. Marinos, Vita Procli 10; Elias in Cat. 107,25. 101 Siehe dazu in der Übersetzung 9,21. 102 Vgl. Hadot [Ilsetraut] 2002, S. 184 „ inhaltliche Interpretation “ für θεωρία und „ Worterklärung “ für λέξις . 103 Die erste Variante ist seltener (vgl. 46,9 im 5. Unterricht). 42 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="43"?> eines Texts oder auf den Text selbst hinweisen. 104 Im Rahmen eines Unterrichts kann dieser Teil ‚ sprachliche Erläuterung ‘ genannt werden. Diese Erklärungen befassen sich mit der Bedeutung einzelner Wörter sowie mit der Interpretation syntaktischer und grammatischer Einzelheiten bestimmter Aussagen. Die sprachliche Erläuterung befindet sich immer am Ende eines Unterrichts und enthält mehrere Lemmata aus der Stelle des Dialogs, die im jeweiligen Unterricht behandelt wurde. Diese Lemmata sind entsprechend der Reihenfolge des Dialogs geordnet, so dass davon ausgegangen werden kann, dass der Originaltext in diesem Teil des Unterrichts gelesen wurde. 105 Nach diesen Erläuterungen beginnt ein neuer Unterricht mit einer theoretischen Untersuchung. Einige wenige Praxeis bestehen nur aus einem theoretischen Teil, wie Olympiodors Einleitung am Anfang des Kommentars, die mit der Aussage „ daraus besteht “ bzw. „ damit endet der Unterricht “ ( ἐν οἷς ἡ πρᾶξις ) endet. 106 Der konkrete Rahmen von Olympiodors Unterricht lässt sich aus dem bisher erläuterten Schema einer Praxis ablesen. Es muss jedoch erwähnt werden, dass der genaue Zeitrahmen der einzelnen Praxeis nicht rekonstruiert werden kann. Die Länge und Aufteilung der Praxeis lassen keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Länge der Unterrichtstage zu. 107 Anhand des Kommentartextes lässt sich 104 Siehe dazu Olymp. in Alc. 69,3; 177,11; 192,14; 204,3. 105 In dieser Hinsicht kann λέξις auch als eine gründliche ‚ Lesung ‘ des Texts betrachtet werden. Nach Tarrant (1998, S. 15 Anm. 61) scheint die Aufteilung der Kommentare in eine allgemeine Diskussion (theoria) und eine sprachliche Erläuterung (lexis) eine besondere Art von Unterrichtssituation mit einer formalen Lehrer-Schüler-Trennung vorauszusetzen. Ich interpretiere diese „ Lehrer-Schüler-Trennung “ dahingehend, dass die Lehrer für die theoretische Erklärung alleine zuständig sein könnten, während die Schüler an der sprachlichen Erklärung teilgenommen haben. Demgegenüber ist nach Hadot [Ilsetraut] (2002, S. 184) die Reihenfolge von Kommentar und Lektüre eine andere: „ Auf die Lehrern und Schülern gemeinsame Lektüre eines Abschnittes eines philosophischen Traktats folgte der Kommentar des Lehrers … Oder aber der Lehrer ließ zunächst einen Schüler einen Textabschnitt lesen und erklären, um danach selbst eine korrigierte Interpretation zu liefern. “ Für beide Verfahren, bei denen der Text am Ende kommentiert wird, führt Hadot Epiktets ‚ Unterredungen ‘ (Dissertationes / Διατριβαί ) als Beleg an, die jedoch nicht als Beispiel auf die spätantike alexandrinische Philosophenschule übertragen werden können. 106 Olymp. in Alc. 9,19. Dieser erste Teil trägt in der Überlieferung nicht den Titel ‚ Unterricht ‘ , jedoch wird angenommen, dass es sich hierbei um den ersten Unterricht handelt, da der Kommentar danach mit dem zweiten Unterricht fortfährt. 107 Dennoch können einige Versuche genannt werden, die Dauer der Vorlesungen anhand der erhaltenen Texte zu schätzen. Westerink (1976, S. 25) formuliert es wie folgt: Alle Kommentare von Olympiodor enthalten 40 bis 50 Praxeis. Bei täglichem Unterricht und unter Berücksichtigung der Feiertage, so Westerink, wären fünf Texte pro Jahr und Kurs fertig. Daraus folge (ebd. S. 25 - 26), dass zwei bis drei Jahre für den jamblicheischen Kanon der 12 platonischen Dialoge und etwa die gleiche Zeit für den aristotelischen Kanon benötigt werden müsste. Ähnlich folgert Griffin (2015, S. 46) ausgehend von I. Der strukturelle Aufbau 43 <?page no="44"?> hier lediglich feststellen, dass die Form der Praxis auf eine besondere Art der Textauslegung hinweist, die eine wiederholte Behandlung derselben Passagen aus verschiedenen Perspektiven erfordert. Diese Methode soll im folgenden Abschnitt näher erläutert werden. 4. Kreisförmige Erzählstruktur Zu Beginn und am Ende jeder Praxis behandelt Olympiodor Aussagen aus Platons Text in einer Reihenfolge, die eine kreisförmige inhaltliche Gestaltung erkennen lässt. In der Tat kann man den Stil von Olympiodor nicht exakt als Ringkomposition bezeichnen, die Van Otterlo dadurch definiert, dass am Anfang und am Ende eines Textabschnitts „ Sätze gleichen Inhalts und mehr oder weniger ähnlichen Wortlauts “ vorhanden sein müssen. 108 Doch in den meisten Unterrichtseinheiten hält sich Olympiodor an eine Erzählstruktur, die inhaltlich an den Anfang am Ende anknüpft und durch bestimmte thematische Komponenten vereinheitlicht wird. Dass diese Erzählform für Olympiodor eine durchdachte Strategie ist, macht er durch einige Bemerkungen deutlich: Erstens verbindet sich nach Olympiodors Auffassung der Anfang des Dialogs mit dem Ende durch die Themen der Liebe ( ὁ ἔρος : 12,17 - 13,8) und der Gegenliebe ( ὁ ἀντέρως : 227,1 - 9). Zweitens gibt er das Konzept des „ wiederherstellenden Arguments “ ( λόγος…ἀποκαταστατικός : 37,11 - 12) an, das die Rückwendung ( ἡ ἐπιστροφή ) der Seele auf sich selbst unterstützt, und wie diese Rückwendung eine in sich selbst wiederkehrende Natur hat. Schließlich lassen sich diese Konzepte mit der Auffassung vereinbaren, dass der Unterricht bzw. die Exegese seinen Zweck erfüllt ( πληροῦσθαι , vgl. πεπλήρωται : 62,16; πληροῦται : 165,11). So versteht Olympiodor seinen Kommentar als eine in sich geschlossene Einheit, deren Elemente in Bezug zueinander erklärt werden können, wodurch die vorherigen Punkte entsprechend wiederholt werden. Die kreisförmige Struktur, die bei den meisten spätantiken alexandrinischen Kommentatoren zu finden ist, unterscheidet sich sowohl von den früheren Platonikern, als auch von den neuplatonischen Kommentaren des Proklos. In einem Hinweis im vierten Unterricht ( πρώην in 34,8) auf den dritten Unterricht (14,20 - 6), dass alle Unterrichtseinheiten sich ungefähr über einen Zeitraum von 10 Wochen erstreckt haben könnten. Dies wird jedoch durch die anderen Aussagen Olympiodors bezüglich πρώην nicht bestätigt (siehe dazu Anm. 325 zu der Übersetzung). 108 Van Otterlo 1944, S. 3. Zu den Elementen einer Ringkomposition vgl. Engels 2007, der auch auf die Definition von Van Otterlo hinweist. Zum Kompositionsstil der Kommentare vgl. im Folgenden Anm. 116 die Bezeichnung bei Golitsis (von Évrard): „ doppelte Exegese “ . 44 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="45"?> der Forschung wurde der „ fortlaufende philosophische Kommentar “ dahingehend definiert, dass ein Text von Anfang bis Ende in der richtigen Reihenfolge oder Zeile für Zeile erklärt wird. 109 In den fortlaufenden Kommentaren findet sich nach Ilsetraut Hadot häufig die Abfolge von θεωρία und λέξις . 110 Das bedeutet jedoch nicht, dass jeder fortlaufende Kommentar dieser Struktur entspricht: Im Gegenteil, es gibt fortlaufende Kommentare, die gegen diese Form ausgelegt sind. Ein Beispiel dafür sind nach Federico M. Petrucci die „ mittelplatonischen “ Kommentare, die zwar als „ fortlaufend “ gelten, sich aber entschieden gegen Wiederholungen und gegen eine lückenlose Erklärung des Textes wenden. 111 Petrucci hält daher auch ihre Definition als „ fortlaufend “ für unzureichend und schlägt stattdessen den Begriff „ wellenartig “ vor. 112 Demnach unterscheidet sich diese Art der Textgestaltung von den neuplatonischen Kommentaren, für die Proklos als Paradigma herangezogen wird. 113 Die Kommentare des Proklos ihrerseits sind unterschiedlich aufgebaut und weisen im Vergleich zu den alexandrinischen Kommentaren meist keine klare Abfolge von Theoria und Lexis auf. 114 Olympiodors Kommentare sind, wie die anderen spätantiken Kommentare mit Theoria und Lexis, nicht nur fortlaufend, sondern sie erklären den Original- 109 Petrucci 2018, S. 210. Die Bezeichnung „ fortlaufender Kommentar “ wird auch für die neuplatonischen Kommentare verwendet, zum Beispiel von Bohle (2021, S. 145: „ running commentary “ ) zum Gorgias-Kommentar des Olympiodor. 110 Hadot [Ilsetraut] 2002, S. 184. 111 Nach Petrucci wählten die Mittelplatoniker einige Kernpassagen aus, die die Hauptargumentation des Dialogs illustrieren. Dabei gingen sie „ selektiv “ vor, was dem Prinzip des fortlaufenden Kommentars widerspricht (Petrucci 2018, S. 219). Darüber hinaus lehnten sie Wiederholungen strikt ab und ließen Textabschnitte unbehandelt, die zu Wiederholungen im Hauptargument führen würden (ebd. S. 220). Außerdem, so Petrucci, erheben die Mittelplatoniker keinen Anspruch auf eine lückenlose Erklärung des Textes, die bei fortlaufenden Kommentaren der Fall ist (ebd. S. 215). Dagegen verweist Petrucci u. a. auf Sedley für eine Bezeichnung der mittelplatonischen Kommentare als fortlaufend (vgl. Sedley 1997, S. 114). 112 Petrucci (2018, S. 222) unterscheidet den mittelplatonischen Kommentar vom ‚ zeilenweise fortlaufenden ‘ und dem ‚ spezialisierten ‘ Kommentar dadurch, dass die Mittelplatoniker ausgewählte, zentrale Textstellen in wechselnder, variierender Länge behandeln. 113 Für die wiederum die Kriterien „ thematisch “ und „ selektiv “ , mit denen Petrucci (2018, S. 217 - 219) die mittelplatonischen Kommentare definiert, zweifellos zutreffen, da Proklos bestimmte Passagen nach seinen Interessen auswählt, während er andere unerwähnt lässt. Dabei merkt Petrucci (ebd. S. 218) an, dass Proklos die Teile des Timaios kommentierte, die die Mittelplatoniker für unwichtig hielten. Dies zeige den neuplatonischen Anspruch auf Vollständigkeit und damit die Unterschiede zwischen mittelplatonischen und neuplatonischen Kommentaren. 114 Zum Inhalt von Theoria und Lexis siehe das vorherige Kapitel 3. Das Unterrichtskonzept als Praxis. I. Der strukturelle Aufbau 45 <?page no="46"?> text vollständig und wiederholen bestimmte Teile sowohl in der Theoria als auch in der Lexis. Diese Textstruktur wird als ein typisches Anzeichen dafür betrachtet, dass ein Kommentar zu Bildungszwecken geschrieben wurde. 115 Die Abfolge von Theoria und Lexis, die den Kommentaren von Philoponos, Olympiodor, Elias, David und Stephanos gemeinsam ist, wurde auch als ‚ doppelte Exegese ‘ bezeichnet, weil dieselben Textstellen auf zwei verschiedene Arten erläutert werden. 116 Dabei werden diese Textpassagen nicht ziellos wiederholt, sondern zunächst aus theoretischer, dann aus sprachlicher und grammatikalischer Sicht diskutiert. Dieser Methode liegt das Hauptargument der Skopos-Theorie zugrunde, dass sich das Theoretische im Linguistischen manifestiert. 117 Schließlich führen diese ‚ Wiederholungen ‘ , wie im vorigen Kapitel erwähnt, zu einer Art kreisförmiger Erzählung, die bestimmte Teile des Textes in ihren wechselseitigen Bezügen immer wieder aufgreift. 5. Zusammenfassung der formalen Anlage Der Alkibiades-Kommentar zeigt sowohl durch den Titel „ Scholia “ als auch durch die Unterteilung in Praxeis, wie Olympiodor diesen Dialog im philosophischen Unterricht erläutert. Dieser Aufbau entspricht stärker einer Verschriftlichung des Unterrichts als einer für die Veröffentlichung bearbeiteten Abhandlung. Dementsprechend werden viele Elemente der mündlichen Kommunikation bewahrt, die auch den Leser des Kommentars in diese Unterrichtssituation versetzen können. Aus dieser Sicht lädt Olympiodors Exegese des Alkibiades nicht nur zum Lesen ein, sondern geradewegs zu einer Beteiligung an der Erläuterung des Dialogs. 118 Dieses Vorgehen ist in Übereinstimmung mit der sokratischen Methode im Dialog, bei dem Sokrates Alkibiades auffordert, sich gemeinsam zu beraten ( κοινὴ βουλή , auch geäußert von Alkibiades in Plat. Alc. 119b1; vgl. 124b10 und dazu Olymp. in Alc. 146,16), um gemeinsam zur Erkenntnis geführt zu werden ( συνανάγεσθαι , Olymp. in Alc. 88,8; vgl. 192,8; und ἀνάγεσθαι in 156,7 - 8; 217,19 - 20). 115 Papachristou (2021, S. 4) zufolge zeigt die ‚ theoria-lexis-Form ‘ in den Kommentaren des Philoponos die Art und Weise, wie die Kommentatoren der alexandrinischen Schule Philosophie lehrten. 116 Golitsis (2008, S. 23) zitiert hierzu die Bezeichnung von Évrard, „ technique de la double exégèse “ . 117 Siehe dazu im Folgenden Kapitel II.1.3.1. Die Absicht ( σκοπός ). 118 Hieraus kann nicht geschlossen werden, dass Olympiodor die Teilnahme der Schüler bei der Exegese vorausgesetzt hat, da darüber keine Kenntnisse vorliegen. Es ist vielmehr als eine Einstellung zu betrachten, die Olympiodor seinen Schülern empfiehlt, damit sie die Vorgehensweise des platonischen Dialogs besser verstehen können. 46 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="47"?> Insgesamt ist Olympiodors Alkibiades-Kommentar, wie auch seine übrigen Kommentare, ein zeilenweise fortlaufender Kommentar mit kreisförmigen kompositorischen Abläufen, dessen Aufbau der Reihenfolge der einzelnen Passagen im Originaltext folgt. 119 Dies beinhaltet die wiederholte Behandlung derselben Textabschnitte, sowohl in einer wiederkehrenden Abfolge von Theoria und Lexis in jedem Unterricht als auch in einer Verbindung von Argumenten am Anfang und Ende des gesamten Kommentars. Die strenge Orientierung am Text des Dialogs verfolgt Olympiodor auch im Hinblick auf die Inhalte, die in erster Linie ausgehend vom Text erläutert werden. Die zentrale Stellung des Originaltextes erfordert seine sprachliche Erklärung in Form von grammatikalischen und lexikalischen Erklärungen. Folglich zeichnet sich der Kommentar zum Alkibiades durch einen sprachlichen Schwerpunkt aus. Die theoretischen Grundlagen für diese exegetische Annäherung sollen im Weiteren in Bezug auf die platonische Philosophie und die Tradition der platonischen Exegese erläutert werden. 119 Zur Erklärung des fortlaufenden Kommentars und der Ringkomposition siehe den vorherigen Kapitel 4. I. Der strukturelle Aufbau 47 <?page no="48"?> II. Theoretische Grundlagen Bei der Exegese des Alkibiades legt Olympiodor einige Themen und Positionen der platonischen Philosophie zugrunde. Seine theoretischen Ausführungen stehen nicht unmittelbar in einem Zusammenhang, sondern werden auf verschiedene Stellen des Kommentars verteilt und meistens kurzgehalten, damit die Erläuterung der sprachlichen Einzelheiten fortgesetzt werden kann. Zur Erklärung Olympiodors exegetischer Vorgehensweise müssen daher die theoretischen Grundlagen aus seinen Kommentaren extrahiert werden. Dabei handelt es sich um Überlegungen zur Bedeutung von Sprache und sprachlichen Strukturen, zu den ethischen Dimensionen der platonischen Bildung und zu kognitiven Perspektiven der Entstehung von Erkenntnis. Im Folgenden werden diese Grundlagen daher in sprachphilosophische, ethische und erkenntnistheoretische Ansätze unterteilt und erläutert. 1. Sprachphilosophische Ansätze In Übereinstimmung mit anderen Neuplatonikern betrachtet Olympiodor den Alkibiades als Anfang der philosophischen Bildung. 120 Er rechtfertigt diese Vorrangstellung des Dialogs damit, dass man die sokratische Philosophie (wörtlich „ Worte des Sokrates “ : τὰ Σωκράτους , sc. λόγους ) auf sokratische Weise lernen müsse (Olymp. in Alc. 11,1 - 2: δεῖ Σωκρατικῶς τὰ Σωκράτους μανθάνειν ). Da Sokrates durch den Ausspruch „ Erkenne dich selbst “ ( γνῶθι σεαυτόν ) zur Philosophie gelangt sei, müsse die Philosophie mit dem platonischen Dialog anfangen, in dem die Bedeutung dieser Aussage offenbart werde (11,1 - 5). Das gibt der Exegese des Alkibiades die Aufgabe, diese Bedeutung herauszufinden. Zu diesem Zweck muss erklärt werden, wie im Dialog zum Erwerb von Erkenntnis durch Anwendung der sokratischen Methode vorgegangen wird und wie Platon diesen Prozess sprachlich darstellt. 121 Dazu geht Olympiodors 120 Die Zeugnisse stimmen darin überein, dass diese Ansicht sich im Neuplatonismus nach Jamblich etabliert hat (siehe Kapitel A. II. Der Alkibiades in der platonischen Bildung und Anm. 41). Bei Plotin hingegen wird der Alkibiades an keiner Stelle erwähnt. 121 An dieser Stelle muss der Unterschied zwischen dem platonischen Dialog und der schriftlichen Abfassung des Dialogs als Text erwähnt werden. Dieser Unterschied besteht grundsätzlich darin, dass einerseits der Dialog mithilfe der Vorstellungskraft rekon- <?page no="49"?> Exegese zuerst von der Auffassung der Selbsterkenntnis im Gespräch aus. 122 Folglich werden die philologischen Aspekte des Dialogs in den Mittelpunkt gestellt, um die philosophischen Inhalte zu vermitteln, ohne vertiefte Kenntnisse der neuplatonischen Theorien vorauszusetzen. Eine derartige Auffassung der Philosophie als sprachliche Erklärung des platonischen Dialogs begründet Olympiodors exegetische Vorgehensweise. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, auf einige Unterschiede in der Anwendung der sprachphilosophischen Positionen innerhalb der platonischen Tradition hinzuweisen. Eine bedeutende Methode der neuplatonischen Exegese, die sich ebenfalls auf die sprachlichen Erklärungen stützt, ist die Allegorese. Olympiodors Herangehensweise an die Sprache unterscheidet sich zum Teil von der allegorischen Exegese. Patrizia Marzillo definiert die methodische Allegorese im Neuplatonismus als „ die Praxis, einen Text so zu lesen, als ob der Autor ihn allegorisch gemeint habe, auch wenn dies gar nicht der Fall war. “ 123 Diese Methode, die vor allem bei der Interpretation von Gedichten angewandt wurde, zeichnet sich dadurch aus, dass sprachliche Aussagen in ihren symbolischen Bedeutungen entfaltet werden. 124 Dabei, so Marzillo, bemühen sich die Neuplatoniker auch um die Bewahrung des Literalsinns. 125 Daraus entstehen viele Bedeutungsebenen eines sprachlichen Ausdrucks, worauf Olympiodor auch öfters hinweist. 126 In Olympiodors Exegese wird bei diesen Bedeutungen jedoch nicht zwischen wörtlicher und symbolischer Sichtweise unterschieden. Vielmehr geht es darum, einen technischen oder spezifischen Sinn von anderen, allgemeineren zu differenzieren. Olympiodor verwendet mitunter auch Elemente der etymologischen Allegorese, bei denen er sich hauptsächlich auf Platon und Proklos bezieht. 127 In den meisten Fällen ist jedoch der Wortsinn der Aussagen, von dem Olympiodor ausgeht, entscheidend. Der Wortsinn ist für struiert wird, während der Text dem Exegeten als ein Medium zum Sehen und Hören vorliegt. Siehe dazu Kapitel B. III.3. Gebrauch von Wahrnehmungswörtern. 122 Die uns folglich die Erkenntnis aller Seienden bringt; Olymp. in Alc. 10,1 - 11. 123 Marzillo 2010, S. X. 124 Beispielsweise bei Proklos über Hesiod, wie Marzillo (2010, S. XV - XVI und XXVI - XXXII) aufschlussreich zeigt. 125 Das bezeichnet Marzillo (ebd. S. XIV) als „ komplementäre Allegorese “ . 126 Beispiele dazu sind am Anfang des Kommentars die „ Mehrdeutigkeit “ von Homer und Platon ( πολλαχῶς : 2,161); die zweifache Bedeutung der Wahrsagung (eine göttlich, andere technisch; διττὴ ἡ μαντεία : 192,1 - 3) oder die dreifache Bedeutung der Besonnenheit ( τριττὴ ἡ σωφροσύνη : 215,3 - 12). 127 Zur etymologischen Allegorese siehe Marzillo 2010, S. XXVI - XXVII. Vgl. Olympiodor zur Ableitung des Schönen und Guten (122,8 - 12); zum Wort ‚ Götter ‘ (159,14 - 15) und zur Liebe (220,6 - 10). II. Theoretische Grundlagen 49 <?page no="50"?> Olympiodor also kein Beiwerk, sondern geradewegs die Grundlage der Interpretation. Dies lässt sich anhand der Gewandmetapher verdeutlichen: Olymp. in Alc. 106,23 - 107,13 128 : [Plat. Alc . 113e9 - 10] Ὡς τῶν προτέρων οἶον σκευαρίων κατατετριμμένων : τὰ ‘σκευάρια’ οὐ τὰ σκεύη , ὡς ἡ συνήθεια , δηλοῦται ὑπὸ Πλάτωνος , ἐπάγει γὰρ ‘καὶ οὐκέτ’ ἂν αὐτὰ ἀμπίσχοιο’ , ἀλλὰ ‘σκευάρια’ φησὶν τὰς σκευὰς τὰς τῶν κωμικῶν καὶ τῶν τραγικῶν . εἰ δ’ ἄρα βούλει καὶ περὶ τῶν σκευῶν ἐκλαβεῖν τὸν λόγον , γʹ δηλοῖ τὰ σκευάρια παρὰ Πλάτωνι · ἢ τὰ σκεύη ἢ τὰ ἐνδύματα ( δι’ ὧν ἐπάγει ‘καὶ οὐκ ἂν αὐτὰ ἀμπίσχοιο’ ) ἢ τὴν τρυφήν , πολλῇ γ ὰρ τρυφῇ ἐκέχρητο ὁ Ἀλκιβιάδης , ὡς πολλοὺς πολύστιχα βιβλία γράψαι περὶ τῆς τρυφῆς τῆς Ἀλκιβιάδου · καὶ ταῦτα γὰρ ὡς τῶν ἐκτὸς ὄντα σκευαί εἰσιν . ἀλλὰ τί δήποτε ἐφίεται ἡ ψυχὴ τῆς σκευῆς τῆς ἔξωθεν τῶν ἱματίων ; ἢ ἄλλων ἐφίεται καὶ περὶ ἄλλα ἐνειλεῖται · ἔννοιαν γὰρ ἔχουσα τῶν ἔνδοθεν χιτώνων αὐτῆς , τοῦ αὐγοειδοῦς καὶ τοῦ πνευματικοῦ καὶ τοῦ ὀστρεΐνου , ἐφίεται διὰ τῆς φαινομένης στολῆς ταύτης καθαροὺς ἔχειν τοὺς ἔνδον χιτῶνας ( οὕτω καὶ ὁ ποιητὴς ‘εἵματά τ’ ἀμφιέσαι’ )· ἔξω οὖν σπίλων βούλεται τούτους ἔχειν . Als wären die früheren wie abgenutzte Kleidungsstücke: Dass die „ Kleidungsstücke “ nicht die Ausrüstungen [sind], wie üblicher Gebrauch [des Wortes], macht Platon deutlich, denn er fügt hinzu: „ die du dir nicht mehr anziehen würdest “ ; stattdessen benutzt er „ Kleidungsstücke “ über die Kostüme der Komödien- und Tragödiendarsteller. Wenn du aber auch das Argument über die Kostüme verstehen willst, verdeutlichen die Kleidungsstücke drei Bedeutungen bei Platon: Entweder Ausrüstungen, oder Gewänder (daher sagt er: „ die du dir nicht mehr anziehen würdest “ ), oder Üppigkeit, denn Alkibiades lebte in großer Üppigkeit, sodass viele [Autoren] mehrbändige Bücher über die Üppigkeit des Alkibiades schrieben. Auch diese sind im gewissen Sinne Kostüme, da sie sich außen [am Körper] befinden. Aber warum denn verlangt die Seele nach den Kostümen von außen, nach den Kleidern? In der Tat verlangt sie andere Sachen, und ist mit anderen Sachen umwickelt: Denn sie hat ein Konzept von ihren inneren Umhüllungen, der lichtförmigen [Umhüllung], der pneumatischen und der schalenartigen; durch diese sichtbare Stola bezweckt sie, ihre inneren Umhüllungen rein zu behalten. (So auch der Dichter: „ und dir Kleider anzutun “ ). [Die Seele] will also diese [sc. innere Umhüllungen] fern von Flecken halten. Hier führt Olympiodor eine Erklärung des Verhältnisses zwischen Körper und Seele an, indem er die platonische Theorie der Seelenwagen am Beispiel der Gewänder als Umhüllungen des Körpers erläutert. Zu Beginn geht er von der allgemeinen Bedeutung des Wortes σκευάρια aus; dann präzisiert er diese Bedeutung als Kleidung. Anschließend zieht er drei Bedeutungen dieses Wortes in den platonischen Dialogen heran, die letztlich alle als Kostüme im Sinne von 128 Die Textstellen aus Olympiodors und Proklos ’ Kommentaren werden im Folgenden nach Editionen von Westerink zitiert und von mir übersetzt. 50 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="51"?> äußeren Dingen angesehen werden können. Es folgt die Erläuterung, dass auch die Seele, wie der Körper, Hüllen hat, mit denen sie sich schützt. Die allegorische Ebene ergibt sich schließlich aus der Analogie zwischen Körper und Seele, die am Anfang nicht als symbolische Deutung gegeben ist. Ähnlich verfährt Olympiodor in den Fällen, bei denen er die philosophische Bedeutung ausgehend von dem wörtlichen Sinn der Aussagen begründet. 129 Sein Verständnis von Exegese beruht in erster Linie auf der Interpretation von sprachlichen Merkmalen als Vermittler philosophischer Theorien, wobei er sich nicht auf symbolische Bedeutungsebenen konzentriert. Die Gründe dafür sind vor allem in den Spezifika des kommentierten Textes zu verorten. Platons Alkibiades ist kein poetischer Text mit mythologischer und symbolischer Sprache, und es besteht auch keine Notwendigkeit, missverständliche Interpretationen zu vermeiden. Diese Annahme leitet Olympiodor im Wesentlichen dazu an, die Interpretation des Alkibiades durch eine grundsätzlich wörtliche Erklärung des Textes zu gestalten. Dazu tragen einige weitere sprachphilosophische Prinzipien bei, die in den folgenden Kapiteln erläutert werden sollen. 1.1 Aufgabe der Exegese Olympiodor zufolge hat die Exegese die Verantwortung, die Erkenntnis in den philosophischen Schriften zu offenbaren und für jeden Rezipienten auf geeignete Weise verständlich zu vermitteln. Bei seiner Definition über den Umfang der Exegese verleiht Olympiodor den Exegeten eine gottgleiche Rolle, indem er sie wie Apollon als die Urheber der Rettung für die Menschen darstellt: Olymp. in Alc. 175,2 - 6: Ἔχεις ἐξηγήσασθαι ; παντὸς γὰρ μᾶλλον ἔοικας : εὐφυῶς ὁ νέος ἀπεκρίνατο · ἐξηγητὴν γὰρ αὐτὸν καλεῖ , διότι ἐτιμᾶτο Ἀθήνησιν ὁ Ἀπόλλων ὡς ἐξηγητής , διότι διὰ τῆς τῶν χρησμῶν ἐξηγήσεως σωτηρίας αἴτιος ὑπῆρχεν τοῖς Ἕλλησιν . ὡς οὖν συντάξαντα ἑαυτὸν τῷ θεῷ ‘ἐξηγητὴν’ αὐτὸν εἶπεν . Hast du eine Erklärung? Denn du scheinst mir voll und ganz: Mit natürlicher Begabung antwortete der Jüngling: Denn er nennt ihn [sc. Sokrates] einen Erklärer, weil Apollon in Athen als ein Erklärer geehrt wurde, da er durch die Erklärung [seiner] Orakelsprüche Urheber der Rettung für die Griechen wurde. Da er [sc. Sokrates] sich selbst mit dem Gott auf die gleiche Ebene stellt, bezeichnet er [sc. Alkibiades] ihn als „ Erklärer “ . 129 Vgl. die Spezifizierung der Bedeutung durch zusätzliche Wörter (88,13 - 21; 102,25 - 103,2), was letztlich auch Platon praktiziert (111,15 - 112,10), dazu die Eindeutigkeit der Negation durch Partikel (97,14 - 18). II. Theoretische Grundlagen 51 <?page no="52"?> An der entsprechenden Stelle des Dialogs erzählt Sokrates über die Erziehung der Perser und Spartaner (Plat. Alc. 121a - 124b). Am Ende seiner Rede stellt Sokrates fest, dass Alkibiades seine Gegner nur mithilfe von Selbstsorge und Fachwissen ( ἐπιμελείᾳ γε ἂν καὶ τέχνῃ , Plat. Alc. 124b) besiegen kann. Daraufhin fragt Alkibiades: Plat. Alc. 124b7 - 9 130 : ΑΛ . τίνα οὖν χρὴ τὴν ἐπιμέλειαν , ὦ Σώκρατες , ποιεῖσθαι ; ἔχεις ἐξηγήσασθαι ; παντὸς γὰρ μᾶλλον ἔοικας ἀληθῆ εἰρηκότι . ALK. In welcher Weise muss ich mich also bemühen, Sokrates? Kannst du mir das erläutern? Denn du scheinst mir voll und ganz die Wahrheit gesagt zu haben (Übers. Döring 2016) Die Frage nach der richtigen Selbstsorge (oder ‚ Bemühung ‘ ) wird an dieser Stelle dadurch motiviert, dass Alkibiades einen Weg finden will, um seine Gegner zu übertreffen. Vor diesem Hintergrund lässt sich diese Textstelle nicht direkt mit dem Begriff der Exegese verbinden. Vielmehr ist das Thema eine ‚ Erklärung ‘ oder ‚ Erläuterung ‘ , die Alkibiades von Sokrates über die richtige ‚ Bemühung ‘ verlangt. Olympiodor hingegen legt die wörtliche Bedeutung des Infinitivs ἐξηγήσασθαι (erläutern, erklären, ausdeuten, kommentieren) zugrunde und baut darauf seine Annahme auf, dass Alkibiades an dieser Stelle Sokrates als einen Ausleger bzw. Exegeten bezeichnet. Die Betrachtung des Sokrates als Exegeten deutet auf den Zusammenhang zwischen der Philosophie Platons und der Platon-Exegese. Für Olympiodor ist die Exegese eine philosophische Tätigkeit, mit der selbst Sokrates und Platon sich befasst haben. Ferner wird eine Exegese von Platons Philosophie aufgrund ihrer Mehrdeutigkeit benötigt (Olymp. in Alc. 2,158 - 9). Deshalb bezieht Olympiodor sich oft auf die Exegeten der platonischen Tradition (9,22; 15,5; 22,14), auch ohne diesen Begriff zu verwenden. 131 Die Bezeichnung als Exeget ist in diesem Sinne allgemein für diejenigen geeignet, die sich mit der platonischen Philosophie beschäftigen. Auf der anderen Seite geht die Auffassung des Philosophen als Exegeten darauf zurück, dass Platon von Apollon abstammen soll (2,21 - 24). An mehreren Stellen des Kommentars wird der Bezug zwischen Platon und Apollon thematisiert (2,29 - 31; 173,21 - 174,5). Für die Philosophie ist Apollon noch bedeutender durch den Spruch in Delphi, „ erkenne dich selbst “ ( γνῶθι σεαυτόν ), der im Alkibiades als Grundlage für Selbsterkenntnis be- 130 In der vorliegenden Arbeit wird Platons Alkibiades nach der Edition von Carlini (1964) zitiert. 131 Beispielsweise durch den Ausdruck ἀποροῦσι , „ sie rätseln darüber “ (Olymp. in Alc. 161,19; 163,17; 197,16; 23). 52 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="53"?> handelt wird (Plat. Alc. 124a9 - b1). Ausgehend von den Darstellungen in den platonischen Dialogen erwähnt Olympiodor die Bedeutung dieses Spruchs, da Sokrates dadurch zur Philosophie geleitet wurde (Olymp. in Alc. 4,6 - 7). Indem Apollon durch diesen Spruch den Menschen auf sich selbst zurückwendet, erscheint er als der Urheber der Philosophie und der Exegese. Neben diesem Bezug auf die Exegese berücksichtigt Olympiodor auch den politischen Kontext an der entsprechenden Stelle des Dialogs. Im Hinblick auf die Frage, wie Alkibiades seine Gegner übertreffen kann, rückt die polisbezogene Bedeutung Apollons in den Vordergrund. Die Exegese ist in diesem Fall für Olympiodor deshalb wichtig, weil sie auf die Deutung des Apollon-Orakels und dadurch auf die Hilfe bei den staatlichen Entscheidungen hinweist. Da Sokrates Alkibiades die richtige Selbstsorge erklärt und ihm dadurch den Weg zur wahren Macht zeigt, lässt sich diese Aussage mit der Rolle der Orakelsprüche verbinden. Darin werden zwei wichtige Eigenschaften Apollons offenbart: Zum einen ist er der Gott der Philosophie, zum anderen herrscht er über die Verteilung der politischen Macht. In beiden diesen Bereichen symbolisiert Apollon eine Rettung ( σωτηρία ) durch die Exegese, die Olympiodor in der oben aufgeführten Textstelle (175,2 - 6) betont: einerseits die Rettung der Seele durch Selbsterkenntnis, andererseits die Unterstützung der Polis bei Herausforderungen. Durch die Anspielung auf philosophische und politische Bedeutungen von Apollon stellt Olympiodor eine Parallele zwischen beiden Bereichen her. Wie eine Exegese in konkreten Situationen in der Politik und im Allgemeinen im Leben Hilfe bieten kann, so ist ihre philosophische Bestimmung auf der theoretischen Ebene zu betrachten. Apollon herrscht über diese beiden Bereiche, damit ein Übergang ausgehend vom Politischen ins Philosophische sinnvoll erscheint. Da der Alkibiades nach Olympiodor genau diesen Übergang auf der Stufe der Tugenden formuliert, dass man ausgehend von der politischen Tugend zur Selbsterkenntnis gelangt, erweisen sich die beiden Bedeutungen der Exegese als relevant für das Verständnis dieses Dialogs. Olympiodor stellt die Auslegung der Orakel von Delphi als vergleichbar mit der Exegese der platonischen Philosophie dar. Dadurch übernimmt die Platon- Exegese die Aufgabe, die Menschen zur Erkenntnis, die in den platonischen Dialogen enthalten ist, zu führen und dadurch ihre Seele zu retten. Das beginnt mit dem Alkibiades, denn dort erkennt man sich selbst „ als die vernunftbegabte Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt “ (Olymp. in Alc. 4,15 - 20). Daraus ergibt sich die Definition des politischen Menschen, der das Thema dieses Dialogs ist. Die Bestimmung des Nutzers und des Werkzeugs ( ὄργανον ) ist in dieser Hinsicht wesentlich. Wie die Seele den Körper als Werkzeug benutzt, so benutzt sie auch die Sprache als Werkzeug, um zur Erkenntnis zu gelangen. Genau wie II. Theoretische Grundlagen 53 <?page no="54"?> in einem platonischen Dialog die richtige Verwendung der Sprache zu richtigen Ergebnissen führt, so ist auch für einen Exegeten des Dialogs eine zutreffende Deutung sprachlicher Ausdrücke der Schlüssel zu der darin enthaltenen Erkenntnis. Damit ein Exeget mit dieser Arbeitsweise vorgehen kann, setzt Olympiodor eine bestimmte Annäherung an den platonischen Dialog voraus. Dieser Annäherung liegt eine Betrachtung des Dialogs als eines Lebewesens zugrunde, die im Weiteren in Bezug auf die platonische Philosophie erläutert werden wird. 1.2 Die Rede als Lebewesen Für eine Deutung des Dialogs ist es Olympiodor zufolge notwendig, zunächst einige Richtlinien festzulegen. Diese dienen sowohl der allgemeinen Bestimmung des Wesens des Dialogs als auch der Einordnung seiner Bestandteile. An mehreren Stellen des Alkibiades-Kommentars beschäftigt Olympiodor die Frage, warum der Dialog auf eine bestimmte Art und Weise gestaltet ist. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Grundvoraussetzung, dass ein Dialog durch Aufeinanderfolge von Frage und Antwort fortschreiten muss. Folglich bedarf es einer Erklärung, was Sokrates dazu veranlasst, Alkibiades aufzufordern, seine Fragen zu beantworten. Dazu bietet Olympiodor verschiedene Argumente, indem er auch die Ansicht erörtert, dass Sokrates dadurch den Dialog lebendiger machen wolle: Olymp. in Alc. 56,14 - 22: ἤ , ὥς φησιν ἐν τῷ Φαίδρῳ , ‘δεῖ τὸν λόγον ἐοικέναι ζῴῳ’ · καὶ τὸν οὖν ἄριστα κατεσκευασμένον λόγον δεῖ τῷ ἀρίστῳ τῶν ζῴων ἐοικέναι . ἄριστον δὲ ζῷον ὁ κόσμος · ὥσπερ οὖν οὗτος λειμών ἐστι ποικίλων ζῴων , οὕτω δεῖ καὶ τὸν λόγον εἶναι πλήρη παντοδαπῶν προσώπων . καὶ ἄλλως ὅτι , καθάπερ ἐν τούτῳ πάντα φθέγγεται καὶ ἐνεργεῖ ( αἱ γὰρ τῶν πραγμάτων ἐνέργειαι οἱονεὶ φωναὶ αὐτῶν εἰσίν ), οὕτω δὲ κἀν τῷ λόγ ῳ προσήκει πάντα λαλεῖν τὰ ἐν αὐτῷ πρόσωπα καὶ ὥσπερ πάντας ἐνεργεῖν . Oder, wie er im Phaidros sagt: „ Ein Dialog soll einem Lebewesen gleichen. “ Dementsprechend muss der bestmöglich konstruierte Dialog dem besten Lebewesen gleichen. Und das beste Lebewesen ist der Kosmos. Wie dieser [sc. Kosmos] eine Weide für viele verschiedene Lebewesen ist, so müssen auch in einem Dialog viele verschiedene Personen vorhanden sein. Auch in anderen Fällen [ist es so], dass, genau wie in diesem [sc. Kosmos] alle sprechen und wirken (denn die Wirksamkeiten der Dinge sind wie ihre Stimmen), so ist es dann in einem Dialog angebracht, dass alle Personen darin etwas sagen, wie auch alle wirken sollen. Olympiodor betont durch diese Darstellung, dass die Personen im platonischen Dialog etwas sagen und handeln, und nicht, dass die Leser sich das vorstellen. 54 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="55"?> Dies demonstriert, dass er nicht nur den Text des Dialogs, sondern den Dialog selbst als ein Ereignis behandelt. Wie Olympiodor hierzu erklärt, stammt diese Ansicht aus dem platonischen Phaidros. In diesem Dialog bezieht sich die Auffassung von λόγος auf die Rede des Lysias und folglich allgemein auf die philosophischen Gespräche. Sokrates äußert dazu diese Feststellung: Plat. Phdr. 264c2 - 5: Σωκράτης ἀλλὰ τόδε γε οἶμαί σε φάναι ἄν , δεῖν πάντα λόγον ὥσπερ ζῷον συνεστάναι σῶμά τι ἔχοντα αὐτὸν αὑτοῦ , ὥστε μήτε ἀκέφαλον εἶναι μήτε ἄπουν , ἀλλὰ μέσα τε ἔχειν καὶ ἄκρα , πρέποντα ἀλλήλοις καὶ τῷ ὅλῳ γεγραμμένα . (Ed. Burnet 1901) SOKRATES: Aber das wirst du doch zugeben, denke ich: dass jede Rede wie ein Lebewesen organisch aufgebaut sein und ihren eigenen Leib haben muss, sodass sie weder ohne Kopf noch ohne Füße ist, sondern Mitten und Enden hat, die so geschrieben sind, dass sie zueinander und zu dem Ganzen in einem passenden Verhältnis stehen? (Übers. Rufener 1958) Platon behandelt an dieser Stelle die Rede als sprachliche Konstruktion ( συνεστάναι , „ aufgebaut sein “ ). Im Unterschied dazu bezieht sich Olympiodors oben aufgeführte Interpretation explizit auf den platonischen Dialog als Gespräch. Diese konkrete Bezugnahme auf den platonischen Dialog, dessen ‚ Text ‘ exegetisch behandelt wird, führt zu einer Bezeichnung dieserAnnäherung im Sinne von „ Text als Lebewesen “ . 132 Dabei wäre die Betrachtung von λόγος als Text bei Olympiodor genauso wie bei Platon einschränkend, denn sie weisen vielmehr auf eine literarische Komposition hin, die mündlich sowie schriftlich aufgefasst werden kann. 133 Aufgrund seiner selbstständigen Existenz kann ein Dialog Olympiodor zufolge genauso wie der Kosmos als ein organisches Ganzes, als ein lebendes Wesen behandelt werden. Diese Betrachtung im Phaidros beruht auf dem Verhältnis zwischen der Sprache und dem Wesen des Sprechenden sowie des Adressaten. 132 Zu diesem Thema in Bezug auf Hermeias siehe Bernard 1997, S. 23 - 26. Zum „ Lebewesen- Bild “ bei Olympiodor vgl. Bohle 2020, S. 135 - 136, „ Der Vergleich: Text - lebender Organismus “ . 133 Das deutet Platon an der oben zitierten Stelle des Phaidros mit γεγραμμένα an. Im Allgemeinen scheint Platon der mündlichen Aussage einen höheren Rang als der schriftlichen Ausarbeitung zu verleihen (vgl. Plat. Phdr. 274b - 275c). Dieser Gegensatz hat in der Forschung Anlass zu unterschiedlichen Deutungen gegeben, auf die im Umfang der vorliegenden Untersuchung nicht näher eingegangen wird. Zu einer Darstellung verschiedener Positionen siehe Heitsch 1993, S. 188 - 212. II. Theoretische Grundlagen 55 <?page no="56"?> Darauf baut Sokrates dieThese auf, dass für jede Persönlichkeit eine geeignete Art der Rede verwendet werden müsse (Plat. Phdr. 271b - 272b; Olymp. in Alc. 24,10 - 15), da die Seelen von verschiedenen Gottheiten beherrscht würden (Plat. Phdr. 252c - 257b; Olymp. in Alc. 20,5 - 21,1). Wenn die Sprache als Vermittler der Wahrheit diene, müsse die Redekunst die Wahrheit begriffen haben, denn sonst würde sie aufgrund der Unwissenheit über das Gute und das Schlechte die Menschen zu schlechten Handlungen verleiten (Plat. Phdr. 259e - 260e). Deshalb müssten die Redner wissen, was für die Seelen der Zuhörer gut sei; folglich auch, was die Seele sei (266d - 274b). Ausgehend von derTheorie der Rede als Lebewesen gelangt Platon auf diese Weise zu der Notwendigkeit der Erkenntnis der Seele. Daraufhin vergleicht er die Seele mit Pferden (246a - b). Auf diesen Vergleich und auf die Erklärung der drei Seelenteile durch die Metapher des Pferdegespanns geht auch Olympiodor im Alkibiades-Kommentar ein (Olymp. in Alc. 226,15 - 20). Die Notwendigkeit der Erkenntnis der Seele im Phaidros bildet eine Analogie zum Alkibiades und lässt sich von dem delphischen Spruch „ erkenne dich selbst “ ( γνῶθι σεαυτόν ) ableiten (10,18 - 11,5; 172,10 - 15). Darin zeigt sich eine Gemeinsamkeit dieser beiden Dialoge, dass sie ausgehend von einer richtigen Deutung dieses Spruchs zu der Erkenntnis der Seele und dem darauffolgenden Aufstieg der Seele führen wollen. In diesem Zusammenhang tragen die richtige Anwendung und das gründliche Verständnis der Sprache dem Aufstieg der Seele bei. Der Zusammenhang zwischen der Rede bzw. Sprache und dem Aufstieg der Seele im Phaidros wurde in der platonischen Exegese mehrfach behandelt. Von den Kommentaren zu diesem Dialog ist lediglich einer von Hermeias überliefert. In diesem Kommentar setzt Hermeias sich mit einigen Theorien auseinander und bezeichnet alle als teilhaftig (Herm. in Phdr. 8 - 11). Dagegen stellt er die These heraus, dass die Rede im Phaidros wie ein Lebewesen sei und daher auch dieser Dialog wie ein Lebewesen angesehen werden müsse. Daraus resultiert, dass ein einziges, einheitliches Element den Dialog dominiert und seine Bestandteile zusammenhält, wie es auch für ein Lebewesen ein bestimmtes Ziel gibt. Diese Lebewesen-Metapher prägt, wie im Weiteren dargelegt werden wird, Olympiodors Behandlung der exegetischen Fragen und darin insbesondere der Absicht des Dialogs. 1.3 Das exegetische Fragenregister In den beiden vorangegangenen Abschnitten wurden ausgehend vom Alkibiades-Kommentar einige allgemeine theoretische Überlegungen angestellt. Darüber hinaus gibt es eine weitere wesentliche Grundlage, die Olympiodor aus der exegetischen Tradition übernimmt: den interpretativen Fragenkatalog der spätantiken philosophischen Kommentare. Diese ‚ einführenden ‘ Aspekte der 56 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="57"?> Textauslegung, die unter dem Begriff „ schema isagogicum “ zusammengefasst werden, 134 stammen aus dem Bereich der Rhetorik. Eine Liste der zentralen Fragen wird in einem undatierten anonymen Traktat aus der Spätantike wie folgt wiedergegeben: 1. Die Absicht ( ὁ σκοπός ) 135 2. Der Nutzen ( τὸ χρήσιμον ) 3. Die Authentizität ( τὸ γνήσιον ) 4. Die Stellung im Zusammenhang der anderen Werke ( ἡ τάξις τῆς ἀναγνώσεως ) 5. Die Begründung des Titels ( ἡ αἰτία τῆς ἐπιγραφῆς ) 6. Die Aufgliederung in Kapitel oder Teile ( ἡ εἰς τὰ μέρη διαίρεσις ) 7. Die Lehrmethode ( ὁ διδασκαλικὸς τρόπος ) 8. Die Bestimmung des Genres ( ἡ ὑπό τι μέρος ἀναφορά ). 136 Diese Themen wurden erst im Rahmen der Aristoteles-Kommentare in der philosophischen Exegese untersucht (vgl. Alex. Aphr. in APr. 42,23 - 25; Simp. in Cael. 1,2 - 3). Ausgehend von späteren Zeugnissen wird vermutet, dass zuerst Andronikos von Rhodos die Kategorien des Aristoteles nach diesen Fragen analysiert hat, wobei die ‚ Erfindung ‘ dieses ‚ Fragenkatalogs ‘ von Andronikos umstritten bleibt. 137 In den spätantiken Kommentaren bildet dieses Schema einen integralen Bestandteil der Textuntersuchung. 138 Insgesamt elf Aspekte werden in den anonymen Prolegomena aufgeführt (Anon. Proll. 28,1 - 16). Diese Liste, die das 134 Mansfeld 1994, S. 10 - 11. 135 Da σκοπός dem Verb σκοπεῖν zuzuordnen ist, meint dies die Betrachtung eines Ziels auf dem Weg dahin. Im exegetischen Kontext ist es „ der Gegenstand, das Ziel des Buches “ ; Schwab/ Gaeb 2011, S. 121. Ferner kann Skopos nach Bohle (2020, S. 116) auch mit „ Hauptthema “ wiedergegeben werden. Auf dieser Linie erklärt Griffin (2015, S. 33) Skopos als „ subject-matter “ , während er bei der Übersetzung „ target “ (ebd. S. 77; „ purpose or target “ , S. 16) bevorzugt, das bereits von Westerink vorgeschlagen wurde (siehe dazu Tarrant 1998, S. 23). Eine andere Übersetzung dieses Begriffs ist „ aim “ (Van den Berg 2008, S. 96). Im Deutschen wird Skopos auch mit „ Ziel “ wiedergegeben; vgl. Seils 1995. Angesichts dieser unterschiedlichen Interpretationen behält Bernard (1997, S. 23) den Begriff „ Skopos “ bei. In der vorliegenden Untersuchung wird Skopos als ‚ Absicht ‘ aufgefasst, da dieses Wort den Aspekt des ‚ Sehens ‘ beinhaltet und dadurch den Blick auf die Bestandteile sowie auf das gesamte Ziel des Dialogs betont. Dadurch kommt m. E. ‚ Absicht ‘ im Deutschen der Bedeutung von σκοπός im Griechischen am nächsten. 136 Rhetorica anonyma (Walz) 728,5 - 729,14. 137 Mansfeld 1994, S. 40 - 42. 138 Vgl. Procl. in Ti. I.4,6 - 7, in Rep. I.9,2 - 16; Simp. in Cat. 8,9 - 12; Ammon. in Cat. 7,15 - 8,10; Ascl. in Metaph. 1,6 - 7; Olymp. in Cat. 113,22 - 25; Phlp. in Cat. 7,1 - 8,6; Anon. Proll. 28,1 - 16; Elias in Porph. 35,5 - 9; David in Porph. 80,12 - 14. II. Theoretische Grundlagen 57 <?page no="58"?> späteste Textzeugnis aus dem Umfeld der alexandrinischen Platon-Kommentatoren bietet, erstreckt sich von der Lebensgeschichte des Philosophen ( ἱστορία τοῦ φιλοσόφου ) bis zu seinen Lehrmethoden ( πόσοις τρόποις κέχρηται διδασκαλίας ). 139 Im Unterschied dazu findet sich am Anfang des Kategorienkommentars von Ammonios eine andere Auflistung von zehn Aspekten. 140 Somit variiert die Anzahl und Inhalt der Interpretationsfragen innerhalb der exegetischen Tradition. Im Alkibiades-Kommentar geht Olympiodor nur auf die folgenden einleitenden Fragen ein: 1. Die Absicht ( σκοπός : 3,3 - 9,19), darunter die Begründung des Titels (3,5 - 8) 2. Der Nutzen ( χρήσιμον : 9,21 - 10,17) 3. Die Stellung im Zusammenhang der anderen Werke ( τάξις : 10,18 - 11,6) 4. Die Unterteilung bzw. Aufgliederung in Kapitel oder Teile ( εἰς τὰ κεφάλαια ἤτοι μέρη διαίρεσις : 11,7 - 13,8). Vor diesen Fragen stellt Olympiodor das Leben Platons vor, das nach oben aufgeführten Anon. Proll. die erste Auslegungsfrage ist. 141 Olympiodor scheint es jedoch als eigenständiges Thema zu betrachten und beginnt seine Textuntersuchung mit der Absicht, die er auch am ausführlichsten erläutert. Olympiodors Auffassung von der Absicht des Dialogs steht im Kontext der 139 Nach Westerink (1962, S. L) wird diese Abhandlung auf das spätere 6. Jh. n. Chr. datiert und wurde wahrscheinlich von einem Schüler Olympiodors verfasst oder von ihm inspiriert. Zum exegetischen ‚ Fragenkatalog ‘ siehe Mansfeld 1994, S. 2 - 7 und 10 - 39. 140 Zu, siehe Schwab/ Gaeb 2011, S. 118 - 121. 141 Diese Einleitung mit dem Leben Platons, bekannt als Vita Platonis, ist eine Besonderheit von Olympiodors Alkibiades-Kommentar. Obwohl die vorbereitenden Lektüren eine Schlüsselrolle in der platonischen Bildung spielten, sind nur wenige Einführungstexte überliefert. In den anonymen Prolegomena wird „ die Lebensgeschichte des Philosophen “ ( τὴν ἱστορίαν τοῦ φιλοσόφου , Anon. Proleg. 28,3) als Ausgangspunkt für die Bewunderung der Philosophie Platons erwähnt. Da es sich bei den anonymen Prolegomena um eine eigenständige Abhandlung handelt, bietet Olympiodor mit Platons Leben das einzige Beispiel für eine Biographie Platons, die am Anfang eines Kommentars steht. Zur These einer verlorenen einleitenden Abhandlung des Proklos siehe Mansfeld 1994, S. 28 - 30. Auch wenn Textzeugnisse fehlen, kann davon ausgegangen werden, dass die Lektüre zu Aristoteles und Platon jeweils mit der Biographie dieser Philosophen begann; vgl. hierzu Hadot 2004, S. 59. Ob sich Proklos dabei auch mit dem Leben Platons auseinandergesetzt hat, lässt sich nicht feststellen. Westerink (1962, S. XLI) ist der Ansicht, dass das Leben des Philosophen nicht von Proklos abgeleitet ist. Zur Biographie als Widerspiegelung der philosophischen Doktrinen siehe Motta 2021, S. 36. Damit steht Olympiodor wie viele andere Platoniker in der Tradition der hellenistischen Bildung, die nach Marrou (1957, S. 309) einen Philosophen nicht nur als Lehrer, sondern als geistigen Anführer betrachtete. In diesem Zusammenhang stehen Philosophenbiografien wie Jamblichs „ Über das pythagoreische Leben “ , Porphyrios ’ „ Leben des Pythagoras “ sowie „ Über Plotins Leben und die Anordnung seiner Schriften “ . Anschließend verfasste Marinos das Leben des Proklos, Damaskios „ Das Leben des Philosophen Isidoros “ . 58 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="59"?> platonischen Theorie der Sprache als Lebewesen, das auf einem Skopos (Absicht, Ziel und grundlegendes verbindendes Element) beruht. 1.3.1 Die Absicht ( σκοπός ) Gilt der platonische Dialog als ein lebendiges Wesen, so muss seine Existenz einen Sinn und Zweck haben. Wie Olympiodor öfter erwähnt, ist nichts in der Natur vergeblich und ohne Grund (in Alc. 58,5 - 6; in Grg. 50.2,30 - 3,1; in Phd. 6.10,4 - 5). Alle Bestandteile eines Lebewesens erfüllen ihre Funktion für den gesamten Organismus. Demzufolge tragen auch bei einem Dialog alle Einzelheiten zu der Erfüllung einer bestimmten Absicht ( σκοπός ) bei. Die Untersuchung der Absicht beruht auf der Theorie der Rhetorik, die das Ziel und zugleich das Thema einer Rede mit dem Skopos-Begriff auffasst. 142 Nach dieser Theorie besitzt jeder Bestandteil in einer Rede eine Funktion und trägt zu der Erfüllung der Absicht bei. Bei der bereits erwähnten Reihenfolge der platonischen Dialoge berücksichtigt Jamblich diese mit ihrer entsprechenden Absicht in den Tugendgraden, die ein aufsteigendes Schema darstellen. 143 Die Erläuterungen bezüglich der Absicht und Vorgehensweise der platonischen Dialoge wurden von späteren Exegeten wie Hermeias und Proklos ausführlich behandelt. 144 An diese Tradition anknüpfend nimmt die Skopos-Theorie auch bei Olympiodor eine wichtige Stellung ein. 145 Folglich steht Alkibiades nach Olympiodor am Anfang der philosophischen Tugenden und dient der Absicht, die politische Tugend zu bewirken: Olymp. in Alc. 4,15 - 21: Ὁ δὲ Δαμάσκιος ἀκριβέστερον καὶ ἀληθέστερον παραδιδοὺς τὸν σκοπὸν οὐχ ἁπλῶς φησὶν αὐτὸν εἶναι περὶ τοῦ γνῶναι ἑαυτόν , ἀλλὰ περὶ τοῦ πολιτικῶς γνῶναι ἑαυτόν . 142 Zur Begriffserklärung insbesondere im Zusammenhang mit Platon siehe Stoellger 2007. Zur Bedeutung von σκοπός siehe Anm. 135. 143 Siehe dazu Tarrant 1998, S. 23 und Van den Berg 2008, S. 96. Jamblichs Position wird von Hermeias überliefert, der sich zur Absicht des Phaidros auf Jamblich bezieht. Hermeias vertritt die These, dass die Absicht des Phaidros das Schöne in allen Bereichen sei, beginnend mit dem irdisch Schönen bis hin zur Schönheit auf der göttlichen Ebene (vgl. Herm. in Phdr. 9,9ff.; siehe dazu Bernard 1997, S. 24). 144 In dieser Hinsicht haben die deutliche Verknüpfung des Lebewesen-Bildes mit der Absicht bei Hermeias (vgl. Herm. in Phdr. 11,24 - 12,3) und Proklos ’ Ausführungen über die Absicht verschiedener Dialoge (Procl. in Cra. 1,1 - 9; in Alc. 9,7) eine besondere Bedeutung für Olympiodor. Olympiodors Lehrer Ammonios (Ammon. in Cat. 93,9) und andere alexandrinische Exegeten wie Damaskios (Dam. in Prm. 220,20) liefern ebenfalls Erklärungen zur Absicht verschiedener Texte. 145 Bohle (2020, S. 135 - 136) weist auf den Gebrauch des Lebewesen-Bildes auch bei Hermeias hin, dessen Kommentar zum Phaidros wohl einer der wichtigsten Grundlagen der Skopos-Theorie unter den späteren alexandrinischen Exegeten war. II. Theoretische Grundlagen 59 <?page no="60"?> τοῦτο δὲ κατασκευάζει ἐκ τοῦ ὁρίζεσθαι τὸν ἄνθρωπον ἐν τῷ διαλόγῳ τούτῳ ψυχὴν λογικὴν ὀργάνῳ κεχρημένην τῷ σώματι · μόνος δὲ ὁ πολιτικὸς ὀργάνῳ κέχρηται τῷ σώματι , δεόμενος ἔστιν ὅτε θυμοῦ , ὡς ὑπὲρ πατρίδος , ἀλλὰ καὶ ἐπιθυμίας τοῦ εὖ ποιῆσαι τοὺς πολίτας . οὔτε δὲ ὁ καθαρτικὸς οὔτε ὁ θεωρητικὸς δεῖται τοῦ σώματος . Damaskios aber gab die Absicht [des Dialogs] genauer und richtiger an, indem er sagt, dass diese nicht das Erkennen des Selbst schlechthin ist, sondern das Erkennen des Selbst auf politische Weise. Diesen Schluss zieht er daraus, dass der Mensch in diesem Dialog als vernunftbegabte Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt, definiert wird. Denn nur der politische Mensch benutzt den Körper als Werkzeug, da er manchmal Mut braucht, um für sein Vaterland [zu kämpfen], aber auch Antrieb, um den Mitbürgern gute Taten zu erweisen. Weder der kathartische Mensch noch der theoretische Mensch braucht den Körper. An dieser Stelle kommentiert Olympiodor, dass die Absicht des Alkibiades von Damaskios exakter festgestellt wurde, wobei er im Folgenden erklärt, dass auch Proklos diese Ansicht vertrete, auch wenn er dazu eine andere Ausdrucksweise verwende (5,15 - 6,5). Proklos ’ Erläuterung der Absicht des Dialogs steht am Anfang seines Alkibiades-Kommentars. Darin hält Proklos fest, dass sowohl der Anfang der Philosophie als auch der der platonischen Bildung in der Selbsterkenntnis liege (Procl. in Alc. 5,13 - 14: Αὕτη τοίνυν ἔστω καὶ φιλοσοφίας ἀρχὴ καὶ τῆς Πλάτωνος διδασκαλίας , ἡ ἑαυτῶν γνῶσις ·). Deshalb müsse die Lehre der Philosophie damit anfangen, in welchem Dialog Platon diese Absicht am besten darstelle (6,4 - 5: καὶ ζητητέον , ἐν τίνι μάλιστα τῶν διαλόγων ὁ Πλάτων τοῦτον ἔχει σκοπόν ). Diesen bestimmt Proklos in der Folge als den Alkibiades (6,7 - 9: ἆρ’οὖν ἄλλον τινὰ ἂν ἔχοιμεν εἰπεῖν πρὸ τοῦ Ἀλκιβιάδου καὶ τῆς ἐν τούτῳ παραδεδομένης τοῦ Σωκράτους συνουσίας ; ). Proklos scheint hierbei die Absicht als „ Erkennen des Selbst “ ( ἡ ἑαυτῶν γ νῶσις ) zu definieren, das Olympiodor zufolge spezifischer ausgedrückt werden müsste. Der Auffassung von Proklos (in Alc. 3,3 - 4,14) stellt Olympiodor die Interpretation des Damaskios entgegen. Schließlich harmonisiert er die Absicht bei Damaskios und Proklos, indem er beide Interpretationen als richtig betrachtet (5,17 - 6,7): Zwar gehe es im Alkibiades im Allgemeinen darum, sich selbst zu erkennen, die Art dieser Selbsterkenntnis werde aber durch den Zweck des Gesprächs als Alkibiades ’ Vorbereitung auf eine politische Karriere bestimmt. Aus diesem Grund habe Damaskios die Absicht des Dialogs als die Erkenntnis des politischen Menschen genauer formuliert (4,15 - 17), die als „ die Absicht vorwiegend “ (6,1: ὁ σκοπὸς προηγουμένως ) des Dialogs angesehen werden sollte. 146 146 Vgl. hierzu die Übersetzung dieses Abschnitts. Ob es sich bei der Aussage „ Absicht vorwiegend “ um Olympiodors Schlussfolgerung in Anlehnung an Damaskios oder einen 60 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="61"?> Vor diesem Hintergrund stellt Olympiodor fest, dass der Alkibiades die Erkenntnis des politischen Menschen behandelt. Die kathartischen und theoretischen Tugenden bezeichnen die Menschen, die sich von einer Abhängigkeit vom Körper befreien. Dagegen ist für ein Leben als ‚ politischer Mensch ‘ , das heißt, als ein in der Gesellschaft lebender und handelnder Mensch, der Gebrauch des Körpers notwendig. Für den politischen Menschen besteht daher die wichtigste Aufgabe der Philosophie darin, die Definition des Menschen als Seele und des Körpers als deren Werkzeug zu bestimmen. 1.3.2 Der Nutzen ( χρήσιμον ) Die Feststellung über die Absicht des Dialogs steht nach Olympiodor in klarem Zusammenhang mit seinem Nutzen, da sie die Gleichheit zwischen dem Selbst des Menschen und seiner Seele begründet. Die Betonung des Nutzens der platonischen Philosophie wird von Olympiodor gleich zu Beginn des Kommentars aufgeführt: Alle Menschen würden Platons Philosophie anstreben, weil sie einen Nutzen aus ihr ziehen wollen (1,7 - 8: χρηστὸν παρ’αὐτῆς ἅπαντες ἀρύσασθαι βουλόμενοι ). Im Zusammenhang mit den Auslegungsfragen definiert Olympiodor genauer, worin dieser Nutzen besteht. Der Nutzen des Alkibiades sei, wie seine Absicht, dreifach: Wie es eine Absicht nach Proklos, eine nach Damaskios und eine nach den Exegeten gibt (9,22), so ergeben sich nach Olympiodor drei Nutzen aus diesem Dialog (10,1 - 17): 1. Die Unsterblichkeit der Seele und ihre Ewigkeit ( τὴν ἀθανασίαν τῆς ψυχῆς καὶ τὸ ἀΐδιον ), denn wir erkennen uns selbst durch die Rückwendung auf uns. Alles, was sich auf sich selbst zurückwendet, ist ewig und unsterblich. 2. Die Erkenntnis aller Seienden ( τὴν γνῶσιν πάντων τῶν ὄντων ), da diese in der Erkenntnis der Seele besteht. 3. Die Erkenntnis dessen, was gut und was schlecht für die Seele ist ( τὸ γνῶναι τί ἀγαθὸν τῇ ψυχῇ καὶ τί κακόν ), die sich aus der Erkenntnis dessen ergibt, was die Vollkommenheit ( τελειότης ) der Seele und damit ihre Tugend oder Schlechtigkeit ist. Dies führt letztlich zum Glück, denn Glückseligkeit und Unglück entstehen aus der Tugend oder Schlechtigkeit der Seele. Diese drei Aspekte versprechen einen umfangreichen Nutzen für diejenigen, die sich mit dem Alkibiades beschäftigen. Bemerkenswert ist hier der ethische anderen ungenannten Exegeten handelt, macht der Text an dieser Stelle nicht deutlich. Die argumentative Nähe zu Damaskios ’ These legt hier m. E. die Identifizierung des Subjekts mit Damaskios nahe. Joosse (2021, S. 1) ist dagegen der Meinung, dass mit diesem Ausdruck nicht Damaskios, sondern Olympiodor gemeint ist, auf den der Schüler- Verfasser sich hier bezieht. II. Theoretische Grundlagen 61 <?page no="62"?> Bezug aller drei Nutzen. Keiner der aufgeführten Punkte besagt, dass die Menschen aus diesem Dialog Erkenntnisse darüber gewinnen, wie sie eine erfolgreiche politische Karriere gestalten können. Vielmehr konzentrieren sich diese nützlichen Aspekte auf den Bereich der politischen Tugend. Die Erkenntnis der Unsterblichkeit der Seele deutet daraufhin, dass Menschen ihr Handeln nicht nur nach dem praktischen Nutzen in ihrem gegenwärtigen Leben ausrichten sollten, sondern nach dem Nutzen der Seele. Im Alkibiades wird prinzipiell die Pflege und Kultivierung ( ἐπιμέλεια ) der Seele vorausgesetzt, um Wissen und Glückseligkeit zu erlangen. Der zweite Aspekt, dass wir durch die Erkenntnis der Seele zur Erkenntnis des gesamten Seins gelangen, bleibt relativ abstrakt. Wahrscheinlich wird damit das Prinzip der Verwirklichung des ‚ wahren Seins ‘ erfasst: Wer die Seele in sich selbst erkennt, kann nach diesem Prinzip die wahre Identität allen Seins herausfinden. Der wichtigste Vorteil besteht schließlich darin, dass durch die Erkenntnis der Seele auch die Erkenntnis ihrer Vollkommenheit und ihrer Tugenden gegeben ist. Demnach werden Menschen erst dann im wahren Sinne tugendhaft und damit glücklich, wenn sie ihre Seele kennen. Nach Olympiodor birgt der Alkibiades also in allen wesentlichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens Nutzen. 1.3.3 Die Stellung ( τάξις ) und die Gliederung ( διαίρεσις ) Nach den ersten beiden Interpretationsfragen, die die Absicht und den Nutzen des Dialogs betreffen und somit die Bedeutung des Alkibiades unterstreichen, untersucht Olympiodor zwei eher ‚ technische ‘ Aspekte: Die Stellung des Dialogs im platonischen Korpus (10,18 - 11,6) und die Untergliederung des Dialogs in Hauptteile ( κεφάλαια ἤτοι μέρη ; 11,7). Diese Aspekte sind insofern als ‚ sprachphilosophisch ‘ zu betrachten, als sie die Interpretation des sprachlichen Ansatzes des Dialogs betreffen. Zunächst prägt die Stellung des Dialogs die Interpretation seiner Rolle in der philosophischen Bildung. Wie zu Beginn dieses Kapitels erläutert, betont Olympiodor, dass der Alkibiades als erster platonischer Dialog gelernt werden muss, da die Selbsterkenntnis für den Menschen eine Priorität ist (10,19 - 20) und dieser Dialog den sokratischen Weg zum Erlernen der Philosophie darstellt (11,1 - 2). Folglich hat der Alkibiades methodisch eine grundlegende Bedeutung und dient zugleich als Schlüssel der platonischen Philosophie. 147 Auf dieser Grundlage, so Olympiodor, ist derAnsatz des Alkibiades programmatisch für die platonische Bildung und manifestiert sich in der Position des Dialogs. 147 Olymp. in Alc. 11,5: „ Eingangstüre des Tempels “ ( προπύλαια ). Siehe dazu Kapitel A. II. Der Alkibiades in der platonischen Bildung. 62 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="63"?> Die Gliederung des Dialogs in Hauptteile (11,7 - 13,8), die bereits im Hinblick auf die formale Gestaltung erläutert wurde, 148 möchte ich hier kurz zusammenfassen. Abgesehen von der Einleitung ( προοίμιον ) sind die drei Hauptteile Widerlegung ( ἐλεγκτικόν ), Ermunterung ( προτρεπτικόν ) und philosophische ‚ Geburtshilfe ‘ ( μαιευτικόν ). Was die sprachlichen Konsequenzen dieser Teile betrifft, so lässt sich Folgendes feststellen: Nach Olympiodor folgt Platon in jedem Abschnitt einer sprachlichen Ausdrucksweise, die im Allgemeinen dessen ‚ Natur ‘ entspricht. So häufen sich die Syllogismen im widerlegenden Teil. 149 Ferner sind Imperative in der Ermutigung vorherrschend. 150 Schließlich besteht der größte Teil des Gesprächs in der ‚ philosophischen Geburtshilfe ‘ aus Fragen und Antworten und nicht aus theoretischen Ausführungen. 151 Auf diese Weise unterstreicht Olympiodor den unterschiedlichen Charakter der drei Hauptteile auch auf sprachlicher Ebene. 1.3.4 Die Bedeutung des Skopos für die exegetische Praxis Alle vier Interpretationsfragen, die Olympiodor erläutert - Absicht, Nutzen, Stellung und Gliederung - begründen die Besonderheit des Alkibiades für die Menschen in ihrem gesellschaftlichen Kontext. Darüber hinaus erhält die Absicht eine weitere Bedeutungsebene, da sie Lebewesen und damit sowohl den Menschen als auch den Dialog betrifft und sie in eine Analogie zueinander bringt. Olympiodor betont mehrmals die Definition des Menschen im Alkibiades als die Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt. Diese Definition beruht auf den Stellen des Dialogs, an denen Sokrates die ‚ Werkzeug-Nutzer-Problematik ‘ untersucht und dabei insbesondere sich selbst und Alkibiades als diejenigen definiert, die im Dialog die Sprache als Werkzeug benutzen. 152 Auf diese Weise macht die Exegese von der Sprache als Werkzeug Gebrauch, um die Absicht des Dialogs zu erforschen. Folglich wird die Exegese eines platonischen Dialogs auf die gleiche Ebene wie die Gesprächsführung im Dialog selbst gestellt und als ein Weg angesehen, den Menschen als Seele zu erkennen. Olympiodor betrachtet im Alkibiades dieses sorgfältig geplante Geflecht der Sprache, das zu einer Absicht führt: 148 Kapitel B. I.2. Die Abschnitte des Dialogs. 149 Vgl. Olymp. in Alc. 64,19 - 65,5; 68,26 - 69,8. 150 Z. B. εὔελπις ἔσο , „ sei guter Hoffnung “ ; Olymp. in Alc. 142,10. 151 Olymp. in Alc. 180,15 - 181,7. 152 Vgl. Plat. Alc. 129b - 131a. II. Theoretische Grundlagen 63 <?page no="64"?> Olymp. in Alc. 4,2 - 4: καὶ πάλιν ἐκ τοῦ μετὰ τὸ δεῖξαι ἐν τῷ πέρατι τοῦ διαλόγου ὅτι ψυχὴ ὁ ἄνθρωπος καταπαῦσαι τὸν λόγον , ὡς πάντων τῶν προειλημμένων πρὸς τὴν τούτου κατασκευὴν προλεχθέντων . Und wiederum [folgt es] daraus, dass er [sc. Sokrates] seine Rede beendet, nachdem er am Ende des Dialogs aufzeigt, dass die Seele der Mensch ist, sodass alles, was zuvor angenommen wurde, für die Erstellung dieses [Arguments] im Voraus geäußert wurde. Durch das Wort ‚ Erstellung ‘ ( κατασκευή ) im Zusammenhang mit dem Verb κατασκευάζειν im Sinne von „ bauen, konstruieren “ verweist Olympiodor auf die ‚ Konstruktion ‘ des Dialogs. In dieser Hinsicht werden Argumente und Thesen im Dialog als die Bestandteile der Hauptargumentation betrachtet. Die Elemente des Dialogs werden wie Werkzeuge für eine Baustelle verwendet, damit am Ende die Absicht des Dialogs wie ein Gebäude vor Augen steht. Olympiodor identifiziert diese Absicht mit der Feststellung, dass die Seele der Mensch ist. Dies wird dadurch begründet, weil diese Aussage ganz am Ende des Dialogs geäußert wird (Plat. Alc. 130c - e). 153 Die Absicht wird durch alles, das vorher angenommen wurde ( πάντων τῶν προειλημμένων ), aufgebaut, weshalb nicht nur Thesen und Argumente, sondern alle sprachlichen Einzelheiten des Dialogs darin einbezogen werden. Diese Äußerungen wurden vorher gemacht ( προλεχθέντων ), damit der Dialog an dieser Stelle zu seinem Schluss gelangt, der gleichzeitig seine Absicht ist. Angesichts dieser Absicht gewinnt jedes Detail im Dialog rückblickend einen Sinn. Die Skopos-Theorie ausgehend von Platons Phaidros bezeichnet die sprachlichen Eigenschaften einer Rede als Widerspiegelung ihrer Absicht. Dementsprechend wird die Ausdrucksweise eines platonischen Dialogs als Darstellung der darin enthaltenen Erkenntnis angesehen. Auf dieser Grundlage wird ein angemessener Gebrauch der Sprache als der Weg zur Erkenntnis aufgefasst. Hinsichtlich der Absicht des Alkibiades, den Menschen und dadurch alle Seienden zu erkennen, kommt der Exegese eine wichtige Aufgabe zu. Diese Aufgabe kann die Exegese nur erfüllen, wenn alle Einzelheiten im platonischen Dialog sorgfältig untersucht werden. Platons Betrachtung der Sprache als Werkzeug ( ὄργανον ) 154 im Dialog interpretiert Olympiodor dahingehend, dass 153 Sokrates beendet an dieser Stelle seine Rede nicht, sondern geht im Anschluss darauf ein, welcher Teil der Seele der Mensch sei und was die richtige Selbstsorge sei (Plat. Alc. 131a - 135e). Olympiodor betrachtet es wahrscheinlich deshalb als das Ende der Rede, da Sokrates feststellt, dieses Ergebnis solle für jetzt ausreichend sein, da diese weiteren Themen eine ausführlichere Behandlung benötigen würden (130d3 - 6). 154 Vgl. Plat. Alc. 129b - 131a. 64 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="65"?> die sprachliche Ausdrucksweise des Dialogs als ein Mittel dient, um die darin vermittelte Erkenntnis zu erfassen. Daraus resultiert eine sprachorientierte Perspektive bei der Erklärung der philosophischen Inhalte. Diese Annäherung an die Sprache als ein Werkzeug der Erkenntnis wird durch andere sprachphilosophische Positionen in der platonischen Exegese unterstützt. Grundlegend dazu ist Platons Kratylos und dessen Interpretation bei Proklos, auf die im folgenden Kapitel eingegangen werden wird. 1.4 Sprache als Werkzeug der Exegese Das Verhältnis zwischen den sprachlichen Ausdrücken und ihrem Wahrheitsgehalt behandelt Platon ausführlicher im Kratylos, auf den Olympiodor auch im Alkibiades-Kommentar verweist. 155 In diesem Dialog findet sich eine weitere Betrachtung der Sprache als eines Werkzeugs nicht nur als ein ‚ Mittel ‘ für die Gesprächsführung, sondern für Erwerb und Vermittlung von Wissen: Plat. Cra. 388b13 - c1: Σωκράτης ὄνομα ἄρα διδασκαλικόν τί ἐστιν ὄργανον καὶ διακριτικὸν τῆς οὐσίας ὥσπερ κερκὶς ὑφάσματος . SOKRATES: Der Name ist also ein Werkzeug, das man braucht zur Belehrung, und ein Hilfsmittel zur Sonderung der Wesensart, so wie es das Weberschiffchen mit dem Gewebe macht. 156 Platon stellt hierbei die These auf, dass die Namen ( ὀνόματα ) als ein „ Werkzeug der Lehre “ ( διδασκαλικόν ὄργανον ) zu betrachten seien. Diese Auffassung über 155 In Bezug auf die etymologische Erklärung der Wörter bezieht Olympiodor sich auf Kratylos (Olymp. in Alc. 88,19 - 21) und Phaidros (227,5 - 8). Ausgehend von diesen Dialogen bilden die etymologischen Verhältnisse zwischen Wörtern und ihrem Wahrheitsgehalt ein bedeutendes Thema der platonischen Exegese, wie Proklos im Kommentar zum Kratylos (siehe Van den Berg 2008, S. 173 - 191) und Hermeias im Kommentar zum Phaidros darstellen (siehe dazu Bernard 1997, S. 50 - 55). 156 Zur Interpretation dieses Satzes siehe Van den Berg (2008, S. 3 - 4), der καί nicht kopulativ, sondern explikativ auffasst. Er übersetzt wie folgt: „ So, a name is a tool for giving instruction, that is to say for dividing being, just as a shuttle is a tool for dividing warp and woof “ . Nach dieser Interpretation wäre eine andere Übersetzung möglich: „ Ein Name ist also ein Werkzeug der Lehre, und zwar eines, das das Wesen aussondert, wie das Weberschiffchen das Gewebe. “ Dabei geht es aus dem Zusammenhang nicht eindeutig hervor, ob der Satzteil καὶ διακριτικὸν τῆς οὐσίας ( „ ein Wesen sonderndes “ ) eine andere Funktion der Sprache nennt oder die erste Funktion erläutert. Auch Schleiermacher (1824) betrachtet καί als kopulativ und übersetzt wie folgt: „ Das Wort ist also ein belehrendes Werkzeug und ein das Wesen unterscheidendes und sonderndes, wie die Weberlade das Gewebe sondert. “ . Eine Klärung dieser Auslegungsfrage kann jedoch im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht vorgenommen werden. II. Theoretische Grundlagen 65 <?page no="66"?> die ‚ Namen ‘ , die spezifisch auf die Begriffe deuten können, wird bei den Neuplatonikern insgesamt auf die Sprache bezogen. Dies verdeutlicht Proklos in seinem Kratylos-Kommentar durch die Feststellung, dass die Definition eines Gegenstands seinem Wesen entspreche und daher das Wissen der Namen gleichzeitig die Erkenntnis des Wesens bedeute. 157 Obwohl Platon im Kratylos gegenüber der Wahrheit aller sprachlichen Ausdrücke ambivalent bleibt, 158 betrachtet Proklos die Wahrheit der Sprache als gegeben: Diese kann nur von den Eigenschaften des erfassten Gegenstands oder von der Eigenschaft des Erkennenden beeinflusst werden. 159 Solange die Namen der Dinge gemäß ihren Ideen festgelegt werden, ist die Sprache nach Proklos ein Ausdruck der Wahrheit. 160 Proklos wendet diese Sichtweise in seiner Exegese an und betrachtet die sprachlichen Elemente als Widerspiegelung des wahren Wesens und als Instrumente der Dialektik. 161 Da die Sprache als Vermittler der Wahrheit dient, sollen sich die Inhalte der philosophischen Aussagen in ihrer literarischen Komposition wiederfinden. Folglich wird die Sprache bei Proklos auch zu einem Werkzeug der Exegese, die auf der Suche nach der Erkenntnis richtig verwendet werden muss. Hier zeigt sich wieder der Einsatz eines Werkzeuges von Nutzern, wie auch im Fall von Seele und Körper für den politischen Menschen, als Vorteil: Der Körper hilft dem politischen Menschen, sinnvolle Taten in der Gesellschaft zu vollbringen, und die Sprache hilft dem Menschen, zu philosophischem Wissen zu gelangen. 162 Während in diesen beiden Fällen die Beziehung zwischen Nutzer und Werkzeug nicht wesentlich ist, werden die Werkzeuge 157 Siehe hierzu Marzillo 2010, S. XXVI - XXVII. 158 Das wird insbesondere daran deutlich, dass Sokrates hinterfragt, wie die ersten Namensgeber ohne Namen die Dinge gewusst haben könnten und folgert, dass es besser sei, die Dinge nicht mit ihren Namen, sondern durch sie selbst zu erkennen (Plat. Cra. 439b4 - 9). 159 Proklos vertritt die Annahme, dass vergängliche Entitäten sprachlich nicht richtig erfasst werden, während die sprachliche Darstellung der göttlichen Wesen ihrer Realität entspricht (vgl. Procl. in Alc. 95 - 96). 160 Vgl. Van den Berg 2008, S. 131 - 132. 161 Proklos führt zu diesem Zweck Sokrates ’ Verwendung von Begriffen bzw. Namen ( ὀνόματα ) im dialektischen Verfahren an; vgl. ebd. S. 159; vgl. Procl. in Cra. 67 - 68. 162 In diesem Zusammenhang weist Proklos darauf hin, dass es verschiedene Arten des „ Nutzens “ gibt, die differenziert werden müssen: Wenn der Dialektiker die Tätigkeit des Gesetzgebers nutzt, obwohl er überlegen ist, dasselbe Gesetz aber auch vom Richter genutzt wird, der ihm unterlegen ist, ist das nach Proklos kein Widerspruch: Die geteilte Seele benutze einerseits den Daimon im Sinne eines Aufsehers, andererseits den Körper im Sinne eines Werkzeugs. Procl. in Cra. 63,1-5: Εἰ τῷ τοῦ νομοθέτου ἔργῳ χρῆται μὲν καὶ ὁ διαλεκτικὸς ὡς κρείττων , χρῆται δὲ καὶ ὁ δικαστὴς ὡς χείρων , ἄτοπον φαίνεται . ἧ ὁ μὲν ὡς ὀργάνῳ χρῆται , ὁ δὲ ὡς ἀρχῇ καὶ θέσει ; καὶ γὰρ ἡ μεριστὴ ψυχὴ τῷ μὲν δαίμονι χρῆται ὡς ἄρχοντι καὶ ἐφόρῳ , τῷ δὲ σώματι ὡς ὀργάνῳ · 66 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="67"?> als hilfreiche Mittel angesehen, solange sie in dem Bewusstsein benutzt werden, dass sie nicht zum Wesen gehören - wohl aber Anhaltspunkte zum Begreifen von Wesen sind. Proklos ’ Ansichten über Sprache sind wesentlich für Olympiodor, da er die Untersuchung der sprachlichen Einzelheiten bei der Exegese auf Proklos zurückführt. 163 An einer Stelle des Alkibiades-Kommentars erläutert Olympiodor zwei exegetische Annäherungen, von denen die eine die von Damaskios in der alexandrinischen Exegese vor Olympiodor vorherrschende Vorgehensweise war, die andere dagegen die von Proklos herrührende jetzt bei Olympiodors Exegese bedeutender ist. Olymp. in Alc. 204,15 - 205,7: καὶ ἔοικεν ὁ μὲν Δαμάσκιος ἐπιστημονικώτερον λέγειν , ὁ δέ γε φιλόσοφος Πρόκλος ἐξηγηματικώτερον τῆς λέξεως . συμφωνεῖ γὰρ αὐτῷ ἡ λέξις · ἀρχόμενος γάρ φησιν ὅτι , ἐὰν εὑρεθῇ ‘αὐτὸ τὸ αὐτό’ , δεῖ ζητῆσαι καὶ τί ‘αὐτὸ τὸ αὐτὸ ἕκαστον’ . πρόκειται δὲ ἐνταῦθα παραδοῦναι οὐ καθαρτικόν , οὐ θεωρητικόν , ἀλλὰ τὸν πολιτικὸν ἄνθρωπον · διὸ καὶ οὕτως ὁρίζεται αὐτόν , ‘ψυχὴν λογικὴν ὀργάνῳ χρωμένην τῷ σώματι’ . ὥστε ὁ μὲν τοῖς πράγμασι προσέσχεν , ὁ δὲ τῇ λέξει . ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία . Und Damaskios scheint sich mehr mit Blick auf die Fachkenntnis auszudrücken, der Philosoph Proklos dagegen mehr mit Blick auf die Auslegung der Sprachausdrücke. Denn der Text ist in Übereinstimmung mit ihm. Er sagt nämlich am Anfang, dass, wenn „ das Selbst selbst “ gefunden werden soll, es auch notwendig ist, zu untersuchen, was „ jedes einzelne Selbst selbst “ ist. Er nimmt sich hier also vor, weder den kathartischen noch den theoretischen Menschen als Beispiel anzugeben, sondern den politischen. Auch deshalb definiert er diesen als „ vernunftbegabte Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt “ . Folglich widmete der eine [sc. Damaskios] seine Aufmerksamkeit dem Gegenstand, der andere [sc. Proklos] dagegen der sprachlichen Ausdrucksweise. Daraus besteht die Theorie. Zuerst scheint Olympiodor zwei Gegensätze zu unterscheiden, die allerdings vielmehr Alternativen zueinander sind. Einerseits bezeichnet er Damaskios ’ Annäherung als „ auf erkenntnisbezogenere Weise “ ( ἐπιστημονικώτερον ), andererseits Proklos ’ Weg als „ auf exegetischere Weise “ ( ἐξηγηματικώτερον ). Diesen Unterschied wiederholt Olympiodor am Ende der Textstelle mit anderen 163 Diese sprachorientierte Annäherung geht auch aus der alexandrinischen Platon-Exegese hervor, wie Hermeias im Phaidros-Kommentar darstellt (siehe dazu Bernard 1997, S. 27). Obwohl Olympiodor sich an dieser Stelle nicht auf Hermeias bezieht, kann seine Auffassung zu Olympiodors Interpretation beigetragen haben. Bei der Untersuchung seiner exegetischen Vorgehensweise im Folgenden (Kapitel B. III) werden mehrere Ähnlichkeiten von Olympiodors Exegese mit Hermeias und Ammonios gezeigt. Andererseits liegt Olympiodors besonderer Fokus auf Proklos teilweise auch daran, dass er sich in erster Linie mit seinen Quellen im Bereich der Alkibiades-Kommentare auseinandersetzt. II. Theoretische Grundlagen 67 <?page no="68"?> Wörtern: dass Damaskios πράγματα in den Vordergrund stelle, Proklos dagegen λέξις . Beide Begriffe besitzen ein breites Bedeutungsspektrum. Folglich ermöglichen sie unterschiedliche Interpretationen, wie λέξις in dem oben zitierten Abschnitt zuerst als ‚ Sprachausdruck ‘ , danach spezifisch als ‚ Text ‘ des platonischen Dialogs und am Ende allgemein als ‚ sprachliche Ausdrucksweise ‘ aufgefasst wurde. Wie konkret oder allgemein Olympiodor dieses Wort an der jeweiligen Stelle verwendet, kann ausgehend vom Kontext nicht eindeutig bestimmt werden. Auch die Bedeutung von πράγματα , die bei Damaskios im Vordergrund stehen sollen, ist schwer zu rekonstruieren. Den Gebrauch dieses Wortes erörtert William O ’ Neill anhand von Beispielen aus Proklos ’ Alkibiades- Kommentar. 164 Darin bestimmt er unterschiedliche Bedeutungen von τὰ πράγματα , die sich von konkreten Gegenständen und Angelegenheiten bis zu den Wesen und Wahrheiten auf der intelligiblen Ebene erstrecken. Für die oben zitierte Textstelle ist insbesondere der Aspekt ‚ Gegenstand der Diskussion ‘ (nach O ’ Neill: „ subject-matter “ ) als relevant zu betrachten. So kritisiert Proklos in Bezug auf die Gliederung des Dialogs, dass einige Exegeten nicht darauf achten, wie der Gegenstand der Diskussion zur Sprache kommt (12,13 - 14: τῆς δὲ τῶν πραγμάτων ἀπολείπονται διαρθρώσεως ). Er bezeichnet dagegen Jamblichs Theorie als „ ausgehend von dem Gegenstand selbst “ (13,17 - 18: ὁ ἀπ’ αὐτῶν ὁρμώμενος τῶν πραγμάτων ). 165 In dieser Hinsicht entsprechen τὰ πράγματα dem Gegenstand der Diskussion, der über die formalen Elemente hinausgeht. Obwohl Proklos hierbei die Aussprache bzw. die Ausdrucksweise ( τὸ λεκτικόν ) mit dem Gegenstand ( τὰ πράγματα ) kontrastiert, schreibt Olympiodor die Annäherung ausgehend von der wörtlichen Ausdrucksweise ( λέξις ) Proklos zu, dagegen die Zugrundelegung der thematischen Zusammenhänge Damaskios. Dabei ist zu beachten, dass Proklos hier die Voranstellung von τὸ λεκτικόν aus dem Grund kritisiert, dass viele aufgrund einer Klassifizierung der Dialogteile nach ihrem literarischen Stil die hauptsächliche Argumentation nicht berücksichtigen würden. Unter diesem Gesichtspunkt stellt Olympiodor den Ansatz von Proklos als „ exegetischer “ dar, da dieser mit seiner Betonung derAusdrucksweise, der Wortwahl oder des ‚ Textes ‘ ( λέξις ) den sprachlichen Inhalt über formale Kriterien stellt. Wie Proklos diese Methode anwendet, kann in Hinblick auf seinen Alkibiades-Kommentar gezeigt werden. Proklos beschäftigt sich mit der Bedeutung einzelner Wörter sowohl im Hinblick auf die theoretische Untersuchung ( θεωρία ) als auch auf Worterklärungen ( λέξις ). 166 Dabei findet sich mehrmals 164 O ’ Neill 1965, S. 237 - 247. 165 Zur Erläuterung dieser Stelle siehe Kapitel B. I.2. Die Abschnitte des Dialogs. 166 68 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="69"?> eine Aufeinanderfolge von Themen ( πράγματα ), Gedanke ( διάνοια ) oder Schlussfolgerung ( συλλογισμός ) und der Sprache ( λόγος ), Wortwahl bzw. sprachliche Ausdrucksweise ( λέξις ) oder Wörter ( ῥήματα ). 167 Diese Erklärungen bei Proklos befassen sich mit dem Gebrauch bestimmter Wörter in Bezug auf die Argumentation 168 oder mit ihrer Etymologie. 169 Da auch Proklos seine Erläuterung des Alkibiades mit der Absicht des Dialogs beginnt, setzt er dementsprechend einen Akzent auf den Sprachgebrauch im Dialog. Als Beispiel dazu können seine Erklärungen herangezogen werden, bei denen auf die einzelnen Worte eingegangen wird. Zu einer Stelle des Dialogs (Plat. Alc. 104a4 - b3) kommentiert Proklos wie folgt: Procl. in Alc. 107,7 - 12: Ἔτι τοίνυν καὶ τῶν ῥημάτων ἕκαστον θεασώμεθα . τὸ μὲν δὴ ‘οἴει’ πρόσκειται ἐν τοῖς ἐκκειμένοις ῥήμασιν ἱκανὸς ἔλεγχος τῆς ψευδοῦς ὑπολήψεως . τί γὰρ ἄλλο διὰ τῆς προσθήκης ἐνδείκνυται ταύτης ἢ ὅτι οἴει μέν , οὐ μέντοι ἔχει ταῦτα οὕτως ; καὶ πρόσεστι καὶ τὸ ἀλαζονικὸν καὶ τὸ φορτικόν , αὐτὸν εἶναι τὸν κήρυκα τῆς εὐδαιμονίας , αὐτὸν τὸν κηρυττόμενον , αὐτὸν τὸν ἐπαινέτην , αὐτὸν τὸν ἐπαινούμενον . Weiterhin sollen wir jedes einzelne Wort betrachten. Der [Ausdruck] „ du glaubst “ ist den Wörtern hinzugefügt, die aufgestellt worden sind, da er dafür geeignet ist, eine falsche Annahme zu widerlegen. Denn worauf sonst wird durch diese Zugabe hingewiesen, als ‚ du glaubst das, aber das ist nicht so ‘ ? Ferner ist dabei eine stolze und grobe Art, indem [Alkibiades] selbst sowohl Verkünder seines eigenen Glücks als auch das Objekt der Verkündigung ist, also selbst der Lobende und Gelobte ist. Die Betrachtung der einzelnen Worte ( τῶν ῥημάτων ἕκαστον θεασώμεθα ) ist nach Proklos eine Herangehensweise, die sich an mehreren Stellen des Dialogs als hilfreich erweist. So ist der Ausdruck ‚ du glaubst ‘ Proklos zufolge an dieser Stelle wesentlich, um zu begründen, dass es zur Widerlegung der folgenden Annahme dient. 170 Darüber hinaus geht Proklos auf die Bedeutung des Verbs οἴομαι als „ glauben “ ein, das darauf deutet, dass die Realität anders ist als jemand ‚ glaubt ‘ . Am Ende des Abschnitts stellt er fest, dass der Dialog Alkibiades ’ stolzen Charakter ausdrückt, indem dieser über sein eigenes Glück redet und somit sowohl das Objekt als auch das Subjekt der Rede ist. Bei diesen Diese Teile werden in den Kommentaren von Proklos nicht formal differenziert. Siehe dazu Kapitel B. I.3. Das Unterrichtskonzept als Praxis. 167 Vgl. Procl. in Alc. 185,17 - 19; 207,19 - 208,2; 237,13 - 17; 252,3 - 5; 330,15 - 16. 168 Vgl. Procl. in Alc. 265,4 - 10; 272,13 - 15. 169 Vgl. Procl. in Alc. 206,1 - 2; 328,11 - 14. 170 Auch Olympiodor betont den Gebrauch des Ausdrucks „ du glaubst “ an dieser Stelle als einen Hinweis für die Widerlegung (Olymp. in Alc. 30,11 - 31,6; 35,9 - 10 und 36,10 - 15). II. Theoretische Grundlagen 69 <?page no="70"?> Erklärungen setzt Proklos bei den sprachlichen Einzelheiten des Dialogs an, die die philosophischen Inhalte widerspiegeln. In vielen ähnlichen Fällen liegt Proklos ’ Betonung bei den Wörtern auf ihrer argumentativen Kraft. Er beschäftigt sich ferner mit sprachlichen Ausdrücken hinsichtlich ihrer Stelle im Dialog und der damit verbundenen platonischen Auffassung. Das wird auch an seinen Kommentaren zu einer anderen Stelle des Dialogs (Plat. Alc. 105a) deutlich: Procl. in Alc. 160,13 - 161,1: Καὶ δὴ καὶ ἐπισημαντέον πάλιν ἐν τούτοις , ὅπως ὁ Σωκράτης ἐν τάξει προῆλθε . πρὸ μὲν γὰρ τῶν λόγων τούτων αὐτός φησι προμηθεῖσθαι τοῦ Ἀλκιβιάδου ( ‘ᾧ καὶ γνώσῃ ὅτι προσέχων γέ σοι τὸν νοῦν διατετέλεκα’ ) · διὰ δὲ τῶν λόγων τούτων τὴν δύναμιν αὐτῷ ταύτην αὐτὸς παραδώσειν · ἐπὶ δὲ τοῖς λόγοις τούτοις (161) καὶ τοῦ θεοῦ τὴν πρόνοιαν ἐξέφηνε τῷ νεανίσκῳ . Ferner muss darin erneut erkannt werden, wie Sokrates in einer Ordnung vorgeht. Denn vor diesen Worten sagt er, dass er sich vorher in Gedanken mit Alkibiades beschäftigt habe ( „ woran du auch erkennen wirst, dass ich dich dauerhaft in Gedanken behalten habe “ ). Durch diese Worte [erklärt er], dass er selbst ihm genau diese Macht übermitteln wird. Am Ende dieser Rede dann erleuchtete er dem jungen Mann die Vorsehung des Gottes. Wie Proklos an dieser Stelle erklärt, liefern Sokrates ’ Ausdrücke Hinweise auf die theoretischen Grundlagen in Platons Dialogen und geben in einer bestimmten Reihenfolge eine argumentative Struktur wieder. Folglich lässt sich Sokrates ’ Aussage, dass er sich in Gedanken bereits vorher mit Alkibiades beschäftigt habe, als ein Ausdruck von göttlicher Vorsehung interpretieren. Das begründet im weiteren Verlauf des Dialogs die Erlaubnis des Daimons für ein Gespräch zwischen Sokrates und Alkibiades. 171 So erklärt Proklos den Bezug zwischen den sprachlichen Ausdrücken und dem theoretischen Inhalt, der durch die Skopos-Theorie bestimmt wird. Auf dieser Grundlage der platonischen Philosophie und ihrer Exegese verfolgt Olympiodor eine sprachorientierte Vorgehensweise, um die Bedeutung der platonischen Dialoge darzulegen. Dieses Verfahren wird nach Olympiodor auch durch weitere theoretische Zusammenhänge unterstützt, die sich auf die Praxis der theoretischen Grundlagen und auf den ethischen Bereich der menschlichen Handlungen beziehen. Denn die Sprache, die Philosophie und die Tugend bilden in Olympiodors Denken eine Einheit. 171 Bei Olympiodor deutet die gleiche Stelle des Dialogs darauf, dass Sokrates die Wahrheit über Alkibiades besser weiß als dieser selbst. Ferner hat es Olympiodor zufolge mit der Liebe zu tun, dass Sokrates dauerhaft an Alkibiades denkt (Olymp. in Alc. 49,10ff.). 70 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="71"?> 2. Ethische Ansätze Im ethischen Bereich stützt sich die Untersuchung des platonischen Alkibiades auf die neuplatonische Lehre von den Tugenden. Um Olympiodors Standpunkt zur moralischen Aufgabe der platonischen Philosophie zu erläutern, soll im Folgenden eine Darlegung der Tugendgrade in Bezug auf Alkibiades vorgenommen werden. 2.1 Die Tugendgrade bei Olympiodor Im Zuge der neuplatonischen Bildung wurde, wie bei der Kanonisierung der platonischen Dialoge, auch eine Tugendordnung aufgestellt. Eine differenzierte Betrachtung der Tugenden findet sich gar in der Philosophie Platons (vgl. Plat. Rep. 434d - 445b; Phdr. 263d2; Ti. 71e8). Die sukzessive Unterteilung (Iamb. de An. 12: τῶν ἀρετῶν σύστασιν ) der vollkommenen und unvollkommenen Tugenden (vgl. Iamb. de An. 17) setzt sich dagegen erst nach Jamblich durch. Plotin hat die Systematisierung der Tugendgrade in ihrem Kern bereits angelegt, indem er die Unterschiede zwischen den Tugenden behandelt, wobei er die „ politischen Tugenden “ ( πολιτικάς ) und die „ Katharsis “ ( καθάρσεις ; Plot. I.2.3,5 - 14) hervorhebt. 172 Dabei geht es Plotin vor allem um die Frage, ob der tugendhafte Mensch ( σπουδαῖος ) auch noch die politische Tugend besitzt (Plot. I.2.7) - eine wesentliche Frage in Bezug auf die gesellschaftliche Rolle der Philosophie. Nach Julia Annas vertritt Plotin die Ansicht, dass der Mensch in höheren Tugenden die politischen Tugenden immer noch besitzt. Plotin stelle jedoch nicht die These auf, so Annas, dass der tugendhafte Mensch die politischen Tugenden nicht aktiv einsetzt, sondern dass der Philosoph auch im politischen Bereich tätig ist, ohne diesen Bereich als sein eigentliches Leben zu betrachten. 173 Sebastian Gertz schließt dabei den Widerspruch zwischen politischer und kathartischer Tugend nicht aus. Nach Gertz unterscheiden sich der kathartische und der politische Mensch nicht in ihrer Seele, wobei ihre Tätigkeitsbereiche und ihre Ziele essenziell unterschiedlich sind: Der eine muss den Körper gebrauchen, der andere muss sich vom Körper lösen. Dennoch erlaubt die dreifache Bewegung der Seele im Neuplatonismus 174 , wie Gertz erläutert, dem gereinigten Philosophen, nach seinem Aufstieg nochmal in die politische Ebene abzusteigen, um anderen Menschen zu helfen - wie Sokrates die Menschen mit seinen Gesprächen empfängt. 172 Zu kathartischen Tugenden bei Plotin siehe Hammann 2020, S. 305 - 319. 173 Annas 1999, S. 67 - 69. 174 Vgl. Gertz 2011, S. 64 - 65 mit dem Hinweis auf die drei Bewegungen der Seele abwärts, aufwärts und einwärts. II. Theoretische Grundlagen 71 <?page no="72"?> Diese Unvereinbarkeit von Körper und Seele sowie von Politik und Katharsis wird zum zentralen Paradoxon der spätantiken Platoniker. Olympiodor zeigt auch die Konsequenzen dieses Diskurses sowie einige Lösungsversuche auf, die ich in den folgenden Kapiteln zu seiner Definition der Katharsis vorstellen werde. Zunächst ist es angebracht, eine Zusammenfassung darüber zu geben, wie Olympiodor sich das System der Tugendgrade vorstellt. 175 In seinem Kommentar zu Platons Phaidon gibt er einen Überblick über die Tugenden ( „ Schritte der Tugend “ , βαθμοὶ τῶν ἀρετῶν , Olymp. in Phd. 8.2,2). Demnach stehen in der untersten Stufe die Tugenden, die allen Tieren zuteilwerden, nämlich die physischen ( φυσικαὶ ἀρεταί ). Diese benötigen keine besondere Leistung, sondern Menschen besitzen sie von Geburt an, wie etwa Schönheit oder eine gute Familie. Danach kommen ethische Tugenden ( ἠθικαὶ ἀρεταί ), die durch Übung und Gewohnheit erreicht werden, wie Ernährung (vgl. Olymp. in Alc. 161,1 - 10). Solche Tugenden betreffen jeweils nur einen Teil der Seele, während die Tugenden, die sich der Vernunft bedienen ( εἰ δὲ λόγῳ χρῷντο αἱ ἀρεταί ), alle drei Teile der Seele benutzen: Entweder zielen sie auf eine Mäßigung der Affekte, wie die politischen Tugenden ( τοῖς πάθεσι μεμετρημένοις , ὡς αἱ πολιτικαί ); oder fliehen sie von den Affekten ( τὰ πάθη φεύγουσι ), wie die kathartischen Tugenden ( αἱ καθαρτικαί ); oder sind sie von Affekten bereits entflohen ( πεφεύγασιν ) wie die theoretischen ( αἱ θεωρητικαί ). Olympiodor fügt hinzu, dass es noch weitere Tugenden nach Plotin gibt, die er paradigmatische Tugenden nennt (Plot. I.2,7.2-6: παραδειγματικαὶ ἀρεταί ). 176 Hieraus ergibt sich das folgende Schema: Nach Olymp. in Phd. 8,2: φυσικαὶ ἀρεταί ἠθικαὶ ἀρεταί Philosophische Tugenden ( εἰ δὲ λόγῳ χρῷντο αἱ ἀρεταί ): αἱ πολιτικαί αἱ καθαρτικαί αἱ θεωρητικαί Darüber hinaus bei Plotin [I 2,7.2 - 6]: παραδειγματικαὶ ἀρεταί 175 Zu diesem Thema sei an dieser Stelle auf die Studien von Griffin verwiesen, in denen er die neuplatonischen Tugenden im Allgemeinen und bei Olympiodor im Speziellen aufschlussreich darlegt, wie zuletzt Griffin 2021. Auch in der Einleitung zur Übersetzung des Kommentars gibt Griffin (2015) einen detaillierten Überblick über die neuplatonischen Tugenden und stellt diese in Form eines Schemas dar. 176 In der Stufe der theoretischen Tugend ist der Mensch noch getrennt von der Quelle der Tugend, die betrachtet und als eine Erleuchtung wahrgenommen werden kann. Wenn der Mensch sich mit dieser Quelle vereint, wird die paradigmatische Tugend erreicht. Diese Tugendebene wird bei Olympiodor jedoch nie ausführlich behandelt, da er diese Stufe nicht als Teil der platonischen Bildung angesehen hat. 72 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="73"?> Diese Tugenden werden bei Olympiodor jeweils mit den Arten der Menschen identifiziert, die ihr Leben gemäß der entsprechenden Tugend führen. Der politische Mensch ist mit einem Leben in der Polis verbunden. Daher braucht er für die Handlungen in der Gesellschaft sowie für politische Aktivitäten den Körper. Da der Mensch als vernunftbegabte Seele in diesem Schritt den Körper als Werkzeug benutzt, bezeichnet dieser Tugendgrad in Olympiodors Philosophie die erste philosophische Tugend. Auch Proklos und Damaskios geben diese Reihenfolge der Tugenden an: Die politische Tugend wird von der kathartischen ( καθαρτική ) und der theoretischen ( θεωρητική ) gefolgt (vgl. Procl. in Rep. I.12,25 - 13,11; Dam. in Phd. 1,138 - 51). Ab der kathartischen Tugendstufe beginnt der Mensch, sich vom Körper zu lösen. Dieser Prozess wird bei der theoretischen Tugend vervollständigt (siehe 209,10 - 15; vgl. Procl. in Rep. I.208,5 - 10; Dam. in Phd. 161,3 - 6). Insbesondere zwei von diesen Tugenden nehmen im Alkibiades-Kommentar zentrale Stellung ein: die politische Tugend und die kathartische Tugend. Diese sollen im Folgenden auch in ihrem Verhältnis zueinander betrachtet werden. 2.2 Die politische Tugend Die erste philosophische Tugend ist die politische Tugend, die in der neuplatonischen Bildung mit Platons Alkibiades identifiziert wird. Wie im Kapitel über die Absicht (B. II.1.3.1) dargelegt wurde, handelt derAlkibiades nach Olympiodor von dem politischen Menschen und damit von der politischen Tugend. Bei der Erläuterung über die Absicht des Dialogs (in Alc. 4,15 - 21) illuminiert Olympiodor auch einen zentralen Aspekt der politischen Tugend: Der Mensch sei in diesem Dialog als vernunftbegabte Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt, definiert. Dies sei aber nur beim politischen Menschen der Fall, der in bestimmten Kontexten den Körper benötigt, um seine Tugend auszuführen: So braucht der politische Mensch Mut, um sein Land gegen Feinde zu verteidigen, und er braucht auch Antrieb, um Handlungen in der Gesellschaft zu vollziehen. Olympiodor verweist damit auf die Notwendigkeit des Körpers für den politischen Menschen. Aus dieser Darstellung geht hervor, dass der politische Mensch die Affekte braucht und sie für den Nutzen der Gemeinschaft einsetzen kann. Der Körper ist für die Seele notwendig, wenn diese ein Leben in der Gemeinschaft führt. In dieser Hinsicht definiert die politische Tugend alle notwendigen Züge, die ein Mensch haben muss, um sich als einen tugendhaften Menschen zu erweisen und folglich darauf Lernbereitschaft zu zeigen, weiter in die philosophischen Tugendgraden aufzusteigen. Wesentlich ist dabei der Nutzen der politischen Tugend, der dazu beiträgt, dass das menschliche Leben in Gemeinschaft funktioniert. II. Theoretische Grundlagen 73 <?page no="74"?> Auf dieser Grundlage wird die politische Tugend durch ihre gesellschaftliche Notwendigkeit und durch den Gebrauch des Körpers definiert. Eine weitere Bestimmung über die Essenz dieser Tugend wird nirgendwo angegeben. Die Bedeutung des Gebrauchs von Körper impliziert jedoch nicht, dass die politische Tugend den Menschen ein Leben im Sinne von Affekten erlaubt, die mit dem Körper verbunden sind. Diesen Aspekt verdeutlicht Olympiodor auch im Kommentar zum Phaidon, als er die politische Tugend als Mäßigung der Affekte darstellt (in Phd. 8,2: χρῷντο τοῖς πάθεσι μεμετρημένοις , ὡς αἱ πολιτικαί ). Ferner bedeutet die Notwendigkeit des Körpers für den politischen Menschen, wie Olympiodor bei der Absicht erklärt (in Alc. 4,15 - 21), nur für den Nutzen der Gesellschaft einzusetzen und nicht für eigene Begierden. Daraus ergibt sich eine Verantwortung, die der politische Mensch trägt, der Gemeinschaft zu dienen. Diese Position kommt dem Konzept der Wächter in der platonischen Politeia nahe. 177 Insgesamt lässt sich die politische Tugend als Lebenseinstellung auffassen, die mit dem Charakter der Menschen zu identifizieren ist, die in der Gesellschaft leben, sich politisch engagieren sowie durch Handlungen mit anderen Menschen in gewissen Verhältnissen stehen. 178 2.3 Die kathartische Tugend Die Bezeichnung „ kathartisch “ bzw. „ Katharsis-bewirkende “ für die auf die Reinigung der Seele gerichteten Praktiken wird erst bei Jamblich in Bezug auf die Pythagoreer verwendet (vgl. ἡ καθαρτικὴ παρ’ αὐτῷ ἄσκησις , Iambl. VP 16,1). Während die Kommentatoren der vorherigen Generation wie Syrianos diesen Begriff nicht besonders prägen (nur einmal bei Syrian. in Met. 26,9), taucht er bei den späteren Platonikern wie Proklos und Damaskios häufiger auf. 179 Dies zeigt eine zunehmende Beschäftigung mit den Katharsisvorstellungen in der Epoche der Philosophie, an die sich Olympiodor unmittelbar anschloss. 177 Vgl. Plat. Rep. 375a - 376a besonders mit dem Beispiel der Hunde, die auch Olympiodor im Kommentar erwähnt (189,5 - 10). 178 Diese Beschreibung der politischen Tugend entspricht der ‚ sozialen ‘ Dimension der politischen Tugend, neben der Joosse (2021, S. 119 - 120) noch weitere Dimensionen entdeckt, die damit teilweise in Widerspruch geraten. Joosse spricht hier von einer Dimension der politischen Tugend, die sich mit den Affekten beschäftigt ( „ affective dimension “ ) und einer weiteren, die das individuelle Handeln der Menschen betrifft ( „ particularist dimension “ ). Darüber hinaus gibt es nach Joosse (ebd. S. 126) eine dritte, persönliche Dimension. So zeigt Joosse, dass einerseits der politische Philosoph für Olympiodor als wahrer Philosoph anzuerkennen ist, und andererseits der politische Mensch, soweit er mit den Affekten des Körpers verbunden ist, nicht als Philosoph gelten kann. 179 Eine Suche im TLG ergibt insgesamt bei Proklos 52, bei Damaskios 55 Stellen. 74 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="75"?> Zu den zahlreichen seit der antiken Philosophie bezeugten Konzepten der Katharsis gibt es bereits mehrere instruktive Studien, auf die ich hier nicht weiter eingehen werde, da der Schwerpunkt meiner Betrachtung auf Olympiodor liegen soll. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistet die Untersuchung zur Katharsis in der antiken bis spätantike Philosophie bei Christoph Hammann (2020). Bei der Forschungsüberblick stellt Hammann das folgende Problem fest: Die bisherigen Studien zur Katharsis konzentrieren sich meistens auf die aristotelische Katharsis und ihre Rezeption. 180 Dies weist auf eine Forschungslücke in Bezug auf andere Konzepte der Katharsis hin, einschließlich des platonischen. Die Platoniker der Spätantike beschäftigten sich ausführlich mit Platons Darstellung der Katharsis, die in der platonischen Bildung eine der zentralen Themen war. Auch Olympiodor, als Lehrer und Exeget der platonischen Philosophie, behandelt die Ansichten über Katharsis an vielen Stellen seiner Kommentare. Was verstehen die Neuplatoniker unter platonischer Katharsis? Schließlich gehört Katharsis nicht zu den vordergründigen Themen der platonischen Philosophie. Doch es gibt insbesondere eine berühmte Stelle in den platonischen Dialogen, an der es um die Katharsis geht. Es ist kein Zufall, dass der Dialog, in dem diese Passage zu finden ist, sowohl von Olympiodor als auch von Damaskios kommentiert wurde: nämlich Platons Phaidon. Dort begründet Sokrates die These, dass ein Philosoph vom Sterben nichts zu befürchten hat (Plat. Phd. 67c5 - e3). Die Definition der Katharsis, die hierbei dargelegt wird, stellt sich wie folgt: Erstens ist die Katharsis die Absonderung der Seele vom Körper ( τὸ χωρίζειν ὅτι μάλιστα ἀπὸ τοῦ σώματος τὴν ψυχὴν ), sodass sie von ihren Fesseln befreit wird ( ἐκλυομένην ὥσπερ ἐκ δεσμῶν ἐκ τοῦ σώματος ). Daraufhin macht Sokrates eine Definition des Todes, und zwar, als Erlösung und Absonderung der Seele von dem Körper ( Οὐκοῦν τοῦτό γε θάνατος ὀνομάζεται , λύσις καὶ χωρισμὸς ψυχῆς ἀπὸ σώματος , Phd. 67d5). Damit ist die Definition der Katharsis und die Definition des Todes dasselbe, und zwar: Befreiung und Absonderung der Seele vom Körper ( λύσις καὶ χωρισμὸς ψυχῆς ἀπὸ σώματος ). Diese Darlegung im Phaidon hat indes zu der Interpretation geführt, dass für eine vollständige Katharsis der Tod notwendig sei. Mit dieser Fragestellung befasst sich Olympiodor in seinem Kommentar zum Phaidon: Wenn Katharsis die Befreiung der Seele vom Körper ist, muss ein Philosoph den Tod suchen? Darauf entwickelt er einige Lösungsvorschläge, auf die ich im Folgenden eingehen werde. 180 Vgl. Hammann 2020, S. 13 - 21. Dennoch verfolgt auch Hammann das Thema nicht nach dem 4. Jahrhundert n. Chr., so dass die platonische Katharsis im 5. bis 7. Jh. n. Chr. ein Forschungsdesiderat bleibt. II. Theoretische Grundlagen 75 <?page no="76"?> 2.3.1 Katharsis und Tod Ausgehend von der Dialogstelle im Phaidon, an der Katharsis mit dem Tod identifiziert wurde, widmet sich Olympiodor im Kommentar der Frage, ob Katharsis nur durch Tod zu erreichen sei: Olymp. in Phd. 7.2,7 - 15: Ἐφ’ οἷς ὁρίζεται τὸν θάνατον κάθαρσιν ψυχῆς ἀπὸ σώματος . καὶ διὰ τί καὶ πάλαι ὁρισάμενος τὸν θάνατον καὶ νῦν τοῦτο ποιεῖ ; ἢ πάλιν ἀπὸ τοῦ καθολικωτέρου ἐπὶ τὸ μερικώτερον προῆλθεν · πάλαι μὲν γὰρ ὡρίζετο τὸν θάνατον χωρισμὸν ψυχῆς ἀπὸ σώματος καὶ σώματος ἀπὸ ψυχῆς ( καὶ ἐλέγομεν ὅτι οὐ μάτην τῶν δύο ἐμνημόνευσε ), νῦν δὲ τὸν θάνατον ὁρίζεται κάθαρσιν μόνον ψυχῆς ἀπὸ σώματος · καὶ καθολικώτερος ὁ θάνατος τῆς καθάρσεως , διότι ὁ μὲν καθαιρόμενος πάντως καὶ ἀποθνῄσκει , οὐ μὴν ὁ ἀποθνῄσκων καὶ καθαίρεται διὰ τὰς φιλοσωμάτους ψυχὰς περὶ τοὺς τάφους καὶ μετὰ τὸν θάνατον εἱλουμένας . καὶ οὕτως ἠλευθερώσαμεν αὐτὸν ἀδολεσχίας . Als nächstes definiert Sokrates den Tod als Reinigung der Seele vom Körper. 181 Warum aber definiert er den Tod, nachdem er ihn zuvor definiert hat 182 , jetzt erneut? Auch hier geht er vom Allgemeinen zum Spezifischen über: vorher definierte er den Tod als Trennung der Seele vom Körper und des Körpers von der Seele (und wir haben gesagt, dass er einen guten Grund hatte, beides zu erwähnen); hier aber definiert er den Tod nur als Reinigung der Seele vom Körper. Nun ist der Tod allgemeiner als die Reinigung, denn wer gereinigt wird, stirbt notwendigerweise auch, während derjenige, der stirbt, nicht notwendigerweise gereinigt ist, wie die körperliebenden Seelen bezeugen, die auch nach dem Tod um ihre Gräber schweben. Damit haben wir ihn [sc. Sokrates] von [dem Vorwurf] der Redundanz freigesprochen. Hier wird die Frage erläutert, ob die Trennung des Körpers von der Seele durch Suizid ein geeigneter Weg für Katharsis ist. Olympiodors Schlussfolgerung lautet, dass der Tod keine Katharsis mit sich bringt: Denn wer gereinigt wird, erklärt Olympiodor, stirbt notwendigerweise auch, während derjenige, der stirbt, nicht notwendigerweise gereinigt ist ( ὁ μὲν καθαιρόμενος πάντως καὶ ἀποθνῄσκει , οὐ μὴν ὁ ἀποθνῄσκων καὶ καθαίρεται ). Hierbei ist es wesentlich, wie der Tod definiert wird. Sokrates stellt an der kommentierten Stelle den Tod als Rettung der Seele vor: Olympiodor zufolge ist damit nicht die Trennung des Körpers von der Seele gemeint, sondern die Trennung der Seele von dem Körper. Der Unterschied zwischen diesen beiden Arten der Trennung der Seele und des Körpers wurde im Neuplatonismus mehrfach aufgeführt. Diese Arten von Reinigung der Seele äußern den Unterschied zwischen Suizid und Freitod. Olympiodors Lehrer Ammonios befasst sich mit diesem Thema und unter- 181 Vgl. Plat. Phd. 67c5 - d6. 182 Vgl. Plat. Phd. 64c4 - 8. 76 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="77"?> scheidet diese beiden Prozesse strikt voneinander: Zum einen gibt es den physischen Tod ( φυσικός ), der eine Absonderung des Körpers von der Seele ist. Zum anderen gibt es den willentlichen ( προαιρετικός ) Tod, der eine Befreiung der Seele von dem Körper ist. 183 Diesbezüglich argumentiert Olympiodor in den obigen Ausführungen, dass Sokrates nicht den Selbstmord, sondern eine Reinigung der Seele vom Körper befürwortete. Folglich bringt der Sturz in den Tod keine Katharsis, sondern es ist wichtig, den Tod freiwillig zu akzeptieren und bereit zu sein, wenn er unumgänglich ist. Die Katharsis-Definition als Rettung der Seele von dem Körper greift Olympiodor auch im Alkibiades-Kommentar auf. In unmittelbarer Folge nach der Absicht des Dialogs und der politischen Tugend unternimmt er eine Darstellung der kathartischen Tugend: Olymp. in Alc. 4,21 - 5,5: καθαρτικὸς μὲν γάρ ἐστι ψυχὴ ἀπολυομένη τοῦ σώματος , τῶν δεσμῶν μέντοι μενόντων καὶ μὴ λυομένων , καθάπερ τοῦ Ἀμπρακικοῦ μειρακίου , ἀλλὰ διὰ τοῦ συμπαθοῦς λυομένων · ἔστιν γὰρ καὶ ἐνταῦθα ὄντας ἄνω εἶναι διά τινα συμπάθειαν θεωρητικῶς καὶ ἄνω ὄντας ἐνταῦθα εἶναι , τῆς ψυχῆς πτερορρυούσης καὶ κατιούσης ἐνταῦθα καὶ ἐπτοημένης περὶ αὐτὰ διὰ τὸ φιλοσώματον . Der kathartische Mensch ist die Seele, die sich vom Körper loslöst, obwohl ihre Fesseln noch bleiben und nicht gelöst sind - wie die [Fesseln] des ambrakischen Jungen - sondern aufgrund der Sympathie gelöst werden. Denn es ist auch für die Wesen hier durch eine Sympathie möglich, auf eine theoretische Weise oben zu sein und für die Wesen oben [ist es auch möglich] hier zu sein, wenn die Seele, nachdem sie ihr Gefieder abwirft, hierher absteigt und wegen ihrer Körperliebe von diesen [Dingen hier] begeistert wird. Wie Olympiodor hier erklärt, ist der kathartische Mensch, anders als der politische Mensch (dem er mit καθαρτικὸς μὲν γάρ eventuell adversativ gegenübergestellt wird), eine sich vom Körper lösende Seele ( ψυχὴ ἀπολυομένη τοῦ σώματος ). Dazu fügt er die Bemerkung, dass die Fesseln der Seele bestehen bleiben ( τῶν δεσμῶν μέντοι μενόντων καὶ μὴ λυομένων ), wie bei dem ambrakischen Jungen. Gemeint ist damit Kleombrotos von Ambrakia. Diese Figur ist in der Philosophie mit einem oberflächlichen Verständnis von Platons 183 Vgl. Ammon. in Porph. 5,9 - 18: ἰστέον ὅτι τοῦ ἀνθρώπου συνθέτου ὄντος ἐκ ψυχῆς καὶ σώματος καὶ ὁ σύνδεσμος διττὸς καὶ ἡ τῆς ψυχῆς λύσις διττή · ἔστι γὰρ ὁ φυσικὸς λεγόμενος δεσμός , καθ’ ὃν τῇ ψυχῇ δέδεται τὸ σῶμα καὶ ζωοποιεῖται ἐξ αὐτῆς , ἔστι καὶ ὁ προαιρετικὸς δεσμός , καθ’ ὃν ἡ ψυχὴ τῷ σώματι δέδεται δουλεύουσα αὐτῷ κεκρατημένη ὑπ’αὐτοῦ . διττὴ οὖν καὶ ἡ λύσις , ἡ μὲν τ οῦ σώματος ἀπὸ τῆς ψυχῆς , ἡ δὲ τῆς ψυχῆς ἀπὸ τοῦ σώματος . καὶ ὁ θάνατος διττός , ὁ μὲν φυσικός , καθ’ ὃν πάντες οἱ ἄνθρωποι ἀποθνήσκομεν , τοῦτ’ ἔστι καθ’ ὃν χωρίζεται τὸ σῶμα ἀπὸ τῆς ψυχῆς , ὁ δὲ προαιρετικός , καθ’ ὃν οἱ φιλόσοφοι μελετῶσι χωρίζειν τὴν ψυχὴν ἀπὸ τοῦ σώματος . II. Theoretische Grundlagen 77 <?page no="78"?> Phaidon verbunden: In einem Epigramm von Kallimachos wird dargestellt, dass sich Kleombrotos von einer hohen Mauer in den Tod stürzt, nachdem er Platons Dialog über die Seele (d. h. Phaidon) gelesen hat. 184 Damit macht Olympiodor eine Andeutung auf das für die Platoniker bekannte Problem, dass Platons Phaidon im Sinne von Notwendigkeit des Todes für die Katharsis interpretiert wird und damit die sozialen Dimensionen der Tugenden vollkommen außer Acht gelassen werden. Mit diesem Verständnis der Rettung der Seele vom Körper widerspricht sich die politische Tugend, da ihre Durchführung den Körper benötigt. Auch wenn Olympiodor den Tod nicht als Voraussetzung für die Reinigung der Seele ansieht, so erfordert die Katharsis doch, dass man sich so weit wie möglich von den Affekten des Körpers distanziert und die Affekte unter vollständiger Kontrolle hält. In dieser Hinsicht erkennt Olympiodor an, dass nur sehr wenige Menschen dazu in der Lage sind. Er setzt sich deshalb intensiv mit einer Begründung über die Wirkung der Philosophie auch für eine Katharsis des Menschen auseinander, die über die politische Tugend hinausgeht. Diese Begründung betrifft nicht nur theoretische Aspekte, sondern ist auch wesentlich für den Anspruch der philosophischen Bildung, eine Rettung für die Seele zu bieten. Zu diesem Zweck erläutert Olympiodor die „ sokratische Katharsis “ , mit der er einen philosophischen Begriff der Katharsis einführt. 2.3.2 Die sokratische Katharsis Olympiodor erläutert die sokratische Katharsis an mehreren Stellen des Alkibiades-Kommentars, vor allem indem er sie anderen Arten der Katharsis gegenüberstellt oder sie sogar ‚ negativ ‘ definiert. So legt er dar, was die sokratische Katharsis nicht bietet und woran die anderen Katharsiskonzeptionen scheitern, um zu zeigen, was die sokratische Katharsis auszeichnet. Bei einer dieser Ausführungen (in Alc. 54,9 - 55,14) geht Olympiodor von der Frage aus, warum Sokrates Alkibiades eine Macht verleihen will, wenn er ihn doch von den Affekten befreien wollte. Folglich vergleicht er diese Vorgehensweise mit den Ärzten, die auch eine Krankheit nie in ihrem Höhepunkt bekämpfen, sondern wenn die Beschwerden unter Kontrolle sind. So gehe auch Sokrates vor, um die Affekte unter Kontrolle zu nehmen. Folglich nennt Olympiodor weitere Arten der Katharsis, die es nicht auf diese Weise praktizieren. Es gebe, so an dieser Stelle des Kommentars, drei Arten der Katharsis: 1. Pythagoreische, 2. Sokratische und 3. Peripatetische oder Stoische ( τρεῖς εἰσὶ τρόποι καθάρσεως , Πυθαγορικός , Σωκρατικός , Περιπατητικὸς ἤτοι Στωϊκός ). Die stoische Katharsis heile die Gegensätze durch Gegensätze; die pythago- 184 Vgl. Call. Epigr. 23. 78 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="79"?> reische hingegen empfehle, den Affekten ein kleines Zugeständnis zu machen. Deshalb seien diese beiden Arten wirkungslos, „ denn die eine [sc. die stoische] heilt ein Übel mit einem anderen Übel, da ein Affekt mit [einem anderen] Affekt [geheilt wird]; wobei die andere [sc. die pythagoreische] der Seele nicht erlaubt, makellos zu bleiben, da sie mit den Affekten in Berührung kommt. “ (in Alc. 55,12 - 14: ὁ μὲν γὰρ κακῷ τὸ κακὸν ἰᾶται , εἴγε πάθος πάθει , ὁ δὲ οὐκ ἐᾷ τὴν ψυχὴν ἀκηλίδωτον διὰ τῆς ἐπαφῆς τῶν παθῶν ). Eine ähnliche Zusammenstellung verschiedener Katharsis-Auffassungen findet sich weder bei Proklos noch bei Damaskios, so dass dies Olympiodors originelle Interpretation zu sein scheint. Wenngleich diese Auflistung von Katharsisvorstellungen und darin die Identifizierung der stoischen Katharsis mit der peripatetischen einige Fragen aufwirft, sind Olympiodors Erklärungen nicht deutlich genug, um die Gründe für diese Erklärungen herauszuarbeiten. Darüber hinaus ist es denkbar, dass es Olympiodor hier nicht darum geht, diese einzelnen Katharsisarten in ihrer Authentizität darzustellen, sondern sie sollen als Kontrastfolie für die sokratische Katharsis dienen, damit deren Vorzüge deutlicher sichtbar werden. So erklärt er folglich die Vorgehensweise der sokratischen Katharsis: Olymp. in Alc. 55,8 - 12: ὁ δὲ Σωκρατικὸς τρόπος τῆς καθάρσεως ἀπὸ τῶν ὁμοίων ἐπὶ τὰ ὅμοια μετάγει · εἰμέν τίς ἐστι φιλοχρήματος , λέγων ‘μάθε τίς ἡ ὄντως αὐτάρκεια’ · εἰ δὲ φιλήδονος , ‘τίς ἡ θεία ῥᾳστώνη’ , καὶ ἁπλῶς ὅσα προείρηται . κρείττων δὲ ὁ τοιοῦτος τρόπος τῶν ἄλλων · Die sokratische Art der Katharsis dagegen überträgt Gleiches zu Gleichem. Wenn jemand Geld liebt, sagt er, „ Lerne, was die wahre Selbstgenügsamkeit ist. “ Wenn er aber Vergnügung liebt, [sagt er] „ [lerne,] was die göttliche Unbeschwertheit ist “ , und das alles, was bereits erwähnt wurde. Daher ist diese Methode wirksamer als die anderen. Der letzte Satz verdeutlicht zugleich auch den Zweck dieser Darstellung - zu zeigen, dass die sokratische Katharsis die beste Vorgehensweise hat. Die Elemente der sokratischen Katharsis lassen sich wie folgt auflisten: 1. Verwendung der gleichen Mittel: Olympiodor übernimmt ein stoisches Konzept, die Oikeiosis, um das Prinzip der sokratischen Katharsis zu erklären. 185 Dass Sokrates von dieser Methode Gebrauch macht, wird bei 185 Zu verschiedenen Definitionen von Oikeiosis in der Stoa siehe Bees 2004, S. 65 - 68. Oikeiosis ist auch eng verbunden mit dem Konzept der Sympathie (ebd. S. 157- 159), das Olympiodor in Alc. 4,21 - 5,5 verwendet. II. Theoretische Grundlagen 79 <?page no="80"?> Proklos begründet. 186 Demnach funktioniert sokratische Katharsis nach Prinzip der Gleichheit, stellt die Oikeiosis ( „ Zueignung “ ) des Menschen mit sich selbst und mit der Natur her. 2. Individuell ausgerichtet: Sokrates gestaltet seine Vorgehensweise jeweils nach Charakter und Affekten der Menschen. In diesem Aspekt stellt sich eine Parallele zu aristotelischen Konzepten der „ Mäßigung “ ( μετριοπάθεια / μεσότης ) dar. In der Nikomachischen Ethik zeichnet Aristoteles den Weisen dadurch aus, dass er einen Mittelweg zwischen den extremen Antrieben einschlägt ( ὁ δὲ σώφρων μέσως μὲν περὶ ταῦτ᾽ ἔχει , Arist. EN 1119a11 - 12; vgl. 1106b27 - 28: μεσότης τις ἄρα ἐστὶν ἡ ἀρετή ). Nach Olympiodor sieht die sokratische Katharsis vor, dass die individuellen Affekte kultiviert und abgemildert und nicht sofort beseitigt werden. 3. Platonische Elemente: Olympiodor führt die Fragen des Philosophen an und zeigt, dass die Katharsis durch die Dialektik erreicht wird. Weiterhin verweist er auf die Erkenntnis der Ideen ( τίς ἡ ὄντως αὐτάρκεια : was die Autarkie selbst ist); daraus folgt die Selbsterkenntnis und die Reinigung von den Affekten (jedoch nicht vom Körper insgesamt). Hier zeigt sich auch ein Zusammenspiel der politischen und kathartischen Tugenden: Der Philosoph, der sich auf der Ebene der kathartischen und theoretischen Tugend befindet, weist anderen mit Fragen den Weg, der zu höheren Tugenden führt. Einige Aspekte der sokratischen Katharsis weisen also stoische und aristotelische Züge auf, während Olympiodor die sokratische Art der Reinigung zu Beginn als das genaue Gegenteil dieserAuffassungen beschrieb. Die inhaltlichen Widersprüche fallen an dieser Stelle aufgrund der durchdachten Gestaltung der Erzählstruktur jedoch kaum auf. Die Hervorhebung der sokratischen Katharsis ist auf der sprachlichen Ebene zu beobachten: Olympiodor verwendet Imperfekt für Stoiker (54,18: ἰᾶτο „ heilten sie “ ; 55,1: ἐπετήδευον „ sie machten zur Gewohnheit “ ) und Pythagoreer bzw. Mediziner (55,4: ἔλεγον „ sagten sie “ ), während die sokratische Methode im Präsens vorgestellt wird (55,9: μετάγει „ überträgt “ ). Dabei scheint Olympiodor verschiedene Thesen aus der platonischen Tradition kombiniert zu haben, um schließlich die sokratische Katharsis hervorzuheben. Die zweite Strategie der Übernahme anderer Begriffe ist keine neue Entwicklung bei Olympiodor, sondern hat ihren Ursprung bereits in der 186 Vgl. Procl. in Alc. 151,16 - 152,20; 298,10 - 22. Proklos verwendet die Oikeiosis nicht im Zusammenhang mit der Stoa und zieht auch keinen Vergleich zwischen der sokratischen Oikeiosis und den anderen Methoden, wie es bei Olympiodor der Fall ist. 80 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="81"?> platonischen Tradition. Das Besondere an Olympiodors Darstellung ist jedoch, dass er nicht nur Konzepte der Stoiker wie die Oikeiosis dem Platonismus zuordnet, sondern auch deren Katharsis als Heilung durch Gegensätze darstellt. Dadurch zeigt er, wie die Exegeten die Interpretation des Platonismus und anderer philosophischen Richtungen gestalten können. Schließlich wird die sokratische Katharsis als die wirksamste Methode ermittelt, wodurch gleichzeitig die Wirkung der platonischen Bildung zur Katharsis verstärkt wird. Auf diese Weise bestätigt Olympiodor die Überlegenheit der sokratischen Katharsis, da diese den Menschen beibringt, die Affekte, wie die Krankheiten, unter Kontrolle zu haben. Dies steht im Einklang mit Olympiodors Aussage, dass die Katharsis eine Mäßigung der Affekte ist: Olymp. in Alc. 5,13 - 16: οὐκοῦν περὶ τοῦ πολιτικῶς γνῶναι ἑαυτὸν ὁ σκοπός , εἴγε καὶ ἐμποδὼν τῷ καθαρτικῷ καὶ θεωρητικῷ γίνεται τὸ σῶμα , γνωρίζεται δὲ ὁ μὲν καθαρτικὸς τῇ μετριοπαθείᾳ , ὁ δὲ θεωρητικὸς τῇ ἀπαθείᾳ . οὕτω μὲν ὁ Δαμάσκιος . Folglich ist die Absicht [des Dialogs] sich selbst auf politische Weise zu erkennen, zumal wenn der Körper dem kathartischen und dem theoretischen Menschen ein Hindernis wird, und der kathartische Mensch wird durch seine Mäßigung in den Affekten erkannt, der theoretische aber durch seine Affektlosigkeit. Olympiodor betont an dieser Stelle, dass der Körper ein Hindernis auf dem Weg zu höheren Tugenden sein kann. Interessant ist hierbei die Bemerkung, dass der kathartische Mensch mit μετριοπάθεια , der theoretische hingegen mit ἀπάθεια charakterisiert wird: Der erste wird mit einem aristotelischen Konzept, der andere mit einem stoischen bezeichnet. Beide Begriffe wurden in der platonischen Tradition im Zusammenhang mit den Tugenden herangezogen. Nach Christoph Hammann verwendet Plotin das stoische Konzept der Apathie als Bedingung der höchsten Tugend. 187 Jamblich hingegen stelle den Begriff der Harmonie in den Vordergrund und ziele auf eine Metriopathie der Affekte. 188 Folglich sind diese Begriffe für Olympiodor bereits als platonisch zu betrachten. Auffällig ist an dieser Stelle auch der Widerspruch in Olympiodors Definition der Katharsis als Metriopathie, während im Kommentar zum Phaidon die politische Tugend in diesem Sinne dargestellt wurde (Olymp. in Phd. 8,2: τοῖς πάθεσι μεμετρημένοις , ὡς αἱ πολιτικαί ). Die Mäßigung der Affekte bezeichnet also bei Olympiodor sowohl eine Eigenschaft der politischen als auch der kathartischen Tugend. Wenn er damit 187 Hammann 2020, S. 316. 188 Ebd. S. 515. II. Theoretische Grundlagen 81 <?page no="82"?> die kathartischen und politischen Tugenden einander gleichstellt, würde dies auch die ebenfalls zentrale Rolle der kathartischen Tugend im Alkibiades- Kommentar erklären. Dies zeigt, dass Olympiodor sich nicht auf die Unterschiede der Tugenden konzentriert, sondern auf ihre Gemeinsamkeiten und auf die Idee der Tugend als Einheit. 2.4 Übergänge der Tugenden Die Katharsis im Phaidon-Kommentar, die auf eine Loslösung der Seele vom Körper abzielt, will also genau das Gegenteil der politischen Tugend bewirken. Olympiodors Beschreibung der sokratischen Katharsis im Alkibiades-Kommentar als Mäßigung derAffekte (Metriopathie) kommt dagegen der politischen Tugend nahe. Wie sind diese widersprüchlichen Definitionen der Katharsis bei Olympiodor zu interpretieren? In diesem Zusammenhang ist Griffins These von Bedeutung, dass sowohl Alkibiades als auch Platon im Alkibiades-Kommentar als Allegorie für den Übergang von einer Stufe der Tugend zu einer anderen dienen. 189 Dies deutet darauf hin, dass die Tugenden im Olympiodor keinen ‚ festen ‘ Zustand beschreiben, sondern eine Phase der Transformation darstellen. So befindet sich der Philosophiestudent nach Griffin in einem permanenten Fortschritt, in einer Art Reise innerhalb der Tugendgrade. Damit scheinen die Grenzen zwischen den verschiedenen Tugenden zu verschmelzen. Um das Verhältnis zwischen kathartischer und politischer Tugend bei Olympiodor zu konzeptualisieren, kann außerdem die These von Albert Joosse herangezogen werden, wonach die Darstellung der politischen Tugend im Olympiodor einen Übergangscharakter hat. 190 Olympiodors Ansichten über die politische Tugend, wie zu den Tugenden insgesamt, sind nach Joosse ambivalent und weisen mehrere Dimensionen auf. 191 Aus diesen Grundlagen geht hervor, dass Olympiodor die Grenzen der Tugenden bewusst unbestimmt lässt. In seiner Philosophie ist die Idee der persönlichen Entwicklung des Menschen von größerer Bedeutung als die Festlegung von ‚ starren ‘ Richtlinien für die Tugenden. Dies wird in seiner Darstellung der sokratischen Katharsis aufgegriffen, indem Sokrates die Bedürfnisse jedes Einzelnen berücksichtigt und dann die Methode der „ gleichen Mittel “ anwendet. Insgesamt lässt sich in Olympiodors Auffassung von den Tugenden erkennen, dass er auch hier einen Anspruch seines Bildungskonzepts erhebt. 189 Griffin 2015, S. 44 - 45. 190 Vgl. Joosse 2021, S. 138. 191 Vgl. ebd. S. 135. 82 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="83"?> Die Betonung der politischen und kathartischen Tugenden macht Alkibiades zu einem besonderen Dialog für Olympiodor, durch den die Wirkung der platonischen Bildung für den Erwerb der Tugenden zur Sprache gebracht wird. 3. Erkenntnistheoretische Ansätze Platons Philosophie beschäftigt sich intensiv mit der Frage, wie der menschliche Verstand die intelligiblen Ideen begreifen kann. Platons Unterscheidung zwischen dem Bereich der Ideen und der sinnlich wahrnehmbaren Welt führt im Neuplatonismus zu einer differenzierten Betrachtung der göttlichen und menschlichen Ebenen. Insbesondere bei Jamblich ist der Unterschied göttlicher und menschlicher Wesen und dementsprechend ihrer Erkenntniskapazitäten grundlegend. Über eine durch Sprache vermittelbare und aussprechbare Erkenntnis hinaus erstreckt sich der Bereich des Göttlichen, dessen Erfassen bei den Neuplatonikern ein komplexes Themenfeld darstellt. In diesem Zusammenhang rücken Platons Erläuterungen in den Vordergrund, die eine Art höhere und rein intelligible Erkenntnis beschreiben. 192 Genau darin besteht die Hauptfrage im Alkibiades: die Frage nach der Erkenntnis der vernunftbegabten Seele jenseits des Körpers. Diese Erkenntnis richtet sich auf eine intelligible Welt, die sich sprachlich schwer vermitteln und erfassen lässt. Ausgehend von dieser Problematik zieht Olympiodor im Alkibiades-Kommentar einige Konzepte heran, um seine Auffassung der höheren Erkenntnis zu begründen. Diese Konzepte dienen zum einen der Erklärung der Existenz des göttlichen Wissens bei den Menschen (Gemeinbegriffe), zum anderen der Übertragung dieses Wissens auf die Menschen von den Göttern (durch Inspiration und Liebe). 3.1 Die göttliche und menschliche Erkenntnis Ein genauerer Blick auf Olympiodors Darstellung der Erkenntnis beleuchtet weitere Aspekte, die über eine sprachliche Erfassung der Theorien hinaus gehen. Gleich am Anfang stellt Olympiodor die These auf, dass alle Menschen darauf abzielen würden, von platonischen Inspirationen erfüllt zu werden: 192 Die Seele ist nach Platon zu der Erkenntnis der wahrhaft Seienden jenseits der sinnlich wahrnehmbaren Welt fähig, da diese Wahrheit auf die Seele strahlt, wie das Sonnenlicht auf die Sinnesobjekte. Dagegen kann die Seele über die Welt des Werdens keine ‚ Erkenntnis ‘ im wahren Sinne haben, denn über diese Dinge existieren viele verschiedene ‚ Meinungen ‘ (Plat. Rep. 508e; vgl. 508a - 509a). Zum Konzept der ‚ Erkenntnis ‘ bei Platon siehe Meixner 2007. II. Theoretische Grundlagen 83 <?page no="84"?> Olymp. in Alc. 1,3 - 9: Ὁ μὲν Ἀριστοτέλης ἀρχόμενος τῆς ἑαυτοῦ θεολογίας φησίν · ‘πάντες ἄνθρωποι εἰδέναι ὀρέγονται φύσει , σημεῖον δὲ ἡ τῶν αἰσθήσεων ἀγάπησις’ · ἐγὼ δὲ τῆς τοῦ Πλάτωνος φιλοσοφίας ἀρχόμενος φαίην ἂν τοῦτο μειζόνως , ὅτι πάντες ἄνθρωποι τῆς Πλάτωνος φιλοσοφίας ὀρέγονται , χρηστὸν παρ’ αὐτῆς ἅπαντες ἀρύσασθαι βουλόμενοι καὶ κάτοχοι τοῖς ταύτης νάμασιν εἶναι σπουδάζοντες καὶ τῶν Πλατωνικῶν ἐνθουσιασμῶν πλήρεις ἑαυτοὺς καταστήσοντες . Aristoteles sagt am Anfang seiner Theologie: „ Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen, Zeichen dafür ist die Vorliebe zu den Sinneswahrnehmungen “ . Ich würde aber am Anfang von Platons Philosophie umso mehr sagen, dass alle Menschen nach Platons Philosophie streben, da sie einen Nutzen daraus ziehen wollen; sowohl indem sie danach eifern, von deren Quellen gefesselt zu werden, als auch indem sie sich darauf einstellen, mit den platonischen Inspirationen erfüllt zu werden. Bei dieser Feststellung deutet Olympiodor auf das Konzept des Wissenserwerbs als Erfüllung, das Platon im Phaidros behandelt. 193 In diesem Dialog vergleicht Platon die Inspiration mit der Liebe und der Philosophie (vgl. Plat. Phdr. 241e; 249d - e; 263d), die auch nach Olympiodors Auffassung einige Kernaspekte des Alkibiades darstellen. Wie Olympiodor in seiner Einleitung feststellt, findet sich im Phaidros die dritte platonische Inspiration, weil Sokrates darin die Liebe erörtert (Olymp. in Alc. 2,5 - 10). In dem Begriff der Liebe ( ἔρως ) sieht Olympiodor das Hauptmotiv des Dialogs zwischen Sokrates und Alkibiades: Olymp. in Alc. 13,12 - 13: Ἐπειδὴ ἐρωτικὸς ὁ διάλογος , διὰ τοῦ προοιμίου τρεῖς διαφορὰς ἡμῖν παραδίδωσιν ἐνθέου ἐραστοῦ πρὸς τὸν φορτικὸν ἐραστήν . Da der Dialog auf den Eros zielt, gibt er [sc. Platon] uns in der Einleitung drei Unterschiede zwischen dem göttlich inspirierten Liebhaber und dem gemeinen Liebhaber. Der Alkibiades wird hier als ein Dialog definiert, der durch Eros geprägt ist ( ἐρωτικὸς ὁ διάλογος ). Im Phaidros referiert Sokrates über zwei Arten der Liebe, von denen die eine den göttlich inspirierten ( ἔνθεος ) Liebhaber bezeichnet und die andere den groben ( φορτικός ) Liebhaber (vgl. Plat. Phdr. 238e - 241d). Durch die höhere Art der Liebe, die ἔνθεος genannt wird, knüpft Olympiodor an die göttliche Inspiration ( ἐνθουσιασμός ) an. Ferner lassen sich die Inspiration und die Liebe in Bezug auf Erkenntnis auch von einem anderen Standpunkt 193 Plat. Phdr. 235c9 - d1: λείπεται δὴ οἶμαι ἐξ ἀλλοτρίων ποθὲν ναμάτων διὰ τῆς ἀκοῆς πεπληρῶσθαί με δίκην ἀγγείου . „ So bleibt denn nur, glaube ich, dass ich aus irgendwelchen anderen Quellen durch das Gehör erfüllt worden bin, ähnlich wie ein Gefäß. “ (Übers. Rufener 1958). 84 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="85"?> betrachten, da Liebe (im Sinne eines Elements des Universums oder von Eros als Gottheit) die Menschen miteinander und mit den Göttern verbindet: Olymp. in Alc. 22,6 - 10: Καὶ τὸν Ἔρωτα δὲ ἐν τῷ Συμποσίῳ ποτὲ μὲν θεόν , ποτὲ δὲ μέγαν καλεῖ δαίμονα . καὶ διὰ τί μὲν θεόν , σαφές · δαίμονα δὲ ὡς μέσον αὐτὸν προσαγορεύει , μέσος γάρ ἐστιν ὁ Ἔρως οὐσίας καὶ ἐνεργείας καὶ ἐρωμένου καὶ ἐραστοῦ · μέγαν δέ , ἐπειδὴ ὑπὲρ αἴσθησιν καὶ νοερῶς ἐνεργει ͂ . Außerdem nennt er [sc. Platon] Eros an einer Stelle im Symposion einen Gott, aber an einer anderen Stelle einen großen Daimon. 194 Nun, warum er ihn als Gott [bezeichnet], ist klar: Als Daimon aber spricht er ihn an, da er als Vermittler [agiert], denn Eros ist Vermittler zwischen dem Wesen und seiner Verwirklichung und zwischen dem Geliebten und dem Verliebten. Groß [nennt er ihn], weil er jenseits der Sinneswahrnehmung und auf eine vernunftgemäße Weise wirkt. Olympiodor äußert dabei eine erkenntnistheoretische Annahme, dass die Liebe „ jenseits der Sinneswahrnehmung “ ( ὑπὲρ αἴσθησιν ) handele. Wie die Inspiration, stellt auch Liebe bzw. Eros eine Bindung zwischen den Menschen und der Gottheit her, die die menschliche Sinneswahrnehmung und Vorstellungskraft übertrifft. 195 Das deutet darauf, dass der Aufstieg zu einer intelligiblen Erkenntnis jenseits der sinnlich wahrnehmbaren Welt mithilfe der Liebe (oder Eros als Gottheit) geschieht. Mit der Aussage, dass die Liebe „ auf vernunftbezogene Weise “ ( νοερῶς ) wirkt, spielt Olympiodor auf die Vernunft in der Seele an. Zur Erkenntnis führt die Liebe, indem sie die Rückwendung ( ἐπιστροφή ) auf sich selbst und dadurch auf die Gemeinbegriffe ( κοιναὶ ἔννοιαι ) in der Seele bewirkt: Olymp. in Alc. 217,18 - 19: καὶ διὰ μὲν τῆς τοῦ νοῦ ἐλλάμψεως ἔχομεν τὰς κοινὰς ἐννοίας , διὰ δὲ τῆς τοῦ θεοῦ τοὺς ἐνθουσιασμούς . Und einerseits haben wir die Gemeinbegriffe durch die Erleuchtung der Vernunft, andererseits haben wir Inspirationen durch die [Erleuchtung] des Gottes. In Platons Philosophie deutet das Adjektiv κοινός auf die den Menschen gemeinsame Vernunft. 196 Die Verwendung dieses Adjektivs in Verbindung mit ἔννοια stammt vor allem aus der stoischen Philosophie, die im Neuplato- 194 Vgl. dazu Plat. Smp. 178a; 189c; 195a; 202d; Olymp. in Alc. 8,10 - 14. 195 In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass Olympiodor an dieser Stelle die Inspiration den Sinneswahrnehmungen bei Aristoteles gegenüberstellt. Dieses Thema wird im folgenden Kapitel behandelt werden. Die Vorstellungskraft ist im Rahmen der Erkenntnisse aus den physischen Sinneswahrnehmungen notwendig, dagegen bei der Wahrnehmung des Göttlichen unnötig. 196 Vgl. Plat. Prt. 358a; Lg. 633a: κοινὸς … λόγος . II. Theoretische Grundlagen 85 <?page no="86"?> nismus weithin rezipiert wurde. Bei den Neuplatonikern bezeichnen die Gemeinbegriffe die Erkenntnisse in der Seele, die bei allen Menschen gleich sind. Diese beinhalten die unveränderbaren Wahrheiten, die nicht durch logisches Vorgehen, sondern durch die Rückwendung auf die Seele gefunden werden. 197 Deshalb erläutert Olympiodor an dieser Stelle, dass die Menschen diese Gemeinbegriffe „ durch die Erleuchtung der Vernunft “ ( τῆς τοῦ νοῦ ἐλλάμψεως ) haben. Das Wort ‚ Erleuchtung ‘ ( ἔλλαμψις ) bezeichnet auch die Erscheinung der Götter auf der menschlichen Ebene. Die Menschen erhalten die ‚ Inspirationen ‘ ( ἐνθουσιασμούς ) durch die Erleuchtung, die von den Göttern ausgeht. Folglich stellt Olympiodor die Erkenntnis durch die Vernunft in der menschlichen Seele der Erkenntnis durch die göttlichen Inspirationen gleich: Zu diesen beiden Bereichen kann der Mensch nur mithilfe der Seele und der Vernunft ( νοῦς ) gelangen, die über die körperlichen Sinneswahrnehmungen hinausgehen. Olympiodor zufolge werden die Konzepte der Liebe, Rückwendung und Inspiration im Sinne von höherer Erkenntnis im Alkibiades verknüpft. Er vertritt die Auffassung, dass Platon in diesem Dialog durch die Anwendung der Liebe die Rückwendung auf sich selbst bewirke, damit die Erkenntnis in der Seele gefunden werde. Ferner geben die Götter aufgrund der Liebe den Menschen Inspirationen, die durch Erleuchtung eine höhere Erkenntnis verleihen. Diese beiden Wege zeigt Olympiodor für die Erkenntnis der höheren Bereiche: zum einen durch Rückwendung die Erkenntnis in der Seele zu entdecken, zum anderen durch Götter inspiriert zu werden. Da göttliche Inspirationen nicht im Ermessen der Menschen liegen, widmet sich der Alkibiades der Rückwendung des Menschen auf sich selbst. Das spricht jedoch nicht dagegen, dass die Entdeckung der Erkenntnis in der Seele als parallel zu einer göttlichen Inspiration zu denken ist. Olympiodors Darstellung der Erleuchtung deutet auf diese Parallele zwischen den beiden Arten der Erkenntnis hin. 3.2 Sinneswahrnehmungen in der platonischen Philosophie Die Auffassung der Erkenntnis als Erfüllung stellt den Wert des Wissens, das von der sinnlich wahrnehmbaren Welt ausgeht, zur Debatte. Wenn ein zuverlässiges Wissen nur mithilfe einer höheren Quelle - der Seele oder der Götter - gewonnen werden kann, dann können die Eindrücke der Sinnesobjekte, wenn sie nicht durch Vernunft geprüft werden, in der Konsequenz nur täuschen. 197 Olymp. in Alc. 18,3 - 4; 40,20; in Grg. 44,7. Vgl. Procl. in Alc. 247,2 - 3; 274,1; Inst. 64; in Cra. 28,22 - 26; in Ti. I.360,30; 438,29 - 30; II.144,15; Simp. in Cat. 12,26 - 13,4. 86 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="87"?> Folglich befassen sich die Neuplatoniker mit der Bestimmung der Zusammenhänge zwischen Sinneswahrnehmung und Kognition. Die Stellung der Sinneswahrnehmung ist in der platonischen Philosophie nicht eindeutig, da sie ein ambivalentes Verhältnis zur Erkenntnis aufweist. 198 Während der ästhetische Bereich der sinnlich wahrnehmbaren Welt ein Abbild der Ideen im intelligiblen Bereich bildet, stellt Platon die Verlässlichkeit der Sinneswahrnehmungen infrage. 199 Dennoch besitzen diese die Eigenschaft einer Analogie, den Erkenntnisprozess in der Vernunft zu erklären. Durch die Analogie zwischen den sinnlich wahrnehmbaren und den intelligiblen Ebenen beschreibt Platon die Erkenntnis dieser beiden Bereiche häufiger als parallele Wahrnehmungen: Während das körperliche Sehen durch das Auge die sinnlich wahrnehmbaren Dinge betrifft, bildet dieses Sehvermögen gleichzeitig ein Beispiel für das Verfahren, durch das die intelligible Welt der Ideen betrachtet wird. Die Neuplatoniker gründen auf dieser Ambivalenz der Sinneswahrnehmungen deren grundsätzlich differenzierten zwei Ebenen: Obwohl die körperlichen Sinnesorgane in den platonischen Dialogen häufig als Fehlerquelle behandelt werden, ist ihr metaphorischer Sinn im Neuplatonismus unterschiedlich zu betrachten. Nicht in allen Fällen ist von einem körperlichen Sehen und von einem Hören die Rede, sondern auch die höheren Erkenntnisstufen werden in Analogie zu diesen Prozessen erläutert. Diesbezüglich wird im Neuplatonismus die Frage diskutiert, wie das Hören von Daimones durch eine Stimme ( φωνή ) zustande komme. Hermeias gibt dabei als Plotins Ansicht an, dass es nicht unangemessen wäre, wenn die Daimones in der Luft Stimmen ertönen ließen. Diese Auffassung beruht auf der Definition, dass ein Ton ein „ Schlag in der Luft “ sei (vgl. Plat. Ti. 67b: ὑπ’ἀέρος … πληγήν ; Olymp. in Alc. 53,3 - 4). Demzufolge bezeichnet Plotin die Gedanken als ‚ Eindrücke ‘ oder ‚ Abdrücke ‘ ( πληγαί ) der Sinneswahrnehmungen (vgl. Plot. V.5.1,24 - 25). Mit Bezug auf diese Theorie beschreibt Hermeias den Ton als einen Schlag in die Luft, den es im ganzen 198 In der vorliegenden Arbeit wird dieses Verhältnis nicht näher analysiert. Einen Überblick bietet Perkams 2007. Zum Begriff der Wahrnehmung bei Platon muss grundsätzlich angenommen werden, wie Perkams erläutert, dass αἴσθησις bei Platon nicht nur das sinnliche und körperliche Wahrnehmen, sondern auch allgemein das Erfassen eines Erkenntnisgegenstands einbezieht. Bei den Neulatonikern wird die Sinneswahrnehmung nach Perkams übewiegend auf die körperlichen Sinneswahrnehmungen bezogen und somit von einer geistigen Erfassung abgegrenzt. Zu verschiedenen Auffassungen über Wissen in platonischen Dialogen siehe Szaif 2009. Zum Begriff αἴσθησις bei Olympiodor siehe Lautner 2021. 199 Diese Problematik wird am ausführlichsten im Theaitetos behandelt, wo die Wahrnehmung von der Erkenntnis differenziert wird (vgl. Plat. Tht. 186d - e). II. Theoretische Grundlagen 87 <?page no="88"?> Kosmos gebe. Folglich können nach Hermeias auch die Götter Sinneswahrnehmungen haben, wobei sie diese in einerArt des Erkenntniszustands ( γνῶσις ) besitzen, die Menschen dagegen nur die Art der Wahrnehmung durch Affekte haben ( πάθος , vgl. Herm. in Phdr. 72,13 - 73,6). Darin findet sich die neuplatonische Theorie wieder, dass die Begriffe auf der menschlichen und göttlichen Ebene verschiedene Inhalte tragen. So ist das Wort ‚ Sinneswahrnehmung ‘ Hermeias zufolge im Fall der Götter als eine Erkenntnis zu verstehen. Auf dieser Grundlage stellt Proklos die Instabilität der körperlichen Sinneswahrnehmungen auf der menschlichen Ebene fest, während die Erkenntnis nur in der Seele zu finden sei: Procl. in Alc. 250,5 - 8: ἐκ δὴ τούτων φανερὸν ὅτι τὰς γνώσεις οὐκ ἀπὸ τῶν αἰσθητῶν ἀθροίζουσιν αἱ ψυχαί , οὐδὲ ἀπὸ τῶν μερικῶν καὶ διῃρημένων πραγμάτων τὸ ὅλον εὑρίσκουσι καὶ τὸ ἕν , ἀλλ’ὡς ἔνδοθεν τὴν μάθησιν προβάλλουσι καὶ ἐπανορθοῦνται τὸ ἀτελὲς τῶν φαινομένων . Daraus leuchtet hervor, dass die Seelen weder die Erkenntnisse aus den Sinnesobjekten sammeln noch ausgehend von den anteiligen und geteilten Dingen etwas Ganzes und Einheitliches herausfinden, sondern die Kenntnis von innen hervorbringen und die Unvollkommenheit der sinnlichen Erscheinungen korrigieren. Proklos gibt hier die Begründung dafür, warum die Seelen keine Erkenntnisse nur ausgehend von Sinnesobjekten erlangen: Da die sinnlich wahrnehmbaren Dinge unvollkommen und geteilt seien, könnten sie keine ungeteilte Erkenntnis begründen. Deshalb müsse der Mensch aus dem sinnlich wahrnehmbaren Bereich zu den Gemeinbegriffen in der Seele zurückgeführt werden, um die Hindernisse des Körpers und der physischen Sinneswahrnehmungen zu überwinden. Proklos erklärt den Grund dafür wie folgt: Procl. in Alc. 235,8 - 14: τὸ δὲ αἴτιον , ὅτι ἡ ἀνθρωπίνη ψυχὴ σώματι συνεζύγη καὶ ζῇ τὴν μετὰ τοῦ σώματος ζωὴν τὴν κοινὴν καὶ ἐπιπροσθεῖται ὑπὸ τοῦ σώματος καὶ δεῖται τῶν ἔξωθεν αὐτὴν ἀνακινῆσαι δυναμένων . ὁ γὰρ ἀτελὴς νοῦς ὑπὸ τοῦ τελείου ποδηγεῖται , καθάπερ δὴ καὶ ἡ ἀτελὴς φύσις ὑπὸ τῆς τελείας κατ’ ἐνέργειαν ἤδη τελεσιουργεῖται . ψυχὴ οὖν εἰς ἄλλην ὁρῶσα ψυχὴν ἐν τῷ συγγενεῖ τὴν ἑαυτῆς γνῶσιν ὁρᾷ καὶ οὕτω δὴ τὸ ἐλλεῖπον εἰς τὸ τέλειον περιάγει καὶ τὴν ἄγνοιαν εἰς γνῶσιν · Der Grund dafür ist, dass die menschliche Seele an einen Körper gebunden ist und ein gemeinsames Leben mit dem Körper lebt, und deshalb wird sie verhindert und erfordert externe Kräfte, um sie zu wecken. Die unvollkommene Vernunft wird vom Vollkommenen geleitet, so wie die unvollkommene Natur durch die Tätigkeit des Vollkommenen tatsächlich zur Vollkommenheit gebracht wird. Also nimmt eine Seele, 88 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="89"?> wenn sie eine andere Seele ansieht, das Wissen über sich selbst in dem verwandten Wesen wahr und verwandelt so Mangel in Vollkommenheit und Unwissenheit in Wissen. Mit dieser Erläuterung beschreibt Proklos den Erkenntnisprozess im Alkibiades: Da der Mensch ein Leben im Körper führe, müsse seine Seele „ auf eine andere Seele schauen “ ( εἰς ἄλλην ὁρῶσα ψυχήν ), um die Erkenntnis des Selbst wahrzunehmen (wörtlich „ sehen “ , τὴν ἑαυτῆς γνῶσιν ὁρᾷ ). Dieses ‚ Sehen ‘ einer anderen Seele ist kein ‚ physisches ‘ Sehen, sondern ein kognitiver Prozess, der im platonischen Dialog entwickelt wird. Wenn zwei Menschen im Dialog einander anblicken, stellt dies eine Parallele dazu dar, dass eine Seele durch die Betrachtung einer anderen Seele zur Erkenntnis gelangt. Folglich argumentiert Proklos, dass der Gegensatz der Sinneswahrnehmungen zu der Erkenntnis der Seele lediglich den Unterschied zwischen den sinnlich wahrnehmbaren und den intelligiblen Ebenen betreffe. Die Analogie der Sinneswahrnehmungen zur Wahrnehmung der Seele, wie bei der platonischen Philosophie, bleibt auch bei Proklos unverändert. Olympiodor baut seine Annäherung auf diesen Parallelen zwischen der Wahrnehmung der sinnlichen und intelligiblen Bereiche auf, wie bei derAnalyse seiner exegetischen Vorgehensweise (Kapitel B. III) dargelegt werden wird. 3.3 Selbsterkenntnis und Sinneswahrnehmung im Alkibiades Die oben aufgeführte Darstellung der Sinneswahrnehmungen muss im Fall des Alkibiades weiter präzisiert werden. Im Hinblick auf die Erkenntnis von „ einer Sache selbst “ konzipiert Platon in diesem Dialog die Wahrnehmung eines Gegenübers als Schlüssel zum Verständnis des eigenen Seins: In einem viel diskutierten Abschnitt stellt Sokrates zuerst die Frage, auf welche Weise man eine Sache selbst herausfinden kann (Plat. Alc. 129b: τίν᾽ἂν τρόπον εὑρεθείη αὐτὸ τὸ αὐτό ; ). Daraufhin stellt er fest, dass sich zwei Seelen in einem Gespräch als diejenigen erkennen, die die Sprache und damit den Körper als Werkzeug benutzen. 200 Dieser Gedankengang wird gegen Ende des Dialogs nochmal aufgegriffen und mit dem Beispiel konkretisiert, dass ein Auge, das in ein anderes Auge blickt, sich selbst darauf sieht. 201 Bei dieser Darstellung über die Entstehung der Selbsterkenntnis besitzen die Sinneswahrnehmungen eine 200 Plat. Alc. 130d: οὐκοῦν καλῶς ἔχει οὕτω νομίζειν , ἐμὲ καὶ σὲ προσομιλεῖν ἀλλήλοις τοῖς λόγοις χρωμένους τῇ ψυχῇ πρὸς τὴν ψυχήν ; „ Es ist also doch wohl richtig, davon überzeugt zu sein, dass, wenn ich und du miteinander kommunizieren, indem wir uns der Wörter bedienen, die eine Seele mit der anderen kommuniziert? “ (Übers. Döring 2016). 201 Plat. Alc. 133b: ὀφθαλμὸς ἄρ᾽εἰ μέλλει ἰδεῖν αὑτόν , εἰς ὀφθαλμὸν αὐτῷ βλεπτέον , καὶ τοῦ ὄμματος εἰς ἐκεῖνον τὸν τόπον ἐν ᾧ τυγχάνει ἡ ὀφθαλμοῦ ἀρετὴ ἐγγιγνομένη : ἔστι δὲ τοῦτό που ὄψις ; „ Wenn also ein Auge sich selbst sehen will, muss es in ein Auge blicken II. Theoretische Grundlagen 89 <?page no="90"?> wesentliche Rolle, indem sie zu Analogien anregen und über die Betrachtung des Sichtbaren zum Begreifen des Unsichtbaren führen. Die Verknüpfung von Sinneswahrnehmungen und der Selbsterkenntnis im Alkibiades wurde bei den Neuplatonikern weiterverfolgt. Nach Olympiodor handelt der Alkibiades nicht nur über die Selbsterkenntnis im allgemeinen Sinne, sondern davon, „ sich selbst als politischen Menschen zu erkennen “ (Olymp. in Alc. 4,15 - 20). Diese theoretische Grundlage definiert den Menschen als eine vernunftbegabte Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt. Weder der kathartische Mensch noch die höheren Tugendstufen, die weiter vom Körper entfernt sind, stellen das Thema des Alkibiades dar. In diesem Aspekt entsteht für die Neuplatoniker die Frage, warum Platon die Erkenntnis des Menschen als einer Seele, die sich des Körpers bedient, als Anfang der Philosophie betrachtet haben soll. Olympiodor erläutert dazu, dass der Gebrauch des Körpers im Leben des politischen Menschen in gesellschaftlichen Belangen und politischen Handlungen wohl unverzichtbar sei (Olymp. in Alc. 4,20 - 5,1). Um ein Land im Krieg zu verteidigen oder gute Taten zu ermöglichen, benutze die Seele den Körper als Werkzeug. Folglich könne die Seele auch von den Sinneswahrnehmungen Gebrauch machen, um die Erkenntniskapazität des politischen Menschen im weitesten Sinne zu entfalten. Wenn der Mensch mit politischer Tugend die Analogie zwischen dem körperlichen Wahrnehmungsprozess und der Erleuchtung der höheren Erkenntnis herstellen könne, würde er ausgehend von der guten Ordnung der Seele die notwendige Erkenntnis für die gute Ordnung und das Glück auf der politischen Ebene erreichen. Diese Überlegungen führen zum Schluss, dass im Alkibiades die Sinneswahrnehmungen den Ausgangspunkt der Erkenntnis des Menschen auf der Ebene der politischen Tugend bilden. Das besondere Verhältnis des politischen Menschen zu den Sinneswahrnehmungen erfordert eine Berücksichtigung der Wahrnehmungen nicht nur auf der theoretischen Ebene, sondern auch auf der sprachlichen Vorgehensweise der philosophischen Exegese. 3.4 Olympiodors Betrachtungen zu Sinneswahrnehmungen Es wurde bereits dargelegt, dass Olympiodor am Anfang des Alkibiades- Kommentars sein Vorhaben deutlich macht, den physischen Sinneswahrnehmungen die Wahrnehmung des Göttlichen gegenüberzustellen. 202 So beginnt und zwar in jenen Bereich des Auges, in dem die Tüchtigkeit des Auges angesiedelt ist, das Sehvermögen? “ (Übers. Döring ebd.). 202 Siehe dazu oben das Thema der Inspirationen im Kapitel II. 2.1. Göttliche Erkenntnis: Inspiration, Liebe und Gemeinbegriffe. 90 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="91"?> Olympiodor vor seiner Erörterung der platonischen Inspirationen mit einer Bemerkung zu Aristoteles und den Sinneswahrnehmungen: Olymp. in Alc. 1,3 - 5: Ὁ μὲν Ἀριστοτέλης ἀρχόμενος τῆς ἑαυτοῦ θεολογίας φησίν · ‘πάντες ἄνθρωποι εἰδέναι ὀρέγονται φύσει , σημεῖον δὲ ἡ τῶν αἰσθήσεων ἀγάπησις’ · Aristoteles sagt am Anfang seiner Theologie: „ Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen, Zeichen dafür ist die Vorliebe zu den Sinneswahrnehmungen “ . Dieses Zitat entnimmt Olympiodor der aristotelischen Metaphysik, wobei er auf den Sinn des Satzes nicht näher eingeht. Dadurch dient seine Einleitung dazu, auf den (aus platonischer Sicht widersprüchlichen) Gedankengang hinzuweisen, dass Aristoteles in der „ Theologie “ (sc. Metaphysik) Sinneswahrnehmungen - und nicht die Götter - als Anfang der menschlichen Erkenntnis definiert. Gegenüber dieser Interpretation muss angemerkt werden, dass Aristoteles mit diesem Satz nicht eindeutig feststellt, dass die Menschen prinzipiell durch Sinneswahrnehmungen zur Erkenntnis gelangen würden. Vielmehr ist es als eine axiomatische Behauptung über die menschlichen Fähigkeiten zu verstehen, die keine weitere Begründung benötigt. Da die Sinneswahrnehmung von Natur allen Menschen gegeben ist, stuft Aristoteles diese als die grundlegende Fähigkeit des Bewusstseins ein (vgl. Arist. Metaph. 980a21 - 982a5). Darin sieht Olympiodor eine negative Bewertung der physischen bzw. körperlichen Sinneswahrnehmungen, die er im Alkibiades-Kommentar mehrmals betont. 203 Insbesondere bedient sich Olympiodor dabei der Vorstellung der Assoziation der körperlichen Wahrnehmung mit der affektvollen Willenskraft in der platonischen Philosophie. 204 So ist der Wunsch nach αἴσθησις ein Zeichen des groben Liebhabers, der einen Gegensatz zum göttlich inspirierten ( ἔνθεος ) Liebhaber darstellt: Olymp. in Alc. 14,4 - 5: ὁ δὲ φορτικὸς ἐραστὴς πάρεστι τοῖς παιδικοῖς κατὰ τὴν αἴσθησιν βουλόμενος ἐνεργεῖν τοῦ σώματος , καὶ ταύτην κατὰ τὴν ἐσχάτην , τουτέστι τὴν ἁφήν . Der gemeine Liebhaber dagegen ist bei seinem Liebling gemäß der sinnlichen Wahrnehmung und mit dem Wunsch, im Bereich des Körpers aktiv zu werden - und zwar durch die niedrigste [der Wahrnehmungen], das heißt durch das Berühren. 203 Vgl. 22,9 - 10; 32,14 - 15. 204 Diese negative Deutung ist auch bei Proklos häufiger zu finden, ebenso wie die Assoziation der Geldliebe mit der Vorstellungskraft und den Sinneswahrnehmungen (Procl. in Alc. 315,20 - 316,8). Hier stellt Proklos fest, dass geldliebende Menschen das sinnliche Wahrnehmen der Vernunft vorziehen (316,7 - 8: αὐτοὶ δὲ ἅτε φαντασίαν καὶ αἴσθησιν νοῦ καὶ ἐπιστήμης προστησάμενοι ). II. Theoretische Grundlagen 91 <?page no="92"?> Während der göttlich inspirierte Liebhaber die Seele des Geliebten beachtet - und Sokrates daher bei Alkibiades bleibt, nachdem alle anderen Liebhaber ihn verlassen haben - , ist das Motiv des groben Liebhabers die Aktivität im Bereich des Körpers ( ἐνεργεῖν τοῦ σώματος ). Durch den Körper wird der Mensch zu den untersten Bereichen ( κατὰ τὴν ἐσχάτην ) der menschlichen Handlungen gebracht und von seinem Aufstieg abgehalten. Überdies betont Olympiodor, dass die körperlichen Sinneswahrnehmungen ein täuschendes Bild von den Ideen darstellen. Die Vorstellungskraft ( φαντασία ) bietet den Menschen Eindrücke ausgehend von den Sinneswahrnehmungen. Das führt dazu, dass falsche Erscheinungen als Erkenntnis angesehen werden. Gegenüber der Wahrnehmung dieser Erscheinungen steht die göttliche Inspiration, die keine Vorstellungskraft braucht: Olymp. in Alc. 8,12 - 14: διὰ τοῦτο γὰρ καὶ οἱ παῖδες μᾶλλον καὶ οἱ ἐν ἀγροῖς διατρίβοντες , ὡς ἀφελεῖς καὶ ἁπλοῖ , ἐνθουσιῶσιν · ἀφαντασίαστος γὰρ ὁ ἐνθουσιασμός , διὸ καὶ φαντασίᾳ λύεται ὡς ἐναντίᾳ οὔσῃ . Deswegen werden meistens Kinder und diejenigen, die auf den Feldern beschäftigt sind, inspiriert, da sie schlichte und einfache Menschen sind. Denn die Inspiration benötigt keine Vorstellungskraft, weshalb sie sich durch die Vorstellungskraft auflöst, da diese ihr Gegensatz ist. An dieser Stelle zeigt die von den Göttern herrührende Inspiration einen Gegensatz zu den Eindrücken der Sinnesobjekte. Auf dem Weg zu höheren Erkenntnisebenen werden die Menschen zu falschen Vorstellungen verleitet, wenn sie nur körperliche Sinneswahrnehmungen als Grundlage nehmen. Deshalb weist Olympiodor darauf hin, dass häufiger einfache Menschen von den Göttern inspiriert werden, da sie die Götter nicht wie ein Sinnesobjekt durch Vorstellungskraft, sondern auf eine andere Weise - durch Inspiration und Erleuchtung - wahrnehmen. Diese Art von Wahrnehmung ist notwendig, um die Erkenntnis der göttlichen Ebene in Analogie zur Wahrnehmung auf der menschlichen Ebene zu verstehen: Olymp. in Alc. 59,9 - 12: Νῦν ἀτοπώτερος αὖ φαίνῃ 205 : παραδοξότερος καὶ θαυμασιώτερος . εἰκότως δὲ νῦν ἐπειδὴ διηλέχθη ὁ Σωκράτης θαυμασιώτερος τῷ Ἀλκιβιάδῃ δοκεῖ ἤπερ σιωπῶν . καὶ γὰρ καὶ ἡμεῖς τὸ θεῖον τότε μᾶλλον τεθήπαμεν ὅτε αἰσθητῶς ἐλλαμπόμεθα καὶ ἐνθουσιῶμεν ἤπερ ὅτε μή . 205 Plat. Alc. 106a3 - 4. 92 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="93"?> Jetzt erscheinst du mir noch außergewöhnlicher: [Das bedeutet,] paradoxer und bewundernswerter. Selbstverständlich jetzt, nachdem Sokrates mit ihm gesprochen hat, scheint er für Alkibiades bewundernswerter zu sein, als wenn er schwieg. In der Tat sind wir auch eher dann über das Göttliche erstaunt, wenn wir durch die Sinneswahrnehmung erleuchtet und inspiriert sind, als wenn es nicht [geschieht]. Aus diesem Abschnitt geht hervor, dass Olympiodor die Sinneswahrnehmungen nicht vollständig verwirft, sondern ihre metaphorische Stellung für die Wahrnehmung der höheren Erkenntnisse betont. Es ist jedoch besser für die Menschen, durch eine Wahrnehmung des Göttlichen erleuchtet und inspiriert zu werden ( αἰσθητῶς ἐλλαμπόμεθα καὶ ἐνθουσιῶμεν ). Dabei ist zu beachten, dass Sokrates für Alkibiades bewundernswerter erscheint, wenn er mit ihm spricht, genau wie die Götter für Menschen bewundernswerter sind, wenn sie wahrgenommen werden. In dieser Hinsicht entspricht die Art der Wahrnehmung, die in einem Dialog stattfindet, der Wahrnehmung durch die Inspiration. Im Alkibiades geht Platon nach Olympiodors Interpretation ausgehend von den sinnlichen Wahrnehmungen zu einer Wahrnehmung der Erkenntnis über. Alkibiades wird zuerst mithilfe der Sinneswahrnehmungen auf Sokrates gelenkt, damit er durch eine Wahrnehmung in der Seele Erkenntnis erwirbt. 3.5 Zwei Wege der Erkenntnis Olympiodors erkenntnistheoretischen Ausführungen im Alkibiades-Kommentar liegt die platonische Theorie der Erkenntnis und der Sinneswahrnehmung zugrunde. Deutlich wird dies durch seine Annahme, dass Sokrates den Daimon nicht im Sinne einer physischen Stimme gehört habe, sondern der Daimon sich ihm durch eine Erleuchtung offenbarte, die Sokrates für eine Stimme gehalten habe. 206 Dadurch erörtert Olympiodor die geistige Auffassung einer höheren Erkenntnis in Anlehnung an die Sinneswahrnehmung. Eine derartige ‚ Erleuchtung ‘ folgt keinem logischen Argumentationsprozess, sondern geschieht als eine Art göttliche Inspiration, die auf die menschliche Seele einwirkt, wie die Wahrnehmungsobjekte auf die Sinnesorgane. In Bezug auf die Erkenntnis werden im Neuplatonismus zwei Wege differenziert, wie Proklos im Alkibiades-Kommentar erklärt: Procl. in Alc. 176,18 - 23: ἀλλὰ , πᾶς ὁ ἐπιστήμων ὁτουοῦν πράγματος ἢ διὰ μαθήσεως ἀνέλαβε τὴν ἐπιστήμην ταύτην ἢ δι’εὑρέσεως · οὐ γὰρ ἄλλη τις ὁδὸς εἰς κτῆσιν ὑπολείπεται φρονήσεως , ἀλλ’ἢ μαθεῖν δεῖ τὸ ἀγνοούμενον ἢ εὑρεῖν , ἢ πρὸς ἑαυτοὺς ἡμᾶς ἐπιστρέφοντας καὶ 206 Zur Diskussion dieser Ansicht in der platonischen Tradition, insbesondere bei Hermeias, siehe in der Übersetzung Olymp. in Alc. 21,9 - 11. II. Theoretische Grundlagen 93 <?page no="94"?> δι’ἑαυτῶν τὸ ἀληθὲς ἀνευρίσκοντας ἢ παρ’ἄλλων ἀνακινουμένους καὶ βοηθουμένους εἰς τὴν τῆς ἐπιστήμης ἀνάληψιν . Aber jeder, der über Wissen in irgendeinem Fachgebiet verfügt, hat dieses Wissen entweder durch Lernen oder durch Finden wiedererlangt: Denn es gibt keinen anderen Weg zum Erwerb von Weisheit, sondern wir müssen lernen oder finden, was wir nicht wissen; entweder indem wir uns auf uns selbst zurückwenden und die Wahrheit ausgehend von uns selbst wiederfinden oder indem wir von anderen wiederangeregt und unterstützt werden, um Wissen wiederzuerlangen. Proklos definiert hier die zwei Wege zur Erkenntnis: das Lernen ( μάθησις ) und das Finden ( εὕρησις ). Das Lernen geschieht dadurch, dass die Seelen in einem höheren Erkenntnisstand (entweder die Seelen von Göttern oder von den Philosophen wie Sokrates) den anderen die Erkenntnis vermitteln. Einen anderen Weg stellt das Finden dar, das auch als „ Herausfinden “ ( ἐξευρίσκειν ) 207 oder (wie bei Proklos hier) als „ Wiederfinden “ ( ἀνευρίσκειν ) beschrieben wird, wenn es sich um Gemeinbegriffe handelt, die in der Seele angesiedelt sind und daher ausgehend von Menschen selbst wiederentdeckt werden ( δι’ἑαυτῶν ). Das Erkennen auf diese beiden Weisen wird auf Grundlage der Bewegungstheorie erklärt. Demnach geschieht Lernen durch Fremdbewegung, Herausfinden dagegen durch Selbstbewegung: Olymp. in Alc. 82,4 - 7: αἱ δὲ εὐφυέστεραι τῶν ψυχῶν ὡς αὐτοκίνητοι μᾶλλον εὑρίσκουσι καὶ ἀποτίκτουσιν ἤπερ μανθάνουσιν , ὥσπερ καὶ τὸ ἀνάπαλιν αἱ ἀφυέστεραι ὡς ἑτεροκίνητοι μᾶλλον μανθάνουσιν ἤπερ εὑρίσκουσι . Die von Natur aus begabteren Seelen, da sie sich von selbst bewegen, finden eher selbstständig [Erkenntnis] und bringen diese hervor, als dass sie lernen; so wie umgekehrt die weniger begabten Seelen von anderen bewegt werden und deshalb eher lernen, als dass sie finden. An dieser Stelle betont Olympiodor, dass die „ natürlich begabteren “ ( εὐφυέσ τεραι ) Seelen die Erkenntnis selber hervorbringen (wörtlich „ gebären “ : ἀποτίκτουσιν ), statt von anderen zu lernen. Folglich kann nur im Fall der göttlichen Träume die Fremdbewegung beim Lernen bevorzugt werden (Olymp. in Alc. 63,19 - 64,1). Denn in diesem Fall erteilen die Götter den Menschen die Erkenntnisse. Dagegen liegt es an der menschlichen Kraft, die Erkenntnis durch selbstbewegte Untersuchung herauszufinden. Obwohl der Unterschied zwischen von Natur aus begabten und anderen Seelen impliziert, dass einige 207 So ist der Gebrauch von Platon im Alkibiades 106d5 - 6 ( οὐκοῦν ταῦτα μόνον οἶσθα , ἃ παρ᾽ ἄλλων ἔμαθες ἢ αὐτὸς ἐξηῦρες ; ). Auch Olympiodor verwendet ἐξεῦρεν bei der Erläuterung dieser Stelle (Olymp. in Alc. 67,25). 94 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="95"?> Menschen die Erkenntnis nicht selbstständig herausfinden, ist diese Fähigkeit bei allen Seelen vorhanden. Sich darauf einzulassen, dass eigene Argumente im Dialog widerlegt werden, stellt eine selbstbewegende Suche nach der Erkenntnis dar. Das erwartet Sokrates von Alkibiades (Olymp. in Alc. 61,2 - 17), damit er auf diese Weise durch die sokratische ‚ Geburtshilfe ‘ die Erkenntnis selbst erreicht: Olymp. in Alc. 12,5 - 8: Τὸ δὲ μαιευτικόν ἐστιν ἐν ᾧ ὁ Σωκράτης διὰ τῶν προσφυῶν ἐρωτήσεων ποιεῖ τὸν Ἀλκιβιάδην ἀποφήνασθαι ὅτι ψυχὴ ὁ ἄνθρωπος , ὥστε αὐτὸν ἑαυτοῦ διδάσκαλον εἶναι · Die Geburtshilfe ist [der Teil], in dem Sokrates Alkibiades durch seiner Natur passenden Fragen dazu bringt, zu erklären, dass die Seele der Mensch ist, sodass er sein eigener Lehrer wird. Das für Alkibiades verwendete Verb ἀποφήνασθαι (hier als ‚ erklären ‘ aufgefasst) findet sich in den platonischen Dialogen im Sinne von „ etwas darlegen “ (Plat. Plt. 272d1). Doch in Bezug auf die sokratische ‚ Geburtshilfe ‘ ist es wahrscheinlich, dass Olympiodor auf die Grundbedeutung von ἀπο φαίνω als „ hervorbringen, ans Licht bringen “ und konkret als „ gebären “ 208 eingeht. Die sokratische Methode beruht auf dem Prinzip, dass Sokrates nichts ‚ lehrt ‘ ( ὁ λέγων ἀεὶ μηδὲν εἰδέναι , μηδένα διδάσκειν , Olymp. in Alc. 53,1 - 2), sondern nur die vorhandene Erkenntnis zum Vorschein bringt. Das geschieht nicht nur durch die Methode der Dialektik, sondern auch durch die Verknüpfung der Wahrnehmungen mit der Erkenntnis in der Seele. Am deutlichsten ist dies im Fall der Selbsterkenntnis dargestellt, wie Olympiodor die Rede des Sokrates (Plat. Alc. 132d - 133b) paraphrasiert: Olymp. in Alc. 217,6 - 15: ‘ὥσπερ εἰ προσέταττεν τῇ κόρῃ ὁ Πύθιος “ἴδε σεαυτήν”’ ( καὶ οἰκεῖον τὸ προστάττον τῷ προσταττομένῳ , διότι ὥσπερ ὁ ἥλιος πηγὴ φωτός , οὕτω καὶ ἡ ὄψις ἡλιοειδὴς οὖσα ἀναλογεῖ ἡλίῳ ) ‘κἀκείνη πεισθεῖσα τῷ προστάττοντι ὡς οἰκείῳ ἡγεμόνι καὶ μὴ δυναμένη εἰς ἑαυτὴν ἐπιστρέψαι διὰ τὸ ἑτεροκίνητον , πάντως ἂν ἢ εἰς ἄλλην ἀφεώρα ἢ εἰς κάτοπτρον , ἐξ τὸ ἑτεροκίνητον , πάντως ἂν ἢ εἰς ἄλλην ἀφεώρα ἢ εἰς κάτοπτρον , ἐξ οὗ δύναται ἑαυτὴν θεάσασθαι · οὕτω καὶ σύ , ἐπειδὴ ἐξετύφλωσας τὸ ἐν σοὶ αὐτοκίνητον καὶ ἑτεροκινήτως ἐνεργεῖς , μὴ δυνάμενος εἰς ἑαυτὸν ἐπιστρέψαι ἴδε εἰς τὴν ἐμὴν ψυχήν , καὶ γνώσῃ δι’ αὐτῆς καὶ τὴν σήν . „ Genauso, als ob der pythische Gott der Pupille [des Auges] befohlen hätte, ‚ sieh dich selbst ‘“ (und dieser Befehl ist dem Befohlenen angemessen, denn die Sonne ist die 208 Vgl. LSJ ἀποφαίνω A. II. Theoretische Grundlagen 95 <?page no="96"?> Quelle des Lichts, so auch das Sehvermögen, das sonnenförmig ist, ist in einer Analogie mit der Sonne), „ und diese [Pupille] dem Befehlenden als ihrem eigenen Herrscher gehorchte, doch aufgrund ihrer von außen bewegten Natur sich nicht auf sich selbst zurückwenden könnte, würde sie sicherlich auf eine andere [Pupille] oder auf einen Spiegel schauen, von dem aus sie sich selbst beobachten könnte. Ebenso du, da du die Selbstbewegung in dir abgestumpft hast und von außen bewegt handelst, indem du nicht in der Lage bist, dich auf dich selbst zurückzuwenden, blicke nun auf meine Seele und erkenne durch sie deine eigene [Seele]. “ Die Entstehung der Sehwahrnehmung wird hier anhand des Verhältnisses zwischen der Sonne als Quelle des Lichts und dem Auge als Sehorgan erläutert. Genauso können Menschen nicht sofort selbstbewegt handeln, sondern sollen auf andere Menschen blicken, um sich auf sich selbst zurückzuwenden. In der sokratischen Gesprächsführung wirkt diese Voraussetzung, auf andere Menschen zu blicken, konkreter: Indem Alkibiades seine Argumente wie ein Spiegelbild vorgehalten werden, wird er selbst zur Prüfung seiner Ansichten gebracht. Für Alkibiades leistet die gegenseitige Betrachtung im Dialog mit Hilfe der Analogie der Sinneswahrnehmungen einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zur Erkenntnis. Dagegen besteht im philosophischen Unterricht eine Distanz zwischen dem Betrachter und dem Text des Dialogs. Diese Distanz kann überwunden werden, wenn der Dialog, der den Sinneswahrnehmungen eine derart große Bedeutung verleiht, wiederum mit Hilfe dieser als aktuelles Geschehen vor Augen geführt werden kann. Wie Alkibiades mit seinen Argumenten konfrontiert wird, so muss ein Exeget in eine direkte Konfrontation mit dem platonischen Dialog treten. Vor diesem Hintergrund widmet Olympiodor seine Aufmerksamkeit dem Verhältnis von Wahrnehmungen und Erkenntnis im Alkibiades. Dazu geht er nicht nur auf die theoretische und inhaltliche Ebene der Wahrnehmungen ein, sondern ermöglicht durch seinen Sprachgebrauch im Kommentar ein Erleben des platonischen Dialogs. Mit den Merkmalen dieser exegetischen Vorgehensweise befasst sich das folgende Kapitel. 96 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="97"?> III. Exegetische Vorgehensweise In diesem Kapitel werde ich die Untersuchung auf die exegetische Vorgehensweise im Alkibiades-Kommentar ausdehnen, um zu zeigen, wie Olympiodor die bisher erörterten sprachphilosophischen und erkenntnistheoretischen Grundlagen in die Praxis umsetzt. Der Grundsatz, dass die sokratische Philosophie auf sokratische Weise erlernt werden müsse, veranlasst Olympiodor nicht nur dazu, den theoretischen Inhalt des Dialogs zu beschreiben, sondern er wendet diese Theorien auch in seinen Ausführungen an. Im Folgenden wird dies durch eine nähere Betrachtung der sprachlichen Einzelheiten des Kommentars verdeutlicht. 1. Sprachorientierte Exegese Wie an den theoretischen Grundlagen gezeigt wurde, bestimmt Olympiodor drei sprachphilosophische Grundkonzepte im Alkibiades-Kommentar: erstens die Betrachtung des Dialogs als eines Lebewesens, zweitens die daraus folgende Erklärung einzelner Bestandteile durch die Absicht (Skopos) des Dialogs, und schließlich die Rolle der Sprache als Werkzeug für Erkenntnis. Seine Annäherung begründet einen engen Zusammenhang zwischen der sprachlichen Ausdrucksweise und dem philosophischen Inhalt des Dialogs. Folglich gewinnen die Wörter, die Platon verwendet, eine Bedeutung dadurch, dass sie die theoretischen Positionen hervorheben. Aus diesem Grund stellt Olympiodor eine Erläuterung der grammatischen Merkmale in den Vordergrund, um an den philosophischen Gehalt des Dialogs heranzuführen. Da sein Schwerpunkt auf den sprachlichen Aspekten des Dialogs liegt, handelt es sich dabei um einen sprachorientierten Ansatz. Mit Blick auf die platonische Tradition lässt sich eine Betonung der Sprache auch bei Proklos darin finden, dass er bestimmte Wörter im Alkibiades als Hinweis auf einen philosophischen Standpunkt betrachtet. Darin spiegelt Proklos eine allegorisierende Exegese wider, die sich auf die symbolische Bedeutung der sprachlichen Ausdrücke konzentriert. 209 Während Olympiodor sich bei der vorrangigen Stellung der ‚ sprachlichen Ausdrucksweise ‘ ( λέξις ) zwar an Proklos orientiert, erweitert er diese Erklärungen jedoch über ihre 209 Zur methodischen Allegorese siehe Kapitel II.1. Sprachphilosophische Ansätze. <?page no="98"?> argumentative Bedeutung hinaus und spricht die grammatischen Kenntnisse seiner Adressaten an. Anhand eines Beispiels lässt sich verdeutlichen, dass Olympiodors Vorgehensweise in diesem Aspekt von Proklos abweicht. Wie unterschiedlich beide Exegeten die gleiche Stelle des Dialogs auslegen, zeigt die Erläuterung des Ausdrucks „ durch dich “ ( διὰ σοῦ , Plat. Alc. 106a9): Procl. in Alc. 168,17 - 169,8: Καὶ μὴν καὶ τὸ ‘διὰ σοῦ’ πάνυ θαυμαστῶς ὁ νεανίσκος ἐπινενόηκεν . ἀκούσας γὰρ τοῦ Σωκράτους λέγοντος ὅτι ‘παραδώσω σοι τὴν δύναμιν ἧς ἐπιθυμεῖς , μετὰ τοῦ θεοῦ μέντοι’ , συνοῖδεν ὅτι τὸ μὲν πρώτως ποιητικὸν τῷ θείῳ προσήκει νέμειν , τῷ δὲ Σωκράτει τὸ ὀργανικόν . ἔστι δὲ τὸ μὲν ποιοῦν αἴτιον ὡς τὸ ὑφ’οὗ , τὸ δὲ ὄργανον ὡς τὸ δι’οὗ · καθάπερ δὴ καὶ τὸ μὲν τέλος εἴωθε καλεῖσθαι (169) δι’ὅ , τὸ δὲ παράδειγμα πρὸς ὅ · καὶ τὸ μὲν εἶδος καθ’ὅ , τὸ δὲ ὑλικὸν αἴτιον , ὡς μὲν Ἀριστοτέλης φησὶν ἐξ οὗ , ὡς δὲ ὁ Τίμαιος ἐν ᾧ . προσήκει δὴ οὖν τὸ ὄργανον οὕτως αἴτιον λέγειν ὡς τὸ δι’οὗ . καὶ οὖν καὶ ὁ Σωκράτης ὄργανον ὑπάρχων τοῦ θείου τὸν δι’οὗ λόγον ἐπέχει , καὶ εἰκότως ὁ νεανίσκος φησὶ τὸ ‘διὰ σοῦ μοι ἔσται’ καὶ τὸ ‘ἄνευ σοῦ οὐκ ἄν μοι γένοιτο’ . καὶ γὰρ τὰ ὄργανα τὸν ὧν οὐκ ἄνευ λόγον πρὸς τὸ γιγνόμενον ἔχουσιν , ἐπειδὴ τὰ κυρίως αἴτια ἄλλα εἰσί · τὸ τελικόν , τὸ παραδειγματικόν , τὸ ποιητικόν . Außerdem bedachte der junge Mann [den Ausdruck] „ durch dich “ auf sehr bewundernswerte Weise. Denn er hörte Sokrates sagen: „ Ich werde dir die Macht übergeben, die du verlangst, allerdings mit Gottes Hilfe “ , und begriff, dass es sich gehört, zuerst die Wirkursache dem Göttlichen zuzuschreiben, und dann die instrumentale Ursache dem Sokrates. Denn Ursache ist einerseits der Erschaffer, als das Von-Wem; andererseits das Werkzeug, als das Wodurch. Ebenso ist es üblich, das Ziel ‚ aufgrund dessen ‘ zu nennen, und das Paradigma (169) ‚ auf das ‘ . Ferner [wird] zwar die Form ‚ nach dem ‘ [genannt], die materielle Ursache aber, wie Aristoteles sagt, ‚ aus dem ‘ oder, wie Timaios [sagt], ‚ in dem ‘ . Es gehört sich folglich, das Werkzeug auf diese Weise eine Ursache zu nennen, als das Wodurch [etwas geschieht]. In der Tat existiert Sokrates als Werkzeug des Göttlichen, das über das Wodurch-Verhältnis verfügt, dementsprechend sagt der junge Mann ‚ durch dich mir zuteilwerden ‘ und ‚ ohne dich mir nicht geschehen können ‘ . Denn die Werkzeuge besitzen das Verhältnis der notwendigen Mittel gegenüber dem Geschehenen, da die wahren Ursachen andere sind: die Zielursache, die paradigmatische Ursache und die Wirkursache. Proklos behandelt an dieser Stelle Alkibiades ’ Frage, wie die Macht ihm durch Sokrates zuteilwerden könne: Plat. Alc. 106a8 - 10: εἰ δὲ δὴ ὅτι μάλιστα ταῦτα διανενόημαι , πῶς διὰ σοῦ μοι ἔσται καὶ ἄνευ σοῦ οὐκ ἂν γένοιτο ; Sollte ich diese Dinge also noch so sehr beabsichtigt haben, wie wird ihre Verwirklichung durch dich zustande kommen und ohne dich wohl nicht? 98 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="99"?> An Alkibiades ’ Frage erkennt Proklos den Ausdruck einer instrumentalen Ursache ( ὀργανικόν , sc. αἴτιον ), indem er Sokrates ’ Rolle mit „ durch dich “ ( διὰ σοῦ ) beschreibt. Das weist nach Proklos auf Sokrates ’ frühere Aussage hin, dass er Alkibiades die Macht nur „ mit Hilfe des Gottes “ ( μετὰ τοῦ θεοῦ ) verleihen könne. Folglich sieht Alkibiades ein, dass Sokrates bei dieser Vermittlung der Macht nur als ein Werkzeug des Göttlichen handelt, während der Gott die Wirkursache ( ποιητικόν ) darstellt. Auf diese Weise geht Proklos von den Wörtern im Dialog auf die Theorie der Ursachen ein. Die Ursachen erklärt er im Hinblick auf ihr Verhältnis zu einer Sache und bezieht sich dabei auf Aristoteles. An erster Stelle steht die Wirkursache, die die Frage ‚ von wem ‘ ( ὑφ’οὗ ) erklärt, während die instrumentale Ursache eine Erklärung für ‚ wodurch ‘ ( δι’ὅ ) angibt. Diese Interpretation betrachtet die Funktion der Ursachen im Satz als einen Ausdruck ihrer Stellung auf der Wahrheitsebene. Folglich wird das Paradigma ( παράδειγμα ) dadurch gedeutet, zu welchem Vorbild etwas sich zurückführen lässt, während das Ziel ( τέλος ) mit ‚ deswegen ‘ erklärt wird. Obwohl die instrumentale Ursache die Mittel und Wege beschreibt, die die Wirkung einer schaffenden Ursache ermöglichen, gehört sie nach Proklos nicht zu den Ursachen im strikten Sinne ( τὰ κυρίως αἴτια ): Denn diese veranlasst nicht die Entstehung einer Sache, sondern bestimmt nur die geeigneten Mittel für diese Entstehung. Daher ist es richtig, die instrumentale Ursache dem Sokrates zuzuordnen, während die Wirkursache dem Göttlichen zugeschrieben werden muss. Proklos interpretiert auf diese Weise den Gebrauch der Wörter im Dialog dahingehend, dass sie das Verhältnis von Sokrates und Alkibiades gemäß der Theorie der Ursachen ausdrücken. Bei Olympiodor beziehen sich die gleichen Wörter auf dieselben Ursachen wie bei Proklos: Olymp. in Alc. 59,22 - 60,12: Πῶς διὰ σοῦ μοι ἔσται ; 210 ἐνταῦθα γενόμενος ὁ φιλόσοφος Ἰάμβλιχος ἠπόρησεν ὅτι φαίνεται ὁ Ἀλκιβιάδης τελειότερος ὢν τοῦ Σωκράτους . (60) οὗτος μὲν γὰρ εἶπεν ὅτι ‘διὰ σοῦ’ πρόσρημα ὀργανικῆς αἰτίας , ἐκεῖνος δὲ ὅτι ‘μετὰ τοῦ θεοῦ’ , πρόσρημα ποιητικῆς αἰτίας , καὶ συνέταξεν ἑαυτὸν τῷ θεῷ , οὗτος δὲ ὡς ὀργάνου ὄντος τῷ θεῷ τοῦ Σωκράτους εἶπεν ‘διὰ σοῦ’ . ἔλυσε δὲ αὐτὸς παγκάλως λέγων ὅτι ἐν ἑτέροις φησὶν ὁ Πλάτων ὅτι αἱ μὲν τελειότεραι ψυχαὶ συνεπιτροπεύουσι τὰ τῇδε τῷ θεῷ καὶ συνδιοικοῦσιν , αἱ δὲ ἀτελέστεραι ὡς ὄργανόν εἰσι καὶ οὕτως χρῆται αὐταῖς ὁ θεὸς πρὸς τὰ ἐνταῦθα · οὐ μόνον δὲ ταῖς ἀτελεστέραις , ἀλλ’ ἔστιν ὅτε καὶ ταῖς κακαῖς , οἷον φονεῦσιν πρὸς τὸ δίκην ἀξίαν δοῦναι τοὺς ὀφείλοντας . ὁ μὲν οὖν Σωκράτης πρὸς τὰς τελειοτέρας αὑτοῦ δυνάμεις ἀποβλέψας εἶπεν ‘μετὰ τοῦ θεοῦ’ · ὁ δὲ Ἀλκιβιάδης πρὸς 210 Plat. Alc. 106a9. III. Exegetische Vorgehensweise 99 <?page no="100"?> τὰς ἀτελεστέρας , διὸ ‘διὰ σοῦ’ εἶπεν καὶ ἐπήγαγεν πάλιν ‘καὶ ἄνευ σοῦ’ , πρόσρημα ὕλης . Wie werden sie mir durch dich gelingen? Als er zu dieser Stelle kam, stellte der Philosoph Jamblich den Widerspruch vor, dass Alkibiades vollkommener zu sein scheint als Sokrates. Er sagt nämlich: „ durch dich “ - [mit einer] Präposition der instrumentalen Ursache - , er [sc. Sokrates] dagegen: „ mit Gottes Hilfe “ - [mit einer] Präposition der Wirkursache - , und [damit] stellte er sich auf die gleiche Ebene mit dem Gott; er [sc. Alkibiades] aber sagt „ durch dich “ , als wäre Sokrates ein Werkzeug des Gottes. Er [sc. Jamblich] bietet dazu eine durchaus schöne Lösung, indem er erklärt, dass Platon in anderen Dialogen sagt, dass die vollkommeneren Seelen zusammen mit dem Gott über die Dinge im Diesseits wachen und sie zusammen verwalten, die unvollkommenen [Seelen] dagegen wie Werkzeuge sind und Gott sie auf diese Weise für die [Angelegenheiten] hier verwendet. Nicht nur die unvollkommenen [Seelen], sondern es gibt Fälle, wo sogar die schlechten [Seelen gebraucht werden], zum Beispiel die der Mörder, um den Schuldigen eine geeignete Strafe zu erteilen. Folglich sagte Sokrates im Hinblick auf seine eigenen vollkommeneren Fähigkeiten „ mit Gottes Hilfe “ . Alkibiades aber [blickte auf seine] unvollkommenen [Fähigkeiten], daher sagte er „ durch dich “ und fügte hinzu „ und ohne dich “ , [eine] Präposition der Materie. In diesem Teil des Unterrichts, der λέξις genannt wird, befasst sich Olympiodor mit einer tiefergehenden Erläuterung der sprachlichen Ausdrucksweise. Dabei zitiert er zuerst ein Lemma aus dem Dialog und gibt dann einen kurzen Überblick über die Fragestellung. Diese besteht darin, dass Alkibiades die Zuordnung des Sokrates zu einer entsprechenden Ursache exakter gemacht zu haben scheint, während Sokrates auf die Wirkursache Bezug nimmt. Das Problem sei, so Olympiodor, bereits von Jamblich diskutiert und auch auf „ durchaus schöne Weise “ ( παγκάλως ) gelöst: Demnach spiegeln die Aussagen von Sokrates und Alkibiades ihren jeweiligen Erkenntnisstand wider. Alkibiades nimmt an, dass Sokrates ein Werkzeug des Gottes sei, dagegen würden die vollkommeneren Seelen ( αἱ τελειότεραι ψυχαί ) zusammen mit dem Gott handeln, weshalb Sokrates sich auf die Wirkursache und nicht auf die instrumentale Ursache berufe. Bei diesem Aspekt tritt ein Unterschied zu Proklos hervor, da Olympiodor nicht nur die instrumentale, sondern auch die Wirkursache dem Sokrates zuordnet: Da vollkommenere Seelen die Verwaltung der Dinge im Diesseits zusammen mit dem Gott teilen ( συνεπιτροπεύουσι τὰ τῇδε τῷ θεῷ καὶ συνδιοικοῦσιν ), stelle ihr Zusammenwirken mit dem Gott kein Werkzeug-Verhältnis dar, sondern entspreche auch der Wirkursache. Dagegen dienen die unvollkommeneren Seelen als Werkzeuge des Gottes, weshalb Alkibiades, ausgehend von seinem unvollkommenen Seelenzustand, Sokrates als ein Werkzeug bezeichnet. Olympiodor fordert daher eine Deutung der 100 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="101"?> sprachlichen Ausdrücke ausgehend von der Perspektive des Sprechers, da nicht jeder in jedem Erkenntnisstand die Sprache richtig verwenden könne. Darauf aufbauend behandelt er die Wörter wie ‚ durch ‘ und ‚ mit ‘ nicht nur hinsichtlich ihrer philosophischen Bedeutung, sondern auch in ihrer syntaktischen Rolle als Präpositionen ( προσρήματα ). 211 Nachfolgend bietet er zwei Erklärungen für die Präpositionen ‚ durch ‘ und ‚ mit ‘ , von denen eine aus der Ursachenlehre, die andere aus der Vollkommenheit der Seele abgeleitet wird. 212 Ausgehend von der Ursachenlehre betrachtet Olympiodor ‚ durch ‘ ( διά ) als Präposition der instrumentalen Ursache ( πρόσρημα ὀργανικῆς αἰτίας ), während ‚ mit ‘ ( μετά ) eine Präposition der Wirkursache ( πρόσρημα ποιητικῆς αἰτίας ) ist. Zum Schluss bezeichnet Olympiodor ‚ ohne ‘ ( ἄνευ ) bei der Aussage „ und ohne dich “ ( καὶ ἄνευ σοῦ , Plat. Alc. 106a9) als die Präposition der Materie ( πρόσρημα ὕλης ) bzw. der materiellen Ursache. Diese Interpretation geht Olympiodor zufolge auf Jamblichs Darstellung der Ursachenlehre in Bezug auf die Vollkommenheit der Seele zurück. Obwohl auch Proklos ’ Interpretation auf derselben Ursachenlehre beruht, bietet Olympiodor eine weitere Erläuterung der Ursachen in Bezug auf die Sprecher selbst und auf die Rolle der Präpositionen. Der philologische Ausgangspunkt seiner Exegese manifestiert sich darin, dass er die Erklärung als Präposition am Anfang erwähnt und dann auf die Lösung von Jamblich eingeht. Dabei ist der theoretische Inhalt nicht selbsterklärend, sondern gewinnt auf der Grundlage der sprachlichen Analyse eine Bedeutung. Mit der expliziten Erwähnung der Präpositionen verleiht Olympiodor den sprachlichen Einzelheiten eine besondere Stellung. Er löst einige der wichtigsten Fragen im Alkibiades durch die grammatischen Erklärungen. Ein geeignetes Beispiel hierfür ist Olympiodors Interpretation des Ausdrucks ‚ unserer selbst ‘ durch die ‚ Verdopplung ‘ im Sinne von ‚ das Selbst selbst ‘ : Olymp. in Alc. 222,3 - 6: Ἀλλὰ πειρῶ ἐξηγεῖσθαι 213 : ἰδοὺ πάλιν σημεῖον τοῦ ἀντέρωτος , λιπαρεῖ γὰρ αὐτὸν διδάξαι . τὸ δὲ ‘ἡμῶν αὐτῶν’ δηλοῖ διὰ τοῦ διπλασιασμοῦ τὸ αὐτὸ τὸ αὐτό , τὸν καθαρτικὸν βίον καὶ τὸν θεωρητικόν · μέχρι γὰρ τῶν ἐνταῦθα ὁ πολιτικὸς βίος . 211 Bei diesem Wort muss beachtet werden, dass es nicht nur auf Präposition deutet, sondern auch alle Arten von Wörtern umfasst, die im Zusammenhang mit einem Verb ( ῥῆμα ) verwendet werden. Ein geläufiger Begriff für Präpositionen ist πρόθεσις (vgl. Pollux Onom. I.66,7). Bei den spätantiken alexandrinischen Exegeten bezeichnet πρόσρημα auch Pronomen (Olymp. in Alc. 3,12) und Adverbien (Olymp. in Alc. 125,14 für εὖ , vgl. Phlp. in Ph. 456,20 χρονικὰ προσρήματα - „ Zeitadverbien “ ). 212 Alternative Erklärungen anzubieten, von denen alle gleichermaßen richtig sind, ist eine Herangehensweise der neuplatonischen Exegese. In Alexandria wird diese Methode insbesondere von Hermeias vertreten, siehe dazu Bernard 1997, S. 26 - 28. 213 Plat. Alc. 132b5. III. Exegetische Vorgehensweise 101 <?page no="102"?> Aber versuch es zu erläutern: Siehe einen weiteren Hinweis auf die Gegenliebe, als er ihn bittet, zu lehren. Und der Ausdruck „ unserer selbst “ weist durch Verdopplung auf das Selbst selbst, auf das kathartische und auf das theoretische Leben hin. Denn bis zu diesem Zeitpunkt war das politische Leben [das Thema]. Zu Beginn dieses Abschnitts weist Olympiodor auf die Stelle des Alkibiades hin, an der die Frage nach der Selbstsorge gestellt wird. 214 Mit dieser Frage leitet der Dialog eine nähere Bestimmung des Selbst als eine vernunftbegabte Seele ein (Plat. Alc. 132b - 133d). Olympiodor zufolge befindet sich an dieser Stelle ein Hinweis auf das Selbst selbst. Dieser besteht in der Aussage ‚ unserer Selbst ‘ ( ἡμῶν αὐτῶν ), die Olympiodor als eine Verdopplung ( διπλασιασμός ) betrachtet. Mit diesem grammatischen Begriff wird eine Reduplikation der Buchstaben, Silben oder Wörter bezeichnet, wobei Olympiodor hier vielmehr auf eine semantische Verdopplung hinweist: Demnach stellen die Wörter ‚ unserer ‘ ( ἡμῶν ) und ‚ selbst ‘ ( αὐτῶν ) eine Verdopplung dar, da wir das Gleiche mit unserem Selbst sind. Folglich deutet Olympiodor die Erwähnung von unserem Selbst dahingehend, dass der Dialog sich ab jetzt mit dem ‚ Selbst selbst ‘ , das heißt mit dem kathartischen und theoretischen Leben ( καθαρτικὸν βίον καὶ τὸν θεωρητικόν ), auseinandersetzen werde. Diese Lebensarten stellen die vernunftbegabte Seele ohne Bezug auf den Körper dar, jedoch werden sie im Alkibiades nicht behandelt. Mit der Feststellung des Selbst als die vernunftbegabte Seele endet der Dialog. Die Differenzierung zwischen verschiedenen Stufen dieses Selbst beruht auf der neuplatonischen Philosophie. Olympiodor beschreibt den kathartischen Menschen als denjenigen, der sich vom Körper entfernt habe, während der theoretische Mensch vom Körper vollständig losgelöst sei (Olymp. in Alc. 5,1 - 10). Auf dieser Grundlage ist es wahrscheinlich, dass Olympiodor die Behandlung des Selbst als die vernunftbegabte Seele als einen Ausdruck für den Übergang in diese höheren Tugendgrade bewertet. An anderen Stellen betrachtet Olympiodor den Gebrauch der Pluralform ( πληθυντικῶς ) als eine Andeutung auf das Selbst selbst 215 oder als einen Ausdruck des Gegensatzes zwischen der Einheit von ‚ dem Gott selbst ‘ ( ὁ αὐτὸς θεός ) und den ‚ Angelegenheiten ‘ ( πράγματα ) von Alkibiades. 216 In Anbetracht ähnlicher grammatischer Erklärungen zeichnet sich bei Olympiodor die Herstellung einer Verbindung zwischen den theoretischen Ausführungen und ihrem wörtlichen Ausdruck im Unterschied zu Proklos ausgeprägter ab. Ferner 214 Der Sprecher an dieser Stelle ist Alkibiades. Plat. Alc. 132b5 - 7: ἀλλὰ πειρῶ ἐξηγεῖσθαι ὅντιν’ ἂν τρόπον ἐπιμεληθεῖμεν ἡμῶν αὐτῶν . „ Doch versuch mir zu erklären, auf welche Weise wir uns um uns selbst bemühen können. “ (Übers. Döring 2016). 215 Olymp. in Alc. 222,17 - 18. 216 Olymp. in Alc. 51,19 - 21. Zu einem ironischen Gebrauch des Plurals siehe 165,18 - 20. Ferner wird Plural nach Olympiodor auch für Lob verwendet (166,1 - 2). 102 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="103"?> nimmt Olympiodor häufiger auf die Grundbedeutung der Aussagen im Dialog Bezug, um diese in einer semantischen Hinsicht zu erläutern. Auf diese Weise erweitert er Proklos ’ Annäherung, indem er das Geschehen im Dialog durch die Erläuterung seiner sprachlichen Elemente vor Augen führt. Während etymologische Erklärungen in der platonischen Philosophie häufig verwendet werden, behandelt Olympiodor an vielen Stellen des Alkibiades-Kommentars weitere Ableitungen und Metaphern. Seine Darstellung der Aussage, dass Sokrates Alkibiades belästige (Plat. Alc. 104d), kann hierfür als Beispiel dienen: Olymp in Alc. 40,6 - 13: οὐ γὰρ ὅμοιον τὸ νῦν ‘ἐνοχλεῖς’ τῷ ἄνω εἰρημένῳ ‘δι’ ὄχλου’ . ἐκεῖ μὲν γὰρ ἐπὶ τῶν φορτικῶν ἐραστῶν εἰπὼν τὸ ‘δι’ ὄχλου’ , οἵτινες ἁπτικῶς εἰς αὐτὸν ἠβούλοντο ἐνεργεῖν , νῦν δὲ τὸ ‘ἐνοχλεῖς’ ἀντὶ τοῦ ‘ἀπορεῖν με ποιεῖς’ εἴρηται , ἐκ μεταφορᾶς τῶν ἐν ὄχλῳ βαδιζόντων καὶ ἀπορούντων προβαίνειν καὶ οἱονεὶ δεσμωτῶν ὄντων . δεσμὸς γάρ τις τῆς ψυχῆς ἡ ἀπορία , διὸ καὶ ἡ ταύτης ἴασις , ὥσπερ καὶ ἡ τοῦ δεσμοῦ , ἐπίλυσις λέγεται . Denn dieses „ du belästigst “ (enochleis) hier ist nicht das Gleiche wie „ zur Last “ (di ’ ochlou), das oben erwähnt wurde: Er [sc. Sokrates] sagte dort nämlich „ zur Last “ über die gemeinen Liebhaber, [das heißt] diejenigen, die auf den [Geliebten] auf physische Weise wirken wollen; hier aber sagt er „ du belästigst “ (enochleis) anstelle von „ du bringst mich zum Zweifeln “ , ausgehend von der Metapher derer, die in der Menschenmenge (en ochl ō ) gehen und daran zweifeln, einen Schritt nach vorne zu machen und dabei den Gefesselten ähneln. Der Zweifel ist nämlich wie eine Fessel für die Seele, aus diesem Grund wird ihre Heilung - wie [die Rettung] von Fesseln - Loslösung genannt. In dieser Erklärung verwendet Olympiodor eine Metapher, die sich auf den Wortsinn stützt. Zuerst legt er den Unterschied zwischen den Ausdrücken ‚ belästigst ‘ ( ἐνοχλεῖς ) und ‚ zur Last ‘ ( δι’ὄχλου ) dar, die beide das Wort ‚ Menschenmenge ‘ ( ὄχλος ) beinhalten. Während ersteres negativ konnotiert ist, steht das Zweite für „ du bringst mich zum Zweifeln “ ( ἀπορεῖν με ποιεῖς ). Zu dieser Stelle weist Bettina Bohle auf den Zusammenhang zwischen der Aporie und der Fessel hin und interpretiert diesen Abschnitt dahingehend, dass Olympiodor die Aporie als Anfang dazu betrachte, „ sich mit den eigenen Ansichten auseinanderzusetzen “ . 217 Die Anwesenheit einer Aporie führe auf diese Weise nach Bohle zu einer Lösung. Der Begriff ἀπορία kann allgemein auf eine Frage bzw. ein ‚ Hinterfragen ‘ deuten, das aus einem Widerspruch hervorgeht. Diese Interpretation wird dadurch unterstützt, dass dieser Ausdruck sich ganz am Anfang des Dialogs in der ersten Rede von Alkibiades befindet. 217 Bohle 2020, S. 122 - 123. III. Exegetische Vorgehensweise 103 <?page no="104"?> Andererseits scheint Olympiodor hier ἀπορία nicht in erster Linie mit dieser allegorischen Bedeutung der philosophischen Fragestellung zu akzentuieren, sondern eher deren Literalsinn als Ratlosigkeit und Zweifel hervorzuheben. Damit wird die Frage zuerst als unlösbar ( ἄ πορος ) vorgestellt, warum Sokrates ihn überall verfolge, da Alkibiades dafür keinen plausiblen Grund sieht. Dass der Zweifel eine Fessel für die Seele sei, verbildlicht Olympiodors Metapher ausgehend von den sprachlichen Parallelen der Wörter ‚ Belästigung ‘ ( ἐνόχλη σις ) und ‚ Menschenmenge ‘ ( ὄχλος ). Wie die Menschen in der Menge nicht klar entscheiden können, in welche Richtung sie gehen, so ist ein Mensch im Zustand der Aporie im Zweifel über sein weiteres Vorgehen. Dadurch stellt Olympiodor Alkibiades ’ Ratlosigkeit als eine ‚ Fessel für die Seele ‘ ( δεσμὸς τῆς ψυχῆς ) dar, die gelöst werden muss - ähnlich wie bei Gefangenen ( οἱονεὶ δεσμωτῶν ὄντων ), die befreit werden müssen. Mithilfe dieser Darstellung gestaltet Olympiodor ein lebhaftes Bild des Dialogs, indem Alkibiades einem Gefangenen ähnelt und in eine hilflose Lage versetzt wird, während Sokrates als Schlüssel für die ‚ Loslösung ‘ ( ἐπίλυσις ) benannt wird. Auf diesem Weg begleitet Sokrates Alkibiades zu einer Lösung, wie die philosophische Exegese die Lösung der Widersprüche anbieten kann. Das steht im Einklang mit Proklos ’ Interpretation, dass diese Aporie eine Fessel ( δεσμός ) und ein Hindernis ( κώλυσις ) für die Seele sei: Procl. in Alc. 126,22 - 127,4: Τὸ δὲ ‘ἐνοχλεῖς με’ οὐκ ἔστι τοιοῦτον οἷον τὸ πρόσθεν εἰρημένον τὸ ‘δι’ ὄχλου ἐγένοντό σοι’ · ἀλλ’ ὥς φησιν ὁ θεῖος Ἰάμβλιχος , (127) ἶσον δύναται τῷ ‘εἰς ἀπορίαν με καταβάλλεις ζητοῦντα τὴν αἰτίαν καὶ τὸ τέλος τῆς σιωπῆς καὶ τῆς συντόνου ταύτης παρακολουθήσεως’ . καὶ γάρ ἐστιν ὄντως τὸ ἀπορεῖν δεσμός τις τῆς ἀπορούσης ψυχῆς καὶ κώλυσις τῆς ἐνεργείας καὶ οἷον ὄχλησις . Der Ausdruck „ du belästigst mich “ ist nicht das Gleiche wie das vorher gesagte „ dir zur Last geworden “ , sondern, wie der göttliche Jamblich sagt, das Gleiche bedeutet wie „ du nötigst mich zum Zweifel, indem ich versuche, den Grund und das Ziel deines Schweigens und deiner leidenschaftlichen Begleitung zu finden. “ Denn sicherlich ist zu zweifeln wie eine Fessel für die zweifelnde Seele, ein Hindernis der Aktivität und eine Art Belästigung. Die Verknüpfung der Aussage ‚ du belästigst ‘ ( ἐνοχλεῖς ) mit dem Begriff ἀπορία geht Proklos zufolge auf Jamblich zurück. Proklos nennt dafür die Begründung, dass dieses ‚ Belästigen ‘ zu einem Hinterfragen des Grundes und des Ziels ( τὴν αἰτίαν καὶ τὸ τέλος ) führe. Da Sokrates Alkibiades dauerhaft verfolgt, ohne ihn anzusprechen, wird darin ein Widerspruch festgestellt. Dies bringt Alkibiades nicht nur zu einer Frage, sondern auch fesselt ihn und verhindert die Aktivität seiner Seele, bevor dieser Widerspruch zu einer Lösung kommt. Durch die 104 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="105"?> Widersprüche der Philosophie wird die Seele in eine schwierige Situation gebracht, deren Hindernisse ( κώλυσις ) sie überwinden muss, um sich von ihren Fesseln zu befreien. Hier tritt Proklos ’ allegorisierende Interpretation deutlich hervor: Einerseits zitiert er Jamblichs Deutung, dass die Aporie den Zweifel am Grund des Schweigens ausdrückt; andererseits steht das Zweifeln ( τὸ ἀπορεῖν ) für eine Art Behinderung und Belästigung der Seele. In beiden Fällen steht Aporia für etwas anderes, ohne dass der konkrete Zusammenhang zwischen den beiden allegorisierten Begriffen erklärt wird. Im Gegensatz dazu erläutert Olympiodor den gleichen Gedankengang über das Zweifeln und die Belästigung der Seele, wie oben gesehen, durch die Metapher des Zweifelns beim Gehen in der Menschenmenge ( ὄχλος ). So bietet er eine etymologische Ableitung von Belästigung ( ἐνόχλησις ) von Menge ( ὄχλος ) an, weshalb dieses Wort dasselbe wie Zweifel ausdrücken soll. An diesem Beispiel wird ersichtlich, dass Olympiodor das Geschehen im Dialog ausgehend von dem wörtlichen Sinn und mit eindrucksvollen Metaphern erläutert, auch wenn sein Gedankengang grundsätzlich mit Proklos übereinstimmt. Olympiodor führt durch eine bildliche Darstellung der sprachlichen Äußerungen zu einer imaginären Inszenierung und Rekonstruktion der Dialogerfahrung. Um das Element der Anschaulichkeit deutlicher hervorzuheben, greift Olympiodor auch den Themenbereich der Sinneswahrnehmungen auf. Für Olympiodors Exegese sind die Sinneswahrnehmungen nicht nur ein Diskurs der platonischen Philosophie, sondern auch ein Stilmittel, um eine sprachorientierte Exegese als wahrgenommenes Erlebnis des platonischen Dialogs zu konstruieren. Wie Olympiodor im Alkibiades-Kommentar von diesem Stilmittel Gebrauch macht, wird im Weiteren erläutert werden. 2. Performanz und Wahrnehmung des platonischen Dialogs Olympiodors Einladung zu Interaktion und Kommunikation ist Ausdruck dafür, dass sein exegetischer Ansatz auf einer aktuellen Wahrnehmung des Dialogs gründet. Diese Wahrnehmung erfolgt auf zwei Ebenen: Erstens wird der platonische Dialog als eine Aufführung präsentiert, die erneut inszeniert wird. Auf diese Weise können Exegeten und Unterrichtsteilnehmer anhand des Textes mit dem platonischen Dialog interagieren. Zweitens erfordert sein sprachorientierter Ansatz eine Betrachtung des Dialogs als Gegenstand der Sinneswahrnehmung. Diese Wahnehmung wird durch die direkte Kommunikation zwischen dem Exegeten und den Adressaten angeregt. Im Hinblick auf die Anforderung, den wörtlichen Ausdruck des Dialogs zu verstehen, erweist sich III. Exegetische Vorgehensweise 105 <?page no="106"?> eine Wahrnehmung der Aussagen durch ‚ Hören ‘ und ‚ Sehen ‘ als angemessener Ausgangspunkt. Der performative Charakter des platonischen Dialogs wird in der gegenwärtigen Forschung verstärkt hervorgehoben. 218 Alle literarischen Werke enthalten einen Aufführungsaspekt (vor allem des Autors), da die Texte, wie Therese Fuhrer es treffend formuliert, eine Art Bühne darstellen, auf der die Figuren eines Textes als Rollenträger verstanden werden können. 219 Diese Art der Inszenierung hat nach Fuhrer unter anderem die praktische Funktion, Informationen über den Verfasser selbst zu liefern und seine Kompetenz als Experte zu verdeutlichen. 220 Eine weitere Funktion der Inszenierung von Autorenpersönlichkeit sieht Fuhrer darin, dass diese den Verfasser eines Textes in Kontexte mit ideoologischen Konnotationen stellen kann, die durch konkurrierende Lehrmeinungen oder Lehrmethoden geprägt sein können. 221 Auf diesen Aspekt können insbesondere die neuplatonischen Exegeten in ihrer Identität als Lehrer der Philosophie, zu denen auch Olympiodor gehört, bezogen werden. Die Performanz und Inszenierung in diesem Sinne zeigen sich also bei den Neuplatonikern darin, dass sie diese Strategie auf Platon zurückführen und betonen, dass durch diverse narrative und dramatische Elemente die Performanz des Wissens in den platonischen Dialogen deutlich ausgeprägt ist. Wie Michael Erler zeigt, sind in den platonischen Dialogen der performative und der argumentative Aspekt miteinander verbunden: So legt Platon nicht nur seinen philosophischen Diskurs dar, sondern zeigt dabei auch, wie die Nachahmung des Vorbilds von Sokrates in der Praxis zu vollziehen ist. 222 In dieser Hinsicht war bereits bei Platon nicht nur der Wissensinhalt, sondern auch dessen Performanz in den Dialogen wesentlich. Einerseits wird durch diese Inszenierung Sokrates und mit ihm die platonische Philosophie zum Vorbild genommen, andererseits wird durch die performativen Effekte ein gewisses Element der ästhetischen Wahrnehmung hinzugefügt. 223 Damit wird die Erfahrung der Philosophie und ihre sinnliche Wahrnehmung als eine Art ästhetischer Genuss in den Vordergrund gestellt. Ähnliche Aspekte waren bei den neuplatonischen Exegeten vertreten: Sie erkannten die Bedeutungsebenen der platonischen Dialoge im Hinblick auf das darin dargestellte Philosophenmodell und ihren ästhetischen Rahmen. Darüber hinaus waren sie bestrebt, diese Elemente selbst 218 Vgl. hierzu Erler 2017 und 2021. 219 Fuhrer 2012, S. 130. 220 Ebd. S. 136-137. 221 Ebd. S. 142. 222 Erler 2021, S. 48. 223 Vgl. Erler 2017, S. 216 - 218, der als Beispiel hierzu besonders Platons Symposion und Alkibiades ’ Auftritt in diesem Dialog hervorhebt. 106 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="107"?> in gleicher Weise zu praktizieren. In Olympiodors Exegese ist die Betonung von Inszenierung und Wahrnehmung vor diesem Hintergrund zu analysieren. In seinem Sprachgebrauch macht Olympiodor deutlich, dass die Anweisungen der Exegeten eine entscheidende Rolle für die Wahrnehmung der Dialogperformanz einnehmen. Über den gesamten Alkibiades-Kommentar verteilt sind Ausdrücke der Kommunikation zu finden, die einen Dialog zwischen Olympiodor und seinen Adressaten darstellen. Dieser Aspekt der direkten Kommunikation mit den Adressaten wird durch die Anrede der zweiten Person offenbar. In der philosophischen Exegese verwendete bereits Proklos eine Art von Aufruf und Beteiligung für die zweite Person. An einigen Stellen seines Alkibiades-Kommentars vermittelt Proklos den Eindruck, ein Gespräch mit den Lesern zu führen oder sie zu einer bestimmten Betrachtung aufzufordern: Procl. in Alc. 142,17 - 20: εἰ δὲ βούλει καὶ τοῦτο εἰπέ , ὅτι διὰ τούτων ὁ Σωκράτης μέλλει τῶν λόγων ἑαυτῷ συνάπτειν τὸν νεανίσκον ἐνδειξάμενος ὅτι παντὸς ἄξιός ἐστιν αὐτῷ καὶ ὅτι τῶν οἰκείων ἐφετῶν οὐκ ἄν ποτε κρατήσειε Σωκράτους ἄνευ · Wenn du willst, sag auch, dass Sokrates durch diese Worte den jungen Mann mit sich selbst verbinden will, indem er ihn darauf hinweist, dass er für ihn alles wert ist und dass er über seine eigenen Verlangensobjekte niemals ohne Sokrates herrschen könnte. Von dem Ausdruck ‚ wenn du willst ‘ ( εἰ βούλει ) macht auch Olympiodors Lehrer Ammonios Gebrauch. 224 Im Einklang mit dieser exegetischen Tradition wendet Olympiodor sich an seine Schüler mit diesen Worten: Olymp. in Alc. 107,1 - 3: εἰ δ’ ἄρα βούλει καὶ περὶ τῶν σκευῶν ἐκλαβεῖν τὸν λόγον , γʹ δηλοῖ τὰ σκευάρια παρὰ Πλάτωνι · Wenn du aber auch das Argument über die Kostüme (skeu ō n) verstehen willst, verdeutlichen die Kleidungsstücke (skeuaria) drei Bedeutungen bei Platon. Auf ähnliche Weise wird der Ausdruck ‚ du hast ‘ ( ἔχεις ) bereits von Ammonios verwendet. 225 Bei Proklos deutet dieser Ausdruck auf einen bestimmten platonischen Standpunkt hin: Procl. in Alc. 159,5 - 6: καὶ ἔχεις πάλιν ἐνταῦθα τὴν σειρὰν τῶν ἀγαθοειδῶν αἰτίων ἐκφαινομένην . „ Und du hast hier wiederum die Erscheinung einer Kette gutartiger Ursachen. “ 224 Vgl. Ammon. in APr. 13,25. 225 Vgl. Ammon. in Int. 83,33. III. Exegetische Vorgehensweise 107 <?page no="108"?> Auf dieselbe Weise spricht Olympiodor seine Adressaten direkt mit ἔχεις an und erklärt, dass an einer bestimmten Stelle des Dialogs eine „ platonische Lehre “ 226 beobachtet bzw. verstanden werden kann: Olymp. in Alc. 140,16 - 18: καὶ ἔχεις ἐκ τούτου ὅτι πρῶτος Πλάτων ἐπετήδευσεν ἀμισθίαν , εἴγε σύγχρονος γέγονεν Ζήνωνι εἰσπραττομένῳ μισθούς . Daraus hast du auch [das Ergebnis], dass zuerst Platon sich um die unbezahlte Lehre bemühte, obgleich er Zeitgenosse des Zenon war, der Lohn forderte. Einen weiteren Ausdruck der direkten Ansprache verwendet Olympiodor mit dem Hinweis ‚ siehe ‘ ( ἰδού ) in allen seinen Kommentaren. 227 Diese Ausdrucksweise wird in der alexandrinischen Exegese vor Olympiodor von Hermeias 228 und Ammonios 229 verwendet. Dagegen ist es bei Olympiodors explizit genannten Quellen im Alkibiades-Kommentar, nämlich bei Proklos und Damaskios, nicht belegt. Eine bemerkenswerte Parallele findet sich bei dem christlichen Exegeten Origenes, der in seinen Kommentaren häufiger die Aufforderung ἰδού verwendet. 230 Daraus lässt sich schließen, dass diese Aufforderung zur Interaktion mit dem Text und zur Kommunikation mit den Adressaten ein gängiges Stilmittel spätantiker (insbesondere alexandrinischer) Exegeten war. Bereits in der früheren Forschung erhielten die sprachlichen Merkmale des Alkibiades-Kommentars Aufmerksamkeit. Westerink begründete den Gebrauch von ‚ siehe ‘ dadurch, dass Olympiodor dieses Werk nicht selbst verfasst habe, sondern die Schrift apo phones ausgehend von seinem Unterricht entstanden sei. Folglich seien die Stellen mit ‚ siehe ‘ als Anmerkungen eines „ Schüler-Verfassers “ zu betrachten. 231 Somit kann der Imperativ ‚ siehe ‘ ( ἰδού ) im Sinne eines Hinweises ‚ siehe ‘ als editorische Angabe interpretiert werden. Dagegen lässt sich einwenden, dass der Anteil dieses Verfassers an der sprachlichen Ausdrucksweise des Kommentars nicht eindeutig beurteilt werden kann. Die Art der Veröffentlichung als ‚ Unterrichtsnotizen ‘ stellt eine übliche Praxis in der Spätantike dar. Aus diesem Grund ist es naheliegend, dass der erhaltene Text des Kommentars Olympiodors Ausdrucksweise während des Unterrichts recht originalgetreu wiedergibt und dass es Olympiodors bewusste Entscheidung war, den Kommentar nicht in einer für die Veröffentlichung bearbeiteten 226 Dies nennt er an einigen Stellen Πλατωνικὸν δόγμα , vgl. 89,19; 145,6; 213,18. 227 Vgl. Olymp. in Mete. 19,17; in Cat. 33,30; in Grg. 1.5,1; in Phd. 8.14,1. 228 Vgl. Herm. in Phdr. 2.120,32; 3. 271,29. 229 Vgl. Ammon. in Porph. 97,3; 99,12; 105,8; 121,9; in Cat. 28,9; 31,25; 40,15; 69,17; in APr. 41,8. 230 Vgl. Orig. Cel. 1.34,13, 2.9,63; Pr. 3.1.9,11; Comm. in Joan. 1.1.3,3; 1.12.76,2. 231 Siehe dazu Westerink 1982, S. VIII. Über die Identität dieses „ Verfassers “ lässt sich nichts weiter feststellen. 108 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="109"?> Version darzulegen. Dies ermöglicht eine Rekonstruktion der Vorgehensweise, die Olympiodor in seiner philosophischen Lehre verfolgt hat. In diesem Zusammenhang ist es denkbar, dass Olympiodor den Verweis ἰδού im mündlichen Vortrag verwendete, um dadurch auf einen komplexeren Sachverhalt in der platonischen Philosophie einzugehen. Neben der direkten Kommunikation mit den Adressaten stellt die Aufforderung zum Sehen auch einen Bezug zur visuellen Wahrnehmung her. Damit werden zwei performative Ebenen angesprochen: Die visuelle Wahrnehmung betont die Visualisierung und Inszenierung des Dialogs, während die kommunikative Sprache, ausgehend von der Interaktion des Exegeten mit den Schülern, deren eigene Interaktion mit dem Text anregt. Olympiodors Betonung der Performanz und der Wahrnehmungsebene stellt somit den platonischen Dialog als eine Erlebnisform dar. Dies wird im Folgenden anhand seiner Verwendung des Vokabulars für Sinneswahrnehmung näher erläutert. 3. Gebrauch von Wahrnehmungswörtern Die Sinneswahrnehmungen werden bei Platon, wie bereits dargestellt, öfters für eine Erklärung des Vorgangs zur Erkenntnis als Analogie eingesetzt. Das Sehvermögen ist die Sinneswahrnehmung, die am meisten in Bezug auf die Erkenntnistheorie behandelt wird. 232 In den platonischen Dialogen spielt das Element der Anschaulichkeit eine bedeutende Rolle: Dies zeigt sich sowohl an den Beschreibungen des Ortes und der Teilnehmer der Dialoge als auch durch zahlreiche Vergleiche mit dem Sehvermögen. Einerseits erscheint der platonische Dialog insgesamt als eine visuelle Aufführung, andererseits nutzt Platon auf der theoretischen Ebene den Aufstieg von der Sehwahrnehmung durch das Auge zum ‚ geistigen Schau ‘ der Ideen. Indes ist das Sehen bei Platon dafür verantwortlich, ausgehend von der Schau der sinnlich wahrnehmbaren Objekte ein Erkennen ihrer intelligiblen Ideen zu ermöglichen. 233 Aus dieser Sicht betrachtet, gewinnt Olympiodors Gebrauch des Imperativs ἰδού eine weitere Dimension: Durch diesen Hinweis fordert er seine Adressaten auf, bestimmte sprachliche Merkmale zu beachten, die zu einem genaueren Verständnis der behandelten Textstelle beitragen. Meistens geht Olympiodor 232 Alleine ausgehend von sprachlichen Hintergründen sind Erkenntnis und Sehvermögen verknüpft, da εἶδον (ich sah) im Aorist und οἶδα (ich weiß) als präsentisches Perfekt beide aus dem Verb εἰδῶ hervorgehen. Demnach beschreibt Snell (1955, S. 183) das Wissen in diesem Kontext als „ ein Gesehen-haben “ . 233 Vgl. Plat. Phd. 59a; Smp. 210a - 212b. III. Exegetische Vorgehensweise 109 <?page no="110"?> nach dem Hinweis ‚ siehe ‘ konkret auf die wörtliche Ausdrucksweise des Dialogs ein, so auch an der folgenden Stelle: Olymp. in Alc. 48,10 - 12: Ὦ ἀγαθὲ λέγε · ἀκούσομαι γάρ 234 : ἰδοὺ καὶ ἐπὶ λέξεως ἀγαθὸν αὐτὸν καλεῖ , καὶ οὐ μόνον διὰ τοῦ ‘βούλει’ τὴν οὐσίαν αὐτοῦ ὡς ἀγαθοειδῆ τεθαύμακεν . Rede, mein Guter, ich werde zuhören: Siehe, dass er ihn [sc. Sokrates] auch im Wortlaut gut nennt und nicht nur durch den Ausdruck „ du beabsichtigst “ seine Wesenheit bewunderte, da sie dem Guten ähnlich ist. Durch die Aufforderung zum Sehen lenkt Olympiodor die Aufmerksamkeit auf den Wortlaut ( λέξις ), das heißt auf die Wortwahl und auf den ‚ Text ‘ . Die Zuhörer und Leser werden angeleitet, den Text des Dialogs zuerst zu ‚ sehen ‘ und dessen Einzelheiten zu betrachten. Folglich kann geprüft werden, ob die Auslegung des Exegeten mit der Ausdrucksweise Platons übereinstimmt. Olympiodors Gebrauch der Sehwahrnehmung bleibt nicht nur auf der Stufe der Betrachtung sprachlicher Äußerungen, sondern führt zu einer Konzeption des Dialogs als Aufführung. Das Element der Inszenierung wird durch die anschaulichen Beschreibungen einiger Aussagen deutlich, obwohl dabei der Hinweis ‚ siehe ‘ nicht unbedingt vorkommt: Olymp. in Alc. 83,18 - 19: Ἀλλ’ οὐ πάνυ ἔχω 235 : τοῦτο ἐγκαταδυομένου ἐστὶ καὶ ἐρυθριῶντος ἐφ’ οἷς ἀπορεῖ περὶ ὧν ἐπαγγέλλεται σύμβουλος εἶναι . Aber das kann ich überhaupt nicht: Das ist der Ausdruck desjenigen, der heruntersinkt und schamrot wird, [selber] über die Dinge ratlos zu sein, für die er sich als einen Berater anpreist. Mit dieser Beschreibung führt Olympiodor Alkibiades ’ Zustand vor Augen, indem er die Elemente der Gefühlswahrnehmung wie ‚ rot werden ‘ ( ἐρυθριᾶν ) verdeutlicht. Diese bildliche Darstellung des Gesprächspartners tritt auch in den platonischen Dialogen auf. 236 Auf dieser Grundlage legt Olympiodor eine Betonung auf die ästhetische Wahrnehmung der platonischen Philosophie und lässt seine Adressaten als Beobachter an dem Dialog mit Alkibiades und Sokrates teilnehmen. 234 Plat. Alc. 104e3. 235 Plat. Alc. 108e5. 236 Vgl. Plat. Ly. 204c; Prt. 312a. Olympiodor zufolge verwendet Sokrates diese Methode, als er Alkibiades fragt, was er auf der Rednertribüne vor den Athenern sagen würde und dabei ihm eine Bühne und die Zuhörer vorstellt (Olymp. in Alc. 67,14 - 19). 110 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="111"?> Neben der Sehwahrnehmung werden auch andere Sinneswahrnehmungen in Olympiodors Exegese betont. Ein bemerkenswerter Gebrauch von Wahrnehmungsvokabular findet sich im Beispiel der Hörwahrnehmung. Olympiodor fasst das Verb ἀκούειν nicht nur im Sinne von ‚ hören ‘ , sondern auch als ‚ verstehen ‘ auf. Bereits am Anfang des Kommentars beschreibt Olympiodor die Exegeten, die platonische Dialoge ‚ verstehen ‘ , mit dem Verb ἀκούειν : Olymp. in Alc. 2,159 - 162: ἰξευταῖς γὰρ ἐοίκασι οἱ ἐξηγηταὶ τὰς ἐννοίας τῶν ἀρχαίων θηρᾶσθαι πειρώμενοι , ἄληπτος δέ ἐστιν ἐπειδὴ καὶ φυσικῶς καὶ ἠθικῶς καὶ θεολογικῶς καὶ ἁπλῶς πολλαχῶς ἐστὶν ἀκούειν τῶν αὐτοῦ , καθάπερ καὶ τῶν Ὁμήρου . Denn die Exegeten gleichen den Jägern, die versuchen, die Gedanken der früheren Menschen zu erjagen; und er [sc. Platon] ist ungreifbar, da es möglich ist, seine Worte sowohl physisch als auch ethisch und theologisch und überhaupt mehrdeutig zu verstehen, genauso wie die des Homer. Mit dem Verb ἀκούειν weist Olympiodor hier darauf hin, dass man Platons Aussagen unterschiedlich ‚ hören ‘ , das heißt, ‚ verstehen ‘ oder ‚ auffassen ‘ kann. Deshalb vergleicht Olympiodor die Exegeten mit den Jägern ( ἰξευταῖς γὰρ ἐοίκασι οἱ ἐξηγηταὶ ): Genau wie diese nach Beute jagen, so versuchen die Exegeten, den richtigen Sinn von Platons Aussagen ( τῶν αὐτοῦ ) zu verstehen. An anderen Stellen erklärt Olympiodor, dass ‚ Hören ‘ im Sinne von ‚ Verstehen ‘ eine Handlung sei, die die Exegeten vornehmen. 237 Olympiodors Interpretation beruht auf der platonischen Theorie der Sinneswahrnehmungen. Dass Sokrates die göttliche Stimme ‚ hört ‘ , wird in den platonischen Dialogen explizit erwähnt. 238 Bei verschiedenen Zusammenhängen setzt Platon die Sinneswahrnehmungen durchaus im Sinne einer höheren Erkenntnis ein. Im spätantiken Platonismus wird diese Position insbesondere von Proklos vertreten. Obwohl Proklos im Alkibiades-Kommentar der Hörwahrnehmung keine zentrale Bedeutung verleiht, 239 entfaltet er die metaphorischen Ebenen des Hörens in anderen Kommentaren. Dabei thematisiert er ἀκούειν im Sinne von Verstehen der sprachlichen Ausdrücke oder des Texts. 240 237 Beispielsweise Proklos ‚ versteht ‘ das Selbst auf bestimmte Weise (Olymp. in Alc. 222,9 - 11) oder im Sinne von ‚ den Text verstehen ‘ (220,14 - 15). 238 Vgl. Plat. Ap. 19d; Phdr. 242c; Thg. 128d - 129c. 239 Proklos behandelt die Hörwahrnehmung im Alkibiades nur ausgehend von zwei Lemmata (Plat. Alc. 106b und 113e), bei denen Sokrates selbst das Zuhören von Rednern und von einem neuen Argument thematisiert (vgl. Procl. in Alc. 169,9; 172,13; 298,1). 240 Vgl. Procl. in Rep. 2.316,26 - 29; 328,28 - 30; in Ti. 3.107,23 - 25. III. Exegetische Vorgehensweise 111 <?page no="112"?> Ferner interpretiert Proklos das ‚ Hören ‘ in der Politeia als das richtige Verständnis von Mythen. 241 Auf dieser Grundlage der platonischen Exegese beschreibt Olympiodor die Wahrnehmung als einen kognitiven Vorgang. Das zeigt sich an Sokrates ’ Hörwahrnehmung im Fall der Stimme des Daimons (Olymp. in Alc. 21,9 - 10). Darüber hinaus betrachtet Olympiodor die Hörwahrnehmung, wie den Gebrauch von λόγος (Vernunft/ Sprache), als eine grundlegende menschliche Fähigkeit: Olymp. in Alc. 205,18 - 19: ‘ἀλλὰ δὴ καὶ ὁ ἀκούων Ἀλκιβιάδης ἐστίν , καὶ τοῦτο δὲ ἴδιον ἀνθρώπου , τὸ ἀκούειν’ . „ darüber hinaus auch derjenige, der zuhört, Alkibiades ist, und dies eine Eigenheit des Menschen ist, zu hören “ . Aufgrund dieser Verknüpfung des Hörens und des Denkens spricht das Verb ἀκούειν drei Ebenen an: Erstens bezieht es sich auf das ‚ physische ‘ Hören der Exegese im Philosophieunterricht, zweitens ermöglicht es das Hören des platonischen Gesprächs in der Vorstellungskraft und drittens ist es ein Ausdruck für das geistige ‚ Hören ‘ , das die Wahrnehmung des Göttlichen in der Seele auffasst. Folglich bildet die Hörwahrnehmung eine Art der Sinneswahrnehmung, die sowohl mit der Vernunft und dem logischen Diskurs als auch mit der göttlichen Inspiration verbunden wird. Daher eignet sich die Hörwahrnehmung für die Menschen als Einstieg in die platonische Philosophie, damit sie durch die Hörwahrnehmung und das Verstehen erst zum Gespräch und danach zur göttlichen Inspiration gelangen. Olympiodor gebraucht die Hörwahrnehmung im Sinne von ‚ verstehen ‘ des platonischen Dialogs auch in anderen Kommentaren 242 und verknüpft sie mit der Vernunft. 243 Die Anwendung der Sinneswahrnehmungen im Prozess der Exegese erweitert ihre Bedeutung über die platonische Wahrnehmungstheorie hinaus: Die Sinneswahrnehmungen werden dabei nicht nur als eine Analogie zur höheren Erkenntnis behandelt, sondern auch als ein Werkzeug für das Verständnis des platonischen Dialogs eingesetzt. Dies ermöglicht auch die Erkenntnis des platonischen Dialogs mittels einer richtigen Wahrnehmung aller seiner Bestandteile. 241 Vgl. Procl. in Rep. 1.110,15 - 17; 1.159,8. 242 Olymp. in Cat. 125,2: ἀκούειν τοῦ ῥητοῦ . 243 Olymp. in Phd. 3.10,5: ἐμπόδιον γὰρ γίνεται οὐ μόνον τῷ διαλέγεσθαι , ἀλλὰ καὶ τῷ ἀκούειν καὶ ἁπλῶς πάσῃ λογικῇ ἐνεργείᾳ . 112 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="113"?> IV. Olympiodor als Lehrer der platonischen Philosophie Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass Olympiodor im Alkibiades- Kommentar eine durchdachte Vorgehensweise verfolgt, um den platonischen Dialog als eine sinnlich wahrnehmbare Inszenierung darzustellen. Sein Schwerpunkt liegt nicht allein auf dem Gespräch selbst, sondern vielmehr auf der Interaktion und den Auswirkungen des Gesprächs, die auf verschiedene Weise erreicht werden können. Die Aufführung des Dialogs wie auch seine ästhetische Erfahrung beruhen nicht auf einer allegorischen Interpretation, sondern gehen vom Wortsinn aus. Dieser Vorgang baut auf drei Grundlagen auf: Erstens veranlasst Olympiodor durch eine sprachorientierte Annäherung eine Prüfung der grammatischen Merkmale des Dialogs. Zweitens fordert er seine Adressaten mit direkten Ansprachen auf, den Text durch Sehen und Hören wahrzunehmen. Drittens geht er durch die Betonung der Wahrnehmungsebene über die Deutung der sprachlichen Elemente hinaus und unterstützt eine Inszenierung der Dialogsituation in der Vorstellung. Der Ausgangspunkt für die Exegese besteht nach Olympiodor darin, zuerst die grammatischen Erläuterungen des Dialogs vorzunehmen. Die Absicht bzw. die philosophische Ansicht findet sich in den Einzelheiten der Aussagen im Gespräch wieder. Folglich wird der Dialog zu einem Wahrnehmungsobjekt, bei dem eine genaue Untersuchung seiner Bestandteile vorgenommen wird. Ausgehend von sinnlichen Wahrnehmungen stellt Olympiodor den Ablauf des Gesprächs vor. Diese Interpretation trägt zu der geistigen Auffassung der theoretischen Inhalte bei, indem der Dialog als eine Erfahrung dargestellt wird. Bei der Gesamtheit dieser Schritte der Exegese steht der Dialog selbst im Mittelpunkt. In seinem exegetischen Vorgehen hebt Olympiodor den Zusammenhang zwischen den sprachlichen und inhaltlichen Aspekten der Wahrnehmung im Alkibiades hervor. Er deutet die Dialogform als eine literarische Strategie, um die Philosophie eindrucksvoller zu vermitteln. Die Elemente seines exegetischen Vorgehens deuten darauf hin, dass die Wirkung des platonischen Dialogs nach Olympiodor nicht primär über die symbolische Bedeutung der formalen Elemente erzielt wird. Nach Olympiodor steht eine kraftvolle Kommunikation des philosophischen Inhalts über der allegorischen Interpretation der sprachlichen Ausdrücke. Folglich ahmt er in seiner Exegese den platonischen Sprachgebrauch nach, um seine Adressaten an den platonischen Dialog heranzuführen, ähnlich wie Sokrates seinen Gesprächspartnern die philosophische Argumentation <?page no="114"?> nahebringt. Olympiodor bemüht sich nicht nur darum, eine philosophische Deutung des Dialogs anzubieten, sondern ist ebenfalls bestrebt, dass seine Rezipienten den philosophischen Inhalt verstehen und den Zugang zum Dialog finden. Durch diese didaktische Orientierung zeigt Olympiodor besondere Aufmerksamkeit für sein gegenüber, bzw. für seine Schüler. Diese Annäherung kann überspitzt als eine ‚ Inklusion des Adressaten ‘ betrachtet werden. Olympiodor scheint dabei nicht von seinem eigenen Wissensstand auszugehen, sondern überlegt sich Wege und Strategien, um die platonische Philosophie aus der Sicht seiner Schüler oder Leser effektiver zu vermitteln. Olympiodors Methode, eine sprachliche Erläuterung und Wahrnehmung des Dialogs selbst als Prinzip der Exegese aufzustellen, wirft weiterführende Fragen zu den Gründen und Konsequenzen dieser Annäherung auf. Insbesondere wäre der Sachverhalt zu untersuchen, ob Olympiodor durch eine zentrale Stellung der sprachlichen Aussagen sein Verfahren gegenüber anderen exegetischen Vorgehensweisen kontrastiert. Dies lässt sich im Rahmen der vorliegenden Untersuchung, die sich auf den Alkibiades-Kommentar beschränkt, nicht klären. Doch ergibt sich daraus weiterer Forschungsbedarf im Hinblick auf Olympiodors methodisches Vorgehen in seinen übrigen Kommentaren. Weiterführende Untersuchungen im Bereich der Platon-Exegese sind notwendig, damit die Merkmale verschiedener exegetischer Annäherungen deutlicher bestimmt werden können. 114 B. Untersuchung des Kommentars <?page no="115"?> C. Text und Übersetzung <?page no="116"?> I. Die Textüberlieferung Die älteste Handschrift von Olympiodors Alkibiades-Kommentar ist Cod. Marc. gr. 196 (ca. 900 n. Chr.), die nach Leendert G. Westerink der Archetyp aller vorhandenen Handschriften ist. 244 Dieser Codex besteht aus zwei Bänden, von denen der erste Olympiodors Kommentare zu den Dialogen Gorgias, Alkibiades und Phaidon, der zweite die anonymen Kommentare zum Phaidon und zum Philebos enthält. 245 Auf diesen Codex lassen sich Westerink zufolge zwei Abschriften zurückführen, die nicht älter als das 14. Jh. sind: Eine davon ist die Marc. gr. 197, die aus der Bibliothek von Bessarion stammt und somit etwa im 15. Jh. entstanden ist. 246 Der zweite Codex, Vat. gr. 1106, der sich im Besitz von Barlaam von Kalabrien befand, besteht ebenfalls aus zwei Teilen, die unterschiedlich datiert sind. 247 Der erste Teil mit Olympiodors Kommentaren scheint zu Barlaams Lebzeiten und damit im 14. Jh. entstanden zu sein. 248 Von diesem Codex wiederum existiert eine Kopie, die im 17. Jh. für Lukas Holste angefertigt wurde (Hamb. philol. 30). 249 Diese Handschrift diente als Vorlage für die Erstausgabe von Friedrich Creuzer. 250 Die handschriftliche Tradition zeigt also, dass es zahlreiche Textgrundlagen für die Kommentare Olympiodors gibt. Es lässt sich jedoch auch ein Muster 244 Siehe dazu Westerink 1982, S. VII und 1976, S. 30 - 31. 245 Diese werden als Damaskios ’ Kommentare identifiziert; Westerink 1977, S. 15. 246 Nach Westerink (1959, S. XI) ist diese Handschrift eine Kopie von Cod. Marc. gr. 196 aus dem 15. Jh., die Anmerkungen von Bessarion enthält. 247 Norvin (1913, S. VIII) und Westerink (1959, S. XI) datieren diese Handschrift auf das 16. Jh. Dagegen sind andere Forscher der Ansicht, dass die Handschrift, da sie aus der Bibliothek von Barlaam von Kalabrien (14. Jh.) stammt, zu seinen Lebzeiten entstanden sein könnte. Zur Datierung von Vat. gr. 1106 siehe Gioffreda 2016. 248 Deshalb datiert Kolbaba (1995, S. 68) den Codex auf die Mitte des 14. Jh.. Nach Jugie (1940, S. 120) liegt das Entstehungsdatum in der ersten Hälfte des 14. Jh.. Die unterschiedliche Datierung wird damit begründet, dass dieser Codex aus zwei verschiedenen Bänden besteht; vgl. dazu Van Riel 2008, S. CXCV - CXCVI. Während die Entstehung des ersten Teils mit Olympiodors Kommentaren dem 14. Jh. zuzuordnen ist, könnte der zweite Teil mit Damaskios ’ Kommentaren nach Van Riel Ende des 14. oder Anfang des 15. Jh. entstanden sein. Die Zusammenfügung und Katalogisierung der Handschrift in zwei Teilen ist wahrscheinlich im 16. Jh. geschehen, wodurch die Datierung bei Westerink begründet wird. 249 Zu dieser Sammlung der Handschriften siehe Brockmann 2013, S. 37 - 71. Westerink (1982, S. VII) weist darauf hin, dass alle anderen Handschriften von Marc. gr. 197 stammen. 250 Creuzer 1821, S. XX. <?page no="117"?> erkennen: Zwischen dem 10. Jh., aus dem Cod. Marc. gr. 196 und der Zeit von 14. bis 16. Jh., aus der die späteren Texte stammen, gibt es eine Lücke in der Überlieferung. 251 Das gibt einen Hinweis darauf, dass Olympiodor von späteren byzantinischen Autoren nicht in besonderem Maße rezipiert wurde, bis seine Schriften ab dem 14. Jahrhundert wiederentdeckt wurden. 251 Westerink (1982, S. VII) nennt eine Reihe von Handschriften, die aus dem Codex Vat. gr. 1106 stammen und damit nicht älter als 16. Jh. sind. I. Die Textüberlieferung 117 <?page no="118"?> II. Editionen 1. Die Editio princeps Friedrich Creuzer veröffentlichte 1821 die Erstausgabe des Alkibiades-Kommentars auf der Grundlage der oben erwähnten Hamburger Handschrift. 252 Aufgrund ihrer spezifischen Vorlage enthält diese Ausgabe einige Lesarten, die in den anderen Handschriften nicht überliefert sind. Den platonischen Dialog vergleicht Creuzer mit den Editionen von Immanuel Bekker 253 und Philipp Buttmann. 254 Den Text des Kommentars hingegen behält er in der Form, in der ihn die Handschrift überliefert, und verweist auf seine Konjekturen in den Anmerkungen. Eine Ausnahme dazu bildet, dass Creuzer das Leben Platons am Anfang des Kommentars (Olymp. in Alc. 2,14 - 3,1) weglässt, da es bereits eine Veröffentlichung dieses Abschnitts auf Grundlage von Casaubons Schriften herausgegeben wurde. 255 In der Mehrheit der Anmerkungen bezieht sich Creuzer auf den platonischen Text und auf Parallelen bei anderen Philosophen und literarischen Quellen. Im Hinblick auf den Sprachgebrauch des Textes weist er auf verschiedene Werke im Bereich der griechischen Lexikographie und Grammatik hin. Dabei erläutert er die seltenen Wörter, die in den zeitgenössischen Lexika nicht vorkommen. 256 Diese Hinweise tragen zur sprachlichen Zuordnung des Kommentars bei, da das spätgriechische Vokabular identifiziert und vom klassischen Sprachgebrauch abgehoben wird. 257 252 Diese in Frankfurt veröffentlichte Ausgabe (Creuzer 1821) trägt den Titel: Olympiodori in Platonis Alcibiadem Priorem Commentarii Primum Edidit Annotationemque Subjecit Fridericus Creuzer. 253 Bekker, Immanuel (1817) : Platonis Dialogi Graece et Latine, ex rec. I. Bekkeri. Partis secundae volumen tertium. Berlin. 254 Buttmann, Philipp (1811): Platonis Dialogi quattuor. Meno, Crito, Alcibiades uterque cum virorum doctorum animadversionibus. Curaverunt J. E. Biester et Ph. Buttmannus. Berlin. (= 3. Aufl. der Ausgabe von Biester, 1780). 255 Im Rahmen einer Ausgabe des Diogenes Laertios von Gilles Ménage (Casaubon 1692). Siehe dazu Creuzer 1821, S. XVIII und Westerink 1982, S. VIII. 256 Mit dem Vermerk „ Vocabulum/ vocem non habent Lexica “ ; vgl. Creuzer 1821, ad loc. in app. zu Olymp. in Alc. 17,10 über διερμηνευτικός und zu 54,23 über περιλυγίζω . 257 Siehe dazu ebd. Anmerkung 4 zu 63,14: „εὕρησις : In scriptione εὕρησις et εὕρεσις variatur per hos libros. Illud recentioris Graecitatis est. Contra εὕρεμα item κοινῆς . “ <?page no="119"?> Creuzers editorisches Bemühen zielt insbesondere darauf ab, die vielseitigen Bezüge zwischen christlichen und paganen Schriften zu zeigen. 258 In dieser Hinsicht sind seine Anmerkungen, die auf inhaltliche Ähnlichkeiten dieser Textkorpora eingehen, besonders aufschlussreich. 259 Bei der Erstausgabe des Kommentars bietet Creuzer umfangreiche Anmerkungen und Verweise von Homer bis Suidas. Sowohl diese Hinweise auf andere Werke als auch seine Konjekturen zum Text stellen für die Edition des Kommentars von Westerink eine wegweisende Grundlage dar. 2. Westerinks kritische Edition Mehr als ein Jahrhundert nach der Erstausgabe wurde eine kritische Edition des Kommentars von Leendert G. Westerink vorgenommen. 260 Diese bildet seitdem die Grundlage für Untersuchungen zu Olympiodors Alkibiades-Kommentar. Nach der Veröffentlichung dieser Ausgabe brachte Eric Dodds 261 einige Verbesserungsvorschläge an, die in der zweiten Ausgabe der Edition im Jahre 1982 berücksichtigt wurden. Für diese kritische Edition hat Westerink die Mehrheit der relevanten handschriftlichen Zeugnisse herangezogen. 262 Die Grundlage der Ausgabe ist Marc. gr. 196, die zugleich die älteste und mit größter philologischer Kompetenz korrigierte Textfassung bietet. In der Einleitung zu seiner Edition nimmt Westerink eine ausführliche Analyse der sprachlichen Eigenschaften des überlieferten Textes vor. Dabei weist er darauf hin, dass der Text einige offensicht- 258 Siehe dazu Kapitel A. III. Forschungsstand zu Olympiodors Alkibiades-Kommentar. 259 Als Beispiel kann der Vergleich einer Stelle im Alkibiades-Kommentar mit den Briefen des Apostels Paulus genannt werden. Zu Olymp. in Alc. 94,21 - 22 ( πατὴρ γὰρ ἡμῶν καὶ πατρὶς ἀληθὴς ἄνω μόνον ἐστίν . - „ Denn unser Vater und unser wahrhaftiges Vaterland ist nur oben. “ ) weist Creuzer auf zwei ähnliche Stellen bei Paulus hin (ebd. S. 94 Anm. 26: „ Prope abest haec sententia a Pauli Apostoli effato Phil. 3,20 et Hebr. 11,13 sq. “ ). Auch dem Gebrauch von gleichen Metaphern bei den Platonikern und den christlichen Philosophen widmet Creuzer seine Aufmerksamkeit, wie etwa die ‚ Storchmetapher ‘ (in Olymp. in Alc. 110,7), die bei Arrian, Plutarch und Clemens von Alexandria zu finden ist (ebd. S. 110, Anm. 8). Ferner werden christliche Schriftsteller auch bezüglich des Sprachgebrauchs als Beispiel aufgeführt. So wird etwa der Gebrauch des Verbs ἀνέχεσθαι mit dem Infinitiv in Olymp. in Alc. 101,3 mit dem Gebrauch des gleichen Verbs bei Theodoret verglichen (ebd. S. 101, Anm. 3). 260 Westerink 1956. 261 Dodds 1957. 262 Einige Ausnahmen stammen aus dem 17. Jh., bei denen Westerink der Ansicht ist, dass sie keine bedeutenden Beiträge für die Edition beinhalten. Siehe dazu Westerink 1982, S. VI - VII. II. Editionen 119 <?page no="120"?> liche Fehler enthalte, die einerseits dem „ Schüler als Editor “ des Kommentars, andererseits aber auch auf Olympiodors eigentümliche summarische Gedankengänge zurückzuführen seien. 263 In jedem Fall jedoch biete die Überlieferung durch Marc. gr. 196 einen sorgfältig gestalteten und korrigierten Text. 264 Bei der Analyse der sprachlichen Besonderheiten unterscheidet Westerink zwischen Unregelmäßigkeiten, die aus der handschriftlichen Überlieferung entstanden sein könnten, 265 und den Strukturen, die möglicherweise zum Original gehören und von besonderem grammatikalischem Interesse sind. 266 Ein bedeutender Beitrag seiner Edition besteht darin, dass er die Scholia aus den Handschriften einbezieht, die beträchtliche Erklärungen zum Kommentar bieten. Die Unterschiede zwischen den Ausgaben von Friedrich Creuzer und Leendert G. Westerink beruhen darauf, dass die Überlieferungen in beiden Fällen auf verschiedene Weise berücksichtigt werden. An vielen Textstellen schlägt Creuzer eine andere Interpunktion vor; 267 dennoch gibt er den Text seiner Handschrift meist nicht nur im Wortlaut, sondern auch in deren Interpunktion wieder. Westerinks Vorlage Marc. gr. 196 beinhaltet in dieser Hinsicht wesentliche Abweichungen. Auch einige Verbesserungen von Westerink gegenüber Creuzer stammen aus der handschriftlichen Überlieferung, während Creuzer seine Konjekturen auf die sprachlichen Beobachtungen stützt. 268 Dies erweist sich jedoch nicht immer als Mangel, denn es gibt des Öfteren Fälle, in denen Westerink eine Konjektur von Creuzer übernimmt. 269 Ferner weist Westerink darauf hin, dass die Mehrzahl von Olympiodors Zitaten bereits von Creuzer identifiziert wurden. 270 263 Letzteres gilt nach Ansicht von Westerink insbesondere für die Zitate, vgl. ebd. S. IX. Als Beispiel dazu gibt er die Erwähnung des Thrasymachos als einen Charakter im Gorgias an, da Olympiodor ihn wahrscheinlich in der gleichen Kategorie der Sophisten wie Polos und Kallikles sieht (siehe dazu Olymp. in Alc. 61,10; 86,2). 264 Westerink 1982, S. VIII: „ lecture notes edited by a none too brilliant student “ . 265 Westerink 1982, S. IX - X. 266 Ebd. S. XII - XV. 267 Vgl. dazu Creuzers Anmerkung 17 zu 200,1. Die unterschiedliche Kommasetzung bei Creuzer und Westerink ändert den Sinn des Textes beispielsweise in Olymp. in Alc. 30,2 - 3: ὥσπερ εἴρηται , πολλάκις ἐοίκασιν αἱ Σωκρατικαὶ παραινέσεις καθαρσίοις μέλιτι δεδευμένοις (Creuzer) / ὡς γὰρ εἴρηται πολλάκις , ἐοίκασιν αἱ Σωκρατικαὶ παραινέσεις καθαρσίοις μέλιτι δεδευμένοις (Westerink). 268 So weist Creuzer zu ἀφίστασθαι (in 55,5) darauf hin, dass es entweder als ἀφίστανται gelesen oder δύνανται hinzugefügt werden muss. Der erste Vorschlag ( ἀφίστανται ) trifft im Fall der Handschrift zu, die Westerink als Grundlage seiner Edition benutzt. 269 Zum Beispiel übernimmt Westerink in 51,6 τὸ von Creuzer, obwohl die Handschrift Marc. gr. 196 an der Stelle τοῦ hat. 270 Siehe Westerink 1982, S. VIII. 120 C. Text und Übersetzung <?page no="121"?> Die Edition von Westerink stellt den Ausgangspunkt für jede Untersuchung des Kommentars dar. Doch bieten Vergleiche mit Creuzers Edition an etlichen Stellen des Textes wertvolle Erläuterungen in Bezug auf grammatische und inhaltliche Eigenschaften. II. Editionen 121 <?page no="122"?> III. Olympiodors Platon-Text Olympiodor interpretiert Platons Alkibiades unter ständiger Bezugnahme auf den Text des Dialogs. Er zitiert diesen ‚ Originaltext ‘ in den Lemmata des Kommentars und verwendet in seinen Erörterungen direkte Zitate von Platon. Der Alkibiades-Kommentar hat daher den Rang einer sekundären Platon- Überlieferung. Dies wirft die Frage nach dem von Olympiodor verwendeten Platon-Text auf. Denn es ist evident, dass der im Kommentar von Olympiodor zugrunde gelegte Alkibiades nicht nur von modernen kritischen Editionen des Platon-Textes 271 abweicht, sondern auch von der Platon-Überlieferung, die sich für die Entstehungszeit der ältesten Handschrift des Kommentars ermitteln lässt. 272 Diese These lässt sich daraus ableiten, dass in dieser Olympiodor- Handschrift nachträgliche Änderungen des Platon-Textes vorgenommen worden sind, die unter anderem die Lemmata und die Zitate betreffen und diese an die byzantinische Platon-Tradition anpassen. 273 Daher ist es für die Forschung von Interesse, welche Textgrundlage Olympiodor hatte, als er Platon zitierte. Indes ist im Hinblick auf Olympiodors Platon-Referenzen zu berücksichtigen, dass diese oftmals zusammenfassende Paraphrasen sind. 274 Aus diesem Grund können Olympiodors Platon-Zitate nicht immer als Beweise für eine unterschiedliche Lesart aus einer anderen, verlorengegangenen Überlieferungslinie des Platon-Textes betrachtet werden. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass der Kommentar die mündliche Kommunikation während des Unterrichts spiegelt und es grundsätzlich denkbar ist, dass die Platon-Zitate nicht wortwörtlich in den Text eingetragen wurden. Ungeachtet dieser Einschränkungen hat insbesondere Elizabeth Duke die Position vertreten, dass Olympiodors Platon-Lemmata die Evidenz für eine vom 271 Insbesondere die von Burnet (1901) und Carlini (1964). 272 Marc. gr. 196, siehe dazu Kapitel C. I. Zur Textüberlieferung. Nach Duke (1989, S. 27) sind sowohl die Lemmata als auch die Paraphrasen aus dem Alkibiades in dieser Handschrift anders als in der mittelalterlichen Überlieferung dieses Dialogs. Zur mittelalterlichen Überlieferung Platons siehe Carlini 1964, S. 11 - 12. 273 Nach Westerink (1982, S. X) wurden diese vom Kopisten des Marc. gr. 196 „ korrigiert “ . Eine detaillierte Auflistung dieser Änderungen befindet sich bei Duke 1989, S. 21. 274 Diese Besonderheit wird bereits bei Creuzer und Westerink in den Editionen betont. In einer Studie über die Rezeption des platonischen Alkibiades von Tarrant/ Renaud (2015, S. 191) wird Olympiodors Zitierweise als eine dem Zitat sehr nahekommende Paraphrase bezeichnet, so dass es schwierig scheint, zwischen den beiden zu unterscheiden. <?page no="123"?> textus receptus unterschiedliche Platon-Überlieferung bieten. 275 Ein Beispiel dazu ist die folgende Textstelle: Plat. Alc. 111b12 - c1: ἆρ’οὐ τὰ αὐτὰ ὁμολογοῦσιν , καὶ ἐπὶ ταὐτὰ ὁρμῶσιν 276 Während Platon sich an dieser Stelle mit dem Neutrum ( τὰ ἀυτά ) auf die „ gleichen Dinge “ bezieht, die die Menschen in derselben Weise benennen, führt Olympiodor dieses Lemma mit Femininum ( ταύτην ) an: Olymp. in Alc. 96,7: Οὐ ταύτην ὁμολογοῦσι καὶ ἐπὶ ταύτην ὁρμῶσι Im Anschluss erläutert Olympiodor, dass sich „ übereinstimmen “ ( ὁμολογοῦσι ) auf „ Erkenntnis “ ( γνῶσις ) und „ sich begeben “ ( ὁρμῶσι ) auf das „ Leben “ ( ζωή ) beziehe (Olymp. in Alc. 96,7 - 8). An dieser Stelle weicht Olympiodors Lesart von der gesamten sonstigen Platon- Überlieferung ab. 277 Gestützt auf weitere ähnliche Fälle 278 zieht Elizabeth Duke den Schluss, dass die Lemmata im Alkibiades-Kommentar aus einer Platon-Überlieferung stammen, die sich von dem textus receptus unterscheidet. 279 Diese Überlieferungslinie ist heute nicht mehr rekonstruierbar. Möglich ist hingegen ein Vergleich mit der Platon-Überlieferung aus derselben Zeit, aus der die älteste erhaltene Handschrift des Alkibiades-Kommentars (Marc. gr. 196) stammt, da auch eine Textfassung der platonischen Dialoge aus dem 9. Jh. überliefert ist (Codex Clarkianus 39). 280 Diesen Vergleich unternimmt Duke und stellt dabei fest, dass es mehrere Ähnlichkeiten zwischen dieser Alkibiades- Überlieferung und den im Marc. gr. 196 durchgeführten Änderungen in 275 Das betrifft auch Olympiodors Kommentar zum Phaidon, der ebenfalls im Marc. gr. 196 überliefert wurde. Siehe dazu Duke 1989, S. 20 - 24. 276 Nach Edition von Carlini (1964). 277 Nach Carlini ad loc. in app. 278 Zu einer Auflistung der Stellen, an denen Olympiodors Zitat aus dem Alkibiades für eine bestimmte umstrittene Lesart als unterstützendes Argument dient, siehe Tarrant/ Renaud 2015, S. 241 - 243. Als Beispiel hierzu nennen sie die Zeile 105d1, in der Burnet sieben Wörter athetiert hat ( ὃν ἔφησθα ἐρεῖν , διὸ ἐμοῦ οὐκ ἀπαλλάττῃ ; ), dessen Entscheidung auch von weiteren Herausgebern angenommen wurde. Diese Wörter führt Olympiodor in Alc. 57,6 - 7 als Lemma auf. An diesem Beispiel wird ersichtlich, dass die modernen Textkritiker ausgehend von gewissen Annahmen über Platons Sprache die Wiederholungen im Text als unecht betrachten. Dagegen sind diese bei den Exegeten wie Olympiodor belegt und werden als zum wiederholenden Charakter des Dialogs passend bewertet. 279 Siehe Duke 1989, S. 20. 280 Codex Oxoniensis Clarkianus 39 oder Codex Bodleianus MS E. D. Clarke 39. Eine ausführliche Beschreibung der Handschrift findet sich bei Schanz 1871, S. 105 - 118. Dieser Codex stammt von Ende des 9. Jh. n. Chr. und wurde in Konstantinopel für Arethas aus Patras (später Bischof von Caesarea) im Jahre 895 angefertigt. III. Olympiodors Platon-Text 123 <?page no="124"?> Olympiodors Lemmata gibt. 281 Ausgehend von dieser Beobachtung ist es plausibel, dass der Cod. Clarkianus 39 sowie die ‚ Korrekturvorlage ‘ , die für die Platon-Zitate im Marc. gr. 196 verwendet wurde, aus einer gemeinsamen, heute verlorenen Textvorlage hervorgegangen sind. Diese Theorie hat zur Folge, dass die Textvorlage dieser beiden Handschriften einer früheren Zeit als dem 9. Jh. zugeordnet werden muss. Auf dieser Linie argumentiert auch Maurice Croiset, dass Cod. Clarkianus 39 und Parisinus 1807, die beide vom Ende des 9. oder Anfang des 10. Jh. stammen und platonische Dialoge überliefern, auf einen heute verlorenen Archetyp aus dem 6. Jh. zurückzuführen seien. 282 Wenn diese These zutrifft, dann sollte sich diese Textfassung Platons von Olympiodors Platon-Text unterscheiden, denn Olympiodors Platon-Zitate und Lemmata wurden im Marc. gr. 196 dementsprechend geändert. Hieraus kann geschlossen werden, dass in der Zeitstellung Olympiodors unterschiedliche Überlieferungen der platonischen Dialoge vorhanden waren, von denen eine Olympiodor benutzte, während andere in die byzantinische Platon-Überlieferung einflossen und letztlich zum textus receptus führten. Die bisherigen Studien gehen davon aus, dass Olympiodor mit unterschiedlichen Textüberlieferungen der platonischen Dialoge vertraut war. 283 In Olympiodors Kommentaren findet sich zwar keine Erklärung für die Auswahl seiner Textgrundlagen, doch für eine Kommentierung muss ein kritisch durchgesehener Platon-Text vorhanden gewesen sein. Dies wird durch den Inhalt des Kommentars deutlich, wenn Olympiodor Ausdrücke wie „ der Text in der Hand “ und „ an dieser Stelle “ verwendet. 284 Daher scheint es möglich, dass es eine handschriftliche Überlieferung des Platon-Textes in der alexandrinischen Philosophenschule gab, die - durch Olympiodor - auch in die spätere Überlieferung eingeflossen ist und heute nicht mehr in extenso rekonstruiert werden kann. 281 Siehe dazu Duke 1989, S. 26 - 29. 282 Siehe Croiset 1966, S. 14 - 15. 283 Tarrant und Renaud sind der Ansicht, dass Olympiodors philologische Sorgfalt seine Beschäftigung mit verschiedenen Platon-Fassungen zeige (siehe Tarrant/ Renaud 2015, S. 241). 284 Vgl. Olymp. in Alc. 192,14 ( ἡ μετὰ χεῖρα λέξις ); 69,3 ( ἡ δὲ λέξις δύο μόνων μέμνηται ); 177,11; 204,3 ( φησιν ἡ λέξις ). 124 C. Text und Übersetzung <?page no="125"?> IV. Die Gestaltung des vorliegenden Texts Der hier wiedergegebene Lesetext stellt eine bearbeitete Fassung der gemeinfreien Ausgabe von Westerink (1982) dar. 285 Die Anpassungen an dieser Edition wurden ausgehend von Varianten bei Creuzer (1821) und Vorschlägen von Dodds (1957) und Griffin (2015 und 2016) vorgenommen, sofern sie für den Zusammenhang des Kommentars sinnvoller erschienen. An einer Stelle der Vita Platonis habe ich, Griffin (2015) folgend, Casaubons Version der von Westerink vorgezogen. 286 Der Hauptzweck dieser Textversion besteht darin, den griechischen Kommentar in eine leicht lesbare Form zu bringen und eine Lesehilfe für die Übersetzung zu bieten. Eine „ Neuausgabe “ und damit ein textkritischer Apparat wird hier nicht vorgenommen, da Westerinks Edition nach wie vor einen soliden wissenschaftlichen Zugang zum Text bietet. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird an den von Westerink athetierten Stellen (wenn ich sie übernehme) der griechische Text nicht angegeben und folglich auch nicht übersetzt. Dagegen sind Westerinks Ergänzungen, die ich beibehalte, aus dem kritischen Apparat in den Text eingefügt. Die Hervorhebung mit Sperrsatz bei einigen Zitaten und Begriffen stimmt mit Westerink überein. Im Text werden die Paginierungsnummer aus der Edition von Westerink angegeben, der diese - abgesehen von den Textstellen zwischen 2,14 - 167 (Vita Platonis) - von Creuzer übernommen hat. Die Fußnoten zum Text vergleichen die Zitate im Alkibiades-Kommentar mit den kritischen Editionen von Platon und anderen Werken aus der Antike. In einigen Fällen zitiert Olympiodor aus verschiedenen Werken nahezu wortwörtlich; dennoch sind dabei geringe Abweichungen festzustellen. Auf diese Unterschiede wird in den Fußnoten zum Text hingewiesen. In diesen Fußnoten wurden die üblichen lateinischen Abkürzungen verwendet. 285 Vgl. hierzu Filippi 2017, S. LXXVII. 286 In der Zeile 2,64, vgl. die untenstehende Liste. Zur Ausgabe der Vita Platonis von Casaubon in der Diogenes-Edition von Ménage siehe Anm. 255. Welche Handschriften Casaubon als Grundlage dienten, werden dabei nicht bekanntgebeben. Die Version im Codex Marc. gr. 196 ( πνείων ) wird von Westerink als richtig angenommen. <?page no="126"?> 1. Liste der abweichenden Textstellen Die folgende Auflistung beinhaltet an erster Stelle die Version des vorliegenden Texts und zeigt den Vergleich zu den vorhandenen Editionen bzw. den Vorschlägen anderer Forscher. 2 20: ἐν δέκα = ἐν ιαʹ (Westerink) / ἐν [ ἑν ] δέκα (Dodds; Griffin). 2 62: ἴδον ἐν nach Olymp. in Phd. 1.5,16 und Griffin = εἶδον (Westerink). 2 64: πνέοντος nach Casaubon = πνείων (Westerink). 23 17: < προσεκτικὸν , τὸ δὲ ἐπὶ ταῖς ὀρεκτικαῖς δυνάμεσι λέγεται > (Westerink, Addenda) nach Dam. in Phd. 271,2 - 3. 31 1: προπετῆ = Westerinks Konjektur für †προτρεπτὴν† . 55 16: οὖν = Westerink ad loc. in app. 91 1: ἀνατίθεται = Westerinks Konjektur für ἀντιτίθεται (vgl. 93,23 - 24 und 100,9 - 10). 92 8: δὲ add. Westerink in app. 93 23 - 24: ἀνατίθεται = Westerinks Konjektur für ἀντιτίθεται (vgl. 90,28 - 91,1 und 100,9 - 10) 24 - 25: οὐ… ταῦτα Zitat ohne Anführungszeichen bei Westerink. 99 5: οὐ λανθάνει add. Westerink in app. 12: ἀποκρίσεων = Westerinks Konjektur für ἐρωτήσεων im Text. 102 10: ἐρώτησις nach Westerink statt ἀπόκρισίς , vgl. 99,12. 17: post φήσεις add. δὲ nach Westerink. 112 17: Σωκράτη περὶ αὐτοῦ = Westerink athetiert, Griffin (2016, S. 161 Anm. 113) interpretiert als original. 120 21: ἕξομεν ὅτι πᾶν καλὸν ἀγαθόν hinzugefügt nach Westerink in app. 126 C. Text und Übersetzung <?page no="127"?> 164 12: χαλκᾶ = ⟦σιδηρᾶ⟧ χαλκᾶ Westerinks Korrektur nach Olymp. in Grg. 44.2,29 - 30. 2. Die Editionen antiker Texte Die Fußnoten im griechischen Text, die Olympiodors Zitate mit der Überlieferung der antiken Texte vergleichen, stützen sich auf die folgenden Editionen: Aristoteles: Metaphysik: Ross, W. D. Aristotle ’ s Metaphysics. A Revised Text with Introduction and Commentary. 2 Bde. Oxford. 1924 (Ndr. 1997). De Anima: Ross, W. D. Aristotle. De anima. Oxford 1961 (Ndr. 1967). Diogenes Laertios: Dorandi, T. Diogenes Laertius: Lives of Eminent Philosophers. Edited with Introduction. [Cambridge Classical Texts and Commentaries]. Cambridge. 2013. Euripides: Diggle, J. Euripidis fabulae. Tomus I: Cyclops, Alcestis, Medea, Heracleidae, Hippolytus, Andromacha, Hecuba. Oxford. 1984. Hesiod: Solmsen, F. Hesiodi Theogonia, Opera et Dies. Scutum edidit Friedrich Solmsen, Fragmenta Selecta ediderunt R. Merkelbach et M. L. West. Oxford. 1970. Homer: Ilias, Odyssee: West 1998/ 2000. Platon: Alkibiades: Carlini 1964. Andere Dialoge: Burnet 1900 - 1903. Ilias, Odyssee: West 1998/ 2000. Thukydides: Jones, H. S., Powell, J. E. Thucydidis Historiae. Oxford. 1938. IV. Die Gestaltung des vorliegenden Texts 127 <?page no="128"?> V. Zur Übersetzung 1. Überblick bisheriger Übersetzungen 1.1 Übersetzungen des Alkibiades -Kommentars Die beiden vorhandenen Übersetzungen wurden von Michael Griffin (2015/ 16) und Francesca Filippi (2017) vorgenommen. Griffin hat die erste Übersetzung des Kommentars ins Englische auf Grundlage von Westerinks Edition angefertigt, wobei er auch einige Anpassungen am Text vorschlägt. In einer ausführlichen Einleitung adressiert Griffin einige relevante Aspekte der Forschung zu Olympiodor, beispielsweise dessen Verhältnis zum Christentum oder die neuplatonischen Tugendgrade. Ferner entwirft er eine Interpretation über den Zweck und die Zuordnung des Kommentars, die Olympiodor eine Strategie zuschreibt, Alkibiades mit jedem einzelnen Menschen selbst zu identifizieren, durch dessen Erkenntnis ein Wandel von der natürlichen zur politischen Tugend erreicht werde. In der Übersetzung zielt Griffin darauf, den Text für ein allgemeines Lesepublikum verständlich zu machen. Zu diesem Zweck gibt er auch Anmerkungen zu griechischen Göttern oder historischen Ereignissen und Persönlichkeiten, die nicht spezifisch die Erklärung der philosophischen Inhalte betreffen. Dies ist wahrscheinlich auch dadurch begründet, dass dieser Kommentar eine recht komplizierte sprachliche Ausdrucksweise verwendet. Um den Text in diesem Sinne verständlicher darzustellen, fügt Griffin einige Wörter in der Übersetzung hinzu, die er in eckigen Klammern setzt. Ausgehend von diesen Merkmalen zeichnet sich seine Übersetzung durch eine zielsprachenorientierte Vorgehensweise aus. Trotz einiger Abweichungen vom griechischen Text stellt Griffins Übersetzung ein grundlegendes Arbeitsinstrument für die vorliegende Übersetzung dar. Nicht zuletzt ist es für einen Gesamtblick auf den Kommentar und dessen Interpretation bedeutend. Filippis Übersetzung ins Italienische ist Teil einer zweibändigen Reihe der Übersetzungen aller Platon-Kommentare Olympiodors. Für den Alkibiades- Kommentar nimmt Filippi die Edition von Westerink (Version 1956) ohne Änderungen als Grundlage. Inhaltlich zeichnet sich ihr Werk durch einen kontextualisierenden Schwerpunkt aus. Der Kommentar zum Alkibiades wird hierbei im Zusammenhang mit Olympiodors anderen platonischen Kommentaren sowie mit den anonym überlieferten Prolegomena zur platonischen Philosophie behandelt. Außerdem betont Filippi den Bedarf einer konsequenten <?page no="129"?> Übersetzung der philosophischen Begriffe der Spätantike, der durch ihre Arbeit gedeckt werden soll. Da in dieser Übersetzung einige zusätzliche Erklärungen in den Text eingefügt werden, ohne sie zu kennzeichnen, ist die Entsprechung dieser Passagen im griechischen Text nicht immer zu erkennen. Das ermöglicht andererseits einen ununterbrochenen Lesefluss. Durch diese Vorgehensweise gestaltet Filippi den Text in der Zielsprache verständlich und leicht lesbar. Die Kontinuität der theoretischen Standpunkte innerhalb der platonischen Philosophie besitzt zudem eine zentrale Rolle in Filippis Anmerkungen. Diese Erläuterungen bieten eine Hilfe für die vorliegende Übersetzung, da sie einen Vergleich bestimmter philosophischer Begriffe bei anderen Platonikern ermöglichen und auch biblische Bezüge herstellen. Wie bereits festgestellt wurde, ist die Übersetzung der philosophischen Terminologie mit einigen Mängeln behaftet. Da viele Begriffe im Platonismus der Spätantike von den früheren Platonikern nicht verwendet wurden, ist ihre Wiedergabe schwierig. Dazu können Vergleiche mit anderen Platonikern der Spätantike, insbesondere mit Proklos, hilfreich sein. Von diesen Philosophen sind jedoch wenige Übersetzungen in deutscher Sprache vorhanden: Proklos ’ Grundlegung der Theologie, die Begriffe des spätantiken Platonismus prägnant darstellt, bildet hierzu eine Ausnahme mit mehreren Übersetzungen. 287 Darüber hinaus ist nur ein ‚ platonischer ‘ Kommentar von Proklos (zum Parmenides) bisher ins Deutsche übersetzt worden, der zur Interpretation von dessen philosophischen Konzepten beiträgt. Eine weitere Übersetzung der spätantiken alexandrinischen Platon-Kommentare existiert von Hermeias ’ Kommentar zum Phaidros, in dem viele platonische Positionen thematisiert werden, die Olympiodor im vorliegenden Kommentar diskutiert. Für die Bestimmung der philosophischen Begriffe im Alkibiades-Kommentar bieten diese vorgängigen Übersetzungen anderer Platoniker ebenfalls Orientierungspunkte. 1.2 Übersetzung des platonischen Alkibiades Die Übersetzungen des platonischen Alkibiades im deutschen Sprachraum würden eine eigene Studie erfordern. Für die vorliegende Arbeit von besonderem Interesse ist diejenige von Friedrich Schleiermacher 288 - nicht nur aufgrund der ‚ Echtheitsfrage ‘ , die er gestellt hat, sondern auch aufgrund seiner, der platonischen Sprache angemessenen Ausdrucksweise, auch wenn diese im Hinblick auf den aktuellen Sprachgebrauch veraltet erscheint. 287 Siehe Sonderegger 2004; Zurbrügg 2004 und Onnasch/ Schomakers 2015. 288 Schleiermacher 1809. Siehe dazu Kapitel A. III: Forschungsstand zu Olympiodors Alkibiades-Kommentar. V. Zur Übersetzung 129 <?page no="130"?> Unter den aktuellen Beiträgen ist die Übersetzung von Klaus Döring 289 hervorzuheben, die den Dialog mit einem Kommentar erläutert und einen für heutige Leser zeitgemäßen sprachlichen Ausdruck verwendet. Aus diesem Grund sind die Zitate Olympiodors aus Alkibiades in der vorliegenden Übersetzung überwiegend (außer an den Stellen, an denen Olympiodors Text von Platon abweicht) von Döring übernommen. In anderen Fällen ist eine eigene Übersetzung der Zitate erforderlich. Die Zitate aus anderen Dialogen und antiken Texten werden aus bereits vorhandenen und mit philologischer Sorgfalt angefertigten Übersetzungen übernommen. 290 Weitere zitierte Übersetzungen aus anderen Texten sind an den entsprechenden Stellen vermerkt. Wo immer Olympiodors Zitate der Textfassung der jeweils führenden Editionen und damit den vorhandenen Übersetzungen nicht entsprechen, wurden letztere entsprechend angepasst. 2. Die Vorgehensweise der Übersetzung 2.1 Methodischer Ansatz Die vorliegende Übersetzung orientiert sich am griechischen Ausgangstext und zielt darauf ab, eine möglichst verständliche Übertragung von Olympiodors Sprachgebrauch ins Deutsche vorzunehmen. In erster Linie wird von einer wörtlichen Übertragung des griechischen Originals ausgegangen, während im zweiten Schritt die Bedeutung des Textes mit Zusätzen und Anpassungen klarer herausgestellt wird. Diese Vorgehensweise hat zum Ziel, einerseits den Lesern zu erleichtern, die Entsprechung der Übersetzung im griechischen Text aufzufinden, andererseits die Übersetzung auch ohne Vorliegen desselben in einer an sich verständlichen Weise darzubieten. Dabei werden die Zusätze in der Übersetzung auf ein Minimum reduziert. Insbesondere werden einige Wörter in der Übersetzung in eckigen Klammern angegeben, die im Griechischen als selbstverständlich angenommen und nicht explizit verwendet werden (wie das Verb ‚ sein ‘ oder die Erwähnung der Personen durch Pronomina). Die Erklärungen der von Olympiodor ausgelassenen Teile der Platon-Lemmata befinden sich in den Anmerkungen. An den Stellen, an denen der Text mehrdeutig aufgefasst werden kann, wird die bevorzugte Interpretation in der Übersetzung angegeben, während andere Möglichkeiten in den Anmerkungen erörtert werden. 289 Döring 2016. 290 Beispielsweise Homer-Zitate aus Schadewaldt 1958 und 1975. 130 C. Text und Übersetzung <?page no="131"?> Die Mehrzahl der Anmerkungen dient dazu, die Bedeutung der philosophischen Begriffe zu erklären und ihren Gebrauch bei anderen Philosophen mit Olympiodor zu vergleichen. Die Übersetzung der philosophischen Begriffe stellt sich, wie in anderen Übersetzungen des Alkibiades-Kommentars als das Grundproblem dar. Dies zeigt sich nicht zuletzt an den verschiedenen Möglichkeiten der jeweiligen Sprachen, die Texte nahezu originalgetreu wiederzugeben. So werden in den englischen Übersetzungen die Verben οἶδα und γιγνώσκω beide mit ‚ know ‘ aufgefasst, während sie auf Deutsch als ‚ wissen ‘ , ‚ sehen ‘ , ‚ einsehen ‘ , ‚ kennen ‘ und ‚ erkennen ‘ differenziert werden können. Auch der Begriff ἄτομον bezüglich des Selbst wird bei Griffin ‚ individual ‘ und bei Filippi ‚ l ’ individuo ‘ . Diese Übersetzungen gehen zwar auf die lateinische Bedeutung dieses Wortes als ‚ das Unteilbare ‘ zurück, jedoch könnte dadurch ein anachronistisches Verständnis im Sinne des modernen Individuums begünstigt werden. Die vorliegende Übersetzung setzt sich zum Ziel, für die Wörter in solchen Fällen Entsprechungen zu finden, ohne moderne Konzepte aufzugreifen. Deshalb wird ἄτομον weder als ‚ Individuum ‘ noch ausgehend von der wörtlichen Bedeutung als ‚ das Unteilbare/ Ungeteilte ‘ , sondern als ‚ Einzelwesen ‘ übersetzt. Diese Bedeutung umfasst sowohl den Menschen als eine einzelne Person als auch das wahre Wesen der Seele als eine einzige Einheit und ist daher mit Olympiodors Verwendung des Begriffs vereinbar. Für weitere Konzepte wie θυμός (Willenskraft, Herz, Mut, Zorn) oder νοῦς (Vernunft, Geist, Denkvermögen), die in keine moderne Sprache in exakter Übereinstimmung übersetzt werden können, wurde im Vorliegenden eine Interpretation vorgeschlagen. In seltenen Fällen, wie bei δαίμων , wurde eine Transliteration der griechischen Schreibweise beibehalten, um eine irreführende Interpretation (etwa als ‚ Dämon ‘ ) zu vermeiden. Das Ziel dieses Ansatzes ist es, den Kommentar textnah zu übersetzen, damit sich Olympiodors Betonung des akkuraten Sprachgebrauchs auch in der Übersetzung wiederfindet. 2.2 Interpunktion und Textstrukturierung Um Olympiodors Gedankengang dem griechischen Text entsprechend wiederzugeben, wird die griechische Satzstruktur in der Übersetzung weitgehend beibehalten. Die Satzzeichen in der Übersetzung entsprechen überwiegend der Interpunktion in Westerinks Edition. Wie in griechischen Texten üblich, wurde der Hochpunkt ( · ) mit dem Semikolon oder dem Doppelpunkt wiedergegeben, während das Semikolon (; ) dem Fragezeichen entspricht. Die Zusätze, die nicht einer wörtlichen Übersetzung des Originaltextes entsprechen, stehen in eckigen Klammern. In Klammern und kursiv sind Wörter aus dem Griechischen oder deren Umschrift, die auch in der Übersetzung angegeben werden müssen, um V. Zur Übersetzung 131 <?page no="132"?> den Textinhalt deutlich darzustellen. Zitate und Paraphrasen wurden nur dann mit Anführungszeichen versehen, wenn dies auch in der Ausgabe von Westerink der Fall ist. Die Schlussfolgeungen sind auch entsprechend Westerink in Anführungszeichen gesetzt, obwohl diese keine Zitate sind. 291 Auf eine Nummerierung der Sätze in einer Argumentation, wie sie Griffin vornimmt, wurde verzichtet. Stattdessen wurden diese mit einem Doppelpunkt oder Gedankenstrich getrennt und wie im Griechischen mit einem Komma aneinandergereiht. Hinsichtlich der Gestaltung der Abschnitte behält die vorliegende Übersetzung, wie auch Filippi, die Struktur von Westerinks Edition bei. 291 Vgl. dazu Anm. 614 in der Übersetzung. 132 C. Text und Übersetzung <?page no="133"?> VI. ΣΧΟΛΙΑ ΕΙΣ ΤΟΝ ΠΛΑΤΩΝΟΣ ΑΛΚΙΒΙΑΔΗΝ - Kommentare zu Platons Alkibiades <?page no="134"?> ΣΧΟΛΙΑ ΕΙΣ ΤΟΝ ΠΛΑΤΩΝΟΣ ΑΛΚΙΒΙΑΔΗΝ ΑΠΟ ΦΩΝΗΣ ΟΛΥΜΠΙΟΔΩΡΟΥ ΤΟΥ ΜΕΓΑΛΟΥ ΦΙΛΟΣΟΦΟΥ Ὁ μὲν Ἀριστοτέλης ἀρχόμενος τῆς ἑαυτοῦ θεολογίας φησίν · ‘π ά ν τ ε ς ἄ ν θ ρ ω π ο ι ε ἰ δ έ ν α ι ὀ ρ έ γ ο ν τ α ι φ ύ σ ε ι , σ η μ ε ῖ ο ν δ ὲ ἡ τ ῶ ν α ἰ σ θ ή σ ε ω ν ἀ γ ά π η σ ι ς ’ · ἐγὼ δὲ τῆς τοῦ Πλάτωνος φιλο σοφίας ἀρχόμενος φαίην ἂν τοῦτο μειζόνως , ὅτι πάντες ἄνθρωποι τῆς Πλάτωνος φιλοσοφίας ὀρέγονται , χρηστὸν παρ’ αὐτῆς ἅπαντες ἀρύσα σθαι βουλόμενοι καὶ κάτοχοι τοῖς ταύτης νάμασιν εἶναι σπουδάζοντες καὶ τῶν Πλατωνικῶν ἐνθουσιασμῶν πλήρεις ἑαυτοὺς καταστήσοντες . τέσ σαρες δέ | εἰσιν οὗτοι παρ’ αὐτῷ ἐν τέτρασι διαλόγοις · εἷς μὲν ἐν Τιμαίῳ , ὃν ἐνθουσιᾷ θεόληπτος γενόμενος καὶ ὑποκρινόμενος τὸν δη μιουργὸν πρὸς τὰ οὐράνια δημηγοροῦντα περὶ τῆς τῶν τῇδε διοικήσεως , οὓς ‘ν έ ο υ ς θ ε ο ὺ ς ’ καλεῖ · διὸ καὶ ὁ Ἰάμβλιχος ὑπομνηματίζων τὸν διάλογον ἐπέγραψεν ‘ε ἰ ς τ ὴ ν δ η μ η γ ο ρ ί α ν τ ο ῦ Δ ι ό ς ’ . δεύτερος ἐνθουσιασμός ἐστιν ἐν τῇ Πολιτείᾳ , ἔνθα μουσόληπτος γεγονὼς ὑπεκρίθη τὰς Μούσας διεξιούσας τὴν λύσιν τῆς ὑπ’ αὐτοῦ συστάσης πολιτείας , ἔνθα φησίν · ‘π α ν τ ὶ γ ὰ ρ γ ε ν ο μ έ ν ῳ κ α ὶ φ θ ο ρ ὰ ἕ π ε τ α ι ἐ ξ ἀ ν ά γ κ η ς ’ . τρίτος ἐνθουσιασμὸς ὁ ἐν Φαίδρῳ , ἔνθα ὑπὸ τὴν πλάτανον ὁ Σωκράτης φιλοσοφῶν περὶ τοῦ ἔρωτος ν υ μ φ ό λ η π τ ο ς ἐγένετο . τέταρτος ὁ ἐν Θεαιτήτῳ , ὅπου κατὰ φιλοσοφίαν ἐνεθουσίασε τὸν κ ο ρ υ φ α ῖ ο ν ὑποκρινάμενος φιλόσοφον , τουτέστι τὸν θεωρητικόν . τούτων τοίνυν ἕνεκεν ἅπαντες τῇ Πλάτωνος φιλοσοφίᾳ προστρέχουσι . Φέρε δὲ καὶ τὸ γένος εἴπωμεν τοῦ φιλοσόφου , | οὐ πολυηκοΐας χάριν , ἀλλ’ ὠφελείας καὶ παιδεύσεως μᾶλλον τῶν προσιόντων αὐτῷ · οὐ γάρ τις οὗτος Οὔτις , ἀλλὰ μᾶλλον πολλῶν ἐ π ί σ τ ρ ο φ ο ς ἦ ν ἀ ν θ ρ ώ π ω ν . λέγεται γὰρ ὁ Πλάτων υἱὸς γενέσθαι πατρὸς μὲν Ἀρίστωνος τοῦ Ἀριστοκλέους , ἀφ’ οὗ τὸ γένος εἰς Σόλωνα τὸν νομοθέτην ἀνέφερεν · διὸ καὶ κατὰ ζῆλον προγονικὸν Νόμους ἔγραψεν ἐν ιβʹ βιβλίοις καὶ Πολιτείας σύστασιν ἐν δέκα · μητρὸς δὲ προῆλθε Περικτιόνης , ἥτις ἀπὸ Νηλέως τοῦ Κόδρου κατήγετο . φασὶν οὖν ὅτι φάσμα Ἀπολλωνιακὸν συνεγένετο τῇ μητρὶ αὐτοῦ τῇ Περικτιόνῃ καὶ ἐν νυκτὶ φανὲν τῷ Ἀρί στωνι ἐκέλευσεν αὐτῷ μὴ μιγῆναι τῇ Περικτιόνῃ μέχρι τοῦ χρόνου τῆς ἀποτέξεως , ὁ δ’ οὕτω πεποίηκεν . καὶ γεννηθέντα τὸν Πλάτωνα λαβόντες 1, 4 Olymp. om. τοῦ post ἄνθρωποι , cf. Arist. Metaph. 980a21. 2, 14 - 3 1: Vita Platonis om. Creuzer. 1 5 2 5 10 15 20 <?page no="135"?> KOMMENTARE 1 ZU PLATONS ALKIBIADES Wie vorgetragen 2 von Olympiodor, dem großen Philosophen 3 Aristoteles sagt am Anfang seiner Theologie 4 : „ A l l e M e n s c h e n s t r e b e n v o n N a t u r a u s n a c h W i s s e n ; Z e i c h e n d a f ü r i s t d i e V o r l i e b e z u d e n S i n n e s w a h r n e h m u n g e n “ . Ich würde aber am Anfang von Platons Philosophie umso mehr sagen, dass alle Menschen nach Platons Philosophie streben, da sie einen Nutzen 5 daraus ziehen wollen; sowohl indem sie danach eifern, von deren Quellen 6 gefesselt zu werden, als auch indem sie sich darauf einstellen, mit den platonischen Inspirationen erfüllt zu werden. 7 Davon gibt es vier bei ihm in vier Dialogen. 8 Die erste ist im Timaios, den er inspiriert, als er von Gott ergriffen wird und den Demiurgen beim Reden an die Himmelswesen über die Verwaltung der Verhältnisse hier 9 beschreibt, der diese [sc. Himmelswesen] „ j u n g e G ö t t e r “ nennt. 10 Das ist auch der Grund, warum Jamblich seine Kommentare zu diesem Dialog mit „ Ü b e r d i e R e d e d e s Z e u s “ überschrieben hat. 11 Die zweite Inspiration findet sich in der Politeia, dort war er von Musen ergriffen und hat diese bei einer ausführlichen Erzählung über die Auflösung der von ihm gegründeten Politeia beschrieben, 12 indem er sagt: „ A l l e m E n t s t a n d e n e n f o l g t n o t w e n d i g e r w e i s e a u c h s e i n V e r d e r b e n “ . 13 Die dritte Inspiration ist im Phaidros, dort philosophierte Sokrates unter der Platane über die Liebe und war v o n N y m p h e n e r g r i f f e n . 14 Die vierte ist im Theaitetos, als er durch die Philosophie inspiriert wurde und den o b e r s t e n 15 Philosophen beschrieb, das heißt, den theoretischen [Philosophen]. 16 Aus diesen Gründen kommen alle zur Philosophie Platons. 17 Wohlan denn, lass uns auch über die Herkunft 18 des Philosophen berichten, nicht um der Vielwisserei 19 willen, sondern vielmehr um denjenigen, die sich ihm annähern wollen, zu helfen und sie zu bilden. Denn er ist kein Niemand, 20 sondern vielmehr jemand, der viele M e n s c h e n b e k e h r t h a t . 21 Man sagt nämlich, Platon sei der Sohn des Ariston, dessen Vater Aristokles war, von dem er sein Geschlecht auf Solon, den Gesetzgeber, zurückgeführt hat. Daher also hat er nach dem Vorbild seines Vorfahren Gesetze in 12 Büchern und die Anordnung der Politeia in 10 Büchern geschrieben. Die Mutter andererseits, die ihn geboren hat, war Periktione, die von Neleos, dem Sohn des Kodros, abstammt. 22 Man erzählt nun, dass Apollon in Gestalt eines Traumbildes mit seiner [sc. Platons] Mutter Periktione sich vereinigt habe und in jener Nacht dem Ariston erschienen sei und ihm befohlen habe, bis zur Zeit der Geburt sich mit Periktione nicht zu vereinigen, und er habe so getan. Nachdem er geboren 1 5 2 5 10 15 20 <?page no="136"?> οἱ γονεῖς βρέφος ὄντα τεθείκασιν ἐν τῷ Ὑμηττῷ , βουλόμενοι ὑπὲρ αὐτοῦ τοῖς ἐκεῖ θεοῖς Πανὶ καὶ Νύμφαις καὶ Ἀπόλλωνι νομίῳ θῦσαι . καὶ κειμέ νου αὐτοῦ μέλιτται προσελθοῦσαι πεπληρώκασιν αὐτοῦ τὸ στόμα κηρίων μέλιτος , ἵνα ἀληθὲς περὶ αὐτοῦ γένηται · ‘τ ο ῦ κ α ὶ ἀ π ὸ γ λ ώ σ σ η ς μ έ λ ι τ ο ς γ λ υ κ ί ω ν ῥ έ ε ν α ὐ δ ή ’ . καλεῖ δὲ ἑαυτὸν πανταχοῦ καὶ τ ο ῖ ς κ ύ κ ν ο ι ς ὁ μ ό δ ο υ λ ο ν ὡς ἐξ Ἀπόλλωνος προελθών · Ἀπολλωνιακὸν γὰρ τὸ ὄρνεον . Ἐν ἡλικίᾳ δὲ γενόμενος πρῶτον μὲν ἐφοίτησε Διονυσίῳ τῷ γραμμα τιστῇ πρὸς μάθησιν κοινῶν γραμμάτων , οὗ καὶ ἐν Ἐρασταῖς μέμνηται , ἵνα μήτε Διονύσιος ὁ διδάσκαλος ἄμοιρος εἴη τῆς παρὰ Πλάτωνι μνήμης . εἶτα μετ’ ἐκεῖνον γυμναστῇ μὲν ἐχρήσατο διδασκάλῳ Ἀρίστωνι τῷ Ἀργείῳ , ὑφ’ οὗ καὶ Πλάτων ὥς φασι μετωνομάσθη , πρότερον Ἀριστο κλῆς λεγόμενος τῷ τοῦ πάππου ὀνόματι · ἐκλήθη δὲ οὕτως διὰ τὸ δύο μόρια τοῦ σώματος ἔχειν πλατύτατα , τό τε στέρνον καὶ τὸ μέτωπον , ὡς δηλοῦσι πανταχοῦ αἱ ἀνακείμεναι αὐτοῦ εἰκόνες οὕτω φαινόμεναι . ἄλλοι δέ φασι μὴ διὰ τοῦτο μετονομασθῆναι αὐτόν , ἀλλὰ διὰ τὸ πλατὺ καὶ κεχυμένον καὶ ἀναπεπταμένον τοῦ ἀνειμένου χαρακτῆρος , καθάπερ φασὶ καὶ Θεόφραστον οὕτω μετονομασθῆναι διὰ τὸ θεῖον τῆς φράσεως , πρότερον Τύρταμον λεγόμενον . μουσικῆς δὲ διδάσκαλον ἔσχε Δράκοντα τὸν Δάμωνος μαθητήν · μέμνηται δὲ τούτου ἐν τῇ Πολιτείᾳ . τρία δὲ ταῦτα ἐπαιδεύοντο οἱ ἐν Ἀθήνησι παῖδες , φημὶ δὲ γράμματα , μουσικήν , παλαίειν , οὐχ ἁπλῶς , ἀλλὰ γράμματα μὲν διὰ τὸ κοσμεῖν τὸν λόγον τὸν ἐν αὐτοῖς , μουσικὴν δὲ διὰ τὸ τιθασεύειν τὸν θυμόν , παλαίειν δὲ καὶ γυμνάζεσθαι διὰ τὸ ἀναρρωννύναι τὸ τῆς ἐπιθυμίας χαλαρόν . καὶ ὁ Ἀλκιβιάδης δὲ παρ’ αὐτῷ τὰ τρία ταῦτα φαίνεται παιδευθείς , διὸ καί φησιν πρὸς αὐτὸν ὁ Σωκράτης ‘α ὐ λ ε ῖ ν δ έ γ ε ο ὐ κ ἠ β ο ύ λ ο υ ’ καὶ τὰ ἑξῆς . ἐφοίτησε δὲ καὶ παρὰ γραφεῦσι , παρ’ ὧν ὠφελήθη τὴν μίξιν τῶν χρωμάτων , ὧν ἐν Τιμαίῳ μέμνηται . μετὰ ταῦτα δὲ καὶ παρὰ τοῖς τραγικοῖς ἐπαιδεύθη παιδευταῖς ὀνομαζομένοις εἶναι τῆς Ἑλλάδος · προσῆλθε δὲ τούτοις διὰ τὸ ἀπὸ τῆς τραγικῆς γνωμικὸν καὶ σεμνὸν καὶ τὸ ἡρωϊκὸν τῶν ὑποθέσεων . καὶ τοῖς διθυράμβοις δὲ πρὸς τιμὴν τοῦ Διονύσου , ἐφόρου λεγομένου τῆς γενέσεως , ὡμίλησεν · τούτῳ γὰρ ὁ διθύραμβος ἀνέκειτο , ἀφ’ οὗ καὶ τὸ ὄνομα ἔσχεν , Διθύραμβος γὰρ ὁ Διόνυσος ὡς ἐκ δύο θυρῶν ἐξελθών , τῆς τε Σεμέλης καὶ τοῦ μηροῦ τοῦ Διός . 25 30 35 40 45 50 55 136 C. Text und Übersetzung <?page no="137"?> wurde, nahmen seine Eltern Platon noch als Neugeborenes und brachten ihn auf den Berg Hymettos, weil sie seinetwegen den dortigen Göttern, - dem Pan, den Nymphen und Apollon dem Hirten 23 - ein Opfer darbringen wollten. Als er dalag, kamen Bienen und füllten seinen Mund mit Wabenhonig, sodass über ihn mit Recht gesagt wird: „ D e m a u c h v o n d e r Z u n g e s ü ß e r a l s H o n i g f l o s s d i e S t i m m e “ . 24 Und er nennt sich selbst überall auch einen D i e n e r s c h a f t s g e n o s s e n d e r S c h w ä n e , 25 da er aus Apollon hervorging. Dieser Vogel gehört nämlich zu Apollon. Als er ins angemessene Alter kam, ging er zuerst bei Dionysios dem Grammatiker in die Lehre, um Grundkenntnisse im Lesen und Schreiben zu erwerben, den er im Erastai erwähnt, 26 damit sein Lehrer Dionysios an der Erinnerung an Platon nicht ohne einen Anteil bleibt. Gleich nach ihm setzte er einen Lehrer aus dem Gymnasium ein, Ariston von Argos, von dem er, wie man sagt, 27 in Platon umbenannt wurde, wobei er früher Aristokles hieß, nach dem Namen seines Großvaters 28 . Er wurde so genannt, weil zwei Teile seines Körpers besonders breit waren: seine Brust und seine Stirn, wie es daraus ersichtlich wird, dass seine Büsten, die überall errichtet wurden, so aussehen. 29 Andere dagegen sagen, 30 er sei nicht deswegen umbenannt worden, sondern aufgrund der Breite, des Umfangs 31 und der Offenheit seines unabhängigen Charakters; genauso wie man auch sagt, dass Theophrastos umbenannt wurde, aufgrund der Göttlichkeit (theios) seiner Ausdrucksweise (phrastos), wobei er früher Tyrtamon 32 hieß. Sein [sc. Platons] Musiklehrer war Drakon, der Schüler des Damon. Er erwähnt ihn in der Politeia. 33 Athenische Jungen wurden diese drei Fächer gelehrt 34 - ich meine Lesen und Schreiben, Musik, Ringen - nicht ohne Grund, sondern Lesen und Schreiben, um die ihnen innewohnende Vernunft zu formen; Musik, um ihre Willenskraft zu zähmen; Ringen und Gymnastik, um ihre Begierde wieder zu erregen, wenn sie nachgelassen hat. 35 Auch Alkibiades, so scheint es, wurde in diesen drei gleichen Bereichen ausgebildet, deswegen sagt Sokrates ihm „ A u l o s s p i e l e n w o l l t e s t d u o f f e n k u n d i g n i c h t “ und das Folgende. 36 Er [sc. Platon] ging außerdem bei den Malern in die Lehre, die ihm die Mischung der Farben beigebracht haben, wie er es im Timaios 37 erwähnt. Danach wurde er auch bei den Tragikern gelehrt, die als Lehrer von Griechenland bezeichnet werden. 38 Er ging zu diesen aufgrund der gnomischen und gehobenen Sprache in den Tragödien und ihrer heroischen Themen. Ferner nahm er an den Dithyramben teil, die zu Ehren des Dionysos, des Aufsehers des Werdens, veranstaltet wurden. 39 Denn diesem [Gott] war der Dithyrambos geweiht, von dem auch der Name stammt: Dionysos ist Dithyrambos, da er aus zwei Türen (duo thyr ō n) hervorgeht, aus Semele und aus dem Schenkel des 25 30 35 40 45 50 55 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 137 <?page no="138"?> εἰώθεισαν δὲ οἱ ἀρχαῖοι τὰ αἰτιατὰ ὀνομάζειν τοῖς τῶν αἰτίων ὀνόμασι , καθάπερ καὶ τὸν οἶνον Διόνυσον καλοῦσιν · διὸ καὶ ὁ Πρόκλος περὶ τούτου φησίν · ‘ ὅ σ σ ’ ἴ δ ο ν ἐ ν τ ε κ έ ε σ σ ι ν ἐ φ η μ ί ξ α ν τ ο τ ο κ ε ῦ σ ι ν ’ . ὅτι δὲ καὶ τοὺς διθυράμβους ὁ Πλάτων ἤσκητο , δῆλον ἐκ τοῦ Φαίδρου τοῦ διαλόγου πάνυ πνέοντος τοῦ διθυραμβώδους χαρακτῆρος , ἅτε τοῦ Πλάτωνος τοῦτον πρῶτον γράψαντος διάλογον , ὡς λέγεται . ἔχαιρεν δὲ πάνυ καὶ Ἀριστοφάνει τῷ κωμικῷ καὶ Σώφρονι , παρ’ ὧν καὶ τὴν μίμησιν τῶν προσώπων ἐν τοῖς διαλόγοις ὠφελήθη . λέγεται δὲ οὕτως αὐτοῖς χαίρειν ὥστε καὶ ἡνίκα ἐτελεύτησεν εὑρεθῆναι ἐν τῇ κλίνῃ αὐτοῦ Ἀριστοφάνη καὶ Σώφρονα . καὶ ἐπίγραμμα δὲ τοιοῦτον εἰς Ἀριστοφάνην αὐτὸς πεποίηκεν · ‘ α ἱ Χ ά ρ ι τ ε ς τ έ μ ε ν ό ς τ ι λ α β ε ῖ ν τ ό π ε ρ ο ὔ τ ι π ε σ ε ῖ τ α ι ζ η τ ο ῦ σ α ι ψ υ χ ὴ ν ε ὗ ρ ο ν Ἀ ρ ι σ τ ο φ ά ν ο υ ς ’ . ἐκωμῴδησε δὲ αὐτὸν ἐν τῷ Συμποσίῳ τῷ διαλόγῳ ὡς κωμῳδίαν ὠφελη θείς · καὶ γὰρ ποιήσας αὐτὸν ὑμνοῦντα τὸν Ἔρωτα εἰσάγει αὐτὸν μεταξὺ λυγγὶ περιπεσόντα καὶ μὴ δυνάμενον πληρῶσαι τὸν ὕμνον . ἐποίησε δὲ καὶ τραγικὰ ποιήματα καὶ διθυραμβικὰ καὶ ἄλλα τινά , ἅπερ πάντα κατέκαυσε τῆς Σωκράτους πειραθεὶς διατριβῆς , εἰπών τι τοιοῦτον ἔπος · ‘ Ἥ φ α ι σ τ ε , π ρ ό μ ο λ ’ ὧ δ ε · Π λ ά τ ω ν ν ύ τ ι σ ε ῖ ο χ α τ ί ζ ε ι . ’ γραμματικὸς δέ τις Ἀνατόλιος ἐνταῦθά ποτε τὸ ἔπος εἰπὼν ηὐδοκίμησεν εἰς Ἥφαιστον ἄρχοντα ἐπιστάντα τῇ πόλει , εἶπεν δὲ αὐτὸ οὕτως · ‘ Ἥ φ α ι σ τ ε , π ρ ό μ ο λ ’ ὧ δ ε · Φ ά ρ ο ς ν ύ τ ι σ ε ῖ ο χ α τ ί ζ ε ι . ’ Φασὶ δὲ ὅτι ἡνίκα ὁ Σωκράτης ἤμελλεν δέχεσθαι , ὄναρ εἶδεν ὅτι κύκνος ἄπτερος ἐν τοῖς γόνασιν αὐτοῦ καθῆστο καὶ παραχρῆμα πτερο φυήσας ἀνέπτη εἰς τὸν ἀέρα καὶ ἔκλαγξέ τι λιγυρόν , ὡς πάντας θέλξαι τοὺς ἀκούοντας · τοῦτο δὲ ἐδήλου τὴν μέλλουσαν δόξαν τοῦ ἀνδρός . μετὰ δὲ τὴν τελευτὴν Σωκράτους διδασκάλῳ πάλιν ἐχρήσατο Κρατύλῳ τῷ 2, 71 Olymp. τόπερ οὔτι / ὅπερ οὐχὶ Diehl. 72 Olymp. ζητοῦσαι / ζηλοῦσαι Diehl. 60 65 70 75 80 85 138 C. Text und Übersetzung <?page no="139"?> Zeus. 40 Gewöhnlich benannten die Alten die verursachten Dinge nach den Namen ihrer Ursachen, wie sie den Wein Dionysos nannten. Deswegen sagt auch Proklos dazu: „ W a s s i e a n K i n d e r n e r k a n n t e n , b e k u n d e t e n s i e d u r c h [ i h r e ] E l t e r n . “ 41 Dass Platon auch Dithyramben ausgearbeitet hat, wird deutlich aus dem Phaidros, einem durchaus von dithyrambischem Stil inspirierten Dialog 42 - in Anbetracht dessen, dass dieser der erste Dialog war, den Platon geschrieben hat, wie man sagt. 43 Er fand auch großes Vergnügen an Aristophanes, dem Komödiendichter, 44 und an Sophron, von denen er auch für die Darstellung der Charaktere in seinen Dialogen Nutzen zog. Es wird erzählt, dass er sich so sehr an ihnen freute, dass man sogar bei seinem Tod [Werke] von Aristophanes und Sophron in seinem Bett fand. Außerdem hat er selbst ein solches Epigramm auf Aristophanes verfasst: „ A l s d i e C h a r i t e n i r g e n d e i n e n h e i l i g e n W o h n s i t z z u n e h m e n s u c h t e n , d e r n i e v e r f a l l e n w i r d , f a n d e n s i e A r i s t o p h a n e s ’ S e e l e . “ 45 Er hat ihn [sc. Aristophanes] ferner in seinem Dialog Symposion lustig dargestellt, weil er [von ihm] in der Komödie Nutzen zog: Denn als er ihn einen Hymnos auf den Eros besingen lassen hat, stellte er ihn so dar, dass er mittendrin einen Schluckauf hatte und den Hymnos nicht zu Ende bringen konnte. 46 Er hat auch tragische und dithyrambische Gedichte und noch andere geschrieben, diese aber alle verbrannt, nachdem er die Art der sokratischen Unterredung kennengelernt hat, und dann hat er einen solchen Vers gesagt: „ H e p h a i s t o s , k o m m d o c h h e r a u s ! P l a t o n b r a u c h t j e t z t d e i n e H i l f e ! “ 47 Ein Grammatiker namens Anatolios ist damals hier berühmt geworden, indem er dieses Gedicht für Hephaistos 48 zitierte, der als Archon der Stadt eingesetzt wurde 49 ; aber er sagte das wie folgt: „ H e p h a i s t o s , k o m m d o c h h e r a u s ! P h a r o s b r a u c h t j e t z t d e i n e H i l f e ! “ Man erzählt, dass Sokrates, als er ihn [sc. Platon] aufnehmen wollte, einen Traum hatte, dass ein Schwan ohne Flügel auf seinen Knien saß, der plötzlich Flügel bekam und in die Luft flog, dann einen angenehmen Schrei ausstieß, sodass alle, die ihn hörten, bezaubert wurden. Das soll ein Zeichen für den zukünftigen Ruhm dieses Mannes gewesen sein. Nach dem Tod des Sokrates hatte er zuerst Kratylos den Heraklitäer zum Lehrer, 50 für den er einen Dialog 60 65 70 75 80 85 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 139 <?page no="140"?> Ἡρακλειτείῳ , εἰς ὃν καὶ διάλογον ὁμώνυμον ἐποίησεν , ἐπιγράψας ‘Κ ρ α τ ύ λ ο ς ἢ π ε ρ ὶ ὀ ρ θ ό τ η τ ο ς ὀ ν ο μ ά τ ω ν ’ . μετὰ τοῦτον δὲ πάλιν στέλλεται εἰς Ἰταλίαν καὶ διδασκαλεῖον εὑρὼν ἐκεῖ τῶν Πυθα γορείων συνιστάμενον Ἀρχύταν πάλιν ἔσχε διδάσκαλον τὸν Πυθαγό ρειον · φέρεται δὲ αὐτοῦ καὶ διάλογος ὁ Φίληβος Πυθαγορείου τινὸς ὁμώνυμος , ἔνθα καὶ Ἀρχύτου μέμνηται . Ἐπειδὴ δὲ δεῖ τὸν φιλόσοφον φιλοθεάμονα εἶναι τῶν τῆς φύσεως ἔργων , στέλλεται καὶ εἰς Σικελίαν θεασόμενος τοὺς κρατῆρας τοῦ πυρὸς τοὺς ἐν τῇ Αἴτνῃ , καὶ οὐ Σ ι κ ε λ ι κ ῆ ς τ ρ α π έ ζ η ς χάριν , ὦ γενναῖε Ἀριστείδη , ὡς σὺ φῄς . γενόμενος δὲ ἐν Συρακούσαις πρὸς Διο νύσιον τὸν μέγαν τύραννον ὄντα ἐπειρᾶτο εἰς ἀριστοκρατίαν μεταβάλ λειν τὴν τυραννίδα , διὸ καὶ πρὸς αὐτὸν ἀφίκετο . καὶ τοῦ Διονυσίου ἐρομένου αὐτὸν ‘τίνα νομίζεις ἐν ἀνθρώποις εὐδαίμονα ε ἶναι ; ’ ὡς δὴ νομίζων ὅτι περὶ αὐτοῦ φήσει ὁ φιλόσοφος κολακεύων αὐτόν , ὁ δὲ ἀπεκρίνατο ὅτι ‘Σωκράτην’ . πάλιν ἐπανήρετο αὐτὸν ‘τί νομίζεις ἔργον ἀνδρὸς εἶναι πολιτικοῦ ; ’ ὁ δὲ ἀπεκρίνατο ‘τὸ τοὺς πολίτας βελτίους ποιεῖν . ’ τρίτον αὐτὸν ἐπανήρετο ‘τί οὖν ; τὸ ὀρθῶς δικάζειν σμικρόν σοι δοκεῖ ; ’ δόξαν γὰρ εἶχεν ὁ Διονύσιος ἐπὶ τῷ ὀρθῶς δικάζειν · ὁ δὲ ἀπεκρίνατο μηδὲν ὑποστειλάμενος ‘σμικρὸν μὲν οὖν καὶ μέρος ἔσχατον · ἀκεσταῖς γὰρ ἐοίκασιν οἱ ὀρθῶς δικάζοντες , οἵτινες τὰ διερρωγότα ἱμάτια ἀνυφαίνουσιν . ’ τέταρτον αὐτὸν ἐπανήρετο ‘τὸ τύραννον εἶναι οὐκ ἀνδρεῖον ; ’ ‘πάντων μὲν οὖν’ ἔφη ‘δειλότατον , ὁπότε καὶ τὰ κουρευτικὰ μαχαιρίδια δέδοικεν , μὴ διὰ τούτων ἀπόληται . ’ ἐπὶ τούτοις οὖν ὁ Διονύ σιος ἀγανακτήσας προεῖπεν αὐτῷ ἡλίου ὄντος ὑπὲρ γῆς ἐκ τῶν Συρα κουσῶν ἀπαλλάττεσθαι . καὶ οὕτως ἀτίμως ὁ Πλάτων ἀπὸ τῶν Συρα κουσῶν ἐδιώχθη . Τῆς δὲ δευτέρας ὁδοῦ τῆς εἰς Σικελίαν αἰτία αὕτη . μετὰ τὸν θάνατον Διονυσίου τοῦ μεγάλου διαδέχεται τὴν τυραννίδα Διονύσιος ὁ Διονυσίου , μητρὸς ἀδελφὸν ἔχων τὸν Δίωνα , ὃς ἐκ τῆς πρώτης ὁδοῦ ὁμιλητὴ ς ἐγένετο Πλάτωνος . γράφει οὖν αὐτῷ ὁ Δίων ὅτι ‘ἐὰν παραγένῃ νῦν ἐλπίς ἐστι μεταβαλεῖν τὴν τυραννίδα εἰς ἀριστοκρατίαν . ’ διὰ τοῦτο τοίνυν τὴν δευτέραν ὁδὸν ποιησάμενος καὶ διαβληθεὶς ὑπὸ τῶν δορυ φόρων τοῦ Διονυσίου πρὸς αὐτόν , ὡς βουλεύεται τὴν ἀρχὴν περιποιῆσαι τῷ Δίωνι καὶ καταλῦσαι τὸν Διονύσιον , κρατηθεὶς ὑπ’ αὐτοῦ παρεδόθη Πόλλιδι τῷ Αἰγινήτῃ ἐμπορευομένῳ εἰς Σικελίαν πρ ὸς πρᾶσιν . ὁ δὲ ἀγαγὼν αὐτὸν εἰς Αἴγιναν εὗρεν Ἀννίκεριν ἐκεῖ τὸν Λίβυν μέλλοντα πλεῖν ἐπὶ τὴν Ἦλιν ἐφ’ ᾧ τεθρίππῳ ἀγωνίσασθαι . περιτυχὼν οὖν τῷ Πόλλιδι ὠνεῖται παρ’ αὐτοῦ τὸν Πλάτωνα , κρείττω τὴν δόξαν ταύτην 90 95 100 105 110 115 120 125 140 C. Text und Übersetzung <?page no="141"?> mit dem gleichen Namen geschrieben hat und den er mit „ K r a t y l o s o d e r Ü b e r d i e R i c h t i g k e i t d e r N a m e n “ überschrieben hat. Danach ging er nach Italien und als er da eine Schule fand, die von Pythagoreern gegründet worden war, ist Archytas der Pythagoreer sein nächster Lehrer geworden. Auch über seinen Dialog Philebos wird überliefert, dass er nach einem Pythagoreer mit dem gleichen Namen benannt sei, in dem er auch Archytas erwähnt. 51 Da ein Weisheitsfreund (philo - sophos) gleichzeitig ein Freund des Betrachtens 52 (philo - theamon) der Werke der Natur sein soll, ging er auch nach Sizilien, um die feuerspeienden Krater auf dem Ätna zu beobachten und nicht um der s i z i l i s c h e n T a f e l willen, wie du, verehrter Aristeides, behauptest. 53 Er ist in Syrakus bei Dionysios dem Großen gewesen, als dieser Tyrann war und versuchte, die Tyrannis in eine Aristokratie zu verwandeln, weshalb er auch zu ihm gegangen ist. Als Dionysios ihn gefragt hat 54 : „ Wen unter den Menschen schätzt du als glücklich 55 ein? “ - er dachte nämlich, dass der Philosoph ihn beim Namen nennen würde, um ihm zu schmeicheln - antwortete er: „ Sokrates “ . Wiederum fragte er ihn: „ Was bezeichnest du als die Aufgabe eines Politikers? “ , und er antwortete: „ Seine Bürger besser zu machen “ 56 . Ein drittes Mal fragte er ihn: „ Wie jetzt? Erscheint es dir etwa unwichtig, gerecht zu urteilen? “ Denn Dionysios war berühmt für gerechtes Urteilen. Er antwortete aber, ohne zurückzuweichen: „ Eine unwichtige Sache und der niedrigste Teil [derAufgaben des Politikers]: Denn diejenigen, die gerecht urteilen, sind wie Ausbesserer, die die zerrissenen Gewänder flicken “ 57 . Eine vierte Frage stellte er: „ Findest du einen Tyrannen nicht tapfer? “ . „ Er ist der feigste von allen “ , sagte er, „ Er hat sogarAngst vor dem Messer seines Barbiers, dass dieser ihn damit töten könnte “ . Daraufhin wurde Dionysios wütend und verkündete ihm, dass er noch vor Sonnenuntergang aus Syrakus weggehen müsse. Derart entwürdigend wurde Platon aus Syrakus vertrieben. Der Grund seiner zweiten Reise nach Sizilien ist wie folgt: Nach dem Tod Dionysios des Großen übernahm sein Sohn Dionysios die Tyrannis, dessen Mutter Dion als Bruder hatte, der auf seiner ersten Reise ein Begleiter Platons gewesen ist. Also schrieb Dion ihm: „ Wenn du jetzt bei [uns] wärst, besteht Hoffnung auf einen Wandel der Tyrannis in eine Aristokratie “ . Nachdem er also aus diesem Grund die zweite Reise unternommen hatte und von den Leibwächtern des Dionysios diesem gegenüber beschuldigt wurde, dass er vorhätte, die Herrschaft Dion zu verschaffen und Dionysios abzusetzen, wurde er von ihm festgenommen und dem Pollis aus Ägina, der auf einer Handelsschifffahrt nach Sizilien war, zum Verkauf übergeben. Er aber, nachdem er ihn nach Ägina gebracht hat, fand dort Annikeris den Libyer, der eine Schifffahrt nach Elis plante, um am Wagenrennen teilzunehmen. So begegnete er Pollis und kaufte 90 95 100 105 110 115 120 125 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 141 <?page no="142"?> πάσης ἐν τεθρίππῳ νίκης ἀγωνισάμενος · περὶ οὗ καὶ Ἀριστείδης φησὶν ὅτι οὐδεὶς ἐγίνωσκεν Ἀννίκεριν , εἰ μὴ Πλάτωνα ἐπρίατο . Τῆς δὲ τρίτης ὁδοῦ πάλιν ἀφορμὴ γέγονεν τῆς εἰς Σικελίαν αὕτη . δημευθεὶς ὁ Δίων ὑπὸ τοῦ Διονυσίου καὶ ἀφαιρεθεὶς τῶν ὄντων ἐν δεσμωτηρίῳ ἐβλήθη . γράφει οὖν τῷ Πλάτωνι ὅτι ὑπέσχετο Διονύσιος ἀφεῖναι αὐτόν , εἰ Πλάτων αὖθις ἀφίξεται πρὸς αὐτόν · ὁ δὲ τῷ ἑταίρῳ βοηθήσων ἑτοίμως ὑπέστη καὶ τὴν τρίτην ὁδόν . καὶ ταῦτα μὲν περὶ τῆς ἀποδημίας τοῦ φιλοσόφου τῆς εἰς Σικελίαν . Ἰστέον δὲ ὅτι καὶ εἰς Αἴγυπτον ἀπῆλθεν πρὸς τοὺς ἐκεῖ ἱερατικοὺς ἀνθρώπους καὶ ἔμαθεν παρ’ αὐτῶν τὴν ἱερατικήν . διὸ καὶ ἐν τῷ Γοργίᾳ φησὶν ‘ο ὐ μ ὰ τ ὸ ν κ ύ ν α τ ὸ ν π α ρ ’ Α ἰ γ υ π τ ί ο ι ς θ ε ό ν ’ · ὃ γὰρ παρὰ τοῖς Ἕλλησι δύναται τὰ ἀγάλματα , τοῦτο παρὰ τοῖς Αἰγυπτίοις τὰ ζῷα , σύμβολα ὄντα ἑκάστου τῶν θεῶν ᾧ ἀνάκεινται . βουλόμενος δὲ καὶ τοῖς μάγοις ἐντυχεῖν , διὰ τὸ κατ’ ἐκεῖνον τὸν καιρὸν ἐν Περσίδι συνεστάναι πόλεμον μὴ δυνηθεὶς παρ’ αὐτοὺς ἐλθεῖν ἀφίκετο εἰς τὴν Φοινίκην καὶ μάγοις ἐκεῖ ἐντυχὼν παρέλαβεν τὴν μαγικήν . διὸ καὶ ἐν τῷ Τιμαίῳ φαίνεται τῆς θυτικῆς ἔμπειρος ὤν , σημεῖά τε λέγων ἥπατος καὶ σπλάγχνων καὶ τοιαῦτά τινα . ἀλλὰ ταῦτα μὲν πρὸ τῶν αἰτίων τῶν εἰς Σικελίαν ἀφίξεων ἔδει ῥηθῆναι . Ἀφικόμενος δὲ εἰς τὰς Ἀθήνας διδασκαλεῖον ἐν Ἀκαδημίᾳ συνεστή σατο , μέρος τι τούτου τοῦ γυμνασίου τέμενος ἀφορίσας ταῖς Μούσαις . καὶ μόνῳ τῷ Πλάτωνι ἐνταῦθα Τίμων ὁ μισάνθρωπος συνῆν · πολλοὺς δὲ πάνυ πρὸς μάθησιν ἐφείλκετο καὶ ἄνδρας καὶ γυναῖκας ἀνδρείῳ σχήματι παρασκευάζων ἀκροᾶσθαι αὐτοῦ καὶ κρείττονα πάσης φιλοπονίας τὴν ἑαυτοῦ φιλοσοφίαν ἐπιδεικνύς . καὶ γὰρ καὶ τῆς Σωκρατικῆς εἰρωνείας ἀπήλλακτο καὶ τοῦ ἐν ἀγορᾷ καὶ ἐπὶ τῶν ἐργαστηρίων διατρίβειν καὶ τοὺς νέους θηρῶντα ποιεῖσθαι τοὺς λόγους · ἀπήλλακτο δὲ καὶ τοῦ σεμνοῦ ὄγκου τῶν Πυθαγορείων καὶ τοῦ ἀποκεκλεισμένας ἔχειν τὰς θύρας καὶ τοῦ ‘ α ὐ τ ὸ ς ἔ φ α ’ , πολιτικώτερον ἑαυτὸν παρέχων πρὸς ἅπαντας . πολλοὺς τοίνυν ἐραστὰς αὑτοῦ καταστήσας καὶ πλείστους ὠφελήσας , μέλλων τελευτᾶν ἐνύπνιον εἶδεν ὡς κύκνος γενόμενος ἀπὸ δένδρου εἰς δένδρον μετέρχεται καὶ ταύτῃ πόνον πλεῖστον παρεῖχε τοῖς ἰξευταῖς . ὃ Σιμμίας ὁ Σωκρατικὸς ἔκρινεν , ὅτι ἄληπτος ἔσται τοῖς μετ’ αὐτὸν ἐξηγεῖσθαι βουλομένοις αὐτόν · ἰξευταῖς γὰρ ἐοίκασι οἱ ἐξηγηταὶ τὰς ἐννοίας τῶν ἀρχαίων θηρᾶσθαι πειρώμενοι , ἄληπτος δέ ἐστιν ἐπειδὴ 2, 136 Olymp. add. οὐ , cf. Plat. Grg. 482b5. 130 135 140 145 150 155 160 142 C. Text und Übersetzung <?page no="143"?> Platon von ihm, und das brachte ihm einen größeren Ruhm als jeder Sieg für einen Teilnehmer beim Wagenrennen. Über diesen Mann sagt auch Aristeides, dass niemand von Annikeris gehört hätte, wenn er Platon nicht gekauft hätte. 58 Der Anreiz für seine dritte Reise zurück nach Sizilien war Folgendes: Dions Vermögen wurde von Dionysios eingezogen, er wurde seiner Güter beraubt und ins Gefängnis geworfen. Deswegen schrieb er Platon, Dionysios habe versprochen, ihn freizulassen, wenn Platon zu ihm zurückkehren würde. Er hat freiwillig auch diese dritte Reise auf sich genommen, um seinem Freund zu helfen. Diese sind [die Berichte] über den Aufenthalt des Philosophen auf Sizilien. Man muss wissen, dass er auch nach Ägypten zu den dortigen Menschen ging, die sich mit heiligen Praktiken auskannten, und von ihnen die heilige Kunst 59 erlernte. Deswegen sagt er im Gorgias: „ N e i n , b e i d e m H u n d , d e m G o t t d e r Ä g y p t e r “ . 60 Denn was bei den Griechen die Statuen der Götter bewirken, [tun] bei den Ägyptern die Tiere, als Symbole der jeweiligen Götter, denen sie geweiht sind. Da er auch den Magern begegnen wollte, diese aber wegen des Krieges, der zu diesem Zeitpunkt in Persien durchgeführt wurde, nicht erreichen konnte, kam er nach Phönizien und als er dort Mager traf, erhielt er die Lehre der Mager. Aus diesem Grund scheint er im Timaios auch erfahren in der Opferkunde zu sein, als er über die Zeichen der Leber und der Innereien und über ähnliche Themen spricht. 61 Aber diese Dinge hätten vor den Anlässen seiner Reisen nach Sizilien erzählt werden sollen. 62 Nachdem er in Athen angekommen war, gründete er eine Schule an [dem Ort] der Akademie, von diesem Gymnasium grenzte er einen Teil den Musen als eine Kultstätte ab. Und nur Platon leistete hier Timon der Misanthrop 63 Gesellschaft. Ziemlich viele Menschen hat er zum Lernen angeregt, Männer sowie Frauen, die bereit waren, in Männerkleidung 64 ihm zuzuhören und er demonstrierte, dass seine Liebe zur Weisheit (philosophia) stärker als jede Liebe zur Mühe (philoponia) 65 sei. Ferner nahm er von der sokratischen Ironie Abstand, sowohl sich auf der Agora und in den Läden aufzuhalten als auch die Jugendlichen zum Gespräch zu bewegen. Er nahm sowohl von dem überheblichen Stolz der Pythagoreer 66 Abstand, als auch davon, die Türen verschlossen zu halten und von dem [Spruch] “ e r s e l b s t h a t e s g e s a g t ” 67 , indem er sich gegenüber allen ziemlich politisch 68 erwies. Nachdem er sich bei vielen beliebt gemacht und einer großen Anzahl [von Menschen] geholfen hat, stand er kurz vor dem Tod und träumte, dass er zu einem Schwan werde, der von einem Baum zu einem anderen fliegt und auf diese Weise den Jägern größte Mühe macht. Simmias 69 der Sokratiker deutete [den Traum so], dass er für diejenigen ungreifbar sein wird, die nach ihm seine Werke erklären wollen. Denn die Exegeten gleichen den Jägern, die versuchen, die Gedanken der früheren Menschen zu erjagen; 130 135 140 145 150 155 160 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 143 <?page no="144"?> καὶ φυσικῶς καὶ ἠθικῶς καὶ θεολογικῶς καὶ ἁπλῶς πολλαχῶς ἐστὶν ἀκούειν τῶν αὐτοῦ , καθάπερ καὶ τῶν Ὁμήρου . δύο γὰρ αὗται ψυχαὶ λέγονται γενέσθαι παναρμόνιοι , διὸ παντοδαπῶς ἐστὶν ἀκούειν ἀμφοτέ ρων . ἀποθανόντος δὲ αὐτοῦ πολυτελῶς αὐτὸν ἔθαψαν οἱ Ἀθηναῖοι καὶ ἐπέγραψαν ἐν τῷ τάφῳ αὐτοῦ · ‘δ ύ ο Ἀ π ό λ λ ω ν φ ῦ σ ’ , Ἀ σ κ λ η π ι ὸ ν ἠ δ ὲ Π λ ά τ ω ν α , τ ὸ ν μ ὲ ν ἵ ν α ψ υ χ ή ν , τ ὸ ν δ ’ ἵ ν α σ ῶ μ α σ ό ο ι . ’ καὶ ταῦτα μὲν περὶ τοῦ γένους τοῦ φιλοσόφου , | λοιπὸν δὲ χωρητέον καὶ ἐπὶ τὸ προκείμενον . Ὁ τοίνυν σκοπὸς τοῦ παρόντος διαλόγου , ὡς ὁ Πρόκλος φησίν , ἐστὶν περὶ τοῦ γνῶναι ἑαυτόν · καὶ τοῦτο πιστοῦται διὰ πολλῶν ἐπιχειρημάτων . πρῶτον μὲν ἐκ τῆς ἐπιγραφῆς , ἐπιγέγραπται γὰρ ‘ Ἀ λ κ ι β ι ά δ η ς μ ε ί ζ ω ν ἢ π ε ρ ὶ ἀ ν θ ρ ώ π ο υ φ ύ σ ε ω ς ’ · ‘μείζων’ δέ , ἐπειδή ἐστιν ἄλλος αὐτῷ Ἀλκιβιάδης ὁ ἐλάττων , ὥσπερ Ἱππίας μείζων καὶ ὁ ἐλάτ των . ἔπειτα δὲ καὶ ἀπὸ ῥησιδίων τινῶν ἐν τῷ διαλόγῳ λεγομένων κατα σκευάζει τοιοῦτον εἶναι τὸν σκοπόν , λέγεται γὰρ ἐν αὐτῷ · ‘ Ἀ λ λ ’ , ὦ μ α κ ά ρ ι ε , π ε ι θ ό μ ε ν ο ς ἐ μ ο ὶ κ α ὶ τ ῷ ἐ ν Δ ε λ φ ο ῖ ς γ ρ ά μ μ α τ ι , γ ν ῶ θ ι σ α υ τ ό ν ’ . καὶ πάλιν ἐν τῷ παρόντι διαλόγῳ τὰ τρία ἐκεῖνα προσρήματα διακρίνεται · ἐγώ , τὸ ἐμόν , τὰ τοῦ ἐμοῦ . κἀκ τοῦ λέγεσθαι ὅτι πάντες ὅσοι τοῦ Ἀλκιβιάδου σώματος ἠράσθησαν , οὐκ Ἀλκιβιάδου ἠράσθησαν , ἀλλά τινος τῶν αὐτοῦ κτημάτων , μόνος δὲ Σωκράτης Ἀλκιβιάδου αὐτοῦ ἠράσθη . ἔτι δὲ κἀκ τοῦ παραδίδοσθαι τὸ δίκαιον ἐνταῦθα καὶ τὸ συμφέρον ἀντιστρέφοντα , ᾧ δῆλον ὅτι περὶ ψυχῆς ὁ λόγος · ταύτῃ γὰρ μόνῃ συμφέρει τὸ δίκαιον , οὐ γὰρ τῷ συναμφοτέρῳ · ὁ γὰρ | Μενοικέως θάνατος δίκαιος μέν , ὡς ὑπὲρ πατρίδος , οὐ συνήνεγ κεν δὲ τῷ σώματι φθαρέντι . καὶ πάλιν ἐκ τοῦ μετὰ τὸ δεῖξαι ἐν τῷ πέρατι τοῦ διαλόγου ὅτι ψυχὴ ὁ ἄνθρωπος καταπαῦσαι τὸν λόγον , ὡς πάντων τῶν προειλημμένων πρὸς τὴν τούτου κατασκευὴν προλεχθέντων . καὶ ὅτι ὁ Σωκράτης οὐ μόνον ἀνάγειν σπουδάζει τὰ παιδικά , ἀλλὰ καὶ διὰ τῆς αὐτῆς ὁδοῦ ἧς καὶ αὐτὸς ἀνήχθη · λέγεται δὲ πρὸς φιλοσοφίαν ἐλθεῖν ἐτοῦ Πυθικοῦ γράμματος τοῦ ‘ γ ν ῶ θ ι σ α υ τ ό ν ’ . ἔτι δὲ κἀκ τοῦ παρα δίδοσθαι ἐνταῦθα ῥησίδιον τοιοῦτον · ‘ α ὐ τ ό ’ , ‘ α ὐ τ ὸ τ ὸ α ὐ τ ό ’ . τοῦτο 2, 166 Olymp. δύο Ἀπόλλων φῦσ’ / Φοῖβος ἔφυσε βροτοῖς D. L. III.45,7. 167 Olymp. σόοι : σάοι D. L. III.45,8. 165 3 5 10 15 4 5 144 C. Text und Übersetzung <?page no="145"?> und er ist ungreifbar, da es möglich ist, seine Worte sowohl physisch als auch ethisch und theologisch und überhaupt mehrdeutig zu verstehen, genauso wie die des Homer. 70 Denn diese zwei Seelen sollen mit allem im Einklang 71 gewesen sein, daher kann man die beiden auf allen möglichen Weisen verstehen. Als er starb, bestatteten die Athener ihn großzügig und brachten diese Inschrift auf seinem Grab an: „ Z w e i h a t A p o l l o n e r s c h a f f e n : A s k l e p i o s u n d P l a t o n , D e n e i n e n , u m d i e S e e l e , d e n a n d e r e n , u m d e n K ö r p e r z u h e i l e n . “ 72 Aber so viel zu der Herkunft 73 des Philosophen, jetzt muss zum vorgenommenen Thema übergegangen werden. 74 Also geht die Absicht 75 des gegenwärtigen Dialogs darum, wie Proklos sagt, sich selbst zu erkennen. 76 Das wird auch durch viele erweiterte Argumente 77 glaubhaft. Erstens durch den Titel, denn er ist überschrieben mit „ d e r g r o ß e A l k i b i a d e s o d e r ü b e r d i e N a t u r d e s M e n s c h e n “ . „ Groß “ also, da es von ihm [sc. Platon] einen anderen Alkibiades, den kleinen, gibt, 78 genauso wie es einen großen und einen kleinen Hippias [gibt]. Zweitens leitet er [sc. Proklos] aus einigen auch im Dialog genannten Äußerungen ab, dass die Absicht [des Dialogs] so beschaffen sei, denn dort wird gesagt: „ D a r u m , m e i n B e s t e r , h ö r a u f m i c h u n d a u f d e n S p r u c h i n D e l p h i , e r k e n n e d i c h s e l b s t “ . 79 Ferner lassen sich im gegenwärtigen Dialog diese drei Bezeichnungen 80 genau unterscheiden: ich, das Meinige und das, was dem Meinigen [gehört]. 81 Auch [geht es] daraus [hervor], dass es [im Dialog] gesagt wird, dass alle, die den Körper des Alkibiades lieben, nicht Alkibiades lieben, sondern eines seiner Besitztümer, und allein Sokrates Alkibiades selbst liebt. Weiterhin daraus, dass es zugegeben wird, dass das Gerechte und das Nützliche hier [in diesem Dialog] einander entsprechen, 82 wodurch es deutlich wird, dass es eine Diskussion über die Seele ist. Denn nur für die [Seele] ist das Gerechte nützlich, dagegen nicht für die Kombination von beidem [sc. Seele und Körper]. Der Tod des Menoikeus 83 war zwar gerecht, da er fürs Vaterland geschah, aber er war nicht nützlich für seinen Körper, weil dieser vernichtet wurde. Und wiederum [folgt es] daraus, dass er seine Rede beendet, nachdem er am Ende des Dialogs aufzeigt, dass die Seele der Mensch ist, sodass alles, was zuvor angenommen wurde, für die Erstellung dieses [Arguments] im Voraus geäußert wurde. Ferner, dass Sokrates sich nicht nur darum bemüht, seinen Liebling hinaufzuführen 84 , sondern das auch durch denselben Weg [zu bewirken], durch den er selbst hinaufgeführt wurde. Man sagt nämlich, er [sc. Sokrates] sei zur Philosophie aufgrund der pythischen Inschrift „ E r k e n n e d i c h s e l b s t “ gelangt. Des Weiteren [geht es] daraus [hervor], dass er hier eine solche 165 3 5 10 15 4 5 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 145 <?page no="146"?> δὲ ἄλλως μὲν ἀκούει ὁ Πρόκλος , ἄλλως δὲ ὁ Δαμάσκιος . ὁ μὲν γὰρ Πρόκλος ‘ α ὐ τ ό ’ φησιν τὴν τριμέρειαν τῆς ψυχῆς ἤτοι τὴν ἁπλῶς ψυχήν , ‘ α ὐ τ ὸ ’ δὲ ‘ τ ὸ α ὐ τ ὸ ’ τὴν λογικὴν ψυχήν · ὁ δὲ Δαμάσκιος οὐχ οὕτως , ἀλλ’ ‘ α ὐ τ ὸ ’ μέν φησι τὴν λογικὴν ψυχήν , ‘ α ὐ τ ὸ ’ δὲ ‘ τ ὸ α ὐ τ ὸ ’ τὸ ἀκρότατον καὶ νοερώτατον τῆς ψυχῆς . καὶ ὁ μὲν Πρόκλειος σκοπὸς οὗτος . Ὁ δὲ Δαμάσκιος ἀκριβέστερον καὶ ἀληθέστερον παραδιδοὺς τὸν σκοπὸν οὐχ ἁπλῶς φησὶν αὐτὸν εἶναι περὶ τοῦ γνῶναι ἑαυτόν , ἀλλὰ περὶ τοῦ πολιτικῶς γνῶναι ἑαυτόν . τοῦτο δὲ κατασκευάζει ἐκ τοῦ ὁρίζεσθαι τὸν ἄνθρωπον ἐν τῷ διαλόγῳ τούτῳ ψυχὴν λογικὴν ὀργάνῳ κεχρημένην τῷ σώματι · μόνος δὲ ὁ πολιτικὸς ὀργάνῳ κέχρηται τῷ σώματι , δεόμενος ἔστιν ὅτε θυμοῦ , ὡς ὑπὲρ πατρίδος , ἀλλὰ καὶ ἐπιθυμίας τοῦ εὖ ποιῆσαι τοὺς πολίτας . οὔτε δὲ ὁ καθαρτικὸς οὔτε ὁ θεωρητικὸς δεῖται τοῦ σώμα τος . καθαρτικὸς μὲν γάρ ἐστι ψυχὴ ἀπολυο | μένη τοῦ σώματος , τῶν δεσμῶν μέντοι μενόντων καὶ μὴ λυομένων , καθάπερ τοῦ Ἀμπρακικοῦ μειρακίου , ἀλλὰ διὰ τοῦ συμπαθοῦς λυομένων · ἔστιν γὰρ κ αὶ ἐνταῦθα ὄντας ἄνω εἶναι διά τινα συμπάθειαν θεωρητικῶς καὶ ἄνω ὄντας ἐνταῦθα εἶναι , τῆς ψυχῆς πτερορρυούσης καὶ κατιούσης ἐνταῦθα καὶ ἐπτοημένης περὶ αὐτὰ διὰ τὸ φιλοσώματον . θεωρητικὸς δέ ἐστι ψυχὴ ἀπολελυμένη τοῦ σώματος , πάλιν ἐνταῦθα λύσιν νοούντων ἡμῶν κατὰ τὸ ἄσχετον · ἡ γὰρ τοῦ θεωρητικοῦ ψυχὴ κατὰ < τὸ > θειότατον ἐν αὐτῇ ἐνεργοῦσα , οὕτω τοῦ ὀστρεΐνου καὶ πνευματικοῦ ὀχήματος ἀπολύεται . περὶ ἧς φησὶν καὶ ὁ ποιητὴς ‘ α ὐ τ ὰ ρ ὁ γ υ μ ν ώ θ η ῥ α κ έ ω ν π ο λ ύ μ η τ ι ς Ὀ δ υ σ σ ε ύ ς ’ · πολύμητις γὰρ ἀληθῶς ὁ θεωρητικὸς τῶν ῥακῶν τῶν τοιούτων ἀπαλ λαγείς . οὐκοῦν περὶ τοῦ πολιτικῶς γνῶναι ἑαυτὸν ὁ σκοπός , εἴγε καὶ ἐμποδὼν τῷ καθαρτικῷ καὶ θεωρητικῷ γίνεται τὸ σῶμα , γνωρίζεται δὲ ὁ μὲν καθαρτικὸς τῇ μετριοπαθείᾳ , ὁ δὲ θεωρητικὸς τῇ ἀπαθείᾳ . οὕτω μὲν ὁ Δαμάσκιος . Εἰ δὲ δεῖ καὶ ἡμᾶς τῷ Πρόκλῳ συνηγοροῦντας εἰς σύμβασιν ἄγειν αὐτῷ τὸν Δ αμάσκιον , φησὶν ὅτι περὶ μὲν τοῦ πολιτικῶς γνῶναι ἑαυτόν ἐστιν | ὁ σκοπὸς προηγουμένως . καὶ τοῦτο εἰκότως ῥητέον . ἐπειδὴ γὰρ 10 15 20 5 5 10 15 6 146 C. Text und Übersetzung <?page no="147"?> Redewendung angibt: „ S e l b s t “ , „ d a s S e l b s t s e l b s t “ . Das versteht Proklos aber auf eine Weise und Damaskios auf eine andere. Proklos sagt einerseits, 85 „ S e l b s t “ sei die Dreiteilung der Seele oder die Seele schlechthin, 86 „ d a s S e l b s t “ aber „ s e l b s t “ sei die vernunftbegabte Seele. Damaskios andererseits [versteht] es nicht so, sondern „ S e l b s t “ sei die vernunftbegabte Seele, „ d a s S e l b s t s e l b s t “ dagegen der höchste und intelligenteste [Teil] der Seele. Das ist also die Absicht [des Dialogs] nach Proklos. Damaskios aber gab die Absicht [des Dialogs] genauer und richtiger an, indem er sagt, dass diese nicht das Erkennen des Selbst schlechthin ist, sondern das Erkennen des Selbst auf politische Weise. 87 Diesen Schluss zieht er daraus, dass der Mensch in diesem Dialog als vernunftbegabte Seele, die den Körper als Werkzeug benutzt, definiert wird. 88 Denn nur der politische Mensch benutzt den Körper als Werkzeug, da er manchmal Mut braucht, um für sein Vaterland [zu kämpfen], aber auch Antrieb, um den Mitbürgern gute Taten zu erweisen. 89 Weder der kathartische Mensch noch der theoretische Mensch braucht den Körper. 90 Der kathartische Mensch ist die Seele, die sich vom Körper loslöst, obwohl ihre Fesseln noch bleiben und nicht gelöst sind - wie die [Fesseln] des ambrakischen Jungen 91 - sondern aufgrund der Sympathie gelöst werden. Denn es ist auch für die Wesen hier durch eine Sympathie möglich, auf eine theoretische Weise oben 92 zu sein und für die Wesen oben [ist es auch möglich] hier zu sein, wenn die Seele, nachdem sie ihr Gefieder abwirft, 93 hierher absteigt und wegen ihrer Körperliebe von diesen [Dingen hier] begeistert wird. Der theoretische Mensch aber ist die Seele, die sich bereits vom Körper losgelöst hat, wobei wiederum die Loslösung hier in unserer denkenden Tätigkeit gemäß dem Unabhängigen [in der Seele geschieht]. 94 Die Seele des theoretischen Menschen wird durch ihre Aktivität gemäß dem Göttlichsten in ihr selbst auf diese Weise von ihrem schalenartigen und pneumatischen Wagen 95 losgelöst. Darüber sagt auch der Dichter: „ E r a b e r e n t b l ö ß t e s i c h v o n d e n L u m p e n , d e r v i e l k l u g e O d y s s e u s “ 96 Daher ist der theoretische Mensch, der sich von solchen alten Lumpen 97 befreit, in der Tat sehr klug. 98 Folglich ist die Absicht [des Dialogs] sich selbst auf politische Weise zu erkennen, zumal wenn der Körper dem kathartischen und dem theoretischen Menschen ein Hindernis wird, und der kathartische Mensch wird durch seine Mäßigung in den Affekten erkannt, der theoretische aber durch seine Affektlosigkeit. So ist es nach Damaskios. Wenn es aber auch unsere Aufgabe ist, die wir Proklos vertreten, 99 Damaskios in Übereinstimmung mit ihm zu bringen, so sagt er 100 , die Absicht [des Dialogs] sei vorwiegend, sich selbst auf politische Weise zu erkennen. Das soll in 10 15 20 5 5 10 15 6 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 147 <?page no="148"?> ὁ Σωκράτης ἑώρα τὸν Ἀλκιβιάδην ᾄ τ τ ο ν τ α π ρ ὸ ς τ ὰ π ο λ ι τ ι κ ὰ πράγματα , ἐνόησεν ὅτι οὐχ ἑτοίμως ἀνέξεται τῆς περὶ τοῦ γνῶναι τὴν ψυχὴν καὶ ἑαυτὸν ζητήσεως , εἰ μὴ καὶ περὶ τῆς αὐτῷ προσούσης ἐπιθυ μίας λόγον ποιήσεται . τοιαύτη γὰρ ἡ Πλάτωνος φιλοσοφία , πολλὴν ὑπερβολὴν ἔχουσα πρὸς τὰς ἄλλας · ἐοίκασι γὰρ αἱ Σωκρατικαὶ νουθε τήσεις καθαρσίοις ἀλύποις καὶ φαρμάκοις μέλιτι δεδευμένοις . οὐ γὰρ διὰ τῶν ἐναντίων ἐπανορθοῦται τὰς ψυχάς , ὥσπερ Ἱπποκράτης κελεύει τὰ σώματα , λέγων τ ὰ ἐ ν α ν τ ί α τ ῶ ν ἐ ν α ν τ ί ω ν ἰ ά μ α τ α · οὐδ’ ὥσπερ Ἀριστοτέλης παρακελεύεται τὸν θυμὸν τῇ ἐπιθυμίᾳ παύειν , τὴν δὲ ἐπιθυμίαν τῷ θυμῷ , τουτέστι τοῖς ἐναντίοις · οὐδ’ ὡς οἱ Πυθαγόρειοι διὰ τῆς ἀπογεύσεως τῶν παθῶν καὶ τὸ λεγόμενον ἄ κ ρ ῳ δ α κ τ ύ λ ῳ . τὸν γὰρ τ οῖς πάθεσι φλεγμαίνοντα οὐκ ἄν τις ἰάσαιτο , φασί , μὴ σμικρὸν αὐτοῖς ἐνδούς . διὸ καὶ παρὰ τῷ ποιητῇ πεποίηται ἡ Ἀθηνᾶ προτρέπουσα τὸν Πάνδαρον ἐπιορκεῖν , ὡς | ὠδίνοντα πρὸς τοῦτο · εἰ μὴ γὰρ οὕτω νοήσομεν , ἄτοπον ἔσται θεὸν νομίζειν ἐκκαλεῖσθαι πρὸς τὸ ἁμαρτάνειν · διὰ τοῦτο δὲ καὶ ὁ ποιητὴς τῇ γλώττῃ ποιεῖ αὐτὸν κολαζόμενον , εἰς ἣν καὶ ἐπιώρκησεν . ὁ οὖν Σωκράτης οὐχ οὕτως ἐπανορθοῦται τὰς ψυχάς , ὥσπερ οἱ προειρημένοι , ἀλλὰ διὰ τῶν ὁμοίων μᾶλλον · εἰ μέν τίς ἐστιν ἐρωτικός , λέγων ‘μάθε τίς ὁ τῶν καλῶν ἔρως’ · εἰ δέ τις φιλοχρήματος , φαμὲν ‘μάθε τί τὸ αὔταρκες’ · εἰ δὲ φιλήδονος , ‘τίς ἡ ἀληθῶς ῥᾳστώνη , ἣν καὶ θεοῖς ὁ ποιητὴς ἀνατίθησι , λέγων “ θ ε ο ὶ ῥ ε ῖ α ζ ώ ο ν τ ε ς ” ’ . ὥστε καὶ πρὸς τὸν Ἀλκιβιάδην τοιοῦτος ὢν καὶ περὶ τοῦ πολιτικῶς ἑαυτὸν γνῶναι ποιεῖται τὸν λόγον , παρεμμέμικται δὲ καὶ περὶ τοῦ καθαρτικῶς καὶ θεωρητικῶς . φησὶ γὰρ ἐνταῦθα ὅτι ‘ὥσπερ εἰ ὁ δημιουρ γὸς προσέταξε τῷ ὄμματι “ἴδε σεαυτό” , διὰ τὸ μὴ εἶναι αὐτοκίνητον οὐκ ἂν ἐδύνατο τοῦτο ποιεῖν , ἀλλ ’ εἰς ἕτερον ἂν ἀπέβλεπεν ὀφθαλμόν , καὶ τούτου οὐκ εἰς τυχὸν μέρος , ἀλλ’ εἰς τὸ τὴν ὀπτικὴν ἐμπεπιστευμένον ἐνέργειαν , ὃ καὶ κόρη καλεῖται διὰ τὸ | ἐν αὐτῷ φαίνεσθαι τὰ εἴδωλα , οὕτω καὶ σύ , ὦ Ἀλκιβιάδη , ἐπειδὴ τὸ ἐν σοὶ αὐτοκίνητον ἀπετύφλωσας ταῖς ἀλόγοις ἐνεργείαις ἐκδοὺς σεαυτόν , ἀπόβλεψον εἰς ἐμέ , τουτέστι τὴ ν Σωκρατικὴν ψυχήν , καὶ ταύτης μὴ εἰς τὸ τυχὸν μέρος , ἀλλ’ εἰς τὸ ἀκρότατον , καὶ ὄψει ἐν ἐμοὶ νοῦν καὶ θεόν’ . διὰ μὲν οὖν τοῦ εἰπεῖν 5 10 7 5 10 8 5 148 C. Text und Übersetzung <?page no="149"?> plausibler Weise erklärt werden. Denn als Sokrates Alkibiades beobachtete, wie er sich a u f d i e Angelegenheiten d e r P o l i s s t ü r z t , 101 wusste er, dass er [sc. Alkibiades] es nicht bereitwillig ertragen würde, über die Erkenntnis seiner Seele und über sich selbst befragt zu werden, wenn er [sc. Sokrates] nicht über sein gegenwärtiges Verlangen nach ihm redete. So ist nämlich die Philosophie Platons, die eine große Überlegenheit gegenüber allen anderen besitzt: Denn die sokratischen Ermahnungen sind ähnlich wie schmerzlose Reinigungen und mit Honig verabreichte Medikamente. Er berichtigt die Seelen nämlich nicht durch die Gegensätze, wie Hippokrates sie für die Körper verschreibt, wenn er sagt, d i e G e g e n s ä t z e s i n d H e i l m i t t e l d e r G e g e n s ä t z e . 102 Noch [heilt er] wie Aristoteles empfiehlt, 103 die Willenskraft durch Begierde, die Begierde wiederum durch die Willenskraft, das heißt, [diese] mit ihren Gegensätzen auszulöschen. Auch nicht wie die Pythagoreer durch die Verkostung der Affekte, nämlich, wie man sagt, m i t d e n F i n g e r s p i t z e n 104 : Denn sie sagen, niemand könne eine Person heilen, die von Affekten entflammt ist, ohne diesen ein kleines Zugeständnis zu machen. Daher wird also auch bei dem DichterAthene beschrieben, als sie Pandaros dazu treibt, den Eid zu brechen, der danach trachtete. 105 Wenn wir aber nicht so gedacht hätten, wäre es unangebracht zu denken, dass ein Gott zur Verfehlung auffordert. Deswegen lässt auch der Dichter [sc. Homer] ihn mit seiner Zunge bestrafen, in Anbetracht dessen, dass er auch [damit] den Meineid leistete. 106 Sokrates nun berichtigt die Seelen nicht so, wie die vorhin genannten [Philosophen], sondern vielmehr durch die gleichen [Mittel]. 107 Wenn also jemand verliebt ist, sagt er: „ Lerne, was die Liebe des Schönen ist “ . 108 Wenn dagegen jemand geldverliebt ist, sagen wir: „ Lerne, was die Selbstgenügsamkeit ist “ . Wenn jemand Vergnügen liebt, [sagen wir]: „ Lerne, was die wahrhafte Unbeschwertheit ist, die der Dichter auch den Göttern zuschreibt, indem er sagt: ‚ G ö t t e r , d i e u n b e s c h w e r t l e b e n ‘ 109 “ . Auf diese Weise verhält er sich auch gegenüber Alkibiades und spricht darüber, sich selbst auf politische Weise zu erkennen, dazu wird aber [ein Gespräch] über [die Selbsterkenntnis] auf kathartische und auf theoretische Weise beigemischt. 110 Denn er sagt hier: „ Genauso wie der Demiurg dem Auge befiehlt ‚ Blicke auf dich selbst ‘ , das [Auge] aber, weil es nicht durch sich selbst bewegt ist, 111 nicht in der Lage ist, dies zu tun, sondern auf ein anderes Auge blickt, und nicht auf irgendeinen beliebigen Teil von ihm, sondern auf den [Teil], dem das Sehvermögen anvertraut wird, - dies wird auch Pupille genannt, da Abbilder in ihm erscheinen - , so auch du, Alkibiades, da du die Selbstbewegung in dir ausgeblendet hast, indem du dich unvernünftigen Aktivitäten widmest, blicke auf mich, das heißt auf die Seele von Sokrates, und davon nicht auf irgendeinen beliebigen Teil, sondern auf den Seelengipfel, 112 und so wirst du in 5 10 7 5 10 8 5 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 149 <?page no="150"?> ‘ἀπόβλεψον εἰς ἐμὲ’ δεδήλωκεν ὅτι περὶ τοῦ γνῶναι πολιτικῶς ἑαυτόν ἐστιν ὁ σκοπός · διὰ δὲ τοῦ εἰπεῖν ‘μὴ εἰς τὸ τυχόν’ , ὅτι καὶ καθαρτικῶς , τοῦ γὰρ ἀκροτάτου τῆς ψυχῆς τὸ καθαίρειν ἑαυτόν · διὰ δὲ τοῦ ‘ὄψει ἐν ἐμοὶ νοῦν’ , ὅτι καὶ θεωρητικῶς , πρέπει γὰρ τῷ θεωρητικῷ τὸ κατὰ τὸν νοῦν τοῖς πράγμασιν ὁμιλεῖν · διὰ δὲ τοῦ ‘καὶ θεόν’ , ὅτι καὶ ἐνθουσιαστι κ ῶς , κατὰ γὰρ τὸ ἐν ἡμῖν θεῖον ἐνθουσιῶμεν , ἁπλοῦν ὂν ὥσπερ καὶ τὸ θεῖον αὐτό . διὰ τοῦτο γὰρ καὶ οἱ παῖδες μᾶλλον καὶ οἱ ἐν ἀγροῖς διατρί βοντες , ὡς ἀφελεῖς καὶ ἁπλοῖ , ἐνθουσιῶσιν · ἀφαντασίαστος γὰρ ὁ ἐνθου σιασμός , διὸ καὶ φαντασίᾳ λύεται ὡς ἐναντίᾳ οὔσῃ . Ἐπειδὴ δὲ τοῦ Δελφικοῦ γράμματος ἐμνήσθημεν τοῦ ‘ γ ν ῶ θ ι σ α υ τ ό ν ’ , ἰστέον ὅτι οὐ μάτην πρὸ τοῦ ναοῦ ἐγέγραπτο · ἀλλ’ ἐπειδὴ πάντας τοὺς ἀφικνουμένους ἐκεῖ ἑώρα ἢ περὶ παίδων ἐρωτῶντας , ὡς ὁ Λάϊος , ἢ περὶ ἀρχῶν , ὡς ὁ Κύλων , ἢ περὶ πολέμων , ὡς ὁ Κροῖσος , ἑαυτοῦ δὲ μηδένα λόγον ποιούμενον κατὰ τὸ Μεγαρικὸν ἐκεῖνο , διὰ τοῦτο ἐγράφη πρῶτον ἑαυτοῦ φροντίζειν καὶ γινώσκειν ἑαυτὸν καὶ τότε τὰ ἄλλα . διὰ δὲ τοῦ προστάγματος τὸ προσταχθὲν ἐδήλωσε , τουτέστιν | ὅτι ψυχὴ λογικὴ ὁ ἄνθρωπος . φησὶ γὰρ ‘ γ ν ῶ θ ι σ α υ τ ό ν ’ , τοῦτο δὲ πρὸς τὴν γνωστικὴ ν εἶπεν ψυχήν . οὐ γὰρ τὸ σῶμα γινώσκει , ἀλλ’ οὐδὲ τὸ συναμφότερον κατὰ τὸ σῶμα · ἡ δὲ φυτικὴ οὐ γινώσκει . ἀλλ’εἴποι ἄν τις ὅτι εἰ καὶ μὴ αὕτη , ἀλλ’ οὖν ἡ ἄλογος · ἀλλ’ οὐ περὶ ταύτης φησίν , ἐπήγαγεν γὰρ ‘ σ α υ τ ό ν ’ · ἡ δὲ ἄλογος οὐχ ἑαυτὴν γινώσκει , οὔτε γὰρ ἐπιστρέφει πρὸς ἑαυτήν , ἀλλὰ μόνη ἡ λογική . ἀλλὰ καὶ τὰ οὐράνια καὶ γινώσκουσι καὶ ἑαυτὰ γινώσκουσιν ὡς ἐπιστρέφοντα · ἀλλ’ οὐδὲ τούτοις ἁρμόττει τὸ ‘ γ ν ῶ θ ι σ α υ τ ό ν ’ , ἐξ ἀγνοίας γὰρ φησὶν ἐπὶ γνῶσιν μεταβεβλῆσθαι εἰπὼν ‘ γ ν ῶ θ ι ’ , ὅπερ τελειότης ἐστὶ τῆς ψυχῆς · ἐκεῖνα δὲ ἀεὶ γινώσκουσιν , ὥστε πρὸς τὴν λογικὴν μόνην φησίν . ὅπερ οὖν παρὰ 10 15 20 9 5 10 150 C. Text und Übersetzung <?page no="151"?> mir die Vernunft und den Gott sehen “ . 113 Nun, durch die Aussage „ blicke auf mich “ hat er verdeutlicht, dass es die Absicht [des Dialogs] ist, sich selbst auf politische Weise zu erkennen. Und durch die Aussage „ nicht auf einen beliebigen Teil davon “ , dass es auf kathartische Weise [Selbsterkenntnis ist], denn es ist die Aufgabe des Seelengipfels 114 , sie zu reinigen. Weiterhin durch die Aussage „ du wirst in mir die Vernunft sehen “ , dass es auf theoretische Weise [Selbsterkenntnis ist], denn sich mit den Gegebenheiten gemäß der Vernunft zu beschäftigen, gehört dem theoretischen Menschen. Schließlich durch [die Aussage] „ auch den Gott “ , dass es auf inspirierte Weise 115 [Selbsterkenntnis ist], denn durch das Göttliche in uns werden wir inspiriert, das so einfach ist wie auch das Göttliche selbst. Deswegen werden meistens Kinder und diejenigen, die auf den Feldern beschäftigt sind, inspiriert, da sie schlichte und einfache Menschen sind. Denn die Inspiration benötigt keine Vorstellungskraft, 116 weshalb sie sich durch die Vorstellungskraft auflöst, da diese ihr Gegensatz ist. Da wir also die delphische Inschrift „ E r k e n n e d i c h s e l b s t “ erwähnt haben, muss man wissen, dass sie nicht vergeblich vor dem Tempel geschrieben worden war; sondern, weil [sie] alle, die dahin kommen - sei es um über ihre Kinder etwas zu erfragen wie Laios, sei es über die staatlichen Ämter, wie Kylon, sei es über die Kriegsführung, wie Kroisos - ansah, während sie sich in Gedanken nicht mehr mit sich selbst beschäftigen, nach jenem Megarischen Spruch 117 : Deswegen wurde [dort] geschrieben, man müsse sich zuerst auf sich selbst besinnen und sich erkennen, danach die anderen [Dinge]. Durch diese Aufforderung hat sie [sc. die Inschrift] das Gebotene verdeutlicht, nämlich, dass der Mensch eine vernunftbegabte Seele ist. Denn sie lautet „ E r k e n n e d i c h s e l b s t “ und damit spricht sie die Seele an, die die Fähigkeit zum Erkennen besitzt. Weder ist es der Körper, der erkennt, noch ist es die Kombination von beidem, in Bezug auf den Körper. Auch die vegetative Seele kann nicht erkennen. 118 Da mag uns aber jemand widersprechen, dass wenn nicht diese [sc. vegetative Seele] [erkennen könne], dann [könne das] die vernunftlose Seele. Aber [die Inschrift] spricht nicht über diese [Seele], denn sie fügt „ d i c h s e l b s t “ hinzu. Die vernunftlose [Seele] aber erkennt sich selbst nicht, denn sie kann sich nicht auf sich selbst zurückwenden, sondern nur die vernunftbegabte Seele [kann das]. 119 Ferner aber können die Himmelswesen sowohl erkennen als auch sich selbst erkennen, weil sie sich auf sich selbst zurückwenden. Dagegen bezieht sich das „ E r k e n n e d i c h s e l b s t “ nicht auf diese [Wesen]: Denn man sagt, dass mit „ e r k e n n e “ ein Übergang von Unwissenheit zur Erkenntnis bezeichnet wird, was auch das Ziel der Seele ist. Jene [Himmelswesen] aber besitzen die Erkenntnis für immer, weshalb das nur in Bezug auf die vernunftbegabte [Seele] gemeint sein kann. Daher ist diese Inschrift auf dem [Tempel] 10 15 20 9 5 10 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 151 <?page no="152"?> μὲν τῷ Ἀπόλλωνι τὸ ἐπίγραμμα τοῦτο , παρὰ δὲ τοῖς Αἰγυπτίων ναοῖς τὰ κάτοπτρα , κείμενα μὲν πρὸ τῶν ἱερῶν , ταὐτὸν δὲ δυνάμενα τῷ Πυθικῷ γράμματι ( πρὸς γὰρ τὸ γινώσκειν ἑαυτοὺς ἐτίθεσαν ταῦτα , δι’ αἰνιγμάτων ἀεὶ δηλοῦντες τὰ πράγματα καθάπερ οἱ Ἕλληνες διὰ γραμ μάτων ), καὶ αὖθις ὃ τῷ Πλωτίνῳ τὸ αʹ κεφάλαιον τὸ ἐν ταῖς Ἐννεάσι , τ ί τ ὸ ζ ῷ ο ν κ α ὶ τ ί ς ὁ ἄ ν θ ρ ω π ο ς , ἔνθα δείκνυσι ζῷον μὲν τὸ συναμφότερον , ἄνθρωπον δὲ τὴν ψυχήν , τοῦτο καὶ τῷ Πλάτωνι ὁ Ἀλκι βιάδης τοιοῦτον ἔχων σκοπόν . ἐν οἷς ἡ πρᾶξις . Πρᾶξις σὺν θεῷ β ´ 103A Ὦ παῖ Κλεινίου , οἶμαί σε θαυμάζειν . Μετὰ τὸν σκοπὸν τριττὸν ὄντα , Πρόκλειον , Δαμάσκειον , ἐξηγητικόν ( τουτέστι τὸν τοῖς ἐξηγηταῖς ἀρέσαντα ), φέρε καὶ τὸ χρήσιμον τοῦ παρόν τος διαλόγου πολυπραγμονήσωμεν , καὶ αὐτὸ τριττὸν ὑπάρχον . | συμβάλ λεται γὰρ ἡμῖν ὁ παρὼν διάλογος πρῶτον μὲν πρὸς τὴν ἀθανασίαν τῆς ψυχῆς καὶ τὸ ἀΐδιον , εἰκότως · εἰ γὰρ ἐν τούτῳ περὶ τοῦ γνῶναι ἑαυτὸν διαλαμβάνει , διὰ δὲ τοῦ ἐπιστρέφειν πρὸς ἑαυτοὺς γινώσκομεν ἑαυτούς , δέδεικται δὲ μυρίαις γραμμικαῖς τοῖς φιλοσόφοις ὅτι πᾶν τὸ ἐπιστρέφον πρὸς ἑαυτὸ ἀΐδιον καὶ ἀθάνατον , γνωσόμεθα ἄρα ἐνταῦθα ὅτι ἀθάνατος ἡ ψυχή . δεύτερον ἡμῖν συμβάλλεται πρὸς τὴν γνῶσιν πάντων τῶν ὄντων · εἰ γὰρ γινώσκομεν τὴν ψυχήν , γνωσόμεθα καὶ οὓς ἔχει λόγους ἐν αὑτῇ , πάντων δὲ τῶν ὄντων ἔχει τοὺς λόγους καὶ τοὺς τύπους ὡς ἴνδαλμα τούτων οὖσα · συμβάλλεται ἡμῖν ἄρα ἡ αὐτῆς γνῶσις καὶ πρὸς τὴν τῶν ὄντων πάντων . τρίτον πρὸς τὸ γνῶναι τί ἀγαθὸν τῇ ψυχῇ καὶ τί κακόν · ὥσπερ γὰρ εἰ σῶμα ἦν ὁ ἄνθρωπος , τελειότης αὐτοῦ μέγεθος καὶ κάλ λος , εἰ δὲ θυμὸς ἦν , τὸ φιλότιμον , εἰ δὲ ἐπιθυμία , τὸ φιλήδονον , οὕτως ἐπειδὴ λόγος ἐστίν , τουτέστι λογικὴ ψυχή , αὐτάρκης αὐτῷ καὶ πρὸς εὐδαιμονίαν ἡ ἀρετὴ καὶ πρὸς κακοδαιμονίαν ἡ κακία . ὡς γάρ φησιν ὁ Πλάτων , ἄπεισιν ἡ ψυχὴ ἐν ᾅδου μηδὲν ἔχουσα πλὴν ἀρετῆς καὶ κακίας . τοῦτο τὸ χρήσιμον . 15 20 10 5 10 15 152 C. Text und Übersetzung <?page no="153"?> des Apollon wie die Spiegel in den ägyptischen Tempeln: Sie werden auch vor den heiligen Orten aufgestellt und besitzen die gleiche Kraft wie die pythische Inschrift (Denn sie haben diese aufgestellt, um die Selbsterkenntnis zu fördern, da sie die Gegebenheiten immer durch Rätsel erklären, wie die Griechen das durch geschriebene Worte machen.). Ferner, was die erste Abhandlung zu den Enneaden, W a s i s t d a s L e b e w e s e n u n d w a s i s t d e r M e n s c h 120 bei Plotin [bedeutet], in der er zeigt, dass die Kombination von beidem ein Lebewesen, der Mensch dagegen die Seele ist, 121 das ist der Alkibiades bei Platon, der eine ähnliche Absicht hat. Damit endet der Unterricht. 122 Unterricht 123 2 mit Gottes Hilfe 124 103A Sohn des Kleinias, ich glaube, du wunderst dich 125 : Nach [der Erläuterung] über die Absicht [des Dialogs] auf drei [verschiedene] Weisen nach Proklos, nach Damaskios und exegetisch (das heißt, auf die unter Exegeten 126 akzeptierte Weise), lass uns auch den Nutzen des gegenwärtigen Dialogs ausführlicher behandeln, 127 der ebenfalls dreifach ist. Denn gewiss bringt uns dieser Dialog in erster Linie die Unsterblichkeit der Seele und damit ihre Ewigkeit nahe. Wenn er 128 darin das Erkennen von sich selbst erörtert und wir uns selbst durch Rückwendung auf uns selbst erkennen und ferner die Philosophen in zahlreichen Schriften gezeigt haben, dass alles, was sich auf sich selbst zurückwendet, ewig und unsterblich ist, werden wir hierbei erkennen, dass die Seele unsterblich ist. Zweitens bringt er uns die Erkenntnis aller Seienden 129 nahe: Denn, wenn wir die Seele erkennen, werden wir auch die Prinzipien 130 kennen, die sie in sich hat - und sie hat [in sich] die Prinzipien aller Seienden und ihre Abdrücke 131 , da sie ihr geistiges Abbild 132 ist. Daher trägt für uns die Erkenntnis der Seele zu der [Erkenntnis] aller Seienden bei. Drittens [bringt es uns] zur Erkenntnis dessen, was für die Seele gut und was schlecht ist. 133 Denn genau wie wenn der Mensch [nur] Körper wäre, seine Vollkommenheit 134 Größe und Schönheit wäre; wenn er die Willenskraft wäre, [seine Vollkommenheit] die Ehrliebe; wenn [er] aber die Begierde [wäre], [seine Vollkommenheit] die Vergnügungsliebe [wäre]; so - da [der Mensch] in der Tat die Vernunft ist, das heißt die vernunftbegabte Seele - ist ihm ausreichend, sowohl für die Glückseligkeit die Tugend, als auch für Unglückseligkeit die Schlechtigkeit. 135 Denn wie Platon sagt, wird die Seele nichts Anderes außer ihrer Tugend und Schlechtigkeit in den Hades mitbringen. Das ist der Nutzen [des Dialogs]. 15 20 10 5 10 15 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 153 <?page no="154"?> Περὶ δὲ τῆς τάξεως ῥητέον ὅτι πρῶτον αὐτὸν δεῖ τάττειν τῶν Πλατω νικῶν ἁπάντων . ὡς γὰρ ἐν Φαίδρῳ φησί , γελοῖόν ἐστι τὸν ἐπειγόμενον τὰ ἄλλα γινώσκειν ἑαυτὸν ἀγνοεῖν . | δεύτερον ὅτι δεῖ Σωκρατικῶς τὰ Σωκράτους μανθάνειν , λέγεται δὲ ὁ Σωκράτης ἐκ τοῦ ‘ γ ν ῶ θ ι σ α υ τ ὸ ν ’ ἐπὶ φιλοσοφίαν ἐλθεῖν . ἄλλως τε δεῖ νομίζειν ὅτι προπυλαίοις ἔοικεν οὗτος ὁ διάλογος , καὶ ὥσπερ ἐκεῖνα τῶν ἀδύτων προηγοῦνται οὕτω καὶ τὸν Ἀλκιβιάδην προπυλαίοις δεῖ ἀπεικάζειν , ἀδύτοις δὲ τὸν Παρμενίδην . Περὶ δὲ τῆς εἰς τὰ κεφάλαια ἤτοι μέρη διαιρέσεως ἰστέον ὅτι εἰς τρία διαιρεῖται ὁ διάλογος · ἐλεγκτικόν , προτρεπτικόν , μαιευτικόν . καὶ ἐν μὲν τῷ ἐλεγκτικῷ δείκνυσιν αὐτὸν διπλῇ ἀμαθῆ , ὅτι τε ἀγνοεῖ τὰ πολιτικὰ καὶ ὅτι νομίζει εἰδέναι . ἀγνοεῖ μὲν γὰρ ὡς μήτε παρὰ διδασκάλου μαθ ὼν μήτε ἀφ’ ἑαυτοῦ ζητήσας . διχῶς γὰρ ἡ γνῶσις προσγίνεται , ἢ διὰ μα θήσεως τῆς διὰ τῶν διδασκάλων ἢ διὰ ζητήσεως ἡμῶν αὐτῶν · κρεῖττον δὲ τὸ αὐτὸν ζητήσαντα γνῶναι ἢ παρ’ ἑτέρου μαθόντα , ὅσον καὶ τὸ αὐτοκίνητον τοῦ ἑτεροκινήτου , ὡς Ἀριστοτέλης ἐν Ῥητορικαῖς τέχναις φησίν , καὶ τὸ αὐτοφυὲς κρεῖττον τοῦ ἑτεροδιδάκτου . δείκνυσιν οὖν τὸν Ἀλκιβιάδην , ὡς εἴρηται , μήτε καθ’ ἕνα τρόπον γνόντα τὰ πολιτικά . οὔτε γὰρ διδασκάλοις ἐσχόλασεν · μόνον γὰρ γράμματα καὶ μουσικὴν καὶ παλαίειν ἔμαθεν , ἄλλως τε οὐδὲ χρόνος φαίνεται ἐν ᾧ νομίσας ἀγνοεῖν προσῆλθε διδασκάλῳ ( παῖς γὰρ ὢν κομιδῇ καὶ νέος ἀστραγα λίζων ἔλεγεν πρὸς τοὺς ἄλλους ἐπομνύμενος ὅτι ‘ἀδικοῦμαι’ , ὡς ἀκρι βῶς εἰδὼς τὸ δίκαιον ) · οὔτε δὲ ζητήσας φαίνεται . ὥστε ἐκ τούτων ἀγνοε ῖ , τί τέλος τοῦ πολιτικοῦ , ὅτι τὸ δίκαιον , ὅτι τὸ συμφέρον , ἔτι καὶ τὸ καλόν . τοῦτο μὲν τὸ ἐλεγκτικόν . Τὸ δὲ προτρεπτικόν ἐστιν ἐν ᾧ προτρέπει αὐτὸν σοφίᾳ τοὺς ἀντιπά λους νικῆσαι · πάτριον γὰρ Ἀθηναίοις σοφίᾳ νικᾶν . ἐχθροὶ δὲ τῶν Ἀθη ναίων Λακεδαιμόνιοι καὶ Πέρσαι , ὡς δηλοῦσι τὰ Πελοποννησιακὰ καὶ τὰ Περσικά . Τὸ δὲ μαιευτικόν ἐστιν ἐν ᾧ ὁ Σωκράτης διὰ τῶν προσφυῶν ἐρωτή σεων ποιεῖ τὸν Ἀλκιβιάδην ἀποφήνασθαι ὅτι ψυχὴ ὁ ἄνθρωπος , ὥστε αὐτὸν ἑαυτοῦ διδάσκαλον εἶναι · δόγμα γάρ ἐστιν ἐνταῦθα , ὅτι ὁ ἀποκρι νόμενός ἐστιν ὁ λέγων . τοιοῦτος γὰρ ὁ Σωκράτης , τὰς ψυχὰς μαιευόμε - 11 5 10 15 20 12 5 154 C. Text und Übersetzung <?page no="155"?> Über die Stellung 136 [des Dialogs] muss man sagen, dass dieser vor allen platonischen [Dialogen] als erster gesetzt werden muss. Denn wie er im Phaidros sagt, 137 ist es lächerlich für jemanden, der auf die Erkenntnis anderer Dinge drängt, sich selbst nicht zu kennen. Zweitens, weil man die sokratische [Philosophie] auf sokratische Weise erlernen muss; und man sagt, dass Sokrates ausgehend von [dem Spruch] „ E r k e n n e d i c h s e l b s t “ zur Philosophie gelangt ist. Ferner soll man sich diesen Dialog wie die Eingangstüre [eines Tempels] vorstellen: genau wie diese zu den inneren Kultstätten führen, so soll man den Alkibiades mit den Eingangstüren vergleichen, dagegen den Parmenides mit dem Innern der Kultstätten. 138 Über die Gliederung in Kapitel oder Teile muss man ferner wissen, dass dieser Dialog in drei geteilt wird: Die Widerlegung, die Ermunterung und die philosophische Geburtshilfe. 139 In der Widerlegung 140 zeigt er, dass er [sc. Alkibiades] zweifach ungebildet ist, weil er nichts über die politischen Angelegenheiten weiß, und weil er glaubt, das zu wissen. Er hat diese Erkenntnis nun nicht, da er weder von einem Lehrer gelernt hat, noch hat er es von sich aus untersucht. Die Erkenntnis entsteht nämlich auf zweierlei Weise: entweder durch die Lehre, die von den Lehrern [ausgeht], oder durch die Untersuchung von uns selbst. 141 Doch es ist besser zu erkennen, indem man sich selbst untersucht, als von anderen zu lernen, genauso wie das Selbstbewegende dem von außen Bewegten überlegen ist, wie Aristoteles in der Kunst der Rhetorik sagt, 142 und das von sich aus Gewachsene dem von anderen Belehrten [überlegen ist]. Somit zeigt er, dass Alkibiades, wie gesagt, die politischen Angelegenheiten nicht mal auf eine von diesen Weisen kennt. Denn das hat er nicht von den Lehrern gelernt. Stattdessen hat er nur Lesen und Schreiben, Musik und Ringkampf gelernt; ferner gab es keinen Zeitpunkt, wo er zu einem Lehrer ging, weil er dachte, dass er etwas nicht weiß (auch als er noch ein kleines Kind war und [später] als ein Junge, sagte er beim Würfelspiel den anderen schwörend: „ mir wurde Unrecht getan “ , als hätte er genau gewusst, was gerecht ist.). Auch scheint er selber es nicht untersucht zu haben. Also wusste er aus diesen Gründen nicht, was das Ziel des politischen Menschen ist, nämlich das Gerechte, das Nützliche und dazu noch das Gute. Das ist also die Widerlegung. Die Ermunterung 143 ist der Teil, in dem er ihn [sc. Alkibiades] ermuntert, seine Gegner durch Weisheit zu besiegen. Denn es ist unter den Athenern ein Brauch der Vorfahren, durch Weisheit zu siegen. 144 Die Feinde der Athener waren die Lakedaimonier und die Perser, wie die Peloponnesischen und Persischen Kriege zeigen. Die Geburtshilfe 145 ist [der Teil], in dem Sokrates Alkibiades durch seiner Natur passenden Fragen dazu bringt, zu erklären, dass der Mensch Seele ist, sodass er sein eigener Lehrer wird. Folglich ist hier der Grundsatz [zu finden], 11 5 10 15 20 12 5 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 155 <?page no="156"?> νος ἀποτίκτειν τοὺς λόγους · διὸ καὶ Φαιναρέτης λέγουσιν αὐτὸν υἱόν , μαίας οὔσης , καθάπερ ὁ Ἑρμῆς . ὥσπερ γὰρ ὁ ἰατρὸς τὰς λήμας ἀφαιρεῖ ἀπὸ τῶν ὀφθαλμῶν μόνον καὶ τὰ ἐμπόδια τῆς ὀπτικῆς ἐνεργείας , καὶ ὥσπερ αἱ μαῖαι φωσφοροῦσι μὲν τὰ ἔμβρυα , οὐκ ἐντιθέασι δὲ αὗται ταῦτα ταῖς τικτούσαις , οὕτω καὶ ὁ Σωκράτης τὰς ψυχὰς ἐμαιεύετο , οὐχ ὥσπερ ἐν ἀψύχοις ἀγγείοις ἐντιθεὶς τοῖς νέοις τὰ θεωρήματα . φησ ὶ δὲ καὶ αὐτὸς ἐν Θεαιτήτῳ ὅτι ‘ ὁ Θ ε ὸ ς μ α ι ε ύ ε σ θ α ι μ ὲ ν ἐ μ ὲ ἐ π ο ί η σ ε ν , ἀ π ο γ ε ν ν ᾶ ν δ ὲ κ ω λ ύ ε ι ’ . Ἐπὶ τέλει δὲ τοῦ διαλόγου λοιπὸν μεταμείβει τὸ σχῆμα τῆς τύχης , καὶ ποιεῖ ἑαυτὸν μὲν ἐρώμενον , πρότερον ἐρῶντα , τὸν δὲ Ἀλκιβιάδην ἐραστήν , πρότερον ἐρώμενον ὄντα . τοῦτο γὰρ τέλος τῆ ς ἐρωτικῆς , ὁ ἀντέρως . ἐρωτικὸς δὲ ὁ Σωκράτης , ὡς καὶ ἐν Φαίδρῳ πρὸς τὸν Ἔρωτά φησιν · ‘ τ ὴ ν δ ὲ ἐ ρ ω τ ι | κ ή ν , ἥ ν μ ο ι π α ρ έ σ χ ε ς , δ έ σ π ο τ α , μ ή μ ε ἀ φ έ λ ῃ ς μ η δ ὲ π η ρ ώ σ ῃ ς δ ι ’ ὀ ρ γ ή ν τ ι ν α ἢ ἄ λ λ η ν α ἰ τ ί α ν . ’ λέγεται δὲ καὶ ὁ Ἀλέξανδρος ἰδὼν στράτευμά τι καταπε πτωκὸς εἰπεῖν ‘κάκιστα ἀπόλοιτο ὁ τοιοῦτον πλῆ θος οὕτω διαθείς’ . ἐπὶ τέλει δὲ τοῖς πελαργοῖς ἀπεικάσας τὸν ἑαυτοῦ ἔρωτα κατέπαυσε τὸν λόγον · ἐπειδὴ καὶ οἱ πελαργοὶ πρότερον ὑπὸ τῶν γονέων τρεφόμενοι τελευταῖον αὐτοὺς γηροτροφοῦσιν , εἰς τὸ ἐναντίον κατὰ τοῦτο μεθιστά μενοι . ἐν τούτοις ἡ πρᾶξις . Πρᾶξις σὺν θεῷ γʹ 103A-B Ὦ παῖ Κλεινίου , οἶμαί σε θαυμάζειν ὅτι πρῶτος ἐραστής σου γενόμενος τῶν ἄλλων πεπαυμένων μόνος οὐκ ἀπαλλάττομαι . Ἐπειδὴ ἐρωτικὸς ὁ διάλογος , διὰ τοῦ προοιμίου τρεῖς διαφορὰς ἡμῖν παραδίδωσιν ἐνθέου ἐραστοῦ πρὸς τὸν φορτικὸν ἐραστήν . πρῶτον μὲν ὅτι ὁ μὲν φορτικὸς ἐραστὴς θαυμάζει τὰ παιδικά , ὁ δὲ ἔνθεος ἐραστὴς θαυμάζεται ὑπ’ αὐτῶν · καὶ τοῦτο δηλοῖ διὰ τοῦ εἰπεῖν , ‘ ὦ π α ῖ Κ λ ε ι ν ί ο υ , ο ἶ μ α ί σ ε θ α υ μ ά ζ ε ι ν , ’ τουτέστιν ‘ἐμέ’ . δεύτερον δὲ ὅτι ὁ 12, 15 Olymp. ὁ Θεὸς μαιεύεσθαι μὲν ἐμὲ / μαιεύεσθαί με ὁ θεὸς Plat. Tht. 150c7. 16 Olymp. ἐποίησεν / ἀναγκάζει Plat. Tht. 150c7 - 8. 16 Olymp. ἀπογεννᾶν / γεννᾶν Plat. Tht. 150c7 - 8. 16 Olymp. κωλύει / ἀπεκώλυσεν Plat. Tht. 150c7 - 8. 10 15 20 13 5 10 15 156 C. Text und Übersetzung <?page no="157"?> dass der Antwortgeber derjenige ist, der eine Behauptung macht. 146 Denn Sokrates ist so einer, der den Seelen bei der Geburt derArgumente 147 Hilfe leistet. Deswegen sagt man, er sei der Sohn von Phainerete, die Hebamme (maia) war, wie Hermes [der Sohn von Maia ist]. 148 Wie etwa ein Arzt nur den Schleim aus den Augen entfernt und dadurch die Hindernisse vor dem Sehvermögen [beseitigt] oder [wie] die Hebammen die Neugeborenen ans Licht bringen, sie aber nicht selber in den Gebärenden reintun; so hilft Sokrates den Seelen mit der Geburt und stellt nicht die Theoremen in [den Köpfen] der Jünglinge, als wären sie Gefäße ohne Seele. 149 In der Tat, er selber sagt im Theaitetos: „ Z u e n t b i n d e n b r i n g t m i c h d e r G o t t , z u g e b ä r e n a b e r h a t e r m i r v e r b o t e n . “ 150 Dann, gegen Ende des restlichen Dialogs, tauscht er die Darstellung ihrer Rollen aus und macht sich selbst, der bisher der Verliebte war, zu dem Geliebten; Alkibiades dagegen zu dem Verliebten, obwohl er vorher der Geliebte war. Das ist ja das Ziel der Liebeskunst, die Gegenliebe. 151 Sokrates beherrscht die Liebeskunst, wie er auch im Phaidros zu Eros sagt: „ D i e K u n s t d e r L i e b e , d i e d u m i r v e r l i e h e n h a s t , m e i n H e r r , n i m m m i r n i c h t w i e d e r w e g u n d s c h w ä c h e s i e n i c h t a b i m Z o r n o d e r a u s e i n e m a n d e r e n G r u n d . “ 152 Man sagt, dass auch Alexander, als er ein durchaus geschlagenes Heer sah, so sprach: „ Möge derjenige, der so viele [Menschen] in diese Lage gebracht hat, das schlimmste Ende finden “ . 153 Am Ende, dann, vergleicht er seine Liebe zu den Störchen bevor er den Dialog abschließt: Auch die Störche werden zuerst von ihren Eltern gefüttert, schließlich füttern sie die [Eltern] im Alter und so wechseln sie nach diesem Muster in die gegensätzliche [Rolle]. Damit endet der Unterricht. Unterricht 3 mit Gottes Hilfe 103A - B Sohn des Kleinias, ich glaube, du wunderst dich, dass ich, als dein erster Liebhaber mich jetzt, nachdem alle Schluss gemacht haben, als einziger nicht von dir abwende. 154 Da der Dialog auf den Eros zielt, gibt er uns in der Einleitung drei Unterschiede zwischen dem göttlich inspirierten Liebhaber und dem gemeinen Liebhaber. 155 Erstens, der gemeine Liebhaber bewundert seinen Liebling, wobei der göttlich inspirierte Liebhaber von ihm bewundert wird. Das wird aus seiner Aussage deutlich: „ S o h n d e s K l e i n i a s , i c h g l a u b e , d u w u n d e r s t d i c h “ , das heißt „ über mich “ . Zweitens, die Liebe des gemeinen Liebhabers hängt mit der Jugendblüte zusammen und bald darauf verlässt er seinen Liebling, dagegen der göttlich inspirierte Liebhaber begleitet seinen Liebling 10 15 20 13 5 10 15 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 157 <?page no="158"?> μὲν φορτικὸς ἐραστὴς ὥσπερ ὀπώρᾳ τῇ ἡλικίᾳ παραμετρῶν τὸν ἔρωτα ταχέως τῶν παιδικῶν ἀπαλλάττεται , ὁ δὲ ἔνθεος ἐραστὴς ἐκ σπαργάνων μέχρι ταφῆς συμπαρομαρτεῖ τοῖς παιδικοῖς , εἰ τὰ φυσιογνωμονικὰ σημεῖα τὸ τεχθὲν ἀξιέραστον ὑπαγορεύσειαν · δηλοῖ δὲ ταύτην διὰ τοῦ ‘ π ρ ῶ τ ο ς ἐ ρ α σ τ ή ς σ ο υ γ ε ν ό μ ε ν ο ς τ ῶ ν ἄ λ λ ω ν π ε π α υ μ έ ν ω ν μ ό ν ο ς ο ὐ κ ἀ π α λ λ ά τ τ ο μ α ι ’ , σημαίνων ὅτι καὶ πρὸ αὐτῶν καὶ μετ’ αὐτῶν καὶ μετ’ αὐτοὺς ἀκολουθεῖ τοῖς παιδικοῖς . Τρίτη δέ ἐστι διαφορὰ ὅτι ὁ μὲν ἔνθεος ἐραστὴς θεοειδῶς καὶ ἀπαρουσιάστως σύνεστι τοῖς παιδικοῖς · καθάπερ γὰρ τὸ θεῖον τῇ | μὲν ἐλλάμψει παν ταχοῦ ἐστί , τῇ δὲ οὐσίᾳ οὐδαμοῦ , καθὸ οὐ περικλείεται ἐν τόπῳ , οὕτω καὶ ὁ ἔνθεος ἐραστὴς πάρεστι τὸν αὐτὸν τρόπον μιμούμενος · ὁ δὲ φορτι κὸς ἐραστὴς πάρεστι τοῖς παιδικοῖς κατὰ τὴν αἴσθησιν βουλόμενος ἐνεργεῖν τοῦ σώματος , καὶ ταύτην κατὰ τὴν ἐσχάτην , τουτέστι τὴν ἁφήν . καὶ τοῦτο δεδήλωκεν ἐκ τοῦ λέγειν ‘ ὅ τ ι ο ἱ μ ὲ ν ἄ λ λ ο ι δ ι ’ ὄ χ λ ο υ σ ο ι ἐ γ έ ν ο ν τ ο , ἐ γ ὼ δ ὲ τ ο σ ο ύ τ ω ν ἐ τ ῶ ν ο ὐ δ ὲ π ρ ο σ ε ῖ π ο ν ’ , δηλῶν ὅτι διὰ μὲν τοῦ σιωπᾶν ἄπεστιν , διὰ δὲ τοῦ συνακολουθεῖν καὶ ἐρᾶν πάρεστιν . καὶ αὗται μὲν αἱ διαφοραὶ ἐνταῦθα · φησὶ δὲ καὶ τετάρτην διαφορὰν ἐν τῷ Φαίδρῳ τοιαύτην , ὅτι ὁ μὲν φορτικὸς ἐραστὴς ἐπὶ λύμῃ τῶν παιδικῶν αὐτοῖς πάρεστιν καὶ κατὰ σῶμα καὶ κατὰ ψυχὴν καὶ κατὰ τὰ ἐκτός . κατὰ μὲν σῶμα , ὅτι θηλυπρεπῆ καὶ ἄνανδρον βούλε ται ποιεῖν αὐτόν · κατὰ δὲ ψυχήν , ὅτι ἀνόητον αὐτὸν θέλει εἶναι πρὸς τὸ ἔχειν αὐτὸν πειθήνιον πρὸς ὃ βούλεται · κατὰ δὲ τὰ ἐκτός , ὅτι καὶ πένητα , ἵνα δεόμενος αὐτοῦ ἕτοιμος ᾗ πρὸς τὰς ἡδονάς · ἔτι δὲ καὶ ἀπάτορα καὶ ἀμήτορα καὶ ἄφιλον βούλεται αὐτὸν εἶναι , ἵνα μὴ ἔχῃ τοὺς ἀπείργοντας αὐτὸν τῆς πρὸς αὐτὸν συνουσίας . ὁ δὲ ἔνθεος ἐραστὴς οὐχ οὕτως , οὐδὲ ἐπὶ τοιούτοις ἀλλ’ ἐπ’ ἀγαθῷ πάρεστιν τοῖς παιδικοῖς , ἐπιστρέφων αὐτὰ πρὸς τὰ καλά . Ἐπεὶ τοίνυν ἔγνωμεν τὰς διαφορὰς τοῦ ἐνθέου ἐραστοῦ πρὸς τὸν φορτικὸν ἐραστήν , ζητητέον διὰ τί , εἰ τοσαύτην ἔχουσι πρ ὸς ἀλλήλους διαφορὰν καὶ ἐναντιότητα , ἑνὶ ὀνόματι ἄμφω προσαγορεύονται καὶ οὐ καθάπερ τὰ ἐναντία , οἷον σωφροσύνη καὶ ἀκολασία . φαμὲν οὖν ὅτι δι’ ὑπερβολὴν δυνάμεως ὁ ἔρως καὶ τὰ ἐναντία χρῶσαι ἐδυνήθη ἑαυτῷ . πᾶς γὰρ ἔρως σύντονός ἐστι μανία , καθὸ ἄμφω ἐν καλῷ βούλονται γεννᾶν , ὁ μὲν ἔνθεος ἐν ψυχῇ μαθήματα , ὁ δὲ φορτικὸς ἐν σώματι ζῷα . 20 14 5 10 15 20 25 158 C. Text und Übersetzung <?page no="159"?> von den Windeln bis zum Grab, wenn die physiognomischen Zeichen 156 des Geborenen ihn als liebeswürdig bezeichnen. Er [sc. Sokrates] verdeutlicht das also mit [seiner Aussage]: „ d a s s i c h , a l s d e i n e r s t e r L i e b h a b e r m i c h j e t z t , n a c h d e m a l l e S c h l u s s g e m a c h t h a b e n , a l s e i n z i g e r n i c h t v o n d i r a b w e n d e “ und weist darauf hin, dass er sich sowohl vor ihnen als auch mit ihnen und auch nach ihnen sich zu seinem Liebling hält. Der dritte Unterschied ist, dass der göttlich inspirierte Liebhaber bei seinem Liebling auf eine göttliche Weise und ohne Körperlichkeit anwesend ist. Denn wie die Erleuchtung des Göttlichen überall ist, das Wesen dessen dagegen nirgendwo, da sie nicht auf einen Ort beschränkt ist, so ist der göttlich inspirierte Liebhaber, nachahmend dieselbe Art und Weise [wie das Göttliche], anwesend. Der gemeine Liebhaber dagegen ist bei seinem Liebling gemäß der sinnlichen Wahrnehmung und mit dem Wunsch, im Bereich des Körpers aktiv zu werden - und zwar durch die niedrigste [der Wahrnehmungen], das heißt durch das Berühren. Das auch verdeutlichte er [sc. Sokrates] mit der Aussage: „ u n d d a s s d i e a n d e r e n d i r m i t i h r e n G e s p r ä c h e n z u r L a s t f i e l e n , i c h d i c h d a g e g e n w ä h r e n d s o v i e l e r J a h r e n i c h t e i n m a l ü b e r h a u p t n u r a n g e s p r o c h e n h a b e “ 157 , die deutlich macht, dass er, indem er schweigt, abwesend ist, indem er aber ihn [sc. Alkibiades] begleitet und ihn liebt, anwesend ist. Das sind also die Unterschiede hier [in diesem Dialog]: Er sagt im Phaidros, 158 dass es einen vierten Unterschied derart gibt, nämlich, dass die Anwesenheit des gemeinen Liebhabers für seinen Liebling Leid bringt, sowohl für seinen Körper als auch für seine Seele wie auch für seine äußeren [Güter]. Für den Körper, weil er ihn ‚ weiblich ‘ und unmännlich machen möchte. 159 Für die Seele, weil er wünscht, dass er unverständig wird, um ihn davon, was er will, überzeugen zu können. Für seine äußeren [Güter], weil er wünscht, dass er auch so arm wird, damit er bedürftig von ihm ist und bereit für seine Vergnügungen wird. In der Tat will er sogar, dass [sein Geliebter] ohne Vater und Mutter und ohne Freunde bleibt, sodass er niemanden hat, der ihn vom Zusammensein [des Liebhabers] abhalten könnte. Der göttlich inspirierte Liebhaber ist nicht so: nicht aus diesen Gründen, sondern aufgrund des Guten ist er bei seinem Liebling und führt ihn auf das Schöne 160 zurück. Da wir jetzt die Unterschiede zwischen dem göttlich inspirierten Liebhaber und dem gemeinen Liebhaber kennen, sollen wir untersuchen, warum sie, trotz eines so großen Unterschieds und Gegensatzes zueinander, beide mit demselben Namen genannt werden und nicht wie [sonst] bei Gegensätzen, beispielsweise Mäßigung und Nachsicht. 161 Wir sagen nun dazu, dass die Liebe auch gegensätzliche Dinge durch die Überlegenheit ihres Vermögens 162 für ihre Zwecke gestalten könnte. Denn alle Arten der beharrlichen Liebe ist ein Wahnsinn, 163 insofern die beiden im Schönen zeugen 164 möchten: Der göttlich inspirierte 20 14 5 10 15 20 25 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 159 <?page no="160"?> Τοῦ δὲ θεοειδῶς παρεῖναι καὶ μὴ προσειπεῖν μέχρι τοῦ παρόντος < τ ὸ α ἴ τ ι ο ν > ο ὐ κ ἀ ν θ ρ ώ π ε ι ό ν φησιν εἶναι , ἀ λ λ ά τ ι | δ α ι μ ό ν ι ο ν ἐ ν α ν τ ί ω μ α , καὶ τοῦτο εἰκότως . εἰ γὰρ τὸ αἰτιατὸν οὐκ ἀνθρώπειον , τουτέστι τὸ θεοειδῶς παρεῖναι , πόσῳ μᾶλλον τὸ αἴτιον τοῦ παρεῖναι οὐ θεῖόν ἐστιν ; Ἐπειδὴ δὲ δαιμονίου ἐμνήσθη , ἀνάγκη γέγονε τοῖς ἐξηγηταῖς τὸν περὶ δαιμόνων λόγον περιεργάσασθαι . ἰστέον οὖν ὅτι τρεῖς εἰσὶ διαφοραὶ δαιμόνων · τῶν γὰρ δαιμόνων οἱ μὲν κατ’ ἀναλογίαν , οἱ δὲ κατ’ οὐσίαν , οἱ δὲ κατὰ σχέσιν . καὶ γνώμονες οἱ κατ’ οὐσίαν τῶν τε κατ’ ἀναλογίαν καὶ τῶν κατὰ σχέσιν ὑπάρχουσιν · οἱ μὲν γὰρ κρείττους τῶν κατ’ οὐσίαν λέγονται κατ’ ἀναλογίαν , οἱ δὲ χείρους κατὰ σχέσιν . κατ’ἀναλογίαν δὲ λέγονται ἐπειδὴ πρῶτοι ὄντες ἔχουσι τοὺς λόγους τῶν κατ’ οὐσίαν , τουτέστι κατ’ αἰτίαν αὐτοῖς ὑπάρχουσι δαίμονες , δεῖ γὰρ πρῶτον εἶναι τοῦ καθ’ ὕπαρξιν τὸ κατ’ αἰτίαν . ὅτι δὲ καὶ οὗτοι δαίμονες λέγονται δηλοῖ καὶ Ἰσοκράτης ὁ ῥήτωρ λέγων ‘ τ ί μ α τ ὸ δ α ι μ ό ν ι ο ν , ἀ ε ὶ μ έ ν , μ ά λ ι σ τ α δ ὲ μ ε τ ὰ τ ῆ ς π ό λ ε ω ς ’ · καὶ Ὅμηρος ‘ μ ε τ ὰ δ α ί μ ο ν α ς ἄ λ λ ο υ ς ’ · καὶ Ὀρφεὺς τὸν Δία ποιεῖ πρὸς τὸν οἰκεῖον πατέρα λέγοντα · ‘ ὄ ρ θ ο υ δ ’ ἡ μ ε τ έ ρ η ν γ ε ν ε ή ν , ἀ ρ ι δ ε ί κ ε τ ε δ α ί μ ω ν ’ ἐπὶ γὰρ τοῦ θείου ἐν τούτοις τὸ τοῦ δαίμονος ὄνομα τέτακται . κατὰ σχέσιν δὲ λέγονται δαίμονες αἱ ψυχαὶ τῶν εὖ βε | βιωκότων , οἷαί εἰσιν αἱ τοῦ χρυσοῦ γένους , αἵτινες σχετικῶς ἔχουσαι πρὸς τοὺς δαίμονας καὶ αὗται δαίμονες προσαγορεύονται , ὥς φησι καὶ Ἡσίοδος περὶ αὐτῶν · ‘ ο ἱ μ ὲ ν δ α ί μ ο ν ε ς ἁ γ ν ο ὶ ἐ π ι χ θ ό ν ι ο ι κ α λ έ ο ν τ α ι , ἐ σ θ λ ο ί , ἀ λ ε ξ ί κ α κ ο ι , φ ύ λ α κ ε ς θ ν η τ ῶ ν ἀ ν θ ρ ώ π ω ν . ’ τριττὸν οὖν τὸ τοῦ δαίμονος ὄνομα , ὡς εἴρηται . Ζητητέον δὲ διὰ ποίαν αἰτίαν εἰς ἔννοιαν ἦλθον τοῦ δαίμονας εἰπεῖν εἶναι . φαμὲν οὖν ὅτι ὥσπερ ἡ ἡμετέρα ψυχὴ πηγάζουσα τῇ ζωῇ καὶ 15 5 10 15 16 5 160 C. Text und Übersetzung <?page no="161"?> Liebhaber [erzeugt] die Erkenntnis der Seele, der gemeine Liebhaber dagegen die Lebewesen im Körper. Für [seine] gottgestaltige Anwesenheit und dafür, dass er [mit ihm] bisher nicht gesprochen hat, sagt er, dass d e r G r u n d n i c h t m e n s c h l i c h , s o n d e r n e i n d a i m o n i s c h e s H i n d e r n i s w a r , 165 und das ist auch wahrscheinlich. Denn, wenn das Verursachte, nämlich die göttliche Anwesenheit, nichts Menschliches ist, wie kann es sein, dass die Ursache dieser Anwesenheit nicht noch göttlicher ist? 166 Da [hier] [etwas] Daimonisches erwähnt wurde, war es für die Exegeten notwendig, der Erklärung über die Daimones große Aufmerksamkeit zu widmen. 167 Man muss also wissen, dass es drei Unterteilungen von Daimones gibt: Einige von den Daimones sind in Analogie, einige im Wesen und andere in Relation [Daimones]. 168 Und die [Daimones] im Wesen existieren als Maßstab für diejenigen in Analogie und diejenigen in Relation. 169 Denn diejenigen, die den [Daimones] im Wesen überlegen sind, werden [Daimones] in Analogie genannt; während andere, die unterlegen sind, in Relation [Daimones genannt werden]. Diejenigen in Analogie werden so genannt, denn als erste 170 besitzen sie die Prinzipien 171 der [Daimones] im Wesen; das heißt, diese existieren als Daimones in Ursache: Denn das, was der Ursache entspricht muss sich vor dem, was der Existenz entspricht, 172 befinden. Auch Isokrates der Redner deutet darauf, dass diese Daimones genannt werden, indem er sagt: „ E r w e i s e d e m D a i m o n i s c h e n i m m e r E h r e , d o c h t u e d i e s v o r w i e g e n d i m K u l t d e r P o l i s “ . 173 Dazu sagt Homer „ z u d e n a n d e r e n D a i m o n e s “ . 174 Und Orpheus lässt Zeus zu seinem eigenen Vater sagen: „ F ü h r e u n s e r G e s c h l e c h t a u f d e n r e c h t e n W e g , g l o r r e i c h e r D a i m o n ! “ 175 Denn in diesen [Fällen] wurde dem Göttlichen der Name des Daimons zugeordnet. In Relation aber werden die Daimones genannt, die Seelen derjenigen sind, die ein gutes Leben geführt haben; wie die [Seelen] des goldenen Geschlechts, die abhängig von Daimones sind und selber als Daimones angesprochen werden. So sagt auch Hesiod über sie: „ w u r d e n s i e a l l e z u D a i m o n e s n a c h Z e u s , d e s e r h a b e n e n , W i l l e n , f r e u n d l i c h e n , d i e h i e r a u f E r d e n d i e s t e r b l i c h e n M e n s c h e n b e h ü t e n . “ 176 Drei Bedeutungen hat also der Begriff Daimon, wie bereits gesagt. Es muss also untersucht werden, aus welchem Grund sie [sc. die Exegeten] auf den Gedanken gekommen sind, zu sagen, dass Daimones existieren. Wir sagen nun dazu, wie unsere Seele mit Leben strömt, damit heraussprudelt und 15 5 10 15 16 5 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 161 <?page no="162"?> βλύζουσα ταύτῃ καὶ οὐ δυναμένη χωρὶς εἶναι τοῦ ζωοποιεῖν ( κατὰ μὲν γὰρ τὰς γνωστικὰς ἔστιν ὅτε οὐκ ἐνεργεῖ , οἶον ὅτε ληθάργῳ κατέχεται , κατὰ δὲ τὸ ζωτικὸν οὐδαμῶς ), ἐπειδὴ τὸ ὀστρέϊνον σῶμα οὐκ ἀεὶ ἦν αὐτῆς ἐξημμένον , ἐπενοήθη αὐτῇ τὸ ᾠοειδὲς ἤτοι αὐγοειδὲς ὄχημα ( ἀμφοτέρως γὰρ λέγεται · ‘ᾠοειδὲς’ μὲν δ ιὰ τὸ σχῆμα , οὐ γάρ ἐστι πάντῃ σφαιρικὸν ὡς τὰ οὐράνια ἀλλ’ ἧττον σφαιρικόν , διὸ καὶ διαστρο φήν ποτέ φασιν | αὐτὸ πάσχειν , οὐ μὴν φθείρεσθαι · τῆς γὰρ αὐτῆς οὐσίας ἐστὶν τῶν οὐρανίων , τουτέστι τοῦ πέμπτου σώματος , διὰ τοῦτο καὶ ἀΐδιον · ‘αὐγοειδὲς’ δὲ λέγεται ἀπὸ τῆς οὐσίας ὡς διαφανὲς καὶ αἰθέ ριον )· καθάπερ οὖν τῇ ψυχῇ τὸ αὐγοειδὲς τοῦτο ἀποδεδώκασιν ὄχημα , ἵνα αὐτὸ ἀεὶ ζωοποιῇ ἐξημμένον αὐτῆς διὰ παντός , οὕτω καὶ ἐπὶ τῶν οὐρανίων , μὴ δυναμένων παύσασθαι τοῦ ἐνεργεῖν , ἐξῆψαν αὐτῶν τὸ δαιμόνιον γένος τοῦτο τὸ κατ’ οὐσίαν · αἱ γὰρ ἡμέτεραι ψυχαὶ οὐκ ἀεὶ ἦσαν αὐτῶν ἐξημμέναι διὰ τὸ πτερορρυεῖν καὶ κατιέναι εἰς γένεσιν . τοῦτο οὖν διερμηνευτικόν ἐστι τοῖς τῇδε τῶν ἀπὸ τῶν θεῶν ὡς μέσον ὄν . Ἀλλ’ ἐπειδὴ πάντα τὰ προσόντα τοῖς οὐρανίοις διερμηνεύει , ἓξ τινῶν ὄντων ἐν τοῖς οὐρανίοις , εἰς ἓξ καὶ αὐτὸ διῄρηται , λέγω δὴ τὸ τῶν δαιμόνων γένος τὸ κατ’ οὐσίαν . ἔστιν γ ὰρ ἐν τοῖς οὐρανίοις θεότης , νοῦς , ψυχὴ λογική , ψυχὴ ἄλογος , εἶδος , ὕλη · τοσαῦται οὖν καὶ τῶν δαιμόνων διαφοραί . οἱ μὲν γὰρ πρὸς τὸ θεῖον τῶν οὐρανί | ων συνδέοντες ἡμᾶς λέγονται θεῖοι , οἵτινες τοῖς ἐνθουσιασμοῖς ἐφεστήκασιν . οἱ δὲ τῷ νῷ συνάπτοντες ἡμᾶς νοεροί , οἵτινες ἐπὶ τῶν κοινῶν ἐννοι ῶν εἰσί , δι’ ὧν ὑπὲρ ἀπόδειξιν ἐν τ αῖς κοιναῖς ἐννοίαις τινὰ γινώσκομεν καὶ ἀναπο δείκτως . οἱ δὲ τῇ λογικῇ ψυχῇ ψυχικοὶ λέγονται , περὶ ὧν φησὶν ὁ ποιητὴς ‘ ἄ λ λ α δ ὲ κ α ὶ δ α ί μ ω ν ὑ π ο θ ή σ ε τ α ι ’ καὶ ‘ φ ᾶ ρ ο ς μ έ ν μ ο ι π ρ ῶ τ α ἐ ν έ π ν ε υ σ ε ν μ έ γ α δ α ί μ ω ν ’ . 10 17 5 10 18 5 162 C. Text und Übersetzung <?page no="163"?> nicht existieren kann, ohne Leben zu erzeugen 177 (denn es gibt Zeiten, wo [die Seele] nicht gemäß den Erkenntnisfähigkeiten aktiv ist, zum Beispiel, wenn sie von Müdigkeit überwältigt wird. Dagegen ist [die Seele] niemals [inaktiv] gemäß der Lebensfähigkeit), da der schalenartige Körper 178 nicht dauerhaft an der [Seele] befestigt ist, haben sie [sc. die Götter] für die [Seele] den eiförmigen und lichtförmigen Wagen 179 erdacht. (Auf diese beiden Arten wird [dieser Wagen] genannt: „ eiförmig “ wegen seiner Gestalt, denn es ist nicht völlig kugelförmig wie die Himmelswesen, sondern weniger kugelförmig. Deswegen sagt man, dass es manchmal unter Zerstörung leidet, aber nie zerstört wird. Denn es ist aus der gleichen Substanz wie die Himmelswesen, das heißt aus dem fünften Körper 180 und daher auch unvergänglich. „ Lichtförmig “ wird es genannt wegen seiner Substanz, die glänzend und ätherisch ist.). Genau wie sie [sc. die Götter] diesen lichtförmigen Wagen der Seele zugeordnet haben, damit er, an der [Seele] vollkommen befestigt, immer Leben erzeugen kann; so haben sie dieses Geschlecht der Daimones im Wesen an den Himmelswesen befestigt, da sie auch mit ihrer Aktivität nicht aufhören können. Denn unsere Seelen sind nicht immer an diesen [sc. Himmelswesen] befestigt, da sie ihr Gefieder verlieren und in [die Welt des] Werdens absteigen. Dieses [Geschlecht der Daimones] dann ist der Deuter der [Botschaften] von den Göttern diesseits, da sie in der Mitte [zwischen Menschen und Göttern] sind. 181 Aber da [diese Daimones] alle Attribute der Himmelswesen deuten, und es sechs von diesen [Attributen] bei den Himmelswesen gibt, wird es auch - ich meine, das Geschlecht der Daimones im Wesen - in sechs geteilt. Denn bei den Himmelswesen gibt es Gottheit, Geist, 182 vernunftbegabte Seele, unvernünftige Seele, Form, Materie. 183 So viele sind auch die unterschiedlichen [Arten] der Daimones. 184 Denn die [Daimones], die uns mit der Gottheit der Himmelswesen verbinden, werden als göttlich bezeichnet, sie sind die, die den [göttlichen] Inspirationen vorgesetzt worden sind. Die [Daimones], die uns mit dem Denkvermögen verbinden, werden als gedanklich [bezeichnet], diese sind die, die den Gemeinbegriffen vorgesetzt wurden; durch diese [Daimones] jenseits der Beweisführung wissen wir einige der Gemeinbegriffe, auch wenn [sie] unbeweisbar 185 [sind]. Die [Daimones], die uns mit der vernunftbegabten Seele [verbinden], werden als seelisch bezeichnet. Über diese sagt der Dichter: „ a n d e r e s w i r d a u c h d e r D a i m o n r a t e n “ 186 und: „ Z u e r s t b l i e s m i r d e r D a i m o n i n d e n S i n n , e i n g r o ß e s G e w e b e a u f z u s t e l l e n “ 187 10 17 5 10 18 5 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 163 <?page no="164"?> οἱ δὲ πρὸς τὴν τῶν οὐρανίων ἄλογον συνάπτοντες ἡμᾶς ἄλογοι . οἱ δὲ πρὸς τὸ τῶν οὐρανίων εἶδος εἰδικοὶ ἢ εἰδητικοί . ὅτι γὰρ συνῆπται τοῖς τῶν οὐρανίων εἴδεσιν τὰ ἡμέτερα εἴδη , δῆλον ἐκ τοῦ συναύξεσθαι αὐτὰ καὶ συμμειοῦσθαι τοῖς οὐρανίοις , καὶ γὰρ καὶ οἱ χυμοὶ πρὸς τὴν σελήνην καὶ αὔξονται καὶ μειοῦνται καὶ αἱ τρίχες , διὸ τοὺς ἱερατικῶς ζῶντάς ἐστιν ἰδεῖν μὴ ἀποκειρομένους αὐξούσης τῆς σελήνης · δηλοῖ δὲ καὶ τὸ σεληνιακὸν πάθος , ἔτι δὲ καὶ τὰ ἡλιοτρόπια φυτὰ καὶ οἱ σεληνῖται λίθοι συναύξοντες καὶ συμμειού | μενοι πρὸς τὴν σελήνην · ὁμοίως δὲ καὶ τὰ ὄστρεα , καὶ σχεδὸν ἅπαντα , διὸ καλῶς εἴρηται · ‘ α ὔ ξ ε ι ς α ὐ ξ ο μ έ ν η , μ ι ν ύ θ ο υ σ α δ ὲ π ά ν τ α χ α λ έ π τ ε ι ς ’ εἰς σελήνην . ἀλλὰ μὴν καὶ ὑλῷοι λέγονται , οἱ τήνδε τὴν ὕλην ἐξάπτοντες τῆς τῶν οὐρανίων καὶ διὰ τούτου φρουροῦντες αὐτὴν καὶ μὴ συγχωροῦν τες ῥευστὴν οὖσαν πάντῃ φθείρεσθαι . φησὶ γὰρ καὶ ὁ Ὀρφεύς · ‘ ὕ λ η ς ο ὐ ρ α ν ί η ς κ α ὶ ἀ σ τ ε ρ ί η ς κ α ὶ ἀ β ύ σ σ ο υ ’ , ὡς τῆς ὕλης τριττῆς οὔσης , καὶ τῆς μὲν οὐρανίας , ἥτις ταῖς ἑπτὰ σφαί ραις ὑπόκειται , τῆς δὲ ἀστρῴας , ἥτις τοῖς ἄστροις , τῆς δὲ χθονίας , ἣν ἄβυσσον ἐκάλεσεν διὰ τὸ ἐσχάτην εἶναι καὶ ῥευστήν . Ἐπειδὴ δὲ πρῶτον εἶδος ἐν τοῖς οὐρανίοις ἔφαμεν εἶναι τὸ θεῖον , ἰστέον ὅτι τῶν θεῶν οἱ μὲν ὑπερκόσμιοι , ὧν αἱ ἡμέτεραι ψυχαί εἰσιν ἐξημμέναι καὶ οὐδέ τι σῶμα · οἱ δὲ ἐγκόσμιοι , ὧν τὰ σώματα μόνον ἐξῆπται . τῶν δὲ ἐγκοσμίων οἱ μέν εἰσιν οὐράνιοι , οἱ δὲ αἰθέριοι ἤτοι πύριοι , οἱ δὲ ἀέριοι , οἱ δὲ ἐνύδριοι , οἱ δὲ χθόνιοι , οἱ δὲ ὑποταρτάριοι , ὡς καὶ ὁ ποιητής · ‘ τ ο ύ ς θ ’ ὑ π ο τ α ρ τ α ρ ί ο υ ς κ α λ έ ο υ σ ι ν . ’ τῶν δὲ | χθονίων οἱ μέν εἰσι κλιματάρχαι , οἱ δὲ πολιοῦχοι , οἱ δὲ κατοι κίδιοι . 19, 17 Cf. Hom. Il. XIV,279: τοὺς ὑποταρταρίους οἳ Τιτῆνες καλέονται . 10 15 19 5 10 15 20 164 C. Text und Übersetzung <?page no="165"?> Diejenigen nun, die uns mit der unvernünftigen Seele der Himmelswesen verbinden, sind die vernunftlosen [Daimones]. Diejenigen aber, die [uns] mit der Gestalt der Himmelswesen [verbinden], sind die formalen oder formähnlichen [Daimones]. Dass unsere Formen an die Formen der Himmelswesen angehaftet sind, wird daraus deutlich, dass sie gemäß den Himmelswesen wachsen oder kleiner werden, und in der Tat werden die Körperflüssigkeiten abhängig vom Mond mal mehr, mal weniger und so auch die Haare, weshalb man sieht, dass diejenigen, die ihr Leben nach heiligen Praktiken richten 188 , ihre Haare niemals beim zunehmenden Mond schneiden. Das verdeutlicht auch die Mondkrankheit 189 , ebenfalls die heliotropischen Pflanzen und die Mondsteine, die abhängig vom Mond kleiner und größer werden. So ist es auch bei den Austern und bei allen anderen Sachen. Daher ist dieser Spruch passend an den Mond [gerichtet]: „ W a s w ä c h s t , w e n n d u z u n i m m s t , d a s v e r n i c h t e s t d u , w e n n d u a b n i m m s t “ 190 Gleichwohl werden einige [Daimones] als materiell bezeichnet, welche die Materie diesseits mit der [Materie] der himmlischen Wesen verbinden und deshalb diese [Materie] bewachen und nicht erlauben, dass sie wegen ihrer vergänglichen Beschaffenheit komplett zerstört wird. Denn auch Orpheus sagt: „ D e r h i m m l i s c h e n M a t e r i e , d i e d e r S t e r n e u n d d e s t i e f e n A b g r u n d s “ 191 , Da die Materie in drei geteilt ist. Eine von denen ist die himmlische, die den sieben Sphären 192 zugrunde liegt; eine andere [Materie] ist die gestirnte, die den Sternen zugrunde liegt und die [dritte ist] die irdische [Materie], die tiefer Abgrund genannt wird, weil es sich an der tiefsten [Ebene] befindet und vergänglich ist. 193 Da wir aber gesagt haben, dass die erste Form unter den Himmelswesen das Göttliche 194 ist, muss man wissen, dass von den Göttern einige jenseits des Kosmos 195 sind, an denen unsere Seelen befestigt sind, aber kein Körper. Andere [Götter] sind im Kosmos, an die nur die Körper befestigt sind. 196 Von den [Göttern], die sich im Kosmos befinden, sind einige in den himmlischen Gebieten, andere im Äther oder im Feuer, einige dagegen in der Luft, andere im Wasser oder in der Erde, oder einige [befinden sich] unten im Tartaros 197 , so wie auch der Dichter [sagt]: „ S i e n e n n e n s i e d i e j e n i g e n [ G ö t t e r ] u n t e n i m T a r t a r o s . “ 198 Von den [Göttern] aber, die sich auf der Erde befinden, sind einige die Herrscher der ländlichen Gebiete, während die anderen die Städte besitzen und andere sich in den Häusern befinden. 10 15 19 5 10 15 20 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 165 <?page no="166"?> Ζητητέον δὲ ποίους τῶν εἰρημένων ἓξ τῶν κατ’ οὐσίαν ε ἰ λ η χ ό τ α ς ἑκάστου φασίν . λέγουσι οὖν ὅτι οἱ μὲν κατ’ οὐσίαν ἑαυτῶν βιοῦντες καὶ ὡς πεφύκασι τὸν θεῖον δαίμονα ἔχουσιν εἰληχότα , διὸ καὶ εὐδοκιμοῦντάς ἐστιν αὐτοὺς ὁρᾶν ἐν οἷς ἐπιτηδεύουσι . κατ’ οὐσίαν δέ ἐστι ζῆν τὸ πρόσ φορον αἱρεῖσθαι βίον τῇ σειρᾷ ὑφ’ ἣν ἀνάγεται · οἶον στρατιωτικὸν μέν , ἐὰν ὑπὸ τὴν Ἀρεϊκήν , λογικὸν δ έ , ἐὰν ὑπὸ τὴν Ἑρμαϊκήν , ἰατρικὸν δὲ ἢ μαντευτικόν , ἐὰν ὑπὸ τὴν Ἀπολλωνιακήν , καὶ ἁπλῶς ὡς εἴρηται τὸ καθὼς πέφυκέ τι βιοῦν . εἰ δὲ μὴ τὸν κατ’ οὐσίαν τις βίον προβάληται ἀλλ’ ἕτερόν τινα παρὰ τοῦτον καὶ ἀλλοτριοπραγῇ τοῖς ἐπιτηδεύμασιν , τὸν νοερὸν αὐτῷ λέγουσιν ὑπάρχειν εἰληχότα , διὸ καὶ ὡς ἀλλοτριοπρα γῶν ἐν ἐνίοις ἀποτυγχάνει . ἀλλὰ ταῦτα μὲν περὶ τοῦ ἑκάστου εἰληχότος δαίμονος . Περὶ δὲ τοῦ Σωκράτους εἰληχότος δαίμονος τρία τινά φασιν ὑπάρχειν ἐξαίρετα . πρῶτον μὲν ὅτι ἀεὶ αὐτὸν ἀπέτρεπεν , καὶ σύμβολον ἦν προτροπῆς τὸ ποτὲ μὴ ἀποτρέπειν . εὐεργετικὸς γὰρ ὢν ὁ Σωκράτης καὶ ἀεὶ σπουδάζων πάντας ὠφελεῖν δίκην ὀξέως ἵππου πρὸς δρόμον ἐπει γομένου χαλινοῦ καὶ οὐ μάστιγος ἐδέετο . δεύτερον ὅτι θεῖον εἶχε τὸν εἰληχότα δαίμονα , καὶ τοῦτο δηλοῖ · φησὶ γὰρ ἐν τῷ παρόντι διαλόγῳ ὅτι ‘ ὁ ἐ μ ὸ ς ἐ π ί τ ρ ο π ο ς κ ρ ε ί τ τ ω ν ἐ σ τ ὶ ν ἢ ὁ σ ό ς ’ , καὶ τοῦ νεανίου εἰπόντος ‘ τ ί ς ο ὗ τ ο ς ; ’ ἔφη ‘ θ ε ό ς , ὦ Ἀ λ κ ι β ι ά δ η , θ ε ό ς . ’ τρίτον ὅτι ὡς φωνῆς αὐτοῦ ἐδόκει ἀκούειν , οὐχ ὅτι ἐκεῖνος ἐλάλει , ἀλλ’ ἔλλαμψίς τις αὐτοῦ ἐγίνετο περὶ τὰ ἀκουστικὰ ὄργανα , καὶ φωνὴν ἐνόμιζεν εἶναι . οὕτω γὰρ καὶ νῦν ὁρῶμεν ἐν τῇ συνηθείᾳ τοὺς ἱερατικῶς ζῶντας εὐώδους ὀσφραινομένους ἄφνω καὶ λέγοντας ἀγγέλου παρουσίαν εἶναι , ἅτε ἐλλάμψεως καὶ αὐτοῖς γινομένης περὶ τὰ ὀσφραν τικὰ ὄργανα . Ἀλλ’ ἐπειδὴ δαίμονας ε ἰληχότας εἰρήκαμεν , δεῖ γινώσκειν ὅτι καὶ παρὰ τῇ κοινῇ συνηθείᾳ συνέγνωσται ταῦτα , εἰ καὶ μὴ τοῖς αὐτοῖς ὀνόμασιν . ἀντὶ γὰρ τοῦ δαίμονος ἄγγελον ἑκάστου φασίν · ἀμέλει ἐστὶν αὐτῶν ἀκούειν ‘τὸν ἄγγελόν σου’ , ἐπὶ τῶν μάλιστα θεοφιλῶς ζώντων . καὶ ὁ Πλάτων δὲ ἐμνημόνευσεν ἂν τοῦ τοιούτου ὀνόματος τοῦ ἀγγέλου , εἰ μὴ τὸ πλάτος τοῦτο τὸ ἀπὸ τῶν οὐρανίων μέχρι τῶν ὑποσελήνων 5 10 21 5 10 15 22 166 C. Text und Übersetzung <?page no="167"?> Jetzt muss es untersucht werden, über welche von diesen genannten sechs [Daimones] im Wesen man sagt, dass sie jedem einzelnen z u g e t e i l t werden. 199 Man sagt nun, dass diejenigen, die entsprechend ihrem Wesen so leben, wie sie geschaffen wurden, den göttlichen Daimon zugeteilt bekommen, 200 weshalb wir sehen, dass diese [Menschen] hochverehrt sind, welcher Beschäftigung sie auch immer nachgehen. Entsprechend dem Wesen zu leben bedeutet, das geeignete Leben für die Kette 201 , an die jemand verbunden ist, auszuwählen. Zum Beispiel, das militärische [Leben], wenn man an [den Ketten von] Ares gebunden ist; das Leben der Vernunft, wenn an [den Ketten von] Hermes oder ein Leben des Heilens und Wahrsagens, wenn an [den Ketten von] Apollon; und einfach gesagt, passend dazu zu leben, von welcher Natur jemand geschaffen wurde. Wenn jemand dagegen sich nicht das Leben entsprechend seinem Wesen vornimmt, sondern stattdessen ein anderes Leben [führt] und sich in seinen Bemühungen der Fremdtuerei 202 [widmet], sagt man, dass diesem Menschen der gedankliche 203 Daimon zugeteilt wurde: Aus diesem Grund, da er sich mit Fremdtuerei beschäftigt, verfehlt er sein Ziel in einigen [Aspekten]. Doch diese [Erklärungen] über den jedem zugeteilten Daimon [sind genug]. Über den zugeteilten Daimon 204 des Sokrates sagen [die Exegeten], dass es drei Dinge gibt, die hervorgehoben werden sollen. Erstens, dass er ihn stets [von Handlungen] abgewendet hat und wann immer er ihn nicht abwendete, es ein Zeichen der Ermutigung war. Denn Sokrates war wohltätig und bemühte sich stets jedem zu helfen, wie ein temperamentvolles Pferd, das sich beim Wettrennen strebsam verhält, brauchte er Zaum und keine Peitsche. 205 Zweitens, dass sein zugeteilter Daimon göttlich war, was er auch zeigt. Denn er sagt im gegenwärtigen Dialog „ M e i n V o r m u n d i s t b e s s e r a l s d e r d e i n e “ und als der Jüngling fragt „ W e r i s t d e n n d a s ? “ , antwortete er: „ E i n G o t t , A l k i b i a d e s , e i n G o t t . “ 206 Drittens, dass er scheinbar die Stimme von ihm [sc. von dem Daimon] hörte: Nicht, weil er sprach, sondern weil es eine Erleuchtung 207 von ihm um die Hörorgane gab, und er [sc. Sokrates] das für eine Stimme hielt. 208 Denn genauso sehen wir auch heutzutage im üblichen Sprachgebrauch 209 , dass diejenigen, die ihr Leben nach heiligen Praktiken richten 210 , plötzlich einen schönen Duft wahrnehmen 211 und sagen, dass es die Anwesenheit eines Engels 212 ist: also geschieht auch bei diesen [Menschen] eine Erleuchtung um die Geruchsorgane. Da wir über die zugeteilten Daimones geredet haben, muss man wissen, dass diese auch im üblichen Sprachgebrauch 213 bekannt sind, auch wenn nicht unter den gleichen Namen. Denn statt Daimon nennen sie diesen den Engel 214 von jedem. Man kann ihnen zuhören, dass sie „ dein Engel “ sagen über diejenigen, die ein Leben führen, in dem sie das Göttliche am meisten lieben. 215 In der Tat würde auch Platon einen solchen Begriff des Engels 216 erwähnen, wenn er diesen 5 10 21 5 10 15 22 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 167 <?page no="168"?> ἀδιαίρετον εἴασεν , οὐχ ὥσπερ οἱ Χαλδαῖοι τοῦτο διαιρῶν . ἐκεῖνοι γὰρ εἰς τρία τοῦτο διῄρουν , ἀγγέλους , δαίμονας , ἥρωας · καὶ τὸ μὲν πρὸς τοῖς κρείττοσιν ἔλεγον τοὺς ἀγγέλους ἔχειν , τὸ δὲ πρὸς ἡμᾶς τοὺς ἥρωας , τὸ δὲ μέσον τοὺς δαίμονας , μέσους ἐν μέσοις ὄντας . Καὶ τὸν Ἔρωτα δὲ ἐν τῷ Συμποσίῳ ποτὲ μὲν θεόν , ποτὲ δὲ μέγαν καλεῖ δαίμονα . καὶ διὰ τί μὲν θεόν , σαφές · δαίμονα δὲ ὡς μέσον αὐτὸν προσαγορεύει , μέσος γάρ ἐστιν ὁ Ἔρως οὐσίας καὶ ἐνερ γείας καὶ ἐρωμένου καὶ ἐραστοῦ · μέγαν δέ , ἐπειδὴ ὑπὲρ αἴσθησιν καὶ νοερῶς ἐνεργεῖ . διό φησιν καὶ ὁ Ὀρφεύς · ‘ π ο ι μ α ί ν ω ν π ρ α π ί δ ε σ σ ι ν ἀ ν ό μ μ α τ ο ν ὠ κ ὺ ν Ἔ ρ ω τ α ’ · ἀνόμματος γὰρ ὁ Ἔρως ὡς τῷ νῷ ὁρῶν καὶ ἀκούων , εἴγε εἴρηται · ‘ ν ο ῦ ς ὁ ρ ᾷ κ α ὶ ν ο ῦ ς ἀ κ ο ύ ε ι ’ . Καὶ ταῦτα μὲν οἱ ἐξηγηταὶ περί τε δαιμόνων καὶ εἰληχότων · ἡμεῖς δὲ συμβιβαστικῶς τοῖς παροῦσι ταῦτα πειρασόμεθα διεξελθεῖν . καὶ γὰρ καὶ Σωκράτους κώνειον κατεψηφίσθη ὡς καινὰ δαιμόνια τοῖς νέοις εἰσηγουμένου καὶ θεοὺς νομίζοντος οὓς ἡ πόλις οὐχ ἡγεῖτο | θεούς . ῥητέον οὖν εἰληχότα δαίμονα τὸ συνειδὸς ὑπάρχειν , ὅπερ ἄ κ ρ ο ν ἄ ω τ ό ν ἐστι τῆς ψυχῆς καὶ ἀναμάρτητον ἐν ἡμῖν καὶ ἀκλινὴς δικαστὴ ς καὶ μάρτυς τῶν ἐνταῦθα γινομένων τῷ Μίνωϊ καὶ τῷ Ῥαδαμάνθυϊ . τοῦτο δὲ καὶ σωτηρίας ἡμῖν αἴτιον γίνεται ὡς ἀναμάρτητον ἀεὶ διαμένον ἐν ἡμῖν καὶ μὴ συγκαταψηφιζόμενον τοῖς ὑπὸ τῆς ψυχῆς ἁμαρτανομένοις , ἀλλὰ καὶ ἀνιλλόμενον ἐπὶ τούτοις καὶ ἐπιστρέφον αὐτὴν πρὸς τὸ δέον . καθάπερ δὲ παιδίον κλαυθμυρίζον ἀφ’ ὕπνου γίνεται φαντασίᾳ τινί , οὕτω καὶ τὴν ψυχὴν ἐπανάγει τὸ συνειδὸς ἀπὸ τῶν πλημμελημάτων , ἡνίκα φησίν · ‘ τ ί χ ρ ῆ μ ’ ἀ λ ύ ε ι ς ; τ ί ς σ ’ ἀ π ό λ λ υ σ ι ν ό σ ο ς ; ’ κἀκεῖνος λέγοι · ‘ ἡ σ ύ ν ε σ ι ς , ὅ τ ι σ ύ ν ο ι δ α δ ε ί ν ’ ε ἰ ρ γ α σ μ έ ν ο ς ’ . κἀκ τῶν ἐναντίων ὁ λυρικός · ‘ ἐ λ π ὶ ς δ ’ ἀ τ ά λ λ ο ι σ α κ α ὶ ἀ γ α θ ὴ γ η ρ ο τ ρ ό φ ο ς ’ . τὸ συνειδὸς οὖν εἰληχότα καλῶν δαίμονα οὐκ ἂν 5 10 15 23 5 10 15 168 C. Text und Übersetzung <?page no="169"?> Bereich, der sich von den himmlischen Wesen zu den sublunaren Wesen ausdehnt, nicht ungeteilt gelassen hätte und sie wie die Chaldäer unterteilt hätte. 217 Jene haben diesen [Bereich] in drei geteilt: Engel, Daimones und Heroen. 218 Sie sagen, den [Bereich] nah zu den überlegeneren Wesen besitzen die Engel; denjenigen nah zu uns, dagegen, die Heroen und denjenigen in der Mitte, die Daimones, sodass sie als Vermittler in der Mitte sind. Außerdem nennt er Eros an einer Stelle im Symposion einen Gott, aber an einer anderen Stelle einen großen Daimon. 219 Nun, warum er ihn als Gott [bezeichnet], ist klar: Als Daimon aber spricht er ihn an, da er als Vermittler [agiert], denn Eros ist Vermittler zwischen dem Wesen und dessen Verwirklichung und zwischen dem Geliebten und dem Verliebten. Groß [nennt er ihn], weil er jenseits der Sinneswahrnehmung und auf eine vernunftgemäße Weise wirkt. Deswegen sagt auch Orpheus: „ U n s e r e n V e r s t a n d f ü h r e n d , a u g e n l o s u n d f l i n k , E r o s “ 220 Denn Eros ist augenlos, da er mit der Vernunft sieht und hört, so sagt man etwa: „ D i e V e r n u n f t s i e h t u n d d i e V e r n u n f t h ö r t “ 221 Das ist also was die Exegeten über die Daimones und ihre Verteilung sagen. Wir werden versuchen, diese mit den gegenwärtigen [Ansichten] zu vereinbaren 222 , indem wir Folgendes sagen: Schließlich wurde Sokrates zum Tode durch den Schierlingsbecher verurteilt, in der Annahme, dass er den Jugendlichen neue daimonische Wesen vorgestellt und an Götter geglaubt habe, welche die Polis nicht als Götter betrachtete. Daher soll gesagt werden, dass der zugeteilte Daimon als das Bewusstsein 223 existiert: Das ist d e r h ö c h s t e G i p f e l 224 der Seele, das Unfehlbare in uns, ein unbeirrbarer Richter und Zeuge dessen, was hier geschehen ist, vor Minos und Rhadamanthys. 225 Das wird sogar zu dem Grund unserer Erlösung, da es immer in uns unfehlbar bleibt; und es wird nicht aufgrund der Verfehlungen der Seele zusammen mit ihr verurteilt, sondern durch diese [Fehler wird es] stärker und wendet die Seele auf ihre Pflicht zurück. Wie ein Kind infolge eines Traums aufgrund eines Trugbilds weint, so führt das Bewusstsein die Seele infolge ihrer Fehler hinauf, wie wenn es spricht: „ W a s b e s t ü r z t d i c h ? W e l c h e K r a n k h e i t f i e l d i c h a n ? “ und er [sc. Orestes] sagt: „ D a s G e w i s s e n , z u w i s s e n , d a s s i c h e t w a s S c h r e c k l i c h e s t a t “ 226 Und aus einem gegensätzlichen [Aspekt sagt] der Lyriker [sc. Pindar]: „ H o f f n u n g , d i e T r ö s t e r i n u n d d i e g u t e B e g l e i t e r i n i m A l t e r “ . 227 Daher würdest du keinen Fehler machen, wenn du das Bewusstsein als den 5 10 15 23 5 10 15 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 169 <?page no="170"?> ἁμάρτοις . ἰστέον δὲ ὅτι τοῦ συνειδότος τὸ μὲν ἐπὶ ταῖς γνωστικαῖς ἡμῶν δυνάμεσι λέγεται < προσεκτικὸν , τὸ δὲ ἐπὶ ταῖς ὀρεκτικαῖς δυνάμεσι λέγεται > συνειδὸς ὁμωνύμως τῷ γένει . 103A Ὦ παῖ Κλεινίου : τριχῶς ἐστὶν ἐξηγήσασθαι τοῦτο . ἡ γὰρ ἐκ πατρὸς κλῆσις ἢ κατὰ ἀρχαϊσμὸν εἴρηται ( ὡς ὁ ποιητής · π α τ ρ ό θ ε ν κ ι κ λ ή σ κ ω ν ὀ ν ο μ ά ζ ω ν ἐ κ γ ε ν ε ῆ ς ἄ ν δ ρ α ἕ κ α σ τ ο ν , π ά ν τ α ς κ υ δ α ί ν ω ν ) · ἢ ὅτι φιλότιμος ὢν ὁ νέος καὶ σεμνυνόμενος | ἐπὶ τῷ πατρί , ἠριστευκότι ἐν τῇ ἐπὶ Κορωνείᾳ μάχῃ κἀκεῖ τελευτήσαντι , ἐβούλετο πρὸς ἔπαινον ἐντεῦθεν ὀνομάζεσθαι · ἢ ὅτι διεγηγερμένη ἡ πρὸς πατρὸς κλῆσις < καὶ > οἰκεία τοῖς ἐρωτικοῖς καὶ αὐτοῖς τοιούτοις οὖσι καὶ πολὺ ἔχουσι τὸ ἀρρενωπόν ( ἔρως γὰρ ἢ παρὰ τὴν ῥῶσιν καὶ ῥωστικὸν αὐτὸν εἶναι ἢ παρὰ τὸ ἡρωϊκὸν λέγεται )· μόνον οὖν οὐχὶ βοᾷ διὰ τοῦ πατρόθεν αὐτὸν ὀνομάσαι , ‘ μ η δ ὲ γ έ ν ο ς π α τ έ ρ ω ν α ἰ σ χ υ ν έ μ ε ν ’ , ἐπιστρέφων αὐτὸν ἐντεῦθεν πρὸς τὸ γνῶναι ἑαυτόν , οἶός ἐστι καὶ ἐκ τίνων , καὶ προτρέπων ἐπὶ τὸ καλόν . Οἶμαί σε : δοκεῖ τοῦτο μὴ ἄξιον εἶναι τῆς Σωκρατικῆς ἐπιστήμης , τὸ εὐθέως ἐν ἀρχῇ ἀμφιβάλλειν καὶ εἰκάζειν περὶ ὧν μέλλει λέγειν . Τί οὖν φαμέν ; ὅτι ἀγνοίας τοῦτο σημεῖόν ἐστιν ; οὐδαμῶς , ἀλλὰ καὶ τῆς ἄκρας ἐπιστήμης , τὸ μεθόδῳ τινὶ πρεπούσῃ προσιέναι τοῖς προσώποις . ἐπειδὴ γὰρ ἐνστατικὸν τὸ νέον ἅπαν καὶ φιλότιμον καὶ μάλιστα πρὸς τὰς βεβαίους ἀποφάνσεις , μετ’ εὐλαβείας αὐτῷ πρόσεισιν , ὥσπερ οἱ ὀρνιθοθῆ ραι μεθ’ ὑποστολῆς τοῖς ὀρνέοις προσέρχονται πρὸς τὸ μὴ ἀποσοβῆσαι τὴν θήραν . οὕτως οὖν καὶ ὁ Σωκράτης ἠθικῶς τὸν λόγον προαγαγὼν διὰ τοῦ διστακτικοῦ πειθόμενον αὑτῷ τὸν νέον ἔμελλεν ἔχειν καὶ οὐκ ἐναντιούμενον . Θαυμάζειν : πρόσφορος ἡ λέξις τῷ σκοπῷ , φ ι λ ο σ ο φ ί α ς γὰρ ἀ ρ χ ὴ τὸ θαῦμα . θαυμάσαντες γὰρ τὸ ὅτι ἐπὶ τὸ διότι ἐρχόμεθα · τοῦτο 23, 17 Cf. Westerink (1982) addenda ad loci: < προσεκτικὸν … λέγεται >. 20 24 5 10 15 20 170 C. Text und Übersetzung <?page no="171"?> zugeteilten Daimon bezeichnest. Man muss aber wissen, dass [die Art des] Bewusstseins, die sich auf unsere Erkenntnisfähigkeiten bezieht, Aufmerksamkeit 228 genannt wird; die [Art des Bewusstseins] dagegen, die sich auf unsere strebenden Fähigkeiten bezieht, wird Bewusstsein genannt, mit dem gleichen Namen wie die Gattung. 229 103A Sohn des Kleinias: Das kann auf drei Weisen ausgelegt werden 230 : Entweder ist der Name des Vaters entsprechend dem Archaismus benutzt (wie der Dichter sagt: U n d n e n n e b e i m N a m e n j e d e n M a n n n a c h d e m v ä t e r l i c h e n G e s c h l e c h t , u n d e h r e a l l e ) . 231 Oder, da der Jüngling ehrgeizig ist und sich seines Vaters rühmt, der sich in der Schlacht von Koroneia ausgezeichnet hatte und dort gestorben war, 232 wollte er für das Lob [verbunden mit seinem Namen] nach ihm [sc. seinem Vater] genannt werden. Oder, weil eine Anrede vom Vater her lebhaft und geeignet für die Liebenden ist, zumal wenn sie selber auch solche [Liebenden] sind und viel Mannhaftigkeit haben. 233 (Eros wird entweder wegen seiner Stärke (rh ō sis) und weil er selbst kräftig (rh ō stikon) ist, oder wegen seines Heldentums (her ō ikon) so genannt). 234 Daher macht er [sc. Sokrates], indem er ihn von seinem Vater her nennt, nichts Anderes als auszurufen: „ U n d d e r V ä t e r G e s c h l e c h t n i c h t S c h a n d e z u m a c h e n “ 235 um ihn weg von hier auf die Erkenntnis seines Selbst und [die Erkenntnis] dessen, welche Beschaffenheit er hat und woher [er stammt], zurückzuführen und zu dem Schönen zu ermahnen. Ich glaube, du: Dieser [Ausdruck] scheint des sokratischen Wissens nicht würdig zu sein, da er bereits am Anfang zweifelt und eine Vermutung über die Dinge äußert, die er zu reden vorhat. Was sagen wir dazu? Dass es ein Zeichen der Unwissenheit ist? Auf keinen Fall, sondern [, dass es ein Zeichen] des Gipfels des Wissens ist, [verschiedene] Personen mit der jeweils für jeden [Menschen] geeigneten Methode anzusprechen. 236 Da alle Jünglinge Auseinandersetzungen und die Ehre lieben - insbesondere, wenn sie große Ansprüche haben - nähert er [sc. Sokrates] sich ihm [sc. Alkibiades] mit Vorsicht, wie Vogelfänger sich den Vögeln annähern, während sie bereit sind, zurückzuweichen, damit sie ihre Beute nicht erschrecken. Genau das wollte auch Sokrates, indem er den Dialog wie gewohnt mit einem Zweifel beginnt, dass der Jüngling von ihm überzeugt wird und [seine Ansichten] nicht abstreitet. wunderst dich: Dieser Ausdruck ist passend zu der Absicht [des Dialogs], denn V e r w u n d e r u n g ist der A n f a n g der Philosophie. 237 Wenn wir uns nämlich darüber wundern, dass etwas ist, kommen wir zu dem, warum es ist. 20 24 5 10 15 20 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 171 <?page no="172"?> δέ ἐστι τὸ φιλοσοφεῖν , τὸ τὰς αἰτίας τῶν | ὄντων ἀποδιδόναι , εἴγε ἐστὶ φιλοσοφία γνῶσις τῶν ὄντων ᾗ ὄντα ἐστί . καὶ ἄλλως δέ · φιλοσοφία γὰρ ἡ Ἶρις ὡς περὶ τῶν ὄντων ἐροῦσα , ταύτην δὲ Θαύμαντος θυγατέρα μυθεύουσιν οἱ ποιηταί . καὶ αὐτὴ δὲ ἡ Ἶρις ἐν τῷ ἀέρι φαινομένη θαυμαστή ἐστιν , πῶς ἐν ὕλῃ τοιαύτῃ μαθηματικὸν σχῆμα , τὸν κύκλον , ἀποτελεῖ . λέγεται δέ τι σχῆμα καὶ παρὰ τοῖς γραμμικοῖς καὶ γεωμέ τραις θαῦμα . Ὅτι πρῶτος ἐραστής σου γενόμενος : ἑαυτὸν ἕ ν α καὶ π ρ ῶ τ ο ν καὶ μ ό ν ο ν φησίν , τοὺς δὲ ἄ λ λ ο υ ς καὶ π ο λ λ ο ὺ ς καὶ τ ε λ ε υ τ α ί ο υ ς καὶ ὄ χ λ ο ν . ἰστέον δὲ ὅτι ὁ μὲν δῆμος ἐπέκεινα τοῦ ὄχλου πρὸς τάξιν , ὁ δὲ χορὸς ἐπέκεινα τοῦ δήμου . εὐτακτότερος γὰρ ὁ μὲν δῆμος τοῦ ὄχλου ( διὸ καὶ ὁ Παιανιεὺς πρὸς διαβολὴ ν τοῦ δήμου φησίν · ‘ ε ἴ γ ε ὁ μ ὲ ν δ ῆ μ ό ς ἐ σ τ ι ν ὄ χ λ ο ς , ἀ σ τ α θ μ η τ ό τ α τ ο ν ’ καὶ τὰ ἑξῆς , παραλαβὼν τὸν ὄχλον ἀντὶ τοῦ δήμου ) · ὁ δὲ χορὸς εὐτακτότε ρος τοῦ δήμου , εἴγε πολλὴν ἕνωσιν ἔχει καὶ πρὸς ἕνα μόνον ὁρᾷ τὸν χοροδιδάσκαλον . οὕτως καὶ ὁ Σωκράτης , εἷς ὤν , πρὸς τῇ εὐταξίᾳ ἐστίν , ἐκείνους δὲ δι’ ὄχλου φησ ὶν εἶναι . καλῶς δ’ εἶπεν αὐτὸν θαυμάζειν ἐπὶ χρόνῳ τῷ πολλῷ καὶ τῷ πρῶτον ἐρασθέντα μήπω ἀπηλλάχθαι · οἱ γὰρ πολλοὶ οὐ πρὸς τὴν ἕξιν ἀποβλέποντες κρίνουσιν , ἀλλὰ πρὸς τὸν χρόνον . οὕτω γὰρ καὶ σοφοὺς νομίζουσι τοὺς πλεῖστον χρόνον ἐν διδασ κάλου διατρίψαντας , οὐ τοὺς ὀλίγον , εἰ καὶ σοφώτεροι ὦσιν . φησὶν οὖν ὅτι ‘καὶ σὺ θαυμάζεις ἐκ τοῦ χρόνου στοχαζόμενος ὃν ἐρῶ σου , δῆλον ὅτι ὡς εἷς ὢν τῶν πολλῶν’ . Ἐγὼ δὲ τοσούτων ἐτῶν οὐδὲ προσεῖπον : Ἀττικὸν τὸ σχῆμα , τὸ εἰπεῖν ‘ τ ο σ ο ύ τ ω ν ἐ τ ῶ ν ’ , δηλοῖ γὰρ ὅτι ‘ἐπὶ | τοσοῦτον χρόνον οὐδὲ προσεῖπον’ . Τούτου δὲ τὸ αἴτιον οὐκ ἀνθρώπειον : τούτου τίνος ; δῆλον ὅτι τοῦ ἀπαρουσιάστως ἐρᾶν · οὐ γὰρ τοῦ ἁπλῶς ἐρᾶν , ἀλλὰ τοῦ θεοειδῶς . φησὶ γὰρ ὅτι < τὸ > αἴτιον τοῦ ἐρῶντα μὴ προσειπεῖν , ὅπερ ἐστὶ θεοειδῶς ἐρᾶν , δαιμόνιόν τι καὶ οὐκ ἀνθρώπειον . εὐλόγως τοῦτό φησιν · τοῦ γὰρ αἰτιατοῦ θεοειδοῦς < ὄντος > δῆλον ὅτι καὶ τὸ αἴτιον θεῖον . Οὗ σὺ τὴν δύναμιν καὶ ὕστερον πεύσῃ : τοῦ δαιμονίου . πρόσφορος δὲ ἡ λέξις πρὸς τὸν ἀκούοντα · ἐπειδὴ γὰρ οἶδεν αὐτὸν δυνάμεως ὀρε γόμενον , ὑποτίθησιν αὐτῷ ἐλπίδας ὡς περὶ οἰκείων αὐτῷ καὶ ὧν βούλε - 25 5 10 15 20 26 5 10 172 C. Text und Übersetzung <?page no="173"?> Das ist es, zu philosophieren, die Ursachen der Seienden zu erklären, wenn nämlich die Philosophie Erkenntnis der Seienden als Seiende ist. 238 Auch auf eine andere Weise [ist es so]: Denn Iris ist die Philosophie, wie sie über die Seienden untersucht, und die Dichter erzählen, dass sie die Tochter von Thaumas 239 ist. Und Iris selbst, wenn sie in der Luft erscheint, ist wunderlich, wie eine mathematische Figur, ein Kreis, in einer solchen Materie [wie Luft] entsteht. Ferner wird eine bestimmte Gestalt sowohl unter den Zeichnern als auch den Geometrikern Wunder genannt. 240 dass ich als dein erster Liebhaber: Er äußert [die Wörter] e i n s , e r s t e r und e i n z i g e r für sich; für die a n d e r e n aber M e h r h e i t , l e t z t e und M a s s e . 241 Man muss nun wissen, dass das Volk höher im Rang ist als die Masse, und der Chor 242 höher als das Volk. Denn das Volk ist besser organisiert als die Masse (aus diesem Grund also sagt auch Paianieus 243 , um das Volk zu beleidigen: „ W e n n d a s V o l k e i n e M a s s e i s t , i s t e s d i e u n s i c h e r s t e S a c h e “ und Folgendes, indem er die Masse für das Volk hält). Der Chor ist dagegen besser organisiert als das Volk, denn er besitzt viel Einheit und beachtet einen einzigen Chorlehrer. So ist auch Sokrates, da er eine [Person] ist und auf eine gute Ordnung abzielt, sagt er, dass die anderen sich wie Masse verhalten. 244 Er sagt zutreffend, dass er [sc. Alkibiades] sich wundert, da es lange Zeit vorbeiging und sein erster Liebhaber ihn immer noch nicht verlassen hat. Denn die Mehrheit beurteilt [einen] nicht in Anbetracht seiner Veranlagung, sondern in Anbetracht der Zeit. So halten sie diejenigen für weise, die die meiste Zeit in der Schule verbracht haben, nicht [diejenigen, die] weniger [Zeit verbracht haben], auch wenn die [letztere] weiser sind. Folglich sagt er [sc. Sokrates]: „ Dass du dich wunderst, als du die [Länge der] Zeit vermutest, in der ich dich liebe, verdeutlicht, dass du wie eine Person aus der Mehrheit bist “ . 245 ich dich dagegen während so vieler Jahre nicht einmal überhaupt nur angesprochen habe: Es ist eine attische Redewendung, „ w ä h r e n d s o v i e l e r J a h r e “ 246 zu sagen, denn es bedeutet „ seit so langer Zeit habe ich dich nicht angesprochen “ . Die Ursache dafür war nicht eine menschliche 247 : Wessen [Ursache]? Deutlich ist es [die Ursache] der Liebe ohne physische Anwesenheit. Denn es geht nicht ums Lieben im Allgemeinen, sondern ums [Lieben] auf göttliche Weise. Er sagt nämlich, dass der Grund, warum der Liebende nicht spricht, sofern es ums Lieben auf göttliche Weise geht, etwas Daimonisches und nicht Menschliches ist. Er sagt das gut überlegt: Denn es ist klar, dass der Grund von einem göttlichen Ergebnis auch göttlich sein muss. dessen Macht wirst du auch später erfahren 248 : [Die Macht] des Daimonions. 249 Dieser Ausdruck kommt dem Zuhörer gelegen: Da er [sc. Sokrates] weiß, dass er [sc. Alkibiades] nach der Macht strebt, regt er bei ihm die 25 5 10 15 20 26 5 10 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 173 <?page no="174"?> ται διαλέξεται . τὸ δὲ ‘ κ α ὶ ὕ σ τ ε ρ ο ν ’ περιττεύει τῷ κ α ὶ συνδέσμῳ . οὐ γάρ ἐστιν ἐνταῦθα συμπλεκτικός , ἀλλὰ παραπληρωματικός · οὐδὲ γὰρ καὶ πρὸ τούτου ἐπύθετο τὴν δύναμιν αὐτοῦ , ἵνα μάθῃ καὶ ὕστερον . χρῆται δὲ τούτῳ καὶ ὁ ποιητὴς ἐν τῷ ‘ Ε ὔ ρ υ τ ο ς , ᾧ κ α ὶ τ ό ξ ο ν Ἀ π ό λ λ ω ν α ὐ τ ὸ ς ἔ δ ω κ ε ν ’ οὐ γὰρ ὡς καὶ ἄλλο τι παρασχόντος αὐτῷ κεῖται ὁ καί , ἀλλὰ μόνον παραπληρωματικός ἐστιν . ‘ ὕ σ τ ε ρ ο ν ’ δέ φησιν , ἐπειδὴ μικρὸν ὕστερον λέγει · ‘ ν ε ω τ έ ρ ῳ μ ὲ ν ο ὖ ν ὄ ν τ ι σ ο ι κ α ὶ π ρ ὶ ν τ ο σ α ύ τ η ς ἐ λ π ί δ ο ς γ έ μ ε ι ν , ὡ ς ἐ μ ο ὶ δ ο κ ε ῖ , ο ὐ κ ε ἴ α ὁ θ ε ὸ ς δ ι α λ έ γ ε σ θ α ι , ἵ ν α μ ὴ μ ά τ η ν δ ι α λ ε γ ο ί μ η ν · ν ῦ ν δ ὲ ἐ φ ῆ κ ε , ν ῦ ν γ ὰ ρ ἄ ν μ ο υ ἀ κ ο ύ σ α ι ς ’ . Νῦν δ έ , ἐ πειδὴ ο ὐκ ἐ ναντιοῦται : ζητητέον διὰ τί μὴ καὶ νῦν ἐναν τιοῦται τὸ δαιμόνιον προσιέναι τῷ Ἀλκιβιάδῃ , εἴγε μέλλει μετὰ ταῦτα ἁμαρτάνειν . καὶ γὰρ πρὸς Λακεδαιμονίους αὐτομολήσας συνεβούλευσεν ἐπιτειχίσαι τῇ πατρίδι τὴν Δεκέλειαν καὶ πρὸ τούτου τὸν πόλεμον αὐτὸς εἰσηγήσατο τῷ Περικλεῖ κινῆσαι διὰ τοῦ γράψαι τὸ κατὰ Μεγαρέων ψήφισμα , ἵνα μὴ δῷ λόγον τῶν ἀνηλωμένων χρημάτων εἰς τὴν Φειδίου Ἀθηνᾶν · | ταύτῃ γὰρ αὐτὸς ἐφειστήκει . καὶ ἄλλο δέ · αἰτίαν γ ὰρ ἔσχεν τὰ μυστήρια μιμήσασθαι ἐν τῇ Πολυτίωνος οἰκίᾳ . πρὸς ταῦτα οὖν φαμὲν ὅτι , ὥσπερ ὁ ἥλιος οὐ διωρισμένως φωτίζει , ἀλλὰ καὶ τοὺς μὴ ὁρῶντας , εἰ καὶ ἐκεῖνοι διὰ τὴν οἰκείαν ἀνεπιτηδειότητα οὐκ ἀπολαύουσι τῆς ἐντεῦθεν ἀκτῖνος , οὕτως καὶ τὸ δαιμόνιον οὐκ ἐκώλυσε τὸν Σωκράτην , εἰ καὶ ἀνεπιτήδειος ὁ Ἀλκιβιάδης , διαλέγεσθαι . οἶμαι δὲ ὅτι ταύτῃ ἐναντιοῦται τὸ μέχρι τοῦ παρόντος ἐναντιοῦσθαι τὸ δαιμόνιον · πῶς γὰρ ἐξ ἀρχῆς οὐκ ἐπέτρεψεν ; ἡ δὲ Ξενοφῶντος λύσις ῥητορικὴ μέν , ἔστιν δὲ αὕτη · ὅτι χείρων ἑαυτοῦ ἔμελλεν εἶναι ὁ Ἀλκιβιάδης , εἰ μὴ συνδιέτριψε Σωκράτει . τρίτη δὲ λύσις ἡ καὶ ἀληθεστέρα , ὅτι εἰ μὴ καὶ ἐν τῷ βίῳ τούτῳ ἔμελλον ὠφελήσειν τὰ παρὰ τοῦ Σωκράτους , ἀλλ’ οὖν ἐν ἑτέρῳ βίῳ τούτων ἀναμιμνῃσκόμενος ὠφελεῖτο ἐννοῶν ὡς ἀληθῆ πρότερον ἦσαν τὰ λεγόμενα καὶ μόνον οὐ λέγων · 26, 15 Olymp. Εὔρυτος / Πάνδαρος Hom. Il. II,827. 15 20 25 27 5 10 174 C. Text und Übersetzung <?page no="175"?> Erwartung an, dass er über die ihm bekannten Themen und über seine Wünsche diskutieren möchte. [Im Ausdruck] „ a u c h s p ä t e r “ ist das Verbindungswort a u c h überflüssig. Denn [dieses Wort] ist hier keine kopulative Konjunktion, sondern ein Füllwort. 250 [Alkibiades] hat nämlich nicht auch vorher seine Macht erfahren, damit er das auch später lernen soll. Auch der Dichter gebraucht dieses [Wort] im [Folgenden]: „ E u r y t o s , d e m a u c h A p o l l o n s e l b s t d e n B o g e n g e g e b e n h a t t e . “ 251 Denn ist hier dieses ‚ auch ‘ nicht, weil [Apollon] ihm etwas Anderes [früher] geschenkt hatte, sondern es ist nur ein Füllwort. „ S p ä t e r “ sagt er aber, weil er kurz darauf sagt: „ S o l a n g e d u n u n n o c h j ü n g e r u n d n o c h n i c h t v o n s o g r o ß e r H o f f n u n g e r f ü l l t w a r s t , l i e ß d e r G o t t d a s G e s p r ä c h m i t d i r , w i e m i r s c h e i n t , n i c h t z u , d a m i t i c h n i c h t u m s o n s t m i t d i r s p r ä c h e . J e t z t a b e r h a t e r e s g e s t a t t e t , d e n n j e t z t w i r s t d u m i c h w o h l a n h ö r e n . “ 252 Nachdem es jetzt keinen Widerstand mehr leistet: Es muss untersucht werden, warum das Daimonion jetzt [ihn] nicht hindert, Alkibiades anzusprechen, zumal wenn er [sc. Alkibiades] danach Fehler begehen wird. 253 Denn er lief über zu den Lakedaimoniern und beriet sie, Dekeleia in seiner Heimat zu befestigen 254 und davor drängte er selber Perikles zum Krieg, indem er ein Dekret gegen Megarer schrieb, damit er keine Rechenschaft über das verbrauchte Geld für [die Skulptur der] Athena von Pheidias geben muss. Das stand nämlich unter seiner Verantwortung. 255 Noch etwas Anderes: Er war der Verursacher für die pantomimische Darstellung der Mysterien im Haus des Polytion. 256 Gegen diese [Anschuldigungen] sagen wir, 257 wie die Sonne 258 nicht unterschiedlich scheint, sondern sogar auf diese, die nicht sehen können - auch wenn diese wegen der eigenen Untauglichkeit 259 die Lichtstrahlen von dort nicht nutzen können - so auch hinderte das Daimonion Sokrates nicht an einem Dialog mit Alkibiades, auch wenn dieser [sc. Alkibiades] untauglich war. Ich glaube aber, dieser [Lösung] steht [die Tatsache] entgegen, dass das Daimonion bis zu diesem Zeitpunkt ihn verhindert hat: Wie hat es denn das am Anfang nicht erlaubt? 260 Dazu hat Xenophon eine rhetorische Lösung, und die ist wie folgt: Dass Alkibiades noch schlimmer sein würde als er selbst, hätte er nicht zusammen mit Sokrates Zeit verbracht. 261 Die dritte Lösung ist aber richtiger, nämlich dass, auch wenn ihm die [Gespräche] mit Sokrates in diesem Leben nicht hilfreich sein sollten, würden sie ihm dennoch in einem anderen Leben helfen, wenn er sich daran erinnert und anerkennt, dass, was im Vergangenen gesprochen war, wahr ist, und nicht nur sagt: 15 20 25 27 5 10 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 175 <?page no="176"?> ‘ ἀ λ λ ’ ἐ γ ὼ ο ὐ π ι θ ό μ η ν · ἦ τ ’ ἂ ν π ο λ ὺ κ έ ρ δ ι ο ν ἦ ε ν ’ · ὁπότε ὁρῶμεν καὶ ἐν τῷ αὐτῷ βίῳ τινὰς μετὰ τὴν λώφησιν τῶν παθῶν τοῦτο ποιοῦντας καὶ μόνον ἡνίκα φλεγμαίνουσιν αὐτοῖς ἐνδιδόντας . 103B Οὕτως προσελήλυθα : καίτοι διὰ παντὸς παρῆν · πῶς οὖν φησὶν ὅτι ‘νῦν προσελήλυθα , ἐπειδὴ οὐκ ἐναντιώθη τὸ δαιμόνιον’ ; ἢ λέγομεν ὅτι π ρ ο σ ε λ ή λ υ θ α δηλοῖ ἀντὶ τοῦ αἰσθητῶς καὶ οὐχ ὥσπερ πρότερον , μόνον θεοειδῶς καὶ ἀπαρουσιάστως . Εὔελπις δέ εἰμι καὶ τὸ λοιπόν : ἐρωτικὸν καὶ τοῦτο , τὸ τὴν ὠφέλειαν τοῦ νέου οἰκείαν εὐελπιστίαν ἡγήσασθαι . πρόσκειται δὲ τὸ μὲν ε ὖ διὰ τὸν Σωκράτην , τὸ δὲ ἐ λ π ὶ ς διὰ τὸν Ἀλκιβιάδην . ἀβέβαιον γὰρ ἡ ἐλ | πίς , καὶ ὥς φησιν ὁ Ἡρόδοτος , ἐ γ ρ η γ ο ρ ό τ ο ς ἐ ν ύ π ν ι ο ν . Μὴ ἐναντιώσεσθαι : εἰκότως · εἰ γὰρ π ρὶν ἀκούσῃ τῶν τοῦ σωφρο νοῦντος στόματος λόγων οὐκ ἐναντιώθη , δῆλον ὅτι μετὰ τὸ ἀκοῦσαι οὐκ ἐναντιωθήσεται . Πρᾶξις σὺν θεῷ δʹ 103B-104C Σχεδὸν οὖν κατανενόηκα ἐν τούτῳ τῷ χρόνῳ σκοπούμενος : Δύο εἰπὼν ὁ Σωκράτης , ἓν μὲν ἀνθρώπειον , τὸ δὲ ἕτερον θεῖον , καὶ ἀνθρώπειον μὲν τὸ ἐρᾶν ( κοινὸν γὰρ τοῦτο πάντων ἀνθρώπων ), θεῖον δὲ τὸ ἀπαρουσιάστως ἐρᾶν , πρῶτον τοῦ δευτέρου τὴν αἰτίαν ἀπέδωκεν , θεὸν ἢ δαίμονα ταύτην εἰπών . κατὰ ἀρχαϊσμὸν δὲ τοῦτο πεποίηκεν , τὸ τὸ πέρας τῶν φθασάντων ἀρχὴν ποιεῖσθαι τῶν μελλόντων . οὕτω καὶ Ὅμηρος · ‘ Ἱ π π ό θ ο ό ν τ ε κ α ὶ Λ α ο δ ί κ η ν κ α ὶ Λ α ο δ ά μ ε ι α ν · Λ α ο δ α μ ε ί ῃ μ ὲ ν π α ρ ε λ έ ξ α τ ο μ η τ ί ε τ α Ζ ε ύ ς ’ · νυνὶ δὲ πρὸς τὸ πρῶτον ἐπάνεισι καὶ τὴν αἰτίαν τούτου φησί , λέγω δὲ τοῦ ἐρᾶν . ἐρᾷ γὰρ αὐτοῦ διότι τῶν ἄλλων ὑπερφρονεῖ , ὑπερφρονεῖ δὲ αὐτῶν διὰ δʹ τινα · διὰ κάλλος σώματος , δι’ εὐγένειαν , διὰ τοὺς φίλους 15 20 28 5 10 15 176 C. Text und Übersetzung <?page no="177"?> „ A b e r i c h b i n n i c h t g e f o l g t - f r e i l i c h , e s w ä r e v i e l b e s s e r g e w e s e n ! “ . 262 Wir sehen an einigen [Menschen], dass sie, auch in demselben Leben, nach dem Stillstand der Affekte so handeln und den [Affekten] nur dann nachgeben, wenn sie wütend sind. 263 103B so bin ich [an dich] herangetreten 264 : In der Tat, er war die ganze Zeit anwesend. Wieso sagt er denn „ Nun bin ich an dich herangetreten, da das Daimonion mich nicht mehr hindert “ ? 265 Oder wir sagen, dass h e r a n g e t r e t e n b i n i c h offensichtlich auf seine wahrgenommene [Anwesenheit] hinweist und nicht wie früher, [auf seine] gottähnliche und immaterielle [Anwesenheit]. und ich bin der guten Hoffnung, dass es auch künftig 266 : Auch das gehört zu der Liebe, anzunehmen, dass dem Jüngling zu helfen mit der guten Hoffnung verbunden ist. Das [Wort] g u t bezieht sich hier auf Sokrates, während H o f f n u n g [sich auf] Alkibiades [bezieht]. Denn die Hoffnung ist unsicher, wie auch Herodot sagt: e i n T r a u m d e s E r w a c h e n d e n . 267 Keinen Widerstand mehr leisten wird 268 : Wahrscheinlich. Denn, wenn [Sokrates] nicht verhindert wurde, bevor [Alkibiades] die Wörter aus seinem weisen Mund 269 hören konnte, ist es deutlich, dass er nicht verhindert wird, nachdem er diese gehört hat. 270 Unterricht 4 mit Gottes Hilfe 103B - 104C Während dieser Zeit nun habe ich beobachtet und dabei ziemlich genau gemerkt 271 : Während Sokrates hier von zwei Dingen redet, von denen das eine menschlich, das andere göttlich ist - und einerseits ist es menschlich, zu lieben (denn das haben alle Menschen gemeinsam), andererseits ist es göttlich, ohne physische Anwesenheit zu lieben - gibt er zuerst den Grund des Zweiten an, als er sagt, dass es ein Gott oder ein Daimon ist. 272 Das gestaltet er nach dem archaischen Stil, das Ende des Vorherigen zu dem Anfang des Folgenden zu machen. 273 So [sagt] auch Homer: „ D e n H i p p o t h o o s u n d d i e L a o d i k e u n d d i e L a o d a m e i a . Z u L a o d a m e i a a b e r l e g t e s i c h d e r r a t s i n n e n d e Z e u s . “ 274 Jetzt aber kehrt er zurück zum Ersten und nennt den Grund dafür - ich meine, für das Lieben. Denn er liebt ihn, weil er die anderen verachtet und er verachtet sie aus vier bestimmten Gründen: Wegen der Schönheit seines Körpers, wegen seiner adligen Abstammung, weil er viele Freunde hat und weil er sich seines 15 20 28 5 10 15 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 177 <?page no="178"?> πολλοὺς ὄντας , διὰ τὸ Περικλεῖ ἐπιτρόπῳ σεμνύνεσθαι . ὅτι γὰρ καλὸς ἦν τῷ σώματι δῆλον ἐκ τοῦ κοινὸν ἐρώμενον αὐτὸν λέγεσθαι τῆς Ἑλλά δος , ἐκ τοῦ τοὺς Ἑρμᾶς Ἀθήνησι κατ’ εἰκόνα καὶ ὁμοίωσιν αὐτοῦ γράφεσθαι , ἐκ τοῦ τὸν Κυνικὸν Ἀντισθένην λέγειν περὶ αὐτοῦ , ‘ ε ἰ μ ὴ τ ο ι ο ῦ τ ο ς ἦ ν ὁ Ἀ χ ι λ λ ε ύ ς , ο ὐ κ ἦ ν ὡ ρ α ῖ ο ς ’ · περὶ οὗ φησὶν ὁ ποιητὴς βουλόμενος τὸν Νιρέα εἰς κάλλος ἐπαινέσαι · ‘ Ν ι ρ ε ύ ς , ὃ ς κ ά λ λ ι σ τ ο ς ἀ ν ὴ ρ ὑ π ὸ Ἴ λ ι ο ν ἦ λ θ ε ν τ ῶ ν ἄ λ λ ω ν Δ α ν α ῶ ν μ ε τ ’ ἀ μ ύ μ ο ν α Π η λ ε ί ω ν α ’ . ἐπὶ | δὲ γένει μεγάλα ἐφρόνει , ἐπειδὴ ἐκ πατρὸς μὲν Αἰακίδης ἦν , ἐκ μητρὸς δὲ Ἀλκμαιωνίδης , ὅπερ μέγιστον καὶ πρῶτον γένος ἐν Ἀθήναις καὶ πάσῃ τῇ Ἑλλάδι ἐνομίζετο . ἐπὶ δὲ φίλοις μέγα ἐφρόνει , ἐπειδὴ κοινὸς ὢν ἐρώμενος τῆς Ἑλλάδος , ὡς εἴρηται , πλείστους ἐκ τούτου φίλους ἐκέκτητο . ἔτι δὲ καὶ ἐπὶ τῷ Περικλεῖ δικαίως ἐσεμνύνετο , ἐπιτρό πῳ ὄντι καὶ τὰ μέγιστα δυναμένῳ ἐν τῇ πατρίδι , περὶ οὗ φησ ὶν ὁ συγ γραφεύς · ‘ ἐ γ ί ν ε τ ο δ ὲ λ ό γ ῳ μ ὲ ν δ η μ ο κ ρ α τ ί α , ἔ ρ γ ῳ δ ὲ ὑ π ὸ τ ο ῦ π ρ ώ τ ο υ ἀ ν δ ρ ὸ ς ἀ ρ χ ή ’ · καὶ ὁ κωμικὸς δὲ περὶ αὐτοῦ φησὶν ὡς ‘ ἑ κ κ α ί δ ε κ α π ο δ ῶ ν ᾕ ρ ε ι λ έ γ ω ν τ ο ὺ ς ῥ ή τ ο ρ α ς ’ . καὶ ταῦτα μέν ἐστι δι’ ἅ φησι τὸν Ἀλκιβιάδην ὑπερφρονεῖν τῶν ἄλλων . Ἐπειδὴ δὲ τὸ νέον ἐπαινεῖν ὑπεροψίας αὐτῷ καθέστηκεν αἴτιον ( αὐθα δέστερον γ ὰρ ἔτι μᾶλλον αὐτὸν ποιεῖ ), τὸ δὲ καὶ παρόντα , κολακικοῦ σημεῖόν ἐστιν ( κολακεύοντες γὰρ τοὺς παρόντας ἐπαινοῦσί τινες ), τὸ δὲ καὶ ἐρώμενον ἐπαινεῖν πάλιν ὑπεροπτικὸν αὐτὸν ποιεῖ , πῶς ὁ Σωκρά της καὶ νέον καὶ παρόντα καὶ ἐρώμενον ἐπαινεῖ διὰ τούτων τὸν Ἀλκι βιάδην ; ἢ λέγομεν πρὸς τοῦτο , ὅτι φαινόμενοι μέν εἰσιν ἔπαινοι τὰ παρὰ τοῦ Σωκράτους νῦν λεγόμενα , ἀληθεῖς δὲ ψόγοι καὶ ἔλεγχοι . ἔδει γὰρ αὐτὸν πρὸ τῶν ἀμιγῶν ἐλέγχων καὶ ἀποκεκαλυμμένων τοὺς συμμιγεῖς ἀποδοῦναι , πρὸς τὸ μὴ ἀνασοβῆσαι τὴν θήραν , ἀλλ’ ὥσπερ οἱ δεξιοὶ τῶν ἰξευτῶν ἀψοφητὶ τῇ θήρᾳ | προσελθεῖν . ἄλλως τε καὶ πρὸς τοῦ Σωκρατικοῦ ἤθους τὸ τοιοῦτον · ὡς γὰρ εἴρηται πολλάκις , ἐοίκασιν αἱ Σωκρατικαὶ παραινέσεις καθαρσίοις μέλιτι δεδευμένοις καὶ οὐχ ὥσπερ αἱ τῶν ἄλλων ἰατρικαῖς τομαῖς καὶ καύσεσιν . ἔτι δὲ ὅτι καὶ φυσικὰς ἀρετὰς 29, 7 Olymp. ἐγίνετο δὲ / ἐγίγνετό τε Thucy. II.65,9 ( Jones/ Powell). 20 25 29 5 10 15 20 30 178 C. Text und Übersetzung <?page no="179"?> Vormunds, des Perikles, rühmt. Denn, dass er im Körper schön war 275 , wird daraus deutlich, da man sagt, dass ganz Griechenland ihn liebte; aus der Gestaltung der Hermesstaue in Athen nach seinem Erscheinungsbild und [nach] der Ähnlichkeit zu ihm 276 ; [und ferner,] da Antisthenes der Kyniker über ihn sagte: „ W e n n A c h i l l e u s n i c h t d e r a r t w a r , d a n n w a r e r n i c h t z u s e i n e r R e i f e g e k o m m e n “ . 277 Über ihn [sc. Achilleus] sagt der Dichter, als er Nireus wegen seiner Schönheit loben wollte: „ N i r e u s , d e r a l s d e r s c h ö n s t e M a n n n a c h I l i o s g e k o m m e n w a r , V o r d e n a n d e r e n D a n a e r n , n a c h d e m u n t a d l i g e n P e l e u s - S o h n “ 278 Ferner war er auf seine Abstammung besonders stolz, da er väterlicherseits von Aiakiden und mütterlicherseits von den Alkmaioniden abstammt, das als das größte und älteste Geschlecht in Athen und in ganz Griechenland galt. 279 Außerdem war er auf seine Freunde stolz, denn, wie man sagt, wurde er in ganz Griechenland beliebt und gewann die meisten von ihnen als Freunde. Darüber hinaus rühmte er sich zurecht des Perikles, der sein Vormund war und die größte Macht im Vaterland besaß, über den der Geschichtsschreiber sagt: „ E s w a r d e m N a m e n n a c h e i n e V o l k s h e r r s c h a f t , i n W i r k l i c h k e i t e i n e H e r r s c h a f t d e s E r s t e n M a n n e s . “ 280 Und der Komödiendichter sagt über ihn: „ B e i m R e d e n h o l t e e r d i e R e d n e r v o n s e c h z e h n F u ß [ E n t f e r n u n g ] e i n . “ 281 Das sind also die Gründe, warum [Sokrates] sagt, dass Alkibiades die anderen verachtet. Da aber einen Jüngling zu loben ihm einen Grund für seine Verachtung liefert (denn das macht ihn noch eigensinniger); zudem jemanden in seiner Anwesenheit [zu loben] ein Zeichen der Schmeichelei ist (denn einige loben die Anwesenden, während sie ihnen gleichzeitig schmeicheln); ferner den Geliebten zu loben ihn überheblich macht, warum lobt Sokrates Alkibiades, der jung, anwesend und beliebt ist, aus diesen Gründen? 282 Dazu sagen wir, dass, was in diesen Aussagen des Sokrates wie Belobigung erscheint, in der Tat Tadel und Widerlegungen sind. Denn [Sokrates] fand es nötig, ihm einige gemischte Widerlegungen zu bieten, bevor er zu den ungemischten und enthüllten kommt, damit er seine Beute nicht erschreckt, sondern sich - wie die erfahrenen Jäger - ohne Geräusche der Beute annähert. 283 Außerdem ist ein solches Verhalten der sokratischen Gesinnung passend. Denn, wie öfters erwähnt wurde, 284 sokratische Ermahnungen gleichen mit Honig verabreichten kathartischen Sprüchen und nicht den [Arten der Katharsis] bei den anderen, die wie Schnitte und Verbrennungen derÄrzte sind. Darüber hinaus, wenn er bei seinen Lobesworten 20 25 29 5 10 15 20 30 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 179 <?page no="180"?> ἐν τοῖς ἐπαίνοις καταριθμεῖται , αὗται δὲ καὶ ἐπαινεταί εἰσι καὶ ψεκταί · ψεκταὶ μὲν ὡς ἐκ φύσεως καὶ οὐκ ἀσκήσεως προσγινόμεναι καὶ διὰ τοῦτο πολλάκις καὶ ἀνδραπόδοις προσοῦσαι , διὸ καὶ ἀ ν δ ρ α π ο δ ώ δ ε ι ς τὰς τοιαύτας ἀρετὰς ὁ Πλάτων ἐκάλεσεν · ἐπαινεταὶ δέ εἰσι καθὸ ἀρεταὶ καὶ αὗται λέγονται , πᾶσα γὰρ ἀρετὴ ἐπαινετή . ὅτι δὲ συμμιγεῖς τοῖς ἐπαίνοις οἱ ἔλεγχοι παραδίδονται , δῆλον ἐντεῦθεν . φησὶ γὰρ ἀρχόμενος τούτων ‘ὡς φ ῄ ς ’ , ἀντὶ τοῦ ‘ὡς σὺ λέγεις καὶ οὐκ ἐγώ’ , κατὰ τὸν τραγικόν , ‘ σ ο ῦ τ ά δ ε , κ ο ὐ κ ἐ μ ο ῦ κ λ ύ ε ι ς ’ . εἶτα δὲ ὅτι ‘καὶ λέγεις μ η δ ε ν ὸ ς ε ἰ ς ο ὐ δ ὲ ν δ ε ῖ σ θ α ι ’ ·| προπετῆ γὰρ αὐτὸν εἶναι διὰ τούτων αἰνίττεται , εἴγε ὑπερβαίνει τὴν ἀνθρω πίνην ἀσθένειαν τοῦτο , καὶ μάλιστα τὸν Ἀλκιβιάδην φιλότιμον ὄντα καὶ πρὸς ἅπαντας ὁρῶντα , μόνου γὰρ θεοῦ τὸ μὴ δεῖσθαι . τρίτον ὅτι φησί · ‘τ ὰ ὑ π ά ρ χ ο ν τ ά σ ο ι μ ε γ ά λ α νομίζεις ε ἶ ν α ι καὶ ἐπὶ τούτοις μεγάλα φρονεῖς’ , ἀντὶ τοῦ ‘οὐκ ἐπὶ σαυτῷ σεμνύνῃ , ἀλλὰ ἐπὶ τοῖς ἔξωθεν , σαυτὸν ἐν οὐδενὶ λόγῳ κατὰ τὸ Μεγαρικὸν ποιησάμενος’ . τέταρτον ὅτι ‘ἀπὸ τῶν σωματικῶν ἀγαθῶν ἀρξάμενος καὶ τελευτῶν εἰς τὰ ψυχικὰ μεγάλα φρονεῖς , ὅπερ οὐκ ἔδει . νομίζεις γάρ’ , φησίν , ‘σαυτὸν εἶναι κάλλιστον , ἐπὶ κάλλει δ’ , ὀπώρᾳ ὄντι , οὐ προσῆκεν σεμνύνεσθαι’ . ἐπεὶ καὶ Πλάτων ἐν τῷ Λαΐδος ἐπιγράμματί φησιν · ‘ τ ῇ Π α φ ί ῃ τ ὸ κ ά τ ο π τ ρ ο ν · ἐ π ε ὶ τ ο ί η μ ὲ ν ὁ ρ ᾶ σ θ α ι ο ὐ κ ἐ θ έ λ ε ι , ο ἵ η δ ’ ἦ ν π ά ρ ο ς ο ὐ δ ύ ν α τ α ι ’ . δηλοῖ γὰρ ἐν τούτῳ μὴ δεῖν ὡς ἐπὶ μονίμῳ τῷ κάλλει μέγα φρονεῖν . πάλιν δέ φησιν ὅτι ‘καὶ ἐπὶ εὐγενείᾳ φρονεῖς’ , ὡς εἰ ἔλεγεν , ‘ἐπὶ τοιούτῳ σεμνύνῃ ἐφ’ οὗ ἄδηλον εἰ ὁ προπάτωρ πρὸ κεʹ προγόνων δοῦλος ἦν’ . ἄλλος δὲ ἔλεγχος ἐν οἷς φησὶν ὅτι ‘νομίζεις τοὺς φίλους ὑπηρέτας εἶναί σοι’ · εἰ γὰρ κατὰ τοὺς Πυθαγορείους ‘ φ ι λ ό τ α ς ἰ σ ό τ α ς ’ καὶ κατὰ Ἀριστοτέλην ‘ φ ί λ ο ς ἄ λ λ ο ς ἐ γ ώ ’ , τί μᾶλλον ἡμῖν ὑπηρετήσουσιν ἐκεῖνοι ἤπερ ἡμεῖς αὐτοῖς ; ‘ἐπὶ δὲ Περικλεῖ τῷ ἐπιτρόπῳ οὐκ εἰκότως φρονεῖς μέγα’ , εἴγε ἐδείχθη οὗτος ἐν Γοργίᾳ μὴ ὢν πολιτικός . οὐδὲ γὰρ καλοὺς καὶ ἀγαθοὺς τοὺς πολίτας ἐποίησεν , ἀλλὰ τοὐναντίον χείρους · φρόνημα γὰρ αὐτοῖς φλεγμαίνουσιν ἐντέθεικεν νεώρια καὶ λιμένας καὶ 31, 13 Olymp. ἐθέλει / ἐθέλω Plat. Epigr. 15,4 (Anth. Gr. 6.1,4). 13 Olymp. δύναται / δύναμαι Plat. Epigr. 15,4 (Anth. Gr. 6.1,4). 5 10 31 5 10 15 32 180 C. Text und Übersetzung <?page no="181"?> die natürlichen Tugenden 285 aufzählt, sind diese sowohl lobenswert als auch tadelnswert. 286 Sie sind tadelnswert, denn diese [Tugenden] entstehen aus der Natur und nicht aus der Einübung 287 , daher gelingen sie öfters auch den Sklaven, weshalb Platon solche Tugenden s k l a v i s c h genannt hat. 288 Andererseits sind sie lobenswert, insofern auch sie Tugend genannt werden, denn alle Tugenden sind lobenswert. Dass die [sokratischen] Widerlegungen gemischt mit Lobesworten übermittelt werden, wird hieraus deutlich. Er sagt nämlich am Anfang seiner [Rede] „ wie d u s a g s t “ 289 , anstelle von: „ wie du sagst und nicht ich “ 290 , wie der Tragödiendichter: „ V o n d i r , n i c h t v o n m i r h ö r s t d u d a s . “ 291 Danach [sagt er]: „ Du behauptest, d u h ä t t e s t k e i n e n e i n z i g e n M e n s c h e n f ü r i r g e n d e t w a s n ö t i g “ 292 . Damit deutet er darauf, dass er voreilig ist, da dies die menschlichen Kräfte überschreitet 293 , besonders die von Alkibiades, der ehrliebend ist und auf alle Menschen achtet 294 : Denn nur Gott benötigt nichts. Drittens, weil er sagt: „ Du denkst nämlich, d a s s d i e V o r z ü g e , ü b e r d i e d u v e r f ü g s t , s e i e n s o g r o ß und du bist sehr stolz auf diese “ 295 , in dem Sinne wie: „ Nicht deines Selbst, sondern der äußerlichen Dinge rühmst du dich, denn von dir selbst sprichst du in keinem Wort, wie nach dem megarischen Spruch 296 “ . Viertens [sagt er]: „ Auf deine Güter, angefangen mit den körperlichen und abschließend mit den seelischen, bist du besonders stolz, was du nicht tun solltest. Du glaubst nämlich “ , sagt er, „ der Schönste zu sein; allerdings ist es nicht angemessen, sich der Schönheit zu rühmen, die vergänglich ist. “ 297 Denn auch Platon schreibt in dem Epigramm über Lais: „ [weiht] s e i n e n S p i e g e l A p h r o d i t e , d e n n s i e w i l l s i c h n i c h t s e h e n s o , w i e s i e j e t z t i s t , u n d k a n n s i c h n i c h t s e h e n , w i e s i e e i n s t w a r . 298 “ Daraus wird deutlich, dass es sich nicht ziemt, auf die Beständigkeit der Schönheit stolz zu sein. Ferner sagt [Sokrates]: „ Auch auf deine gute Abstammung bist du stolz “ , als ob er sagen wollte: „ Du rühmst dich einer solchen Sache, aufgrund deren es nicht ganz unmöglich wäre, dass dein Vorfahre vor 25 Generationen ein Sklave war. “ 299 Eine weitere Widerlegung in seinen Aussagen ist: „ Du denkst, deine Freunde sind deine Gehilfen “ . 300 Denn, wenn nach den Pythagoreern „ F r e u n d s c h a f t G l e i c h h e i t “ 301 und nach Aristoteles „ F r e u n d e i n a n d e r e s S e l b s t “ 302 ist, warum sollen sie [Freunde] unsere Gehilfen sein, mehr als wir ihre? „ Du bist nicht zurecht stolz auf Perikles, deinen Vormund “ , zumal wenn es im Gorgias aufgezeigt wurde, dass dieser kein [richtiger] Politiker ist. 303 Denn er hat die Bürger nicht zu edlen und tüchtigen [Menschen] gemacht, sondern im Gegenteil zu schlechteren: Er verlieh denen 5 10 31 5 10 15 32 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 181 <?page no="182"?> συμμάχους περιποιήσας αὐτοῖς · καὶ ὁ κωμικὸς δέ φησιν , Ἀριστείδην μόνον ἐπαινῶν ὡς μηδενὸς ἀγαθοῦ γενομένου μετ’ αὐτόν . Ἀλλ’ ἐπειδὴ πᾶσα ψευδὴς δόξα ἐξ ἀληθοῦς ἔχει τὴν ἀρχήν ( ἀπό πτωσις γὰρ ὂν τὸ ψεῦδος τοῦ ἀληθοῦς παρυφίσταται αὐτῷ καὶ ἐξ αὐτοῦ ἤρτηται μὴ δυνάμενον αὐθυπόστατον εἶναι · τὸ γὰρ ἀληθὲς διὰ περιου σίαν δυνάμεως καὶ τὸ ἀντικείμενον ψεῦδος ἑαυτῷ ἔχρωσεν καὶ οὐδὲ παντελῶς ἀμαύρωσις ἐγένετο τῶν κοινῶν ἐννοιῶν ), ῥητέον πόθεν ὁ Ἀλκιβιάδης τὸ φαινόμενον ἀγαθὸν μέγιστον ἐνόμιζεν εἶναι καὶ τούτῳ μεγάλα ἐφρόνει . φαμὲν οὖν ὅτι ἐπὶ κάλλει ἐμεγαλαύχει τὸ νοητὸν κάλ λος ἐννοῶν καὶ φαντασίαν μὲν ἔχων αὐτοῦ , μὴ δυνάμενος δὲ ἀληθῶς ἐφικέσθαι περὶ τὸ αἰσθητὸν τοῦτο καὶ φαινόμενον ἐσκιαμάχει , κατὰ τὸ ποιητικὸν ‘ ἀ μ φ ὶ δ ’ ἄ ρ ’ ε ἰ δ ώ λ ῳ Τ ρ ῶ ε ς κ α ὶ δ ῖ ο ι Ἀ χ α ι ο ὶ δ ῄ ο υ ν ἀ λ λ ή λ ο ι σ ι ν ἐ π ὶ σ τ ή θ ε σ σ ι β ο ε ί α ς ἀ σ π ί δ α ς ’ . ἐπὶ εὐγενείᾳ δὲ πάλιν ἐσεμνύνετο , ἐπειδὴ καὶ ἐν τῷ παντὶ τὰ ἐξ εὐγε νεστέρας αἰτίας προελθόντα τιμιώτερα καὶ κρείττω καθέστηκεν . οὕτω γὰρ καὶ ὁ Πλάτων τὰ μὲν ἐξ ἀκινήτου αἰτίας ἀΐδιά φησι καὶ ἄφθαρτα . ἐπὶ δὲ φίλοις , διότι καὶ ἡ τῶν πάντων ἀρχή , μία οὖσα | καὶ ἕν , ἥνωται · τοιαύτη δὲ καὶ ἡ φιλία , ἕνωσίς τις οὖσα , πρὸς τῷ ἑνί ἐστιν . ἐπὶ δὲ Περικλεῖ ἐπιτρόπῳ , ὡς ἔννοιαν ἔχων τοῦ εἰληχότος · ἐπιτροπεύει γὰρ κἀκεῖνος ἡμᾶς . τελευταῖον δέ φησιν ὁ Σωκράτης ὅτι ‘καὶ πλούσιος ὤν , ὦ Ἀλκιβιάδη , ὡς ὑπερορῶν χρημάτων καὶ φιλότιμος ὢν οὐκ ἀξιοῖς ἐπὶ τῷ πλούτῳ μέγα φρονεῖν’ . ὅτι γὰρ ὑπερορᾷ , δῆλον · λέγεται γὰρ ὅτι ποτὲ τῶν Ἀθηναίων ἐκκλησιαζόντων περὶ πόρου χρημάτων αὐτεπ άγγελτος οἴκοθεν ἐπιδέδωκε δέκα τάλαντα . κρεῖττον δὲ τὸ φιλότιμον τοῦ φιλοχρημάτου καὶ φιληδόνου , ἐπειδὴ ὁ μὲν θυμός , ἐξ οὗ τὸ φιλό τιμον , χωριστὸν ἔχει τέλος , ὄρεξις γάρ ἐστιν ἀντιλυπήσεως καὶ ἔφεσις τοῦ ἀμύνασθαι τὸν προαδικήσαντα · ἡ δὲ ἐπιθυμία , ὅθεν τὸ φιλοχρήματον καὶ φιλήδονον , οὐ χωριστὸν ἔχει τὸ τέλος , ἀλλ’ ἐγκατακέχωσται τῷ σώματι , ἢ τὸ λεῖπον ἀναπληροῦσα , οἶον σιτία καὶ ποτὰ καὶ τὰ τοιαῦτα ἔξωθεν ἐπεισάγουσα , ἢ τὸ περιττεῦον ἀποκρίνουσα , ὡς ἐν τ οῖς ἀφροδι - 32, 18 Olymp. ἀλλήλοισιν / ἀλλήλων Hom. Il. V,452. 5 10 15 20 33 5 10 182 C. Text und Übersetzung <?page no="183"?> nämlich Übermut, als sie wütend waren, indem er sie mit Schiffswerften, Häfen und Verbündeten versorgt hat. 304 Außerdem sagt der Komödiendichter, indem er nur Aristeides lobt, dass nach ihm niemand ein guter [Politiker] gewesen ist. 305 Da ja alle falschen Ansichten aus einer richtigen hervorgehen, (denn das Falsche, als eine Abweichung des Richtigen, entsteht als eine Folge davon und ist von ihm abhängig, da es nicht imstande ist, sich selbst zu behaupten. Die Wahrheit aber, durch den Überfluss ihres Vermögens 306 , beeinflusst sogar ihr Gegenteil, das Falsche, zu ihrem Zweck und es entsteht nicht etwas wie eine völlige Verfinsterung der Gemeinbegriffe 307 ) müssen wir erklären, aus welchem Grund Alkibiades das scheinbar Gute für das größte hielt und darauf besonders stolz war. 308 Dazu sagen wir, dass er die intelligible Schönheit in seinem Sinn hatte, als er mit seiner Schönheit prahlte und da er zwar eine Vorstellung davon besaß, zu ihr jedoch im wahren Sinne nicht gelangen konnte, führte er für diese Wahrnehmung und die Erscheinung einen Schattenkampf 309 durch, wie im Gedicht: „ U n d u m d i e s A b b i l d z e r h i e b e n e i n a n d e r d i e T r o e r u n d d i e g ö t t l i c h e n A c h a i e r u m d i e B r u s t d i e R i n d s h ä u t e : D i e S c h i l d e “ 310 Erneut, er rühmte sich seiner guten Abstammung, denn auch im Universum gelten die Dinge, die aus Gründen mit besserer Abstammung entstehen, als beachtlicher und überlegener. Dementsprechend sagt auch Platon, dass, was aus unbewegten Ursachen entsteht, ewig und unvergänglich ist. 311 Seiner Freunde [rühmte er sich], da die Ursache von allem, die Eins und einzeln ist, auch in sich vereint. 312 So ist auch die Freundschaft, da sie als eine Art Vereinigung nach dem Einen gerichtet ist. Er [rühmte sich] seines Vormunds, des Perikles, als hätte er einen Begriff des zugeteilten [Daimons]. Denn auch dieser [sc. Daimon] ist ein Vormund für uns. 313 Schließlich sagt Sokrates: „ Du bist auch reich, Alkibiades, aber da du auf das Geld herabblickst und ehrliebend bist, legst du keinen Wert darauf, auf den Reichtum stolz zu sein “ . Denn es ist bekannt, dass er darauf herabblickt. Man erzählt nämlich, als die Athener eine Volksversammlung zur Beschaffung von Geldmitteln [für Polis] hielten, hat er freiwillig zehn Talente aus eigenem Haus ausgehändigt. 314 Doch ist die Ehrliebe überlegen gegenüber der Geldliebe oder der Vergnügungsliebe, 315 da die Willenskraft, woraus die Ehrliebe [entsteht], ein [von dem Körper] trennbares Ziel hat - nämlich das Streben 316 , Leid zu vermeiden und den Trieb danach, uns gegen diejenigen zu verteidigen, die uns früher Unrecht getan haben. Das Ziel der Begierde aber, woraus die Geldliebe und Vergnügungsliebe entstehen, ist kein getrenntes [vom Körper], sondern wird vom Körper unterdrückt, entweder durch die Ausfüllung des Mangelnden, wie zum Beispiel Essen, Trinken und anderer ähnlicher Dinge, 5 10 15 20 33 5 10 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 183 <?page no="184"?> σίοις τὸ σπέρμα . καὶ ἄλλως δὲ ὁ θυμὸς ἐπιθυμίας τιμιώτερος · μαχομένου γὰρ τοῦ λόγου καὶ τῆς ἐπιθυμίας σύμμαχος τῷ λόγῳ γίνεται καὶ ὡς εὐγενὴς στρατιώτης καὶ γενναῖος ὑπὲρ αὐτοῦ κατὰ τῆς ἐπιθυμίας τὰ ὅπλα προβάλλεται . 103B Σχεδὸν οὖν κατανενόηκα : σύμφωνος ἡ λέξις τοῖς παρ’ ἡμῶν εἰρη μένοις . πάρεστι γὰρ ὁ Σωκράτης διὰ τούτων τοῦ πρώτου τὴν αἰτίαν ἀποδιδούς , λέγω δὲ τοῦ ἐρᾶν · τὸ μὲν οὖν ‘ σ χ ε δ ὸ ν ’ εἴρηται διὰ τὸν Ἀλκιβιάδην , τὸ δὲ ‘ κ α τ α ν ε ν ό η κ α ’ δι’ αὐτὸν Σωκράτην . εἰ γὰρ μὴ οὕτως ἀκούσωμεν , ἐναντίον ἔσται πῶς ‘ σ χ ε δ ό ν ’ φησι καὶ ‘ κ α τ α ν ε ν ό η κ α ’ · τοῦτο γὰρ οὐκ ἐπιστημονικόν , τῷ δὲ Ἀλκιβιάδῃ νέῳ ὄντι ἁρμόζει τὸ | ‘ σ χ ε δ ό ν ’ . ἢ καὶ ἄλλως πρὸς πειθὼ μᾶλλον ἠθικῶς κ εῖται , ὥσπερ ἄνω τὸ ‘ ο ἶ μ α ι ’ . Ὡς πρὸς τοὺς ἐραστὰς ἔσχες : σαφῶς ἐνταῦθα νοεῖν ἐστιν τὴν δευ τέραν αἰτίαν , ὅτι διὰ τὸ καταφρονητικῶς ἔχειν πρὸς τοὺς ἄλλους ἐραστὰς τὸν Ἀλκιβιάδην φησὶν ὁ Σωκράτης ἐρᾶν . Πολλῶν γὰρ γενομένων καὶ μεγαλοφρόνων : ζητητέον πῶς ἐνταῦθα μ ε γ α λ ό φ ρ ο ν α ς ἐκάλεσε τοὺς φορτικοὺς ἐραστάς . ἢ λέγομεν ὅτι καθάπερ ἐπὶ τοῦ ἔρωτος πρώην εἰρήκαμεν , ὅτι διὰ περιουσίαν δυνά μεως καὶ τὸ ἀντικείμενον ἔχρωσεν , ὥστε καὶ ἑνὶ ὀνόματι ἄμφω προσα γορεύεσθαι ἐραστάς , οὕτω καὶ νῦν φαμέν , ὅτι ἡ μεγαλοφροσύνη καὶ τῷ ἐναντίῳ μεταδέδωκεν ἑαυτῆς , ὥστε καὶ τοὺς φορτικοὺς ἐραστὰς μ ε γ α λ ό φ ρ ο ν α ς ὀνομάζεσθαι . σημειωτέον δὲ ὅτι πανταχοῦ οἰκείοις ὀνόμασι τῷ νέῳ κέχρηται . ἐπειδὴ γὰρ οἶδεν αὐτὸν ἐπὶ τὰ κοινὰ σπαρ γῶντα παρελθεῖν καὶ στρατηγικῆ ς ἐφιέμενον , τοιαῦτα τίθησιν ὀνόματα δι’ ὧν ὁ νέος ἐλπίζει περὶ τῶν προσδοκωμένων αὐτῷ διαλήψεσθαι . νῦν γάρ φησι ‘ μ ε γ α λ ο φ ρ ό ν ω ν ’ , εἶτα ‘ ὑ π ε ρ β λ η θ ε ὶ ς τ ῷ φ ρ ο ν ή μ α τ ι ’ , πάλιν δὲ τὸ ‘ π έ φ ε υ γ ε ν ’ , ἅτινα πάντα πολιτικῷ πρέποντά ἐστιν . 104A Τὸν δὲ λόγον ᾧ ὑπερπεφρόνηκας ἐθέλω διελθεῖν : διὰ τούτων ἐθίζει τὸν νέον ὁ Σωκράτης κατ’ αἰτίαν ζῆν . ἴσως γὰρ ὁ Ἀλκιβιάδης οὐ διὰ σεμνότητα καὶ μεγαλοφροσύνην κατεφρόνησεν τῶν ἄλλων ἐραστῶν , 15 20 34 5 10 15 20 184 C. Text und Übersetzung <?page no="185"?> die von außen [in den Körper] kommen, oder durch das Ausscheiden dessen, was [im Körper] im Übermaß ist, wie Samen im Geschlechtsverkehr. Auch auf eine andere Art und Weise ist die Willenskraft ehrwürdiger als die Begierde. Denn, wenn die Vernunft und die Begierde miteinander kämpfen, wirkt die Willenskraft wie ein Verbündeter für die Vernunft und wie ein Soldat mit guter Abstammung und edlem Charakter, benutzt er seine Waffen an der Seite der Vernunft und gegen die Begierde. 317 103B Nun habe ich ziemlich genau gemerkt 318 : Der Text ist in Übereinstimmung mit unseren Aussagen. Denn Sokrates ist dabei, durch diese Worte den Grund des Ersten anzugeben, ich meine, des Liebens. 319 Einerseits wird „ z i e m l i c h g e n a u “ für Alkibiades gesagt, andererseits „ g e m e r k t “ für Sokrates selbst. Wenn wir das nämlich nicht so verstanden hätten, wäre es umgekehrt, in welchem Sinne er „ z i e m l i c h g e n a u “ und „ g e m e r k t “ gesagt hat. Denn dieser [Ausdruck] gehört sich nicht zu einem Wissenden, aber für Alkibiades ist „ z i e m l i c h g e n a u “ passend, da er jung ist. Oder andersrum, es wird vielmehr im ethischen Sinne für Überzeugungskraft benutzt, wie oben bei „ i c h g l a u b e “ 320 . Wie du dich deinen Liebhabern gegenüber verhieltest 321 : Der zweite Grund [der Liebe] ist hier deutlich zu erkennen: Denn Sokrates sagt, dass er Alkibiades aufgrund seines verächtlichen Verhaltens gegenüber [seinen] anderen Liebhabern liebt. 322 So zahlreich und stolz sie auch waren 323 : Es muss untersucht werden, warum er hier die gemeinen Liebhaber s t o l z nannte. 324 Wir sagen wohl, dass es aus dem Grund, was wir über die Liebe vorhin 325 gesagt haben, nämlich, dass sie dank Überfluss [ihres] Vermögens 326 auch ihren Gegensatz beeinflussen kann, sodass beide [sc. der göttlich inspirierte und der gemeine] auch mit einem Namen als Liebhaber angesprochen werden. Genauso sagen wir auch jetzt, dass der Stolz auch seinem Gegensatz einen Teil von sich abgibt, sodass auch die gemeinen Liebhaber als s t o l z bezeichnet werden. Bemerkenswert ist es, dass er dem Jüngling gegenüber in allen Fällen bekannte Begriffe 327 gebraucht hat. Da er weiß, dass er danach trachtet, öffentliche Ämter anzutreten, und das Strategenamt erstrebt, hat er solche Begriffe genommen, durch die der Jüngling hofft, dass er die [Aufgaben] einzeln besprechen wird, die ihn erwarten. Denn er sagt jetzt „ s t o l z e M e n s c h e n “ und danach „ v o n d e i n e m S e l b s t b e w u s s t s e i n b e z w u n g e n “ 328 und dann „ d i e F l u c h t e r g r i f f e n “ 329 , die alle passend zu einem Politiker sind. 104A Den Grund, weswegen du dich so hochmütig gebärdet hast, will ich dir darlegen 330 : Sokrates bringt dem Jüngling durch diese Worte bei, das Leben nach einem Grund zu führen. Denn wahrscheinlich missachtete Alkibiades die anderen Liebhaber nicht aufgrund [seiner] Erhabenheit und 15 20 34 5 10 15 20 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 185 <?page no="186"?> ἀλλὰ διὰ χαυνότητα ψυχῆς · ὁ δὲ ὡς ἐκείνου μετὰ αἰτίας καταφρονήσαν τος αὐτῶν , οὕτω φησίν , οὐκ ἀγνοίᾳ ἀλλὰ ἀπορρήτῳ μᾶλλον ἐπιστήμῃ , προσβιβάζων αὐτὸν κατ’ αἰτίαν , ὡς εἴρηται , ζῆν . λέγει γὰρ ὅτι ‘ τ ὸ ν λ ό γ ο ν κ α θ ’ ὃ ν ὑ π ε ρ π ε φ ρ ό ν η κ α ς ’ · οὐ πάντως δὲ λόγῳ τινὶ κατεφρόνησεν αὐτῶν . Οὐδενὸς φῄς : ἐντεῦθεν μὲν οἱ δοκοῦν | τες ἔπαινοι , συμμιγεῖς δὲ ἔλεγχοι παραδίδονται · πρῶτος γὰρ ‘ὡς σὺ φής’ . Ἐνδεὴς εἶναι εἰς οὐδέν : δεύτερος ἔλεγχος · οὐ γὰρ ἀνθρωπίνης δυνάμεως τὸ μὴ δεῖσθαι μηδενὸς εἰς οὐδέν , καὶ μάλιστα τοῦ Ἀλκιβιάδου πολιτικοῦ καὶ δημαγωγοῦ βουλομένου εἶναι κἀντεῦθεν πολλῶν δεομένου . Τὰ γὰρ ὑπάρχοντα : τρίτος ἔλεγχος . Ἀπὸ τοῦ σώματος ἀρξάμενα : τέταρτος ἔλεγχος , εἴγε δείκνυται δι ὰ τούτου προτιμῶν τὰ σωματικὰ ἀγαθὰ τῶν ψυχικῶν . Οἴει γὰρ δὴ εἶναι : ‘οὐ γάρ’ , φησίν , ‘ἀκριβῶς ἐπίστασαι , ἀλλὰ νομί ζεις μόνον’ . Πρῶτον μὲν κάλλιστός τε καὶ μέγιστος : τοῦτο πρῶτον τῶν κατει λεγμένων δʹ ἐν τῇ θεωρίᾳ ἐφ’ οἷς ὁ Ἀλκιβιάδης μέγα φρονῶν ὑπερεῖδεν τοὺς ἐραστάς , ὅτι καλός . Παντὶ δ ῆλον ἰδεῖν , ὅτι οὐ ψεύδῃ : λεληθότως ἐνταῦθα σκώπτει τὸν Ἀλκιβιάδην καὶ οὐχ ὥσπερ φαίνεται ἐπαινεῖ . ὥσπερ γὰρ τὸ ἐν τῷ θεῷ ἀγαθὸν ἄρρητόν ἐστιν , οὕτω δὴ καὶ τὸ ἐν ἡμῖν ἀγαθὸν μετέχει ἀρρήτου τινός . εἰ δὲ νῦν φησὶ περὶ τοῦ προσόντος τῷ Ἀλκιβιάδῃ ὅτι π α ν τ ὶ δ ῆ λ ο ν ἰ δ ε ῖ ν , δῆλον ὅτι φαῦλον τοῦτο καὶ οὐκ ἀληθῶς ἀγαθόν , ὥστε κἀν τούτοις ἔλεγχός ἐστιν . Ἔπειτα νεανικωτάτου γένους : δεύτερον τοῦτο ἐφ’ ᾧ φρονῶν ὁ Ἀλ κιβιάδης ὑπεροπτικὸς τῶν ἄλλων ἐρα | στῶν ἐγένετο . εἰρήκαμεν δὲ κἀν ταῦθα ἔλεγχον εἶναι · τί γὰρ εἰ πρὸ κεʹ γενεῶν προπάτωρ δοῦλος ἦ ν ; Καὶ ἐνταῦθα πρὸς πατρός τέ σοι φίλους : τρίτον ἐστὶ τοῦτο δι’ ὃ τῶν ἄλλων κατεφρόνησεν . Οἳ εἴ τι δέοι ὑπηρετοῖεν ἄν σοι : κἀνταῦθα ἄλλος ἔλεγχος · οὐδὲν γὰρ ἧττον ἡμεῖς τοῖς φίλοις ὑπηρετήσομεν ἤπερ ἡμῖν ἐκεῖνοι , εἴγε 25 35 5 10 15 20 36 5 186 C. Text und Übersetzung <?page no="187"?> Stolz, sondern wegen einer grundlosen Eitelkeit der Seele. 331 Dagegen spricht er [sc. Sokrates] so, als ob er mit einem Grund die anderen missachtet und nicht aufgrund [seiner] Unwissenheit, sondern vielmehr aufgrund eines Wissens, das jenseits des Sagbaren ist 332 - So bringt er ihn dazu, ein nach dem eigenen Zweck gestaltetes Leben zu führen, wie bereits erwähnt wurde. 333 Denn er sagt: „ d e n G r u n d , w a r u m d u d i c h s o h o c h m ü t i g g e b ä r d e t h a s t “ . Er aber missachtete die anderen durchaus ohne einen bestimmten Grund. Du sagst, niemanden 334 : [Diese Aussagen] hier scheinen wie Lobesworte, sie sind aber gemischt mit Widerlegung übermittelt. 335 Denn am Anfang [sagt er]: „ wie du sagst “ 336 . Du hättest keinen einzigen Menschen für irgendetwas nötig 337 : Die zweite Widerlegung: Denn es liegt nicht am menschlichen Vermögen, niemanden für irgendetwas zu brauchen, und am meisten [gilt es] fürAlkibiades, der ein Politiker und Volksredner werden möchte und daher Vieles 338 nötig hat. Denn die Vorzüge, über die du verfügst 339 : Die dritte Widerlegung. Vom Körper angefangen 340 : Die vierte Widerlegung, da er durch diese zeigt, dass er [sc. Alkibiades] die körperlichen Güter den seelischen bevorzugt. Denn du glaubst nämlich, dass [du] bist 341 : Er sagt: „ Du weißt das aber nicht genau, sondern du vermutest nur. “ 342 Erstens der Schönste und Stattlichste 343 : Das ist der erste der vier Anklagepunkten in der theoretischen Untersuchung, 344 aufgrund deren Alkibiades stolz war und auf seine Liebhaber herabblickte, nämlich [seine] Schönheit. Kann jedermann sehen, dass du nicht lügst 345 : Hier verspottet er Alkibiades heimlich und lobt ihn nicht, auch wenn es so scheint. Denn wie das Gute im Gott jenseits des Sagbaren ist, 346 so hat auch das Gute in uns einen Teil an etwas, das jenseits des Sagbaren ist. Wenn er jetzt über [das Gute], das Alkibiades zukommt, sagt, dass j e d e r e s d e u t l i c h s i e h t , leuchtet es ein, dass es ein geringes und nicht das wahrhaft Gute ist, sodass sich auch in diesen [Aussagen] eine Widerlegung befindet. Als nächstes [gehörst du] dem stärksten Geschlecht 347 : Das ist der zweite [Grund], aufgrund dessen Annahme Alkibiades überheblich gegenüber seinen anderen Liebhabern wurde. Wir haben bereits gesagt, 348 dass es sich auch hier eine Widerlegung befindet. Denn was wäre, wenn sein Vorfahre vor 25 Generationen ein Sklave war? Und hier von der Seite deines Vaters Freunde [zu haben] 349 : Hier ist der dritte [Grund], warum er die anderen verachtet. 104B Die dir, falls erforderlich, beistehen würden 350 : Auch hier ist eine andere Widerlegung: Denn nicht weniger kommen wir unseren Freunden zu 25 35 5 10 15 20 36 5 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 187 <?page no="188"?> ‘ φ ι λ ό τ α ς ἰ σ ό τ α ς ’ κατὰ τοὺς Πυθαγορείους καὶ ‘ φ ί λ ο ς ἄ λ λ ο ς ἐ γ ὼ ’ κατὰ Ἀριστοτέλην . Ξυμπάντων δὲ ὧν εἶπον μείζω οἴει σοι δύναμιν : ἰδοὺ κἀνταῦθα ἀκο λούθως τοῖς ῥηθεῖσιν οἰκείαν πάλιν τῷ νέῳ τέθεικεν λέξιν εἰπὼν ‘ ο ἴ ε ι σ ο ι δ ύ ν α μ ι ν ’ , ἥτις στρατηγικοῖς ἁρμόδιος · τούτων δὲ ὁ νέος ἐφίεται γενέσθαι . πολλάκις δὲ εἰρήκαμεν ὅτι ὁ Σωκράτης διὰ τῶν ὁμοίων πει ρᾶται μετάγειν ἐπὶ τὰ δέοντα τοὺς προσδιαλεγομένους . διὰ γὰρ τούτου μόνον οὐ βοᾷ · ‘μάθε τίς ἡ ὄντως δύναμις , ὅτι ἡ ἐπιστήμη’ . ὡς γὰρ ἐν Θεαιτήτῳ φησίν , ‘ ἐ π ι σ τ ή μ η ς δ ’ ἐ ν ο ύ σ η ς ἐ ν ψ υ χ ῇ δ υ ν α τ ώ τ ε ρ ο ν ο ὐ δ έ ν ’ · μόνη γὰρ αὕτη καὶ ἡ εὐζωΐα οὔτε ἁλίσκεται ὑπὸ τυράννων οὔτε ἀφαιρεῖται . Προσθήσω δ’ ὅτι καὶ τῶν πλουσίων : ταύτην δευτέραν αἰτίαν φησὶν ὁ Σωκράτης τοῦ ἐρᾶν Ἀλκιβιάδου μετὰ τὴν πρώτην , ἥτις εἰς δ ʹ διῄρητο · αὕτη δέ ἐστιν ὅτι καὶ πλούτῳ μέγας ὁ Ἀλκιβιάδης καὶ πολλῶν πλουσίων μείζων . ἀναιρεῖ δὲ αὐτὴν εὐθέως διὰ τῆς ἑξῆς λέγων · ‘ δ ο κ ε ῖ ς δ έ μ ο ι ἥ κ ι σ τ α ἐ π ὶ τ ο ύ τ ῳ μ έ γ α | φ ρ ο ν ε ῖ ν ’ . ‘οὐδαμῶς’ γάρ φησιν ‘διὰ πλοῦτον μέγα φρονεῖς , οὐ σεμνύνῃ γὰρ ἐπὶ τούτῳ , ἅτε μὴ ὢν φιλοχρήματος’ . Κεκράτηκας τῶν ἐραστ ῶν : κἀν τούτοις πάλιν ὁ Σωκράτης δελεάζει τῇ τῶν ὀνομάτων οἰκειότητι τὸν νέον πρὸς τὸ ἀνέχεσθαι αὐτοῦ . φησὶ γὰρ ‘ κ ε κ ρ ά τ η κ α ς ’ καὶ αὖθις ‘ ὑ π ο δ ε έ σ τ ε ρ ο ι ὄ ν τ ε ς ἐ κ ρ α τ ή θ η σ α ν ’ · ταῦτα δὲ πάντα ὁ Ἀλκιβιάδης ἠσπάζετο . Καί σε ταῦτα οὐ λέληθεν : διὰ τούτων ἐπιστρέφει τὸν Ἀλκιβιάδην ὁ Σωκράτης πρὸς ἑαυτὸν καὶ πρὸς τὸ ἑαυτὸν γ νῶναι , πρόσφορα ποιῶν τῷ τοῦ διαλόγου σκοπῷ . ἄλλως τε καθάπερ τὸ γνῶναι ἑαυτὸν ἀποκα ταστατικόν ἐστιν , οὕτως καὶ ὁ λόγος διὰ τοῦ παρόντος ῥησιδίου καὶ τοῦ ἑξῆς ἀποκαταστατικός ἐστιν . ἐν μὲν γὰρ τῇ ἀρχῇ ἔφη ὅτι ‘ ο ἶ μ α ί σ ε θ α υ μ ά ζ ε ι ν ’ , καὶ νῦν δὲ τοῦτό φησιν ὅτι ‘οὐ λέληθέν σε’ . Εἶτα συναγωγὴ τῶν Σωκράτους λόγων διὰ τοῦ ‘ὅθεν δ’ εὖ οἶδα ὅτι θαυμάζεις’ · καὶ ἄξιον θαυμάσαι , πῶς ἐν ἀρχῇ μὲν π ρὸ τῶν ἀποδείξεων ἐνδοιαστικῶς τέθεικεν τὸ ‘ θ α υ μ ά ζ ε ι ς ’ , τὸ ‘ ο ἶ μ α ι ’ προσθείς , νῦν δὲ μετὰ τὰς ἀποδείξεις ἀποφαντικῶς εἶπεν τὸ ‘ ε ὖ ο ἶ δ α ’ · προσφορώ τατα γὰρ ἀμφοτέροις ἐχρήσατο . 36, 9 Olymp. ξυμπάντων / συμπάντων Plat. Alc. 104b4. 18 Olymp. δ’ ὅτι καὶ / δὲ καὶ ὅτι Plat. Alc. 104b9. 37, 1 Plat. ἥκιστα post ἐπὶ τούτῳ , cf. Plat. Alc. 104c1. 14 Olymp. δ’ / δὴ Plat. Alc. 104c5. 10 15 20 104C 37 5 10 15 188 C. Text und Übersetzung <?page no="189"?> Hilfe, als sie zu uns, zumal wenn „ d i e F r e u n d s c h a f t G l e i c h h e i t “ nach den Pythagoreern und „ F r e u n d e i n a n d e r e s S e l b s t “ nach Aristoteles ist. 351 Du denkst, eine noch stärkere Macht als alle die, von denen ich gerade gesprochen habe, zu besitzen 352 : Siehe, dass er auch hier, folgend den vorher Gesagten, eine dem Jüngling bekannte Wortwahl geliefert hat, 353 indem er sagt: „ D u d e n k s t , d a s s d u d i e M a c h t h a s t “ , die den Strategen passend ist. Und der Jüngling zielte darauf ab, einer von denen zu werden. Mehrmals haben wir erwähnt, 354 dass Sokrates durch die [ihnen] ähnlichen [Themen] versucht, seine Gesprächspartner in die notwendige Richtung zu bringen. Deswegen fehlt es hier nur, dass er ruft: „ Lerne, was die wahre Macht ist, das heißt, das Wissen “ . Er sagt nämlich im Theaitetos wie folgt: „ N i c h t s i s t m ä c h t i g e r a l s d a s W i s s e n , d a s s i c h i n d e r S e e l e b e f i n d e t “ . 355 Denn nur dies, und das glückliche Leben, können von Tyrannen weder beschlagnahmt noch entwendet werden. Ich werde dazu auch [deinen] Reichtum hinzufügen 356 : Sokrates gibt diesen zweiten Grund für seine Liebe für Alkibiades an, nach dem ersten, der in vier [Aspekte] geteilt wurde. Dieser [Grund] ist, dass Alkibiades auch in Hinsicht auf den Reichtum groß ist und sogar größer als viele reiche Menschen. Er nimmt diesen [Grund] gleich infolge von dieser [Aussage] auf, indem er sagt: „ D u s c h e i n s t m i r d a r a u f a m w e n i g s t e n s t o l z z u s e i n “ 357 . Denn er sagt: „ Auf gar keinen Fall rühmst du dich deines Reichtums, denn du bist stolz darauf, da du nicht geldliebend bist. “ Du hast deine Liebhaber besiegt 358 : Auch mit diesen [Worten] lockt Sokrates den Jüngling mit der Bekanntheit 359 der Begriffe an, damit er ihn erträgt. Denn er sagt: „ D u h a s t b e s i e g t “ und wiederum: „ S i e w u r d e n b e s i e g t , w e i l s i e n i e d r i g e r w a r e n [als du] “ 360 . Alle diese [Bemerkungen] waren für Alkibiades angenehm. Und diese Dinge sind dir nicht entgangen: Durch diese [Worte] führt Sokrates Alkibiades auf sich selbst und zum Erkennen vom Selbst zurück, und so handelt er im Einklang mit der Absicht des Dialogs. Außerdem, genau wie sich selbst zu erkennen eine Wiederherstellung bewirkt 361 , so ist das Argument im vorliegenden Satz und im Folgenden wiederherstellend. 362 Denn ganz am Anfang sagte er: „ I c h g l a u b e , d u w u n d e r s t d i c h “ 363 und jetzt sagt er das mit: „ ist dir nicht entgangen “ 364 . Danach kommen die Argumente von Sokrates zusammen in dem [Satz]: „ Daher weiß ich sehr gut, dass du dich wunderst “ 365 . Es ist ja auch angebracht, sich darüber zu wundern, wie er am Anfang - vor den Beweisführungen - sich zweifelhaft ausgedrückt hat, indem er „ i c h g l a u b e “ vor dem „ d u w u n d e r s t d i c h “ setzt; 366 nun aber nach den Beweisführungen 10 15 20 104C 37 5 10 15 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 189 <?page no="190"?> Πρᾶξις σὺν θεῷ εʹ 104C-105C Καὶ ἴσως γε , ὦ Σώκρατες , οὐκ οἶσθ’ ὅτι σμικρόν με ἔφθης . Ἐπειδὴ τοὺς Σωκράτους λόγους μεμαθή | καμεν , φέρε καὶ τὰς Ἀλκι βιάδου φωνὰς ἐξετάσωμεν . καλῶς δὲ τῷ μὲν Σωκράτει τοὺς ‘λόγους’ ἀποδεδώκαμεν , τῷ δὲ Ἀλκιβιάδῃ τὰς ‘φωνάς’ . οἱ μὲν γὰρ λόγοι ἀνθρώ ποις πρέπουσιν , αἱ δὲ φωναὶ ἀλόγοις · ἐπειδὴ οὖν λογοειδέστερος ὁ Σωκράτης , ὁ δὲ Ἀλκιβιάδης ἀλογώτερος , οὕτω ταῖς λέξεσιν ἐχρησά μεθα . δύο δέ τινα ἐν τοῖς Σωκρατικοῖς λόγοις μεμαθήκαμεν · πρῶτον μὲν ὅτι ἐρᾷ ὁ Σωκράτης Ἀλκιβιάδου , δεύτερον δὲ ὅτι θεοειδῶς ἐρᾷ , σιωπῇ παρομαρτῶν αὐτῷ · καὶ ὅτι ἀρχαϊκῷ τρόπῳ τοῦ βʹ πρῶτον εἶπεν τὴν αἰτίαν δαιμόνιον ἢ θεῖον ὑπάρχειν ἐναντίωμα , τοῦ δὲ πρώτου τελευταῖον δύο ἐπήγαγεν αἰτίας . μίαν μὲν ὅτι ὑπερφρονεῖ τῶν ἄλλων ἐραστῶν . ὃ διὰ δʹ τινα εἶπεν αὐτὸν ποιεῖν · κάλλος , εὐγένειαν , φίλους , ἐπίτροπον Περικλέα . δευτέραν δὲ ὅτι ἀνάλωτός ἐστι τῷ φιλοχρημάτῳ πάθει · τὸ γὰρ φιλοχρήματον , εἰ καὶ κρεῖττόν ἐστι τοῦ φιληδόνου ( ἔσχα τον γάρ ἐστι τοῦτο πάθος , φημὶ δὲ τὸ φιλήδονον ), ἀλλ’ οὖν χεῖρον τοῦ φιλοτίμου . ὁ γὰρ φιλότιμος τὰ αὐτὰ ποιεῖ ἅπερ καὶ ὁ σπουδαῖος , ἀλλ’ ὁ μὲν φιλότιμος διὰ τιμήν , ὁ δὲ σπουδαῖος διὰ τὸ ἀγαθόν · ὥσπερ καὶ ὁ ἐμπειρικὸς ἰατρὸς τοσαῦτα ποιεῖ ὅσα καὶ ὁ λογικός , εἰ καὶ ὁ μὲν μετὰ λόγου , ὁ δὲ ἄνευ λόγου καὶ αἰτίας . Ἐπειδὴ τοίνυν ἐν τούτοις τοὺς Σωκράτους λόγους , ὡς εἴρηται , μεμαθήκαμεν , πολυπραγμονήσωμεν λοιπὸν καὶ τὰς Ἀλκιβιάδου φωνάς . αὗται μὲν οὖν τέσσαρά τινα τοῦ Σωκράτους θαυμάζουσιν · τὴν εὐκαιρίαν τῶν λόγων αὐτοῦ , τὴν οὐσίαν αὐτοῦ , τὴν δύναμιν , τὴν ἐνέργειαν . καὶ τὴν μὲν εὐκαιρίαν τῶν λόγων ἐν οἷς φησίν , ‘σ μ ι κ ρ ό ν μ ε ἔ φ θ η ς , ’ ὡς εἰ ἔλεγεν , ‘εἰ μὴ ὀλίγον με προέλαβες , ἐγώ σε πρῶτος εἶχον ἐρω τῆσαι , τί δή ποτέ μοι τοσοῦτον χρόνον ἀκολουθεῖς’ . εἰ μὴ γὰρ τὸ δαι - 20 38 5 10 15 20 25 190 C. Text und Übersetzung <?page no="191"?> dieses „ i c h w e i ß s e h r g u t “ kategorisch ausspricht. Denn er hat in beiden Fällen die [Sprache] verwendet, die sich am besten eignet. Unterricht 5 mit Gottes Hilfe 104C - 105C Doch wahrscheinlich weißt du nicht, Sokrates, dass du mir nur ein bisschen zuvorgekommen bist 367 : Da wir die Argumente von Sokrates bereits gelernt haben, lass uns nun auch die Laute von Alkibiades prüfen. 368 Zutreffend haben wir dann die „ Argumente “ Sokrates zugeordnet, dagegen die „ Laute “ Alkibiades. Denn Argumente sind geeignet für Menschen, Laute dagegen für vernunftlose Wesen. Da nun Sokrates mehrÄhnlichkeit zur Vernunft hat und Alkibiades unvernünftiger ist, haben wir die Wörter so gebraucht. Wir haben bereits zwei bestimmte Dinge in den Argumenten von Sokrates erfahren 369 : Erstens, dass Sokrates Alkibiades liebt; zweitens, dass er ihn auf eine göttliche Weise liebt, indem er ihn stillschweigend begleitet. [Wir haben] auch [erfahren], dass er über den Grund des Zweiten auf archaische Art und Weise 370 zuerst sagte, dass diesem ein daimonisches oder göttliches Hindernis 371 zugrunde liegt, für das Erste aber zum Schluss zwei Gründe erläuterte. Der eine [Grund] ist, dass [Alkibiades] die anderen Liebhaber verachtet. Er [sc. Sokrates] sagt, dass er das wegen vier bestimmter [Gründe] macht: Schönheit, adlige Abstammung, Freunde und sein Vormund Perikles. Der zweite [Grund] ist, dass er gegen den Affekt der Geldliebe 372 unbesiegbar ist. Denn die Geldliebe, auch wenn es besser als die Vergnügungsliebe ist (das ist nämlich der niedrigste Affekt, ich meine die Vergnügungsliebe), ist es dennoch schlechter als die Ehrliebe. Denn der Ehrliebende macht dieselben Sachen wie der Tugendhafte 373 : Aber der Ehrliebende macht sie um des Ruhmes willen, der Tugendhafte dagegen um des Guten willen. Genau wie ein Arzt mit praktischer Erfahrung die gleichen Dinge macht wie [der Arzt] mit theoretischer Kenntnis; 374 auch wenn der eine mit einer vernunftgemäßen Erklärung, der andere ohne Erklärung oder Begründung. Da wir in diesen Worten die Argumente des Sokrates, wie gesagt, gelernt haben, wollen wir uns ferner mit den Lauten von Alkibiades ausführlich beschäftigen. 375 Diese bewundern vier [Eigenschaften] an Sokrates: Seinen richtigen Zeitpunkt für das Gespräch, seine Wesenheit, sein Vermögen und seine Tatkraft. 376 Nun, [die Bewunderung] für den richtigen Zeitpunkt des Gesprächs [findet sich] in seiner Aussage: „ d u b i s t m i r n u r e i n b i s s c h e n z u v o r g e k o m m e n “ 377 , als wollte er sagen: „ Wenn du es mir nicht ein wenig vorweggenommen hättest, hätte ich dir die Frage zuerst gestellt, warum du mich seit so langer Zeit verfolgst. “ Das heißt, wenn nicht das 20 38 5 10 15 20 25 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 191 <?page no="192"?> μόνιον καὶ τὸ θεῖον ἔδει προη | γεῖσθαι τοῦ ἀνθρωπίνου ( τοῦτο δέ ἐστι τὸ προτραπῆναι τὸν Σωκράτην προσελθεῖν καὶ διαλεχθῆναι τῷ Ἀλκι βιάδη διὰ τοῦ μὴ ἀποτραπῆναι ) καὶ εἰ μὴ τὸ ἐνεργείᾳ πρῶτον ἦν τοῦ δυνάμει . τῷ ἀξιώματι μέντοι ( ἐνεργείᾳ δέ ἐστιν ὁ Σωκράτης , δυνάμει δὲ ὁ Ἀλκιβιάδης )· εἰ μὴ ταῦτα , φησίν , ἦν , οὐδὲ τὸ μικρὸν προελάμβανε τὸν Ἀλκιβιάδην . θαυμάζει οὖν τὴν εὐκαιρίαν διὰ τούτων · μέγιστα δὲ δύναται ἡ εὐκαιρία . ‘ ψ υ χ α ὶ ’ γὰρ ‘ τ ῶ ν θ ε ρ α π ε ι ῶ ν ο ἱ κ α ι ρ ο ί ’ · καὶ ὡς Ἀριστοτέλης φησί , ‘κ α ι ρ ό ς ἐ σ τ ι χ ρ ό ν ο ς π ρ ο σ λ α β ὼ ν τ ὸ δ έ ο ν ’ καὶ ‘χ ρ ό ν ο ς π ρ ο σ λ α β ὼ ν τ ὸ ε ὖ ’ · καὶ ὅτι καθάπερ ἑκάστῳ σώματι τόπον οἰκεῖον ὥρισεν ἡ φύσις , οὕτω καὶ ἑκάστῃ πράξει λέγεται καιρός . ἔτι δὲ καὶ ὅτι δεῖ τὸ τελειωσόμενον οὕτως ἔχειν ἐπιτηδειότητος πρὸς τὸ τελειοῦν ὡς παρόντος αὐτοῦ , εἰ καὶ μὴ πάρεστιν · καὶ τὸ ἀνάπαλιν οὕτως ἔχειν τὸ τελειοῦν πρὸς τὸ τελειωσό μενον ὡς παρόντος αὐτοῦ , εἰ καὶ μὴ πάρεστι · τοῦτο δὲ ἐπιτηδειότητός ἐστιν , οὐ καιροῦ , τουτέστιν εὐκαιρίας . δεύτερον τὴν οὐσίαν αὐτοῦ θαυμάζει λέγων ‘ τ ί β ο ύ λ ε ι ’ · τὸ γὰρ βουλητὸν ἀγαθόν · διὰ τούτου οὖν τὸ ἀγαθοειδὲς τῆς οὐσίας αὐτοῦ τεθαύμακεν . πάντες γ ὰρ τὰ ἀγαθὰ βουλόμεθα · εἰ δὲ καὶ τὰ κακὰ πράττομεν , οὐχ ὡς βουλόμενοι ἀλλ’ ὡς δοκοῦντα ἡμῖν , ὥς φησιν ἐν τῷ Γοργίᾳ · ἔνθα καὶ τὴν διαφορὰν βουλητῶν καὶ δοκούντων γνωσόμεθα σὺν θεῷ . ἐφεξῆς δὲ καὶ ἐπὶ λέξεως καλεῖ αὐτὸν ἀ γ α θ ό ν . τρίτον τὴν δύναμιν | θαυμάζει λέγων ‘ ἐ π ι μ ε λ έ σ τ α τ α π α ρ ώ ν , ὅ π ο υ ἐ ὰ ν ὦ ’ · τοῦτο δὲ δυνάμεώς ἐστιν ἀγρύπνου καὶ ἀτρύτου , ὅθεν καὶ Ἀτρυτώνη ἡ Ἀθηνᾶ . σημεῖον οὖν μεγίστης δυνάμεως τὸ πανταχοῦ ἀεὶ παρεῖναι . τὴν δὲ ἐνέργειαν αὐτοῦ τέταρτον θαυμάζει διὰ τοῦ ‘ ἐ ν ο χ λ ε ῖ ς μ ο ι ’ · τοῦτο δὲ ἀνεμποδίστου καὶ ἀπαύστου ἐνεργείας ἐστίν , λέγω τὸ οὕτως ἐνοχλεῖν . οὐ γὰρ ὅμοιον τὸ νῦν ‘ ἐ ν ο χ λ ε ῖ ς ’ τῷ ἄνω εἰρημένῳ ‘ δ ι ’ ὄ χ λ ο υ ’ . ἐκεῖ μὲν γὰρ ἐπὶ τῶν φορτικῶν ἐραστῶν εἰπὼν τὸ ‘ δ ι ’ ὄ χ λ ο υ ’ , οἵτινες ἁπτικῶς εἰς αὐτὸν ἠβούλοντο ἐνεργεῖν , νῦν δὲ τὸ ‘ ἐ ν ο χ λ ε ῖ ς ’ ἀντὶ τοῦ ‘ἀπορεῖν 40, 2 Olymp. ἐὰν / ἂν Plat. Alc. 104d4. 2 Plat. ὅπου ἂν ὦ ante ἐπιμελέστατα παρών , cf. Plat. Alc. 104d3 - 4. 5 Olymp. μοι / με Plat. Alc. 104d3. 39 5 10 15 20 40 5 192 C. Text und Übersetzung <?page no="193"?> Daimonische und das Göttliche vor dem Menschlichen eintreten müssten (dies ist nämlich, dass Sokrates dazu ermahnt wurde, auf Alkibiades zuzugehen und sich mit ihm zu unterreden, indem er nicht davon abgehalten wurde), und wenn nicht das, was [sich] mit der Tatkraft [verbindet], das erste vor dem Vermögen wäre. 378 Dennoch ist es [so] gemäß einem angenommenen Grundsatz 379 (Und in der Tatkraft ist Sokrates, im Vermögen dagegen Alkibiades). 380 Wenn das alles nicht so wäre, sagt er, hätte er Alkibiades nicht im Mindesten vorweggenommen. 381 Nun bewundert er den richtigen Zeitpunkt [des Gesprächs] aus diesen Gründen: Der richtige Zeitpunkt hat nämlich eine sehr große Wirkung. Denn „ d i e r i c h t i g e n A u g e n b l i c k e s i n d d i e S e e l e n d e r B e h a n d l u n g e n “ 382 . Und wie Aristoteles sagt: „ R i c h t i g e r Z e i t p u n k t i s t d i e Z e i t , d i e d a s n ö t i g e M o m e n t e r g r e i f t “ 383 , und „ Z e i t , d i e d a s G u t e e r g r e i f t “ : Und genau wie die Natur jedem einzelnen Körper einen geeigneten Platz bestimmt hat, so kann auch für jede Handlung von einem günstigen Zeitpunkt gesprochen werden. 384 Außerdem, das, was sich vervollständigen will, soll sich gegenüber dem, was es vervollständigt, so angemessen verhalten, als wäre es anwesend, auch wenn es nicht anwesend ist. Andersrum, das, was vervollständigt, soll sich gegenüber dem, was sich vervollständigen will, so verhalten, als wäre es anwesend, auch wenn es nicht anwesend ist. 385 Das ist aber Ausdruck angemessenen Verhaltens und nicht des günstigen Zeitpunkts, das heißt, der Rechtzeitigkeit. Zweitens, er [sc. Alkibiades] zeigt Bewunderung für seine Wesenheit, als er sagt „ w a s d u b e a b s i c h t i g s t “ 386 . Denn das Beabsichtigte ist gut. 387 Aus diesem Grund, dann, bewundert er [sc. Alkibiades] die Ähnlichkeit seiner Wesenheit zu dem Guten. Denn wir alle beabsichtigen gute Dinge. Wenn wir auch schlechte Handlungen vollziehen, geschieht es nicht, weil wir sie wollen, sondern weil sie uns [wünschenswert] erscheinen, wie er im Gorgias sagt. 388 Dort werden wir, mit Gottes Hilfe 389 , den Unterschied zwischen den Gewünschten und den wünschenswert Scheinenden erkennen. 390 Darauf bezeichnet er [sc. Alkibiades] ihn [sc. Sokrates] auch im Text als g u t . Drittens bewundert er sein Vermögen, indem er sagt: „ i n d e m d u m i t g r ö ß t e m E i f e r d o r t a n w e s e n d b i s t , w o i c h i m m e r b i n “ 391 . Das gehört zu einem nie schlafenden und unermüdlichen Vermögen, daher [wird] auch Athene die Unermüdliche 392 [genannt]. Es ist also ein Zeichen des größten Vermögens, überall und immer anwesend zu sein. Seine Tatkraft bewundert er als Viertes, indem er sagt: „ d u l ä s s t m i c h n i c h t i n R u h e “ 393 . Das auch ist Zeichen einer ungehemmten und unaufhörlichen Tatkraft, sage ich, auf diese Art und Weise keine Ruhe zu geben. Denn dieses „ d u b e l ä s t i g s t “ (enochleis) hier 394 ist nicht das Gleiche wie „ z u r L a s t “ (di ’ ochlou), das oben erwähnt wurde 395 : Er sagte dort nämlich „ z u r L a s t “ über die gemeinen Liebhaber, [das heißt] diejenigen, die auf den 39 5 10 15 20 40 5 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 193 <?page no="194"?> με ποιεῖς’ εἴρηται , ἐκ μεταφορᾶς τῶν ἐν ὄχλῳ βαδιζόντων καὶ ἀπορούν των προβαίνειν καὶ οἱονεὶ δεσμωτῶν ὄντων . δεσμὸς γάρ τις τῆς ψυχῆς ἡ ἀπορία , διὸ καὶ ἡ ταύτης ἴασις , ὥσπερ καὶ ἡ τοῦ δεσμοῦ , ἐπίλυσις λέγεται . φησὶ δὲ καὶ ἐν τῷ Περὶ ἑρμηνείας ὁ Ἀριστοτέλης · ‘ κ α ὶ τ ο σ α ῦ τ α μ ὲ ν λ έ γ ε τ α ι π ρ ὸ ς τ ὰ ς σ ο φ ι σ τ ι κ ὰ ς ἐ ν ο χ λ ή σ ε ι ς ’ , ἀντὶ τοῦ ‘ἀπορίας’ · ἐκ μεταφορᾶς τοῦ ὄχλου καὶ αὐτὸς ὄχλησιν εἶπεν τὴν ἀπορίαν . ‘ ἐ ν ο χ λ ε ῖ ς ’ οὖν ‘ἀπορεῖν ποιεῖς’ . ταῦτα μὲν ὁ Ἀλκιβιάδης . Ἐπὶ τούτοις δὲ ὁ Σωκράτης τὸν κορυφαῖον μιμούμενος φιλόσοφον ἐλαχίστων λόγων δεόμενον διὰ τὸ ἐξ ἀνυποθέτων ποιεῖσθαι τὰς ἀρχάς , ἀπὸ γὰρ τῶν κοινῶν ἐννοιῶν , αἵτινες ὡμολόγηνται - αἱ γὰρ ἄλλαι τέχναι ὡς ἐξ ὑποθέσεως ἔχουσαι τὰς ἀρχὰς πολλῶν δέονται κατα σκευῶν · οἶον ἡ ἰατρικὴ ἐξ ὑποθέσεως ἄρχεται ὅτι ἐκ τῶν δʹ στοιχείων τὰ ἀνθρώπινα σώματα · τοῦτο δέ , πρῶτον μὲν ὅτι δʹ , εἶτα ὅτι ἐκ τούτων εἰσὶ τὰ σώματα ἡμῶν , τοῦ πρώτου φιλοσόφου | ἐστὶ δεῖξαι · - μιμού μενος οὖν ὁ Σωκράτης τὸν κορυφαῖον φιλόσοφον , ὡς εἴρηται , τὸν ἐξ ἀνυποθέτων ποιούμενον τὰς ἀρχάς , ὀλίγα αἰτεῖ παρὰ τοῦ Ἀλκιβιάδου , καὶ ταῦτα εὐτελῆ · πρῶτον μὲν ἀκροάσασθαι τῶν αὐτοῦ ῥημάτων , ἔπειτα ἀποκρίνασθαι πρὸς τὰ ἐρωτώμενα . εἶτα κατανεύσαντος τοῦ νέου ποιήσειν ταῦτα φησὶν ὁ Σωκράτης ὅτι ‘ἐὰν οὕτω ποιῇς , δύναμαί σοι δύναμιν περιποιῆσαι ἣν οἱ ἄλλοι ἐρασταὶ οὐκ ἠδυνήθησαν’ . Μετὰ ταῦτα δὲ δέον ἐπαγαγεῖν τὴν γʹ αἰτίαν δι’ ἣν αὐτοῦ ἐρᾷ , ὡς ἐρωτικὸς ἐκκάει τὸν ἔρωτα καὶ ἀναβάλλεται πρὸς τοῦτο , ἵνα πλέον ἔχοι τὸν νέον προσέχοντα τοῖς παρ’ αὐτοῦ . στοιχεῖα δὲ καὶ τεκμήρια ἐνθέου ἐραστοῦ λέγει δύο ταῦτα , ὅτι δεῖ τὸν ἔνθεον ἐραστὴν καὶ κρίσιν ἔχειν καὶ συμπάθειαν . εἰ γὰρ θάτερον τούτων μὴ ἔχοι , οὐκ ἔσται τοιοῦτος · εἴτε γ ὰρ κρίσιν ἔχοι , συμπάθειαν δὲ οὔ , ἐπιστήμων ἔσται καὶ οὐ σπουδαῖος ἐραστής , εἴτε τὸ ἀνάπαλιν συμπάθειαν μὲν ἔχοι , κρίσιν δὲ οὔ , φορτικός ἐστι μόνον ἐραστής · ὥστε δεῖ ἄμφω παρεῖναι . ποῦ δὲ ταῦτα παραδίδωσιν ; ἐν οἷς φησὶν ὅτι ‘μ ὴ θ α υ μ ά σ ῃ ς ε ἰ , κ α θ ά π ε ρ μ ό γ ι ς ἠ ρ ξ ά μ η ν , ο ὕ τ ω κ α ὶ μ ό γ ι ς π α ύ σ ο μ α ι ’ . τὸ μὲν γὰρ 10 15 20 41 5 10 15 194 C. Text und Übersetzung <?page no="195"?> [Geliebten] auf physische Weise wirken wollen; hier aber sagt er „ d u b e l ä s t i g s t “ (enochleis) anstelle von „ du bringst mich zum Zweifeln “ , ausgehend von der Metapher derer, die in der Menschenmenge (en ochl ō ) gehen und daran zweifeln, einen Schritt nach vorne zu machen und dabei den Gefesselten ähneln. 396 Der Zweifel ist nämlich wie eine Fessel für die Seele, aus diesem Grund wird ihre Heilung - wie [die Rettung] von Fesseln - Loslösung genannt. Auch Aristoteles sagt in der [Schrift] über Hermeneutik: „ U n d d a s a l l e s w i r d g e g e n ü b e r d e n s o p h i s t i s c h e n B e l ä s t i g u n g e n (enochleseis) g e s a g t “ 397 , im Sinne von „ Widersprüchen “ (aporias). 398 Ausgehend von der Metapher der Menschenmenge (ochlos) hat auch er das Zweifeln als eine Belästigung (ochlesis) bezeichnet. „ D u b e l ä s t i g s t “ [bedeutet], dann, „ du verursachst Zweifel “ . Diese sind also [die Laute von] Alkibiades. Nachfolgend ahmt Sokrates den obersten Philosophen 399 nach, der sehr wenige Worte braucht, da er seinen Prinzipien aus unhypothetischen [Grundlagen] herleitet. 400 Denn [diese stammen aus] den Gemeinbegriffen 401 , über die eine allgemeine Einigung besteht. - Die anderen Wissensgebiete dagegen brauchen viele unterstützende Argumente, da sie ihren Ausgangspunkt von einer Hypothese haben. So legt die Heilkunde die Hypothese zugrunde, dass der menschliche Körper aus vier Elementen besteht. Allerdings zu zeigen, zuerst, dass diese [Elemente] vier sind; danach, dass unsere Körper aus denen bestehen, ist die Verantwortung des ersten Philosophen. 402 - Also ahmt Sokrates, wie bereits erwähnt, den obersten Philosophen 403 nach, der seinen Ausgangspunkt aus den unhypothetischen [Grundlagen] herleitet und verlangt deswegen wenig von Alkibiades und [nur] diese einfachen Sachen: Erstens, seine Worte anzuhören und danach auf das, was gefragt wird, zu antworten. 404 Dann, nachdem der Jüngling zustimmt, dies zu tun, sagt Sokrates: „ Wenn du das machst, vermöge ich dir eine Macht zu verleihen, zu der deine anderen Liebhaber nicht fähig waren. “ 405 Als nächstes sollen wir den dritten Grund vorstellen, warum er ihn liebt: Nämlich, dass der Liebende die Liebe entflammt und diese dann aufschiebt, damit er größere Aufmerksamkeit des Jünglings für seine [Worte] hat. 406 Dann sagt er, die Grundprinzipien und Merkmale des göttlich inspirierten Liebhabers seien diese zwei, 407 nämlich, dass der göttlich inspirierte Liebhaber sowohl Urteilsvermögen als auch Mitempfinden haben muss. Denn, wenn er eine dieser beiden [Eigenschaften] nicht besitzt, wird er nicht ein solcher [göttlich inspirierter Liebhaber] sein. Einerseits, wenn er Urteilsvermögen hat, aber kein Mitempfinden, wird er ein sachkundiger Liebhaber und kein tugendhafter 408 ; auf der anderen Seite, wenn er Mitempfinden hat, aber kein Urteilsvermögen, ist er nur ein gemeiner Liebhaber. Daher ist es nötig, dass diese beiden [Eigenschaften] anwesend sind. Und wo gibt er das an? An der [Stelle], 10 15 20 41 5 10 15 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 195 <?page no="196"?> μ ό γ ι ς ἄ ρ ξ α σ θ α ι σημεῖον κρίσεως ( ᾔδει γὰρ τὸν Ἀλκιβιάδην ἀνεπιτήδειον ὄντα ), τὸ δὲ μ ό γ ι ς π α ύ σ α σ θ α ι συμπαθείας ἐστὶ καὶ ἐπὶ πλέον ἐφιεμένου τῶν παιδικῶν . ἄλλως τε δι’ αὐτὸν μὲν τὸν Ἀλκιβιάδην μόγις ἤρξατο , ἐπειδὴ ὡς εἴρηται ἀνεπιτήδειος ἦν , δι’ ἑαυτὸν δὲ ὁ Σωκράτης μόγις παύσεται . ἐπὶ γὰρ ὠφελείᾳ τῶν νέων ὁ Σωκράτης ὢν καὶ τοῦ εὐεργετεῖν ἀεὶ ὀρεγόμενος , οὐ παύσεται πρὶν τελειώσει τὰ παιδικά . φησὶν δὲ ὅτι ‘χ α λ ε π ὸ ν ἦ ν καὶ νῦν τὸ προσιέναι σοι’ · καλῶς δὲ τὸ ‘χ α λ ε π ὸ ν ’ τέθεικεν καὶ οὔτε | ‘εὔκολον’ εἶπεν οὔτε ‘ἀδύνατον’ . εὔκολον μὲν γὰρ οὐκ ἦν , ἐπειδὴ δέος ἦν μή , καθάπερ τοὺς ἄλλους ἐραστὰς ὑπερφρονεῖ , τὸν αὐτὸν τρόπον καὶ τὸν Σωκράτην ἀποστραφήσεται · οὐκ ἀδύνατον δὲ διὰ τὴ ν αὐτὴν αἰτίαν . ἐπειδὴ γὰρ τῶν ἄλλων κατεφρόνησεν , οὐκ ἀδύνατον ἦν τῷ Σωκράτει προσελθεῖν · ἀδύνατον γὰρ ἦν Σωκράτους ἀκοῦσαι μὴ τῶν ἄλλων καταφρονήσαντα . Ταῦτα εἰπὼν καὶ μέχρι τούτων ἐκκαύσας τὸν ἔρωτα ἀποκαλύπτει τὴν τρίτην αἰτίαν καί φησιν ὅτι ‘διὰ τὸ καταφρονεῖν τῶν ὑπαρχόντων σοι ἐρῶ σου καὶ τοσοῦτον χρόνον οὐκ ἀπαλλάττομαι · οὐ γὰρ ἀληθῶς τούτων τῶν φαινομένων ἐπιθυμεῖς’ . καὶ πάντες δὲ ἄνθρωποι οὐκ αὐτῶν τῶν παθῶν ὀρέγονται , οἶον ὁ φιλότιμος , ὁ φιλοχρήματος καὶ φιλό πλουτος , ὁ φιλήδονος , ἀλλ’ ὁ μὲν φιλήδονος τῆς θείας ῥᾳστώνης , περὶ ἧς εἴρηται τὸ ‘ θ ε ο ὶ ῥ ε ῖ α ζ ώ ο ν τ ε ς ’ , ἐφίεται καὶ ταύτῃ ἔννοιαν ἔχει · μὴ δυνάμενος δὲ τυχεῖν περ ὶ τὸ εἴδωλον καὶ τὴν ἀπόπτωσιν ἐκείνης σκιαμαχεῖ . καὶ ὁ φιλοχρήματος τοῦ τελείου καὶ τῆς αὐταρκείας ἐφίεται , αὔταρκες γὰρ καὶ τέλειον τὸ θεῖον · τούτου οὖν ἐπιθυμεῖ · μὴ δυνάμενος δὲ τυχεῖν ἐπεκτείνει τὸ φιλοχρήματον . πάλιν δὲ ὁ φιλότιμος τοῦ ἱκανοῦ καὶ μεταδοτικοῦ τοῦ θεοῦ ἐφίεται , εἰ καὶ μὴ δύναται τυχεῖν . οὐ ταὐτὸν δὲ τέλειον καὶ ἱκανόν · τέλειον μὲν γάρ ἐστιν τὸ μὴ δεό | μενον ἑτέρου μόνον , ἱκανὸν δὲ τὸ μὴ μόνον οὐ δεόμενον , ἀλλὰ καὶ ἑτέροις μεταδιδόναι δυνάμενον . τοιοῦτος δὲ ὁ φιλότιμος σπουδάζει φαίνεσθαι . ὅτι δὲ κατα φρονεῖ τῶν ὑπαρχόντων ἑαυτοῦ ὁ Ἀλκιβιάδης , κατασκευάζει ὁ Σωκρά της τὸν τρόπον τοῦτον . εἰσάγει γὰρ θεὸν ἐρωτῶντα αὐτόν · ‘πότερον βούλει , ὦ Ἀλκιβιάδη , διαπεσεῖν τῆς μεγαλουργοῦ ζωῆς καὶ ἐφ’ οἷς εἶ 20 42 5 10 15 43 5 196 C. Text und Übersetzung <?page no="197"?> wo er sagt: „ D u s o l l s t n i c h t w u n d e r n , w e n n i c h g e n a u s o s c h w e r a u f h ö r e n s o l l t e , w i e s c h w e r i c h a u c h a n g e f a n g e n h a t t e . “ 409 Denn s c h w e r a n z u f a n g e n ist ein Zeichen des Urteilsvermögens (da er wusste, dass Alkibiades [bisher] untauglich 410 war); wobei s c h w e r a u f z u h ö r e n [Zeichen] des Mitempfindens ist und [zeigt, dass er] mehr von seinem Liebling erwartet. Außerdem hatte er schwer angefangen wegen Alkibiades selbst - denn, wie bereits gesagt, er war untauglich 411 - dagegen ist Sokrates selber der Grund dafür, warum er schwer aufhört. Denn, da Sokrates den Jünglingen gegenüber hilfsbereit ist und immer darauf abzielt, sie zu unterstützen 412 , wird er nicht aufhören, bevor er seinen Liebling zur Vollkommenheit gebracht hat. 413 Er sagt also: „ Es war sogar jetzt s c h w e r , dir nahe zu kommen “ : Zutreffend nämlich hat er hier „ s c h w e r “ aufgestellt und weder „ leicht “ noch „ unmöglich “ . Denn es war nicht leicht, da zu befürchten war, dass er auf die gleiche Art und Weise auch Sokrates zurückweisen würde, wie er seine anderen Liebhaber verachtet. Auch unmöglich war es nicht, aus demselben Grund. Denn, da er die anderen Liebhaber missachtete, war es für Sokrates nicht unmöglich, an ihn heranzutreten. Es war nämlich unmöglich für ihn, Sokrates zuzuhören, ohne die anderen [Liebhaber] zu missachten. Nachdem er [sc. Sokrates] dies sagte und bis zu diesem Punkt die Liebe entflammte, verrät er den dritten Grund [seiner Liebe] und sagt: „ Da ich deine Besitztümer geringschätze, liebe ich dich und verlasse dich seit so langer Zeit nicht. Denn du begehrst nicht wirklich diese Erscheinungen “ . 414 Und alle Menschen streben nicht nach den gleichen Affekten - wie der Ehrliebende, der Geldliebende oder Reichtumliebende und der Vergnügungsliebende 415 - , sondern erstrebt der Vergnügungsliebende die göttliche Unbeschwertheit, über die man sagt: „ G ö t t e r , d i e u n b e s c h w e r t l e b e n “ 416 und hat einen Begriff davon. Da er aber diese nicht erreichen kann, kämpft er mit den Schatten um ein Spiegelbild und eine Abirrung von ihr. 417 Und der Geldliebende erstrebt die Vollkommenheit und die Selbstgenügsamkeit 418 , denn das Göttliche ist vollkommen und selbstgenügsam. Daher verlangt er diese. Da er aber sie nicht erreichen kann, greift er zur Geldliebe. Schließlich erstrebt der Ehrliebende die Allgenugsamkeit und Großzügigkeit des Gottes - auch wenn er diese nicht erreichen kann. Nicht dasselbe sind aber die Vollkommenheit und die Allgenugsamkeit. Denn die Vollkommenheit ist nur [nichts] Anderes zu benötigen, wobei die Allgenugsamkeit nicht nur nichts zu benötigen ist, sondern auch dazu fähig zu sein, den anderen großzügig zu geben. Der Ehrliebende bemüht sich, als eine solche [Person] zu erscheinen. Angesichts dessen, dass Alkibiades seine Besitztümer missachtet, gestaltet Sokrates [seine Annäherung] auf diese Art und Weise. Denn er fügt einen Gott ein, der ihn [sc. Alkibiades] fragt: „ Alkibiades, willst du etwa die großen Taten im Leben verfehlen und mit dem leben, was du 20 42 5 10 15 43 5 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 197 <?page no="198"?> μεῖναι , ἢ τεθνάναι ; ’ εἶτα ἑαυτὸν ὑπὲρ ἐκείνου ἀποκρινόμενον ὅτι ‘τεθνάναι μᾶλλον’ . Ἐπὶ τούτοις δὲ ἀνατέμνει τὴν Ἀλκιβιάδου ζωὴν ἅπασαν καί φησιν ὅτι ‘ἐλπίζεις ἐντὸς ὀλίγων ἡμερῶν παρελθεῖν ἐπὶ τὸν δῆμον καὶ συμ βουλεύσειν Ἀθηναίοις’ . οὗτος δὲ ἦν ὁ μέχρι τῆς ἐφηβίας καιρός · μετὰ δὲ κʹ ἡμέρας , ὡς ἱστορεῖ ὁ Πρόκλος , ἔμελλεν ἐγγράφεσθαι εἰς ἐφήβους · νόμος δὲ ἦν , πρὶν ἐγγράφεσθαι εἰς τούτους μὴ συμβουλεύειν τινὰ Ἀθήνησιν . ‘μέλλεις οὖν’ , φησίν , ‘συμβουλεύειν κἀκ τούτου οἴει εὐδοκι μήσειν , εἶτα τιμηθήσεσθαι ἐν τῇ πόλει , καὶ μὴ μόνον ἐνταῦθα , ἀλλὰ καὶ ἐν τῇ Ἀττικῇ καὶ ἐν τῇ Ἑλλάδι , εἶτα ἐν τοῖς Ἕλλησι καὶ ἐν πάσῃ τῇ Εὐρώπῃ , οὐ μόνον δὲ ἐνταῦθα , ἀλλ ὰ καὶ ἐν τῇ Ἀσίᾳ καὶ ἐν πάσῃ τῇ γῇ · καὶ μηδένα ἄνθρωπον λόγον ἑτέρου ποιεῖσθαι καὶ θαυμάζειν πλέον σοῦ πλὴν Κύρου καὶ Ξέρξου’ . καὶ ταῦτα μὲν ὁ Σωκράτης . Φέρε δὲ ἡμεῖς ἐρευνήσωμεν τὰς ἐρωτήσεις τοῦ θεοῦ < καὶ > τὰς ἀπο κρίσεις τοῦ φιλοσόφου πρὸς τὸν θεὸν ὑπὲρ τοῦ Ἀλκιβιάδου , τίνα ἐστὶν ἑλεῖν δόγματα ἐκ τῶν τ οῦ θεοῦ ἐρωτήσεων κἀκ τῶν τ οῦ φιλοσόφου ἀποκρίσεων . πρὸ πάντων δὲ τὴν αἰτίαν εἴπωμεν δι’ ἣν θεὸν πεποίηκεν ἐρωτῶντα τὸν Ἀλκιβιάδην καὶ ἑαυτὸν ὑπὲρ ἐκείνου ἀποκρινόμενον . θεὸν μὲν οὖν ἐπερωτῶντα πεποίηκεν διὰ τρεῖς αἰτίας · ἢ ἵνα μὴ ἀρνή σηται ὁ νέος τοὺς οἰκείους λόγους · - πεπείσμεθα γὰρ πάντες καὶ τὴν τυχοῦσαν ἡμῶν κίνησιν εἰδέναι τὸ θεῖον , εἴγε καλῶς εἴρηται · ‘ π ά ν τ α θ ε ο ῦ π λ ή ρ η , π ά ν τ α δ έ ο ἵ ε ἰ σ ι ν ἀ κ ο υ α ί , κ α ὶ δ ι ὰ π ε τ ρ ά ω ν κ α ὶ | ἀ ν ὰ χ θ ό ν α κ α ί τ ε δ ι ’ α ὐ τ ο ῦ ἀ ν έ ρ ο ς ὅ τ τ ι κ έ κ ε υ θ ε ν ἐ ν ὶ σ τ ή θ ε σ σ ι ν ό η μ α ’ . δευτέρα αἰτία , ὅτι ζήλῳ τραγικῷ τοῦτο πεποίηκεν ὁ Σωκράτης . ζηλωτὴς γὰρ τούτων ἐστίν · ὥσπερ οὖν ἐκεῖνοι πολλάκις ἀπὸ μηχανῆς εἰσάγουσι θεὸν ἐπὶ λύσει τῶν συμφορῶν , καθάπερ ἐν τῇ Ἀλκήστιδι Εὐριπίδης τὸν Ἀπόλλω πεποίηκεν ἐν τῇ Ἀδμήτου οἰκίᾳ , οὕτω κἀνταῦθα ὁ Σωκράτης θεὸν εἰσήγαγεν . κατὰ τρίτην αἰτίαν , ὅτι ἐρωτικὸς ὢν ὁ Σωκράτης κατὰ μὲν τὴν συμπάθειαν ἑνῶσαι ἑαυτὸν βούλεται τοῖς παιδικοῖς , καὶ τὸ θεῖον δὲ ἑνάς ἐστιν ὑπερούσιος · κατὰ δὲ τὴν κρίσιν τελειῶσαι βούλεται τὰ παιδικά , τελειωτικὸν δὲ καὶ τὸ θεῖον . ἑαυτὸν δὲ ἐποίησεν ἀποκρινόμενον ὑπὲρ τοῦ Ἀλκιβιάδου , ἐπειδὴ πολὺ ἦν τὸ μέσον θεοῦ 10 15 20 25 44 5 10 198 C. Text und Übersetzung <?page no="199"?> jetzt hast, oder sterben? “ und darauf [stellt er] sich selbst an seiner Stelle antwortend [vor], dass er „ lieber sterben würde “ . 419 Darauf behandelt er das ganze Leben von Alkibiades in Teilen und sagt: „ Du erwartest, innerhalb wenigen Tagen vor das Volk zu treten und die Athener zu beraten “ . 420 Das war dann der günstige Augenblick bis zu der Ephebie. Nach zwanzig Tagen also, wie Proklos berichtet, war er im Begriff, in [die Liste der] Epheben eingetragen zu werden 421 : Das war nämlich ein Gesetz, dass niemand an der athenischen Volksversammlung teilnehmen dürfte, bevor er in dieser [Liste] eingetragen war. „ Du bist also “ , sagt er, „ kurz davor, politischen Rat zu geben und denkst, du würdest aus diesem Grund respektiert werden und dann in der Polis geehrt und sogar nicht nur hier, sondern auch in Attika und Hellas, danach bei den Griechen und in ganz Europa und nicht nur hier, sondern in Asia und auf der gesamten Welt. Und [du erwartest], dass niemand einen anderen Menschen höher schätzt und mehr bewundert als dich, ausgenommen von Kyros und Xerxes. “ 422 Dies [sagte] also Sokrates. Lass uns also die Fragen des Gottes und die Antworten des Philosophen an den Gott anstelle von Alkibiades erforschen, welche Grundsätze man aus den Fragen des Gottes und den Antworten des Philosophen entnehmen soll. Vor allem aber sollte der Grund genannt werden, warum er einen Gott schuf, um Alkibiades zu befragen, und sich selbst, um an seiner Stelle zu antworten. Also ließ er ihn von einem Gott befragen, aus drei Gründen 423 : Entweder, damit der Jüngling seine eigenen Worte nicht abstreitet. - Denn wir sind alle davon überzeugt, dass das Göttliche auch die zufälligen Bewegungen von uns weiß, wenn das tatsächlich zurecht gesagt wird: “ A l l e s i s t v o l l v o n G o t t , e r h ö r t a l l e s , w a s e s g i b t A u c h d u r c h d i e F e l s e n u n d ü b e r d i e E r d e h i n u n d d u r c h e i n e n M e n s c h e n s e l b s t , w e l c h e n G e d a n k e n e r i n s e i n e r B r u s t v e r b i r g t . 424 ” Die zweite Erklärung ist, dass Sokrates das wegen seiner Zuneigung zur Tragödie gemacht hat. Denn er ist ein Anhänger dieser [Tragödien]: Wie jene [Tragiker] oft einen Gott aus der Theatermaschine 425 einführen, um die Unglücksfälle zu lösen - gerade wie Euripides in der Alkestis den Apollon im Haus von Admetos dargestellt hat 426 - so hat auch hier Sokrates einen Gott eingeführt. Nach einer dritten Erklärung, da Sokrates von Liebe erfüllt ist, will er einerseits gemäß dem Mitempfinden sich mit seinem Liebling vereinen - und das Göttliche ist auch eine Einheit über allen Wesen. Andererseits will er gemäß dem Urteilsvermögen seinen Liebling zur Vollendung bringen - und zur Vollendung führend ist auch das Göttliche. Sich selbst aber ließ er für Alkibiades antworten, da die Distanz zwischen Gott und Alkibiades groß war und diese 10 15 20 25 44 5 10 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 199 <?page no="200"?> καὶ Ἀλκιβιάδου , καὶ ἔμελλεν κενὸν εἶναι τὸ μέσον , εἰ μὴ οὕτως ἑαυτὸν ἔταξεν ὁ Σωκράτης . Ἴδωμεν δὲ λοιπόν , τίνα δόγματα ἀνακύπτει ἐκ τῶν ἐρωτήσεων τοῦ θεοῦ · προείρηνται γὰρ αἱ ἐρωτήσεις αὐταὶ καὶ αἱ ἀποκρίσεις . ἐκ μὲν οὖν τῶν ἐρωτήσεων ἀνακύπτει ὅτι καθ’ | αἵρεσιν οἱ βίοι καὶ οὐ κατηναγκασμένοι · φησὶν γὰρ ‘ τ ί β ο ύ λ ε ι ; ’ οὕτω δὲ καὶ ἐν Τιμαίῳ , ‘ α ἰ τ ί α ἑ λ ο μ έ ν ο υ , θ ε ὸ ς ἀ ν α ί τ ι ο ς ’ · καὶ ἔτι ἐν Πολιτείᾳ , ‘ ὑ μ ε ῖ ς δ α ί μ ο ν α α ἱ ρ ή σ ε σ θ ε , ο ὐ χ ὑ μ ᾶ ς δ α ί μ ω ν λ ή ξ ε τ α ι ’ . ἐν ἡμῖν μὲν γάρ ἐστιν ἑλέσθαι τοιόνδε βίον , ἑλομένους δὲ πράττειν τὰ ἑπόμενα τῷ βίῳ οὐκ ἐν ἡμῖν , ἀλλ’ ἀναγκαίως · ὥσπερ καὶ λίθον ῥῖψαι μὲν ἐφ’ ἡμῖν , ῥιφέντα δὲ στῆσαι οὐκ ἐφ’ ἡμῖν . ὥστε δεῖ λέγειν τὸ ποιητικόν · ‘ ἐ γ ὼ δ ὲ ο ὐ κ α ἴ τ ι ό ς ε ἰ μ ι , ἀ λ λ ὰ Ζ ε ὺ ς κ α ὶ Μ ο ῖ ρ α κ α ὶ ἱ ε ρ ο φ ο ῖ τ ι ς Ἐ ρ ι ν ύ ς ’ . ἐκ δὲ τῶν ἀποκρίσεών ἐστι δόγματα τοσαῦτα · ὅτι συμφέρει μὴ εἶναι ἢ κακῶς εἶναι , φησὶ γὰρ ‘ δ ο κ ε ῖ ς ἄ ν μ ο ι ἑ λ έ σ θ α ι τ ε θ ν ά ν α ι ἢ ο ὕ τ ω ζ ῆ ν ’ . δεύτερον , ὅτι τὸ σῶμα ἐμπόδιον πρὸς ἀρετῆς κτῆσιν , ἐκ τοῦ αὐτοῦ · εἰ γὰρ τεθνάναι μᾶλλον αἱρεῖται , δῆλον ὅτι ὡς τοῦ σώματος ἐμποδίου ὄντος ὧν ἐπιθυμεῖ τοῦτο προαιρεῖται . τρίτον δόγμα , ὅτι οὐ διὰ τιμὴν οἰκείαν δεῖ συμβουλεύειν οἷς τις συμβουλεύει , ἀλλὰ δι’ αὐτῶν τῶν ἀκροωμένων ὠφέλειαν · ὁ δὲ Ἀλκιβιάδης διὰ τιμὴν μᾶλλον ἐβούλετο παριέναι ἐπὶ τὸν δῆμον . τέταρτον ὅτι δεῖ τὸν φιλότιμον διακρίνειν ὑφ’ οἵων τιμᾶται , καὶ μὴ ὑπὸ τῶν τυχόντων ἀξιοῦν θαυμάζεσθαι , καθάπερ ὁ Ἀλκιβιάδης ὑπὸ Ἑλλήνων καὶ βαρβάρων καὶ πάντων ἀνθρώπων βούλεται θαυμάζεσθαι . πέμπτον , ὅτι καὶ ἀνόμοια τὰ παραδείγματα παρήνεγκεν , Κῦρον καὶ Ξέρξην · ὁ μὲν γὰρ Κῦρος διὰ τὸ προσηνὲς τοῦ ἤθους καὶ τὸ πρὸς τοὺς ἀρχομένους ἐπιεικὲς π α τ ὴ ρ ὠνομάζετο , ὁ δὲ Ξέρξης διὰ τὸ λίαν ὀργίλον καὶ κατηναγκασμένον δ ε σ π ό τ η ς ( οὗτος γὰρ οὐ μόνον κατὰ ἀνθρώπων , | ἀλλὰ καὶ κατὰ τῆς φύσεως αὐτῆς καὶ τῶν στοιχείων ἐπῄρετο , καὶ ὥς φησιν ὁ Ἀριστείδης ὅτι ‘ θ ά λ α τ τ α ν μ ὲ ν ἐ π έ ζ ε υ σ ε ζ ε ύ ξ α ς τ ὸ ν Ἑ λ λ ή σ π ο ν τ ο ν , γ ῆ ν δ ὲ ἔ π λ ε υ σ ε δ ι ο ρ ύ ξ α ς τ ὸ ν Ἄ θ ω , τ ὸ ν δ ὲ ἥ λ ι ο ν 15 45 5 10 15 20 46 200 C. Text und Übersetzung <?page no="201"?> Mitte leer bleiben würde, wenn Sokrates sich nicht selbst [in diesen Bereich] gesetzt hätte. Lass uns ferner sehen, welche Grundsätze aus den Fragen des Gottes auftauchen. Denn die Fragen selbst und die Antworten wurden bereits erwähnt. Also geht aus den Fragen hervor, dass die Lebensführungen gemäß einer Wahl [zustande kommen] und nicht von Notwendigkeit gezwungen sind. Er sagt also: „ W a s d u b e a b s i c h t i g s t “ 427 . Genauso auch im Timaios: „ D e r G r u n d l i e g t b e i m W ä h l e n d e n , d e r G o t t h a t k e i n e S c h u l d “ 428 ; dazu auch in der Politeia: „ i h r w e r d e t e i n e n D a i m o n a u s w ä h l e n , n i c h t d e r D a i m o n w i r d e u c h e r l o s e n . “ 429 Denn es liegt an uns, ein bestimmtes Leben auszuwählen; nachdem aber wir gewählt haben, liegt das zu tun, was für die Lebensweise daraus folgt, nicht mehr an uns, sondern verhält sich notwendigerweise so. Genauso wie es an uns [liegt], einen Stein zu werfen, aber wenn er einmal geworfen ist, es nicht mehr von uns [abhängt], wo er landet. Daher muss auf dichterische Weise gesagt werden: „ I c h a b e r b i n n i c h t s c h u l d i g , S o n d e r n Z e u s u n d d i e M o i r a u n d d i e i m D u n k e l n w a n d e l n d e E r i n y s “ 430 All dies sind die Grundsätze aus den Antworten [des Sokrates] 431 : Dass es angemessen ist, nicht zu existieren, als auf eine schlechte Weise zu existieren, 432 denn er sagt: „ I c h d e n k e , d u w ü r d e s t d e n T o d w ä h l e n , s t a t t s o z u l e b e n “ 433 . Zweitens, dass der Körper ein Hindernis gegen den Erwerb der Tugend ist, [geht] aus demselben [hervor]: Denn, wenn er den Tod wählt, ist es offensichtlich, dass er das vorzieht, weil der Körper ein Hindernis gegen die Dinge ist, die er begehrt. 434 Der dritte Grundsatz ist, dass man politischen Rat nicht aufgrund Ehre geben soll, sondern für den Vorteil der Zuhörer selbst. Alkibiades wollte dagegen vielmehr für den [eigenen] Ruhm vor das Volk treten. 435 Viertens, dass man einen Ehrliebenden danach beurteilen soll, von welchen Menschen er geehrt wird, und nicht von denen, deren Bewunderung er gerade wertschätzt: Genauso wie Alkibiades von den Griechen, Barbaren und von allen Menschen bewundert werden will. 436 Fünftens, dass er unähnliche Beispiele herangezogen hat, nämlich Kyros und Xerxes: Kyros wurde wegen seines behutsamen Charakters und seiner Nachsicht gegenüber seinen Untertanen V a t e r genannt, 437 wobei Xerxes wegen seiner Neigung zur Wut und zum Zwang [als] D e s p o t [bezeichnet wurde] (Denn dieser wurde nicht nur gegenüber Menschen wütend, sondern sogar gegenüber der Natur selbst und den Elementen, und wie Aristeides sagt: „ E r g i n g a u f d e m M e e r i n d e m e r d e n H e l l e s p o n t j o c h e n l i e ß , e r s e g e l t e a u f d e m L a n d i n d e m e r A t h o s d u r c h s c h n i t t . E r v e r b a r g a u c h d i e S o n n e 15 45 5 10 15 20 46 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 201 <?page no="202"?> ἐ κ ά λ υ π τ ε ν ὅ τ ε ’ , φησίν , ‘ τ ο ξ ε ύ ε ι ν κ ε λ ε ύ ο ι ’ ), μέσος δὲ τού των ἦν ὁ Δαρεῖος , ὃς κ ά π η λ ο ς ἐκλήθη διὰ τὸ φιλοχρήματον . αὐτὸς γὰρ ἔταξε τοῖς Πέρσαις τοὺς φόρους , ὥς φησιν ὁ Ἡρόδοτος · ὃς καὶ νόμου ὄντος ἐν Πέρσαις τοὺς παῖδας διαδέχεσθαι τὰς βασιλείας αὐτὸς διὰ χρεμετισμοῦ τοῦ ἵππου ἐκτήσατο τὴν ἀρχήν . ἐν οἷς ἡ θεωρία . 104C Καὶ ἴσως γε , ὦ Σώκρατες , οὐκ οἶσθ’ ὅτι σμικρόν με ἔφθης : ἰδοὺ σύμφωνος ἡ λέξις τοῖς ἐν τῇ θεωρίᾳ . τὴν γὰρ εὐκαιρίαν τῶν Σωκράτους λόγων διὰ τούτων θαυμάζει ὁ Ἀλκιβιάδης , ἥτις μέγιστον ἐν πᾶσι δύναται , ὡς ἐδείχθη . εἰ μὴ γὰρ διὰ τὰς προειρημένας αἰτίας , οὔτε τὸ σμικρὸν ἂν προέλαβεν ὁ Σωκράτης . 104D Τί ποτε βούλει : ἐνταῦθα τὴν οὐσίαν αὐτοῦ θαυμάζει ἀγαθὴν οὖσαν · τὸ γὰρ βουλητὸν ἀγαθόν . εἰρήκαμεν δὲ καὶ ὅτι οὐ ταὐτὸν βουλητὸν καὶ δοκητόν , ὡς ἐν Γοργίᾳ λεχθήσεται . Καὶ ἐς τίνα ἐλπίδα βλέπων ἐνοχλεῖς μοι : τὴν ἐνέργειαν διὰ τοῦ ‘ ἐ ν ο χ λ ε ῖ ς ’ ἐδήλωσεν . οὐ ταὐτὸν δὲ τὸ νῦν ‘ ἐ ν ο χ λ ε ῖ ς ’ καὶ τὸ πρώην ‘ δ ι ’ ὄ χ λ ο υ ’ , ὡς μεμαθήκαμεν . ἐφεξῆς δὲ καὶ τὴν δύναμιν αὐτοῦ θαυμάζει . Ὅπου ἐὰν ὦ ἐπιμελέστατα παρών : ἰδοὺ καὶ τὴν δύναμιν ἐνταῦθα παραδέδωκεν . τὸ γὰρ πανταχοῦ παρεῖναι καὶ συμπαρομαρτεῖν δυνά μεως ἀγρύπνου καὶ ἀτρύτου . Καὶ ἥδιστ’ ἂν πυθοίμην : εἴρηται καὶ ἐν τῇ θεωρίᾳ ὅτι καὶ ὁ φιλή δονος οὐ ταύτης τῆς φαινομένης | ἡδονῆς ὀρέγεται , ἀλλὰ τῆς ἀληθινῆς · οὐ δυνάμενος δὲ τυχεῖν περὶ τὸ φαινόμενον τοῦτο σκιαμαχεῖ . ἐκ δὲ τοῦ ‘ ἥ δ ι σ τ α ’ εἰρῆ σθαι ἐπὶ τὴν ἐπίστασιν ἤλθομεν , οἰκεία γὰρ ἡ λέξις τῷ φιληδόνῳ . Ἀκούσει μὲν ἄρα μου : ἐνταῦθα τὸν κορυφαῖον μιμούμενος φιλόσοφον κατὰ τὴν ἀνυπόθετον φιλοσοφίαν ὀλίγα αἰτεῖ · καὶ νῦν μὲν ὥστε ἀκοῦσαι τῶν αὐτοῦ ῥημάτων , μικρὸν δὲ ὕστερον καὶ ὥστε ἀποκρίνασθαι , ἔνθα φησὶν ὅτι ‘τοιαύτην δύναμαί σοι περιποιῆ σαι δύναμιν , ἣν οἱ ἄλλοι ἐρασταὶ οὐκ ἠδυνήθησαν’ . Καὶ ὡς ἀκουσομένῳ καὶ περιμενοῦντι λέγω ; κατ’ ἐρώτησιν τοῦτο εἴρηται καὶ οὕτως ἀναγνωστέον . δηλοῖ γὰρ ἡ πρὸς αὐτὸν ἀπόκρισις ἐπάγει γὰρ ‘ π ά ν υ μ ὲ ν ο ὖ ν ’ ὡς ἐκείνου ἐρωτήσαντος . 5 10 15 20 25 47 5 10 202 C. Text und Übersetzung <?page no="203"?> a l s e r b e f a h l , P f e i l e [ d a r a u f ] z u s c h i e ß e n . “ 438 ), in der Mitte zwischen diesen [beiden] war Dareios 439 , der wegen seiner Geldliebe H ä n d l e r genannt wurde. 440 Denn er bestimmte die Abgaben für die Perser, wie Herodot sagt. 441 Ferner, da es unter den Persern ein Gesetz war, dass die Söhne in der Königsherrschaft nachfolgen, [war] er derjenige, der seinen Thron durch das Gewieher eines Pferdes bekommen hat. 442 Damit endet die Theorie. 104C Doch wahrscheinlich weißt du nicht, Sokrates, dass du mir nur ein bisschen zuvorgekommen bist: Siehe die Übereinstimmung des Texts mit den [Aussagen] in der theoretischen Untersuchung. 443 Denn Alkibiades bewundert mit diesen [Aussagen] den richtigen Zeitpunkt des Sokrates für das Gespräch, der eine sehr große Wirkung in allen Sachen hat, wie es aufgezeigt wurde. Wenn es nämlich nicht aus dem vorhin genannten Grund wäre, hätte Sokrates [das Gespräch] nicht im Geringsten vorweggenommen. 104D Was du denn wohl beabsichtigst 444 : Hier bewundert er [sc. Alkibiades] seine Wesenheit, weil diese gut ist. Denn das Gute ist wünschenswert. Wir haben auch bereits gesagt, 445 dass das Gewünschte und das als solches Erscheinende nicht das Gleiche sind, wie im Gorgias erläutert wird. 446 Und was für eine Hoffnung du vor Augen hast, wenn du mich belästigst: Mit dem „ b e l ä s t i g s t “ deutet er auf die Tatkraft [von Sokrates]. Nicht das Gleiche sind aber dieses „ b e l ä s t i g s t “ (enochleis) hier und das „ z u r L a s t “ 447 (di ’ ochlou) von vorher, wie wir gelernt haben. 448 Nachfolgend bewundert er auch sein Vermögen. indem du mit größtem Eifer dort anwesend bist, wo ich immer bin: Siehe [wie er] auch hier sein Vermögen übermittelt hat. Denn überall zu sein und zu begleiten gehört einem unermüdlichen und unaufhörlichen Vermögen. und sehr gerne würde ich das erfahren: Es wurde auch in der theoretischen Untersuchung erwähnt, 449 dass sogar der Vergnügungsliebende nicht nach diesem erscheinenden Vergnügen strebt, sondern nach dem wahrhaften. Da er aber dieses nicht erreichen kann, kämpft er um eine Erscheinung [des wahrhaften Vergnügens] mit den Schatten. 450 Wir kommen zu dieser Feststellung aus seiner Aussage „ s e h r g e r n e “ , denn diese Ausdrucksweise ist passend zu einem Vergnügungsliebenden. Du wirst mir also zuhören: Hier ahmt Sokrates den obersten Philosophen 451 nach und verlangt wenig, gemäß einer unhypothetischen Philosophie 452 : Und zwar jetzt, dass er auf seine Worte hört, und wenig später, dass er antwortet, sagt er hier: „ Ich vermöge dir eine derart große Macht zu verleihen, zu der deine anderen Liebhaber nicht fähig waren. “ 453 Und soll ich so reden, wie mit einer Person, die zuhören und geduldig ausharren wird? Das wurde wie eine Frage formuliert und soll auch so 5 10 15 20 25 47 5 10 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 203 <?page no="204"?> 104E Ὅρα δή · οὐ γάρ τοι εἴη θαυμαστὸν εἰ , ὥσπερ μόγις ἠρξάμην , οὕτω μόγις παυσαίμην : ἐνταῦθα δέον εἰπεῖν τὴν τρίτην αἰτίαν , τοῦτο μὲν οὐ πεποίηκεν , ἵνα ἔτι πλέον ἐκκαύσῃ τὸν ἔρωτα τὸν πρὸς τὸν νέον , στοιχεῖα δὲ παραδίδωσιν ἐνθέου ἐραστοῦ , οὐ φανερῶς , ἀλλ’ ἐξ ὧν τοῖς παρ’ αὐτοῦ λεγομένοις ἕπεται . φησὶν γὰρ ὅτι ‘ ὥ σ π ε ρ μ ό γ ι ς ἠ ρ ξ ά μ η ν ’ , δηλοῦται δὲ ἐντεῦθεν ἡ κρίσις · κρίσεως γ ὰρ τὸ μὴ ὡς ἔτυχεν ἄρξασθαι . εἶτα ἐπάγει ‘ ο ὕ τ ω κ α ὶ μ ό γ ι ς π α υ σ α ί μ η ν ’ , τοῦτο δὲ δηλοῖ τὴν συμπάθειαν · συμπαθείας γὰρ τὸ πολὺν χρόνον συμπαραμένειν τοῖς παιδικοῖς . καὶ τὸ θεῖον δὲ τοιοῦτον · καὶ βραδέως ἄρχεται καὶ βραδέως παύεται , χορηγοῦν τὰ ἀγαθὰ τοῖς ἀνθρώποις πρὸς τὴν ἐπιτηδειότητα τῶν δεχομένων . ὁρῶμεν γ ὰρ καὶ τοὺς εὐτυχοῦν τας μόγις μὲν ἀρχομένους τοῦ εὐτυχεῖν , ἐπιμένοντας δὲ τῇ εὐτυχίᾳ πολὺν χρόνον · ὡσαύτως δὲ καὶ ἐπὶ τῶν δυστυχούντων καὶ κολαζομένων . ἰστέον γὰρ ὅτι ποιητικὸν ἀεὶ τὸ θεῖον ὑπάρχον τῶν ἀγαθῶν οὐ διαλιμπάνει , ἀλλὰ πηγὴ τούτων ἐστὶν διηνεκῶς . καὶ ἔστιν τῶν ὑπ’ αὐτοῦ γινομένων ἀγαθῶν διαίρεσις , ὅτι τὰ | μέν ἐστι πρῶτα , τὰ δὲ δεύτερα . πρωτουργὰ μὲν οὖν εἰσὶν ἀγαθά , οἷα ἔχουσιν οἱ ἀληθῶς εὐτυχοῦντες , ἐν παισίν φημι καὶ λόγοις καὶ πλούτῳ καὶ ἁπλῶς ἅπασι τοῖς τοιούτοις · δεύτερα δὲ ἀγαθὰ αἱ ἐπὶ τῶν ἁμαρτημάτων κολάσεις . καὶ γὰρ καὶ αὗται ἀγαθαί , εἴγε οὐ δεῖ κακόν τι νομίζειν ποιεῖν τὸ θεῖον · ἐοίκασι τοίνυν οἱ ἐπὶ ταῖς τιμωρίαις ἀνιλλόμενοι παισὶ φεύγουσι τὰς ἰατρικὰς τομάς . τὸ μὲν οὖν θεῖον παρέχει ἀεὶ τὰ ἀγαθά , ἡ δὲ ἐπιτηδειότης τῶν δεχομένων ἢ τῶν πρώτων ἀγαθῶν ἀπολαύει ἢ τῶν δευτέρων · καὶ βραδέως ἄρχονται καὶ βραδέως παύονται . Ὦ ἀγαθὲ λέγε · ἀκούσομαι γάρ : ἰδοὺ καὶ ἐπὶ λέξεως ἀ γ α θ ὸ ν αὐτὸν καλεῖ , καὶ οὐ μόνον διὰ τοῦ ‘ β ο ύ λ ε ι ’ τὴ ν οὐσίαν αὐτοῦ ὡς ἀγαθοειδῆ τεθαύμακεν . 15 20 25 48 5 10 204 C. Text und Übersetzung <?page no="205"?> verstanden werden. 454 Denn die Antwort auf ihn macht es deutlich: Er [sc. Alkibiades] sagt nämlich: „ a u f j e d e n F a l l “ , in der Meinung, dass er [sc. Sokrates] eine Frage stellte. 104E Dann sieh zu: Es wäre nämlich nicht verwunderlich, wenn ich so schwer aufhören sollte, wie schwer ich auch angefangen hatte: Hier muss der dritte Grund [für die Liebe] erwähnt werden 455 , aber er hat das nicht gemacht, damit er seine Liebe für den Jüngling umso mehr entflammen kann; stattdessen gibt er die Grundprinzipien des göttlich inspirierten Liebhabers an, [ jedoch] nicht explizit, sondern es geht aus seinen Aussagen hervor. Er sagt nämlich: „ w i e s c h w e r i c h a n g e f a n g e n h a t t e “ und dadurch offenbart sich sein Urteilsvermögen 456 . Es ist ja eine Eigenschaft des Urteilsvermögens, nicht willkürlich anzufangen. 457 Dann sagt er: „ w e n n i c h a u c h s o s c h w e r a u f h ö r e n s o l l t e “ und das offenbart sein Mitempfinden. Es ist schließlich ein Zeichen des Mitempfindens, lange Zeit nah bei dem Geliebten zu bleiben. Auch das Göttliche ist derart: Es fängt sowohl langsam an als auch kommt langsam zu Ende, indem es die Menschen reichlich mit den Gütern versorgt, je nach der Geeignetheit der Empfänger. 458 Denn wir sehen, dass auch den Erfolgreichen [Menschen] es am Anfang schwerfällt, Erfolg zu haben, [danach] bleiben sie aber lange Zeit in der erfolgreichen Lage. Das Gleiche gilt für die Erfolglosen und die Bestraften. 459 Denn man muss wissen, dass das Göttliche, das immer als Schöpfer von Gütern existiert, [sein Schaffen] nicht unterbricht, sondern ihre beständige Quelle ist. 460 Es gibt auch eine Aufteilung der Güter, die aus ihm hervorgehen: Einige sind die ersten, andere sind die zweiten. Die zuerst erschaffenen Güter sind nun diejenigen, die die wahrhaftig erfolgreiche [Menschen] besitzen: Ich meine, an Kindern und an Beredsamkeit 461 , an Reichtum und einfach an allen derartigen Sachen. Die zweiten Güter [sind] die Züchtigungen nach den Verfehlungen. 462 In der Tat sind diese auch gut, wenn man freilich nicht glauben darf, dass das Göttliche etwas Schlechtes hervorbringt. Ferner sind diejenigen, die vor den Strafen zurückschrecken, ähnlich den Kindern, die vor ärztlichen Eingriffen fliehen. Folglich stellt einerseits das Göttliche immer Güter bereit, andererseits aber [bestimmt] die Tauglichkeit der Empfänger, ob die ersten Güter oder die zweiten zugutekommen werden. Sowohl fangen [diese Güter] allmählich an als auch kommen sie allmählich zu Ende. Rede, mein Guter, ich werde zuhören: Siehe, dass er ihn [sc. Sokrates] auch im Wortlaut g u t nennt und nicht nur durch den Ausdruck „ d u b e a b s i c h t i g s t “ 463 seine Wesenheit bewunderte, da sie dem Guten ähnlich ist. 15 20 25 48 5 10 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 205 <?page no="206"?> Χαλεπὸν μὲν οὖν πρὸς ἄνδρα οὐχ ἥττονα : προείρηται ὡς οὔτε τῷ ‘ἀδυνάτῳ’ οὔτε τῷ ‘εὐκόλῳ’ ἐχρήσατο , καὶ ὡς εἰκότως τοῦτο ἐποίησεν διειλήφαμεν . Ὅμως δὲ τολμητέον : καλῶς ‘ τ ό λ μ α ν ’ καλεῖ τὴν ἐπὶ τὰ δεύτερα πρόοδον · οὕτω γὰρ καὶ οἱ Πυθαγόρειοι τὴν δυάδα ‘ τ ό λ μ α ν ’ ἐκάλεσαν ὡς πρώτην τολμήσασαν ἀποσχίσαι ἑαυτὴν τῆς μονάδος . δεῖ δὲ τὴν ψυχὴν κατιοῦσαν εἰς γένεσιν λαβύρινθον οὖσαν καθάπερ μίτῳ κεχρῆσθαι τῇ μονάδι πρὸς τὴν ἐνταῦθα πλάνην , καθάπερ καὶ ὁ Θησεὺς τῷ τῆς Ἀριάδνης μίτῳ πρὸς τὸν Κρητικὸν λαβύρινθον . Ἐγὼ γάρ , ὦ Ἀλκιβιάδη : ἐντεῦθεν ἡ τρίτη αἰτία , διότι ἐρᾷ ὁ Σω κράτης · φησὶ γὰρ καταφρονεῖν αὐτὸν τῶν ὑπαρχόντων καὶ μὴ ἀληθῶς ἀγαπᾶν ἃ πρὸ μικροῦ διῆλθεν , τέσσαρα ὄντα . δειχθήσεται δὲ τοῦτο ἐκ τῶν ἐπαγομένων τοῦ θεοῦ ἐρωτήσεων καὶ τῶν π ρὸς αὐτὰς ἀποκρίσεων . Πάλαι ἂν ἀπηλλάγμην : ἐνταῦθα γενόμενος ὁ Ἁρποκρατίων καὶ καλῶς προσεσχηκὼς τῷ ῥητῷ , γραμμικαῖς ἀνάγκαις ἔδειξε τὸν Σωκρά την ἔνθεον ἐραστήν · εἴ φησιν ἐνταῦθα ὅτι ‘ π ά λ α ι ἂ ν ἀ π η λ λ ά γ μ η ν ’ , ὁ δὲ φορτικὸς ἐραστὴς οὐχ ὅτε θέλει ἀπαλλάττεται ἅτε ἐκ πάθους τοιοῦτος ὤν , τῶν δὲ παθῶν οὐχ ὅτε θέλομεν ἀπαλλαττόμεθα , καθάπερ οὔτε ἀρχόμεθα , δῆλον ὅτι ἔνθεός ἐστιν ἐραστής . οὗτος γὰρ ὅτε θέλει ἄρχεται , θέλει δὲ ὅτε ἀξιέραστα εἴη τὰ παιδικά · οὐκοῦν καὶ ὅτε θέλει παύεται , καθάπερ καὶ ἐνταῦθά φησιν ὅτι ‘εἰ ἑώρων σε ἀληθῶς τῶν φαινομένων ἀγαθῶν ἐφιέμενον , πάλαι ἂν ἀπηλλαττόμην τοῦ ἔρωτος’ . 105A Νῦν δὲ ἕτερ’ αὖ κατηγορήσω διανοήματα σὰ πρὸς αὐτόν σε : ἐπειδή , φησίν , οὐ τούτων ἀληθῶς ἐπιθυμεῖς , ἀλλ’ ἑτέρων μειζόνων , ἀγνοίᾳ δὲ περὶ ταῦτα σκιαμαχεῖς , ἐρῶ λογισμοὺς ἀφ’ ὧν δείξω μὴ τούτων σε ἐφιέμενον . τὸ δὲ ‘ σ ὰ π ρ ὸ ς α ὐ τ ό ν σ ε ’ ἐπήγαγεν δεικνὺς ὅτι κρεῖττον οἶδεν αὐτὸς τὰ ἐκείνου ἤπερ ἐκεῖνος τὰ ἑαυτοῦ . διὸ καὶ ἐπήνεγκεν , ‘ ᾧ κ α ὶ γ ν ώ σ ῃ ὅ τ ι π ρ ο σ έ χ ω ν γ έ σ ο ι τ ὸ ν ν ο ῦ ν δ ι α τ ε τ έ λ ε κ α ’ , ἀντὶ τοῦ ‘ἐκ τοῦ ἀληθῆ σοι λέγειν περὶ σοῦ’ . ἐρωτικὸν δὲ καὶ τὸ ‘ π ρ ο σ έ χ ω ν γ έ σ ο ι τ ὸ ν ν ο ῦ ν δ ι α τ ε τ έ λ ε κ α ’ . 15 20 25 49 5 10 15 206 C. Text und Übersetzung <?page no="207"?> Zwar ist es schwierig mit einem Mann umzugehen, der nicht nachgibt: Es wurde [bereits] erwähnt, dass er weder „ unmöglich “ noch „ leicht “ gebraucht, und dass er das auf geeignete Weise gemacht hat, haben wir festgestellt. 464 dennoch muss ich es wagen: Zutreffend nennt er das Herankommen an die zweiten [Gütern] „ w a g e n “ : Denn auch die Pythagoreer nannten die Dyade auf diese Weise „ W a g n i s “ , da es zuerst gewagt hat, sich von der Monade loszulösen. 465 Es ist dann notwendig für die Seele, die ins Werden absteigt, das ein Labyrinth ist, die Monade wie einen Faden für das Wandern hier [auf der Erde] zu gebrauchen: Genauso wie auch Theseus den Faden von Ariadne für [das Wandern] im kretischen Labyrinth benutzt hat. ich nämlich, Alkibiades 466 : Ab hier ist der dritte Grund, warum Sokrates [ihn] liebt: Denn er sagt, dass er [sc. Alkibiades] seine Besitztümer missachtet und die von ihm kurz davor genannten vier Sachen nicht wirklich schätzt. 467 Das wird auch ausgehend von den folgenden Fragen des Gottes und den Antworten auf diese aufgezeigt. Dann hätte ich [von meiner Liebe] längst abgelassen 468 : Als Harpokration 469 an dieser Stelle war und seine Aufmerksamkeit zutreffend der Wortwahl widmete, zeigte er auf, dass Sokrates durch den Zwang der Worte als ein göttlich inspirierter Liebhaber [dargestellt wird]. Wenn er hier sagt: „ I c h h ä t t e f r ü h e r a b g e l a s s e n “ 470 , - der gemeine Liebhaber aber lässt [seine Liebe] nicht ab, wenn er will, da er aufgrund eines Affekts in diesem Zustand ist, und von den Affekten können wir nicht dann ablassen, wann wir wollen, genauso wie wir sie am Anfang nicht haben [,weil wir sie wollen] - geht daraus hervor, dass [Sokrates] ein göttlich inspirierter Liebhaber ist. Denn er fängt damit an, wann er will; und das will er nämlich, wann sein Liebling würdig seiner Liebe [geworden] ist. Genauso auch kann er aufhören, wann er will, wie er auch hier sagt: „ Wenn ich gesehen hätte, dass du die Dinge erstrebst, die wie wahrhaftig Güter erscheinen, hätte ich längst von meiner Liebe abgelassen. “ 471 105A Jetzt aber will ich dir selbst deine ganz anderen Absichten sagen 472 : Er sagt: Da du diese Dinge nicht wirklich verlangst, sondern andere größere Dinge - aber aus Unwissenheit über diese Dinge mit den Schatten kämpfst - werde ich dir die Gründe nennen, durch die ich zeigen werde, dass du nicht diese Dinge erstrebst. 473 Er hat nun „ d i r s e l b s t d e i n e [Absichten] “ gesagt, was zeigt, dass er besser weiß, was zu Alkibiades gehört, als er [sc. Alkibiades] über sich selbst [wissen kann]. Daher also hat er hinzugefügt: „ W o r a n d u a u c h e r k e n n e n w i r s t , d a s s i c h m e i n e G e d a n k e n d a u e r h a f t m i t d i r b e s c h ä f t i g t h a b e “ 474 , in dem Sinne wie: „ Daraus [geht hervor], dass ich dir die Wahrheit über dich sage “ . Auch dieser [Satz]: „ i c h h a b e m e i n e G e d a n k e n d a u e r h a f t m i t d i r b e s c h ä f t i g t “ hat mit der Liebe zu tun. 15 20 25 49 5 10 15 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 207 <?page no="208"?> Δοκεῖς γάρ μοι , εἴ τίς σοι εἴποι θεῶν : ἐντεῦθεν αἱ ἐρωτήσεις τοῦ θεοῦ . δι’ ἣν δὲ αἰτίαν θεὸν εἰσήγαγεν ἐρωτῶντα τὸν Ἀλκιβιάδην , ἐν τῇ θεωρίᾳ προείρηται . Πότερον βούλει ζῆν ἔχων ἃ νῦν ἔχεις : ἐντεῦθέν ἐστιν ἑλεῖν δόγμα , ὃ καὶ εἴπομεν , ὅτι καθ’ αἵρεσιν οἱ βίοι καὶ οὐ κατὰ ἀνάγκην . δηλοῖ δὲ τοῦτο καὶ ἐν τῇ Πολιτείᾳ . Δοκεῖς ἄν μοι ἑ λέσθαι τεθνάναι : αὕτη ἡ ἀπόκρισις τοῦ φιλοσόφου ὑπὲρ τοῦ νέου · καὶ ἰστέον ὅτι ἐν ἑνὶ προσώπῳ διαλογικὸν σῴζει χαρακτῆρα ἐνταῦθα , | αὐτὸς προάγων τὰς ἐρωτήσεις ὡς ἀπὸ θεοῦ καὶ τὰς ἀποκρίσεις ὡς παρὰ τοῦ Ἀλκιβιάδου . δύο δὲ δόγματα ἐκ τοῦ ῥητοῦ ἐστὶν ἑλεῖν · ὅτι κρεῖττον μὴ εἶναι ἢ κακῶς εἶναι καὶ ὅτι πρὸς ἀρετῆς κτῆσιν ἐμπόδιον τὸ σῶμα . Ἀλλὰ νῦν ἐπὶ τίνι δή ποτ’ ἐλπίδι ζῇς , ἐγὼ φράσω : ἐντεῦθεν ἀνατο μὴ τῆς Ἀλκιβιάδου ζωῆς · ἀναπτύσσει γὰρ ὁ Σωκράτης τὴν διάνοιαν αὐτοῦ πᾶσαν ἐν τοῖς ἐφεξῆς . 105B Τοῦτο δὲ ἔσεσθαι μάλα ὀλίγων ἡμερῶν : ἱστορεῖ ὁ Πρόκλος ὅτι μετὰ κʹ ἡμέρας ἔμελλεν εἰς τοὺς ἐφήβους ἐντάττεσθαι , εἶτα συμβουλεύειν Ἀθηναίοις . Ὅτι ἄξιος εἶ τιμᾶσθαι ὡς οὔτε Περικλῆς : ἄλλο δόγμα ἐντεῦθεν ἀνακύπτει · ὅτι δεῖ μὴ τιμῆς χάριν ποιεῖσθαι τὴν συμβουλήν , ὥσπερ νῦν ὁ Ἀλκιβιάδης , ἀλλ’ ὠφελείας τῶν ἀκροωμένων . ἰστέον δὲ ὅτι ἀφ’ ἑστίας ἄρχεται τῆς ἁμίλλης καὶ τῶν οἰκείων , εἰπὼν ‘ ὡ ς ο ὔ τ ε Π ε ρ ι κ λ ῆ ς ’ . Ἐὰν δὲ ἐνθάδε μέγιστος ᾖς , καὶ ἐν τοῖς ἄλλοις Ἕλλησιν , καὶ οὐ μόνον ἐν Ἕλλησιν : κλιμακηδὸν ὁ λόγος αὐτῷ πρόεισιν · ἐπάγει γὰρ ὅτι ‘ ο ὐ μ ό ν ο ν ἐ ν Ἕ λ λ η σ ι ν , ἀλλ ὰ καὶ ἐν τῇ Εὐρώπῃ καὶ τοῖς βαρβάροις καὶ ἁπλῶς ἁπάσῃ τῇ γῇ ἐπιθυμεῖς εὐδοκιμεῖν’ , καὶ μ η δ έ ν α ἡ γ ε ῖ σ θ α ι λ ό γ ο υ ἄ ξ ι ο ν π λ ὴ ν Κ ύ ρ ο υ κ α ὶ Ξ έ ρ ξ ο υ . ἐγὼ δέ φημι ὅτι οὔτε ἐνταῦθα ἐλθὼν στήσεται τῆ ς φιλοτιμίας , ἀλλ’ ἔτι μειζόνων ἐπιθυμήσει , καὶ κατὰ τὸ κωμικόν · ‘ κ ἂ ν τ α ῦ τ α ἀ ν ύ σ ῃ , τ ε τ τ α ρ ά κ ο ν τ α β ο ύ λ ε τ α ι ’ . ὡς γὰρ εἴρηται , πάντες ἄνθρωποι οὐκ αὐτῶν τῶν παθῶν ὀρέγονται ( ἄπειρα γὰρ ταῦτα ), ἀλλ’ ἑτέρων τινῶν ἔχοντες ἔννοιαν καὶ οὐ δυνάμενοι τούτων τυχεῖν ἐφίενται τῶν πλειόνων . ζητητέον δὲ διὰ τί τὸ 20 25 50 5 10 15 20 25 208 C. Text und Übersetzung <?page no="209"?> Es scheint mir nämlich so zu sein: Angenommen, einer der Götter sagte zu dir: Ab hier [fangen] die Fragen des Gottes [an]. Aus welchem Grund er einen Gott einführt, der Alkibiades befragt, wurde in der theoretischen Untersuchung bereits erklärt. 475 Willst du mit dem leben, was du jetzt hast: Hieraus kann man den Grundsatz entnehmen, den auch wir genannt haben, 476 dass die Leben sich nach eigener Wahl und nicht nach der Notwendigkeit richten. Das verdeutlicht er auch in der Politeia. 477 Dann würdest du es, glaube ich, vorziehen tot zu sein: Das ist die Antwort des Philosophen anstelle des Jünglings. Man muss auch wissen, dass er hier die Dialogform bewahrt, auch wenn nur mit einem Sprecher, indem er die Fragen so stellt, als würden sie von dem Gott stammen, und die Antworten wie von Alkibiades. Es sind also zwei Grundsätze aus [dieser] Rede zu entnehmen: Nämlich, dass es besser ist, nicht zu existieren, als auf schlechte Weise zu existieren und dass der Körper ein Hindernis gegen den Erwerb der Tugend ist. Ich will aber jetzt bekunden, mit was für einer Hoffnung du dein Leben führst: Ab hier [beginnt] die Zergliederung von Alkibiades ’ Leben. 478 Denn Sokrates entfaltet seinen gesamten Eindruck in den folgenden [Sätzen]. 105B Das aber wird in sehr wenigen Tagen der Fall sein: Proklos erklärt, dass er nach 20 Tagen in [die Liste der] Epheben eingetragen werde, und darauf die Athener beraten [kann]. 479 Dass du einer Ehre würdig bist, wie weder Perikles 480 : Hieraus geht ein anderer Grundsatz hervor: Dass man Ratschläge nicht um des Ruhmes Willen geben soll, wie Alkibiades jetzt macht, sondern für den Vorteil der Zuhörer. Man muss wohl wissen, dass er seinen Wetteifer von seiner Familie und von seinem Hausstand herleitet, 481 indem er „ w i e P e r i k l e s n i e [hatte] “ sagt. Wenn du aber hier der Mächtigste seiest, [wirst du] dies auch bei den anderen Griechen und nicht nur bei den Griechen 482 : [Sokrates] stellt seine Rede ihm wie eine Treppe vor: Denn er fügt hinzu: „ Du möchtest n i c h t n u r b e i d e n G r i e c h e n , sondern auf Europa und bei den Barbaren, kurzum einfach in der gesamten Welt Ruhm erlangen “ , und dass er n i e m a n d e n a u ß e r K y r o s u n d X e r x e s f ü r e r w ä h n e n s w e r t h ä l t . Ich sage aber, dass [Alkibiades] nicht aufhören wird, nach der Ehre zu streben, auch wenn er dieses erreicht; sondern wird er noch mehr verlangen, wie bei dem Komödiendichter: „ U n d h a t e r d i e b e i s a m m e n , w ü n s c h t e r v i e r z i g “ 483 Denn, wie bereits gesagt, 484 nicht alle Menschen streben nach denselben Affekten (diese sind nämlich unendlich), sondern haben sie einen Begriff einiger anderen Dinge und wenn sie diese nicht erreichen können, erstreben 20 25 50 5 10 15 20 25 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 209 <?page no="210"?> φιλότιμον πάθος πλέον πάντων ἐστὶ δυσέκνιπτον · οὕτω γάρ ἐστιν , ὅτι καὶ οἱ μὴ βουλόμενοι φιλότιμοι εἶναι διὰ φιλοτιμίαν ποιοῦσιν αὐτό , ὥστε δοκεῖν ὅτι οὔκ εἰσι φιλότιμοι . φαμὲν οὖν ὅτι διὰ τοῦτο δυσαπό λυτον πάθος τὸ φιλότιμον , ὅτι μᾶλλον τῶν ἄλλων πλησιάζει τῷ λόγῳ καὶ συγγενές ἐστι τούτῳ · ὁ δὲ λόγος ἀναπόβλητός ἐστιν ἡμῶν · οὐκοῦν καὶ τὰ πλησιάζοντα αὐτῷ δυσαπόβλητα . ἢ δι’ ἑτέραν · ὅτι κατιοῦσα ἡ ψυχὴ ἐνταῦθα καὶ φεύγουσα τὸ δουλεύειν τοῖς κρείττοσιν , ἐπιθυμοῦσα δὲ τοῦ ἄρχειν τῶν χειρόνων , πρῶτον τῶν παθῶν ἐνδύεται τὸ φιλότιμον · ἐν τῇ οὖν ἀποβολῇ τούτων τελευταῖον αὐτὸ ἀποδύεται ἐξ ἀνάγκης . ὅτε καὶ ἔστιν λέγειν ἐπ’ αὐτῇ · ‘ α ὐ τ ὰ ρ ὁ γ υ μ ν ώ θ η ῥ α κ έ ω ν ’ . ἰστέον δὲ ὅτι τὸ φιλότιμον πάθος ἐν ταῖς ζωτικαῖς ἡμῶν δυνάμεσιν ἐστὶν δυσαπόβλητον , ἡ δὲ φαντασία ἐν ταῖς γνωστικαῖς · πάρεστι γὰρ ἀεὶ τῇ ἡμετέρᾳ ψυχῇ ἡ φαντασία , τύπους ἀναπλάττουσα ὧν ἀγνοεῖ ἡ ψυχὴ καὶ τοῖς ἀσωμάτοις σχήματα καὶ μεγέθη καὶ σώματα περιτιθεῖσα καὶ τόπῳ περιορίζουσα τὸν θεόν . Ὁ αὐτὸς θεός : καλῶς ἐπὶ μὲν τοῦ θεοῦ τὸ ‘ α ὐ τ ὸ ς ’ ἔταξεν , ἑνὰς γὰρ ὁ θεὸς καὶ ἑνοειδής · ἐπὶ δὲ τῶν πραγμάτων ὧν ὁ Ἀλκιβιάδης ἐφίεται πληθυντικῶς εἶπεν , πολλὰ γὰρ τὰ μετὰ τὸ θε ῖον καὶ τὴν μονάδα τὰ ἐξ αὐτῆς παραγόμενα , ὧν πάντες ἐφιέμεθα . ὅτι γὰρ πληθυντικῶς ἐπὶ τούτων εἶπεν , δῆλον κἀκ τοῦ ἐπαγαγεῖν , ‘ ἐ π ι θ έ σ θ α ι τ ο ῖ ς ἐ κ ε ῖ π ρ ά γ μ α σ ι ν ’ . ἁρμόττουσα δὲ ἡ λέξις , τὸ ‘ ἐ π ι θ έ σ θ α ι ’ , τῷ Ἀλκιβιάδῃ . Πλὴν Κύρου καὶ Ξέρξου : εἴρηται ὅτι ἀνομοίῳ ἐχρήσατο τῷ παρα δείγματι · οὐ γὰρ τὰ αὐτὰ οὗτοι προείλοντο , εἴγε ὁ μὲν π α τ ή ρ , ὁ δὲ δ ε σ π ό τ η ς προσηγορεύετο . Εὖ οἶδα καὶ οὐκ εἰκάζω : καλῶς μετὰ τὰς ἀποδείξεις τὸ ‘ ε ὖ ο ἶ δ α ’ τέταχεν , ὥσπερ καὶ ἐν ἀρχῇ πεποίηκεν . ἔοικεν δὲ τὸ Ὁμηρικὸν λέγειν , ὥσπερ καὶ ὁ Δ ιομήδης πρὸς τὴν Ἀθηνᾶν , ‘ ο ὐ δ έ σ ε λ ή θ ω κ ι ν ο ύ μ ε ν ο ς ’ · ὁ δὲ Σωκράτης ἐκ τοῦ ἐναντίου , ‘οὐδέ με λήθεις’ , εἴγε φησίν · ‘ ὅ τ ι μ ὲ ν ο ὖ ν ἔ χ ε ι ς τ α ύ τ η ν < τ ὴ ν > ἐ λ π ί δ α , ε ὖ ο ἶ δ α κ α ὶ ο ὐ κ ε ἰ κ ά ζ ω ’ . 51, 16 Olymp. om. οὗτος post αὐτὸς , cf. Plat. Alc. 105b8. 51 5 10 15 20 105C 25 52 5 210 C. Text und Übersetzung <?page no="211"?> sie noch mehr. 485 Es soll nun untersucht werden, warum der Affekt der Ehrliebe viel schwerer auszulöschen als alles andere ist. 486 Denn es ist so, dass sogar diejenigen, die nicht ehrliebend sein wollen, aufgrund der Ehrliebe das machen, damit sie so erscheinen, dass sie nicht ehrliebend sind. Wir sagen nun, dass der Affekt der Ehrliebe aus diesem Grund etwas ist, wovon man sich schwer befreien kann, weil sie der Vernunft viel näher kommt 487 als anderen [Affekten] und mit ihr Gemeinsamkeit hat. Und die Vernunft kann von uns nicht entfernt werden. Daher ist es für uns schwer auch das [von uns] zu entfernen, was ihr nah steht. Oder, aus einem anderen [Grund]: Die Seele, als sie hierher abstieg und von der Sklaverei unter den Mächtigeren floh, dagegen aber über die Niedrigeren herrschen wollte, bekleidete sich zuerst von den Affekten mit der Ehrliebe. 488 Wenn sie aber [bei dem Aufstieg] diese [Affekte] wegwirft, zieht zwangsmäßig diese [sc. Ehrliebe] zuletzt aus. Sodass man über die [Seele] sagen kann: „ [E r ] a b e r e n t b l ö ß t e s i c h v o n d e n L u m p e n “ . 489 Man muss also wissen, dass die Ehrliebe unter unseren lebenswichtigen Fähigkeiten ein schwer loszuwerdender Affekt ist, wie die Vorstellungskraft unter den erkennenden Fähigkeiten. Denn die Vorstellungskraft ist stets in unserer Seele anwesend, während die Seele Eindrücke von den Sachen gestaltet, die sie nicht kennt, und den immateriellen Sachen Formen, Größen und Körper zuschreibt und sogar den Gott mit einem bestimmten Ort definiert. Der Gott selbst 490 : Zutreffend hat er „ d a s S e l b s t “ in [die Ebene] des Gottes gesetzt, denn der Gott ist Einheit und einförmig. 491 Über die Angelegenheiten aber, die Alkibiades anstrebt, redet er in der Pluralform 492 - denn die Dinge, die dem Göttlichen und der Monade [folgen] und aus ihr hervorgehen, sind Viele, die wir alle anstreben. Dass er über diese in der Pluralform redet, wird daraus deutlich, dass er hinzufügt: „ d i e A n g e l e g e n h e i t e n d o r t i n A n g r i f f z u n e h m e n “ 493 . Außerdem ist der Ausdruck „ i n A n g r i f f z u n e h m e n “ im Einklang mit Alkibiades. 494 Außer Kyros und Xerxes: Es wurde erwähnt, dass er unähnliche Beispiele 495 benutzt hat. Denn diese [Beispiele] wurden nicht als Gleiche ausgewählt, da der eine als V a t e r angesprochen wird, der andere aber als D e s p o t . Das weiß ich sehr gut und vermute es nicht: Passend hat er den [Satz] „ i c h w e i ß s e h r g u t ” nach den Beweisführungen gesetzt, wie er auch am Anfang getan hat. 496 Es gleicht einer homerischen Phrase, wie auch Diomedes zu Athene [gesagt hat]: „ u n d i c h b l e i b e d i r n i c h t v e r b o r g e n , w e n n i c h m i c h r e g e “ 497 . Sokrates aber [verwendet es] aus einer gegensätzlichen [Sicht]: „ du bist mir nicht entgangen “ , wenn er nämlich sagt: „ D a s s d u i n 51 5 10 15 20 105C 25 52 5 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 211 <?page no="212"?> Πρᾶξις σὺν θεῷ ϛʹ 105C-106C Τί δὴ οὖν , ὦ Σώκρατες , τοῦτ’ ἔστι σοι πρὸς λόγον , ὃν ἔφησθα ἐρεῖν , διὸ ἐμοῦ οὐκ ἀπαλλάττῃ ; Δύο τινῶν εἰρημένων ἐν τῷ προοιμίῳ , πρώτου μὲν τοῦ ἐρᾶν Σωκρά την , δευτέρου δὲ τοῦ ἐρῶντα σιωπῇ παρομαρτεῖν , τουτέστιν ἀπαρ ουσιάστως ἐρᾶν , καὶ τοῦ μὲν δευτέρου τῆς αἰτίας ἀνατεθείσης εἰς δαιμόνιον ἢ θεῖον , τοῦ δὲ πρώτου τριῶν εἰρημένων αἰτίων , τοῦ ὑπερ φρονεῖν τὸν Ἀλκιβιάδην τῶν ἄλλων ἐραστῶν , τοῦ ἀνάλωτον αὐτὸν εἶναι τῷ φιλοχρημάτῳ , καὶ τοῦ καταφρονεῖν τῶν ὑπαρχόντων αὐτῷ , νῦν , ἐπειδὴ οὐ μόνον τὰ δύο ταῦτα περιεῖχε τὸ προοίμιον , ἀλλὰ καὶ τρίτον , τὸ τῶν ἄλλων ἐραστῶν πεπαυμένων τὸν Σωκράτην μὴ ἀπαλλάττεσθαι , τούτου τὴν αἰτίαν πάρεστι παραδώσων ὁ Σωκράτης . φησὶν οὖν ὅτι ‘διὰ τοῦτο οὐκ ἀπαλλάττομαι , ἐπειδὴ μόνος δύναμαι περιποιῆσαί σοι δύ ναμιν , ἣν οἱ ἄλλοι ἐρασταὶ πάντες οὐκ ἠδυνήθησαν’ . Καὶ ἀποροῦμεν , πρῶτον μὲν πῶς ὁ Σωκράτης ἐνταῦθα μεγαλορρη μονεῖ , ὁ πανταχοῦ εἴρων , περὶ οὗ εἴρηται , ‘ α ὕ τ η δ έ σ ο ι ἡ ε ἰ ω θ υ ῖ α ε ἰ ρ ω ν ε ί α , ὦ Σ ώ κ ρ α τ ε ς ’ · ὁ λέγων ἀεὶ μηδὲν | εἰδέναι , μηδένα διδάσκειν , διὸ καὶ ὁ θε ὸς ὁ ἐν Δελφοῖς ἔφη περὶ αὐτοῦ ὅτι ‘ ἀ ν δ ρ ῶ ν ἁ π ά ν τ ω ν Σ ω κ ρ ά τ η ς σ ο φ ώ τ α τ ο ς ’ · ὅτι οὐ πληγῇ μόνον ἀέρος ταῦτα ἔλεγεν καὶ φωνῇ , ἀλλὰ ζωτικῶς καὶ ἐνθέως . ζητητέον οὖν πῶς τοιοῦτος ὢν ἐνταῦθα τοιαῦτα φρονεῖ , μόνος ἐπαγγελλόμενος δύνασθαι περιποιεῖν τῷ νέῳ δύναμιν . ἢ λέγομεν ὅτι πρῶτον μὲν ἐν καιρῷ μεγαλορρημονεῖ ὁ φιλόσοφος · δέος γὰρ ἦν μή , καθάπερ τῶν ἄλλων ἐραστῶν κατεφρόνησεν ὁ Ἀλκιβιάδης , οὕτως καὶ αὐτοῦ . οἶδεν οὖν ὁ Σωκράτης ἐν καιρῷ μεγαλορρημονεῖν . καὶ γὰρ πολλαχοῦ τοῦτο πεποίηκεν · οἶον ἐν Θεαιτήτῳ κριτὴ ν τάξας ἑαυτὸν τῶν γ ο ν ί μ ω ν καὶ ἀ ν ε μ ι α ί ω ν λόγων φησὶν ὅτι ‘ θ ε ὸ ς γ ὰ ρ δ ύ σ ν ο υ ς ο ὐ δ ε ὶ ς ἀ ν θ ρ ώ π ῳ ο ὐ δ ὲ ἐ γ ὼ δ υ σ ν ο ί ᾳ τ ο ῦ τ ο 52, 22 Olymp. αὕτη δέ σοι / αὕτη ' κείνη Plat. Rep. 337a4. 53, 1 Olymp. ὦ Σώκρατες / Σωκράτους Plat. Rep. 337a4 - 5. 11 Olymp. θεὸς γὰρ / οὐδεὶς θεὸς Plat. Tht. 151d1. 12 Olymp. ἀνθρώπῳ / ἀνθρώποις Plat. | Olymp. τοῦτο / τοιοῦτον Plat. Tht.151d1. 12 Olymp. τοῦτο / τοιοῦτον Plat. Tht.151d1. 10 15 20 53 5 10 212 C. Text und Übersetzung <?page no="213"?> d e r T a t d i e s e H o f f n u n g h a s t , w e i ß i c h s e h r g u t u n d v e r m u t e e s n i c h t n u r “ 498 . Unterricht 6 mit Gottes Hilfe 105C - 106C Was hat denn das, Sokrates, mit deinem Argument zu tun, das du darüber äußern wolltest, warum du von mir nicht ablässt? Diese zwei Dinge wurden in der Einleitung 499 gesagt: erstens, dass Sokrates [ihn] liebt und zweitens, dass er seinen Geliebten stillschweigend begleitet, das heißt, dass er [ihn] ohne körperliche Anwesenheit liebt 500 - und während er [sc. Sokrates] den Grund des Zweiten einem daimonischen oder göttlichen Wesen zuschrieb, 501 nannte er für das Erste drei Gründe: dass Alkibiades [seine] anderen Liebhaber verachte, dass er gegen die Geldliebe unbesiegbar sei und dass er eigene Besitztümer geringschätze 502 - und jetzt, da die Einleitung nicht nur diese zwei [Aussagen] umfasst, sondern eine dritte, nämlich, dass Sokrates [von ihm] nicht ablässt, nachdem die anderen Liebhaber bereits aufgehört haben, ist Sokrates dabei, den Grund dafür anzugeben. Also sagt er: „ Aus diesem Grund lasse ich [von dir] nicht ab, da nur ich dir eine Macht verleihen kann, wozu alle deine anderen Liebhaber unfähig waren. “ 503 Doch rätseln wir, erstens, warum Sokrates an dieser Stelle prahlt, wobei er [sonst] überall ironisch ist 504 und man über ihn sagt: „ D a s i s t w i e d e r d e i n e g e w ö h n l i c h e I r o n i e , S o k r a t e s “ . 505 Er pflegt immer zu sagen, dass er nichts weiß und niemandem etwas lehrt, 506 aus welchem Grund auch der Gott von Delphi über ihn sprach: „ V o n a l l e n M e n s c h e n i s t S o k r a t e s d e r W e i s e s t e . “ 507 Das bedeutet, dass er diese [Worte] nicht nur wie ein Schlag in die Luft 508 oder wie ein Laut 509 sagte, sondern mit seiner Lebenskraft und mit der göttlichen Inspiration. Es muss also untersucht werden, wie er, als ein solcher Mensch, hier derartige Gedanken hat, während er ankündigt, dass nur er dazu fähig ist, dem Jüngling eine Macht zu verleihen. 510 Dazu sagen wir, dass erstens der Philosoph zu einem günstigen Augenblick prahlt: Denn es war [vorher] nötig, dass er das nicht macht, da Alkibiades ihn genauso wie seine anderen Liebhaber missachtete. Daher wusste Sokrates, wie man zum richtigen Zeitpunkt prahlt. In der Tat, hat er das öfters gemacht: Wie er im Theaitetos, nachdem er sich als Richter zwischen f r u c h t b a r e n und n i c h t i g e n Argumenten eingesetzt hatte, sagte: „ D e n n k e i n G o t t i s t d e n M e n s c h e n j e s c h l e c h t g e s i n n t u n d i c h t u e d a s a u c h n i c h t a u s s c h l e c h t e m W i l l e n , s o n - 10 15 20 53 5 10 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 213 <?page no="214"?> δ ρ ῶ , ἀ λ λ ά μ ο ι ψ ε ῦ δ ό ς τ ε σ υ γ χ ω ρ ῆ σ α ι κ α ὶ ἀ λ η θ ὲ ς ἀ φ α ν ί σ α ι ο ὐ δ α μ ῶ ς θ ε μ ι τ ό ν ’ . ἰδοὺ γὰρ ἐνταῦθα τῷ θεῷ συνέταξεν ἑαυτὸν εἰπὼν ‘ θ ε ὸ ς γ ὰ ρ δ ύ σ ν ο υ ς ο ὐ δ ε ὶ ς ἀ ν θ ρ ώ π ῳ ο ὐ δ ὲ ἐ γ ὼ δ υ σ ν ο ί ᾳ ο ὐ δ ε μ ι ᾷ τ ο ῦ τ ο δ ρ ῶ ’ . καὶ πάλιν ἐν τῇ Ἀπολογίᾳ μεγαλορρημονεῖ λέγων , ‘ κ ρ ε ί σ σ ο ν ι δ ὲ ἀ ν δ ρ ὶ ο ὐ θ ε μ ι τ ὸ ν ὑ π ὸ χ ε ί ρ ο ν ο ς ἄ ρ χ ε σ θ α ι ’ · καὶ αὖθις ἐκεῖ ὅτι ‘ Ἄ ν υ τ ο ς κ α ὶ Μ έ λ ι τ ο ς ἀ π ο κ τ ε ῖ ν α ι μ έ ν μ ε δ ύ ν α ν τ α ι , β λ ά ψ α ι δ ὲ ο ὐ δ α μ ῶ ς ’ , τοῦ μὲν προτέρου ‘ μ ε ’ κοινότερον ἐπὶ τοῦ συναμφοτέρου εἰρημένου , τοῦ δὲ δευτέρου κυρίως ἐπὶ τῆς ψυχῆς μόνης . καὶ αὕτη μὲν μία λύσις , ὅτι ἐν καιρῷ οἶδε μεγαλορρημονεῖν · δευτέρα δέ , ὅτι οὔτε μεγαλορρημονεῖ , φαύλων καὶ ἀγελαίων | ἀνδρῶν προκρίνων ἑαυτόν . οὐδὲ γὰρ μέγα εἰ ἅπερ εὐτελεῖς οὐκ ἠ δυνήθησαν ποιῆσαι , ταῦτα πράξει ὁ φιλόσοφος . τρίτον ὅτι , ἐάν τις ἀκριβῶς ἐννοήσῃ τὰ ῥηθέντα , οὔτε φαίνεται μεγαλορρημονῶν ὁ Σωκράτης . φησὶν γὰρ ὅτι ‘ μ ε τ ὰ τ ο ῦ θ ε ο ῦ μ έ ν τ ο ι ’ καὶ ‘ ἄ ν ε υ ἐ μ ο ῦ τ ῶ ν δ ι α ν ο η μ ά τ ω ν τ έ λ ο ς ἐ π ι τ ε θ ῆ ν α ι ἀ δ ύ ν α τ ο ν ’ . τὸ δὲ ‘ ἄ ν ε υ ’ ὑλικόν ἐστι πρόσρημα καὶ ὕλῃ πρέπον , ἐπειδὴ ἄνευ τῆ ς ὕλης οὐδέν ἐστιν ἐπι νοῆσαι ἐνταῦθα ὄν . Δεύτερον ἀποροῦμεν , διὰ τί τοιαύταις ἐλπίσιν ὑποτύφεσθαι ποιεῖ τὸν νέον ὁ Σωκράτης , δύναμιν ἐπαγγελλόμενος αὐτῷ περιποιήσειν . ἢ λέγομεν ὅτι καθάπερ οἱ ἰατροὶ οὐκ ἐπιτίθενται τοῖς νοσοποιοῖς αἰτίοις πρὶν αὐτὰ τιθασεύσουσιν ( διὸ καλῶς εἴρηται τῷ Ἱπποκράτει , ‘ π έ π ο ν α φ α ρ μ α κ ε ύ ε ι ν κ α ὶ κ ι ν ε ῖ ν , μ ὴ ὠ μ ὰ μ η δ ὲ ἐ ν ἀ ρ χ ῇ σ ι ν ’ ), οὕτω καὶ ὁ Σωκράτης πρότερον τιθασεύει τὰ πάθη , εἶθ’ οὕτως ἐκκόπτει αὐτὰ π υ ρ ὶ κ α ὶ σ ι δ ή ρ ῳ , τὸ δὴ λεγόμενον . ἰστέον γὰρ ὅτι , καθάπερ καὶ ἐν ἀρχῇ εἴρηται , τρεῖς εἰσὶ τρόποι καθάρσεως , Πυθαγορικός , Σωκρατικός , Περιπατητικὸς ἤτοι Στωϊκός . καὶ ὁ μὲν Στωϊκὸς διὰ τῶν ἐναντίων τὰ ἐναντία ἰᾶτο , τῷ μὲν θυμῷ τὴν ἐπιθυμίαν ἐπάγων καὶ οὕτω μαλάσσων αὐτόν , τὴν δὲ ἐπιθυμίαν τῷ θυμῷ καὶ οὕτω ῥωννύων αὐτὴν καὶ ἀνάγων πρὸς τὸ ἀνδρικώτερον , δίκην τῶν κεκαμ μένων ῥάβδων ἃς οἱ θέλοντες εὐθῦναι πρὸς τὸ ἐναντίον περιλυγίζουσιν , 53, 13 Olymp. δρῶ / οὐδὲν δρῶ Plat. Tht. 151d2. 14 Olymp. θεμιτόν / θέμις Plat. Tht. 151d3. 16 15 - 16: cf. 10 - 13. 15 20 54 5 10 15 20 214 C. Text und Übersetzung <?page no="215"?> d e r n m i r i s t e s a u f k e i n e n F a l l r e c h t , b e i d e r L ü g e m i t z u w i r k e n u n d d i e W a h r h e i t z u v e r d u n k e l n . “ 511 Siehe, dass er sich hier auf die gleiche Ebene mit Gott stellt, indem er sagt: „ D e n n k e i n G o t t i s t d e n M e n s c h e n j e s c h l e c h t g e s i n n t u n d i c h t u e d a s a u c h m i t k e i n e m s c h l e c h t e n W i l l e n “ 512 . Und wieder in der Apologie prahlt er, indem er sagt: „ E s i s t n i c h t g e r e c h t , d a s s e i n b e s s e r e r M e n s c h v o n e i n e m S c h l e c h t e r e n b e h e r r s c h t w i r d “ 513 . Erneut [sagt er] dort: „ A n y t o s u n d M e l i t o s k ö n n e n m i c h z w a r t ö t e n , s c h a d e n j e d o c h [ k ö n n e n s i e m i r ] k e i n e s f a l l s “ 514 , und er benutzt im ersten [Teil des Satzes das Wort] „ m i c h “ in einem allgemeineren Sinne über die Kombination von beidem [Körper und Seele]; dagegen im zweiten [Teil] im strikten Sinne nur über die Seele. 515 Das ist aber eine Lösung, dass er wusste, zum richtigen Zeitpunkt zu prahlen. Eine zweite [Lösung] ist, dass er nicht [wirklich] prahlt, wenn er sich den Vorzug gegenüber gemeinen Herdenmenschen gibt. Denn es ist nichts Großes, wenn der Philosoph das in die Tat umsetzt, wozu die einfachen Menschen nicht in der Lage sind. Eine dritte [Lösung ist], dass Sokrates nicht zu prahlen scheint, wenn jemand sorgfältig über die Wortwahl [hier] nachdenken würde. Denn er sagt: „ m i t G o t t e s H i l f e n a t ü r l i c h “ 516 und: „ O h n e m i c h i s t e s [ f ü r d i c h ] u n m ö g l i c h , d i e s e A b s i c h t e n z u v e r w i r k l i c h e n “ 517 . Das „ o h n e “ ist eine materielle Präposition 518 und geeignet zu der Materie, da ohne Materie nichts von diesseits Seienden mit der Vernunft begriffen werden kann. 519 Zweitens rätseln wir, 520 warum Sokrates mit solchen Hoffnungen den Jüngling dazu bringt, danach zu fiebern, indem er ankündigt, ihm eine Macht zu verleihen. 521 Wir sagen wohl, dass, genau wie die Ärzte nichts gegen die hervorbringenden Ursachen der Krankheiten anwenden, bevor sie diese [Krankheiten] unter Kontrolle bekommen (daher wurde zurecht bei Hippokrates gesagt: „ E i n e a u s g e r e i f t e [ K r a n k h e i t ] s o l l m a n m i t A r z n e i m i t t e l b e h a n d e l n u n d b e k ä m p f e n , n i c h t w e n n s i e u n r e i f o d e r a m A n f a n g i s t . “ 522 ), so nimmt auch Sokrates erst die Affekte unter Kontrolle und entfernt sie nicht auf diese Weise d u r c h d a s F e u e r u n d d e n S c h n i t t 523 , wie der Spruch lautet. Denn man muss wissen, dass es - wie auch am Anfang gesagt wurde 524 - drei Arten der Katharsis gibt: Die pythagoreische, die sokratische und die peripatetische oder stoische. 525 Die stoische [Art der Katharsis] heilt die Gegensätze durch Gegensätze 526 , indem sie einerseits der Willenskraft die Begierde 527 entgegensetzt und sie so abschwächt; andererseits der Begierde die Willenskraft [entgegensetzt] und sie so verstärkt und zu einem mutigeren Verhalten lenkt, 528 nach dem Beispiel der gebogenen Stäbe 529 : wer sie geradebiegen möchte, biegt sie in die entgegengesetzte Richtung, damit durch die Bewegung in die gegensätzliche Richtung 15 20 54 5 10 15 20 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 215 <?page no="216"?> ἵνα ἐκ τῆς εἰς τὸ ἐναντίον περιφορᾶς τὸ σύμμετρον ἀναφανῇ · οὕτως καὶ ἐπὶ ψυχῆς ἐκ τοῦ τοιούτου | τρόπου ἁρμονίαν ἐμποιεῖν ἐπετήδευον . ὁ δὲ Πυθαγορικός ἐστιν ὁ μικρὸν κελεύων ἐνδιδόναι τοῖς πάθεσι καὶ ὥσπερ ἄ κ ρ ῳ δ α κ τ ύ λ ῳ αὐτῶν ἀπογεύεσθαι · ὅ φασιν οἱ ἰατροὶ ‘ σ μ ι κ ρ ῷ ἔ λ α τ τ ο ν ’ . ἔλεγον γὰρ ὅτι οἱ φλεγμαίνοντες πάθει τινί , εἰ μὴ κατ’ αὐτὸ ἐνεργήσωσιν , οὐ πρότερον αὐτοῦ ἀφίστανται . οὕτω γὰρ καὶ ἐπὶ τοῦ Πανδάρου πεποίηκεν ἡ Ἀθηνᾶ · θέλοντος ἐπιορκῆ σαι ἐνδέδωκεν αὐτῷ · διὸ καὶ τελευταῖον τῇ γλώσσῃ πεποίηται κολαζόμενος , εἰς τὴν γενομένην ὄργανον αὐτῷ τῆς ἐπιορκίας . ὁ δὲ Σωκρατικὸς τρόπος τῆς καθάρσεως ἀπὸ τῶν ὁμοίων ἐπὶ τὰ ὅμοια μετάγει · εἰ μέν τίς ἐστι φιλοχρήματος , λέγων ‘μάθε τίς ἡ ὄντως αὐτάρκεια’ · εἰ δὲ φιλή δονος , ‘τίς ἡ θεία ῥᾳστώνη’ , καὶ ἁπλῶς ὅσα προείρηται . κρείττων δὲ ὁ τοιοῦτος τρόπος τῶν ἄλλων · ὁ μὲν γὰρ κακῷ τὸ κακὸν ἰᾶται , εἴγε πάθος πάθει , ὁ δὲ οὐκ ἐᾷ τὴν ψυχὴν ἀκηλίδωτον διὰ τῆς ἐπαφῆς τῶν παθῶν . Τρίτον ἀποροῦμεν , πῶς φησὶν ὁ Σωκράτης δύνασθαι περιποιεῖν δύναμιν τῷ Ἀλκιβιάδῃ . πρὸς οὖν τ οῦτο ῥητέον ὅτι τὴν ἐπιστήμην αὐτῷ περιποιήσειν φησίν · δύναμις δέ τις ἡ ἐπιστήμη , εἴγε ἀλλαχοῦ λέγει ‘ ἀ π ο δ ε ί ξ ε ω ς δ ’ ο ὔ σ η ς ἐ ν ψ υ χ ῇ δ υ ν α τ ώ τ ε ρ ο ν ο ὐ δ έ ν ’ ( ἐπιστήμης δὲ ἡ ἀπόδειξις ) καὶ ὅτι ἀνάλωτός ἐστι τυράννῳ ἡ ἐπιστήμη . ἢ ὅτι σπουδαῖος ὢν ὁ Σωκράτης αὐτάρκης ἐστὶν καὶ τῇ τοῦ θεοῦ αὐταρκείᾳ συγγενής · ἐντεῦθεν ὡς ἐρωτικὸς οὖν σπουδάζει τῆς τοιαύτης αὐταρκείας μεταδοῦναι τοῖς παιδικοῖς καὶ πρὸς τὴν τοῦ θεοῦ αὐτάρ κειαν τελειώσας ἀναγαγεῖν . τρίτον ὅτι κατὰ τὴν τῶν Στωϊκῶν μεγα λορρημοσύνην ὁ ἀρχικός , τουτέστιν ὁ εἰδὼς ἄρχειν , μόνος ἄρχων ἐστίν , εἰ καὶ μὴ ἔχῃ τὰ ὄργανα | τῆς ἀρχικῆς ἐπιστήμης · καὶ ὅτι μόνος ὁ σοφὸς πλούσιος , τουτέστιν ὁ εἰδὼς χρήσασθαι παρόντι τῷ πλούτῳ , εἰ καὶ μὴ πάρεστιν . τὴν τοιαύτην οὖν δύναμιν ὁ Σωκράτης ἐπαγγέλλεται τῷ νέῳ πρὸς τὸ πολιτικὸν αὐτὸν εἶναι · μόνος γὰρ ἀληθῶς ταύτην παρέχειν ἠδύνατο καὶ οὐδεὶς τῶν ἄλλων . Πρὸς δὲ τῷ τέλει τοῦ προοιμίου τὸ ἕτερον ὧν προειρήκαμεν αἰτεῖ αὐτόν , λέγω δὲ τὸ ἀποκρίνασθαι πρὸς τὰ ἐρωτώμενα . καὶ ζητοῦμεν 55 5 10 15 20 56 5 216 C. Text und Übersetzung <?page no="217"?> eine Symmetrie entsteht. So machten sie es sich zur Gewohnheit, auch im Fall der Seelen, auf diese Art und Weise eine Harmonie zu erreichen. Andererseits empfiehlt die pythagoreische [Katharsis], den Affekten etwas Kleines zu zugestehen und sie wie m i t d e r F i n g e r s p i t z e 530 zu kosten: Das nennen die Ärzte „ d a s k l e i n e r e Ü b e l “ 531 . Denn sie sagten, dass Menschen, die durch irgendeinen Affekt entflammt sind, sich nicht davon fernhalten werden, ohne dass sie [sc. die Ärzte] dagegen etwas unternehmen. Auf diese Weise nämlich handelte Athene im Fall von Pandaros 532 : Als er den Eid brechen wollte, hat sie es ihm erlaubt: Aus diesem Grund wurde er am Ende durch seine Zunge bestraft, die ihm als Mittel für den Meineid diente. Die sokratische Art der Katharsis dagegen überträgt Gleiches zu Gleichem. 533 Wenn jemand Geld liebt, sagt er, „ Lerne, was die wahre Selbstgenügsamkeit ist. “ 534 Wenn er aber Vergnügung liebt [sagt er] „ [lerne,] was die göttliche Unbeschwertheit ist “ , und das alles, was bereits erwähnt wurde. 535 Daher ist diese Methode wirksamer als die anderen: Denn die eine [sc. die stoische] heilt ein Übel mit einem anderen Übel, da ein Affekt mit [einem anderen] Affekt [geheilt wird]; wobei die andere [sc. die pythagoreische] der Seele nicht erlaubt, makellos zu bleiben, da sie mit den Affekten in Berührung kommt. Drittens rätseln wir, 536 warum Sokrates sagt, dass er Alkibiades eine Macht verleihen könne? Zu dieser [Frage] nun muss man erwähnen, dass er sagt, er werde ihm das Wissen verleihen: Denn das Wissen ist eine Art Macht, da er woanders sagt: „ N i c h t s i s t m ä c h t i g e r a l s d i e B e w e i s f ü h r u n g , d i e s i c h i n d e r S e e l e b e f i n d e t “ 537 (zum Wissen gehört ja die Beweisführung) und [er sagt], dass das Wissen gegen einen Tyrannen unbesiegbar ist. 538 Oder [wir sagen], dass Sokrates, als ein tugendhafter Mensch 539 , selbstgenügsam ist und eine ähnliche Beschaffenheit wie die Selbstgenügsamkeit des Gottes 540 besitzt: Also von hier an bemüht er sich, wie ein Liebhaber, seinem Liebling einen Teil von einer solchen Selbstgenügsamkeit zu geben und ihn zur Selbstgenügsamkeit des Gottes zu vervollständigen und hinaufzuführen. Die dritte [Antwort ist,] dass nach der Großsprecherei 541 der Stoiker, nur der zum Herrschen Geeignete (archikos) - das heißt derjenige, der zu herrschen weiß - der Herrscher (arch ō n) ist, auch wenn er die Mittel des Wissens über das Herrschen (episteme archike) nicht besitzt. 542 Dementsprechend ist nur der Weise reich, das heißt derjenige, der weiß, wie man den verfügbaren Reichtum nutzen kann, auch wenn es ihn nicht gibt. Das ist dann eine solche Macht, die Sokrates dem Jüngling verspricht, damit er ein Politiker wird. Denn nur er könnte wahrlich diese [Macht] bieten und keiner von den anderen [Liebhabern]. Gegen Ende der Einleitung 543 verlangt er von ihm [sc. Alkibiades] die andere der vorher genannten [Bedingungen] 544 , ich meine, dass er seine Fragen 55 5 10 15 20 56 5 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 217 <?page no="218"?> ἐνταῦθα πάλιν , τί δή ποτε ὁ φιλόσοφος τοῦτο τὸν Ἀλκιβιάδην αἰτεῖ . πρὸς ὅ φαμεν ὅτι ὁ Σωκράτης οὐ νεκροὺς καὶ ἀπεψυγμένους ἐβούλετο προάγειν τοὺς λόγους αὐτοῦ , ἀλλ’ ἐνεργοὺς καὶ ζῶας , ὡς εἰπεῖν , καὶ πρέποντας τοῖς προσδιαλεγομένοις · τοῦτο δὲ θηρᾶται ἐκ τῶν ἀποκρί σεων . ἢ ὅτι ἐρωτικὸς ὢν ὁ Σωκράτης βούλεται περιπλακῆναι τοῖς παιδικοῖς · ἔοικε δὲ περιπλοκῇ τὸ διαλογικὸν σχῆμα καὶ ἡ κατὰ βραχὺ τῶν λόγων διαπλοκὴ κατὰ πεῦσιν γινομένη καὶ ἀπόκρισιν . ἤ , ὥς φησιν ἐν τῷ Φαίδρῳ , ‘ δ ε ῖ τ ὸ ν λ ό γ ο ν ἐ ο ι κ έ ν α ι ζ ῴ ῳ ’ · καὶ τὸν οὖν ἄριστα κατεσκευασμένον λόγον δεῖ τῷ ἀρίστῳ τῶν ζῴων ἐοικέναι . ἄριστον δὲ ζῷον ὁ κόσμος · ὥσπερ οὖν οὗτος λειμών ἐστι ποικίλων ζῴων , οὕτω δεῖ καὶ τὸν λόγον εἶναι πλήρη παντοδαπῶν προσώπων . καὶ ἄλλως ὅτι , καθάπερ ἐν τούτῳ πάντα φθέγγεται καὶ ἐνεργεῖ ( αἱ γὰρ τῶν πραγμάτων ἐνέργειαι οἱονεὶ φωναὶ αὐτῶν εἰσίν ), οὕτω δὲ κἀν τῷ λόγῳ προσήκει πάντα λαλεῖν τὰ ἐν αὐτῷ πρόσωπα καὶ ὥσπερ πάντας ἐνεργεῖν . τέταρτον , ὅτι τὸ κατ’ ἐρώτησιν καὶ ἀπόκρισιν σχῆμα διεγερτι κόν ἐστιν καὶ ἐπιστρεπτικόν . τοιγαροῦν καὶ οἱ ῥήτορες , ὅτε βούλονται διεγεῖραι τὸν ἀκροατὴν ἢ ἐπιστρέψαι < πρὸς > τὸν λόγον , αὐτῷ κέχρηνται , οἶον ‘ ἀ λ λ ά μ ο ι ἀ π ό κ ρ ι ν α ι , π ρ ὸ ς θ ε ῶ ν ’ . ὁ δὲ κατὰ ἀποτάδην λόγος καθεύδειν ποιεῖ τοὺς | ἀκροατάς · ὡς γάρ φησιν ὁ Αἰσχίνης , ‘ ὄ ν α ρ δ ’ ἑ ώ ρ ω ν τ ῆ ς δ ί κ η ς λ ε γ ο μ έ ν η ς ’ . βουλό μενος οὖν ἐπιστρέψαι τὸν Ἀλκιβιάδην αἰτεῖ αὐτὸν ἀποκρίνεσθαι πρὸς τὰ ἐρωτώμενα . ἐν οἷς ἡ θεωρία καὶ τὸ προοίμιον τοῦ διαλόγου · ἄρχεται γὰρ ἐντεῦθεν λοιπὸν τὸ πρῶτον μέρος , τουτέστιν τὸ ἐλεγκτικόν . 105C Τί δὴ οὖν , ὦ Σώκρατες , τοῦτό ἐστίν σοι πρὸς λόγον ὃν ἔφησθα ἐρεῖν , διὸ ἐμοῦ οὐκ ἀπαλλάττῃ ; ἰδοὺ καὶ ὁ Ἀλκιβιάδης αὐτὸς αἰτίαν ἀπαιτεῖ τὸν Σωκράτην τοῦ τρίτου λεχθέντος ἐν τῷ προοιμίῳ , τουτέστιν διότι τ ῶ ν ἄ λ λ ω ν π ε π α υ μ έ ν ω ν μ ό ν ο ς ο ὐ κ ἀ π α λ λ ά τ τ ε τ α ι . ἣν μικρὸν ὕστερον καὶ ὁ Σωκράτης ἀποδώσει . 105D Ἐγὼ δὴ σοί γε ἐρῶ , ὦ φίλε παῖ Κλεινίου καὶ Δεινομάχης : οὐκ ἄκαιρος οὐδὲ περιττή , ὡς ἄν τις οἰηθείη , κεῖται νῦν ἡ πρὸς πατρὸς καὶ μητρὸς κλῆσις · ἀλλ’ ἐπειδὴ εὐγενὴς ὁ νέος ἐξ ἀμφοτέρων ἐστίν , ἔοικεν ἐν τούτοις λέγειν ὅτι ‘οὔτε οἱ πρὸς μητρὸς συγγενεῖς οὔτε οἱ πρὸς πατρὸς δύνανται περιποιῆσαί σοι δύναμιν ἥνπερ ἐγὼ δύναμαι’ . 10 15 20 25 57 5 10 15 218 C. Text und Übersetzung <?page no="219"?> beantwortet. Auch hier untersuchen wir nochmal, warum denn der Philosoph das von Alkibiades verlangt. Dazu sagen wir, dass Sokrates seine Dialoge 545 nicht wie tote und entseelte, sondern wie aktive, lebendige - wie man sagt - und für seine Gesprächspartner geeignete [Gespräche] führen wollte. 546 Und dieses [Ziel] verfolgt er ausgehend von den Antworten [seines Gesprächspartners]. Oder [wir sagen], dass Sokrates, als ein Liebhaber, seinen Liebling umkreisen will. Denn die Dialogform gleicht einer [argumentativen] Umkreisung und kurzzeitige Aufeinanderfolge der Argumente geschieht in Form von Frage und Antwort. Oder, wie er im Phaidros sagt: „ E i n D i a l o g s o l l e i n e m L e b e w e s e n g l e i c h e n “ 547 . Dementsprechend muss der bestmöglich konstruierte Dialog dem besten Lebewesen gleichen. Und das beste Lebewesen ist der Kosmos. 548 Wie dieser [Kosmos] eine Weide für viele verschiedene Lebewesen ist, so müssen auch in einem Dialog viele verschiedene Personen vorhanden sein. 549 Auch in anderen Fällen [ist es so], dass, genau wie in diesem [sc. Kosmos] alle sprechen und wirken (denn die Wirksamkeiten der Dinge sind wie ihre Stimmen) 550 , so ist es dann in einem Dialog angebracht, dass alle Personen darin etwas sagen, wie auch alle wirken sollen. Viertens, [wir sagen], dass, die Form von Frage und Antwort belebend und zurückwendend ist. 551 Schließlich machen auch die Redner, wenn sie die Zuhörer anregen und sie auf ihre Rede lenken wollen, von dieser [Struktur der Frage und Antwort] Gebrauch, wie zum Beispiel: „ a n t w o r t e m i r , b e i d e n G ö t t e r n ! “ . Dagegen bringt eine langatmige Rede die Zuhörer zum Einschlafen. Wie etwa Aischines sagt: „ s i e w a r e n i n T r ä u m e n b e i d e r A n k ü n d i g u n g d e s U r t e i l s “ 552 . Da er nun Alkibiades [auf sich selbst] zurückwenden möchte, verlangt er von ihm, seine Fragen zu beantworten. Damit sind die theoretische Untersuchung und die Einleitung des Dialogs abgeschlossen. Denn ab hier fängt nachfolgend der erste Teil an, das heißt, die Widerlegung. 553 105C Was hat dies, Sokrates, mit deinem Argument zu tun, das du darüber äußern wolltest, warum du von mir nicht ablässt? Siehe, dass Alkibiades selbst von Sokrates den Grund dessen fordert, was als Drittes in der Einleitung genannt wurde, nämlich warum e r [ v o n i h m ] n i c h t a b l ä s s t , n a c h d e m d i e a n d e r e n [ L i e b h a b e r ] b e r e i t s a u f g e h ö r t h a b e n . 554 Und Sokrates erklärt das kurz darauf. 105D Dann werde ich es dir sagen, mein lieber Sohn des Kleinias und der Deinomache: Es ist weder zu einem ungünstigen Zeitpunkt noch übertrieben, wie jemand behaupten könnte, dass sich hier die Anrede mit [den Namen] seines Vaters und seiner Mutter befindet. 555 Sondern, da der Jüngling aus beiden Seiten eine adlige Abstammung hat, ist es angebracht, mit diesen [Worten] zu sagen: „ Deine Verwandten weder mütterlicherseits noch väterlicherseits können dir die Macht verleihen, zu der ich fähig bin. “ 10 15 20 25 57 5 10 15 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 219 <?page no="220"?> Τούτων γάρ σοι ἁπάντων τῶν διανοημάτων τέλος ἐπιτεθῆναι ἄνευ ἐμοῦ ἀδύνατόν ἐστιν : ‘αὕτη’ , φησίν , ‘αἰτία τοῦ μὴ ἀπαλλάττεσθαί με , ὅτι ὧν ἐλπίζεις χωρὶς ἐμοῦ οὐ δύνασαι τυχεῖν’ . ‘ δ ι α ν ο η μ ά τ ω ν ’ δὲ λέγει ὧν ἀνωτέρω ἀπηριθμήσατο , λέγων ὅτι ‘ἡγῇ θᾶττον παρελθεῖν εἰς τοὺς Ἀθηναίους καὶ δεῖξαι ὅτι ἄξιος εἶ τιμῆς καὶ Περικλέους πλέον καὶ ἔνδοξος φανῆναι ἐν Ἕλλησι καὶ βαρβάροις’ , καὶ ἁπλῶς ὅσα ἐκεῖ εἰρήκαμεν . τὸ δὲ ‘ ἄ ν ε υ ἐ μ ο ῦ ’ , ὕλης ὂν πρόσρημα , δείκνυσιν ὅτι οὐ μεγαλορρημονεῖ ὁ φιλόσοφος , ὡς ἐν τῇ θεωρίᾳ προείρηται . Εἰς τὰ σὰ πράγματα καὶ εἰς σέ : ‘ ε ἰ ς τ ὰ σ ὰ π ρ ά γ μ α τ α ’ φησὶν ἀντὶ τοῦ ‘εἰς τὰς σὰς ἐνεργείας’ ‘ ε ἰ ς σ ὲ ’ δὲ ‘αὐτόν’ , ἀντὶ τοῦ ‘εἰς τὴν σὴν ψυχήν’ · ὥσπερ καὶ τὸ ‘ ἐ μ ὲ ’ ἐπὶ τῆς ψυχῆς κυρίως εἶπεν ἐν τῇ Ἀπολογίᾳ λέγων · ‘ β λ ά ψ α ι δ έ μ ε ο ὐ δ ύ ν α ν τ α ι ’ . Διὸ δὴ καὶ πάλαι οἶ | μαί με τὸν θεὸν οὐκ ἐᾶν διαλέγεσθαί σοι : ἀντὶ τοῦ ‘εἰ πρότερον ὁ θεὸς διὰ τοῦτο ἀπέτρεπεν , ἵνα μὴ εἰς μάτην οἱ λόγοι γένοιντο , νῦν ἐπειδὴ οὐκ ἀποτρέπει , πάντως περιποιήσω σοι τὴν δύναμιν ἧς ἐπιθυμεῖς’ . οὐ γὰρ μάτην ὁ θεὸς νῦν οὐκ ἀποτρέπει , εἴγε τότε , ὅτε προσῆκεν , ἀπέτρεπεν . εἰ γὰρ ὁ σπουδαῖος οὐδὲν μάτην ποιεῖ οὐδὲ ἡ φύσις , πολλῷ μᾶλλον ὁ θεός . Ὥσπερ γὰρ σὺ ἐλπίδα ἔχεις ἐν τῇ πόλει : ἀναλογίαν τινά φησιν ἐν ταῦθα ὁ Σωκράτης · ‘ἣν γὰρ τάξιν ἔχεις σύ , ὦ Ἀλκιβιάδη , πρὸς τοὺς πολίτας , κρείττων ὢν αὐτῶν ὡς σύμβουλος συμβουλευομένων ( δεῖ γὰρ τοιοῦτον εἶναι τὸν σύμβουλον ), ταύτην καὶ ἐγὼ πρὸς σὲ καὶ ὁ θεὸς πρὸς ἐμέ’ . 105E Ἐνδειξάμενος ὅτι παντὸς ἄξιός εἰμι : ἰστέον ὅτι τὸ ‘ ἐ ν δ ε ι ξ ά μ ε ν ο ς ’ ὁ φιλόσοφος ἐπὶ τοῦ διαλογικοῦ σχήματος ἀεὶ τάττει , τὸ δὲ ‘ἐπιδειξάμενος’ ἐπὶ τοῦ ἀποτάδην · διὸ καὶ ἀντιδιαιρεῖ αὐτὰ ἀλλήλοις πανταχοῦ . οὕτως οὖν καὶ ἐνταῦθα τούτῳ κέχρηται , ὅτι ‘ἐρωτῶν κ αὶ ἀποκρινόμενος δείξω πόση δύναμις ἔσται σοι δι’ ἐμοῦ’ . Μετὰ τοῦ θεοῦ μέντοι : ἰδοὺ πάλιν σημεῖον τοῦ μὴ τὸν Σωκράτην μεγαλορρημονεῖν · οὐ γὰρ ἁπλῶς ἑαυτὸν ἔφη δύνασθαι , ἀλλὰ ‘ μ ε τ ὰ τ ο ῦ θ ε ο ῦ ’ . Νεωτέρῳ μὲ ν οὖν ὄντι σοι : τὰ αὐτὰ τοῖς ἀνωτέρω καὶ ἐνταῦθά φησιν . ἔλεγεν γάρ , ‘ δ ι ὸ δ ὴ κ α ὶ | π ά λ α ι ο ἶ μ α ί μ ε τ ὸ ν θ ε ὸ ν 20 25 58 5 10 15 20 59 220 C. Text und Übersetzung <?page no="221"?> Denn alle diese Absichten von dir zu verwirklichen ist ohne mich unmöglich: „ Das ist “ , sagt er, “ der Grund, warum ich [von dir] nicht ablasse, weil du deine Hoffnungen ohne mich nicht erreichen kannst “ . 556 „ A b s i c h t e n “ sagt er über die [Ziele], die er oben aufgezählt hat, wo er sagte: „ Du hast vor, sehr bald vor die Athener zu treten und zu zeigen, dass du sowohl einen größeren Ruhm als Perikles verdienst als auch als ein bemerkenswerter Mann unter Griechen und Barbaren erscheinen wirst “ 557 und einfach alles, was wir dort gesagt haben. 558 Der [Ausdruck] „ o h n e m i c h “ zeigt, als eine materielle Präposition, dass der Philosoph nicht prahlt, wie in der theoretischen Untersuchung bereits erwähnt wurde. 559 Über deine Angelegenheiten und über dich: Er sagt „ ü b e r d e i n e A n g e l e g e n h e i t e n “ statt „ über deine Tätigkeiten “ und „ ü b e r d i c h selbst “ statt „ über deine Seele “ 560 : Genauso wie er auch „ m i r “ in der Apologie im strikten Sinne 561 für die Seele gesagt hat, indem er sagt: „ S c h a d e n j e d o c h k ö n n e n s i e m i r n i c h t “ . 562 Aus diesem Grund gestattete mir der Gott, glaube ich, nicht früher, Gespräche mit dir zu führen: Steht für: „ Wenn der Gott mich deswegen früher [von dir] abhielt, damit meine Worte nicht vergeblich werden; jetzt wo er mich nicht mehr abhält, werde ich dir ganz und gar die Macht verleihen, die du verlangst. “ 563 Denn nicht vergeblich hält ihn der Gott jetzt nicht ab, auch wenn [er] damals, als es nötig war, [ihn] abgehalten hat. Wenn natürlich weder der Tugendhafte etwas vergeblich macht, noch die Natur, dann ist es umso mehr [gültig für] den Gott. 564 Denn wie du Hoffnungen hast, in unserer Polis: Sokrates zieht hier eine Analogie: „ Welchen Rang du etwa in Bezug auf die Bürger besitzt, Alkibiades, indem du denen überlegener bist, wie ein Ratgeber zu den Ratnehmenden (so einer muss nämlich der Ratgeber sein); diesen [Rang] habe ich in Bezug auf dich und [hat] der Gott in Bezug auf mich “ . 565 105E Nachdem ich [dich darauf] hingewiesen habe, dass ich alles wert bin: Man muss wissen, dass der Philosoph „ h i n g e w i e s e n z u h a b e n “ immer für die Dialogform benutzt, dagegen „ vorgezeigt zu haben “ für eine langatmige [Rede]. 566 Deswegen auch unterscheidet er diese beiden überall voneinander. Genauso auch hier benutzt er diesen [Unterschied], [indem er sagt]: „ Ich werde dir zeigen, durch Fragen und Antworten, was für eine Macht dir durch mich zuteil wird “ . 567 mit Gottes Hilfe allerdings: Siehe wiederum das Zeichen dafür, dass Sokrates nicht prahlt. Denn er sagt nicht, dass er das einfach alleine kann, sondern „ m i t G o t t e s H i l f e “ . Als du noch jünger warst: Das Gleiche wie im vorherigen [Abschnitt] sagt er auch hier. Er sagte nämlich [dort]: „ A u s d i e s e m G r u n d g e s t a t t e t e 20 25 58 5 10 15 20 59 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 221 <?page no="222"?> ο ὐ κ ἐ ᾶ ν δ ι α λ έ γ ε σ θ α ί σ ο ι ’ · τοῦτο οὖν καὶ νῦν λέγει . εἰς τοῦτο δὲ ᾐνίττετο τὸ ῥητὸν ἐν ἀρχῇ , ὡς ἐπεσημηνάμεθα , ἡνίκα ἔλεγεν , ‘ ο ὗ σ ὺ τ ὴ ν δ ύ ν α μ ι ν κ α ὶ ὕ σ τ ε ρ ο ν π ε ύ σ ῃ ’ · ὧδε οὖν ἡ ἐκείνου ἀπόδοσις , ὅτι ‘διὰ τὸ μὴ μάτην διαλέγεσθαί σοι ἐκώλυεν’ . διὸ ἐπήγαγεν ‘ ν ῦ ν δ ὲ ἐ φ ῆ κ ε , ν ῦ ν γ ὰ ρ ἄ ν μ ο υ ἀ κ ο ύ σ α ι ς ’ , ἔτι πλέον προτρέπων αὐτὸν διὰ τούτων πείθεσθαι αὐτῷ , εἴγε καὶ ὁ θεὸς ὡς πεισομένῳ αὐτῷ ἐφῆκε διαλέγεσθαι διὰ τοῦ μὴ ἀποτρέψαι . 106A Νῦν ἀτοπώτερος αὖ φαίνῃ : παραδοξότερος καὶ θαυμασιώτερος . εἰκότως δὲ νῦν ἐπειδὴ διηλέχθη ὁ Σωκράτης θαυμασιώτερος τῷ Ἀλκι βιάδῃ δοκεῖ ἤπερ σιωπῶν . καὶ γὰρ καὶ ἡμεῖς τὸ θεῖον τότε μᾶλλον τεθήπαμεν ὅτε αἰσθητῶς ἐλλαμπόμεθα καὶ ἐνθουσιῶμεν ἤπερ ὅτε μή . Εἰ μὲ ν οὖν ἐγὼ ταῦτα διανοοῦμαι ἢ μή , ὡς ἔοικε , διέγνωκας : ὡς εὐφυὴς ὢν ὁ Ἀλκιβιάδης οὔτε παντελῶς ἀρνεῖται ὅτι οὐ ταῦτα φρονεῖ ἅπερ εἶπεν ὁ Σωκράτης οὔτε συντίθεται , ἀλλὰ τὴν μέσην χωρεῖ διὰ τοῦ ὑποθετικοῦ σχήματος . καὶ οὐ συντίθεται μέν , ἐπειδὴ νόμος ἦν ὁ κελεύων μὴ εἶναι σπουδαρχίδην ἐν δημοκρατίᾳ καὶ ἐντεῦθεν ἐδεδοίκει · οὐκ ἀρνεῖται δέ , ἐπειδὴ ἠβούλετο , πολιτικὸς ἐπιθυμῶν γίνεσθαι , ἀκοῦσαι παρὰ τοῦ Σωκράτους κατὰ ποίους λόγους τοιοῦτος γενήσεται καὶ τοῦ δήμου προστήσεται . φησὶν οὖν ὅτι ‘εἰ καὶ ὥσπερ λέγεις ταῦτα φρονῶ , πῶς ταῦτά μοι περιποιήσεις ; ’ Πῶς διὰ σοῦ μοι ἔσται ; ἐνταῦθα γενόμενος ὁ φιλόσοφος Ἰάμβλιχος ἠπόρησεν ὅτι φαίνεται ὁ Ἀλκιβιάδης τελειότερος ὢν τοῦ Σωκράτους . οὗτος μὲν γὰρ εἶπεν ὅτι ‘ δ ι ὰ σ ο ῦ ’ , | πρόσρημα ὀργανικῆ ς αἰτίας , ἐκεῖνος δὲ ὅτι ‘ μ ε τ ὰ τ ο ῦ θ ε ο ῦ ’ , πρόσρημα ποιητικῆς αἰτίας , καὶ συνέταξεν ἑαυτὸν τῷ θεῷ , οὗτος δὲ ὡς ὀργάνου ὄντος τῷ θεῷ τοῦ Σωκράτους εἶπεν ‘ δ ι ὰ σ ο ῦ ’ . ἔλυσε δὲ αὐτὸς παγκάλως λέγων ὅτι ἐν ἑτέροις φησὶν ὁ Πλάτων ὅτι αἱ μὲν τελειότεραι ψυχαὶ συνεπιτροπεύ ουσι τὰ τῇδε τῷ θεῷ καὶ συνδιοικοῦσιν , αἱ δὲ ἀτελέστεραι ὡς ὄργανόν εἰσι καὶ οὕτως χρῆται αὐταῖς ὁ θεὸς πρὸς τὰ ἐνταῦθα · οὐ μόνον δὲ ταῖς ἀτελεστέραις , ἀλλ’ ἔστιν ὅτε καὶ ταῖς κακαῖς , οἷον φονεῦσιν πρὸς τὸ 5 10 15 20 60 5 222 C. Text und Übersetzung <?page no="223"?> m i r d e r G o t t , g l a u b e i c h , n i c h t f r ü h e r , G e s p r ä c h e m i t d i r z u f ü h r e n . “ 568 Das ist auch was er jetzt sagt. Denn die Aussage am Anfang wies daraufhin, wie wir angemerkt haben, als er sagte: „ d e s s e n M a c h t d u s p ä t e r e r f a h r e n w i r s t . “ 569 Demnach [kommt] nun die Folge dessen, nämlich: „ [der Gott] hinderte [mich], damit ich nicht umsonst mit dir spreche. “ 570 Deswegen fügte er hinzu: „ J e t z t a b e r h a t e r e s e r l a u b t , d e n n j e t z t w i r s t d u m i r w o h l z u h ö r e n . “ 571 , damit er ihn durch diese [Worte] noch mehr dazu ermutigt, von ihm überzeugt zu werden, zumal wenn auch der Gott das Gespräch erlaubt hat, indem er ihn [sc. Sokrates] nicht [davon] abhielt, da er [sc. Alkibiades] sich umstimmen lassen wird. 572 106A Jetzt erscheinst du mir noch außergewöhnlicher 573 : [Das bedeutet,] paradoxer und bewundernswerter. 574 Selbstverständlich jetzt, nachdem Sokrates mit ihm gesprochen hat, scheint er für Alkibiades bewundernswerter zu sein, als wenn er schwieg. In der Tat sind wir auch eher dann über das Göttliche erstaunt, wenn wir durch die Sinneswahrnehmung erleuchtet 575 und inspiriert sind, als wenn es nicht [geschieht]. Ob ich nun diese Dinge tatsächlich vorhabe oder nicht, das hast du, wie es scheint, schon beschlossen: Da Alkibiades von Natur aus begabt ist, bestreitet er weder gänzlich, dass er diese Dinge vorhat, die Sokrates erwähnt; noch bestätigt er [das], sondern nimmt er den mittleren Weg durch eine hypothetische Sprache. 576 Nun bestätigt er das nicht, denn es war ein Gesetz, dass ein Befehlshaber in der Demokratie nicht eifrig auf die Macht sein soll 577 und deswegen zögerte er. Er leugnet das auch nicht, denn er wollte - da er sich wünschte, ein Politiker zu werden - von Sokrates hören, durch welche Methoden er ein solcher wird und über das Volk gesetzt wird. Daher sagt er: „ Auch wenn ich diese Dinge, wie du meinst, vorhaben sollte, wie wirst du mir diese verleihen? “ 578 . Wie werden sie mir durch dich gelingen? Als er zu dieser Stelle kam, stellte der Philosoph Jamblich den Widerspruch vor, dass Alkibiades vollkommener 579 zu sein scheint als Sokrates. Er sagt nämlich: „ d u r c h d i c h “- [mit einer] Präposition der instrumentalen Ursache 580 - , er [sc. Sokrates] dagegen: „ m i t G o t t e s H i l f e “ - [mit einer] Präposition der Wirkursache 581 - und [damit] stellte er sich auf die gleiche Ebene mit dem Gott; er [sc. Alkibiades] aber sagte „ d u r c h d i c h “ , als wäre Sokrates ein Werkzeug des Gottes. Er [sc. Jamblich] bietet dazu eine durchaus schöne Lösung, indem er erklärt, dass Platon in anderen [Dialogen] sagt, dass die vollkommeneren Seelen zusammen mit dem Gott über die Dinge im Diesseits wachen und sie zusammen verwalten, 582 die unvollkommenen [Seelen] dagegen wie Werkzeuge sind und Gott sie auf diese Weise für die [Angelegenheiten] hier verwendet. 583 Nicht nur die unvollkommenen [Seelen], sondern es gibt Fälle, wo sogar die schlechten 5 10 15 20 60 5 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 223 <?page no="224"?> δίκην ἀξίαν δοῦναι τοὺς ὀφείλοντας . ὁ μὲν οὖν Σωκράτης πρὸς τὰς τελειοτέρας αὑτοῦ δυνάμεις ἀποβλέψας εἶπεν ‘ μ ε τ ὰ τ ο ῦ θ ε ο ῦ ’ · ὁ δὲ Ἀλκιβιάδης πρὸς τὰς ἀτελεστέρας , διὸ ‘ δ ι ὰ σ ο ῦ ’ εἶπεν καὶ ἐπή γαγεν πάλιν ‘ κ α ὶ ἄ ν ε υ σ ο ῦ ’ , πρόσρημα ὕλης . 106B Ἆρ’ ἐρωτᾷς εἴ τιν’ ἔχω εἰπεῖν λόγον μακρόν , οἵους δὴ ἀκούειν εἴθισαι ; βούλεται διὰ τούτων ὁ Σωκράτης παρασκευάσαι τὸν Ἀλκι βιάδην ὥστε μὴ διακεῖσθαι ὡς ἀποτάδην αὐτοῦ ποιησομένου τοὺς λόγους . ἠπίστατο γὰρ ὅτι ῥητορικὸς ὢν ὁ Ἀλκιβιάδης οὕτως αὐτὸν ἡγήσεται διαλέγεσθαι · διό φησιν , ‘ ο ἵ ο υ ς δ ὴ ε ἴ θ ι σ α ι ἀ κ ο ύ ε ι ν ’ . ἐντίθησι δὲ αὐτῷ ἔννοιαν ὅτι διαλογικῶς αὐτὸς διαλέξεται · ἐπάγει γάρ , ‘ ο ὐ γ ά ρ ἐ σ τ ι τ ο ι ο ῦ τ ο ν τ ὸ ἐ μ ό ν · ἀ λ λ ’ ἐ ν δ ε ί ξ α σ θ α ι μ έ ν σ ο ι ’ , ἀντὶ τοῦ ‘κατὰ πεῦσιν καὶ ἀπόκρισιν προσδιαλεχθῆναι’ . Ἐὰν ἓν μόνον ἐθέλῃς βραχὺ ὑπηρετῆσαι : ἐνταῦθα τὸ ἕτερον αἰτεῖ τὸν Ἀλκιβιάδην ὁ Σωκράτης , τουτέστιν τὸ ἀποκρίνασθαι . ‘ β ρ α χ ὺ ’ δὲ εἶπεν ὡς τὴν ἀνυπόθετον ἀσκῶν φιλοσοφίαν καὶ μὴ δεόμενος πολ | λῶν λόγων . δι’ ἃς δὲ αἰτίας αἰτεῖ αὐτὸν ἀποκρίνασθαι , εἰρήκαμεν καὶ ἐν τῇ θεωρίᾳ · καὶ νῦν δὲ ῥητέον ὅτι διὰ τὸ αὐτοκινήτως ἐνεργεῖν ὑφ’ ἑαυτοῦ ἐλεγχόμενος διὰ τῶν ἀποκρίσεων δόξει διορθοῦσθαι . ἰστέον γὰρ ὅτι πρὸς ἑαυτοὺς ἐπιστρέφοντες αὐτοκινήτως ἐνεργοῦμεν , μὴ δεόμενοί τινος ἔξωθεν πρὸς ἐπιδιόρθωσιν καὶ ἀπαλλαγὴν τῶν ἐν ἡμῖν παθῶν · ὅτε δὲ διὰ τοῦ ἑτέρους ἐλέγχεσθαι καταπαύσωμεν τὰ πάθη , τότε ἑτεροκινήτως . καθάπερ ἐν Γ οργίᾳ · καὶ γὰρ ἐκεῖ διὰ τοῦ Θρασυ μάχου τὸν θυμὸν ἐλέγχοντος τοῦ Σωκράτους ἡμεῖς ἐννοοῦμεν κατα παῦσαι τὸν ἐν ἡμῖν Θρασύμαχον . καὶ πάλιν διὰ μὲν τοῦ Καλλικλέους τὸ φιλήδονον , διὰ δὲ τοῦ Πώλου τὸ φιλότιμον . ὁμοίως δὲ καὶ διὰ τοῦ Πρωταγόρου τὴν φαντασίαν · σοφιστὴς γὰρ ὁ Πρωταγόρας , ἔοικε δὲ καὶ ἡ φαντασία σοφιστῇ , τὰ μὴ ὄντα σοφιζομένη καὶ ἀναπλάττουσα . τὸν οὖν Ἀλκιβιάδην ἐνταῦθα αὐτοκινήτως βουλόμενος ἐνεργεῖν παρασκευά ζει πρὸς αὐτὸν ὁ Σωκράτης ἀποκρίνασθαι · καὶ τοῦτό φησιν ‘ ὑ π η ρ ε τ ῆ σ α ι ’ , ἵνα ὁ πάντων ἄρχειν ἐπιθυμῶν τῷ Σωκράτει φανείη νῦν ὑπηρετῶν . 10 15 20 61 5 10 15 224 C. Text und Übersetzung <?page no="225"?> [Seelen gebraucht werden], zum Beispiel die der Mörder, um den Schuldigen eine geeignete Strafe zu erteilen. 584 Folglich sagte Sokrates im Hinblick auf seine eigenen vollkommeneren Fähigkeiten, „ m i t G o t t e s H i l f e “ . Alkibiades aber [blickte auf seine] unvollkommenen [Fähigkeiten], daher sagte er „ d u r c h d i c h “ und fügte hinzu „ u n d o h n e d i c h “ 585 , [eine] Präposition der Materie. 106B Fragst du etwa, ob ich eine lange Rede halten will wie diejenigen, die du zu hören gewohnt bist? Durch diese [Aussage] beabsichtigt Sokrates, Alkibiades vorzubereiten, damit er sich nicht darauf einstellt, dass er [sc. Sokrates] eine langatmige Rede halten wird. 586 Denn er wusste, dass Alkibiades - da er in Rhetorik gebildet 587 ist - erwartet, dass er [sc. Sokrates] den Dialog auf diese Weise führen würde. Deswegen sagt er [sc. Sokrates]: „ w i e d i e j e n i g e n , d i e d u z u h ö r e n g e w o h n t b i s t “ . Er prägt ihm somit den Gedanken ein, dass er auf dialektische Weise sprechen wird. Denn er fügt hinzu: „ D a s i s t n i c h t m e i n e A r t u n d W e i s e , a b e r w o h l d i c h d a r a u f h i n z u w e i s e n “ 588 , im Sinne wie „ mit Fragen und Antworten in einem Gespräch zu diskutieren “ . Wenn du mir nur einen kleinen Dienst erweisen würdest: Hier verlangt Sokrates etwas anderes von Alkibiades, nämlich, dass er antwortet. Er sagt nun „ e i n e n k l e i n e n “ , da er eine unhypothetische Philosophie praktiziert, die nicht viele argumentative Schritte braucht. 589 Aus welchen Gründen er Antworten von ihm verlangt, haben wir auch in der theoretischen Untersuchung erwähnt. 590 Dazu muss jetzt gesagt werden, dass er durch die selbstbewegende Aktivität von sich selbst widerlegt und durch [seine eigenen] Antworten berichtigt erscheinen wird. Denn man muss wissen, dass wir selbstbewegend handeln, wenn wir uns auf uns selbst zurückwenden, 591 da wir keine äußeren Einflüsse für die Verbesserung und für die Entfernung der Affekte in uns benötigen. Dagegen, wann immer wir durch die Widerlegung der anderen die Affekte [in uns] unterdrücken, dann ist es von außen bewegt. Genauso [ist es] auch im Gorgias 592 : Denn auch dort, durch die Widerlegung des Zorns 593 des Thrasymachos 594 von Sokrates, lernen wir, [wie wir] den Thrasymachos in uns unterdrücken. Auch genauso [lernen wir] durch [die Darstellung des] Kallikles 595 die Vergnügungsliebe oder durch [die Darstellung des] Polos 596 die Ehrliebe [zu unterdrücken]. Gleicherweise also durch [die Darstellung des] Protagoras [lernen wir,] die Vorstellungskraft [zu unterdrücken]. 597 Denn Protagoras war ein Sophist und die Vorstellungskraft ist ähnlich wie ein Sophist, da sie nicht vorhandene Sachen täuscht und erfindet. Da er wollte, dass Alkibiades von hier an selbstbewegend handelt, schlägt Sokrates ihm vor, Antworten zu geben. Und das nennt er „ D i e n s t z u e r w e i s e n “ , damit derjenige, der über alles herrschen will, nun als ein Diener des Sokrates erscheint. 598 10 15 20 61 5 10 15 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 225 <?page no="226"?> Ἀλλ’ εἴγε δὴ μὴ χαλεπόν τι λέγεις τὸ ὑπηρέτημα : εἰκότως πρὸς τὴν ἐπαγγελίαν τοῦ Σωκράτους ὁ νέος τοιαύτην οὖσαν , ὅτι δύναμιν αὐτῷ περιποιήσει ἣν οἱ ἄλλοι οὐκ ἠδυνήθησαν , καὶ τὴν αἴτησιν μεγάλην ἐνόμισεν . διό φησιν , ‘ ε ἰ μ ὴ χ α λ ε π ό ν τ ι λ έ γ ε ι ς ’ · ἐνόμιζε γὰρ ἀκόλουθον εἶναι κατὰ τὸ μέγεθος τοῖς ἐπηγγελμένοις τὴν αἴτησιν . ἰδοὺ δὲ καὶ αὐτὸς ὁμολογεῖ τῷ Σωκράτει ὑπηρετεῖν , εἰ μὴ εἴη τοῦτο βαρύ . ὁ δὲ ἀποκρίνεται , ‘εἰ χαλεπὸ ν δοκεῖ τὸ ἀποκρίνεσθαι’ , ἵνα ἐκεῖνος ὁμολογῶν ὅτι οὐ χαλεπὸν ἑτοίμως ἀποκρίνηται . τοι | γαροῦν φησὶν ὁ νέος , ‘οὐ χαλεπόν’ · τοῦτο δὲ εὐλόγως . εἰ μὲν γὰρ Ἀριστοτέλης ἦν ὁ ἐρωτῶν ἤ τις ἄλλος ἐριστικός , πρὸς νίκην καὶ μόνην ὁρῶν καὶ διὰ τοῦτο ἀγαπῶν τὰ τοῦ προσδιαλεγομένου πταίσματα , δυσχερὲς ἦν κ αὶ χαλεπὸν τὸ ἀποκρίνεσθαι · ἐπειδὴ δὲ Σωκράτης ἐστὶν ὁ μαιευτικὸς καὶ πρὸς ὠφέλειαν καὶ διόρθωσιν τῶν νέων σκοπῶν , εἰκότως οὐ χαλεπόν , τοὐναντίον δὲ μᾶλλον τὸ ἐρωτᾶν χαλεπόν , καθάπερ καὶ ἐν ὁδῷ τὸ ἡγεῖσθαι τοῦ ἕπεσθαι . Οὐκοῦν ὡς διανοουμένου σου ταῦτα ἐρωτῶ ; κατ’ ἐρώτησιν ἀνα γνωστέον τοῦτο · πάλιν γὰρ ἐκ τῆς ἀποκρίσεως σαφὲς τοιοῦτον ὄν , ἀποκρίνεται γὰρ ‘ ἔ σ τ ω ’ . καὶ ἰστέον ὅτι καὶ ἐν τῇ παρούσῃ ἀποκρίσει ὁ Ἀλκιβιάδης ὑποθετικῶς αὖθις ἀποκρίνεται ῥητορικῇ δεινότητι · ἐπε παίδευτο γὰρ ταύτην ἱκανῶς παρὰ τῷ Περικλεῖ , δεινῷ ὄντι καὶ ἐπι τρόπῳ αὐτοῦ . φησὶν οὖν , ‘ἔστω , εἰ βούλει , οὕτως , ἵνα εἰδῶ ὅ τι ἐ ρεῖς’ · ὑποθετικὸν γὰρ τὸ ‘ ε ἰ β ο ύ λ ε ι ’ . καὶ τὰ λοιπὰ δὲ ἠθικῶς εἴρηται καὶ οὐ χαλεπῶς συγκατανεύοντος . ἐν τούτοις πεπλήρωται τὸ προοίμιον τοῦ διαλόγου καὶ ἀρχὴ λοιπὸν τοῦ ἐλεγκτικοῦ . 20 62 5 10 106C 15 226 C. Text und Übersetzung <?page no="227"?> Aber nur wenn dieser Dienst, den du meinst, nicht schwierig ist: Angemessen [antwortet] der Jüngling auf ein solches Versprechen des Sokrates, da er ihm eine Macht verleihen soll, zu der die anderen unfähig waren und er dachte, die Aufforderung dafür [auch genauso] groß sein würde. 599 Daher sagt er: „ W e n n d a s n i c h t s c h w i e r i g i s t , w a s d u m e i n s t “ . Denn er dachte, die Größe der Aufforderung mit den versprochenen [Ergebnissen] übereinstimmen würde. Siehe auch, dass er einwilligt, Sokrates [diesen] Dienst zu erweisen, wenn es nicht schwer ist. Darauf entgegnet er: „ Scheint es dir schwierig zu sein, auf Fragen zu antworten? “ 600 , damit er - da er zustimmt, dass es nicht schwer ist - freiwillig antwortet. Folglich sagt der Jüngling „ Es ist nicht schwierig “ 601 - und das ist gut gesagt. Wenn nämlich Aristoteles der Fragende wäre 602 oder ein anderer Eristiker, der nur auf den Erfolg blickt und deswegen sich über die Fehler der Antwortenden im Dialog freut, wäre es mühsam und schwierig, darauf zu antworten. Da aber Sokrates derjenige ist, der Geburtshilfe leistet 603 und darauf abzielt, den Jünglingen zu helfen und sie zu berichtigen, ist es selbstverständlich nicht schwierig. Im Gegensatz, viel schwieriger ist es zu fragen, genauso wie [es schwieriger ist] auf einer Reise zu führen, als zu folgen. Soll ich bei meinen Fragen davon ausgehen, dass du tatsächlich diese Dinge vorhast? Man muss das wie eine Frage verstehen: Denn aus der Antwort wird es wiederum klar, dass es so ist - er antwortet nämlich: „ S o s e i e s “ 604 . Man muss auch wissen, dass Alkibiades in der vorliegenden Antwort auf hypothetische Weise und mit rednerischer Scharfsinnigkeit entgegnet. Denn er wurde darin ausreichend gebildet bei Perikles, der ein scharfsinniger Mensch und sein Vormund war. Daher sagt er: „ Wenn du es willst, so sei es, damit ich endlich erfahre, was du denn zu sagen hast. “ 605 Denn „ w e n n d u e s w i l l s t “ ist eine hypothetische Aussage. Auch im Folgenden spricht er passend zu seinem Charakter, wie jemand, der ohne Schwierigkeiten sein Einverständnis zeigt. Damit endet die Einleitung des Dialogs und im Folgenden beginnt die Widerlegung. 20 62 5 10 106C 15 KOMMENTARE ZU PLATONS ALKIBIADES 227 <?page no="228"?> ΑΡΧΗ ΤΟΥ ΠΡΩΤΟΥ ΤΜΗΜΑΤΟΣ Πρᾶξις σὺν θεῷ ζʹ 106C-107C Φέρε δή · διανοῇ γάρ , ὡς ἐγώ φημι , παριέναι συμβουλεύσων Ἀθηναίοις . Τριῶν ὄντων τούτων στοιχείων ἀγαθοῦ συμβούλου , προαιρέσεως ἀγαθῆς , γνώσεως ἀκριβοῦς , δυνάμεως ἀπαγγελτικῆς ( δεῖ γὰρ καὶ εὔνουν εἶναι τοῖς | ἀκροωμένοις τὸν σύμβουλον , εἰ δὲ μή , οὐκ ἀγαθός · ἀλλὰ μὴν καὶ εἰδέναι ἀκριβῶς περὶ ὧν μέλλει ἐρεῖν , οὐ γὰρ ἀγνοῶν συμβουλεύσει · ἔτι δὲ καὶ δύνασθαι ταῦτα προάγειν καὶ φράζειν ἃ ἐνεθυμήθη , ἐπεὶ ἀνωφελῆ τὰ πρότερα δύο )· τούτων οὖν ὄντων δείκνυσιν ὁ Σωκράτης ἀπὸ τῆς ἀκριβοῦς γνώσεως μὴ ὄντα σύμβουλον ἀγαθὸν τὸν Ἀλκιβιάδην . καὶ πρῶτον μὲν χρῆται συλλογισμῷ τοιούτῳ . ‘ὁ ἀγαθὸς σύμβουλος οἶδεν περὶ ὧν μέλλει συμβουλεύειν , καὶ μᾶλλον ἢ οἷς συμ βουλεύει · οὔτε γὰρ ἐπ’ ἴσης ( μάταιον γὰρ τὰ αὐτὰ διδάσκειν τοὺς γινώσκοντας ) οὔτε ἐπ’ ἔλαττον ( μανικὸν γὰρ τὸν μὴ γινώσκοντα τοῖς ἐπιστήμοσιν εἰσηγεῖσθαί τι )· οὐκοῦν ἐξ ἀνάγκης ὁ ἀγαθὸς σύμβουλος μᾶλλον τῶν ἀκροωμένων οἶδεν περὶ ὧν συμβουλεύει · ὁ μᾶλλον εἰδὼς ἢ ἔμαθεν ἢ εὗρεν’ . διττὴ γὰρ ἡ γνῶσις , εἰς μάθησιν διαιρουμένη καὶ εὕρεσιν · ἑτεροκινήτως μὲν γὰρ μανθάνομεν , αὐτοκινήτως δὲ εὑρίσκομεν . οὕτω δὲ καὶ οἱ ποιηταὶ τὸν Ἑρμῆν γνώσεως ἔφορον ὄντα καὶ ἄγγελον μυθεύουσιν εἶναι καὶ Μαίας υἱόν · ἄγγελον μὲν ὡς μανθάνοντα , ἃ γὰρ μανθάνει παρ’ ἑτέρων ὁ ἄγγελος ἀπαγγέλλει · Μαίας δὲ υἱὸν ὡς εὑρίσκοντα , ἡ γὰρ μαῖα οὐκ αὐτὴ ταῖς τικτούσαις ἐντίθησι τὰ βρέφη , ἀλλ’ ὄντα φωσφορεῖ · οὕτως οὖν κ αὶ ὁ εὑρίσκων τοὺς ἐνόντας αὐτῷ λόγους ἀποτίκτει . εἰ δέ ποτε τὸ μανθάνειν κρεῖσσόν ἐστι τοῦ εὑρίσκειν , ὡς ἡνίκα παρὰ θεῶν δι’ ὀνείρων μανθάνομεν , ἰστέον ὅτι τότε καὶ τὸ 20 63 5 10 15 20 <?page no="229"?> ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 606 Unterricht 7 mit Gottes Hilfe 106C - 107C Nun gut. Du hast vor, wie ich meine, vor den Athenern aufzutreten, um ihnen Rat zu erteilen: Da es drei Grundelemente eines guten Beraters gibt, 607 [nämlich] ein gutes Vorhaben, genaue Erkenntnis und die kraftvolle Ausdrucksfähigkeit (denn ein Berater muss gegenüber seinen Zuhörern gute Absichten haben; wenn das aber nicht der Fall ist, ist er kein guter [Berater]. Darüber hinaus [muss er] das [Thema] genau kennen, worüber er reden will, denn er wird nicht als Unwissender beraten. Schließlich [muss er] auch dazu fähig sein, das zur Sprache zu bringen und in Worte zu fassen, was er im Sinn hat; sonst wären die ersten zwei [Grundprinzipien] nutzlos.); angesichts dieser [Prinzipien] also zeigt Sokrates, dass Alkibiades in Bezug auf genaue Erkenntnis kein guter Berater ist. Dazu benutzt er zuerst eine derartige Schlussfolgerung 608 : „ Ein guter Berater weiß, worüber er beraten will - und das viel besser als diejenigen, die er berät. Denn [er kann] weder aus gleichwertiger [Erkenntnis hervorgehen] (es wäre nämlich vergeblich, den Menschen dieselben Dinge zu lehren, die sie schon kennen), noch aus geringerer [Erkenntnis] (denn es ist irrsinnig, wenn jemand in Unkenntnis etwas denjenigen erklärt, die es bereits wissen). Also folgt notwendigerweise, dass ein guter Berater die [Themen], über die er Rat gibt, besser als seine Zuhörer weiß. Derjenige, der etwas besser weiß, hat es entweder gelernt oder gefunden. “ Denn die Erkenntnis lässt sich zweifach erschließen, eingeteilt in Lernen und Finden. 609 Wir lernen, wenn wir von außen bewegt werden; finden dagegen, wenn wir selbstbewegt sind. 610 Daher erzählen auch die Dichter den Mythos des Hermes, des Aufsehers der Erkenntnis, so dar, dass er sowohl ein Bote als auch der Sohn der Maia ist. 611 Ein Bote ist er insofern, dass er lernt, denn ein Bote kündigt die Sachen an, die er von anderen lernt. Der Sohn der Maia ist er aber, insofern er findet 612 , denn eine Hebamme (maia) stellt die Föten nicht selber in die Mütter hinein, sondern bringt sie von da aus ans Licht. Genauso gebärt auch jemand, der etwas findet, die Erkenntnisse, die sich in ihm selbst befinden. Wenn also Lernen manchmal überlegener gegenüber dem Finden ist, zum Beispiel wenn wir durch Träume von den Göttern gelehrt werden, muss man wissen, dass in diesem Fall die Bewegung von außen der 20 63 5 10 15 20 <?page no="230"?> ἑτεροκινήτως ἐνεργεῖν τοῦ αὐτοκινήτως αἱρετώτερον · συμφέρει γὰρ ὑπὸ θεοῦ μᾶλλον ἢ ὑφ’ ἑαυτοῦ ἄγεσθαι . εἶτα ‘ὁ μαθὼν | ἢ εὑρὼν ἢ ἐζήτησεν ἢ ἐδιδάχθη ( τὰ μὲν γὰρ τέλη , τὸ μαθεῖν καὶ εὑρεῖν , ταῦτα δὲ ὁδοί , τὸ ζητῆσαι καὶ διδαχθῆναι )· ὁ ζητήσας ἢ διδαχθεὶς ἔχει χρόνον εἰπεῖν ἐν ᾧ οὐκ ᾤετο εἰδέναι , ἵνα ἢ φοιτήσαι εἰς διδασκάλους ἢ ἐν ταλαιπωρήσαι ταῖς ζητήσεσιν · ὁ ἀγαθὸς ἄρα σύμβουλος ἔχει χρόνον εἰπεῖν ἐν ᾧ οὐκ ᾤετο εἰδέναι . ἀλλὰ μὴν ὁ Ἀλκιβιάδης τοῦτον οὐκ ἔχει λέγειν · νέος γὰρ ὢν κομιδῇ καὶ τοῖς ἡλικιώταις συναστραγαλίζων ὤμνυεν ὑπ’ αὐτῶν ἀδικεῖσθαι ὡς δὴ ἠκριβωμένος τὸ δίκαιον’ . Καὶ οὕτω μὲν συνθετικῶς προῆ λθεν ὁ συλλογισμός · ἔστι δὲ καὶ ἀναλυτικῶς αὐτὸν προαγαγεῖν , οὕτως . ‘ὁ ἀγαθὸς σύμβουλος ἔχει χρόνον εἰπεῖν ἐν ᾧ οὐκ ᾤετο εἰδέναι · ὁ τοιοῦτος ἢ ἐζήτησεν ἢ ἐδιδάχθη · ὁ τοιοῦτος ἢ ἔμαθεν ἢ εὗρεν · ὁ τοιοῦτος μᾶλλον οἶδεν περὶ ὧν συμ βουλεύει ἢ οἷς συμβουλεύει · ὁ ἄρα ἀγαθὸς σύμβουλος μᾶλλον τῶν ἀκροωμένων οἶδεν περὶ ὧν συμβουλεύει’ . ἔοικε δὲ ὁ μὲν πρῶτος συλ λογισμὸς καθόδῳ ψυχῆς ἀεὶ προσλαμβανούσῃ καὶ ἐνδυομένῃ τὰ πάθη , ὁ δὲ δεύτερος ἀνόδῳ ἀεὶ ἀποβαλλούσῃ τὰ πάθη · ὅτε καὶ λέγοι ἄν τις περὶ αὐτῆς τὸ ποιητικόν · ‘ α ὐ τ ὰ ρ ὁ γ υ μ ν ώ θ η ῥ α κ έ ω ν ’ . Ἐλέγχει δὲ ὁ Σωκράτης τὸν Ἀλκιβιάδην οὐ μόνον διὰ τοῦ εἰρημένου συλλογισμοῦ , ἀλλὰ καὶ δι’ ἑτέρου τρόπου τοιούτου , λέγων · ‘ἆρα περὶ τίνων ἂν συμβουλεύσοις Ἀθηναίοις ; ἆρα περὶ ὧν γινώσκεις καὶ οἴει εἰδέναι , οἶον περὶ τοῦ παλαίειν καὶ κιθαρίζειν καὶ περὶ γραμμάτων ; ταῦτα γὰρ ἔμαθες . ἀλλ’ οὐ περὶ τούτων ἐκκλησιάζουσιν οὐδὲ βουλεύον ται · ἀλλ’ εἰ ὅλως , οὐ περὶ τοῦ πῶς δεῖ κιθαρίζειν ἢ παλαίειν , ἀλλ’ εἰ δεῖ γυμναστὰς ἢ κιθαριστὰς ἢ γραμματιστὰς ἐν τῇ οἰκείᾳ πόλει παρα λαμβάνειν’ . οὕτω γοῦν καὶ ὁ παρ’ | Ὁμήρῳ Ἀχιλλεὺς πολιτικὸς ὢν οὐκ αὐτὸς ἐμαντεύσατο τοῖς Ἕλλησιν , ἀλλὰ συνεβούλευσεν μάντει χρῆσθαι · καὶ πάλιν ὁ Θεμιστοκλῆς οὐκ αὐτὸς ἐναυπήγησε τὰς τριήρεις , ἀλλ’ εἰσηγήσατο κατασκευάζειν ναυτικὸν λύσας τὸν χρησμόν , ‘ τ ε ῖ χ ο ς Τ ρ ι τ ο γ ε ν ε ῖ ξ ύ λ ι ν ο ν δ ι δ ο ῖ ’ . 64 5 10 15 20 25 65 5 230 C. Text und Übersetzung <?page no="231"?> Selbstbewegung vorzuziehen ist. Denn von Gott geführt zu werden, nützt uns mehr, als von uns selbst [geführt zu werden]. 613 Folglich: „ wer etwas gelernt oder gefunden hat, hat es entweder [selber] untersucht oder wurde unterrichtet (die Ziele sind also, zu lernen und zu finden; die Wege sind aber diese, zu untersuchen und gelehrt zu werden). Jemand, der [etwas] untersucht hat oder unterrichtet wurde, hat einen Zeitpunkt zu nennen, in dem er nicht glaubte, das zu wissen; sodass er entweder sich an die Lehrer wandte oder sich beharrlich um Untersuchungen bemühte. Der gute Berater, dann, hat einen Zeitpunkt zu nennen, in dem er nicht glaubte zu wissen. Alkibiades dagegen kann freilich darüber nichts sagen. Denn als er noch äußerst jung war und mit seinen Altersgenossen mit knöchernen Würfeln spielte, hat er geschworen, dass er von ihnen ungerecht behandelt wurde, als hätte er durchaus verstanden, was gerecht ist “ . 614 Auf diese Weise also durch Zusammensetzung 615 ging die Schlussfolgerung weiter. Es ist auch [möglich], diese auf analytische Weise, wie folgt, vorzuführen: „ Ein guter Berater hat einen Zeitpunkt zu nennen, in dem er nicht glaubte zu wissen. Ein solcher hat entweder untersucht oder wurde gelehrt. Ein solcher hat entweder gelernt oder gefunden. Ein solcher kennt die [Themen], über die er berät, besser als diejenigen, die er berät. Folglich kennt ein guter Berater die [Themen], über die er berät, besser als seine Zuhörer. “ 616 Die erste Schlussfolgerung gleicht dem Abstieg der Seele, der dauerhaft zu den Affekten greift und sich mit ihnen bekleidet 617 ; wobei die zweite dem Aufstieg [der Seele ähnlich ist], der stets die Affekte beiseitelegt. Daher mag jemand über sie [sc. die Seele] auch auf dichterische Weise sagen: „ E r a b e r e n t b l ö ß t e s i c h v o n d e n L u m p e n “ 618 . Sokrates dagegen widerlegt Alkibiades nicht nur durch die erwähnte Schlussfolgerung, sondern auch durch einen anderen derartigen, indem er sagt 619 : „ Über welche [Themen] wirst du denn die Athener beraten? Etwa darüber, was du weißt und glaubst zu kennen, zum Beispiel über Ringen, über Kitharaspiel oder über Lesen und Schreiben? Denn du hast diese [Fächer] gelernt. Aber weder versammeln sie sich noch beratschlagen sie über diese [Themen]. Oder wenn überhaupt, dann nicht darüber, wie man Kithara spielen oder wie man ringen soll, sondern [darüber,] ob sie Lehrer für Gymnastik, Kithara oder Lesen und Schreiben in die eigene Polis aufnehmen sollen. “ Ebenso weissagte auch Achilleus bei Homer den Griechen nicht selber, da er ein Politiker war, sondern beriet sie, sich an einen Wahrsager zu wenden. 620 Auch wiederum Themistokles hat nicht selber die Trieren gebaut, sondern schlug vor, eine Flotte bauen zu lassen, indem er den [folgenden] Orakelspruch aufgelöst hat: „ E r g i b t d e r T r i t o g e n e i a e i n e M a u e r a u s H o l z “ 621 64 5 10 15 20 25 65 5 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 231 <?page no="232"?> εἰκότως δὲ τοῦτο . αἱ γὰρ ἐπαναβεβηκυῖαι τέχναι οὐ φθείρουσι τὰς ὑπ’ αὐτὰς προλαμβάνουσαι τὰ ἐκείνων , ἀλλὰ τοὐναντίον καὶ συνιστᾶσιν , ἵνα οὕτως ἡ φιλοσοφία μείνῃ τ έ χ ν η τ ε χ ν ῶ ν κ α ὶ ἐ π ι σ τ ή μ η ἐ π ι σ τ η μ ῶ ν , σῳζομένων τῶν τεχνῶν μετ’ αὐτὴν καὶ οὕτως αὐταῖς παρέχουσα τὰς ἀρχάς . ‘οὐκοῦν οὐ περὶ ὧν γινώσκεις καὶ οἴει εἰδέναι συμβουλεύσειας ( οὐ γὰρ περὶ τούτων , ὡς εἴρηται , βουλεύονται )· ἀλλ’ οὐδὲ περὶ ὧν ἀγνοεῖς κ αὶ νομίζεις μὴ εἰδέναι ( ἡ γὰρ ἁπλῆ ἄγνοια οὐκ ἔστιν ἁμαρτάδος αἰτία )· ἀλλὰ μὴν οὐδὲ περὶ ὧν ἀγνοεῖς καὶ νομίζεις εἰδέναι ( τοῦτο γὰρ διπλῆς ἀμαθίας · ε ἰ δ ό τ ο ς δ ὲ π ε ρ ὶ ἑ κ ά σ τ ο υ ἡ σ υ μ β ο υ λ ή , κ α ὶ ο ὐ π λ ο υ τ ο ῦ ν τ ο ς ) ’ . τὸ δὲ ἕτερον σκέλος ἀσύστατόν ἐστι , φημ ὶ δὲ τὸ εἰδέναι μέν , οἴεσθαι δὲ μὴ εἰδέναι , ἤτοι ἀγνοεῖν ὅτι οἶδεν · ἡ γὰρ ἐπιστήμη , φῶς οὖσα , οὐ λανθάνει τὸν ἔχοντα . καὶ αὕτη μὲν ἡ διαίρεσις δι’ ἧς πάλιν ὁ Ἀλκιβιάδης ἐλέγχεται μὴ ὢν ἀγαθὸς σύμβουλος κατὰ γνῶσιν . Τρία δὲ ταῦτα ἐπαιδεύοντο ἐν Ἀθήνησι , γράμματα , κιθαρίζειν , παλαίειν , διὰ τὸ ἐπικοσμεῖν , ὡς ἐν ἀρχῇ προείρηται , τὴν τριμέρειαν τῆς ψυ | χῆς · διὰ μὲν τῶν γραμμάτων τὸν λόγον , διὰ δὲ τῆς κιθάρας τὸν θυμὸν τιθασεύοντες , διὰ δὲ τοῦ παλαίειν ῥωννύντες τὴν ἐπιθυμίαν καὶ ἀμάλθακτον αὐτὴν ποιοῦντες . ἐπάγει δὲ ὅτι ‘ α ὐ λ ε ῖ ν δ έ γ ε ο ὐ κ ἤ θ ε λ ε ς ’ . διὰ πολλὰς δὲ αἰτίας οὐκ ἐπετήδευον τὸν αὐλόν · πρῶτον μὲν ὅτι ἐκστατικὸς οὗτος καὶ μᾶλλον ἐνθουσιαστικὸς κ αὶ οὐ παιδευτι κός . ἐν μὲν γὰρ τῷ κιθαρίζειν δυνατὸν καὶ λόγῳ χρῆσθαι , ἐν δὲ τῷ αὐλεῖν οὐδαμῶς · οὐ μόνον δὲ αὐτὸς οὐ δύναται λόγῳ χρῆσθαι ἢ ᾄδειν , ἀλλ’ οὐδὲ ἄλλου ᾄδοντος ἀκούειν , θορυβώδης γὰρ οὗτος · διὸ ‘κιθαρῳ δία’ μὲν εἴρηται , ‘αὐλῳδία’ δὲ οὔ . καὶ ἡ Ἀθηνᾶ δὲ διὰ τοῦτο τὸν αὐλὸν ἀπέρριψεν ὡς ἐμπόδιον ὄντα τῷ λόγῳ ( ἔφορος δὲ σοφίας ἡ θεός )· ὡς δέ φασιν οἱ ποιηταί , διότι τὸ πρόσωπον ἀπρεπὲς ἑώρα . ἢ καὶ τοῦτο νοητέον οὕτως , ὅτι πρόσωπον τῆ ς ἀπηχήσεως ὁ λόγος , ὁ δὲ αὐλὸς τῷ λόγῳ πολέμιος . καὶ ὁ ποιητὴς δὲ τοῖς Ἕλλησιν ἀποδίδωσι πανταχοῦ τὸ κιθαρίζειν , οὐδαμοῦ δὲ αὐτοὺς εἰσήγαγεν αὐλοῦντας · ἀλλὰ τοῖς Τρωσὶ βαρβάροις οὖσιν ἀπένειμε τὸν αὐλόν , περὶ ὧν καὶ τὸ 65, 14 Olymp. δὲ / γὰρ οἶμαι Plat. Alc. 107b9. 10 15 20 66 5 10 15 232 C. Text und Übersetzung <?page no="233"?> Das ist ja selbstverständlich. Denn die fortgeschrittenen Künste beseitigen die [ihnen] untergeordneten [Künste] nicht, indem sie ihre [Grundlagen] vorwegnehmen, sondern im Gegenteil, sie verstärken sie sogar, damit auf diese Weise die Philosophie d i e K u n s t d e r K ü n s t e u n d d a s W i s s e n d e s W i s s e n s 622 bleibt, indem sie die ihr untergeordneten Künste bewahrt und auf diesem Wege ihnen die Grundprinzipien bereitstellt. „ Deshalb würdest du nicht darüber beraten, was du kennst oder glaubst zu wissen (denn sie machen keine Versammlung, wie gesagt, über diese [Themen]). Aber [du wirst] auch nicht darüber [beraten], was du nicht kennst und denkst, dass du nicht weißt (denn die einfache Unwissenheit ist nicht der Grund eines Fehlers). 623 Selbstverständlich auch nicht darüber, was du nicht kennst und glaubst zu wissen (das ist nämlich [Zeichen] der doppelten Ungebildetheit. Denn „ z u j e d e m [ T h e m a ] R a t z u e r t e i l e n g e h ö r t d e m j e n i g e n , d e r ü b e r d a s W i s s e n v e r f ü g t , n i c h t d e m j e n i g e n , d e r R e i c h i s t “ 624 . Das andere Glied [der Schlussfolgerung] ist in sich nicht konsistent - ich meine, einerseits zu wissen, andererseits aber zu glauben, nicht zu wissen oder sogar nicht zu wissen, dass man es weiß. Denn das Wissen bleibt dem [Menschen], der es besitzt, nicht verborgen, da es eine Art Licht ist. Derart ist dann die Aufteilung, durch die Alkibiades noch einmal widerlegt wird, da er kein guter Berater in Bezug auf die Erkenntnis ist. Diese drei [Fächer] wurden also in Athen gelehrt - Lesen und Schreiben, Kithara Spielen und Ringen - um die drei Teile der Seele, wie am Anfang erwähnt wurde 625 , zu gestalten. Durch Lesen und Schreiben [wird] die Vernunft, durch die Kithara wird die Willenskraft gezähmt und durch Ringen wird die Begierde verstärkt und unerbittlich gemacht. 626 Er fügt auch hinzu: „ A u l o s s p i e l e n w o l l t e s t d u d a g e g e n n i c h t “ 627 . Aus vielen Gründen übten sie den Aulos nicht ein: Erstens, dieses [Instrument] hat mit der Ekstase etwas zu tun und vielmehr mit göttlicher Entrückung, nicht mit der Bildung. 628 Denn beim Spielen der Kithara ist es möglich, von der Sprache 629 Gebrauch zu machen, beim Spielen des Aulos aber auf keinen Fall. Nicht nur ist für den [Aulosspieler] unmöglich, die Sprache zu benutzen oder zu singen, sondern auch kann er niemandem anderen beim Singen zuhören, denn es ist ein lautstarkes [Instrument]. Daher sagt man „ Kitharodie “ , aber nicht „ Aulodie “ . 630 Deswegen warf auch Athene den Aulos weg, da sie darin ein Hindernis gegen Vernunft 631 sah (diese Göttin ist nämlich die Aufseherin der Weisheit). Wie die Dichter erzählen, [tat sie das,] weil sie ihr Gesicht [sc. beim Aulosspiel] unanständig empfunden hat. Oder muss man das so verstehen: Die Sprache ist wie ein Gesicht des Nachklangs 632 , aber der Aulos ist der Feind der Sprache. Auch der Dichter schreibt überall 633 das Kitharaspiel den Griechen zu, aber nirgendwo stellt er sie 10 15 20 66 5 10 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 233 <?page no="234"?> ‘ Τ ρ ῶ ε ς μ ὲ ν κ λ α γ γ ῇ ἐ ν ο π ῇ τ ’ ἴ σ α ν , ὄ ρ ν ι θ ε ς ὥ ς ’ , εἴρηκε . καλῶς δὲ τούτοις τὸν αὐλὸν ἀποδέδωκεν , ὡς Φρυξίν · ἐν Φρυγίᾳ γὰρ λέγεται εὑρε | θῆναι ὁ αὐλὸς περὶ τὰ μυστήρια καὶ τοὺς ἐν θουσιασμούς . ἔνθα καὶ ὁ Μαρσύας ἦν , ὃς ἀγωνισάμενος περὶ μουσικῆς πρὸς Ἀπόλλωνα ἡττήθη χρώμενος αὐλῷ , ἐκείνου δὲ κιθάραν ἔχοντος . καὶ αὐτὸς δὲ ὁ Ἀλκιβιάδης περὶ τῶν Θηβαίων ἔφη · ‘ α ὐ λ ε ί τ ω σ α ν Θ η β α ί ω ν π α ῖ δ ε ς , δ ι α λ έ γ ε σ θ α ι γ ὰ ρ ο ὐ κ ἴ σ α σ ι ν ’ . ἐν οἷς ἡ θεωρία . 106C Φέρε δή · διανοῇ γάρ , ὡς ἐγώ φημι : ζητητέον διὰ τί ἀπὸ τῆς γνώ σεως μόνης ἐλέγχει τὸν νέον ὁ Σωκράτης , οὐχὶ δὲ καὶ ἀπὸ τῶν ἄλλων . ἤ φαμεν ὅτι ἀπὸ τῆς ἀπαγγελτικῆς δυνάμεως οὐκ ἠδύνατο · ᾔ δει γὰρ αὐτὸν ταύτην ἔχοντα διὰ Περικλέους , ᾧ συνδιέτριψε πρότερον · ἐκ τούτου οὖν ῥητορικὸς ἦν τὴν φύσιν . ἀλλ’ οὐδὲ ἀπὸ τῆς προαιρέσεως · καὶ γὰρ ἀγαθὸς ἦν ἐκ τοῦ ἀνάλωτος εἶναι τῷ φιλοχρημάτῳ πάθει καὶ μεγα λοφρονεῖν ἐπὶ τοῖς ὑπάρχουσιν καὶ ὑπερφρονεῖν τῶν ἄλλων ἐραστῶν . Εἰ οὖν μέλλοντός σου ἰέναι ἐπὶ τὸ βῆμα : ὡς π ρὸς ῥητορικὸν δια λεγόμενος πανταχοῦ προσφόροις ὀνόμασι κέχρηται , ὥσπερ καὶ νῦν . ἀκροατὰς γὰρ αὐτῷ καὶ θέατρον ἀποδίδωσιν , τίθησι δὲ καὶ βῆμα κἀκεῖνον ᾄττοντα πρὸς τοῦτο , ἑαυτὸν δὲ χαλινὸν ἐπιτίθησιν , ἵνα τὰ τοῦ νέου πάθη χαλιναγωγήσῃ καὶ τὴν πρὸς τὸ συμβουλεύειν ὁρμήν · φησὶ γοῦν , ‘ λ α β ό μ ε ν ο ς ἐ ρ ο ί μ η ν ’ . Ἆρ’ ἐπειδὴ περὶ ὧν σὺ ἐπίστασαι βέλτιον ἢ οὗτοι ; ἰδοὺ πρώτη πρότασις , ὅτι ‘ὁ ἀγαθὸς σύμβουλος μᾶλλον οἶδε περὶ ὧν μέλλει συμ βουλεύειν ἤπερ οἷς συμβουλεύει · οὔτε γὰρ ἐπ’ ἔλαττον , μανικὸν γάρ · οὔτ’ ἐπ’ ἴσης , καὶ γὰρ μάταιον’ . 106D Οὐκοῦν ταῦτα μόνον οἶσθα ἃ παρ’ ἄλλων ἔμαθες ἢ αὐτὸς ἐξεῦρες ; ἡ δευτέρα πρότασις , ὅτι ‘ὁ μᾶλλον εἰδὼς ἢ ἔμαθεν ἢ ἐξεῦρεν’ · διττὴ γὰρ ἡ γνῶσις , ὡς μεμαθήκαμεν . 67 5 10 15 20 25 234 C. Text und Übersetzung <?page no="235"?> beim Aulosspiel dar. Dagegen den Trojanern, da sie Barbaren sind, teilte er den Aulos zu, über die er auch gesagt hat: „ S c h r i t t e n d i e T r o e r m i t G e s c h r e i u n d R u f e n h e r a n w i e V ö g e l “ 634 Angemessen nun schrieb er [sc. Homer] den Aulos diesen [sc. Trojanern] zu, da sie zu den Phrygiern [zählen]. 635 Denn man sagt, dass der Aulos in Phrygien, im Rahmen der Mysterien und Erfahrungen des Göttlichen erfunden wurde. 636 Dort lebte auch Marsyas, der mit Apollon in der Musik wetteiferte und besiegt wurde, da er einen Aulos benutzte, der andere [sc. Apollon] aber eine Kithara hatte. 637 Ferner hat Alkibiades selber über die Thebaner gesagt: „ L a s s t d i e K i n d e r d e r T h e b a n e r A u l o s s p i e l e n , d e n n s i e k e n n e n n i c h t , w i e m a n G e s p r ä c h e f ü h r t “ . 638 Damit endet die Theorie. 106C Nun gut. Du stellst dir vor, wie ich meine: Man muss untersuchen, warum Sokrates den Jüngling nur in Hinsicht auf die Erkenntnis widerlegt, und nicht auch auf andere Dinge. 639 Wir sagen nun, dass er das aufgrund seines Ausdrucksvermögens nicht konnte. Denn er wusste, dass er diese [Kunst] von Perikles [gelernt] hatte, mit dem er früher zusammen Zeit verbracht hatte. Aus diesem [Grund], dann, war er ein Redner von Natur aus. Auch nicht in Hinsicht auf sein Vorhaben [könnte er ihn befragen]: Denn er [sc. Alkibiades] war auch gut aufgrund seiner Unbesiegbarkeit gegen den Affekt der Geldliebe, seiner Großzügigkeit mit seinen Besitztümern und seiner Verachtung der anderen Liebhaber. 640 Wenn nun, während du im Begriff bist, auf die Rednerbühne zu treten 641 : Da er sich mit einem rednerisch begabten Menschen unterhält, benutzt er überall dazu passende Begriffe, wie auch an dieser Stelle. 642 Denn er verleiht ihm Zuhörer und ein Theater, stellt dazu eine Bühne und ihn [sc. Alkibiades] eilend dahin vor; sich selbst lag er als Zaum an, damit er die Affekte des Jünglings und seinen Drang, [den Athenern] Rat zu erteilen, zügeln kann. Darauf sagt er: „ [Angenommen,] i c h w ü r d e d i c h a n p a c k e n u n d F o l g e n d e s f r a g e n “ . 643 Ist es etwa über die Dinge, die du besser kennst als sie? Siehe die erste Prämisse, nämlich: „ Der gute Berater weiß das, worüber er beraten will, besser als diejenigen, die er berät. Denn [er weiß] nicht weniger, das wäre nämlich irrsinnig. Noch gleiche [Kenntnis wie seine Zuhörer hat er], denn das wäre vergeblich. “ 644 106D Kennst du etwa nicht nur das, was du von anderen gelernt oder selber herausgefunden hast? Die zweite Prämisse, nämlich: „ Derjenige, der etwas besser kennt, hat es entweder gelernt oder herausgefunden “ . Denn die Erkenntnis hat zwei Arten, wie wir gelernt haben. 645 15 67 5 10 15 20 25 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 235 <?page no="236"?> Τί δέ ; ἠθέλησας ἂν ζητῆσαι ἢ μαθεῖν : ἡ τρίτη πρότασις , ὅτι ‘ὁ μαθὼν ἢ εὑρὼν ἢ ἐζήτησεν ἢ ἐδιδάχθη · τὰ μὲν γὰρ ὁδοί , ταῦτα δὲ τέλη’ . τὸ δὲ μαθεῖν ἀντὶ τοῦ διδαχθῆναι ἀκουστέον . Ἦν χρόνος ὅτε οὐχ ἡγοῦ εἰδέναι : ἡ | τετάρτη πρότασις καὶ τελευ ταία , ὅτι ‘ὁ ζητήσας ἢ διδαχθεὶς ἔχει χρόνον εἰπεῖν ὅτε οὐκ ᾤετο εἰδέ ναι’ . ἰστέον δὲ ὅτι ὁ μὲν προσυλλογισμὸς ἐν πρώτῳ σχήματί ἐστιν , ὁ δὲ συλλογισμὸς ἐν δευτέρῳ . ἔστι γὰρ ὁ μὲν προσυλλογισμὸς οὗτος · ‘ὁ ἀγαθὸς σύμβουλος μᾶλλον οἶδε περὶ ὧν συμβουλεύει ἢ οἱ συμβουλευό μενοι · ὁ τοιοῦτος ἢ ἔμαθεν ἢ εὗρεν · ὁ τοιοῦτος ἢ ἐζήτησεν ἢ ἐδιδάχθη · ὁ τοιοῦτος ἔχει χρόνον εἰπεῖν ὅτε οὐκ ᾤετο ε ἰδέναι · ὁ ἀγαθὸς ἄρα σύμβουλος ἔχει χρόνον ἐν ᾧ οὐκ ᾤετο εἰδέναι’ . ὁ δὲ συλλογισμὸς λαμβάνων τὴν τελευταίαν ἀποδειχθεῖσαν πρότασιν ἐν τῷ προσυλλο γισμῷ προέρχεται ἐν δευτέρῳ σχήματι οὕτως · ‘ὁ ἀγαθὸς σύμβουλος ἔχει χρόνον εἰπεῖν ὅτε οὐκ ᾤετο εἰδέναι · ὁ Ἀλκιβιάδης οὐκ ἔχει χρόνον εἰπεῖν ὅτε οὐκ ᾤετο · ὁ Ἀλκιβιάδης ἄρα οὐκ ἀγαθὸς σύμβουλος’ . ἰστέον δὲ ὅτι αὐτὸς μὲν πλατύτερον ἐξήπλωσε τὸν συλλογισμόν , ἡμεῖς δὲ τάξιν ἀπενείμαμεν αὐτῷ συλλογισμοῦ . Ἀλλὰ μὴν ἅ γε μεμάθηκας σχεδόν τι καὶ ἐγὼ οἶδα : καλῶς τὸ ‘ σ χ ε δ ὸ ν ’ πρόσκειται · εἰκὸς γὰρ τὸν Ἀλκιβιάδην εἰδέναι σκευάριον ὃ ἐν τῷ αὐτοῦ οἴκῳ ἔκειτο , ὅπερ ὁ Σωκράτης οὐκ ἐγίνωσκεν . Αὐλεῖν δ έ γ ε οὐκ ἤθελες : ἀληθές · αὐτοῦ γάρ ἐστι περὶ Θηβαίων εἰπόντος , ‘ α ὐ λ ε ί τ ω σ α ν Θ η β α ί ω ν π α ῖ δ ε ς , δ ι α λ έ γ ε σ θ α ι γ ὰ ρ ο ὐ κ ἴ σ α σ ι ν ’ . Οἶμαι δὲ οὔτε νύκτωρ οὔτε μεθ’ ἡμέραν ἐξιὼν ἔνδοθεν : τουτέστιν ‘οὐ μεμάθηκας ἄλλο τι πλὴν τούτων , εἴγε οὐδέποτε λέληθάς με’ · καθάπερ ὁ Διομήδης τὴν Ἀθηνᾶν , πρὸς ἥν φησιν , ‘ ο ὐ ν ύ σ ε λ ή θ ω κ ι ν ο ύ μ ε ν ο ς ’ . δίκην γὰρ συνειδότος ἑκάστῃ τῶν πράξεων ἡ μῶν παρακολουθοῦντος , οὕτω καὶ ὁ Σωκράτης συνῆν ἀεὶ τῷ Ἀλκιβιάδῃ . 107A Πότερον οὖν ὅταν περὶ γραμμάτων Ἀθηναῖοι βουλεύονται : ἐντεῦ θεν ὁ δεύτερος ἔλεγχος , ὃν ἡμεῖς ὑπὸ διαίρεσιν ἀνηγάγομεν , ὅτι ἡ 68, 21 Olymp. om. γε post δὲ , cf. Plat. Alc. 106e9. 68 5 10 15 20 25 236 C. Text und Übersetzung <?page no="237"?> Wie denn? Würdest du etwa untersuchen oder lernen wollen? 646 Die dritte Prämisse, nämlich: „ Derjenige, der etwas gelernt oder gefunden hat, hat es entweder untersucht oder wurde gelehrt: Die [letztere] sind die Wege, die erstere die Ziele. “ Man muss das ‚ Lernen ‘ wie ‚ gelehrt zu werden ‘ verstehen. 647 106E Es gab eine Zeit, in der du nicht geglaubt hast zu wissen: Die vierte und letzte Prämisse, nämlich: „ Derjenige, der etwas untersucht hat oder gelehrt wurde, hat eine Zeit zu nennen, in der er nicht glaubte, [das] zu wissen “ . Man muss dazu wissen, dass es in der ersten Figur einen Prosyllogismus 648 , in der zweiten aber einen Syllogismus gibt. 649 Denn der Prosyllogismus lautet wie folgt: „ Ein guter Berater kennt [die Themen], über die er berät, besser als diejenigen, die beraten werden. Ein solcher hat [es] entweder gelernt oder gefunden. Ein solcher hat entweder untersucht oder wurde gelehrt. Ein solcher hat eine Zeit zu nennen, in der er nicht glaubte zu wissen. Folglich hat ein guter Berater eine Zeit, in der er nicht glaubte zu wissen “ . Der Syllogismus, dann, nimmt die letzte bewiesene Prämisse des Prosyllogismus an und führt in der zweiten Figur wie folgt fort: „ Der gute Berater hat eine Zeit zu nennen, in der er nicht glaubte zu wissen. Alkibiades hat keine Zeit zu nennen, in der er nicht glaubte zu wissen. Daher ist Alkibiades kein guter Berater. “ Man muss dazu wissen, dass er den Syllogismus viel breiter entfaltet hat, wir dagegen haben ihm eine Ordnung wie einen Syllogismus gegeben. 650 Tatsächlich kenne auch ich fast alles, was du gelernt hast: Zutreffend fügt er „ f a s t “ hinzu: Denn es ist wahrscheinlich, dass Alkibiades irgendein Kleidungsstück 651 , das sich in seinem Haus befindet, kennt, über das Sokrates nichts weiß. Aulos spielen wolltest du dagegen nicht: Das ist richtig. Denn [der Spruch] über die Thebaner stammt von ihm: „ L a s s t d i e K i n d e r d e r T h e b a n e r A u l o s s p i e l e n , d e n n s i e k e n n e n n i c h t , w i e m a n G e s p r ä c h e f ü h r t . “ 652 Ich glaube aber, das ist weder geschehen, wenn du das Haus in der Nacht, noch, wenn du es tagsüber verlassen hast. 653 : Das bedeutet: „ Du hast nichts anderes außer diesen [Sachen] gelernt, wenn du niemals meiner Aufmerksamkeit entgangen warst “ . Genauso wie Diomedes Athene sagt, als er in ihrer Gegenwart spricht: „ U n d i c h b l e i b e d i r n i c h t v e r b o r g e n , w e n n i c h m i c h r e g e . “ 654 Denn wie das Bewusstsein, das jede unserer Handlungen begleitet, war Sokrates auch immer mit Alkibiades. 655 107A Ist es nun dann, wenn die Athener über das Lesen und Schreiben beraten? Ab hier fängt die zweite Widerlegung an, die wir in eine Aufteilung gegliedert hatten, 656 nämlich: Die Beratung ist entweder darüber, was man weiß 68 5 10 15 20 25 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 237 <?page no="238"?> συμβουλὴ ἢ περὶ ὧν οἶδεν καὶ νομίζει εἰδέναι , ἢ περὶ ὧν οὐκ οἶδε μέν , νομίζει δὲ εἰδέναι , ἢ περὶ ὧν οὔτε οἶδεν οὔτε νομίζει εἰδέναι · καὶ τὸ τέταρτον σκέλος καὶ ἀσύστατον | ἔφαμεν εἶναι τὸ εἰδέναι μέν , νομίζειν δὲ μὴ εἰδέναι . κατὰ πάντα οὖν ταῦτα δεδείχαμεν μὴ δυνάμενον ἀγαθὸν σύμβουλον γενέσθαι . ἡ δὲ λέξις δύο μόνων μέμνηται , τοῦ εἰδέναι καὶ νομίζειν εἰδέναι ( περὶ τούτων δὲ οὐδέποτε Ἀθηναῖοι ἐκκλησιάζουσιν , εἴγε κιθαρίζειν καὶ παλαίειν καὶ γράμματα μόνον ἔμαθεν ) καὶ περὶ ὧν οὐκ οἶδε μέν , γινώσκει δὲ ὅτι οὐκ οἶδεν ( ἐπάγει γὰρ ὅτι ‘οὔτε περὶ οἰκοδομίας αὐτοῖς συμβουλεύσεις’ , ταύτην δὲ μὴ εἰδὼς ὁ Ἀλκιβιάδης ᾔδει ὅτι οὐκ οἶδεν ). Οὐ γάρ που ὅταν γε περὶ οἰκοδομίας : ἰστέον ὅτι οὐχ ὡς εὐτελοῦς ὄντος τοῦ περὶ οἰκοδομίας συμβουλεύειν εἶπεν ὁ Σωκράτης ὅτι ‘οὐ τότε συμβουλεύσεις , ὅτε περὶ οἰκοδομίας βουλεύονται’ , ἀλλ’ ὡς ἀγνοοῦντος τοῦ Ἀλκιβιάδου τὴν οἰκοδομίαν · ἐπήγαγεν γὰρ ὅτι ‘ ὁ ο ἰ κ ο δ ό μ ο ς τ α ῦ τ ά γ ε σ ο ῦ β έ λ τ ι ο ν β ο υ λ ε ύ σ ε ι ’ , ἀντὶ τοῦ ‘ἀκριβῶς τὰ περὶ τῆς οἰκοδομίας’ . φυλαττόμενος γ ὰρ τ οῦτο καὶ παρά δειγμα ἀπὸ τιμιωτέρας τέχνης ἐπήγαγεν εἰπὼν ‘ ο ὐ δ ὲ μ ὴ ν ὅ τ α ν π ε ρ ὶ μ α ν τ ι κ ῆ ς ’ , ἵνα δείξῃ ὅτι οὐ τὸ τίμιον ἢ ἄτιμον τοῦ ὑποκει μένου παρασκευάζει συμβουλεύειν ἢ μή , ἀλλ’ ἡ περὶ τῶν προκειμένων ἀκριβὴς γνῶσις · ὡς γὰρ καὶ ἐφεξῆς εὐθέως φησίν , ‘ ε ἰ δ ό τ ο ς γ ὰ ρ ο ἶ μ α ι π ε ρ ὶ ἑ κ ά σ τ ο υ ἡ σ υ μ β ο υ λ ή , κ α ὶ ο ὐ π λ ο υ τ ο ῦ ν τ ο ς ’ . 107B Οὐδὲ μὴν ὅταν περὶ μαντικῆς : διττή ἐστιν ἡ μαντικὴ παρὰ Πλάτωνι , ἡ μὲν μ α ν ι κ ή τις οὖσα , ὡς ἐν φαίδρῳ φησίν , ἥτις ἐνθουσιαστική ἐστι καὶ | θεία , ἡ δὲ οἶον μαστευτικὴ καὶ ζητητική , ἥτις καὶ τέχνη ἐστίν · περὶ ἧς νῦν διαλέγεται , ὅτι ‘περὶ ταύτης ἄμεινον ὁ μάντις συμβουλεύσει ἢ σύ’ . περὶ γὰρ τῆς προτέρας ὡς μήτε διδακτῆς οὔσης οὔτε συμβου λεύσει τις . 69, 12 Olymp. add. ὁ , cf. Plat. Alc. 107a13. 13 Olymp. om. γάρ post οἰκοδόμος , cf. Plat. Alc. 107a13. 69 5 10 15 20 70 238 C. Text und Übersetzung <?page no="239"?> oder glaubt zu wissen; oder darüber, was man nicht weiß aber glaubt zu wissen; oder darüber, was man weder weiß noch glaubt zu wissen. Auch dass das vierte Glied in sich nicht konsistent ist, haben wir gesagt, nämlich einerseits zu wissen, andererseits aber zu glauben, dass man nicht weiß. Wir haben nach allen diesen [Fällen] aufgezeigt, dass er [sc. Alkibiades] nicht in der Lage ist, ein guter Berater zu werden. Der Text erwähnt dagegen nur zwei [Glieder der Schlussfolgerung]: [Erstens, was] er kennt und glaubt, dass er kennt (über diese [Themen] beraten die Athener niemals in der Volksversammlung, denn [Alkibiades] hat nur Kitharaspielen, Ringen, Lesen und Schreiben 657 gelernt); und [zweitens] über die [Themen], die er einerseits nicht kennt, andererseits erkennt, dass er nicht kennt (denn [Sokrates] fügt hinzu: „ du wirst sie nicht über Bauwesen beraten “ ). Alkibiades kannte diese [Kunst] nicht und sah ein, dass er das nicht kennt). Doch wohl nicht, wenn es um das Bauwesen geht: Man muss wissen, dass Sokrates nicht deswegen, weil über Bauwesen zu beraten wertlos ist, sondern weil Alkibiades über Bauwesen keine Erkenntnis hatte, [das Folgende] sagt: „ Du wirst etwa nicht Rat geben, wenn die Volksversammlung um das Bauwesen geht “ . 658 (Denn er fügte hinzu: „ S i c h e r l i c h w i r d e i n B a u m e i s t e r ü b e r d i e s e D i n g e b e s s e r b e r a t e n a l s d u “ 659 , in dem Sinne: „ [Er wird] über das Bauwesen korrekt [beraten] “ ). Vorsichtig brachte er auch dieses Beispiel von einer würdigeren Kunst vor, indem er sagt: „ A u c h n i c h t , w e n n e s u m d i e W a h r s a g u n g g e h t “ , damit er zeigen kann, dass es nicht die Würde oder Unwürdigkeit des Gegenstands ist, was jemanden vorbereitet oder unvorbereitet zum Beraten macht; sondern die genaue Erkenntnis der vorliegenden Sache. Denn wie [Sokrates] auch direkt darauf sagt: „ I c h d e n k e n ä m l i c h , z u j e d e m [ T h e m a ] R a t z u e r t e i l e n g e h ö r t d e m j e n i g e n , d e r ü b e r d a s W i s s e n v e r f ü g t , n i c h t d e m j e n i g e n , d e r r e i c h i s t . “ 660 107B Aber auch nicht dann, wenn es um die Wahrsagung [geht]: Nach Platon hat die Wahrsagung zwei Arten, von denen die eine in gewisser Weise zur M a n i e gehört, wie er [sc. Platon] im Phaidros sagt 661 , nämlich diejenige, die mit der göttlichen Inspiration verbunden und göttlich ist; die andere [Art] aber ist eine erforschende und untersuchende, die zugleich auch eine Kunst ist. Über diese nun sagt er: „ Darüber wird ein Wahrsager besser beraten als du “ 662 . Denn über die erste [Art der Wahrsagung] wird niemals jemand beraten, da sie nicht lehrbar ist. 69 5 10 15 20 70 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 239 <?page no="240"?> Πρᾶξις σὺν θεῷ ηʹ 107C-108D Ὅταν οὖν περὶ τίνος σκοπῶνται , τότε σὺ ἀνιστάμενος ὡς συμβουλεύσων ὀρθῶς ἀναστήσῃ ; Πάλιν ὡς εὐφυὴς ὁ Ἀλκιβιάδης καὶ ῥητορικὸς ἀποφεύγει τὰς Σωκρα τικὰς ἐρωτήσεις . δειχθεὶς γὰρ μὴ ἀξιόχρεως ὢν σύμβουλος , μήτε περὶ ὧν οἶδεν καὶ οἴεται εἰδέναι , οἶον γραμμάτων , κιθαρῳδίας , πάλης ( οὐ γὰρ περὶ τούτων Ἀθηναῖοι συμβουλεύονται , πῶς δεῖ αὐτοῖς χρῆσθαι , ἀλλ’ εἰ ὅλως δεῖ γραμματιστὴ ν ἢ ἀθλητὴ ν ἢ κιθαριστὴν ἐν τῇ οἰκείᾳ πόλει παραλαμβάνειν ), ἀλλὰ μὴν οὔτε περὶ ὧν οὐκ οἶδεν οὔτε οἴεται εἰδέναι ( ἡ γὰρ ἁπλῆ ἄγνοια οὐχ ἁμαρτημάτων αἰτία ), ἔτι δὲ οὔτε περὶ ὧν οὐκ οἶδε μέν , οἴεται δὲ εἰδέναι ( ‘ε ἰ δ ό τ ο ς γ ὰ ρ π ε ρ ὶ ἕ κ α σ τ ο ν ἡ σ υ μ β ο υ λ ή , κ α ὶ ο ὐ π λ ο υ τ ο ῦ ν τ ο ς ’ ) · τὸ δὲ ἕτερον σκέλος ἀσύστατον ἐδείχθη , τὸ εἰδέναι μέν , οἴεσθαι δὲ μὴ εἰδέναι ( φῶς γὰρ οὖσα ἡ ἐπιστήμη οὐ λανθάνει τὸν ἔχοντα )· δειχθεὶς οὖν ἐν τούτοις μὴ ἀξιόχρεως ὢν σύμβουλος καὶ ἐρωτηθεὶς ὑπὸ τοῦ Σωκράτους , ‘ὅτε οὖν περὶ τίνος βουλεύονται Ἀθηναῖοι , συμβουλεύσεις αὐτοῖς ; ’ εἰδὼς τὴν διαίρεσιν ἄφυκτον οὖσαν ἐᾷ μὲν αὐτήν , ἔξωθεν δὲ ἀποκρίνεται λέγων ‘ ὅ τ α ν π ε ρ ὶ τ ῶ ν ἑ α υ τ ῶ ν π ρ α γ μ ά τ ω ν β ο υ λ ε ύ ο ν τ α ι ’ . καὶ εἰ μὲν κατὰ < τὰς > φιλοσόφους ὑποθήκας ‘ ἑ α υ τ ο ὺ ς ’ μὲν ἐκάλει τὰς ψυχὰς καὶ τὰς κυρίως οὐσίας , ‘ π ρ ά γ μ α τ α ’ δὲ τὰς ἐνεργείας , καλῶς ἂν εἶχεν αὐτῷ ἡ ἀπόκρισις , εἰ καὶ μὴ ἠδύνατο περὶ τούτων συμβουλεύειν . ἐπειδὴ δὲ οὐχ οὕτως , ἀλλ’ ἀδιορίστως ἀπεκρίνατο , ἐρωτᾷ πάλιν αὐτὸν ὁ Σωκράτης · ‘ποίων πραγμάτων ; ἆρα ὅτε π ε ρ ὶ ν α υ π η γ ί α ς ; ’ καὶ καλῶς ἐχρήσατο | τῷ παραδείγματι · εἰ γὰρ καὶ μὴ οἰκεῖον πολιτικοῦ τὸ ναυπηγεῖν , ἀλλ’ οὖν τὸ περὶ ναυπηγίας συμβουλεύειν , οἶον ποίας δεῖ εἶναι τὰς ναῦς , ἆρα στενὰς καὶ μακράς , οἷαί εἰσιν αἱ τριήρεις , ἢ στρογγύλας καὶ πλατείας , οἷαι αἱ ἐμπορικαί . τοιοῦτος γὰρ καὶ ὁ Θεμιστοκλῆς · μὴ ναυπηγῶν αὐτὸς περὶ ναυτικοῦ συνεβούλευεν λύσας 5 10 15 20 25 71 5 240 C. Text und Übersetzung <?page no="241"?> Unterricht 8 mit Gottes Hilfe 107C - 108D Mit welchem Thema würden sie sich dann befassen, wenn du aufstehst, um sie zu beraten, und dabei Recht hast? Erneut vermeidet Alkibiades die Fragen von Sokrates, wie ein Mensch mit natürlicher und rednerischer Begabung. Denn es wurde aufgezeigt, dass er als Berater nicht zu gebrauchen ist - weder über [Themen], die er kennt und glaubt zu kennen, wie Lesen und Schreiben, Kitharaspiel oder Ringkampf (denn die Athener diskutieren bezüglich dieser [Themen] in der Volksversammlung nicht darüber, wie man von diesen Gebrauch machen soll, sondern vielmehr darüber, ob man überhaupt die Elementarlehrer, Athleten oder Kitharaspieler in die eigene Polis aufnehmen soll); sicherlich [wird er] aber auch nicht über die [Themen beraten], die er nicht weiß und nicht glaubt zu wissen (denn die einfache Unwissenheit ist nicht der Grund für Fehler 663 ); noch [wird er] aber über die [Themen beraten], die er nicht weiß aber glaubt, dass er sie weiß ( „ denn z u j e d e m [ T h e m a ] R a t z u e r t e i l e n g e h ö r t d e m j e n i g e n , d e r ü b e r d a s W i s s e n v e r f ü g t , n i c h t d e m j e n i g e n , d e r r e i c h i s t . “ 664 ). Über das andere Glied [der Schlussfolgerung] wurde es bewiesen, dass es in sich nicht konsistent ist, nämlich einerseits zu wissen, andererseits aber zu glauben, nicht zu wissen (denn das Wissen bleibt demjenigen nicht verborgen, der es besitzt, da es eine Art Licht ist. 665 ) Nun also, nachdem es durch diese [Argumente] aufgezeigt wurde, dass er als Berater nicht zu gebrauchen ist, fragte Sokrates ihn: „ Nun über welche [Themen] diskutieren die Athener, wenn du sie beraten wirst? “ Da [Alkibiades] weiß, dass eine Bestimmung 666 unvermeidlich ist, akzeptiert er diese zwar, gibt aber eine Antwort von außerhalb [dieses Bereichs], indem er sagt: „ W e n n s i e f ü r i h r e e i g e n e n A n g e l e g e n h e i t e n R a t s u c h e n “ 667 . Nun, wenn er [sc. Alkibiades] gemäß den philosophischen Grundsätzen ihre Seelen und ihre exakte Wesenheit „ i h r e e i g e n e n “ nennt, ihre Aktivitäten dagegen die „ A n g e l e g e n h e i t e n “ , dann hätte er eine geeignete Antwort, auch wenn er nicht dazu fähig war, über diese [Themen] Rat zu erteilen. 668 Da es aber nicht so ist, sondern er eine ungenaue Antwort gibt, fragt Sokrates ihn erneut: „ Über welche Art der Angelegenheiten? Ist es etwa ü b e r d e n S c h i f f s b a u ? “ . 669 Dabei gebrauchte er ein zutreffendes Beispiel: Denn auch wenn der Schiffsbau sicherlich für einen Politiker nicht eigen ist, ist [ihm] dagegen [eigen], über den Schiffsbau zu beraten, wie etwa welche Beschaffenheit die Schiffe haben sollen, ob schmal und lang - wie die Trieren - oder rund und breit - wie die Handelsschiffe. Denn etwas Derartiges [tat] auch Themistokles: Er war selber kein Schiffsbauer, aber er hat über den Schiffsbau Rat erteilt, als er den Orakelspruch deutete. 670 Darauf 5 10 15 20 25 71 5 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 241 <?page no="242"?> τὸν χρησμόν . ἀποκρίνεται δὲ ὁ Ἀλκιβιάδης · ‘ ὅ τ α ν π ε ρ ὶ π ο λ έ μ ο υ κ α ὶ ε ἰ ρ ή ν η ς βουλεύονται’ . καὶ ἰστέον ὅτι πέντε ὄντων εἰδῶν περὶ ὧν ἐστὶν ἡ συμβουλὴ καὶ γίνεται , ὡς Ἀριστοτέλης ἡμᾶς ἐν Ῥητορικαῖς τέχναις ἐδίδαξε , κατὰ συζυγίαν προερχομένων · ἢ γὰρ περὶ νόμων εἰσηγήσεως καὶ ἀρχόντων καταστάσεως ( καὶ γὰρ καὶ ὁ νόμος οἶον ἄρχων τίς ἐστιν ἄψυχος , ὥσπερ καὶ τὸ ἀνάπαλιν ὁ ἄρχων νόμος ἔμ ψυχος ), ἢ περὶ πόρου καὶ ἀναλωμάτων , ἢ περὶ εἰσαγωγίμων καὶ ἐξαγωγίμων , ἢ περὶ φυλακῆς πόλεως καὶ χώρας , ἢ περὶ πολέμου καὶ εἰρήνης · αὐτὸς ἐάσας τὰ ἄλλα φησίν , ‘ ὅ τ α ν π ε ρ ὶ π ο λ έ μ ο υ κ α ὶ ε ἰ ρ ή ν η ς ’ . τοῦτο δὲ διὰ τρεῖς αἰτίας πεποίηκεν . ἢ γὰρ ὡς φιλόνεικος ὢν καὶ κατὰ τὸ φιλόνεικον εἶδος τῆς ζωῆς ζῶν ‘ π ε ρ ὶ π ο λ έ μ ο υ κ α ὶ ε ἰ ρ ή ν η ς ’ φησίν . εἰ μὲν γὰρ ἀριστοκρατικὸς ἦν , περὶ νόμων εἰσηγήσεως ἂν εἶπεν | καὶ ἀρχόντων καταστάσεως · εἰ δὲ ὀλιγαρχικὸς ἦ ν , περὶ τῶν δύο τῶν ἐφεξῆς , περὶ πόρου καὶ ἀναλωμάτων καὶ εἰσαγω γίμων καὶ ἐξαγωγίμων ( τούτων γὰρ μάλιστα οἱ ὀλιγαρχικοὶ φροντί ζουσιν )· εἰ δὲ δημοκρατικὸς ἦν , περὶ τοῦ τετάρτου ἂν ἔλεγεν , τουτέστι περὶ φυλακῆς πόλεως καὶ χώρας ( ἀντιποιοῦνται γ ὰρ ταύτην διὰ τὴν ἰσηγορίαν καὶ τὸ πάντας ἴσον δύνασθαι )· νῦν δὲ ὡς φιλόνεικος περὶ πολέμου καὶ εἰρήνης εἶπεν . ἢ οὖν διὰ τοῦτο ἢ ὅτι στρατηγικὸς ὢν περὶ τῶν οἰκείων ἑαυτῷ ἐφρόντιζεν · οἰκεῖον γὰρ στρατηγοῦ πόλεμος καὶ εἰρήνη . ἢ διὰ τρίτην αἰτίαν , ὅτι ἑώρα τοὺς Ἀθηναίους θαμὰ περὶ τοῦ πολεμεῖν βουλευομένους ἐν τῷ καιρῷ τούτῳ , ποτὲ μὲν πρὸς Μεγαρέας , ποτὲ δὲ πρὸς Αἰγινήτας καὶ ἄλλους πολλούς . Τριχῶς δὲ ἁμαρτάνει κατὰ τὴν ἀπόκρισιν ὁ Ἀλκιβιάδης . πρῶτον μέν , ὅτι οὐ πρὸς ὁλικώτερον μέρος τοῦ συμβούλου ἤτοι τοῦ πολιτικοῦ ἀπέβλεψεν , κοινὸν ὑπάρχον τῶν εʹ προειρημένων εἰδῶν , τουτέστι τὸ συμφέρον , ἀλλὰ πρὸς τὸ δίκαιον , εἴγε , ὡς δείξομεν , ὁ πόλεμος ἀεὶ διὰ τὸ δίκαιον γίνεται . δεύτερον ὅτι καὶ πρὸς μερικὸν ἀπιδὼν οὐ προηγού μενον εἶπεν τοῦτο , ἀλλὰ περιστατικόν · ἐκ περιστάσεως γὰρ ἐρχόμεθα πρὸς τὸ πολεμεῖν . τρίτον ὅτι καὶ περιστατικὸν εἰπὼν οὐκ ἀπὸ τοῦ 10 15 72 5 10 15 242 C. Text und Übersetzung <?page no="243"?> antwortet Alkibiades: „ W e n n s i e ü b e r K r i e g u n d F r i e d e n Rat suchen “ 671 . Nun muss man wissen, dass es fünf Arten der [Themen] gibt, über die Beratung möglich ist und [über die beraten] wird, wie Aristoteles uns in der Kunst der Rhetorik lehrt, 672 die parallel zueinander erfolgen. Nämlich, entweder über die Einführung der Gesetze und über die Bestimmung der Amtsträger (denn schließlich ist das Gesetz wie ein lebloser Amtsträger, wie umgekehrt ein Amtsträger das lebendige Gesetz ist); oder über die Einkünfte und Ausgaben [der Polis]; oder über die Einfuhr und die Ausfuhr [der Waren]; oder über die Verteidigung der Polis und des Umlands; oder über Krieg und Frieden. Er [sc. Alkibiades] aber lässt die anderen beiseite und sagt „ W e n n e s u m K r i e g u n d F r i e d e n [ g e h t ] “ . Nun kann er das aus drei Gründen gemacht haben: Denn entweder weil er ein kampflustiger Mensch war, der eine kampflustige Art des Lebens führt, hat er „ ü b e r K r i e g u n d F r i e d e n “ gesagt. Wenn er tatsächlich einen aristokratischen Charakter hätte, 673 würde er sagen, dass es um die Einführung der Gesetze und die Bestimmung der Amtsträger geht. Wenn er aber einen oligarchischen [Charakter hätte], [würde er] über die beiden folgenden [Themen reden]: Über die Einkünfte und die Ausgaben [der Polis] sowie über die Einfuhr und die Ausfuhr [der Waren] (die Oligarchen beschäftigen sich nämlich besonders mit diesen [Themen]). Wenn er dagegen einen demokratischen [Charakter hätte], würde er über das vierte [Thema] reden, das heißt, über die Verteidigung der Polis und des Umlands (denn sie stellen dieses [Thema] in den Vordergrund, da sie Redefreiheit und Gleichberechtigung bei allen Handlungen besitzen). Da er ein kampflustiger Mensch ist, sagte er, dass es sich um Krieg und Frieden handelt. Entweder aus diesem Grund, oder weil er den Charakter eines Feldherrn hatte und sich in Gedanken über dazugehörenden [Themen] beschäftigte. Denn Krieg und Frieden sind die eigenen Themenbereiche eines Feldherrn. Oder es gab einen dritten Grund, nämlich, dass er sah, wie oft die Athener in diesem Zeitpunkt über die Kriegsführung Rat suchten, mal gegen die Megarer, ein andermal gegen die Ägineten und gegen viele andere. 674 Bei dieser Antwort, dann, begeht Alkibiades einen dreifachen Fehler. Erstens, da er den umfassenderen Teil eines Beraters und wohl auch eines Politikers übersehen hat, was die gemeinsame Eigenschaft der oben genannten fünf Arten [der Beratung] 675 ist, nämlich die Nützlichkeit - stattdessen achtete er auf das Gerechte, als wäre es, wie wir zeigen werden, 676 dass ein Krieg immer um des Gerechten willen entsteht. Zweitens, indem er den Ausblick auf die Teile hielt, konnte er das nicht als ein Allgemeinprinzip äußern, sondern nur bezüglich der aktuellen Umstände. Denn wir ziehen in den Krieg aufgrund der aktuellen Umstände. Drittens, da auch seine Aussage sich auf die aktuellen Umstände bezog, fing er nicht mit dem überlegeneren und zur Natur passenden [Begriff] 10 15 72 5 10 15 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 243 <?page no="244"?> κρείττονος καὶ κατὰ φύσιν ὄντος ἤρξατο , τῆς εἰρήνης φημί , ἀλλ’ ἀπὸ τοῦ πολέμου , χείρονος ὄντος καὶ παρὰ φύσιν . διὸ καὶ ὁ Σωκράτης ἐπανορθούμενος αὐτὸν λέγει ἐφεξῆς ἀπὸ τοῦ κρείττονος ἀρξάμενος , ‘περὶ εἰρήνης φῂς καὶ πολέμου ; ’ ὅτι γὰρ παρὰ φύσιν ὁ πόλεμος δῆλον κἀκ τῶν ἡμετέρων σωμάτων . ἡνίκα μὲν γὰρ ἠρεμεῖ τὰ στοιχεῖα , ἐν τῷ κατὰ φύσιν ἐσμέν · ἡνίκα δὲ μάχηται ἀλλήλοις , πλεονάζοντος ἑκάστου , τότε ἐν τῷ παρὰ φύσιν . οὕτω μὲν τριχῶς ὁ Ἀλκιβιάδης ἁμαρτάνει . Δεικτέον δὲ καὶ ὅτι τέλος τοῦ πολέμου τὸ δίκαιον καὶ ὅτι τούτου ἐφιέμενοι πολεμοῦσιν οἱ ἄνθρωποι · δείκνυμεν δὲ τοῦτο διὰ δʹ ἐπιχειρη μάτων . πρῶτον μέν , εἰ οἱ μέγιστοι | πόλεμοι διὰ τὸ δίκαιον ὁμολογοῦνται γεγενῆσθαι , οἶον ὁ Τρωϊκὸς καὶ ὁ Περσικός . δεύτερον , εἰ καὶ ὁ φυσικὸς πόλεμος διὰ τὸ δίκαιον γίνεται , ὅτε τὰ ἐναντία μάχεται ἀλλήλοις περὶ τοῦ ὑποκειμένου τόπου λάφυρον ἔχειν τοῦτο βουλομένου ἑκάστου . τρίτον , ὅτι νεκροὺς καὶ ἀνουσίους ἑαυτοὺς ἡγοῦνται οἱ ἄνθρωποι ἡνίκα ἀδικοῦνται , διὸ κινοῦσι τὸν πόλεμον . οὐ γὰρ ὥσπερ τῶν ἄλλων ἀρετῶν ἑκάστη δι’ ἑνὸς μορίου μόνου πεφοίτηκε τῆς ψυχῆς ( οἶον ἡ μὲν σωφρο σύνη διὰ τοῦ ἐπιθυμητικοῦ , ἡ δὲ φρόνησις δι ὰ τοῦ λογικοῦ , ἡ δὲ ἀν δρεία διὰ τοῦ θυμικοῦ ), οὕτω καὶ ἡ δικαιοσύνη · οὐκ ἔστι γὰρ < ἑνὸς μορίου >, ἀλλὰ διὰ πάσης τῆς τριμερείας ἐχώρησε τῆς ψυχῆς , διὸ καὶ ὁμοτίμως ἕκαστον μόριον ἀντιποιούμενον τῆς δικαιοσύνης αἴρεται τὸν πόλεμον ὑπὲρ αὐτῆς . τέταρτον ὅτι , ὥσπερ ἄλλο μὲν τέλος στρατιώτου , ἄλλο δὲ ῥήτορος , ἄλλο δὲ στρατηγοῦ , οὕτω καὶ ἄλλο τέλος πολιτικοῦ . τῷ μὲν γὰρ στρατιώτῃ τέλος τὸ πλουσίῳ γενέσθαι ἀπὸ τῶν λαφύρων · τῷ δὲ ῥήτορι τὸ διὰ τῶν λόγων πεῖσαι πρὸ τῶν ὅπλων , ἵνα , εἰ μὴ πείσοι , τότε παρασκευάσει τὸν στρατηγὸν διὰ τῶν ὅπλων βιάσασθαι τοὺς ἐναντιουμένους ὥστε τὸ δίκαιον ποιῆσαι ( οὕτω γὰρ καὶ οἱ παρ’ Ὁμήρῳ ῥήτορες , Ὀδυσσεὺς κ αὶ Μενέλαος , πρὸ τῆ ς μάχης πεποίηνται πρεσβευό μενοι πρὸς τοὺς Τρῶας )· στρατηγοῦ δὲ τέλος ἡ νίκη καὶ τὸ τῶν πολεμίων κρατῆσαι . καὶ οὐχ ἁπλῶς ἑνὸς ἑκάστου τὸ τῆς νίκης ἐστίν · εἰ γὰρ τοῦ κοινοῦ παντὸς ἡ νίκη , ἡγεμὼν δὲ τοῦ κοινοῦ ὁ στρατηγός , δῆλον ὅτι καὶ τὸ τοῦ κοινοῦ κατόρθωμα εἰς τοῦτον ὁρᾷ , τουτέστιν ἡ νίκη . διὸ καλῶς εἴρηται · 20 25 73 5 10 15 20 244 C. Text und Übersetzung <?page no="245"?> an, ich meine mit dem Frieden, sondern mit dem Krieg, der niedriger und gegen die Natur gerichtet ist. Genau deswegen sagt Sokrates, um ihn zu korrigieren, indem er mit dem überlegeneren [Begriff] anfängt: „ Meinst du über Frieden und Krieg? “ 677 . Dass der Krieg gegen die Natur ist, wird auch auf unseren Körpern deutlich. Denn, wann immer sich die Elemente [des Körpers] ruhen, sind wir in einem natürlichen [Zustand]. Wann immer aber sie miteinander kämpfen, indem jedes [Element] seine Grenzen überschreitet, dann [sind wir] in einem unnatürlichen [Zustand]. Auf diese Weise dann macht Alkibiades einen dreifachen Fehler. Es muss noch aufgezeigt werden, dass das Ziel des Krieges das Gerechte ist und die Menschen Kriege führen, um dieses [Ziel] zu erreichen. Nun zeigen wir das durch vier erweiterte Argumente 678 : Erstens, weil es über die größten Kriege allgemein gesagt wird, dass sie aufgrund des Gerechten entstanden sind, wie der Trojanische Krieg und der Persische Krieg. Zweitens, weil auch der natürliche Krieg aufgrund des Gerechten entsteht, wenn die Gegensätze um ihnen zugrundeliegenden Ort wetteifern, indem jedes ihn zu ihrer eigenen Kriegsbeute machen will. 679 Drittens, weil die Menschen, wann immer sie unrecht erleiden, sich selbst wie Tote und wie Wesenlose betrachten und daher einen Krieg verursachen. Denn [die Gerechtigkeit] ist nicht so, wie die anderen Tugenden, von denen jede einzelne nur einem Teil der Seele zukommt (wie die Besonnenheit zu dem begehrenden [Seelenteil], die Weisheit zu dem vernunftbegabten und die Tapferkeit zu dem affektvollen [Seelenteil gehört] 680 ), so gehört sie [sc. die Gerechtigkeit] nicht nur einem Teil, sondern erstreckt sich auf alle drei Teile der Seele, weshalb jeder einzelne Teil gleichermaßen für die Gerechtigkeit streitet und sich für einen Krieg um ihretwillen entscheidet. Viertens, weil, wie ein Soldat ein Ziel hat, ein Redner aber ein anderes, ein Feldherr wiederum ein anderes, so auch das Ziel eines Politikers anders ist. 681 Denn das Ziel eines Soldaten ist es, durch die Kriegsbeute reich zu werden; [das Ziel] des Redners ist es, durch die Worte zu überzeugen bevor [das] durch die Waffen [gemacht wird], damit er - wenn er nicht überzeugen kann - den Feldherrn darauf vorbereitet, die Gegner durch die Waffen zu überwältigen, damit das Gerechte geschaffen wird (So wurden auch die Redner bei Homer, Odysseus und Menelaos, als Gesandte zu den Trojanern geschickt, bevor der Krieg geführt wurde 682 ). Das Ziel des Feldherrn ist aber der Sieg und die Feinde zu bezwingen. Ferner ist das [Ziel] eines jeden von diesen nicht einfach der Sieg: Denn, wenn der Sieg der ganzen Gemeinschaft gehört und der Feldherr der Anführer der Gemeinschaft ist, wird es darauffolgend deutlich, dass auch der Erfolg der Gemeinschaft, das heißt der Sieg, von ihm abhängig ist. Deswegen wurde zutreffend gesagt: 20 25 73 5 10 15 20 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 245 <?page no="246"?> ‘ ἀ λ λ ’ ὁ σ τ ρ α τ η γ ὸ ς τ ὴ ν δ ό κ η σ ι ν ἄ ρ ν υ τ α ι ’ . τοῦ δὲ πολιτικοῦ τέλος τὸ ἀγαθοὺς καὶ χρηστοὺς | ποιῆσαι τοὺς πολίτας αὐτοῦ , οὐ γὰρ τὸ νικῆσαι ( πολλαὶ γάρ εἰσι Κ α δ μ ε ῖ α ι ν ῖ κ α ι , πολλοῖς ἧτται συνήνεγκαν )· ποιεῖ οὖν αὐτοὺς ἀγαθοὺς διὰ τὸ τοὺς πολεμίους ἀδικοῦντας ἀπείργειν καὶ ἀποδιδόναι τοῖς μὲν νικήσασι τὸ δίκαιον καὶ τὸ μὴ ἀποστερηθῆναι τῶν οἰκείων , τοῖς δὲ ἡττηθεῖσι τὸ μὴ τῶν ἀλλοτρίων κρατεῖν · δίκαιον γ ὰρ καὶ τοῦτο . ὥστε δέδεικται τέλος ὂν τοῦ πολέμου τὸ δίκαιον . καὶ ταῦτα μὲν ἔξωθεν . Ὁ δὲ Σωκράτης δείκνυσι τὸν νέον μηδὲ περὶ τούτων ἀξιόχρεων ὄντα σύμβουλον διὰ τῶν αὐτῶν λόγων ὧν καὶ πρότερον . οὐ γὰρ δέος μὴ κατατριβῶσιν οἱ λόγοι δίκην τῶν παλαιῶν σκευαρίων τῶν ἐν πολλῇ χρήσει παραλαμβανομένων . δείκνυται δὲ μήτε περὶ πολέμου καὶ εἰρήνης ἀγαθὸς ὢν σύμβουλος ὁ Ἀλκιβιάδης , ἐπειδὴ οὔτε ἔμαθεν οὔτε η ὗρεν οὔτε ἐζήτησεν τὸ δίκαιον , ὅπερ τέλος τοῦ πολέμου . πρὸς δὲ τοῦτο παραλαμβάνει ὁ Σωκράτης δύο παραδείγματα , τὸ τῆς γυμναστικῆς καὶ τὸ τῆς μουσικῆς , οἰκεῖα ὄντα καὶ σαφῆ . δεῖ γὰρ τὰ παραδείγματα καὶ σαφέστερα εἶναι ὧν εἰσὶν παραδείγματα καὶ οἰκεῖα τούτοις . οἷάπερ εἰσὶ καὶ τὰ παρόντα · σαφῆ μέν , ἐπειδὴ ταῦτα προεπεπαίδευτο ὁ Ἀλκι βιάδης , οἰκεῖα δ έ , ἐπειδὴ καὶ ἡ πάλη μικρός τίς ἐστι πόλεμος , ἡ δὲ μουσικὴ καὶ αὕτη οἰκεία τῇ εἰρήνῃ διὰ τὸ ἐν ἀμφοτέραις θυμηδίαν εἶναι . ἐν δὲ τούτοις οὔτε ἄμφω διδάσκει ὁ Σωκράτης ( οὐ γὰρ ἐβούλετο διδάσκαλος μόνον εἶναι , ἀλλὰ καὶ μαιευτής ) οὔτε ἄμφω ἐρωτᾷ ( ἄγονος γὰρ ἔμελλεν εἶναι ἡ μαιεία μηδὲν προδιδαχθέντος τοῦ νέου )· τὰ μὲν οὖν διδάσκει , τὰ δὲ ἐρωτᾷ . καὶ προτάττει τὴν διδασκαλίαν τῆς ἐρωτήσεως , οὐχ | ἁπλῶς , ἀλλ’ ἵνα γόνιμος ἐντεῦθεν ἔσεται ἡ μαιεία . καὶ διδάσκει μὲν ἕν , ἐρωτᾷ δὲ δύο ( ἐπάγει γὰρ τρία , καὶ τί τέλος τοῦ πολιτικοῦ )· οὐ μάτην δὲ δύο ἐρωτᾷ , ἀλλ’ ἵνα πλουσιωτέρα τῆς διδασκα λίας ἡ μαιεία γένηται . διδάσκει οὖν τὸ πρῶτον λέγων ὅτι ‘καθάπερ ἐγὼ τὸ κατὰ τὴν γυμναστικὴν ὀρθῶς ἔχον ἤτοι τὸ τέλος τῆς γυμναστι κῆς λέγω εἶναι τὸ γυμναστικῶς , οὕτω καὶ σὺ λέγε μοι τί τὸ τέλος τῆς μουσικῆς’ · καὶ μετὰ πολλὰ ἀποκρίνεται ὁ νέος ὅτι ‘τὸ μουσικῶς’ . ἰστέον δὲ ὅτι τριττόν ἐστι τὸ μουσικῶς , ἢ γὰρ ἐν ᾠδῇ ἢ ἐν ῥυθμῷ ἢ 74 5 10 15 20 75 5 246 C. Text und Übersetzung <?page no="247"?> „ D e r F e l d h e r r t r ä g t a l l e i n d e n R u h m d a v o n “ . 683 Dagegen ist das Ziel des Politikers, seine Bürger zu guten und nützlichen Menschen zu machen, 684 nicht etwa einen Sieg zu erringen (denn es gibt viele K a d m e i s c h e S i e g e 685 und vielen sind Niederlagen zugestoßen). Er macht sie nun zu guten Menschen, indem er die Feinde, die ungerecht handeln, abhält und die Rechte einteilt: einerseits den Siegern, dass ihre Besitztümer nicht entzogen werden; andererseits den Besiegten, dass sie nicht über den Besitz herrschen, der den anderen gehört. Denn auch das ist gerecht. Somit wurde aufgezeigt, dass das Ziel des Krieges das Gerechte ist. Und diese [Themen waren] von außerhalb [des Texts]. Sokrates zeigt dem Jüngling, durch seine eigenen Worte, die er vorher [äußerte], 686 dass er als Berater über diese [Themen] nicht zu gebrauchen ist. Denn man muss es nicht fürchten, dass die Worte abgenutzt werden wie alte Kleidungstücke, die für einen langzeitigen Gebrauch [von einem Besitzer zum anderen] überliefert werden. 687 Nun demonstriert er, dass Alkibiades über Krieg und Frieden kein guter Berater ist, da er das Gerechte, was das Ziel des Krieges ist, weder gelernt noch gefunden, noch untersucht hat. Zu diesem Zweck benutzt Sokrates zwei Beispiele - die Gymnastik und die Musik - die [für Alkibiades] bekannt und verständlich sind. 688 Denn die Beispiele sollen verständlicher sein als die Dinge, für die sie Beispiele sind, und [sie sollen] für diese bekannt sein. Und solche sind auch diese vorliegenden [Beispiele]. Zum einen sind sie verständlich, weil Alkibiades schon in diesen [Themen] gebildet wurde; zum anderen sind sie bekannt, da der Ringkampf eine Art kleiner Krieg ist, die Musik aber wohl selbst relevant zum Frieden, da sich in diesen beiden [Bereichen] etwas Angenehmes befindet. Was diese [Fächer] angeht, weder lehrt Sokrates die beiden (denn er wollte nicht nur ein Lehrer sein, sondern eine Hebamme) noch fragt er nach diesen beiden (denn wäre die Geburtshilfe fruchtlos, wenn der Jüngling vorher nichts gelernt hätte 689 ). Einige [Sachen] lehrt [Sokrates], andere fragt er. Und er setzt die Lehre vor der Befragung, nicht unbegründet, sondern damit [seine] Geburtshilfe von diesem [Anfang] her fruchtbar sein kann. Er lehrt zwar auch ein [Thema], fragt dennoch nach zwei [anderen] (denn er fügt eine dritte [Frage] hinzu, nämlich, was das Ziel eines Politikers ist). Nicht vergeblich fragt er bei zwei [Themen] nach, sondern damit die Geburtshilfe fruchtbarer wird als die Belehrung. 690 Er lehrt nun das Erste, indem er sagt: „ Genau wie ich nach Regeln der Gymnastik das Sachgerechte, oder das Ziel der Gymnastik als die gymnastische [Leistung] bezeichne, kannst du auch mir sagen, was das Ziel der Musik ist? “ 691 . Und nach langer Überlegung antwortet der Jüngling: „ Die musische [Leistung] “ . Nun muss man wissen, dass die musische [Leistung] drei Teile hat, nämlich, der Gesang, der Rhythmus und 74 5 10 15 20 75 5 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 247 <?page no="248"?> ἐν μέλει . θεωρεῖται δὲ ἡ μὲν ᾠδὴ ἐν μέτρῳ · οὐδὲν γάρ ἐστιν ᾠδὴ ἢ λόγος ἔμμετρος καὶ τέλος αὐτῆς ἢ τὸ ᾠδικῶς ἢ τὸ ἐμμέτρως . πάλιν δὲ ὁ ῥυθμὸς θεωρεῖται ἐν ἄρσει καὶ θέσει καὶ τέλος αὐτοῦ τὸ ἐνρύθμως τὸ δὲ μέλος ἐστὶν ἐν ἁρμονίᾳ , τέλος δὲ αὐτοῦ ἢ τὸ ἐμμελῶς ἢ τὸ ἁρμονικῶς . πάλιν δὲ ἐρωτᾷ τί τέλος τοῦ πολιτικοῦ , καὶ ὁμοίως μετὰ πολλὰ ἀποκρίνεται ὅτι ‘τὸ δίκαιον’ . Καὶ ἀπορεῖ ὁ φιλόσοφος Πρόκλος ἐνταῦθα , πῶς ἐπὶ μὲν τῶν ἄλλων παρωνύμως ἔλεγεν τὰ τέλη , ἀπὸ μὲν τῆς γυμναστικῆς τὸ γυμναστικῶς , ἀπὸ δὲ τῆς μουσικῆς τὸ μουσικῶς , ἐπὶ δὲ τοῦ πολιτικοῦ οὐχ οὕτως πεποίηκεν · οὐ γὰρ εἶπεν τέλος αὐτοῦ τὸ πολιτικῶς . καὶ λύει τοῦτο ὁ αὐτὸς παγκάλως λέγων ὅτι καὶ ἐνταῦθα παρωνύμως εἶπεν , τάχα δὲ οὐ παρωνύμως , ἀλλ’ ὡς τὰ ἀφ’ ἑνός · ἐν δὲ τοῖς ἀφ’ ἑνὸς οὐ χρεία κοινωνίας ὀνομάτων καὶ διαφορᾶς , ἀλλὰ μόνον πράγματος καὶ δια φορᾶς . οὐ διαφέρει δὲ δικαιοσύνη πολιτείας ἢ τῷ μικρῷ καὶ μεγάλῳ · ὃ γὰρ δικαιοσύνη ἐν ψυχῇ , τοῦτο πολιτεία ἐν πόλει . διὸ καὶ ὁ Πλάτων τὴν Πολιτείαν ἐπέγραψεν ‘ Π ο λ ι τ ε ί α ἢ π ε ρ ὶ δ ι κ α ί ο υ ’ . Ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία . 107C Ὅταν οὖν περὶ τίνος σκοπῶνται καὶ τὰ ἑξῆς : ἐπειδὴ διὰ τῶν φθασάντων ἐδείχθη ὁ νέος ἐν οὐδενὶ σκέλει τῆς εἰρημένης διαιρέσεως ἀξιόχρεως ὢν σύμβουλος , ἐρωτᾷ νῦν αὐτὸν ὁ Σωκράτης , ‘ἐν ποίοις οὖν αὐτὸς ἀναστήσῃ συμβουλεύσων , εἴγε ἐν τοῖς προλαβοῦσιν οὐ φῂ ς συμ βουλεύσειν ; ’ ὁ δὲ ὡς εὐφυὴς οὔτε ἀπὸ τῆς διαιρέσεως ἀποκρίνεται , εἰδὼς αὐτὴν ἄφυκτον οὖσαν οὔτε δὲ ἀπορεῖ ἀποκρίσεως , ἀλλά φησιν ἔξωθεν ἀπροσδιορίστως · ‘ ὅ τ α ν π ε ρ ὶ τ ῶ ν ἑ α υ τ ῶ ν π ρ α γ μ ά τ ω ν ’ . Τῶν περὶ ναυπηγίας λέγεις : τοῦ νέου ἀπροσδιορίστως χρησαμένου τῇ ἀποκρίσει ὁ Σωκράτης ἐρωτᾷ ταῦτα . καὶ καλῶς ἐχρήσατο τῷ παρα δείγματι · οὐ γὰρ ἀπρόσφορον , εἴγε δυνατὸν ἔστιν ὅτε τῷ πολιτικῷ περ ὶ νεῶν κατασκευῆς συμβουλεύειν , εἰ καὶ μὴ αὐτὸς ναυπηγεῖ . ὁ δὲ Ἀλκι βιάδης ἀρνεῖται λέγων ‘οὐκ ἔγωγε , ὦ Σώκρατες’ . καὶ ἰστέον ὅτι οὐ 10 15 20 25 76 5 10 248 C. Text und Übersetzung <?page no="249"?> die Melodie. 692 Der Gesang wird, dann, entsprechend dem Metrum untersucht. Denn der Gesang ist nichts anderes als das Wort im Metrum und sein Ziel ist entweder die gesangliche oder die metrische [Leistung]. Erneut wird der Rhythmus nach Arsis und Thesis 693 untersucht und sein Ziel ist die rhythmische [Leistung]; die Melodie aber liegt in der Harmonie, ihr Ziel ist die melodische oder die harmonische [Leistung]. Nochmal fragt er [sc. Sokrates], was das Ziel des Politikers ist und er [sc. Alkibiades] antwortet, ebenfalls nach vielen Überlegungen: „ das Gerechte “ . Hier rätselt hier der Philosoph Proklos, warum er [sc. Alkibiades] über die anderen ein paronymisches Ziel nannte, - wie für die Gymnastik die gymnastische [Leistung], für die Musik dann die musische [Leistung] 694 - über [das Ziel] des Politikers dagegen nicht so gemacht hat. Denn er sagte nicht, dass sein Ziel die politische [Leistung] ist. Doch er [sc. Proklos] selbst bietet eine wunderschöne Lösung dafür, indem er sagt, dass er auch hier ein paronymisches Wort nannte: Zwar nicht unmittelbar paronymisch, sondern wie aus einem [bestimmten Sinn]. 695 In diesen Fällen, [die] aus einem Sinn [hergeleitet werden], ist die Ähnlichkeit oder der Unterschied der Wörter nicht wichtig, sondern nur [die Ähnlichkeit oder] der Unterschied der Angelegenheit [die sie ausdrücken]. In der Tat gibt es keinen Unterschied zwischen der Gerechtigkeit und der Staatsverfassung, weder einen kleinen noch einen großen [Unterschied]. Denn, was die Gerechtigkeit in der Seele ist, ist die Verfassung in der Polis. Aus diesem Grund betitelte Platon die Politeia „ D i e S t a a t s v e r f a s s u n g o d e r ü b e r d i e G e r e c h t i g k e i t “ 696 . Das hat die Theorie 107C Wenn nun sie über welches Thema Rat suchen und Folgendes: Nachdem durch die vorherigen Aussagen gezeigt wurde, dass der Jüngling in keinem Glied der genannten Aufteilung ein beachtenswerter Berater ist, fragt Sokrates ihn nun: „ In welchen [Themen] wirst du dich dann erheben, um sie zu beraten - wenn du sagst, dass du nicht in diesen vorher genannten [Themen] beraten wirst? “ . Darauf gibt er, dank seiner natürlichen Begabung, keine Antwort aus dieser Aufteilung (da er sieht, dass es unvermeidlich ist), dennoch ist er nicht ratlos um eine Antwort, sondern gibt [eine Antwort] vom außerhalb [dieser Aufteilung] ohne deutliche Bestimmung: „ W e n n s i e ü b e r i h r e e i g e n e n A n g e l e g e n h e i t e n [ b e r a t s c h l a g e n ] “ . Meinst du, es handelt sich um das Schiffsbauwesen? Nachdem der Jüngling auf die Frage von Sokrates eine Antwort ohne deutliche Bestimmung gegeben hat, stellt Sokrates diese Frage. Hier wählt er auch ein gutes Beispiel aus: Denn es ist nicht ganz unangemessen, wenn ein Politiker dazu fähig ist, über das Schiffsbauwesen zu beraten, auch wenn er nicht selber Schiffe baut. Alkibiades aber lehnt das ab, indem er sagt: „ Auf keinen Fall, Sokrates! “ . Man 10 15 20 25 76 5 10 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 249 <?page no="250"?> διὰ τὸ εὐτελὲς τοῦ παραδείγματός φησιν μὴ συμβουλεύειν περὶ τούτου , ἀλλὰ διὰ τὸ ἀγνοεῖν . ἤδη γὰρ ὠφέλητο παρὰ τοῦ Σωκράτους ὅτι ε ἰ δ ό τ ο ς π ε ρ ὶ ἕ κ α σ τ ο ν ἡ σ υ μ β ο υ λ ή , κ α ὶ ο ὐ π λ ο υ τ ο ῦ ν τ ο ς . ὅτι δὲ τοῦτο αἴτιον , δῆλον καὶ ἐκ τῶν ἐπαγομένων · τοῦ γὰρ Σωκράτους ἐρωτήσαντος , ‘ἆρα ἐπειδὴ σὺ ναυπηγεῖν οὐκ ἐπίστασαι ; ’ ὁ νέος συνέθετο . 107D Ὅταν περὶ πολέμου , ὦ Σώκρατες , ἢ περ ὶ εἰρήνης ἢ ἄλλου του τῶν τῆς πόλεως πραγμάτων : ἰδοὺ ὁ Ἀλκιβιάδης οὐ μόνον περὶ πολέμου φησὶν συμβουλεύσειν , ἀλλὰ καὶ περὶ τῶν ἄλλων τεσσάρων συζυγιῶν · ταύτας γὰρ εἰσάγει διὰ τοῦ εἰπεῖν ‘ ἢ ἄ λ λ ο υ τ ο υ ’ . καὶ ζητητέον διὰ τί | ἐπὶ μὲν τῶν ἄλλων ἀνωνύμως εἶπεν , ἐπὶ δὲ τοῦ πολέμου οὐ μόνον ὀνομαστί , ἀλλὰ καὶ ἐν ἀρχῇ εὐθέως τοῦ λόγου αὐτὸν ἔταξεν . ἤ φαμεν ὅτι καθ’ ἣν ζ ωὴν ζῶμεν , κατὰ ταύτην καὶ τὰ πρῶτα ῥήματα φθεγγόμεθα · δηλοῦται γὰρ διὰ τῶν πρώτων ἡμῶν φωνῶν , ποῖος ὁ βίος ἡμῶν καὶ τίσιν ἡδόμεθα . ἐπειδὴ οὖν στρατηγικὸς καὶ ἀήττητος ὡμολό γηται γενέσθαι , οὕτω προήγαγε τὸν λόγον . ἱστορεῖται γὰρ ὅτι ἔνθα ἂν ἔρρεψεν ἐνίκα , καὶ πολλὴν ἐποίει ῥοπήν . ὥστε εἰκότως περὶ τῶν οἰκειοτέρων αὐτῷ καὶ ὅπου μάλιστα ἴσχυεν ἀπεκρίνατο . Ἆρα λέγεις ὅταν βουλεύωνται πρὸς τίνας χρὴ εἰρήνην ποιεῖσθαι καὶ τίσιν πολεμεῖν καὶ τίνα τρόπον ; ἰστέον ὅτι ἐπανορθούμενος τὸν νέον ὁ Σωκράτης , ὡς προείρηται , τὸ κατὰ φύσιν προέταξεν εἰπὼν ‘ π ρ ὸ ς τ ί ν α ς χ ρ ὴ ε ἰ ρ ή ν η ν π ο ι ε ῖ σ θ α ι ’ . παραλαμβάνει δὲ ἐνταῦθα πάντα τὰ περιστατικά , οἶον πρόσωπον , πρὸς τίνας δεῖ πολεμεῖν , ὁμόρους ἢ ξένους · τίνα τρόπον , ναυμαχοῦντας ἢ πεζομαχοῦντας · ἐν ποίᾳ γῇ , τῇ ἡμετέρᾳ ἢ τῶν πολεμίων · ἐν ποίῳ χρόνῳ , θέρους χειμῶνος · καιρῷ , νύκτωρ μεθ’ ἡμέραν . 107E Εἰ οὖν βουλεύοιντο Ἀθηναῖοι τίσιν χρὴ προσπαλαίειν ἢ τίσιν ἀκροχειρίζεσθαι : ἐντεῦθεν ἄρχεται τῶν παραδειγμάτων ὁ Σωκράτης καὶ παραλαμβάνει πάλιν καὶ ἐνταῦθα πάντα τὰ περιστατικά . ἰστέον δὲ ὅτι ἐοίκασι τὰ παραδείγματα τοῦ Σωκράτους σπινθῆρι · ὥσπερ γὰρ ὁ σπινθὴρ ἐν θημωνιᾷ ἀχύρων ἐμπεσὼν μεγάλην ἐγείρει πυρκαϊάν , οὕτω 15 20 77 5 10 15 20 250 C. Text und Übersetzung <?page no="251"?> muss nun wissen, dass er sagt, er würde nicht darüber beraten, nicht deswegen, weil dieses Beispiel wertlos ist, sondern weil er darüber nichts weiß. Denn er hatte dazu bereits eine Hilfe von Sokrates, [in der Aussage,] dass z u j e d e m [ T h e m a ] R a t z u e r t e i l e n d e m j e n i g e n g e h ö r t , d e r ü b e r d a s W i s s e n v e r f ü g t , n i c h t d e m j e n i g e n , d e r r e i c h i s t . 697 Dass diese [sc. die Unwissenheit] der Grund [für die Antwort von Alkibiades] ist, wird aus den folgenden [Aussagen] klar: Denn als Sokrates fragte: „ Ist es etwa deswegen, weil du über den Schiffsbau kein fundiertes Wissen hast? “ , stimmte der Jüngling zu. 107D Wenn es um Krieg geht, Sokrates, oder um Frieden oder um irgendeine andere von den Angelegenheiten der Polis: Siehe, dass Alkibiades sagt, dass er nicht nur über den Krieg beraten wird, sondern auch über die anderen vier damit verbundenen [Themen]. 698 Denn er fügt diese hinzu, als er sagt: „ o d e r u m i r g e n d e i n e a n d e r e “ . Nun soll es untersucht werden, warum er die anderen [Themen] ohne ihren Namen erwähnt, den Krieg aber nicht nur namentlich [erwähnt], sondern auch direkt zum Anfang seiner Aussage gestellt hat. Dazu sagen wir, dass unsere ersten Worte sich nach dem [Prinzip] richten, nach dem wir unser Leben führen. Denn es wird durch unsere ersten Worte verraten, welche Art des Lebens uns gehört und woran wir Freude haben. Da nun allgemein bekannt ist, dass er [sc. Alkibiades] ein unbesiegter Feldherr gewesen ist, hat er seine Rede auf diese Weise vorgestellt. Denn man erzählt, dass er gewann, wo auch immer er [in der Schlacht] Einfluss hatte - und er hatte einen großen Einfluss. 699 Daher ist es verständlich, dass er hier eine Antwort gegeben hat, die für ihn bekanntere Themen 700 beinhaltet, in denen seine Stärke besonders lag. Meinst du etwa, wenn sie darüber beraten, mit wem sie Frieden schließen und mit wem sie Krieg führen sollen und auf welche Art und Weise? Man muss wissen, dass Sokrates, um den Jüngling zu korrigieren, - wie vorher erwähnt wurde - das voranstellt, was der Natur gemäß ist, und sagt: „ M i t w e m s i e F r i e d e n s c h l i e ß e n s o l l e n “ 701 . Er nimmt hier auch alle [dazu gehörende] Zusammenhänge auf, wie den Charakter [des Feindes], gegen den man Krieg führen soll: ob sie Grenznachbarn oder Fremde sind. Auf welche Art und Weise: Seeschlacht oder Kampf zu Fuß. In welchem Ort: in unserem Land oder in dem des Feindes. Zu welcher Zeit: im Sommer oder im Winter. Der richtige Zeitpunkt: in der Nacht oder am Tag). 107E Nun, wenn die Athener darüber beraten würden, mit wem sie im Nahkampf und mit wem sie auf Distanz ringen sollen: Ab hier fängt Sokrates an, Beispiele zu geben und nimmt erneut auch hier alle [zu dem Thema gehörende] Zusammenhänge auf. Man muss das wissen, dass die Beispiele von Sokrates ähnlich wie ein Funke sind: Wie ein kleiner Funke ein großes Feuer 15 20 77 5 10 15 20 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 251 <?page no="252"?> καὶ ἐκ τῶν παραδειγμάτων τοῦ Σωκράτους ἐκλάμπουσιν οἱ καθόλου λόγοι τῆς ψυχῆς . 108B Σὺ δ’ ἐκεῖνο τί καλεῖς ; Οὐκ ἐννοῶ : διδάξας ὁ Σωκράτης τί τέλος τῆς γυμναστικῆς , μαιεύεται τὸν νέον εἰπεῖν τί τέλος τῆς μουσικῆς · ὁ δέ φησιν ἀπορεῖν . καὶ ζητητέον , | πῶς εὐφυὴς ὢν ὁ Ἀλκιβιάδης οὔτε μαιευόμενος λέγει τὸ ἐρωτώμενον . πρὸς τοῦτο δὲ οἱ μέν φασιν · ἐπειδὴ καὶ κοινὸν ἦν τέλος τῆς μουσικῆ ς , τὸ μουσικῶς , ἦν δὲ καὶ τοῦ κατ’ εἶδος , οἶον τῆς μὲν ᾠδῆς τὸ ᾠδικὸν < ἢ > τὸ ἔμμετρον , τοῦ δὲ ῥυθμοῦ τὸ ῥυθμικὸν ἢ τὸ ἁρμονικόν , τοῦ δὲ μέλους τὸ ἐμμελές , ἠπόρει πότερον τὸ κοινὸν ἀπαιτεῖται τέλος ἢ τὸ κατ’ εἶδος ἕκαστον , καὶ διὰ τοῦτο εἶπεν ‘ ο ὐ κ ἐ ν ν ο ῶ ’ . ἀλλ’ αὕτη ἡ ἐξήγησις οὐ συνᾴδει τῷ ῥητῷ · μικρὸν γὰρ ὕστερον ἐπὶ λέξεως ἁπάσης τῆς μουσικῆς ἐρωτώμενος τὸ τέλος οὐδ’ οὕτω λέγει . ἔστιν οὖν ἡ ἀληθινὴ λύσις ὅτι ὁ μὲν Σωκράτης τὰ τρία εἴδη ὡς ἓν εἰδὼς ὡς ἓν καὶ ἠρώτησε τὸν νέον , ὁ δὲ τὰ τρία μαθὼν ὡς τρία ἠπόρει ποῖον ἀποκρίνεται , ἆρα τὸ ᾠδικὸν ἢ τὸ ἐμμελὲς ἢ τὸ ἔρρυθμον . ὅτι γὰρ ὡς ἓν ὁ Σωκράτης ᾔδει τὰ τρία δῆλον ἐντεῦθεν , ἐκ τοῦ πολιτικὸν αὐτὸν εἶναι · ὁ δὲ πολιτικὸς βουλομένῳ τινὶ τυχὸν ἀνδρεῖα ἤθη μαθεῖν πρῶτον ἐντίθησιν αὐτῷ τοιαύτας ἐννοίας , εἶτα καὶ λέξεις αὐταῖς ἐπιτηδείας ἐφευρίσκει καὶ μέτρον ( ἡ γὰρ ᾠδὴ λόγος ἔμμετρος ), τελευταῖον δὲ καὶ μέλη ἐπάγει τοιαῦτα , ἐξ ὧν ἁπάντων ἀνδρεῖα ἤ θη παρασκευάζει . Ὀρθῶς δὲ δήπου ἔχει τὸ κατὰ τὴν τέχνην γινόμενον : ἰστέον ὅτι οὐ τὸ τίμιον ὑποκείμενον ὀρθῶς ἔχειν ποιεῖ . οὐ γὰρ ταὐτὸν κάλλιστον καὶ τὸ κατὰ τέχνην γινόμενον · κἂν γὰρ αἰσχρὸν ᾖ τὸ ὑποκείμενον , κατὰ δὲ τέχνην γίνεται , ὀρθῶς ἔχει . οἶον οὐχ ὁ κάλλιστον γράφων τὸν Θερσίτην , οὗτος κατὰ τέχνην γράφει αὐτόν , οὐδ’ ὁ τὸν ὀφθαλμὸν ἀπὸ τοῦ τιμιω τάτου τῶν χρωμάτων , οἶον τοῦ κυανοῦ · ἀλλὰ τότε ἐστὶν εἰπεῖν ταῦτα ὀρθῶς ἔχειν , ὅτε κατὰ τέχνην γράφει τις τὸν Θερσίτην , κἂν αἰσχρὸς ᾖ , καὶ ἐκ τῶν προσφόρων χρωμάτων τὸν ὀφθαλμόν , εἰ καὶ μὴ ἐκ τ οῦ τιμίου . 25 78 5 10 15 20 25 252 C. Text und Übersetzung <?page no="253"?> verursacht, wenn es in einen Streuhaufen fällt; so lassen die Beispiele von Sokrates die universellen Prinzipien der Seele 702 ans Licht kommen. 108B [Sokrates: ] Wie bezeichnest du das? [Alkibiades: ] Ich verstehe es nicht: Nachdem Sokrates das Ziel der Gymnastik gelehrt hat, leistet er dem Jungen Geburtshilfe, damit er das Ziel der Musikkunst sagen kann. Er dagegen sagt, dass er unsicher ist. Auch das muss untersucht werden, warum Alkibiades, als ein von Natur aus begabter Mensch, auch nicht durch die Geburtshilfe in der Lage war, die Frage zu beantworten. Nun sagen einige darauf: Da das Ziel der Musikkunst ein universeller Begriff ist, das heißt die musische [Leistung] - das ist auch bei den spezifischen [Künsten] so, zum Beispiel [das Ziel] des Gesanges [ist] das Gesangliche und das Metrische; das [Ziel] des Rhythmus [ist] aber das Rhythmische und das Harmonische; das [Ziel] der Melodie [ist] das Melodische - , war Alkibiades sich nicht sicher, ob [Sokrates] nach dem Ziel als universellem Begriff oder dem von jeder einzelnen Art gefragt hat, und sagte aus dem Grund „ i c h v e r s t e h e e s n i c h t “ . Allerdings ist diese Interpretation nicht in Übereinstimmung mit dem Gesagten [im Dialog]. Denn kurz darauf, als er [sc. Alkibiades] nach dem Begriff für das Ziel der gesamten Musikkunst gefragt wird, sagt er nicht das Gleiche. 703 Daher ist die richtige Lösung, dass Sokrates die drei Arten [der Musik] als eine einzelne Art verstand und den Jüngling auch nach solcher gefragt hat; er [Alkibiades] dagegen, da er drei [Arten] als drei unterschiedliche [Sachen] gelernt hat, nicht wusste, wie er antworten soll, [nämlich] ob es das Gesangliche, das Melodische oder das Rhythmische ist. Denn, dass Sokrates die drei [Arten] wie eine Einheit dachte, wird daraus deutlich, dass er ein Politiker war. 704 Wenn ein Politiker jemandem trifft, der eine tapfere Verhaltensweise erlernen möchte, prägt er ihm zuerst solche Konzepte [der Tapferkeit] ein, und danach findet er daraus zu diesen passende Wörter und Meter (denn Gesang ist das Wort in Meter); schließlich fügt er eine passende Melodie hinzu: Aus allen diesen stellt er die tapfere Verhaltensweise bereit. Wahrscheinlich ist das Sachgerechte, was nach [den Regeln] des Fachwissens zustande kommt: Man muss wissen, dass [Sokrates] das Sachgerechte nicht als das hochgeschätzte Thema definiert. Denn, was gemäß dem Fachwissen geschieht, ist nicht das Gleiche mit dem Schönsten. Auch wenn ein Thema niedrig ist, aber gemäß dem Fachwissen geschieht, ist es richtig. Beispielsweise, wer ein [Bild von] Thersites malt, [malt] ihn nicht als den Schönsten 705 , sondern malt ihn gemäß dem Fachwissen; noch [malt jemand] sein Auge mit der teuersten Farbe, wie das Blau. 706 Auch in diesem Fall muss man sagen, dass sie es richtig machen, da einer Thersites gemäß dem Fachwissen malt - auch wenn er hässlich ist - und mit den passenden Farben das Auge, wobei nicht mit den teuren. 25 78 5 10 15 20 25 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 253 <?page no="254"?> 108C Ἴθι δὴ καὶ σύ : πολὺ τὸ ‘ ἴ θ ι ’ ἐστὶν εὑρεῖν παρὰ τῷ Πλάτωνι , οἰκεῖον δὲ τοῦτο ψυχῇ μεταβατικῶς νοούσῃ τὰ πράγ | ματα καὶ οὐκ ἀθρόως καθάπερ ὁ νοῦς . ἐπάγει δὲ τὸ ‘πρέποι γὰρ ἄν που καὶ σοὶ τὸ καλῶς διαλέγεσθαι’ , τουτέστι ‘καλῷ ὄντι σοι πρέπει τὸ καλῶς περὶ τῶν πραγμάτων ἐρεῖν’ . Τίς ἡ τέχνη ἧς τὸ κιθαρίζειν καὶ τὸ ᾄδειν καὶ τὸ ἐμβαίνειν ὀρθ ῶς ; συνάπασα τίς καλεῖται ; ἰδοὺ ἐνταῦθα κοινῶς τῶν τριῶν εἰδῶν ἐρωτώ μενος εἰπεῖν τὸ τέλος οὐ λέγει . τὸ μὲν οὖν κιθαρίζειν ἐπὶ τοῦ μέλους εἶπεν , τὸ δὲ ᾄδειν ἐπὶ τῆς ᾠδῆς , τὸ δὲ ἐμβαίνειν ἐπὶ τοῦ ῥυθμοῦ · κοινὸν γὰρ ὄνομα ἡ βάσις ἄρσεως καὶ θέσεως , ἅπερ εἰσὶ τοῦ ῥυθμοῦ . πῶς οὖν οὔτε ὅλης τῆ ς μουσικῆς δύναται τὸ τέλος εἰπεῖν ; ἢ τοῦτο λυτέον κατὰ τὴν εἰρημένην δευτέραν ἐξήγησιν . ἰστέον δὲ ὅτι τὸ ὅλον παρὰ τῷ Πλάτωνι τριττόν ἐστιν , ἢ πρὸ τῶν μερῶν ἢ ἐν τῷ μέρει ἢ ἐν τοῖς μέρεσι . καὶ πρὸ μὲν τῶν μερῶν ἐστὶν ᾧ λόγῳ τις ἀποβαλὼν ὀδόντα πάλιν φύει ἕτερον , ὡς τῆς φύσεως ἐχούσης τοὺς λόγους τοῦ καθόλου · ἐν δὲ τῷ μέρει ἐστίν , ὡς ὅταν τις ἀπὸ μέρους γνῷ τὸ ὅλον , ὥσπερ οἱ Πελοπίδαι ἀπὸ τοῦ ὤμου ἐλεφαντίνου ὄντος , καὶ τὸ ἐν τῇ παροιμίᾳ λεγόμενον ‘ ἐ ξ ὄ ν υ χ ο ς τ ὸ ν λ έ ο ν τ α ’ , ὡς τοῦ μέρους ἑκάστου τοὺς καθολι κοὺς λόγους ἔχοντος · ἐν δὲ τοῖς μέρεσίν ἐστι τὸ ἐν τῇ ἀθροίσει τῶν μερῶν καὶ τῇ συστάσει πάντων θεωρούμενον , ὅπερ οὐ συνίσταται μέρους ἀφαιρουμένου . ἐνταῦθα οὖν ἐπὶ τῆς μουσικῆς τὸ πρὸ τῶν μερῶν λέγει καὶ τὸ ἐν τῷ μέρει καθόλου ἐν τῷ λέγειν τὸ ‘ σ υ ν ά π α σ α ’ · καὶ γὰρ καὶ χωρὶς ὄντος ἑνὸς τῶν εἰδῶν τὰ λοιπὰ μουσικὴ λέγεται . Τίνες αἱ θεαὶ ὧν ἡ τέχνη ; Τὰς Μούσας , ὦ Σώκρατες : τοῦ νέου ἐπὶ πολὺ ἀποροῦντος ὁ Σωκράτης μαιευόμενος τοῦτον , ὥστε ἀποτεκεῖν ἀφ’ ἑαυτοῦ τί τὸ τέλος τῆς μουσικῆς , εἰς μνήμην ἄγει τὰς Μούσας καὶ διὰ αὐτῶν τὴν | Μνημοσύνην , ἵνα ἐντεῦθεν ἀνακινήσῃ τὴν ἐν τῇ ψυχῇ μνήμην τοῦ νέου καὶ διὰ τοῦ τῶν Μουσῶν ὀνόματος χειραγωγούμενος εἴπῃ τὸ τέλος τῆς μουσικῆς εἶναι τὸ μουσικῶς . 79 5 10 15 20 25 80 254 C. Text und Übersetzung <?page no="255"?> 108C Also los, jetzt bist du daran: Man findet [den Befehl] „ l o s “ öfters bei Platon, was einer Seele eigen ist, die über die Gegebenheiten sprunghaft denkt und nicht wie die Vernunft [sie] gleichzeitig im Zusammenhang miteinander [behandelt]. Dann fügt er hinzu: „ Denn es gehört sich auch für dich, Gespräche auf schöne Weise zu führen “ , in dem Sinne wie: „ Da du schön bist, gehört es dir, über die Gegebenheiten auf schöne Weise zu sprechen “ . Welches Fachwissen ist es, zu dem auf korrekte Weise Kithara zu spielen, zu singen und zu tanzen gehören? Wie wird das als Gesamte genannt? Siehe an dieser Stelle, dass [Sokrates] über das gemeinsame Ziel der drei Arten [der Musikkunst] fragt und das nicht antwortet. Nun sagte er, dass das Kitharaspiel für die Melodie, das Singen aber für den Gesang, das Tanzen wiederum für den Rhythmus [gemacht wird]. Denn das ist ein gemeinsamer Begriff für den Schritt nach oben und unten 707 ; die dem Rhythmus gehören. Wie denn kann er das Ziel der gesamten Musikkunst nicht nennen? Wahrscheinlich muss man das nach der zweiten Interpretation, die vorher erwähnt wurde, beantworten. Man muss also wissen, dass das Ganze bei Platon drei Ebenen hat: Entweder [es befindet sich] vor den Teilen, oder in einem Teil, oder in [mehreren] Teilen. 708 Vor den Teilen ist [das Ganze] kraft dessen, wenn jemand einen Zahn verliert, wieder ein neuer wächst, da seine Natur die Prinzipien 709 in der Form der Universalien besitzt. Hingegen ist [das Ganze] in einem Teil, wie wenn jemand aus den Teilen das Ganze erkennen kann, beispielsweise die Söhne des Pelops ausgehend von seiner elfenbeinernen Schulter [ihn erkannt haben] 710 oder wie der Spruch lautet „ a u s d e r K r a l l e d e n L ö w e n [ e r k e n n e n ] “ , da jeder einzelne Teil das Prinzip des Ganzen besitzt. [Das Ganze] in [mehreren] Teilen wird an der Zusammenfügung der Teile und in der Komposition dieser allen beobachtet, da es als solches nicht mehr existiert, wenn ein Teil entfernt wird. An dieser Stelle spricht [Sokrates] im Fall der Musikkunst über [das Ganze] vor den Teilen und darüber, was in einem Teil als Universalie existiert, indem er sagt „ a l s G e s a m t e “ . Denn gewiss nennt man das immer noch die Musikkunst, was nach der Trennung einer ihrer bestimmten Arten bleibt. [Sokrates: ] Welche Göttinnen sind es, zu denen dieses Fachwissen gehört? [Alkibiades: ] [Du meinst] die Musen, Sokrates: Da der Jüngling in großem Zweifel ist, leistet Sokrates ihm Geburtshilfe, sodass er aus sich selbst herausbringt, was das Ziel der Musikkunst ist, und er erinnert ihn an die Musen und durch diese an die Mnemosyne 711 , damit er die Erinnerung in der Seele des Jünglings erregt und durch den Namen der Musen ihn an die Hand nimmt, damit er sagen kann, dass das Ziel der Musikkunst die musische [Leistung] ist. 79 5 10 15 20 25 80 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 255 <?page no="256"?> Πρᾶξις σὺν θεῷ θʹ 108D-110D Ἴθι δὴ καὶ τὸ ἐν τῷ πολεμεῖν βέλτιον . Ἐρωτηθεὶς ὁ Ἀλκιβιάδης , τί τὸ τοῦ πολέμου τέλος , καὶ δέον αὐτὸν εἰπεῖν ὅτι τὸ δίκαιον , διότι ἕνεκεν τοῦ δικαίου ἐρχόμεθα ἐπὶ τὸ πολεμεῖν , καθάπερ καὶ οἱ ἰατροὶ ἐπὶ τὰς νόσους ἕνεκεν τῆς ὑγιείας καὶ τοῦ εἰς κρᾶσιν ἀγαγεῖν τὰ στοιχεῖα καὶ συμφωνίαν ( δίκαιον γάρ πως καὶ τοῦτο . ὥστε μὴ πλεονάζειν ἕτερον ἑτέρου ), ὁ δὲ οὐ τοῦτο ἀποκρίνεται , ἀλλά φησιν ὅτι ἐ ρ χ ό μ ε θ α ἐ π ὶ τ ὸ π ο λ ε μ ε ῖ ν ἢ ἀ π α τ ώ μ ε ν ο ι ἢ β ι α ζ ό μ ε ν ο ι ἢ ἀ π ο σ τ ε ρ ο ύ μ ε ν ο ι . τριχῶς δὲ ἐν τούτοις ἁμαρτάνει . πρῶτον μὲν ὅτι ἓν ἐρωτηθεὶς τρία ἀπεκρίνατο . δεύτερον ὅτι οὐχ ἁπλᾶ ταῦτα , ἀλλ’ ἐπαμφοτερίζοντα · δύναται γάρ τις τούτοις καὶ ἐπ’ ἀγαθῶ χρήσασθαι , οἶον ἐάν τινος παρακαταθήκην δόντος ξίφος , εἶτα μανέντος , καὶ ἐν τῷ καιρῷ τῆς μανίας ἀπαιτοῦντι τοῦτο μὴ παρά σχοιμεν , δι’ ὅρκων αὐτὸν ἀπατήσαντες καὶ ψευσάμενοι . οὐ γὰρ ἀπο δεκτέον νῦν τὸν ποιητὴν ἐν τῷ ‘ ψ ε ῦ δ ο ς δ ’ ο ὐ κ ἐ ρ ε ῖ ς ’ , ἀλλ’ ἐν ἐκείνω μᾶλλον · ‘ ψ ε υ δ ό σ υ ν ο ς κ έ κ α σ τ ο , θ ε ὸ ς δ ’ ὣ ς τ ί ε τ ο δ ή μ ῳ ’ . ἔστιν δὲ ὅτε οὔτε ψευδόμεθα ὀμνύντες μηδὲν εἰληφέναι παρ’ αὐτοῦ · καὶ γὰρ ὅτε | δέδωκεν ὑγιαίνων δέδωκεν , νῦν δὲ ἀπαιτεῖ μαινόμενος , καὶ τότε μὲν ὡς παρακαταθήκην παρέσχεν , νῦν δὲ ὡς ὄργανον ἀπαιτεῖ · ὥστε οὔτε ὁ αὐτός ἐστιν ὁ δεδωκώς , ἀλλὰ ἄλλος , οὔτε τὸ αὐτό , ἀλλὰ ἄλλο . καὶ βιαζόμενοι δὲ καὶ ἀποστεροῦντες τὸν τοιοῦτον ἐπ’ ἀγαθῷ πράττομεν ταῦτα . τρίτον ἁμαρτάνει ὅτι αὐτὸς μὲν ὡς τρία προήγαγε τὸ ἀπατᾶσθαι ἢ βιάζεσθαι ἢ ἀποστερεῖσθαι , κοινὸν δέ ἐστιν εἰπεῖν ἐπ’ αὐτῶν τὴν ἀδικίαν · καὶ γὰρ καὶ ἀπατώμενοι καὶ ἐρχόμενοι ἐπὶ τὸ πολεμεῖν ὡς ἀδικούμενοι τοῦτο ποιοῦμεν , καὶ βιαζόμενοι ὁμοίως καὶ ἀποστερούμενοι . ἔδει οὖν αὐτὸν τὸ κοινὸν εἰπόντα μὴ οὕτως ὡς τρία ταῦτα προαγαγεῖν . οὕτω μὲν τριχῶς ἁμαρτάνει . διχῶς δὲ ἀποδεκτέον 5 10 15 20 81 5 10 256 C. Text und Übersetzung <?page no="257"?> Unterricht 9 mit Gottes Hilfe 108D - 110D Also los, [nenn mir] das Bessere bei der Kriegsführung 712 : Als Alkibiades befragt wurde, was das Ziel des Krieges ist, und er sagen sollte, dass es das Gerechte ist, - da wir um des Gerechten willen in den Krieg ziehen, genau wie die Ärzte um der Gesundheit willen die Krankheiten [bekämpfen] und um die Elemente [des Körpers] in eine Einigung und Harmonie zu bringen (das ist auch in einem Sinne das Gerechte, und bezweckt, dass keines [Element] sich über ein anderes ausdehnt) - gibt er [sc. Alkibiades] nicht diese Antwort, sondern sagt, dass w i r i n d e n K r i e g z i e h e n , weil wir entweder b e t r o g e n , oder a n g e g r i f f e n oder b e r a u b t w u r d e n . 713 In diesen [Aussagen] macht er aber einen dreifachen Fehler 714 : Erstens, weil er drei Antworten auf eine einzelne Frage gibt. Zweitens, weil diese nicht eindeutige Begriffe sind, sondern zwei Ebenen haben. 715 Denn jemand kann diese [drei Sachen] auch für gute Zwecke einsetzen: Beispielsweise, wenn jemand uns ein Schwert in Verwahrung gegeben hat und danach verrückt wurde, und im Moment der Verrücktheit das zurückfordert, würden wir das nicht geben und durch Eide würden wir ihn täuschen und belügen. Denn hier sollte man den Dichter bei dieser [Aussage] nicht verteidigen: „ F a l s c h e s w i r s t d u n i c h t r e d e n “ 716 , Sondern lieber bei dieser: „ E r w a r a u s g e z e i c h n e t i n L ü g e n k u n s t 7 1 7 , w u r d e w i e e i n G o t t g e e h r t i m V o l k 718 “ . Es gibt ja Fälle, wo wir gar nicht lügen, wenn wir schwören, dass wir es niemals von ihm bekommen haben. Denn als er das gab, hat das ja ein gesunder Mensch getan, jetzt fordert aber ein Verrückter es zurück; und was er damals uns als etwas zur Verwahrung gegeben hat, möchte er jetzt als ein Mittel [zum Gebrauch] zurück. Daher ist weder der Geber der gleiche Mensch, sondern ein anderer; noch ist der Gegenstand das Gleiche, sondern ein anderer. Auch wenn wir gezwungen werden und einem solchen Menschen [Sachen] wegnehmen, machen wir das für einen guten Zweck. Einen dritten Fehler macht er, weil er betrogen zu werden, angegriffen zu werden oder beraubt zu werden als drei [verschiedene Sachen] vorstellt, wobei man allgemein bei diesen Sachen von Ungerechtigkeit reden kann. Selbstverständlich wenn wir auch in den Krieg ziehen, weil wir betrogen wurden, machen wir das, weil wir ungerecht behandelt wurden - und das gilt auch wenn wir angegriffen oder [unseres Besitzes] beraubt werden. Daher sollte er jene nicht auf diese Weise als drei [verschiedene Sachen] vorstellen, wenn sie mit einem gemeinsamen [Begriff] 5 10 15 20 81 5 10 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 257 <?page no="258"?> ἐν τούτοις τὸν νέον . πρῶτον μὲν ὅτι διὰ πάσης τῆς τριμερείας τῆς ἡμῶν ψυχῆς διῆλθεν κατὰ τὴν ἀπόκρισιν · διὰ μὲν γὰρ τοῦ εἰπεῖν ‘ ἀ π α τ ώ μ ε ν ο ι ’ , διὰ τοῦ λόγου ( τούτου γὰρ καὶ ἡ γνῶσις ), διὰ δὲ τοῦ ‘ β ι α ζ ό μ ε ν ο ι ’ , διὰ τοῦ θυμοῦ ( τούτου γὰρ καὶ τὸ κρατεῖν ), διὰ δὲ τοῦ ‘ ἀ π ο σ τ ε ρ ο ύ μ ε ν ο ι ’ , διὰ τῆς ἐπιθυμίας ( ταύτης γὰρ καὶ τὸ φιλοχρήματον ). δεύτερον δὲ κατορθοῖ ἐν τῇ ἀποκρίσει , ὅτι καὶ τὴν δέουσαν τάξιν ἐφύλαξεν ἐπὶ τῶν τριῶν · ὥσπερ γὰρ ὁ λόγος θυμοῦ πρωτεύει καὶ θυμὸς ἐπιθυμίας , οὕτω καὶ ὁ νέος πρότερον εἶπεν τὸ μὲν ἀπατᾶσθαι τοῦ βιάζεσθαι , τὸ δὲ βιάζεσθαι τοῦ ἀποστερεῖσθαι . Εἶτα ὁ Σωκράτης δείκνυσι τὸν νέον ἀγνοοῦντα τὸ δίκαιον διὰ τῶν αὐτῶν λόγων . ὡς γὰρ προείρηται , οὐκ ἔστι δέος μὴ κατατριβῶσιν οἱ λόγοι πολλάκις παραλαμβανόμενοι , δίκην τῶν παλαιῶν σκευαρίων . φησὶν οὖν ὅτι ‘οὔτε ἔμαθες οὔτε εὗρες’ καὶ τὰ ἑξῆς . δύο γὰρ τρόποι γνώσεως . μάθησις καὶ εὕρεσις , καθὼς πολλάκις εἴρηται . ὡς μὲν οὖν αὐτοκινήτως ἐνεργοῦντες εὑρίσκομεν , ὡς δὲ ἑτεροκινήτως μανθάνομεν . ἰστέον γὰρ ὅτι , καθάπερ ἡ ψυχὴ μεταδέδωκεν ἴχνος αὐτοκινησίας τῷ σώματι . οὕτως καὶ αὕτη μετέλαβεν παρ’ αὐτοῦ ἑτεροκινησίας ἴχνος . τοῦτο δὲ καὶ ἐφ’ ἑτέρων ἐστὶν ἰδεῖν · καὶ γὰρ καὶ ὁ χρόνος μεταδέδωκε μὲν τῇ κινήσει τοῦ μετρεῖσθαι , μετέλαβε δὲ παρ’ αὐτῆς τοῦ δια | στατὸς εἶναι · καὶ πάλιν τὸ εἶδος μεταδέδωκε μὲν τῆς μορφῆς τῇ ὕλῃ , ἀμερὲς δὲ ὂν μετέλαβεν ἐξ αὐτῆς τοῦ διαστατοῦ , διὸ πολλάκις φαμὲν ‘ὡδὶ μὲν πόδας , ὡδὶ δὲ κεφαλήν’ . αἱ δὲ εὐφυέστεραι τῶν ψυχῶν ὡς αὐτοκίνητοι μᾶλλον εὑρίσκουσι καὶ ἀποτίκτουσιν ἤπερ μανθάνουσιν , ὥσπερ καὶ τὸ ἀνάπαλιν αἱ ἀφυέστεραι ὡς ἑτεροκίνητοι μᾶλλον μανθάνουσιν ἤπερ εὑρίσκουσι . ταῦτα δὲ δηλοῖ τὴν μεσότητα τῆς οὐσίας τῆς ἡμετέρας ψυχῆς · οὔτε γὰρ ἀεὶ ἀτελής ἐστιν , ὡς εὑρίσκουσα , οὔτε ἀεὶ τελεία , ὡς μανθάνουσα . Ἐφ’ οἷς ἀποροῦμεν δύο τινά . πρῶτον μὲν πῶς ὁ Ἀλκιβιάδης μὴ εἰδὼς τὸ δίκαιον οἴεται εἰδέναι · καὶ δεύτερον πῶς τοῦ Σωκράτους ἐρω τῶντος αὐτὸν εἰπεῖν χρόνον ἐν ᾧ οὐκ ᾤετο εἰδέναι τὸ δίκαιον , ἀπορεῖ 15 20 25 82 5 10 258 C. Text und Übersetzung <?page no="259"?> bezeichnet werden. So hat er einen dreifachen Fehler gemacht. Zwei Sachen soll man bei diesen [Antworten] des Jünglings anerkennen 719 : Erstens, dass er während seiner Antwort die ganze dreiteilige Struktur unserer Seele von oben nach unten umfassend darstellt. Nämlich mit der Aussage „ b e t r o g e n z u w e r d e n “ , [geht er] auf die Vernunft [ein] (denn die Erkenntnis gehört zu diesem [Teil der Seele]); mit dem „ a n g e g r i f f e n z u w e r d e n “ [geht er] auf die Willenskraft [ein] (denn zu herrschen gehört zu diesem [Teil der Seele]) und mit der „ b e r a u b t z u w e r d e n “ [geht er] auf die Begierde [ein] (denn die Geldliebe gehört zu diesem [Teil der Seele]). Zweitens, dass er bei seiner Antwort richtig liegt, da er die nötige Reihenfolge für die drei [Teile der Seele] beachtet hat: Denn wie die Vernunft über der Willenskraft steht und die Willenskraft über der Begierde, so nennt der Jüngling betrogen zu werden vor angegriffen zu werden, und angegriffen zu werden vor beraubt zu werden. Nachfolgend zeigt Sokrates dem Jüngling durch seine eigenen Worte, dass er nicht weiß, was gerecht ist. Denn, wie bereits gesagt wurde, sollte man nicht fürchten, dass die häufig weitergegebenen Worte wie alte Kleidungsstücke abgenutzt werden. 720 Nun sagt er [sc. Sokrates] also: „ Weder hast du gelernt noch hast du gefunden “ und das Folgende. Denn es gibt zwei Wege zur Erkenntnis: Lernen und Finden, ebenso wie mehrmals erwähnt wurde. 721 Einerseits finden wir, wenn wir durch Selbstbewegung handeln; andererseits lernen wir durch die Bewegung von außen. Denn man muss wissen, das ist genau wie die Seele eine Spur 722 ihrer Fähigkeit für Selbstbewegung an den Körper weitergegeben hat. So hat auch sie von [dem Körper] eine Spur seiner Fähigkeit für Fremdbewegung abbekommen. 723 Das ist auch an anderen [Beispielen] zu sehen: Denn sicherlich hat auch die Zeit der Bewegung [etwas von sich] abgegeben, nämlich messbar zu sein; im Gegenzug hat er von ihr [die Eigenschaft] angenommen, eine Dimension zu haben. 724 Erneut hat die Form der Materie etwas von ihrer Struktur abgegeben und bekam von ihr die Dimension, obwohl sie [selbst] nicht teilbar ist - daher sagen wir oft: „ wie die Füße, so der Kopf “ . 725 Die von Natur aus begabteren Seelen, da sie sich von selbst bewegen, finden eher selbstständig [Erkenntnis] und bringen diese hervor, als dass sie lernen; so wie umgekehrt die weniger begabten Seelen von anderen bewegt werden und deshalb eher lernen, als dass sie finden. Nun diese offenbaren die Mittelstellung der Wesenheit unserer Seele 726 : Denn weder ist sie immer unvollkommen, insofern sie selbstständig findet; noch ist sie immer vollkommen, insofern sie lernt. Bei diesen Aussagen rätseln wir über diese zwei Dinge: Erstens, warum Alkibiades, obwohl er nicht weiß, was gerecht ist, denkt, dass er das weiß? Und zweitens: Warum verzweifelt er daran, wie er das sagen soll, als Sokrates ihn nach dem Zeitpunkt fragte, in dem er noch nicht glaubte, dass er das weiß, was 15 20 25 82 5 10 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 259 <?page no="260"?> τοῦτον λέγειν . καὶ πρὸς μὲν τὸ πρῶτόν φαμεν ὅτι ᾤετο εἰδέναι τὸ δίκαιον μὴ εἰδώς , ἐπειδὴ ὑπὸ τῶν καθόλου λόγων ἐσαίνετο ἐμπεφυτευ μένων τῇ ψυχῇ · καὶ ἐῴκει τοῖς κατ’ ὄναρ πλουτοῦσι καὶ ἀνισταμένοις καὶ εὑρίσκουσι κενὰς τὰς χεῖρας . πρὸς δὲ τὸ δεύτερον ῥητέον ὅτι ἀπορεῖ , ἐπειδὴ ὁ μὲν Σωκράτης πρὸς τὴν κατ’ ἐνέργειαν ἐπιστήμην ἀφορῶν ἠρώτα λέγειν χρόνον ἐν ᾧ οὐκ ᾤετο εἰδέναι , ὁ δὲ πρὸς τὴ ν καθ’ ἕξιν ἐπιστήμην ἀφορῶν ἠπόρει λέγειν , διότι ἐξ ἀϊδίου συνῆν αὐτῇ τῇ ψυχῇ καὶ διὰ τοῦτο οὐκ εἶχεν εἰς χρόνον ἀνενεγκεῖν τὴν ἄγνοιαν . ἐν οἷς ἡ θεωρία . 108D Ἴθι δὴ καὶ τὸ ἐν τῷ πολεμεῖν βέλτιον : ὡς καὶ ἐν τοῖς φθάσασι προείρηται , κατακέχρηται ὁ Πλάτων τῷ ‘ ἴ θ ι ’ | οἰκείῳ ὄντι ψυχῇ μεταβατικῶς νοούσῃ τὰ πράγματα καὶ οὐκ ἀθρόως , ὥσπερ ὁ νοῦς . φησὶν οὖν ἐνταῦθα ὁ Σωκράτης ὅτι ‘καθάπερ ἐπὶ τῶν δύο τῶν προλα βόντων παραδειγμάτων εἴρηκας τὰ τέλη , εἰ καὶ τοῦ μὲν μαιευόμενος , τοῦ δὲ διδασκόμενος , οὕτω καὶ νῦν εἰπὲ τί τὸ τέλος τοῦ πολέμου’ · τοῦτο γάρ ἐστι τὸ ‘βέλτιον νομίζεις’ . τὰ γὰρ τέλη τῶν πραγμάτων ἢ αἱρετά ἐστιν ἢ φευκτὰ καὶ τούτων ἕνεκεν ποιοῦμεν αὐτὰ ἢ οὔ . 108E Ὥσπερ ἐκεῖ ἐφ’ ἑκάστῳ ἔλεγες : τὸ ‘ ἐ φ ’ ἑ κ ά σ τ ῳ ’ ἀκουστέον ἐπὶ τῶν εἰδῶν τῆς μουσικῆς . ἦσαν γὰρ τρία , καὶ τέλη αὐτῶν ὁμοίως τρία , ἢ τὸ ᾠδικῶς ἢ τὸ ἐμμελῶς ἢ τὸ ἐρρύθμως . εἰ γὰρ κ αὶ ἓν εἶπεν τέλος τῆς μουσικῆς τὸ μουσικῶς , ἀλλ’ οὖν ὡς ἐν κοινῷ καὶ γενικῷ περιέχονται τούτῳ τὰ τρία . ἐνταῦθα τὸ ‘ ἕ κ α σ τ ο ν ’ ἐπ’ αὐτῶν δεῖ λαμβάνειν καὶ οὐ τῶν δύο παραδειγμάτων , εἴγε τὸ ἔλαττον ἐπὶ τριῶν λέγεται τὸ ‘ ἕ κ α σ τ ο ν ’ . ὅτι γὰρ τὸ ἓν τῶν παραδειγμάτων , τὸ τῆς μουσικῆς , λαβὼν εἶπεν περὶ τῶν εἰδῶν αὐτῆς τὸ ‘ ἕ κ α σ τ ο ν ’ , δῆλον , εἴγε ἐπάγει περὶ τοῦ ἄλλου παραδείγματος , τουτέστι τῆς γυμναστικῆς , ‘ κ α ὶ ἐ π ὶ τ ῷ ἑ τ έ ρ ῳ , ὅ τ ι γ υ μ ν α σ τ ι κ ώ τ ε ρ ο ν ’ . Ἀλλ’ οὐ πάνυ ἔχω : τοῦτο ἐγκαταδυομένου ἐστὶ καὶ ἐρυθριῶντος ἐφ’ οἷς ἀπορεῖ περὶ ὧν ἐπαγγέλλεται σύμβουλος εἶναι . τοῦτο γὰρ δηλοῖ τὸ ‘ ο ὐ π ά ν υ ’ , εἰρημένον ὡς αἰσχυνομένου τοῦ νέου ἐπὶ τῇ ἀπορίᾳ . 15 20 83 5 10 15 20 260 C. Text und Übersetzung <?page no="261"?> gerecht ist? Nun, zu der ersten [Frage] sagen wir 727 , dass er das Gerechte zu wissen unbewusst glaubte, ohne zu wissen, weil ihm von den in seiner Seele eingepflanzten universellen Prinzipien dieser Eindruck gegeben wurde. 728 Das ist ähnlich auch bei denjenigen, die im Traum reich werden, dann aufwachen und entdecken, dass ihre Hände leer sind. 729 Zu der zweiten [Frage] soll man sagen, dass er nicht antworten kann, da Sokrates ihn aus dem Blickpunkt des Wissens als Wirkkraft gefragt hat, dass er den Zeitpunkt nennt, in dem er nicht glaubte zu kennen; er [sc. Alkibiades] dagegen, aus dem Blickpunkt des Wissens als Zustand 730 zweifelte, wie er antworten soll, da er von Ewigkeit her mit seiner Seele war und deswegen keine Zeit nennen konnte, auf die er seine Unwissenheit beziehen konnte. Damit endet die Theorie. 108D Also los, [nenn mir] das Bessere bei der Kriegsführung: Wie auch in der vorherigen [Erklärung] erwähnt wurde, 731 gebraucht Platon absichtlich [das Wort] „ l o s “ , da es einer Seele eigen ist, die die Gegebenheiten diskursiv 732 denkt und sie nicht wie die Vernunft in Gesamtheit [behandelt]. Daher sagt Sokrates hier: „ Genau wie du bei den zwei vorher genommenen Beispielen die Ziele genannt hast, auch wenn bei einem durch Geburtshilfe, bei dem anderen durch Belehrung; so nenne auch jetzt das Ziel des Krieges. “ Und das ist es, was „ du für das Bessere hältst “ . 733 Denn die Ziele der Handlungen sind entweder auszuwählen oder zu vermeiden und aufgrund dieser [Ziele] führen wir diese [Handlungen] aus oder nicht. 108E Wie du vorhin bei jedem einzelnen [der beiden Beispiele] sagtest: Man soll „ b e i j e d e m e i n z e l n e n “ als bei den Arten der Musik verstehen. Denn es gab drei [Arten] und dementsprechend ihre Ziele [sind] auch drei: Entweder die gesangliche, oder die melodische, oder die rhythmische [Leistung]. Auch wenn er ein einzelnes Ziel für die Musik 734 als die musische [Leistung] nennt, werden dennoch alle drei in diesem gemeinsamen Gattungsnamen eingeschlossen. Hier soll dann „ j e d e s e i n z e l n e “ als von diesen [Arten der Musik] angenommen werden und nicht als von den zwei Beispielen [die Musik und die Gymnastik] 735 , auch wenn das Letztere unter drei [Elemente einer Gruppe] „ j e d e s e i n z e l n e “ genannt wird. 736 Denn, dass er eins dieser Beispiele - nämlich die Musik - nimmt, und von deren Arten er als „ j e d e s e i n z e l n e “ redet, wird daraus deutlich, dass er über das andere Beispiel, das heißt über die Gymnastik, hinzufügt: „ A u c h ü b e r d e n a n d e r e n F a l l [ s a g e n w i r ] , d a s s e s d i e g y m n a s t i s c h e [ L e i s t u n g ] i s t . “ . Aber das kann ich überhaupt nicht: Das ist der Ausdruck desjenigen, der heruntersinkt und schamrot wird, [selber] über die Dinge ratlos zu sein, für die er sich als einen Berater anpreist. Denn es wird aus der [Aussage] „ ü b e r h a u p t n i c h t “ deutlich, dass es ein Ausdruck dafür ist, dass der Jüngling sich über [seine] Ratlosigkeit schämt. 737 15 20 83 5 10 15 20 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 261 <?page no="262"?> Ἀλλὰ μέντοι αἰσχρόν γε εἰ μέν τίς σε λέγοντα : μέλλων ὁ Σωκρά της ἐπιτιμᾶν τῷ νέῳ ἐφ’ οἷς ἀγνοεῖ τί τὸ τέλος τοῦ πολέμου , καὶ δεδιὼς τὴν ἀπὸ τοῦ ἐλέγχου δυσμένειαν , οὐχ ἁπλῶς οὐδὲ ἀπαρακαλύπτως ἐπὶ τὴν ἐπιτίμησιν ἔρχεται , ἀλλ’ ἐκ παραθέσεως γνώσεως ἑτέρας τοῦ νέου , ταύτῃ παραμυθούμενος τὴν ἀπὸ τοῦ ἐλέγχου δριμύτητα . φησὶ γοῦν ὅτι ‘αἰσχρόν ἐστι περὶ μὲν ἰατρικῶν τινῶν εἰδέναι σε συμβουλεύειν , ὧν οὐ προσποιῇ σύμβουλος εἶναι οὐδὲ σπουδάζεις περὶ αὐτῶν , περὶ δὲ ὧν νομίζεις ἐπιστήμων εἶναι καὶ μέλλεις συμβουλεύειν ἀγνοεῖν’ . καλῶς δὲ καὶ τὸ ‘ α ἰ σ χ ρ ό ν γ ε ’ εἶπεν · ἐναντίον γὰρ φιλοτίμῳ τὸ αἰσχρὸν | καὶ τῷ ἐπὶ κάλλει σεμνῷ καὶ λαμπρῷ φαινομένῳ . Ὅτι βέλτιον τόδε τοῦδε καὶ νῦν κ αὶ τοσο ῦτον : τὰ περιστατικά φη σιν · διὰ μὲν τοῦ ‘ τ ό δ ε τ ο ῦ δ ε ’ τὸ ποιὸν τοῦ σιτίου , εἰ ἑφθὸν καὶ οὐκ ὠμόν , εἰ εὐαλλοίωτον καὶ εὔπεπτον ἢ τοὐναντίον · διὰ δὲ τοῦ ‘ ν ῦ ν ’ , εἰ ἑσπέρᾳ θρεπτέον καὶ οὐ νύκτωρ , διὰ τὸν καιρὸν τῆς πέψεως · τὸ δὲ ‘ τ ο σ ο ῦ τ ο ν ’ ἀντὶ τοῦ εἰ μὴ πλῆ θος προσακτέον , διὰ τὸ παρὰ Ἱππο κράτει ‘ ἔ ν δ ε ι α μ ή τ η ρ ὑ γ ε ί η ς ’ . 109A Οὐδὲ οἶσθα , ἐπειδὰν πόλεμον ποιώμεθα , ὅ τι ἐγκαλοῦντες ἀλλή λοις : τοῦ Ἀλκιβιάδου πλέον ἀπομένοντος τῇ ἀπορίᾳ δαιμονίως ὁ Σωκράτης ἐπὶ τὸ σαφέστερον τὴν μαιείαν μετήγαγεν . ἐπειδὴ γὰρ τὰ μετέχοντα τῶν μετεχομένων σαφέστερα καὶ τὰ σύνθετα τῶν ἁπλῶν , φησίν · ‘ τ ί ἐ γ κ α λ ο ῦ ν τ ε ς ἀ λ λ ή λ ο ι ς ἐ ρ χ ό μ ε θ α ἐ π ὶ τ ὸ π ο λ ε μ ε ῖ ν ; ’ τουτέστιν ‘ὡς ἀδίκοις οὖσιν’ . ὁ δὲ ἄδικος μετέχει , κἀντεῦθεν σύνθετος , ἡ δὲ ἀδικία μετέχεται , καὶ ἁπλοῦν ἐστί . διὸ καὶ τελευταίαν αὐτὴν ἔταξε διὰ τοῦ εἰπεῖν ‘ κ α ὶ τ ί α ὐ τ ὸ ὀ ν ο μ ά ζ ο ν τ ε ς ἐ ρ χ ό μ ε θ α ’ , δηλονότι ‘ἀδικίαν’ · ‘ α ὐ τ ὸ ’ δέ φησι τὸ πά θημα . ὁ δὲ πρὸς ταῦτα ἐπάγει ‘τὰ τρία ἐκεῖνα ἐγκαλοῦντες πολεμοῦμεν , ἢ ἀ π α τ ώ μ ε ν ο ι ἢ β ι α ζ ό μ ε ν ο ι ἢ ἀ π ο σ τ ε ρ ο ύ μ ε ν ο ι ’ . 109B Ἔ χε · πῶς ἕκαστα τούτων πάσχοντες ; τοῦτο κατὰ ζῆλον ποιητικόν · ‘ ἀ λ λ ὰ σ ὺ σ ῇ σ ι ν ἔ χ ε φ ρ ε σ ί ν ’ . 25 84 5 10 15 20 262 C. Text und Übersetzung <?page no="263"?> Aber gewiss ist es ja schändlich, wenn du jemandem sagst: Sokrates hat vor, den Jüngling aufgrund der Sachen, die er nicht kennt - wie das Ziel des Krieges - zurechtzuweisen; er ist aber besorgt, dass seine Widerlegung Feindseligkeit verursachen kann und daher kommt er zu der Zurechtweisung nicht auf direkte und offensichtliche Weise, sondern beim Vergleich einer anderen dem Jungen bekannten Erkenntnis, damit beschwichtigt er die Heftigkeit seiner Widerlegung. 738 Also sagt er: „ Es ist schändlich, wenn du weißt, wie man über irgendwelche medizinischen Themen Rat geben soll, aber weder dich über diese als einen Berater vorgeben würdest, noch dich mit denen beschäftigst; dagegen worüber du dich für einen Wissenden hältst und zu beraten vorhast, keine Erkenntnis besitzt. “ Zutreffend hat er „ s c h ä n d l i c h “ gesagt: Denn was schändlich ist, steht im Gegensatz zu jemandem, der die Ehre liebt und stolz auf seine Schönheit und sein blendendes Aussehen ist. 739 Dass dieses besser ist als jenes und jetzt und in einer solchen Menge: Er nennt [verschiedene] Aspekte. Durch „ d a s [ist besser] a l s j e n e s “ , [meint er] die Art der Nahrung, ob gekocht oder nicht roh ist, oder ob es leicht verarbeitet und leicht verdaut wird oder das Gegenteil. Durch [die Aussage] „ j e t z t “ , ob es am Abend und nicht in der Nacht gegessen werden soll, da es der richtige Zeitpunkt für die Verdauung ist. Das „ i n e i n e r s o l c h e n M e n g e “ bedeutet, ob es nicht zu viel aufgetischt werden soll, passend zu dem Spruch bei Hippokrates: „ H u n g e r i s t d i e M u t t e r d e r G e s u n d h e i t “ . 740 109A Weißt du nicht, was wir uns gegenseitig vorwerfen, wenn wir Krieg führen? Da Alkibiades immer zunehmend in Zweifel geraten wird, [verhält sich] Sokrates wie ein Daimon 741 und ändert [den Weg] der Geburtshilfe in eine eindeutigere Richtung. Denn, da die Teilnehmenden deutlicher als die Teilgebenden und die zusammengesetzten [deutlicher] als die einfachen [Wesen] sind 742 , sagt er: „ W a s w e r f e n w i r u n s g e g e n s e i t i g v o r , w e n n w i r i n d e n K r i e g z i e h e n ? “ , das ist, „ dass sie ungerecht handeln “ . Der ungerechte Mensch hat Teil an etwas und ist daher zusammengesetzt, das Ungerechte gibt aber Teil und ist daher einfach. 743 Aus diesem Grund hat er das [Ungerechte] ans Ende gestellt, indem er sagt: „ U n d w i e n e n n e n w i r d a s , [aufgrund dessen wir in den Krieg] z i e h e n ? “ , was offensichtlich „ das Ungerechte “ ist. „ D a s “ bezeichnet hier den Gefühlszustand [infolge der Ungerechtigkeit]. Er fügt dann auch hinzu: „ Weil wir diese drei Dinge vorwerfen, führen wir Krieg: dass wir b e t r o g e n w u r d e n , a n g e g r i f f e n w u r d e n oder b e r a u b t w u r d e n “ . 744 109B Halte es fest! Auf welche Weise erleiden wir jedes von diesen? Dieser [Imperativ] gehört dem poetischen Stil: „ h a l t e e s f e s t i n d e i n e m S i n n “ 745 25 84 5 10 15 20 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 263 <?page no="264"?> ἰστέον δὲ ὅτι οὔτε τὸ πρῶτον ἐγκαλεῖ αὐτῷ ( τουτέστιν ὅτι τρία πρὸς ἓν ἀπεκρίνατο ) οὔτε τὸ τρίτον ( παρῆκε γὰρ καὶ τοῦτο , ὅ ἐστι , διότι οὐχ ὡς τρία πάσχοντες ἐρχόμεθα ἐπὶ τὸ πολεμεῖν , ἀλλὰ κατὰ τὸ κοινόν , τὴν ἀδικίαν )· ἐγκαλεῖ οὖν αὐτῷ τὸ δεύτερον ἁμάρτημα , ὅτι οὐχ ἁπλᾶ ἀλλ’ ἐπαμφοτερίζοντα ταῦτα εἶπεν . φησὶ γοῦν ὅτι ‘π ῶ ς ἕ κ α σ τ α τ ο ύ τ ω ν π ά σ | χ ο ν τ ε ς ; ’ τουτέστιν ἀδίκως ἢ δικαίως · εἶτα ἐρωτᾷ αὐτόν , εἰ διαφέρουσι ταῦτα ἀλλήλων , τοῦτο γὰρ δηλοῖ τὸ ‘ π ε ι ρ ῶ ε ἰ π ε ῖ ν τ ί δ ι α φ έ ρ ε ι τ ὸ ὧ δ ε ἢ τ ὸ ὧ δ ε ’ . καὶ ἀντερωτήσαντος τοῦ νέου ὅτι ‘ ε ἰ τ ὸ ὧ δ ε λ έ γ ε ι ς τ ὸ δ ι κ α ί ω ς ἢ ἀ δ ί κ ω ς ; ’ καὶ συνθεμένου τοῦ Σωκράτους ἐπάγει ὁ Ἀλκιβιάδης ὅτι ὅ λ ο ν τ ε κ α ὶ π ᾶ ν διαφέρουσιν ἀλλήλων ταῦτα . ἰστέον δὲ ὅτι τὸ ὅ λ ο ν τ ε κ α ὶ π ᾶ ν παροιμία ἐκράτησεν ἐπὶ τῶν πολὺ διαφερόντων ἀλλήλων καὶ ἀντιδιῃρημένων · τὸ γὰρ ‘ ὅ λ ο ν ’ καὶ τὸ ‘ π ᾶ ν ’ ἀντιδιῄρηνται ἀλλήλοις . εἰ γὰρ καὶ ἄμφω τὸ καθόλου δηλοῦσιν , ἀλλ’ οὖν τὸ μὲν ‘ ὅ λ ο ν ’ σημαίνει τὸ συνεχές , τὸ δὲ ‘ π ᾶ ν ’ τὸ διωρισμένον . καὶ δύναταί τις κατὰ μὲν τὸ ὅλον κρείττων εἶναι , κατὰ δὲ τὸ πᾶν χείρων · οἷον ἐὰν εἴπωμεν τὸ ὅλον , τὸ ἀνδρεῖον γένος ὡς ὅλον κρεῖττόν ἐστι τοῦ γυναι κείου , οὐ μὴν καὶ πᾶν παντός , οὔτε γὰρ Θερσίτης κρείττων Θεανοῦς , ἢ Κόροιβος . 109C Εἰ γὰρ καὶ διανοεῖ | ταί τις ὡς δεῖ πρὸς τοὺς τὰ δίκαια πράττοντας πολεμεῖν : ὁ μὲν Καλλικλῆ ς καὶ ὁ Θρασύμαχος ἔφασαν ἐν Γοργίᾳ καὶ διανοεῖσθαι δεῖν πολεμεῖν πρὸς τοὺς τὰ δίκαια πράττοντας , ἀλλὰ μὴν καὶ ἔργῳ πολεμεῖν · ὁ δὲ Σωκράτης οὔτε διανοεῖσθαι τὴν ἀρχὴν παντε λῶς οὔτε πολεμεῖν · ὁ δὲ Ἀλκιβιάδης ὡς μέσος ὢν διανοεῖσθαι μέν φησιν , οὐ μὴν πολεμεῖν . λέγει γὰρ ‘ ε ἰ γ ὰ ρ κ α ὶ δ ι α ν ο ε ῖ τ α ί τ ι ς ’ ὡς τοῦτο συγχωρῶν , ἐπάγει δὲ καὶ ὅτι οὔτε διανοούμενός τις ὁμολογεῖ τοῦτο . Οὐ γὰρ νόμιμον τοῦθ’ , ὡς ἔοικεν . Οὐ δῆτα . Οὐδέ γε καλὸν δοκεῖ εἶναι : νόμιμον μέν ἐστι τὸ θέσει δίκαιον , καλὸν δὲ τὸ φύσει . φησὶν οὖν ὁ Σωκράτης ὅτι οὔτε κατὰ τὸ θέσει δίκαιον , τουτέστι τὸ νόμιμον , οὔτε 85, 3 Olymp. add. τὸ , cf. Plat. Alc. 109b4. 4 Olymp. εἰ / Ἦ Plat. Alc. 109b5. 4 Olymp. om. ὦ Σώκρατες post λέγεις , cf. Plat. Alc. 109b5. 25 85 5 10 86 5 10 264 C. Text und Übersetzung <?page no="265"?> Man muss wissen, dass er [sc. Sokrates] ihn [sc. Alkibiades] nicht des Ersten 746 beschuldigt (nämlich, dass er drei Antworten auf eine Frage gibt); noch des Dritten (denn er räumte auch das ein - das ist, dass wir nicht in den Krieg ziehen, weil wir drei Dinge erlitten haben, sondern gegen ihren gemeinsamen [Namen], nämlich die Ungerechtigkeit). Er beschuldigt ihn nun des zweiten Fehlers, nämlich, dass er diese nicht einzeln, sondern beide zusammen geäußert hat. Er sagt also: „ A u f w e l c h e W e i s e e r l e i d e n w i r j e d e s v o n d i e s e n ? “ , das heißt, auf ungerechte oder gerechte Weise. Dann fragt er ihn, ob diese sich voneinander unterscheiden, das macht nämlich [die Aussage] deutlich: “ V e r s u c h e s z u s a g e n , w i e s i c h d a s ‚ S o ‘ o d e r ‚ S o ‘ u n t e r s c h e i d e t . 747 “ Und als der Jüngling eine Gegenfrage stellt, nämlich: „ M e i n s t d u m i t d e m ‚ S o ‘ e t w a , a u f g e r e c h t e o d e r a u f u n g e r e c h t e W e i s e ? “ 748 und Sokrates das bestätigt, führt Alkibiades fort, dass diese i m G a n z e n u n d i n a l l e m unterschiedlich voneinander sind. Man muss auch wissen, dass i m G a n z e n u n d i n a l l e m eine Redewendung ist, die aus sehr unterschiedlichen und voneinander logisch getrennten [Begriffen] verarbeitet wird. Denn die [Wörter] „ i m G a n z e n “ und „ i n a l l e m “ sind logisch voneinander unterschieden. 749 Auch wenn die beiden auf das Universelle hinweisen, dennoch deutet „ i m G a n z e n “ auf etwas Zusammenhängendes, wobei „ i n a l l e m “ auf etwas Abgetrenntes [deutet]. Ferner kann jemand in Bezug auf das Ganze überlegen, dagegen in Bezug auf alle [Teile] unterlegen sein. Genauso, wenn wir das Ganze sagen, [in dem Fall,] dass das männliche Geschlecht als ein Ganzes überlegener zu dem weiblichen ist; 750 [das bedeutet] dagegen nicht, dass alle [Männer] zu allen [Frauen] [überlegener sind]: Denn weder Thersites war überlegener zu Theano, noch Koroibos. 751 109C Auch wenn jemand denken würde, dass er gegen diejenigen Krieg führen muss, die gerecht handeln: Kallikles und Thrasymachos äußerten im Gorgias 752 , dass sie sowohl glauben, dass man gegen diejenigen, die gerecht handeln, Krieg führen muss, als auch sie [selber] in der Praxis [gegen solche Menschen] Krieg führen. Sokrates sagt dagegen, dass er weder überhaupt daran als Ursache glaubt noch [gegen Gerechten] Krieg führt. Alkibiades aber sagt, als der Mittlere, dass er das zwar glaubt, [selber] aber keinen Krieg [gegen solche Menschen] führt. Denn er sagt, „ a u c h w e n n j e m a n d d e n k e n w ü r d e “ 753 als würde er dem zustimmen, fügt aber hinzu, dass auch jemand, der das gar nicht denkt, das eingesteht. 754 [Sokrates: ] Weil dies offenbar nicht gesetzlich ist. [Alkibiades: ] In der Tat nicht. [Sokrates: ] Es scheint auch nicht ehrenhaft zu sein: Gesetzlich ist es, was gemäß der Konvention gerecht ist, ehrenhaft aber, was gemäß der Natur [gerecht] ist. 755 Nun sagt Sokrates, dass es weder dem gemäß der Konvention Gerechten, das heißt dem Gesetzlichen, noch dem gemäß der 25 85 5 10 86 5 10 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 265 <?page no="266"?> κατὰ τὸ φύσει , τουτέστι τὸ καλόν , προσήκει πολεμεῖν τοῖς τὰ δίκαια πράττουσιν . καὶ συνομολογεῖ τούτοις ὁ νέος ὡς προκόπτων ἐπὶ τὸ τέλειον . Ἄλλο τι οὖν , ὃ νῦν δὴ ἐγὼ ἠρώτων , βέλτιον πρὸς τὸ πολεμεῖν : μετὰ τὸ διὰ πολλῶν συνθέσθαι τὸν νέον ὅτι τέλος τοῦ πολέμου τὸ δίκαιον καὶ ὅτι οὐ δεῖ τοῖς δικαιοπραγοῦσι πολεμεῖν , ἀλλὰ τοῖς ἀδικοῦσι δηλονότι ( καὶ γὰρ ἂν οὕτως ἕνεκεν τοῦ δικαίου πολεμοίημεν ), ἀνα μιμνῄ σκει τὸν νέον ὁ Σωκράτης τῆς ἐρωτήσεως πρὸς ἣν ἠπόρει ἀπο κρίνασθαι . αὕτη δὲ ἦν , τί τέλος τοῦ πολέμου · ταὐτὸν γὰρ δηλοῖ τὸ ‘τί βέλτιον’ , ὡς εἴρηται . φησὶν οὖν , ‘ ἄ λ λ ο τ ι ο ὖ ν , ὃ ν ῦ ν δ ὴ ἐ γ ὼ ἠ ρ ώ τ ω ν ’ , ἀντὶ τοῦ ‘ ε ἰ μ ὴ τ ο ῦ τ ο ’ . τῆς γὰρ Πλατωνικῆς φράσεως τὸ ‘ἄλλο τι οὖν’ κατὰ παράλειψιν τοῦ ‘εἰ μὴ τοῦτο’ λέγειν . μετὰ δὲ τῶν περιστατικῶν ἀναμιμνῄσκει τί τὸ βέλτιον τοῦ πολεμεῖν , λέγων ‘ ο ἷ ς δ ε ῖ ’ κ α ὶ ‘ ὁ π ό τ ε ’ . 109D Πῶς οὖν , ὦ φίλε Ἀλκιβιάδη ; πότερον σαυτὸν λέληθας ὅτι οὐκ ἐπίστασαι , καὶ τὰ ἑξῆς : οὐ μάτην ἐνταῦθα κεῖται τὸ ‘ ὦ φ ί λ ε ’ , ἀλλ ’ ἐπειδή , ὡς πολλάκις εἴρηται , μέλιτι δεδευμένοις φαρμάκοις ἐοίκασιν αἱ Σωκρατικαὶ παραινέσεις καὶ ἔλεγχοι , μέλλει δὲ τὸν νέον | ἐπὶ τῷ μὴ γινώσκειν τὸ δίκαιον λυπεῖν τοῖς ἐλέγχοις καὶ πρὸς ὀργὴν ἐξάγειν , προτιθασεύει αὐτὸν πρῶτον ‘ φ ί λ ο ν ’ ὀνομάζων , καὶ πάλιν ὀμνὺς μικρὸν ὕστερον ‘ μ ὰ τ ὸ ν φ ί λ ι ο ν τ ὸ ν ἐ μ ό ν τ ε κ α ὶ σ ό ν ’ . καὶ ζητοῦσιν ἐκεῖ , τίνα θεὸν καλεῖ φ ί λ ι ο ν . καὶ οἱ μέν φασι τὸν Ἔρωτα , οὐκ ἔστι δέ · ὁ γὰρ φίλος φίλῳ φίλος , ἐνταῦθα δὲ ὁ μὲν Σωκράτης ἐρᾷ τοῦ νέου , ὁ δὲ νέος οὐκ ἀντερᾷ τοῦ Σωκράτους · τοῦ γὰρ τέλους τοῦ διαλόγου τοῦτό ἐστιν , ἔνθα ὁ ἀντέρως παραδίδοται . Τίνα οὖν καλεῖ φ ί λ ι ο ν ; ἤ φαμεν ὅτι τὸν Δία · καὶ γὰρ ἀμφοτέροις προσήκει κατὰ τὸ ἀρχικὸν ὁ Ζεύς . Σωκράτει μὲν δ ιὰ τὴν φιλοσοφίαν ( ἡγεμὼν γὰρ αὕτη πασῶν τῶν ἄλλων τεχνῶν ) καὶ ὅτι κατὰ τοὺς Στωϊκοὺς ὁ εἰδὼς πῶς δεῖ ἄρχειν ἄρχων ἐστίν , εἰ καὶ μὴ κέχρηται τῇ ἀρχῇ · τοιοῦτοι δὲ οἱ φιλόσοφοι · διὸ καὶ ἐν Φαίδρῳ φησίν , ‘ μ ε τ ὰ μ ὲ ν δ ὴ Δ ι ό ς ε ἰ μ ι ’ . Ἀλκιβιάδῃ δὲ ὡς φιλάρχῳ καὶ στρατηγικῷ ἁρμόττει , ὥστε οὐ μάτην τὸ εἰπεῖν ‘ τ ὸ ν ἐ μ ό ν τ ε κ α ὶ σ ό ν ’ . ἀλλὰ ταῦτα μὲν ἐν τοῖς ἐφεξῆς 15 20 25 87 5 10 15 266 C. Text und Übersetzung <?page no="267"?> Natur [Gerechten], das heißt dem Ehrenhaften gehört, gegen diejenigen Krieg zu führen, die gerecht handeln. Und der Jüngling stimmt diese [Aussagen] zu, da er Fortschritt in Richtung auf das Ziel macht. 756 Ist es nun etwas Anderes, nach dem ich dich gerade gefragt habe, was das Bessere in Bezug auf Kriegsführung ist? Nachdem durch viele Argumente der Jüngling überzeugt wurde, dass das Ziel des Krieges das Gerechte ist, und dass man gegen diejenigen, die gerecht handeln, keinen Krieg führen sollte, sondern offensichtlich gegen die ungerecht Handelnden (denn in diesem Fall würden wir um des Gerechten willen Krieg führen), erinnert Sokrates den Jüngling an die Frage, auf die er zweifelte, wie er antworten soll. Diese war nämlich, was das Ziel des Krieges ist. Denn das Gleiche macht die [Frage] „ was ist das Bessere “ deutlich, wie bereits gesagt. Nun sagt er: „ I s t e s e t w a s A n d e r e s , w a s i c h d i c h g e r a d e g e f r a g t h a b e ? “ in dem Sinne wie „ w e n n e s n i c h t d a s i s t “ . Denn in Platons Sprachgebrauch steht „ ist es etwas Anderes “ gemäß der Paralipse für „ Wenn es nicht das ist “ . 757 Mit Hilfe der verschiedenen Aspekte erinnert er ihn daran, was das Bessere bei der Kriegsführung ist, indem er „ g e g e n w e n m u s s m a n “ und „ w a n n “ sagt. 109D Wie nun, mein Freund Alkibiades? Vergisst du etwa selber, dass du es nicht weißt, und Folgendes: Nicht ohne Grund wurde an dieser Stelle „ m e i n F r e u n d “ gesetzt, sondern, so wie öfters gesagt wurde, weil die sokratischen Ermahnungen und Widerlegungen ähnlich wie mit Honig verabreichte Medikamente sind 758 ; und er hat vor, den Jüngling mit Widerlegungen zu kränken und ihn aufgrund dessen in Wut zu bringen, dass er nicht weiß, was das Gerechte ist, dazu beschwichtigt er ihn zuerst, indem er ihn als „ F r e u n d “ bezeichnet, und kurz darauf erneut schwört: „ a u f d e n [Gott der] F r e u n d s c h a f t , a u f m e i n e u n d d e i n e “ 759 . Nun an diesem Punkt untersuchen [die Exegeten], welchen Gott er F r e u n d s c h a f t nennt. Einige sagen wohl, dass es Eros ist 760 , aber er ist es nicht. Denn Freunde sind den Freunden lieb, in diesem Fall aber liebt Sokrates den Jüngling, wobei der Jüngling seine Liebe nicht entgegnet. Das ist nur am Ende des Dialogs [der Fall], wo die Gegenliebe [des Alkibiades] angegeben wird. 761 Wen nennt er dann [den Gott der] F r e u n d s c h a f t ? Wir sagen also, dass es Zeus ist. 762 Denn tatsächlich passt Zeus den beiden [Sokrates und Alkibiades] aufgrund seiner herrschenden Natur. [Er passt] Sokrates aufgrund der Philosophie (das ist nämlich der Herrscher über alle anderen Künste) 763 und weil auch nach der [Ansicht der] Stoiker derjenige, der die Kenntnis darüber besitzt, wie man herrschen soll, der Herrscher ist, auch wenn er diese Macht nicht ausübt. 764 Und solche Menschen sind die Philosophen. Auch deswegen sagt Sokrates im Phaidros: „ I c h b i n m i t Z e u s “ . 765 Alkibiades ist in Übereinstimmung mit [Zeus], da er das Herrschen liebt und den Charakter eines Feldherrn hat, sodass er [sc. Sokrates] 15 20 25 87 5 10 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 267 <?page no="268"?> ἁρμόττει λεχθῆναι · ἐνταῦθα δέ φησιν ὅτι ‘ π ό τ ε ρ ο ν σ α υ τ ὸ ν λ έ λ η θ α ς ἀγνοῶν τὸ δίκαιον’ ( οἰκεῖον δὲ ἡ λήθη τῇ ἀγνοία , ἄμφω γὰρ Γνώσεώς εἰσιν ἀπουσία ) ‘ ἢ ἐ μ ὲ ἔ λ α θ ε ς μ α θ ώ ν ; ’ ἀντὶ τοῦ ‘πῶς , εἴγε δίκην συνειδότος ἐφ’ ἑκάστῃ ἡμῶν ἐνεργείᾳ παρόντος κἀγὼ συνακολουθῶ σοι , λαθεῖν με ἔμελλες ; ’ Καὶ φοιτῶν εἰς διδασκάλου : ἐντεῦθέν ἐστι μαθεῖν ὅτι καὶ οἱ μανθά νοντες παρὰ ἄλλου ἔχουσί τι αὐτοκίνητον , τουτέστι τὸ προαιρεῖσθαι μανθάνειν καὶ φοιτᾶν εἰς διδασκάλου καὶ μὴ βίᾳ | καὶ μοχλείᾳ προσ λαμβάνειν τὸ μανθάνειν , εἰ καὶ παρ’ ἑτέρων αὐτοῖς ἡ γνῶσις προσέρχε ται . Καὶ τίς ἐστιν οὗτος ; φράσον καὶ ἐμοί , ἵνα αὐτῷ φοιτητὴν προξενή σης ἐμέ : ζητητέον πῶς , εἰ δεῖ καὶ τὰς εἰρωνείας τοῦ φιλοσόφου ἀληθεῖς εἶναι , νῦν ὁ Σωκράτης εἰδὼς τὸ δίκαιον λέγει πρὸς τὸν νέον ὅτι ‘φράσον μοι παρ’ ὅτου τὸ δίκαιον ἔμαθες , ἵνα αὐτῷ φοιτήσω’ . ἤ φαμεν ὅτι δεῖ τὸν ἐρωτικὸν καὶ συναγνοεῖν καὶ συνανάγεσθαι τοῖς παιδικοῖς · ὡς μὲν οὖν ἐρωτικὸς ὁ Σωκράτης ἠγνόει τὸ δίκαιον ἀγνοοῦντος τοῦ νέου , ὡς δὲ διδάσκαλος ἠπίστατο . ἢ καὶ βʹ λύσιν · ὅτι ἢ πρὸς κρείττονα ἐφοίτα ὁ Σωκράτης καὶ ὠφέλητο , ἢ πρὸς χείρονα καὶ ὠφέλει , ἢ πρὸς ἴσον , καὶ ‘ κ ο ι ν ὰ τ ὰ φ ί λ ω ν ’ . Ὃν ἐγὼ ἥκιστ’ ἂν ἐπιορκήσαιμι : ἐνταῦθα ζητητέον πῶς φησίν , ‘ὃν ἐγὼ οὐδαμῶς ἂν ἐπιορκήσω’ . τί γάρ ; ἕτερον ἐπιώρκει ; ἤ φαμεν ὅτι προσυπακουστέον τὸ ‘πρὸς σέ’ · μετριώτερον γὰρ τὸ πρὸς ἀλλοτρίους καὶ ξένους ἐπιορκεῖν ἢ πρὸς φίλους . ἢ ὅτι δεινότερόν ἐστιν τοὺς μετὰ ἰδιότητος θεοὺς ἐπιορκεῖν ἢ τοὺς ἄλλους · αἱ γὰρ ἰδιότητες καὶ οἱ προσ διορισμοὶ παραβαινόμενοι χαλεπώτερα ποιοῦσι τὰ ἁμαρτήματα , πρόσ κειται δὲ τὸ ‘ φ ί λ ι ο ν ’ . οὕτω καὶ ἐν Κρατύλῳ φησὶν μὴ δεῖν ἐπιορκεῖν τὸν ξένιον ἢ ὁμόγνιον , δηλονότι ὡς τῶν προσδιορισμῶν μὴ ὀφειλομένων παραβαίνεσθαι . ἢ ὅτι οὐ πρὸς ἀντιδιαστολὴν ἐνταῦθα τὸ ‘ ὃ ν ’ εἴρηται . 20 88 5 10 15 20 268 C. Text und Übersetzung <?page no="269"?> nicht ohne Grund „ a u f m e i n e u n d d e i n e “ sagt. Vielmehr ist es für diese Worte geeignet, dass sie in Folge zueinander gesagt wurden. Er sagt hier also: „ V e r g i s s t d u e t w a s e l b e r , dass du das Gerechte nicht weißt? “ . (Das Vergessen ist nämlich verwandt mit der Unwissenheit, denn die beiden sind die Abwesenheit der Erkenntnis 766 ), „ O d e r h a b e i c h n i c h t g e m e r k t , d a s s d u e s g e l e r n t h a s t ? “ , in dem Sinne wie: „ Wie kann es sein, dass du meine Aufmerksamkeit entgehen könntest, wenn ich dich überall verfolge, wie das Bewusstsein, das bei jeder einzelnen unserer Handlungen anwesend ist? “ 767 Und den Unterricht eines Lehrers besucht hast: Daraus soll man lernen, dass auch diejenigen, die [etwas] von jemandem anderen lernen, eine Art Selbstbewegung haben: Nämlich, sich fürs Lernen zu entscheiden und sich zu einem Lehrer zu begeben und nicht durch Zwang oder durch harte Übung Lehre zu erhalten, auch wenn die Erkenntnis ihnen durch anderen zuteil wird. Und wer ist dieser [Lehrer]? Nenn ihn auch mir, damit du auch mich ihm als Schüler vorstellst: Es muss untersucht werden, warum - da die ironischen Äußerungen eines Philosophen auch der Wahrheit entsprechen - jetzt Sokrates, der das kennt, was gerecht ist, dem Jüngling sagt: „ Nenne mir, von wem du gelernt hast, was gerecht ist, damit ich ein Schüler von ihm werde. “ 768 Dazu sagen wir, dass es einem Liebhaber gehört, sowohl zusammen mit seinem Liebling nicht zu wissen als auch zusammen mit ihm vorzugehen. Daher Sokrates, als ein Liebhaber, kennt es nicht, was gerecht ist, solange der Jüngling es auch nicht kennt, als ein Lehrer dennoch wusste er das. Oder es gibt eine zweite Lösung: Entweder würde Sokrates zu einem besseren Lehrer gehen und Hilfe bekommen, oder zu einem schlechteren [gehen] und [ihm] helfen, oder zu einem gleichwertigen, und [so nach dem Spruch] „ u n t e r F r e u n d e n i s t a l l e s g e m e i n s a m “ 769 . Bei dem ich wohl am wenigsten einen Meineid schwören würde: An dieser Stelle soll es untersucht werden, warum er sagt: „ Bei dem ich wohl niemals einen Meineid schwören werde “ . Was bedeutet das? Würde er bei einem anderen [Gott] einen Meineid schwören? Dazu sagen wir, dass man es mit „ gegenüber dir “ 770 ergänzen soll. Denn es ist angemessener, gegenüber anderen und den Fremden einen Meineid zu schwören, als gegenüber den Freunden. Oder, [er sagt es,] weil es schlimmer ist, bei den Göttern einen Meineid zu schwören, die über einen eigenen Wirkungsbereich [verfügen], als bei anderen [Göttern]. Denn die eigenen Wirkungsbereiche und spezielle Bestimmungen führen dazu, dass die Verstöße gravierender werden, wenn man sie überschreitet, und [hier] wird [bei dem Gott der] „ F r e u n d s c h a f t “ hinzugefügt. Auch im Kratylos 771 sagt er, dass es sich nicht gehört, bei [Zeus] der Fremden oder [Zeus] der Verwandtschaft einen Meineid zu schwören, offensichtlich weil 15 20 88 5 10 15 20 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 269 <?page no="270"?> 109E Τί δέ , εἰ μὴ ἔχω ; οὐκ ἂν οἴει με | ἄλλως εἰδέναι ; ἐν τούτοις ἀνα λυτικῶς παραδίδοται ὁ συλλογισμός , ὃν ἀνωτέρω συνθετικῶς προή γαγεν . εἰπὼν γὰρ ὁ Σωκράτης ὅτι ‘ἠπίστασο ἂν τὰ δίκαια , εἰ ἐφοίτησας παρὰ διδασκάλῳ’ , καὶ τοῦ νέου εἰπόντος ‘τί δέ ; οὐκ ἐνδέχεται ἄλλως με γινώσκειν ; ’ ἐπάγει ὁ Σωκράτης ἑτέραν πρότασιν , ὅτι ‘εἴ γε εὕροις’ , καὶ πάλιν ‘εἰ ἐζήτησας · ἐζήτησας δὲ ἄν , εἰ ἐνόμισας μὴ εἰδέναι · ἀλλ ὰ μὴν οὐκ ἔχεις χρόνον εἰπεῖν ὃν ἡγήσω ἀγνοεῖν’ . ἀναλογίζεται γὰρ πᾶσαν τὴν ἡλικίαν τοῦ νέου κἀντεῦθεν δείκνυσιν αὐτὸν ἀγνοοῦντα τὸ δίκαιον . Καὶ μάλα γ’ , εἰ ζητήσαις : οὐχ ἁπλῶς ἐνταῦθα πρόσκειται τὸ ‘ μ ά λ α ’ , ἀλλὰ θαρροῦντός ἐστι τῇ εὐφυΐᾳ τοῦ νέου , ὅτι εἰ ἐζήτησε πάντως ἂν ἤμελλεν εὑρεῖν . 110A Καὶ τἀληθῆ ἀποκρίνου , ἵνα μὴ μάτην οἱ διάλογοι γίνωνται : ἄνω μέν , ἔνθα καθολικαὶ ὑπῆρχον αἱ προτάσεις , οὐκ ᾔτει τὸν νέον ἀληθῆ ἀποκρίνασθαι · εἰ γὰρ καὶ ἐψεύσατο , ἀλλ’ οὖν ἐξ ἑτέρων διὰ τοῦ καθολικοῦ τῶν προτάσεων ἠλέγχετο . ἐνταῦθα δέ , ἐπειδὴ μερικαί εἰσι καὶ ἀπὸ ἱστορίας εἰλημμέναι , αἰτεῖ αὐτὸν ἀληθεῦσαι · εἰ γὰρ μὴ τὰ ἀληθῆ ἀποκρίνηται , οἴχεται καὶ μάταιος ἔσται ὁ συλλογισμός . καὶ ἔστιν ἐντεῦθεν ἑλεῖν Πλατωνικὸν δόγμα , ὅτι ἐκ ψευδῶν προτάσεων οὐδὲν ἀναγκαῖον συνάγεται , ἀλλὰ μάταιος ἔσται ὁ συλλογισμός · φησὶ γὰρ ‘ ἵ ν α μ ὴ μ ά τ η ν ’ . εἰ γὰρ καὶ ἀληθές ποτε ἐκ ψευδῶν συναχθή σεται , οὐ διὰ τὸ ἀναγκαστικὸν τῶν προτάσεων , ἀλλὰ διὰ τὸ ἐνδεχό μενον τῆς ὕλης τοῦτο γίνεται . Ἀλλὰ μὴν τό γε πρὸ τούτου παῖς ἦσθα : διαφέρει παῖς παιδίου · παι δίον μὲν γάρ ἐστιν ὁ μέχρι ἑπτὰ | ἐτῶν , παῖς δὲ ὁ ἀπὸ ἑβδόμου ἔτους μέχρι τεσσαρεσκαιδεκάτου , ὅτε καὶ λοιπὸν ἔφηβος γίνεται . καλῶς οὖν ὁ Σωκράτης παῖδα τὸν νέον εἶπεν εἶναι πρὸ πέντε ἐτῶν , εἴγε νῦν κʹ ἐτῶν οὔπω ἐστίν . 89 5 10 15 20 90 270 C. Text und Übersetzung <?page no="271"?> ihre speziellen Bestimmungen nicht überschritten werden dürfen. Oder wurde „ b e i d e m “ hier nicht gesagt, um einen Gegensatz [zu den anderen Göttern] zu äußern. 772 109E Was aber, wenn ich das nicht kann? Würdest du etwa nicht glauben, dass ich auf eine andere Weise wissen könnte? Bei diesen Aussagen gibt er durch Auseinanderlösung die Schlussfolgerung an, den er oben durch Zusammensetzung vorgeführt hatte. 773 Denn Sokrates sagt: „ Dann hättest du nämlich das Gerechte gewusst, wenn du bei einem Lehrer gelernt hättest “ , und als der Jüngling sagt: „ Was jetzt? Akzeptierst du nicht, dass ich auf eine andere Weise wissen kann? “ , fügt Sokrates eine andere Prämisse: „ Wenn du aber [selbstständig] gefunden hättest “ , und wiederum: „ Wenn du untersucht hättest. Untersuchen würdest du aber, wenn du geglaubt hättest, dass du es nicht kennst. In der Tat aber hast du keine Zeit zu nennen, in der du dachtest, dass du nicht weißt. “ Denn er fasst [damit] die ganze Lebensdauer des Jünglings zusammen, und zeigt ausgehend davon, dass er das Gerechte nicht weiß. Aber ganz bestimmt, wenn du es untersucht hättest: Nicht unbegründet ist hier „ g a n z “ hinzugefügt, sondern es zeigt Vertrauen an die natürliche Begabung des Jünglings, dass er das sehr wahrscheinlich finden würde, wenn er das untersucht hätte. 774 110A Und antworte mir wahrheitsgemäß, damit unsere Gespräche nicht vergeblich werden: Früher nämlich, als die Prämissen eine universelle Beschaffenheit hatten, hat er den Jüngling nicht aufgefordert, wahrheitsgemäß zu antworten. Denn auch wenn er gelogen hätte, wäre er dann ausgehend von der Universalität anderer Prämissen widerlegt. An dieser Stelle dagegen, da [die Prämissen] geteilt und aus den persönlichen Darstellungen ausgesucht sind 775 , fordert er ihn darauf, die Wahrheit zu sagen. Wenn er nämlich nicht die Wahrheit als Antwort gibt, wird die Schlussfolgerung vergeblich weitergehen. 776 Und daraus soll man den platonischen Grundsatz ziehen, dass aus falschen Prämissen nichts zwangsläufig folgt, sondern die Schlussfolgerung bedeutungslos wird. Denn er sagt: „ D a m i t e s n i c h t v e r g e b l i c h w i r d “ . Doch auch wenn wahre Aussagen manchmal aus falschen Prämissen gefolgert werden, das geschieht nicht, weil die Prämissen diese Schlussfolgerung zwingen, sondern aufgrund der Möglichkeit der Materie. 777 Aber gewiss warst du davor doch ein Kind: Es gibt einen Unterschied zwischen einem Kind und einem kleinen Kind. Ein kleines Kind ist [ jemand] bis zum siebten Jahr, ein Kind ist es aber ab dem siebten bis zum vierzehnten Jahr, dann und nach diesem [ Jahr] wird er ein Ephebe. 778 Zutreffend sagt also Sokrates, dass der Jüngling vor fünf Jahren ein Kind war, wenn er nun nicht mal 20 Jahre alt ist. 779 89 5 10 15 20 90 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 271 <?page no="272"?> 110B Ὡς πονηρὸς καὶ ἄδικος εἴη : τοῦτο σημεῖον μεγάλης καὶ δεξιᾶς φύσεως τοῦ νέου , εἰ ἐκ παιδὸς πονηροὺς ἡγεῖτο τοὺς ἀδίκους εἶναι , ἀπὸ τῆς κοινῆς ἐννοίας μόνον γινώσκων τοῦτο . οὐ γὰρ εἰς διδασκάλων πω τοιούτων ἐπεφοιτήκει , δυναμένων διδάξαι τὸ δίκαιον . Σὺ δὲ εἰ τύχοις ἀγνοῶν εἴτ’ ἀδικοῖο εἴτε μή , καὶ τὰ ἑξῆς : τί φησι ; τοῦ νέου εἰρηκότος ‘τί γάρ με προσῆκε ποιεῖν ἀδικούμενον ἢ λέγειν ὅτι ἀδικοῦμαι ; ’ ὁ Σωκράτης λέγει , ‘εἰ δὲ ὅλως ὡς ἀγνοῶν τὸ δίκαιον ἠγνόεις εἴτε ἀδικῇ εἴτε μή , τότε λέγεις τί ἔδει σε ποιεῖν ; δῆλον γὰρ ὅτι ὑπελείπετό σοι τὸ φιλεῖν μανθάνειν’ . εἶτα πρὸς ταῦτα πάλιν τοῦ νέου ὀμνύντος μὴ ἀγνοεῖν , ἀλλὰ σαφῶς εἰδέναι ὅτι ἠδικεῖτο , ὁ Σωκράτης πάλιν τῷ αὐτῷ συλλο γισμ ῷ κέχρηται , ὅτι ‘ἐ ν π ο ί ῳ χ ρ ό ν ῳ ἐ ξ ε υ ρ ώ ν ; πότε , ὁμολο γήσας ἀγνοεῖν , ἐζήτησας ; εἰ δὲ μήτε ζητήσας εὗρες μήτε ἔμαθες μὴ φοιτήσας εἰς διδασκάλου ( τοῦτο γὰρ ἀνωτέρω ὡμολόγησας ), δηλονότι οὐκ οἶσθα τὸ δίκαιον’ . Τὸ δὲ ἄνω εἰρημένον , ‘πολλάκις σοῦ ἐν διδασκάλων ἤκουον’ , ἐπὶ κιθαριστοῦ καὶ γραμματιστοῦ καὶ παιδοτρίβου μόνων δεῖ νοεῖν · ταῦτα γὰρ μόνα ἐπαιδεύθη ὁ νέος . 110D Πῶς οἶσθα καὶ πόθεν ; ‘ π ῶ ς ; ’ ἀντὶ τοῦ ‘μὴ ζητήσας καὶ εὑρών’ ‘ π ό θ ε ν ; ’ ἀντὶ τοῦ ‘μὴ φοιτήσας παρ’ ἄλλῳ καὶ μαθών’ . Πρᾶξις σὺν θεῷ ιʹ 110D-112D Ἀλλ’ ἴσως τοῦτό σοι οὐκ ὀρθῶς ἀπεκρινάμην . Δειχθεὶς ὁ Ἀλκιβιάδης μὴ εἰδὼς τὸ δίκαιον ( οὔτε γὰρ ἔμαθεν οὔτε εὗρεν , ὡς προαποδέδεικται ), ὡς εὐφυὴς ὢν ἀνα | τίθεται πρὸς τὴν μίαν τῶν προτάσεων τὴν λέγουσαν ὅτι γινώσκει τὰ δίκαια ὡς εὑρών . ἐπειδὴ γὰρ προσεχῶς ἐλήλεγκται αὕτη , φησὶν μὴ καλῶς τοῦτο ἀποκρίνασθαι · ‘γινώσκω γὰρ οὐχ εὑρών , ἀλλὰ μαθών’ . καὶ τοῦ Σωκράτους μέλλοντος τοῖς αὐτοῖς λόγοις χρῆσθαι , ὅτι ‘ἐν ποίῳ χρόνῳ , παρὰ ποίοις διδασκά - 5 10 15 20 25 91 5 272 C. Text und Übersetzung <?page no="273"?> 110B Dass er böse und ungerecht sei: Das ist ein Zeichen für die großmütige und rechtschaffene Natur des Jünglings, dass er schon seit der Kindheit böse Kinder gleichzeitig für ungerechte hält, auch wenn er das allein durch die Gemeinbegriffe [in seiner Seele] weiß. 780 Denn in dieser Zeit war er noch nicht Schüler solcher Lehrer gewesen, die dazu fähig sind, das Gerechte zu lehren. Was hättest du getan, wenn du damals nicht wusstest, ob dir Unrecht getan wurde oder nicht, und Folgendes: Was meint er? Nachdem der Jüngling gesagt hat: „ Was hätte ich denn machen sollen, wenn mir jemand Unrecht tat, außer zu sagen, dass mir Unrecht getan wurde? “ 781 , antwortet Sokrates: „ Du meinst, was hättest du dann tun sollen, als du es nicht gewusst hättest, ob es dir unrecht getan wurde oder nicht, da du über das Gerechte völlig unwissend warst? Eindeutig bliebe es dir [dann] Freude am Lernen zu haben. “ 782 Nachdem der Jüngling darauf erneut geschworen hat, dass er nicht unwissend war, sondern genau verstand, dass ihm Unrecht getan wurde, gebrauchte Sokrates wiederum die gleiche Schlussfolgerung, nämlich: „ Z u w e l c h e r Z e i t h a s t d u e s h e r a u s g e f u n d e n ? 783 Wann hast du es untersucht, indem du annimmst, das nicht zu wissen? Wenn du [es] aber weder durch Untersuchung gefunden, noch gelernt hast, da du bei keinem Lehrer in die Lehre gingst (das hast du nämlich oben gestanden), folgt daraus eindeutig, dass du nicht kennst, was gerecht ist. “ 784 Das vorher Erwähnte „ Mehrmals habe ich dir bei den Lehrern zugehört “ 785 soll so verstanden werden, dass es sich nur auf Kitharalehrer, Elementarlehrer und Sportlehrer 786 bezieht. Denn der Jüngling wurde nur in diesen [Fächern] ausgebildet. 110D Wie weißt du das, und woher? Mit „ w i e “ meint er: „ Du hast nicht untersucht und gefunden “ . Mit „ w o h e r “ meint er: „ Du hast nicht bei jemandem anderen studiert und gelernt “ . Unterricht 10 mit Gottes Hilfe 110D - 112D Aber vielleicht habe ich dir keine richtige Antwort gegeben: Nachdem es aufgezeigt wurde, dass Alkibiades nicht weiß, was gerecht ist (denn er hat das weder gelernt noch [selbstständig] gefunden, wie vorher gezeigt wurde), widerruft er, dank seiner natürlichen Begabung, eine der Prämissen 787 nachträglich, die besagt, dass er das Gerechte wisse, da er das [selbstständig] gefunden habe. Da aber diese [Prämisse] umgehend widerlegt wurde, 788 sagt er [sc. Alkibiades], dass er diese Antwort nicht zutreffend gegeben habe. „ Denn ich weiß es nicht durch [selbstständiges] Finden, sondern durch 5 10 15 20 25 91 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 273 <?page no="274"?> λοις ; ’ καὶ τὰ τοιαῦτα , ὁ Ἀλκιβιάδης διδασκάλους προβάλλεται τοὺς πολλοὺς καὶ λέγει μεμαθηκέναι τὰ δίκαια παρὰ τῶν πολλῶν . οὐ γὰρ μόνων τῶν δικαίων , φησίν , εἰσὶν οὗτοι διδάσκαλοι , ἀλλὰ καὶ τοῦ ἑλληνί ζειν . ᾤετο δὲ αὐτοὺς ταῦτα εἰδέναι καὶ διδάσκειν ὡς ἄμφω νομίζων θέσει εἶναι · τούτων γὰρ δεσπόται εἰσὶν οἱ πολλοί · καὶ γὰρ γινώσκουσιν ἃ τεθείκασιν , οἶον τὰ ὀνόματα . οὐ μὴν τὸ δίκαιον θέσει ἐστίν · διὸ ὁ Σωκράτης τὸ μὲν ἓν ἀποδέχεται , τὸ διδασκάλους εἶναι τοὺς πολλοὺς τοῦ ἑλληνίζειν , τὸ δὲ ἕτερον οὐδαμῶς , τὸ διδάσκειν τὰ δίκαια . Πρῶτον μὲν γάρ φησιν · ‘πῶς οἱ τὰ εὐτελέστερα καὶ χείρω μὴ γινώσκοντες , οἷον τὸ πεττεύειν , τὰ κρείττω γινώσκοντες , οἶον τὰ δίκαια καὶ τὰ ἄδικα , δύνανται περὶ αὐτῶν διδάσκειν ; ’ καὶ ἄπορος ὁ λόγος οὗτος , πῶς ὁ Σωκράτης φησὶ τοὺς πολλοὺς μὴ εἰδέναι τὰ δίκαια διότι τὰ χείρω μὴ γινώσκουσιν . οὔτε γὰρ Ἱπποκράτης , ἐπειδὴ τὰ τεκτονικὰ οὐκ ἠπίστατο , διὰ τοῦτο καὶ τὰ δ’ στοιχεῖα ἠγνόει , ἐξ ὧν ἔφη συγκεῖσθαι τὰ ἀνθρώπινα σώματα · καίτοι ταῦτα κρείττω τῶν τεκτονικῶν . πρὸς τοῦτο οὖν ὁ Πρόκλος οὕτως ἐπιλύεται · φησὶ γὰρ ὅτι οἱ τὰ εὐτελέστερα καὶ οἰκειότερα μὴ γινώσκοντες , οὗτοι οὐδὲ τὰ κρείττω γινώσκουσιν . ὁ δὲ Δαμάσκιος οὐχ οὕτως · οὐ γάρ φησιν χρείαν εἶναι τῆς προσθήκης ταύτης , τοῦ εἰπεῖν ‘οἰκειότερα’ , ἀλλ’ ἐπιλύεται λέγων οὕτως . οἱ τὰ εὐτελέστερα μὴ δυνάμενοι μανθάνειν , οὗτοι οὐδὲ τὰ κρείττω γινώσκου σιν · εὐτελέστερον δὲ τὸ πεττεύειν τοῦ τὰ δίκαια εἰδέναι , τοῦτο δὲ ἀγνοοῦσιν · δῆλον ὅτι καὶ τὰ δίκαια ἀγνοοῦσιν οἱ πολ | λοί . Εἶτα δὲ ἐπὶ τούτοις ὁ Σωκράτης λέγων τοὺς πολλοὺς μὴ εἰδέναι τὰ δίκαια , φησὶν αὐτοὺς διαφωνεῖν περὶ τούτου πρὸς ἀλλήλους · ἄλλοι γὰρ ἄλλο δίκαιον ἡγοῦνται . σημεῖον δὲ ἀγνοίας καὶ ἀνεπιστημοσύνης ἡ ἀσυμφωνία · οὐχ ὅτι οἱ συμφωνοῦντες ἀλλήλοις πάντως ἐπιστήμονές εἰσιν ( διὰ τοὺς Δημοκριτείους , συμφωνοῦντας μὲν περὶ τοῦ κενοῦ ὅτι ἐστίν , ἀνεπιστήμονας δὲ διὰ τοῦτο ὄντας , οὐκ ἔστι γάρ ), ἀλλ’ οἱ μὲν ἐπιστή - 10 15 20 25 92 5 274 C. Text und Übersetzung <?page no="275"?> Lernen “ . 789 Und als Sokrates die gleichen Argumente benutzen wollte, nämlich: „ Zu welcher Zeit, bei welchen Lehrern? “ und Ähnliche 790 , gibt Alkibiades die Mehrheit als Lehrer an und behauptet, das Gerechte von der Mehrheit gelernt zu haben. Denn nicht nur für das Gerechte seien diese die Lehrer, sagt er, sondern auch um Griechisch zu sprechen. Er meinte also, dass die [Mehrheit] diese Dinge weiß und lehren kann, da er annahm, diese beiden seien der Konvention nach [gestaltet]. 791 Die Mehrheit ist nämlich die Autorität über diese Dinge [nach Konvention]. Und sie wissen natürlich auch, welche [Konventionen] sie festgelegt haben, beispielsweise die Namen. Dagegen ist das Gerechte überhaupt nicht der Konvention nach [bestimmt]. Daher akzeptiert Sokrates das eine, nämlich dass die Mehrheit Lehrer für die griechische Sprache sind; auf keinen Fall aber das andere, nämlich dass sie das Gerechte lehren. Er sagt also zuallererst: „ Wie kann es sein, dass diejenigen, die belanglosere und niedrigere Dinge nicht wissen, wie Brettspiele zu spielen, wichtigere Dinge wissen, wie was gerecht und ungerecht ist, sodass sie darüber Unterricht erteilen können? “ . 792 Diese Argumentation ist aber widersprüchlich: Wie kann Sokrates behaupten, dass die Mehrheit aufgrund dessen, dass sie niedrigere Dinge nicht kennt, auch das nicht weiß, was gerecht ist? Denn auch Hippokrates war aufgrund dessen, dass er über das Bauwesen keine fachliche Kenntnis besaß, nicht unwissend über die vier Elemente, aus denen, wie er sagt, die menschlichen Körper zusammengesetzt sind. 793 In der Tat aber ist dieses wichtiger als das Bauwesen. Gegen diese [Frage] nun bietet Proklos eine derartige Lösung an: Er sagt nämlich, dass diejenigen, die die minderwertigeren und [ihnen] bekannteren Dinge nicht wissen, auch die wichtigeren Dinge nicht wissen. Damaskios dagegen [löst die Frage] nicht auf diese Weise. Denn er meint, dass den Zusatz „ bekanntere “ bei dieser Aussage zu benutzen nicht nötig ist, sondern er löst [die Frage], indem er Folgendes sagt: Diejenigen, die minderwertigere Dinge nicht verstehen können, wissen auch die wichtigeren Dinge nicht. Doch Brettspiele zu spielen ist minderwertiger als zu kennen, was gerecht ist, und sie [sc. die Mehrheit] sind unwissend darüber [sc. Brettspiele]. Daraus wird deutlich, dass die Mehrheit unwissend über das Gerechte ist. Über seine Aussage hinaus, dass die Mehrheit nicht kennt, was gerecht ist, sagt Sokrates nachfolgend, dass sie darüber miteinander uneinig sind. Denn verschiedene Menschen haben verschiedene Meinungen über das Gerechte. Die Uneinigkeit ist aber ein Zeichen der Unwissenheit und Unkenntnis. 794 [Das bedeutet] nicht, dass diejenigen, die [über etwas] miteinander einig sind, eine vollkommen zuverlässige Kenntnis darüber besitzen (beispielsweise Demokriteer, die einerseits einig darüber sind, dass die Leere existiert 795 , andererseits aus diesem Grund keine zuverlässige Kenntnis haben; denn diese existiert nicht 796 ); 5 10 15 20 25 92 5 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 275 <?page no="276"?> μονες συμφωνοῦσιν ἀλλήλοις , κατὰ δὲ τὴν σὺν ἀντιθέσει ἀντιστροφὴν ἀπὸ τοῦ ἑπομένου γινομένην οἱ μὴ συμφωνοῦντες ἀνεπιστήμονές εἰσιν . αὖθις δὲ ἐπάγει καὶ ἐπίτασιν τῆς διαφωνίας , ὅτι καὶ στασιάζουσιν οἱ πολλοὶ περὶ τῶν δικαίων πρὸς ἀλλήλους , οὐ μόνον δὲ στασιάζουσιν , ἀλλὰ καὶ πόλεμοι μέγιστοι διὰ τοῦτο γεγόνασιν . ἡ μὲν γὰρ στάσις μικρὰ μάχη ἐστίν ( εἰ καί , ὅτι πρὸς οἰκείους γίνεται , χείρων ἐστὶ τοῦ πολέμου ), ὁ δὲ πόλεμος μεγάλη μάχη . καὶ γάρ , ὡς προείρηται , ἐπειδὴ διὰ πάσης τῆς οὐσίας ἡμῶν καὶ τῆς τριμερείας τῆς ψυχῆς διῆλθε τὸ δίκαιον , διὰ τοῦτο οἱ ἀδικούμενοι νεκροὺς καὶ ἀνουσίους ἑαυτοὺς ἡγοῦνται , εἰ μὴ τύχωσι τοῦ δικαίου · δι’ ὃ καὶ τοὺς μεγίστους πολέμους κινοῦσι . καὶ παραδείγματα τοῦ διὰ τὸ δίκαιον τοὺς πολέμους γίνεσθαί φησιν τήν τε Ἰλιάδα καὶ τὴ ν Ὀδύσσειαν εἶναι . οὐδὲν γάρ ἐστιν ἡ Ἰλιὰς ἢ ῥαψῳδία δικαιολογίας βαρβάρων πρὸς Ἕλληνας , τῶν μὲν | βαρβάρων λεγόντων προηδικῆσθαι διὰ τὸν Ἰάσονα Ἕλληνα ὄντα καὶ τὴν Μήδειαν ἁρπά σαντα βάρβαρον οὖσαν , τῶν δὲ Ἑλλήνων μᾶλλον λεγόντων ἠδικῆσθαι διὰ τὴν ἁρπαγὴν τῆς Ἑλένης . ταῦτα δὲ ὁ Ἡρόδοτος εὐθέως ἐν ἀρχῇ τῆς οἰκείας ἱστορίας φησίν . καὶ ἐν Ὀδυσσείᾳ δὲ δικαιολογία ἐστὶ μνηστήρων καὶ Τηλεμάχου , τῶν μὲν μνηστήρων λεγόντων μὴ δεῖν γυναῖκα χήραν τοὺς πρώτους τῆς Ἰθάκης μετὰ πολλῶν ἔδνων προσιόν τας ἀποστρέφεσθαι , τοῦ δὲ Τηλεμάχου λέγοντος μήπω φανερὸν εἶναι εἰ τέθνηκεν ὁ πατήρ , καὶ ὅτι οὐ δίκαιόν ἐστι τὸν πατρῷον οἶκον ὑπ’ αὐτῶν κείρεσθαι . ἐπὶ δὲ καὶ ἄλλο παράδειγμα τὴν ἐν Κορωνείᾳ μάχην λέγων , ὅτι καὶ αὕτη διὰ τὸ δίκαιον γέγονεν , καὶ δυνάμενος ἕτερον πόλεμον μείζονα παραγαγεῖν οὐ πεποίηκεν τοῦτο , καταποικίλλων τὴν ἑαυτοῦ διδασκαλίαν . τὸν μὲν γὰρ Τρωϊκὸν διὰ τὸ λαμπρότερον τοῦ ὑποκειμένου τέθεικεν , τὸν δὲ ἐν Κορωνείᾳ διὰ τὸ οἰκειότερον αὐτὸν εἶναι τῷ νέῳ · καὶ γὰρ Κλεινίας ὁ Ἀλκιβιάδου πατὴρ ἀριστεύσας ἐκεῖ ἐτεθνήκει . κατὰ ζῆλον δὲ ποιητικὸν τοῦτο πεποίηκεν · καὶ γὰρ παρὰ τῷ ποιητῇ διαλεγόμενος ὁ Νέστωρ πρὸς τὸν Ἀχιλλέα τοῦ πολέμου μέμνη ται τῶν Λαπιθῶν , ἐν ᾧ ὁ Πηλεὺς ἠρίστευσεν , ὡς καὶ ὁ Ἰσοκράτης ἐν Εὐαγόρᾳ φησίν . οὕτω δὲ καὶ ὁ Πρίαμος πρὸς τὸν Ἀχιλλέα 10 15 93 5 10 15 276 C. Text und Übersetzung <?page no="277"?> dagegen diejenigen, die [etwas] mit Sicherheit wissen, sind miteinander einig, wird gemäß der Umkehrung mit der Antithese 797 , die aus dem Folgenden hervorgeht, dass diejenigen, die über etwas nicht einig sind, keine zuverlässige Kenntnis haben. Ferner fügt er [sc. Sokrates] auch die Kraft der Uneinigkeit hinzu, dass auch die Mehrheit darüber, was gerecht ist, miteinander in den innenpolitischen Konflikt geraten wird; und sie gerät nicht nur in Konflikt, sondern auch die größten Kriege kommen deswegen zustande. Denn eine innenpolitische Unruhe ist doch ein begrenzter Konflikt (auch wenn es schlechter als ein Krieg ist, da es gegen die eigenen [Bürger gerichtet] ist), der Krieg [zwischen Staaten] aber ist ein großer Konflikt. Und tatsächlich, wie bereits gesagt wurde, da das Gerechte durch unsere gesamte Wesenheit und durch die drei Teile der Seele durchdringt 798 , stellen sich diejenigen, denen Unrecht widerfuhr, sich wie Tote und Wesenlose vor, solange sie die Gerechtigkeit nicht erlangen. Aus diesem Grund veranlassen sie auch die größten Kriege. Und er [sc. Sokrates] sagt, dass Beispiele für die Kriege, die um des Gerechten willen geschehen, in der Ilias und der Odyssee zu finden sind. Denn Ilias ist nichts anderes als ein Epos über den Gerechtigkeitsanspruch der Barbaren und der Griechen, wobei einerseits die Barbaren behaupten, dass sie zuerst ungerecht behandelt wurden, als Jason, der ein Grieche war, Medea, die eine Barbarin war, entführt hatte; die Griechen andererseits sagen, dass ihnen durch die Entführung der Helene ein größeres Unrecht widerfuhr. Diese [Ereignisse] also erzählt Herodot gleich am Anfang seiner eigenen Historien. 799 Und in der Odyssee gibt es den Gerechtigkeitsanspruch der Freier und des Telemachos 800 , wobei die Freier sagen, dass es einer Witwe nicht gehört, die hervorragenden Männer Ithakas abzulehnen, die an sie mit reichlichen Mitgiften herantreten; Telemachos dagegen behauptet, dass es noch nicht geklärt ist, ob sein Vater starb, und dass es nicht gerecht ist, dass sein Vaterhaus von ihnen ausgeplündert wird. Darüber hinaus gibt er [sc. Sokrates] auch die Schlacht von Koroneia als ein anderes Beispiel, da auch diese [Schlacht] aufgrund des Gerechten geschehen ist, und obwohl er einen anderen größeren Krieg vorstellen könnte, macht er das nicht, um seine Lehre mit vielfältigen Elementen zu schmücken. 801 Er stellte nun einerseits den Trojanischen Krieg aufgrund der größeren Berühmtheit dieses Gegenstands, andererseits die [Schlacht] von Koroneia, weil diese die Familie des Jünglings mehr betraf. Denn hat ja Kleinias, der Vater des Alkibiades, sich dort [bei Koroneia] hervorgetan und ist zu Tode gekommen. In Nachahmung des dichterischen Stils hat er [sc. Sokrates] das gemacht. Auch bei dem Dichter nämlich erinnert Nestor im Gespräch mit Achilleus an den Krieg mit den Lapithen 802 , bei dem Peleus sich hervorgetan hatte, wie auch Isokrates im Euagoras sagt. 803 So spricht auch Priamos zu Achilleus: 10 15 93 5 10 15 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 277 <?page no="278"?> ‘ μ ν ῆ σ α ι π α τ ρ ὸ ς σ ε ῖ ο , θ ε ο ῖ ς ἐ π ι ε ί κ ε λ ’ Ἀ χ ι λ λ ε ῦ ’ . ἐν οἷς ἡ θεωρία . 110D Ἀλλ’ ἴσως τοῦτο οὐκ ὀρθῶς ἀπεκρινάμην , τὸ φάναι εἰδέναι αὐτὸς ἐξευρών : ἐνταῦθα , ὡς προείρηται , πρὸς τὴν μίαν τῶν προτάσεων ἀνα τίθεται , λέγων μὴ καλῶς εἰρηκέναι ὅτι οἶδε τὰ δίκαια ἐξευρών · ‘οὐ γὰρ ἐξευρὼν ἀλλὰ μαθών’ , φησί , ‘γινώσκω ταῦτα’ . καὶ τοῦ Σωκράτους ἀπαιτοῦντος εἰπεῖν τοὺς διδασκάλους , ἵνα καὶ αὐτὸς φοιτήσῃ | πρὸς αὐτούς , ὁ νέος φησὶ π α ρ ὰ τ ῶ ν π ο λ λ ῶ ν μεμαθηκέναι . εἶτα δείκνυσιν ὁ Σωκράτης ὅτι οὔκ εἰσιν οὗτοι τῶν δικαίων ἀκριβεῖς διδάσκαλοι , ἀλλὰ μὴν οὔτε ‘ κ ρ ή γ υ ο ι ’ , ὡς ἐπὶ λέξεως μικρὸν ὕστερόν φησιν . τὸ δὲ ‘ κ ρ ή γ υ ο ι ’ ἀντὶ τοῦ ‘ἀγαθοὶ’ κεῖται , ὡς καὶ ἐκ τῆς πρὸς τὸ κακὸν ἀντιθέσεως παρὰ τῷ ποιητῇ δῆ λον τοῦτο · εἰπὼν γὰρ ‘ μ ά ν τ ι κ α κ ῶ ν , ο ὐ π ώ π ο τ έ μ ο ι τ ὸ κ ρ ή γ υ ο ν ε ἶ π ε ς ’ , ἐπήγαγεν ‘αἰ ε ί τ ο ι τ ὰ κ ά κ ’ ἐ σ τ ὶ φ ί λ α φ ρ ε σ ὶ μ α ν τ ε ύ ε σ θ α ι ’ · ἀντέθηκε γὰρ ‘ τ ὰ κ α κ ὰ ’ πρὸς ‘ τ ὸ κ ρ ή γ υ ο ν ’ ὡς ἀγαθὸν ὄν . 110E Οὐκ εἰς σπουδαίους τε διδασκάλους καταφεύγεις εἰς τοὺς πολλοὺς ἀναφέρων : τὸ ἀπόφθεγμα τῶν ἑπτὰ σοφῶν ἐν τούτοις παρῳδεῖ · ‘ ο ἱ π λ ε ί ο ν ε ς κ α κ ί ο υ ς ’ . ζητοῦμεν δὲ πῶς , εἰ τὸ κατὰ φύσιν πλέον ἐστὶ τοῦ παρὰ φύσιν - κατὰ φύσιν γάρ εἰσι πάντες ἄνθρωποι πεντα δάκτυλοι , καὶ τοῦτο ὡς ἐπὶ τὸ πολύ ἐστι , παρὰ φύσιν δὲ ἑξαδάκτυλοι , καὶ τοῦτο ἐπ’ ἔλαττον · - πῶς οὖν , εἰ τὸ κατὰ φύσιν πλεονάζει τοῦ παρὰ φύσιν ο ἱ π λ ε ί ο υ ς κ α κ ο ὶ λέγονται εἶναι ; ἤ φαμεν ὅτι , καθάπερ ἐν λοιμώττοντι χωρίῳ οὐ θαυμάζομεν εἰ πολλοὶ νοσοῦσιν , ἀλλ’ εἰ ὀλίγοι ὑγιαίνουσιν , οὕτω καὶ ἐν τούτοις δεῖ νομίζειν ὅτι κατελθοῦσαι ἐνταῦθα αἱ ψυχαὶ μᾶλλον νοσοῦσιν ἤπερ ὑγιαίνουσιν ὡς ἐν τόπῳ οὖσαι ἀνοικείῳ , καὶ διὰ τοῦτο οἱ πλεῖστοι κακοί . πατὴ ρ γὰρ ἡμῶν καὶ πατρὶς ἀληθὴς ἄνω μόνον ἐστίν . 93, 22 Olymp. τοῦτο οὐκ ὀρθῶς / τοῦτό σοι οὐκ ὀρθῶς Plat. Alc. 110d5. Cf. 90,26. 94, 11 Olymp. τε / γε Plat. Alc. 110e2. 20 25 94 5 10 15 20 278 C. Text und Übersetzung <?page no="279"?> „ G e d e n k e d e i n e s V a t e r s , d e n G ö t t e r n g l e i c h e r A c h i l l e u s ! “ 804 Damit endet die Theorie. 110D Aber vielleicht habe ich keine richtige Antwort gegeben, als ich sagte, dass ich es durch selbstständiges Herausfinden kenne: Ab dieser Stelle, wie bereits gesagt, widerruft Alkibiades nachträglich eine der Prämissen, indem er behauptet, sich nicht richtig ausgedrückt zu haben, dass er die Dinge, die gerecht sind, durch das Herausfinden kennt. „ Denn nicht durch Herausfinden, sondern durch Lernen “ , sagt er, „ weiß ich diese Dinge “ . 805 Und als Sokrates ihn aufforderte, seine Lehrer zu benennen, damit er auch sich als Schüler an diese wendet, sagt der Jüngling, dass er das v o n d e r M e h r h e i t gelernt habe. 806 Darauf zeigt Sokrates, dass diese [Menschen aus der Mehrheit] keine gewissenhafte Lehrer für die gerechten Dinge sind, aber in der Tat auch nicht „ f ö r d e r l i c h e “ 807 [Lehrer], wie er in der Textstelle kurz darauf sagt. 808 Er benutzt also „ f ö r d e r l i c h e “ im Sinne von „ gute “ , wie das auch ausgehend von seiner Gegenüberstellung zu dem Üblen bei dem Dichter [sc. Homer] deutlich wird. Er sagt nämlich: „ U n g l ü c k s - S e h e r ! N i e h a s t d u m i r j e d a s G e d e i h l i c h e g e r e d e t ! “ 809 Dazu auch: „ I m m e r i s t d i r l i e b i n d e i n e m S i n n , d a s Ü b l e z u k ü n d e n “ 810 Hier stellt er nämlich „ d a s Ü b l e “ gegenüber „ d e m F ö r d e r l i c h e n “ , da dieses gut ist. 110E Nicht etwa bei beachtenswerten Lehrern findest du Zuflucht, indem du dich auf die Mehrheit berufst 811 : Er ahmt in dieser Aussage ein Apophthegma der Sieben Weisen nach: „ D i e M e h r e r e n s i n d d i e S c h l e c h t e r e n “ 812 . Wir untersuchen nun, wie, wenn es das, was gemäß der Natur ist, viel mehr gibt als das, was gegen die Natur ist, - denn die Menschen haben gemäß der Natur fünf Finger und das kommt bei vielen Fällen vor, gegen die Natur aber haben [manche Menschen] sechs Finger, und das kommt seltener vor. - Wenn es nun davon, was der Natur gemäß ist, mehr gibt als das, was gegen die Natur ist, wie meint er, dass d i e M e h r e r e n s c h l e c h t sind? Dazu sagen wir: Genau wie wir uns nicht darüber wundern, wenn in einem von einer Seuche betroffenen Ort mehrere Menschen krank werden, sondern darüber, wenn wenige [Menschen] gesund bleiben; so auch in diesem Fall muss man annehmen, dass die Seelen, nachdem sie hierher abgestiegen sind, vielmehr krank sind als gesund, da sie sich an einem fremden Ort 20 25 94 5 10 15 20 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 279 <?page no="280"?> Καίτοι φαυλότερα αὐτὰ τῶν δικαίων εἶναι : ἐνταῦθα ἡ ἀπορία ἣν ἐν τῇ θεωρίᾳ προειλήφαμεν , καὶ τὰς πρὸς αὐτὴν δύο λύσεις Πρόκλου καὶ Δαμασκίου . Τὰ δὲ σπουδαιότερα τοῦ πεττεύειν . Ποῖα ταῦτα ; Οἶον τὸ ἑλληνί ζειν : ὅτι οὐ μόνον τῶν δικαίων εἰσὶν οἱ πολλοὶ διδάσκαλοι , φησὶν ὁ νέος · ὅτι καὶ τὸ ἑλληνίζειν οὗτοι διδάσκουσιν , εἰ καὶ τὰ φαυλότερα οὐκ ἐπίστανται , οἶον τὸ πεττεύειν . καὶ κατὰ ζῆλον Πυθαγόρειον πρῶτον ἐξαίρει τὸ ἑλληνίζειν διὰ τοῦ εἰπεῖν σ π ο υ δ α ι ό τ ε ρ α οἵους τ’ εἶναι διδάσκειν , καὶ ἐπαγαγεῖν τ ὸ ἑ λ λ η ν ί ζ ε ι ν . ἰστέον γὰρ ὅτι οἱ Πυθαγόρειοι ἐθαύμαζον τοὺς πρώτους εὑρόντας τοὺς ἀριθμούς , λέ γοντες ἐγνωκέναι τούτους τὴν οὐσίαν τοῦ νοῦ , εἴγε ἀριθμοὺς ἐκάλουν τὰς ἰδέας , αἱ δὲ ἰδέαι ἐν τῷ νῷ εἰσίν . ἐθαύμαζον δὲ καὶ τοὺς πρώτους θέντας τὰ ὀνόματα · οὗτοι γάρ , φασί , τὴν οὐσίαν ἔγνωσαν τῆς ψυχῆς · ταύτης γὰρ τὸ ὀνοματοθετεῖν καὶ οὐ νοῦ , εἴγε ὁ μὲν νοῦς φύσει πάντα παράγει , ἡ δὲ ψυχὴ θέσει , θέσει δὲ τὰ ὀνόματα . οὕτως οὖν καὶ ὁ Ἀλκιβιάδης προεξυμνεῖ τὸ ἑλληνίζειν , μέλλων τούτου διδασκάλους ἐρεῖν τοὺς πολλούς , παρ’ ὧν αὐτὸς ἔφη μεμαθηκέναι τὸ δίκαιον . τὸ δὲ ἑλληνίζειν διττόν · ἢ τὸ ἁπλῶς Ἑλλάδι φων ῇ μόνῃ κεχρῆσθαι , οὗ διδάσκαλοί εἰσιν οἱ πολλοί · ἢ τὸ ἀπταίστως διαλέγεσθαι , οὗ διδάσκαλοί εἰσιν οἱ γραμματικοί , περὶ γὰρ ἑλληνισμοῦ ἡ γραμματική . 111A Ἀλλ’ , ὦ γενναῖε , τούτου μὲν ἀγαθοὶ διδάσκαλοι : ἐπειδὴ ἀγενεῖς οἱ πολλοί , ἐξαίρει τῶν πολ | λῶν ὁ Σωκράτης τὸν νέον ‘ γ ε ν ν α ῖ ο ν ’ αὐτὸν προσειπών . καὶ ἰδοὺ καθὼς προείρηται τοῦ μὲν ἑνός , τοῦ ἑλληνί ζειν , ἀποδέχεται διδασκάλους εἶναι τοὺς πολλούς , τοῦ δὲ ἑτέρου οὐ δαμῶς , τῶν δικαίων . Διελέγχει γὰρ αὐτοὺς ἐν τούτῳ διὰ τῶν ἐφεξῆς · ἐπαινεῖ γὰρ αὐτοὺς ὡς συμφωνοῦντας περὶ τὸ ἑλληνίζειν , ἵνα περὶ τὸ δίκαιον δειχθῶσιν ἀμαθεῖς μὴ συμφωνοῦντες ἀλλήλοις . 95, 1 Olymp. om. οἶμαι post αὐτὰ , cf. Plat. Alc. 110e6. 4 Olymp. add. τὰ δὲ , cf. Plat. Alc. 110e12. 4 Olymp. om. καὶ post Οἶον , cf. Plat. Alc. 111a1. 95 5 10 15 20 96 5 280 C. Text und Übersetzung <?page no="281"?> befinden 813 , und aus diesem Grund sind die Meisten schlecht. Denn unser Vater und unser wahrhaftiges Vaterland ist nur oben. 814 Obwohl diese Dinge doch unbedeutender als das Gerechte sind: Hier befinden sich die Aporien, die wir vorher in der theoretischen Untersuchung behandelt haben 815 , und die zwei Lösungen dazu von Proklos und Damaskios. [Alkibiades: ] Wichtigere Dinge als das Brettspiel. 816 [Sokrates: ] Was für welche sind diese? [Alkibiades: ] Zum Beispiel Griechisch zu sprechen: Der Jüngling sagt, dass die Mehrheit nicht nur darüber, was gerecht ist, Lehrer sind, sondern sie dazu noch die griechische Sprache lehren, auch wenn sie die unbedeutenderen Dinge nicht wissen, wie Brettspiele zu spielen. Und nach dem pythagoreischen Stil hebt er zuerst Griechisch zu sprechen hervor, indem er sagt, dass solche in der Lage sind, die w i c h t i g e r e n D i n g e zu lehren, und hinzufügt, G r i e c h i s c h z u s p r e c h e n . Denn man muss wissen, dass die Pythagoreer die ersten Erfinder der Zahlen bewundert haben, indem sie sagten, dass diese das Wesen der Vernunft erkannt haben; zumal, wenn sie die Ideen als Zahlen bezeichnet haben, und die Ideen befinden sich in der Vernunft. Sie haben auch diejenigen bewundert, die zuerst die Namen festgelegt haben. Denn diese, sagen sie, begriffen das Wesen der Seele. Dieser [sc. der Seele] nämlich gehört es, Namen zu geben, nicht der Vernunft, auch wenn die Vernunft alles gemäß der Natur hervorbringt, die Seele dagegen gemäß der Konvention, und die Namen [werden] der Konvention nach [bestimmt]. 817 Auf diese Weise also würdigt auch Alkibiades zuerst Griechisch zu sprechen, als er vorhatte, zu sagen, dass dafür die Mehrheit die Lehrer sind, von denen er behauptete, das Gerechte gelernt zu haben. Griechisch zu sprechen ist aber zweideutig: Entweder im einfachen Sinne, nur die griechische Sprache zu benutzen, wofür die Mehrheit die Lehrer sind. Oder [im spezifischen Sinne von] fehlerfrei zu sprechen, wofür die Lehrer Grammatiker sind, da die Grammatik von dem korrekten Gebrauch des Griechischen handelt. 111A Gewiss, mein edler Freund, dafür ist sie ein guter Lehrer: Da die Mehrheit keiner gesellschaftlich anerkannten Familie angehört, hebt Sokrates den Jüngling aus der Mehrheit hervor, indem er ihn als einen „ e d l e n “ anspricht. Siehe auch, wie bereits gesagt wurde, 818 dass er zwar akzeptiert, dass die Mehrheit für ein [Thema], nämlich für die griechische Sprache, die Lehrer sind; für das andere aber, nämlich für das Gerechte, [akzeptiert er das] auf keinen Fall. Denn in diesem Aspekt widerlegt er sie vollständig durch die darauffolgenden [Aussagen]: Er lobt sie [sc. die Mehrheit] nämlich aufgrund ihrer Einigung über die griechische Sprache, damit er ihre Unwissenheit über das Gerechte zeigen kann, da sie sich darüber nicht einig sind. 95 5 10 15 20 96 5 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 281 <?page no="282"?> 111B Οὐ ταύτην ὁμολογοῦσι καὶ ἐπὶ ταύτην ὁρμῶσι : τὸ μὲν ‘ ὁ μ ο λ ο γ ο ῦ σ ι ’ γνώσεώς ἐστι , τὸ δὲ ‘ ὁ ρ μ ῶ σ ι ’ ζωῆς . Συνέπλεξεν δὲ ἀλλή λοις καὶ συνῆψεν ἀμφότερα , δεικνὺς ὅτι καὶ ἡ ζωὴ δόγματα γεννᾷ καὶ τὰ δόγματα ζωήν . καὶ γὰρ ὁ δοξάζων ἀγαθὸν εἶναι τὴν ἡδονὴν πειρᾶται ἥδεσθαι καὶ κατὰ ταύτην ζῆν , καὶ τὸ ἀνάπαλιν ὁ ἡδονικῶς ζῶν καὶ δόγματα τοιαῦτά φησιν , ἀγαθὸν εἶναι τὴν ἡδονήν . 111C Σχεδὸν γάρ τι μανθάνω τὸ ἑλληνίζειν ἐπίστασθαι ὅτι τοῦτο λέγεις : ἰδοὺ κἀντεῦθεν δῆλον ὅτι διττὸν τὸ ἑλληνίζειν . ὁ γὰρ Σωκράτης μετὰ τὸ εἰπεῖν τὸν νέον ὅτι λίθον καὶ ξύλον καὶ τὰ τοιαῦτα ἅπαντες ὡσαύτως ἴσασι καλεῖν καὶ οὐχ οἱ μὲν ἄλλως οἱ δὲ ἄλλως , ὅπερ δηλοῖ τὸ Ἑλλάδι φωνῇ μόνον χρῆσθαι , ἐπήγαγεν λοιπὸν ἐκ τούτων ὅτι ‘ μ α ν θ ά ν ω σ χ ε δ ὸ ν τ ο ῦ τ ό σ ε λ έ γ ε ι ν ’ , καὶ οὐ τὸ ἑλληνίζειν < τὸ > ἕτερον , περὶ ὃ οἱ γραμματικοί · ἐκεῖνο γ ὰρ οὐ περὶ τὸ ὡσαύτως ταὐτὰ καλεῖν καταγίνεται , ἀλλὰ περὶ τὸ τὰ κείμενα ὀνόματα ἀπταίστως προάγειν . 111D Ἀλλὰ καὶ τίνες αὐτῶν δρομικοί τε καὶ μή : μέλλων ὁ Σωκράτης μεταβαίνειν ἐπὶ τὸ δεῖξαι τοὺς πολλοὺς ἀμαθεῖς περὶ τὸ δίκαιον προ λαμβάνει ταῦτα , λέγων ὅτι ‘εἰ μὴ μόνον θελήσωμεν γνῶναι ποῖόν ἐστιν ἄνθρωπος ἢ ποῖόν ἐστιν ἵππος’ ( ὥσπερ ἄνω λίθον ἢ ξύλον , | ἅτινα τοῦ ἑλληνίζειν εἰσίν ), ‘ἀλλὰ καὶ τίνες δρομικοί’ ( καί , ὡς ἐφεξῆς ἐπάγει , τίνες ὑγιεινοί ), ‘ἆρα καὶ περὶ τούτων γινώσκουσιν οἱ πολλοί ; ’ καὶ ὁ νέος φησὶν ‘οὐδαμῶς’ · δῆλον γὰρ ὅτι τέχναι περὶ ταῦτά εἰσιν , ἃς οὐ γινώσκουσιν οἱ πολλοί , περὶ μὲν τὰ ὑγιεινὰ ἰατρική , περὶ δὲ τοὺς δρομικοὺς διακρίνειν φυσιογνωμονικῆς . ἰστέον γὰρ ὅτι διαφέρει δρομεὺς δρομικοῦ · τὸ μὲν γάρ ἐστιν ἕξεως ὄνομα , τὸ τοῦ δρομέως , τὸ δὲ ἐπιτη δειότητος , τὸ τοῦ δρομικοῦ . ἴσως οἱ πολλοὶ περὶ μὲν δρομέων , οἷον ἵππων , δύνανται διδάξαι , τίνες αὐτῶν μᾶλλον ὀξύτερον θέουσι , τίνες δὲ ἧττον , ὁπότε καὶ τοῦτο γυμναστικῆς ἐστί · πλὴν εἰ καὶ τοῦτο ἴσασιν , ἀλλ’ οὖν τοὺς δρομικοὺς οὐ δύνανται διαγνῶναι , τέχνης γὰρ τοῦτο 96, 7 Olymp. ταύτην / τὰ αὐτὰ Plat. Alc. 111b12. 7 ταύτην 2 / ταὐτὰ Plat. Alc. 111c1. 10 15 20 97 5 10 282 C. Text und Übersetzung <?page no="283"?> 111B Stimmen sie nicht in derselben [Erkenntnis] überein, und begeben sie sich nicht zu demselben [Leben]? 819 [Die Aussage] „ s i e s a g e n ü b e r e i n s t i m m e n d “ bezieht sich auf Erkenntnis, dagegen „ b e g e b e n s i e s i c h “ [bezieht sich] auf das Leben. Er verknüpft jetzt und verbindet diese beiden miteinander, indem er zeigt, dass sowohl das Leben [eines Menschen seine] Grundsätze erzeugt, als auch die Grundsätze das Leben. Denn schließlich versucht derjenige, der glaubt, dass Vergnügen gut ist, Vergnügen zu erleben und sein Leben danach zu richten; und umgekehrt, derjenige, der sein Leben für Vergnügen führt, stellt auch solche Ansichten dar, dass das Vergnügen das Gute ist. 111C Ich verstehe nämlich ungefähr, dass du mit der Kenntnis der griechischen Sprache zu haben, dieses meinst: Siehe, dass es auch ausgehend von dieser Aussage deutlich wird, dass Griechisch zu sprechen zweideutig ist. Denn Sokrates, nachdem der Jüngling gesagt hat, dass alle Menschen auf dieselbe Weise wissen, was als Stein, was als Holz zu bezeichnen ist, und ähnliche Dinge; und [es nicht der Fall ist,] dass die einen sie so nennen, andere aber anders, was deutlich macht, dass sie nur die griechische Sprache benutzen, führt er [sc. Sokrates] danach ausgehend von diesen [Grundlagen] fort: „ I c h v e r s t e h e n ä m l i c h u n g e f ä h r , d a s s d u d i e s e s m e i n s t “ und [das bezieht sich] nicht auf die andere [Bedeutung] von Griechisch zu sprechen, mit dem [sich] die Grammatiklehrer [beschäftigen]. Denn diese [sc. Grammatik] befasst sich nicht damit, auf welche Weise die Dinge benannt werden sollen, sondern damit, die festgesetzten Namen korrekt anzuwenden. 111D Welche von denen zum Laufen geeignet sind und welche nicht 820 : Da Sokrates im Begriff ist, ein Themenwechsel [in Richtung] der Beweisführung vorzunehmen, dass die Mehrheit keine Kenntnis über das Gerechte hat, nimmt er das vor, indem er sagt: „ Wenn wir nicht nur das wissen wollten, welche Beschaffenheit der Mensch und welche das Pferd hat “ , (wie oben bei Stein und Holz 821 , die sich auf Griechisch zu sprechen beziehen), „ sondern auch welche [von denen] zum Laufen geeignet sind “ , (und wie er gleich hinzufügt, welche [von denen] gesund sind), „ besitzt die Mehrheit etwa die Erkenntnis über diese Themen? “ , und der Jüngling antwortet: „ auf keinen Fall “ . Nun es gibt offensichtlich technisches Wissen über diese [Themen], über die die Mehrheit keine Erkenntnis hat - zum einen über die Gesundheit die Heilkunde, zum anderen um die zum Laufen geeigneten [Wesen] zu bestimmen, die Physiognomie. Man muss nämlich wissen, dass ein Läufer unterschiedlich ist als ein zum Laufen Fähigen: Denn das erste ist der Name eines Zustands, nämlich eines Läufers; das zweite aber [ist der Name] einer Tauglichkeit, nämlich die eines zum Laufen Fähigen. Wahrscheinlich ist die Mehrheit in der Lage, über Laufenden, beispielsweise über die Pferde, zu lehren, wie welche von ihnen viel schneller 10 15 20 97 5 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 283 <?page no="284"?> μεγίστης , τῆς τοῦ φυσιογνώμονος , εἰπεῖν τίνες δρομικοὶ ἔσονται ἢ πυκτικοὶ καὶ τὰ τοιαῦτα . 112A Ἥκιστα νὴ Δία , ὦ Σώκρατες : ἐπειδὴ τὸ ‘μὰ’ ἀποφατικόν ἐστιν , καθάπερ τὸ ‘ναὶ’ καταφατικόν , ἔδει αὐτὸν ἀποφατικὸν τὸ ‘μὰ Δία’ εἰπεῖν , ὁ δὲ οὐδὲν ἧττον τὴν ἀπὸ τοῦ ‘ ν ὴ Δ ί α ’ κατάφασιν ἀνεῖλεν διὰ τοῦ ‘ ἥ κ ι σ τ α ’ , δηλοῦντος τὸ ‘οὐδαμῶς’ , ὅπερ ἐστὶ καὶ αὐτὸ δῆλον ὅτι ἀποφατικόν . 112B Ἀκήκοας γοῦν ἄλλων τε πολλῶν καὶ Ὁμήρου : ζητητέον πῶς , εἰ τρία μόνον ἔφαμεν γινώσκειν τὸν Ἀλκιβιάδην , γράμματα , κιθαρίζειν , παλαίειν , νῦν ὁ Σωκράτης καὶ ποιητικὴν αὐτὸν λέγει μεμαθηκέναι . ἤ φαμεν ὅτι ἐκεῖνα μὲν τὰ τρία ὡς τέχνας ᾔδει , ποιημάτων δὲ εἰ καὶ ἠ κροάσατο , ἀλλ’ οὖν οὐχ ὡς τέχνην μαθών . 112D Περὶ ὧν | οὕτω πλανᾷ : μετὰ τὸ δειχθῆναι τοὺς πολλοὺς μὴ εἰδότας τὸ δίκαιον καὶ τοῦτο τὸν νέον ὁμολογῆσαι , φησὶν ὁ Σωκράτης ὅτι ‘πῶς εἰκός ἐστιν γινώσκειν σὲ τὰ δίκαια , περὶ ὧν οὕτω πλανᾷ ; ’ ( καὶ γὰρ πλανᾶται ὁ νέος περὶ ταῦτα , ποτὲ μὲν λέγων τοὺς πολλοὺς εἰδέναι τὰ δίκαια καὶ παρὰ τούτων μαθεῖν , νῦν δὲ διὰ τῶν ἐλέγχων ὁμολογῶν αὐτοὺς ἀγνοεῖν ) καὶ ὅτι ‘πρὸ τούτων ὤφθης μὴ ἐξευρών , νῦν δὲ ὅτι οὔτε μαθών , οὐ γὰρ ἔσχες διδασκάλους’ . Πρᾶξις σὺν θεῷ ιαʹ 112D-114B Ἐκ μὲν ὧν σὺ λέγεις οὐκ εἰκός . Δειχθεὶς ὁ Ἀλκιβιάδης διπλῇ ἀμαθαίνων περὶ τὸ δίκαιον ( οὔτε γὰρ ᾔδει τοῦτο καὶ μὴ εἰδὼς ᾤετο εἰδέναι · καὶ ὅτι διδασκάλους ἑαυτῷ τοὺς πολλοὺς ἐπεγράφετο μὴ εἰδότας τὸ δίκαιον , ὡς ἐδήλωσεν ἡ περὶ τούτου αὐτοῖς διαφωνία ) ὡς εὐφυὴς καὶ ῥητορικός φησιν ὅτι ‘ὡς σὺ λέγεις , εἰκός με μὴ εἰδέναι τὸ δίκαιον’ . φησ ὶν ‘ἐ κ μ ὲ ν ὧ ν σ ὺ λ έ γ ε ι ς ο ὐ κ 15 20 98 5 10 284 C. Text und Übersetzung <?page no="285"?> rennt, und welche langsamer sind, das [gilt] auch wann immer es um [den Bereich] der Gymnastik [handelt]: Auch wenn sie das wissen, können sie die zum Laufen Fähigen [von den anderen] nicht unterscheiden, denn das benötigt ein umfangreiches technisches Wissen, nämlich das [Wissen] eines Physiognomen, zu sagen, welche [Körper] für Laufen oder welche für Faustkampf [geeignet] wären und Ähnliche. 112A Wohl keinesfalls bei Zeus, Sokrates: Da das [Wort] „ nicht “ verneinend ist, genau wie das [Wort] „ ja “ bejahend ist; sollte er die verneinende [Aussage] „ nicht bei Zeus “ benutzen, dennoch hat er bei der [Aussage] „ w o h l b e i Z e u s “ die Bejahung durch die Aussage „ k e i n e s f a l l s “ aufgehoben, was „ auf keinen Fall “ bedeutet, woran es deutlich wird, dass auch das eine verneinende Aussage ist. 112B Du hast jedenfalls von vielen anderen und besonders von Homer gehört: Man muss untersuchen, wenn wir gesagt haben, 822 dass Alkibiades nur über drei [Themen] Erkenntnis hat - nämlich lesen und schreiben, Kithara spielen und ringen - wie Sokrates jetzt behauptet, dass er auch die Dichtkunst gelernt hat. Dazu sagen wir, dass er zwar diese drei [Themen] als technisches Wissen kennt, aber wenn er von den Gedichten gehört hat, versteht er diese trotzdem nicht wie ein technisches Wissen. 112D Über die du derart unschlüssig bist 823 : Nachdem es aufgezeigt wurde, dass die Mehrheit das nicht kennt, was gerecht ist, und der Jüngling dem zugestimmt hat, sagt Sokrates: „ Wie kann es folgerichtig sein, dass du weißt, was gerecht ist, worüber du derart unschlüssig bist? “ (und der Jüngling war tatsächlich bezüglich dieser [Begriffe] unschlüssig, indem er zuerst sagt, dass die Mehrheit das kennt, was gerecht ist, und er das von ihr gelernt hat, jetzt aber durch die Widerlegung akzeptiert, dass sie es nicht weiß), und: „ Es wurde vorher eingesehen, dass du sie nicht selber herausgefunden hast; jetzt aber auch, dass du sie nicht gelernt hast, da du keine Lehrer hattest. “ 824 Unterricht 11 mit Gottes Hilfe 112D - 114B [Alkibiades: ] Ausgehend von dem, was du sagst, ist es nicht folgerichtig: Nachdem es aufgezeigt wurde, dass Alkibiades über das Gerechte doppelt ungebildet 825 ist (denn er wusste es nicht und als Unwissender glaubte er, es zu wissen. Ferner nahm er die Mehrheit als seine Lehrer zur Kenntnis, obwohl sie das, was gerecht ist, nicht wissen, wie es aus ihrer Unstimmigkeit darüber deutlich wird 826 ), sagt er, als ein von Natur aus und rednerisch begabter Mensch: „ Wie du sagst, ist es folgerichtig, dass ich nicht weiß, was gerecht ist. “ 827 Er sagt: 10 15 20 98 5 10 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 285 <?page no="286"?> ε ἰ κ ό ς ’ , διὰ τοῦ ‘ ε ἰ κ ὸ ς ’ καὶ τοῦ ‘ σ ὺ ’ τὸ φιλότιμον ἦθος ἑαυτοῦ δεικνύς . δυσαπόβλητον γὰρ πάθος , ὡς εἴρηται πολλάκις , τὸ φιλότιμον , διότι ἃ πρῶτον ἐνεδύσατο ἡ ψυχή , ταῦτα ὕστερον ἀποβάλλεται . τὰ μὲν γὰρ ἄλλα πάθη ταχέως παύεται , ὥσπερ τὸ φιλήδονον ἐν γήρᾳ · δηλοῖ γοῦν ἐν τῇ Πολιτείᾳ Σοφοκλῆς λέγων ‘ ἀ σ μ ε ν έ σ τ α τ α μ έ ν τ ο ι δ ι έ φ υ γ ο ν α ὐ τ ά ’ . Ὁ δὲ Σωκράτης λέγει τὸν Ἀλκιβιάδην μὴ καλῶς εἰρηκέναι , αὐτὸς γὰρ περὶ αὑτοῦ ἐμαρτύρησεν ὡς μὴ εἰδότος τὸ δίκαιον . καθόλου γὰρ ἐν οἷς ἐρωτήσεις εἰσὶ καὶ ἀποκρίσεις ὁ ἀποκρινόμενός ἐστιν ὁ λέγων , ἀλλ’ οὐχ ὁ ἐρωτῶν . καὶ ἐπειδὴ ἐν ταῖς διαλεκτικαῖς ἐρωτήσεσιν τὰ αὐτὰ λέγει καὶ ὁ ἐρωτῶν καὶ ὁ ἀποκρινόμενος ( οἶον | ‘ἡ ψυχὴ ἀθάνατος ἢ οὐκ ἀθάνατος ; ’ καὶ ἀποκρίνεται ὅτι ἢ ‘ἀθάνατος’ ἢ ‘οὔ’ ) καὶ λανθάνει ἐπὶ τούτων τίς ἐστιν ὁ λέγων , ἐπὶ δὲ τῶν πυσματικῶν ἐρωτήσεων , ἐν αἷς ἄλλα μὲν λέγει ὁ ἐρωτῶν , ἄλλα δὲ ὁ ἀποκρινόμενος ( δεῖται γὰρ λόγου ) οὐ λανθάνει , ἐπὶ τοῦ σαφεστέρου δείκνυσι τὸν λόγον ὅτι ὁ ἀποκρινόμενός ἐστιν ὁ λέγων . ἡμεῖς δὲ δείξομεν ὅτι καὶ ἐν τῷ διαλεκτικῷ λόγῳ ὁ ἀποκρινόμενός ἐστιν ὁ λέγων , ἀλλ’ οὐχ ὁ ἐρωτῶν . εἰ μόνος ὁ ἀπο κρινόμενος ἀληθεύει καὶ ψεύδεται ( μόνος γὰρ ἀποφαντικῶς αὐτὸς λέγει , ἐκεῖνος γὰρ ἐρωτηματικῶς , ἀντιδιαιρεῖται δὲ ὁ ἀποφαντικὸς λόγος τῷ ἐρωτηματικῷ καὶ μόνος τῶν λόγων ἀληθεύει κα ὶ ψεύδεται ), καὶ ὅτι μόνος λέγει δῆλον · ὁ γὰρ μήτε ἀληθεύων μήτε ψευδόμενος οὐ λέγει . δεύτερον , εἰ σύγκειται ὅλος ὁ συλλογισμὸς ἐκ τῶν ἀποκρίσεων τοῦ προσδιαλεγομένου , ὁ ἐρωτώμενός ἐστιν ὁ λέγων . καὶ ὅτι πολλάκις δίδωσιν ὁ προσδιαλεγόμενος προτάσεις τοιαύτας μὴ δοκούσας τῷ ἐρωτῶντι , ἐξ ὧν σύγκειται ὁ συλλογισμός . καὶ ὅτι εἰ καὶ οἱ ἄλλοι ἐρωτῶντες λέγουσιν , ἀλλὰ Σωκράτης ὡς μαιευτικὸς οὐ λέγει , διότι , ὥσπερ ἡ μαῖα οὐ τίκτει ἀλλὰ τὰς ὠδινούσας γεννᾶν παρασκευάζει , οὕτω καὶ οὗτος . τί οὖν ; οὐδὲν λέγει ὁ ἐρωτῶν ; ἢ καὶ αὐτὸς λέγει , ἀλλ’ οὐ τὰς προτάσεις , ἀλλὰ τὴν πλοκὴν καὶ τὸ συμπέρασμα · τὸ γὰρ συμ πέρασμα οὐκ ἐρωτᾶται , ἑπόμενον ἐξ ἀνάγκης ταῖς προτάσεσι . διὸ καὶ μεμφόμεθα , εἰ μὲν ψευδὲς συναχθῇ , τῷ ἀποκρινομένῳ ὡς κακῶς ἀπο - 98, 20 Olymp. διέφυγον αὐτά / αὐτὸ ἀπέφυγον Plat. Rep. 329c2 - 3. 15 20 99 5 10 15 20 286 C. Text und Übersetzung <?page no="287"?> „ A u s g e h e n d v o n d e m , w a s d u s a g s t , i s t e s n i c h t f o l g e r i c h t i g “ ; durch „ f o l g e r i c h t i g “ und durch „ d u “ zeigt er seinen ehrliebenden Charakter. Denn die Ehrliebe ist ein Affekt, wie mehrmals gesagt wurde, 828 die schwer zu entfernen ist, da die Seele die [Affekte], die sie zuerst angekleidet hat, auch zuletzt beiseitelegt. 829 Die anderen Affekte kommen nämlich rasch zu Ende, wie die Vergnügungsliebe im Alter. Tatsächlich macht es Sophokles in der Politeia deutlich, indem er sagt: „ I c h b i n ü b e r g l ü c k l i c h , d i e s e n e n t k o m m e n z u s e i n . “ 830 Sokrates sagt aber, dass Alkibiades sich nicht zutreffend geäußert hat, da er selber von sich bezeugte, dass er nicht weiß, was gerecht ist. Denn ist grundsätzlich, wo es Fragen und Antworten gibt, der Antwortgeber derjenige, der Behauptungen macht 831 , und nicht der Fragesteller. 832 Doch während in den dialektischen Befragungen sowohl Fragesteller als auch Antwortgeber die gleichen Dinge behaupten (zum Beispiel: „ Ist die Seele unsterblich oder nicht unsterblich? “ , darauf entgegnet der [Antwortgeber] entweder „ unsterblich “ oder „ nicht “ ), und [uns] in diesen Fällen entgeht, wer die Behauptung macht; bei den investigativen Befragungen 833 dagegen, bei denen der Fragesteller etwas anderes sagt, der Antwortgeber etwas anderes (da es eine Argumentation benötigt wird), entgeht [es uns] nicht; [dadurch] demonstriert er das Argument ziemlich eindeutig, dass der Antwortgeber derjenige ist, der Behauptungen macht. 834 Wir aber werden aufzeigen, dass auch bei der dialektischen Argumentation der Antwortgeber derjenige ist, der Behauptungen macht, und nicht der Fragesteller. [Erstens], wenn nur der Antwortgeber die Wahrheit sagt oder lügt (denn nur er spricht auf bestimmende Weise 835 , wobei der andere auf fragende Weise [spricht] 836 ; die bestimmende Rede aber unterscheidet sich gegenüber der fragenden [Rede], und als einzige unter anderen Reden äußert sie die Wahrheit oder lügt), ist es offensichtlich, dass er [sc. der Antwortgeber] alleine Behauptungen macht. Denn derjenige, der weder etwas Wahres noch Falsches sagt, behauptet nichts. 837 Zweitens, wenn die ganze Schlussfolgerung aus den Antworten des Gesprächspartners im Dialog 838 besteht, ist der Befragte derjenige, der Behauptungen macht. Ferner gibt der Gesprächspartner öfters Prämissen an, die der Fragesteller als solche nicht bestätigt und aus denen die Schlussfolgerung zusammengestellt wird. Darüber hinaus, auch wenn Fragesteller in anderen Fällen Behauptungen machen, dennoch behauptet Sokrates als philosophischer Geburtshelfer (maieutikos) 839 nichts, aus dem Grund, dass er genauso [handelt], wie eine Hebamme (maia) nicht [selber] gebärt, sondern die Schwangeren auf die Geburt vorbereitet. Was [bedeutet das] nun? Behauptet der Fragesteller nichts? Wohl doch behauptet er etwas, und zwar nicht die Prämissen, sondern den Aufbau 840 und die Konklusion 841 [der Schlussfolgerung]. Die Konklusion wird nämlich nicht gefragt, da er zwangsläufig aus den 15 20 99 5 10 15 20 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 287 <?page no="288"?> κρινομένῳ ( εἰ μὴ γὰρ δεδώκει μίαν ψευδῆ πρότασιν , οὐκ ἂν ψευδὲς συνήγετο )· εἰ δὲ μηδὲν συναχθῇ ἐκ τῶν προτάσεων , τῷ ἐρωτῶντι ὡς μηδὲν ἐκ τῶν ἐρωτήσεων συνάξαντι . ἀλλ’ εἰ καὶ ὁ ἐρωτῶν λέγει , πῶς φησὶν ὁ Σωκράτης τὸν ἀποκρινόμενον μόνον λέγειν ; ἢ οὐχ ἁπλῶς φησὶν μὴ λέγειν τὸν ἐρωτῶντα , ἀλλ’ ἐ ν ο ἷ ς ἐ σ τ ὶ ν ἐ ρ ώ τ η σ ι ς κ α ὶ ἀ π ό κ ρ ι σ ι ς , φησίν , ὁ ἀποκρινόμενός ἐστιν ὁ λέγων · οὐ δὲ γὰρ ἃ λέγει ὁ ἐρωτῶν ἐρωτᾷ , οἶον τὴν πλοκὴν καὶ τὸ συμπέρασμα , ταῦτα γὰρ οὐκ ἐρωτᾶται . καὶ αὐτὸς δὲ οὐκ ἠγνόησεν ὁ Πλάτων ἀμφότερα , ἀλλ’ οἶδε τὸ μὲν λέγειν τὸν ἀποκρινόμενον ἐνταῦθα ( ‘ἐν οἷς ἐρώτησίς ἐστι καὶ ἀπόκρισις , ὁ ἀποκρινόμενός ἐστιν ὁ λέγων’ ), τὸ δὲ ἄλλο ἐφεξῆς λέγων ‘δεῖξόν μοι ὅτι οἶδας τὸ δίκαιον ἢ αὐ τὸς ἐρωτῶν ἢ ἀποτάδην τὸν λόγον ποιούμενος’ , ἅτε | εἰδὼς ὅτι ποτὲ καὶ ὁ ἐρωτῶν λέγει . διό , ὡς εἴρηται , καὶ μεμφόμεθα αὐτῷ ὡς μηδὲν συναγαγόντι . Ταῦτα εἰπὼν καὶ πληρώσας τὸν τρίτον συλλογισμόν ( ἦν γὰρ ὁ πρῶτος ἐν ᾧ ἐδείκνυ αὐτὸν διπλῇ ἀμαθαίνοντα περὶ τὸ δίκαιον , μὴ γὰρ εἰδὼς ᾤετο εἰδέναι · δεύτερος , ἐν ᾧ ἐκ τῶν πολλῶν τοῦτο κατεσκεύαζεν , διδασκάλους γὰρ ἑαυτοῦ τοὺς πολλοὺς ἐπεγράφετο · καὶ τρίτος , ἐν ᾧ καθόλου ἔδειξεν ὅτι ἐν οἷς ἐρώτησίς ἐστιν καὶ ἀπόκρισις ὁ ἐρωτώμενός ἐστιν ὁ λέγων , ἀλλ’ οὐχ ὁ ἐρωτῶν )· πληρώσαντος οὖν τὸν τρίτον ἀνατίθεται πάλιν ὁ νέος ὡς εὐφυ ὴς πρὸς τὴν λοιπὴν πρότασιν . πάλαι μὲν γὰρ ἀνέθετο πρὸς τὴν ἑτέραν λέγων ὅτι ‘κακῶς εἶπον ὅτι οὐκ ἔμαθον , ἔμαθον γὰρ ἐκ τῶν πολλῶν’ · νῦν δὲ πρὸς τὴν λοιπήν , ὅτι ‘οὐκ ὀρθῶς ἀπεκρινάμην τοὺς Ἀθηναίους περὶ δικαίων βουλευομένους , οὐ γὰρ περὶ δικαίων βουλεύονται , ἀλλὰ περὶ συμφερόντων’ · τοῦτο δὲ ὡς ῥητορικός , ἐπειδὴ ᾔδει ὅτι τοῦ συμβουλευτικοῦ τέλος ἐστὶ τὸ συμφέρον , ἀλλ’ οὐ τὸ δίκαιον . καὶ πάλιν φησὶν ὁ Σωκράτης ‘ἀλλὰ διὰ τῶν αὐτῶν λόγων δειχθήσῃ μὴ εἰδὼς τὸ συμφέρον , ἢ γὰρ ἔμαθες ἢ εὗρες . οὐ γὰρ δέος μὴ κατατριβῶσιν οἱ λόγοι δίκην σκευαρίων τῷ χρόνῳ κατατριβο - 25 30 100 5 10 15 288 C. Text und Übersetzung <?page no="289"?> Prämissen folgt. Deshalb auch beschweren wir uns, wenn etwas Falsches gefolgert wird, über den Antwortgeber, dass er nicht gut geantwortet haben muss (wenn er nämlich nicht eine falsche Prämisse angegeben hätte, würde nicht etwas Falsches daraus folgen). Wenn aber aus den Prämissen nichts folgt, [beschweren wir uns] über den Fragesteller, weil er nichts aus den Fragen folgert. Doch wenn der Fragesteller auch Behauptungen macht, in welchem Sinne sagt Sokrates, dass nur der Antwortgeber Behauptungen macht? Nicht ohne weitere Bestimmung sagt er, dass der Fragesteller keine Behauptungen macht, sondern w o e s F r a g e u n d A n t w o r t g i b t , sagt er, ist der Antwortgeber derjenige, der Behauptungen macht. Denn der Fragesteller fragt nicht, was er als Behauptung äußert, beispielsweise den Aufbau und die Konklusion; diese werden nämlich nicht als Frage gestellt. Zwar war Platon selber nicht unwissend über diesen beiden [Aspekten], er sah aber ein, dass hier der Antwortgeber Behauptungen macht ( „ Wo es Frage und Antwort gibt, ist der Antwortgeber der, der Behauptungen macht. “ ); doch im Folgenden sagt er etwas Anderes: „ Zeige mir, dass du weißt, was gerecht ist, entweder, indem du selber Fragen stellst, oder eine ausführliche Argumentation vorlegst “ 842 ; da er einsieht, dass manchmal auch der Fragesteller etwas behauptet. Deshalb beschweren wir uns auch, wie gesagt, über ihn [sc. den Fragesteller], dass er zu keiner Schlussfolgerung gelangt. Indem er [sc. Sokrates] das sagt, schließt er auch die dritte Schlussfolgerung ab 843 (Der erste war nämlich, bei dem er demonstrierte, dass er [sc. Alkibiades] doppelt ungebildet um das Gerechte ist, da er es zu wissen glaubt, obwohl er es nicht weiß. Der zweite war, bei dem er dieses [Argument] ausgehend von der Mehrheit erarbeitete, da er [sc. Alkibiades] die Mehrheit als seine Lehrer zur Kenntnis nahm. Schließlich war der dritte, bei dem er als Allgemeinprinzip aufzeigte, dass, wo es Frage und Antwort gibt, der Befragte derjenige ist, der etwas behauptet, und nicht der Fragesteller). Nachdem er also die dritte [Schlussfolgerung] abgeschlossen hat, widerruft der Jüngling erneut, dank seiner natürlichen Begabung, die übrige Prämisse. Denn schon vorher widerrief er die andere [Prämisse], indem er sagte: „ Falsch habe ich das geäußert, dass ich es nicht gelernt habe, denn ich habe [es] von der Mehrheit gelernt. “ 844 Jetzt aber [widerruft er] die übrige Prämisse, nämlich : „ Nicht richtig habe ich geantwortet, dass die Athener darüber beraten würden, welche [Handlungen] gerecht sind, denn sie beraten nicht darüber, welche [Handlungen] gerecht sind, sondern darüber, welche nützlich sind. “ 845 Das [sagt er] mit rednerischer Begabung, da er einsah, dass das Ziel des Beratens das Nützliche ist, und nicht das Gerechte. 846 Darauf sagt Sokrates wieder: „ Aber durch die gleichen Argumente wird es aufgezeigt, dass du nicht weißt, was nützlich ist, denn du musst es entweder gelernt, oder selbstständig gefunden haben. Man darf 25 30 100 5 10 15 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 289 <?page no="290"?> μένων . ἢ γὰρ ταὐτόν ἐστι τὸ δίκαιον καὶ τὸ συμφέρον , καὶ δειχθεὶς μὴ εἰδὼς τὸ δίκαιον συναπεδείχθης μηδὲ τὸ συμφέρον εἰδώς · ἢ ἄλλο καὶ ἄλλο , καὶ δειχθήσῃ δύο ἀνθ’ ἑνὸς ἀγνοῶν . οὐ γὰρ ἔχεις χρόνον εἰπεῖν τὸν ὅτε οὐκ ᾤου εἰδέναι τὸ ἀγαθόν , πάντα γὰρ τοῦ ἀγαθοῦ ἐφίεται’ . ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία . 112D Ἐκ μὲν ὧν σὺ λέγεις οὐκ | εἰκός : ἰδοὺ πῶς τὸ φιλότιμον ἐνδείκνυ ται ὁ Ἀλκιβιάδης διὰ τοῦ ‘ ο ὐ κ ε ἰ κ ὸ ς ’ καὶ ‘ ἐ ξ ὧ ν σ ὺ λ έ γ ε ι ς ’ , μὴ ἀνεχόμενος ἁπλῶς ὁμολογῆσαι ὅτι οὐκ οἶδεν τὸ δίκαιον . δυσαπό θετον γάρ ἐστι τὸ πάθος τοῦτο καὶ οὕτως ὅτι , κἂν θέλωμεν μὴ εἶναι φιλότιμοι , λανθάνομεν πάλιν καὶ οὕτως τῷ πάθει τῷ αὐτῷ περιπίπτοντες καὶ διὰ τὸ φιλότιμον τοῦτο ποιοῦντες , ὥστε καταφρονοῦντες τιμῆς διὰ τὸ πλέον τιμᾶσθαι τὸ τοιοῦτο ποιεῖν . καὶ ὥσπερ ὁ Ἐπίκτητος ὁ Στωϊκός , γενόμενος Στωϊκὸς τὴν ψυχήν , φησὶν ‘ ἀ π α ι δ ε ύ τ ο υ ἔ ρ γ ο ν ἄ λ λ ο ι ς ἐ γ κ α λ ε ῖ ν ἐ φ ’ ο ἷ ς α ὐ τ ὸ ς π ρ ά σ σ ε ι κ α κ ῶ ς · ἠ ρ γ μ έ ν ο υ δ ὲ π α ι δ ε ύ ε σ θ α ι τ ὸ ἑ α υ τ ῷ ἐ γ κ α λ ε ῖ ν , μ ὴ μ έ ν τ ο ι ἄ λ λ ο ι ς · π ε π α ι δ ε υ μ έ ν ο υ δ ὲ τ ὸ μ ή τ ε ἑ α υ τ ῷ μ ή τ ε ἄ λ λ ο ι ς ’ , οὕτως οὖν καὶ ὁ Ἀλκιβιάδης ὡς ἀπαίδευτος τῷ Σωκράτει ἐγκαλεῖ λέγων ‘ὡς σὺ φῄς , οὐκ οἶδα τὸ δίκαιον’ · ἀρχόμενος δὲ παιδεύ εσθαι ἐφεξῆς ἑαυτῷ ἐγκαλέσει · εἰ δὲ ἐτελειώθη ἐν τῷ παρόντι διαλόγῳ , οὐκ ἂν οὔτε ἑαυτῷ οὔτε τοῖς ἄλλοις ἐνεκάλει . παρὰ δὲ τῷ ποιητῇ πεποίηται ἄλλοις ἐγκαλῶν ἐν τῷ ‘ ἐ γ ὼ δ ’ ο ὐ κ α ἴ τ ι ό ς ε ἰ μ ι , ἀ λ λ ὰ Ζ ε ὺ ς κ α ὶ Μ ο ῖ ρ α κ α ὶ ἱ ε ρ ο φ ο ῖ τ ι ς Ἐ ρ ι ν ύ ς ’ . 112E Τί δ’ , οὐ σὺ λέγεις : τὸ τῆς Φαίδρας φησὶν ἐνταῦθα ὁ Σωκράτης · τῆς γὰρ τροφοῦ εἰπούσης ὅτι ‘τὸν Ἱππόλυτον λέγεις ; ’ φησὶν | ὅτι ‘ σ ο ῦ τ ά δ ε κ ο ὐ κ ἐ μ ο ῦ κ λ ύ ε ι ς ’ . οὕτως οὖν καὶ ὁ Σωκράτης · ‘σὺ ταῦτα εἶπας , οὐκ ἐγώ’ . καὶ ἐνταῦθα πάροδος γίνεται τοῦ τρίτου συλλογισμοῦ , 20 101 5 10 15 102 290 C. Text und Übersetzung <?page no="291"?> nämlich nicht fürchten, dass die Argumente abgenutzt werden, wie mit der Zeit abgenutzte Kleidungsstücke. 847 Denn, entweder sind das Gerechte und das Nützliche das Gleiche, und wenn es aufgezeigt ist, dass du das Gerechte nicht weißt, ist zugleich nachgewiesen, dass du auch das Nützliche nicht weißt. Oder sie sind unterschiedlich voneinander, und es wird aufgezeigt, dass du in zwei [Themen] statt in einem unwissend bist. Du hast wohl keine Zeit zu nennen, in der du damals nicht glaubtest zu wissen, was gut ist - da alles auf das Gute abzielt. “ 848 Das hat die Theorie. 112D Ausgehend von dem, was du sagst, ist es nicht folgerichtig: Siehe, wie Alkibiades durch „ n i c h t f o l g e r i c h t i g “ und „ a u s g e h e n d v o n d e m , w a s d u s a g s t “ auf seine Ehrliebe hinweist 849 , da er nicht ertragen kann, ohne weitere Bedingung zuzustimmen, dass er nicht weiß, was gerecht ist. Es ist nämlich schwer, diesen Affekt abzulegen, und zwar auf diese Weise, dass auch wenn wir möchten, nicht ehrliebend zu sein, merken wir nicht, dass wir wiederum genau dadurch in den gleichen Affekt verfallen und dieses aufgrund der Ehrliebe machen: Schließlich schätzen wir die Ehre gering, und tun dies, um mehr geehrt zu werden. 850 Wie auch Epiktet der Stoiker, da er ein Stoiker in der Seele war, sagt: „ E s i s t d a s V e r h a l t e n e i n e s U n g e b i l d e t e n , a n d e r e a u f g r u n d d e r S a c h e n z u b e s c h u l d i g e n , d i e e r s e l b s t s c h l e c h t h a n d e l t . J e m a n d , d e r m i t d e r p h i l o s o p h i s c h e n B i l d u n g a n g e f a n g e n h a t , b e s c h u l d i g t s i c h s e l b s t , u n d n i c h t d i e a n d e r e n . D e r w a h r h a f t G e b i l d e t e b e s c h u l d i g t w e d e r s i c h s e l b s t n o c h d i e a n d e r e n “ 851 , so nun auch Alkibiades, als ein Ungebildeter, beschuldigt Sokrates, indem er sagt: „ Wie du sagst, weiß ich nicht, was gerecht ist “ . Als er aber mit der Bildung anfängt, wird er nachträglich sich selbst beschuldigen. 852 Wenn er aber im vorliegenden Dialog zur Vollkommenheit gelangt wäre, hätte er weder sich selbst noch die anderen beschuldigt. 853 Auch bei dem Dichter wurde es dargestellt, dass man andere beschuldigt, im Folgenden: „ I c h a b e r b i n n i c h t s c h u l d i g S o n d e r n Z e u s u n d d i e M o i r a u n d d i e i m D u n k e l n w a n d e l n d e E r i n y s „ 854 112E Wie aber? Bist du es nicht, der sagt? 855 Hier äußert Sokrates die [Worte] der Phaidra. Denn als die Amme sagte: “ Meinst du Hippolytos? “ , sagt sie: „ V o n d i r h ö r s t d u d a s , n i c h t v o n m i r “ . 856 Auf diese Weise nun [sagt] auch Sokrates: „ Du hast das alles gesagt, nicht ich “ . 857 Und hier bildet sich der Übergang in die dritte Schlussfolgerung, bei dem er mit einer stringenten 20 101 5 10 15 102 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 291 <?page no="292"?> ἐν ᾧ δείκνυσι γραμμικαῖς ἀνάγκαις ὅτι ὁ ἀποκρινόμενός ἐστιν ὁ λέγων , ἀλλ’ οὐχ ὁ ἐρωτῶν . Ἐάν σε ἔρωμαι τὸ ἓν καὶ τὰ δύο : ἰδοὺ πυσματικὰς ἐρωτήσεις προσ άγει , ὅτι ‘ἐὰν ἔρωμαί σε ποῖα πλείω , τὸ ἓν ἢ τὰ δύο , φήσεις τὰ δύο · καὶ πόσῳ πλείω , φήσεις ὅτι ἑνί’ . ἐν οἷς γὰρ χρεία λόγου πάντως καὶ οὐκ ἀρκεῖ πρὸς ἀπόκρισιν τὸ ‘ναὶ’ ἢ τὸ ‘οὒ’ ἢ ἀνάνευσις ἢ κατάνευσις , αὕτη πυσματικὴ ἐρώτησις ἐστιν , ἀλλ’ οὐ διαλεκτική . Ὅτι τὰ δύο τοῦ ἑνὸς ἑνὶ πλείω : συνάγει τὰς δύο ἀποκρίσεις τοῦ νέου ὁ Σωκράτης . 113A Ἔγωγε . Τί γάρ ; ἐγὼ ἐὰν ἔρωμαι ποῖα γράμματα Σωκράτους : ἰδοὺ φαίνεται ὠφεληθεὶς ὁ νέος , διὰ τοῦ ‘ ἔ γ ω γ ε ’ · φαίνεται γὰρ ἑαυτῷ ἐγκαλῶν · εἰ δὲ τελείως ὠφελήθη , οὔτε ἑαυτῷ ἤμελλεν ἐγκαλεῖν οὔτε ἄλλοις . πάλιν δὲ κέχρηται ἑτέρᾳ πυσματικῇ ἐρωτήσει , ὅτι ‘ἐὰν ἔρωμαί σε ποῖά εἰσι τὰ γράμματα Σωκράτους , φήσεις δὲ τυχὸν ὅτι ταῦτα σὺ εἶ ὁ λέγων ; ’ ὁ δέ φησιν ὅτι ‘ναί’ . Ἴθι δή , ἑνὶ λόγῳ εἰπέ : ἀντὶ τοῦ ‘καθόλου εἰπέ , ἐν οἷς ἐστὶν ἐρώ τησις καὶ ἀπόκρισις , τίς ἐστιν ὁ λέγων ; ’ ὁ δέ φησιν ‘ ὁ ἀ π ο κ ρ ι ν ό μ ε ν ο ς ’ . καὶ καλῶς τὸ ‘ἐν οἷς ἐστ ὶν ἐρώτησις καὶ ἀπόκρισις’ · εἰ γὰρ καὶ ὁ ἐρωτῶν φάσκει , ἀλλ’ οὐκ ἐν οἷς ἐστὶν ἐρώτησις καὶ ἀπόκρισις . Φαίνομαι , ὦ Σώκρατες : ἰδοὺ πάλιν πῶς φιλότιμος ὢν οὐκ ἀνέχεται τελείως ὁμολογῆσαι ἄγνοιαν , ἀλλά φησι ‘ φ α ί ν ο μ α ι ’ . Οὐκοῦν ἐλέχθη ὅτι περὶ δικαίων ὁ Ἀλκιβιάδης : τὸ λεγόμενον τοῦ τό ἐστιν ὅτι ‘οὐκ ἐλέχθη’ ( πρόσθες ‘ὑπὸ Ἀλκιβιάδου’ ) ‘ὅτι ὁ Ἀλκιβιάδης ὁ καλὸς οὐκ ἐπίσταται ; ’ ἐν καιρῷ γάρ , ἐπειδὴ ὡμολόγησεν μὴ εἰδέναι τὸ δίκαιον , κέχρηται καταδρομῇ ἐλέγχων κατὰ τοῦ Ἀλκιβιάδου . καὶ ἐπειδὴ φορτικόν | ἐστι τὸ ἐξ οἰκείου προσώπου προσφέρειν τοὺς ἐλέγχους - οὕτω γὰρ κ αὶ παρὰ τῷ ποιητῇ ὁ Φο ῖνιξ βουλόμενος κατα δρομῇ χρήσασθαι ἐλέγχων κατὰ τοῦ Ἀχιλλέως οὐκ ἐκ προσώπου οἰκείου εἰσάγει τοὺς λόγους , ἀλλ’ εἰσαγαγὼν τὸν Πηλέα οὕτως ἐλέγχει · οὕτως καὶ ὁ Δημοσθένης ἐλέγξαι θέλων τοὺς Ἀθηναίους τῇ καταδρομῇ 102, 13 Olymp. Ἔγωγε / Ἐγώ Plat. Alc. 113a3. 13 Olymp. γάρ / δ’ ἂν Plat. Alc. 113a4. 13 Olymp. ἐὰν / μὲν Plat. Alc. 113a4. 25 Olymp. ὅτι περὶ δικαίων / περὶ δικαίων καὶ ἀδίκων ὅτι Plat. Alc. 113b8. 25 Olymp. add. ὁ , cf. Plat. Alc. 113b8. 5 10 15 20 25 103 5 292 C. Text und Übersetzung <?page no="293"?> Beweisführung 858 demonstriert, dass der Antwortgeber derjenige ist, der Behauptungen macht, und nicht der Fragesteller. Wenn ich dich frage, eins oder zwei 859 : Siehe, dass er hier investigative Fragen 860 vorstellt, nämlich: „ Wenn ich dich frage, welche ist mehr, eins oder zwei, wirst du sagen, zwei. Und [wenn ich frage,] um wie viel ist es mehr, wirst du sagen, um eins. “ Denn, wo es eine vollständige Aussage notwendig ist und „ ja “ oder „ nein “ , oder Verweigerung durch Zurückwerfen des Kopfes oder Bestätigung durch Kopfneigen als Antwort nicht reichen, ist diese eine investigative Frage und nicht eine dialektische. Zwei sei um eins mehr als eins 861 : Sokrates bringt zwei Antworten des Jünglings zusammen. 862 113A [Alkibiades: ] [Das bin] ich doch. [Sokrates: ] Und was, wenn ich dich frage, aus was für Buchstaben der Name Sokrates besteht? 863 Siehe, dass es dem Jüngling genutzt zu haben scheint, weil [er] „ i c h d o c h “ [sagt]. Denn er scheint sich selbst zu beschuldigen. Wenn er aber einen vollständigen Nutzen davon hätte, hätte er weder sich selbst noch die anderen beschuldigen wollen. Darauf gebraucht Sokrates eine andere investigative Frage, nämlich: „ Wenn ich dich frage, aus was für Buchstaben der Name Sokrates besteht, wirst du wahrscheinlich sagen, dass du derjenige bist, der diese Dinge behauptet? “ 864 , und er sagt: „ Ja “ . Also los, sag es mit einer Formel 865 : Das steht für: „ Sag es als Allgemeinprinzip: Wo es Frage und Antwort gibt, wer ist der, der etwas behauptet? “ Darauf sagt er [sc. Alkibiades]: „ Der Antwortgeber “ . Auch zutreffend ist [die Aussage]: „ wo es Frage und Antwort gibt “ . Denn auch wenn der Fragesteller etwas behauptet, [geschieht es] nicht [in den Dialogen], in denen es Frage und Antwort gibt. 866 113B Anscheinend bin ich das, Sokrates 867 : Siehe nochmal, wie er aufgrund seiner Ehrliebe es nicht ertragen kann, endgültig seine Unwissenheit zuzustimmen, sondern sagt: „ A n s c h e i n e n d b i n i c h “ . Wurde es etwa nicht widerlegt, dass Alkibiades darüber, welche [Handlungen] gerecht [sind, etwas weiß] 868 : Dieser Ausdruck bedeutet: „ Wurde es nicht behauptet “ (füge „ von Alkibiades “ hinzu), „ dass der schöne Alkibiades über kein fundiertes Wissen verfügt? “ . Zur rechten Zeit nämlich, als er [sc. Alkibiades] zustimmte, dass er nicht weiß, was gerecht ist, hat er [sc. Sokrates] einen Widerlegungsangriff gegen Alkibiades gerichtet. 869 Da es aber ein gemeines Verhalten ist, 870 Widerlegungen in eigener Person vorzubringen, - so führt nämlich Phoinix bei dem Dichter, als er einen Widerlegungsangriff gegen Achilleus richten wollte, 871 [seine] Argumente nicht in eigener Person auf, sondern stellt Peleus vor und widerlegt ihn auf diese Weise. Auf diese Weise gebraucht auch Demosthenes, 872 als er die Athener kritisieren wollte, einen 5 10 15 20 25 103 5 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 293 <?page no="294"?> χρῆται ὡς ἐκ τῶν Ἑλλήνων πάντων · ὁ δὲ Σωκράτης οὐκ ἀρκεῖται τῷ ἄλλῳ προσώπῳ χρήσασθαι , ἀλλὰ χρῆται καὶ τῷ ἐλεγχομένῳ πρὸς μείζονα καταδρομήν , λέγων ὅτι ‘ἐλέχθη ὑπὸ Ἀλκιβιάδου ὅτι μὴ εἰδὼς τὸ δίκαιον μέλλει συμβουλεύειν περὶ ὧν οὐκ οἶδεν’ . καὶ ἐξέπεσεν ὁ Ἀλκιβιάδης τῶν τριῶν ἀρχικῶν ὑποστάσεων , νοῦ , θεοῦ , ψυχῆς . ψυχῆς μὲν διότι οὐκ οἶδεν , ψυχῆς δὲ ἴδιον τὸ γινώσκειν . νοῦ δὲ ἐξέπεσεν ὅτι μὴ εἰδὼς οἴεται εἰδέναι , νοῦ γὰρ ἴδιον τὸ ἐπιστρέφειν · σφαίρᾳ γὰρ ἀναλογεῖ ὁ νοῦς , ἕκαστον σημεῖον ποιούσῃ καὶ ἀρχὴν καὶ πέρας . θεοῦ δὲ διότι καὶ κακοποιός ἐστι · περὶ γὰρ ὧν οὐκ οἶδεν μέλλει συμβου λεύειν , ἵνα κακοῖς περιβάλῃ τοὺς συμβουλευομένους , ὁ δὲ θε ὸς ἀγαθότητι χαρακτηρίζεται . ὥσπερ γὰρ ὁ μὴ εἰδὼς ἰατρικὰ καὶ μὴ συμβουλεύων περὶ ἰατρικῶν οὐ πταίει , ὁ δὲ μὴ εἰδὼς καὶ ἐπιχειρῶν συμβουλεύειν τὸ ἀνάπαλιν , καὶ ὁ περὶ τεκτονικῶν συμβου λεύων μὴ εἰδὼς ταῦτα , ἐκεῖνος ἁμαρτάνει ( οὐ γὰρ ἁμαρτάδος αἰτία ἡ ἁπλῆ ἄγνοια , ἀλλ’ ἡ διπλῆ ), οὕτω καὶ ὁ Ἀλκιβιάδης . καὶ ἔοικε τοῖς μαινομένοις ὁ Ἀλκιβιάδης · ὥσπερ γὰρ ὁ παρὰ τῷ Σοφοκλεῖ Αἴας ἐφόνευε τὰ πρόβατα οἰόμενος αὐτὰ τοὺς Ἕλληνας εἶναι , οὕτως καὶ οὗτος μὴ εἰδὼς τὰ δίκαια οἴεται εἰδέναι , διὸ καὶ κακοῖς περιβάλλει τοὺς συμβουλευομένους · καὶ ὅτι ὥσπερ ἄχρηστός ἐστιν ὁ διδάσκαλος παρὼν πρὸς διπλῇ ἀγνοοῦντα , οὐδὲν γὰρ ὀνήσει αὐτὸν οἰόμενον εἰδέναι , οὕτω καὶ ἰατρὸς π ρὸς μαινόμενον · διὸ καὶ ‘ μ α ν ι κ ὸ ν ’ αὐτὸν ἀποκαλεῖ . Ὁ καλὸς ὁ Κλεινίου : τοῦτο ἐμφατικόν ἐστιν ὅτι | ‘οὐδέν σε ὤνησεν πρὸς τὸ εἰδέναι τὰ δίκαια οὐ κάλλος , οὐ πλοῦτος , οὐκ εὐγένεια’ . 113C Φαίνεται . Τὸ τοῦ Εὐριπίδου ἄρα : διδάσκει ἡμᾶς ὁ Πλάτων πῶς δεῖ παρῳδεῖν χρήσεις , ὅτι οὐ δεῖ αὐτὰς τὰς χρήσεις εἰσάγειν ( προσκορὲς γὰρ τοῦτο καὶ ἐκλυτικὸν τῶν λόγων ), ἀλλὰ λέξεις τινάς · διὸ οὐ πᾶσαν τὴν χρῆσιν παρατίθεται . 10 15 20 25 104 5 294 C. Text und Übersetzung <?page no="295"?> [derartigen] Angriff, als wäre er von allen Griechen [behauptet worden]. Dagegen begnügt Sokrates sich nicht damit, von einer anderen Person Gebrauch zu machen, sondern benutzt er auch den Widerlegten [selbst] für einen größeren Angriff, indem er sagt: „ Es wurde von Alkibiades behauptet, dass er vorhat, obwohl er nicht weiß, was gerecht ist, darüber Rat zu erteilen, was er nicht weiß. “ 873 Ferner war Alkibiades von den drei ursprünglichen Hypostasen abgewichen: Vernunft, Gott, Seele. 874 Nun [war er] von der Seele [abgewichen], weil er keine Kenntnis hat, und zu erkennen eine Eigenschaft der Seele ist. Von der Vernunft war er abgewichen, da er zu wissen glaubt, obwohl er nicht weiß; es ist nämlich eine Eigenschaft der Vernunft, sich auf sich selbst zurückzuwenden. Die Vernunft ist nämlich in Analogie zu einem Kreis, die jeden Punkt [auf sich] sowohl zu seinem Anfang als auch zu seinem Ende macht. Von dem Gott [war er abgewichen], da er schlechte Handlungen vornimmt. Denn er ist im Begriff, über die Themen Rat zu erteilen, die er nicht kennt, um diejenigen, die seinen Rat holen, ins Unglück zu bringen; dagegen wird der Gott mit der Güte gekennzeichnet. 875 Wie etwa jemand, der über die Heilkunde nichts weiß und über die Themen der Heilkunde keinen Rat gibt, keinen Fehler macht; wobei das Gegenteil für denjenigen gilt, der versucht, darüber Rat zu geben, was er nicht weiß; wie auch derjenige, der über die Themen der Bauwesen Rat gibt, obwohl er diese nicht kennt, einen Fehler macht (denn der Grund der Verfehlung ist nicht die einfache, sondern die doppelte Unwissenheit 876 ); so ist auch Alkibiades. Auch ähnlich zu den Wahnsinnigen ist Alkibiades. 877 Wie nämlich Aias bei Sophokles die Herdentiere tötet, da er glaubt, sie seien die Griechen; 878 so auch dieser [sc. Alkibiades], obwohl er es nicht weiß, glaubt zu wissen, was gerecht ist, daher auch bringt er diejenigen, die seinen Rat holen, ins Unglück. Ferner, wie es die Anwesenheit eines Lehrers bei einem doppelten Unwissendem nicht nützlich ist; da er jemandem nicht helfen wird, der zu wissen glaubt; so ist ein Arzt angesichts eines Wahnsinnigen. Deswegen bezeichnet er [sc. Sokrates] ihn [sc. Alkibiades] als „ W a h n s i n n i g e n “ . 879 Der schöne Sohn des Kleinias 880 : Steht für: „ Dir hat für die Kenntnis über das Gerechte weder Schönheit noch Reichtum noch adlige Abstammung genützt. “ 881 113C [Alkibiades: ] So sieht es aus. [Sokrates: ] Wohl das [Wort] des Euripides 882 : Platon lehrt uns, wie man Sprüche 883 zitieren soll, nämlich dass man nicht die Sprüche selbst aufführen soll (denn das ist überdrüssig und dient dazu, den Sinn der Worte zu schwächen), sondern einige Wörter [daraus]. Aus diesem Grund legt er nicht den ganzen Spruch vor. 884 10 15 20 25 104 5 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 295 <?page no="296"?> Κινδυνεύει : οὐ μόνον ἐν τοῖς πράγμασίν ἐστιν ὁ κίνδυνος , ἀλλὰ καὶ ἐν τοῖς λόγοις , ἐφ’ ὧν ἡ συγκατάθεσις γίνεται διὰ τὴν βίαν τῶν λόγων καὶ τὴν ἐξέτασιν · διὸ τὸ ‘ κ ι ν δ υ ν ε ύ ε ι ν ’ . Οὐδὲ ἐγώ εἰμι ὁ ταῦτα λέγων : ἀναλογεῖ γὰρ ὁ μὲν ἐρωτῶν θεῷ τῷ προτείνοντι ταῖς ψυχαῖς αἵρεσιν βίου , διὰ τοῦ προτείνειν αὐτοῖς τὴν ἀντίφασιν ( οὕτω γοῦν καὶ ἐν Πολιτείᾳ · ‘ ὑ μ ε ῖ ς δ α ί μ ο ν α α ἱ ρ ή σ ε σ θ ε , ο ὐ χ ὑ μ ᾶ ς δ α ί μ ω ν λ ή ξ ε τ α ι ’ )· ὁ δὲ ἀποκρινόμενος ἀναλογεῖ ψυχῇ αἱρουμένῃ τοὺς βίους . Μανικὸν γὰρ ἔχεις ἐν νῷ ἐπιχείρημα : ἰδοὺ ‘ μ α ν ι κ ὸ ν ’ αὐτὸν κα λεῖ , ὡς προείρηται . 113D Οἶμαι μέν , ὦ Σώκρατες , ὀλιγάκις : ἰδοὺ ὡς ῥητορικὸς ἀποφεύγει τῷ λέγειν · ‘οὐ βουλεύονται Ἀθηναῖοι περὶ δικαίων , ἀλλὰ περὶ συμ φερόντων · τοῦτο γ ὰρ τέλος ἐστὶ τοῦ συμβουλευτικοῦ’ . ἕτερον δέ ἐστι τὸ δίκαιον καὶ τὸ συμφέρον παρὰ τοῖς ῥήτορσιν , διότι τὸ ἐκ πόρων ἀδίκων ἔχειν ἔλεγον εἶναι συμφέρον , οὐ μὴν δίκαιον , καὶ τὴν ὑπὲρ πατρίδος ἀναίρεσιν δικαίαν μέν , οὐ μὴν συμφέρουσαν , οὐ γὰρ συν ήνεγκεν τῷ σώματι . διὸ καὶ ὁ Σωκράτης πολλάκις ἠ ρᾶτο τοῖς πρώτοις διαστήσασι ταῦτα ἀπ’ ἀλλήλων ὡς μέγιστον ὄλισθον ταῖς ψυχαῖς εἰσαγαγοῦσι καὶ συγχέασι καὶ τὴν ψυχικὴν οὐσίαν καὶ τὴν τελειότητα ἡμῶν . εἰ γὰρ δειχθῇ τὸ δίκαιον ἀντιστρέφον τῷ συμφέροντι , καὶ πᾶν δίκαιον καὶ συμφέρον καὶ τὸ ἀνάπαλιν , ὁ ἄνθρωπος ἡ ψυχὴ | ἔσται , ἀλλ’ οὐ τὸ συναμφότερον · οὕτω μὲν τὴν οὐσίαν ἡμῶν συνέχεαν . ἔτι δὲ καὶ ὅτι ἔσται αὐτάρκης ἡ ἀρετὴ πρὸς εὐδαιμονίαν καὶ ἡ κακία πρὸς κακοδαιμονίαν · διὸ καὶ τὴν τελειότητα ἡμῶν συνέχεαν · εἰ δὲ μή , οὐδὲν ὀνήσεται ὁ εἰπὼν ‘πτίσσε’ . ἀλλὰ πόθεν ὁ Ἀλκιβιάδης ἦλθεν εἰς τὸ εἰπεῖν ὅτι οὐ περὶ τούτων Ἀθηναῖοι βουλεύονται , οἶον τῶν δικαίων ; ἐπειδὴ ἑώρα αὐτούς , ὡς ῥητορικὸς καὶ πολλὴν παρασκευὴν ἔχων ἀπὸ ῥητορι κῆς διὰ Περικλέους , ἄλλο μὲν λέγοντας τὸ δικανικὸν τέλος ἔχειν , ἄλλο δὲ τὸ συμβουλευτικόν , ὅτι τὸ συμφέρον , ἐκ τῶν κεφαλαίων · ποτὲ μὲν γὰρ ἔλεγον κεφάλαιον εἶναι ἀπὸ τοῦ νομίμου ἢ ἀπὸ τοῦ δικαίου ἢ ἀπὸ τοῦ συμφέροντος . ἢ ὅτι ἐπειδὴ θέσει πάντες οἴονται τὸ δίκαιον εἶναι , τὰ 104, 7 Olymp. κινδυνεύει / κινδυνεύεις Plat. Alc. 113c3. 15 Olymp. ἔχεις ἐν νῷ / ἐν νῷ ἔχεις Plat. Alc. 113c5. 10 15 20 25 105 5 10 296 C. Text und Übersetzung <?page no="297"?> Er läuft Gefahr 885 : Nicht nur in den Handlungen besteht Gefahr, sondern auch in den Worten, bei denen durch den Zwang und durch die genaue Prüfung der Argumente eine Übereinstimmung entsteht. Deswegen [wird hier] „ G e f a h r l a u f e n “ [benutzt]. Nicht ich bin der, der diese sagt 886 : Denn steht der Fragesteller in einer Analogie zu dem Gott, der den Seelen eine Wahl des Lebens ermöglicht, da er ihnen den Widerspruch erlaubt (so ist es jedenfalls in der Politeia: „ I h r w e r d e t e i n e n D a i m o n a u s w ä h l e n , n i c h t w i r d e u c h e i n D a i m o n d u r c h d a s L o s z u t e i l w e r d e n . “ 887 ). Der Antwortgeber hingegen ist in der Analogie mit der Seele, die zwischen den Leben eine Auswahl trifft. Denn du hast ein wahnsinniges Vorhaben im Sinn 888 : Siehe, dass er ihn „ w a h n s i n n i g e n “ nennt, wie bereits gesagt wurde. 889 113D Ich glaube allerdings, Sokrates, sehr selten 890 : Siehe, wie er mit rednerischer Begabung bei dieser Aussage die Flucht ergreift 891 : „ Die Athener beraten nicht darüber, welche Handlungen gerecht sind, sondern darüber, welche nützlich sind. Denn das ist das Ziel des Beratens. “ 892 Nun bei den Rednern ist das Gerechte und das Nützliche unterschiedlich, 893 weshalb sie behaupteten, dass es möglich sei, aus ungerechten Mitteln etwas Nützliches zu erreichen, aber nicht etwas Gerechtes; und die Ermordung um des Vaterlandes willen sei zwar gerecht, aber sicherlich nicht nützlich, denn es bringe dem Körper keinen Nutzen. 894 Aus diesem Grund hat auch Sokrates häufig diejenigen verflucht, die diese zuerst voneinander getrennt haben, 895 da sie die größte Falle für die Seele eingeführt und sowohl unser seelisches Wesen als auch unsere Vollkommenheit verwechselt haben. Wenn es nämlich aufgezeigt wurde, dass das Gerechte dem Nützlichen entspricht, 896 und alles Gerechte auch nützlich ist und auch umgekehrt, der Mensch wird die Seele sein und nicht die Kombination von beidem. Auf diese Weise also verwechselten sie unser Wesen. Darüber hinaus wird es der Fall, dass die Tugend alleine ausreichend für Glückseligkeit ist, und die Schlechtigkeit für Unglückseligkeit. 897 Dadurch verwechselten sie auch unsere Vollkommenheit. Wenn es nicht so wäre, würde es dem nichts nützen, der sagte: „ Zerstampfe! “ 898 Aber woher kommt Alkibiades auf die Aussage, dass die Athener sich nicht über diese [Themen] beraten, beispielsweise über die gerechten [Handlungen]? Weil er dadurch, dass er rednerisch begabt war und dank Perikles eine vielseitige Ausbildung in der Rhetorik hatte, sah, dass sie [sc. die Redner] sagen, die Gerichtsrede habe ein Ziel, die Beratungsrede dagegen ein anderes Ziel, nämlich das Nützliche, ausgehend von den rhetorischen Fragestellungen. 899 Sie behaupteten also, dass die rhetorische Fragestellung mal daraus stammt, was gesetzmäßig ist, ein andermal daraus, was gerecht ist, oder daraus, was nützlich ist. 900 Oder, weil alle der 10 15 20 25 105 5 10 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 297 <?page no="298"?> δὲ ἀγαθὰ φύσει · οὐδεὶς γὰρ ἀνθρώπων θέσει τὰ ἀγαθὰ ᾠήθη , εἰ μὴ μόνος Κλειτοφῶν ἐν τῇ Πολιτείᾳ , διὸ καὶ οὔτε ἠξίωσεν αὐτὸν ὀνομάσαι , ἀλλά φησιν ‘ ε ἶ π έ ν τ ι ς τ ῶ ν π α ρ ό ν τ ω ν ’ ὡς παρὰ τὴν κοινὴν ἔννοιαν εἰπόντος · - διὰ τοῦτο οὖν διάφορον ᾠήθη εἶναι τὸ δίκαιον καὶ τὸ συμφέρον . 113C Ἀλλὰ μέντοι εὖ λέγεις : τὸ ‘ ε ὖ λ έ γ ε ι ς ’ ὁ μὲν Δημόκριτος ἐπί κλην χναʹ ( διότι μετρούμενον τὸ ὄνομα αὐτοῦ χναʹ ποιεῖ ) ὡς | ἀπὸ Σωκράτους ἐκδέχεται , ὁ δὲ Δαμάσκιος ὡς ἀπὸ Ἀλκιβιάδου . καὶ ἄμεινον τὸ βʹ , διότι , ὡς ἐλέγετο , ἤρξατο ὠφελεῖσθαι ὁ Ἀλκιβιάδης καὶ ἐλέγχει ἑαυτόν . 113D Τὰ μὲν γὰρ τοιαῦτα ἡγοῦνται δῆλα : καλῶς ὁ Ἀλκιβιάδης · ὡς μὲν γὰρ θέσει ὄντα τὰ δίκαια καὶ ποιηταὶ ὄντες αὐτῶν οὐκ ἀξιοῦσι διδάσκειν οὔτε συμβουλεύειν , περὶ δὲ τῶν συμφερόντων βουλεύονται . Τί οὖν ; εἰ ὅτι μάλιστα ἕτερα μὲν τὰ δίκαια : ἄρχεται τοῦ ἐλέγχου καὶ δείκνυσιν αὐτὸν μὴ εἰδότα τὰ συμφέροντα ἐκ τῆς ἀντιπαραστάσεως , διότι πολλῶν λόγων δεῖται ἡ ἔνστασις εἰς τὸ δεῖξαι ὅτι ταὐτὸν δίκαιον καὶ συμφέρον , ὃ ἐφεξῆς ποιήσει · νῦν δέ φησιν ὅτι ‘εἰ μὲν ταὐτόν ἐστι τὸ δίκαιον καὶ τὸ συμφέρον , ἐδείχθης δὲ μὴ εἰδὼς τὸ δίκαιον , οὐκοῦν καὶ τὸ συμφέρον · εἰ δὲ ἕτερον , δειχθείης δὲ μὴ εἰδὼς τὸ συμφέρον διὰ τῶν αὐτῶν λόγων , δύο ἀνθ’ ἑνὸς δειχθήσῃ ἀγνοῶν’ . Τί γὰρ κωλύει , ὦ Σώκρατες ; εἰ μή με αὖ ἐρωτήσεις : ‘τί κωλύει’ , φησὶν ὁ Ἀλκιβιάδης , ‘εἰδέναι με τὸ συμφέρον , εἰ καὶ ἀγνοῶ τὰ δίκαια ; εἰ μὴ ἐρωτήσῃ ς με πάλιν τοὺς αὐτοὺς λόγους · εἰ γὰρ ἐρωτήσῃς με , δειχθήσομαι μὴ εἰδώς’ . Δι’ οὗπερ καὶ τὸ πρότερον ὁ λόγος : ἔοικε γὰρ ὁ Ἀλκιβιάδης τρυ φῶντι ἐν τοῖς λόγοις . διὸ οὐκ ἀρκεῖται μιᾷ ἀποδείξει , ἀλλὰ διὰ πολλῶν ἀποδείξεων θέλει τὸ αὐτὸ δείκνυσθαι , ὁμοίως τοῖς τρυφῶσιν ἐν τροφαῖς καὶ μὴ μιᾷ τροφῇ ἀρκουμένοις . 105, 14 Olymp. εἶπέν τις τῶν παρόντων / καί τις εἶπε τῶν παρόντων Plat. Phd. 103a4 - 5. 17 Olymp. Ἀλλὰ μέντοι / καὶ μέντοι καὶ Plat. Alc. 113c4 - 5. 106, 15 Olymp. ἐρωτήσεις / ἐρήσῃ Plat. Alc. 113e5. 19 Olymp. ὁ λόγος / λόγου Plat. Alc. 113e6. 15 106 5 10 15 20 298 C. Text und Übersetzung <?page no="299"?> Meinung sind, das Gerechte stamme aus der Konvention, dagegen die Dinge, die gut sind, aus der Natur. 901 Denn kein Mensch annahm, dass das, was gut ist, aus der Konvention [stammt], ausgenommen von nur Kleitophon in der Politeia 902 , daher legte er [sc. Platon] keinen Wert darauf, ihn namentlich zu erwähnen, sondern sagte: „ E i n e r d e r A n w e s e n d e n s a g t e “ 903 , da er gegen einen Gemeinbegriff sprach. 904 Aus diesem Grund dachte er, dass das Gerechte und das Nützliche unterschiedlich sind. 113C Aber in der Tat sagst du es zurecht: Die [Aussage] „ D u s a g s t z u r e c h t “ hält einerseits Demokritos, mit dem Nachnamen 651 (da sein Name, wenn man es berechnet, 651 beträgt) 905 , für [eine Aussage] des Sokrates; Damaskios dagegen [hält es] für [eine Aussage] des Alkibiades. Diese zweite [Alternative] ist besser, denn, wie gesagt 906 , Alkibiades fängt an, [aus dem Dialog] einen Nutzen zu ziehen und widerlegt sich selbst. 113D Denn Derartiges, meinen sie, sei klar 907 : Zutreffend [sagt es] Alkibiades: Da sie zumal die gerechten [Handlungen] als aus der Konvention [entstehend] und sich selbst als deren Erschaffer [betrachten], legen sie weder Wert darauf, sie zu lehren, noch [über sie] Rat zu geben, stattdessen beraten sie über die nützlichen [Handlungen]. Wie nun? Wenn die gerechten Handlungen so sehr unterschiedlich sind 908 : Er beginnt die Widerlegung 909 und zeigt ausgehend von einem indirekten Einwand 910 , dass er [sc. Alkibiades] nicht weiß, was nützlich ist, da der Einwand viele Argumente benötigen wird, um aufzuzeigen, dass das Gerechte und das Nützliche das Gleiche sind, was er im Folgenden machen wird. 911 Jetzt aber sagt er [nur]: „ Wenn zum einen das Gerechte und das Nützliche das Gleiche sind, und zum anderen aufgezeigt wurde, dass du nicht weißt, was gerecht ist, folglich [weißt du] auch nicht, was nützlich ist. Wenn sie aber unterschiedlich sind, und es durch die gleichen Argumente aufgezeigt werden konnte, dass du nicht weißt, was nützlich ist, wird aufgezeigt werden, dass du in zwei [Themen] statt in einem unwissend bist. “ 912 113E Was verhindert das, Sokrates? Es sei denn, du wirst mich wieder fragen 913 : „ Was hindert mich daran? “ , sagt Alkibiades, „ das Nützliche zu wissen, auch wenn ich über das Gerechte unwissend bin? Solange du mich nicht wieder ausgehend von den gleichen Argumenten befragst: Denn, wenn du mir diese Fragen stellst, wird es nachgewiesen, dass ich [das] nicht weiß. “ Durch die auch das vorherige Argument 914 : Denn Alkibiades ähnelt einem Schlemmer bei den Argumenten. Daher reicht ihm eine Beweisführung nicht, sondern möchte er, dass das Gleiche durch viele Beweisführungen demonstriert wird, ähnlich wie es den Schlemmern bei den Essen nicht nur eine [Art] Speise reicht. 15 106 5 10 15 20 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 299 <?page no="300"?> Ὡς τῶν προτέρων οἶον σκευαρίων κατατετριμμένων : τὰ ‘ σ κ ε υ ά ρ ι α ’ οὐ τὰ σκεύη , ὡς ἡ συνήθεια , δηλοῦται ὑπὸ Πλάτωνος , ἐπάγει γὰρ ‘ κ α ὶ ο ὐ κ έ τ ’ ἂ ν α ὐ τ ὰ ἀ μ π ί σ χ ο ι ο ’ , ἀλλὰ ‘ σ κ ε υ ά ρ ι α ’ φησὶν τὰς σκευὰς τὰς τῶν κωμικῶν καὶ τῶν τραγικῶν . εἰ δ’ ἄρα βούλει καὶ περὶ τῶν σκευῶν ἐκλαβεῖν τὸν λόγον , γʹ δηλοῖ τὰ σ κ ε υ ά ρ ι α παρὰ Πλάτωνι · ἢ τὰ σκεύη ἢ τὰ ἐνδύματα ( δι’ ὧν ἐπάγει ‘ κ α ὶ ο ὐ κ ἂ ν α ὐ τ ὰ ἀ μ π ί σ χ ο ι ο ’ ) ἢ τὴν τρυφήν , πολλῇ γὰρ τρυφῇ ἐκέχρητο ὁ Ἀλκιβιάδης , ὡς πολλοὺς πολύστιχα βιβλία γράψαι περὶ τῆς τρυφῆς τῆς Ἀλκιβιάδου · καὶ ταῦτα γὰρ ὡς τῶν ἐκτὸς ὄντα σκευαί εἰσιν . ἀλλὰ τί δήποτε ἐφίεται ἡ ψυχὴ τῆς σκευῆς τῆς ἔξωθεν τῶν ἱματίων ; ἢ ἄλλων ἐφίεται καὶ περ ὶ ἄλλα ἐνειλεῖται · ἔννοιαν γὰρ ἔχουσα τῶν ἔνδοθεν χιτώνων αὐτῆς , τοῦ αὐγοειδοῦς καὶ τοῦ πνευματικοῦ καὶ τοῦ ὀστρεΐνου , ἐφίεται διὰ τῆς φαινομένης στολῆς ταύτης καθαροὺς ἔχειν τοὺς ἔνδον χιτῶνας ( οὕτω καὶ ὁ ποιητὴς ‘ ε ἵ μ α τ ά τ ’ ἀ μ φ ι έ σ α ι ’ )· ἔξω οὖν σπίλων βούλεται τούτους ἔχειν . 114A Τὰς σὰς προδρομάς : ‘ π ρ ο δ ρ ο μ ὴ ’ λέγεται ὅταν ἐν πολέμῳ κατα λάβῃ τις φρούριόν τι ἐξ οὗ δύναται ἀσφαλῶς πολεμεῖν · προδρομὰς οὖν ᾤετο ὁ Ἀλκιβιάδης τὸ μὴ ἐρωτᾶσθαι διὰ τῶν αὐτῶν λόγων ὑπὸ τοῦ Σωκράτους . Ὁπόθεν μαθὼν αὐτὰ συμφέροντα : συντόμως παρέχεται τὰς ἐρωτή σεις ὁ Σωκράτης ἐκ τοῦ ‘πόθεν μαθὼν ἢ εὑρών ; ’ διότι ἤδη εἴρηται αὐτῷ ταῦτα , ὥσπερ ὁ ποιητής · ‘ χ α λ ε π ὸ ν δ έ κ ε ν ε ἴ η α ὖ θ ι ς ἀ ρ ι ζ ή λ ω ς ε ἰ ρ η μ έ ν α μ υ θ ο λ ο γ ε ύ ε ι ν ’ . 114B Πότερον δὲ ταὐτά ἐστι δίκαιά τε καὶ συμφέροντα : τὴν ἔνστασιν διὰ τούτων φησίν , ὅτι ‘ἔδει σε δεῖξαι ὅτι οὐ ταὐτά ἐστι τὰ δίκαια καὶ τὰ συμφέροντα · εἰ γὰρ μὴ δείξῃς , δειχθήσῃ | δύο ἀνθ’ ἑνὸς ἀγνοῶν’ . 106, 25 Olymp. om. σὺ post ἂν , cf. Plat. Alc. 113e9. 107, 18 Olymp. ὁπόθεν μαθὼν αὐτὰ / πόθεν μαθὼν αὖ τὰ Plat. Alc. 114a2. 25 107 5 10 15 20 108 300 C. Text und Übersetzung <?page no="301"?> Als wären die früheren wie abgenutzte Kleidungsstücke ( skeuaria ) 915 : Dass die „ K l e i d u n g s s t ü c k e “ (skeuaria) nicht die Ausrüstungen (skeuos) [sind], wie üblicher Gebrauch [des Wortes], macht Platon deutlich, denn er fügt hinzu: „ d i e d u d i r n i c h t m e h r a n z i e h e n w ü r d e s t “ 916 ; stattdessen benutzt er „ K l e i d u n g s s t ü c k e “ (skeuaria) über die Kostüme (skeuê) der Komödien- und Tragödiendarsteller. Wenn du aber auch das Argument über die Kostüme (skeu ō n) verstehen willst, verdeutlichen die K l e i d u n g s s t ü c k e (skeuaria) drei Bedeutungen bei Platon 917 : EntwederAusrüstungen (skeuos), oder Gewänder (endumata) (daher sagt er: „ d i e d u d i r n i c h t m e h r a n z i e h e n w ü r d e s t “ ), oder Üppigkeit (truphe), denn Alkibiades lebte in großer Üppigkeit (truphe), wie viele mehrbändige Bücher über die Üppigkeit des Alkibiades schrieben. 918 Auch diese sind im gewissen Sinne Kostüme (skeuai), da sie sich außen [am Körper] befinden. Aber warum denn verlangt die Seele nach den Kostümen von außen, nach den Kleidern (himatia)? 919 In der Tat verlangt sie andere Sachen, und ist mit anderen Sachen umwickelt: Denn sie hat ein Konzept von ihren inneren Umhüllungen (chit ō n), der lichtförmigen [Umhüllung], der pneumatischen und der schalenartigen 920 ; durch diese sichtbare Stola (stolê) bezweckt sie, ihre inneren Umhüllungen rein zu behalten. (So auch der Dichter: „ u n d d i r K l e i d e r ( h e i m a t a ) a n z u t u n “ 921 [Die Seele] will also diese [sc. innere Umhüllungen] fern von Flecken halten. 922 114A Deine Präventivschläge 923 : „ P r ä v e n t i v s c h l a g “ sagt man, wann in einem Krieg eine [Seite] eine bestimmte Festung einnimmt, aus der sie [gegen andere] unversehrt kämpfen kann. Alkibiades dachte nun an Präventivschläge, damit er nicht von Sokrates über die gleichen Argumente befragt wird. Woher hast du diese nützlichen Handlungen gelernt 924 : Sokrates bereitet seine Fragen zusammenfassend aus der [vorherigen Diskussion]: „ Wo hast du das gelernt oder gefunden? “ 925 , weil er ihm diese bereits erklärt hat, wie der Dichter: „ U n d w i d e r w ä r t i g i s t e s m i r , d e u t l i c h G e s a g t e s n o c h e i n m a l z u e r z ä h l e n . “ 926 114B Ob aber die gerechten und die nützlichen [Handlungen] dieselben sind 927 : Dadurch spricht er den Einwand aus 928 , nämlich: „ Du musstest aufzeigen, dass das Gerechte und das Nützliche nicht dasselbe sind. Wenn du es nicht aufzeigen kannst, wird es nachgewiesen, dass du zwei statt ein [Thema] nicht weißt. “ 929 25 107 5 10 15 20 108 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 301 <?page no="302"?> Εἰ μὲν βούλει , ἐρωτῶν ὥσπερ ἐγὼ σέ , εἰ δέ , καὶ αὐτὸς ἐπὶ σεαυτοῦ λόγον διέξελθε : ἰδοὺ οἶδε καὶ τὸν ἐρωτῶντα λέγοντα καὶ οὐδαμοῦ ἐπήγαγεν ‘ἐρωτῶν καὶ ἀποκρινόμενος’ , εἰδὼς ὅτι ἐὰν ἀπόκρισις καὶ ἐρώτησίς ἐστιν ὁ ἀποκρινόμενός ἐστιν ὁ λέγων . ἀλλὰ διὰ τί ἐβούλετο ὁ Σωκράτης ἐρωτᾶν τὸν Ἀλκιβιάδην ἢ ἀποτάδην τὸν λόγον ποιεῖσθαι ; ἢ ἐπειδὴ ᾔδει ὅτι οὐκ ἐβούλετο ἔτι ἀποκρίνασθαι ὡς ἐλεγχθεὶς ὑπὸ Σωκράτους , ταύτῃ μετήγαγε τὸ εἶδος τῶν λόγων . ἀποτάδην δέ , διότι εἰ μὲν Σωκράτης ἦν ὁ διαλεγόμενος , δέος ἦν μὴ πρὸς καθεύδοντα τὸν λόγον ποιήσηται , ὥς φησιν Αἰσχίνης · ‘οὕτω δὲ τῆς δίκης λεγομένης ὄναρ ἔβλεπον οἱ δικασταί’ · ἐπειδὴ δὲ Σωκράτης ἐστίν , οὐ δέος μὴ πάθοι τοῦτο . Ὦ Σώκρατες , πρὸ ς σὲ διεξελθεῖν : ‘οὐκ οἶδα’ , φησίν , ‘εἰ δυνατός εἰμι πρ ὸς σὲ διαλεχθῆναι’ · καὶ τὸ ‘ π ρ ὸ ς σ ὲ ’ μάχης καὶ φιλονεικίας ἦν . ἐν οἷς σὺν θεῷ ἡ πρᾶξις . Πρᾶξις σὺν θεῷ ιβʹ 114B-115A Ἀλλ’ οὐκ οἶδα εἰ οἶός τε εἴην , ὦ Σώκρατες , πρὸς σὲ διεξελθεῖν . Ἀναθέμενος ὁ Ἀλκιβιάδης ὡς εὐφυὴς πρὸς τὴν λοιπὴν πρότασιν λέγων ‘ἀλλ’ οὐ βουλεύονται Ἀθηναῖοι περὶ δικαίων , ἀλλὰ περὶ συμ φερόντων ὅτι τέλος ἐστὶ τοῦ συμβουλευτικοῦ οὐ τὸ δίκαιον , ἀλλὰ τὸ συμφέρον’ · καὶ ἐλέγξας αὐτὸν διὰ τῆς ἀντιπαραστάσεως λέγων ὅτι ‘ < εἰ > καὶ δῶμεν ὅτι διάφορόν ἐστι τὸ δίκαιον καὶ τὸ συμφέρον , ἀλλὰ διὰ τῶν αὐτῶν λόγων δειχθήσῃ μὴ εἰδὼς τὸ συμφέρον δι’ ὧν κ αὶ τὸ δίκαιον ἐδείχθης μὴ εἰδώς ( οὐδὲ γὰρ δέος μὴ κατατριβήσονται οἱ λόγοι δίκην τῶν σκευαρίων ) ’ · ἐντεῦθεν | καὶ ἐπὶ τὴν ἔνστασιν ἔρχεται , ἵνα διελέγξῃ αὐτόν , ἐν ᾗ δείκνυσιν ὅτι πᾶν δίκαιον συμφέρον καὶ πᾶν συμ φέρον δίκαιον , ἵνα διὰ τῆς ἀντιστροφῆς τὴν ταυτότητα δικαίου καὶ συμφέροντος δείξῃ . 108, 2 Olymp. om. με post ἐρωτῶν , cf. Plat. Alc. 114b2. 3 Olymp. λόγον / λόγῳ Plat. Alc. 114b3. 13 Olymp. διεξελθεῖν / διελθεῖν Plat. Alc. 114b5. 17 Olymp. τε / τ’ ἂν Plat. Alc. 114b4. 17 Olymp. διεξελθεῖν / διελθεῖν Plat. Alc. 114b5. 5 10 15 20 109 302 C. Text und Übersetzung <?page no="303"?> Wenn du es willst, indem du mich befragst, wie ich dich; wenn nicht, arbeite es selber in deinem eigenen Argument aus: Siehe, wie es ihm bewusst ist, dass auch der Fragesteller etwas behauptet, und er nirgendwo „ beim Fragen und Antworten “ hinzufügt; denn er weiß, dass, wenn es Frage und Antwort gibt, der Antwortgeber derjenige ist, der etwas behauptet. 930 Aber aus welchem Grund wollte Sokrates, dass Alkibiades Fragen stellt oder eine ausführliche Rede hält? Entweder sah er [sc. Sokrates], dass er [sc. Alkibiades] nicht mehr antworten wollte, nachdem er von Sokrates widerlegt wurde und daher wechselte er die Form der Diskussion in diese Richtung. Eine ausführliche [Rede halten kann er], weil es zu fürchten wäre, wenn Sokrates der Sprecher im Dialog wäre, dass er auf ein schlafendes [Publikum] seine Rede halten würde, wie Aischines sagt: „ Als das Urteil angekündigt wurde, träumten die Richter noch. “ 931 Da aber Sokrates [der Zuhörer] ist, ist es nicht zu fürchten, dass das geschieht. Sokrates, das dir gegenüber auszuarbeiten 932 : „ Ich weiß es nicht “ , sagt er, „ ob ich in der Lage bin, gegenüber dir ein dialektisches Gespräch durchzuführen “ . Und „ g e g e n ü b e r d i r “ [ist ein Ausdruck] für Auseinandersetzung und Kampflust. 933 Damit endet der Unterricht mit Gottes Hilfe. Unterricht 12 mit Gottes Hilfe 114B - 115A Ich weiß aber nicht, ob ich in der Lage wäre, Sokrates, das dir gegenüber auszuarbeiten 934 : Alkibiades widerrief die übrige Prämisse 935 , dank seiner natürlichen Begabung, indem er sagt: „ Aber die Athener beraten nicht darüber, was gerecht ist, sondern darüber, was nützlich ist, denn das Ziel der Beratung ist nicht das Gerechte, sondern das Nützliche. “ 936 Darauf widerlegte er [sc. Sokrates] ihn durch einen indirekten Einwand 937 , indem er sagt: „ Auch wenn wir einräumen würden, dass das Gerechte und das Nützliche unterschiedlich sind, wird es dennoch durch die gleichen Argumente demonstriert, dass du nicht weißt, was nützlich ist, durch die es demonstriert wurde, dass du nicht weißt, was gerecht ist (denn man soll nicht fürchten, dass die Argumente wie Kleidungsstücke abgenutzt werden). “ 938 An dieser Stelle gelangt er zu dem Einwand, um ihn vollständig zu widerlegen, bei dem er zeigt, dass alles Gerechte nützlich und alles Nützliche gerecht ist, damit er die Selbigkeit des Gerechten und des Nützlichen durch ihre gegenseitige Entsprechung zeigen kann. 939 5 10 15 20 109 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 303 <?page no="304"?> Καὶ συμβάλλεται ὁ παρὼν συλλογισμὸς καὶ πρὸς τὴν οὐσίαν ἡμῶν καὶ πρὸς τὴν τελειότητα . πρὸς μὲν τὴν οὐσίαν , ὅτι εἰ δειχθῇ ταὐτὸν τὸ δίκαιον καὶ συμφέρον , ἔνθα ἐστὶν < τὸ > δίκαιον , ἐκεῖ καὶ τὸ συμφέρον · ἐν ψυχῇ δέ ἐστι τὸ δίκαιον , ἐν ψυχῇ ἄρα ἐστὶ καὶ τὸ συμφέρον · καὶ ἐπειδὴ τὸ συμφέρον εὖ εἶναί ἐστιν , ἔνθα δὲ τὸ εὖ εἶναι καὶ τὸ εἶναι πάντως , καὶ τὸ εἶναι ἄρα ἡ μῶν ἐν ψυχῇ ἐστίν . ἀλλὰ καὶ τὴν τελειότητα ἡμῶν διὰ τούτου δείκνυσιν · εἰ γὰρ ταὐτόν ἐστι δίκαιον καὶ συμφέρον , τέλος ἡμῶν ἐστὶ τὸ δίκαιον καὶ διὰ τοῦτο αὐτάρκης ἡ ἀρετὴ πρὸς εὐδαιμονίαν καὶ ἡ κακία πρὸς κακοδαιμονίαν , κἂν τὰ ἄλλα τὰ ἔξωθεν εὖ ἔχοι . Ἀλλὰ πῶς ταῦτα λέγεται ὑπὸ τοῦ Πλάτωνος , ὅτι πᾶν δίκαιον συμ φέρον ἐστὶν καὶ πᾶν συμφέρον δίκαιόν ἐστιν καὶ ἀντιστρέφει ταῦτα · ἐφεξῆς δὲ δείξει ὅτι καὶ τὸ καλὸν τούτοις ἀντιστρέφει καὶ τὸ ἀνάπαλιν ; εἴγε κανών ἐστι Πρόκλειος τὰ ὑψηλότερα μὴ συμπαύεσθαι μήτε συν άρχεσθαι τοῖς κοιλοτέροις , ἀλλ’ ἐπὶ μείζονα πρόοδον προϊέναι , δίκην τριῶν ἀνίσων κατὰ τὴν δύναμιν τοξοτῶν καὶ τῶν ἰσχυροτέρων ἐπὶ πολὺ τὸ βέλος ἀφιέντων . καὶ τὸ μὲν συμφέρον πρὸς τῷ ἀγαθῷ ἐστί , τὸ δὲ καλὸν πρὸς τῷ νῷ ( διότι ἀφρὸς καὶ ἄνθος τοῦ εἴδους ἐστὶ τὸ κάλλος , τὸ δὲ εἶδος πρὸς τῷ νῷ ἐστὶν ἐπιστρεπτικῷ ὄντι · καὶ τοῦτο γὰρ ὡς ἀμερὲς ἐπιστρεπτικόν ἐστι , διὰ γὰρ τὴν ὕλην μερίζεται · ἐπεὶ πάντες οἱ λόγοι ἐν τῷ σπέρ | ματί εἰσιν ὡς ἀμερεῖς , ὅθεν καὶ μέρους ἐκριπτομένου τὸ λοιπὸν τὴν χρείαν ἀποπληροῖ ), τὸ δὲ δίκαιον ἀπὸ ψυχῆς ἄρχεται . διὸ τὸ μὲν ἀγαθὸν καὶ ἄχρι τῆς ὕλης κάτεισιν ( ἀγαθὴ γὰρ καὶ αὐτὴ καὶ χρείαν ἐκτελοῦσα τῷ παντί )· ἡ δὲ δόσις τοῦ νοῦ ἄχρι τῶν εἰδο πεποιημένων · ἡ δὲ τῆ ς ψυχῆς δόσις ἄχρι τῆς ἀλόγου ψυχῆς ( ἔστιν γὰρ καὶ ἐν αὐτῇ τὸ δίκαιον , διὰ τοὺς πελαργούς ). μάθοις δ’ ἂν τὸ λεγόμενον ἐπὶ ἄλλων παραδειγμάτων · ἐπειδὴ τὸ ὂν πρὸ ζωῆς , ζωὴ δὲ πρὸ τοῦ νοῦ , ὡς ἐν τῷ Σοφιστῇ ἐν τοῖς περὶ τοῦ ὄντος λόγοις ἀκριβέστερον μαθησό μεθα , διὰ τοῦτο οὖν πλείονα ἔστιν ἤπερ ζῇ καὶ πλείονα ζῇ ἤπερ νοεῖ . πῶς οὖν ταῦτα ἀντιστρέφει , τὸ δίκαιον καὶ τὸ συμφέρον ; ἢ ἐπὶ ἀνθρώπου ἀγαθοῦ καὶ συμφέροντος καὶ καλοῦ ἀληθὴς ἡ ἀντιστροφή , ὥσπερ καὶ 5 10 15 20 110 5 10 304 C. Text und Übersetzung <?page no="305"?> Ferner bringt uns die vorliegende Schlussfolgerung sowohl unser Wesen als auch unsere Vollkommenheit bei. 940 Unser Wesen einerseits, weil, wenn es aufgezeigt ist, dass das Gerechte und das Nützliche das Gleiche sind, wo sich das Gerechte befindet, dort auch das Nützliche [sein wird]. Doch das Gerechte ist in der Seele, also befindet sich auch das Nützliche in der Seele. Da nun was [für uns] nützlich ist, sich wohl zu befinden 941 ist - und wo das Wohlsein ist, ist auch das Sein insgesamt - , ist also auch unser Sein in der Seele. Darüber hinaus demonstriert er auch unsere Vollkommenheit durch diese [Schlussfolgerung]. Wenn nämlich gerecht und nützlich das Gleiche sind, ist unser Ziel das Gerechte und dadurch ist Tugend alleine ausreichend für die Glückseligkeit, und die Schlechtigkeit [ausreichend] für Unglückseligkeit 942 , auch wenn alle anderen äußerlichen [Umstände] in guter Verfassung sind. Aber in welchem Sinne wird es von Platon behauptet, dass alles Gerechte nützlich ist und alles Nützliche gerecht ist, und diese einander entsprechen? 943 Weil er im Folgenden aufzeigen wird, 944 dass auch das Schöne 945 diesen [sc. dem Gerechten und Nützlichen] entspricht und auch umgekehrt [sie dem Schönen entsprechen]? Gewiss, wenn das prokleanische Gesetz 946 gilt, dass die höheren Wesen mit den tieferen Wesen weder zusammen zu Ende kommen noch zusammen anfangen, sondern früher [als diese] einen größeren Fortschritt erreichen - ähnlich wie bei drei in ihrer Kraft ungleichen Bogenschützen, von denen die Stärkeren den Pfeil weiter schießen. Doch das Nützliche richtet sich nach dem Guten 947 , das Schöne dagegen nach der Vernunft 948 (daher ist die Schönheit der Schaum 949 und die Blüte der Form 950 , die Form wiederum richtet sich nach der Vernunft, die [auf sich selbst] zurückwendend ist. Denn auch diese [sc. Form] ist [auf sich] zurückwendend, da sie teillos ist, sie wird nämlich durch die Materie geteilt. 951 Da alle Prinzipien in ihrem Kern als teillose Wesen existieren, erfüllt das, was zurückbleibt, dennoch ihre Funktion, auch wenn aus diesen ein Teil rausgerissen wird 952 ), das Gerechte andererseits hat seinen Ursprung an der Seele. 953 Deswegen steigt zwar das Gute sogar bis in die [Ebene der] Materie ab 954 (denn auch diese [sc. die Materie] ist gut und erfüllt eine Funktion für das Universum), die Gabe der Vernunft aber [erreicht] bis in die von der Form geschaffenen Dinge. 955 Die Gabe der Seele [erreicht] ferner bis in die unvernünftige Seele 956 (denn auch in dieser existiert das Gerechte, wie etwa bei den Störchen 957 ). Du kannst diese Behauptung an anderen Beispielen verstehen: Da das Sein vor dem Leben, das Leben aber vor dem Denkvermögen [existiert] 958 , wie wir in der Diskussion über das Sein im Sophistes genauer erfahren werden 959 , aus diesem Grund nun existieren mehrere Wesen als diejenigen, die Leben; und leben mehrere Wesen als diejenigen, die ihr Denkvermögen gebrauchen. 960 Wie entsprechen diese denn einander, das Gerechte und das Nützliche? In der Tat, diese gegenseitige Entsprechung ist wahr an dem 5 10 15 20 110 5 10 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 305 <?page no="306"?> περὶ τοῦ ὄντος τοῦ ἐν ψυχῇ καὶ νοῦ καὶ ζωῆς ταῦτα ἀντιστρέφει · ἔνθα γὰρ ἕν , καὶ τὰ λοιπά . οὕτω μὲν κατὰ τὸν φιλόσοφον Πρόκλον . ὁ δὲ θεῖος Ἰάμβλιχος οὐ διακρίνει τὰ ὑψηλότερα ἀπὸ τῶν κοιλοτέρων τῇ πλείονι μεταδόσει ( πάντα γὰρ ἄχρι τῆς ὕλης κάτεισι · δόγμα γάρ ἐστιν , ἀφ’ οὗ ἄν τι ἄρξηται ἐνεργεῖν μὴ παύεσθαι ἄχρι τῶν ἐσχάτων · εἰ γὰρ καὶ ἰσχυρότερόν ἐστιν , ἀλλὰ δύναται διὰ τῆς πόρρω διαστάσεως ἀντανίσωσις γίνεσθαι πρὸς τὸ ἀσθενέστερον ), ἀλλὰ διακρίνει τῷ δριμυτέραν τὴν μετάδοσιν τῶν ὑψηλοτέρων εἶναι . μᾶλλον γὰρ ἐφιέμεθα εἶναι ἤπερ ζωῆς , καὶ μᾶλλον τοῦ ζῆν ἤπερ τοῦ νοεῖν . Καὶ τοῦ Σωκράτους ἐφέντος τὴν αἵρεσιν τῷ Ἀλκιβιάδῃ , διὰ τὸ μὴ βούλεσθαι αὐτὸν ἀποκρίνεσθαι , εἴτε ἐρωτᾶν εἴτε ἐφ’ ἑαυτοῦ ἀποτάδην τοὺς λόγους ποιήσασθαι , ὁ Ἀλκιβιάδης φησίν · ‘οὐκ οἶδα εἰ οἷός τέ εἰμι πρὸς Σωκράτην τὸν λόγον ποιήσασθαι τοῦ συμφέροντος’ . διὸ ἐπάγει ἄλλον συλλογισμὸν ὁ Σωκράτης , ὅτι ‘καὶ πῶς πείσεις Ἀθηναίους συμ βουλεύων ; ὁ γὰρ ἕνα πείθων καὶ πολλοὺς πείθει καὶ ὁ πολλοὺς πείθων καὶ ἕνα πείθει’ . καὶ διὰ τούτου τοῦ συλλογισμοῦ ἀναφαίνεται ἡ τελειό της ἡμῶν ὅτι ἀσώματός ἐστιν , εἴγε τὸ μὲν σῶμα οὐ δύναται μεταδοῦναι ἑαυτοῦ ἄλλοις ἀμειώτως , ἡ δὲ τελειότης ἡ ἐν ψυχῇ δύναται καὶ ἑνὶ καὶ πολλοῖς μεταδοῦναι ἑαυτῆς ἀμειώτως · τάχα δὲ καὶ μείζονα ἐπίδοσιν προσλαμβάνουσα , διότι τελειοῦται ὁ διδάσκαλος διὰ τοῦ τοὺς λόγους προφέρειν . Καὶ πῶς τοῦτο λέγεται ὑπὸ τοῦ Πλάτωνος ; τί οὖν ; ὁ ἕνα ἀνόητον πείθων καὶ πλῆθος φιλοσόφων πείθει ; ἢ ὁ πλῆθος φιλοσόφων πείθων καὶ ἕνα ἀνόητον πείθει ; πρὸς ὅ φαμεν ὅτι διὰ μιᾶς λέξεως ταῦτα πάντα ἔλυσεν ὁ Πλάτων εἰπὼν ‘ ἕ ν α ἕ κ α σ τ ο ν ’ · ὁ γὰρ ἕνα πείθων καὶ πολλοὺς πείθει , ἐπειδὰν τὰ ἕνα ἐκεῖνα , ἵνα οὕτως εἴπω , μέρος ᾗ τοῦ πλήθους , ἐδήλωσε δὲ ταῦτα διὰ τοῦ ‘ ἕ κ α σ τ ο ν ’ · καὶ ἐπειδὰν τὸ πλῆθος συγκείμενον ᾗ ἐκ τῶν ἑνάδων , τότε ὁ πολλοὺς πείθων καὶ ἕνα πείθει . καὶ πρὸς τούτοις , ἐὰν περὶ ὧν πείθει ἐπιστή | μων ᾖ · ὁ γὰρ ἀριθμητικὸς δύναται περὶ τῶν ἀριθμῶν καὶ ἕνα καὶ πολλοὺς πεῖσαι ἐπιστήμονας . ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία . 15 111 5 10 15 20 112 306 C. Text und Übersetzung <?page no="307"?> Guten, dem Nützlichen und dem Schönen des Menschen, wie auch sowohl Denkvermögen als auch Leben durch ihre Existenz in der Seele einander entsprechen. Denn wo [sich] das eine [befindet], [sind] die anderen auch. So ist es nun nach dem Philosophen Proklos. 961 Der göttliche Jamblich dagegen unterscheidet nicht die höheren Wesen von den tieferen durch die Menge ihrer Teilgabe 962 , (Denn alles steigt bis in die Materie hinab. 963 Es ist nämlich ein Grundsatz, dass etwas, von welcher Quelle auch immer, seine Tätigkeit beginnt, nicht aufhört, bis es seine äußersten Grenzen erreicht. Denn auch wenn es stärker ist, kann dennoch durch die Distanz der Trennung eine ausgleichende Kraft entstehen, um es schwächer zu machen.), stattdessen unterscheidet [ Jamblich sie] dadurch, dass die Teilgabe der höheren Wesen eindrucksvoller ist. Wir streben nämlich mehr nach der Existenz, als nach dem Leben und mehr danach, zu leben als danach, das Denkvermögen zu nutzen. 964 Als Sokrates die Wahl Alkibiades überließ, - da er nicht beantworten wollte - , entweder Fragen zu stellen oder von sich aus eine ausführliche Argumentation vorzulegen, da sagt Alkibiades: „ Ich weiß nicht, ob ich in der Lage bin, gegenüber Sokrates eine Argumentation über das Nützliche vorzulegen. “ 965 Daher fügt Sokrates eine andere Schlussfolgerung hinzu, nämlich: „ Und wie wirst du die Athener überzeugen, wenn du sie berätst? Wer nämlich einen [Menschen] überzeugt, überzeugt auch mehrere; und wer mehrere [Menschen] überzeugt, überzeugt auch einen. “ Auch durch diese Schlussfolgerung leuchtet ein, dass unsere Vollkommenheit unkörperlich ist 966 , wenn zumal der Körper nicht ohne Verminderung einem anderen einen Teil von sich abgeben kann; die Vollkommenheit in der Seele dagegen ohne Verminderung sowohl einem einzelnen [Wesen] als auch mehreren etwas von sich abgeben kann. Vielleicht nimmt sie [dadurch] sogar einen größeren Aufschwung hinzu, aus demselben Grund, dass ein Lehrer durch Hervorbringen [seiner] Argumente vollkommen wird. Aber in welchem Sinne wird es von Platon behauptet? Bedeutet es etwa, wer einen Unverständigen überzeugt, auch eine Mehrzahl der Philosophen überzeugen kann? Oder, wer eine Mehrzahl der Philosophen überzeugt, auch einen Unverständigen überzeugen kann? Dazu sagen wir, dass Platon durch einen Ausdruck alle diese [Fragen] löst, indem er „ j e d e n e i n z e l n e n “ sagt. Wer nämlich Einen überzeugt, überzeugt auch mehrere, da diese Einzelnen, dass ich so sage, ein Teil von Vielen sind, und das verdeutlicht er durch [das Wort] „ e i n z e l n “ . Ferner, wenn die Mehrzahl aus den Einzelnen zusammengestellt ist, dann überzeugt der, der mehrere überzeugt, auch einen. Vor allem wenn er [sc. Zuhörer] darin, wovon er überzeugen will, sachkundig ist. Denn ein Arithmetiker kann über die Zahlen sowohl Einen als auch Mehrere überzeugen, zumal wenn sie sachkundig sind. Das hat die Theorie. 15 111 5 10 15 20 112 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 307 <?page no="308"?> 114B Ἀλλ’ οὐκ οἶδα εἰ οἷός τε εἴην , ὦ Σώκρατες : ἰδοὺ ἀρνεῖται τὴν πρὸς Σωκράτην ἀπόκρισιν · διό φησιν ‘πῶς οὖν συμβουλεύεις Ἀθηναίοις ; ὁ γὰρ ἕνα καὶ πολλοὺς πείθει’ . καὶ εἰσφέρει ἐκκλησίαν καὶ δικαστήριον καὶ δῆμον , διότι ῥητορικὸς ὁ νέος . Καὶ ἐκεῖ τοι σὲ δεήσει ἕνα ἕκαστον πείθειν : ἰδοὺ ὁ κανών , ὅτι ὁ πείθων ἕνα καὶ πολλοὺς πείθει · καὶ διὰ τοῦ ‘ ἕ κ α σ τ ο ν ’ ἐδήλωσεν ὅτι δεῖ μέρος εἶναι τοῦ πλήθους . Οὐκοῦν τ οῦ αὐτοῦ ἕνα τε οἷόν τε εἶναι κατὰ μόνας καὶ συμπόλλους : ἰδοὺ πάλιν διὰ τοῦ εἰπεῖν ‘ κ α τ ὰ μ ό ν α ς κ α ὶ σ υ μ π ό λ λ ο υ ς ’ ἐδήλωσεν ὅτι τοῦ αὐτοῦ ἐστὶ τὸ πείθειν πολλοὺς καὶ ἕνα , ὅταν συγκέηται τὸ πλῆθος ἐκ τῶν ἑνάδων . καὶ πῶς ἀδολεσχεῖ ; καὶ ἄνω γὰρ τ οῦτο εἶπεν . ἢ ποῦ μὲν λαμβάνει τὸν ἕνα μέρος ὄντα τοῦ πλήθους , ὥσπερ ἐνταῦθα , ποῦ δὲ κατὰ μόνας ἀφῃρημένον τοῦ πλήθους , ὥσπερ ἀνωτέρω , οἶος Σωκράτη περὶ αὐτοῦ · οὗτος γὰρ ἀφῄρητο τῶν πολλῶν , δυνά μενος συγκαταριθμηθῆναι αὐτοῖς . 114C Περὶ ὧν ἂν εἰδῇ , ὥσπερ γραμματιστής : ἰδοὺ ὁ δεύτερος προσδιο ρισμός , ὅτι δεῖ καὶ αὐτὸν εἰδέναι . ὁ γὰρ εἰδὼς περὶ γραμμάτων , οὗτος πείσει καὶ ἕνα καὶ πολλούς . Οὗτος λέγεται ὁ εἰδὼς ἀριθμητικός : οὐκ ἠρκέσθη ταῖς μαθηματι καῖς ἀνάγκαις πειθούσαις ( καὶ γὰρ ὁ ἀριθμητικὸς τοῦ μαθηματικοῦ ), ἀλλ’ ἐπήγαγεν καὶ ‘ὁ εἰδὼς | περὶ τούτων’ . 114D Ὅτι ὁ μὲν ἀθρόους πείθει τὰ αὐτά , ὁ δὲ καθ’ ἕ να : ἰδοὺ πάλιν τῷ ἀ θ ρ ό ῳ τὸ κ α θ ’ ἕ ν α ἀντέταξεν · δηλονότι τοὺς αὐτοὺς βούλεται , ποτὲ μὲν κατὰ μόνας ὄντας , ποτὲ δὲ ἀθρόους . Κινδυνεύει : περὶ τῶν διὰ κλιμακτῆρα ἀνάγκης μελλόντων διὰ τὴν ἀνάγκην μετατρέπεσθαι εἰς τὸ ἐναντίον δόγμα τὸ ‘ κ ι ν δ υ ν ε ύ ε ι ν ’ λέγεται . 112, 22 Olymp. λέγεται / δ᾽ ἔσται Plat. Alc. 114c7. 22 Olymp. om. ὁ post εἰδὼς , cf. Plat. Alc. 114c7. 5 10 15 20 113 5 308 C. Text und Übersetzung <?page no="309"?> 114B Aber ich weiß nicht, ob ich in der Lage wäre, Sokrates: Siehe, dass er eine Antwort gegenüber Sokrates verweigert. Deswegen sagt er [sc. Sokrates]: „ Wie wirst du denn die Athener beraten? Wer nämlich einen [überzeugt], [kann] auch mehrere überzeugen “ . Dabei ruft er eine Volksversammlung, ein Gerichtssaal und die Menschenmenge hervor, da der Jüngling rednerisch begabt ist. 967 Auch dort nämlich wirst du jeden Einzelnen überzeugen müssen: Siehe den Grundsatz, dass, wer einen [überzeugt], der auch mehrere überzeugen kann. Und durch „ j e d e n e i n z e l n e n “ verdeutlicht er, dass es einen Teil der Mehrzahl bedeutet. Gehört es nun nicht derselben Person, in der Lage zu sein, Einzelne [zu überzeugen], sowohl jeden für sich allein als auch viele gemeinsam? 968 Siehe erneut, dass er durch die Aussage „ f ü r s i c h a l l e i n u n d v i e l e g e m e i n s a m “ verdeutlicht, dass es der gleichen Person gehört, sowohl mehrere als auch einen zu überzeugen, zumal da die Mehrzahl aus Einzelnen besteht. Aber warum macht er eine unnötige Wiederholung? Denn er hat das oben schon gesagt. Bei der einen [Erwähnung] nimmt er den Einzelnen als einen Teil der Mehrzahl, wie an dieser Stelle; bei der anderen dagegen [nimmt er den Einzelnen] als für sich allein herausgenommen von der Mehrzahl, wie an der vorherigen [Stelle darüber], in der Lage [zu sein], Sokrates davon [zu überzeugen]. 969 Denn er [sc. Sokrates] ist herausgehoben von der Mehrheit, obwohl er zu ihr gezählt werden kann. 114C Davon [zu überzeugen], was er weiß, so wie der Elementarlehrer 970 : Siehe die zweite Bedingung, dass er das auch wissen muss. Denn wer Kenntnis bezüglich Lesen und Schreiben besitzt, der wird sowohl einen einzelnen als auch mehrere [in diesem Bereich] überzeugen. Dieser, der über Wissen verfügt, wird Arithmetiker genannt 971 : Er fand die mathematischen Gesetze 972 nicht ausreichend für Überzeugungskraft (denn ein Arithmetiker ist auch eine Art Mathematiker), sondern fügte hinzu „ der über Wissen von diesen Dingen verfügt. “ 114D Dass der eine sie alle auf einmal von demselben überzeugt, der andere dagegen jeweils Einzelne 973 : Siehe wieder, dass er j e w e i l s E i n z e l n e gegenüber a l l e n a u f e i n m a l stellt: Offensichtlich meint er die gleichen [Menschen], einmal als jeweils einzeln Seiende, ein andermal als in der Gesamtheit. Es ist wahrscheinlich 974 : Wenn [die Ansichten] kurz davor sind, durch einen kritischen Wendepunkt der logischen Notwendigkeit 975 zwangsläufig in die gegensätzliche Ansicht umgekehrt zu werden, sagt man „ e s i s t w a h r s c h e i n l i c h “ . 5 10 15 20 113 5 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 309 <?page no="310"?> Ὑβριστὴς εἶ , ὦ Σώκρατες : ‘ ὑ β ρ ι σ τ ὴ ν ’ ἀποκαλεῖ τὸν ἐλεγκτικόν . ὁ δὲ Σωκράτης καταδέχεται τοῦτο καί φησιν · ‘οὐ μόνον ὑβριστής , ἀλλὰ καὶ ὑβριστικώτατος ὡς οὐ μόνον ψευδεῖς βουλόμενος ἐλέγξαι τοὺς λόγους σου , ἀλλὰ καὶ τὸ ἐναντίον δεῖξαι ἀληθές , ὅτι πᾶν δίκαιον συμφέρον καὶ τὸ ἀνάπαλιν’ . εἰσὶ γάρ τινα ψευδῆ μέν , οὐ μέντοι διὰ τῶν ἐναντίων ἐλεγχόμενα , ἀλλὰ διὰ τοῦ μέσου , ὡς ἔχει ἐπὶ τοῦ ‘πᾶς ἄν θρωπος περιπατεῖ’ . οὐδὲ γὰρ ἐκ τοῦ ἐναντίου ἐλέγχεται τοῦτο ( κἀκεῖνο γὰρ ψ εῦδός ἐστιν ), ἀλλὰ διὰ τοῦ μέσου . Νῦν γοῦν ὑφ’ ὕβρεως μέλλω σε πείθειν τἀναντία : τουτέστιν ‘ὡς ὑβριστὴς οὐ μόνον ἐλέγχω σε , ἀλλὰ καὶ μέλλω σε πείθειν τὰ ἐναντία , εἴ μοι ἀποκρίναιο’ . ὁ δὲ οὐ βούλεται ἀποκρίνασθαι , διότι ὡς εὐφυὴς ᾔδει ὅτι ἐπὰν ἐρώτησίς ἐστιν καὶ ἀπόκρισις ὁ ἀποκρινόμενός ἐστιν ὁ λέγων . ἀλλ ’ οὐχ ὁ ἐρωτ ῶν . κ ἀκεῖνος ἐπιτίθεται αὐτῷ ἀποκρίνεσθαι , διότι ἀνυσιμώτατός ἐστιν ὁ τοιοῦτος ἔλεγχος , διότι μᾶλλον πειθόμεθα ὑφ’ ἑαυτῶν ἐλεγχόμενοι , ἔχεται < δὲ > ἐν ταῖς διαλεκτικαῖς ἐρωτήσεσιν ὁ ἐλέγχων τοῦ ἐλεγχομένου μᾶλλον ἤπερ τοῦ σώματος τὰ τῆς ἐχίδνης δήγματα . 114E Ἀλλὰ σὺ αὐτὸς λέγε : τὸ ‘ λ έ γ ε ’ ἐνταῦθα παρὰ Πλάτωνι ‘ἀποτά δην εἰπέ’ . Τί δ’ ; οὐκέτι | μάλιστα βούλει πεισθῆναι ; ὁ Σωκράτης · ‘τί ἄλλο θέλεις εἰ μὴ πεισθῆναι ὅτι πᾶν δίκαιον συμφέρον καὶ τὸ ἀνάπαλιν ; ’ διὰ γὰρ τοῦ λόγου τούτου δύο συλλογισμοὶ δειχθήσονται . Ἀποκρίνου δή · καὶ ἂν εἰ μὴ αὐτὸς σὺ σαυτοῦ ἀκούσῃς : ‘ἀποκρίνου’ , φησί , ‘τὰ ἐρωτώμενα · καὶ εἰ μὴ σὺ σαυτοῦ λέγοντος ἀκούσης ὅτι πᾶν δίκαιον συμφέρον καὶ τὸ ἀνάπαλιν , ἄλλ ῳ λέγοντι μὴ πιστεύσῃς’ . δεῖ γὰρ τοὺς ὠφελουμένους ἐκ τῶν κατ’ ἀποτάδην λόγων λέγειν · ‘ π ῶ ς ἂ ν σ ύ μ ο ι λ έ ξ ε ι α ς ἅ μ ε χ ρ ὴ λ έ γ ε ι ν ; ’ αὐτὸν γὰρ ἔδει ἀποκρίνεσθαι ταῦτα , ἵνα μὴ ἔξωθεν οἱ λόγοι ἐπιπλάτ τωνται δίκην ἀγγείου ἀψύχου ἔξωθεν ἑαυτοῦ τὸ ὕδωρ ἔχοντος , ἀλλὰ δεῖ ἀφ’ ἑαυτοῦ προβάλλεσθαι τοὺς ἐλέγχους · οὕτω γὰρ αἱ μαθήσεις εἰσὶν ἀναμνήσεις . Ἀλλ’ ἀποκριτέον · καὶ γὰρ οὐδὲν οἶμαι βλαβήσεσθαι : ὡς εὐφυὴς πάλιν ἄλλην ἀποφυγὴν εὑρίσκει , ὅτι ‘ἀποκρίνομαι , οὐδὲν γὰρ οἴομαι 114, 1 Olymp. οὐκέτι / οὐχ ὅτι Plat. Alc. 114e2. 10 15 20 25 114 5 10 310 C. Text und Übersetzung <?page no="311"?> Du bist übermütig, Sokrates: Er bezeichnet [seinen] Widerleger als „ ü b e r m ü t i g “ . Sokrates akzeptiert das 976 und sagt: „ Nicht nur übermütig, sondern der Übermütigste [bin ich], da ich nicht nur deine Argumente als falsche widerlegen, sondern auch den Gegensatz als wahr aufzeigen will, dass alles Gerechte auch nützlich und umgekehrt [alles Nützliche gerecht] ist. “ Denn einige [Argumente] sind falsch, nicht weil sie durch [die Demonstration] ihrer Gegensätze widerlegt werden, sondern durch das mittlere [Argument], wie es sich mit der [Aussage] „ Alle Menschen wandeln umher “ 977 verhält. Denn das wird nicht durch seinen Gegensatz widerlegt (auch das ist nämlich falsch), sondern durch das mittlere [Argument]. Jetzt habe ich tatsächlich aus Übermut vor, dich vom Gegenteil zu überzeugen: Das bedeutet: „ Wie ein Übermütiger, nicht nur widerlege ich dich, sondern habe auch vor, dich vom Gegenteil zu überzeugen, wenn du mir antworten würdest. “ 978 Er [sc. Alkibiades] dagegen möchte nicht antworten, da er dank seiner natürlichen Begabung einsah, dass wo immer es Frage und Antwort gibt, der Antwortgeber derjenige ist, der etwas behauptet; nicht der Fragesteller. Er [sc. Sokrates] aber zwingt ihn zu antworten, da eine derartige Widerlegung die wirksamste ist, weshalb wir stärker überzeugt werden, wenn wir durch uns selbst widerlegt werden, da in dialektischen Befragungen der Widerlegende in den Widerlegten tiefer dringt als ein Schlangenbiss in die Haut. 114E Sondern sprich du selber 979 : Das Wort „ s p r i c h “ an dieser Stelle bei Platon [bedeutet] „ sag es ausführlich “ . Wie jetzt? Willst du nicht mehr so gut es geht überzeugt werden? 980 Sokrates [sagt]: „ Was willst du sonst, wenn nicht überzeugt zu werden, dass alles Gerechte nützlich ist und umgekehrt? “ Denn durch dieses Argument werden zwei Syllogismen aufgezeigt. Antworte dann. Und wenn du [es] nicht selber von dir hörst 981 : „ Beantworte “ , sagt er, „ [meine] Fragen. Und wenn du [es] nicht selber von dir hörst, dass alles Gerechte nützlich ist und umgekehrt, glaub es keinem anderen, wenn er es sagt. “ 982 Denn diejenigen, denen eine ausführliche Argumentation von Nutzen war, müssen sagen: „ W i e k a n n s t d u m i r d a s s a g e n , w a s i c h s a g e n s o l l t e ? “ 983 Denn er sollte diese Antwort selber geben, damit seine Argumente nicht von außen gestaltet werden, wie ein lebloses Gefäß, das sein Wasser von außen bekommt. Stattdessen sollen die Widerlegungen ausgehend von sich selbst hervorgebracht werden. Auf diese Weise nämlich ist das Lernen eine Anamnese. 984 Sondern ich muss antworten: Denn ich glaube wirklich, dass es mir nichts schaden wird: Als ein Mensch mit natürlicher Begabung erfindet er 10 15 20 25 114 5 10 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 311 <?page no="312"?> βλαβήσεσθαι’ . ὁ δὲ ἀποδέχεται αὐτὸν καί φησιν ‘μαντικὸς εἶ’ · καὶ γὰρ ὁ μαντικὸς εὐστόχως ἐπιβάλλει καὶ ὁ εὐφυὴς περὶ τῶν μελλόντων . ἔμελλεν δὲ οὐ μόνον οὐδὲν βλαβήσεσθαι , ἀλλὰ καὶ ὠφεληθήσεσθαι . οὐκ εἶπεν δὲ ‘μάντις’ , διότι ὁ μάντις ἐπιστήμων ἐστίν , ὁ δὲ μαντικὸς ἀτελής ἐστιν · ὥσπερ οὐ ταὐτὸν ἰατρὸς καὶ ἰατρικός . καὶ ὁ Ἀλκιβιάδης δὲ οὐκ ἐπιστημονικῶς ταῦτα ἔλεγεν , ἀλλὰ κατὰ δόξαν ἀπεμαντεύετο . ἐν οἷς ἡ πρᾶξις . Πρᾶξις σὺν θεῷ ιγʹ 115A-116B Καί μοι λέγε · τῶν δικαίων φῂς ἔνια μὲν συμφέρειν , ἔνια δὲ οὔ ; Δέκα ὄντων συλλογισμῶν τοῦ παρόντος διαλόγου ὁ πέμπτος προ τίθεται δεῖξαι ὅτι ταὐτὸν δίκαιον καὶ συμφέρον . τοῦτο δὲ δείκνυσι διὰ δύο συλλογισμῶν · διὰ τοῦ δεῖξαι πᾶν δίκαιον καὶ συμφέρον , καὶ δεύτερον πᾶν συμφέρον δίκαιον · ἡ γὰρ ἀντιστροφὴ τὴν ταυτότητα εἰσάγει . καὶ προά | γει τὸν συλλογισμὸν οὕτως · ‘πᾶν δίκαιον καλόν · πᾶν καλὸν συμφέρον · πᾶν ἄρα δίκαιον συμφέρον’ . καὶ ὁ νέος πρὸς μὲν τὴν ἐλάττονα πρότασιν τὴ ν λέγουσαν ‘πᾶν δίκαιον καλὸν’ οὐκ ἀντιλέγει ὡς φιλότιμος , διότι ᾔδει τὰ δίκαια ἐπαινετά ( διὸ καὶ αὐτεπάγγελτος δέδωκε τῇ βουλῇ δέκα τάλαντα )· πρὸς δὲ τὴν μείζονα μάχεται τὴν λέγουσαν ‘πᾶν καλὸν συμφέρον’ , λέγων εἶναί τινα καλά , κακὰ δέ , καὶ ἄλλα αἰσχρὰ ἀγαθά . καὶ οὐκ ἀντίφασις ταῦτα . δύο γάρ εἰσιν ἀντιθέσεις · καλὸν αἰσχρόν , ἀγαθὸν κακόν · καὶ ἀντίκειται τὸ μὲν καλὸν τῷ αἰσχρῷ , τὸ δὲ ἀγαθὸν τῷ κακῷ , οὐ μὴ ν τὸ καλὸν τῷ κακῷ . ἔστιν γάρ , φησί , καλὸν κακόν , ὡς τὸ πολεμῆσαι ὑπὲρ πατρίδος καὶ τὸ ὑπὲρ φίλου τεθνάναι · τοῦτο καλὸν διότι ἐπαινετόν ( ὑπὲρ γὰρ τοῦ φίλου ), οὐ μὴν ἀγαθόν , διότι οὐ συνήνεγκεν τῷ σώματι · ἔστιν καὶ τὸ ἀνάπαλιν αἰσχρὸν ἀγαθόν , ὡς τὸ μὴ ἀποθανεῖν ὑπὲρ φίλου . καὶ ἄμφω ταῦτα καὶ ὁ χρησμὸς ἐδήλωσεν , τὸ μὲν μὴ ὑπὲρ φίλου ἀποθανεῖν εἰπών · 15 20 25 115 5 10 312 C. Text und Übersetzung <?page no="313"?> wieder einen anderen Fluchtweg, nämlich: „ Ich antworte, denn ich glaube, es wird mir nichts schaden. “ Er [sc. Sokrates] aber gestattet ihn dieses und sagt: „ Du bist vorhersagend. “ (mantikos). Denn sowohl eine vorhersagende (mantikos) als auch eine natürlich begabte Person macht zutreffende Vermutungen über die zukünftigen Dinge. 985 Es war aber nicht nur der Fall, dass ihm nichts schaden wird, sondern auch, dass er Nutzen haben wird. Er [sc. Sokrates] hat nämlich nicht „ Wahrsager “ (mantis) gesagt, da ein Wahrsager sachkundig ist, während ein Vorhersagender [in seinem Erkenntniszustand] unvollkommen ist: genauso wie Arzt (iatros) und ein Heilkundiger (iatrikos) nicht das gleiche sind. Also sagte Alkibiades diese Worte nicht mit Sachverstand, sondern machte seiner Meinung nach eine Voraussage. Damit endet der Unterricht. Unterricht 13 mit Gottes Hilfe 115A - 116B Also sag mir: Behauptest du, dass von den gerechten Handlungen einige nützlich sind, andere dagegen nicht? Aus den zehn Syllogismen, die der vorliegende Dialog hat, 986 legt er den fünften vor, um zu zeigen, dass das Gerechte und das Nützliche das Gleiche sind. Das zeigt er dann durch zwei Syllogismen: Indem er einerseits aufzeigt, dass alles Gerechte nützlich ist; und zweitens, dass alles Nützliche gerecht ist. Denn [ihre] gegenseitige Entsprechung führt zu [ihrer] Selbigkeit. 987 Dann setzt er die Schlussfolgerung auf diese Weise fort 988 : „ Alles Gerechte ist schön. 989 Alles Schöne ist nützlich. Folglich ist alles Gerechte nützlich. “ . 990 Der Jüngling, da er ehrliebend ist, widerspricht nicht gegen die Nebenprämisse 991 , die besagt: „ Alles Gerechte ist schön “ 992 , weil er die gerechten Handlungen als lobenswert betrachtete (aus diesem Grund schenkte er der Ratsversammlung unaufgefordert zehn Talente). 993 Die Hauptprämisse aber, die besagt: „ Alles Schöne ist nützlich “ , bestreitet er, indem er sagt, dass manche [Handlungen] einerseits schön, andererseits schlecht sind, wobei andere [Handlungen] hässlich 994 aber gut [sind]. 995 Und diese [Antwort ist] nicht widersprüchlich. Denn es gibt [dabei] zwei Gegensätze: schön und hässlich; gut und schlecht. Zwar steht einerseits das Schöne im Gegensatz zu dem Hässlichen; andererseits das Gute zu dem Schlechten; aber nicht das Schöne zu dem Schlechten. Es gibt nämlich, sagt er, das Schöne und zugleich Schlechte, wie für das Vaterland Krieg zu führen und für einen Freund zu sterben. Das ist schön 996 , da es ehrwürdig ist (denn es ist für einen Freund), dagegen nicht gut, da es dem Körper keinen Vorteil bringt. Umgekehrt gibt es das Hässliche und zugleich Gute, wie für einen Freund nicht getötet zu werden. Und diese beiden [Aspekte] verdeutlichte auch der Orakelspruch, indem er einerseits sagt, dass man nicht für einen Freund sterben soll: 15 20 25 115 5 10 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 313 <?page no="314"?> ‘ ἀ ν δ ρ ὶ φ ί λ ῳ θ ν ῄ σ κ ο ν τ ι π α ρ ὼ ν π έ λ α ς ο ὐ κ ἐ π α μ ύ ν α ς ἤ λ υ θ ε ς ο ὐ κ α θ α ρ ό ς · π ε ρ ι κ α λ λ έ ο ς ἔ ξ ι θ ι ν η ο ῦ ’ περὶ | δὲ τοῦ ὑπὲρ φίλου ἀνατείναντος τὴν χεῖρα καὶ ἄκοντος πλήξαντος αὐτὸν οὕτως · ‘ ἔ κ τ ε ι ν α ς σ ὸ ν ἑ τ α ῖ ρ ο ν ἀ μ ύ ν ω ν · ο ὔ σ ε μ ι α ί ν ε ι α ἷ μ α , φ ό ν ο υ δ ὲ π έ λ ε ι ς κ α θ α ρ ώ τ ε ρ ο ς ἢ π ά ρ ο ς ἦ σ θ α ’ . Καὶ ἐνῆν μὲν ἐλέγξαι τὸν Ἀλκιβιάδην λέγοντα · ‘ἀλλ’ ἡ ψυχή ἐστιν ὁ ἄνθρωπος καὶ οὐ τὰ τοῦ ὀργάνου κακὰ ἀνάγεται ἐπὶ τὸν χρώμενον . τὰ μὲν γὰρ τῶν μερῶν κακὰ ἀνάγεται ἐπὶ τὸ ὅλον · εἰ οὖν συνέκειτο ὁ ἄνθρωπος ἐκ ψυχῆς καὶ σώματος , τότε τὰ τοῦ σώματος κακὰ ἀνήγετο ἐπὶ τὸ ὅλον · ἀλλ’ ἐπειδὴ ὄργανόν ἐστι καὶ χρώμενον , οὐ δεῖ τὰ τοῦ ὀργάνου ἁμαρτήματα ἐπὶ τὸ χρώμενον ἄγειν , ὥσπερ οὐδὲ τὸ ἀμβλὺ τοῦ σκεπάρνου ἐπὶ τὸν χρώμενον’ . ἀλλ’ ἐπεὶ ταῦτα φιλοσοφώτερα ( καὶ τὸ ἐν ἀρχῇ δὲ ᾐτεῖτο · πόθεν γὰρ ὅτι ὁ ἄνθρωπος ψυχή ; ) δείκνυσι διὰ τριῶν λόγων ὅτι ταὐτὸν τὸ δίκαιον καὶ συμφέρον · καὶ πρῶτον ὅτι πᾶν καλὸν συμφέρον ἐστίν . καὶ ἔστιν ὁ πρῶτος λόγος τοιοῦτος · ‘οὐχ ἑνί , τυχὸν τῇ ἀνδρείᾳ , δύο τινὰ ἕπεται , καὶ τὸ καλὸν κ αὶ τὸ κακόν , ἀλλὰ δύο δυσίν . τῇ μὲν γὰρ ἀνδρείᾳ τῇ ὑπὲρ φίλου ἕπεται τὸ καλόν , τῷ δὲ θανάτῳ τὸ κακόν · οὐ ταὐτὸν δὲ ἀνδρεία καὶ θάνατος , εἴγε μηδὲ πᾶς ἀνδρεῖος ἐν πολέμῳ ἀποθνῄσκει μηδὲ πᾶς ἐν πολέμῳ ἀποθνῄσκων ἀνδρεῖός ἐστιν . ὥστε δύο δυσὶν ἕπεται καὶ οὐχ ἑνί , τῇ ἀνδρείᾳ , καὶ τὸ κακὸν τὸ ἐκ τοῦ θανάτου καὶ τὸ καλόν’ . καὶ ταῦτά φησι συγχωρῶν ὅτι ὁ θάνατος κακόν , διότι πρὸς Ἀλκιβιάδην τοὺς λόγους ποιεῖται . Δεύτερος λόγος · ‘εἰ καὶ δῶμεν ὅτι τῇ ἀνδρείᾳ ὡς ἀνδρείᾳ δύο ἐπηκολούθησαν , τὸ καλὸν κ αὶ τὸ ἐκ τ οῦ θανάτου κακόν , ἀλλ ’ οὐχ ὁ αὐτὸς τρόπος · τῇ μὲν γὰρ ἀνδρείᾳ ὡς ἀνδρείᾳ ἐπηκολούθησε τὸ καλόν , κατὰ συμβεβηκὸς δὲ τὸ κακόν , τῷ φθεῖραι τὸ ὑποκείμενον καὶ ἐᾶσαι τὴν ἀνδρείαν ὡς ἀνδρείαν . εἰ γὰρ ἔφθειρεν τὴν ἀνδρείαν ὡς ἀνδρείαν , 15 116 5 10 15 20 25 314 C. Text und Übersetzung <?page no="315"?> „ D e i n e m s t e r b e n d e n F r e u n d n a h b i s t d u n i c h t z u H i l f e g e k o m m e n , D u b i s t n i c h t r e i n h e r g e k o m m e n ; v e r l a s s e d e n a l l g ü t i g e n T e m p e l ! “ 997 über denjenigen aber, der seinem Freund die Hand reicht, wobei sein Speer ihn aus Versehen trifft, sagt [das Orakel] Folgendes: „ G e t ö t e t h a s t d u d e i n e n G e f ä h r t e n , a l s d u i h n v e r t e i d i g e n w o l l t e s t . D i c h b e s c h m u t z t n i c h t d a s B l u t , s o n d e r n d u b i s t d u r c h M o r d r e i n e r g e w o r d e n a l s d u z u v o r w a r s t . “ 9 9 8 Es war ihm durchaus möglich, Alkibiades zu widerlegen, indem er sagt: „ Aber der Mensch ist die Seele und die Schäden, die ein Werkzeug betreffen, werden nicht auf seinen Nutzer zurückgeführt. Denn in der Tat werden die Schäden der Teile auf das Ganze zurückgeführt. 999 Wenn nun der Mensch aus der Seele und dem Körper zusammengesetzt wäre, dann würden die Schäden des Körpers auf das Ganze zurückgeführt werden. Aber, da [das eine] das Werkzeug, [das andere] dagegen der Nutzer ist, können die Verfehlungen des Werkzeugs nicht den Nutzer beeinflussen, genau wie das Abstumpfen einer Dechsel seinen Nutzer [nicht beeinflusst]. „ 1000 Da aber diese recht philosophische [Argumente] sind (sonst wäre gleich am Anfang [eine Antwort darauf] angefordert: Aus welchem Grund denn [wird behauptet], dass der Mensch die Seele [ist]? 1001 ), demonstriert er [stattdessen] durch drei Argumente, dass das Gerechte und das Nützliche das Gleiche sind. Das Erste ist nämlich, dass alles Schöne nützlich ist, und die erste Argumentation lautet wie folgt: „ Aus einer [Tugend], wie etwa aus der Tapferkeit, gehen nicht zwei Ergebnisse, sowohl das Schöne als auch das Schlechte, hervor, sondern zwei [Ergebnisse gehen] aus zwei [Handlungen hervor]. Denn einerseits geht das Schöne aus der Tapferkeit für einen Freund hervor; andererseits [folgt] das Schlechte dem Tod. Daher sind die Tapferkeit und der Tod nicht das Gleiche: Es sei denn, alle tapferen Menschen sterben im Krieg oder alle, die im Krieg sterben, sind tapfer. Folglich gehen zwei [Ergebnisse] - sowohl das Schlechte bezüglich des Todes als auch das Schöne - aus zwei [Handlungen] hervor, und nicht aus einer, nämlich der Tapferkeit. “ Mit dieser Aussage gestattet er auch, dass der Tod etwas Schlechtes ist, da er gegenüber Alkibiades seine Argumentation vorstellt. 1002 Die zweite Argumentation [ist wie folgt]: „ Auch wenn wir einräumen, dass aus der Tapferkeit an sich zwei [Ergebnisse], nämlich das Schöne und das Schlechte bezüglich des Todes, sich ergeben, [geschieht es] nicht auf gleiche Weise. Einerseits ergibt sich das Schöne aus der Tapferkeit, insofern es Tapferkeit an sich ist 1003 , das Schlechte dagegen nur akzidentiell, indem es den zugrundeliegenden [Körper] vernichtet und der Tapferkeit an sich als 15 116 5 10 15 20 25 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 315 <?page no="316"?> δειλὸς ἂν ἐγίνετο καὶ οὐ θάνατος αὐτῷ · ἡ γὰρ δειλία φθείρει τὴν ἀνδρείαν ὡς ἀνδρείαν’ . Εἶτα ἐπειδὴ ταῦτα οὐχ ὡς Σωκράτης διαλέγεται , ἀλλ’ ὡς δι δάσκα | λος , καὶ παράγγελμα θεοῦ παραβαίνει τὸ λέγον ‘ μ α ι ε ύ ε σ θ α ί μ ε ὁ θ ε ὸ ς ἐ π ο ί η σ ε ν , γ ε ν ν ᾶ ν δ ὲ κ ω λ ύ ε ι ’ · - νῦν γὰρ διδάσκει ταῦτα , ἀλλ’ οὐ μαιεύεται , ἔδει γὰρ ἡμᾶς τούτων ἀκοῦσαι ἀπὸ Ἀλκιβιάδου , ἀλλ’ οὐχ ὑπὸ Σωκράτους · - καὶ ὅτι μαίας υἱὸς ἦν , μετα βάλλει τὸ σχῆμα καὶ αὐτὰ ταῦτα ἐρωτῶν τὸν Ἀλκιβιάδην ποιεῖ ἀπο κρίνασθαι . καὶ γυμνάζει τὸν λόγον ἐπὶ ἀνδρείας , διότι πρὸς στρατηγικὸν διελέγετο · καὶ δείκνυσιν ὅτι ἡ ἀνδρεία τὶ καλὸν οὖσα ἀγαθόν ἐστιν . εἴπερ γὰρ πρὸς Χαρμίδην διελέγετο τὸν σωφρονέστατον ( διὸ καὶ ἐπι γέγραπται αὐτῷ διάλογος ‘ Χ α ρ μ ί δ η ς ἢ π ε ρ ὶ σ ω φ ρ ο σ ύ ν η ς ’ ), περὶ σωφροσύνης ἂν ἐγύμνασε τὸν λόγον . ἐρωτᾷ οὖν αὐτὸν ‘πότερον αἱρῇ δειλὸς εἶναι ἢ τεθνάναι ; ’ ὁ δὲ αἱρεῖται τεθνάναι διὰ τὸ εἶναι ἀνδρεῖος . καὶ πάλιν ‘ἴσον ἡγεῖ τὸ τεθνάναι τῷ δειλὸν εἶναι ; ’ ὁ δὲ συγκατατίθεται καὶ ἐνταῦθα , ἁμαρτάνων · ἄμεινον γ ὰρ τεθνάναι ἢ δειλὸν εἶναι , διότι ἡ ἀνδρεία εὖ εἶναι ἡμᾶς ποιεῖ , ἡ δὲ ζωὴ εἶναι · οὐκοῦν καὶ ἡ ἀπόπτωσις χείρων τῆς ἀποπτώσεως , τὸ κακῶς τοῦ μὴ εἶναι . ἀλλ’ ἐπειδὴ ταῦτα φιλοσοφώτερα , παρεᾷ ταῦτα ὁ Σωκράτης καὶ δείκνυσιν ὅτι πᾶν καλὸν ἀγαθὸν ἐκ τῶν αὐτοῦ λόγων . καὶ πάλαι μὲν πρὸ τῆς μαιείας δείκνυσιν ὅτι πᾶν καλὸν ἀγαθόν , τοῦτον τὸν τρόπον · ‘ἡ ἀνδρεία τὶ καλόν’ ( τοῦτο γὰρ συνεχώρησεν ὁ νέος καὶ ἐπὶ τῆς δικαιοσύνης )· ‘πᾶν καλὸν ᾗ καλὸν ἀγαθόν’ ( τοῦτο γὰρ ἔδειξεν ὁ δεύτερος συλλο γισμὸς ὁ λέγων ‘καθ’ αὑτὸ τῇ ἀνδρείᾳ καλῇ οὔσῃ ἐπηκολούθησε τὸ ἀγαθόν , κατὰ συμβεβηκὸς γὰρ ἐπηκολούθησε τῷ τινὶ καλῷ ὁ θάνατος , ὅ ἐστι κακόν’ )· ‘καὶ ἐπειδὴ τὸ “ᾗ ” ἐπὶ ἀντιστρεφόντων λέγεται , καὶ ᾗ ἀγαθὸν καλόν ἐστι . τὰ αὐτὰ δὲ καὶ ἐπὶ σωφροσύνης’ , φησίν , ‘καὶ τῶν ἄλλων ἀρετῶν ποιήσαντες ἕξομεν ὅτι πᾶν καλὸν ᾗ καλὸν ἀγαθόν ἐστι , καὶ διὰ τοῦτο ταὐτόν ἐστι’ . μετὰ δὲ τὴν μαιείαν ἄλλως πλέκει τὸν συλλογισμόν , λέγων ‘ἡ ἀνδρεία ἐφετὸν τῷ Ἀλκιβιάδῃ · πᾶν ἐφετὸν ἀγαθόν , ὅτι συνεπιτείνεται καὶ συνανίεται τῷ | ἀγαθῷ ἡ ἔφεσις ( τοῦ γὰρ μείζονος ἀγαθοῦ μείζων ἡ ἔφεσις )· ἡ ἄρα ἀνδρεία ἀγαθόν · τὰ 117, 2 Olymp. ἐποίησεν / ἀναγκάζει Plat. Tht. 150c8. 2 Olymp. κωλύει / ἀπεκώλυσεν Plat. Tht. 150c8. 117 5 10 15 20 25 118 316 C. Text und Übersetzung <?page no="317"?> solche [ihre Aktivität] erlaubt. Denn auch wenn jemand die Tapferkeit an sich vernichtet, würde ihm Feigheit widerfahren und nicht der Tod. Denn es ist die Feigheit, die die Tapferkeit an sich vernichtet. “ 1004 Als Nächstes, da er diese nicht auf sokratische Weise in der Dialogform äußert, sondern wie ein Lehrer, und dadurch den Befehl des Gottes überschreitet, der besagt: „ G e b u r t s h i l f e z u l e i s t e n b r a c h t e m i c h d e r G o t t , [ s e l b e r ] z u g e b ä r e n a b e r v e r b i e t e t e r . “ 1005 - Denn jetzt lehrt er diese, statt Geburtshilfe zu leisten, da es [dafür] nötig wäre, dass wir diese nicht von Sokrates hören, sondern von Alkibiades. - Und da er der Sohn einer Hebamme war, tauscht er die Rollen und bringt Alkibiades zum Antworten, indem er ihm dieselben Fragen stellt. Und er führt das Argument mit Tapferkeit aus, da er eine an militärischen Themen interessierte Person anspricht. Darauf zeigt er, dass die Tapferkeit gut ist, da es etwas Schönes ist. Wenn er nämlich den Dialog mit Charmides, dem außerordentlich besonnenen 1006 , geführt hätte (daher auch hat dieser Dialog den Titel „ C h a r m i d e s o d e r ü b e r d i e B e s o n n e n h e i t “ ), würde er das Argument mit Besonnenheit ausführen [statt mit Tapferkeit]. Jetzt fragt er ihn [sc. Alkibiades]: „ Ziehst du es etwa vor, feige zu sein oder zu sterben? “ 1007 Doch er zieht es vor, zu sterben, da er tapfer ist. Darauf [fragt er] nochmal: „ Hältst du zu sterben und feige zu sein für gleichwertig? “ 1008 Er stimmt es zu und dabei macht er einen Fehler. Denn zu sterben ist besser als feige zu sein, da die Tapferkeit uns dazu bringt, gut zu sein; das Leben aber dazu, [einfach] zu existieren. Folglich ist der Verlust [sc. der Tapferkeit] schlechter als der Verlust [sc. des Lebens]; in einem schlechten Zustand zu sein [ist schlechter] als nicht zu existieren. 1009 Aber da diese [Argumente] ziemlich philosophisch sind, übergeht Sokrates sie und zeigt, dass alles Schöne gut ist, ausgehend von seinen [sc. Alkibiades ’ ] Argumenten. Noch vor der Geburtshilfe zeigt er, dass alles Schöne gut ist, auf diese Weise: „ Die Tapferkeit ist etwas Schönes “ (denn das bestätigte der Jüngling auch über die Gerechtigkeit). „ Alles Schöne, insofern es schön ist, ist gut “ (das zeigte ja die zweite Schlussfolgerung, der besagt: „ Aus der Tapferkeit an sich, da sie schön ist, ergibt sich das Gute, denn [nur] akzidentiell ergibt sich der Tod, der schlecht ist, aus etwas Schönem. “ ). „ Da aber ‚ insofern ‘ über zueinander entsprechende Begriffe gesagt wird, ist es [auch] schön, insofern es gut ist. Und [nachdem wir] die gleiche [Argumente] über die Besonnenheit “ , sagt er, „ und über die anderen Tugenden erstellt haben, werden wir dazu kommen, dass alles Schöne, insofern es ehrenhaft ist, [auch] gut ist, und daher das Gleiche ist. “ . Nach der Geburtshilfe aber baut er die Schlussfolgerung anders auf, 1010 indem er sagt: „ Die Tapferkeit ist erstrebenswert für Alkibiades. Alles, was erstrebenswert ist, ist gut, und das Verlangen nimmt mit dem Guten zu oder ab (je größer etwa das Gute [daran] ist, desto größer [ist] das Verlangen). Folglich ist die Tapferkeit gut. 117 5 10 15 20 25 118 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 317 <?page no="318"?> αὐτὰ δὲ καὶ ἐπὶ τῶν ἄλλων ἀρετῶν · ὥστε πᾶν καλὸν ἀγαθόν’ . εἰ γὰρ ἡ ἀνδρεία τὶ καλὸν οὖσα ἐφετόν ἐστιν , εἴγε καὶ ἐραστόν ἐστι ( τὸ γὰρ καλὸν πρὸς τῷ ἔρωτι ), τὸ δὲ ἐφετὸν ἀγαθόν ἐστιν , ἡ ἀνδρεία ἄρα ἀγαθόν ἐστι · τὰ δὲ αὐτὰ καὶ ἐπὶ σωφροσύνης ποιήσαντες καὶ δείξαντες τὶ ἀγαθὸν οὖσαν τὴ ν σωφροσύνην καὶ ἐπὶ τῶν ἄλλων ἀρετῶν ὁμοίως , ἕξομεν ὅτι πᾶν καλὸν ἀγαθόν , ὡς εἴρηται . καὶ ἐπειδὴ ἡ μερικὴ κατά φασις ἀν < τι > στρέφει πρὸς ἑαυτήν , δέδεικται δὲ πᾶν καλόν , καὶ τὸ ἐκ τῶν μερικῶν καταφατικῶν χύμα , ἀγαθόν , καὶ τὸ ὅλον χύμα ἀντιστρέφει . Ἐφ’ οἷς δείκνυσι καὶ διὰ τρίτου συλλογισμοῦ ὅτι πᾶν < καλὸν > ἀγαθὸν καὶ τὸ ἀνάπαλιν · καὶ κέχρηται δείξει ἣν ὠφελήθη Ἀριστοτέλης ἐν τῇ Περὶ οὐρανοῦ . λαβὼν γὰρ δύο ἀντιθέσεις καὶ τούτων ἑκάτερον σκέλος ἑκατέρῳ τῆς λοιπῆς ἀντιθέσεως ἀντιστρέφον , δείκνυσιν ὅτι αἱ διαγώνιοι οὐ δύνανται συναληθεῦσαι . εἰσὶ δὲ αἱ δύο ἀντιθέσεις αὗται · γενητόν , ἀγένητον · φθαρτόν , ἄφθαρτον . ἐπεὶ οὖν δέδεικται ὅτι τὸ γενητὸν τῷ φθαρτῷ ἀντιστρέφει ( πᾶν γὰρ γενητὸν φθαρτόν ἐστι καὶ τὸ ἀνάπαλιν ), ὁμοίως δὲ καὶ ἐπὶ τῆς ἄλλης συζυγίας ( πᾶν ἀγένητον ἄφθαρτον καὶ πᾶν ἄφθαρτον ἀγένητον ), οὐ δύνανται ἐπὶ τῶν διαγωνίων ἀληθεῦσαι , οἶον φθαρτὸν καὶ ἀγένητον · εἰ γὰρ συναληθεύσωσιν , ἐπειδὴ δέδεικται πᾶν φθαρτὸν γενητόν , ἔσται τὶ γενητὸν ἀγένητον , καὶ συναλη θεύσει ἡ ἀντίφασις . ταύτῃ τῇ ἀποδείξει κέχρηται ἐνταῦθα ὁ Πλάτων λαβὼν δύο ἀντιθέσεις · ἀγαθόν , κακόν · καλόν , αἰσχρόν · καὶ δείξας ὅτι ἀντιστρέφει τὸ ἀγαθὸν τῷ καλῷ καὶ τὸ κακὸν τῷ αἰσχρῷ , δείκνυσι μὴ δυνάμενον εἶναί τι καλὸν κακόν . εἰ γὰρ ᾖ , ἐπειδὴ δέδεικται ὅτι τὸ καλὸν ἀγαθόν ἐστιν , ἔσται τι ἀγαθὸν κακόν , ὅπερ ἀδύνατον . ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία . 115A Καί μοι λέγε · τῶν δικαίων φῂς ἔνια μὲν συμφέρειν , ἔνια δὲ οὔ ; τίς ὁ σκοπὸς τῆς πράξεως ; δεῖξαι διὰ τριῶν λόγων ὅτι ταὐτόν ἐστι δίκαιον καὶ συμφέρον · δείκνυσι δὲ τοῦτο διὰ τῆς ἀντιστροφῆς δικαίου καὶ συμφέροντος . καὶ σκόπει ὅτι οὐκ ἠρώτησεν αὐτὸν ὅτι εἰ μηδὲν τῶν 5 10 15 20 25 119 318 C. Text und Übersetzung <?page no="319"?> Das Gleiche [gilt] auch für die anderen Tugenden. Daher ist alles Schöne gut. “ Wenn nämlich einerseits die Tapferkeit, als etwas Schönes, erstrebenswert ist, und wenn es auch liebenswert ist (denn das Schöne richtet sich nach der Liebe 1011 ), und andererseits ist das Erstrebenswerte gut, also ist die Tapferkeit gut. Nachdem [wir] die gleichen Argumente über die Besonnenheit erstellen und aufzeigen werden, dass die Besonnenheit etwas Gutes ist, und auf gleiche Weise auch über die anderen Tugenden [argumentieren], werden wir zu dem Ergebnis kommen, dass alles Schöne gut ist, wie bereits gesagt wurde. Da zumal die Bestandteile einer teilhaften zustimmenden Behauptung gegenseitig entsprechend sind 1012 und es aufgezeigt wurde, dass alles Schöne, sowie die Summe aus den teilhaften zustimmenden Behauptungen [sc. über die anderen Tugenden] gut ist, auch ist die gesamte Summe [der Tugenden] in sich gegenseitig entsprechend. Darüber hinaus zeigt er auf, auch durch eine dritte Schlussfolgerung, dass alles Schöne gut ist und das Umgekehrte [auch gültig ist]. 1013 Dazu benutzt er eine Demonstration, die Aristoteles in der [Schrift] Über den Himmel nützlich fand. 1014 Denn indem er zwei Gegensätze nimmt, bei denen jedes einzelne Glied jedem anderen [Glied] des übrigen Gegensatzes entspricht, zeigt er, dass die diagonalen Gegensätze nicht gleichzeitig gelten können. 1015 Die zwei Gegensätze sind nämlich diese: Generiert, ingeneriert. Zerstörbar, unzerstörbar. Da er aufgezeigt hat, dass das Generierte dem Zerstörbaren entspricht (Denn ist alles Generierte zerstörbar und umgekehrt), gilt das Gleiche auch über das andere Begriffspaar (alles Ingenerierte ist unzerstörbar und alles Unzerstörbare ist ingeneriert), es ist unmöglich für die diagonalen Gegensätze [gleichzeitig] wahr zu sein, zum Beispiel etwas Zerstörbares und Ingeneriertes. Wenn nämlich [diese] gleichzeitig wahr sind, da es aufgezeigt wurde, dass alles Zerstörbare generiert ist, wird es [sc. was zerstörbar und ingeneriert ist] etwas Generiertes und Ingeneriertes sein und dadurch wird ein Widerspruch der Argumente gleichzeitig gelten. Diese Beweisführung gebraucht Platon hier, indem er [die folgende] zwei Gegensätze nimmt: Gut, schlecht. Schön, hässlich. Nachdem er schon gezeigt hat, dass das Gute dem Schönen und das Schlechte dem Hässlichen entspricht, zeigt er, dass es etwas gleichzeitig Schöne und Schlechte nicht geben kann. Wenn es nämlich der Fall wäre, da er aufgezeigt hat, dass das Schöne gut ist, wird etwas gleichzeitig gut und schlecht sein, was unmöglich ist. Das hat die Theorie. 115A Nun sag es mir: Von den gerechten Handlungen sagst du einige seien nützlich, andere nicht: Was ist die Absicht dieses Unterrichts? Durch drei Syllogismen zu zeigen, dass das Gerechte und das Nützliche das Gleiche sind. Das zeigt er durch die gegenseitige Entsprechung des Gerechten und des 5 10 15 20 25 119 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 319 <?page no="320"?> δικαίων οἴεται συμφέρον εἶναι , ἀλλὰ τὸ πιθανώτερον μᾶλλον , ὅτι εἰ τὶ δίκαιον οἴεται συμφέρον , τὶ δὲ οὔ . καὶ προάγει τὸν συλλογισμὸν ἐκεῖνον , ὅτι ‘πᾶν δίκαιον καλόν’ , καὶ ταύτῃ συγχωρεῖ · τῇ δὲ μείζονι τῇ λεγούσῃ ‘καὶ πᾶν καλὸν συμφέρον’ μάχεται . Πῶς τοῦτο ἐρωτᾷς ; οὐ μάτην ἀμφέβαλλεν ὁ νέος , ἀλλ’ ἐπειδὴ ὁ Σωκράτης δύο εἶπεν , δίκαια καὶ συμφέροντα , καὶ ἠρώτησεν εἰ τούτων τινὰ μὲν καλά ἐστι , τινὰ δὲ αἰσχρά , ἀμφέβαλλε πρὸς τί ἀποκρίνεται . Εἴ τις ἤδη σοι ἔδοξεν αἰσχρὰ μέν , δίκαια δὲ πράττειν ; ἰδοὺ ἐρωτᾷ αὐτὸν τὴν ἐλάττονα , καὶ δίδωσιν ὡς φιλότιμος ὁ νέος ὅτι πᾶν δίκαιον καλόν . Ἔνια τῶν καλῶν κακὰ εἶναι : ἰδοὺ τῇ μείζονι μάχεται , ὅτι οὐ πᾶν καλὸν ἀγαθόν , διὰ τὰ ἐν πολέμῳ τραύματα . 115B Οὐκοῦν τὴν τοιαύτην βοήθειαν καλὴν μὲν λέγεις : τὰ αὐτὰ δὴ ἦν δυνατὸν καὶ ἐπὶ σωφροσύνης εἰπεῖν , ἀλλ’ ἐπειδὴ πρὸς στρατηγικὸν ὁ λόγος , τοιοῦτον εἶπεν παράδειγμα . ἡ γὰρ Ἱππολύτου σωφροσύνη καλὸν μέν , οὐ μὴν ἀγαθή , διὰ τὸν θάνατον . 115C Ἆρα οὖν οὐκ ἄλλο μὲν ἡ ἀνδρεία , ἄλλο δ ὲ ὁ θάνατος ; ἡ πρώτη λύσις , ὅτι δύο δυσὶν ἐπηκολούθησεν , οὐ δύο ἑνί · οὐ γὰρ ταὐτὸν ἀνδρεία καὶ θάνατος . Ὅρα τοίνυν εἰ , ᾗ γε καλόν , καὶ | ἀγαθόν : ὁ δεύτερος συλλογισμὸς ὁ λέγων ὅτι ‘εἰ καὶ δῶμεν ὅτι ἑνὶ καὶ τῷ αὐτῷ πράγματι , οἶον τῇ ἀνδρείᾳ , καὶ τὸ καλὸν καὶ τὸ κακὸν τὸ ἐκ τοῦ θανάτου ἐπηκολούθησεν , ἀλλ’ οὐχ ὡσαύτως , ἀλλ ὰ τῇ μὲν ἀνδρείᾳ ὡς ἀνδρείᾳ τὸ καλόν , κατὰ συμβεβηκὸς δὲ τὸ κακόν , διὰ τὸ ἀφεῖναι τοῦτο καὶ μάχεσθαι τῷ ὑπο κειμένῳ’ . διό φησιν · ‘σκόπει < εἰ >, ᾗ καλόν ἐστι , καὶ ἀγαθόν ἐστι’ ( τοῦτο δὲ τὸ ‘ᾗ’ ἐπὶ ἀντιστρεφόντων λέγεται ), ‘ὥσπερ καὶ ἐπὶ τοῦ παρόντος παραδείγματος τῆς ἀνδρείας . πάλαι γὰρ δύο πράγματα δυσὶν ἐλέγετο μὲν ἀκολουθεῖν , νῦν δὲ δύο ἑνί · τῇ γὰρ ἀνδρείᾳ τὸ καλὸν καθ’ αὑτό , κατὰ συμβεβηκὸς δὲ τὸ κακόν . σκόπει οὖν , εἰ τὸ καλὸν τοῦτο ἀγαθόν ἐστιν ἢ κακόν’ . 5 10 15 20 120 5 10 320 C. Text und Übersetzung <?page no="321"?> Nützlichen. Betrachte auch, dass er ihn [sc. Alkibiades] nicht gefragt hat, ob er meint, dass keine der gerechten Handlungen nützlich sind, sondern stattdessen eine überzeugendere [Frage], nämlich ob er eine gerechte Sache für nützlich hält, ein anderes aber nicht. Ferner setzt er jene Schlussfolgerung fort, nämlich „ alles Gerechte ist schön “ und damit ist er [sc. Alkibiades] einverstanden. Die zweite [Prämisse] aber, die besagt, „ auch alles Schöne ist nützlich “ , bestreitet er. In welchem Sinne fragst du das? Der Jüngling ist nicht ohne Grund unsicher, sondern weil Sokrates zwei [Begriffe], gerechte und nützliche [Handlungen], erwähnt und gefragt hat, ob von diesen einige schön sind, andere dagegen hässlich, war er unsicher, auf welchen [dieser Begriffe] er seine Antwort beziehen soll. Ist es dir jemals so vorgekommen, dass jemand Handlungen vornimmt, die einerseits hässlich, andererseits gerecht sind: Siehe, dass er ihn die Nebenprämisse 1016 fragt und der Jüngling, da er ehrliebend ist, einräumt, dass alles Gerechte ehrenhaft ist. Einige der ehrenhaften Handlungen sind schlecht: Siehe, er bestreitet die Hauptprämisse, dass nicht alles Schöne gut ist, aufgrund von Wunden im Krieg. 1017 115B Sagst du etwa nicht, dass eine solche Rettung schön ist: Er war gewiss in der Lage, die gleichen Dinge auch über die Besonnenheit zu sagen, 1018 aber da die Diskussion sich nach militärischen Themen richtet, nannte er ein passendes Beispiel. Denn die Besonnenheit des Hippolytos war schön, dagegen nicht gut, angesichts seines Todes. 1019 115C Ist nun nicht die Tapferkeit eine Sache, der Tod aber eine andere? Hier ist die erste Lösung, dass aus zwei [Handlungen] zwei [Folgen] sich ergeben, und nicht zwei aus einer. Denn die Tapferkeit und der Tod sind nicht das Gleiche. Nun siehe ob es, insofern es schön ist, auch gut ist: Die zweite Schlussfolgerung, der besagt: „ Auch wenn wir einräumen, dass sich aus einer und derselben Tugend, wie aus der Tapferkeit, sowohl das Schöne als auch das Schlechte bezüglich des Todes ergeben, dennoch [geschieht es] nicht auf die gleiche Weise, sondern aus der Tapferkeit für sich das Schöne, [nur] aber akzidentiell das Schlechte, indem es diese [sc. Tapferkeit] loslässt und das Zugrundeliegende [sc. Körper] angreift. “ 1020 Daher sagt er: „ Betrachte, ob es, insofern es schön ist, auch gut ist “ (und dieses „ insofern ist “ wird über gegenseitig entsprechende [Begriffe] gesagt), „ wie auch an dem vorliegenden Beispiel der Tapferkeit. Denn es wurde vorhin gesagt, dass aus zwei Handlungen zwei [Ergebnisse] folgen, 1021 jetzt aber aus zwei [Handlungen] ein [Ergebnis]. Einerseits [folgt] der Tapferkeit das absolut Schöne, das Schlechte dagegen [nur] akzidentiell. Betrachte nun, ob dieses Schöne gut oder schlecht ist. “ 5 10 15 20 120 5 10 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 321 <?page no="322"?> Ὧδε δὲ < σκόπει ·> πότερον ἂν δέξαιό σοι εἶναι ἀγαθὰ ἢ κακά ; μεταβάλλει τὸν λόγον ἐπὶ τὴν μαιείαν , ἵνα μὴ παράγγελμα τοῦ θεοῦ παραβαίνῃ · ‘ μ α ι ε ύ ε σ θ α ι γ ά ρ μ ε ’ , φησίν , ‘ ὁ θ ε ὸ ς ἐ π ο ί η σ ε ν , γ ε ν ν ᾶ ν δ ὲ ἀ π ο κ ω λ ύ ε ι ’ . καὶ ἐρωτᾷ αὐτὸν τὸν συλλογισμὸν λέγων ὅτι ‘ἡ ἀνδρεία ἐφετόν · πᾶν τὸ ἐφετὸν ἀγαθόν , διότι συνεπιτείνεται ταῦτα ἀλλήλοις ( τῷ γὰρ μείζονι ἀγαθῷ μείζων ἔφεσίς ἐστιν )· ἡ ἀνδρεία ἄρα ἀγαθόν’ . τὰ αὐτὰ δὲ καὶ ἐπὶ τῶν ἄλλων καλῶν γυμνάσαντες , διότι ἄθροισμα τῶν ἀρετῶν τὸ κάλλος - οἶον ἐπὶ σωφροσύνης · ‘ἡ γὰρ τ οῦ Ἱππολύτου σωφροσύνη κατὰ συμβεβηκὸς κακή ἐστιν , διότι ἐπηκολού θησε θάνατος’ - ἕξομεν ὅτι πᾶν καλὸν ἀγαθόν . 115D Ἐξ ἴσου τοῦ τεθνάναι : ἰδοὺ ἐνταῦθα ἁμαρτάνει ὁ νέος · χεῖρον γάρ ἐστι τὸ μὴ εἶναι τοῦ κακῶς εἶναι . 115E Τὸ ἄρα βοηθεῖν ἐν πολέμῳ : ἐντεῦθεν τὸ πρῶτον ἐπιχείρημά φησιν , ὅτι δύο πράγμασι δύο ἐπηκολούθησε , θανάτῳ γὰρ καὶ ἀνδρείᾳ καλὸν καὶ κακόν , διὰ μαιείας . Οὐκοῦν ὧδε δίκαιον προσαγορεύειν ἑκάστην τῶν πράξεων : τὸ δεύτερον | ἐπιχείρημα , ὅτι ‘τὸ καλὸν ᾗ καλὸν ἀγαθόν ἐστιν’ . Ἆρα οὖν καὶ ᾗ ἀγαθὸν καλόν ἐστιν : τῇ ἀντιστροφῇ χρῆται νῦν , ὅτι , ἐπειδὴ τὸ ‘ᾗ’ ἐπὶ ἀντιστρεφόντων λέγεται , καὶ ᾗ ἀγαθὸν καλόν ἐστι . 116A Καλὴν μὲν εἶναι , κακὴν δέ : ἐντεῦθεν τὸν τρίτον συλλογισμόν φησι τὸν ἐκ τῶν δύο ἀντιθέσεων , ὃν ὠφελήθη ὁ Ἀριστοτέλης . καί φησιν ὅτι ‘τὴν πρᾶξιν τὴν καλήν , κακὴν δέ , φαίνῃ μὲν μὴ λέγων ἀντίφασιν , δυνάμει δὲ ἀντιφάσκεις σαυτῷ , διότι οὐδὲν ἄλλο φῂς ἢ τὸ κακὸν ἀγαθόν , διὰ τὸ ἀντιστρέφειν τὸ καλὸν τῷ ἀγαθῷ καὶ πᾶν καλὸν εἶναι ἀγαθόν’ . 120, 12 Olymp. πότερον ἂν / σὺ πότερ’ ἂν Plat. Alc. 115c9 - 10. 14 Olymp. add. γάρ , cf. Plat. Tht. 150c7. 14 Olymp. ἐποίησεν / ἀναγκάζει Plat. Tht. 150c7. 15 Olymp. ἀποκωλύει / ἀπεκώλυσεν Plat. Tht. 150c8. 22 Olymp. τοῦ / τῷ Plat. Alc. 115d10. 15 20 25 121 5 322 C. Text und Übersetzung <?page no="323"?> Betrachte es so: Würdest du lieber Güter wollen oder Übel? Er wandelt die Argumentation in die Geburtshilfe, damit er den Befehl des Gottes nicht überschreitet. 1022 „ D e n n G e b u r t s h i l f e z u l e i s t e n “ , s a g t e r , „ b r a c h t e m i c h d e r G o t t , [ s e l b e r ] z u g e b ä r e n a b e r v e r b i e t e t e r . “ 1023 Daraufhin fragt er ihn, indem er diese Schlussfolgerung äußert: „ Die Tapferkeit ist erstrebenswert. Alles Erstrebenswerte ist gut, da diese miteinander gemeinsam zunehmen (denn je größer das Gute [daran] ist, desto größer ist das Verlangen [danach] 1024 ). Also ist die Tapferkeit gut. “ Nachdem wir über die anderen schönen [Handlungen] die gleichen [Argumente] ausgeführt haben, da die Schönheit die Ansammlung der Tugenden ist - beispielsweise an der Besonnenheit: „ Denn die Besonnenheit des Hippolytos ist unter den akzidentiellen Umständen schlecht, da sich daraus sein Tod ergab “ 1025 - werden wir folgern, dass alles Schöne gut ist. 115D Gleichermaßen wie das Sterben 1026 : Siehe, der Jüngling macht hier einen Fehler: Denn nicht zu existieren ist schlechter als sich in einem schlechten Zustand zu befinden. 1027 115E [Ist] etwa Hilfe zu leisten im Krieg [schön? ] 1028 : Ab hier äußert er den ersten dialektischen Beweis, dass sich aus zwei Handlungen zwei [Folgen] ergeben; nämlich aus dem Tod und aus der Tapferkeit, das Schöne und das Schlechte, durch die Geburtshilfe. Also ist es gerecht, jede unserer Handlungen auf diese Weise zu bezeichnen: Hier ist das zweite erweiterte Argument 1029 , nämlich „ alles Schöne, insofern es schön ist, ist gut “ . Ist es nun etwa nicht schön, insofern es auch gut ist? 1030 Hier macht er von der Umkehrung 1031 Gebrauch, dass, - da man „ insofern ist “ über zueinander entsprechenden [Begriffe] sagt - , [eine Handlung], insofern es gut ist, auch schön ist. 116A einerseits gut sein, andererseits schlecht 1032 : Ab hier äußert er die dritte Schlussfolgerung, der aus zwei Gegensätzen [hervorgeht] und den Aristoteles nützlich fand. 1033 Darauf sagt er: „ [indem du] eine Handlung einerseits schön, andererseits schlecht [nennst], scheinst du zwar den Widerspruch nicht direkt auszusprechen, aber ist es möglich, dass du dich selbst widersprichst, da du nichts Anderes sagst als, dass das Schlechte gut ist, da das Schöne dem Guten entspricht und alles Schöne gut ist. “ 1034 15 20 25 121 5 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 323 <?page no="324"?> Πρᾶξις σὺν θεῷ ιδʹ 116B-118B Ἔτι τοίνυν καὶ ὧδε σκέψαι · ὅστις καλῶς πράττει . Ἐπειδὴ ἔδειξεν ὁ Σωκράτης πᾶν καλὸν ἀγαθὸν παραδείγματι χρησάμενος τῇ ἀνδρείᾳ ( ἔλεγε γὰρ ‘τὸ καλὸν ᾗ καλὸν ἐφετόν ἐστι · πᾶν ἐφετὸν ἀγαθόν ἐστι · πᾶν ἄρα καλὸν ἀγαθόν’ ), τὴν δὲ ἀνδρείαν τὶ καλὸν ἐδίδου ὁ Ἀλκιβιάδης , ἡ ἀνδρεία ἄρα ἀγαθόν . τὸ δὲ αὐτὸ καὶ ἐπὶ τῶν ἄλλων ἀρετῶν ποιήσαντες , ἐπειδὴ οἷον ἄθροισμα καὶ οἷον ἄνθος τῶν ἀρετῶν ἐστ ὶν τὸ καλόν , ἕξομεν ὅτι καὶ πᾶν καλὸν ἀγαθόν . ἐπειδὴ οὖν καὶ πρὸ Ἀριστοτέλους ᾔδει ὅτι ἀσθενής ἐστιν ἡ διὰ τῶν καθ’ ἕκαστα ἀπόδειξις , βούλεται καὶ διὰ τοῦ καθόλου λόγου δεῖξαι τοῦτο · καὶ λαμβάνει καθολικὰς προτάσεις , δι’ ὧν δείκνυσιν ὅτι πᾶν καλὸν ἀγαθὸν καὶ τὸ ἀνάπαλιν . καὶ ἔστιν ὁ συλλογισμὸς τοιοῦτος · ‘ὁ καλὰ πράττων εὖ πράττει · ὁ εὖ πράττων εὐδαιμονίαν ἔχει · ὁ εὐδαιμονίαν ἔχων ἀγαθὰ πράττει · ὁ ἄρα καλὰ πράττων ἀγαθὰ πράττει , καὶ διὰ τοῦτο τὸ καλὸν ἄρα ἀγαθόν’ . καὶ τούτων ῥηθέντων ὑπὸ τοῦ Πλάτωνος πολλὴν ἄδειαν εὑρίσκουσιν οἱ διασύρειν τὸν συλλογισμὸν τ οῦτον βου | λόμενοι , λέγοντες ὅτι ‘τί διαφέρουσιν αἱ προτάσεις ἀλλήλων ; τί γὰρ διαφέρει τὸ τὰ καλὰ πράττειν τοῦ εὖ πράττειν ; ἢ τὸ εὖ πράττειν τοῦ εὐδαιμονεῖν ; ’ λέγομεν δὲ ἡμεῖς πρὸς τὸ πρῶτον ὅτι οὐ ταὐτὸν τὸ καλῶς πράττειν τῷ εὖ πράττειν . τὸ μὲν γὰρ εὖ μέσον ἐστὶ τοῦ ἀγαθοῦ καὶ τοῦ καλοῦ · ἀπόρ ροια γὰρ καὶ οἷον ἔλλαμψίς ἐστι τοῦ ἀγαθοῦ ἐπὶ τὸ καλὸν τὸ εὖ , ἀρχόμενον μὲν ἀπὸ τοῦ ἀγαθοῦ , τελευτῶν δὲ εἰς τὸ καλόν . διὸ καὶ τὸ καλὸν ‘εὖ’ λέγεται , φαμὲν γὰρ τοὺς καλῶς λέγοντας εὖ λέγειν . ἀλλὰ καὶ ἐπὶ τοῦ ἀγαθοῦ φέρεται τὸ ‘εὖ’ , διὸ καὶ τοὺς προσηνεῖς ἡμῖν καὶ ἀγαθὰ ἡμῖν θέλοντας ‘εὔνους ’ ἡμῖν φαμέν . καὶ ὡς ἐφετὸν ἑκάτερον τὸ εὖ ἔχει · καὶ γὰρ καὶ τὸ καλὸν ἐφετόν ἐστιν ὡς καλοῦν ἐφ’ ἑαυτὸ καὶ τὸ ἀγαθὸν ὡς ἄγαν θεῖν ἐπὶ αὐτὸ ποιοῦν πάντας . διὸ καὶ ὁ δαιμόνιος Ἀριστοτέλης ἀρχὴν ὑποθέμενος οὐ τὸ πρῶτον αἴτιον , ἀλλὰ τὸν ν οῦν , ἐν 10 15 20 122 5 10 324 C. Text und Übersetzung <?page no="325"?> Unterricht 14 mit Gottes Hilfe 116B - 118B Jetzt aber betrachte es auch noch so: Wer schön handelt 1035 : Da Sokrates mit Hilfe des Beispiels der Tapferkeit gezeigt hat, dass alles Schöne gut ist, (denn er sagte: „ das Schöne, insofern es schön ist, ist erstrebenswert. Alles, was erstrebenswert ist, ist gut. Folglich ist alles Schöne gut. “ ) und Alkibiades einräumte, dass die Tapferkeit etwas Schönes ist, ist folglich die Tapferkeit gut. Nachdem wir das gleiche Argument über die anderen Tugenden erstellt haben, da das Schöne wie eine Ansammlung und eine Blüte aller Tugenden 1036 ist, werden wir zu dem Schluss gelangen, dass auch alles Schöne gut ist. Da er nun sogar vor Aristoteles einsah, 1037 dass eine Beweisführung, die auf einzelnen Begriffen beruht, schwach ist, beschließt er, das auch durch ein universelles Argument aufzuzeigen. Dazu nimmt er universelle Prämissen, durch die er zeigt, dass alles Schöne gut und das Umgekehrte [richtig ist]. Und die Schlussfolgerung ist wie folgt: „ Wer schöne Handlungen vornimmt, handelt auf gute Weise. Wer auf gute Weise handelt, besitzt Glückseligkeit. Wer Glückseligkeit besitzt, nimmt gute Handlungen vor. Folglich wer schöne Handlungen vornimmt, nimmt auch gute Handlungen vor und dadurch ist das Schöne auch gut. “ 1038 Obwohl auch diese [Argumente] von Platon ausgesprochen wurden, genießen diejenigen ein großes Maß an Freizügigkeit, die diese Schlussfolgerung verspotten wollen, indem sie sagen: „ Was unterscheidet diese Prämissen voneinander? Beziehungsweise, was unterscheidet schöne Handlungen vorzunehmen davon, auf gute Weise zu handeln? Oder auf gute Weise zu handeln davon, glücklich zu sein? “ Wir sagen nun auf die erste [Frage], dass schön zu handeln nicht das Gleiche wie auf gute Weise zu handeln ist. In der Tat ist das, [was] auf gute Weise [ist], das Mittlere zwischen dem Guten und dem Schönen. 1039 Denn das, [was] auf gute Weise [ist], ist eine Ausströmung und wie eine Ausstrahlung des Guten auf das Schöne, das bei dem Guten anfängt und mit dem Schönen vollendet wird. Daher wird auch das Schöne „ auf gute Weise “ genannt, denn wir sagen, dass diejenigen, die schön reden, auf gute Weise reden. Ferner wird „ auf gute Weise “ auf das Gute bezogen, daher nennen wir auch diejenigen, die wohlwollend zu uns sind und Gutes für uns wünschen, uns gegenüber „ gutgesinnt “ . Als zugleich etwas Erstrebenswertes umfasst das, [was] auf gute Weise [ist], beide [sc. das Gute und das Schöne]. Denn in der Tat ist das Schöne erstrebenswert, da es [die Menschen] zu sich selbst ruft, 1040 und das Gute [wird so genannt], weil es alle Menschen zu mehr Eile zu sich anregt. 1041 Daher auch der göttliche Aristoteles mit der Annahme, dass das Urprinzip des Kosmos nicht die erste Ursache, sondern die Vernunft ist 1042 , sagte, 10 15 20 122 5 10 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 325 <?page no="326"?> τῇ Μετὰ τὰ φυσικὰ περὶ αὐτοῦ διαλεγόμενος ἔλεγεν διττὸν εἶναι τὸ εὖ , τὸ μὲν ἐν τῷ στρατηγῷ , τὸ δὲ ἐν τῷ στρατοπέδῳ , καὶ αἴτιον εἶναι τὸ ἐν τῷ στρατηγῷ τοῦ ἐν τῷ στρατοπέδῳ · οὕτως ᾠκείωται τῷ καλῷ τὸ εὖ , οἰκεῖον γὰρ τῷ νῷ τὸ καλόν . εἰ γὰρ περὶ τοῦ ἀγαθοῦ τὸν λόγον ἐποιεῖτο , οὐκ ἂν τὸ εὖ παρελάμβανεν , διότι ὑπὲρ τοῦτό ἐστι τὸ πρῶτον . ἀλλ ὰ καὶ ἡ δευτέρα οὐκ ἔστιν ἡ αὐτή , ἄλλο γάρ ἐστι τὸ εὖ πράττειν παρὰ τὸ εὐδαιμονεῖν · τὸ μὲν γὰρ ὡς αὐτοκινήτοις ἁρμόττει ( τὸ γὰρ κατὰ ἀρετὴν ζῆσαι αὐτοκινη | σίας ἴδιον ), τὸ δὲ εὐδαιμονεῖν ἄνωθεν ἡμῖν ἐφήκει τοῖς κατ’ ἀρετὴν ζήσασι · τοῖς γὰρ ἐπιτηδείους ἑαυτοὺς ποιήσασιν ἡ θεόθεν ἔλλαμψις παραγίνεται , ἥτις εὐδαιμονία ἐστί , καὶ κρεῖττον τὸ τοιοῦτον ἑτεροκίνητον τοῦ αὐτοκινήτου · κρεῖττον γὰρ τὸ θεόθεν ἄγεσθαι ἢ ὑφ’ ἑαυτῶν . Εἶτα ἐπισυνάπτει τοῖς εἰρημένοις δύο προτάσεις καὶ οὕτως συνάγει τὸ προκείμενον , ἄνωθεν μίαν καὶ κάτωθεν . κάτωθεν μέν , ὅτι ὁ τὰ ἀγαθὰ ποιῶν συμφέροντα ποιεῖ ( ταὐτὸν γάρ ἐστιν ἀγαθὸν κ αὶ συμφέρον )· ἄνωθεν δέ , διότι ὁ τὰ δίκαια ποιῶν καλὰ ποιεῖ ( τοῦτο γὰρ ἦν συγχω ρήσας ὁ Ἀλκιβιάδης , ‘πᾶν δίκαιον καλόν’ )· καὶ συνάγει ὅτι ‘οὐκοῦν καὶ πᾶν δίκαιον συμφέρον’ . Εἶτα μίαν τῶν προτάσεων τῶν ῥηθεισῶν μεταξὺ ἀντιστρέφει λέγων ‘καὶ ὁ εὖ πράττων καλὰ πράττει’ . τοῦτο δὲ ποιεῖ ἐνδεικνύμενος ὅτι πᾶσαι αἱ προτάσεις ἀντιστρέφουσιν καὶ διὰ τοῦτο καὶ τὸ συμπέρασμα . προέθετο μὲν γὰρ δεῖξαι ὅτι οὐ μόνον πᾶν δίκαιον συμφέρον , ἀλλὰ καὶ πᾶν συμφέρον δίκαιον , ἵνα ᾖ ἡ ἀντιστροφὴ αὕτη · ‘τὸ συμφέρον ἀγαθόν · τὸ ἀγαθὸν εὐδαιμονίαν ποιεῖ · τὸ εὐδαιμονίαν ποιοῦν εὐπραξία ὑπάρχει · τὸ τοιοῦτον καλὰ πράττειν ἐστί · τὸ τοιοῦτο δικαιοσύνη ὑπάρχει · τὸ ἄρα συμφέρον δίκαιόν ἐστι’ . Καὶ οὕτω προελθόντος τοῦ Σωκρατικοῦ λόγου ὁ Ἀλκιβιάδης ἀπαλλαγεὶς τῆ ς διπλῆς ἀμαθίας , μήπω δὲ ἐπὶ ἁπλῆν ἀμαθίαν ἐλθών , 15 20 123 5 10 15 20 326 C. Text und Übersetzung <?page no="327"?> als er in der Metaphysik über diesen [Begriff] dialektisch erörterte, 1043 dass, das auf gute Weise zweideutig ist - das eine wird an einem Feldherren [betrachtet], das andere an einem Heer - und das, [was auf gute Weise] an dem Feldherren ist, die Ursache dessen ist, [das auf gute Weise] am Heer ist. Somit wurde das, [das] auf gute Weise [ist], zu dem Schönen zusammengeschlossen, denn das Schöne ist mit der Vernunft verwandt. 1044 Wenn er nämlich ein Argument über das Gute erstellt hätte, hätte er nicht das, [was] auf gute Weise [ist], [als Ausgangspunkt] übernommen, da das Erste über diesem steht. Dagegen ist die zweite [Frage] 1045 nicht das Gleiche, denn auf gute Weise zu handeln ist etwas Anderes im Vergleich dazu, glücklich zu sein. Denn das ist zwar im Einklang mit den selbstbewegenden [Wesen] (gemäß der Tugend zu leben ist eine Eigenschaft der Selbstbewegung), glücklich zu sein hingegen erreicht uns von oben 1046 , wenn wir gemäß der Tugend leben. Denjenigen nämlich, die sich als dazu geeignet erweisen, steht die Erleuchtung aus dem Göttlichen 1047 zur Seite, die zugleich die Glückseligkeit ist, und in diesem Fall ist eine derartige Bewegung von außen besser als die Selbstbewegung. Denn es ist überlegener, vom Göttlichen geführt zu werden, als von sich selbst. 1048 Nachfolgend knüpft er die zwei Prämissen, von denen eine deduktiv und die andere induktiv ist, an den vorher erwähnten an und bringt auf diese Weise zusammen, was [am Anfang] vorgelegt war. Induktiv ist zwar, dass, wer gute Handlungen vornimmt, auch nützliche Handlungen vornimmt (denn das Gute und das Nützliche sind das Gleiche). Dagegen ist es deduktiv, dass, wer gerechte Handlungen vornimmt, dadurch auch ehrenhafte Handlungen vornimmt (denn Alkibiades war einverstanden mit [derAussage]: „ Alles Gerechte ist ehrenhaft “ ). Daraus zieht er [sc. Sokrates] die Schlussfolgerung: „ Demnach ist auch alles Gerechte nützlich “ . 1049 Ferner kehrt er eine der Prämissen um, 1050 die im mittleren Abschnitt der Argumentation geäußert wurden, indem er sagt: „ Und wer auf gute Weise handelt, nimmt schöne Handlungen vor “ . Das macht er, indem er darauf hinweist, dass alle Prämissen miteinander austauschbar sind und aus diesem Grund, auch die Konklusion [in sich austauschbar ist]. Denn er nahm sich in der Tat vor, aufzuzeigen, dass nicht nur alles Gerechte nützlich ist, sondern auch alles Nützliche gerecht, damit diese gegenseitige Entsprechung folgt: „ Das nützliche ist gut. Das Gute bringt Glückseligkeit. Was die Glückseligkeit bringt, begründet das gute Handeln. Ein solches [Handeln] ist, schöne Handlungen vorzunehmen. Ein derartiges [Handeln] ist die Gerechtigkeit. Also ist das Nützliche gerecht. “ Nachdem also die sokratische Argumentation auf diese Weise vorangeschritten war und Alkibiades von doppelter Ungebildetheit befreit wurde, dennoch noch nicht in die einfache Ungebildetheit gelangt war, sondern im Zwischen- 15 20 123 5 10 15 20 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 327 <?page no="328"?> ἀλλ’ ἐν μεθορίῳ διπλῆς ἀμαθίας ὢν καὶ ἁπλῆς , ὁμολογεῖ μὴ εἰδέναι ποίοις συγκαταθέσθαι , εἴτε τούτοις εἴτε ἐκείνοις . φησὶ γὰρ ‘ ο ὐ κ ο ἶ δ α ὅ τ ι λ έ γ ω · π ο τ ὲ μ ὲ ν γ ὰ ρ ἕ τ ε ρ ά μ ο ι δ ο κ ε ῖ , π ο τ ὲ δ ὲ ἄ λ λ α ’ · μέσον δέ ἐστι τοῦτο ἁπλῆς ἀγνοίας ( τουτέστι τοῦ εἰδέναι ὅτι οὐκ οἶδεν ) καὶ διπλῆς ( τουτέστι τοῦ οἴεσθαι βεβαίως ὅτι οἶδε ), τὸ ποτὲ μὲν οἴεσθαι , ποτ ὲ δὲ μὴ οἴεσθαι , ὥσπερ ἡ δόξα μέση ἐστὶ διπλῆς ἀγνοίας καὶ ἐπιστήμης . ἐκείνων γὰρ ἐκ διαμέτρου ἀντικειμένων ἀλλήλοις ὁ δοξαστικὸς εἰδὼς μὲν τὸ ὅτι , ἀγνοῶν δὲ τὴν αἰτίαν , ἐν μεθορίῳ πώς ἐστι . | διὸ καὶ ἐλέγετο ὅτι οὐδὲν διαφέρει τοῦ ἐπιστήμονος , εἰ μὴ τῇ αἰτίᾳ · πάντα γ ὰρ τὰ αὐτὰ ποιεῖ , ὥσπερ ὁ ἐμπειρικὸς ἰατρὸς τὰ αὐτὰ ποιεῖ τῷ λογικῷ ἰατρῷ . Ἐφ’ οἷς βουλόμενος ὁ Σωκράτης τελείως ἀπαλλαγῆναι τὸν Ἀλκι βιάδην τῆς διπλῆς ἀγνοίας κατατρέχει ταύτης καὶ ἐκτραγῳδεῖ αὐτήν , λέγων αὐτὴν πλάνης αἰτίαν , ἁμαρτάδος αἰτίαν , αἰσχιστοτάτην . α ἰ σ χ ί σ τ η μὲν γὰρ ἡ ἁπλῆ ἄγνοια , α ἰ σ χ ι σ τ ο τ ά τ η δὲ αὕτη ἢ ἐ π ο ν ε ι δ ι σ τ ο τ ά τ η . ἐκείνῃ γὰρ ἐ π ο ν ε ι δ ι σ τ ο τ ά τ η , πλάνης μὲν γὰρ αἰτία · διότι οὔτε ὁ εἰδὼς τὴν ὁδὸν πλανᾶται οὔτε ὁ μὴ εἰδὼς γινώσκων ὅτι οὐκ οἶδεν · οὗτος γὰρ οὐδὲ ἐπιχειρήσοι πορεύεσθαι ταύτην , ἀλλ’ ὁ μὴ εἰδώς , οἰόμενος δὲ εἰδέναι . οὗτος δὲ καὶ ἁμαρτημάτων ἐστὶν αἴτιος · ἐπιχειρεῖ γὰρ καὶ ἄλλους διδάσκειν ἃ μὴ οἶδε καὶ μοχθηρὰς δόξας ἐντίθησιν αὐτοῖς . ‘ α ἰ σ χ ι σ τ ο τ ά τ η ν ’ δέ φησιν αὐτήν , διότι καὶ ἡ ἁπλῆ ἄγνοια αἰσχίστη ὡς ἄγνοια οὖσα . ἡ γὰρ ἄγνοια αἶσχος ποιεῖ τῇ ψυχῇ · ἄλλο δὲ αἶσχος καὶ ἄλλο νόσος . τὸ μὲν γὰρ αἶσχος ἐν τῷ λόγῳ μόνῳ θεωρεῖται , ἡ δὲ πονηρία νόσος οὖσα τῆ ς ψυχῆς οὐκ ἐν ἑνὶ μορίῳ μόνῳ , οἶον ἐν τῷ λόγῳ ( οὐ γὰρ ἐν ἑνὶ ἡ νόσος , ὥς φησιν ὁ Ἱππο κράτης · ‘ ε ἰ γ ὰ ρ ἓ ν ἦ ν ὁ ἄ ν θ ρ ω π ο ς , ο ὐ κ ἂ ν ἤ λ γ ε ε ν ’ ), ἀλλ’ ἐν τῇ διαμάχῃ τῶν μορίων τῆς ψυχῆς . αὕτη | δὲ α ἰ σ χ ι σ τ ο τ ά τ η ὡς διπλῇ ἀγνοοῦσα καὶ ἐ π ο ν ε ι δ ι σ τ ο τ ά τ η , διότι ὀνειδίζομεν οὐ 25 124 5 10 15 125 328 C. Text und Übersetzung <?page no="329"?> bereich zwischen der doppelten und einfachen Ungebildetheit ist, stimmt er zu, dass es ihm nicht bewusst ist, welche Art [Argumente] er gebilligt hat, weder diese noch jene [vorherige Argumente]. Darauf sagt er nun: „ I c h w e i ß n i c h t , w a s i c h s a g e . M a l s c h e i n e n m i r d i e s e D i n g e [ w a h r z u s e i n ] , m a l a n d e r e . “ 1051 Dieses ist dann die Mitte zwischen der einfachen Unwissenheit (das heißt, zu wissen, dass man nicht weiß) und der doppelten (das ist, unerschüttert zu glauben, dass man es weiß), mal zu glauben, mal nicht zu glauben [,dass man weiß], wie die Meinung in der Mitte zwischen der doppelten Unwissenheit und der fundierten Erkenntnis ist. 1052 Denn derjenige, der glaubt, dass er einerseits weiß, andererseits unwissend um die Ursache ist, ist in einer Art Zwischenbereich jener entgegengesetzter Begriffe. 1053 Daher wurde es auch gesagt, dass sich der Sachkundige [von dem Unwissenden] durch nichts anderes unterscheidet als durch die [Erkenntnis der] Ursache. Denn alle nehmen dieselben Handlungen vor, genauso wie der Arzt mit praktischer Erfahrung die gleichen [Handlungen] vornimmt wie der Arzt mit theoretischer Kenntnis. 1054 Als Nächstes greift Sokrates in der Absicht, Alkibiades endgültig von der doppelten Unwissenheit zu befreien, diese [Unwissenheit] an und stellt es dramatisierend dar, indem er sagt, dass diese der Grund der Verwirrung, der Grund der Verfehlung und das Hässlichste [von allem] ist. 1055 Denn die einfache Unwissenheit ist ä u ß e r s t h ä s s l i c h , diese [doppelte Unwissenheit] dagegen ist das H ä s s l i c h s t e [von allem] und das S c h m ä h l i c h s t e . Das S c h m ä h l i c h s t e ist es nämlich, denn es ist der Grund unserer Verwirrung. Das ist deshalb, weil weder derjenige, der den Weg kennt, in Verwirrung gerät, noch derjenige, der nicht kennt und erkennt, dass er nicht kennt. Denn dieser würde nicht versuchen, diesen [Weg] voranzuschreiten, sondern derjenige, der glaubt es zu kennen, obwohl er nicht kennt. Dieser ist nämlich schuld für die Verfehlungen. Denn er versucht, andere zu lehren, was er nicht weiß und pflanzt ihnen schädliche Meinungen ein. Er sagt also, deshalb ist es „ d a s H ä s s l i c h s t e “ , weil die einfache Unwissenheit äußerst hässlich ist, da es [eine Art] Unwissenheit ist. Denn die Unwissenheit bringt der Seele Hässlichkeit. 1056 Aber die Hässlichkeit ist eine Sache, eine andere ist die Krankheit. 1057 Die Hässlichkeit wird nur an der Vernunft sichtbar, die Verderbtheit 1058 aber, da es eine Krankheit der Seele ist, [wird] nicht nur an einem Teil [der Seele sichtbar], wie an der Vernunft (denn die Krankheit [befindet sich] nicht [nur] in einem Teil, wie Hippokrates sagt: „ w e n n n u n d e r M e n s c h e i n t e i l i g w ä r e , w ü r d e e r k e i n e S c h m e r z e n l e i d e n “ 1059 ), sondern im Streit zwischen den Teilen der Seele. Diese ist d a s H ä s s l i c h s t e , da es doppelte Unwissenheit ist, und d a s S c h m ä h l i c h s t e , da wir nicht diejenigen schmähen, die [die Erkenntnis] nicht besitzen, sondern diejenigen, die es besitzen, aber nicht 25 124 5 10 15 125 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 329 <?page no="330"?> τοὺς μὴ ἔχοντας , ἀλλὰ τοὺς ἔχοντας καὶ μὴ χρωμένους ἢ τοὺς κακῶς χρωμένους . οὕτως καὶ ἡ ἁπλῆ ἀμαθία ἐ π ο ν ε ί δ ι σ τ ό ς ἐστι , διότι ὁ ἔχων ταύτην ἔχων τοὺς λόγους συνουσιωμένους οὐ χρῆται αὐτοῖς · ἐ π ο ν ε ι δ ι σ τ ό τ α τ ο ς δὲ ὁ καὶ ἔχων καὶ κακῶς τούτοις χρώμενος , ὡς ἐπὶ διπλῆς ἀμαθίας . ‘ κ α κ ο υ ρ γ ο τ ά τ η ’ δέ ἐστι , διότι σπουδάζει παραλογίζεσθαι καὶ πείθειν περὶ ὧν οὐκ οἶδεν . καὶ ἐξέπεσεν ὁ ἔχων ταύτην καὶ ψυχῆς καὶ νοῦ καὶ θεοῦ . ὡς μὲν γὰρ διπλῇ ἀμαθαίνων , ψυχῆς , ἧ ς οἰκεία ἡ γνῶσίς ἐστιν · ὡς δὲ α ἴ σ χ ι σ τ ο ς , νοῦ ἐξέπεσεν , ὡς μὴ δυνάμενος ἐπιστρέψαι πρὸς ἑαυτόν , ὃ ἴδιον νοῦ , καὶ ὅτι οἰκεῖον τὸ καλὸν τῷ νῷ · ἐξέπεσεν οὖν αὐτοῦ ὡς αἴσχιστος · ὡς δὲ κ α κ ο υ ρ γ ο τ ά τ η καὶ ἐ π ο ν ε ί δ ι σ τ ο ς ἐξέπεσε θεοῦ , ᾧ οἰκεία ἡ ἁπλότης , ἐξ οὗ ἐφήκει καὶ τὸ εὖ . τὸ γὰρ ‘εὖ’ πρόσρημά ἐστιν ἁπλότητος , διὸ καὶ τοὺς ἁπλοῦς τοὺς τρόπους εὐήθεις φαμέν . ‘καὶ πῶς συμβουλεύσεις , ὦ Ἀλκιβιάδη , φιλότιμος θέλων εἶναι , ἐ π ο ν ε ί δ ι σ τ ο ς ὤν ; καὶ κάλ λιστος θέλων εἶναι , α ἴ σ χ ι σ τ ο ς ὤν ; τὸ συμφέρον θέλων εἰδέναι καὶ συμβουλεύειν , κ α κ ο υ ρ γ ό τ α τ ο ς ὤν ; ’ ἰστέον δὲ < ὅτι > ὡς ἐπονει διστότατος ἐξέπεσεν θεοῦ καὶ ὡς μακαρίου · ‘μακάριος’ γὰρ εἴρηται οὗ κ ῆρες οὐκ ἐφάπτονται , διὸ καὶ ἀντίκειται τῷ μακαρίῳ τὸ ἐπονείδιστον ἐν τῷ ‘ ὁ γ ὰ ρ μ α κ ά ρ ι ο ς , κ ο ὐ κ ὀ ν ε ι δ ί ζ ω τ ύ χ α ς ’ . ταῦτα ἔχει ἡ θεωρία . 116B Ἔτι τοίνυν καὶ ὧδε σκέψαι : διὰ τοῦ ‘ ἔ τ ι ’ ἐδήλωσεν ὅτι τὸ αὐτὸ βούλεται κατα | σκευάσαι καὶ διὰ ἄλλου λόγου . πάλαι μὲν γὰρ διὰ τῶν καθ’ ἕκαστα τοῦτο κατεσκεύασεν , νῦν δὲ διὰ τῶν καθόλου προτάσεων . Ὅστις καλῶς , οὐκ εὖ πράττει ; τὴν πρώτην πρότασίν φησιν , ὅτι ὁ τὰ καλὰ πράττων εὖ πράττει . οὐκ ἐπειδὴ δὲ ταὐτὸν εἶναί φησι δίκαιον καὶ συμφέρον διὰ μέσου τοῦ καλο ῦ , ἤδη τὰ αὐτὰ ἄντικρυς βούλεται εἶναι ( ἄλλη γὰρ φύσις τοῦ ἀγαθοῦ καὶ ἄλλη τοῦ καλοῦ · καὶ γὰρ καὶ ἄνωθεν ἐπαναβέβηκεν τὸ ἀγαθὸν τοῦ καλοῦ καὶ κάτωθεν διὰ τὴν ὕλην 5 10 15 20 126 5 330 C. Text und Übersetzung <?page no="331"?> benutzen oder auf schlechte Weise einsetzen. Auf diese Weise ist auch die einfache Ungebildetheit s c h m ä h l i c h , da derjenige, der diese hat, obwohl er die Prinzipien in seiner Wesenheit besitzt, von diesen keinen Gebrauch macht. Er ist auch d e r S c h m ä h l i c h s t e , wer sowohl diese [Prinzipien] hat, als auch auf schlechte Weise benutzt, wie bei der doppelten Unwissenheit. Diese ist auch „ S c h ä d l i c h s t e “ , da sie sich bemüht, falsche Schlüsse zu ziehen und davon zu überzeugen, was sie nicht weiß. Und wer diese [doppelte Unwissenheit] hat, ist sowohl von Seele als auch von Vernunft wie auch von Gott abgewichen. 1060 Da er nämlich doppelt ungebildet ist, [ist] er von Seele [abgewichen], da diese der Sitz der Erkenntnis ist. Da er ä u ß e r s t h ä s s l i c h ist, ist er von Vernunft abgewichen, indem er nicht dazu fähig ist, sich auf sich selbst zurückzuwenden, was die Eigenschaft der Vernunft [ist] 1061 und weil das Schöne seinen Sitz in der Vernunft hat. Er ist dann von [Vernunft] als der Hässlichste abgewichen. Als d a s S c h ä d l i c h s t e und d a s S c h m ä h l i c h e ist [die doppelte Unwissenheit] von Gott abgewichen, zu dem die Einfachheit eigen ist 1062 , aus dem auch das, [was] auf gute Weise [ist], hervorgeht. Denn das „ auf gute Weise “ ist eine Bezeichnung der Einfachheit, deshalb nennen wir auch die einfachen Arten und Weisen die gutmütigen. „ Und wie wirst du beraten, Alkibiades, da du einen guten Ruf haben willst, wobei du s c h m ä h l i c h bist? Und da du der Schönste sein willst, wobei du der H ä s s l i c h s t e bist? Da du das Nützliche wissen und darüber Rat geben willst, wobei du der S c h ä d l i c h s t e bist? “ Man muss nämlich wissen, dass er als der Schmählichste von Gott abwich, der auch selig ist. Denn „ selig “ sagt man über denjenigen, den die Keren 1063 nicht erfassen, daher auch steht das Schmähliche gegenüber dem Seligen in dem [Vers]: „ D e r s e l i g e , n i e v o n m i r g e s c h m ä h t e F ü r s t “ . 1064 Das hat die Theorie. 116B Jetzt aber betrachte es auch noch so: Durch die [Aussage] „ a u c h n o c h “ verdeutlichte er, dass er die gleiche [Konklusion] erstellen will, aber durch eine andere Argumentation. Denn vorher erstellte er diese zwar durch die spezifischen [Prämissen], jetzt aber durch universelle Prämissen. Wer schön [handelt], handelt der nicht gut? 1065 : Er äußert die erste Prämisse, nämlich wer schöne Handlungen vornimmt, der gut handelt. Weil er sagt, dass das Gerechte und das Nützliche durch ihren mittleren [Begriff] das Schöne das Gleiche sind, meint er damit nicht, dass sie auch unmittelbar gleich sind (Die Natur des Guten ist anders, die [Natur] des Schönen ist anders: Selbstverständlich ist das Gute über das Schöne hinausgegangen beim Abstieg [der Seele] und beim Aufstieg 1066 aufgrund der Materie, die hässlich ist, aber 5 10 15 20 126 5 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 331 <?page no="332"?> αἰσχρὰν οὖσαν , μετασχοῦσαν δὲ τοῦ ἀγαθοῦ ), ἀλλ’ ὅτι ὡς ἐν ἀνθρώπῳ ἀντιστρέφουσιν · τῷ γὰρ ὑποκειμένῳ ἀντιστρέφουσιν . ὥσπερ γάρ φαμεν τὸν ἄνθρωπον μηδὲν διαφέρειν τοῦ γελαστικοῦ , οὐχ ὅτι τὸ αὐτό ἐστιν , ἀλλ’ ὅτι οὐδὲν ἐκπέφευγεν τὸ ὑποκείμενον τοῦ ἀνθρώπου οὗ τὸ γελαστι κὸν μὴ κατηγορῆται , οὕτως καὶ ταῦτα ὡς ἐν ἀνθρώπῳ ἀντιστρέφει . καὶ ὅτι τὸ ἐν ἀνθρώπῳ δίκαιον λαμβάνει καὶ ἀγαθόν , δῆ λον , εἴγε καὶ ἀνωτέρω ἔλεγεν περὶ ἀνδρείας , ὅτι αὕτη ἀγαθόν · καὶ ἐνταῦθα δέ φησιν ὅτι οἱ τὰ καλὰ πράττοντες εὖ πράττουσιν καὶ διὰ τοῦτο εὐδαίμονες καὶ διὰ τοῦτο ἀγαθὰ πράττουσι , τὸ δὲ πράττειν ψυχῶν ἐστὶ καὶ τὸ εὐδαι μονεῖν καὶ τὸ εὖ πράττειν · καὶ ὅτι ἐν τῇ λέξει φησὶν ‘ ἔ κ γ ε τ ο ύ τ ο υ τ ο ῦ λ ό γ ο υ ταὐτόν ἐστι καλὸν καὶ ἀγαθόν’ , ἀντὶ τοῦ ‘κατὰ τὸ ὑποκείμενον τὰ αὐτά ἐστι τῷ μηδὲν ἐκφεύγειν τὸ ὑποκείμενον’ . καὶ οὕτω μὲν ὁ φιλόσοφος Πρόκλος · ὁ δέ γε Δαμάσκιος καὶ ἄλλως αὐτὸ ἐξηγεῖται , ὅτι οὐδὲ εἰ κατὰ τὸ ὑποκείμενον ταὐτά ἐστι τὸ καλὸν καὶ τὸ δίκαιον καὶ συμφέρον , ἤδη καὶ κατὰ τὴν ἰδιότητα τὰ αὐτά ἐστιν , ἀλλὰ μείναντα ἀσύγχυτα κατὰ τὴν ἰδιότητα ἑαυτῶν ἀντιστρέφουσι , καὶ ᾗ ἀντιστρέφουσι λέγονται τὰ αὐτὰ εἶναι . ὥσπερ γὰρ αἱ ἀρεταὶ ἀσύγχυτον φυλάξασαι τὴν ἰδιότητα ἑαυτῶν ἀντιστρέφουσιν · οὐ γὰρ ἐπειδὴ ἀντιστρέφουσιν αἱ αὐταί εἰσιν , οὐδὲ ἐπειδὴ ἀντιστρέφει τὸ γελαστικὸν τῷ ἀνθρώπῳ τὸ αὐτό ἐστιν , ἀλλὰ ἀντιστρέψαν ἔμεινεν ἑκάτερον κατὰ τὴν οἰκείαν ἰδιότητα · οὕτως οὐδὲ τὸ ἀγαθὸν κ αὶ τὸ κα | λὸν ταὐτά ἐστιν , εἰ καὶ ἀντιστρέφει . διὸ καὶ ἡ λέξις φησὶν ‘πᾶν ὃ ἂν εἴη τοιοῦτον’ , ἀντὶ τοῦ ‘τὰ αὐτὰ ὄντα κατὰ τὸ ὑποκείμενον διαφέρει κατὰ τὴν ἰδιότητα’ . Οἱ δὲ εὖ πράττοντες οὐκ εὐδαίμονες ; ἡ δευτέρα πρότασις · καὶ εἴρηνται αἱ ἀπορίαι αἱ πρὸς ταύτην καὶ αἱ λύσεις . Κτῶνται δὲ ταῦτα τῷ εὖ καὶ καλῶς πράττειν ; συνέχεεν αὐτά , τὸ εὖ πράττειν καὶ καλῶς πράττειν · τοῦτο δὲ οὐ μάτην , ἀλλ’ ὅτι μέσον ἐστὶ τὸ εὖ τοῦ καλοῦ καὶ τοῦ ἀγαθοῦ καὶ ἐφήκει ἀπὸ τοῦ ἀγαθοῦ ἐπὶ τὸ 10 15 20 25 127 5 332 C. Text und Übersetzung <?page no="333"?> einen Teil von dem Guten besitzt 1067 ), sondern dass sie als [Eigenschaften] am menschlichen Wesen miteinander austauschbar sind. Denn sie sind miteinander austauschbar durch ihr Zugrundeliegendes. 1068 Genauso wie wir sagen, dass der Mensch keinen Unterschied zum lachfähigen [Wesen] hat, nicht deshalb, weil sie das Gleiche sind, sondern deshalb, weil das Zugrundeliegende des Menschen keinen Fall zuließ, von dem das lachfähige Wesen nicht ausgesagt werden kann; 1069 daher sind diese [Begriffe] als menschliche Eigenschaften miteinander austauschbar. Ferner, dass, das Gerechte an dem Menschen auch das Gute umfasst, [ist] deutlich, wenn [er] nämlich auch oben über die Tapferkeit sagte, dass es gut ist. 1070 Auch hier aber sagt er, dass diejenigen, die schöne Handlungen vornehmen, gut handeln und deshalb glücklich sind und daher sie gute Handlungen vornehmen; das Handeln gehört nämlich den Seelen, sowie glücklich zu sein und gut zu handeln. Auch wie er in [diesem] Textabschnitt sagt: „ A u s g e h e n d v o n d i e s e r A r g u m e n t a t i o n 1071 ist das Schöne und das Gute das Gleiche “ , in dem Sinne wie: „ Gemäß dem Zugrundeliegenden sind sie das Gleiche, weil dem Zugrundeliegenden nichts entgeht “ . 1072 So ist nämlich [die Ansicht des] Philosophen Proklos. 1073 Damaskios dagegen legt es anders aus, und zwar: Wenn das Schöne, das Gerechte und das Nützliche gemäß ihrem Zugrundeliegenden das Gleiche sind, sind sie deswegen nicht gemäß ihrer speziellen Eigenschaft gleich, sondern sind sie miteinander austauschbar, wobei sie gemäß ihrer speziellen Eigenschaft [voneinander] abgegrenzt bleiben, und insofern sie miteinander austauschbar sind, werden sie als das Gleiche bezeichnet. [Das sei] nämlich genau wie die Tugenden [miteinander] austauschbar sind, wobei sie ihre spezielle Eigenschaft abgegrenzt [voneinander] behalten. Denn weder sind sie gleiche [Tugenden] 1074 , weil sie [miteinander] austauschbar sind; noch ist das Lachfähige das Gleiche wie das menschliche Wesen, nur weil es damit austauschbar ist; sondern obwohl sie [miteinander] ausgetauscht sind, bleibt [ jedes von diesen] bei seiner speziellen Eigenschaft. Auf diese Weise sind auch das Gute und das Schöne nicht das Gleiche, auch wenn sie [miteinander] austauschbar sind. Daher sagt der Text: „ Alles, was eine solche Beschaffenheit hat “ , in dem Sinne wie: „ Die gemäß ihren speziellen Eigenschaften sich voneinander unterscheiden, obwohl sie gemäß ihrem Zugrundeliegenden gleich sind. “ 1075 Und sind die, die gut handeln 1076 , nicht glücklich? Die zweite Prämisse. Bereits wurden sowohl die Aporien 1077 , die diese [Prämisse] betreffen, als auch ihre Lösungen erwähnt. Und sie erwerben diese durch gutes und schönes Handeln? Er vermengte diese Begriffe, das gute Handeln und das schöne Handeln. Das ist nicht unbegründet, sondern weil das, [was] auf gute Weise [ist], die Mitte [zwischen] dem Schönen und dem Guten ist und das, [was] auf gute Weise [ist], ausgehend 10 15 20 25 127 5 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 333 <?page no="334"?> καλὸν τὸ εὖ , καὶ δεσμός ἐστι . διὸ καὶ δέον ἐν τῷ συμπεράσματι εἰπεῖν ‘ὁ ἄρα καλῶς πράττων ἀγαθὰ πράττει’ , φησὶν ἀντὶ τούτου ‘ τ ὸ ε ὖ ἄ ρ α π ρ ά τ τ ε ι ν ἀ γ α θ ό ν ἐ σ τ ι ν ’ ὡς πάντα ταῦτα εἰδώς . Οὐκοῦν καλὸν ἡ εὐπραγία ; ἰδοὺ ἐνταῦθα ἀντιστρέφει μίαν πρό τασιν ἔννοιαν ἡμῖν διδοὺς καὶ τὰς ἄλλας ἀντιστρέφειν καὶ διὰ τοῦτο πᾶν συμφέρον < δίκαιον > εἶναι · τοῦτο γὰρ προέκειτο δεῖξαι . ἀντέστρεψε γὰρ εἰπὼν ‘ἡ εὐπραγία καλόν ἐστι’ . 116C Ταὐτὸν ἄρα ἐφάνη ἡμῖν πάλιν : οὐ μάτην τὸ ‘ π ά λ ι ν ’ , ἀλλ’ ὅτι δέδεικται τοῦτο ἤδη καὶ διὰ τῶν καθ’ ἕκαστα συλλογισμῶν , νῦν δὲ διὰ τῆς καθόλου προτάσεως . Ὅ τι οὖν ἂν εὕρωμεν καλόν , καὶ ἀγαθὸν εὑρήσομεν ἔκ γε τούτου τοῦ λόγου : ἰδοὺ πῶς συμφώνως ἐξηγήσατο ὁ φιλόσοφος Πρόκλος . φησὶ γὰρ ὅτι ‘πᾶν ὃ ἂν εὕρωμεν καλόν , καὶ ἀγαθὸν εὑρήσομεν’ ἀντὶ τοῦ ὅτι ‘ἀντιστρέφει διὰ τὸ ὑποκείμενον’ . οὐδὲ γὰρ ἐκφεύγει τι τοῦ ὑποκειμένου τῇ δικαιοσύνῃ ᾧ μὴ ὑπάρχῃ τὸ ἀγαθόν . χάρις γὰρ τῷ φιλοσόφῳ οὕτω ταῦτα ἐξηγησαμένῳ . Τί δέ ; τὰ ἀγαθὰ συμφέροντα ; ἐντεῦθεν προστίθησι τὰς ἄλλας δύο προτάσεις · πρώτην μὲν τὴν κάτωθεν , ὅτι ‘τὰ ἀγαθὰ συμφέρει’ , ὕστερον δὲ τὴν ἄνωθεν , ὅτι ‘τὰ δίκαια ὡμολόγησας καλὰ εἶναι’ . καὶ διὰ τοῦτο πᾶν | δίκαιον συμφέρον καὶ τὸ ἀνάπαλιν . 116D Τὰ δίκαια ἄρα , ὦ Ἀλκιβιάδη , συμφέροντά ἐστιν : ὅτε ἐπήγαγεν τὸ συμπέρασμα , εἰκότως καὶ τοῦ ὀνόματος ἐμνήσθη τοῦ Ἀλκιβιάδου , ἵνα τὸ προσεκτικὸν αὐτοῦ διεγείρῃ καὶ δείξῃ ὅτι αὐτός ἐστιν ὁ ταῦτα δούς , καὶ οὐ Σωκράτης . Τί οὖν ; ταῦτα οὐ σὺ ὁ λέγων : ‘τίς οὖν’ , φησίν , ‘ἀπεκρίθη ταῦτα καὶ δέδωκεν ; ἆρα οὐ σὺ ὁ ἀποκρινόμενος ; ’ διότι , ὡς εἴρηται πολλάκις , ὁ ἀποκρινόμενός ἐστιν ὁ λέγων καὶ οὐχ ὁ ἐρωτῶν . Εἰ οὖν τις ἀνίσταται συμβουλεύσων : εἰ μὲν ἦν ἄλλος συγγραφεὺς ὁ ταῦτα λέγων , καὶ οὐ Σωκράτης , πάντως ἂν φορτικὰ ῥήματα ἔλεγεν ἂν πρὸς τὸν Ἀλκιβιάδην μετὰ τὸν ἔλεγχον , ὅτι ‘καὶ πῶς ἐπαγγέλλῃ συμβουλεύειν περὶ ὧν οὐκ οἶδας ; ’ ἀλλ’ ἐπεὶ Σωκράτης ἐστὶν ὁ λέγων , φησὶν πρὸς αὐτὸν ὅτι ‘ἆρα οὖν εἰ ἀνέστη τις συμβουλεύσων περὶ ὧν οὐκ οἶδεν , οὐκ ἂν σὺ παρεστὼς κατεγέλας ἂν αὐτοῦ ; ’ καὶ κατέστησε 10 15 20 25 128 5 10 334 C. Text und Übersetzung <?page no="335"?> von dem Guten in das Schöne erreicht und eine Bindung [zwischen diesen] ist. 1078 Deswegen, obwohl man in der Konklusion sagen sollte: „ Also wer schön handelt, nimmt gute Handlungen vor “ , sagt er stattdessen: „ A l s o a u f g u t e W e i s e z u h a n d e l n i s t g u t “ , da er das alles wusste. Ist die gute Handlungsweise nicht schön? Siehe, dass er hier eine Prämisse umkehrt und dabei uns die Idee gibt, dass auch die andere [Prämissen] umgekehrt werden können und dadurch alles Nützliche gerecht ist. Denn das aufzuzeigen war die Aufgabe. Er machte wohl die Umkehrung, indem er sagte „ die gute Handlungsweise ist schön “ . 116C Dasselbe schien uns also wieder 1079 : Nicht ohne Grund [sagt er] „ w i e d e r “ , sondern weil das bereits gezeigt wurde, sowohl durch die auf spezifischen [Begriffen beruhende] Syllogismen, als auch jetzt durch diese universelle Prämisse. Was auch immer wir schön finden, werden wir es auch gut finden, jedenfalls ausgehend von dieser Argumentation: Siehe, wie übereinstimmend der Philosoph Proklos [das] ausgelegt hat. 1080 Er sagt nämlich: „ Alles was wir schön finden, werden wir auch gut finden “ , das bedeutet: „ sie sind durch ihr Zugrundeliegendes [miteinander] austauschbar “ . Denn entgeht keine Eigenschaft dem Zugrundeliegenden der Gerechtigkeit, sodass bei ihr das Gute nicht besteht. 1081 Unser Dank gilt dem Philosophen [Proklos], der diese [Aussagen] auf diese Weise ausgelegt hat. Wie aber? Sind gute [Handlungen] nützlich? 1082 : Ab hier fügt er die andere zwei Prämissen hinzu. Zuerst die induktive, dass „ die guten Handlungen nützen “ , danach die deduktive: „ Du stimmtest zu, dass die gerechten Handlungen schön sind. “ Auch aus diesem Grund ist alles Gerechte nützlich und umgekehrt. 116D Die gerechten Handlungen, Alkibiades, sind also nützlich: Da er [hier] die Konklusion einführt, passend dazu erwähnt er auch den Namen des Alkibiades, um seine Aufmerksamkeit zu wecken und zu zeigen, dass er derjenige ist, der diese [Argumente] angibt, und nicht Sokrates. Was sonst? Bist du nicht derjenige, der diese behauptet? 1083 „ Wer sonst? “ , sagt er, „ hat diese [Argumente] als Antwort geäußert und angegeben? Bist du etwa nicht der, der antwortet? “ Deshalb ist, wie öfters gesagt wurde, der Antwortgeber derjenige, der etwas behauptet, und nicht der Fragesteller. Wenn nun jemand aufsteht, um zu beraten 1084 : Wenn es ein anderer Verfasser wäre, der diese sagt statt Sokrates, hätte er nach der Widerlegung ausschließlich gemeine Sprache gegenüber Alkibiades benutzt, nämlich „ Wie verkündest du denn darüber beraten zu können, was du nicht weißt? “ Da es aber Sokrates ist, der spricht, sagt er ihm: „ Gewiss nun, wenn jemand aufstehen würde, um darüber Rat zu geben, was er nicht weiß, würdest du dich nicht etwa 10 15 20 25 128 5 10 ANFANG DES ERSTEN ABSCHNITTS 335 <?page no="336"?> τὸν γελώμενον γελῶντα ἄλλους . οὗτος γὰρ καρπὸς τῆς συνουσίας Σωκράτους , τὸ καταστῆσαι ἀντὶ γελῶντος γελώμενον . Τὸ δὲ ‘εἴτε Πεπαρηθίοις’ , διότι ἡ Πεπάρηθος εὐτελὴς ἦν νῆσος · ἐν δεικνύμενος ἐντεῦθεν ὅτι οὐδὲν ὀνήσει τὸ κλεινὸν ὄνομα τῆς Ἀττικῆς πρὸς τὸ ποιῆσαι ἐπιστήμονα τῶν δικαίων τὸν διπλῇ ἀμαθαίνοντα περὶ ταῦτα . ‘ ε ἰ δ ό τ ο ς γ ὰ ρ π ε ρ ὶ ἕ κ α σ τ ο ν ἡ σ υ μ β ο υ λ ή , ἀλλ’ οὐκ Ἀθηναίου’ · προσφορώτερον γὰρ οὕτω λέγειν ἐνταῦθα . 116E Ἀλλὰ μὰ τοὺς θεούς , ὦ Σώκρατες : ἰδοὺ ἀπηλλάγη τῆς διπλῆς ἀμαθίας ὁ νέος | καὶ ἐν τῷ μεταξὺ ἐγένετο · φησὶν γὰρ ὅτι ‘ποτὲ μὲν δοκεῖ μοι ἄλλα ,