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Dimensionen digitaler Lehre in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung

1128
2022
978-3-8233-9595-9
978-3-8233-8595-0
Gunter Narr Verlag 
Leo Will
Jürgen Kurtz
Tamara Zeyer
Hélène Martinez
10.24053/9783823395959

Lehrpersonen in der akademischen Fremdsprachendidaktik zeigten während der COVID-19-Pandemie einigen Ideenreichtum in Bezug auf die Konzeption ihrer Lehrveranstaltungen. Vor allem die Aktivierung der Studierenden musste weitgehend neu gedacht und mithilfe digitaler Medien realisiert werden. Termini wie "synchron", "asynchron" oder "hybrid" gehörten plötzlich zum Alltagsvokabular. Dieser Band beschreibt die metareflexiven Prozesse einer Disziplin, die im Zuge einer radikalen Umstellung auf digitale Lehre das eigene Selbstverständnis befragt und dabei zukunftsweisende Praktiken exploriert.

<?page no="0"?> Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Leo Will / Jürgen Kurtz / Tamara Zeyer / Hélène Martinez (Hrsg.) Dimensionen digitaler Lehre in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung <?page no="1"?> Dimensionen digitaler Lehre in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung <?page no="2"?> GIESSENER BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENDIDAKTIK Herausgegeben von Eva Burwitz-Melzer, Wolfgang Hallet, Jürgen Kurtz, Michael Legutke, Hélène Martinez, Franz-Joseph Meißner (†) und Dietmar Rösler Begründet von Lothar Bredella, Herbert Christ und Hans-Eberhard Piepho <?page no="3"?> Leo Will / Jürgen Kurtz / Tamara Zeyer / Hélène Martinez (Hrsg.) Dimensionen digitaler Lehre in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung <?page no="4"?> DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783823395959 © 2022 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 0175-7776 ISBN 978-3-8233-8595-0 (Print) ISBN 978-3-8233-9595-9 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0466-1 (ePub) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 7 9 23 47 71 95 119 135 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leo Will, Jürgen Kurtz, Tamara Zeyer & Hélène Martinez Zur Einführung in den Sammelband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leo Will & Jürgen Kurtz Wie bewerten angehende Fremdsprachenlehrkräfte verschiedene Veranstaltungs-, Aufgaben- und Aktivierungsformate in der digitalen universitären Lehre? Ergebnisse einer explorativ angelegten Online-Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sophie Engelen & Johanna Lea Korell Interaktive Präsentationen als Format zur Aktivierung von Studierenden in der digitalen Hochschullehre-- ein datenbasierter Einblick in Bearbeitungs- und Reflexionsprozesse von Lehramtsstudierenden des Faches Spanisch . . . . . . . . . . . . . . . Darja Brotzmann Einen digitalen Begegnungsraum für und mit Literatur schaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leo Will & Carolyn Blume Reden ist Silber, Kollaboration ist Gold: Aktivierung angehender Lehrkräfte in einem digital gestützten Theorie-Praxis-Projekt zur Förderung der Mündlichkeit im Englischunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Julia Wolbergs / Almut Ketzer-Nöltge Hybride Lehre meistern. Anforderungen an Lehrende beim 360°-Videostreaming aus dem Seminarraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Kurtz EFL Teaching Methods: Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Online-Lehrveranstaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="7"?> Vorwort Dienstagnachmittags kommen an der Justus-Liebig-Universität ( JLU) Gießen seit vielen Jahren schon Nachwuchswissenschaftler*innen und Professor*innen zum interdiszipli‐ nären Austausch im Forschungskolloquium „Fremdsprachendidaktik und Sprachlehrfor‐ schung“ zusammen. Anknüpfend an die Tradition des ehemaligen Gießener Graduier‐ tenkollegs „Didaktik des Fremdverstehens“ geht es dabei einerseits um die kritischkonstruktive Betrachtung und systematische (Weiter-)Entwicklung innovativer For‐ schungsprojekte in der Englisch-, Französisch-, Spanisch- und DaF-/ DaZ-Didaktik, ande‐ rerseits - und damit eng verbunden - um das gemeinsame Entdecken und Analysieren von Forschungsperspektiven sowie Forschungsansätzen und -methoden, die für das Lehren und Lernen fremder Sprachen in diversen nationalen und internationalen Kontexten von Bedeutung sind. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der empirischen Forschung in all ihren Facetten, immer bezogen auf die konkreten Erkenntnisinteressen und die jeweils unterschiedlichen (z.B. schulischen) Untersuchungskontexte. Besonders gelungene For‐ schungsarbeiten, hier in erster Linie Dissertations- und Habilitationsschriften, aber nicht nur diejenigen, die im Kontext des Forschungskolloquiums entstanden sind, werden in den Gießener Beiträgen zur Fremdsprachendidaktik publiziert, in dieser wissenschaftlichen Reihe also, die mittlerweile etwa 240 Bände umfasst und in der u.a. auch die Arbeitspapiere der jährlichen Frühjahrskonferenzen zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts ver‐ öffentlicht werden. Die Digitalisierung von Lehre, Forschung und Fremdsprachenunterricht steht bereits seit geraumer Zeit im Fokus der fremdsprachendidaktischen Forschung an der JLU Gießen. Er‐ gänzend sei hier auf die unmittelbar jeweils im Anschluss an das dienstägliche Forschungs‐ kolloquium regelmäßig stattfindende „Tech AG“ verwiesen, die sich seit ihrer Gründung vor 25 Jahren speziell mit mediendidaktischen Aspekten des Fremdsprachenunterrichts und der Lehrkräftebildung befasst. Die vorliegende Sammelpublikation geht auf Überlegungen zu empirischen Forschungs‐ projekten zurück, die im Kontext der Covid-19-Pandemie und der damit verbundenen, sehr weitreichenden Digitalisierung der Lehre in den Jahren 2020-22 in diesem fruchtbaren wissenschaftlichen Kontext und Klima aufkeimten. Der Dank der Beitragenden gilt dem Herausgeberteam der Gießener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik und dem Gunter Narr Verlag Tübingen für die großzügige Gewäh‐ rung eines Druckkostenzuschusses, ohne den die Veröffentlichung der hier versammelten Forschungsbeiträge nicht möglich gewesen wäre. Ferner danken wir unseren ‚kritischen Freunden‘ aus dem Forschungskolloquium und der „Tech AG“, die das Projekt mit ihren wertvollen Ideen und Kommentaren, aber auch mit der sorgfältigen Begutachtung einzelner Texte, bereichert haben. Leo Will, Jürgen Kurtz, Tamara Zeyer & Hélène Martinez im August 2022 <?page no="9"?> 1 An dem teils quantitativ, teils qualitativ ausgerichteten Begleitforschungsprojekt, das im Forschungs‐ kolloquium ‚Fremdsprachendidaktik und Sprachlehrforschung‘ der JLU Gießen angebahnt wurde, nahmen auch Forscherinnen der Universität Leipzig ( Julia Wolbergs und Almut Ketzer-Nöltge) und der Technischen Universität Dortmund (Carolyn Blume) teil. Zur Einführung in den Sammelband Leo Will, Jürgen Kurtz, Tamara Zeyer & Hélène Martinez Technology and the advancement of digital media not only have the potential to change the way we learn languages, but also the way foreign language teachers learn to teach. Setting up and managing learning platforms, using learning software and educational apps effectively, designing complex web-based tasks, and using videoconferencing in the scope of cooperation projects are just a few examples of digital media use in the foreign language instruction of today’s technologyrich schools. However, in order for teachers to become competent, critical, and reflective users of information and communication technology (ICT) in and beyond the foreign language classroom, they need to develop knowledge, a certain set of skills, and a positive attitude toward digital media use - a learning process that ideally should start early in pre-service teacher education. (Benitt, Schmidt & Legutke 2019) Dieser kleine Sammelband fasst die Ergebnisse eines explorativ angelegten, im Kontext der fremdsprachendidaktischen Nachwuchsförderung an der Justus-Liebig-Universität ( JLU) Gießen entstandenen, interdisziplinären Begleitforschungsprojekts zur pandemiebedingt rein digitalen universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung zusammen 1 . Am Anfang des Projekts standen zahlreiche, in der fremdsprachendidaktischen Forschung noch weitge‐ hend offene Fragen hinsichtlich der bestmöglichen Gestaltung digitaler Lehr-/ Lernsettings, hier exemplarisch auf die Bereiche Englisch, Deutsch als Fremd-/ Zweitsprache (DaF/ DaZ) und Spanisch bezogen: • Welche digitalen Lehrveranstaltungsformate haben Lehramtsstudierende in den Fä‐ chern DaF/ DaZ, Englisch oder Spanisch in den ‚Pandemie‘-Semestern der Jahre 2020-21 erlebt? • Wie bewerten sie diese im Hinblick auf die Entwicklung professioneller Kompetenzen? • Mit welchen Aufgaben-, Aktivierungs- und Partizipationsformen sind sie konfrontiert worden? Wie beurteilen sie diese hinsichtlich der Entwicklung professioneller Kom‐ petenzen, hier insbesondere in den drei Dimensionen Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektbezug? • Wie lassen sich Studierende in der digitalen universitären Lehre aktivieren? Welche digitalen Technologien, Medien und Werkzeuge eignen sich in welchen speziellen Verwendungsweisen zur Aktivierung der Studierenden? <?page no="10"?> • Inwieweit lassen sich aktivierende Methoden, die in der analogen Lehre eingesetzt werden, auf digitale Lehr-/ Lernkontexte übertragen? Wie kann man im digitalen Setting Räume für studentische Interaktion und Reflexion schaffen? • Wie sollten diese digitalen Räume bestenfalls gestaltet sein? Wie kann hier der studen‐ tische Austausch angeleitet werden (z.B. über entsprechende Aufgabenstellungen in digitalen Breakout-Räumen)? • Welche Aktivierungs- und Interaktionsformen empfinden die Studierenden als nach‐ haltig wichtig? • Wie bzw. mit welchen Forschungsmethoden bzw. Erhebungs- und Analyseinstru‐ menten lässt sich studentische Aktivierung, Interaktion und Reflexion zielgenau erheben und auswerten? Aus diesen ersten, für das angedachte Begleitforschungsprojekt noch zu weit aufgefä‐ cherten und zu unscharf formulierten Fragen kristallisierte sich der gemeinsame Wunsch heraus, die Potenziale, Herausforderungen und Chancen diverser digitaler Lehrveranstal‐ tungsformate sowie sinnvoller und ertragreicher Aufgaben, Aktivierungs- und Partizipati‐ onsformen empirisch unter die Lupe zu nehmen. Das besondere, aber nicht das alleinige Erkenntnisinteresse sollte dabei der Studierendenperspektive gelten. Forschungsmethodisch erschien es im Sinne der anfänglichen Fragen grundsätzlich angebracht und sinnvoll, sowohl quantitativ (im Sinne einer universitätsübergreifenden studentischen Online-Befragung) als auch qualitativ (im Sinne einer detaillierten Analyse einzelner digitaler Seminarkonzepte) zu arbeiten bzw. voranzuschreiten, sozusagen rück- und vorwärtsblickend. In diesem Gesamtzusammenhang erschienen die folgenden Aspekte von besonderem Interesse: • Die Rolle digitaler Technologien, Medien und Werkzeuge für die Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften • Digitale universitäre Lehrveranstaltungsformate: synchron, asynchron, kombiniert • Digital gestützte Aufgaben-, Aktivierungs- und Partizipationsformen (hier vor allem deren Wahrnehmung durch die Studierenden). Ausgangsüberlegungen zur Rolle digitaler Technologien, Medien und Werkzeuge für die Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften Die Thematisierung und Beforschung digitaler Lehr-/ Lernformate an Universitäten, aber auch an schulischen Bildungseinrichtungen ist keinesfalls neu und entfaltete sich nicht erst infolge der Coronavirus-Pandemie. Im Kontext der Diskussion zur universitären Professi‐ onalisierung von Fremdsprachenlehrkräften beschäftigten sich zum Beispiel Niesen, Elsner und Viebrock (2020) bereits vor Ausbruch der Pandemie mit den potenziellen Mehrwerten digitaler Medien in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung. Ab 2020 verschob sich allerdings der Fokus der Forschung. Die Frage, inwiefern der Medieneinsatz im Lehr- Lernprozess sinnvoll und nützlich sein könnte, war obsolet geworden. Zunächst galt es schlicht, unter Zuhilfenahme verfügbarer digitaler Technologien, Medien und Werkzeuge die universitäre Lehre, nicht nur in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung, ‚aufrechtzuerhalten‘. 10 Leo Will, Jürgen Kurtz, Tamara Zeyer & Hélène Martinez <?page no="11"?> 2 Die durchgehende Verwendung der Begriffe ‚Präsenzlehre‘ oder ‚Präsenzveranstaltung‘ soll in diesem Sammelband allein der Abgrenzung von den virtuellen (d.h. den digital überhaupt nur möglichen) Veranstaltungsformaten dienen, die hier im Fokus stehen. Bei der Umstellung der Hochschullehre auf digitale Lehrveranstaltungsformate griffen Hochschullehrende in allen akademischen Disziplinen zunächst wohl erst einmal auf ihre Erfahrungen der Präsenzlehre 2 zurück. Mitunter bzw. offenbar nicht selten wurden vertraute hochschuldidaktische Methodenansätze und Aktivierungsformen übernommen, die sich in der Präsenzlehre bewährt hatten, teilweise wurden sie digital adaptiert. Als Beispiele für die Adaption sog. Lehrmethoden in der nunmehr weitestgehend digitalen Lehre lassen sich nach Ulrich et al. (2020) die folgenden, tabellarisch zusammengefassten Vorgehensweisen nennen: Lehrmethode Umsetzung der Lehrmethode in … … Präsenzlehre (im Hörsaal) … synchroner digitaler Lehre (über Laptop und -kamera) … asynchroner digitaler Lehre (über Lernplattform) Input Präsentation mit digitalen Folien Präsentation mit digitalen Folien über Bildschirmfreigabe aufgezeichnete Präsentation mit digitalen Folien Gruppenarbeit Kleingruppen im Seminarraum Kleingruppeneinteilung in der Konferenzsoftware kollaborative Lernsoftwares (z.B. digitale Pinnwand mit Kommentarfunktion) Diskussion Diskussion zu vorgegebenen Fragen des Lehrenden im Plenum Diskussion zu vorgegebenen Fragen des Lehrenden im Plenum Diskussionsforum zu vorgegebenen Fragen des Lehrenden Abb. 1: Adaptation exemplarischer ‚Lehrmethoden‘ je nach Lehrformat (Ulrich et al. 2020: 158) Wahl (2020) verweist jedoch auf die Spezifik der Fachdidaktiken und betont, dass Lehr‐ personen über spezielle Fähigkeiten verfügen müssen, um Studierende zum Analysieren, Denken und Problemlösen anzuregen bzw. sie kognitiv zu aktivieren (vgl. Wahl 2020: 139). Das Zusammentragen der damit verbundenen Herausforderungen sei „eine in jeder einzelnen Fachdidaktik zu erbringende Leistung“ (ebd.). Nach Arnold et al. (2018: 49) können digital aufbereitete Lernangebote und Informati‐ onen zwar „unaufwändig konsumiert werden, sind aber ohne aktiven Erschließungsauf‐ wand, eigene Informationsbewertung und aktive Aneignung des Studiengegenstands für Bildungsprozesse relativ wertlos“. Eine stärkere studentische Eigenaktivität gehört daher neben selbstständiger Informationsgewinnung sowie kooperativer Zusammenarbeit zu den Zur Einführung in den Sammelband 11 <?page no="12"?> 3 Der Europäische Referenzrahmen für die digitale Kompetenz von Lehrenden (DigCompEdu) ist der Erfassung und Beschreibung entsprechender Kompetenzen von Lehrkräften (Redecker 2017) gewidmet. Er soll als Grundlage für weitere Kompetenzmodelle dienen, wie z.B. dem digi.kompP- Kompetenzmodell (Brandhofer et al. 2019) sowie für die Formulierung einzelner digitaler Kernkom‐ petenzen nach Schultz-Pernice et al. (2017). Forderungen an und den zentralen Zielsetzungen einer Lehre, die auf das eigeninitiativkonstruierende und zugleich kollaborative Lernen mit digitalen Technologien, Medien und Werkzeugen abhebt (vgl. hierzu Schulz-Zander & Tulodzieki 2011: 41). Im Kreise der Beitragenden zu diesem Sammelband kam hiervon ausgehend die Frage auf, ob nicht insbesondere in fremdsprachendidaktischen universitären Lehrveranstal‐ tungen aus der pandemischen Not eine Tugend gemacht werden müsse. In der Folge wurde der Entschluss gefasst, empirisch zu erkunden, inwiefern fremdsprachendidaktisch zentrale Studieninhalte und Aktivierungsformen ‚digital adaptiert‘ bzw. unter den Vorzei‐ chen der Digitalisierung neu gedacht oder anders angelegt werden müssten. In diesem Zusammenhang stellte sich auch die Frage, ob bzw. inwieweit bestimmte, digital gestützte Lehr-/ Lernansätze Horizonte zu eröffnen imstande seien, die auch in nach- oder nichtpandemischen Zeiten die universitäre Lehre für angehende Fremdsprachenlehrkräfte bereichern könnten. Zu berücksichtigen war hierbei grundsätzlich, dass der Einsatz digitaler Technologien, Medien und Werkzeuge in der fremdsprachendidaktischen Forschung auf zwei eng mit‐ einander verbundene Ebenen verweist, nämlich einerseits die der Hochschuldidaktik, andererseits die der Unterrichtsdidaktik. Auf der letztgenannten Ebene geht es um den beruflichen Zielbereich der Fremdsprachenlehrkräftebildung, der zunehmend auf die Verwendung digitaler Technologien, Medien und Werkzeuge angewiesen bzw. ausgerichtet war und ist, und zwar in einem solchen Maße, dass hochschuldidaktisch für angehende Fremdsprachenlehrkräfte über ggf. neuartige, digital ermöglichte Lehr-/ Lernkonzepte nachzudenken ist, die den integrativen Charakter der zu entwickelnden studentischen Medienkompetenz in den Blick nehmen (vgl. hierzu Eisenmann & Steinbock 2020: 9). Graf et al. (2021: 249-250) sehen die Entwicklung bzw. Förderung fundierter mediendidaktischer Kompetenzen 3 als einen integralen Teil der Lehrkräftebildung. Sie vertreten die Auffassung, dass diese Förderung durch ein eigenes Erleben digitaler Medien und ihrer Einsatzmöglichkeiten innerhalb einer Lehrveranstaltung, durch eine gezielte Thematisierung der pädagogischen Einsatzmöglichkeiten von digitalen Tools oder durch ein ‚Doppeldeckerprinzip‘ des eigenen Erlebens und Erlernens der Technologie stattfinden [sollte] (ebd.: 250). Engelen und Korell gehen in ihrer, in diesem Band dokumentierten Fallstudie zur digitalen Lehre in der universitären Spanischlehrer*innenbildung, den hochschuldidaktischen Im‐ plikationen dieses sog. Doppeldeckerprinzips nach. 12 Leo Will, Jürgen Kurtz, Tamara Zeyer & Hélène Martinez <?page no="13"?> Zu synchronen, asynchronen oder kombiniert digitalen Lehrveranstaltungsformaten Die sog. Präsenzlehre war durch den pandemiebedingten Lockdown plötzlich nicht mehr möglich. Klier verweist allerdings auf eine doppelte Bedeutung des Präsenzbegriffes: „Präsenz im Sinne einer physischen Anwesenheit im Rahmen der Präsenzlehre hat … eine zwar wichtige, … aber sehr eingeschränkte Bedeutung, weil die Geistesgegenwärtigkeit davon unabhängig zu sehen ist“ (Klier 2017: 3). Diese Differenzierung wurde in dem hier geschilderten Begleitforschungsprojekt als zentral angesehen. Sie spielt etwa bei Wolbergs und Ketzer-Nöltge in diesem Band eine besondere Rolle. Dort wird der Einsatz von 360°-Technologien in der digitalen DaFbzw. DaZ-Lehre erkundet. In der digitalen Lehre findet die Auseinandersetzung mit den Lerninhalten vielfach in synchronen und asynchronen Formaten oder in einer Kombination der beiden statt (vgl. hierzu die Ergebnisse der studentischen Online-Befragung in Will und Kurtz in diesem Band). Auf diesem Hintergrund war zu überlegen, welche Aktivitäten wie in den jeweiligen Formaten zu gestalten sind. Hierzu die folgenden Vorüberlegungen: In synchronen Veranstaltungen via Video-Konferenz ist ‚digitale Präsenz‘ erforderlich. Auch wenn sich Studierende und Lehrende in unterschiedlichen physischen Räumlich‐ keiten befinden, sind sie in einem virtuellen Raum zugegen. Entscheidend für die Interak‐ tion und Aktivierung sind die Rahmenbedingungen digital geschaffener Räume, da sich die Gruppendynamik dort erfahrungsgemäß anders entwickelt als ‚in Präsenz‘. Die Interaktion unter Studierenden wird in synchron-digitalen Formaten zudem offenbar im Wesentlichen durch die Lehrperson initiiert und gesteuert. Dies erfordert überzeugend angelegte Lehr-/ Lernkonzepte, die die Möglichkeiten und Grenzen digitaler Lehre im Blick haben. Vier der fünf Fallstudien in diesem Sammelband (Engelen und Korell, Will und Blume, Brotzmann, Wolbergs und Ketzer-Nöltge) stellen jeweils eine synchrone fremdsprachendidaktische Lehrveranstaltung vor und untersuchen diese. In der asynchron-digitalen Lehre geht es demgegenüber um die Orchestrierung von digital ermöglichten Lehr/ -Lernprozessen, bei denen die Beteiligten nicht nur in räumlicher Distanz, sondern auch zeitversetzt interagieren. Die Interaktion verläuft hier in der Regel schriftlich via E-Mails, Foren bzw. über komplexe Kommunikations- und Lernplattformen. Die asynchrone Lehre lässt den Studierenden viel Raum, sich das Studium individuell einzuteilen und ihrem eigenen Rhythmus sowie ihren individuellen Lerngewohnheiten und Lernstrategien zu folgen. Die Lerninhalte stehen jederzeit online zur Verfügung und können bei Bedarf mehrmals rezipiert und - zunehmend selbstverantwortlich - reflektiert werden. Dies erfordert allerdings ein nicht zu unterschätzendes Maß an (systematisch zu entwickelnder) studentischer Selbstdisziplin und Selbstorganisation, d.h. die Fähigkeit, den eigenen Lernprozess zunehmend selbst in die Hand zu nehmen. In asynchronen Settings hängt der Lernerfolg daher auch und vor allem von der Gestaltung und dem jeweils unter‐ breiteten Angebot aktivierender, die Interaktion und Reflexion fördernder Studienaufgaben ab. Wichtig erscheint dabei die Qualität und Relevanz der jeweils gestellten Aufgaben in der Wahrnehmung der Studierenden, aber auch die Transparenz der (hier im Wesentlichen schriftlich verfassten) Erwartungen an die zu erbringenden studentischen Leistungen. Zur Einführung in den Sammelband 13 <?page no="14"?> 4 Im Englischen scheint der Begriff engagement dem der Aktivierung (bzw. der in Gang zu setzenden Lernaktivität) nahezukommen. Sang & Hiver (2021: 18) führen hierzu weitergehend aus: While differing in approach, scholars agree on one definitional aspect of engagement: Engagement refers to action […]. This action dimension is believed to be the most important characteristic of engagement, distinguishing it from other related constructs such as motivation, which relates more closely to desire or intent. Der Beitrag von Kurtz in diesem Band untersucht ein asynchrones Seminarveranstaltungs‐ format in der Englischdidaktik, in dem diese Aspekte Beachtung finden. Eine holzschnittartige, sozusagen binäre Unterscheidung zwischen synchronen und asynchronen Lehrveranstaltungsformaten ist jedoch problematisch, zumal in synchronen Veranstaltungen vielfach auch asynchrone Elemente enthalten sind. So lesen die Studier‐ enden hier beispielsweise zur Vorbereitung der jeweiligen Videosessions wissenschaftliche Texte und bereiten darauf bezogene Live-Präsentationen vor. Es ist anzunehmen, dass viele Seminarveranstaltungen in der pandemiebedingten Distanzlehre letztlich in der Kombina‐ tion synchroner und asynchroner Aufgaben- und Aktivierungsformen angelegt waren. Von daher war zunächst zu eruieren, aus welchen verschiedenen hochschuldidaktischen (Design-)Elementen sich digitale Lehrveranstaltungen in der universitären Fremdsprachen‐ lehrkräftebildung zusammensetzen (vgl. hierzu die Ergebnisse der studentischen Online- Befragung in dem Beitrag von Will und Kurtz). Zu digital ermöglichten bzw. gestützten Aktivierungs- und Partizipationsformen Eine für die Studierenden ertragreiche, digitale Hochschullehre ist von vielen Faktoren ab‐ hängig. Zwei in der Lernforschung immer wieder herausgearbeitete, wesentliche Faktoren, die gerade im Rahmen virtueller Lehre als besonders herausfordernd gesehen werden, sind die studentische Aktivierung und Interaktion (vgl. Ammenwerth 2021: 1329). Gelingt es nicht, die Studierenden zu aktivieren, so wird die digitale Lehre nach Ammenwerth (2021: 1330) „als ‚Frontalunterricht‘ negativ konnotiert und als ‚zäh‘ und ‚langatmig‘ empfunden und Studierende reagieren darauf mit gedanklicher Abwesenheit, welche sich in parallelen Aktivitäten (wie E-Mail-Schreiben) oder im Abschalten des eigenen Videos zeigt“. Aktivierung (im Sinne aktiven, zunehmend eigenverantwortlichen Lernens) ist insbesondere auch insofern wichtig, als sie das Erreichen von höheren kognitiven Lernzielen unterstützen bzw. das higher-order thinking fördern kann (vgl. hierzu Camacho & Legare 2015). Eng mit dem Konzept der studentischen Aktivierung verbunden ist das Konzept des student engagement bzw. - im Rahmen der Online-Lehre - des online engagement, welches ebenso als Erfolgsfaktor in der Hochschulbildung wirksam wird 4 . Allerdings verweisen Redmond et al. (2018) auf das Fehlen einer konsensfähigen Definition von student engage‐ ment. Allen Definitionsansätzen ist nach Redmond et al. (2018) aber zumindest gemein, dass online engagement die drei Schlüsselbereiche des verhaltensbezogenen, emotionalen und kognitiven engagement umfasst. In diesem Zusammenhang schlagen Redmond et al. (2018) einen umfassenderen und für das hier dokumentierte Begleitforschungsprojekt interessanten konzeptuellen Rahmen 14 Leo Will, Jürgen Kurtz, Tamara Zeyer & Hélène Martinez <?page no="15"?> vor, der insgesamt fünf Schlüsselbereiche des online engagement umfasst: soziale, kogni‐ tive, verhaltensbezogene, emotionale und kollaborative. Das Ziel des dementsprechend angelegten Online Engagement Framework for Higher Education ist es, zu einem besseren Verständnis beizutragen, wie verschiedene Formen des student engagement bei der Unter‐ stützung des Lernens in Online-Umgebungen zusammenwirken können (vgl. ebd.: 190). Die hier herausgearbeiteten sog. Schlüsselbereiche orientieren sich an den Prinzipien des aktiven Lernens. Sie sind in der folgenden Tabelle (vgl. Abb. 2) zusammengefasst. Für jede Dimension werden Indikatoren benannt, die zur Analyse des studentischen Engagements und als Orientierung für die Gestaltung entsprechender digitaler Lehrveranstaltungen verwendet werden können. Online engagement element Indicators (illustrative only) Social engagement Building community Creating a sense of belonging Developing relationships Establishing trust Cognitive engagement Thinking critically Activating metacognition Integrating ideas Justifying decisions Developing deep discipline understandings Distributing expertise Behavioral engagement Developing academic skills Identifying opportunities and challenges Developing multidisciplinary skills Developing agency Upholding online learning norms Supporting and encouraging peers Collaborative engagement Learning with peers Relating to faculty members Connecting to institutional opportunities Developing professional networks Emotional engagement Managing expectations Articulating assumptions Recognizing motivations Committing to learning Abb. 2: Online Engagement Framework for Higher Education (Redmond et al. 2018: 190) Eng verbunden mit der Frage der studentischen Aktivierung sind Überlegungen zur Interaktion und Interaktivität in digitalen Lehr-/ Lernsettings. Vier Typen von Interaktionen sind im Rahmen der transdisziplinären wissenschaftlichen Diskussion zur digitalen Lehre identifiziert worden: (1) Lernende - Lehrende; (2) Lernende - Inhalte; (3) Lernende - Lern‐ ende; und (4) Lernende - Lernplattform (Hillman, Willis & Gunawardena 1994 zitiert nach Zur Einführung in den Sammelband 15 <?page no="16"?> Wegmann & Thompson 2014: 74). Anders ausgedrückt: Interaktion mit anderen, Interaktion mit Inhalten, Interaktion mit sich selbst und Interaktion mit einer digitalen Lernplattform. Dabei wird angenommen, dass die social presence, als „the extent to which learners feel a close proximity to instructors, peers, and content in an online setting“, Auswirkungen hat auf den Grad der studentischen Partizipation (vgl. Wegman & Thompson 2014: 79). Nach Wegmann und Thompson (2014: 74f.) stimmen nicht alle Forschenden darin überein, dass ein bloßes Mehr an Interaktion notwendigerweise auch besser ist, aber die meisten konzedieren, dass ein höheres Maß an Interaktion in Online-Kursen das studentische Engagement und die Beteiligung fördern könnte. Laut Wagner (2005, zitiert nach Wegmann & Thompson 2014: 76) wirkt sich die Ermöglichung interaktiver Lernerfahrungen offenbar positiv auf die von studentischer Seite wahrgenommene Qualität einer Lernerfahrung aus. Dixson (2015: 2) fasst die Relevanz des aktiven Lernens und der studentischen Interaktion in digitalen Lehr- Lernumgebungen wie folgt zusammen: Briefly, the need for active learning and interaction means that students need to feel as if they are dealing with real people (social presence), that they belong in some way with/ to this group of learners (community), and that they are involved in sharing, negotiating, arguing, discussing, and perspective taking (meaningful interaction). Im Kontext der Begleitforschung wurden die folgenden Dimensionen studentischer Ak‐ tivierung im digitalen Raum, speziell für die digitale fremdsprachendidaktische Lehre, zusammengetragen (hier gleichermaßen theoretisch informiert wie erfahrungsbasiert, im Ganzen vorläufig und ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen): • Sozialformen - Einzelarbeit - Partnerarbeit - Gruppenarbeit - Plenum • Ausdrucksformen - schriftlich (vorwiegend Fließtext vs. vorwiegend Stichpunkte) - mündlich - grafisch - multimodal - mimisch und gestisch • Aktivierungsmodi - reflexiv - diskursiv - kreativ-produktiv - physisch - kollaborativ - affektiv • Zeitliche Modi - synchron - asynchron 16 Leo Will, Jürgen Kurtz, Tamara Zeyer & Hélène Martinez <?page no="17"?> • Zeitliche Ausdehnung - kurz - lang-iterativ (bestehend aus wiederkehrenden Elementen) - lang-komplex (bestehend aus diversen Elementen) • Bezug zu fremdsprachenunterrichtlichen Lehr-/ Lernkontexten - videografisch-vermittelter Berufsfeldbezug (Studierende reflektieren und disku‐ tieren zum Beispiel über in der jeweiligen Lehrveranstaltung präsentierte unter‐ richtliche Videoausschnitte) - simulativ-performativer Berufsfeldbezug (etwa in der Form von micro teaching; auch über die theoriegeleitete, kollaborative oder individuelle Entwicklung von Unterrichtsentwürfen oder die Erstellung von Sprachlernmaterialien) - praktisch-performativer Berufsfeldbezug (z.B. digital gestützte Umsetzung von jeweils entwickelten Lehr-/ Lernvorhaben mit Schüler*innen an verschiedenen Schulen und Schulformen) • Sprache - muttersprachliche Lehre (d.h. auf Deutsch) - zielsprachlich • Digitale Technologien, Medien und Werkzeuge - Videokonferenztools - Lernplattformen - Präsentationstools (z.B. PowerPoint, Prezi) - etc. Wie diese Dimensionen jeweils sinnvoll und ertragreich kombinierbar sein könnten, wie sie einander beeinflussen und welche Folgen ihr Zusammenspiel haben kann, wird in den verschiedenen Einzelstudien dieses Bands untersucht. Ein bestimmter Aktivierungsmodus, nämlich der der wissenschaftlichen, berufsfeld- und subjektbezogenen Reflexion, findet in den nachfolgend dokumentierten Einzelstudien besondere Berücksichtigung. Er soll eingangs daher etwas näher betrachtet werden: In der Diskussion um die universitäre Fremdsprachenlehrkräftebildung kommt der Reflexion und ihrer Aktivierung und Förderung eine zentrale Bedeutung zu (vgl. hierzu beispielsweise Abendroth-Timmer 2017; Legutke & Schart 2016). Hochschuldidaktisch betrachtet lässt sich die studentische Reflexion über die jeweils im Vordergrund stehenden Seminarinhalte auf verschiedenen Wegen in Gang setzen und fördern. Abendroth-Timmer (2017) fasst folgende Möglichkeiten zusammen: individuell-monologische, kollegial-dia‐ logische, visualisierende, experimentelle. Gerlach (2015) beschreibt den Erwerb von Re‐ flexionskompetenz als einen Prozess, der schrittweise entwickelt werden und angelegt sein sollte: „Reflexives Denken in seinen verschiedenen Formen müsste strukturiert im Rahmen der Ausbildung unter Anleitung methodisch aufgebaut und dann zunehmend den tatsächlich Reflektierenden überlassen werden“ (Gerlach 2015: 312). Dazu bedürfe es allerdings entsprechender Lerngelegenheiten, die eine fruchtbare Kom‐ bination unterschiedlicher Reflexionsformen ermöglichen, wobei wiederum Aktivierung und Interaktion zentral sind, d.h. Zur Einführung in den Sammelband 17 <?page no="18"?> die Selbstreflexion als Nachdenken im Dialog mit sich selbst, die Fremdreflexion als Nachdenken im Dialog mit den anderen, die kritische Reflexion als Nachdenken im Lichte von alternativen Handlungsmöglichkeiten und die theoriegeleitete Reflexion als Nachdenken unter Bezugnahme auf theoretische Konzepte (Abendroth-Timmer & Frevel 2013: 137f.). Die angeleitete Reflexion als eine zentrale Facette (hier speziell der digitalen) universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung sei hier nur grob angerissen. Wie sie in speziellen digi‐ talen Lehr-/ Lernsettings Berücksichtigung finden und umgesetzt werden könnte, wird in den einzelnen Studien in diesem Band erkundet. Zu den Beiträgen in diesem Sammelband In dem vorangestellten Beitrag von Leo Will und Jürgen Kurtz werden die Ergebnisse einer explorativ angelegten Online-Befragung zur studentischen Wahrnehmung und Bewertung digitaler Lehrveranstaltungs-, Aufgaben- und Aktivierungsformate in den (Lehramts-)Stu‐ diengängen Englisch, Spanisch, Französisch und Deutsch als Fremdbzw. Zweitsprache dokumentiert. Die Online-Umfrage hob im Wesentlichen darauf ab, empirisch zu erkunden, wie Studierende die von ihnen erlebten, pandemiebedingt rein digital angebotenen Lehr-/ Lernformate einschätzen, hier unter anderem auch hinsichtlich ihres Beitrags zur Entwick‐ lung professioneller Kompetenzen in den drei Dimensionen Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektbezug. Insgesamt nahmen 288 Studierende an sieben Universitäten in Deutsch‐ land und Österreich an der Befragung teil. Im Beitrag von Sophie Engelen und Johanna Lea Korell wird die Frage in den Fokus gerückt, wie das Format der digitalen interaktiven Präsentation sowie dessen schriftliche Reflexion Lehramtsstudierende im Fach Spanisch dazu bewegen kann, sich selbstständig und eigenverantwortlich mit fremdsprachedidaktischen Gegenständen auf einer gleicher‐ maßen theoretischen wie berufsfeldorientierten Ebene auseinanderzusetzen. Es wird er‐ kundet, wie studentische Peers aktiv in die Erarbeitung des Seminarthemas in einem digitalen Lehrveranstaltungsrahmen eingebunden werden können. Der Schwerpunkt der empirischen Betrachtung liegt dabei auf verschiedenen Dimensionen der digital gestützten Aktivierung, insbesondere auf der thematischen, materialsowie subjektbezogenen Ebene. Nach einer entsprechenden, terminologischen Standortbestimmung werden Fragebogen‐ daten, digitale interaktive Präsentationen sowie schriftliche Reflexionen von Lehramtsstu‐ dierenden im Fach Spanisch als empirisches Datenmaterial herangezogen und Einblicke aus der Perspektive der Studierenden auf das Konzept der Aktivierung in digitalen Lehr- Lernkontexten gegeben. Auf dieser Grundlage werden einige vorläufige Implikationen für die zukünftige Gestaltung aktivierender digitaler Lehr-/ Lernsettings in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung formuliert. In dem Beitrag von Darja Brotzmann wird ein synchron angelegtes Seminar im Bereich der anglistischen Literaturdidaktik beleuchtet, das als ein digitaler Begegnungsraum konzipiert ist. Sukzessive aufeinander aufbauende Reflexionsaufgaben sowie Einträge in studentische Reflexionsportfolios gewähren nicht nur Einblicke in die jeweilige Lese- und Lernhistorie der Studierenden, sondern auch in die damit verbundenen Einstellungen und Haltungen zum Lesen englischsprachiger Literatur. Die studentischen Reflexionen lassen einige zentrale Herausforderungen digital realisierter literaturdidaktischer Lehre 18 Leo Will, Jürgen Kurtz, Tamara Zeyer & Hélène Martinez <?page no="19"?> erkennen. Der Beitrag gibt zudem einige wertvolle Einblicke, wie die geschilderte, digital gestützte literaturdidaktische Lehrveranstaltung zum Semesterabschluss für eine digitale Mini Conference mit einem anderen literaturdidaktischen Seminar veranstaltungsübergrei‐ fend geöffnet und genutzt werden konnte. In dem Beitrag von Leo Will und Carolyn Blume wird eine neue, letztlich so nur digital mögliche Variante der Theorie-Praxis-Verzahnung in der universitären Fremdspra‐ chenlehrkräftebildung untersucht. Drei physisch (bzw. auch geografisch) voneinander getrennte und in ihren jeweiligen Rollen unterschiedlich zu verortende Personengruppen interagierten dabei digital gestützt in einer die Grenzen von Universität und Schule über‐ schreitenden, kollaborativ-interaktiv angelegten community of practice: Begleitet von einer Lehrkraft und dem Dozenten fungierten Lehramtsstudierende als digitale Mentor*innen für Schüler*innen einer hessischen Gesamtschule. Erprobt wurden mündliche Aufgaben‐ formate, die von den Studierenden gemeinsam erarbeitet und mit kleinen Schüler*innen‐ gruppen digital umgesetzt wurden. Die kollaborative studentische Aufgabenentwicklung und Anwendung sowie deren Nachbesprechung in Studierendentandems, jeweils wie‐ derum begleitet von der Lehrkraft und dem Dozenten, geben einen Eindruck davon, wie tradierte Formen des Berufsfeldbezugs in der universitären Lehre (i.e. die fachspezifischen Unterrichtspraktika) digital sinnvoll ergänzt bzw. erweitert werden könnten. In dem Beitrag von Julia Wolbergs und Almut Ketzer-Nöltge wird eine explorative Studie zum Einsatz eines 360°-Video-Streams in der hybriden Lehre vorgestellt. Um zu eruieren, welche Herausforderungen mit einem derart angelegten, hybriden Lehr-/ Lernsetting für die Lehrenden verbunden sind, wurde ein leitfadengestütztes Einzelinterview geführt und qualitativ ausgewertet. Jürgen Kurtz befasst sich schließlich mit der Darstellung und qualitativ-empirischen Analyse einer Online-Lehrveranstaltung zum Thema English as a Foreign Language (EFL) Teaching Methods, die er im Sommersemester 2021 an der JLU Gießen vorwiegend asyn‐ chron-schriftlich durchführte. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die studentischen Wahrnehmungen und Bewertungen der in dieser universitären Lehrveranstaltung angebo‐ tenen Aufgaben-, Aktivierungs-, Partizipations- und Reflexionsformen, unter besonderer Berücksichtigung der für die universitäre Lehrkräftebildung als zentral erachteten Perspek‐ tiven der Wissenschafts-, der Berufsfeld- und der Subjektorientierung von Lehre und Studium. Im Rückblick auf dieses explorative Begleitforschungsprojekt ergibt sich ein vielschich‐ tiges Bild, das einige Potenziale und Chancen, aber auch Probleme und Herausforderungen der digitalen Lehre in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung zeigt. Literatur Abendroth-Timmer, Dagmar (2017). Reflexive Lehrerbildung und Lehrerforschung in der Fremdspra‐ chendidaktik: Ein Modell zur Definition und Rahmung von Reflexion. Zeitschrift für Fremdspra‐ chenforschung, 28: 1, 101-126. Abendroth-Timmer, Dagmar & Frevel, Claudia (2013). Analyse handlungsleitender Kognitionen anhand videogestützter Reflexionsprozesse angehender Spanischlehrender in verschiedenen be‐ Zur Einführung in den Sammelband 19 <?page no="20"?> rufsbiographischen Kontexten. In Ulrich Riegel & Macha Klaas (Hrsg.) Videobasierte Kompetenz‐ forschung in den Fachdidaktiken (S. 133-146). Münster: Waxmann. Ammenwerth, Elske (2021). Studentische Aktivierung und Interaktivität in der virtuellen Hochschul‐ lehre. HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, 58, 1327-1337. Arnold, Patricia; Lars Kilian, Anne Thillosen & Gerhard M. Zimmer (2018). Handbuch E-Learning: Lehren und Lernen mit digitalen Medien. 5. aktual. Aufl. Bielefeld: Bertelsmann. Benitt, Nora, Schmidt, Torben & Legutke, Michael (2019). 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Zur Einführung in den Sammelband 21 <?page no="23"?> 1 Zum Zwecke der besseren Lesbarkeit wird in dieser Studie vereinfachend von ‚Lehramtsstudier‐ enden‘ bzw. vom ‚Lehramtsstudium‘ gesprochen, obwohl einige der befragten Studierenden in den vielfach polyvalent angelegten Online-Lehrveranstaltungen in andere Studiengänge (z.B. Mas‐ terstudiengänge mit dem Schwerpunkt Teaching English as a Foreign Language) eingeschrieben waren. Alle in die Studie einbezogenen Studierenden absolvierten jedoch ein Studium, das auf eine berufliche Tätigkeit als Fremdsprachenlehrkraft vorbereitet. Deswegen wird hier auch der übergreifende Begriff der ‚Fremdsprachenlehrkräftebildung‘ verwendet. Wie bewerten angehende Fremdsprachenlehrkräfte verschiedene Veranstaltungs-, Aufgaben- und Aktivierungsformate in der digitalen universitären Lehre? Ergebnisse einer explorativ angelegten Online-Befragung Leo Will & Jürgen Kurtz Einleitung und Problemaufriss Die pandemiebedingt weitestgehend online zu realisierende universitäre Lehre in den Jahren 2020-2021 machte eine tief greifende Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen digitaler Lehrveranstaltungsformate sowie auch den zum Einsatz gebrachten Aufgaben- und Aktivierungsformen erforderlich. Wenig erhellend bzw. befriedigend stellten sich in diesem Zusammenhang bereits vorliegende, allzu pauschale Einschätzungen dar, wie sie zum Beispiel im „Monitor Digitale Bildung - Die Hochschulen im digitalen Zeitalter“ (CHE 2017), der die vorpandemische Situation in den Blick nimmt, zu finden sind. Dort wird u.a. festgehalten: (Lehramts-)Studierende sind keine Enthusiasten der Digitalisierung. Hochschulleitungen und Verwal‐ tungsmitarbeiter setzen auf Lehrende und Studierende als Treiber der Digitalisierung der Lehre. Bei den Lehrenden steht und fällt alles mit deren Eigeninitiative: Wer sich für das Thema ohnehin interessiert, bringt es auch in die Lehre ein; wer nicht selbst affin ist, lehrt auch weniger digital. Die Studierenden sind in der Regel keine enthusiastischen Treiber der Digitalisierung. Sie nutzen die digitalen Angebote, die Lehrende ihnen machen - oder eben auch nicht. Insbesondere Lehramtsstudierende erweisen sich als wenig digital-affin. Sie nutzen digitale Medien im Vergleich zu anderen Fächergruppen am wenigsten und zeigen dahingehend auch die geringste Motivation (CHE 2017: 6). Die im Folgenden dokumentierte Online-Befragung sollte dazu beitragen, perspektivisch zu differenzierteren Erkenntnissen in Bezug auf die digitale Lehre in den (Lehramts-)Stu‐ diengängen Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch als Fremdsprache/ Deutsch als Zweitsprache zu gelangen. 1 Das Hauptaugenmerk richtete sich dabei auf die persönli‐ chen Wahrnehmungen, Erfahrungen und Urteile der vermeintlich ‚wenig digital-affinen‘ <?page no="24"?> 2 Wir bedanken uns an dieser Stelle ganz herzlich bei Christian Treppesch ( Justus-Liebig-Universität Gießen) für die uns gewährten Einblicke in das Gießener ‚EdiHo‘-Teilprojekt und für seine wertvollen forschungsmethodischen Hinweise. Durch seine Hilfestellung konnte die hier beschriebene Studie besser mit ‚EdiHo‘ verknüpft bzw. weitergehend fremdsprachendidaktisch und hochschuldidaktisch spezifiziert werden. Studierenden. Den theoretischen Bezugspunkt der Studie bildete die in Kurtz (2011a, 2011b, 2018) im Grundriss dargestellte Konzipierung der universitären Fremdsprachen‐ lehrkräftebildung unter den drei eng aufeinander zu beziehenden Gesichtspunkten der Wissenschafts-, der Berufsfeld- und der Subjektorientierung (vgl. hierzu weitergehend die Arbeitspapiere der 38. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts, dokumentiert in Burwitz-Melzer, Riemer & Schmelter 2018). 1 Erkenntnisinteressen Zunächst sollte in Erfahrung gebracht werden, welche digitalen Lehrveranstaltungsformate die (an der Teilnahme an dieser Untersuchung interessierten) Studierenden im o.g. Zeit‐ raum an verschiedenen Standorten der Fremdsprachenlehrkräftebildung kennengelernt hatten. Davon ausgehend sollte erkundet werden, wie einzelne digitale Lehrveranstaltungs‐ formate von den Studierenden jeweils wahrgenommen und erlebt wurden. Das besondere Erkenntnisinteresse galt dabei der studentischen Beurteilung der in den verschiedenen Lehrveranstaltungen angebotenen, digitalen Aufgabenbzw. Aktivierungsformen, hier vor allem hinsichtlich ihrer von den Studierenden zugeschriebenen Bedeutung für die Fremdsprachenlehrkräftebildung in den zuvor genannten Dimensionen Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektbezug. 2 Orientierungspunkte Einen wichtigen Ausgangs- und Orientierungspunkt für die im Sommersemester 2021 realisierte Befragung stellte die transdisziplinär ausgerichtete Online-Fragebogenstudie „Erfolgsfaktoren digitaler Hochschullehre“ (EdiHo) (UDE 2021) dar 2 . Im Zentrum dieser bundesweiten, auf das Sommersemester 2020 bezogenen Studie, steht die Frage, welche Faktoren für das Gelingen digitaler Hochschullehre transdisziplinär grundsätzlich in Be‐ tracht zu ziehen sind. Hierzu wurden Studierende und Lehrende an mehreren Universitäten gebeten, „diese [sog. Erfolgsfaktoren] nach Abschluss des Semesters und der Prüfungen summativ für unterschiedliche Veranstaltungsformate und Szenarien einzuschätzen“ (UDE 2021: 14). Zu berücksichtigen ist, dass das groß angelegte EdiHo-Projekt darauf abhebt, Informationen bereit zu stellen, die evidenzbasierte Entscheidungen für die längerfristige Gestaltung ‚guter‘ digitaler Hochschullehre ermöglichen sollen. Die Ergebnisse der EdiHo-Studie, so wie sie beispielsweise für die Universität Duisburg- Essen in ihrem überaus detaillierten Hochschulbericht (vgl. UDE 2021) dokumentiert sind, verweisen auf ein sehr breites Spektrum von Faktoren, die Einfluss auf die Realisierung einer als ‚gut‘ zu erachtenden digitalen Hochschullehre nehmen können. Von Interesse für die universitäre Fremdsprachenlehrkräftebildung sind hier vor allem die gewonnenen Erkenntnisse zu den lehr- und lernseitigen Grundhaltungen zur digitalen Lehre, zur Pla‐ 24 Leo Will & Jürgen Kurtz <?page no="25"?> 3 Die bundesweit, transdisziplinär gewonnenen Erkenntnisse der EdiHo-Studie lagen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Sammelbands noch nicht in publizierter Form vor. Daher wird in diesem Beitrag auf eine detailliertere Darstellung der (allein) an der Universität Duisburg-Essen gewonnenen Erkenntnisse (vgl. UDE 2021) verzichtet. 4 Dies allerdings ist eine hypothetische, rein erfahrungsbasierte Annahme, die der empirischen Prüfung bedarf. nung und Organisation der digitalen Lehre, zur jeweils gewählten Lehr- und Lernstrategie, zur Beurteilung der Lehre hinsichtlich des digitalen Austauschs (Studierende, Lehrende) und der Einschätzung des Erreichens von Lehr-Lernzielen in verschiedenen (synchronen, asynchronen, etc.) Veranstaltungsformaten (Studierende, Lehrende). 3 Gleichwohl erschien es nicht angebracht, die in ‚EdiHo‘ vorzufindenden Kategorisie‐ rungen der digitalen Lehrveranstaltungsangebote und die darauf bezogenen Fragebogeni‐ tems für die hier dokumentierte Befragung zu übernehmen. Dies sei an den folgenden Beispielen verdeutlicht. Die EdiHo-Studie unterscheidet vier Kategorien von Online-Lehrveranstaltungen (vgl. UDE 2021: 73): 1. Materialbasiert‐asynchrone Lehrveranstaltungen: In diesem Veranstaltungsformat werden (fast) ausschließlich digitale Materialien für Studierende bereitgestellt (z.B. Aufzeichnungen, Skripte, Foliensätze, Literatur und Übungsaufgaben). 2. Vortragsbasiert‐synchrone Lehrveranstaltungen: Dieses Veranstaltungsformat be‐ steht (fast) ausschließlich aus live übertragenen Lehrvorträgen (ohne interaktive Elemente). 3. Interaktiv‐synchrone Lehrveranstaltungen: In diesem Veranstaltungsformat liegt der Schwerpunkt auf der digitalen Live‐Interaktion zwischen Lehrenden und Studier‐ enden, ggf. werden zusätzlich Materialien online bereitgestellt. 4. Interaktiv‐asynchrone Lehrveranstaltungen: In diesem Veranstaltungsformat liegt der Schwerpunkt auf der zeitversetzten Interaktion zwischen Lehrenden und Studier‐ enden (bspw. über E‐Mail, Foren oder Wikis), ggf. werden zusätzliche Materialien online bereitgestellt. Mit Blick auf die universitäre Fremdsprachenlehrkräftebildung stellte sich diese Kategori‐ sierung digitaler Veranstaltungsformate als wenig sinnvoll dar, da in diesem speziellen Kontext vielfach offenbar, insbesondere im weiterführenden Studium, von nicht immer ein‐ deutig zu klassifizierenden Mischformen (vorwiegend synchron oder asynchron; mitunter vortragsbasiert - materialbasiert - interaktiv) auszugehen ist. Vortragsbasiert-synchrone Lehrveranstaltungen sind hier eher unterrepräsentiert. Digitale Lehrveranstaltungen dieser Art kommen heutzutage am ehesten wohl noch bzw. vorwiegend für die fremdsprachen‐ didaktischen oder bezugswissenschaftlichen Einführungsvorlesungen infrage. 4 Für die hier dargestellte Online-Befragung wurden von daher ausschließlich digitale Seminarveran‐ staltungsformate in den Blick genommen. Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung stand die Frage, wie Studierende die von ihnen erlebten, pandemiebedingt rein digitalen Lehrveranstaltungen bzw. Aufgaben- und Aktivierungsformen hinsichtlich ihres Beitrags zur Entwicklung professioneller Kompetenzen in den drei Dimensionen Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektbezug Digitale Formate in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung 25 <?page no="26"?> einschätzen. Im Rahmen der EdiHo-Studie wird eine ähnlich gelagerte, jedoch noch deutlich allgemeiner gefasste Frage gestellt. Sie lautet: „Wie gut (war die folgende Veranstaltungsart -) (waren die folgenden Veranstaltungsarten -) Ihrer Erfahrung nach generell für das Erreichen Ihrer (- L: Lehrziele) (- S: Lernziele) geeignet? (schlecht teils teils gut)“ (UDE 2021: 110). Es ist diskussionswürdig, ob bzw. inwieweit es sinnvoll ist, nach der ‚generellen‘ Eignung bestimmter digitaler Lehrveranstaltungsformate für das Erreichen von universitären Lehr-/ Lernzielen (zudem mithilfe einer derart grobkörnig angelegten Ratingskala) zu fragen. Überdies erscheint es problematisch, nach den sog. Erfolgsfaktoren digitaler Hochschul‐ lehre Ausschau zu halten, solange der Begriff ‚Erfolg‘ nicht klar definiert ist. Ob etwa die Zufriedenheit der Studierenden mit einer bestimmten digitalen Veranstaltungsart bereits als Erfolg gewertet werden sollte, ist als umstritten zu bezeichnen. Es bedarf von daher einer tiefergreifenden Betrachtung, um zu fachbzw. disziplinenbezogen aussagekräftigeren Erkenntnissen zu gelangen. Alles in allem stellt sich die EdiHo-Studie (hier allein bezogen auf den veröffentlichten Bericht der UDE 2021) zwar als überaus informativ, jedoch zu wenig ergiebig und verläss‐ lich in Bezug auf die konkrete studentische Wahrnehmung und Beurteilung bzw. die Konturierung und Entwicklung künftiger digitaler Lehr-Lernangebote, insbesondere in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung dar. 3 Fragebogenkonstruktion Um zu eruieren, welche Erfahrungen Studierende mit digitalen Lehrveranstaltungen in der Fremdsprachenlehrkräftebildung im Untersuchungszeitraum sammeln konnten, und wie sie verschiedene Lehr-/ Lernformate sowie Aufgaben- und Aktivierungsformen hinsichtlich ihrer Entwicklung hin zu einer kompetenten Fremdsprachenlehrkraft beurteilen, wurde, teils erfahrungsbasiert, teils theoriegeleitet, ein halb-standardisiertes, explorativ angele‐ gtes Online-Befragungsinstrumentarium entwickelt, das insgesamt drei Themenblöcke mit entsprechend zugeordneten Fragen bzw. Ratingitems (standardisierte, geschlossene Erhebungsitems) sowie ergänzend angebotenen Möglichkeiten zur schriftlichen verbalen Kommentierung (nicht-standardisierte, offene Erhebungsitems) umfasst (vgl. hierzu Zy‐ datiß 2012: 115-125 zur Fragebogenkonstruktion im Kontext deskriptiver Forschung, hier speziell zum Thema survey research design): A. Veranstaltungsformate B. Formen der studentischen Beteiligung und Aktivierung (kurz: Aktivierungsformen) C. Dimensionen der Fremdsprachenlehrkräftebildung (Wissenschaftsbezug, Berufsfeld‐ bezug, Subjektbezug) Zu A. (Veranstaltungsformate): Im erfahrungsbasierten, hochschuldidaktisch geleiteten Austausch mit den anderen Beiträgern und Beiträgerinnen zu diesem Sammelband kristallisierte sich die folgende, vor‐ läufige Kategorisierung üblicherweise verwendeter digitaler Lehrveranstaltungsformate in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung heraus: 26 Leo Will & Jürgen Kurtz <?page no="27"?> • Rein synchrone Online-Seminarveranstaltungen (wöchentliche digitale Präsenzlehre, etwa über Videokonferenzdienste wie Webex, Teams, Zoom, etc.) • Vorwiegend synchrone Online-Seminarveranstaltungen (überwiegend digitale Prä‐ senzlehre mit asynchronen Phasen, während derer beispielsweise ein Projekt umge‐ setzt wird oder schriftliche Aufgaben zu erledigen sind) • Vorwiegend asynchrone Online-Seminarveranstaltungen (überwiegend schriftliche Kommunikation und/ oder Projektarbeit, dazu einige Videokonferenzen) • Rein asynchrone Online-Seminarveranstaltungen (zeitversetzte, zumeist schriftliche Kommunikation unter Einbeziehung digitaler Lernmanagementsysteme, Diskussions‐ foren und/ oder E-Mail-Dienste; keinerlei digitale Präsenzpflicht) Die Studierenden wurden einerseits gebeten, darüber Auskunft zu geben, welche dieser Formate sie kennengelernt bzw. erlebt haben. Andererseits sollten sie mithilfe einer vierstufigen Ratingskala mitteilen, wie sie die o.g. digitalen Lehrveranstaltungsformate hinsichtlich der Entwicklung ihrer professionellen Kompetenzen einordnen. Ergänzend dazu wurde den Teil‐ nehmenden die Möglichkeit eingeräumt, verbal dazu Stellung zu nehmen, d.h. ihre persönlichen Einschätzungen online schriftlich zu äußern bzw. weitergehend auch individuelle Anregungen zur Weiterentwicklung zu geben. Auf diesem Wege sollten sowohl ‚quantitative‘ als auch ‚qualitative‘ Daten generiert werden. Zu B. (Formen der studentischen Beteiligung und Aktivierung): Ebenfalls im Gespräch mit den anderen Beiträgern und Beiträgerinnen zu diesem Band wurde die folgende Kategorisierung möglicher Aktivierungsformen (vorwiegend erfahrungsbasiert im Rückblick auf den Untersuchungszeitraum) vorgenommen: • Individuell eine Online-Präsentation vorbereiten und synchron durchführen • In Partner- oder Gruppenarbeit eine Online-Präsentation vorbereiten und synchron durchführen • Individuell ein digitales Produkt im Rahmen eines asynchronen Projekts erstellen (z.B. Podcast, Video, Präsentation, Unterrichtsmaterial) • In Partnero. Gruppenarbeit ein digitales Produkt im Rahmen eines asynchronen Projekts erstellen (z.B. Podcast, Video, Präsentation, Unterrichtsmaterial) • Individuell einen Arbeitsauftrag in Echtzeit während der Online-Sitzung bearbeiten (z.B. Ideen sammeln und später im Plenum vorstellen) • In Partnero. Gruppenarbeit einen Arbeitsauftrag in Echtzeit während der Online- Sitzung bearbeiten (z.B. Ideen sammeln und später im Plenum vorstellen) • Individuell einen asynchronen Schreibauftrag bearbeiten (z.B. bezogen auf Fachlite‐ ratur oder Seminarinhalte, z.B. als Beitrag zu einem E-Portfolio) • In Partnero. Gruppenarbeit einen asynchronen Schreibauftrag bearbeiten (z.B. be‐ zogen auf Fachliteratur oder Seminarinhalte, z.B. als Beitrag zu einem E-Portfolio) • In Kleingruppen in breakout rooms online diskutieren • Im Plenum online diskutieren • Mit einem interaktiven Tool arbeiten (z.B. Wiki, Umfrage-Tool, interaktive Videos, Padlet, Etherpad) • Asynchrone Arbeitsaufträge im Rahmen der Vor- und Nachbereitung einer Seminar‐ sitzung bearbeiten Digitale Formate in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung 27 <?page no="28"?> 5 Die Printversion des Erhebungsinstrumentariums findet sich im Anhang. Auch hier wurden die Studierenden gebeten, einerseits Auskunft über die von ihnen erlebten Beteiligungs- und Aktivierungsformate zu geben, andererseits diese Formate hinsichtlich ihrer persönlich wahrgenommenen Bedeutung für die Lehrkräftebildung bzw. die Entwicklung der (von ihnen) als zentral erachteten Kompetenzen zu bewerten. Die Bewertung sollte sowohl über eine vierstufige Ratingskala als auch über verbale Kommentare diesbezüglich erfolgen. Zu C. (Dimensionen der digitalen Fremdsprachenlehrkräftebildung: Wissenschaftsbezug, Berufsfeldbezug, Subjektbezug): Zur Beurteilung des wahrgenommenen Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektbezugs der von den Teilnehmenden erlebten Online-Lehre kam ebenfalls eine vierstufig angelegte Ratingskala zum Einsatz, auch hier in Kombination mit der Möglichkeit, sich hierzu online schriftlich im Detail zu äußern: • Die Online-Lehre, wie ich sie erlebt habe, hatte einen besonders ausgeprägten Wissen‐ schaftsbezug • Die Online-Lehre, wie ich sie erlebt habe, hatte einen besonders ausgeprägten Berufs‐ feldbezug • Die Online-Lehre, wie ich sie erlebt habe, hatte einen besonders ausgeprägten Subjektbezug Um eine möglichst passgenaue Einschätzung der Befragten hinsichtlich der Bereiche Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektbezug zu erhalten, erschien es wichtig, diese Dimensionen vorab in der gebotenen Kürze zu erläutern. Der Themenblock C wurde mit den folgenden begrifflichen Erläuterungen versehen: • Wissenschaftsbezug: Reflexive Auseinandersetzung mit einschlägigen Theorien und em‐ pirischen Studien sowie Heranführung an die eigene Forschung (forschendes Lernen), etwa bei Hausarbeiten oder im Rahmen der Vorbereitung von Online-Präsentationen, etc. • Berufsfeldbezug: Reflexive Auseinandersetzung mit unterrichtspraktischen Ansätzen, Prinzipien und Konzepten, Verknüpfung mit Schulpraktika, Analyse von Unterrichts‐ materialien, etc. • Subjektbezug: Individuelle Einbeziehung der Studierenden als Lernsubjekte, d.h. ihrer Erfahrungen, Meinungen und (Vor-)Kenntnisse, jeweils biographisch-selbstreflexiv bezogen auf die eigene Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft 5 4 Sampling Die vorliegende Umfrage wurde ohne jedwede finanzielle oder personelle Unterstützung (etwa durch Drittmittel oder durch inneruniversitäre Flankierungsmaßnahmen) durchge‐ führt. Allein schon deswegen bot sich eine teil-standardisierte, auf Freiwilligkeit beruhende Befragung über das Internet an. Aufgrund des explorativen Charakters des Befragungs‐ vorhabens erschien es dabei hinnehmbar, Coverage-Probleme (i.e. die unzureichende Repräsentativität der auf diese Weise online zu erreichenden Studierendenpopulation) hintanzustellen. Denn letztendlich sollte es darum gehen, erste Einblicke in die universitäre, rein digitale Lehre an einigen, an der Befragung interessierten Standorten der Fremdspra‐ 28 Leo Will & Jürgen Kurtz <?page no="29"?> chenlehrkräftebildung zu erhalten, nicht darum, zu Erkenntnissen zu gelangen, die für die studentische Gesamtpopulation in den (Lehramts-)Studiengängen Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch als Fremdbzw. Zweitsprache in Deutschland und Österreich repräsentativ sind. Die Studie kann von daher keinerlei Generalisierungsanspruch erheben. Auf dieser Grundlage wurde der Online-Fragebogen mit dem Einverständnis interes‐ sierter Kolleg*innen an sieben Universitäten in Deutschland und Österreich (mit den üblichen Hinweisen auf Freiwilligkeit der Teilnahme und Gewährung der Anonymität) online über LimeSurvey zur Verfügung gestellt. 5 Datenauswertung Zunächst wurden die als quantitativ einzuordnenden Daten der Online-Befragung ausgelesen und den Erkenntnisinteressen der Untersuchung entsprechend aufbereitet. Verzichtet wurde in Anbetracht des informellen Charakters der Befragung und der nicht-repräsentativen Teilneh‐ merpopulation auf die Einbeziehung prüfstatistischer Verfahren. Die darüber hinaus erhobenen Verbaldaten (i.e. die Kommentare der Studierenden zu den jeweiligen Fragen und Ratingitems) wurden sodann inhaltsanalytisch anhand deduktiv und induktiv gewonnener Kodierungen klassifiziert und anschließend mit den deskriptiven, hier als ‚quantitativ‘ bezeichneten Daten trianguliert. Die qualitativ-interpretative Auswertung und die Triangulation mit den quantita‐ tiven Daten erfolgte in Anlehnung an Kuckartz (2012) sowie Knorr & Schramm (2022). - 5.1 Teilnehmerpopulation Insgesamt nahm eine Gesamtzahl von 288 Studierenden (vgl. Tab. 1) an der Umfrage teil. Die große Mehrheit der Teilnehmer*innen (82.87%) bezieht sich auf von ihnen besuchte Online-Lehrveranstaltungen in der anglistischen Fremdsprachenlehrkräftebildung: Auf das Unterrichten welcher Fremdsprache(n) zielt Ihr Studium ab? - Anzahl Prozent Deutsch als Fremd-/ Zweitsprache 10 3.50% Englisch 237 82.87% Französisch 20 6.99% Spanisch 21 7.34% Tab. 1: Fremdsprachliche Studienschwerpunkte der Teilnehmerpopulation In Folgenden werden die wichtigsten Befunde der Online-Befragung zu den Themenblö‐ cken A, B und C präsentiert. Die Unterkapitel sind jeweils sequenziert im Sinne eines Übergangs von quantitativen zu qualitativen Ergebnissen und Aussagen. - 5.2 Veranstaltungsformate Bezüglich der von den Studierenden erlebten digitalen Lehrveranstaltungsangebote in den Lehramtsstudiengängen Deutsch als Fremd-/ Zweitsprache, Englisch, Französisch und Spa‐ Digitale Formate in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung 29 <?page no="30"?> nisch ergibt sich insgesamt (d.h. über alle Studiengänge hinweg, fremdsprachendidaktische und bezugswissenschaftliche Lehrveranstaltungen einbeziehend) das folgende Bild: Welche der folgenden Veranstaltungsformate haben Sie erlebt? Rein asynchrone Online-Veranstaltung (z.B. zeitversetzte schriftliche Kommunikation unter Einbeziehung digitaler Lernmanagementsysteme, Diskussionsforen und/ oder E-Mail-Dienste; keinerlei virtuelle Präsenzpflicht) Vorwiegend asynchrone Online-Veranstaltung (z.B. überwiegend schriftliche Kommunikation und/ oder Projektarbeit, dazu vereinzelte Videokonferenzen) Vorwiegend synchrone Online-Veranstaltung (z.B. überwiegend virtuelle Präsenzlehre mit asynchronen Phasen, während derer z.B. ein Projekt umgesetzt wird oder schriftliche Aufgaben zu erledigen sind) Rein synchrone Online-Veranstaltung (z.B. wöchentliche virtuelle Präsenzlehre, etwa über Videokonferenzdienste wie Webex, Teams oder Zoom) Abb. 1: Von den Teilnehmenden erlebte/ nicht erlebte Online-Lehrveranstaltungsformate Zunächst wird deutlich, dass die meisten Studierenden offenbar diverse Online-Formate im Studium kennengelernt haben, wobei (rein bzw. vorwiegend) synchrone Lehrveranstal‐ tungen tendenziell häufiger als (rein bzw. vorwiegend) asynchrone Lehrveranstaltungen erlebt wurden. Die jeweiligen Veranstaltungsformate werden hinsichtlich der Entwicklung professioneller Kompetenzen wie folgt beurteilt: Wie stehen Sie zu dieser Art von Veranstaltung im Hinblick auf die Entwicklung Ihrer professionellen Kompetenzen? Rein asynchrone Online-Veranstaltung Vorwiegend asynchrone Online- Veranstaltung Vorwiegend synchrone Online- Veranstaltung Rein synchrone Online-Veranstaltung Abb. 2: Studentische Bewertung diverser Online-Lehrveranstaltungen im Hinblick auf die Entwick‐ lung professioneller Kompetenzen 30 Leo Will & Jürgen Kurtz <?page no="31"?> Offenbar werden synchrone bzw. vorwiegend synchrone digitale Lehrveranstaltungsfor‐ mate von den an der Umfrage beteiligten Studierenden als eher positiv in Bezug auf ihren Beitrag zur Entwicklung professionaler Kompetenzen wahrgenommen. Weniger positiv werden vorwiegend asynchrone und (noch weniger positiv) rein asynchrone Lehrveranstaltungen beurteilt. Warum dies so sein könnte, lassen die wenigen der hierzu abgegebenen, auf der Grundlage der inhaltsanalytischen Kodierung tabellarisch zusam‐ mengefassten Kommentare, erahnen: Kodierung/ Kategorien Anzahl der entsprechenden Kom‐ mentare 1 Weniger Interaktion bei asynchronen Formaten 14 2 Weniger Rückmeldung bei asynchronen Formaten 14 3 Format nicht als entscheidender Faktor 10 4 Unterrichtspraxis bzw. Berufsfeldbezug 7 5 Zeitliche Flexibilität 5 6 Fremdsprachliche Mündlichkeit 5 Tab. 2: Studentische Kommentare zu den von ihnen erlebten Online-Lehrveranstaltungsformaten im Hinblick auf die Entwicklung professioneller Kompetenzen Die beiden ersten (und am häufigsten auftretenden) Stellungnahmen (Kategorien 1 und 2) heben auf die Nachteile asynchroner Formate ab. Die Kommentare in der Kategorie 1 bleiben jedoch eher allgemein, z.B. „Bei rein asynchronen Veranstaltungen fehlte mir häufig schlicht der direkte und spontane Austausch mit Lehrenden und Kommiliton*innen“ (#17). Die Kommentare in der Kategorie 2 bemängeln spezifischer die offenbar vielfach nicht als hinreichend wahrgenommenen Rückmeldungen durch die jeweilige Lehrperson, z.B.: „In den beiden Varianten der asynchronen Online-Veranstaltungen haben die Rückmeldungen der Dozierenden gefehlt, oft gab es gar keine Rückmeldung und/ oder Reaktion. Bei Vorlesungen mag dies in Ordnung sein, aber für Seminare finde ich das Format nicht gut“ (#19). Im Hinblick auf die EdiHo-Studie (vgl. UDE 2021) erscheint der folgende, hier exemplarisch aufgeführte Kommentar in der Kategorie 3 (einer von lediglich zehn Stellungnahmen hierzu) von Bedeutung: „Abgesehen vom Darstellungsformat hängt die Veranstaltung natürlich maßgeblich von den Lehrenden ab, daher ist es hier schwer, eine eindeutige Rückmeldung zu geben“ (#51). Dass einige Studierende in ihren Kommentaren ihr Unbehagen bezüglich einer allzu pauschalen, vom Verhalten der jeweiligen Lehrperson unabhängigen Bewertung bestimmter Veranstaltungsformate im Hinblick auf die Entwicklung professioneller Kompetenzen zum Ausdruck bringen, könnte ein wichtiger Hinweis für zukünftige Erhebungen zur sog. Qualität digitaler Lehrveranstaltungsangebote sein. Von einiger Bedeutung sind auch die in der Kategorie 4 zusammengefassten Kommen‐ tare. Hier wird insbesondere auf den Modellcharakter von Lehre und Studium für die Digitale Formate in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung 31 <?page no="32"?> spätere berufliche Tätigkeit rekurriert: „Insbesondere dieses Semester war für mich sehr abwechslungsreich gestaltet, da ich fast alles dabeihatte und ich neue digitale Möglichkeiten kennenlernen konnte, was mir selbst die Scheu vor digitalem Unterrichten genommen hat“ (#49). Oder noch konkreter: „Ich habe viele neue Formate des Online-Lernens ken‐ nengelernt, welche ich auch durchaus in meinem zukünftigen Fremdsprachenunterricht anwenden kann“ (#178). In der Kategorie 5 finden sich Aussagen zur zeitlichen Organisation des Online-Studiums. Es ist interessant zu sehen, dass nur wenige der befragten Studierenden hierzu verbal Stellung nahmen. Unter den wenigen Kommentaren hierzu findet sich etwa eine Person mit zwei kleinen Kindern, die angibt: „Synchrone Veranstaltungen bereiteten mir große organisatorische Probleme“ (#107) (vgl. hierzu auch die Studie von Kurtz zur vorwiegend asynchronen Lehre in diesem Band). Einige der befragten Studierenden thematisieren darüber hinaus die Bedeutung der mündlichen Kommunikation in rein oder vorwiegend asynchronen Formaten, hier insbesondere in Bezug auf die Weiterentwicklung ihrer zielsprachlichen Kompetenzen. Exemplarisch: „Es ist schwer sprachliche Kompetenz zu erlangen oder zu erhalten, wenn man nicht die Möglichkeit hat sich mit anderen Studierenden zu unterhalten“ (#104). Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage nach der studentischen Bewertung der in den jeweiligen Online-Lehrveranstaltungen angebotenen bzw. erlebten Aktivierungs-, Aufgaben- und Partizipationsformen. - 5.3 Aktivierungs- und Partizipationsformen Die Befragung der Studierenden hinsichtlich der von ihnen erlebten digitalen Aufgabenbzw. Aktivierungsformate ergibt das folgende Bild: 32 Leo Will & Jürgen Kurtz <?page no="33"?> Abb. 3: Von den Teilnehmenden erlebte/ nicht erlebte digitale Aufgaben-, Aktivierungs- und Partizi‐ pationsformen Die Ergebnisse der Befragung geben zu erkennen, dass die große Mehrheit der Studie‐ renden, die an der Befragung teilnahmen, mit Aufgaben-, Aktivierungs- und Partizipations‐ formen konfrontiert wurden, die sich hochschuldidaktisch nur wenig von der Präsenzlehre in der vor-pandemischen Zeit unterscheiden. So geben mehr als 80% der befragten Studierenden an, vorwiegend synchrone digitale Lehr-Lernsettings (mit gelegentlichen asynchronen Anteilen) kennengelernt zu haben, in denen es darum ging, • im Online-Plenum zu diskutieren (96%) • in Kleingruppen (breakout rooms) online zu diskutieren (95%) • asynchrone Arbeitsaufträge im Rahmen der Vor- und Nachbereitung einer Online- Seminarsitzung zu bearbeiten (93%) • in Partnero. Gruppenarbeit einen Arbeitsauftrag in Echtzeit während der Online- Sitzung zu bearbeiten (z.B. Ideen zu sammeln und später im Plenum vorzustellen) (91%) Digitale Formate in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung 33 <?page no="34"?> • individuell einen asynchronen Schreibauftrag bearbeiten (bezogen auf Fachliteratur oder Seminarinhalte, z.B. im Rahmen eines E-Portfolios) (88%) • in Partner- oder Gruppenarbeit eine Online-Präsentation vorzubereiten und synchron durchzuführen (84%) Im Grunde genommen finden sich all diese Aufgaben-, Aktivierungs- und Partizipations‐ formen auch bereits in der (vor-pandemischen) Präsenzlehre, hier jetzt übertragen auf die digitale, durch den Computer ermöglichte Distanzkommunikation. Vergleichsweise häufig wurden allerdings auch die folgenden digitalen Aufgabenbzw. Aktivierungsformate erlebt: • mit einem interaktiven Tool arbeiten (z.B. Wiki, Umfrage-Tool, interaktive Videos, Padlet, Etherpad) (89%) Deutlich unterrepräsentiert sind demgegenüber die der vorwiegend asynchron-zeitver‐ setzten Lehre zuzuordnenden Aufgaben- und Aktivierungsformate: • in Partner- oder Gruppenarbeit ein digitales Produkt im Rahmen eines asynchronen Projekts erstellen (z.B. Podcast, Video, Unterrichtsmaterial) (70%) • individuell ein digitales Produkt im Rahmen eines asynchronen Projekts erstellen (z.B. Podcast, Video, Unterrichtsmaterial) (54%) • in Partner- oder Gruppenarbeit einen asynchronen Schreibauftrag bearbeiten (z.B. bezogen auf Fachliteratur oder Seminarinhalte, z.B. im Rahmen eines E-Portfolios) (52%) In der Zusammenschau der Ergebnisse deutet sich an, wie sehr sich die Online-Lehre in der Fremdsprachenlehrkräftebildung im untersuchten Zeitraum an den hochschuldidaktischen Prinzipien und Verfahrensweisen der Präsenzlehre offenbar orientiert hat. Wie wurde dies von den Studierenden hinsichtlich der Entwicklung ihrer professionellen Kompetenzen bewertet? 34 Leo Will & Jürgen Kurtz <?page no="35"?> Abb. 4: Studentische Bewertung diverser digitaler Aufgaben- und Aktivierungsformen im Hinblick auf die Entwicklung professioneller Kompetenzen Als sehr positiv bzw. eher positiv werden die folgenden Formen der Aufgabenbzw. Aktivierung in der Fremdsprachenlehrkräftebildung von mehr als 80% der Studierenden, die an der Online-Befragung teilnahmen, wahrgenommen: • mit einem interaktiven Tool arbeiten (88%) • individuell ein digitales Produkt im Rahmen eines asynchronen Projekts erstellen (z.B. Podcast, Video, Unterrichtsmaterial) (85%) • individuell eine Online-Präsentation vorbereiten und synchron durchführen (84%) Mehr als 70% der Teilnehmer*innen schätzten die folgenden Aufgaben- und Aktivierungs‐ formen als positiv bzw. eher positiv im Hinblick auf die Entwicklung ihrer professionellen Kompetenzen ein: • in Partner- oder Gruppenarbeit ein digitales Produkt im Rahmen eines asynchronen Projekts erstellen (76%) • individuell einen Arbeitsauftrag in Echtzeit während der Online-Sitzung bearbeiten (76%) • in Kleingruppen (breakout rooms) online diskutieren (74%) • in Partner- oder Gruppenarbeit eine Online-Präsentation vorbereiten und synchron durchführen (73%) • in Partner- oder Gruppenarbeit einen Arbeitsauftrag in Echtzeit während der Online- Sitzung bearbeiten (73%) Digitale Formate in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung 35 <?page no="36"?> • individuell einen asynchronen Schreibauftrag bearbeiten (71%) • im Plenum diskutieren (71%) Demgegenüber werden die folgenden Aufgaben- und Aktivierungsformate weniger positiv bewertet: • in Partnero. Gruppenarbeit einen asynchronen Schreibauftrag bearbeiten (63%) • asynchrone Arbeitsaufträge im Rahmen der Vor- und Nachbereitung einer Seminarsit‐ zung bearbeiten (58%) Die prozentuale Verteilung der studentischen Bewertungen gibt zu erkennen, dass es im Hinblick auf die Entwicklung professioneller Kompetenzen offenbar keine klare Favori‐ sierung synchroner Aufgaben-, Aktivierungs- oder Partizipationsformen gibt. So finden sich unter den als besonders positiv eingeschätzten Formen sowohl synchrone als auch asynchrone. Zwar ist die Anzahl der synchronen Formen, die als positiv bzw. eher positiv eingeschätzt werden, höher als die der asynchronen. Zu den drei als besonders positiv bewerteten Formen gehört jedoch auch eine mit 85% sehr positiv bewertete asynchrone (‚individuell ein digitales Produkt im Rahmen eines asynchronen Projekts erstellen‘). Dass sich zudem 76% der Studierenden positiv dazu äußerten, in Partner- oder Gruppenarbeit ein digitales Produkt im Rahmen eines asynchronen Projekts zu erstellen, und 71% meinten, dass es gewinnbringend sei, in Partner- oder Gruppenarbeit einen digitalen Schreibauftrag im Rahmen eines asynchronen Projekts zu erstellen (z.B. eine schriftliche Stellungnahme im seminarbezogenen Online-Forum), untermauert diese Aussage. Unter Einbeziehung der im Abschnitt 5.2 dargelegten Befunde zur studentischen Bewertung diverser Online-Lehrveranstaltungsarten im Hinblick auf die Entwicklung professioneller Kompetenzen (vgl. Abb. 2 sowie Tab. 2: Kodierungskategorien 1 und 2) kann von einer ambivalenten Gesamtlage gesprochen werden. Zwar werden (rein oder vorwiegend) synchrone Lehrveranstaltungsformate im Hinblick auf die Entwicklung professioneller Kompetenzen von den Studierenden deutlich positiver bewertet als asyn‐ chrone, jedoch bedeutet dies nicht zugleich, dass asynchrone Aufgaben-, Aktivierungs- oder Partizipationsformate weniger positiv bewertet werden als synchrone. Deutlich wird auch hier, wie problematisch es ist, ausgehend von holzschnittartig kategorisierten digitalen Lehrveranstaltungsarten generelle Aussagen zur Qualität der Online-Lehre generieren zu wollen. Mit Blick auf die am Anfang dieses Abschnitts zunächst dargestellten Befunde zu den von den Befragten erlebten, digitalen Aufgaben-, Aktivierungs- und Partizipationsformen (vgl. Abb. 3) ist zudem festzuhalten, dass sich eine sehr große Zahl von Studierenden (93%) damit konfrontiert sah, asynchrone Arbeitsaufträge im Rahmen der Vor- und Nachbereitung einer Seminarsitzung zu bearbeiten, dass aber nur 58% diese Aktivität als positiv im Sinne der Entwicklung ihrer professionellen Kompetenzen einschätzen. Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang auch die studentischen Kommentare zu den jeweils erlebten digitalen Aktivierungsformen. Inhaltsanalytisch ließen sich hierzu die folgenden Codes bzw. Kategorien herausfiltern: 36 Leo Will & Jürgen Kurtz <?page no="37"?> Kodierung/ Kategorien Anzahl der entsprechenden Kom‐ mentare 1. Diskussionen in breakout rooms 13 2. Diskussionen im Plenum 4 3. Rückmeldung durch Lehrkraft 4 4. Präsentationen 4 5. Arbeitsaufwand 4 6. Fremdsprachliche Mündlichkeit 3 7. Asynchrone Gruppenarbeit 3 8. Synchrone Gruppenarbeit 3 9. Asynchrone Schreibaufträge 3 Tab. 3: Studentische Kommentare zu den von ihnen erlebten, digitalen Aktivierungsformen Den mit Abstand höchsten Mitteilungsbedarf gibt es bezüglich der Einbeziehung von breakout rooms in die vorwiegend synchron angelegte universitäre Lehre. Hier gehen die Erfahrungen - und entsprechend die Meinungen - der Befragten auseinander. Es finden sich einige sehr positive Aussagen, z.B. „Gerade die Diskussionen in Breakouträumen haben mir gut gefallen, da diese meist unverbindlicher und kommunikativer waren als die Plenums-Diskussionen“ (#35). Demgegenüber lesen sich mehrere Kommentare jedoch eher negativ „Das Problem bei breakout rooms ist, dass in den Gruppen oft Deutsch geredet wird und manche Kommilitonen (wie auch in der Videokonferenz selbst, aber hier noch extremer) komplett ‚abtauchen‘ und nichts zur Diskussion (wenn denn überhaupt eine stattfindet) beitragen“ (#22). Hinzu kommt, dass von einzelnen Studierenden ausgeschaltete Kameras in den Breakouträumen als hinderlich wahrgenommen werden: „In breakout rooms ist es häufig so, dass Kommiliton*innen die Kamera aus haben und so keine richtige Diskussion entsteht“ (#210). Diskussionen im digitalen Plenum werden von vier Studierenden thematisiert - und alle vier Kommentare stellen dieser Aktivierungsform ein schlechtes Zeugnis aus. Dabei ist das jeweilige Unbehagen eher vage: „Im Plenum kommt man schlecht zu Wort, da digitale Interaktionen nicht so sind wie face-to-face“ (#33). Sowie: „Besonders Diskussionen im Plenum habe ich in Bezug auf die Online-Lehre als teilweise sehr schleppend und oft wenig gewinnbringend empfunden“ (#106). Dazu: „Im Plenum sagen immer nur dieselben etwas. 90% der Studierenden bringen keine Eigenleistung, sodass von ihrer Anwesenheit kaum profitiert wird“ (#69). Zu synchronen Online-Präsentationen ist zudem zu lesen: „Synchrone Online-Präsentationen empfinde ich persönlich als seltsam, da man nie weiß wer überhaupt zuhört und wer bereits mit etwas anderem beschäftigt ist.“ (#43). Und zu asynchronen Schreibaufträgen wird festgestellt: „Asynchrone Arbeit nur dann sinnvoll, wenn die Studenten in der Folgesitzung auch eine Rückmeldung erhalten und nicht einfach die nächste Aufgabe vorgesetzt bekommen.“ (#240). Asynchrone Gruppenarbeit wird zudem mitunter als besonders anstrengend empfunden: „Gruppenarbeiten sind sehr mühsam, da Digitale Formate in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung 37 <?page no="38"?> man sich zusätzlich zu dem Stress den man sowieso schon hat auch noch mit mehreren anderen Personen absprechen muss. Partnerarbeiten sind deutlich besser.“ (#279) In Anbetracht der insgesamt geringen Anzahl an studentischen Kommentaren insgesamt und der großen Streuung der Aspekte, die von den äußerungswilligen Studierenden thematisiert wurden, lassen sich hieraus jedoch keine tragfähigen Erkenntnisse gewinnen. Festzuhalten bleibt, dass die digitale Lehre subjektiv unterschiedlich wahrgenommen und erlebt wurde und sich keine eindeutigen Bewertungstendenzen (für oder gegen bestimmte synchrone oder asynchrone Aktivierungsformen) ergeben. Offenbar (hier eher hypothe‐ tisch formuliert) ist der wahrgenommene Erfolg bzw. Ertrag einer digitalen Lehrveran‐ staltung weniger an die genutzte Kommunikationstechnologie (i.e. Lernplattformen oder Videokonferenztools) als an deren tatsächliche Verwendung (z.B. das Ein- oder Ausschalten der Videokamera) gebunden. Entscheidend ist offenbar, wie auch in der Präsenzlehre, die individuelle Bereitschaft der Studierenden, sich selbst aktiv und engagiert in das vorgefundene Lehr-/ Lernsetting mit den angebotenen synchronen und/ oder asynchronen Aktivierungsformen kritisch reflektierend einzubringen. - 5.4 Dimensionen der Fremdsprachenlehrkräftebildung Den Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektbezug der jeweils erlebten Online-Lehre schätzen die Studierenden, die an dieser Befragung teilnahmen, wie folgt ein: Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektbezug in der Online-Lehre Die Online-Lehre, wie ich sie erlebt habe, hatte einen besonders ausgeprägten Wissenschaftsbezug Die Online-Lehre, wie ich sie erlebt habe, hatte einen besonders ausgeprägten Berufsfeldbezug Die Online-Lehre, wie ich sie erlebt habe, hatte einen besonders ausgeprägten Subjektbezug Abb. 5: Studentische Bewertung des Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektbezugs der erlebten Online-Lehre Hier zeigt sich, dass der Wissenschaftsbezug der belegten (fremdsprachendidaktischen und bezugswissenschaftlichen) Online-Lehrveranstaltungen in der Wahrnehmung der Befragten offenbar stark (75%), der Berufsfeldbezug (58%) und der Subjektbezug (52%) weniger stark ausgeprägt war. Der Wissenschaftsbezug findet in den studentischen Kommentaren allerdings kaum explizite Erwähnung. Äußerungen in diesem Bereich sind eher vage. Bisweilen wird auf ein Zuviel an Theorie und einen Mangel an sog. Praxisbezug verwiesen. Fast alle Kommentare, die auf den Berufsfeldbezug abheben, betonen dementsprechend dessen Wert, und einige halten die sog. Praxisorientierung für unterrepräsentiert, z.B.: „In vielen Kursen war es 38 Leo Will & Jürgen Kurtz <?page no="39"?> mir zu voll von Theorien und zu fern vom Berufsfeld“ (#189). Insbesondere angehende Englischlehrkräfte an Grundschulen (Lehramt L1 in Hessen) bemängeln dies: „Gerade für uns L1er erschließt sich oftmals nicht der Sinn der Veranstaltung für unsere spätere Tätigkeit. Optimal wäre es, wenn Englisch für L1 komplett separat angeboten werden würde, ein Fortschritt wären aber immerhin mehr Seminare, die auf L1 ausgelegt sind und sehr praktisch orientiert sind“ (#137). Ob diese Einwände jedoch speziell auf die jeweils erlebte digitale Lehre bezogen sind, ist fraglich. Offenbar ist diese Kritik eher auf die Polyvalenz der Studiengänge, weniger auf die pandemiebedingt rein digitale Lehre bezogen. Einigen Studierenden erscheint es wichtig zu sein, dass die Lehrenden eine Vorbildfunk‐ tion im jeweiligen digitalen Lehr-/ Lernsetting übernehmen: „Die Online-Lehre hat für neue Konzepte für den Unterricht gesorgt, die man kennenlernte“ (#152). „Besonders positiv beeindruckt bin ich, dass es in allen Formaten gelungen ist, den Studierenden die Möglichkeit zu geben, sich ausreichend persönlich einzubringen. Ich hab nun Beispiele, wie flexibel man in Krisen reagieren kann und welch unterschiedliche Möglichkeiten es gibt, gute Lehre weiterzuführen“ (#250). Offenbar werden subjektive Erfahrungen mit bestimmten Lehr-/ Lernformaten, wenn sie als förderlich für die späteren beruflichen Praxen angesehen werden, als wertvolle Impulse zur Professionalisierung als angehende Fremdsprachenlehrkraft angesehen. Ob und inwieweit die Studierenden den wahrgenom‐ menen Wissenschafts- und Berufsfeldbezug einer Online-Lehrveranstaltung an deren Format (synchron - asynchron, schriftlich - mündlich, etc.) festmachen, lässt sich aus gewonnen Daten nicht eruieren. In Bezug auf den Subjektbezug der Online-Lehre, i.e. die Berücksichtigung der indivi‐ duellen Lernbiographien, Vorkenntnisse oder Erfahrungen der Studierenden, finden sich in den studentischen Kommentaren eine Reihe von problematisierenden Stellungnahmen, speziell zu (vorwiegend) asynchron angelegten Lehrveranstaltungen: „Subjektbezug durch asynchrone Seminare eher nicht gegeben“ (#128). „Der Subjektbezug wurde in einigen Veranstaltungen hergestellt, allerdings nicht in asynchronen Veranstaltungen. Meines Empfindens nach entsteht dieser erst in der direkten Interaktion und Auseinandersetzung mit dem Lehrstoff und den Mitstudierenden“ (#15). Bei der Nutzung eines Online-Forums würde zwar die Äußerung eigener Meinungen und das Teilen eigener (Lern-)Erfahrungen angeregt. Jedoch lasse der anschließende Austausch bisweilen zu wünschen übrig: „Der Subjektbezug findet zwar statt, erfolgt meiner Erfahrung nach sehr oberflächlich und (zu) öffentlich; nämlich zumeist im Forum [auf der Lernplattform]. Eine Vielzahl meiner Kommiliton*innen ‚agreed‘ zu was auch immer ein paar Beiträge sagen. Darauf wird sich ausgeruht und nicht weiter gedacht. Wieso auch? Wer möchte 30 mal das gleiche lesen wenn die Frage keinen Transfer fordert? “ (#69). Unter den Kommentaren finden sich allerdings auch positivere Äußerungen, etwa zum schriftlichen Verfassen von learning logs oder reflective reading responses, die typisch für die asynchrone Online-Lehre sind. Ein/ e Student*in schreibt hierzu, dass das regelmäßige Verfassen solcher Texte „sehr zur persönlichen Entwicklung beigetragen hat“ (#22). Leider geben die studentischen Kommentare keine Auskünfte zum vor- und nachbereitenden Umgang der Lehrperson mit den eingereichten schriftlichen Reflexionen. Digitale Formate in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung 39 <?page no="40"?> 6 Zusammenfassung Die in den Jahren 2020-2021 in der Fremdsprachenlehrkräftebildung an sieben Universi‐ täten in Deutschland und Österreich angebotene Online-Lehre zeichnete sich durch ihre Vielfalt an digitalen Veranstaltungsformaten sowie Aufgaben-, Aktivierungs- und Partizi‐ pationsformen aus. Tendenziell erlebten die Studierenden, die an der Befragung teilnahmen, mehr synchrone bzw. vorwiegend synchrone als asynchrone bzw. vorwiegend asynchrone Lehrveranstaltungen. Hinsichtlich der studentischen Beurteilung der verschiedenen digi‐ talen Veranstaltungsformate und Aktivierungsformen ergibt sich ein ambivalentes Bild. So werden synchrone bzw. vorwiegend synchron angelegte Lehrveranstaltungsformate zwar tendenziell bevorzugt, jedoch werden asynchrone bzw. vorwiegend asynchrone Aufgaben- und Aktivierungsformen nicht zugleich auch als weniger bedeutsam für die Entwicklung professioneller Kompetenzen in den Dimensionen Wissenschafts-, Berufsfeld- und Sub‐ jektbezug eingeschätzt. Im Kern ist der ‚Faktor Mensch‘ (weniger die jeweils eingesetzte digitale Technologie) entscheidend. Dies ist weniger trivial als es den Anschein haben mag. Es bedeutet lehrseitig, die digitale Lehre so zu gestalten, dass sie in den drei Dimensionen Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektbezug im integrativen Sinne zu überzeugen bzw. positiv zu wirken vermag. Dabei kommt es sicherlich auch auf die Auswahl jeweils geeigneter Technologien und Werkzeuge an. Von noch größerer Bedeutung ist jedoch deren vorbildliche Nutzung durch die Lehrkraft im Sinne eines leading by example. Es gilt lehrseitig, das jeweils erwünschte bzw. angestrebte Nutzungsverhalten vorzuleben. Was hochschuldidaktisch sinnvoll und nützlich erscheint, muss handlungspraktisch vorgelebt, angeleitet, problematisiert und zur Diskussion gestellt werden. Geschieht dies nicht, so muss, wie beispielsweise an der Kritik mancher Studierender am unzureichenden bzw. nicht vorhandenen Rückmeldeverhalten einiger Dozent*innen in (vor allem) asynchronen Settings erkennbar, mit negativen Resonanzen gerechnet werden. Lernseitig gilt es, sich möglichst unvoreingenommen auf das jeweilige digitale Lehr-/ Lernangebot einzulassen, es aktiv zu nutzen und zugleich kritisch zu begleiten. Wichtig ist, dass Studierende das Angebotene auf sich wirken lassen, bevor sie es in ihren positiven oder negativen Wirkungen hinsichtlich der wahrgenommenen Professionalisierungspotenziale in den Dimensionen Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektorientierung beurteilen. Im Rahmen der Online-Befragung wird deutlich, dass Studierende in der digitalen Lehre mitverfolgen und reflektieren, wie sie sich selbst und wie sich andere jeweils einbringen, und dass sie daraus (mehr oder weniger fundierte bzw. belastbare) Rückschlüsse in Bezug auf die Qualität der digitalen Lehre ziehen. Diesen mitunter verdeckten, zunächst noch eher intuitiven Prozess der Metareflexion digitalen Lehrens und Lernens gilt es behutsam offenzulegen und für die weitere Professionalisierung fruchtbar zu machen. 7 Rück- und Ausblick Eine erst im Rahmen der interpretativen Datenauswertung festgestellte Problemstelle der hier dokumentierten Untersuchung ist, dass die Studierenden nicht dazu befragt wurden, was genau sie unter professionellen Kompetenzen im hier speziell in den Blick genom‐ menen Kontext der Fremdsprachenlehrkräftebildung verstehen. In der Folge ist allenfalls 40 Leo Will & Jürgen Kurtz <?page no="41"?> im Ansatz zu erkennen, auf welcher Grundlage sie die jeweils erlebten, rein digitalen Lehr‐ veranstaltungsangebote und Aufgaben-, Aktivierungs- und Partizipationsformen bewertet haben. Anzunehmen ist, dass es einige nicht zu unterschätzende Unterschiede zwischen dem, was Studierende als Ziele der Professionalisierung und Erwartungen an die (digitale) Fremdsprachenlehrkräftebildung betrachten und dem, was die Lehrenden für wichtig und gewinnbringend erachten. Künftige Untersuchungen sollten dies berücksichtigen. Literatur Burwitz-Melzer, Eva, Riemer, Claudia & Schmelter, Lars (2018) (Hrsg.). Rolle und Professionalität von Fremdsprachenlehrpersonen. Arbeitspapiere der 38. Konferenz zur Erforschung des Fremd‐ sprachenunterrichts. Tübingen: Narr Francke Attempto (Giessener Beiträge zur Fremdsprachen‐ didaktik). CHE (Centrum für Hochschulentwicklung) (2017). Monitor Digitale Bildung. Die Hochschulen im digitalen Zeitalter. Abrufbar unter: https: / / www.bertelsmann-stiftung.de/ fileadmin/ files/ BSt/ Pub likationen/ GrauePublikationen/ DigiMonitor_Hochschulen_final.pdf (1.8.2022) Kuckartz, Udo (2012). Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Wein‐ heim: Beltz-Juventa. Kurtz, Jürgen (2011a). Die Fremdsprachenlehrerbildung im Spannungsfeld von Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektorientierung. Denkwürdiges und Richtungsweisendes aus 30 Jahren Frühjahrskonferenz. In Karl-Richard Bausch, Eva Burwitz-Melzer, Frank G. Königs & Hans- Jürgen Krumm (Hrsg.) Fremdsprachen lehren und lernen: Rück- und Ausblick. Arbeitspapiere der 30. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts (S. 84-96). Tübingen: Narr Francke Attempto (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik). Kurtz, Jürgen (2011b). Die Englischlehrerbildung im Strudel der Ungewissheiten. Vom vermeintlich Erforderlichen zum möglicherweise Besseren? In Karl-Richard Bausch, Eva Burwitz-Melzer, Frank G. Königs & Hans-Jürgen Krumm (Hrsg.) Erforschung des Lehrens und Lernens fremder Sprachen. Forschungsethik, Forschungsmethodik und Politik. Arbeitspapiere der 31. Frühjahrskonferenz zur Er‐ forschung des Fremdsprachenunterrichts (S. 146-156). Tübingen: Narr Francke Attempto (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik). Kurtz, Jürgen (2018). Ganzheitliche Englischlehrerbildung: Englischunterrichtliche Lehrwerke als vernachlässigte Bildungsinstrumente. In Eva Burwitz-Melzer, Claudia Riemer & Lars Schmelter (Hrsg.) (S. 88-97). Tübingen: Narr Francke Attempto (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendi‐ daktik). Knorr, Petra & Schramm, Karen (2022). Triangulation. In Daniela Caspari, Friederike Klippel, Michael K. Legutke & Karen Schramm (Hrsg.) Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik. Ein Handbuch (S. 97-104). Tübingen: Narr Francke Attempto. UDE (Universität Duisburg-Essen) (2021). EdiHo - Erfolgsfaktoren digitaler Hochschullehre. Abrufbar unter: https: / / www.uni-due.de/ imperia/ md/ content/ zhqe/ istat_2021_ediho_sose2020_gesamtberi cht.pdf. (1.8.2022) Zydatiß, Wolfgang (2012). Fragebogenkonstruktion im Kontext des schulischen Fremdsprachenler‐ nens. In Sabine Doff (Hrsg.) Fremdsprachenunterricht empirisch erforschen. Grundlagen - Methoden - Anwendung (S. 115-125). Tübingen: Narr Francke Attempo. Digitale Formate in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung 41 <?page no="42"?> Anhang: Das Online-Erhebungsinstrumentarium in der Printversion -Liebe/ r Student*in, im Sinne einer Verbesserung der universitären Lehre interessieren wir uns für die Erfahrungen und Bewertungen angehender Fremdsprachenlehrkräfte in Bezug auf die digital gestützten Lehr‐ veranstaltungen während der Pandemie. Wir freuen uns daher, wenn Sie sich ca. 13 Minuten Zeit nähmen zur Beantwortung des folgenden Fragebogens. Es handelt sich nicht um Pflichtfragen, somit können einzelne Fragen übersprungen werden. - Personenbezogene Daten Auf das Unterrichten welcher Fremdsprache(n) zielt Ihr Studium ab? • Deutsch als Fremd-/ Zweitsprache • Englisch • Französisch • Spanisch Im wievielten Semester befinden Sie sich gegenwärtig? (Master-Studierende: bitte Ba‐ chelor-Semester mit einrechnen) - 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 und höher -- - - - - - - - - - - In welchen der folgenden „Pandemie-Semester“ haben Sie universitäre Lehrveranstal‐ tungen besucht? • Sommersemester 2020 • Wintersemester 2020/ 21 • Sommersemester 2021 - -Als angehende Fremdsprachenlehrkraft haben Sie in den letzten drei Semestern hauptsächlich Online-Lehre an der Universität erlebt. Wir möchten gerne wissen, welche Formate und Elemente der Online-Lehre Sie erlebt haben und wie Sie diese hinsichtlich Ihrer Entwicklung hin zu einer kompetenten und umfassend gebildeten Lehrperson empfunden haben. Bitte beziehen Sie sich nur auf Veranstaltungen in Anglistik/ Romanistik/ DaF. - 42 Leo Will & Jürgen Kurtz <?page no="43"?> A. Veranstaltungsformate -Im Folgenden interessiert uns, welche Veranstaltungsformate Sie erlebt und wie Sie diese emp‐ funden haben. - A.1 Welche der folgenden Veranstaltungsformate haben sie erlebt? - Synchrone Online-Veranstaltung (z.B. wöchentliche digitale Präsenzlehre, etwa über Videokonferenzdienste wie Webex, Teams oder Zoom) erlebt nicht er‐ lebt - -- Wie stehen Sie zu dieser Art von Veran‐ staltung im Hinblick auf die Entwicklung Ihrer professionellen Kompetenzen? positiv eher po‐ sitiv eher ne‐ gativ negativ kann ich nicht be‐ urteilen - - - - -- - Vorwiegend synchrone Online-Veranstaltung (z.B. überwiegend digitale Präsenzlehre mit asynchronen Phasen, während derer z.B. ein Projekt umgesetzt wird oder schriftliche Aufgaben zu erle‐ digen sind) erlebt nicht er‐ lebt - -- Wie stehen Sie zu dieser Art von Veran‐ staltung im Hinblick auf die Entwicklung Ihrer professionellen Kompetenzen? [Vierstufige Bewertungsskala wie oben] - Vorwiegend asynchrone Online-Veranstaltung (z.B. überwiegend schriftliche Kommunikation und/ oder Projektarbeit, dazu vereinzelte Videokonferenzen) erlebt nicht er‐ lebt - -- Wie stehen Sie zu dieser Art von Veran‐ staltung im Hinblick auf die Entwicklung Ihrer professionellen Kompetenzen? [Vierstufige Bewertungsskala wie oben] - Rein asynchrone Online-Veranstaltung (z.B. zeitversetzte schriftliche Kommunikation unter Einbeziehung digitaler Lernmanagementsysteme, Diskussionsforen und/ oder E-Mail-Dienste; kei‐ nerlei digitale Präsenzpflicht) erlebt nicht er‐ lebt - -- Wie stehen Sie zu dieser Art von Veran‐ staltung im Hinblick auf die Entwicklung Ihrer professionellen Kompetenzen? [Vierstufige Bewertungsskala wie oben] - Digitale Formate in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung 43 <?page no="44"?> A.2 Im Folgenden erhalten Sie die Gelegenheit, Ihre Bewertung der oben aufgeführten Veranstaltungsformate im Hinblick auf die Entwicklung Ihrer professionellen Kompe‐ tenzen etwas näher zu erläutern. -[Zeichenbegrenzung: 500 Zeichen] - -B. Formen der studentischen Beteiligung und Aktivierung -Im Folgenden interessiert uns, welche Formen der Beteiligung und Aktivierung Sie erlebt und wie Sie diese empfunden haben. - B.1 Welche der folgenden Formen der Beteiligung und Aktivierung haben sie erlebt? -[Zunächst jeweils „erlebt“ vs. „nicht erlebt“, dann vierstufige Bewertungsskala wie oben] - - erlebt nicht er‐ lebt eine Online-Präsentation vorbereiten und syn‐ chron durchführen individuell - - in Partnero. Gruppenarbeit - - ein digitales Produkt im Rahmen eines asyn‐ chronen Projekts erstellen (z.B. Podcast, Video, Unter‐ richtsmaterial) individuell - - in Partnero. Gruppenarbeit - - einen Arbeitsauftrag in Echtzeit während der On‐ line-Sitzung bearbeiten (z.B. Ideen sammeln und später im Plenum vor‐ stellen) individuell - - in Partnero. Gruppenarbeit - - einen asynchronen Schreibauftrag bearbeiten (z.B. bezogen auf Fachlite‐ ratur oder Seminarinhalte, z.B. E-Portfolio) individuell - - in Partnero. Gruppenarbeit - - in Kleingruppen diskutieren (breakout rooms) - - im Plenum diskutieren - - mit einem interaktiven Tool arbeiten (z.B. Wiki, Umfrage-Tool, interaktive Videos, Padlet, Etherpad) - - asynchrone Arbeitsaufträge im Rahmen der Vor- und Nachbereitung einer Seminarsitzung bearbeiten - - B.2 Im Folgenden erhalten Sie die Gelegenheit, Ihre Bewertung der oben aufgeführten Ak‐ tivierungsformen im Hinblick auf die Entwicklung Ihrer professionellen Kompetenzen etwas näher zu erläutern. -[Zeichenbegrenzung: 500 Zeichen] - 44 Leo Will & Jürgen Kurtz <?page no="45"?> B.3 Im Folgenden erhalten Sie die Gelegenheit, erlebte Aktivierungsformen zu nennen und zu erläutern, die oben nicht aufgeführt waren. -[Zeichenbegrenzung: 500 Zeichen] - -C. Dimensionen der Fremdsprachenlehrer*innenbildung -Die folgenden Items beziehen sich auf drei wichtige Dimensionen von Fremdsprachenlehrer*in‐ nenbildung: Wissenschaftsbezug, Berufsfeldbezug, Subjektbezug. - C.1 Wie haben Sie diese Dimensionen in der Online-Lehre erlebt? - - trifft zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft nicht zu kann ich nicht be‐ urteilen Die Online-Lehre, wie ich sie erlebt habe, hatte einen besonders ausge‐ prägten Wissenschaftsbezug. → Wissenschaftsbezug: Auseinan‐ dersetzung mit einschlägigen The‐ orien und empirischen Studien sowie Heranführung an die eigene Forschung etwa bei Hausarbeiten oder bei der Abschlussarbeit (BA, MA, WHA) - - - - - Die Online-Lehre, wie ich sie erlebt habe, hatte einen besonders ausge‐ prägten Berufsfeldbezug. → Berufsfeldbezug: Auseinanderset‐ zung mit unterrichtspraktischen Ansätzen und Konzepten, Ver‐ knüpfung mit Schulpraktika, Ana‐ lyse von Unterrichtsmaterialien, etc. - - - - - Die Online-Lehre, wie ich sie erlebt habe, hatte einen besonders ausge‐ prägten Subjektbezug. → Subjektbezug: Einbeziehung meiner Person, also meiner Er‐ fahrungen, Meinungen und Kom‐ petenzen, jeweils bezogen auf Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft - - - - - Digitale Formate in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung 45 <?page no="46"?> C.2 Im Folgenden erhalten Sie die Gelegenheit, Ihre Bewertung des Wissenschafts-, Berufsfeld-, und Subjektbezugs der Online-Lehre etwas näher zu erläutern. -[Zeichenbegrenzung: 500 Zeichen] - 46 Leo Will & Jürgen Kurtz <?page no="47"?> Interaktive Präsentationen als Format zur Aktivierung von Studierenden in der digitalen Hochschullehre-- ein datenbasierter Einblick in Bearbeitungs- und Reflexionsprozesse von Lehramtsstudierenden des Faches Spanisch Sophie Engelen & Johanna Lea Korell 1 Einleitung Die Digitalisierung von Bildungsprozessen stellt seit einigen Jahren ein zentrales Thema sowohl der Bildungspolitik in Deutschland als auch in der Lehrkräftebildung und den Fachdidaktiken dar. Darauf weisen beispielsweise die umfassenden Maßnahmen hin, die auf einen Ausbau der digitalen Infrastruktur an Schulen und Hochschulen sowie der Medien‐ kompetenzen entsprechender Akteur*innen des Bildungssystems abzielen. Exemplarisch können hier der „Digitalpakt Schule“ (BMBF 2019) oder die Förderlinie „Digitalisierung in der Lehrerbildung“ der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ (BMBF 2022) angeführt werden. Die gesundheitliche, soziale und politische Ausnahmesituation der Covid-19-Pandemie hat diese Entwicklungen beschleunigt bzw. auf noch deutlichere Weise in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt: Mit dem unvermittelten Aussetzen der Präsenzlehre über einen Zeitraum von mehreren Semestern musste dem Thema der digitalen Hochschullehre ein größeres Gewicht beige‐ messen werden. Im Sinne eines „Emergency Remote Teaching“ (Mulders & Krah 2021: 27) fanden sich sowohl Studierende als auch Dozierende in einer Situation wieder, in deren Rahmen etablierte Lehr-Lern-Settings ad hoc in einen digitalen Raum übertragen bzw. dezidiert dafür kreiert werden mussten: „Statt einer gut durchdachten und geplanten digitalen Transformation wurden [sie] innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne mit vielen Neuerungen und Anforderungen konfrontiert“ (ebd.: 28). Jedoch lieferte diese Ausnahme‐ situation auch wichtige Impulse für eine Auseinandersetzung mit weniger vertrauten Methoden und Werkzeugen sowie digitalen Lehr-Lern-Konzepten, was nach Ammenwerth (2021: 1328) zu einem „erheblichen Innovationsschub“ in der Lehre geführt habe. Für die Fremdsprachendidaktik ist insbesondere der Sammelband von Niesen, Elsner & Viebrock (2020a) zu nennen, der umfassende Einblicke in die Theorie und Praxis digitalisierter Formate der Lehrkräftebildung sowie zahlreiche Best Practice-Beispiele für die Umsetzung fremdsprachendidaktischer Veranstaltungsformate präsentiert. Bezüglich der Perspektive von Studierenden auf die digitale Hochschullehre, die im Fokus des vorliegenden Beitrags steht, zeigen Liechti und Wiedmer (2021: 430f.), dass <?page no="48"?> Lehramtsstudierende insbesondere in der hohen Heterogenität der leistungsbezogenen An‐ forderungen, der Vielzahl digitaler Tools sowie der eigenverantwortlichen Strukturierung und Organisation der Lerninhalte große Herausforderungen sehen. Weiterhin konnten Krammer, Pflanzl & Matischek-Jauk (2020) im Rahmen einer qualitativen Befragung österreichischer Lehramtsstudierender verschiedener Fächer (n = 75) herausarbeiten, dass sich diese vorrangig durch die Einschränkungen der sozialen Interaktionen, die sie im Rahmen der Online-Lehre im Vergleich zur analogen Lehre erleben, belastet fühlen. Laut Reitinger und Proyer (2021: 121ff.) stellt jedoch gerade die Auseinandersetzung mit den Ein‐ stellungen und Meinungen anderer Studierender ein konstitutives Element dar, um junge Erwachsene zu einer selbsttätigen und selbstbestimmten Handlungsweise im Rahmen ihres Hochschulstudiums zu führen. Mit Bezug zur Lehrkräftebildung in den fremdsprachlichen Fächern kommen zwei weitere Herausforderungen hinzu, die Tesch, Pelchat & Ulloa (2018: 101f.) bereits für die analoge Lehre identifizieren und die sich im Rahmen der Corona-Pandemie noch verschärft haben: Diese liegen in einer angemessenen Rückbindung der Seminarkonzeptionen und Lerninhalte an die Schulpraxis sowie der Schaffung eines diskursiven Raumes, der (fremdsprachliche) Interaktionen zwischen Studierenden mit Bezug zum Fremdsprachenunterricht ermöglicht. Anknüpfend an diese Diskussionspunkte stellt der vorliegende Beitrag die Konzeption des Seminars „Kompetenzorientierung im Spanischunterricht“ in den Fokus, die in der ersten Phase der Umstellung auf die rein digitale Lehre im Zuge der Corona-Pandemie entstanden ist. Das Seminar wurde als synchrone Lehrveranstaltung konzipiert, d.h. als Lehr-Lernsituation, in deren Rahmen Lehrende und Studierende zwar räumlich getrennt sind, aber gleichzeitig via Videokonferenz kommunizieren. Inhaltlich ist der Kurs im vierten Semester der Lehramtsausbildung für das Gymnasiallehramt im Fach Spanisch angesiedelt und zielt auf die einführende Vermittlung zentraler fachdidaktischer Konzepte, die für das Fremdsprachenlernen relevant sind: Dazu zählen sowohl die Kompetenzals auch die Aufgabenorientierung sowie verschiedene methodische Zugänge zu den funktional-kom‐ munikativen, interkulturellen und methodischen Kompetenzen (vgl. KMK 2004; 2012). Die jeweiligen Themenschwerpunkte wurden in einem wöchentlichen Rhythmus besprochen, wobei die Studierenden eine Mitverantwortung für die Gestaltung der Sitzungen trugen. Dies erfolgte in Form von interaktiven Präsentationen, die nicht nur eine Aufbereitung und Moderation der jeweiligen Inhalte, sondern auch eine digital-gestützte Aktivierung der Seminarteilnehmer*innen umfassten. Von besonderem Interesse aus der Forschungsperspektive ist, wie die Studierenden ihre Präsentationen mit Blick auf ihr Aktivierungs- und Interaktionspotenzial sowie ihre eigene Rolle als Lehrende im digitalen Raum erleben und begründen. Deshalb wurde im Rahmen des digitalen, seminarbegleitenden Portfolios eine systematische, schriftliche Reflexion der Seminarsitzungen unter Einbezug von Peer-Feedback angeregt. Ziel des Beitrags ist es also einerseits, ein Lehr-Lernformat vorzustellen, das im Kontext der digi‐ talen Lehrkräftebildung entwickelt, eingesetzt und erprobt wurde. Andererseits sollen die konkrete Umsetzung aktivierender und interaktiver Impulse seitens der Studierenden und ihre Perspektive auf die durchgeführten Einheiten exploriert werden. Somit leiten folgende Forschungsfragen den vorliegenden Beitrag, der sich an dem Dreischritt der Planung, Umsetzung und Reflexion der Seminarsitzungen durch die Studierenden orientiert: 48 Sophie Engelen & Johanna Lea Korell <?page no="49"?> • Wie gehen die Lehramtsstudierenden bei der Planung und Gestaltung ihrer digitalen in‐ teraktiven Präsentationen in einem virtuellen, synchronen Lehrveranstaltungsrahmen vor? Wie setzen sie das Format der digitalen interaktiven Präsentation in die Seminar‐ praxis um? - • Zu welchem Zweck, zu welchem Zeitpunkt und in welchen Formaten werden digitale Impulse der Aktivierung und Interaktivität von den Studierenden eingesetzt? Wie reflektieren sie diese hinsichtlich ihrer Potentiale, eine selbstständige Auseinander‐ setzung mit neuen Lerninhalten anzuregen? - • Welche Implikationen ergeben sich für die zukünftige und nachhaltige Implementie‐ rung des Formats der interaktiven Präsentation in der Onlinesowie der Präsenz- Lehre? - 2 Theoretische und methodische Zugänge zu dem Format der interaktiven Präsentation Wie Benitt und Schmidt (2016: 281) für den Kontext der Lehrkräftebildung im Fach Englisch zeigen, stellen Videokonferenzen ein wichtiges Medium dar, das eine Kooperation verschie‐ dener, schulischer und universitärer Akteur*innen in Seminarkontexten ermöglicht und so Personen zu einem direkten Austausch verhelfen kann, die räumlich voneinander getrennt sind. Jedoch stellen Videokonferenzen (und vergleichbare digitale Formate) niemals einen ‚Selbstzweck‘ dar, „denn der Mehrwert für die Teilnehmenden entsteht durch ihre enge Zusammenarbeit in verschiedenen Interaktionsräumen, die durch die Nutzung digitaler Medien erheblich erleichtert wird bzw. durch sie erst zustande kommt“ (ebd.). Hier schließen die Fragen an, wie genau Interaktionen zwischen Studierenden bzw. Studierenden und Dozierenden in virtuellen, synchronen Seminarkontexten initiiert werden können und welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um eine rein rezeptive Rolle von Studierenden aufzulösen. Im Folgenden werden zunächst die Konzepte der Aktivierung und Interaktivität im Kontext digitaler Hochschuldidaktik vorgestellt, um anschließend in dem konkreten Kontext des fremdsprachendidaktischen Seminars verortet zu werden, dessen Konzeption daraufhin vorgestellt wird. - 2.1 Aktivierung und Interaktivität: Terminologie und Forschungsergebnisse Aus (hochschul-)didaktischer Perspektive stehen verschiedene Aktions- und Sozialformen sowie Methoden der Aktivierung von Studierenden zur Verfügung, die potenziell auch auf digitale Veranstaltungskontexte übertragen werden können (vgl. im Überblick Wipper & Schulz 2021: 41ff.). Typische Beispiele bestehen in der Aktivierung von Vorwissen über Frage-, Diskussions- und Brainstormingtechniken oder die Wahl ,kleinerer‘ Sozialformen wie Partner- und Gruppenarbeiten insbesondere in Seminarkontexten. Die Übersicht von Ammenwerth (2021: 1331) zeigt exemplarisch auf, welche Möglichkeiten zur Aktivierung von Lerngruppen auch in virtuellen, synchronen Lehr-Lernkontexten zur Verfügung stehen: Interaktive Präsentationen als Format zur Aktivierung von Studierenden 49 <?page no="50"?> Studentische Aktivierung und Interaktivität in der virtuellen Hochschullehre 1331 Tab. 1 Didaktische Elemente zur Förderung von studentischer Aktivierung und Interaktivität in synchronen virtuellen Lehrsettings (Auswahl) Didaktische Elemente und Werkzeuge zur Förderung von Aktivierung und Interaktivität in synchroner virtueller Lehre ... eingesetzt z. B. für folgende didaktische Zielsetzung Studentische Aktivierung: Interaktive standardisierte virtuelle Umfragen Werkzeug: Abfrage-Tools Aktivierung von Vorwissen Einholen von Meinungen Abstimmung über Alternativen Gamification: Virtueller Quizz mit Fragen zum Thema Werkzeug: virtuelle Quizzes Überprüfung des Lernerfolgs Kurz-Impuls: „Was fällt Ihnen spontan zum Thema X ein? “ „Fassen Sie das bisher Verstandene in einem Satz zusammen! “ „Notieren Sie eine Frage zum Gehörten/ Erarbeiteten! “ Werkzeug: Chat (schriftlich) oder als Blitzlicht (mündlich) Aktivierung von Vorwissen Überprüfung des Lernerfolgs Sichtbarmachung von Unklarheiten Studentische Interaktivität: Gemeinsames interaktives Arbeiten an einem geteilten virtuellen Dokument im Plenum: Gemeinsame Erarbeitung von Inhalten Lehrperson gibt eine Frage zur Diskussion vor und notiert dann Antworten der Studierenden; dabei interaktive Diskussion und Sortierung der Antworten. Diskussionsergebnisse werden später allen bereitgestellt. Werkzeug: Geteilte Dokumente, Whiteboard Fachlichen Diskurs starten Kleingruppen-Aufgabe für virtuelle Kleingruppen: „Setzen Sie das bisher Besprochene in Bezug zu Theorie X/ Konzept Y! “ „Bearbeiten Sie das vorgegebene Fallbeispiel und erarbeiten und präsentieren Sie einen Lösungsvorschlag! “ Werkzeug: Geteilte Dokumente Fachlichen Diskurs starten Verankerung des Erlernten Anwendung des Erlernten Sichtbarmachung von Unklarheiten Kleingruppen-Arbeit mit konzeptioneller Landkarte: „Sichten Sie gemeinsam Literatur X und stellen Sie es in Bezug zum Besprochenen“ „Erstellen Sie gemeinsam ein MindMap der behandelten Themen! “Werkzeug: Kollaborative MindMap Tools Fachlichen Diskurs starten Verankerung des Erlernten Vertiefung des Erlernten Sichtbarmachung von Unklarheiten K Abb. 1: „Didaktische Elemente zur Förderung von studentischer Aktivierung und Interaktivität in synchronen virtuellen Lehrsettings (Auswahl)“ (Ammenwerth 2021: 1331) Wie bereits in der Übersicht deutlich wird, unterscheidet Ammenwerth (2021: 1329f.) zwischen Formen „studentischer Aktivierung“ und „studentischer Interaktivität“, die beide als „zentrale Erfolgsfaktor[en]“ gelingender Hochschullehre identifiziert werden. Während mit ersterer im übergeordneten Sinne auf Formen aktiven Lernens Bezug genommen wird, die sich beispielsweise in verbalen Beteiligungen an Diskussionen und Problemlöse‐ prozessen oder der Rückbindung von Lerninhalten an eigene (Berufs-)Erfahrungen zeigen, „ergänzt [Interaktivität] also das aktive Lernen auf individueller Ebene durch eine soziale Dimension, nämlich des Lernens gemeinsam mit anderen“ (vgl. ebd., Herv. der Verf.). Auch im Rahmen des vorliegenden Beitrags wird vorrangig dann von „Aktivierung“ gesprochen, wenn Lernprozesse auf einer individuellen Ebene initiiert werden. Demgegenüber dienen die Begriffe der „Interaktivität“ bzw. „Interaktion“ der besonderen Betonung der Zusam‐ 50 Sophie Engelen & Johanna Lea Korell <?page no="51"?> 1 Eine weiterführende Differenzierung des Begriffs der „Interaktion“, der die Kommunikation zwi‐ schen Menschen betont, und des Begriffs der „Interaktivität“, der vorrangig auf die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine abzielt (vgl. Benitt & Schmidt 2016: 267f.), bedarf für den Kontext des vorliegenden Beitrags keiner weiteren Betrachtung, da ausschließlich zwischenmenschliche Handlungen im Fokus der Analyse stehen. menarbeit von Studierenden im Seminarkontext, die zwangsläufig eine Aktivierung der einzelnen Lernenden voraussetzt. 1 Doch gerade diese soziale Dimension des Lernens un‐ terliegt im Rahmen der rein digitalen Lehre erschwerten Rahmenbedingungen: Wie Susman (2022: 5f.) für den übergeordneten Kontext der Erwachsenenbildung reflektiert, bestehe die Gefahr, die zwischenmenschliche Kommunikation in Videokonferenzen durch den stark zentrierten bzw. ,gesichtsbetonten‘ Kamerafokus deutlich auf sehr explizite, verbale Dimensionen zu reduzieren - insofern die kommunizierenden Personen überhaupt zu einer Nutzung der Kamerafunktion animiert werden können und entsprechende technische Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Diese Befunde bestätigen sich aus Studierendenperspektive, wie Vladova, Ullrich & Bender (2021) im Rahmen einer Befragung von 875 Studierenden verschiedener wirtschaftlicher sowie musisch-künstlerischer Fächer an deutschen Hochschulen heraus‐ arbeiten konnten: Diese betonen „die Möglichkeiten und die Notwendigkeit eines hohen Interaktivitätsgrads im digitalen Lehrraum“ (ebd.: 1324) als zentrales Qualitätsmerkmal von Online-Lehrveranstaltungen. Daran schließt auch die Studie von Krammer et al. (2020) an: Dort beschreiben Lehramtsstudierende verschiedener Fächer die aktive Ein‐ bindung in die Lehrveranstaltungen und die Möglichkeit zum persönlichen Austausch bzw. die regelmäßige Realisierung von Videokonferenzen als zentrale Faktoren, die einen subjektiv empfundenen Lernerfolg befördern können. Zugleich stellen Reitinger und Proyer (2021: 119) mit Bezug zu einer bildungswissenschaftlichen Veranstaltung für fortgeschrittene Lehramtsstudierende verschiedener Fächer heraus, dass für „die Lernbzw. Leistungsmotivation der Studierenden sowie deren generelle Einschätzung der Veranstaltungsqualität nicht die verwendeten digitalen Aktionsformen und Tools selber ausschlaggebend [seien], sondern - unbestreitbar und fast trivial angemerkt - die Qua‐ lität ihres Einsatzes.“ Mulders und Krah (2021: 36) akzentuieren demgegenüber den Zu‐ sammenhang zwischen der individuellen Akzeptanz bestimmter e-learning-Formate und deren regelmäßiger Nutzung durch Bachelorstudierende der Erziehungswissenschaften. Die kleine Stichprobe (n = 39 bzw. n = 19 zu zwei verschiedenen Erhebungszeitpunkten) hob insbesondere Videokonferenz- und note taking-Tools als Instrumente hervor, die einen interaktiven Austausch der Studierenden (und Dozierenden) sowie ein kollabora‐ tives Arbeiten befördern können (vgl. ebd.: 34).- - 2.2 Das Proseminar „Kompetenzorientierung im Spanischunterricht“ Im Zuge der Konzeption und Umsetzung des Proseminars „Kompetenzorientierung im Spa‐ nischunterricht“ wurden diese theoretischen Vorüberlegungen berücksichtigt: Zentrales Anliegen der Lehrveranstaltung war es, eine aktive Lehr-Lern-Atmosphäre zu kreieren und insbesondere Interaktionen der Studierenden im Rahmen der synchronen, virtuellen Seminarsitzungen anzuregen. Denn wie Flaig, Heltemes & Schneider (2021: 75) feststellen, können aktivierende und interaktive Impulse die Wirksamkeit von Lehre erhöhen, „indem Interaktive Präsentationen als Format zur Aktivierung von Studierenden 51 <?page no="52"?> sie ein vertieftes Verständnis, die Reflexion der Lerninhalte sowie die Überprüfung des vermittelten Wissens fördern“. Reitinger und Proyer (2021: 118) sprechen in diesem Zusammenhang auch von einer durch diese Art der Konzeption von Lehrveranstaltungen ermöglichte Anbahnung eines „Erleben[s] der Selbsttätigkeit bzw. Selbstbestimmung in Lerngelegenheiten und dessen Bedeutung“. Folglich sollte den Lehramtsstudierenden selbst eine Verantwortung für die Gestaltung der Seminarsitzungen übertragen und diese bei der Ausbildung digitaler Handlungs-, Analyse- und Reflexionskompetenzen unterstützt werden (vgl. Niesen, Elsner & Viebrock 2020b: 9). 2.2.1 Zielsetzungen, Inhalte und Prüfungsformat der Lehrveranstaltung Die untersuchte Lehrveranstaltung wurde als Proseminar konzipiert, das als Teil des Einführungsmoduls in die Didaktik der romanischen Sprachen und Literaturen im vierten Semester von allen Lehramtsstudierenden des Faches Spanisch besucht wird. Die Lehrveranstaltung führt die Studierenden an die Konzepte der Kompetenz- und Aufgabenorientierung als zentrale Prinzipien modernen Fremdsprachenunterrichts heran und legt einen Fokus auf die Erprobung und Reflexion verschiedener methodischer Ansätze. Nach theoretischen Input-Phasen zur Terminologie, der historischen Entwicklung und Charakteristika der Kompetenz- und Aufgabenorientierung setzen sich die Studierenden mit bildungspolitischen Dokumenten (insb. den Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache sowie dem hessischen Kerncurriculum für das Fach Spanisch) auseinander. Des Weiteren werden sie dazu angeregt, Herausforderungen und Auswirkungen der Kompetenz- und Aufgabenorientierung auf die Gestaltung des eigenen Spanischunterrichts (z.B. Rückwärtsplanung, Lernzielformulierung) zu reflektieren bzw. zu diskutieren. Dazu bearbeiten die Studierenden zunächst eine wissenschaftliche Schreibaufgabe, die den ersten Teil eines individuellen, digitalen Portfolios bildet, das die Studierenden auf der Lernplattform ILIAS erstellen: Diese zielt auf die theoretische, praxisbezogene und reflexive Durchdringung des Konzeptes der Kompetenzorientierung, welches die Ausgangsbasis für die Weiterarbeit im Seminar darstellt und eine kritisch-konstruktive Auseinandersetzung mit diesem Prinzip anbahnen soll (vgl. z.B. Küster 2016: 84). Anschließend beschäftigen sich die Studierenden mit den funktional-kommunikativen, methodischen und interkulturellen Kompetenzen sowie den sprachlichen Mitteln als Ziel‐ dimensionen des Fremdsprachenunterrichts intensiver (vgl. KMK 2004; 2012), indem sie in‐ teraktive synchrone Präsentationen gestalten und deren Konzeption schriftlich begründen bzw. reflektieren. Dies soll die Studierenden dazu anregen, relevante Inhalte selbstständig und tiefergehend zu erarbeiten, zu strukturieren und anwendungsbezogen umsetzen. Den Studierenden steht für ihre interaktive synchrone Präsentation eine Seminarsitzung im Umfang von 90 Minuten zur Verfügung, innerhalb derer sie die zentralen Inhalte ihren Kom‐ militon*innen möglichst aktivierend und interaktiv vermitteln sollen. Die Studierenden werden angeregt, folgende Aspekte bei der Gestaltung ihrer interaktiven Präsentationen zu berücksichtigen: 52 Sophie Engelen & Johanna Lea Korell <?page no="53"?> 1. Herstellung einer Interaktion mit und zwischen den Kommiliton*innen (u.a. Warmup-Übungen, Brainstorming-Phasen, Fragen, Diskussionsimpulse (z.B. in Form eines provokanten Statements)); 2. Einbindung unterschiedlicher Sozialformen sowie Peer-Feedback-Formate (z.B. an‐ hand von Bewertungsskalen, Kriterienrastern oder offenen Formaten); 3. Implementierung von Online-Tools zur Aktivierung der Kommiliton*innen (z.B. Mentimeter, Oncoo, AnswerGarden etc.); 4. Integration einer anwendungsbezogenen Praxisphase im Anschluss an die Erarbeitung theoretisch-konzeptioneller Inhalte zu Beginn der Präsentationen; 5. Konsultation von mindestens fünf Referenzen aus dem Literaturordner auf ILIAS sowie zwei selbst recherchierte, aktuelle und inhaltlich angemessene Referenzen; 6. Zusendung eines Verlaufsplans und der Präsentation vier Tage vor Abhalten der Präsentation an die Dozentinnen per E-Mail (Beratung und Feedback). Vor dem Präsentationstermin legen die Studierenden in Form einer schriftlichen Darstel‐ lung ihre Vorgehensweise bei der Vorbereitung auf die interaktive Präsentation dar und reflektieren, welche Herausforderungen sie dabei hinsichtlich ihrer Umsetzung in dem virtuellen, synchronen Veranstaltungsrahmen ermitteln konnten. Dies bildet den zweiten Teil des digitalen Portfolios. Im Anschluss begründen sie die Strukturierung ihrer Präsentation und erläutern die Funktion der einzelnen Abschnitte. Dabei nehmen sie auf die gewählten Sozialformen sowie online verfügbaren Tools Bezug, die insbesondere in den anwendungsbezogenen Praxisphasen ihrer Präsentationen eine wichtige Rolle spielen und der vertieften Auseinandersetzung mit einzelnen Aspekten des Themas dienen (z.B. Simulation von Unterrichtssituationen, Experimente, micro-teaching-units). Nach der Durchführung ihrer Präsentationen erfolgt eine schriftliche Reflexion unter Einbezug des Peer-Feedbacks. Dabei gehen sie auch auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu analogen Präsentationsformen ein, die ihnen aus vorherigen Semestern bekannt sind. Die von den Studierenden erstellten Portfolios umfassen zwei weitere, abschließende Teile, die insbesondere dazu dienen, die jeweiligen Präsentationsthemen an ihre Repräsentation in aktuellen Spanischlehrwerken rückzubinden und ausgewählte Lektionen und Lernauf‐ gaben unter Anwendung eines Schemas zur Rückwärtsplanung nach Steveker (2015: 45) hinsichtlich ihres Potentials für die Förderung der jeweiligen Teilkompetenzen zu analysieren bzw. zu überarbeiten. Weiterhin steht eine Integration und Reflexion der Se‐ minarinhalte und der verschiedenen Lehr-Lern-Formate hinsichtlich ihrer Bedeutsamkeit für das weitere Lehramtsstudium und für die zukünftige Tätigkeit als Spanischlehrkraft im Vordergrund. Das Seminar wurde unter Einbezug des Prinzips des constructive alignment geplant, das in seiner Verschränkung von Lernzielen, Lehr-Lernaktivitäten und Prüfungsmethoden als „Kern einer gut geplanten Lehrveranstaltung“ (Ulrich, Seifried & Schaper 2021: 59f.) erachtet wird. Daran schließt sich die Ausrichtung der Struktur und der Inhalte der Lehrveranstaltung an: Interaktive Präsentationen als Format zur Aktivierung von Studierenden 53 <?page no="54"?> Abb. 2: Constructive Alignment nach Biggs und Tang (2011) (Ulrich et al. 2021: 60) Mittels einer strukturierten Auswahl und Aufbereitung von theoretischen sowie unter‐ richtspraktisch relevanten Inhalten, abwechselnder Arbeits- und Sozialformen, dem Einsatz aktivierender bzw. interaktiver Methoden und digitaler Tools sowie der Einbindung realistischer Unterrichtsszenarien und Simulationen zur Förderung der Rollenübernahme und Reflexion in einem geschützten Raum der Erprobung wurde angestrebt, die hochschul‐ didaktische Konzeption der Lehrveranstaltung auch in den interaktiven Präsentationen der Studierenden sichtbar zu machen. Hinsichtlich einer fairen und transparenten Leis‐ tungsbeurteilung wird das Prüfungsformat des Seminars zu 25% der aus der interaktiven Präsentation und zu 75% aus dem Portfolio gebildet und spiegelt damit die inhaltlichen und methodischen Anforderungen bzw. Schwerpunktsetzungen wider, denen die Studierenden auch während der Seminarsitzungen begegnen. 2.2.2 Hochschuldidaktische Konzeption und Digitalisierung des Seminars Die Konzeption der untersuchten Lehrveranstaltung basiert auf einer engen Verzahnung von Theorie und Praxis. Diese hat im Kontext der Lehrkräftebildung eine besondere Relevanz und orientiert sich an dem Prinzip der „Doppelten Vermittlungspraxis (‚didakti‐ scher Doppeldecker‘)“ (Graulich & Schreiber 2021: 130). Der Anspruch, aktivierende und interaktive Impulse in einen virtuellen, synchronen Unterrichtskontext zu implementieren, gilt nicht nur für die Hochschullehre, sondern kann von den Studierenden auf die eigene Praxis des Spanischunterrichts übertragen werden. Somit erarbeiten die Studierenden im Rahmen ihrer interaktiven Präsentationen nicht nur relevante Inhalte, sondern machen verschiedene methodische Zugänge erfahrbar bzw. erproben den Einsatz digitaler Tools mit Blick auf ihr zukünftiges berufliches Handeln als Lehrkräfte in der Schule (‚Lernen durch Lehren‘). Pandemiebedingt wurde die Lehrveranstaltung, die vor der Covid-19-Pandemie in Präsenz in jährlichem Rhythmus stattfand, ab dem Sommersemester 2020 rein digital konzipiert. Dafür wurde ein synchrones Online-Format gewählt, das wöchentliche, digitale Treffen über das Videokonferenztool Cisco Webex vorsah. Die Entscheidung für das synchrone Online-Format liegt darin begründet, dass vor dem Hintergrund des ersten inhaltlichen Kontaktes der Studierenden mit fachdidaktischen Konzepten im Rahmen 54 Sophie Engelen & Johanna Lea Korell <?page no="55"?> des Einführungsmoduls ein möglichst direkter, intensiver und regelmäßiger Austausch zwischen den Studierenden bzw. den Studierenden und den Dozentinnen ermöglicht werden sollte. Weiterhin wurde vor dem Hintergrund der vielfach geschilderten, pande‐ miebedingten Belastungen (vgl. Liechti & Wiedmer 2021: 430f.) angestrebt, die soziale Eingebundenheit der Studierenden in den digitalen Lehrveranstaltungsrahmen zu beför‐ dern. Denn mit synchronen Formaten sowie regelmäßigen Seminarzeiten verbinden diese eine Erhöhung ihres subjektiv empfundenen Lernerfolgs (vgl. Krammer et al. 2020: 345). Zudem wurden mit der gemeinsamen Arbeit in Videokonferenzen die Vorteile ver‐ bunden, dass kooperative Arbeitsformen (z.B. in Form von Partner- und Gruppenarbeiten in den Breakout-Räumen) umgesetzt werden können, die sowohl eine direkte Interaktion der Akteur*innen als auch entsprechende Diskussions- und Feedbackprozesse anregen - gerade für das gewählte Format der interaktiven Präsentationen erschien dies unab‐ dingbar, um den Einsatz vielseitiger Formate der Aktivierung und Interaktivität zu befördern. Sowohl die Erstellung der Präsentation als auch ihre möglichst aktivierende und inter‐ aktiv-orientierte Umsetzung im synchronen Seminarkontext soll die Studierenden dazu veranlassen, sich vertieft mit den verschiedenen fachdidaktischen Themen des Seminars auseinanderzusetzen und diese kreativ mit geeigneten Lehr-Lernmethoden und -medien zu vermitteln. Dazu bedarf es der Formulierung von Zielen und der Konzeption von Aufgabenstellungen seitens der Studierenden für ihre Kommiliton*innen. Intendiert wird damit ein erhöhter Grad an Engagement, Eigeninitiative und Motivation mit Blick auf eine methodisch-didaktisch angemessene und abwechslungsreiche interaktive Präsentation mit sinnvoll eingesetzten Lernmedien (z.B. Quizze, Umfragen, Simulationen und Diskussionen von Unterrichtssituationen; vgl. Ammenwerth 2021: 1331). Vor dem Hintergrund eines nachhaltigen Lernens wird dabei auch ein Transfer des Formats der interaktiven Präsenta‐ tion auf zukünftige Lehrveranstaltungen angestrebt. 3 Methodisches Vorgehen - 3.1 Studienteilnehmende und Datensätze An dem Seminar haben neun Lehramtsstudierende des Faches Spanisch teilgenommen. Demnach wurden insgesamt neun digitale, interaktive Präsentationen durch die Studier‐ enden erarbeitet, welche zu Analysezwecken vorliegen und die sowohl Power-Point- Folien als auch Begleitmaterialien wie z.B. Arbeitsblätter oder digitale Ergebnissicherungen umfassen. Die Präsentationen der Studierenden beziehen sich auf unterschiedliche themati‐ sche Schwerpunkte der Lehrveranstaltung und wurden im Rahmen des digitalen Portfolios einer schriftlichen Reflexion unterzogen. Auch diese Texte standen für die Datenanalyse zur Verfügung. Das Einverständnis der Studierenden für die Studienteilnahme wurde in schriftlicher Form eingeholt.- Von den insgesamt neun vorliegenden Datensätzen wurden drei ausgewählt, die einer fallorientierten Untersuchung im Rahmen des vorliegenden Beitrags unterzogen wurden. Die Auswahl der Datensätze basierte auf definierten Kriterien, mittels derer die Herstellung einer maximalen Variation innerhalb der Gesamtgruppe intendiert wurde (vgl. Grum & Legutke 2022: 91f.). So sollte eine möglichst große Bandbreite eingesetzter Aktivierungs‐ Interaktive Präsentationen als Format zur Aktivierung von Studierenden 55 <?page no="56"?> formen bzw. interaktivitätsanregender Formate im Datenmaterial abgebildet werden, um eine vielfältige Betrachtung des Untersuchungsgegenstands gewährleisten zu können. Zudem sollte anhand der ausgewählten Datensätze eine gewisse Breite an Themenschwer‐ punkten der interaktiven Präsentationen berücksichtigt werden, indem sowohl sprachliche Mittel als auch funktional-kommunikative sowie inter- und transkulturelle Kompetenzen beleuchtet werden. - 3.2 Datenerfassung und -auswertung Bei den Datensätzen handelt es sich um Präsentationen und Reflexionen der Studier‐ enden, die nicht dezidiert mittels verschiedener Methoden und -instrumente erhoben worden sind, um bestimmte Forschungsfragen beantworten zu können. Vielmehr liegen Materialien vor, die auch unabhängig von dem vorliegenden Beitrag im Seminarkontext entstanden wären und somit zu Forschungszwecken parallel erfasst wurden. Damit wird sich einer Differenzierung angeschlossen, die auch Caspari (2022: 207) im Kon‐ text der Erfassung unterrichtsbezogener Produkte vornimmt. Dies impliziert, dass ein Forschungsinteresse erst mit Blick auf das vorliegende Material ausdifferenziert wird: Im Rahmen eines „zirkuläre[n] Vorgehen[s]“ (ebd.: 212) wurden die vorliegenden Materialien mehrfach gesichtet und hinsichtlich ihres Potenzials für die formulierten Forschungsfragen beurteilt.- Um die von den Studierenden gewählten Formen der Aktivierung und Interaktion erfassen und systematisieren zu können, wurde in einem ersten Schritt der Datenanalyse zunächst ein Kriterienraster direkt an den erfassten Dokumenten entwickelt, das anschlie‐ ßend auf die Gesamtheit der Datensätze angewandt wurde. Damit wird den Maßgaben einer induktiven, datenbasierten Kategorienbildung gefolgt, wie sie beispielsweise im Rahmen der „Qualitativen Inhaltsanalyse“ von Kuckartz und Rädiker (2022: 82ff.) beschrieben wird. Das Kriterienraster wird im folgenden Kapitel vorgestellt und anschließend für eine kate‐ goriengeleitete Datenanalyse genutzt, die mit konkreten Beispielen aus der Seminarpraxis unterfüttert wird (vgl. Kap. 4). - 3.3 Datenbasierte Entwicklung eines Analyserasters Zum Zweck der Datenauswertung wurde entlang des Datenmaterials ein Analyseraster einwickelt, das der Systematisierung der verschiedenen Formen und Aufgabenformate dient, derer sich die Studierenden bei der Setzung digitaler Impulse zur Aktivierung bzw. Interaktivität im Rahmen ihrer Präsentationen bedienen. Dieses wird im Folgenden vorgestellt. Es orientiert sich an fünf Leitfragen, die auf wesentliche Zieldimensionen, Akteur*innen, Medien und Wege, Zeitpunkte und Praxisbezüge der Aktivierungen und Interaktionen Bezug nehmen. Was wird aktiviert? Erstens können verschiedene Dimensionen und Gegenstände diffe‐ renziert werden, auf die Impulse der Aktivierung und Interaktivität durch die Studierenden abzielen: • kognitive Dimensionen: Es werden Assoziationen zur Terminologie oder inhaltliche Aspekte mit Bezug zum Präsentationsthema gesammelt. Individuelles Vorwissen wird aktiviert und auf den Seminarkontext transferiert, wobei häufig ein Bezug zu den Zweitfächern der Kommiliton*innen bzw. anderen Fachdidaktiken hergestellt wird. 56 Sophie Engelen & Johanna Lea Korell <?page no="57"?> • affektive, emotionale und motivationale Dimensionen: Es werden Gelegenheiten geschaffen, um einen Rückbezug zu eigenen Erfahrungsräumen herzustellen und Beispiele aus der eigenen Schulzeit oder der Praxis als Lehrkraft (meist im Schulprak‐ tikum oder als Vertretungslehrkraft) einzubringen, wobei nach damit verbundenen Empfindungen und dem eigenen Kompetenzerleben gefragt wird. • soziale Dimensionen: Es wird die Zusammenarbeit mit anderen Studierenden angeregt, wobei ein besonderer Fokus auf einem Erfahrungsaustausch zu selbst erlebten Unter‐ richtssituationen auf der Peer-Ebene liegt. Es werden Perspektivwechsel initiiert, die den Blick auf das gewählte Thema erweitern und die Empathie der Kommiliton*innen besonders fordern. • physische Dimensionen: Es werden Impulse gesetzt, die dezidiert auf eine körper‐ liche Aktivierung der Studierenden abzielen. Beispielsweise sollen die Studierenden aufstehen, sich vor der Kamera positionieren, bestimmte Gegenstände in ihrem Ar‐ beitsraum suchen oder in Pausen kurze Entspannungsübungen machen. Wer aktiviert wen? Zweitens können verschiedene Akteur*innen unterschieden werden, die bei der Aktivierung bzw. Interaktivität von Studierenden eine Rolle spielen. • Auf einer Ebene der Selbstreflexion werden Interaktionen der Studierenden mit ihren eigenen Vorerfahrungen, Einstellungen und Haltungen angebahnt, z.B. indem Murmel‐ phasen eingeräumt oder Brainstormingtechniken eingesetzt werden. Die Sozialform der Einzelarbeit spielt hier eine besonders große Rolle. • Gleiches gilt für Aktivierungsformen, die Interaktionen mit bestimmten inhaltlichen Impulsen oder Arbeitsmaterialien besonders befördern, z.B. indem Unterrichtssituati‐ onen simuliert oder Arbeitsaufträge aus der Perspektive von Fremdsprachenlernenden gelöst werden.- • Es steht eine Interaktion mit den anderen Akteur*innen des Seminars, also den Studierenden bzw. den Dozent*innen im Fokus, wobei Partner- und Gruppenarbeiten sowie Plenumsgespräche als Sozialformen besonders relevant sind. Auf welchem Wege wird aktiviert? Drittens können verschiedene Medien und Formen unterschieden werden, auf die die Studierenden bei der Aktivierung bzw. interaktiven Sitzungsgestaltung zurückgreifen. • Eine Aktivierung der Studierenden wird auf schriftlichem Wege initiiert, z.B. indem Stichpunkte zu einem bestimmten Thema gesammelt, eine Mindmap erstellt oder ein kurzes Statement zu einer Hypothese notiert wird. • Eine Aktivierung der Studierenden wird auf mündlichem Wege angeregt, z.B. indem offene Fragen an die Lerngruppe gestellt werden oder ein verbaler Austausch zwischen Studierenden angeregt wird. • Die Aktivierung der Studierenden erfolgt in multimodaler Weise über verschiedene Kanäle, z.B. indem Online-Tools zur Meinungserhebung oder Abstimmung genutzt oder Videos abgespielt werden. Wann wird aktiviert? Viertens können verschiedene Zeitpunkte und Dauern der Aktivie‐ rung bzw. Interaktivität differenziert werden. Interaktive Präsentationen als Format zur Aktivierung von Studierenden 57 <?page no="58"?> • Die Studierenden werden punktuell aktiviert, um bestimmte inhaltliche Impulse zu setzen, z.B. zu Beginn der interaktiven Präsentationen. • Die Aktivierung und Interaktivität der Studierenden wird kontinuierlich in die Sit‐ zungsgestaltung implementiert, z.B. in den verschiedenen Phasen der Einführung, Erarbeitung und Ergebnissicherung. • Die Aktivierung der Studierenden erfolgt während der Lehrveranstaltung und der interaktiven Präsentation in synchroner Form oder im Anschluss an die Präsentation in asynchroner Form anhand einer schriftlichen Reflexion oder nachbereitenden Aufgabe. Mit welchem Bezug zur fremdsprachlichen Lehr-Lernpraxis wird aktiviert? Fünftens können verschiedene Theorie-Praxis-Bezüge auf den Spanischunterricht unterschieden werden. • Es erfolgt ein reflexiver Praxisbezug, der eine theoretisch-konzeptionelle Ebene in den Fokus rückt sowie eigene Lehr-Lernerfahrungen einbezieht.- • Es erfolgt ein simulativer Praxisbezug, z.B. indem vorliegende Materialien analy‐ siert und überarbeitet, eigene Materialien erstellt oder Unterrichtsstunden konzipiert werden. • Die Aktivierungen sind in performative Praxisbezüge eingebettet, z.B. indem Unter‐ richtsszenarien gemeinsam mit Kommiliton*innen im unmittelbaren Seminarkontext umgesetzt werden sowie ein Perspektivenwechsel und die Übernahme verschiedener Rollen angeregt wird. 4 Ergebnisse der Untersuchung: Datengestützte Einblicke in Formate der Aktivierung und Interaktivität sowie Reflexionsprozesse der Studierenden Im Folgenden werden zentrale Ergebnisse der Untersuchung in Form datengestützter Einblicke in die digitalen interaktiven Präsentationen der Studierenden sowie deren schrift‐ liche Reflexionen dargestellt. Dazu wird eine fallorientierte Analyse dreier thematischer Schwerpunkte vorgenommen: Erstens steht das Thema der Wortschatzarbeit im Fokus, das von der Studierenden Sabrina anhand kontinuierlicher Aktivierung und Interaktivität auf kognitiver, emotionaler und sozialer Ebene aufbereitet wird (vgl. Kap. 4.1). Zweitens wird das Thema der inter- und transkulturellen Kompetenz ausgewählt, dessen Umsetzung durch die Studierende Ronja von verschiedenen Wegen einer digital gestützten und multi‐ modalen Aktivierung und Interaktivität gekennzeichnet ist (vgl. Kap. 4.2). Drittens wird die Präsentation des Themas der mehrsprachigen Sprachmittlung durch den Studierenden Fabian betrachtet, dem ein experimentelles Erleben in der Rolle der Lernenden wichtig ist (vgl. Kap. 4.3). - 4.1 Das Thema „Wortschatzarbeit“ - kontinuierliche Aktivierung und Interaktivität auf kognitiver, emotionaler und sozialer Ebene- Im Folgenden steht die Vorgehensweise der Studierenden Sabrina im Fokus, die im Rahmen ihrer interaktiven Präsentation einen ausgewählten Bereich der sprachlichen Mittel, nämlich die Wortschatzarbeit sowie das mentale Lexikon bearbeitet hat. Ihre Vor‐ gehensweise zeichnet sich dadurch aus, dass sie Impulse zur Aktivierung und interaktiven Zusammenarbeit der Studierenden kontinuierlich in ihre digitale Präsentation einbindet 58 Sophie Engelen & Johanna Lea Korell <?page no="59"?> und sowohl in den verschiedenen Phasen der Einführung und der Erarbeitung als auch der Ergebnissicherung nutzbar macht. Dazu zählen sowohl Rede- und Diskussionsimpulse in Form offener Fragen und schriftliche Brainstorming-Techniken als auch Anregungen zu Selbstexperimenten in Bezug auf das Wortschatzlernen sowie die Initiierung von Gruppenarbeiten zu Fördermöglichkeiten im Spanischunterricht. Ihre Präsentation gliedert Sabrina klassisch in zwei Teile, indem sie zunächst theoretische Grundlagen in den Fokus rückt, die anschließend anhand von Praxisbeispielen und Anwen‐ dungsmöglichkeiten unterfüttert werden. Im Zuge der Konzeption ihrer Sitzungsgestaltung rezipiert die Studierende aktiv einen Pool an Fachliteratur und setzt sich mit diesem auf einer inhaltsbezogenen Ebene auseinander. Bei der Literaturauswahl steht für Sabrina zunächst im Fokus, welche Beiträge sich für eine theoretische Unterfütterung des Themas besonders eignen könnten. So beschreibt Sabrina im Rahmen ihrer schriftlichen Reflexion der Präsentationsvorbereitung: - Zuerst erarbeitete ich mir die theoretischen Texte, um mir einen Überblick über das Thema zu verschaffen. Parallel begann ich mit dem Entwurf meiner Präsentation und überlegte mir eine erste Unterteilung. Auch suchte ich, nach dem ersten groben Überblick, nach eigener Literatur […], die ich noch mit einbinden konnte. Anschließend, da ich nicht die gesamte Literatur verwenden konnte, traf ich eine Auswahl an Texten, die für meine Präsentation in Frage kamen und begann mit der Gestaltung des theoretischen Teils. Ich habe meine Präsentation so strukturiert, dass ich zuerst auf die theoretischen Inhalte eingehe, um im zweiten Teil Praxisbeispiele erläutern zu können, ohne die Theorie erklären zu müssen. Somit kann der Fokus auf den Anwendungsbeispielen und ihren speziellen Eigenschaften liegen. […] (Sabrina: 11ff.) Sabrina macht deutlich, dass bei der Vorbereitung ihrer Präsentation insbesondere die Re‐ cherche, Auswahl und anschließende Selektion passender Literatur im Fokus stünde, wobei sie die Auswahlkriterien für die verwendeten Texte nicht genauer darlegt. Besonderen Wert legt die Studierende dabei auf die theoretische Fundierung ihrer Präsentation, die die Ausgangsbasis für die Diskussion von Praxisbeispielen im zweiten Teil der Sitzungsgestal‐ tung darstellen. Sabrina hebt im Folgenden hervor, dass die Implementierung aktivierender und interaktiver Arbeitsphasen der inhaltlichen Erarbeitung des Präsentationsthemas erst nachgeschaltet würde: Als letzten Schritt, nachdem ich die Texte soweit bearbeitet und den groben Aufbau der Präsen‐ tation fertig hatte, überlegte ich mir, wie ich die Präsentation ,interessanter‘ gestalten könnte. […] Ich erarbeitete mir ein Konzept, in welchen Präsentationsteilen interaktive Tools/ aktive Phasen sinnvoll wären. Das für mich wichtigste Kriterium war, darauf zu achten, dass die erklärenden Teile nicht zu lang und somit langweilig für die Kommilitonen werden. […] Ich denke, dass ich die aktiven Phasen sinnvoll gestaltet habe, da ich die Kommilitonen auf unterschiedliche Weisen mit einbinde und es eben nicht ‚nur‘ auf ein Kahoot-Quiz hinausläuft. (Sabrina: 22ff.) Die Darstellung der Studierenden deutet darauf hin, dass sie der aktiven bzw. interaktiven Gestaltung ihrer Präsentation einen hohen Stellenwert beimisst. Dabei ist die Länge der jeweiligen Arbeitsphasen für Sabrina ein entscheidendes Kriterium, um aktivierende bzw. interaktive Elemente gezielt einzusetzen und einer zunehmenden Monotonie der Sitzungsgestaltung entgegenzuwirken. Aus der Perspektive der Studierenden erscheint Interaktive Präsentationen als Format zur Aktivierung von Studierenden 59 <?page no="60"?> zudem die Vielfalt der eingesetzten Methoden bemerkenswert, die sich dezidiert von der reduzierten Wahl einzelner, aus Studierendenperspektive bereits etabliert erscheinender Aktivierungsinstrumente („Kahoot-Quiz“) abgrenzt. Weiterhin ist für Sabrinas Verständnis von Aktivierung und Interaktivität zentral, wie sie mit der umfassenden theoriebezogenen Literatur zu dem Thema des Wortschatzlernens bzw. des mentalen Lexikons umgeht. Hier wird deutlich, dass Sabrina intuitiv auf die Idee des Flipped Classroom (vgl. Weidlich & Spannagel 2014) zurückgreift, ohne diese explizit zu benennen: - Mir war während der Erstellung der Power-Point-Präsentation aufgefallen, dass der theoretische Teil insgesamt zu viele Monologanteile enthielt. Daher änderte ich meinen ursprünglichen Plan (relativ spät) und beschloss, die Inhalte über das mentale Lexikon nach außen zu verlagern. So müssen die Kommilitonen einen Text hierzu sowie einen weiteren kurzen Text als Vorbereitung lesen. Trotzdem wollte ich die Inhalte der Texte mit einbinden und entwarf für den theoretischen Teil ein kleines Selbstexperiment als Praxisanwendung, dass ich mit den Kommilitonen in der Stunde durchführen möchte. (Sabrina: 40ff.) Sabrina bewertet den ersten, vorrangig theoriebezogenen Teil ihrer Präsentation als zu referentenzentriert und wenig aktivierend, weshalb sie die konzeptuelle Entscheidung trifft, ihre Kommiliton*innen gewisse Lerninhalte über die Lektüre relevanter Fachtexte für ihre Seminarsitzung vorbereiten zu lassen. Einen besonderen Fokus der gemeinsamen Arbeit während der Videokonferenz legt sie dann auf eine experimentelle Aktivierungsform ihrer Kommiliton*innen: Diese werden angeregt, eine Folie zu lesen, auf der 30 spanische Lexeme abgedruckt sind und sich innerhalb einer Minute so viele Begriffe wie möglich zu merken. Dieses Vorgehen auf einer kognitiven Ebene knüpft zunächst an die Sozialform der Einzelarbeit an, bevor schließlich zu einer gemeinsamen mündlichen Diskussionsphase im Plenum übergegangen wird, die anhand gelenkter bis offener verbaler Impulse gesteuert wird: Wie viele Wörter konntet ihr euch insgesamt merken? Welche Wörter konntet ihr euch merken? Warum gerade diese Wörter? Habt Ihr eine Idee? Im Rahmen der anschließenden Klärungsphase erscheint es der Studierenden insbesondere wichtig, ihre Kommiliton*innen „aktiv in die Begriffsklärung mitein[zu]binden und auch Bezüge zum letzten Semester her[zu]stellen (z.B. der Unterschied zwischen ‚lernen‘ und ‚erwerben‘)“ (Sabrina: 83f.). Im weiteren Verlauf der Sitzungsgestaltung greift Sabrina auf Aktivierungstechniken zurück, die einen expliziten Rückbezug zu eigenen Erfahrungsräumen der Studierenden als ehemalige Schüler*innen herstellen. Dies macht den Einsatz einer digitalen Tafel nötig (Oncoo), auf der die Studierende Assoziationen und Vorwissen zur methodischen Vermittlung von Wortschatz im Spanischunterricht in verschiedenen Farben sammeln können. Zunächst sollen persönliche Erfahrungen aktiviert werden (Wie habt Ihr Wort‐ schatz vermittelt bekommen? ), um anschließend auf einer fachdidaktischen Ebene und mit Rückbezug zu den zuvor gelesenen Texten reflektiert und erweitert zu werden (Habt ihr weitere Ideen zur Wortschatzvermittlung? Bezieht euch auch auf die Semantisierungstechniken aus dem Text! ). Rückblickend hebt Sabrina insbesondere die Möglichkeit positiv hervor, dass „jeder seine individuellen Erfahrungen aufschreiben und ich diese als Gesamtbild mit allen teilen und besprechen kann. Wichtig ist mir die farbliche Unterteilung, mit der die Kom‐ militonen ihre Aussagen bereits ‚vorsortieren‘.“ (Sabrina: 97ff.) In der Unterrichtssituation 60 Sophie Engelen & Johanna Lea Korell <?page no="61"?> selbst ermöglicht dies, dass die Studierenden in interaktiver Form auf ihre verschiedenen Vorerfahrungen und Verknüpfungen mit der fachdidaktischen Literatur Bezug nehmen und diese diskursiv aushandeln. Den Abschluss von Sabrinas Präsentation bildet eine Gruppenarbeit, in deren Rahmen verschiedene hypothetische Unterrichtsszenarien im Sinne eines reflexiven Praxisbezugs in digitalen Breakout-Räumen diskutiert werden. Dabei nimmt die Studierende eine deut‐ liche Steuerung der Gruppenarbeiten vor, indem eine typische Rollenverteilung in Zeit‐ manager*in, Schriftführer*in und Taskmanager*in erfolgt, die aus analogen Unterrichts‐ szenarien bekannt ist. Nach der Diskussion der jeweiligen Unterrichtssituationen in den Gruppen sollen diese „mithilfe von ‚ZUMPad‘ ihre Ergebnisse den Kommilitonen erklären. Hierbei ist mir wichtig, dass die anderen auch die Möglichkeit erhalten, Rückfragen zu stellen und sich über die verschiedenen Szenarien und deren Lösungen auszutauschen.“ (Sabrina: 142ff.) Dies verdeutlicht, dass Sabrinas Sitzungskonzeption nicht nur auf eine Aktivierung ihrer Kommiliton*innen abzielt, sondern eine explizite Interaktion der Stu‐ dierenden auf einer sozialen Ebene mitdenkt, die insbesondere der kollegialen Klärung und Diskussion verschiedener Unterrichtsszenarien dient. So wird die wahrgenommene Aktivierung bzw. Interaktivität ihrer Kommiliton*innen aus Sabrinas Perspektive zu einem Gradmesser für die erreichte Veranstaltungsqualität: „Insgesamt hatte ich viele interak‐ tive Elemente (Experiment, Fragen, Online-Tools, Szenarien), sodass die Kommilitonen nicht ,gelangweilt‘ dasitzen mussten. Darüber hinaus habe ich auch versucht, verschiedene Sozialformen zu berücksichtigen.“ (Sabrina: 178ff.)- Aus der Perspektive der Dozentinnen des Proseminars wirkt das Feedback ertragreich, das die Studierende in Bezug auf Funktion und Sinnhaftigkeit der vorgeschalteten, schrift‐ lichen Präsentationsplanung formuliert: - Als letzten Punkt möchte ich noch erwähnen, dass mir die verschriftlichte Planung (ich hatte so etwas noch nie vorher gemacht) sehr dabei geholfen hat, meine Präsentation zu strukturieren und zu begründen, warum ich welche Inhalte erkläre. So habe ich mich immer wieder erneut mit dem Thema auseinandergesetzt. (Sabrina: 51ff.) Die intensive Reflexion der Präsentationsinhalte und des methodischen Vorgehens scheint bei der Studierenden ein zirkuläres Vorgehen in Gang zu setzen, das sich in einer Verzah‐ nung theoretisch-konzeptioneller, inhaltlicher und unterrichtspraktischer Überlegungen niederschlägt. Es wird deutlich, dass sich Sabrina die Vorgehensweise als gezielte Bearbei‐ tungsstrategie aneignet, die sie auf weitere Lehrveranstaltungen überträgt: So habe sie „diese Methode inzwischen schon bei anderen Präsentationen erfolgreich angewendet“ (Sabrina: 196). Dies stellt nicht zuletzt eine gezielte Vorbereitung auf vergleichbare Anfor‐ derungen während des Referendariats dar.- - 4.2 Das Thema „inter- und transkulturelle Kompetenz“ - digital gestützte und multimodale Aktivierung und Interaktivität Im Rahmen der interaktiven Präsentation von Ronja steht die Beschäftigung mit der inter- und transkulturellen Kompetenz im Vordergrund, die durch gezielt gesetzte Impulse zur Aktivierung und interaktiven Zusammenarbeit sowohl auf individueller Ebene als auch in Bezug auf soziale Interaktionen in dem synchronen Veranstaltungsrahmen gekennzeichnet Interaktive Präsentationen als Format zur Aktivierung von Studierenden 61 <?page no="62"?> ist. Dabei greift die Studierende insbesondere auf multimodale Aktivierungsformen und verschiedene Medien zurück: Ronja setzt ein Video zur begrifflichen Unterscheidung von Inter- und Transkulturalität sowie ein Online-Tool zur Meinungserhebung bzw. Abstimmung (slido) ein. Darüber hinaus initiiert sie Gruppenarbeiten, im Rahmen derer mittels eines kollaborativen Schreibtools (ZUMPad) kriteriengeleitete Analysen von Lehr‐ buchaufgaben zur Beurteilung der Fördermöglichkeiten der inter- und transkulturellen Kompetenz vorgenommen werden. Abschließend lässt Ronja auf Basis von Leitfragen die Seminarteilnehmenden ein gemeinsames Fazit entwickeln.- Wie die Studierende Sabrina orientiert Ronja ihre Präsentation an der typischen Aufteilung in einen theoriesowie einen praxisbezogenen Teil: Zur Erarbeitung der komplexen Begrifflichkeiten im Bereich der Inter- und Transkulturalität wählt sie einen multimodalen Zugang, um die Seminarteilnehmenden zu einer individuellen Reflexion sowie einer interaktiven Zusammenarbeit anzuregen. So wird ein erklärendes Video des Blogs „Kultur Konfetti“ zu den Begriffen der Multi-, Inter-, Trans- und Hyperkulturalität (vgl. Kultur Konfetti 2016) abgespielt, dessen Kernelemente von den Studierenden mündlich zusammengefasst werden. Mit diesem Vorgehen möchte Ronja auf kognitiver Ebene Assoziationen zur Terminologie und zu inhaltlichen Aspekten des Präsentationsthemas wecken. Während der Besprechung der Inhalte des Videos leitet Ronja eine Interaktions‐ phase der Studierenden in Form eines Plenumsgesprächs ein, in der sie sich über eigene Vorerfahrungen, Einstellungen und Haltungen austauschen und zur Selbstreflexion ihres eigenen Begriffsverständnisses angeregt werden. Nach dem Plenumsgespräch resümiert die Referentin mittels einer dafür vorbereiteten Folgefolie zur Ergebnissicherung zentrale Inhalte und gleicht diese mit dem Gesagten der Studierenden ab. Während des Seminars wurde deutlich, dass es Ronja anhand des multimodalen Unterrichtseinstiegs gelingt, ihre Kommiliton*innen im Zuge der Videokonferenz zu aktivieren bzw. zu einer interaktiven Begriffsaushandlung anzuregen. Die begleitete Reflexion während der Vorbereitung der interaktiven Präsentation regt Ronja dazu an, inhaltliche sowie methodische Modifikationen ihrer ursprünglichen Pla‐ nung vorzunehmen und gewisse Präsentationsphasen umzustrukturieren. Sie hebt hervor, dass die Portfolioarbeit eine Form der Eigenaktivierung zur Überarbeitung der bereits erar‐ beiteten Version in ihr ausgelöst habe. Exemplarisch kann dies anhand des nachfolgenden Ausschnitts veranschaulicht werden: Nachdem ich über meine Gliederung reflektiert habe, habe ich aber bemerkt, dass als erster Schritt es sinnvoller wäre damit anzufangen, warum Interkulturelle Kompetenz im Fremdsprachenunter‐ richt überhaupt präsent ist. (Ronja: 304ff.) Im Laufe der interaktiven Präsentation lässt Ronja in einer anwendungsbezogenen Phase die Studierenden eine ZUMPad-gestützte Gruppenarbeit zur kriteriengeleiteten Analyse von Lehrbuchaufgaben hinsichtlich ihres Potentials zur Förderung inter- und transkultu‐ reller Kompetenzen durchführen, die einen simulativen Bezug zur fremdsprachlichen Lehr- Lernpraxis aufweist und eine Interaktion der Studierenden auf Basis inhaltlicher Impulse und Arbeitsmaterialien besonders befördert (Analysiert in Gruppen die Lehrbuchaufgaben nach den vorgestellten Kriterien. Haltet Eure Ergebnisse kriteriengeleitet und schriftlich im ZUMPad fest.). Mit ihrem Vorgehen intendiert Ronja auf einer kognitiven Ebene die 62 Sophie Engelen & Johanna Lea Korell <?page no="63"?> Aktivierung sowie den Transfer der im Voraus thematisierten Inhalte auf den konkreten Kontext der Lehrwerkanalyse. Zudem bietet sie den Studierenden die Möglichkeit, einen Rückbezug zu eigenen Erfahrungsräumen als Nutzer*innen von Lehrwerken herzustellen und dabei auch emotional-soziale Dimensionen des Unterrichtserlebens aufzurufen. Dies begründet Ronja insbesondere über die gewählte Sozialform der Gruppenarbeit in digitalen Breakout-Räumen, die kooperative Prozesse der Aufgabenbearbeitung und Problemlösung besonders befördern soll: Bei dieser Aufgabe halte ich die Gruppenarbeit als Sozialform für sinnvoll, da die Aufgabe nicht unbedingt auf den ersten Blick ohne Probleme zu lösen ist. Aus diesem Grund finde ich es effizienter, wenn mehrere Studenten an einer Aufgabe zusammenarbeiten, da dadurch mehrere Sichtweisen zusammenkommen […]. Außerdem ist es […] praktisch, die Aufgabe auf Lehrwerken zu basieren, da diese uns als angehende Lehrkräfte in unserer Zukunft durchgehend begleiten werden, und weil es wichtig ist, die in den Lehrwerken enthaltenen Aufgaben auch kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls mit neuen Ideen ergänzen zu können. Meine Mitstudierenden würden nach der Besprechung und Bearbeitung der Aufgabe ihre Ergebnisse auf ZUMPad festhalten, da es übersichtlicher und für die anschließende Vorstellung sinnvoller ist, wenn die gemeinsam gefundenen Lösungen schriftlich festgehalten sind. (Ronja: 329ff.) Die Zusammenarbeit unter den Studierenden regt diese zu einem Erfahrungsaustausch und einer gegenseitigen Erweiterung des Blicks auf das gewählte Thema an, wobei ein Konsens über die erzielten Arbeitsergebnisse gefunden werden soll. Im Anschluss an die Diskussion der Analyseergebnisse geht Ronja zu einer Anwendungsphase über, die auf einer exemplarischen Kommunikationssituation in Spanien basiert: Una compañera de tu clase te envía por correo electrónico su trabajo de historia para que lo leas y le des tu opinión sobre él. Os conocéis desde el primer año de instituto y os habéis hecho buenos amigos. Por la mañana te encuentras con ella antes de empezar las clases y te pregunta qué te ha parecido el trabajo. Ayer tarde, cuando lo leíste, te pareció bastante flojo. Tú quieres que escriba un buen trabajo y saque buena nota, pero no quieres herirla en su orgullo. ¿Qué le dirías? (aus Montiel Alafont 2020: 158) Die fiktive Gesprächssituation wird von Ronja als Denkanstoß genutzt, um den unmittel‐ baren Kontext des Spanischunterrichts zu verlassen und eine potentiell konfliktbesetzte Kommunikationssituation im Sinne eines critical incident lösen bzw. hinsichtlich ihrer interkulturellen Implikationen reflektieren zu lassen. Dazu sind die Studierenden einge‐ laden, mittels eines digitalen Live-Abstimmungstools (slido) ihnen korrekt erscheinende Antwortoptionen auszuwählen. Damit aktiviert Ronja ihre Kommiliton*innen zunächst auf einer kognitiven und emotionalen sowie empathischen Ebene, indem auf mögliches Vorwissen zu Besonderheiten der Kommunikation in der hispanophonen Welt bzw. indivi‐ duelle Vorerfahrungen der Studierenden, z.B. im Rahmen von Auslandsaufenthalten oder bei der Arbeit in Sprachtandems, zurückgegriffen wird. Anschließend wird auf Basis der Umfrageergebnisse im Plenum über die konkreten Antwortoptionen sowie Vorerfahrungen, Einstellungen und Haltungen der Studierenden diskutiert. Ronja präsentiert ihren Kommiliton*innen daraufhin nicht direkt die potentiell korrekte Antwortoption, sondern baut eine Spannungskurve auf, um die Aufmerksamkeit Interaktive Präsentationen als Format zur Aktivierung von Studierenden 63 <?page no="64"?> und das Interesse der Seminarteilnehmenden aufrechtzuerhalten. Dies reflektiert Ronja auch im Rahmen ihres Portfolios: Nach diesem kleinen theoretischen Teil würde ich mit meinen Mitstudierenden ein kleines ,Expe‐ riment‘ durchführen, das daraus bestehen würde, dass sie auf dem Online-Tool ,Slido‘ eine Frage als Reaktion auf eine von mir vorgestellte Situation beantworten. Die Antwort auf diese Frage würde die Vorstellung der Studierenden über den spanischen Kommunikationsstil verdeutlichen, oder zumindest eine kleine Einsicht in die Vorstellungen der Studierenden über das Thema geben. […] Ich würde darauf eingehen, wie komplex der Kommunikationsstil in Spanien sein kann, und dass es vorkommen kann, dass für die angehenden Lehrkräfte die Realität der Gesagten ,nicht auf den ersten Blick erkennbar ist‘ (Montiel Alafont 2020: 155). Ich halte es für sinnvoll, bei diesem Teil [der Präsentation] mit der Aufgabe anzufangen, weil diese eine gewisse Spannung aufbauen kann, vor allem dann, wenn die Antwort erstmal nicht thematisiert, sondern sie Schritt für Schritt den Studierenden deutlich gemacht wird. (Ronja: 350ff.) Die Diskussion der exemplarisch gewählten Kommunikationssituation weist im weiteren Verlauf der Präsentation einen simulativen Bezug zur fremdsprachlichen Lehr-Lernpraxis auf, indem die Studierenden in einem geschützten Rahmen auf komplexe, interkulturell markierte Kommunikationssituationen konkret reagieren können und deren Potential für die Entwicklung interkultureller Kompetenzen im Spanischunterricht reflektieren. Auch in der Abschlussphase ihrer Präsentation regt Ronja ihren Kommiliton*innen letztmalig zu einer interaktiven Zusammenarbeit in den Breakout-Räumen an, indem sie sie ein gemeinsames Fazit auf Basis von Leitfragen entwickeln lässt, zu denen sich die Seminar‐ teilnehmenden mündlich äußern. Während des Meinungsbzw. Erfahrungsaustauschs auf einer Peer-Ebene resümieren die Studierenden ihnen zentral erscheinende Inhalte, die ab‐ schließend von der Referentin kommentiert bzw. in den Gesamtkontext ihrer Präsentation eingeordnet werden. - 4.3 Das Thema „(mehrsprachige) Sprachmittlung“ - experimentelles Erleben in der Rolle der Lernenden Im Rahmen der interaktiven Präsentation des Studierenden Fabian steht die Beschäftigung mit der Teilkompetenz der Sprachmittlung im Vordergrund, die durch kontinuierliche Anregungen zum Wechsel in die Lernendenrolle, wiederholte Rückbezüge zu eigenen Erfahrungsräumen sowie experimentelle Impulse gekennzeichnet ist. Dazu zählen so‐ wohl Anregungen zur (fremd-)sprachlichen Selbsterfahrung und zur Rollenübernahme (z.B. Bearbeitung einer mehrsprachigen Sprachmittlungsaufgabe aus der Perspektive von Schüler*innen), schriftliche Brainstorming-Techniken unter Rückbezug auf eigene Unter‐ richtserfahrungen (z.B. ein padlet-gestützter Arbeitsauftrag in Einzelarbeit zur Termino‐ logie (Was ist Sprachmittlung? ) und zum Stellenwert im Fremdsprachenunterricht (Warum ist sie wichtig im Fremdsprachenunterricht? )) sowie Rede- und Diskussionsimpulse in Form offener Fragen (z.B. Aktivierung des Vorwissens zu Typen von Sprachmittlungsaufgaben sowie Rückbezüge zu eigenen Erlebnissen als Schüler*in: Welche Sprachmittlungsaufgaben kennt ihr? ). Weiterhin initiiert Fabian individuelle Positionierungen zu einem provokanten Zitat zur Terminologie („Sprachmittlung - haben wir das nicht schon immer gemacht? Ist das nicht dasselbe wie Übersetzen? “, de Florio-Hansen 2008, 3) sowie Gruppenarbeiten, 64 Sophie Engelen & Johanna Lea Korell <?page no="65"?> im Rahmen derer mittels kollaborativer Schreibtools kriteriengeleitete Analysen von Lehrbuchaufgaben zur Beurteilung der gebotenen Fördermöglichkeiten im Bereich der Sprachmittlungskompetenz vorgenommen werden.- Dieser Überblick zeigt bereits die Vielfalt an Aktivierungs- und Interaktionsformen, die Fabian in seine Präsentation integriert, und die während der Seminarsitzung zu einer hohen Beteiligung und Diskussionsbereitschaft der Studierenden in dem virtuellen, synchronen Veranstaltungsrahmen führen. Aus der Sicht Fabians spielt insbesondere die kontinuier‐ liche Implementierung aktivierender bzw. interaktiver Impulse eine zentrale Rolle, mittels derer er Vortragsphasen und Monologanteile bewusst ‚aufzubrechen‘ versucht: Zwischen den Phasen meines Vortrags sollten immer wieder kleine mündliche, wie auch schrift‐ liche Brainstormings (z.B. mit Padlet) oder Diskussionen stattfinden […]. (Fabian: 514ff.).- Das hohe Engagement, das Fabian während der vor- und nachbereitenden Reflexion sowie der Durchführung seiner Präsentation zeigt, erklärt sich auch dadurch, dass sich Fabian bewusst und aus persönlichem Interesse für das Präsentationsthema der Sprachmittlung entschieden hat, welches er in Rücksprache mit den Dozentinnen auf das spezifische Format der mehrsprachigen Sprachmittlung zuspitzte: [Ich] habe mich für das Thema Sprachmittlung im Fremdsprachenunterricht entschieden, da ich gerne ein vielseitiges Thema behandeln wollte, das andere funktional-kommunikative Kompe‐ tenzen kombiniert und auch die interkulturelle Kompetenz fördert. […] Aus persönlichem Interesse wählte ich als Aktivierung zum Einstieg eine mehrsprachige Mittlungsaufgabe, welche die Gruppe mündlich lösen sollte. (Fabian: 505ff.) Die Freiheit bei der Wahl des Themas bzw. dessen Konkretisierung scheinen für Fabian eine wichtige Rolle zu spielen. So begründet er den gewählten Aufgabentyp zum Einstieg in seine Präsentation über sein persönliches Interesse an mehrsprachigkeitsdidaktischen Ansätzen - weitere, objektivierbare bzw. inhaltliche Kriterien werden bei der Auswahl des Aktivierungsformates seitens des Studierenden nicht genannt. Fabian steigt in seine interaktive Präsentation mit einer komplexen, mehrsprachigen Sprachmittlungsaufgabe ein, die seine Kommiliton*innen mündlich in Partnerarbeit bear‐ beiten sollen. Dabei geht es um die mündliche Übertragung der Kerninhalte einer italie‐ nischen Website ins Spanische, um die Planung eines Urlaubsaufenthaltes in einem mehr‐ sprachigen Freundeskreis zu ermöglichen (Fasst die Kerninformationen des italienischen Textes einer Website mündlich auf Spanisch für einen Freund am Telefon zusammen.). Indem die Studierenden die ausgewählte Aufgabe in der Rolle von (Oberstufen-)Schüler*innen be‐ arbeiten, werden nicht nur entsprechende Sprachmittlungskompetenzen aktiviert, sondern insbesondere ein Perspektivwechsel zurück in die Situation als Fremdsprachenlernende angeregt. Die damit verbundenen Implikationen - wie beispielsweise auf emotionaler Ebene empfundene Unsicherheiten im Umgang mit unbekanntem Vokabular - werden in einer ‚Doppelrolle‘ im Rahmen der anschließenden Plenumsphase aus der Perspektive angehender Lehrkräfte reflektiert sowie unterrichtspraktische Konsequenzen diskutiert. Somit weist das gewählte Format einen performativen Bezug zur fremdsprachlichen Lehr-Lernpraxis auf, indem die Bearbeitung einer Aufgabe simuliert, einzelne Bearbei‐ tungsschritte und Scaffolding-Maßnahmen diskutiert und dies gemeinsam mit den Kom‐ Interaktive Präsentationen als Format zur Aktivierung von Studierenden 65 <?page no="66"?> militon*innen umgesetzt wird. Des Weiteren stellt diese Aktivität die Grundlage für eine folgende Bewusstmachungsphase zu angewendeten Lösungsstrategien und Typen von Sprachmittlungsaufgaben dar, wie auch Fabian im Rahmen seines Portfolios reflektiert: Die Studierenden sollen die Aufgabe in Partnerarbeit, wie in der Aufgabenstellung von den Schüler*innen gefordert, lösen, und hiermit die später erwähnten Lösungsstrategien eigenständig anwenden und sich mögliche Typen von Sprachmittlungsaufgaben wieder bewusstmachen. […] Diese Form der Sprachmittlung, mit Bezug zur Mehrsprachigkeit, wird meines Erachtens selten im Unterricht genutzt, deshalb halte ich sie für besonders interessant für meine Kommiliton*innen. (Fabian: 543ff.) Auf der Ebene der sozialen Interaktion leitet Fabian die Seminarteilnehmer*innen dezidiert zu einer Zusammenarbeit sowie zu einem Erfahrungs- und Meinungsaustausch im Rahmen der Aufgabenbearbeitung an. Dies setzt er in Bezug zu der konkreten Anwendungssitu‐ ation bzw. einer stärkeren Adressierung seiner Kommiliton*innen auf einer interessens‐ bezogenen und damit emotional-motivationalen Ebene: Gerade in der Abgrenzung zu etablierten und der Lerngruppe potentiell bereits bekannten Typen von Sprachmittlungs‐ aufgaben sieht Fabian einen besonderen Reiz. Im Rahmen einer digitalen interaktiven Präsentation schlägt der Referent dann einen Bogen zu der ersten Aktivierungsphase, indem er die Studierenden über die während des Selbstexperiments angewendeten (Lö‐ sungs-)Strategien und Techniken im Plenum reflektieren lässt. Dies wird weiterhin für die Rückbindung an die folgenden theoriebezogenen bzw. konzeptionellen Überlegungen zur Sprachmittlung im Spanischunterricht genutzt. 5 Fazit und Implikationen Der vorliegende Beitrag zeigt auf, wie das Format der digitalen interaktiven Präsentation sowie deren vor- und nachbereitende, schriftliche Reflexionen Lehramtsstudierende im Fach Spanisch dazu anregen konnte, sich nicht nur selbstständig mit für sie neuen Inhalten im Bereich der Vermittlung fremdsprachlicher Kompetenzen auseinanderzusetzen, sondern zugleich vielfältige Formate der Aktivierung und Interaktivität in die synchrone Online- Lehre zu implementieren. Vor dem Hintergrund der umfassenden Methoden und Tools, die für die kreative Gestaltung virtueller Hochschullehre zur Verfügung stehen (vgl. Wipper & Schulz 2021), wurde auf ein Lehr-Lernformat zurückgegriffen, das sowohl für die Studierenden als auch die Lehrenden niedrigschwellig zugänglich ist und bereits anhand basaler Hard- und Software ausgestaltet werden kann. Dazu zählt neben einer Videokonferenzsoftware, die in der Regel von den Universitäten zur Verfügung gestellt wird, die Nutzung verschiedenster Tools zur schriftlichen Sammlung von Ideen (z.B. Oncoo, ZUMPad, AnswerGarden), der Meinungsabfrage (z.B. slido, Mentimeter) oder der Einsatz multimedialer Impulse (z.B. Videos oder Bilder). Folglich ergibt sich ein großes Transferpotential der digitalen, interaktiven Präsentationen sowohl auf die Präsenzals auch die Online-Lehre sowie das zukünftige Berufsfeld der Studierenden, also den Spanischunterricht bzw. den Schulkontext insgesamt. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass die Studierenden selbst die vielfältigen Übertragungsmöglichkeiten erkennen und somit ermächtigt werden, den - von ihnen so bedauerten (vgl. Krammer et al. 2020) - 66 Sophie Engelen & Johanna Lea Korell <?page no="67"?> pandemiebedingten Einschränkungen der sozialen Interaktionen im Kontext der Online- Lehre aktiv entgegenzutreten. Vor dem Hintergrund der von Ammenwerth (2021: 1331) präsentierten Möglichkeiten zur Förderung studentischer Aktivierung und Interaktivität in synchronen virtuellen Set‐ tings zeigt sich, dass im Kontext der digitalen Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften ein großes Potential darin besteht, auf das Vorwissen und die Lehr-Lernerfahrungen der Studierenden zurückzugreifen. Denn wie die Portfolioauszüge verdeutlichen, verfügen diese bereits über ein großes Repertoire an Ideen zur aktivierenden bzw. interaktiven Ge‐ staltung der eigenen Lehre. Dieses schöpft sich sowohl aus spezifischen Tools der digitalen Lehre als auch der Übertragung entsprechender Vorgehensweisen aus der analogen Lehre, z.B. in Form von Frage- und Moderationstechniken, Diskussionsimpulsen oder Unterrichts‐ simulationen. Gemäß der hochschuldidaktischen Konzeption des Proseminars konnten die Studierenden ihre Ideen in einem geschützten Raum der Erprobung explorieren. Dabei wussten sie den Einsatz digitaler Tools der Aktivierung und interaktiven Zusammenar‐ beit mit den Zielsetzungen der jeweiligen Unterrichtsphasen zu verknüpfen, womit der beispielsweise von Lütge (2019: 138) formulierten Forderung, dass „Digitalisierung keinen Selbstzweck erfüll[e]“, aus Studierendenperspektive entsprochen wird. Hinsichtlich der von den Teilnehmenden gewählten Formen der Aktivierung und Interaktivität erwies sich das Anknüpfen an individuelle Vorerfahrungen mit dem Lehren und Lernen von Fremdsprachen auf einer kognitiven sowie emotional-sozialen Ebene als besonders ertragreich. Insbesondere die initiierten Perspektivwechsel und Rollenüber‐ nahmen spielten für die Erarbeitung effizienter Übungsformen aus Schülersicht oder auch die Entwicklung interkultureller Kompetenzen eine entscheidende Rolle, wobei verschiedenste Bezüge zur fremdsprachlichen Lehr-Lernpraxis auf reflexiver, simulativer bzw. performativer Ebene hergestellt wurden und Reflexionssowie Handlungskompe‐ tenzen der Studierenden anbahnen konnten. Weiterhin überzeugte die große Kontinuität der Aktivierungs- und Interaktivitätszeitpunkte, die bei der Analyse der Datensätze he‐ rausgearbeitet wurde: Denn die Studierenden implementierten nicht nur zu Beginn der Präsentationen effiziente Impulse, z.B. um Vorwissen, Assoziationen oder Vorerfahrungen ihrer Kommiliton*innen zu einem bestimmten Thema aufzurufen, sondern nutzten die verschiedenen Formate der Aktivierung und Interaktivität auch in den Erarbeitungs- und Schließungsphasen ihrer Präsentationen. Demgegenüber zeigte sich, dass zu dem Studienzeitpunkt Formen physischer Aktivierung im digitalen Raum von den Studierenden noch nicht umgesetzt wurden. Gerade da aus Studierendenperspektive ein Durchbrechen der Monotonie von ‚Referateseminaren‘ eine zentrale Rolle spielte, bestehen hier Perspek‐ tiven für eine Weiterentwicklung der Aktivierungs- und Interaktivitätsformen, z.B. indem Impulse gesetzt werden, die dezidiert auf eine körperliche Aktivierung der Studierenden sowie die Einbindung theatralischer oder musischer Elemente abzielen (vgl. weiterführend Susman 2022). Durch die Kopplung der interaktiven Präsentation an vor- und nachbereitende, schrift‐ liche Reflexionen im Rahmen der Portfolioarbeit fühlten sich die Studierenden dazu animiert, sich selbstkritisch mit ihrer Präsentationsgestaltung, der tatsächlich erreichten Bearbeitungstiefe, ihrem Zeitmanagement und auch emotionalen Dimensionen der Sit‐ zungsgestaltung (wie z.B. dem Umgang mit Aufgeregtheit oder Nervosität) auseinanderzu‐ Interaktive Präsentationen als Format zur Aktivierung von Studierenden 67 <?page no="68"?> setzen. Gerade auch die aktive und umfassende Nachbereitung veranlasste sie dazu, über inhaltliche und methodische Verbesserungsmöglichkeiten nachzudenken sowie daraus Implikationen für zukünftige Präsentationen und vergleichbare Arbeitsaufträge abzuleiten (z.B. Formulierung und Länge von Aufgabenstellungen, erreichte Tiefe der Auseinander‐ setzung mit dem Thema, verstärkter Fokus auf Reflexionen der Kommiliton*innen). Am zentralsten erscheint jedoch das Potential des Formates der interaktiven Präsentation, die Entwicklung einer Reflexionskompetenz der Studierenden und eine Bewusstmachung des methodisch-didaktischen Vorgehens bei der Präsentationsgestaltung anzuregen. Dies bestätigt sich auch aus der Perspektive der Studierenden, wie folgende Zitate der drei Referent*innen abschließend verdeutlichen können: In diesem Teil möchte ich die Schreibaufgaben aus dem Portfolio Teil B reflektieren. […] sodass ich diese Methode [der verschriftlichten Präsentationsplanung] inzwischen schon bei anderen Präsentationen erfolgreich angewendet habe. […] Auch wurde ich mir noch einmal meiner eigenen Erwartungshaltung gegenüber meinen Kommilitonen bewusst („Was sollen meine Kommilitonen heute von mir lernen? Was sollten sie schon wissen? “) und bewertete dementsprechend die Verteilung der Aufgaben und Arbeitsphasen. […] Von daher finde ich angeleitete Schreibaufgaben wie diese im Studium sehr wichtig, um Reflexion zu üben, ohne aber komplett auf sich allein gestellt sein zu müssen, wie es im späteren Lehrberuf der Fall sein kann. (Sabrina: 196ff., Herv. der Verf.) Darüber hinaus ist mir klar geworden, dass eine Reflexion vor der Vorstellung beruhigend wirken kann, weil dadurch die logische Reihenfolge, die man bei der Vorbereitung Schritt für Schritt aufgebaut hat, nochmal deutlich wird. […]. (Ronja: 451ff., Herv. der Verf.) Da in anderen Seminaren oft keine oder wenige methodische Anforderungen an Präsentationen gestellt werden, ist eine Reflexion der Methoden und ihrer Vorbereitung wiederum hilfreich gewesen für mich. Die Vor- und Nachteile sowie die Schwierigkeiten der Vorbereitung habe ich mir sonst während dieser selbst nie bewusst gemacht. […] (Fabian: 675ff., Herv. der Verf.) Nicht zuletzt kann vor dem Hintergrund der jüngeren, pandemiebezogenen Entwicklungen der Wunsch formuliert werden, entsprechende Seminarkonzeptionen auch nach der zu‐ nehmenden Rückkehr zur analogen Hochschullehre beizubehalten und stetig weiterzuent‐ wickeln, da diese über die ad hoc-Digitalisierung von Lehrveranstaltungen zu Beginn der Corona-Pandemie weit hinausgehen. Denn sowohl aus der Perspektive der Studierenden als auch der Dozierenden konnte in dem virtuellen, synchronen Seminar „Kompetenz‐ orientierung im Spanischunterricht“ eine gewinnbringende (inter-)aktive Zusammenarbeit etabliert werden. Bibliographie Ammenwerth, Elske (2021). Studentische Aktivierung und Interaktivität in der virtuellen Hochschul‐ lehre. HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, 58, 1327-1337. Benitt, Nora & Schmidt, Torben (2016). Lehrerbildung - besser interaktiv? Videokonferenzen als digitale Brücke zwischen Theorie und Praxis in der Englischlehrerausbildung. 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Begegnung und dialogischer Austausch mit anderen sind notwendig, um u.a. perso‐ nale Anerkennung zu erfahren und Beziehungen überhaupt erst etablieren zu können. Die pandemische Ausnahmesituation reduzierte unsere Begegnungen maßgeblich, sodass zeitweise weder persönliche noch berufliche Kontakte aufrechterhalten werden konnten. Während der Pandemie sollte jedoch gleichzeitig die Hochschullehre weiter reibungslos ablaufen, nur eben in digitaler Form. Das wirkliche Leben spielte sich plötzlich digital, vor dem eigenen Bildschirm, auf verschiedenen Plattformen und gespickt mit zahlreichen Tools ab. Doch wie stand es um Begegnungen? Im Sommer 2021 sollte das literaturdidaktische Seminar Short Fictional and Non-Fictional Texts digital angeboten werden und es stellte sich die Frage, welche digitale Umsetzung sich am besten eignen würde. Ausgehend von dem vorherrschenden Mangel an Begeg‐ nungen im sozialen und persönlichen Lebensalltag sollte dieser Aspekt eine zentrale Rolle im Seminar einnehmen. Insbesondere ein literaturdidaktisches Seminar schien sich hervorragend zu eignen, um das Thema der Begegnung zu verfolgen: Man begegnet nicht nur reellen Menschen, sondern auch Dingen, Objekten, und eben auch literarischen Werken: Im Spiegel-Artikel von 2014, in welchem Goos und Voigt die Bedeutsamkeit und Besonderheit des Lesens beschwören, heißt es: „Lesen bedeutet Begegnung […]. Lesen ist Kontaktaufnahme: zum Autor, zu Figuren, zur Welt“ (Goos & Voigt 2014: 72). Doch Literatur erlaubt nicht nur Begegnungen zur Außenwelt, sondern sie treibt auch die Exploration der persönlichen Innenwelt voran. Diesen Prozess beschreibt der amerikanische Dichter und Literaturkritiker Hirsch am Beispiel der Lyrik: „Reading poetry is a way of connecting - through the medium of language - more deeply with yourself even as you connect more deeply with another“ (Hirsch 1999: 4-5). Wenn Begegnungen und Kontakt sowohl wesentliche Bestandteile des menschlichen Lebens als auch des Lesens sind, wie muss dann eine entsprechende digitale literaturdi‐ daktische Seminarveranstaltung für angehende Englischlehrkräfte konzipiert werden? Ausgehend von der Frage, wie Literatur(didaktik) beschaffen ist, werden deshalb zunächst <?page no="72"?> grundlegende literaturdidaktische Prinzipien aufgeführt, die als Leitlinien für die Veran‐ staltung dienten. Anschließend wird die theoretische Fundierung des Seminars weiter expliziert, gefolgt von der konkreten Seminarbeschreibung. Die Datenauswertung und Diskussion gewähren Einblicke in Erfolge und Schwierigkeiten der digitalen Lehrveran‐ staltung, welche in einem abschließenden Resümee zusammengefasst werden. 2 Theoretische Fundierung: 2.1 Literaturdidaktische Prinzipien Im Seminar Short Fictional and Non-Fictional Texts sollten den Studierenden wesentliche literaturdidaktische Prinzipien vermittelt werden. Im Folgenden werden diese Grundprin‐ zipien skizziert, die den Grundstein für die Konzeption der Veranstaltung legen sollten. Nach dem rezeptionsästhetischen Paragidma ist ein zentrales Ziel der Literaturdidaktik die Entwicklung der Text-Leser Beziehung, oder wie Bredella es formuliert: Its (Anm.: bezogen auf teaching literature) main task is no longer to transmit to students knowledge acquired by literary studies but to explore how readers respond to literary texts and how their cognitive, affective and evaluative competences are activated in reading them and in speaking and writing about their reading experiences. (Bredella 2008: 13-14) Neben der Fokussierung auf das individuelle Leseerlebnis und die persönliche Leseerfah‐ rung ist auch die aktive Rolle des Lesers von höchster Relevanz (vgl. der implizite Leser in Iser 1976 und co-inquirer in Bruns 2011: 144). In Anlehnung an Dewey (vgl. 1958: 138) betont Bredella zu dem interaktiven Prozess des Lesens auch dessen transformativen Charakter, denn Literatur schafft es in vielfältiger Weise auf uns und unser Bewusstsein einzuwirken. Slatoff schreibt dazu: it (Anm.: literature) stretches, widens, heightens, deepens, broadens, extends, increases, expands, or enriches one’s consciousness or understanding or awareness or experience. (Slatoff 1970: 147) In vergleichbarem Sinne spricht Steininger vom fremdsprachlichen Literaturunterricht als persönlichkeitsbildendem Lernort (vgl. Steininger 2018), an welchem eben nicht nur basale Lese- oder Schreibkompetenzen gefördert und textimmanente Interpretationen gefordert werden, sondern oftmals vor allem persönlichkeitsbezogene Kompetenzen fokussiert werden sollen (ebd. 2018: 68). Über diese transformativen Leseerfahrungen zu kommunizieren ist ein weiteres zent‐ rales Leitprinzip der Literaturdidaktik. Bredella betont beispielsweise, dass die Leser*innen sich auf den Text einlassen müssen (vgl. Bredella 2007: 67) und sich sowohl in mündlicher als auch in schriftlicher Form über ihre Leseerfahrungen ausdrücken sollten. Verlässt man die individuelle Ebene, so ist zudem die Dynamik und Interaktion in der Gruppe anzumerken. Das Teilen eigener und persönlicher Leseerfahrungen ist besonders wertvoll, da es durch kontinuierliche Aushandlungs- und Sinnstiftungsprozesse zu „einem vertieften und reflek‐ tierten Verständnis führen“ kann (Bredella 2007: 79). Zudem lernen die Teilnehmenden sich in einer Gruppe angemessen auszudrücken sowie einander in besonderem Maße 72 Darja Brotzmann <?page no="73"?> zuzuhören (vgl. Chambers 2001: 9 in Bredella 2007: 79). Die Kommunikation über Literatur ist allerdings nicht ausschließlich für Lernende elementar, auch für die Dozierenden: It is, after all, in the classes we teach where we have the greatest opportunity to communicate and even enact our theories of why reading literature is worthwile. (Bruns 2011: 2) So fasst Bredella pointiert zusammen, dass zwei Dimensionen das literarisch-ästhetische Lesen konstituieren: „involvement and reflecting [on] how we are involved“ (Bredella 2008: 22). Um sowohl involvement als auch die oben genannte Text-Leser Beziehung zu generieren, scheinen Kontaktaufnahmen und Begegnungen fundamentale Voraussetzungen zu sein. Den Begriff der Begegnung gilt es im nächsten Schritt zu schärfen, um ihn für den Kontext der universitären fremdsprachendidaktischen Lehre anwendbar zu machen. 2.2 Begegnungs- und Resonanzräume schaffen Neben den genannten literaturdidaktischen Prinzipien war das Konzept der Begegnung ein wesentlicher Bestandteil der Seminarkonzeption. Aber wie ist dieser Begriff zu verstehen? Schröder erläutert, dass in der Pädagogik und Didaktik vor allem zwei Begegnungen impliziert werden: „Begegnung sowohl mit dem Gegenstand (Unterrichtsinhalt) als auch mit Personen (Kommunikation, Interaktion)“ (Schröder 2001: 36). Eine personale Begegnung kann zur „existenziellen Betroffenheit“ (ebd. 2001: 36) führen, die den Menschen bereichert und bildet. Im Rahmen dieser existenziellen Betroffenheit sei auf Bollnow verwiesen, der bereits 1955 die Beziehung zwischen Begegnung und Bildung thematisierte. Wie eine solche Begegnung beschaffen ist (oder sein sollte), wird im Folgenden kurz ausgeführt. Bollnow expliziert das durch Begegnungen ausgelöste geistige Wachstum, wofür er die Metapher der Pflanzenwelt gebraucht: Dies einfache Verhältnis der pflanzlichen Welt kennzeichnet zugleich den geistigen Wachstums‐ prozeß in der menschlichen Welt. Der Mensch entfaltet sich, er entwickelt die in ihm liegenden Kräfte, aber diese Entfaltung gelingt nur, wird zum wirklichen Wachstum nur, sofern ihm von der Außenwelt ein Stoff entgegentritt, an dem sich die Entfaltung vollzieht und der gewissermaßen jetzt eine Art von geistiger Nahrung des wachsenden Menschen ist. (Bollnow 1955: 2) Neben dem Wachstum ist ein weiterer integraler Bestandteil der Begegnung das „gegen“ (ebd. 1955: 4). Dies bedeutet, dass es bei Begegnungen mit jemandem oder etwas durchaus zu einem „Zusammenstoß“ (ebd. 1955: 4) kommen kann, ein möglicher Zusammenstoß an entgegengesetzten Sichtweisen, Haltungen und Meinungen. Obgleich Begegnungen zu Entfaltung und Wachstum des Menschen führen können, gestalten sie sich in der konkreten Lehrumsetzung als eher diffizil: Die Schwierigkeit aber, diesen Begegnungsbegriff pädagogisch auszuwerten, beruht darauf, daß es mit pädagogischen Mitteln nicht erzwungen werden kann, ob es je zu einer solchen Begegnung mit einem bestimmten Gegenstand kommt. Das kann selbst der Betreffende selber nie voraussehen, sondern jede Begegnung bleibt unberechenbar, im letzten zufällig. (Bollnow 1955: 7) So ist es die Aufgabe des Lehrenden, eine Vielzahl an Begegnungsmöglichkeiten zu offerieren und zu initiieren, um die Wahrscheinlichkeit potentieller Begegnungen zu erhöhen. Einen digitalen Begegnungsraum für und mit Literatur schaffen 73 <?page no="74"?> Anknüpfend an das Konzept der Begegnung und des Begegnungsraums sei noch das Konzept der Resonanz (vgl. Rosa 2016) angeführt. In Anlehnung an Rosas Ausführungen fordert Plikat, diesen Resonanzraum im Lernkontext zu schaffen, in welchem die Lehr‐ person ihre Lernenden erreicht und ihre Begeisterung vermitteln kann, die Lernenden vom Thema entsprechend gefesselt sind und sich im Raum aufgehoben fühlen, während der Stoff beiden Seiten als bedeutungsvoll erscheint. Es ist jedoch anzumerken, dass - wie Bollnows Begegnungen - ich diese Resonanzverhältnisse „instrumentell nicht herstellen lassen“ (Plikat 2020: 159), in Rosas Worten „unverfügbar“ sind (vgl. Rosa 2018). Das Prinzip der Begegnung ist kein Novum im fremdsprachendidaktischen Diskurs. Eine ausführliche Diskussion der Begrifflichkeiten ist im Rahmen dieses Artikels kaum möglich, aber es soll nicht unerwähnt bleiben, dass ähnliche Begriffe und Konzepte die Notwendigkeit von Begegnungen, Kommunikation und Interaktion im Umgang mit Lite‐ ratur ausdrücken. So beschreibt Freitag-Hild den fremdsprachlichen Literaturunterricht als „Ort des Dialogs und kulturellen Handelns“ (2010: 83), Kramsch spricht vom dritten Ort (vgl. Kramsch 1995), Bracker entwickelt die Idee „bildende[r] Erfahrungsräume“ (2015: 65-66) und Hallet nennt es den „diskursiven Begegnungsraum“ (2002: 30). Einen solchen Begegnungs- und im Idealfall auch Resonanzraum zu schaffen gestaltet sich bereits in der Präsenzlehre als anspruchsvoll. Was aber zeichnet den digitalen Begegnungsraum aus? Versteht man den Begegnungsraum an dieser Stelle auch als Lernort, so lohnt sich eine Spezifizierung ebendessen. Kurtz (vgl. 2015) skizziert zwölf Lernortdimensionen und anhand einiger ausgewählter maßgeblicher Dimensionen soll ein differenzierterer Blick auf den hier gezeichneten digitalen Begegnungsraum ermöglicht werden: Zum einen wäre der Aspekt der Materialität zu nennen. Der wohl offensichtlichste Unterschied zwischen digitaler und Präsenzlehre ist der Wegfall des physisch abgetrennten Lernortes. Das wiederkehrende und wöchentliche Ritual, in einen bestimmten physischen Raum zu kommen, die Kommiliton*innen wiederzutreffen und sich im Raum zu bewegen, ergänzen entfällt in der digitalen Lehre. Stattdessen verlagert sich der physische Lernort in das private Zimmer zu Hause. Der digitale Raum ist also nur Treffpunkt für den mentalen und kognitiven Austausch, die Physis bleibt jedoch stationär verankert vor dem Laptop/ Computer. Damit eng verflochten ist die Sozialität, also die interaktional-diskursive Lernortdimension. Die Isolation vor dem Bildschirm scheint zunächst einmal jegliche interaktional-diskursiven Praktiken zu behindern. Selbst ein einfaches Melden, um einen Redebeitrag zu leisten, ist im digitalen Raum mit dem zusätzlichen Aufwand verbunden, das Mikrofon (und die Kamera) einzuschalten, was eine ergänzende Hemmschwelle darstellen könnte. Dies kann wiederum die Dimension der Affektivität/ Erlebnisqualität beeinflussen, das heißt das sinnlich-subjektive Erleben des digitalen Raumes. Wie aber schafft man es, eine ansprechende Atmosphäre im digitalen Raum zu erzeugen? Ist der Begriff der Atmosphäre überhaupt zutreffend? Ein weiterer essentieller Aspekt ist die Didaktizität, also die ortsangemessene und lernergerechte Didaktisierung, aber auch Aktions- und Sozialformen spielen hier eine Rolle. Im Laufe der Pandemie wurden verstärkt digitale Tools angeboten und entwickelt, welche die Lehre verbessern und/ oder erleichtern sollten. Während die Auswahl dieser digitalen Tools inzwischen kaum noch überschaubar ist, sollte hier vor allem das Primat der Sinnhaftigkeit gelten: Welche digitalen Angebote sind gegenstandsangemessen, um meine Lerninhalte entsprechend aufbereiten zu können? 74 Darja Brotzmann <?page no="75"?> Nicht zuletzt soll noch die Dimension der Novität angeführt werden, d.h. das Spannungsver‐ hältnis von Vertrautheit und Neuartigkeit. Die digitale Lehre unter Pandemiebedingungen stellte sowohl für Lehrende als auch für Lernende eine beispiellose Situation dar, die Eingewöhnung von beiden Seiten erforderte. Es ist also festzuhalten, dass der digitale Begegnungsraum grundlegende und maßgeb‐ liche Unterschiede zum traditionellen Lernort aufweist. Welche Prinzipien dienlich sein können, um den digitalen Begegnungsraum sinnvoll zu gestalten, wird in den nächsten Abschnitten behandelt. 2.3 Community of inquiry Um die Gelingensbedingungen im digitalen (Begegnungs- und Resonanz-)Raum zu verbes‐ sern, bietet es sich an, das Konzept der community of inquiry zu verfolgen. Dabei handelt es sich um einen „konzeptionelle[n] Rahmen, welcher kritische Faktoren für nachhaltiges Lernen in online-basierten Lernsetting [sic] beschreibt“ (Ammenwerth, Hackl, Felderer & Hörbst 2017: 170). Ammenwerth et al. beziehen sich auf Garrison, Anderson & Archer (2000), welche bereits 2000 festhielten, dass „durch einen gemeinsamen kritischen Diskurs und durch die persönliche Reflexion ein vertieftes Verständnis der Lerninhalte konstruiert werden“ kann (ebd. 2017: 170). Um dieses Ziel zu erreichen, seien drei Elemente notwendig: • die soziale Präsenz • die Lehrenden-Präsenz • die kognitive Präsenz Unter sozialer Präsenz versteht man die Fähigkeit der Lernenden, sich als Teil einer Lerngruppe zu begreifen und Beziehungen, die auf Vertrauen fußen, aufzubauen. Die Leh‐ renden-Präsenz wirkt sich maßgeblich auf das Design des Kurses aus, denn es soll kritisches Denken seitens der Lehrenden und Lernenden gefördert werden. Die kognitive Präsenz impliziert, dass man durch Reflexion und Diskurs neue Einsichten gewinnt; sie kann durch einen vierphasigen Prozess unterstützt werden: ein sogenanntes triggering event beschreibt einen Zustand der Dissonanz, eine erfahrungsbasierte negative Emotion, danach folgt die Phase exploration, in welcher Informationen, Wissen und Alternativen akkumuliert werden, um die vorangegangene Situation/ das Problem zu verstehen. Integration bedeutet, dass das gesammelte Wissen und Informationen in kohärente Ideen/ Konzepte integriert werden. In der abschließenden Phase resolution werden entsprechende Ideen/ Hypothesen angewendet und umgesetzt (vgl. Garrison et al. 2000: 98-99). 2.4 Reflexion Reflexion zieht sich als roter Faden nicht nur durch die Literaturdidaktik, sondern auch durch Professionalisierungsprozesse angehender Lehrkräfte, um einen reflexiven sowie kontemplativen Habitus zu entwickeln. Zum einen sollten die angehenden Lehrkräfte Reflexion also als einen essentiellen Bestandteil des Leseprozesses verstehen, denn nur so kann die Wirkmacht und der Einfluss literarischer Texte auf jeden einzelnen von uns begreifbar gemacht werden werden: „reflecting on the reading process itself - the way literature works on readers and readers work on literature“ (Bruns 2011: 121, vgl. auch Bredella 2008: 22). Zum anderen wird Reflexion als internaler Prozess verstanden, also als Mittel Einen digitalen Begegnungsraum für und mit Literatur schaffen 75 <?page no="76"?> „der eigenen Weiterentwicklung als Lehrkraft“ (von Aufschnaiter, Fraij & Kost 2019: 147). Dabei können die Reflexionen auf unterschiedliche Aktivitäten gerichtet sein wie z.B. auf die eigenen Wissensbestände, pro‐ fessionelle Fähigkeiten, Einstellungen/ Überzeugungen und Bereitschaften, u.a. zum Fach, zum Studium oder zum eigenen Weiterlernen. (ebd. 2019: 147) Um diese Reflexionsprozesse zu begünstigen, schlägt Schlee kleinere Gruppen und dis‐ kursive Rahmenbedingungen vor, die den Teilnehmenden die Möglichkeit bieten, „ihre Sichtweisen und Standpunkte zu vergleichen, Unterschiede aufzuspüren, Argumente und die eigene Perspektive zu überprüfen“ und insgesamt in einer „Atmosphäre des Vertrauens“ zu reflektieren (Schlee 2021: 56). Um individuelle Reflexionsprozesse festzuhalten (und auch im Sinne der prozessorientierten Leistungsmessung), hat sich das schriftliche Refle‐ xionsportfolio in der Lehrer*innenbildung inzwischen etabliert (vgl. Feder & Cramer 2018: 355; Koch-Priewe 2013: 47-51). Es erlaubt den Studierenden, sowohl ihre Leseprozesse (vgl. Bruns 2011: 139) als auch neue fremdsprachendidaktische Inhalte zu verschriftlichen und zu reflektieren. 2.5 (Literaturdidaktische) Hochschullehre Zuletzt sollen nun noch das Format und die Relevanz der Hochschullehre in Betracht gezogen werden. Bruns stellt hierzu eine langjährige Literaturdozentin vor, Tompkins, die von ihren eigenen negativen Erfahrungen an der Hochschule maßgeblich geprägt wurde: The fear and reticence Tompkins develops were not a response to explicit instruction, but to the hidden subtext of classroom interaction (in Yale) - the questions that were asked, the responses that were valued. She was shaped more by the manner of instruction than by its content, a phenomenon she claims is generalizable when she asserts, ‚The format of higher education, its mode of delivery, contains within itself the most powerful teachings students receive during their college years‘ (Bruns 2011: 5). Das Zitat zeigt eindringlich auf, welche Bedeutung die universitäre Lehre für Studierende potentiell haben kann - und vor allem auch, was genau an der Hochschullehre Studierende beeinflussen kann. „She [Tompkins] was shaped more by the manner of instruction than by its content“ (ebd. 2011: 5) - die Wissensvermittlung kann demnach zweitrangig werden, wenn das Format der Veranstaltung die Studierenden nicht anspricht oder gar abstößt. Während der fremdsprachliche Literaturunterricht an Schulen nun seit Jahren akribisch beforscht wird (vgl. Bracker 2015; Burwitz-Melzer 2003; Freitag-Hild 2010; Steininger 2014), scheint die literaturdidaktische Hochschullehre ein eher stiefmütterliches Dasein zu fristen. Es mangelt an fremdsprachendidaktischer Forschung und Erkenntnissen zu gelungenen literaturdidaktischen Veranstaltungen, weshalb im Laufe der Seminarkonzeption eine Frage kontinuierlich wiederkehrte: Welches Seminarformat benötigen angehende Englischlehr‐ kräfte? Was ist besonders förderlich für die Fremdsprachenlehrkräftebildung, was hingegen eher abträglich? Eine erste Antwort darauf liefert Altman, dessen Diktum mit großer Wahrscheinlichkeit allen angehenden Lehrkräften geläufig sein wird: „Teachers teach as they were taught, not as they were taught to teach“ (Altman 1983: 24). Dieser Ausspruch kann (und sollte) außerhalb des schulischen Kontexts auch auf die universitäre Lehre angewandt werden, welche die vorgestellten und gelehrten Prinzipien der Lehrveranstal‐ 76 Darja Brotzmann <?page no="77"?> tung widerspiegelt. Altman unterstreicht weiter, dass die Lehrer*innenbildung zweierlei Möglichkeiten anbieten müsse: angehende Lehrkräfte müssen lernen, wie man lernt, und lernen, wie man lehrt („‚learn how to learn‘ and ‚learn how to teach‘“). Diese Interdependenz, wie auch die „Doppelung von Lehr- und Lernprozessen“ (Wahl 2013: 64-69), kann weiter theoretisch durch das Prinzip des „pädagogischen Doppeldeckers“ (ebd. 2013: 64-69) expliziert werden: Es ist erforderlich, das, „womit man sich inhaltlich beschäftigt, auch gleichzeitig zu erleben und wieder in die kognitive Auseinandersetzung mit dem Inhalt einzubeziehen“ (Geissler 1985: 8 in Wahl 2013: 64). Dieses Grundprinzip wird außerdem durch Banduras Ausführungen zu modeling, also Modelllernen, unterstützt. Neue Verhaltensweisen können demnach durch die Beobachtung des Verhaltens anderer angeeignet werden (observational learning effect) (Bandura 2007: 1-6). Für das Seminar Short Fictional and Non-Fictional Texts galt es also, nicht nur literaturdidaktische Prinzipien zu vermitteln, sondern diese, wie beispielsweise Unterrichtsgespräche, Aushandlungs- und Sinnstiftungsprozesse, zu modellieren und zu reflektieren. Abb. 1 soll die wichtigsten theoretischen Elemente graphisch zusammenfassen und in Beziehung zueinander setzen. Der digitale Begegnungsraum wurde demnach auf dem Fundament literaturdidaktischer Prinzipien aufgebaut und durch reflexive wie kritische Prozesse gerahmt, die bildlich als Pfeiler der Veranstaltung dargestellt sind. Literaturdidak‐ tische Prinzipien, Reflexion und critical inquiry waren somit Konstanten des Seminars, die für alle Inhalte und jede Sitzung von Bedeutung waren. Der fiktionale und nicht-fiktionale Text hatte im digitalen Begegnungsraum vor allem zweierlei Funktion: er fungierte als verbindendes Element zwischen den verschiedenen Akteuren und als aktivierendes Element (aktivierte Denkprozesse, Auseinandersetzungen mit Themen und Inhalten) in den verschiedenen Begegnungsräumen. Abb. 1: Digitale Begegnungsräume im Seminar Short Fictional and Non-Fictional Texts Einen digitalen Begegnungsraum für und mit Literatur schaffen 77 <?page no="78"?> 3 Seminarbeschreibung Die Studierenden des Seminars Short Fictional and Non-Fictional Texts befanden sich im zweiten Fachsemester. Sie alle hatten im Semester zuvor ihre ersten zwei obligatorischen TEFL- Veranstaltungen besucht: die Vorlesung Introduction to English Language Teaching sowie das entsprechende Begleittutorium. Das erste Semester führt die Studierenden überblickshaft in die wichtigsten Themen der Englischdidaktik ein, so z.B. Spracher‐ werbstheorien, Kompetenzen und Bildungsstandards bis hin zu Medien und Literatur im Fremdsprachenunterricht. Damit stellte das Seminar Short Fictional and Non-Fictional Text die erste thematisch frei gewählte TEFL-Veranstaltung dar. Das fachdidaktische Vorwissen der Studierenden war demnach noch als niedrig einzustufen. Zudem hatten die Studierenden zu diesem Zeitpunkt noch keine literaturwissenschaftlichen Veranstaltungen in Englisch besucht. Die Herausforderung des Seminars bestand inhaltlich also darin, zunächst notwendiges literaturwissenschaftliches Wissen zu vermitteln, um anschließend in die literaturdidaktischen Diskussionen einsteigen zu können. Wie in der Theorie zuvor ausführlich dargelegt wurde, sollte das Prinzip der Begegnung zentraler Bestandteil der Veranstaltung sein. Das Seminar sollte daher einen digitalen und diskursiven Begegnungsraum (vgl. Hallet 2002: 30) für die Studierenden darstellen, in welchem sie sich regelmäßig treffen, austauschen und zusammen lernen konnten. Die Studierenden sollten angeregt werden, über verschiedene fiktionale und nicht-fiktionale Texte zu kommunizieren, neue literaturdidaktische Inhalte zu diskutieren, eigene Unter‐ richtsideen vorzustellen und sich zu Unterrichtsideen ihrer Kommiliton*innen durchaus kritisch zu äußern (vgl. critical inquiry in diesem Beitrag). Aufgrund dessen fanden wöchentliche synchrone Sitzungen mit den rund 53 Teilnehmenden auf einer Videokonfe‐ renzplattform (Webex) statt, welche sowohl Arbeit im Plenum als auch Gruppenarbeiten in Breakout Rooms zuließ. Zudem wurden die von der Videokonferenzplattform bereits integrierten Anwendungen je nach Sitzung und Bedarf in Anspruch genommen: Die Dozentin teilte wöchentlich ihre Präsentation zur jeweiligen Sitzung und die Studierenden konnten ihre Ergebnisse aus den Gruppenarbeiten als Präsentation oder Dokument im Plenum teilen. Auch wurde die Chat-Funktion von den Studierenden rege in Anspruch genommen, um z.B. Fragen und/ oder Kommentare mit dem Plenum zu teilen. Neben der Videokonferenzplattform wurden ab und an noch weitere digitale Tools im Rahmen einer Sitzung integriert, welche im noch zu beschreibenden Seminarablauf konkretisiert werden. Asynchrone Elemente der Veranstaltung bestanden zum einen in den wöchentlichen Hausaufgaben. Jede/ r Studierende musste einen literarischen sowie einen literaturdidak‐ tischen Text als Vorbereitung für die nächste Sitzung lesen und evtl. noch einen damit einhergehenden Arbeitsauftrag erfüllen. Diese Hausaufgaben dienten als Sprungbrett für die nächste Stunde, in welcher die Texte oftmals als Diskussionsanlass im Plenum oder in den Gruppen dienten. Die Lektüre wurde zwar zu Beginn des Semesters als obligatorisch angekündigt, eine Kontrolle seitens der Dozentin fand jedoch nicht statt. Zum anderen stellten die Portfolios einen wichtigen Teil der asynchronen Elemente dar. Dabei handelte es sich um ein Reflexionsportfolio, welches sukzessive im Laufe des Semesters bearbeitet werden sollte. So wurde die erste Reflexionsaufgabe gleich zu Beginn der Veranstaltung gestellt, in welcher die Studierenden über ihr Vorwissen und ihre Vorerfahrungen mit 78 Darja Brotzmann <?page no="79"?> fiktionalen und nicht-fiktionalen Texten reflektieren sollten. Im Laufe des Semesters wurden weitere Aufgaben ins Portfolio hinzugefügt, wie die Textprofile (s.u. in der Seminar‐ beschreibung), die Präsentationen der Mini-Konferenz (s.u. in der Seminarbeschreibung) und Abschlussreflexionen zum Seminar als Ganzes. Neben den Diskussionen im Seminar selbst, in welchen ein kritischer und reflexiver Habitus der angehenden Englischlehrkräfte entwickelt werden sollte, diente demnach vor allem das Portfolio als Reflexionsinstrument, welches die Studierenden durch das gesamte Semester begleiten sollte. Die Veranstaltung begann thematisch nach einer ersten Sitzung zum Lesen in der Fremdsprache (vgl. Birch 2002) mit einem Problemaufriss, oder wie Garrison et al. (2000) und Ammenwerth et al. (2017) es ausdrücken: mit einem triggering event. Dieser Proble‐ maufriss bestand darin, einen kritischen Blick auf den Stellenwert des Lesens in der Gesellschaft zu werfen. Bretz (1990) konstatiert bereits vor über 30 Jahren, dass das Lesen unter den vorhandenen Freizeitangeboten eine immer nichtigere Rolle einnimmt. Eine gesellschaftliche Entwicklung, die sowohl seitens der Literaturwissenschaft (vgl. Hirsch 1999: xii) als auch in bundesweiten Umfragen (vgl. Statista 2022) wahrgenommen wird. So kommt Booth (vgl. 2009) zu dem Schluss: reading doesn’t matter anymore unless. Wie dieses „es sei denn“ genauer aussehen soll, galt es im Seminar herauszufinden und zu erarbeiten: Was können Englischlehrkräfte tun, um „Leselust statt Lesefrust“ seitens der Schüler und Schülerinnen zu wecken (vgl. Henseler und Surkamp 2007)? Diese Leitfrage diente als Ausgangspunkt der Veranstaltung und wurde wiederholt in Form von Diskussionen und mündlichen Reflexionen im Seminar aufgegriffen. Nach diesem ersten Einstieg wurde das Seminar in den darauffolgenden Wochen mit notwendigen literaturwissenschaftlichen Diskussionen im digitalen Raum unterfüttert (enge vs. weite Definition von Literatur, Literature vs. literature, fiktionale vs. nichtfiktionale Texte), was den Studierenden erlaubte, ihr eigenes Verständnis von Literatur zu überdenken und zu hinterfragen, und was für das Seminar als solches eine gemein‐ same literaturwissenschaftliche Basis bot (vgl. Garrison et al. (2000) und Ammenwerth et al. (2017): exploration). Daraufhin sollten die Studierenden als erste umfangreichere Hausaufgabe in Einzelarbeit jeweils ein Textprofil zu einem Sachtext und einem fiktionalen Text erstellen. Die Studierenden waren angehalten, durch intensive eigene Recherche fiktionalen und nicht-fiktionalen Texten in Büchern, Bibliotheken und dem Internet zu begegnen. Selbstverständlich war dies nicht die erste Begegnung der Studierenden mit Texten, aber es war eine ihrer ersten Begegnungen mit den Texten aus der Perspektive an‐ gehender Englischlehrkräfte. Neben inhaltlichen und textstrukturellen Merkmalen sollten die Studierenden sich deshalb auch mit Potentialen und Herausforderungen der Texte, möglichen Lerngruppen und Lernzielen in den Textprofilen beschäftigen. In den anschlie‐ ßenden Seminarsitzungen wurden die Hausaufgaben, also die Erstellung der (fiktionalen und nicht-fiktionalen) Textprofile, zunächst anonym auf einem digitalen Abstimmungstool (mentimeter) reflektiert: Die Studierenden sollten auf den Prompt „While I was working on my text profile, I noticed/ I wondered…“ mit ersten Eindrücken, Erkenntnissen und/ oder Fragen reagieren, welche als Einstieg und Diskussionsanlass für die Stunde dienten. Die durch das digitale Tool garantierte Anonymität erlaubte es den Studierenden, sich offen und ehrlich zu äußern, was im Plenum eventuell nicht alle auf Anhieb getan hätten. Auch wurden selbst schüchterne und stillere Studierende animiert, ihre Eindrücke zu teilen. Einen digitalen Begegnungsraum für und mit Literatur schaffen 79 <?page no="80"?> Die Anzahl der abgegebenen Antworten wurde auf dem digitalen Tool angezeigt und ermöglichte es der Dozentin nebenbei, die Teilnahme aller Studierenden zu garantieren. Im nächsten Schritt wurden die Studierenden in Kleingruppen in Breakout Rooms geschickt, um sich ihre Textprofile im Detail präsentieren zu können. Aufgabe in den Gruppen war es dann, ein Ranking der Texte mit dem größten/ geringsten Potenzial für den FSU Englisch zu erstellen. Während die Textprofile an sich noch keine größeren Spannungen erzeugten, waren es vor allem die Aushandlungen in den Gruppen und die Erstellung des Rankings, die die Studierenden zu Stellungnahmen und kritischen Auseinandersetzungen mit den einzelnen Texten bewegten. Bereits die Kriterien zur Textauswahl erarbeitete und gewichtete jede Gruppe unterschiedlich, und auch beim anschließenden Ranking wählten die Studierenden unterschiedliche Lösungsansätze. Einzelne Gruppen erstellten ihr Ranking basierend auf klar definierten Kriterien wie Länge, Wortschatz, Komplexität, eine andere Gruppe stellte ein curriculumbasiertes Ranking einem interessenbasierten Ranking gegenüber, und schließlich gab es Gruppen, die aufgrund der Vielfalt und Eigenheit der Texte ein Ranking begründet ablehnten („we decided not to rank our texts in general because our ranking choice would vary depending on the learner group“ (aus der Arbeit im Seminar)). Im weiteren Verlauf des Seminars sollten die Studierenden unterschiedliche fiktionale und nicht-fiktionale Texte vorbereitend für die jeweilige Sitzung lesen, welche dann ge‐ nutzt wurden, um Aufgaben und Aufgabenideen nach literaturdidaktischen Prinzipien zu diskutieren und zu erstellen (pre-, while-, post-reading tasks, target tasks, Berücksichtigung der Lerngruppe und Lernziele, etc.) (vgl. Garrison et al. (2000) und Ammenwerth et al. (2017): integration). Die Auswahl an Literatur sollte die Studierenden darin bestärken, einer Bandbreite an Texten positiv zu begegnen, sich mit diesen zu befassen und deren Potenziale für den FSU Englisch zu identifizieren. Dabei sollten es teils mehr, teils weniger bekannte Texte sein, aber zumeist solche, mit denen sie sich noch nicht vermehrt in der Schule beschäftigt hatten. So wurden u.a. Lieder (Lady Gagas Born this way), Gedichte (Ijeoma Umebinyyuos The returnee, Judith Viorsts Learning), Kurzgeschichten (Zadie Smiths Blocked) als auch ein Essay (aus Gabrielle Unions Memoir We’re going to need more wine: stories that are funny, complicated and true) rezipiert und in digitalen Kleingruppen wie im Plenum verhandelt. Die synchronen Sitzungen waren dabei essentiell notwendig, nicht nur um literaturdidaktische Prinzipien zu besprechen, sondern um diese auch selbst zu erleben: Besonders einprägsam für die Dozentin war hier das Unterrichtsgespräch (vgl. Surkamp & Nünning 2009: 47) zu Smiths Blocked: Die Kurzgeschichte hatte (zur Freude der Dozentin) bei vielen Studierenden große Verwirrung ausgelöst, denn weder Erzähler noch Thema der Kurzgeschichte ließen sich genau identifizieren. Das daraus resultierende digitale Unterrichtsgespräch erlaubte es den Studierenden, eigene Verstehensansätze in den (digitalen) Raum zu stellen und auszuhandeln, den Kommiliton*innen zuzustimmen und/ oder zu widersprechen und letztendlich die Kurzgeschichte gemeinsam zu erschließen bzw. sich auf noch offene Fragen zu einigen. Dieser Sinnstiftungsprozess ist ein elementarer Bestandteil jedes Literaturunterrichts, der zu Pandemiezeiten die synchrone digitale Bühne gebraucht hat, um für die angehenden Englischlehrkräfte erfahrbar gemacht werden zu können. Den Abschluss des Seminars bildete die in Kooperation mit einem zweiten literaturdi‐ daktischen Seminar ausgerichtete Mini-Konferenz From Short to Long, From Poem to Novel: Why Literature Matters. Jan Simon Schäfer (Englischdidaktik, JLU Gießen) leitete am selben 80 Darja Brotzmann <?page no="81"?> Tag und zur selben Uhrzeit sein Seminar Literary Competences mit Studierenden des vierten Fachsemesters. Während in der Veranstaltung Short Fictional and Non-Fictional Texs vor allem kurze Texte fokussiert wurden, beschäftigte sich Schäfers Kurs mit Romanen. Die zwei Veranstaltungen boten also genug Überschneidungspunkte, sodass eine gemeinsame literaturdidaktische Basis geschaffen werden konnte. Gleichzeitig divergierten die Semi‐ nare in Hinblick auf die konkreten literarischen Texte, welche rezipiert wurden, sodass ein Austausch zu Semesterende als besonders bereichernd empfunden wurde. Angeregt durch die digitalen Möglichkeiten entschieden sich die zwei Dozierenden zu Beginn des Sommersemesters 2021, eine seminarübergreifende Konferenz zu organisieren. Den Studierenden wurde mitgeteilt, sie würden in den letzten zwei Sitzungen an einer digitalen Mini-Konferenz teilnehmen. Dafür wurde in jeweils beiden Seminaren die Aufgabe gestellt, sich in Kleingruppen zu formieren, einen Text (Kurzgeschichte, Gedicht, Lied, Roman, etc.) auszusuchen und einen Unterrichtsentwurf für zwei bis drei Doppelstunden zu konzipieren (vgl. Garrison et al. (2000) und Ammenwerth et al. (2017): resolution). Während der Mini-Konferenz selbst hatten die Gruppen jeweils 20 Minuten Zeit, um ihre Unterrichtsentwürfe vorzustellen und anschließend zehn Minuten, um im Plenum Fragen zu beantworten, sich Rückmeldungen und Feedback einzuholen und eventuelle Diskussionen zu führen. Aufgrund der insgesamt über 80 Studierenden wurden die Zeitslots mit mehreren Gruppen besetzt, sodass die Studierenden sich - wie bei einer normalen Konferenz - aussuchen konnten, welchen Präsentationen sie beiwohnen wollten. Diese finale Aufgabe sollte die Studierenden animieren und aktivieren, sich mit einem Text ihrer Wahl näher auseinanderzusetzen und sich angemessen vorzubereiten, während das Format der Mini-Konferenz als motivierendes Element fungieren sollte, indem die Studierenden ihre Ergebnisse nicht nur sich selbst, sondern auch einem fremden Publikum vorstellen sollten. Zudem sollte die Mini-Konferenz die Studierenden anregen, über den Tellerrand des eigenen Seminars hinauszuschauen, um noch mehr literarischen Texten, Unterrichtsideen und, nicht zuletzt, weiteren angehenden Englischlehrkräften zu begegnen. Dabei erwies sich die digitale Plattform als besonders nützlich, denn eine Mini-Konferenz in den universitären Räumen vor Ort auszurichten hätte einen enormen logistischen Aufwand bedeutet. Eine Videokonferenzplattform ermöglichte es, alle Kursteilnehmer*innen zu versammeln und mehrere Präsentationen zeitgleich in unterschiedlichen Breakout Rooms stattfinden zu lassen, sodass die große Studierendenzahl weder bei der Planung noch bei der Umsetzung der Mini-Konferenz eine Hürde darstellte. 4 Datenanalyse - 4.1 Methodik Die Studierenden im Seminar Teaching Short Fictional and Non-Fictional Texts wurden in einer synchronen digitalen Sitzung um ihr Einverständnis gebeten, am Forschungsprojekt teilzunehmen und ihre Produkte (Abstimmungen, Gruppenpräsentationen, Portfolios u.ä.) aus dem Seminar zur Verfügung zu stellen. 41 von 53 Studierenden gaben ihr schriftliches Einverständnis. Bei anonymen Abstimmungen (wie über mentimeter) stand es den Studie‐ renden frei, teilzunehmen, wobei die über das Tool angegebene Teilnehmendenzahl eine immer fast vollständige Beteiligung garantierte. Einen digitalen Begegnungsraum für und mit Literatur schaffen 81 <?page no="82"?> Im Rahmen dieser Veranstaltung waren allem voran drei Fragen von Interesse: • Konnten die grundlegenden literaturdidaktischen Prinzipien in der digitalen syn‐ chronen Veranstaltung vermittelt werden? • Hat das Seminar in seiner Funktion als Begegnungsraum Studierenden digitale Begeg‐ nungen ermöglicht? Wenn ja, wie liefen diese ab? • Welche synchronen und asynchronen Aufgaben trugen zur Aktivierung der Studie‐ renden bei? Um die Fragen beantworten zu können, wurden drei im Laufe des Semesters erhobene Datensätze ausgewählt und ausgewertet: Ein Datensatz besteht aus den Rückmeldungen der Studierenden zu ihren Textprofilen. Nach der Erstellung ebendieser Profile hatten die Studierenden in der nächsten Sitzung die Möglichkeit, ihre Eindrücke zu Texten, Textaus‐ wahl, Fragen, Anliegen, u.ä. in einem Feedbacktool zu sammeln. Den umfangreichsten Datensatz stellen Aufgaben aus den Reflexionsportfolios dar, welche zu diesem Zweck ano‐ nymisiert (S1-S41) wurden und nun verkürzt mit S1 (=Studierende/ r 1) dargestellt werden. Da die insgesamt 41 Portfolios mit ihren sechs Aufgaben zu umfangreich gewesen wären für diese Studie, wurden nur die letzten drei Reflexionsaufgaben berücksichtigt. Darin dokumentieren die Studierenden in Form von Reflexionen ihre eigene Gruppenarbeit (und ihre Präsentation auf der Mini-Konferenz), eine Präsentation, welche sie sich angeschaut hatten, und retrospektiv das Seminar als Ganzes mit besonderem Fokus auf (positive oder negative) key insights, die sie im Laufe des Seminars gewonnen hatten. Beide Datensätze wurden aufgrund der Textmenge mit der zusammenfassenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (vgl. 2015) ausgewertet, wobei die Kategorien induktiv gebildet wurden. Ein weiterer Datensatz wurde zum Abschluss der Mini-Konferenz über ein Feedbacktool erhoben. Auf einer Skala von 1-4 (1=best, 4=worst) konnten die Studierenden aus beiden Seminaren einzelne Aspekte der Konferenz und Präsentationen bewerten. Für die Dozie‐ renden bot sich damit ein grober quantitativer Überblick zu besonders gelungenen und nicht gelungenen Elementen der Mini-Konferenz. - 4.2 Ergebnisse 4.2.1 Textprofile: Erste Begegnungen mit dem Text und sich selbst Die anonymen kurzen Rückmeldungen der Studierenden zur Bearbeitung ihrer Textprofile wurden in einem Feedbacktool gesammelt. Die Einträge wurden thematisch gruppiert, um das folgende Meinungsbild der Studierenden abzubilden. Die eigene Recherche und Auswahl eines sowohl fiktionalen als auch nicht-fiktionalen Textes schien als schwierig bis überwältigend wahrgenommen worden zu sein. Vielfach wurde dazu die Aussage getätigt: • there are a lot of text types one can use • there is a variety of texts to choose from Gleichzeitig nahmen einige Studierende diese Fülle an Textmaterial zum Anlass, sich näher mit textspezifischen Merkmalen sowie bestimmten Textgenres auseinanderzusetzen: 82 Darja Brotzmann <?page no="83"?> • I noticed how many different types of non-fictional text there are (articles, essays, brochures, etc.) • I wondered how much text a non-fictional text needs to be a ‚text‘ • The sheer variety of, for example, different types of poems (sonnet, limerick, haiku…) Auch traten dabei eigene Wissensdefizite zu Tage („that I have no clue about academic classification and description of texts“). Insgesamt lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass die Studierenden durch diese erste eigene Begegnung mit Texten ihrer Wahl - und nicht mit vorgegebenen Texten aus dem Seminar angehalten waren, aktiv verschiedene kurze Texte in der Rolle der Leser*innen zu entdecken und sich dabei auch mit ihren eigenen Wissensbeständen zu dem Textmaterial auseinanderzusetzen. Des Weiteren sei das bildliche Aufziehen der Lehrerbrille zu benennen. Vermehrt schrieben die Studierenden „it can be quite difficult to choose/ find a suitable text,“ wobei die Adjektive appropriate und suitable sich in den Studierendeneingaben häuften. Es wird deut‐ lich, dass die Studierenden hier aus ihrer eigenen Lernendenrolle nun in die Lehrendenrolle schlüpften und das Textmaterial unter fachdidaktischen Gesichtspunkten inspizierten. Es mehrten sich Fragen nach passenden Auswahlkriterien, Textlänge, Unterrichtsplanung, passender Lerner*innengruppe und adäquaten Lernzielen. • I wondered which length is appropriate • I wondered how much time working with a short story would take in class • I noticed that I find it hard to consider which text is fitting for which grade • I wondered which criteria I have to apply when looking for a suitable text for my students • That there is a variety of text types, each offering different topics and themes to talk about. Therefore, the possible learning objectives are broad and support many overall competences and skills, which is vital in the EFLC Die Studierenden erstellten zunächst ihr Textprofil zu nicht-fiktionalen Texten, gefolgt von den fiktionalen Textprofilen. Dieser indirekte Vergleich der Textsorten spiegelte sich auch in den Anmerkungen der Studierenden wider, die mit großer Mehrheit einen klaren Favoriten für sich bestimmt hatten: • How many types of fictional texts there really are… there are a lot of opportunities to choose from I think they are easier to work with than with non-fictional texts. Spezifische Gründe für die Bevorzugung der fiktionalen Texte wurden dabei auch angegeben: • The display of creativity is much larger and richer for fictional texts than for non-fictional texts. The possibilities are nearly endless, which is great for the classroom because it brings a change of pace • That fictional texts provide more space for imagination and creativity when it comes to designing tasks for the EFLC. Kreativität, Vorstellungskraft und eine Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten waren damit überzeugende und wiederkehrende Argumente für die angehenden Englischlehrkräfte, warum sie die fiktionalen Texte präferieren würden, aber auch rhetorische Mittel, Analyse- und Interpretationsspielräume sowie Diskussionsanlässe wurden notiert. Einen digitalen Begegnungsraum für und mit Literatur schaffen 83 <?page no="84"?> Nicht zu unterschätzen ist an dieser Stelle die subjektive und affektive Dimension: • I noticed that working with a fictional text is more fun than with a non-fictional, as I have chosen a song which was very interesting and also, if one chooses the right one, highly valuable in order to analyse and work with it in class. • I noticed that articles from an English news page are fun to read. Diese Anmerkungen waren mitunter der Auslöser, um persönliche Präferenzen der Lehr‐ enden strittig zu diskutieren: Muss der ausgewählte Text vor allem den Lehrenden und/ oder vor allem den Lernenden gefallen? Auf eine eindeutige Antwort konnte sich der Kurs nicht einigen, doch schien die Rolle und Meinung der Lernenden Vorrang zu haben. Das ständige Abwägen von Lehrenden- und Lernendenrolle passierte noch sehr häufig im Seminar, was daran liegen könnte, dass es sich um relativ junge Studierende handelte, die selbst vor noch nicht allzu kurzer Zeit Lernende im Schulkontext gewesen waren. Unabhängig vom Ausgang dieser Diskussion ist jedoch festzuhalten, dass einige Studierende bei ihrer Suche nach angemessenen Texten für die Textprofilerstellung Material begegnet sind, welches sie in Hinblick auf ihren zukünftigen Unterricht inspiriert und aktiviert hat, und evtl. ihre Leselust und -vergnügen bestärkt oder gar entfacht hat. 4.2.2 Mini-Konferenz Nach der zweitägigen Mini-Konferenz wurden die Studierenden gebeten, die Mini-Kon‐ ferenz über ein digitales Feedbacktool (Oncoo) zu bewerten. Diese Anwendung erlaubt es, Rückmeldungen anonym zu sammeln und in Form einer Evaluationsscheibe zu visuali‐ sieren (bester Wert: 1, schlechtester Wert: 4). Die Ergebnisse der Befragung (n=63) sind in Abbildung 2 (s.u.) graphisch dargestellt. Abb. 2: Ergebnisse der Studierendenbefragung zur Mini-Konferenz 84 Darja Brotzmann <?page no="85"?> Ein genauerer Blick auf die Ergebnisse gewährt Einblicke in die Stärken und Schwächen dieser Konferenz. Am besten bewertet wurde Punkt 3, choice and variety of texts (1,7). Dies ist insofern ein sehr erfreuliches Ergebnis, als eines der Hauptziele der Konferenz die Be‐ gegnung der Studierenden mit einer Fülle unterschiedlichster literarischer Texte gewesen ist. Man darf also hoffen, dass die Teilnehmenden für sich wertvolle und inspirierende Beispiele und Ideen mitnehmen konnten. Daran anschließend sei Punkt 6 zu benennen, relevance of conference for future profession. Mit einem Ergebnis von 1,9 kann auch hier erwartet werden, dass die Konferenz den angehenden Englischlehrkräften Anreize für ihre zukünftige Lehrprofession liefern konnte. Ebenfalls noch positiv einzuordnen sind Punkt 9, organsiation (conference program, Webex, …) und Punkt 7, structure of the conference, mit Werten von je 1,8 und 1,9, was für die Dozierenden natürlich eine wichtige Rückmeldung in Hinblick auf mögliche zukünftige Konferenzen und deren Planung darstellte. Während Punkt 4 (satisfaction with own presentation: 2,1), Punkt 5 (personal growth in learning: 2,2) und Punkt 1 (quality of presentations: 2,3) leicht abfallen, sind auch das insgesamt noch annehmbare Ergebnisse. Deutliche Unzufriedenheiten hingegen kristallisierten sich bei Punkt 8 und 2 heraus: atmosphere during the conference erreichte zur Überraschung der Dozierenden mit einem Durchschnittswert von 2,5 nur ein sehr ernüchterndes Ergebnis. Die Überraschung stammte mitunter daher, da zuvor in den Seminaren selbst eine angenehme Lernatmosphäre geherrscht hatte. Wie sich während der mündlichen Reflexionsrunde am Ende der Mini- Konferenz offenbarte, war eine Vielzahl an Studierenden mit den meist nicht angestellten Kameras unzufrieden. Einige andere Teilnehmende wiesen auf technische Probleme hin, was der Grund dafür gewesen sei, die Kameras nicht anzuschalten. Dennoch muss an dieser Stelle konstatiert werden, dass die Atmosphäre während der Konferenz unter dieser Anonymität gelitten hatte, was die Studierenden auch in den Reflexionen in ihren Portfolios bemängelten. Dies mag auch einer der Gründe gewesen sein, warum der nächste Punkt, quality of discussion and feedback, mit deutlichem Abstand am schlechtesten abschnitt bei einem Wert von nur 3,0. Es ist davon auszugehen, dass die insgesamt verhaltene Atmosphäre nicht dazu einlud, sich an Gesprächen und Diskussionen zu beteiligen. Diesen Kritikpunkt erwähnen die Studierenden auch vielfach in ihren Portfolios (S6, S7, S28), wenn sie die eigene Präsentation auf der Konferenz reflektierten: Commenting on the mini conference, I have to say that I was very disappointed that nearly nobody used a camera when presenting his content, which I consider fundamental etiquette during this online semester. Apart from that, there was a huge lack of feedback and discussion at the end. While we at least got a short feedback telling us that our presentation was very detailed, nobody else cared to add his critique. Even more upsetting was that even though I constantly tried to establish a discussion by giving input and asking for opinions, only one person contributed. To summarise, the preparation of our presentation went well but the there was a huge lack of discourse during the mini conference. (S3) Besonders interessant ist hier das Ansprechen von „fundamental etiquette,“ quasi Be‐ nimmregeln im digitalen Raum. Während S3 diese Benimmregeln als gesetzt sieht und vergleichbares Verhalten von den Kommilitonen verlangt, trifft er/ sie damit auf Widerstand im Seminar. Diese negativen Begegnungen lassen sich mit Bollnows Ausführungen zum „gegen“ (vgl. Bollnow 1955) erklären, d.h. es handelt sich hier eher um einen Zusammenstoß Einen digitalen Begegnungsraum für und mit Literatur schaffen 85 <?page no="86"?> entgegengesetzter Haltungen und Meinungen zur digitalen Benimmetiquette als um eine fruchtbare Begegnung. Selbst ein solcher Zusammenprall kann jedoch eine positive Kehrseite haben, wie am folgenden Beispiel deutlich wird: We had an unsatisfactory feedback at the end of our presentation though, which was partly our fault. We did not include anything further, which we could have used to activate the audience. At the end of our presentation, no one had any questions or wanted to talk about a topic mentioned in our lesson. We should have included some activating questions at the end to get the ball rolling at the end. Other groups I watched later did better here and I will consider this knowledge when working on my next presentation. (S4) Das gleiche Problem widerfuhr auch S4, doch wurde diese negative Erfahrung zum Anlass genommen, verstärkt nach Lösungsansätzen zu suchen. Mögliche Alternativen für ein besseres Feedbackgespräch konnte sich S4 erfreulicherweise bei Kommiliton*innen abschauen. Ferner ist zu vermuten, dass die Studierendengruppe sich mit dem Feedback auf inhalt‐ licher Ebene schwergetan haben könnte, weil ihnen nicht deutlich war, welche Kriterien sie in welcher Form hätten anbringen können. Dieser Aspekt wird unter 4.3 Diskussion, noch einmal aufgegriffen. 4.2.3 Abschlussreflexion des Seminars: Key insights In ihrer letzten Reflexionsaufgabe des Portfolios waren die Studierenden angehalten, das Seminar als Ganzes zu reflektieren mit einem Fokus auf key insights. Die Aussagen der Studierenden wurden thematisch gebündelt, wobei sich vier größere Kategorien herauskristallisiert haben: Literaturdidaktische Prinzipien und das Format des Seminars, Gruppen, Gruppenarbeiten und Gruppendynamiken, Perspektiv- und Rollenwechsel sowie inspirierende und aktivierende Begegnungen. Literaturdidaktische Prinzipien und das Format des Seminars Wie bereits im Theorieteil expliziert und in der Seminarbeschreibung erläutert wurde, sollten literaturdidaktische Prinzipien im Seminar sowohl inhaltlich vermittelt, aber eben auch exemplarisch im synchronen Format vorgeführt und widergespiegelt werden (vgl. mo‐ deling in Bandura 2007). Angesichts der Abschlussreflexionen scheint sich dieses Konzept bewährt zu haben, denn zum einen war eine Vielzahl der Studierenden erfreulicherweise in der Lage, in ihren key insights über integrale literaturdidaktische Bestandteile der Veranstaltung, u.a. die Text-Leser Beziehung, die aktive Rolle des Lesers und affektive Dimensionen, zu referieren: • How can we justify them [Anm.: die Lerner*innen] being bored and uninterested most of the time? The answer is, we cannot. We as teachers are majorly responsible for ensuring that our students have a good „relationship“ with literature. (S7) • Thirdly, considering the role of the students now, we have learned that they must be looked at as explorers of a text. Due to that, teachers should promote active participation in class by providing an anxiety-free classroom so that students are confident to share their own thoughts and profit from those of others. (S11) 86 Darja Brotzmann <?page no="87"?> • Creating an interactive reading experience together or in a team can also improve the interest on reading. (S16) • Some important takeaways for my future role as a teacher are for example that I will work to get the students to actively engage in working with a text as well as the lesson in general. (S19) Der Aspekt der (inter-)aktiven Arbeit mit dem Text in Anknüpfung an die persönliche Mission der Lehrenden („we as teachers…“) kommt in den Zitaten besonders zum Ausdruck. Ob Studierende in einem asynchronen Format die Interaktion ähnlich stark fokussiert hätten, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Was jedoch festgehalten werden kann, ist, dass eine große Mehrheit der Studierenden ähnliche Aussagen als key insight angeführt hat. Zum anderen fokussierten die Studierenden wiederholt das Format der Veranstaltung und inwiefern eben dieses Format sie in Hinblick auf ihre persönliche Entwicklung, ihre Haltungen und Einstellungen sowie ihren Lernzuwachs geprägt hat. • … and I can see how beneficial it could be to involve my future students and interact with them instead of merely lecturing in front of the class. Not only was the content of the seminar vital for my future profession, but the seminar in itself was similarly a valuable example regarding classroom attitudes, dynamics, and even motivation. (S13) • Besides that, I think it is generally a good idea to design a seminar this particular way, with the focus more on the autonomy of the students instead of the teacher monologuing all the time whilst executing every single aspect in such a strict way. (S14) • But something I will take away from the seminar is that you constantly have to reflect on your own progress and the decisions you make, as a student and even as a teacher. (S26) • Despite this not being the explicit content of the seminar itself, I learned a lot about teaching during a pandemic or online teaching in general. I will retain a lot of this seminar simply because of the way it was held. Almost every lesson included an interactive part; either group work or plenum discussions. These discussions ensured that I remembered and understood the content of the session. (S37) Diese Portfolioauszüge untermauern Altmans Forderung, dass angehende Lehrkräfte zweierlei lernen sollten: „learn how to learn and learn how to teach“ (ebd. 1983: 24). Durch die eigenen Lernerfahrungen aus Sicht der Lernenden im Seminar können die Studierenden ihre Erkenntnisse auf ihren zukünftigen Unterricht als Lehrkräfte übertragen. Gruppen, Gruppenarbeiten und Gruppendynamiken Einen weiteren zentralen Anlass zur Reflexion boten die Gruppen, die Gruppenarbeiten und die sich entwickelten -dynamiken im Seminar. Eine Reihe an Studierenden bezog sich in ihren abschließenden Ausführungen auf die gewonnenen Erkenntnisse aus ebendiesen: My greatest insight involved our group works, our presentation, and the conference. Those insights may not have been intended by this seminar; however, they will follow me until my graduation and well into my life as a teacher. Working in groups has always been a difficult. Some times I was lucky and ended up with a motivated group, and other times I was the only one speaking. The digital aspect definitely made it easier for some students to hide away and not participate. Despite that, I approached Einen digitalen Begegnungsraum für und mit Literatur schaffen 87 <?page no="88"?> it from a teacher’s perspective. Once I turned my camera on, others followed. When I asked a question and waited instead of filling up the silence with incessant talk one or more people replied. It could be exasperating, but I now understand the benefits of group work. Not only did I get the chance to exchange my ideas with peers who are more hesitant to speak in a larger group, but I noticed that some of them were more inclined to participate in the larger discussion once they had the opportunity to discuss it in a smaller group. (S13) Eindrucksvoll und differenziert beschreibt S13 an dieser Stelle die Herausforderungen und Tücken von Gruppenarbeiten, welche bereits in analoger Form oftmals eine Hürde für Studierende darstellen. Wie bereits weiter oben im Text angesprochen, hat die digitale Lernumgebung die Möglichkeiten des „sich Versteckens“ begünstigt. Bemerkenswert ist jedoch, dass S13 dieses Problem erkannt hat, sich in die Lehrendenperspektive versetzt hat und im Laufe des Seminars Strategien und Lösungsansätze entwickeln konnte. Darüber hinaus hat der/ die Student/ in den durchaus problematischen Gruppenarbeiten einige positive Aspekte abgewinnen können: er/ sie ist nun sensibilisiert für beispielsweise stillere Lernende und deren Verhaltensweisen und wird diese Erfahrungen in ihr zukünftiges Lehrersein mitnehmen können. Die Relevanz der sozialen Interaktion bestätigt sich auch bei S11: Above all, however, the seminar has implicitly taught us to work in groups, divide our assignments, and, thus, connect to fellow students, which has proved to be a positive tactic. While training social competences, some students have even made friends during the online session. (S11) In beiden Zitaten wird der Aspekt der sozialen Interaktion zwar als scheinbar unbeabsich‐ tigter Nebeneffekt des Seminars beschrieben, doch war es beiden Studierenden wichtig, über die Inhalte der Veranstaltung hinaus die Gruppenarbeiten und -dynamiken zu dis‐ kutieren. Das soziale Miteinander schien in den Pandemiezeiten verstärkt an Relevanz gewonnen zu haben, so betont S11 die Begegnung und das In-Kontakt-treten mit Kursmit‐ gliedern und der Entwicklung von Freundschaften. Perspektiven- und Rollenwechsel Was sich zudem anhand der Portfolioreflexionen beobachten ließ, war die Relevanz der Rollenverschiebung von Lernenden zu Lehrenden. Mehrmalig berichteten Studierende in ihren Reflexionen aus ihrer zukünftigen Lehrer*innenperspektive: • I got as close to being a teacher as possible without really holding lessons. Through this task, I was finally able to understand how much work and effort goes into planning a lesson. The creation of our double lesson took a large amount of time and a lot of polishing was done until the finished product could be presented. (S15) • We were actually surprised by how many people wanted to see our presentation. It was fun to present one’s own lesson and one could literally see oneself standing in the classroom and watching the students as they do their tasks. […] This seminar showed me what it could be like to be a teacher and really made a difference to us only being taught several contents as we got to be real teachers in a certain way. (S21) • However, creating and designing a that complex task system, based on a text, was a completely different and new level of experience and learning. I appreciated it very much, 88 Darja Brotzmann <?page no="89"?> as it is not only suitable but also vastly applicable for our future job as a teacher. This is the kind of insight we, as university students, need to have in order to not only recognize but also identify what our future profession is going to look like. (S29) Die angehenden Englischlehrkräfte befinden sich in einem konstanten Spannungsfeld zwischen ihrer derzeitigen Lernendenrolle und ihrer zukünftigen Lehrendenrolle (vgl. Altman 1983). Dieses Spannungsfeld kann und sollte aus Dozierendenperspektive als fruchtbarer Boden angesehen werden. Neben der gelungenen Vermittlung von Wissen und Inhalten gilt es auch, den Studierenden Erfahrungen zu ermöglichen, die sie zum Perspektivenwechsel zwingen und die sie in ihre zukünftige Lehrendenrolle schlüpfen lassen. Sich in dieser Rolle zu entdecken und zu entfalten kann die Studierenden und ihr Verständnis der zukünftigen Lehrendentätigkeit ausgesprochen stark beeinflussen. Inspirierende und aktivierende Begegnungen Nicht zuletzt soll an dieser Stelle die Wirkkraft von Begegnungen hervorgehoben werden. Wie im Theorieteil erklärt wurde, ist der Effekt von Begegnung und Resonanz nicht immer sichtbar im Lehr- und Lernkontext, doch lässt sich in den Reflexionsportfolios erkennen, wie manche inhaltlichen oder persönlichen Begegnungen inspirierend und aktivierend auf die Studierenden gewirkt haben. To conclude, the group’s variety of approaches of dealing with the song „We Are the World“ inspired me and once again highlighted the importance of incorporating social and political awareness into the EFLC. […] Therefore, I will definitely consider incorporating the group’s ideas and methods into my own lessons as a future teacher. (S3) Die beobachtete Präsentation der anderen Gruppe hinterließ einen durchweg positiven Eindruck bei S3 und bewegte den/ die Student/ in dazu, die Ansätze auch für ihren Unterricht zu berücksichtigen. Es entsteht also ein indirekter Austausch an Ideen - selbst wenn die vorstellenden Gruppen es nicht immer wahrnehmen konnten (oder nicht immer diese direkte Rückmeldung von ihren Kommiliton*innen erhielten), haben ihre Präsentationen und Anreize andere Studierende erreicht und sie potentiell nachhaltig geprägt. Auch im nächsten Zitat wird die Relevanz des Austauschs und des Diskurses in der Gruppe deutlich: I think it is interesting to see other people’s plans for a lesson. One is inspired to think about them, reflect on one’s own ideas, and ponder whether one would have made the same choices or what would be different. That is why I think a presentation like this helps one’s competences in planning lessons as well. It also helps because one is confronted with different ideas and positions and one can adopt new methods or views. […] Lastly, it was interesting to see another point of view on an important and current topic. Moreover, this seems to have been the point of the mini conference. As we can still learn a lot from each other, a discourse of ideas is invaluable. (S7) Interessant ist hier die Formulierung des Konfrontiert-werdens mit anderen Ideen und Positionen. Nicht immer muss Austausch und Inspiration gleich Ideenübernahme und Einverständnis bedeuten. Wie man diesem Beispiel entnehmen kann, wurde diese/ r Stu‐ dierende dazu angeregt, sich mit unterschiedlichsten Meinungen und Ansätzen auseinan‐ Einen digitalen Begegnungsraum für und mit Literatur schaffen 89 <?page no="90"?> derzusetzen, diese anzunehmen oder zu verwerfen, womit er/ sie für sein/ ihr zukünftiges Lehrersein lernt, bereits wichtige Entscheidungen zu treffen. - 4.3 Diskussion Trotz der oben gesammelten, oftmals positiven, Stimmen der Studierenden traten im Laufe des Seminars einige Schwierigkeiten zu Tage, welche im Folgenden diskutiert werden sollen. Ein erster Punkt ist die (mangelnde) Verbindlichkeit, die verpflichtende Kurslek‐ türe zu lesen. Wenngleich in einem literaturdidaktischen Seminar von den Studierenden erwartet wird, dass literarische Texte als Vorbereitung für die nächste Sitzung gelesen und bearbeitet werden, ist die Realität oft eine andere. Zwar ist diese Problematik nicht nur dem digitalen Format geschuldet, denn auch in analogen Formaten ist diese Thematik gegenwärtig, doch scheint das digitale Format diese Problematik zu begünstigen und gleichzeitig für die Dozierenden schwer nachvollziehbar zu machen. Wie bereits in der Se‐ minarbeschreibung erwähnt, erhielten die Studierenden wöchentliche Leseaufträge, wobei vor allem die literarischen Texte in der darauffolgenden Sitzung als Diskussionsanlass dienen sollten. In den digitalen Plenardiskussionen kristallisierte sich schnell eine Gruppe Studierender heraus, die die Diskussionen trug, während sich gleichzeitig eine Vielzahl von Studierenden hinter ihrem Bildschirm versteckte, indem beispielsweise die Kamera nicht angeschaltet wurde. Die Hemmschwelle, sich im digitalen Format zu beteiligen, kann ein Grund für diese Gruppendynamik gewesen sein. Doch auch die entsprechenden Leseaufgaben scheinen nicht immer von allen Studierenden bearbeitet worden zu sein, was u.a. dazu führte, dass eine Studentin nach Sitzungsende länger im digitalen Raum blieb, um ihre Frustration über die mangelnde Beteiligung der Kommiliton*innen zu äußern. Studierende, die oftmals nicht vorbereitet seien, oder die gar weder Mikrofon noch Kamera in den Breakout Rooms angeschaltet hätten, würden die digitale Gruppenarbeit behindern. Eines der Ziele für weitere literaturdidaktische Seminare wäre demnach, eine stärkere (Lese-)Verbindlichkeit zu schaffen. Ein Ansatz dafür wären beispielsweise obligatorische Aufgaben wie reading logs, in denen die Studierenden ihr Leseerlebnis, Reaktionen auf den Text, Fragen, Interpretationsansätze u.ä. dokumentieren könnten. Eine mögliche negative Nebenwirkung wäre die Trübung des Leseerlebnisses durch die obligatorische Bearbeitung für das Seminar. Dieses Risiko scheint jedoch fast unvermeidlich zu sein, wenn Verbind‐ lichkeit geschaffen werden soll. Ein weiterer Grund, der gegen wöchentliche reading logs sprechen würde, wäre der gesteigerte Arbeitsaufwand, der seitens der Studierenden zu Pandemiezeiten wiederholt moniert wurde. Demnach hätte die Arbeitsbelastung enorm zugenommen, u.a. durch die Verpflichtung zu mehr wöchentlichen Hausaufgaben. Des Weiteren ist die Beziehung der Studierenden zu den Texten zu benennen: Die affektive Dimension beim Leseerlebnis und die Interaktion zwischen Leser und Text standen im Vordergrund vieler Plenardiskussionen im Seminar und das Bewusstsein der Studierenden sollte für ebendiese Begegnung mit dem Text geschärft werden: Whether an individual chooses the object - a poem, a musical recording, a sunset - or encounters it by chance, she must momentarily get lost in the encounter, or, perhaps more accurately, lose her awareness of her self as separate, enabling the object and her self to merge temporarily in that intermediate area between subject and object, transitional space. (Bruns 2011: 38) 90 Darja Brotzmann <?page no="91"?> Basierend auf der Reflexion zu den Textprofilen (vgl. Ergebnisse zu Textprofilen) und der Umsetzung in Form der Präsentationen auf der Mini-Konferenz scheinen die Studierenden sich jedoch oftmals stärker mit der Textform als der Textwirkung und dem individuellen Leseerlebnis beschäftigt zu haben. Das Erkennen (und im besten Fall das Beheben) eigener Wissenslücken zu Textsorten und -strukturen ist in einem Seminar des zweiten Fachsemesters zwar einerseits wünschenswert, doch hat die Reflexion der Studierenden hier nochmals gezeigt, welche Aufgabe dem Dozierenden zufällt: Eine Ausgewogenheit im Seminar zu finden, in dem sowohl Wissen zu textstrukturellen Merkmalen vermittelt wird, aber gleichzeitig auch der Wert des rezeptionsästhetischen Ansatzes intensiver verdeutlicht und erfahrbar gemacht wird. Eine der wichtigsten Erkenntnisse dieser Veranstaltung ist sicherlich die Rolle des Feedbacks. Während bereits in den Plenardiskussionen deutlich wurde, dass der Großteil der Beiträge meist von einzelnen Studierenden stammt, hat vor allem die Mini-Konferenz den Mangel einer ausgeprägten Feedbackkultur zu Tage gebracht. Wie bereits in den Ergebnissen der Mini-Konferenz veranschaulicht wurde, haben die Studierenden selbst die Diskussionsqualität und das Feedback als nicht zufriedenstellend wahrgenommen. Vermehrte Reflexionen in den Portfolios bestätigen diesen Eindruck. Zwar waren stets zehn Minuten für Diskussionen und Feedback eingeplant, doch wurden die zehn Minuten oftmals nicht benötigt, da es (fast) keine Rückmeldungen gab und keine lebendige Diskus‐ sion entstand. Ein wesentlicher Faktor dabei war vermutlich die fehlende Präsenz der zwei Dozierenden. Es ist der Struktur einer Mini-Konferenz geschuldet, dass mehrere Präsentationen und Gespräche zeitgleich ablaufen und die Dozierenden somit nicht überall Diskussionen anstoßen oder initiieren können. Für zukünftige Veranstaltungen ist es deshalb unbedingt erforderlich, dass diese Feedbackkultur unter den Studierenden selbst intensiver fokussiert wird. Klare und präzise Vorgaben, wozu und wie die Studierenden Rückmeldungen geben können, sind anzuraten. Außerdem sollten häufiger Situationen geschaffen werden, in denen Studierende dazu forciert werden, sich mit den Ideen und Inhalten ihrer Kommiliton*innen auseinanderzusetzen. Ziel dieses kritischen Diskurses ist es immerhin, nicht nur den anderen Gruppen lernförderliche Rückmeldungen zu geben, sondern eben auch die eigenen fachdidaktischen Kompetenzen zu schärfen. Abschließend soll noch der Leitgedanke des Artikels, die Begegnung, thematisiert werden. Zwar wurde in diesem literaturdidaktischen Seminar versucht, Begegnungen mit dem (Lern-)Stoff und den Studierenden zu realisieren, dadurch nach Plikat (vgl. 2020) Resonanz zu erzeugen und dies in entsprechenden Reflexionsportfolios festzuhalten, doch bleibt weiterhin die Frage bestehen, wie erfolgreich dieses Unterfangen war. Bollnow (1955) und Plikat (2020) betonen jeweils den Umstand, dass sowohl Begegnungen als auch Resonanz nicht vollumfänglich gesteuert werden können, was aus Forscher*innenperspek‐ tive umso mehr Fragen aufwirft. Welche weiteren Möglichkeiten der Dokumentation und welche Forschungsansätze eignen sich in besonderem Maße, um gelungene Begegnungen und Resonanz festzuhalten? Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde ein rein schriftliches Portfolio gewählt, welches seinen Zweck der Reflexion (und der des Prüfungsgegenstandes) sicherlich erfüllt hat. Vor allem in Hinblick auf die Bandbreite an digitalen Lehr- und Lernszenarien sollte jedoch überlegt werden, ob nicht auch das Reflexionsinstrument in Zukunft z.B. durch alternative multimediale und multimodale Formen angereichert Einen digitalen Begegnungsraum für und mit Literatur schaffen 91 <?page no="92"?> und/ oder ersetzt werden könnte. Da Begegnungen und Resonanz im digitalen Raum eine besondere Herausforderung darstellen, sollte weiter auch Plikats Frage nachgegangen werden, wie ebendiese Aspekte in einer digitalen Lernumgebung sinnvoll beforscht werden können. 5 Zusammenfassung Der vorliegende Beitrag hat die Konzeption und Umsetzung eines literaturdidaktischen Seminars im Bereich Teaching English as a Foreign Language beleuchtet und diskutiert. Es konnte sowohl auf theoretischer wie auch auf empirischer Basis dargelegt werden, weshalb sowohl Literatur als auch Studierende einen Begegnungsraum benötigen. Wenn es Dozierenden gelingt, Begegnungsräume im universitären Kontext zu schaffen, sei es im Rahmen von digitaler oder Präsenzlehre, in denen Begegnungen angestrebt werden und Resonanz erzeugt wird, erlaubt man den Studierenden, sich in ihren unterschiedlichen Rollen (z.B. als Leser*innen, als Lerner*innen, als zukünftige Englischlehr*innen) zu entdecken und zu entfalten. Im besten Fall werden diese vielfältigen Begegnungen die Studierenden nachhaltig berühren, bewegen und aktivieren können. Digitale Medien, Tools und Plattformen könnten dabei entscheidend sein, um den Mög‐ lichkeitsraum neuer Begegnungen zu erweitern. Das in diesem Artikel vorgestellte Konzept einer Mini-Konferenz könnte unter Berücksichtigung der angefallenen Kritikpunkte weiter ausgearbeitet werden und zukünftig unabhängig von geographischer Lage Lehramtsstu‐ dierende nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb Deutschlands verbinden. Ebendiese Verbindung kann der erste Schritt zu wertvollen und bereichernden Begegnungen sein. Literaturverzeichnis Altman, Howard B. (1983). Training foreign language teachers for learner-centered instruction: Deep structures, surface structures, and transformations. In James E. Alatis, H.H. Stern & Peter Strevens (Hrsg.) Applied linguistics and the preparation of second language teachers: toward a rationale (S. 19-25). Washington: Georgetown University Press. Ammenwerth, Elske, Hackl, Werner O., Felderer, Michael & Hörbst, Alexander (2017). Gruppendis‐ kurse im virtuellen Raum: Förderung und Evaluierung der Critical Inquiry. In Christoph Igel (Hrsg.) Bildungsräume: Proceedings der 25. Jahrestagung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (S. 170-176). Münster: Waxmann. Bandura, Albert (2007). Psychological modeling: conflicting theories. New Brunswick: Aldine Transac‐ tion. Birch, Barbara (2002). English L2 reading: getting to the bottom. 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Reden ist Silber, Kollaboration ist Gold: Aktivierung angehender Lehrkräfte in einem digital gestützten Theorie-Praxis-Projekt zur Förderung der Mündlichkeit im Englischunterricht Leo Will & Carolyn Blume 1 1 Einleitung Das Projekt 2 TEFLkollab, welches hier beschrieben werden soll, verweist auf eine digital gestützte Theorie-Praxis-Verknüpfung zur Förderung der Mündlichkeit im schulischen Eng‐ lischunterricht. Den Dreh- und Angelpunkt bildet ein ‚digitales Mentoring‘ zwischen Stu‐ dierenden (mentors) und Schüler*innen (mentees). Zur Koordination und zur fachlichen Begleitung dieses Mentorings kooperieren ein Dozent der universitären Englischdidaktik (Justus-Liebig-Universität Gießen) und eine Englischlehrerin einer hessischen Gesamtschule. Das Mentoring findet in gemischten Kleingruppen statt, wobei jeweils zwei Studierende und zwei bis drei Schüler*innen eine Lehr-/ Lerngruppe bilden. Die jeweiligen Gruppenmitglieder lernen sich zunächst relativ informell in synchronen Online-Meetings kennen. Anschließend - und darauf aufbauend - übernehmen die Studierenden (mentors), in Abstimmung mit dem Dozenten und der Englischlehrkraft, die Verantwortung für die Entwicklung und Erprobung digital vermittelter Sprechaufgaben für die ihnen zugewiesenen Schüler*innen (mentees) (eine detailliertere Beschreibung findet sich in Kapitel IV.b.). Kollaborativ ist das Projekt vornehmlich ob der permanenten Abstimmungs- und Aushandlungsprozesse zwischen den studentischen mentors. Sie verständigen sich kontinuierlich bezüglich ihrer didaktischen Vorgehensweisen von der Makrobis hin zur Mikroebene. Der Dozent und die Englischlehrkraft fungieren dabei als Expert*innen ihrer jeweiligen Domäne und nehmen dabei vorwiegend beratend an den englischdidaktischen Aushandlungs- und Entscheidungsprozessen der in Kleingruppen digital zusammenarbeitenden mentors teil. Die Hoheit über die zu treffenden didaktischmethodischen Entscheidungen beanspruchen sie nicht. Auf diesem Wege sollen neue Formen der kollaborativen digitalen Aktivierung der Studierenden im Theorie-Praxis-Verbund, über <?page no="96"?> die Grenzen von Schule und Hochschule, Lehrveranstaltung und Englischunterricht hinweg, erprobt werden. In beruflichen Kontexten werden entsprechende Arbeitsgemeinschaften als Communities of Practice (CoP) bezeichnet (vgl. Lave & Wenger 1991; Vangrieken, Meredith, Packer & Kyndt 2017). Auch im Kontext der universitären Lehrkräftebildung (sowie in diversen an‐ deren Professionen bzw. in der nicht-akademischen Berufsausbildung) kann von einer CoP gesprochen werden, wenn ein handlungsorientierter Berufsfeldbezug hergestellt wird und die Zusammenarbeit durch Kontinuität geprägt ist (vgl. Straub & Dollereder 2019: 62; Vangrieken et al. 2017: 49). Eine solche CoP kann etwa als Teil einer Lerngelegenheit entstehen, im Rahmen derer die für Lehrkräfte notwendigen pädagogischen und fachspezifischen Kompetenzen für den schulischen Unterricht kollaborativ erarbeitet, erprobt und reflektiert werden. Im Folgenden wird zunächst das Konzept der Kollaboration beschrieben, samt seinen Ausprägungen im Projekt. Anschließend wird das Projekt mit seinen unterschiedlichen Elementen skizziert. Sodann sollen ausgewählte Daten präsentiert und kontextualisiert werden, welche Aufschluss über verschiedene Aspekte der im Projekt realisierten Kolla‐ boration geben. Diskutiert wird anhand dieser Daten, inwiefern das Vorhaben bestimmte Aspekte der meta-reflexiven Professionalisierung (vgl. Cramer 2020) fördert. Auch werden mögliche Implikationen für die zukünftige Umsetzung solcher Initiativen besprochen. 2 Kollaboration Theoretischer Grundpfeiler der didaktischen und professionellen Kollaboration ist das soziokonstruktivistische Lernparadigma, wonach Wissen in Aushandlungsprozessen mit anderen entsteht bzw. vertieft wird: „From social constructivist perspectives, interactions such as those achieved through classroom discussion are thought to provide mechanisms for enhancing higher-order thinking“ (Palincsar 1998: 157). Bei TEFLkollab wird in diesem Sinne die Enkulturation in die fremdsprachendidaktische Praxis gefördert, welche in den Einstellungen, Handlungen und Diskursen von Fremdsprachenlehrkräften verkörpert ist: „[L]earning is […] a process of enculturation that occurs while participating in cultural practices, frequently while interacting with others“ (Cobb 1994: 18). Dies geschieht im Rahmen von TEFLkollab auf zwei Ebenen: Zum einen werden durch den strukturierten Austausch mit der praktizierenden Lehrkraft die handlungsleitenden Kognitionen der ‚Praxis‘-Expertin sichtbar und operationalisierbar gemacht. Zum anderen wird durch die kollaborative Erstellung von Sprechaufgaben sowie durch die gemeinsame Analyse der Schüler*innenbeiträge das eigene Wissen reflektiert und vertieft. Die vorliegende Studie begann zwar während der Corona-Pandemie, als keine Präsenz‐ lehre möglich war und auch an den Schulen mehrheitlich Distanzunterricht stattfand. Sie basiert jedoch nicht auf dem Ansinnen, kollaborative Elemente der Präsenzlehre (i.e. im Seminarraum stattfindende Partner- oder Gruppenarbeit, etc.) zu imitieren. Die Idee ist vielmehr, das lernortübergreifende Potenzial des digitalen Formats (Universität - Schule, Seminarveranstaltung - Englischunterricht) auszuschöpfen, hier insbesondere im Sinne eines erhöhten, gleichwohl wissenschaftlich fundierten und tiefgreifend reflektierten Berufsfeldbezugs. Die Kernkomponente des digital gestützten Projekts ist der medial 96 Leo Will & Carolyn Blume <?page no="97"?> vermittelte Kontakt zwischen Personen, die sich in Präsenz in dieser Form kaum begegnen könnten. So interagieren hier drei verschiedene Personengruppen: • Lehramtsstudierende des Fachs Englisch • Schüler*innen des Schulfachs Englisch (8. Klasse des Gymnasialzweigs einer hessischen Gesamtschule) • Zwei Expert*innen: - Englischlehrkraft der betreffenden Schulklasse - Lehrperson in der universitären Englischdidaktik (Der Co-Autor dieses Artikels ist gleichzeitig der Dozent des beschriebenen Seminars.) Im Hinblick auf die Studierenden weist TEFLkollab die Elemente einer professionalisie‐ rungsförderlichen Community of Practice (CoP) auf. In einer Metastudie von Tondeur, van Braak, Sang, Voogt, Fisser & Ottenbreit-Leftwich, (2012) werden die folgenden Elemente als Kernmerkmale identifiziert: i. die Verbindung zwischen Theorie und Praxis über mehrere Institutionen und Indivi‐ duen in ihren verschiedenen in der Lehrer*innenbildung relevanten Rollen; ii. die Anwendung von digitalen Werkzeugen innerhalb eines praktisch umsetzbaren, didaktischen Konzepts; iii. die bedeutsame Kollaboration mit Peers, gepaart mit iv. reichhaltigen Reflexionsgelegenheiten Die im Rahmen von TEFLkollab gebildete CoP orientierte sich an diesen Merkmalen. - 2.1 Community of Practice Obwohl in der Literatur zwischen Community of Practice (CoP) und Professional Learning Community (PLC) unterschieden wird, gibt es keine klare Abgrenzung der beiden Termini (vgl. Vangrieken et al. 2017: 55). Zuweilen werden auch andere Begriffe verwendet, um ähnliche Strukturen zu beschreiben (vgl. Brägger et al. 2021: 98ff.). Insgesamt finden sich in der Forschung eine Vielzahl an Begriffen und korrespondierenden Formen bzw. Charakteristika (vgl. Vangrieken et al., 2017: 52). Da der Begriff der PLC eher auf die schulische Praxis bezogen wird (Ausnahmen: vgl. Kuehl 2018; C. Mitchell & Appleget 2020) und CoP demgegenüber in Zusammenhang mit Theorie-Praxis-Projekten beschrieben wurde (vgl. Straub & Dollereder 2019), verwenden wir CoP als Begriff für die bei TEFLkollab implementierten Konstellation von Lehramtsstudierenden, praktizierende Lehrkraft und universitärer Dozent. Das Konzept der CoP basiert auf Theorien des sozialkonstruktivistischen Lernens. Es überträgt Theorien des schulischen Lernens auf das professionelle Lernen. Ursprünglich von Lave und Wenger (1991) beschrieben, schneiden u.a. Brouwer et al. (2012) durch ihre Beschreibung der Merkmale der CoP im Kontext von praktizierenden Lehrkräften den Begriff auf dieses Setting zu. Wichtige Komponenten einer CoP sind Interdependenz, praktische Zielsetzung sowie geteilte Repertoires, die als gemeinsame Ressourcen i.S. von Routinen, Fachsprache, Werkzeugen, Materialien, Praktiken, Gesten, Genres, und Konzepten definiert werden (vgl. Wenger 1998: 82). Ein geteiltes Repertoire für Lehrkräfte besteht demnach u.a. aus handlungsorientiertem pädagogischem Wissen, Lehrpraktiken, fachliche Sprache, Weiterbildungsideen und -materialien, etc. (Akerson, Cullen & Hanson Ein digital gestütztes Theorie-Praxis-Projekt zur Förderung der Mündlichkeit 97 <?page no="98"?> 2009 in Vangrieken et al. 2017: 49; Li, Grimshaw, Nielsen, Judd, Coyte & Graham 2009: k.A. k.S.). Wenn die Mitglieder einer CoP unterschiedliche formale Rollen haben (z.B. „Vorgesetzte*r“ und „Angestellte*r“), sind zudem flache Hierarchien eine Voraussetzung für Effektivität (vgl. Vangrieken et al. 2017: 54). Zwar betont Wenger (1998: 118) die organische Natur der Entstehung von CoPs aufgrund gemeinsamen Engagements und gemeinsamen Praktiken, die als informeller Prozess schwer definierbar ist. Es ist jedoch vor allem wichtig, dass die Teilnehmenden konkrete Absichten haben, die durch die Zusammenarbeit gefördert werden (vgl. C. Mitchell & Appleget 2020: 222). Bei TEFLkollab besteht zudem die Annahme, dass Studierende sich nur als zukünftige Mitglieder einer CoP verstehen können und als solche agieren können, wenn sie gemeinsame Einstellungen und Praktiken einüben. Das Gros der Forschung in Zusammenhang mit CoP fokussiert praktizierende Lehrkräfte und nicht Lehrkräfte in der Ausbildung. Bei Mitchell und Appleget (vgl. 2020: 219; 228) finden sich jedoch Hinweise auf wertvolle Professionalisierungseffekte in der universitären Lehrkräftebildung in Bezug auf das Verständnis authentischer Praktiken sowie einer Stärkung vom fachspezifischen Wissen und Kompetenzen im Bereich von digitalen literacies. Zu lernort‐ übergreifenden CoPs, also solchen, die Lehramtsstudierende oder Referendare mit Lehrkräften in der Praxis zusammenbringen, findet sich wenig. Stattdessen wird eher von Theorie-Praxis- Projekten berichtet, die in vielen Fällen die unterschiedliche Stellung der Beteiligten als kon‐ zeptionellen Ausgangspunkt setzen und diesen nutzen, um die Integration von theoretischem Wissen und Handlungswissen zu bewirken (vgl. Bulizek et al. 2020: 209). Phasenübergreifende CoPs sind bei Dillard (2016) beschrieben. Es handelt sich hier um CoPs mit Lehrkräften (3. Phase) und Lehramtsstudierenden (1. Phase), die allerdings in einer Art Praxissemester tätig waren, was somit nicht ohne Weiteres mit der ersten Phase der deutschen Lehramtsausbildung verglichen werden kann. In Deutschland bildete das ZZL-Netzwerk der Leuphana Universität Lüneburg im Rahmen von Theorie-Praxis-Netzwerken phasenübergrei‐ fende CoPs. Diese haben allerdings nur teilweise die Studierenden als Teilnehmende inkludiert. Vielmehr wurde eine CoP bestehend aus Lehrkräften, weiterem schulrelevanten Personal und Didaktiker*innen gebildet (Straub & Dollereder 2019). Somit handelt es sich bei den Teilnehm‐ enden um Expert*innen in unterschiedlichen Bereichen. Eine klassische CoP demgegenüber setzt einheitliche Formen der Expertise und weitgehend einheitliche Tätigkeiten voraus sowie eine flache Hierarchie, wobei gewisse Kompetenzunterschiede zwischen den Mitgliedern bestehen mögen, d.h. erfahrene Expert*innen kollaborieren mit Noviz*innen, wobei alle mit nahezu identischen Tätigkeiten befasst sind. Bei TEFLkollab wurden die beiden beschriebenen Ansätze erstmalig kombiniert. Die Studierenden kollaborieren in einem Theorie-Praxis-Projekt unter Supervision eines Dozenten der universitären Englischdidaktik sowie im Austausch mit einer erfahrenen Englischlehrkraft. Obwohl CoPs aus theoretischer Perspektive für die Professionalisierung von Lehrkräften vor allem in Hinblick auf den Subjektbezug als essenziell gesehen werden, führen die Vorbehalte gegen solche Netzwerke sowohl in der universitären Ausbildung als auch in der Schulpraxis oft zu einer ablehnenden Haltung unter den Teilnehmenden. Die Gründe der Ablehnung erklären sich durch eine Vielzahl an konzeptionellen, schul- und soziokulturellen sowie strukturellen Faktoren, deren Bekämpfung Gräsel, Fußangel und Pröbstei (2006: 216) als eine „Arbeit des Sisyphus“ bezeichnen. Konkret benennen die Autor*innen 98 Leo Will & Carolyn Blume <?page no="99"?> u.a. mangelndes Vertrauen im Kollegium, isolierende Schulstrukturen „und das Ablehnen von Kontrolle [als Faktoren, welche allesamt] wichtige Bestandteile der Sozialisation von Lehrkräften darstellen und kooperationshemmend wirken (vgl. Roth 1994; Altrichter 1996; Bauer/ Kopka 1996; Ulich 1996)“ (Gräsel et al. 2006: 209). - 2.2 CMC-gestützte CoP Gerade die Affordanzen der sogenannten Computer-Mediated Communication (CMC) könnten dazu führen, tradierte Muster der studentischen Kollaboration wie das gemein‐ same Referat aufzuweichen und neue Kollaborationsformate zu ermöglichen, die reichhal‐ tige Anlässe zur Aktivierung bieten. Kollaboration gelingt besser analog und von Angesicht zu Angesicht - so die intuitive und z.T. durch erste Forschungsergebnisse bestätigte Annahme (vgl. z.B. Järvela, Kirschner, Panadero, Malmberg, Phielex, Jaspers…Järvenoja 2015: 126; Paechter & Maier 2010; 295; Sung, Yang & Lee 2017: 785; Tutty & Klein 2008: 118; Valtonen, Hacklin, Kontkanen, Hartikainen-Ahia, Kärkkäinen & Kukkonen 2013: 89; ). Sobald sich die Beteiligten nicht persönlich begegnen, scheint die Interaktion reduziert, weil etwa parasprachliche Elemente mittels digitaler Medien nicht in derselben Komplexität vermittelt werden. Die Verbindung unter den Beteiligten ist zudem vergleichsweise fragil, da die Teilnehmenden wissen, dass ein einfacher Klick das Gespräch beendet. Oft sind andere Tabs und Fenster geöffnet, die vom interaktiven Geschehen ablenken (vgl. Will & Kurtz in diesem Band). Doch das digitale Format birgt auch zahlreiche mögliche Vorteile, wie etwa die räumliche Unabhängigkeit des digitalen Formats sowie die multiplen Interaktionsformate. Diese ermög‐ lichen nicht nur die Mitarbeit trotz physischer Separation, sondern sind auch für Menschen mit Behinderung oder in Pflege zugänglicher als die physische Ko-Präsenz. Darüber hinaus ist der flexible Zugriff auf das Wissen von anderen von großem Vorteil (vgl. McLoughlin & Lee 2010). So ist die Verlagerung der Lehre in den digitalen Raum ggf. nur dann als inadäquat einzuschätzen, wenn sich die Erwartungen an die Strukturen und Parameter der Präsenzlehre klammern, statt das digital-kollaborative Handeln in verschiedenen Lernkontexten neu zu konzipieren. So verweist Knight (2020) z.B. auf die vielfältigen Forschungsergebnisse, die eine erhöhte Interaktion und demzufolge Aktivierung von Fremdsprachenlernenden mittels CMC dokumentieren. Sung et al. (2017) schreiben v.a. der mobilen Internetnutzung viele Affordanzen zu, wie etwa erhöhte Interaktion. Erst jüngere Untersuchungen gehen auf die Rolle von CMC in der Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden ein. Doch auch hier deuten die ersten Analysen darauf hin, dass der digital gestützte Austausch in synchronen und asynchronen Formaten zu komplexeren Interaktionen führt sowie die Gefahr des individuellen Rückzugs reduziert (vgl. Knight 2020: 300). Zudem führen internationale Kollaborationsprojekte zwischen Englischleh‐ ramtsstudierenden unterschiedlicher Länder zu aufgabenbezogenen Aushandlungsprozessen (vgl. Fuchs 2016). Auch affektive und interaktive Prozesse können gefördert werden (vgl. Arnold, Ducate, Lomicka & Lord 2005). Virtual Communities of Practice (VCoP) sind eine Sonderform der CoP. Sie zielen in der Literatur meistens auf die Kollaboration in gänzlich virtuellen bzw. geographisch und strukturell getrennten Gruppen ab. VCoPs erfahren schon seit einigen Jahrzehnten - vorangetrieben durch das Entstehen von Foren, Listservs und Austauchplattformen - gerade im englischdidaktischen Bereich viel Aufmerksamkeit (Twitter: Bündgens-Kosten Ein digital gestütztes Theorie-Praxis-Projekt zur Förderung der Mündlichkeit 99 <?page no="100"?> & Kemmerer 2020; discussion boards: Arnold & Ducate 2006; Hanson-Smith 2006). Impulse hierfür stammen u.a. von internationalen Englischlehrenden, die ihren Arbeitsplatz häufig wechseln (backpacker teachers) und daher weniger in lokale Strukturen eingebunden sind (Mai, Nguyen, Tran & Le 2020; Plastina 2009). Die hier beschriebene CoP ist zwar ebenfalls virtuell, jedoch beruht sie auf den institutionellen Strukturen einer Universität und einer Schule, die jeweils örtlich verankert sind. Es handelt sich quasi um eine Mischform aus lokaler CoP und VCoP. Wir sprechen daher von einer digital gestützten bzw. von einer CMC-gestützten CoP. Trotz der vielfältigen Potenziale von CoPs, die entweder teilweise oder gänzlich digital sind, warnt Knight (2020) davor, die Kollaboration in digitalen Räumen als überlegen zu betrachten. Einerseits ist die empirische Lage hierfür noch nicht ausreichend. Andererseits kommt es in den vorliegenden Berichten über den „Erfolg“ solcher Communities darauf an, wie sie konzipiert bzw. strukturiert sind. So bergen digitale Räume ganz eigene Fallstricke, die zu Isolation, Frust, oder zu reduzierter Teilhabe an professionellen Lerngelegenheiten führen können - ob im universitären oder im schulischen Kontext. So nennen Bulizek et al. (vgl. 2020: 229) für das Misslingen von Theorie-Praxis-Projekten pragmatische und konzeptionelle Herausforderungen wie etwa die disparaten zeitlichen Logiken von Universitäten und Schulen einerseits und die Schwierigkeiten einer zielführenden Nutzung von digitalen Tools andererseits. Fuchs (2016) und Arnold et al. (2005) weisen darauf hin, dass auch wenn ausschließlich Studierende involviert sind, Faktoren wie disparate universitäre Anforderungen, variierende technische Kompetenzen und unterschiedliche Auffassungen von Aufgaben die Kollaboration maßgeblich prägen. Nebst strukturellen Aspekten, die für das Gelingen von digitalen CoPs relevant sind, beruft Knight (2020) sich auf Shabani (2016), der das Primat der gegenseitig nutzbringenden Partizipation unterstreicht. Für Shabani (2016) fußt die CoP auf den Grundlagen der wygotski’schen Theorie der soziokonstruktivistischen Wissensentwicklung. Auch wenn er die Prinzipien Wygotskis (1998) mit Blick auf die Lehrkräfteweiterbildung expliziert, sind die von ihm fokussierten Aspekte des soziokonstruktivistischen Lernens genauso für die universitäre Lehrkräftebildung relevant. Tatsächlich bildet die erste Phase der Lehrer*innenbildung zumindest chronologisch eine Brücke zwischen dem schulischen Lernen, welches seit mehreren Jahrzehnten von konstruktivistischen Konzepten geprägt ist, und den weiteren Phasen der Lehrer*innenbildung, für die u.a. Shabani die gleichen konstruktivistischen Ansätze fordert (vgl. Reich 2005). Darüber hinaus ist die Teilnahme an einer digital gestützten CoP, die von einer kollabo‐ rativen und partizipativen Entstehung von Wissen und Produkten gekennzeichnet ist, ein Merkmal moderner digitaler Kulturen und der Digitalität. Beispiele sind Diskurse, die z.B. in den sozialen Medien stattfinden und von unterschiedlichen Kommentator*innen vertieft, weitergeführt oder auch angegriffen werden. Somit ist auch für den Fremdsprachenun‐ terricht ein Verständnis für moderne Kommunikationsformate mit ihren partizipativen Strukturen und ihrem Charakteristikum der Ko-Autorenschaft essenziell (vgl. Hallet 2020; Jenkins 2006). Durch die Teilnahme an einer so konzipierten CoP erlangen die Teilnehm‐ enden die für die Rezeption und Gestaltung solcher Aktivitäten relevanten Einstellungen und Kompetenzen, um diese wiederum in einen zunehmend digital gestützten Englischun‐ terricht einzubringen. 100 Leo Will & Carolyn Blume <?page no="101"?> 3 Lernziele und zentrale Konzepte innerhalb der Lehrveranstaltung Eine TEFLkollab-Lehrveranstaltung hat zum Ziel, durch die Arbeit in einem praxisnahen Projekt die affektiven und kognitiven Kompetenzen der Studierenden zu fördern, und zwar indem letztere sich als Mitglieder einer CoP verstehen. Diese Kompetenzentwicklung geschieht durch eine Aktivierung mittels digitaler Medien sowie in Interaktion mit formal gleichgestellten Peers, und zugleich in Interaktion mit Expert*innen aus dem hochschulischen und schulischen Bereich. Die Lehrveranstaltung vermittelt den Studierenden zentrale Kon‐ zepte des Englischunterrichts, welche in der Interaktion mit den Schüler*innen angewendet werden sollen. Fokussiert werden die fremdsprachendidaktischen Konzepte Authentizität, Autonomie und Motivation, die die Studierenden der Kurslektüre (van Lier 1996) entnehmen. Die Studierenden sind während des Seminars kontinuierlich angehalten, über ihre jeweilige Realisierung dieser Konzepte im Projekt zu reflektieren. In der Regel werden die drei Konzepte insofern von den Studierenden berücksichtigt, als eine möglichst „authentische“ Konversation zwischen ihnen und den Schüler*innen angestrebt wird. So sind die Studierenden in der Regel bemüht, auf die Interessen ihrer mentees einzugehen. Ein weiteres fachdidaktisches Konzept, das konkretisiert wird, ist das des korrektiven Feedbacks nach Canals et al. (2020). Da korrektives Feedback potenziell mit den Prinzipien authentischer Konversation konfligiert, müssen die Studierenden sich mit diesen didaktischen Spannungen auseinandersetzen. Die Studierenden lernen hierbei, scheinbar abstrakte Konzepte in die Praxis zu überführen. Sie lernen außerdem, sich ein kollaboratives Setting zu Nutze zu machen, um didaktische Entscheidungsprozesse auszuhandeln. Wichtig ist zusätzlich die Erkenntnis, dass es keine fertigen Rezepte für gelungene mündliche Interaktion gibt. Begleitend sind regelmäßig learning logs zu verfassen, in welchen sich die Studierenden u.a. mit ihren eigenen Sprachlernbiografien auseinandersetzen. Somit sind die Lernziele der Lehrveranstaltung auf verschiedenen Ebenen angesiedelt, die jedoch ineinander ver‐ schränkt sind und permanent in Bewegung bleiben. Es wird gleichsam eine Synthese erzeugt aus Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektbezug, wobei der thematische Fokus auf der Förderung von Mündlichkeit im Englischunterricht liegt. In der Lehrveranstaltung „Engaging learners in online conversations“ wurden - implizit oder explizit - Lernziele in den folgenden drei Bereichen verfolgt: i. Fachdidaktische Lernziele - Förderung der Mündlichkeit im Englischunterricht durch authentische Sprech‐ anlässe - Verwendung korrektiven Feedbacks zu mündlichen Äußerungen - Verwendung digitaler Anwendungen zur Erreichung der jeweiligen, konkreten Lernziele ii. Pädagogische Lernziele - Adressat*innengerechte Formulierung von Arbeitsaufträgen - Reflexion der Beziehungsebene im Umgang mit Schüler*innen iii. Professionalisierungsziele - Erprobung und Reflexion von Kollaborationspraktiken innerhalb einer CoP - Nutzung von digitalen Medien als Kommunikationsmedium für Kollaboration innerhalb einer CoP Ein digital gestütztes Theorie-Praxis-Projekt zur Förderung der Mündlichkeit 101 <?page no="102"?> - Erprobung und Reflexion des praxisbezogenen Austauschs mit einer erfahrenen Lehrkraft innerhalb eines Theorie-Praxis-Projekts Die Lernziele für die Schüler*innen, die sich an den obengenannten fremdsprachendidak‐ tischen Konzepten orientieren, sind Gegenstand der kollaborativen Aushandlungsprozesse innerhalb der CoP. Die einzelnen Mentoringteams sind jeweils aufgerufen, individuelle Lernziele für ihre mentees zu definieren und diese u.a. in ihren learning logs zu reflektieren. 4 Projektbeschreibung - 4.1 Genese Im Rahmen des Projekts TEFLhybrid@JLU (vgl. Kurtz in diesem Band) wurde bereits ein Jahr vor Beginn der Pandemie eine digitale Zusammenarbeit zwischen Universität und Schule initiiert. Studierende der Justus-Liebig-Universität Gießen ( JLU) erarbeiteten Schreibaufgaben für Schüler*innen eines nahegelegenen Gymnasiums und korrigierten deren schriftliche Produkte im Sinne eines formativen Feedbacks nach McGarrell und Verbeem (2007). Der Berufsfeldbezug wurde also durch die Arbeit mit authentischen Schüler*innenprodukten sowie mit Diskussionen bezüglich der vorangegangenen Schreib‐ aufgaben gefördert (vgl. Bulizek et al. 2020: 220). Die Englischlehrkraft war jeweils unterschiedlich stark in diese Aktivitäten eingebunden. Zudem wurde der Wissenschafts‐ bezug mittels einer Auseinandersetzung mit relevanten didaktischen Theorien bzgl. des Schreibens im Englischunterricht hergestellt. Die Studierenden waren angehalten, in ihren learning logs auch die jeweils eigene Lernbiografie zu berücksichtigen sowie eigene Meinungen zu äußern, wodurch ein besonderer Subjektbezug hergestellt wurde. Das Bestreben, die Englischlehrkraft der beteiligten Klasse bei den Korrekturen zu entlasten, konnte insgesamt eingelöst werden, wobei sich der Gesamtaufwand für die Lehrkraft aber wohl eher nicht reduzierte, denn sie war von sich aus bereit, sich mehrfach per Video in den Seminarraum zuzuschalten, um den Studierenden ihre Korrekturtechniken näherzubringen und ihnen ausführlich Rede und Antwort zu stehen. Im Sinne einer pra‐ xisorientierten Professionalisierung waren dies wertvolle Einblicke für die Studierenden. Allerdings wurde damals - nicht zuletzt wegen pragmatischer sowie datenschutzrecht‐ licher Bedenken - relativ schnell die Idee verworfen, dass sich die Studierenden und Schüler*innen synchron begegnen könnten - ob digital oder in Präsenz. Der Kontakt zwischen diesen beiden Gruppen beschränkte sich also auf den Austausch schriftlicher Produkte, was in der Nachbesprechung mit den Studierenden einhellig als unbefriedigend beschrieben wurde. - 4.2 Status quo Aufgrund des wahrgenommenen Erfolgs des Pilotprojekts äußerten weitere Schulen Inte‐ resse an einer Zusammenarbeit. So hat sich inzwischen eine dauerhafte Zusammenarbeit zwischen der Justus-Liebig-Universität ( JLU) Gießen und einer hessischen Gesamtschule etabliert, die ca. hundert Kilometer von Gießen entfernt liegt. Jedes Semester (bzw. Schulhalbjahr) nimmt eine andere Schulklasse dieser Schule an dem Projekt teil. Die unten 102 Leo Will & Carolyn Blume <?page no="103"?> präsentierten Daten beziehen sich auf die Kooperation der Studierenden (26 Personen) mit einer achten Klasse des Gymnasialzweigs (19 Schüler*innen). Mit der Umstellung auf schulischen Online-Unterricht sowie auf universitäre Online- Lehre ergaben sich zweierlei Implikationen. Zum einen entstand seitens der Englischlehr‐ kraft der Wunsch, die mündlichen Fertigkeiten der Schüler*innen in den Fokus zu nehmen, da diese laut Lehrkraft im Distanzunterricht schwer zu fördern seien. Zum anderen wurden synchrone Lösungen dadurch ermöglicht, dass nun sowohl an der Schule als auch an der Universität der Einsatz von Videokonferenzsystemen alltäglich geworden war. Ein Zusammenspiel aus neuen didaktischen Bedarfen und neuen technischen Gewöhnungen führte somit zu der Entscheidung, das Online-Seminar der JLU Gießen zeitgleich mit der Englischdoppelstunde der Schüler*innen stattfinden zu lassen und zudem die Mündlichkeit anstelle der Schriftlichkeit zu fokussieren. Das Seminar mit dem Titel „Mentoring learners through digital media“ wird seitdem kontinuierlich angeboten, weiterentwickelt und als Theorie-Praxis-Projekt mit dem Titel TEFLkollab im Rahmen des Projekts „K4D: Kollabo‐ ratives Lehren und Lernen mit digitalen Medien: Mobil - Fachlich - Inklusiv“ an der TU Dortmund begleitend beforscht. In der aktuellen Variante des Projekts treffen sich die Studierenden und die Schüler*innen mehrfach synchron als Gesamtgruppe während der Seminarbzw. Unterrichtszeit, wobei datenschutzrechtliche und ethische Standards gewahrt werden. Nach diesem anfänglichen Kennenlernen werden Kleingruppen gebildet, bestehend aus je zwei bis drei Studierenden und zwei Schüler*innen. Die Studierenden (mentors) erstellen in Form von kurzen Impuls‐ videos individualisierte Sprechaufgaben für ihre mentees. Die Zusammenarbeit von jeweils zwei oder drei Studierenden ermöglicht einen wichtigen Austausch, der auch von den Studierenden selbst als essenziell wahrgenommen wird (s. Kapitel IV). Die mentees beant‐ worten die Impulsvideos in Form eigener Videos. Im Laufe der folgenden Wochen erstellen die Studierenden und die Schüler*innen im Wechsel derartige Videos, die überwiegend auf das monologische Sprechen über bekannte und persönliche Themen ausgerichtet sind. So haben im ersten Durchgang einige Studierende von ihren eigenen Haustieren erzählt und die Schüler*innen aufgefordert, über deren eigene oder Wunschhaustiere zu referieren (Abb. 1). Andere Schüler*innen berichteten von ihren Lieblingsvideospielen, was wiederum von den Studierenden aufgegriffen und kommentiert wurde. So entsteht ein digitaler, überwiegend asynchroner Austausch über ca. 12 Wochen via 3bis 5-minütiger Impuls- und Reaktionsvideos. Genutzt wurde die Video-Plattform Flip (ehemals Flipgrid). Diese bietet eine geschützte Umgebung, denn es ist möglich, Studierenden und Schüler*innen nur Zugang zu ihren jeweils eigenen Kleingruppen zu gewähren, ohne dass persönliche Daten an Dritte weitergegeben werden. Da die Teilnahme jedoch die Aufnahme von Bild und Ton voraussetzt, erfolgt die Partizipation nur freiwillig und nach Zustimmung der relevanten Personen bzw. institutionellen Stellen. Sowohl Studierende als auch Schüler*innen wurden hinsichtlich datenschutzrechtlicher und ethischer Themen sensibilisiert. Ein digital gestütztes Theorie-Praxis-Projekt zur Förderung der Mündlichkeit 103 <?page no="104"?> The-second-task-is-more-free.-You-can-choose- what-you-want-to-do.-Ms.-X-told-us-how-her-dog- ate-her-sweatshirt-[laughs].-You-can-do- something-similar-as-well.-You-can-tell-why-your- dog-is-special,-or-something-that-you-enjoy- doing-with-your-dog,-or-just-a-story-where-he- was-a-little-naughty-as-well-[laughs]. When-I-was-like-four-or-five-years-old,-I-played- with-my-dog-and-I-run-away-from-him-because-I- was-afraid,-but-I-run-too-fast-and-then-I-crashed- into-…-what’s-the-…-what’s-the-word-…-mhm-…- into-a-closet-I-think-…-I-don’t-know-the-word-…-a- kitchen-closet-or-something,-and-then-I-got-this-…- mhm-…-I-don’t-know-the-English-word-for-‘Narbe’- Abb. 1: Asynchroner Austausch von Videos Korrekturen erfolgen individualisiert im Sinne des Delayed Immediate Corrective Feedback (Canals et al. 2020, fortan DICF), d.h. die Studierenden kommentieren in ihren Feedback- Videos ausgewählte Äußerungen der Schüler*innen aus linguistischer bzw. sprachlicher Sicht und bieten ggf. eine Korrektur oder eine metasprachliche Erläuterung an. Da jedoch die primären Ziele das freie Sprechen und der Abbau von Kommunikations- und Bewertungsängsten sind, werden die Studierenden für die Gefahr einer Überbetonung defizitorientierter Eingriffe sensibilisiert. Parallel zum asynchronen Austausch mit den Studierenden erfolgen Reflexionen und Aushandlungsprozesse auf mehreren Ebenen zwi‐ schen Kommiliton*innen, dem Dozenten und der Lehrkraft. Die Studierenden kollaborieren in ihren Kleingruppen, um ihre Aufnahmen zu planen und die Videos der Schüler*innen zu rezipieren. Während der Seminarsitzungen werden unter Anleitung des Dozenten Verknüpfungen zu didaktischen Theorien und zu empirischer Forschung, wie z.B. zu dem zuvor genannten DICF, hergestellt. Gespräche mit der Englischlehrkraft finden sporadisch statt. Zudem stimmte die Lehrkraft der informellen Kommunikation per Messenger-Dienst zu. Es wurde daher eine Signal-Gruppe (Messenger-Dienst) eingerichtet zwischen dem Dozenten, der Lehrkraft und den Studierenden, wobei die Teilnahme jeweils auf freiwilliger Basis stattfand. 104 Leo Will & Carolyn Blume <?page no="105"?> 4.3 Rolle des Dozenten Während der Online-Sitzungen ist die Rolle des Dozenten stärker moderierend bzw. koor‐ dinierend als dies in Seminaren ohne schulische Anbindung der Fall ist, denn das Projekt bedingt seitens der Studierenden kontinuierliche Aushandlungsprozesse bezüglich ver‐ schiedener Vorgehensweisen von der Makrobis zur Mikroebene. Um eine möglichst pro‐ duktive Kollaboration zu grundlegenden Thematiken wie beispielsweise Aufgabenstellung und Feedback zu ermöglichen, sind die Vorgaben des Dozenten bewusst minimalistisch. Jedoch werden die Diskussionen, welche sich zumeist an den akuten projektbezogenen Bedürfnissen der Studierenden orientieren, vom Dozenten vorstrukturiert, z.B. anhand der jeweils aktuell von den Studierenden eingereichten Reflexionen im learning log. Je nach Problemlage entscheidet der Dozent, ob der Austausch im digitalen Plenum oder in Breakout-Räumen stattfindet. Der Dozent und die Englischlehrkraft, die jedoch nicht jeder Online-Sitzung beiwohnt, fungieren somit als Expert*innen und begleiten die didaktischen Entscheidungen der Studierenden. Sie sind also an der Kollaboration beteiligt, ohne die abschließende Entscheidungshoheit zu beanspruchen. In den ersten beiden Wochen der Online-Lehrveranstaltung erscheint der Dozent als klassischer Inputgeber und Diskussionsleiter. Mit Beginn des kooperativen Projekts (ca. dritte Vorlesungswoche) gibt der Dozent zunehmend Kontrolle an die Studierenden ab. In vielen Situationen betont der Dozent, dass nur die Studierenden selbst die nötige Nähe zu ihren jeweiligen mentees haben, um bestimmte Entscheidungen zu treffen. Ob eine Entscheidung die richtige war, ob beispielsweise eine gestellte Aufgabe angemessen war, bemisst sich nicht ausschließlich, aber in einigem Maße, an der Reaktion der men‐ tees: Teilnahme an der Kommunikation, Befolgung der Aufgabenstellung, sprachliche Qualität des Schülerprodukts etc. Die Reflexion dieser Vorgänge wird durch den Dozenten soziokonstruktivistisch angeleitet und ergründet. Zusätzlich schafft der Dozent auf einer theoretischen Ebene ein Bewusstsein für relevante Konzepte wie Authentizität, Autonomie, Motivation (jeweils van Lier 1996), sowie Lust auf Kommunikation (Dewey 1900/ 1990): [W]hen the language instinct is appealed to in a social way, there is a continual contact with reality. The result is that the child always has something in his mind to talk about, he has something to say; he has a thought to express, and a thought is not a thought unless it is one’s own. On the traditional method, the child must say something that he has merely learned. There is all the difference in the world between having something to say and having to say something. (Dewey 1900/ 1990: 56) Die hier genannten und weitere wissenschaftliche Texte sind Teil der Kurslektüre. Der Dozent schreibt den Studierenden nicht vor, dass sie mit ihren mentees ausschließlich Englisch sprechen sollen. Jedoch werden die Studierenden sensibilisiert für die Tatsache, dass selbst sporadische Sprachwechsel die Gewöhnung der mentees an ein einsprachiges Setting behindern können. Gegenüber der Englischlehrkraft befindet sich der Dozent in einer teils kollegialen Rolle, da er selbst ehemaliger Englischlehrer ist, teils in einer Rolle des wissenschaftlichen Experten. Respekt vor der Professionalität der Lehrkraft, basierend auf einer Vertrautheit mit ihrer beruflichen Realität, ist von zentraler Bedeutung. So gilt es unter anderem, die Arbeitsbelastung der Lehrkraft möglichst gering zu halten und freiwilligen Mehraufwand 105 Ein digital gestütztes Theorie-Praxis-Projekt zur Förderung der Mündlichkeit <?page no="106"?> ihrerseits entsprechend wertzuschätzen. Die Studierenden für diese Aspekte zu sensibili‐ sieren, ist Teil des obengenannten Berufsfeldbezugs. 5 Dimensionen der Aktivierung im Rahmen des Projekts Interaktion ist als kommunikative Variante der Aktivierung von zentraler Bedeutung und dies - wie in der Folge ersichtlich werden sollte - auf mehreren Ebenen. Zur Systematisierung unterscheiden wir zwischen synchroner und asynchroner Aktivierung. Erstere bezeichnet Aufforderungsmomente, denen sich die Studierenden während der Online-Seminarsitzungen ausgesetzt sehen. - 5.1 Synchrone Treffen in Kleingruppen Zu nennen sind hier zunächst die Treffen mit den Schüler*innen in den Breakout- Räumen. In diesen 20-minütigen Phasen zu Beginn der jeweiligen Sitzung lernen sich mentors (Studierende) und mentees (Schüler*innen) zunächst möglichst informell kennen, wobei Konversation im Vordergrund steht. Nach den ersten video assignments und den darauffolgenden video responses wandelt sich die Interaktion partiell in Richtung einer Sprachlernberatung (Mentoring) mit korrektivem Feedback, die im Kapitel V.b. näher beschrieben wird. Die synchrone Interaktion bleibt relativ frei, der Dozent bestimmt lediglich, wann und wie oft die 20-minütigen Breakout-Phasen stattfinden. Grundsätzlich besteht ein Primat der Konversation. In einzelnen Fällen stellt allein das dialogische Sprechen eine Herausforderung dar und die mentors widmen sich vor allem der Bezie‐ hungspflege, welche dann zum zentralen Bestandteil der Interaktion wird (vgl. Reich 2010: 279). Die mentors entscheiden sich dann gegebenenfalls - nach eingehender Reflexion und Diskussion - gegen korrektives Feedback. Letzteres verbietet sich unter Umständen, zum Beispiel, wenn die mentees sehr persönliche Inhalte mit ihren mentors teilen, was laut den Studierenden regelmäßig vorkommt. Durch das hohe Maß an Entscheidungsfreiheit, das den Studierenden eingeräumt wird, sowie durch den Konsens, dass die Interessen der Schüler*innen kommunikativ zu berücksichtigen sind, ist die Aktivierung sowohl der Studierenden wie der Schüler*innen eine projektimmanente. Die Konversation wird im Idealfall von allen Beteiligten als zweckfrei bzw. als inhärent bereichernd erlebt. In jedem Fall soll die explizite Kompetenzentwicklung nicht zu stark in den Vordergrund rücken. - 5.2 Video assignments Asynchron ergänzt wird die soeben beschriebene Aktivierungsform durch einen Austausch von Videos. Auch hier gilt zunächst das Primat der Konversation: Die mentees sollen hauptsächlich über persönliche Interessen sprechen. Anders als synchrone Konversation jedoch lassen sich Videos immer wieder ansehen, sodass sich eine sprachliche Analyse der Schüler*innenvideos anbietet. Folglich werden die Studierenden ermutigt, sogenanntes DICF zu geben, also die mündlichen Äußerungen in den Videos linguistisch differenziert zu beurteilen und den Schüler*innen metasprachlich mitzuteilen, wo ihre Stärken und Schwächen liegen (vgl. Canals et al. 2020). In welchem Maße und in welcher Form DICF stattfindet, entscheiden die Beteiligten jeweils selbst, wobei diese Entscheidung maßgeblich unter den beiden Studierenden ausgehandelt wird und in begrenztem Maße explizit mit 106 Leo Will & Carolyn Blume <?page no="107"?> 3 https: / / www.ed.ac.uk/ reflection der Schüler*in. Handlungsleitend sind unter anderem zwischenmenschliche Erwägungen und englischdidaktische Lerntheorien, wobei die von den Studierenden wahrgenommenen Bedürfnisse der Schüler*innen von zentraler Bedeutung sind. Während die beiden genannten Aktivierungsformen jeweils die Teilnahme der Schüler*innen vorsehen, finden die folgenden Interaktionen ausschließlich zwischen den Studierenden und den Expert*innen statt. Als letztere gelten wie bereits erwähnt der Universitätsdozent sowie die Englischlehrkraft der betreffenden Schulklasse. - 5.3 Diskussionen zwischen Studierenden und Expert*innen Eine wichtige Interaktionsform, die sich quasi organisch aus den beschriebenen Aktivitäten ergibt, ist der regelmäßige synchrone Austausch zwischen den jeweils zwei oder drei Studierenden innerhalb eines Mentoringteams einerseits, sowie zwischen Studierenden und Expert*innen andererseits. Diese digital-synchronen Diskussionen finden sowohl während der Seminarsitzungen statt - hier leitet der Dozent in aller Regel das Gespräch und auch die Englischlehrkraft ist sporadisch zugegen - als auch außerhalb der Seminarzeit, nämlich in Form von Abstimmungsprozessen innerhalb eines Mentoringteams bezüglich der gemeinsamen Vorgehensweise im Projekt. Letzteres bezeichnen wir ebenfalls als „syn‐ chron“, da wir davon ausgehen, dass sich die Projektpartner*innen vorwiegend mündlich austauschen, wobei dies freilich den Studierenden überlassen ist. Bei den Diskussionen innerhalb der Seminarsitzungen nimmt der Dozent wichtige Steuerungspraktiken vor, etwa in der Form von Schwerpunktsetzungen im Rahmen der Trias von Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektbezug. Beispielsweise wird im Sinne des Wissenschaftsbezugs immer wieder auf die Verknüpfung theoretischer Konzepte mit der didaktischen Umsetzung des Projekts abgezielt. Konkret lesen die Studierenden in Vorbereitung auf die Sitzungen fremdsprachendidaktische Literatur und sind sodann aufgerufen, Konzepte wie Authentizität, Autonomie und Motivation (vgl. van Lier 1996) in ihrem eigenen didaktischen Handeln wiederzuerkennen und entsprechend zu reflektieren. Mittels der bereits erwähnten Signal-Gruppe werden die synchronen Diskussionen asynchron erweitert. Beim Erstellen der Videos kommen mehrfach Fragen auf, die einer zeitnahen Klärung durch Dozent und/ oder Lehrkraft bedürfen, weshalb die Signal-Gruppe als ein niedrigschwelliges und zeitunabhängiges Kommunikationswerkzeug fungiert. - 5.4 Learning logs Die synchronen Reflexionen und Aushandlungsprozesse der Studierenden werden ergänzt durch eine asynchrone Aktivierungsform, nämlich das regelmäßige Verfassen von schrift‐ lichen Einträgen in sogenannten learning logs, was jeweils durch Schreibimpulse (writing prompts) angeleitet ist. Diese Vorgehensweise hat sich in der Lehrer*innenbildung bewährt (vgl. z.B. Roters 2012). Die Anleitung für die learning logs orientiert sich am reflection toolkit der University of Edinburgh 3 . Ziel der Aktivierung ist, dass die Studierenden ihr Handeln mit den eigenen Erfahrungen und Überzeugungen abgleichen sowie dass der kognitive Transfer zwischen Konkretion (didaktische Praxis) und Abstraktion (didaktische Theorie) geübt wird. Ersteres fokussiert primär den Subjektbezug, letzteres den Wissenschafts- Ein digital gestütztes Theorie-Praxis-Projekt zur Förderung der Mündlichkeit 107 <?page no="108"?> und Berufsfeldbezug. Exemplarisch folgen zwei Schreibimpulse, einer mit ausgeprägtem Subjektbezug und einer mit stärkerem Wissenschafts- und Berufsfeldbezug: (Unmittelbar nach der ersten Online-Begegnung mit den Schüler*innen) In what ways did the students remind you (or not) of aspects of yourself at that age? What was English class like for you in 10th grade? What did you like/ dislike? What advice would you give your 10thgrade-self about English class, if you could? (Unmittelbar nach Begutachtung der ersten Schüler*innenvideos) Please read Canals et al. (2020) because our next step will be to give some form of DICF. For this week’s learning log entry, please reflect on the findings in the article and ask yourself whether and how the concept of DICF will be applicable to your situation right now? How do you feel about giving corrective feedback at this stage of the project? Do you already have ideas as to what you will point out to your mentees? Wichtig ist der interaktive Umgang mit den Einträgen der Studierenden. Daher werden besonders interessante und/ oder kontroverse Reflexionen der jeweils aktuellen Einträge ausgewählt und während der synchronen Seminarsitzungen zur Diskussion gestellt. Den Studierenden wird frühzeitig deutlich gemacht, dass die vom Dozenten getroffene Auswahl eines bestimmten learning log zum Zwecke der Diskussion bedeutet, dass der entsprechende Abschnitt als wertvoll im Sinne der gemeinsamen Reflexion erachtet wird. Der Dozent zeigt sich gegebenenfalls kritisch gegenüber einzelnen Aussagen, honoriert jedoch stets die reflexive Leistung der jeweiligen Verfasser*in. In der Hausarbeit dürfen die Studierenden, nachdem theoretische Grundlagen und Forschungsstand beschrieben sind, aus ihren ei‐ genen learning logs zitieren, um ihre Reflexionsprozesse im Laufe des Projekts darzustellen. 6 Qualitative Analyse - 6.1 Methodik Zur Analyse der im Vorhaben fokussierten Aktivierung innerhalb der CoP wurden die wiederkehrend stattfindenden Reflexionsaufgaben der Studierenden (learning log entries) anonymisiert und qualitativ ausgewertet (vgl. Kuckartz 2012). Die Texte sind nicht Teil der Prüfungsleistung; die regelmäßige Abgabe der Texte ist jedoch eine Bedingung für die Teilnahme am Seminar. Im Laufe des Semesters darf eine Student*in maximal zwei Reflexionsaufgaben unbearbeitet lassen. Dabei ist keine Mindestanzahl an Wörtern pro Eintrag festgelegt. Es hat sich gezeigt, dass niemand nur einen oder zwei Sätze schreibt. Die Bedeutung der learning logs für die reflexiven Professionalisierungsprozesse wurde bereits erörtert. Im Sinne der Forschung bieten diese Texte sehr umfangreiche Rückmeldungen zu jeweils vom Dozenten ausgewählten Aspekten. Die Studierenden, deren Texte (N = 26) in der Folge präsentiert werden, stimmten der forschungsbasierten Auswertung durch Dritte aktiv zu. Es muss betont werden, dass es zumindest dem Anschein nach gelang, Ef‐ fekte sozialer Erwünschtheit zu minimieren. Natürlich können hierarchiebedingte Verqui‐ ckungsproblematiken zwischen Dozent und Studierenden selbst in einer vertrauensvollen Atmosphäre nicht ausgeschlossen werden. Bei der Codierung und Auswertung jedoch diente die Zusammenarbeit mit einer externen Forscherin (Co-Autorin dieses Beitrags) für 108 Leo Will & Carolyn Blume <?page no="109"?> eine gewisse Distanz zu den qualitativen Daten. Diese Zusammenarbeit diente auch einer Validierung der Datenanalyse, welche zudem eine Erstcodierung durch einen weiteren externen Wissenschaftler beinhaltete (vgl. Kuckartz 2012). - 6.2 Ergebnisse Die qualitative Analyse der Reflexionsaufgaben zeigt, inwiefern die Studierenden durch die Kollaboration auf unterschiedlichen Ebenen des Wissenschafts-, Berufsfeld- und Sub‐ jektbezugs aktiviert wurden. Die Kommentare der Studierenden deuten darauf hin, dass die Belastungen der Kollaboration durch den erhöhten Organisationsaufwand, die von vielen Studierenden in der quantitativen Studie (vgl. Will & Kurtz in diesem Band) wahrgenommen wurden, hier nahezu ausblieben. Stattdessen wird fast ausschließlich positiv über die Arbeit mit Peers und mit den universitären und schulischen Expert*innen berichtet. Im Folgenden wird zunächst die Wahrnehmung der Kollaboration innerhalb der CoP beschrieben, bevor anschließend die Rolle der digitalen Elemente bzw. Werkzeuge fokussiert wird. Es ist jedoch anzumerken, dass sich die zwei Themen kaum trennen lassen, da die Studierenden an mehreren Stellen explizit die digitalen Komponenten als Gegenstand sowie als Kollaborationswerkzeug reflektieren. Angesichts des relativ kleinen Samples (N = 26) können nur Tendenzen identifiziert werden, die erst durch weitergehende Untersuchungen validiert bzw. vertieft werden könnten. Erste Ergebnisse deuten jedoch daraufhin, dass dieses Pilotprojekt zentrale Kriterien zur Professionalisierung angehender Lehrkräfte mithilfe digitaler Medien erfüllt, welche in einer Vielzahl von Forschungsberichten als wirkmächtig erachtet werden (vgl. Tondeur et al. 2012). Hierzu zählen u.a. die Nutzung von digitalen Werkzeugen als Teil eines praktisch umsetzbaren, relevanten didaktischen Konzepts, die Kollaboration unter Peers sowie Gelegenheiten zur gemeinsamen Reflexion (ibid.). 6.2.1 Kollaboration Die Studierenden erkannten deutliche Vorteile durch die Kollaboration mit Peers und zeigten während des Erhebungszeitraums positive Einstellungen gegenüber der CoP. Teilweise stand diese Erfahrung in direktem Kontrast zu problematischen Erfahrungen in anderen kollaborativen Projekten. Auch wurde gemutmaßt, was typische Probleme hätten sein können, um gleichzeitig zu konstatieren, dass ebensolche nicht eingetreten seien. Auf die Frage, wie die Kollaboration zu werten sei, berichtete zum Beispiel Teilnehmer*in IH von früheren Erfahrungen und enttäuschten Erwartungen in der Vergangenheit, bevor er/ sie den wahrgenommenen Kontrast in diesem Fall erläutert: I for myself at least have abundant experience with the harsher and less satisfactory realities of group work from my own school and university times, even though I actually do like the concept of working on and developing something together for I think it can be very beneficial … Luckily enough, and I think I can say this for both of us as a group (as we talked about it before some time ago) it worked out very well in this case, giving each of us someone to talk about what we want to do and how we want to do it, creating thereby a joint effort, as well as someone to talk the results through. (IH, p. 54) Die Studierenden berichteten sowohl von affektiven als auch kognitiven Vorteilen in Ver‐ bindung mit der Kollaboration, die auch teilweise ineinandergreifen. Im Zusammenhang Ein digital gestütztes Theorie-Praxis-Projekt zur Förderung der Mündlichkeit 109 <?page no="110"?> mit affektiven Aspekten betonten einige Studierende, wie sie im Rahmen dieses Projekts trotz der besonderen Situation des pandemiebedingten Distanzstudiums soziale Kontakte knüpfen konnten: I think that it was very helpful to work in a team throughout this seminar. I can only name advantages of working with a fellow student. For example, I really enjoyed exchanging about task-ideas or technical-issues with my partner. This made me feel less overwhelmed and lost. In addition, I found a new friend which I did not expect due to the online semester. Overall, it was a welcoming change to find this much interaction within a seminar during COVID-19. (LRE, p. 53) Eine größere Anzahl von Studierenden erlebten die digitale Kollaboration als einen geschützten Raum, wo sie ihr vermeintliches Unwissen zugeben konnten: „Facing new challenges with someone else is definitely easier and it helped the flow of creativity. To be honest, working as a team kind of created a safe space for me, as I did not have to make decisions on my own, concerning the tasks and videos“ ( JW, P. 58). Hier sind die wichtigen CoPtypischen Aspekte der „Hilfe-Kultur“ und der Fehlertoleranz erkennbar (vgl. Brägger et al. 2021: 112), die zur Effektivität einer solchen CoP beitragen (Vangrieken et al. 2017: 54). CoPs benötigen eine vertrauensvolle Atmosphäre (vgl. Vangrieken et al. 2017: 55). Das Gefühl der psychischen Sicherheit führte dazu, dass die Studierenden vorbehaltlos von ihren Kommiliton*innen lernen konnten. Es bestand eine affektive Offenheit zur gemeinsamen Bewältigung der praktischen Herausforderungen des Projekts: Discussing ideas, reassuring that one is not following the wrong track, presenting results together, and so on, especially when it comes to new tasks like recording a video, can reduce insecurity and make any individual feel more self-confident and comfortable (SB, p. 52). Darüber hinaus erkannten die Studierenden die Vorzüge der inhaltlichen Zusammenarbeit: „It was very helpful to discuss our thoughts on the videos because my partner noticed different aspects than I did“ (DTS, p. 49). Eine Kleingruppe änderte im Laufe des Projekts ihre Vorgehensweise: Initially, I tried to engage in this project alone. This is why both [my partner] and myself decided to make our first two video tasks completely individual and separate from one another. The other groupmember didn’t even know, what was being produced for the mentees. This way, we both made similar mistakes and we both gathered the same information. This was a valuable lesson for us both. Not only did we observe the same structure in student behavior but we also found that communication is of key importance to language teachers. Discussions about how to engage with the mentees and what tasks to use proved to be rather helpful and beneficial for our project. (PG, p. 53) Die Einsicht in den Sinn des Projekts minimierte bei manchen Studierenden einige typische Probleme bei kollaborativen Aufgabenformen, etwa die ungleiche Aufteilung der Arbeit: In other seminars, I often had the feeling that one person was doing much more than others, but I think in this project all of us were kind of happy to work out our tasks and enjoyed the „work“ we had. That may be, because all of us wanted to see how „real 8-graders“ would react to our own tasks. ( JD, p. 53) 110 Leo Will & Carolyn Blume <?page no="111"?> Selbst Studierende, die eine ambivalente Sicht auf die Kollaboration hatten, erkannten deutliche Vorteile, die die Nachteile überwogen: For me it was both beneficial and disadvantageous to work with another student. The advantages were the discussions about the tasks. It was nice to exchange ideas and to be able to ask another person about the class — contrary to most other online classes. A disadvantage for me was the time: it takes more time to schedule meetings with a partner or to wait for their answer/ their part of the project. However, all in all my work benefited from the exchange with my partner. She pointed out concerns or aspect which did not come to my mind and as a team we came up with good ideas and solutions. The collaboration went really well. (DTS, p. 56) In our group a disadvantage was that all of us studied different L’s [Lehrämter, Anmerkung der Autor*innen]. Therefore we kind of wanted to bring out different things in the students, our methods differed as well as our expectations. It was no big deal at all though…. I am convinced that it is best to do this project in groups. (LP, p. 55) Working together with [LSH] has been so enjoyable and fruitful and from every point of view better than working alone. Not only did we constantly exchange our ideas on the tasks for the learners, but we also agreed from the beginning that we want to produce joint videos when giving our learners the tasks. On the one hand, this has made work more complicated for us because we would have to find a time slot that suited both of us (besides all our other duties), but on the other hand, I believe that this has given our videos a great increase in quality. (DP, p. 55) Die von den Studierenden geschilderten Nachteile der Kollaboration sind einleuchtend. Interessant ist jedoch die Tatsache, dass diese Schwierigkeiten nicht den kollaborativen Mehrwert aufwogen, welcher in der erfolgreichen Umsetzung des Projekts bestand. Für den Erfolg des Projekts, so scheint es, wurden die beschriebenen Widrigkeiten gerne in Kauf genommen. So resümierte etwa LSH (p. 54), dass das Projekt von „many blessings and very few curses of collaborative work“ geprägt war. 6.2.2 Digitale Anwendungen Knight (vgl. 2020: 301) artikuliert vier essenzielle Elemente, die zum Erfolg einer digital gestützten CoP beitragen. Diese betreffen technische Kompetenzen, reflexive und kritische Kompetenzen, fortwährende Partizipation sowie adäquate Kollaborationspraktiken. Die Analyse der Studierendenaussagen bei TEFLkollab zeigt deutlich, dass die didaktischen und kommunikationsrelevanten digitalbezogenen Kompetenzen gestärkt werden konnten, um wiederum auf mehreren Ebenen zur Professionalisierung beizutragen. Einige Studierende gaben in ihren schriftlichen Reflexionen zu, bei der Erstellung eines Flip-Videos anfänglich verunsichert zu sein. Diejenigen, die diese fehlende Fertigkeit erwähnten, beschrieben ihre Unwissenheit durchweg ähnlich. So kontrastierten sie ihre eigenen vermeintlichen Defizite mit den digitalen Kompetenzen ihrer Mitstudierenden, um anschließend darzustellen, wie die Produktion der Videos zweierlei bewirkte: Zum einen wurde ihr eigenes Unwissen ausgeglichen, weil sie sich auf ihren Kommiliton*innen verlassen konnten und gleichzeitig von ihnen lernen konnten: Obviously, [my partner’s] extraordinary video editing skills and the effort she put into working on our videos each time played a huge part in making the videos really special. Hence, I consider myself very lucky that I have the chance to benefit from her knowledge and learn something new from her Ein digital gestütztes Theorie-Praxis-Projekt zur Förderung der Mündlichkeit 111 <?page no="112"?> in this field. Ultimately, I think this is what successful collaborative work, particularly at university, should be all about: developing one’s own competencies in contact with others who are more skilled in a certain field. (DP, p. 55) Zum anderen haben sie wahrgenommen, dass auch andere Studierende die Aufgabe herausfordernd erlebten bzw. sich mit der gleichen Herausforderung konfrontiert sahen: This a clear advantage of working in groups is that we could talk about our insecurities with one another and realize that we are in this together. Also I personally was not really confident about recording a video at first. I was afraid to emberass (sic) myself or just mess up as a whole. Another group member then started and uploaded the first video and this really gave me some orientation and inspiration as well and also took some of my insecurities away since it really is not that huge of a deal. (DP, p. 55) Es zeigt sich, dass technische Unsicherheit von persönlicher Unsicherheit kaum zu trennen ist. Interessant ist hier, wie die Studierenden ihre anfängliche Ängstlichkeit, Unkenntnisse zuzugeben, im Laufe des Prozesses ablegten. In der Literatur sind Kollaborationen häufig geprägt von Bemühungen, das eigene Unwissen vor Gruppenmitgliedern zu verbergen, was hier jedoch nicht der Fall zu sein scheint. Im Gegenteil: Die Studierenden erzählen, wie das Wissen der anderen Sicherheit bot und wie der Mut der anderen inspirierend wirkte (vgl. Sacher, Stövesand & Weiser-Zurmühlen 2021: 104). Gleichzeitig fanden sich in den Daten kaum Beispiele von Studierenden, die sich als ‚digitale‘ Expert*innen ver‐ standen und mit diesem Status agierten. So wirkte die Aufgabe, Videos zu erstellen, auf mehreren Ebenen professionalisierend: Die Studierenden erlangten digitale Kompetenzen, die sie im Unterricht einsetzen können. Gleichzeitig erfuhren sie von den Vorteilen einer professionellen Gemeinschaft mit unterschiedlichen Vorkenntnissen. Darüber hinaus entwickelten sie eine Tendenz, den Kompetenzabgleich mit ihren Kommiliton*innen ins Positive zu wenden. In den erwähnten Fällen führte dieser Abgleich zu einer Stärkung der eigenen Selbstwirksamkeit. Hier zeigt sich ein Zusammenhang zwischen digital gestützter Aktivierung und Subjektbezug. Die Beschreibung der digitalen Kommunikation mit der teilnehmenden Lehrkraft deutet auf eine ineinandergreifende Wirkung von Technologien, Einstellungen und Praktiken hin. So sind weder der barrierearme Austausch per Messenger noch die reflexiven Kompetenzen noch die Offenheit für Kollaboration jeweils alleine für die erfolgreiche CoP ausschlagge‐ bend. Vielmehr bedurfte es eines Zusammenspiels dieser Faktoren, die mehr oder minder zur Wertschätzung des Projekts im Allgemeinen und der CoP im Besonderen beigetragen haben. Beispielsweise kommentierte ein Viertel der beteiligten Studierenden den Austausch mit der Lehrkraft und erwähnte explizit die Nutzung des Kommunikationstools ‚Signal‘. Hingegen erwähnten die Studierenden ihre informelle Messenger-Kommunikation unter‐ einander nicht ein einziges Mal, was möglicherweise zeigt, wie selbstverständlich diese Kommunikationsform für Studierende in kollaborativen Projekten geworden ist. Es ist anzunehmen, dass die speziell eingerichtete ‚Signal‘-Gruppe ein wichtiges Element der entstehenden CoP darstellte. Diese Annahme wird von den inhaltlichen Kommentaren der Studierenden untermauert: 112 Leo Will & Carolyn Blume <?page no="113"?> Having the Signal group with [the teacher] was really helpful I believe, since we could ask him questions and he would answer almost immediately. I guess that’s the best opportunity, since writing emails would not have informed all of us (in case the question would come up in other teams as well) and that probably would have taken more time for him to answer. ( JD, p. 53) The next collaborative step was the work with [the teacher] which I consider really helpful, since he knows his students best. Especially the easy communication via signal allowed for a good exchange. I think that his engagement in this project had huge impact on its successful (at least that’s how I feel) outcome. (LSH, p. 54) In my opinion the way we commumicated (sic) with [the teacher] was perfect. I feel as if he would have been there if we needed help with something (in the signal group). (LP, p. 56) It was really helpful to get an answer as soon as possible if it was needed due to the signal app. (AS, p. 56) Es zeigt sich hier die Wirkung eines niedrigschwelligen Tools, das mehrere Affordanzen bietet, die sich gegenseitig verstärken (vgl. van Lier 2000, Blin 2016). Die Studierendenaus‐ sagen lassen darauf schließen, dass dieses Tool ihnen zwar nicht unbekannt ist, aber in dieser Funktion im Rahmen der Professionalisierung einen unerwarteten Mehrwert bietet. Dies entspricht jüngeren Erkenntnissen zu den digitalen Kompetenzen von Lehrenden und Lernenden gleichermaßen. Viele verfügen zwar über gute digitale Kenntnisse im privaten Bereich, für Lehr-/ Lernzwecke jedoch müssen dieselben explizit eingeübt werden (vgl. Blume 2021). Es fällt auf, dass das Einrichten der ‚Signal‘-Gruppe im Sinne einer klaren Bedarfsorientierung von den Studierenden als zentrales Element erkannt und zum Teil differenziert reflektiert wurde. 7 Diskussion Die ausgewerteten Daten deuten darauf hin, dass das Projekt von den Studierenden als professionalisierungsfördernd wahrgenommen wurde. Kritik an dem Ansatz war weder in den qualitativen Daten noch in der Evaluation der Lehrveranstaltung erkennbar. Insofern kann das Projekt als vielversprechendes Vorhaben gewertet werden, innerhalb einer digital gestützten CoP Professionalisierungsprozesse mit Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjekt‐ bezug herzustellen. Allerdings kann aufgrund der begrenzten Zahl der Teilnehmenden nur bedingt auf konkrete lernförderliche Effekte geschlossen werden, denn letztere werden freilich nicht allein durch eine positive Wahrnehmung seitens der Teilnehmenden manifest. Es liegt jedoch nahe, dass die differenzierte Versprachlichung von Erkenntnissen und Beurteilungen in den learning logs reflexive Leistungen offenbart, welche erst durch die beschriebene Kombination der Aktivierungsformen ausgelöst werden. Trotz der genannten Indizien, die das Projekt durchweg fruchtbar hinsichtlich komplexer Professionalisierungseffekte erscheinen lassen, soll in der Folge auf einige Probleme einge‐ gangen werden. Größere praktische Probleme ergaben sich in der Zusammenarbeit mit den Schüler*innen. Die Praxisanbindung, die für eine Synergie aus Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektbezug notwendig ist, birgt diverse Unwegsamkeiten (vgl. Bulizek et al., 2020: 229ff.). Es ergaben sich Schwierigkeiten, mit denen Lehrkräfte nur allzu vertraut sind, wenn beispielsweise einige Schüler*innen ihre Videos nicht rechtzeitig oder gar nicht hochluden. Während ein nicht erledigter Arbeitsauftrag im schulischen Kontext nicht zwangsläufig Ein digital gestütztes Theorie-Praxis-Projekt zur Förderung der Mündlichkeit 113 <?page no="114"?> Implikationen für den Fortgang der Unterrichtssequenz hat, waren die Studierenden in solchen Situationen teilweise nicht nur beschäftigungslos, sondern auch zunehmend frustriert, nämlich dann, wenn etwa elaborierte video assignments unbeantwortet blieben. So kam es zu einem Aktivitäts- und Motivationsverlust seitens der Studierenden. Darüber hinaus hat das Ausbleiben der Schüler*innenprodukte Implikationen für die Bearbeitung der Aufgaben, die die Studierenden teilweise für die Prüfungsleistung benötigen. Infrastrukturelle Bedingungen sind ebenfalls höchst relevant. Das Projekt funktioniert besonders gut, wenn während der synchronen Treffen alle Teilnehmenden jeweils einen eigenen Computer verwenden und sich dabei bestenfalls in unterschiedlichen Räumen befinden, da andernfalls die Stimmen der jeweils benachbarten Personen stören könnten. Diese Kriterien waren während des pandemiebedingten Distanzunterrichts automatisch erfüllt. Zurück im Präsenzmodus jedoch musste ein Zeitfenster am Nachmittag gewählt werden, damit die Schüler*innen jeweils von zuhause an den Online-Treffen teilnehmen konnten. Dies stellte für die Schüler*innen und die Lehrkraft einen zeitlichen Mehrauf‐ wand dar. Die Lehrkraft muss sich auf diese Umstellungen einlassen und gegebenen‐ falls Schüler*innen und Eltern von dem Konzept überzeugen. Es hat sich bewährt, den Schüler*innen Hausaufgaben zu erlassen, um den erhöhten Aufwand tendenziell auszu‐ gleichen. Hiermit sind auch die über den Schulalltag hinausgehenden Anforderungen an die Lehrkraft angedeutet. Wie bereits erwähnt verbindet das Projekt in geradezu singulärer Weise die drei zent‐ ralen Professionalisierungskomponenten: Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektbezug (Will & Kurtz in diesem Band). Um den durch das Projekt verursachten Mehraufwand aus‐ zugleichen, lesen die Studierenden jedoch weniger Fachliteratur als in konventionelleren Lehrveranstaltungen der Englischdidaktik. Vergleichsweise wenige Konzepte werden im Modus der Lektüre vermittelt, dafür wird von den Studierenden eine besondere Transfer‐ leistung verlangt, nämlich die Umsetzung der Theorien in die didaktische Praxis sowie die explizite Reflexion dieser Verknüpfungen. Das Format funktioniert also komplementär zu den stärker wissenschaftsorientierten Kursen, deren Wert hier keinesfalls geschmälert werden soll. 8 Zusammenfassung Einer der Leitgedanken bei TEFLkollab ist der Berufsfeldbezug. Legutke, Saunders & Schart schreiben diesbezüglich: Didaktisches Handeln lässt sich […] nicht auf das Anwenden von Modellen, die technizistische Aneinanderreihung von Übungen und Aufgaben oder das Abarbeiten von Lehrwerken verkürzen […]. Es liegt daher in der Verantwortung der Universität, Studierenden bei diesem für das Professionswissen maßgeblichen Erkenntnisprozess frühzeitig Unterstützung anzubieten und das Erleben der Lehrerrolle zu ermöglichen. (2022: 175) Letzteres, also zumindest ein Erleben der Mentor*innenrolle, steht im Mittelpunkt des hier vorgestellten Projekts. Dabei sind die in TEFLkollab verwendeten Aktivierungsformate auf mehreren Ebenen fordernd. Denn die produktive Zusammenarbeit sowohl mit Kommi‐ liton*innen als auch mit einer Schulklasse bedarf weitreichender Aushandlungsprozesse, 114 Leo Will & Carolyn Blume <?page no="115"?> um die inhärenten logistischen und inhaltlichen Hürden zu bewältigen. Nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlichen digitalen Strukturen und Kompetenzen bei den Teilnehm‐ enden sind Barrieren zu erwarten. Es gilt nicht nur die unterschiedlichen organisatorischen bzw. strukturellen Logiken der beiden Gruppen und Institutionen miteinander in Einklang zu bringen. Ebenso wichtig ist es, die Wertigkeit der kollaborativen Prozesse sichtbar werden zu lassen, ohne sie zu fokussieren. Um dies zu erreichen, bedarf es Anpassungen auf allen Ebenen der Lehrveranstaltung: Auf der Dozentenebene findet eine zunehmende Zurückhaltung statt, damit die Studierenden den Freiraum haben, kollaborativ an ihren eigenen Teilprojekten zu arbeiten. Auf inhaltlicher Ebene bedeutet die Fokussierung auf didaktische Erprobungsszenarien eine Reduktion der akademischen Wissensvermittlung. Auf der Prozessebene stehen kollaborative Arbeitsformen im Zentrum, die sich sowohl einer exakten Steuerung als auch einer konkreten Ergebnisantizipation entziehen. Es zeigt sich jedoch anhand der learning logs, dass die Studierenden von der praxisnahen Erfahrung hinsichtlich ihrer eigenen Professionalisierung profitieren. An vielen Stellen spiegeln die Texte, wie wechselseitig wissenschaftsbezogene, berufsfeldbezogene und subjektbezogene Reflexionsprozesse durchlaufen werden. Vor allem sind die positiven Einstellungen zur Zusammenarbeit und die erfolgreichen Kollaborationsprozesse und -produkte ein Indiz dafür, dass man auch (oder insbesondere) auf Distanz Teil einer professionalisierenden CoP sein kann. Literaturverzeichnis Akerson, Valarie L., Cullen, Theresa A. & Hanson, Deborah L. (2009). Fostering a community of practice through a professional development program to improve elementary teachers’ views of nature of science and teaching practice. Journal of research in science teaching, 46(10) 1090-1113. doi: 10.1002/ tea.20303 Altrichter, Herbert (1996). Der Lehrerberuf: Qualifikationen, strukturelle Bedingungen und Profes‐ sionalität. 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Während in Ketzer-Nöltge und Wolbergs (2021) die Auswirkungen von physischer und zwei Formen digital synchroner Anwesenheit (360°-Stream, Videokonferenz) auf das Präsenz- und das Gruppenzugehörigkeitsgefühl von Studierenden ausführlich dargelegt wurden, werden diese Ergebnisse im vorliegenden Beitrag unter dem Aspekt diskutiert, dass die Zielgruppe zukünftige Fremdsprachenlehrende sind. Es lässt sich annehmen, dass (innovative) hoch‐ schuldidaktische Lehr- und Forschungsprojekte aufgrund ihrer Vorbildfunktion auch Aus‐ wirkung auf die Einstellungen und (medien-)didaktischen Kompetenzen der Studierenden haben. Zudem widmet sich der vorliegende Beitrag der Perspektive der Hochschulleh‐ renden in einem solchen Setting. Motiviert wurde die Studie durch die Anforderungen an Hochschullehre seit Beginn der pandemischen Lage im Sommersemester 2020, die zunächst einen Ad-hoc-Wechsel von Präsenzlehre in rein digitale Lehre forcierte und im Anschluss einen jeweils situativ bestimmten Wechsel zwischen hybriden und rein digitalen Konzepten erforderlich machte. Während die Studierenden des Basismoduls Kulturstudien I dieses im Sommersemester 2020 als materialbasierte und zu großen Teilen asynchrone Lehrveranstaltung besuchten - und dies bspw. bezüglich parallel zu leistender Sorgearbeit eine Unterstützung der Studierenden darstellte - war zugleich der Wunsch nach Präsenz im Seminarraum entstanden. Dies deckt sich mit der von Will und Kurtz (in diesem Band) problematisierten Gemengelage zur Bewertung von asynchronen und synchronen Aufgaben-, Aktivierungs- und Partizipationsformaten. Um dem Wunsch der Studierenden nach Präsenz nachzukommen, entstand die Idee, die bereits vorgesehene hybride Lehre im anschließenden Aufbaumodul im Wintersemester 2020/ 21 durch einen 360°-Live-Stream anzureichern. In das - im Gegensatz zu Kulturstu‐ dien I - interaktiv-synchrone Aufbaumodul Kulturstudien II wurden daher zusätzliche Lehrvorträge in die Werkstattarbeit (zur Gestaltung einer Unterrichtseinheit) integriert, die via 360°-Live-Stream übertragen wurden und im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehen. Für die Studie wurden Lehrvorträge als Phase eines Seminars ausgewählt, weil zunächst die drei unterschiedlichen angebotenen Kanäle explorativ betrachtet werden sollten. Dies <?page no="120"?> war notwendig, da mit der aktuell verfügbaren Technik kein Rückkanal in den 360°-Live- Stream integriert werden kann (nur Rezeption möglich). Dies wurde in Ketzer-Nöltge und Wolbergs (2021) bereits als eine Limitation herausgearbeitet und hinsichtlich möglicher aktivierender Aufgaben diskutiert (s. a. 3.2 und 5). Das Lehr- und Forschungsprojekt „Hybride Lehre in der Hochschule: Präsenzgefühl und Lernen in virtuellen Lernumgebungen“ verfolgt das Ziel, zu erkunden, wie 360°-Streaming in der Hochschullehre eingesetzt werden kann und wie sich dies auf die Studierenden und die Lehrperson auswirkt. Die Studie ist dabei eingebettet in die qualitativ-orientierte Studienlage zu synchron-hybrider Hochschullehre (Raes, Detienne, Windey & Depaepe 2020) und zum Einsatz von 360°-Streaming in der (Hochschul-)Lehre (Kavanagh, Luxton- Reilly, Wuensche & Plimmer 2017). Sie ist zudem der Aktions- oder Handlungsforschung zuzuordnen (vgl. z.B. Caspari 2016) und kann aufgrund der Triangulation von quantitativen und qualitativen Daten als Mixed Methods-Studie bezeichnet werden. Im Folgenden werden zunächst theoretische und empirische Grundlagen zur hybriden Lehre in der Hochschule skizziert sowie das 360°-Video-Streaming als ein mögliches Setting eingeführt (2). Darauf aufbauend werden das didaktische und technische Setup des hybriden Lernarrangements dargelegt, zentrale Ergebnisse der Gesamtstudie zusammen‐ gefasst und in Bezug auf die Zielgruppe zukünftiger Fremdsprachenlehrender diskutiert (3). Die im dritten Kapitel dargestellten Ergebnisse dienten als Grundlage für die in diesem Artikel fokussierte Forschungsfrage, die die Anforderungen an die Lehrende in den Mittelpunkt stellt. Zur Beantwortung wurde ein qualitatives Interview mit der Lehrperson durchgeführt, welches in Abschnitt 4 ausgewertet und diskutiert wird. Passend zum Thema des Sammelbandes wird zudem eine mögliche lernförderliche Aktivierung in der 360°-Bedingung thematisiert (5). Schließlich wird die Skalierbarkeit von 360°-Streaming in der hybriden Lehre diskutiert (6). 2 Hybride Lehre und 360°-Streaming - Einbettung in den Forschungsstand Die Bezeichnung „hybrid“ wird in Bezug auf Lehr-/ Lernarrangements vielfältig und nicht immer einheitlich verwendet (Klimova & Kacetl 2015). Unter hybriden Lehr-/ Lernarrangements wird in dieser Studie verstanden, dass Lernenden ermöglicht wird, an einer synchronen Lehrveranstaltung entweder in Präsenz oder virtuell (meist via Videokonferenztool) teilzunehmen. Aufgrund der pandemischen Lage und der stattge‐ fundenen Studie konnte der Modus von den Studierenden jedoch nicht flexibel gewählt werden. Die Lernenden wurden zufällig einer der drei Bedingungen (Präsenz, Videokon‐ ferenztool, 360°-Stream) zugeordnet. Grundsätzlich ermöglicht eine hybride Lehre jedoch den Studierenden den eigenen Lernort flexibel zu wählen, sodass sie beispielsweise (privaten) Verpflichtungen nachkommen können, wie parallel zu leistender Sorgearbeit (z.B. Wiles & Ball 2013), oder sie das individuelle Lernsetting entsprechend ihrer aktuellen Verfassung (Weitze, Ørngreen & Levinsen 2013) oder ihrer Lernstrategie (z.B. Wiles & Ball 2013) einrichten können. Aufgrund dieser Flexibilität zwischen der Teilnahme am Präsenzunterricht und der Teilnahme an der online übertragenen Sitzung wird zuweilen auch von „hyflex“ gesprochen (Sanchez-Pizani, Detyna, Dance & Gomez- Agustina 2022). Diese Flexibilität ist in der vorliegenden Studie jedoch nicht gegeben, 120 Julia Wolbergs / Almut Ketzer-Nöltge <?page no="121"?> weshalb wir von hybrid und nicht von hyflex sprechen. Sowohl hybride als auch hyflexe Lehre kann dazu beitragen, eine höhere Kontrolle über das eigene Lernen zu erlangen (Abdelmalak & Parra 2016) und Kompetenzen zu erwerben, die in einer digitalisierten Arbeitswelt benötigt werden (z.B. Ørngreen, Levinsen, Jelsbak, Møller & Bendsen 2015). Jedoch zeigen Studien zur hybriden Hochschullehre auch, dass sich die über ein Videokonferenztool zugeschalteten Studierenden von der Lerngruppe isoliert und aus dem Raum ausgeschlossen fühlen (Huang, Zhao, Shu & Huang 2017). Dies kann wiederum zu Frustration bei Studierenden führen, wenn diese nicht auf sich aufmerksam machen können (bspw. bei technischen Problemen; Weitze et al. 2013). Entsprechend fordern Ramsey, Evans & Meyer (2016), dass die wahrgenommene Distanz zwischen den zugeschalteten Lernenden und der Lehrperson (sowie den Lernenden) vor Ort bewusst adressiert und eine Form der Verbundenheit geschaffen werden muss. Um diesem Gefühl von Isolation in der hybriden Lehre entgegenzuwirken, wurde in der hier beschriebenen Studie Studierenden die Möglichkeit geboten, alternativ zu einer Teilnahme in Präsenz oder über ein herkömmliches Videokonferenztool (Zoom), mit Hilfe einer VR-Brille über einen 360°-Stream immersiv an Seminarphasen teilzunehmen. Auch wenn hiermit nicht per se eine Aktivierung der Studierenden im Sinne von Handlungs- oder Interaktionsorientierung erreicht werden kann, lässt sich doch argumentieren, dass durch die Wahrnehmung der Wünsche der Studierenden und die Reaktion darauf im Rahmen von Aktionsforschung das Ziel verfolgt wurde, motivierend für die Studierenden zu sein. Zudem wird durch den 360°-Stream „das Wahrnehmen mit allen Sinnen“ (Lütge 2017: 2) ermöglicht, was ebenso als Teilaspekt von Aktivierung verstanden werden kann (s. a. 5) 360°-Streaming bzw. 360°-Aufnahmen entstehen durch Videotechnik und können auf einem regulären Bildschirm angeschaut werden, hierfür kann aber auch eine VR-Brille genutzt werden. Allerdings handelt es sich bei 360°-Aufnahmen, auch wenn diese mit einer VR-Brille betrachtet werden, nicht um Virtual Reality (VR), welche im Gegensatz zur Videotechnik der 360°-Aufnahme computergeneriert ist. Die Begrifflichkeiten werden zuweilen jedoch ungenau verwendet: So werden 360°-Aufnahmen häufig als Form von VR bezeichnet (z.B. Snelson & Hsu 2020). 360°-Aufnahmen lassen sich aufgrund aktueller technischer Umsetzungsmöglichkeiten vergleichsweise einfach und kostengünstig einsetzen (vgl. Kavanagh et al. 2017). So stehen aktuell beispielsweise 360°-Kameras für wenige hundert Euro und einfache VR-Brillen, die in Verbindung mit einem Smartphone funktionieren, zur Verfügung. Infolgedessen hat in den letzten Jahren auch der Einsatz und die Erforschung von 360°-Technologie in hochschuldidaktischen Kontexten zugenommen (Snelson & Hsu 2020). Als Begründung für den Einsatz von 360°-Medien wird in der Literatur u.a. angeführt, dass durch die Nutzung von VR-Brillen eine Immersion in den dargestellten Raum ermög‐ licht wird, was wiederum zu einem erhöhten Präsenzgefühl führt (z.B. Wirth, Hartmann, Böcking, Vorderer, Klimmt, Schramm, Saari, Laarni, Ravaja, Gouveia, Biocca, Sacau, Jäncke, Baumgartner & Jäncke 2007). Unter Immersion werden nach Slater und Wilbur (1997) technische, objektiv erfassbare Eigenschaften von VR-Technologie verstanden, die den Grad des Eintauchens in die dargestellte Umgebung bestimmen. Damit ist u.a. die Qualität der technischen Umsetzung gemeint, also z.B. die Auflösung der grafischen Darstellung, Hybride Lehre meistern 121 <?page no="122"?> die Größe des Displays oder auch das Gewicht der VR-Brille. Diese wirkt sich auf die Wahrnehmung visueller, auditiver oder haptischer Reize der Außenwelt durch die Nutzenden aus (Rebelo, Noriega, Duarte & Soares 2012): Je weniger Reize aus der realen Welt wahrgenommen werden können, desto höher die Immersion. Der Begriff Präsenz be‐ zeichnet dagegen das subjektive Gefühl der Nutzenden, sich tatsächlich in der dargestellten Umgebung zu befinden (z.B. Wirth et al. 2007). In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass das Gefühl der Präsenz mit dem Grad der Immersion zunimmt (z.B. Rupp, Kozachuk, Michaelis, Odette, Smither & McConnell 2016). Während zum Einsatz von VR in Bildungskontexten bereits eine Reihe von Studien und Reviews vorliegen (z.B. Kavanagh et al. 2017), sind zum Einsatz von 360°-Aufnahmen bisher nur wenige Studien erschienen. In einem ersten Scoping Review zu edukativen 360°-Videos von 2019 identifizieren Snelson und Hsu (2020) nur zwölf Studien, die alle in den Jahren 2017 bis 2019 erschienen sind. Sie kommen zu dem vorläufigen Ergebnis, dass sich beim Einsatz von 360°-Videos im Vergleich zu herkömmlichen Videos vor allem ein positiver Effekt in Bezug auf emotional-motivationale Aspekte Lernender zeigt (z.B. bzgl. Vergnügen und Interesse, ebd.). In Bezug auf kognitive Faktoren, wie Verständlichkeit, konnten sie keine systematischen Unterschiede identifizieren. Jedoch sind auch Studien erschienen, die einen Vorteil für Lernen und Behalten in (immersiven) 360°-Umgebungen finden (z.B. Rupp et al. 2016). Seit dem Review von Snelson und Hsu (2020) sind auch Studien zum Einsatz von 360°-Technologie in der Hochschullehre erschienen, die vor allem in technischnaturwissenschaftlichen Studienfächern verortet sind (z.B. 360°-Aufnahmen von medi‐ zinischen Eingriffen in der Ausbildung von Veterinärmediziner*innen; Guervós, Ruiz, Pérez, Muñoz, Díaz & García 2019) und / oder stärker praxisorientierte Unterrichtsfor‐ mate betreffen (z.B. 360°-Aufnahmen von schulischem Unterricht für die Lehrendenaus‐ bildung, z.B. Theelen, van den Beemt & den Brok 2020). Insgesamt sind diese Studien bisher meist explorativer Natur und verfolgen das Ziel, Vor- und Nachteile des Einsatzes von 360°-Videos in der Hochschullehre zu identifizieren (z.B. Violante, Vezzetti & Piazzolla 2019). Für den Einsatz von 360°-Aufnahmen im Rahmen von Vorlesungen oder Seminaren in sozial- oder geisteswissenschaftlichen Studiengängen liegen u.W. bisher nur zwei Studien vor: In Hebbel-Seeger (2018) wird die Rezeption einer 45-minütigen Vorlesungsaufzeichnung als immersives 360°-Video mit einem herkömmlichen Video verglichen. McKenzie, Rough, Spence & Patterson (2019) erstellen dagegen kurze 360°-Videoaufzeichnungen in einer Veranstaltungsreihe ergänzend zu herkömmlichen Videoaufnahmen der gesamten Sitzungen. Während sich kein Unterschied in Bezug auf das Behalten der präsentierten Informationen zeigt (Hebbel-Seeger 2018), können beide Studien ein starkes bis sehr starkes Präsenzerleben bei den Lernenden in der 360°-Bedingung feststellen. McKenzie et al. (2019) untersuchte zudem die Erfahrungen von zwei Lehrenden in Form von Einzelinterviews und Lehrtagebüchern. Die Analyse zeigt, dass von den Lehrenden vor allem erhöhte Anforderungen an das Classroom Management diskutiert wurden. Durch die Möglichkeit der Studierenden, das eigene Sichtfeld zu jeder Zeit individuell zu wählen, stellt sich z.B. die Frage, wie Lehrende so präsentieren können, dass die Aufmerksamkeit auf den Lehrvortrag gelenkt wird. Insgesamt resümieren McKenzie et al. (2019) große 122 Julia Wolbergs / Almut Ketzer-Nöltge <?page no="123"?> Herausforderungen an die Lehrenden. Dies deckt sich mit Studienergebnissen zur hybriden Lehre, in welchen Ansprüche an die Aufmerksamkeitsverteilung von Lehrenden themati‐ siert werden, die zu einem erhöhten Mental Load (Bower, Dalgarno, Kennedy, Lee & Keeney 2015; Ørngreen et al. 2015) führen. Aber auch die technischen Herausforderungen der Organisation und des Setups hybrider Lehre werden mehrfach benannt (z.B. Bower et al. 2015; Raes et al. 2020), welche entweder hohe Anforderungen an die digitalen Kompetenzen von Lehrenden stellen und zudem zu einem höheren Arbeitsaufwand führen (Bower et al. 2015; vgl. a. Wiles & Ball 2013) oder den Einsatz technischer Hilfskräfte notwendig machen (Cain 2015), die das Setup vorbereiten und während der Veranstaltung unterstützen. 3 Gesamtstudie und Forschungsfrage Das übergeordnete Ziel des Projekts war es, das Präsenzgefühl von Studierenden im Rahmen der hybriden Lehre während der Covid19-Pandemie zu fördern. Die daran angegliederte empirische Studie untersucht folglich explorativ die Annahme, dass 360°- Streaming dafür eingesetzt werden kann. Dabei verfolgt sie die Fragen, welche Auswir‐ kungen das Setting auf die Lernenden hat und welche Herausforderungen das Setting an die Lehrenden stellt. Die Daten, die in diesem Beitrag vorgestellt werden, ergänzen die in Ketzer-Nöltge und Wolbergs (2021) vorgestellten und diskutierten Ergebnisse, welche im Folgenden kurz zusammengefasst werden. - 3.1 Setting Die Studie wurde im Rahmen des BA-Studiengangs Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (DaF/ Z) an der Universität Leipzig im Modul Kulturstudien II durchgeführt. In zwei Seminarsitzungen wurde jeweils ein kurzer Lehrvortrag zu Seminarinhalten (T1: ca. 35 min; T2: ca. 15 min) sowohl über eine Videokonferenzsoftware (Zoom) als auch als 360°-Video (via YouTube) synchron gestreamt. Das Thema des Lehrvortrages zu T1 war eine zusammenfassende bzw. gegenüberstellende Darstellung verschiedener wissenschaftlicher Betrachtungen von Aufgaben(-arten und -formulierungen) im Un‐ terricht und im Lehrbuch. Den Studierenden wurden dazu die Erkenntnisse aus fünf wissenschaftlichen Beiträgen vorgestellt. Zu T2 wurden Kriterien zur Material- und Textauswahl für eine diskursive Landeskunde präsentiert. Im Anschluss an den jewei‐ ligen Lehrvortrag sollten die Inhalte in der Werkstattarbeit auf die eigene Projektarbeit übertragen werden. Der 360°-Live-Stream des Lehrvortrags konnte von den Studierenden mithilfe einfacher VR-Brillen (Bobo VR-Z4 oder ein ähnliches Modell) und dem eigenen Smartphone immersiv angesehen werden. Aufgrund der jeweils geltenden Einschränkungen des Lehrbetriebs an der Universität Leipzig konnte nur zum zweiten Durchführungszeitpunkt auch eine Gruppe von Studierenden im Seminarraum physisch anwesend sein (Präsenz). Diejenigen Studierenden im Modul, die der Teilnahme an der Studie zuvor schriftlich zugestimmt hatten, wurden zufällig einer der drei Bedingungen zugeteilt (s. Tab. 1). Hybride Lehre meistern 123 <?page no="124"?> T1 (n=11) T2 (n=14) Präsenz - 4 Videokonferenztool (Zoom) 5 4 360°-Stream (YouTube) 6 6 Tab. 1: Verteilung der Proband*innen nach Bedingung und Erhebungszeitpunkt Das (technische) Setup im Seminarraum zu T2 (vgl. Abb. 1 unten) beinhaltete einen zentral platzierten Tisch (3), auf dem die Lehrperson mit ihrem Laptop sowohl die Präsentation auf dem links hinter ihr platzierten interaktiven Panel als auch die Videokonferenz steuerte. Das Konferenzsystem beinhaltete eine auf die Lehrperson ausgerichtete Kamera (2) sowie zwei Raummikrophone: eines direkt vor der Lehrperson; das zweite stand auf einem der in einem Halbkreis um die Lehrperson aufgestellten Tische, an denen die vier anwesenden Studierenden saßen (5). Für das 360°-Streaming stand vor dem Tisch der Lehrperson ein weiterer Tisch und ein Stuhl, auf dem die 360°-Kamera Ricoh Theta V (1) auf einem Monopod stand. Gesteuert wurde der 360°-Stream von einer studentischen Hilfskraft, die an der Seite des Raums an einem PC saß (4). Abb. 1: Setup im Seminarraum Nach beiden Lehrvorträgen (T1, T2) wurden in einem quantitativen Online-Fragebogen die folgenden Aspekte erfasst: inhaltliches Vorwissen und Medienkompetenz, Präsenzgefühl, Gefühl der Gruppenzugehörigkeit und Motivation sowie Cognitive Load (vgl. Ketzer-Nöltge & Wolbergs 2021). Die numerischen Ergebnisse wurden inferenzstatistisch mithilfe von SPSS 27 ausgewertet (ebd.). Ergänzend zum Fragebogen wurde mit fünf Studierenden aus der 360°-Bedingung nach Abschluss des Moduls ein leitfadengestütztes qualitatives Grup‐ 124 Julia Wolbergs / Almut Ketzer-Nöltge <?page no="125"?> peninterview durchgeführt, welches anschließend direkt am Material und entsprechend des Forschungsinteresses in MAXQDA deduktiv-induktiv kodiert wurde (ebd.). - 3.2 Ergebnisse Insgesamt zeigen die Ergebnisse in Bezug auf den Aspekt der Motivation einen Vorteil für die Präsenzbedingung, jedoch nicht für die 360°-Bedingung (vgl. Ketzer-Nöltge & Wolbergs 2021). Dies lässt sich vor allem auf eine hohe Erwartungshaltung der Studierenden in der 360°-Bedingung zurückführen, welche dadurch ‚enttäuscht‘ wurde, dass einerseits die Auflösung des Streams geringer war als erwartet und andererseits von einem Gefühl der Isolation berichtet wurde: Anders als bei Videokonferenzen ist der 360°-Stream nicht bidi‐ rektional, sodass eine Interaktion mit der Lehrperson nicht möglich war. Eine Teilnehmende beschreibt dies so: „Man hat sich dadurch, also ich hab’ mich dadurch noch viel isolierter gefühlt, weil ich wusste, ich kann die gar nicht erreichen, ich kann die ganz gut sehen, aber ich weiß, die können mich nicht sehen. Und es ist eigentlich schade, weil man ist so in dem Raum drin, aber eigentlich ist man es halt nicht“ (VR6 [02: 32-02: 48]). Dies fügt sich in die Ergebnisse von Will und Kurtz (in diesem Band) ein, die die Kommentare von Studierenden auswerteten und als ein Ankerbeispiel nennen: „Bei rein asynchronen Veranstaltungen fehlte mir häufig schlicht der direkte und spontane Austausch mit Lehrenden und Kommiliton*innen“ (S. 31). Obschon sich diese Aussage auf asynchrone Formate bezieht, kommt hier doch derselbe Unmut über mangelnde Interaktion zum Ausdruck wie bei den Studierenden in der 360°-Bedingung. Die Daten zeigen jedoch auch ein leicht erhöhtes Präsenzgefühl im dargestellten Raum des 360°-Videostreams im Vergleich zum herkömmlichen Videostream, welches konträr zu den tatsächlichen Interaktionsmöglichkeiten steht (vgl. Ketzer-Nöltge & Wolbergs 2021). Manche Studierende beschrieben dabei den unangenehmen Eindruck, die Anwesenden ‚heimlich‘ zu beobachten: „[ich] fand’s auch eher isolierend und unangenehm, weil ich mich eh so gefühlt habe, als würde ich da in die Situation so rein sneaken, weil die anderen wissen ja auch nicht, dass man sie jetzt beobachtet. Das fand ich dann schon eher ein bisschen unangenehm“ (VR1 [06: 38-06: 57]). Das Stichwort ‚Beobachtung‘ wird im Rahmen der weiter unten beschriebenen Befragung der Lehrkraft noch einmal aufgegriffen. In Bezug auf die kognitive Belastung durch die jeweilige Lernumgebung zeigen sich keine Unterschiede zwischen den Bedingungen, jedoch wurde im Interview von den Studierenden mehrfach benannt, dass die 360°-Umgebung als ablenkend empfunden wurde (eventuell aufgrund der geringen grafischen Auflösung des Streams): „[…] ich konnte halt nie etwas erkennen auf der Präsentation und also man musste quasi doppelt zuhören, also es war einfach unfassbar anstrengend…“ (VR2 [28: 16-28: 26]). Dies hatte vermutlich negative Auswirkungen auf die Informationsverarbeitung und das Behalten der Studierenden, was in dieser Studie jedoch nicht direkt getestet wurde (ebd.). Da die an der Studie beteiligten Studierenden im Studiengang Deutsch als Fremd- und Zweit‐ sprache eingeschrieben sind und somit in der Zukunft (i.d.R.) als DaF/ Z-Lehrende arbeiten möchten, liegt es nahe, die Ergebnisse auch in Bezug darauf zu diskutieren. Dabei lässt sich u.a. die Frage stellen, ob das durchgeführte Lehr- und Forschungsprojekt eine Auswirkung auf die Einstellungen der Studierenden gegenüber innovativen (medien-)didaktischen Methoden Hybride Lehre meistern 125 <?page no="126"?> in ihrer zukünftigen Lehre hat. Diese Frage wurde den Teilnehmenden nicht explizit gestellt, sie nehmen darauf aber indirekt Bezug. Während einerseits, wie eben beschrieben, die hohen Erwartungen der Studierenden an das 360°-Streaming durch die technische Beschränktheit z.T. in Frustration umschlug, lassen sich andererseits in den Äußerungen der Studierenden auch positive Einschätzungen gegenüber der Leistung und Innovationsbereitschaft der Lehrenden finden. Beispielsweise äußert ein/ e Teilnehmer/ in im T2-Fragebogen: „Die Kamera war wirklich gut positioniert. Auch der Ton war super, wenn man noch die Bildqualität deutlich verbessern könnte und keine Motion Sickness empfindet, finde ich eine solche Umsetzung des Seminars sehr interessant und motivierend“ (VR4). Die Teilnehmerin stimmt im Interview ihrer Aussage noch zu, schränkt jedoch den Aspekt Motivation ein, da es sich um prüfungsrelevanten Stoff gehandelt hat. Dies nimmt sie als problematisch wahr: „[…] wenn es ein Vortrag gewesen wäre, von dem ich weiß, dass es jetzt nicht irgendwie ähm für also wirklich wichtig ist für meine Note, weil ich später darüber irgendwie eine Hausarbeit oder so schreiben muss, dann finde ich eigentlich das Konzept eigentlich sehr interessant“ (VR4 [17: 30-17: 46]). Eine andere Teilnehmerin (VR6) äußert zwar, dass der Einsatz keinen Einfluss auf ihre Motivation hatte, aber: „[…] es war einfach witzig, […] ich hatte so eine Brille vorher noch nicht wirklich auf, es war einfach interessant und man hat sich natürlich noch mal ein bisschen mehr umgeguckt und ich habe mir auch zu Hause YouTube-Videos angeguckt vorher, weil es einfach eine interessante Technik ist“ (VR6 [11: 49-12: 03]). Hieraus lässt sich auch eine gewisse Vorbildfunktion des Aktionsforschungsprojektes für den eigenen (zukünftigen) Fremdsprachenunterricht ableiten. Die Äußerungen zeigen auch, dass bei den Studierenden eine Reflexion über das eigene Lernen stattfand, was sich auch in einem Nachdenken über das eigene (zukünftige) Unter‐ richten niederschlägt. Nach Verbesserungsvorschlägen und alternativen Einsatzmöglich‐ keiten für 360°-Videos befragt, haben die Studierenden auch den Fremdsprachenunterricht im Blick: So ergänzten sie den Vorschlag, 360°-Videos zur Vorentlastung zu nutzen, bspw. um Gebäude und Räume (an zielsprachlichen Orten) kennenzulernen, bevor diese in Person besucht werden können. Dies schließt an Will und Kurtz (in diesem Band) an, die festhalten, dass - wenn als nützlich für die eigene Praxis verstanden - das Kennenlernen verschiedener Lehr-/ Lernformate wertvoll für die Professionalisierung zukünftiger Fremdsprachenlehr‐ kräfte sein kann. Sie schränken jedoch ein: „Ob und inwieweit die Studierenden den wahrgenommenen Wissenschafts- und Berufsfeldbezug einer Online-Lehrveranstaltung an deren Format (synchron, asynchron etc.) festmachen, lässt sich nicht eruieren“ (S. 39). Die Aussagen der Studierenden zeigen auch, dass sie erkennen, wie aufwändig sich die hybride Lehre im Allgemeinen und das hier umgesetzte hybride Lehrsetting im Besonderen für die Lehrende gestaltet hat. Dies deckt sich mit der oben dargestellten Studienlage zur hybriden Lehre und zum Einsatz von 360°-Medien. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, auch die Anforderungen hybrider Lehr-/ Lernsettings an die Lehrenden zu untersuchen und damit Schlussfolgerungen für deren Übertragbarkeit und Skalierbarkeit ziehen zu können. Gleichermaßen ist diese explorativ angelegte Studie, die unter die Aktions- und Handlungsforschung fällt (vgl. z.B. Caspari 2016), davon geprägt, nicht nur die eigene Lehre zu verbessern, sondern zugleich zur empirischen Fundierung von Unterricht beizutragen. Aus diesem Grund wurde folgende Forschungsfrage formuliert: Welche Herausforderungen 126 Julia Wolbergs / Almut Ketzer-Nöltge <?page no="127"?> für und Auswirkungen auf die Lehrperson hat das hybride Lehr-/ Lernsetting bestehend aus Präsenz, herkömmlicher Nutzung eines Videokonferenztools und 360°-Streaming? 4 Die Sicht der Lehrperson - Auswertung, Ergebnisse und Diskussion - 4.1 Methode Nach Abschluss des Moduls und der Erhebung der Daten der Studierenden wurde ein leitfadengestütztes Interview mit der Lehrperson geführt, um herauszuarbeiten, was für sie in der Lehrsituation herausfordernd war und welche Auswirkungen das Lehrsetting auf sie hatte. Auf Basis der bereits zu diesem Zeitpunkt teilausgewerteten Daten der Studierenden wurde der Aspekt der Beobachtung mit aufgenommen, der in den Studie‐ rendenbefragungen thematisiert wurde und sich darauf bezieht, dass die Teilnehmenden am 360°-Stream die im Seminarraum Anwesenden beobachten konnten, ohne dass diese wiederum die Möglichkeit hatten, dies wahrzunehmen. Der hier betriebenen Handlungsforschung ist das gleichzeitige bzw. abwechselnde Ein‐ nehmen der Lehrenden- und der Forschendenperspektive inhärent, welche im Forschungs‐ prozess reflektiert werden muss: Die interviewte Lehrende ist sowohl Mitinitiatorin der Studie als auch eine Autorin dieses Beitrages, während die Interviewerin die zweite Forscherin und ebenfalls Autorin dieses Beitrages ist. Die Ergebnisse des Interviews mit der Lehrenden sind damit von eher explorativer Natur. Das leitfadengestützte Interview mit der Lehrperson wurde per Videokonferenz reali‐ siert. Das Interview wurde aufgezeichnet und anschließend in die QDA-Software MAXQDA übertragen. Im Interview wurden acht Aspekte thematisiert: 1) Motivation für den Einsatz von 360°-Streaming im hier untersuchten Seminar und dessen vermutete Wirkung, 2) subjektive Eindrücke der Lehrenden, 3) Herausforderungen für die Lehrende in der Lehrsituation und die von ihr vermutete Herausforderung für die Studierenden, 4) die an der Lehrperson selbst beobachtete positive Wirkung und die vermutete positive Wirkung auf die Studierenden, 5) Unterschiede zwischen den beiden Sitzungen, in denen die Input- Phase gestreamt wurde, 6) Kontakt der Lehrperson zu den Studierenden, 7) beobachten und beobachtet werden sowie 8) Verbesserungsvorschläge. - 4.2 Auswertung Aus der Fragestellung und dem darauf aufbauenden leitfadengestützten Interview wurden für die direkt am Videomaterial vorgenommene Codierung bereits vor der Auswertung folgende Codes gebildet: „Motivation für den Einsatz von 360°“, „Gefühl der Lehrperson“, „Herausforderungen Lehrperson“, „Herausforderungen Studierende“, „Positive Auswir‐ kungen“, „Unterschiede in den beiden Sitzungen“, „Kontakt zu den Studierenden“ und „Verbesserungsvorschläge“. Ergänzt wurde das deduktive Codesystem durch einen induk‐ tiven Code „Beobachtung“ als Subcode zu „Gefühl der Lehrperson“ und wurde entsprechend auch als eigener Punkt ausgewertet. Das Vorgehen wurde durch die Memofunktion in MAXQDA ergänzt, die es den Forscherinnen ermöglichte, im analytischen Prozess entstandene Gedanken festzuhalten. Hybride Lehre meistern 127 <?page no="128"?> 4.3 Ergebnisse und Diskussion Im Folgenden werden die Ergebnisse des Interviews unter den dominant erscheinenden Teilaspekten (1) Motivation der Lehrkraft und den von ihr vermuteten positiven Auswir‐ kungen, (2) Beobachtung, (3) Fokus der Aufmerksamkeit, (4) Notwendige Ressourcen und (5) Verbesserungsvorschläge zusammenfassend dargestellt und bereits hier hinsichtlich der Gesamtstudie und des eingangs beschriebenen Forschungsstandes diskutiert. 4.3.1 Motivation und vermutete Auswirkungen Die Aussagen der Lehrperson zu ihrer Motivation für die explorative Umsetzung des 360°-Streamings zeugen von ihrer subjektiven Vorstellung von guter Lehre: „Die Motivation war ganz klar, dass ich aufgrund des sehr schwierigen, als sehr schwierig für Studierenden empfundenen Sommersemesters 2020 das Bedürfnis hatte, eine Lösung zu gestalten für die Studierenden“ (LP [0: 27-0: 43]). Eine positive Sicht auf Lerner*innenorientierung zeigt sich noch einmal deutlicher in der von ihr geäußerten Vorstellung, dass kontextuelle Faktoren einen Einfluss auf affektive und kognitive Faktoren der Studierenden haben: „Ich hab das Bedürfnis, dass die Studierenden in meinem Modul eine Arbeitsatmosphäre vorfinden, die das Lernen irgendwie unterstützt und also grundsätzlich erst einmal zum Lernen in meinem Modul befähigt“ (LP [1: 49-2: 02]). Hinsichtlich der vermuteten Auswirkungen auf die Studierenden äußert die Lehrkraft, dass durch den Neuigkeitseffekt ein Interesse entstehen kann, sowohl an den Inhalten der Seminarsitzung, als auch an der verwendeten Technik und ergänzt dies mit „[…] also immer aus der Perspektive, dass unsere Lernenden ja zukünftige Lehrende sind“ (LP [2: 52-2: 56]). Damit formuliert sie deutlich ihr Bewusstsein über mögliche Auswirkungen auf die Studierenden als zukünftige Fremdsprachenlehrende und benennt des Weiteren die Hoffnung, dass die von ihr umgesetzte (explorative) Lösung die Teilhabe am Seminar positiv beeinflusst. 4.3.2 Beobachtung In einem klassischen Videokonferenz-Setting ist für eine Lehrperson grundsätzlich nach‐ vollziehbar, wer sich im digitalen Raum befindet, dies ändert sich durch die ergänzende Bedingung des 360°-Streamings: Während die gestreamte Sitzung über YouTube zwar nur über einen im Seminar geteilten Link aufrufbar war, empfand die Lehrperson dies als eine „andere Art von beobachtet sein“ (LP [04: 14-04: 18]) und ergänzt dies später mit der Aussage, dies sei eine „andere Art von Öffentlichkeit“ (LP [05: 15-05: 17]) gewesen, weil sie nicht einsehen konnte, wer den Stream schaut. Im Interview wurde die Lehrende konkret zur Aussage einer Studierenden befragt, die formulierte, dass sie es als befremdlich empfindet, dass die Anwesenden nicht sehen können, wo sie gerade hinschaut (s.o., vgl. Ketzer-Nöltge & Wolbergs 2021). Dies hingegen empfand die Lehrperson als weniger problematisch, mit der Begründung, dass sie die Möglichkeit sich umzusehen, als einen grundsätzlichen Vorteil der 360°-Bedingung empfinden würde - analog zur Präsenzbedingung, in der Studierende eben auch den Blick schweifen lassen. Dies gilt für sie jedoch nur unter der Prämisse, dass die Zuschauenden auch berechtigt sind, auf den 360°-Youtube-Stream zuzugreifen. Obwohl nur über den im Seminar geteilten Link direkt auf den Stream zugegriffen werden konnte, war für die Lehrperson das Gefühl einer größeren Öffentlichkeit entstanden. 128 Julia Wolbergs / Almut Ketzer-Nöltge <?page no="129"?> Im Gegensatz dazu hat sich die Lehrende nicht zum Aspekt der Kontrolle über das Aufnahmefeld der 360°-Kamera geäußert, das von McKenzie et al. (2019) als problematisch für Lehrpersonen erfasst wurde. So wurde dort von den Lehrenden thematisiert, dass der Bereich, der durch die 360°-Kamera sichtbar wurde, kontrolliert werden muss: „I needed to be conscious of what was in a direct line of sight from the camera, such as the computer screens of other students“ (ebd.: 216). Die Ergebnisse von McKenzie (2019) sowie die Äußerungen der Lehrkraft in der vorliegenden Studie deuten darauf hin, dass der Aspekt der Beobachtung einen Teil der Aufmerksamkeit von Lehrenden beansprucht. Das Stichwort ‚Beobachtung‘ ist auch von den Studierenden der 360°-Bedingung geäußert worden und scheint damit ein Aspekt zu sein, der im Kontext des Einsatzes von 360°-Streaming weiter zu erforschen ist. 4.3.3 Fokus der Aufmerksamkeit Als eine Herausforderung für sich selbst beschreibt die Lehrperson die durch die hybride Lehre zu berücksichtigende Verteilung von Aufmerksamkeit auf die unterschiedlichen Bedingungen und reflektiert kritisch, dass ihr dies zu T1 nicht gut gelungen sei. Dass sie zu T1 kaum auf die 360°-Kamera und somit in die Richtung der immersiv-virtuell anwesenden Studierenden gesehen hat, wird im Fragebogen auch von einer*m Studierenden geäußert (vgl. Abschnitt 3). Die Lehrperson reflektiert weiter, dass dies zu T2 besser gelungen sei, sie jedoch eine Präferenz für die Studierenden in der Präsenzbedingung empfunden hat: „Sobald quasi jemand mit vor Ort war, also Studierende mit im Raum waren, [ich] mich zu denen mehr hingezogen gefühlt habe als Lehrperson“ (LP [08: 25-08: 31]). McKenzie et al. (2019: 216) beschreiben, dass dies von anderen Lehrenden ebenfalls als schwierig empfunden wird: „Teachers had to refine their presentation style to consider the camera, having to think about where to direct their attention“. Die ggf. ungleiche Aufmerksamkeitsverteilung durch Lehrende wird ebenso in anderen Studien angesprochen und als relevanter Faktor identifiziert, da dies die Lernerfahrung der verschiedenen Gruppen unterschiedlich beein‐ flusst (Bower et al. 2015). Dass das classroom management in hybriden Settings besonders herausfordernd ist, hat entsprechende Auswirkungen: Bower et al. (2015), Ørngreen et al. (2015) und weitere weisen darauf hin, dass Lehrende in hybriden Settings einen hohen mental load aufzeigen, welcher als hyper-zoom oder hyper-focus (Raes et al. 2020: 283) bezeichnet wird. Die Lehrperson selbst spricht hier einen solchen verstärkten mental load nicht direkt an, verweist aber darauf, dass für die Realisierung des Projektes mehr Ressourcen notwendig waren als in anderen Settings. 4.3.4 Notwendige Ressourcen Passend zu den bereits diskutierten erhöhten Anforderungen an Lehrpersonen in hybriden Settings und dem höheren Arbeitsaufwand (Bower et al. 2015; Wiles & Ball 2013) beschreibt die Lehrperson es als positiv, nicht allein dafür verantwortlich gewesen zu sein, beide digitalen Kanäle (Videokonferenz und 360°-Stream) technisch umzusetzen: „und ich glaube, was halt geholfen hat, war, dass ich natürlich in der Situation nicht alleine war“ (LP [15: 59-16: 02]). Neben der Mitforscherin waren zwei Hilfskräfte am Aufbau beteiligt und eine davon auch während der Unterrichtsphase zur Betreuung des Streams im Raum. Dies entspricht der von Cain (2015) beschrieben Notwendigkeit für einen technology navigator Hybride Lehre meistern 129 <?page no="130"?> oder operator, der die Vorbereitung unterstützt und im Seminarraum anwesend ist, um parallel Probleme zu lösen. Im hier beschriebenen Setting musste u.a. der 360°-Stream eingerichtet werden (Einstellungen bei YouTube und an der Kamera) sowie verschiedene Soft- und Hardware bedient werden. Hinsichtlich einer Skalierung dieses (aber auch anderer hybrider) Settings sind entsprechend personelle Ressourcen notwendig. 4.3.5 Verbesserungsvorschläge Die Lehrperson wurde im Interview abschließend nach Verbesserungsvorschlägen gefragt und problematisiert daraufhin, dass den Studierenden zwar eine neue Form von Präsenz ermöglicht wurde, jedoch eine Interaktion mit den Studierenden im 360°-Live-Stream aufgrund des fehlenden Rückkanals nicht möglich war. Hierfür bedarf es einer Lösung. Im Interview mit den Studierenden der 360°-Bedingung wurden Vorschläge für Lehrsi‐ tuationen gemacht, in denen der fehlende Rückkanal weniger problematisch erscheint. Dabei war die Gruppe jedoch uneinig, ob eine Übertragung auf vortragsbasiert-synchrone Lehrveranstaltungen wie Vorlesungen sinnvoll wäre. Als ein Argument für einen Einsatz in Lehrvorträgen wurde der bereits niedrige Anteil an Interaktion in solchen Situationen angeführt. Den befragten Studierenden wird ihre Rolle als zukünftige Fremdsprachenleh‐ rende auch deutlich, wenn sie den Vorschlag machen 360°-Aufnahmen zur Vorentlastung zu nutzen, bspw. um unbekannte Orte vor einem tatsächlichen Besuch kennenzulernen (s.o.). Hier bieten sich Szenarien sowohl für den Deutsch als Fremdsprache als auch Zweitsprache-Kontext an. Zudem wurde vorgeschlagen, 360°-Aufnahmen für studentische, bzw. Lernendenpräsentationen zu nutzen, z.B. im Rahmen von Posterpräsentationen (vgl. Ketzer-Nöltge & Wolbergs 2021). Die Lehrende überlegt zudem, in welchen anderen Unterrichtsphasen - alternativ zum Seminarvortrag - ein Einsatz von 360°-Streaming sinnvoll sein könnte. Dabei wirft sie die Frage auf, wie ermittelt werden kann, für welche Unterrichtsphasen und für welche Unterrichtsinhalte sich VR-Konzepte mit Avataren im Vergleich zu 360°-Aufnahmen besser eignen. 5 Aktivierung der Studierenden In diesem Abschnitt soll der Aspekt der lernförderlichen Aktivierung im Rahmen des Forschungsprojekts thematisiert werden. Dabei soll die beschriebene 360°-Bedingung nebst ihren Implikationen für diverse Lerntätigkeiten im Fokus stehen. Das Augenmerk wird dabei auf die Aktivierung in 360°-Medien im Allgemeinen gelegt, nicht fokussiert wird die konkrete Umsetzung mittels Lehrvortrag. Wirft man einen Blick auf Dörner (1996: 186), so wird deutlich, dass das Konzept der Umgebung eine zentrale Rolle für das Erzeugen von sogenannten Lerntätigkeiten spielt: Die Frage, wie man Aktivitäten in Gang setzen kann, bei denen Lernen auftritt, gehört wohl mit zu den wichtigsten Fragen einer pädagogischen Psychologie. Eine jede pädagogische Tätigkeit beinhaltet den Versuch, Aktivitäten in Gang zu setzen und aufrechtzuerhalten, die mit Lernakten verbunden sind. Lerntätigkeiten kann man dadurch erzeugen, daß man Bedürfnisse erzeugt und ‚Umgebungen‘ bereitstellt, in denen diese Bedürfnisse befriedigt werden können. 130 Julia Wolbergs / Almut Ketzer-Nöltge <?page no="131"?> Entsprechend bleibt zu fragen, ob in der 360°-Bedingung eine solch lernförderliche Umge‐ bung hergestellt werden konnte. Dadurch, dass die Studierenden der 360°-Bedingung sich nicht an Gesprächen beteiligen konnten, befanden sie sich zunächst in einer Beobachter‐ rolle. Sie selbst äußerten Unbehagen ob dieser verminderten Teilhabe. Die Unmöglichkeit der Interaktion bei gleichzeitigem subjektivem Bedürfnis wurde bereits problematisiert. Gleichwohl ist die Aktivität des Beobachtens zum Zwecke der Informationsaufnahme eine Lerntätigkeit für sich. Abgesehen von den vereinzelten technischen Problemen, die während der Studie auftraten, scheint es, als erfülle das immersive Erleben eines Lehrvortrags oder einer Diskussion zentrale lernförderliche Bedarfe. Wer einer Lehrver‐ anstaltung digital zugeschaltet ist, verwendet herkömmlicherweise ein nicht-immersives Endgerät, das Ablenkungen Tür und Tor öffnet (Lepp, Barkley, Karpinski & Singh 2019). Die 360°-Umgebung hat mindestens das Potenzial, gezielte und dauerhafte Informationsauf‐ nahme durch komplexe Sinneswahrnehmung sowie durch die Reduktion von Störungen zu begünstigen. Auf der anderen Seite berichten die Studierenden, dass sie eben ausschließlich Beobachtende waren, nicht aber Beobachtete. Diese Asymmetrie verstärkte das Gefühl der Abgeschiedenheit. Während in einer konventionellen Videokonferenz die Entscheidung, nicht gesehen zu werden, häufig den einzelnen Teilnehmenden überlassen bleibt, wird hier ein zusätzliches Differenzmerkmal für die Studierenden der 360°-Bedingung etabliert. Jedoch ist grundsätzlich noch unerforscht, welche lernpsychologischen Effekte dadurch entstehen, dass man sich während einer Online-Lehrveranstaltung gesehen fühlt oder nicht. 6 Fazit In Ergänzung zu Ketzer-Nöltge und Wolbergs (2021) wurden in diesem Beitrag zunächst die Ergebnisse des vorgestellten Lehr- und Forschungsprojekts in Bezug auf dessen Auswirkungen auf die beteiligten Studierenden als zukünftigen Lehrenden diskutiert (3). Im Gegensatz zur vorangegangenen Veröffentlichung (ebd.), welche in einem allge‐ mein-hochschuldidaktischen Sammelband veröffentlicht wurde, sodass die Ausbildung von zukünftigen (Fremdsprachen-)Lehrenden nicht im Mittelpunkt stand, ermöglichte uns der vorliegende Sammelband, die spezifische Zielgruppe der zukünftigen (Fremdspra‐ chen-)Lehrenden stärker in den Blick zu nehmen. Anschließend wurde in Kapitel 4 die Perspektive der Lehrkraft im Projekt durch ein Interview mit der Lehrperson herangezogen. In Kapitel 5 wurde kritisch überlegt, ob im Rahmen der 360°-Bedingung von einer Aktivie‐ rung der Lernenden gesprochen werden kann. Die angenommene motivationale Wirkung des innovativen Lehr-/ Lernprojekts auf die Studierenden zeigt sich entgegen unserer Erwartungen kaum in den Äußerungen der Studierenden. So kann nur vermutet werden, dass hier eine Vorbildwirkung erzielt wurde, welche positive Auswirkungen auf die eigene Lehrtätigkeit der Studierenden haben könnte. Selbstverständlich sind diese Ergebnisse stark explorativ und somit vorsichtig zu interpretieren, da eine tatsächliche Auswirkung auf die (zukünftige) Lehrtätigkeit im Rahmen der vorliegenden Studie nicht untersucht wurde und auch die Einstellungen der Studierenden nicht umfassend erhoben wurden. Hybride Lehre meistern 131 <?page no="132"?> Jedoch hat die Perspektive der Lehrenden zusätzliche Erkenntnisse in Bezug auf die Umsetzung hybrider Lehrformate gebracht. So zeigt sich, dass diese an die Studienlage zu hybrider Lehre hinsichtlich der Aspekte von workload, mental load und hyper-zoom anschlussfähig sind. Jedoch ist die hier beschriebene Studie explorativ angelegt und deren Generalisierbarkeit folglich eingeschränkt. Auch wenn hier eine technisch komplexe Lösung für die hybride Lehre erkundet wurde, muss in Hinblick auf die Skalierbarkeit betont werden, dass die eingesetzten technischen Geräte verhältnismäßig kostengünstig und einfach bedienbar sind. Gleichzeitig wird deutlich, dass es trotz allem eine technische und mediendidaktische Herausforderung ist, innovative E-Learning-Konzepte umzusetzen. Wie oben beschrieben haben Bower et al. (2015) bereits formuliert, dass die angepassten Methoden und die Nutzung von Technologie mehr Vorbereitung und Organisation bedürfen und damit einen erhöhten workload bedeuten. Dies gilt für dieses Projekt einmal mehr, da mit dem 360°-Stream eine weitere Bedingung hinzugefügt wurde. Während in Ketzer-Nöltge und Wolbergs (2021) in Bezug auf den Cognitive Load der Studierenden zwischen den drei Bedingungen keine signifikanten Unterschiede gefunden wurden, stellt sich jedoch die Frage, welche kognitiven Anforderungen an die Lehrenden in derartigen Settings gestellt werden, v.a. im Unterschied zu Präsenzunterricht, einer rein digitalen Lehre via Videostream und verschiedenen hybriden Settings. Dies gilt es empirisch genauer zu untersuchen, vor allem in Anbetracht der sich nun womöglich stärker etablierenden hybriden Settings und der von Raes et al. (2020: 283) als hyper-zoom oder hyper-focus beschriebenen Aufmerksamkeit, die Lehrende in diesen Lehrsituationen zeigen. Entsprechend soll noch einmal betont werden, dass im System Hochschule technischer Support verfügbar sein muss, um die Ziele der hybriden Lehre (s.o.) zu erreichen: flexible Lernorte und -zeiten, individuelle Lernsetups, die der Diversität von Studierenden gerecht werden, Lehrende entlasten und ihnen die Konzentration auf inhaltliche Aspekte der Lehre ermöglichen. Literatur Abdelmalak, Mariam Mouse Matta & Parra, Julia Lynn (2016). Expanding learning opportunities for graduate students with HyFlex course design. 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EFL Teaching Methods: Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Online-Lehrveranstaltung Jürgen Kurtz Einleitung und Problemaufriss Im Rahmen dieses Beitrags befasse ich mich mit der Darstellung und Analyse einer universitären Online-Lehrveranstaltung (LV) zum Thema English as a Foreign Language (EFL) Teaching Methods, die ich im Sommersemester 2021 an der Justus-Liebig-Universität ( JLU) Gießen vorwiegend asynchron-schriftlich durchführte. 1 Die horizontal polyvalente, in englischer Sprache realisierte LV richtete sich einerseits an Lehramtsstudierende, d.h. an angehende Lehrer/ -innen, die Englisch an Gymnasien, Gesamt-, Real- oder Hauptschulen zu unterrichten beabsichtigen, andererseits an Studierende in diversen Masterstudien‐ gängen, in denen Teaching English as a Foreign Language (TEFL) als ein Studienschwerpunkt gewählt werden kann 2 (vgl. hierzu im Detail 3.3). Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen drei zentrale Perspektiven der englischdidakti‐ schen Lehrerbildung in der ersten Phase: die Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektori‐ entierung von Lehre und Studium (vgl. hierzu weiterführend Kurtz 2011a, 2011b, 2018). Die darauf bezogenen, im Wesentlichen explorativen Erkenntnisinteressen, konkretisieren sich in den folgenden vier Forschungsfragen: • Wie haben die Teilnehmenden die von mir angebotene englischdidaktische LV zum Thema EFL Teaching Methods wahrgenommen und erlebt, die unter Einbeziehung der zuvor genannten drei Perspektiven der universitären Englischlehrerbildung rein online im vorwiegend asynchronen Lehr-/ Lernformat konzipiert und durchgeführt wurde? • Welche der angebotenen digitalen Aufgabenformate und Formen der Online-Partizi‐ pation haben die Teilnehmenden im Hinblick auf die oben genannten drei Perspektiven bzw. Grundorientierungen von Lehre und Studium als anregend, sinnvoll und lern‐ ertragreich wahrgenommen, welche eher nicht? <?page no="136"?> • Wie schätzen die Teilnehmenden den Beitrag dieser vorwiegend asynchronen LV zur englischdidaktischen Lehrerbildung bzw. zu ihrer persönlichen Weiterentwicklung als zukünftige Englischlehrkraft ein? • Welche Vorschläge unterbreiten die Teilnehmenden für die weitere Entwicklung und Durchführung digitaler Lehrveranstaltungen in der universitären Englischdidaktik? Den Beitrag habe ich wie folgt strukturiert: Im ersten Kapitel werde ich zunächst erläutern, warum ich mich dazu entschieden habe, eine LV zum Thema EFL Teaching Methods in der ersten Phase der Englischlehrerbildung anzubieten. In diesem Zusammenhang werde ich versuchen zu begründen, warum ich es weiterhin für wichtig erachte, der Frage der Methodik des Englischunterrichts - auch und gerade in Anbetracht der u.a. von Kumaravadivelu (2006) angestoßenen post method-Diskussion - einen prominenten Platz in der universitären englischdidaktischen Lehre einzuräumen. Im Anschluss daran und damit verbunden werde ich mein Leitbild von universitärer Englischlehrerbildung - so weit wie hier möglich - offenlegen und begründen. Ich halte dies für wichtig, vor allem, um in der Folge transparent zu machen, warum und mit welchen übergreifenden und speziellen Zielvorstellungen ich mich in Bezug auf diese LV für ein vorwiegend asynchrones Online-Seminarformat entschieden habe. Im zweiten Kapitel werde ich davon ausgehend zunächst die konkreten Zielsetzungen und Inhalte der LV sowie die zugrunde gelegte hochschuldidaktische Konzeption be‐ schreiben und begründen. Daran anschließend werde ich exemplarisch im Detail auf die zu Beginn, in der Mitte und zum Ende der LV gestellten Studienaufgaben und Formen der studentischen Aktivierung eingehen. Es folgt eine kurze Darstellung des gewählten Prüfungsformats (schriftliche Seminarhausarbeit) und der zugrunde gelegten Bewertungs‐ maßstäbe. Im dritten Kapitel geht es um die Offenlegung und Begründung des für diese qua‐ litativ-empirisch-explorative Falluntersuchung gewählten (Begleit-)Forschungsansatzes, die Beschreibung der Rahmenbedingungen der Untersuchung sowie auch die Darlegung der konkreten Vorgehensweisen bei der Datenerhebung, der Datenaufbereitung und der Datenauswertung. Das vierte Kapitel befasst sich mit der Darstellung der wesentlichen Erkenntnisse der Studie. Zunächst geht es dabei um die Teilnahmebereitschaft der Studierenden an der Erfor‐ schung der LV und die studentische Beurteilung der verwendeten Evaluationsinstrumente. Davon ausgehend werde ich die wichtigsten Forschungsergebnisse zur studentischen Bewertung der LV unter den Gesichtspunkten der Wissenschaftsorientierung, der Berufs‐ feldorientierung und der Subjektorientierung erläutern. Ein kurzes Fazit sowie ein Ausblick auf die Weiterentwicklung der universitären Englischlehrerbildung im digitalen Zeitalter sollen den Beitrag abrunden. Ich habe mich dazu entschieden, für diesen Beitrag eine möglichst detailreiche, narrativreflexiv-analytische Darstellung in der Ich-Form zu wählen, um den explorativen Fallcha‐ rakter und den interaktiven Prozesscharakter der Untersuchung zu unterstreichen und in diesem Zusammenhang meine eigenen, subjektiven Entscheidungen und Handlungen offenzulegen und nachvollziehbar zu machen. Den Generalisierungsanspruch der Studie setze ich entsprechend niedrig an. Der Beitrag zielt letztlich auf naturalistic generalization im Sinne von Guba & Lincoln (1985) oder Stake (1995), um aus einem Einzelfall gewonnene 136 Jürgen Kurtz <?page no="137"?> Erkenntnisse im Sinne von vicarious experiences für die weitere englischdidaktische For‐ schung und Lehre fruchtbar zu machen. Melrose (2010: 599) hebt hierzu hervor: Naturalistic generalization is a process where readers gain insights by reflecting on the details and descriptions presented in case studies. As readers recognize similarities in case study details and find descriptions that resonate with their own experiences, they consider whether their situations are similar enough to warrant generalizations. Weitere Fallstudien in diese Richtung könnten dementsprechend, d.h. kumulativ, zu einer kontextübergreifenden Verdichtung der Fragestellungen und Erkenntnisse in einem For‐ schungskontext führen, in dem es darum geht, die Situationsunspezifität der englischdidak‐ tischen bzw. weitergehend der hochschuldidaktischen Theorie mit der Situationsspezifik der unterrichtlichen bzw. der hochschulischen Handlungspraxis zu verknüpfen (vgl. hierzu Patry 1994). 1 Beschreibung der Lehrveranstaltung - 1.1 Begründung des Themas der Lehrveranstaltung In Anbetracht der Fülle heutiger englischunterrichtlicher Zielsetzungen und Herausforde‐ rungen, der Vielzahl englischdidaktischer Themen, Ansprüche, Forderungen und Model‐ lierungen, der Diversität der gegenwärtigen Studierendenpopulation, der Modularisierung und Kompetenzorientierung der Studiengänge, der Polyvalenz der Studienangebote und der begrenzten Zeit, die für die universitäre Englischlehrerbildung insgesamt zur Verfügung steht, bedarf es einer sorgfältigen Auswahl der in den einzelnen Lehrveranstaltungen behandelten Themen und Fragestellungen. Eine grundsätzliche Orientierung bieten die jeweiligen Studienverlaufspläne und Modulbeschreibungen. Meine Entscheidung, eine (pandemiebedingt rein digitale) LV zum Thema EFL Teaching Methods anzubieten, basiert jedoch auf tiefer greifenden und zum Teil anders gelagerten Überlegungen. Maßgeblich sind für mich die eingangs genannten drei Grundperspektiven der Englischlehrerbildung: Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektorientierung (vgl. hierzu vertiefend 1.2). 1.1.1 Wissenschaftsorientierte Begründung Die Jahrhunderte zurückreichende Geschichte des fremdsprachlichen Lehrens und Lernens ist im fremdsprachendidaktischen Diskurs der letzten 50 Jahre nicht selten als eine Methodengeschichte des Fremdsprachunterrichts (re-)konstruiert worden, entweder ex‐ plizit (vgl. Macht 1986, 1987, 1990) oder eher implizit im Sinne einer chronologisch angeordneten Gegenüberstellung diverser methodischer Grundorientierungen, Konzepte und Handlungsprinzipien (vgl. Richards & Rodgers 2014, Larsen-Freeman & Anderson 2011). Methoden markieren in derartigen, diachronisch oder auch synchronisch angelegten fremdsprachendidaktischen Narrativen (vermeintlich) klar voneinander abgrenzbare Peri‐ oden oder Epochen in der Geschichte des Fremdsprachenlehrens und -lernens. Methodische Wandlungen, Neuorientierungen oder Umbrüche werden dabei als paradigmatische Wen‐ depunkte angesehen, die epochale Grenzen repräsentieren (sollen). Die Vorstellung, die historische Entwicklung des fremdsprachlichen Lehrens und Lernens ließe sich - grosso modo - am Wandel der Lehrbzw. Unterrichtsmethoden und Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 137 <?page no="138"?> der ihnen zugrundeliegenden bezugswissenschaftlichen (sprach- und lerntheoretischen) Ansätze und Orientierungen festmachen, wird in jüngerer Zeit jedoch zunehmend infrage gestellt. So sprechen Hunter & Smith (2012: 432) von „oversimplified ‘procession-of-methods’ views of the past” bzw. von „potted histories” und fügen erläuternd hinzu: „‘Potted histories’ have tended to prevail which reproduce a kind of mythology intended to set off the past from the present, itself viewed as superior.” Thornbury (2017: ix) stellt aus der Perspektive der fremdsprachlichen Lehrerbildung fest: Most training courses or methodology texts include a section on ‘the history of methods’ and this typically takes the form of a ‘modernist’ narrative, i.e. one of uninterrupted progress from ‘darkness into light’. In actual fact, a closer reading of the history suggests that this account is over-simplified, and that methods not only co-exist, often for long periods of time, but are continuously re-invented out of the same basic ingredients. Howatt & Smith (2014: 76) fassen die wichtigsten Probleme einer fremdsprachendidak‐ tischen Geschichtsschreibung, die sich im Wesentlichen an der Denkfigur in sich ge‐ schlossener, einander ablösender Methodenkonzepte oder ‚Großmethoden‘ orientiert, die gleichsam pars pro toto für die historische Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts stehen sollen, wie folgt zusammen: (1) they tend to over-emphasize the prevalence of breaks or ‘paradigm shifts’ rather than continuity and tradition (or, at least, they highlight differences between methods rather than similarities); (2) they give equal weight to all the methods selected for consideration rather than indicating relative historical importance; and (3) they present methods as universal in relevance rather than as locally as well as historically constituted phenomena. In Bezug auf die Konzipierung der LV EFL Teaching Methods entschied ich mich daher einerseits zu einer kritischen Distanzierung vom tradierten Begriff der Lehrbzw. Unter‐ richtsmethode (im Sinne einer präskriptiven, allumfassenden, in sich geschlossenen, starren Lehr-Lernkonzeption mit eng gestecktem Handlungsradius). Andererseits verzichtete ich auf historische Einordnungen und Abgrenzungen, die den Verlauf der fremdsprachenun‐ terrichtlichen Methodenentwicklung als eine Geschichte der großen Paradigmenwechsel und Umbrüche erscheinen lassen. Vermutlich hat es derartige paradigmatische Umbrüche vorrangig im Theoriediskurs der Fremdsprachendidaktik gegeben, eher weniger in der Alltagspraxis des Fremdsprachenunterrichts. Eine Strukturierung der LV im Sinne einer diachronisch angelegten, Woche für Woche voranschreitenden Behandlung der großen fremdsprachenunterrichtlichen Methodenkonzeptionen, beginnend vielleicht mit der Grammatik-Übersetzungsmethode, kam von daher grundsätzlich nicht infrage. Stattdessen strebte ich im Sinne von Klafki (1998) eine systematische, auf die konkreten Bedürfnisse, Vorkenntnisse, Fähigkeiten, Erfahrungen und Überzeugungen der Teilnehmenden zuge‐ schnittene, möglichst langfristig nachwirkende Methodenreflexion mit Vergangenheits-, Gegenwarts- und Zukunftsbezug an, in der „methods as products of their times“ (Hall 2016: 215) betrachtet werden. Rückblickend auf Phrabu (1987) und (1990) („There is no best method - why? “) war zudem zu berücksichtigen, dass es in Anbetracht der Faktorenkomplexion des fremdsprach‐ lichen Lehrens und Lernens und der sich wandelnden Rahmenbedingungen von Schule 138 Jürgen Kurtz <?page no="139"?> und Fremdsprachenunterricht wenig sinnvoll ist, Methoden in der Theorie isoliert zu be‐ trachten, ohne dabei zu hinterfragen, wie diese in die Praxis des Fremdsprachenunterrichts integriert werden könnten: What a teacher does in the classroom is not solely, or even primarily, determined by the teaching method he or she intends to follow. There is a complex of other forces at play, in varied forms and degrees. There is often a desire to conform to prevalent patterns of teacher behavior, if only for the sense of security such conformity provides. There is also a sense of loyalty to the past - both to the pattern of teaching which the teacher experienced when he or she was a student and to the pattern of his or her own teaching to the past. … There is the teacher’s self-image and a need to maintain status in relation to colleagues and authorities. Above all, there is a relationship to maintain with a class of learners, involving factors such as interpretations of attitudes and feelings, anxieties about maintaining status or popularity, and fears about loss of face. (Phrabu 1987: 105). Vor diesem Hintergrund legte ich die LV im Spannungsfeld und Verbund von „method as proposed by theorists“ und „method as practiced by teachers“ (Kumaravadivelu 2006: 84) an und verwendete zur besseren Unterscheidung für die Praxisbzw. Verwendungsebene den im Englischen gebräuchlichen Begriff methodology, i.e. „to refer to what practicing teachers actually do in the classroom in order to achieve their stated or unstated teaching objectives“ (Kumaravadivelu 2006: 84) (vgl. in diesem Sinne auch Hall 2016, Thornbury 2017). Ausgehend von einer grundlegenden Auseinandersetzung mit den Begriffen method und methodogy sowie weitergehend mit dem Methodenmodell von Richards & Rodgers (2014), das drei Ebenen der Methodenbetrachtung (approach, design, procedure) ermöglicht, sollte einerseits ein studentischer Erkenntnisgewinn auf der konzeptuell-reflexiven Ebene ermöglicht werden. Wichtig erschien mir in diesem Zusammenhang, die Studierenden zu befähigen, strukturalistische und funktionalistische Methodenkonzepte in ihrer Verschie‐ denartigkeit in der Theorie (method, approach), d.h. als hoch komplexe Sprachbzw. Sprachlehrtheorien im Sinne von Stern (1983: 452) zu verstehen: „[A method] is more than a single strategy or a particular technique; it is a ‘theory’ of language teaching”. Der studentische Erkenntniszuwachs sollte andererseits - so weit wie in der ersten Phase der Englischlehrerbildung möglich - operativ-aktionaler Natur (d.h. auf die Handlungsbzw. Könnensebene bezogen) sein. In ihrem Vorwort zum aktuellen „Handbuch Methoden im Fremdsprachenunterricht“ (Hallet, Königs & Martinez 2020) heben Hallet & Martinez (2020: 10) hierzu hervor: Die Suche nach geeigneten Methoden des Fremdsprachenlernens bestimmte die fachdidaktische Diskussion seit vielen Jahrzehnten. Das Scheitern der geschlossenen und monolithischen Metho‐ diken Ende der 1960er Jahre geht mit einem zunehmenden Bewusstsein für die Bedeutung von pluralistischen Ansätzen einher. Methodische Vielfalt gilt als ein Kennzeichen guten Fremdspra‐ chenunterrichts und das Verfügen über ein breites Methodenrepertoire gehört dementsprechend zum professionellen Handeln von Fremdsprachenlehrkräften. Dementsprechend sollten die Studierenden im Rahmen der LV auch lernen, die komplemen‐ tären Potenziale strukturalistischer und funktionalistischer Methodenkonzepte im Hinblick auf die Praxis des Englischunterrichts (methodology: method as practiced by teachers) zu hinterfragen bzw. unter Einbeziehung ihrer eigenen Vorstellungen und Überzeugungen von Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 139 <?page no="140"?> ‚gutem‘ Englischunterricht - Richards (2017: 3) verweist in diesem Kontext weitergehend auf das „ideal professional self“ - kritisch zu reflektieren. Dabei sollten möglichst viele „Ebenen methodischer Entscheidungen“ (Hallet et al. 2020: 15) und englischunterrichtliche Lehr-/ Lernszenarien berücksichtigt werden. Auf der Grundlage des angestrebten konzeptuellen und operativen Erkenntnisgewinns sollten schließlich und letztlich die englischunterrichtlichen Postulate der von Kumarava‐ divelu (2006) so genannten post-method condition unter die Lupe genommen werden. Für die heutige Englischlehrerbildung ist die Beschäftigung mit sog. post-method Ansätzen von zentraler Bedeutung, zumal diese auf einen „principled eclecticism“ (Thornbury 2017: 123) in der Praxis des Englischunterrichts verweisen, dessen passgenaue, kontextsensitive Umset‐ zung voraussetzungsreich ist. Dieses Gesamtanliegen spiegelt sich in der Kurzbeschreibung der LV (course description) wider: According to Balasubramanian Kumaravadivelu (2006: xiv), “the concept of method has been a severely contested frame of reference for thinking and writing about classroom learning and teaching. Understandably, tensions and contradictions have arisen out of efforts aimed at its reconceptualization. Recently, the discourse on the limitations of the concept of method has become so prominent, and the desire to find alternatives to it so pronounced that they have resulted in what has been called the postmethod condition.” Based on this assertion, the course takes a fresh look at teaching English as a Foreign Language and its slow transition from method to postmethod, from transmission of knowledge and skills to self-formation and transformation. 1.1.2 Berufsfeldorientierte Begründung Eine wissenschaftlich fundierte englischdidaktische Lehrerbildung, die die vielfältigen und hoch komplexen Herausforderungen der heutigen Unterrichtspraxis ernst nimmt und die den Anspruch erhebt (bzw. aus meiner Sicht erheben sollte), Studierende zu befähigen, Lehr-/ Lernprozesse kontextsensitiv, schülerorientiert und adaptiv zu planen, in Gang zu setzen, zu begleiten und zu reflektieren, muss sich der großen Bedeutung der Methodik im Englischunterricht bewusst sein. Hallet et al. (2020: 13) betonen in diesen Zusammenhang: Unbestritten ist, dass ein umfangreiches Methodenwissen und ein breit gefächertes methodisches Können Bestandteil der didaktischen Kompetenz von Lehrer/ -innen sein müssen und dass deren Vermittlung daher einen wichtigen Platz in der Lehrerbildung einnimmt. Deutlicher noch auf das Spannungsfeld von method (Theorie; Wissen) und methodology (Praxis; Können) und das kontextsensitive, adaptive Lehren im sog. post-methodischen Zeitalter zugeschnitten, hebt Thornbury (2017: 122) hervor: Although methods were declared dead in the 1990s, the method concept still persists, even if only as a kind of smorgasboard from which teachers can pick and choose, tailoring their methodology to their particular context. This is to say that, even in the absence of methods, mindful teachers still go about their work ‘methodically’. Eine hinreichende berufsfeldorientierte Begründung für die intensive Beschäftigung mit Fragen der Methodik des Englischunterrichts in der universitären Englischlehrerbildung stellen diese Ausführungen allerdings nicht dar. Hierzu bedarf es eines tiefer greifenden 140 Jürgen Kurtz <?page no="141"?> Blicks in das Berufsbzw. Praxisfeld selbst, unter Berücksichtigung gegenwärtiger und künftig absehbarer Wandlungen, Ansprüche, Anforderungen, Möglichkeiten und Grenzen. Bei der Planung der LV EFL Teaching Methods bin ich davon ausgegangen, dass sich das Berufsbzw. Praxisfeld Englischunterricht in den letzten dreißig Jahren in eine politischideologisch aufgeladene, im Wesentlichen neoliberalistisch geprägte und marktwirtschaftlich gesteuerte Arena verwandelt hat. Münch (vgl. 2018: 10) spricht dramatisierend von einem ‚Kampfplatz des internationalen Wettbewerbs‘. Unübersehbar ist, dass sich Englischlehrende als Folge der bildungspolitischen und kultusbürokratischen Instrumentalisierung der Kompe‐ tenzorientierung zum Zwecke der sog. Outputsteuerung und Effizienzsteigerung heute einem Regime der Regulation und Kontrolle ausgesetzt sehen, das in erster Linie bildungsökonomi‐ schen Imperativen folgt und dabei nationalen und internationalen Schulleistungsvergleichen große Bedeutung beimisst (vgl. hierzu Münch 2018: 22ff.). Im Sinne der angestrebten Berufsfeldorientierung der LV war es mir vor diesem, hier nur knapp skizzierten Hintergrund wichtig, den Studierenden vor Augen zu führen, dass die Schule kein herrschaftsfreier Ort ist (dies war sie wohl nie), sondern dass sie, gerade in Zeiten eines hypertrophierten staatlichen Steuerungsoptimismus, massiv Einfluss auf sämtliche der involvierten Akteure bzw. ihre Handlungs- und Entscheidungsspielräume nimmt. Exemplarisch sei an dieser Stelle auf die empirische Studie von Bonnet & Hericks (2020) zu den Möglichkeiten und Grenzen kooperativen Lernens im gymnasialen Englischunterricht der Sekundarstufe I verwiesen. Diese gibt im Detail zu erkennen, welche Probleme entstehen können, wenn sich die „allgegenwärtige Progressions-, Prüfungs- und Bewertungsorientierung“ (2020, 413) im Lehrerdenken und Lehrerhabitus zu einer lehrwerkgebundenen, frontal-instruktivistischen „Durchprozessierungslogik“ (2020, 416) verdichtet. Diese kann im Einzelnen in eine linear angelegte, rigide abgeprüfte unterrichtliche Alltagspraxis münden, die sich über weite Strecken auf die „Orientierung auf Grammatik, Wortschatz und wenig komplexe Sprachhandlungen“ (2020, 436) reduziert (vgl. hierzu auch Kurtz 2021: 96-97). Richards (2017: 2) hebt in Bezug auf die absehbaren und in Ansätzen bereits erkennbaren Auswirkungen der kompetenzorientierten Outputsteuerung auf die Praxis des institutionell organisierten Lehrens und Lernens der englischen Sprache hervor: [T]eaching has become - in many contexts - a kind of technical job, where the teacher’s role is simply to ‘deliver’ syllabus content according to pre-specified goals. This can have the effect of stripping teachers of a sense of their own ‘agency’. Im Kern ging es mir unter dem Gesichtspunkt der Berufsfeldorientierung demensprechend in erster Linie um die systematische Entwicklung von teacher agency (vgl. zum Beispiel Kayi-Aydar, Gao, Miller, Vargese & Vitanova 2019) in den Dimensionen, die Kayi-Aydar (vgl. 2019: 20-21) in ihrem Rückblick auf die jüngere Forschung in diesem Bereich nennt: 1) A teacher’s conscious efforts to resist feelings of powerlessness and negativity experienced as a byproduct of the environmental conditions, 2) A teacher’s capacity to act purposefully and reflectively, 3) A teachers’ active efforts to make choices and intentional action in a way that makes a significant difference, 4) A teachers’ capacity to influence, make choices, and take stances in ways that affect one’s work. Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 141 <?page no="142"?> Konzeptionell sollte meine LV also von einem emanzipatorisch-reflexiven Leitbild von critical teacher education (vgl. Gray 2019) ausgehen und sich so grundsätzlich unterscheiden von der neoliberal-marktwirtschaftlichen Vision einer vornehmlich von kompetenzori‐ entierten Lernaufgaben ausgehenden und auf curricular-verankerte Prüfungsaufgaben hinarbeitenden universitären Lehre. Im Vordergrund sollte - hier plakativ ausgedrückt - eben nicht die als curriculum transmitter (vgl. Shawer 2010) gedachte Lehrperson stehen, die im Sinne von covering the curriculum und teaching to the test voll und ganz an den schulischen Bewertungsmarathon angepasst bzw. in den ‚bildungsindustriellen Komplex‘ (vgl. Münch 2018) eingebunden ist. Hallet (2018) verweist in diesem Kontext auf die Gefahren der Beförderung einer überzogenen Curriculum-Gläubigkeit der Lehramtsstudierenden, die dem Hauptziel der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung, i.e. der Anbahnung von didaktischer Selbstständigkeit in den Dimensionen didaktische Kritik- und Theoriefähigkeit, implizites Kompetenzlernen und integriertes Sprachlernen, didaktisches Forschen und didaktische Kreativität, entgegenlaufen kann. Die Lehrbzw. Unterrichtsmethoden des Englischunterrichts betrachte ich vor diesem berufsfeldbezogenen Hintergrund im Sinne von Hall (2016: 218) grob verallgemeinernd als „empowering options for teachers“. Subjektorientierte Begründung der LV Die LV EFL Teaching Methods basierte auf einigen persönlichen Erfahrungen, die ich über zwanzig Jahre hinweg in der universitären Englischlehrerbildung in drei Bundesländern sammeln konnte. Ich möchte diese hier kurz erläutern, um zu verdeutlichen, wie wichtig es mir war und ist, unterrichtliche Methoden als Lerngegenstände systematisch in das englischdidaktische Studium einzubeziehen: • Englischstudierende verfügen in der Regel über langjährige unterrichtsmethodische Erlebnisse und Erfahrungen, vor allem (aber nicht nur) aus der Schülerperspektive. Das Erlebte ist oftmals emotional besetzt, teils positiv, teils negativ, und es kann episo‐ disch-exemplarisch aus der lebhaften Erinnerung rekonstruiert und alltagssprachlich kommuniziert bzw. narrativ wiedergegeben werden. Bestimmte Schlüsselerlebnisse und Grunderfahrungen mit Lehrbzw. Unterrichtsmethoden (als Lernende, mitunter auch schon als Lehrende, immer jedoch als ‚Betroffene‘) haben sich vielfach zu einem subjektiven Erfahrungshorizont verfestigt und sind offenbar Teil der jeweiligen Sprachlernbiographie geworden (vgl. hierzu auch die neuere internationale Forschung zur Entwicklung von language teacher identities in Barkhuizen 2017). • Persönliche Erlebnisse und Erfahrungen mit englischunterrichtlichen Lehrbzw. Un‐ terrichtsmethoden sind offenbar auch an bestimmte Lehrpersonen gebunden. Wenn Studierende sich zurückerinnern, dann zugleich auch an ihre ehemaligen Englisch‐ lehrer/ -innen, die gleichsam die erlebten Methoden ‚verkörpern‘. Die Erinnerungen selbst sind insgesamt also in Teilen gleichermaßen personenbezogen, emotional und rational. Es ist anzunehmen, dass Studierende in universitären Lehrveranstaltungen ähnlich personenbezogen reflektieren (vgl. hierzu auch die aufkeimende Forschung zu language teacher educator identities in Barkhuizen 2021). 142 Jürgen Kurtz <?page no="143"?> • Studierende verfügen zumeist über eine vage, stark auf die persönliche Beobachtungs‐ ebene reduzierte Vorstellung von dem, was mit Lehrbzw. Unterrichtsmethode gemeint sein könnte. Auf einen systematischen, wissenschaftlich fundierten Methodenbegriff (method) können sie in der Regel nicht zugreifen. Ihr Denken über Methoden ist erfahrungsbasiert und praxisnah als methodology verankert, wobei einzelne konkrete Lehrverfahren oder Lehr-Lerntechniken im Vordergrund stehen. Insgesamt ist das Methodenverständnis zumeist auf die Mikroebene beobachtbarer, selbst erlebter bzw. erinnerter Unterrichtsaktivitäten reduziert. • Studentische Methodenkenntnisse sind oftmals durchdrungen von persönlichen, bereits stark verkrusteten Ansichten, Meinungen und lernseitigen Wirksamkeitsan‐ nahmen. Auf diese Weise weisen Studierende bestimmten ‚Methoden‘ englischunter‐ richtliche Bedeutung und Wertigkeit zu. Die den Studierenden zunächst nicht bewusste Verfasstheit der persönlichen Ansichten und Meinungen über den Sinn, Zweck und Wert von Methoden leitet die eigene Reflexion über die Inhalte und Themen der Lehrveranstaltungen und lässt sich im Rahmen einer einzelnen Lehrveranstaltung erfahrungsgemäß nur schwer relativieren. Es bedarf von daher einer tiefgreifenden diskursiven Auseinandersetzung der Studierenden ‚mit sich selbst‘ und allen anderen Teilnehmenden. • Die Erfahrungen, Erlebnisse und persönlichen Überzeugungen, die die Studierenden in eine LV einbringen, in der Lehr- und Unterrichtsmethoden explizit thematisiert und systematisch reflektiert werden sollen, sind aufgrund ihrer episodisch-kontextu‐ ellen Verankerung in der Unterrichtspraxis unterschiedlich. Sie können sehr deutlich voneinander abweichen, wenn kulturelle Grenzen überschritten werden. So bringen internationale Studierende oftmals Ansichten, Sinnzuschreibungen und Bewertungen mit ein, die auf ihren persönlichen, positiven oder negativen Erfahrungen mit Metho‐ denkonzepten beruhen (zum Beispiel der Grammatik-Übersetzungsmethode), die in der gegenwärtigen fremdsprachendidaktischen Diskussion kritisch gesehen und in der Praxis des Englischunterrichts in Deutschland nicht mehr als primäre bzw. alleinige Planungs-, Entscheidungs- und Handlungsgrundlage gelten. Bezogen auf die Englischlehrerbildung an der JLU Gießen legte ich meiner Entscheidung, eine LV zur Methodik des Englischunterrichts anzubieten, die folgenden, spezielleren (persönlichen) Erfahrungen und Erkenntnisse zugrunde: • Lehramtsstudierende, die in Gießen das Lehramtsstudium im Fach Englisch von Beginn an absolvieren, verfügen in der Regel über ein Überblickwissen zur englischen Fachdidaktik, das einige methodische Grundkenntnisse (in historischer Einordnung) umfasst. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Studierenden in Grundzügen mit einigen sog. Großmethoden (Grammatik-Übersetzungsmethode, audiolinguale bzw. audiovisuelle Methode, u.a.m.) in der Theorie, hier insbesondere im Rahmen der englischdidaktischen Einführungsvorlesung, vertraut gemacht wurden. • Sie verfügen vor Beginn des Hauptstudiums zudem über ein Grundwissen über den kommunikativen Ansatz sowie ein zumindest in Ansätzen entwickeltes Detailwissen über aufgabenorientierte und kompetenzorientierte Modellierungen von Englischun‐ terricht. Auch haben sie, exemplarisch z.B. am Beispiel des Airport Project festgemacht Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 143 <?page no="144"?> (vgl. im Rückblick darauf Legutke 1989) erste Eindrücke und Kenntnisse zur Theorie und Praxis des projektorientierten, auf jeden Fall kommunikativ-bedeutungsvollen Lehrens und Lernens erwerben können. • Nicht wenige Lehramtsstudierende in Gießen blicken im Hauptstudium auf unterricht‐ liche Erfahrungen zurück, die sie im Fachpraktikum Englisch gesammelt haben. Diese zum Teil sehr unterschiedlichen Erfahrungen sind in Bezug auf die Methodik des Englischunterrichts in der Regel an die von ihnen beobachtete methodology einzelner Mentor/ -innen oder anderer im Praktikum beobachteter Lehrkräfte gebunden und werden nicht selten als widersprüchlich wahrgenommen und beurteilt. • Die Lehrerbildung wird an der JLU Gießen (wie auch anderswo) im Wesentlichen als eine kompetenzorientierte und modularisierte Ausbildung verstanden. Strukturell und organisatorisch bedeutet dies, dass die Studierenden im Rahmen ihres Studiums fach‐ wissenschaftliche und fachdidaktische Lehrveranstaltungen wählen können und zum Teil verpflichtend belegen müssen. Rückblickend auf meine Lehrveranstaltungen, die ich in Gießen zur Methodik des Englischunterrichts zuvor bereits angeboten habe, ist es für die Studierenden schwer, fachbzw. bezugswissenschaftliche Erkenntnisse, die sie in einzelnen fachwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen bzw. Modulen gewonnen haben, mit englischdidaktischen Fragen, Erkenntnissen und Herausforderungen zu verknüpfen. Dies wird besonders dann deutlich, wenn englischunterrichtliche Metho‐ denkonzepte auf der Ebene der dahinterstehenden fachwissenschaftlichen Grundan‐ nahmen, Theorien und Modelle, im Sinne von Richards & Rodgers (2014) auf der approach-Ebene, hinterfragt werden sollen. In meine Entscheidung, eine LV zum Thema EFL Teaching Methods anzubieten, flossen darüber hinaus noch einige weitergehende persönliche Erfahrungen, Erlebnisse und Überlegungen ein, die sich auf Studierende beziehen, die an anderen Universitäten in Deutschland bereits ein Lehramtsstudium aufgenommen und in Teilen absolviert haben sowie auf Studierende, die sich mit Fragen der Englischmethodik im Rahmen diverser Masterstudiengänge im In- und Ausland in Teilen zumindest befasst haben: • Die englischen Sprachkenntnisse und kommunikativen Fähigkeiten derjenigen Stu‐ dierenden, die Englisch an einer Schule in Deutschland gelernt haben, reichen bis‐ weilen nicht aus, um sich hinreichend differenziert englischsprachlich zu artikulieren. Dies gilt mitunter auch für die ‚internationalen‘ Studierenden. Hinzu kommt, dass deren Deutschkenntnisse mitunter kaum ausreichen, um dem deutschsprachigen Diskus der Fremdsprachendidaktik zu folgen. • In den Begründungszusammenhang der LV gehörte von daher auch eine sprachprak‐ tische Komponente. So versuchte ich, das methodische Wissen und Können der Studierenden auch sprachpraktisch im Verbund von Theorie und Praxis sowie von Aktion und Reflexion mit und über die englische Sprache zu entwickeln. Im Großen und Ganzen betrachtet verweisen meine bisherigen Erlebnisse und Erfahrungen aus früheren Lehrveranstaltungen (nicht nur zum hier gewählten Thema) auf ein hohes Maß an studentischer Heterogenität, Diversität und Differenz, dem ich mich unter den Bedingungen rein digitaler Lehre zu stellen hatte. Ich werde im Folgenden zunächst mein 144 Jürgen Kurtz <?page no="145"?> Leitbild von universitärer Englischlehrerbildung skizzieren, um davon ausgehend dann meine hochschuldidaktischen Entscheidungen zu konkretisieren und zu begründen. - 1.2 Lehrkräfteleitbild und hochschuldidaktische Konzeption Im Rahmen der 38. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts (vgl. Burwitz-Melzer, Riemer & Schmelter 2018) distanzierte ich mich ausdrücklich von neoliberalen hochschuldidaktischen Vorstellungen von Lehrerausbildung, die den Verwert‐ barkeitsaspekt des Lehramtsstudiums im Sinne einer modularisierten, partikulären und von daher letztlich nur fragmentarischen Berufs- und Beschäftigungsbefähigung zunehmend in den Vordergrund stellen (vgl. Kurtz 2018: 88-91). Mir geht es als Hochschullehrer bzw. Lehrerbildner nicht um ‚Personalentwicklung‘ für Schule und Unterricht bzw. um die Erbringung einer möglichst ‚kundenfreundlichen‘ universitären Dienstleistung, die sich an einem einseitig kompetenzorientierten und modularisierten Konzept von Professi‐ onalisierung bzw. einem standardisierten Lehrkräfteleitbild orientiert. Auch halte ich die damit verbundene Annahme, die universitäre Lehrkräfteprofessionalisierung ließe sich als ein etappenartig angelegter, prinzipiell abschließbarer und modular zertifizierbarer Ausbil‐ dungsprozess betrachten, für abwegig. Aus meiner Sicht laufen derartige Überlegungen, die allerdings längst schon - auch an der Universität Gießen - die Architektur der Lehramts‐ studiengänge und das sog. Qualitätsdenken in Bezug auf Lehre und Studium bestimmen, einer ganzheitlichen, auf lebenslanges, im Prinzip unabschließbares Lernen angelegten Englischlehrer/ -innenbildung entgegen. Prüfungen sind wichtig und notwendig, jedoch dürfen sie nicht den Dreh- und Angelpunkt aller sog. Ausbildungsbestrebungen im Sinne von Evidenz- und Wirksamkeitsorientierung bilden und weitergehend dann womöglich- je nach studentischer Erfolgsbzw. Abschlussquote - mit der Allokation von Finanzmitteln für die Englischlehrer/ innenbildung verbunden werden. Ich stand vor diesem Hintergrund vor der großen Herausforderung, eine rein online zu gestaltende, polyvalent angelegte LV zu entwickeln, die der inhärenten Widersprüchlich‐ keit von Lehrkräftebildung (holistisch, bedeutungsorientiert, prinzipiell unabschließbar) und Lehrkräfteausbildung im neoliberalen Sinne (modular, zweckorientiert, abschließbar, überprüfbar) unter Einbeziehung der nicht gänzlich deckungsgleichen Ziele und Zwecke diverser Masterstudiengänge mit dem Schwerpunkt TEFL in Teilen zumindest sinnvoll begegnen kann. Ausgehend von den vorangestellten Überlegungen entwickelte ich ein hochschuldidak‐ tisches Lehrkonzept, das darauf abheben sollte, die in der Regel erfahrungsbasierten, zum Teil emotionsgeladenen, weitgehend anekdotisch verankerten und hochgradig indi‐ viduellen studentischen Vorstellungen von englischunterrichtlichen Methoden bewusst zu machen und davon ausgehend diskursiv zu problematisieren. Im Sinne von Bildung, hier verstanden als ein eigenaktiver Prozess der Auseinandersetzung mit der zukünftigen Rolle als Englischlehrkraft in institutionellen (Lehramtsstudierende) oder anderen Kon‐ texten (Masterstudierende), ging es mir insbesondere um die Verknüpfung von Emotion, Kognition, Aktion und Reflexion. Im Vordergrund der LV sollte also nicht allein die Aneignung von Wissen über Unterrichtsbzw. Lernmethoden bzw. diverse unterrichtsme‐ thodische Optionen im Englischunterricht stehen. Ebenso wichtig war mir die diskursive Verständigung über die Bedeutung englischunterrichtlicher Methodiken, ausgehend von Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 145 <?page no="146"?> den individuellen, stark subjektiven Sinngebungen und Bewertungen, die Studierende auf‐ grund ihrer persönlichen Erfahrungen als ehemalige Schülerinnen und Schüler einzelnen methodischen Konzepten oder Praktiken (mehr oder weniger bewusst) zuordnen. Hoch‐ schuldidaktisch verstand ich die LV dementsprechend als einen kollaborativ-diskursiven, inhaltlich bedeutsamen und digital vermittelten Sinnbildungs- und Sinngebungsprozess, der auf die fundierte und zugleich handlungspraktisch reflektierte Transformation stu‐ dentischer Erfahrungshorizonte, Überzeugungen und Wissensbestände zur Methodik des Englischunterrichts abhob. Das hochschuldidaktische ‚Grundgerüst‘ der LV entsprach in weiten Teilen dem ak‐ tuellen Stand der fremdsprachendidaktischen Professionsforschung, wie er in Gerlach (2020: 25-27) im Überblick dargestellt wird. So orientierte ich mich einerseits im Sinne einer Verknüpfung von Wissenschafts- und Berufsfeldorientierung an kompetenz- und strukturtheoretischen Bestimmungsansätzen der Englischlehrerbildung. Andererseits legte ich unter dem Gesichtspunkt der Subjektorientierung großen Wert auf die Arbeit an der lernbiografisch geprägten Reflexivität der Studierenden und die Entwicklung eines forschenden Habitus. Dabei stellte ich auf der Zielebene die Entwicklung von didaktischer Selbstständigkeit, wie von Hallet (2018) gefordert, in den Vordergrund, i.e. die sukzes‐ sive, diskursiv angelegte Befähigung angehender Englischlehrkräfte, zukünftig tragfähige eigenständige Entscheidungen bei der unterrichtlichen Planung, Durchführung und Refle‐ xion zu treffen und fundiert begründen zu können. Teaching is ‚on your feet’ decision-making, before, during, and after instruction, stellte Hunter (vgl. 1979: 62f.) bereits vor vier Jahrzehnten fest. Hinsichtlich der Konzipierung der LV ging ich daher davon aus, dass es zwar wichtig ist, unterrichtsmethodische Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln, dass es jedoch darüber hinaus der Befähigung der Studierenden bedarf, diese in ihrer essentiellen Bedeutung für zukünf‐ tige, kontextsensitive und lernförderliche Entscheidungen und verantwortungsbewusste Handlungen fruchtbar zu machen. Dies umzusetzen ist aus meiner Erfahrung bereits in der Präsenzlehre hoch anspruchsvoll. In der digital-asynchronen, kommunikativ zeitversetzten Lehre ergeben sich daraus jedoch noch viele weitere Herausforderungen (zum Beispiel in Bezug auf die Klarheit und Eindeutigkeit der schriftlich zu formulierenden Aufgaben, der Organisation der digital organisierten Distanzkommunikation mit den Studierenden, der Inszenierung der rein online zu gestaltenden Arbeitsweisen und der zu realisierenden Austauschmöglichkeiten zwischen den Teilnehmenden, u.a.m.). - 1.3 Digitale Konzipierung der LV Die LV EFL Teaching Methods sollte ursprünglich in das forschungsbegleitende, bereits im Sommersemester 2019 an der Universität Gießen initiierte fremdsprachendidaktische Innovationsprojekt TEFLhybrid@JLU (vgl. hierzu im Überblick: https: / / www.uni-giessen .de/ faculties/ f05/ engl/ tefl/ teflhybrid) integriert werden. Pandemiebedingt musste die LV jedoch in Teilen aus dieser hybriden hochschuldidaktischen Rahmung herausgelöst und rein digital konzipiert werden. Im Folgenden werde ich zunächst kurz auf das Projekt TEFLhybrid@JLU eingehen, um davon ausgehend zu erläutern, welche Modifizierungen vorgenommen wurden, um die LV gemäß der universitären COVID-19 Regularien zu realisieren. 146 Jürgen Kurtz <?page no="147"?> Das Projekt TEFLhybrid@JLU hebt darauf ab, Anglistik-Studierende zu befähigen, die innovativen, aber auch die disruptiven Potenziale der Entwicklung und Verwendung englischsprachiger Informations-, Kommunikations- und Bildungsmedien im digitalen Wandel zu erkennen, um davon ausgehend tragfähige, tiefgreifend reflektierte Entschei‐ dungen in jenen Kontexten treffen zu können, in denen sie später professionell tätig werden möchten. Hochschuldidaktisch ist das Projekt auf die Entwicklung von hybrid learning-Formaten ausgelegt (d.h. nicht auf highflex-Formate, bei denen die Studierenden selbst entscheiden können, ob sie in Präsenz oder Online an einer LV teilnehmen). Hybrid learning an der JLU Gießen basiert auf den in Kurtz (2015) beschriebenen Dimensionen einer fremdsprachendidaktischen Theorie der Lernorte und beinhaltet im ursprünglich angedachten Sinne: a) die Verknüpfung von Präsenz- und Onlinelehre im ‚Sandwich- Design‘ (Präsenz > Online > Präsenz), b) die Verwendung und Entwicklung von Print- und Digitalmedien, c) eine strukturell und organisatorisch vorgegebene, lernortübergreifende Dimensionierung, d) eine stringente Fokussierung auf Produkt- und Prozessorientierung sowie auf Aufgaben- und Handlungsorientierung, e) eine Ausrichtung auf das forschende bzw. explorative Lernen, f) eine tiefgreifende Verknüpfung von Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektorientierung sowie g) eine passgenaue studentische Selbstevaluation in Form eines konkret auf die LV zugeschnittenen und eigens zu diesem Zweck entwickelten digitalen Evaluationsbogens (vgl. 2.2.3). Im Prinzip sind englischdidaktische Lehrveranstaltungen im TEFLhybrid@JLU-Format rein strukturell-organisatorisch folgendermaßen angelegt: fünf bis sechs Wochen Präsenz‐ lehre zur Einführung in das jeweilige Themengebiet und zur Entwicklung problemorien‐ tierter Forschungsfragen, vier bis fünf Wochen Online-Lehre, in denen die Studierenden in Kleingruppen oder paarweise an selbst gewählten, kleineren englischdidaktischen Unter‐ richtsprojekten auf der Plattform ILIAS online arbeiten, drei bis vier Wochen Präsenzlehre, die der Präsentation und Diskussion der diversen Projekte bzw. der jeweils erstellten stu‐ dentischen Produkte (Lehr-/ Lernmaterialien, Unterrichtssequenzen, u.a.m.) dienen sollen. Während der gesamten LV werden die Teilnehmenden von vorab entsprechend geschulten studentischen TEFLhybrid learning advisors begleitet und beraten. Die Pilotierung des TEFLhybrid@JLU-Projekts begann mit einer LV zum Thema De‐ signing an EFL Textbook Unit im Sommersemester 2019. Bis zum Ende des Sommersemesters 2021 wurden in der Folge in diesem oder ähnlichem Format bereits Lehrveranstaltungen zu einer breiten Palette von englischdidaktischen Themen angeboten: • Fostering Oral Communication Skills through Task-Supported Language Learning • Promoting Vocabulary Learning in Theme-based EFL Learning Sequences • Developing Multisensory Material for Primary School • Mentoring Learners in Writing Activities • Fostering Language and Culture Education in the EFL Classroom • Evaluating and Producing EFL Textbook Units • Examining Foreign Language Assessment Techniques • Enhancing Fluency through Creative Practice • Differentiating Instruction and Personalizing Learning • Teaching and Assessing Speaking in Primary School • Mentoring Learners through Digital Media Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 147 <?page no="148"?> • Exploring Project-based Learning Die Erprobung des TEFLhybrid@JLU-Formats war bereits vor der Pandemie also bereits recht weit fortgeschritten, konnte so jedoch nicht weitergeführt werden. Ich entschied mich stattdessen für ein vorwiegend asynchrones, in großen Teilen schriftliches Online-Format, das jedoch einige der neun Kerndimensionen der Lehre, die dem Projekt TEFLhybrid@JLU zugrunde lagen, beibehalten sollte. Die folgende, online auf der Projektseite befindliche Abbildung, fasst diese neun Kerndimensionen zusammen: Abb 1. Dimensionen hybrider Lehre im TEFLhybrid@JLU-Projekt (vgl. https: / / www.uni-giessen.de/ faculties/ f05/ engl/ tefl/ teflhybrid/ what). In der LV EFL Teaching Methods konnten die Dimensionen face-to-face <> virtual space, offline <> online sowie university <> school aufgrund des pandemiebedingten Verbots der Präsenzlehre nicht, zumindest nicht im ursprünglich angedachten Sinne, Berücksichtigung finden. Alle anderen Dimensionen sollten in dieser LV jedoch so weit wie möglich aufrechterhalten werden. Meine Entscheidung, eine vorwiegend asynchron-schriftliche LV anzubieten, basierte letztlich auf den folgenden Überlegungen und Entscheidungen: • Im Hintergrund stand die Annahme, dass Studierende womöglich tiefgreifender - im Sinne von deep processing and understanding - über Fragen der Methodik des Eng‐ lischunterrichts reflektieren, wenn sie angehalten sind, ihre Sichtweisen, Erfahrungen, Überzeugungen und Erkenntnisse in der englischen Sprache schriftlich in digitalen Lerntagebüchern festzuhalten und zu hinterfragen bzw. im Online-Forum auf der Lernplattform StudIP gemeinsam zu reflektieren und zu diskutieren. • Auch und gerade in Bezug auf die studentische Rezeption und Verarbeitung der in die LV eingespeisten Fachliteratur zur Methodik des Fremdsprachenunterrichts nahm ich an, dass es zu einer tiefer greifenden Auseinandersetzung mit den angebotenen wissenschaftlichen Texten kommen kann, wenn sie - zeitlich flexibel - weitgehend selbstständig erarbeitet und in schriftlicher Form im Online-Forum diskutiert werden (zur Bedeutung schriftsprachlicher Reflexionsprozesse in universitären Kontexten vgl. weiterführend Hyland 2013). 148 Jürgen Kurtz <?page no="149"?> • Ich verfolgte mit meiner Entscheidung, die LV vorwiegend asynchron-schriftlich anzubieten, zudem das Ziel, einen (bescheidenen) Beitrag zur Verbesserung des schrift‐ sprachlichen Ausdrucksvermögens der Studierenden (writing academic texts) in Bezug auf die gewählte Thematik zu leisten. 2 Konkrete Zielsetzungen und Inhalte der LV Im Sinne der angestrebten Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektorientierung ging es mir zunächst darum, die Studierenden - ausgehend von ihren bisherigen Verständnissen von Methodik - mit den wissenschaftlichen Begriffsgebäuden im Englischen und im Deut‐ schen, die nicht gänzlich deckungsgleich sind (method, methodology, Methode, Methodik, Unterrichtsverfahren, Unterrichtstechnik, etc.), tiefergehend vertraut zu machen. In der Folge orientierte ich mich an dem einschlägigen Methodenkonzept von Richards & Rodgers (2014). Hier werden bekanntlich drei eng aufeinander bezogene Ebenen der Methodenbe‐ trachtung unterschieden (i.e. approach, design und procedure bzw. technique). Besonders wichtig war mir, dass die Studierenden nach und nach angeleitet selbständig erkennen, dass methodische Entscheidungen auf der design- und der procedure-Ebene - hierzu haben sie individuelle Beobachtungen und Erfahrungen sammeln können (vor allem als Schülerinnen und Schüler oder als Studierende im Praktikum) - mit grundlegenden Überlegungen auf der approach-Ebene verbunden sind. Erfahrungsgemäß ist vielen Studierenden die approach-Ebene nicht bewusst. Ein Hauptziel der LV bestand in der Anfangsphase daher darin, ein studentisches Bewusstsein für diese Ebene auf dem Wege des entdeckenden Lernens zu schaffen, um davon ausgehend eine Bewusstheit in Bezug auf zukünftige unterrichtsmethodische Entscheidungen und Handlungsweisen zu entwickeln. In diesem Zusammenhang sollten die Teilnehmenden auch erkennen, welche große (erfahrungs‐ gemäß nicht immer wahrgenommene) Bedeutung fachwissenschaftlichen (hier: sprach- und kulturwissenschaftlichen) Lehrveranstaltungen auf der approach-Ebene zukommt und wie diese zu der LV EFL Teaching Methods in Beziehung stehen. Dem aktuellen Stand der fremdsprachendidaktischen Forschung entsprechend (vgl. 1.1) verzichtete ich auf eine überblickartige Darstellung und Auseinandersetzung mit der Methodengeschichte des Englischunterrichts. Wichtig war mir gleichwohl auf der Zielebene, dass die Studierenden die Unterschiedlichkeit strukturalistisch-behavioristisch und kommunikativ-interaktiv-kognitiver Methodenkonzepte im Grundsatz in der Theorie begreifen. Zugleich sollten Sie unter dem Gesichtspunkt des Berufsfeldbezugs erkennen, wie stark diese beiden unterrichtstheoretischen Großorientierungen die Alltagspraxis des Englischunterrichts im Sinne von methodology letztlich determinieren. Dabei dachte ich auch an heutige Englischlehrwerke und ihre Verwendung im Englischunterricht, die in der Regel auf einem Mix von älteren und neueren, traditionellen und aktuellen (methodischen) Vorstellungen, Überzeugungen und Erkenntnissen zum Lehren und Lernen fremder Sprachen basieren (vgl. weitergehend Kurtz 2010, 2011c). Den Dreh- und Angelpunkt der LV stellte der gegenwärtig nach wie vor dominierende kommunikative Ansatz dar, in der diskursiven Weiterführung dann verschiedene seiner aktuellen Varianten (task-based language teaching; content-based instruction, etc.). In diesem Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 149 <?page no="150"?> Kontext sollten folgende englischdidaktische Aspekte tiefer greifend und problematisie‐ rend in den Blick genommen werden: • weak vs. strong versions of communicative language teaching, • unterrichtliche Steuerung und Offenheit, • Lehrer/ -innen- und Schüler/ -innenrollen, • Englischlehrwerke und ihre Verwendung, • Initiierung von Lern- und Kommunikationsprozessen, Schüler/ -innenaktivierung, • typische englischunterrichtliche Interaktionsmuster, auch jenseits von IRF (initiation, response, feedback), • mündliche und schriftliche Feedbackstrategien, • englischunterrichtliche Planungs- und Gestaltungsoptionen - PPP (presentation, practice, production) vs. Aufgabenorientierung (task cycle), • exemplarisch: grammatische Progression im kommunikativen Englischunterricht Im Kern ging es mir bei alledem auch darum, den Studierenden bewusst zu machen bzw. sie angeleitet nach und nach erkennen zu lassen, welches Konzept von Englischlehrkräf‐ tebildung der LV zugrunde liegt und sie anzuregen, vertieft darüber nachzudenken und zu diskutieren, welche Herausforderungen die LV im gewählten asynchronen, vorwiegend schriftlichen Format an sie stellt. Ich ließ die Studierenden vor diesem Hintergrund dementsprechend gleich zu Beginn wissen: Due to Coronavirus pandemic we offer remote learning courses in the TEFL section of the English department only, focusing on a variety of digital formats of instruction and learning, ranging from (largely) synchronous to (largely) asynchronous. This particular seminar is based on a concept of teacher education / *Lehrerbildung*/ as self-formation, and as such it is quite different in nature to teacher training / *Lehrerausbildung*/ in terms of accumulating knowledge and skills to be demonstrated in the final exam (i.e. in the term paper to be written by all those of you who wish to acquire graded credit for this course) and to be ‘applied’ in future professional contexts. My core objective in this seminar is to help you become what is referred to in international research as a ‘reflective practitioner’. Reflective practitioners (Schön 1983, 1987) are not to be confused with / *dienstbare Intellektuelle*/ in a negative sense, i.e. with teachers as civil servants who simply execute pre-determined curricula / *Lehrpläne*/ ‘obediently’ and use methods, EFL textbooks and other language learning materials without questioning their underlying approach, their design, and the classroom procedures and activities offered. As a former EFL teacher and in view of current teacher education research, I conceive of teaching professionals as agents of change. How else is progress possible? I can hardly imagine progress in EFL classrooms to happen if future teachers (like you) simply replicate what others have come up with already and done before. We are talking about at least 150 years of foreign language instruction, but do not have enough time in this class to look at all developments and ‘methods’ in detail. Would you be surprised to hear that much of what EFL teachers do in 21st century EFL classrooms is actually grounded in instructional ideas and concepts that can be traced back to the modern foreign language reform movement of the late 19th century / *Neusprachliche Reformbewegung*/ or before? Teacher education research implies that if we (as teacher educators) fail to make you aware of your personal, largely implicit and subconscious subjective theories and beliefs about teaching English, you 150 Jürgen Kurtz <?page no="151"?> are likely to replicate traditional approaches to instruction (without being aware of it). This is why I have decided to integrate an element of TEFL history into this course. You need to learn about the past, not in terms of black and white, good and bad, but in terms of a solid, research-oriented, deeply reflected knowledge base. - 2.1 Digitale Rahmenbedingungen und hochschuldidaktische Umsetzung der LV Die Realisierung der LV gestaltete sich folgendermaßen: Woche für Woche stellte ich in der Veranstaltungszeit des Sommersemesters 2021 schriftlich in englischer Sprache verfasste Studienaufgaben zur Methodik des Englischunterrichts online zur Verfügung. Anbei fügte ich dazu benötigte Literaturhinweise und - soweit rechtlich möglich - auch Lehr- und Lernmaterialien, hier vor allem einschlägige wissenschaftliche Texte oder Exzerpte, frei verfügbare mediacasts zur Methodik des Fremdsprachenunterrichts (online bereit gestellt von ausgewiesenen Wissenschaftler/ -innen weltweit) aber auch Unterrichtsvideos und lesson plans, die im wissenschaftlichen Kontext zur Illustration methodischer Konzepte entwickelt wurden. Die online über die Kommunikationsbzw. Lernmanagementplattform StudIP schriftlich bereitgestellten Studienaufgaben und Diskussionsimpulse galt es in jeder Woche in Form eines Eintrags in ein studentisches Lerntagebuch und zudem eines postings im Online- Forum zu bearbeiten und hochzuladen. Beides, i.e. das termingerechte Hochladen des persönlichen Eintrags in das Lerntagebuch sowie die aktive Teilnahme an der schriftlichen Online-Diskussion im Seminarforum waren verpflichtend und wurden von mir als Nach‐ weis der aktiven Teilnahme an der LV gewertet (zur Bedeutung von Tagebüchern als Lern- und Forschungsinstrumente vgl. Fischer & Bosse 2013). Sämtliche dieser studentischen Beiträge wurden von mir gelesen, so weit wie möglich individuell kommentiert und (meinen Kräften entsprechend) mit einer mehr oder weniger ausführlichen persönlichen Lernberatung per E-Mail verbunden. Häufig gab es Anlass, ähnlich gelagerte studentische Beobachtungen und Rückmeldungen zu bündeln. Diese speiste ich dann ohne Bezug auf einzelne Studierende in die Diskussion über das StudIP Online-Forum ein. Auf der Grundlage der wöchentlichen Lerntagebucheinträge und der gemeinsamen Forumsdiskussionen passte ich die weiteren Lernaufgaben wöchentlich an. Alle Teilnehmenden (Lehramtsstudierende, Masterstudierende) wurden gleich zu Beginn der LV darauf aufmerksam gemacht, dass sie eine schriftliche Seminarhausarbeit bis spätestens zum offiziellen Ende des Sommersemesters in digitaler Form anzufertigen und einzureichen hätten, um einen qualifizierten Leistungsnachweis (graded credit) zu erlangen. Die schriftliche Hausarbeit sollte ausdrücklich auf die im Semester von Woche zu Woche verfassten Lerntagebücher sowie die Diskussionen im Online-Forum Bezug nehmen (vgl. hierzu weitergehend 2.2.4). Rückblickend auf erste Beobachtungen, Erfahrungen und kollegiale Gespräche im Kontext der Entwicklung des TEFLhybrid@JLU-Projekts plante ich vorab in der Mitte und zum Ende der LV EFL Teaching Methods zwei synchrone Veranstaltungstermine in Form von Videokonferenzen mit allen Teilnehmenden ein. Diese waren thematisch weitgehend offen angelegt. Den Teilnehmenden sollte auf diese Weise die Gelegenheit gegeben werden, sich (medial vermittelt) zumindest zu sehen und sich über ein breites Spektrum an Fragen Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 151 <?page no="152"?> in Bezug auf die Thematik, die Konzeption und den Stellenwert der LV offen austauschen zu können. - 2.2 Aufgabenformate und Formen der digitalen Studierendenaktivierung Vor dem Hintergrund gegenwärtiger fremdsprachendidaktischer Diskurse zur emotionalaffektiven Dimension des Lehrens und Lernens von Fremd- und Zweitsprachen (vgl. Burwitz-Melzer, Riemer & Schmelter (2020)) war es mir wichtig, ein Seminarkonzept zu entwickeln, das darauf abhebt, ein hohes Maß an persönlicher Betroffenheit und Verantwortung für künftige unterrichtsmethodische Entscheidungen in verschiedenen englischunterrichtlichen Lehr/ -Lernkontexten zu erzeugen. Die LV sollte von den Teil‐ nehmenden eben nicht lediglich als ein weiteres Studienmodul betrachtet werden, das es auf dem Wege zur Ersten Staatsprüfung bzw. zum Masterabschluss ‚abzuarbeiten‘ und zu bestehen gilt, sondern als ein tiefgreifender Moment ihres Studiums, an den sie sich gerne, auch im Rückblick auf die pandemiebedingte Distanzlehre, erinnern, den sie für wichtig als zukünftige Englischlehrkräfte einschätzen und der ihren weiteren professionellen Werdegang nachhaltig (mit) prägt. Dies ist ein sehr hoch gesetzter Anspruch, den es über geeignete Aufgabestellungen und Diskussionsimpulse zu realisieren bedarf (vgl. hierzu die Skizzierung meines Lehrkräfteleitbilds unter 1.2). Ich muss im Rahmen dieses Beitrags darauf verzichten, sämtliche Aufgabenstellungen und Diskussionsimpulse im Einzelnen darzustellen, die ich vor diesem Hintergrund entwi‐ ckelte. Exemplarisch gehe ich hier nur auf den Anfang, die Mitte und das Ende der LV in einigen forschungsbzw. erkenntnisbezogen bedeutsamen Details ein. 2.2.1 Session 1 (Eröffnung der LV) Nach meiner Erfahrung ‚steht und fällt‘ das Interesse der Studierenden an einer universi‐ tären LV, insbesondere in der rein digital-asynchron vermittelten Lehre, mit dem Einstieg bzw. der Eröffnung, d.h. mit der motivationalen ‚Zugkraft‘ der eingangs angebotenen Aufgaben und Materialen. An den Anfang der LV stellte ich daher einen Verweis auf eine exemplarisch ausgewählte Website mit dem aufforderungsstarken Titel: „The Five Language Learning Methods That You Need to Know“ (http: mosalingua.com) (01.04.2021). Die wissen‐ schaftliche Fundierung bzw. Seriosität dieser Website ist recht fragwürdig in Anbetracht des aktuellen Stands der fremdsprachendidaktischen Forschung und Diskussion, und zwar vor allem a) wegen der Verkürzung des zugrunde gelegten Methodenbegriffs und, b) der damit verbundenen rezeptologischen Ausrichtung der Handlungsempfehlungen im Sinne einer weitgehend unreflektierten methodology. Mir ging es hierbei in erster Linie um einen problemorientierten Einstieg, der die critical media literacy der Studierenden ansprechen sollte und der darauf ausgelegt war zu erkunden, was die Teilnehmenden an medienkritischem Wissen und Reflexionsvermögen im Allgemeinen und weitergehend vor allem an fremdsprachendidaktischem Reflexions‐ vermögen in die LV einbringen können, um davon ausgehend dann meine weiteren Aufgabenstellungen und Diskussionsimpulse zu konzipieren. Kerres (2018, 367) spricht in diesem Zusammenhang von problembasierten digitalen Lernangeboten, denen er die folgende Kernfunktion zuweist: 152 Jürgen Kurtz <?page no="153"?> Eine problembasierte Methode ist daran zu erkennen, dass die Lernenden zu Beginn der Lerneinheit mit einem Problem konfrontiert werden. Das Problem dient folglich nicht der Veranschaulichung oder der Anwendung eines zuvor bereits präsentierten Wissens, sondern strukturiert den Lernpro‐ zess. [kursiv im Original] Im Einzelnen ging es mir hier um folgende Zielsetzungen: • lernseitig (i.e. die Studierenden betreffend), um die Aktivierung studentischen Vorwis‐ sens zur Methodik des Englischunterrichts in der persönlichen Auseinandersetzung mit global verbreiteten Webinhalten fragwürdiger Provenienz und englischdidaktischer Qualität, • um die Schaffung einer für den weiteren Fortgang der LV günstigen Motivationslage, hier insbesondere über eine (fragwürdige) Website, die aufgrund ihrer informellen englischsprachigen und konzeptuellen Anlage vielfältige Anknüpfungspunkte an studentische Erfahrungen und methodenbezogene belief systems bietet, • um die Heranführung an das weitgehend selbstverantwortete, vornehmlich asynchronschriftliche Studium methodischer Konzepte des Englischunterrichts, hier insbeson‐ dere in Bezug auf die zunehmend tiefer greifende Reflexion in wöchentlich zu verfas‐ senden Einträgen in Lerntagebüchern und im Rahmen der gemeinsamen asynchronen Diskussionen auf der zur Verfügung stehenden Lernplattform StudIP, • lehrseitig (i.e. mich als Dozenten betreffend), um die Gewinnung erster Einblicke in die heterogene studentische Ausgangslage in Bezug auf folgende Aspekte: Vorstellungen, Kenntnisse und Überzeugungen in Bezug auf die Methodik des Englischunterrichts, Fähigkeiten in Bezug auf die kritische Rezeption digital verbreiteter englischdidakti‐ scher Inhalte, • um die Sichtung der bisherigen Erfahrungen der Teilnehmenden mit den gewählten digitalen Technologien (z.B. die Nutzung der Lernmanagementplattform StudIP), • nicht zuletzt auch um eine erste Bestandsaufnahme des schriftlichen Ausdrucksver‐ mögens der Studierenden in der englischen Sprache, hier insbesondere auch in Bezug auf die Fähigkeit, im Ansatz zumindest kohärente Texte im Ausdruck treffend und möglichst fehlerfrei zu schreiben und Fragen an mich und die Teilnehmenden schriftlich so zu formulieren, dass sie sprachlich und inhaltlich nachvollziehbar und verständlich sind und den Gepflogenheiten eines höflichen, kritisch-konstruktiven Umgangs miteinander entsprechen. Zur Begrüßung der Teilnehmenden schrieb ich: Hello everyone! A very warm welcome to this course! I hope you have familiarized yourselves with the instructional design of this class already (which is largely asynchronous in nature, with only two synchronous sessions in the middle and at the end of the term). If you have any questions regarding course proceedings and procedures, please get in touch with xy. She is your student learning advisor for this class. Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 153 <?page no="154"?> Zur Eröffnung der LV formulierte ich folgende Aufgaben, Diskussionsimpulse und Anmer‐ kungen: Reflective log writing assignment #1 “The Five Language Learning Methods That You Need to Know” (Mosalingua 2020) Please read the Mosalingua article (see https: / / www.mosalingua.com/ en/ 5-language-learning-method s/ #comments (retrieved April 15, 2020) and reflect on the underlying concept of method. What do you think constitutes a language learning method according to Mathilde (who appears to have come up with all this)? Focus on each of the proposed methods in detail and discuss them in terms of plausibility and EFL learning and teaching value. How do the five methods proposed in the article correspond with your personal experience and your views about learning and teaching English in class? Write a first log entry and upload it on StudIP (in the following format): File name: Name.Surname_#1 File format: .pdf Text length: approx. 500 words Due date: Friday, April 16, 2021, 4 pm Forum activity #1 Furthermore, think of a question the article raises and publish it on the StudIP forum (by Friday, 4 pm). Your questions are meant to get an online discussion going. If your envisaged question (or similar) is already online, post a different one or respond to one of your fellow students’ postings. Footnote 1: I stumbled upon this webpage a few days ago. In terms of content and approach, it is typical of many proposals or recommendations for teaching and learning foreign languages. I have decided to talk about it for two reasons: a) to make you think about the concept of method - is this a method, or what is it, really? ), b) to enhance your digital media literacy concerning web-based language pedagogical or methodological content. Zum besseren Verständnis dieser Seminareröffnung sei darauf verweisen, dass interessierte Leser/ -innen auf Mosalingua.com wie folgt begrüßt werden: To learn languages there’s no secret really: you need to be determined and study a lot. That’s it! However, some of us still need a bit of help discovering, not the right way to do it - because there isn’t a one-size fits-all method -, but the right approach to adopt to quickly and effortlessly learning a language. So for those who need a helping hand, here are 5 language learning methods: Die auf der Website empfohlenen five language learning methods sind: • Focus on words and their meaning - memorize the most important words first, learn with context • Be motivated and have fun • Fully immerse yourself in the language • Concentrate on speaking • Be like a child, do not worry about making mistakes Einer der Kommentare von internationalen Leserinnen und Leser der Mosalingua-Website hierzu lautet: „Great article with good tips to adopt.“ 154 Jürgen Kurtz <?page no="155"?> 3 Es handelt sich hier um eine über Youtube zugängliche Videoproduktion des United States Depart‐ ment of State zur audiolingualen Sprachlehrmethode, die unter Mitwirkung von Diane Larsen- Freeman entstand (1990). 2.2.2 Sessions 5/ 6 (Mitte des Semesters) Etwa in der Mitte des Sommersemesters, die Studierenden hatten sich hier bereits mit der Analyse der Mosalingua-Website auf der Basis des einschlägigen Methodenmodells von Richards & Rodgers ( 2 2014) sowie weitergehend mit strukturalistisch-behavioristischen und kommunikativ-funktionalen Methodenkonzepten in der Theorie, aber auch praxisbezogen unter Verwendung z.B. der hier so bezeichneten audiolingualen Unterrichtsvignette Hoover vacuum cleaner  3 befasst, entschied ich mich dazu, auf der Grundlage der studentischen Lerntagebücher und Forenbeiträge eine tiefer greifende Lernbzw. Studienaufgabe zu entwickeln. Diese hob darauf ab, dass sich zu diesem Zeitpunkt abzeichnende, ‚bipolare‘ studentische Denken in Bezug auf ältere und neuere Methodenkonzepte zu relativieren. Um zu verdeutlichen, auf welche Art und Weise ich die jeweils neu zu bearbeitenden Studienaufgaben in das rein digital asynchrone Lerngeschehen in dieser LV eingebettet habe, gebe ich meine Ausführungen hierzu ebenfalls im Wortlaut wieder: Looking at your (partly revised, thank you for this) logs #4 I noticed that some of you keep thinking about EFL teaching methods in terms of old and new, good and bad, traditional and modern, effective or not, desirable or not, etc. Sometimes you refer to something traditional as new and modern, and vice versa. I think you should distance yourselves from using these labels. Please note that TEFL does not follow an ‘either or’-logic (either drill or role-play, either speaking or writing, etc.). This does not really make sense. In principle, TEFL is based on a ‘more or less’-logic, depending on a multiplicity of factors. In German, we refer to this as / *unterrichtliche Faktorenkomplexion*/ , and this is why there are no easy generalizations and ready-made recipes for teaching English (such as those suggested on the Mosalingua website). Viewed from this perspective, ‘old’ or ‘traditional’ does not automatically mean outdated and deficient. Who would really go so far as to say that we do not need elements of instructed language learning as habitualization and automatization anymore? In research, the need for habitualizing target language use is undisputed. In institutionalized EFL classroom contexts, we do need teacher-fronted instruction, not just pair or group work. However, in the communicative age we conceive of habit formation not in terms of structural drill, but in terms of meaningful (functional, rather than pattern-oriented) interactive practice in appropriate situational contexts. This is the advantage of focusing on approach on the macro-level of teaching: the ALM constitutes a teaching method - approach determines design, and design implies mechanical classroom procedures. CLT constitutes an approach, with communicative competence as its core goal, not as a fixed procedure that prescribes what the teacher is supposed to do in class. As such, CLT is much more flexible and context-sensitive (! ): many ways leading to Rome; teacher as facilitator and guide, not as drill instructor. Vor diesem Hintergrund entwickelte ich die folgenden Aufgaben für die Sessions #5/ #6. Aufgrund der Komplexität der Studienaufgabe gab ich den Studierenden zwei Wochen Zeit, sich damit eingehend auseinanderzusetzen: Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 155 <?page no="156"?> Reflective log writing assignment #5/ #6 In order to deepen and broaden your understanding of CLT, please study Richards (2006: 2-23). In this publication, available online at https: / / www.professorjackrichards.com/ wp-content/ uploads/ Richards -Communicative-Language.pdf, you will find a set of tasks designed to enhance your understanding of this unique approach. The booklet is widely used in EFL teacher education around the globe. Then, please read Canale & Swain (1980), Savignon (2002) and Celce-Murcia (2008) to gain a more profound understanding. In your log, discuss which of the three theoretical models of communicative competence you find a) most convincing in theory and b) most useful to inform practice. Due to the complexity of this assignment (three publications to work through) I am going to give you two weeks for submitting your next log entry. See due date at the end of this worksheet. Forum activity #5/ #6 Please post a question on the forum. Feel free to get in touch with your classmates via email if you have any questions, comments or ideas too complex or personal to handle. Due date: Friday, May 21, 2020, 4 pm (extended deadline! ) Ich verfolgte dabei diese Zielsetzungen: • lernseitig (i.e. die Studierenden betreffend) ging es mir darum, an dem nach wie vor bei vielen Teilnehmenden noch vorwiegenden, holzschnittartigen Verständnis von Methodik zu arbeiten, hier speziell im Sinne des eigenständigen, angeleiteten Erkennens der Problematik dogmatischen Methodendenkens, • um die Erweiterung der studentischen Kenntnisse zu den verschiedenen Interpreta‐ tionen des kommunikativen Ansatzes, verbunden mit einem systematischen Hinter‐ fragen eigener belief systems und self concepts, • lehrseitig (i.e. mich als Dozenten entsprechend), um die weitere Eruierung der indivi‐ duellen und kollektiven Bereitschaft und Fähigkeit, komplexe theoretische Methoden‐ modelle tiefgreifend zu durchdringen und in das bisherige Verständnis zu EFL teaching methods and methodologies kritisch reflektierend einzubetten. 2.2.3 Sessions 13/ 14 (Ende des Semesters) Es ist, wie gesagt, im Rahmen dieses Beitrags nicht möglich, die LV im Detail und im kon‐ kreten Verlauf umfassend darzustellen. Um in Erfahrung zu bringen, welche Fortschritte die Teilnehmenden in den vorherigen Wochen gemacht hatten, hier insbesondere in Bezug auf a) den Erkenntnisgewinn zu einem hoch komplexen englischdidaktischen Thema und b) die studentische Selbstreflexion dazu, entwickelte ich einen speziell auf die LV bezogenen und digital zur Verfügung gestellten Evaluationsbogen. Dieser unterschied sich wesentlich von den veranstaltungsübergreifenden, themenunspezifischen Evaluationsinstrumenten der JLU Gießen, derer sich alle Lehrenden bedienen können bzw. sollen. Im Vordergrund sollte nicht die Beurteilung der Qualität einer wie auch immer disziplinar und thema‐ tisch verorteten LV stehen, sondern die möglichst facettenreiche, thematisch passgenaue studentische Einschätzung und Bewertung dieser konkreten LV im Hinblick auf ihren persönlich wahrgenommenen Beitrag zur Englischlehrerbildung im eingangs dargelegten Sinne. Erneut gab ich den Studierenden zwei Wochen Zeit, sich mit der Reflexion der LV zu 156 Jürgen Kurtz <?page no="157"?> befassen und fügte zudem eine synchrone digitale Videokonferenz zur Klärung etwaiger Rückfragen ein. Zur Heranführung an die Evaluation der LV schrieb ich: Hello again! In these final two weeks, you are kindly asked to revisit all your reflective log entries produced in this seminar. Since a lot of value comes from revisiting personal experiences and immediate reflections multiple times, read and please re-read your own weekly reflections to figure out what, how, and how thoroughly you have learned about the concept of method in the EFL classroom. To guide your meta-reflection on personal learning processes and individual learning progress, use the following definition of a professional reflection: “A reflection or critical reflection is defined as the conscious examination of experiences, thoughts and ways of doing things. Its goal is to surface learning about oneself and the situation, and to bring meaning to it in order to inform the present and the future. It challenges the status quo of practice, thoughts and assumptions and may therefore inform our decisions, actions, attitudes, beliefs and understanding about ourselves”. (The University of Edinburgh, unpaged, https: / / www.ed.ac.uk/ reflection). Reflective log writing assignment #13 (including #14 - extended deadline) Please fill out this questionnaire (only four pages) and add it to your learning journal as reflective log writing assignment #13/ #14: a) Global understanding of and attitudes toward CLT - To a large extent To some extent To a limited extent Hardly at all I understand the concept of ‘language learning method’ - - - - I know what ‘approach’ means - - - - I know what ‘design’ means - - - - I know what ‘procedure/ technique’ means - - - - I know how the ALM and CLT differ in terms of approach to language and to language learning - - - - I know how the ALM and CLT differ in terms of goals and objectives - - - - I know how the ALM and CLT differ in terms of instructional design - - - - I know how the ALM and CLT differ in terms of preferred classroom procedures and activities - - - - My understanding of ‘method’ has changed since the beginning of the term - - - - My attitude toward lesson planning and its functions has changed since the beginning of the term - - - - My view of my ‘self ’ as an EFL teacher as changed since the beginning of the term - - - - Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 157 <?page no="158"?> b) Familiarity with core characteristics of CLT - To a large extent To some extent To a limited extent Hardly at all I can explain the difference between a structural (form-based) and a functional (usage-based) ap‐ proach to TEFL - - - - I can explain what is meant by ‘weak’ and ‘strong’ versions of CLT - - - - I can explain how the theoretical foundations of CLT differ in parts in Germany and in English-speaking countries - - - - I can explain how some models of CLT (Canale, Savignon, Celce-Murcia) differ from each other in terms of emphasis on certain competencies and skills - - - - I can explain how task-based language teaching (TBLT) relates to CLT - - - - I can explain why context is important in CLT and TBLT - - - - I can explain what PPP means - - - - I can explain the difference between PPP and TBLT - - - - I can explain the role of the teacher in PPP and TBLT - - - - I can explain the role of the learner in PPP and TBLT - - - - I can explain the role of teacher questions in CLT - - - - I can explain the role of grammar in CLT - - - - I can explain the difference between inductive and deductive grammar teaching in CLT - - - - I can explain what ‘input’ means - - - - I can explain what ‘output’ means - - - - I can explain what ‘intake’ means - - - - I can explain what ‘noticing’ means - - - - I can explain the role of accuracy in CLT - - - - I can explain the role of noticing in language learning - - - - I can explain the role of corrective feedback in CLT - - - - I can explain what ‘implicit’ and ‘explicit’ corrective feedback means - - - - I can explain what ‘recast’ means - - - - 158 Jürgen Kurtz <?page no="159"?> To a large extent To some extent To a limited extent Hardly at all I can explain why it is important to know various ways of providing corrective feedback - - - - I can explain what IRF means - - - - I can explain the difference between scripted and unscripted classroom interaction - - - - I can explain how improvised speaking can contribute to promoting oral communicative proficiency - - - - c) Knowledge about central categories of communicative classroom activities Categories of activities in CLT - Examples (please list suitable kinds of activities; multiple mention possible per item) focus on mechanical practice (forms) substitution drills, pattern drills, … focus on communicative practice (meaning) - focus on teacher-driven interaction -- focus on scripted learnerlearner interaction -- Focus on unscripted learnerlearner interaction - focus on communicative grammar instruction -- focus on noticing - focus on providing oral correc‐ tive feedback - d) Confidence in promoting CLT in the EFL classroom - To a large extent To some extent To a limited extent Hardly at all I feel confident about implementing the communica‐ tive approach in class in the future - - - - I think my knowledge of the scholarly literature on CLT will help me make informed decisions in the future - - - - Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 159 <?page no="160"?> To a large extent To some extent To a limited extent Hardly at all I suppose my own proficiency in English is sufficient for implementing CLT flexibly in different classroom contexts (lower, intermediate, upper-intermediate, ad‐ vanced levels, related to your future field of work: L1, L2, L3, L5) - - - - I think CLT is in line with my own beliefs about how English should be taught in schools - - - - e) Personal evaluation of log-based reflective learning in the asynchronous seminar - no pro‐ gress little progress moderate progress good progress great progress not appli‐ cable As a result of your weekly written reflections, what pro‐ gress have you made in be‐ coming a reflective practi‐ tioner? - - - - - - Connecting key class ideas with previous beliefs about how to teach English best - - - - - - Integrating class ideas into acquired experience-based knowledge about TEFL - - - - - - Learning to see TEFL from the learner’s/ learning perspective - - - - - - Learning to see TEFL from the teacher’s/ teaching per‐ spective - - - - - - Learning to see the chances, challenges and demands of CLT - - - - - - Understanding research studies and scholarly texts focusing on TEFL (e.g. DESI) - - - - - - Using key TEFL terms and concepts in learning journal - - - - - - Understanding the value of theory and research for plan‐ ning, implementing and re‐ flecting on CLT - - - - - - Using systematic reasoning in discussion of core concepts and models - - - - - - 160 Jürgen Kurtz <?page no="161"?> no pro‐ gress little progress moderate progress good progress great progress not appli‐ cable Being able to write academic texts using appropriate termi‐ nology - - - - - - Being able to self-reflect on own written language profi‐ ciency in terms of accuracy and terminological adequacy - - - - - - Understanding own learning preferences (as a university TEFL student) - - - - - - Resilience: ability to respond and adapt to high workload and experiencing stress - - - - - - Forum activity #13/ #14 Comment on the questionnaire and your personal learning progress, and, if considered necessary, come up with alternative or additional evaluation items. Upload your log entry by Friday, July 16, 4 pm. Videoconference: Tue, July 13, 2021, 12: 15. 2.2.4 Aufgabenformat und Gliederung der schriftlichen Hausarbeit Um die Transparenz der Anforderungen für die schriftliche Hausarbeit im gewählten, vorwiegend asynchronen digitalen Seminarformat zu verdeutlichen und darüber hinaus die Vergleichbarkeit der eingereichten studentischen Arbeiten einigermaßen sicherzustellen, entschied ich mich dazu, den Studierenden eine thematische Gliederung für die zu er‐ stellende Hausarbeit an die Hand zu geben. Die Problematik dieser Vorgehensweise ist evident: einerseits trägt sie zu einer thematischen Fokussierung und zur Transparenz der Anforderungen im weitgehend digital-asynchron geführten Austausch bei, andererseits wirft sie Fragen in Richtung der zunehmend selbständigen Erarbeitung und Reflexion des Themas im Sinne meines eingangs dargelegten Verständnisses von Lehrerbildung auf. Gleichwohl wollte ich den Studierenden diese Orientierungshilfe geben, auch und gerade in Anbetracht der pandemiebedingt schwierigen Rahmenbedingungen des Studiums. Im Rahmen der zweiten Videokonferenz, die ich gegen Ende der LV ermöglichte, gab ich den Teilnehmenden zugleich die Gelegenheit, Fragen zum Verfassen der für ein graded certificate erforderlichen schriftlichen Seminarhausarbeit zu stellen. Ich schrieb hierzu: Your term papers will represent a final, all-embracing discussion of your work in this class (based on your learning journals and forum postings). In order to increase transparency concerning the topic, nature and proposed structure of term papers, I have come up with a preliminary organizing scheme to inform your work: Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 161 <?page no="162"?> Title: Issues and Options in Communicative Language Teaching Table of Contents: 0 Introduction 1 History of CLT (core developments, brief discussion of approach; comparison to ALM in terms of approach, design, procedures) 2 Principles of CLT (brief outline and explanation of major principles) 3 CLT as a flexible framework for EFL instruction and learning (brief discussion of weak vs. strong version and their implementation in class, focusing on learner needs and levels of competency and skill) Then, either 4 Learner and Teacher Roles in CLT (discussion of aspects such as IRF, teacher questions, error treatment, etc.) or 4 The Role of Grammar in CLT 5 Personal Conclusions / Reflective Summary of Learning Progress Ich räumte den Studierenden in dem zu verfassenden Teilkapitel 4 also eine Wahlmög‐ lichkeit ein, da es den Rahmen der Hausarbeit gesprengt hätte, sämtliche in der LV thematisierten Aspekte in ihren term papers zu diskutieren. 2.2.5 Bewertungsmaßstäbe Im Einklang mit den verbindlichen Modulbeschreibungen waren die Studierenden gefor‐ dert, in der LV die folgenden Leistungen zu erbringen: a) für einen Teilnahmenachweis (ungraded certificate): schriftliche wöchentliche Bearbei‐ tung aller Aufgaben (Lerntagebuch) und Diskussionsimpulse (Online-Forum) unter Einbeziehung der vorgeschlagenen bzw. in Teilen online bereitgestellten Fachliteratur, Unterrichtsvideos, Aufgaben, etc. b) für einen qualifizierten Leistungsnachweis (graded certificate): zusätzlich zu a) die Anfertigung einer schriftlichen Hausarbeit zum vorgegebenen Thema unter Berück‐ sichtigung der thematischen Gliederung und unter reflexiver Einbeziehung aller im Laufe des Semesters angefertigten Tagebucheinträge und Diskussionsbeiträge (eigene/ andere). Im Rahmen der zweiten Videokonferenz, die gegen Ende des Sommersemesters durchge‐ führt wurde, ging es vor allem auch um die Verdeutlichung der inhaltlichen, sprachlichen und formalen Bewertungsmaßstäbe in Bezug auf die schriftliche Seminarhausarbeit. In‐ haltlich wurde das Folgende thematisiert bzw. diskutiert: • Wissenschaftsorientierung: Qualität der studentischen Reflexion zur Methodik des Englischunterrichts unter Einbeziehung der bereitgestellten und ggf. weiteren Fachli‐ teratur, Verwendung einschlägiger fremdsprachendidaktische Begriffe bzw. Termino‐ logien (kritisch-reflektiertes Wissen auf den Methodenebenen approach, design und procedure), • Berufsfeldorientierung: Qualität der Auseinandersetzung mit methodischen Ansätzen und Konzepten auf der unterrichtspraktischen Verwendungsebene (unter Einbezie‐ 162 Jürgen Kurtz <?page no="163"?> hung von Überlegungen zur Umsetzbarkeit unter den jeweils angenommenen Rah‐ menbedingungen). Besonderen Wert legte ich hier auf eine kontextuierte Auseinan‐ dersetzung. Auch und gerade wegen der Diversität der studentischen Biografien und Studieninteressen (diverse Lehramtsstudiengänge, Masterstudiengänge) wies ich die Teilnehmer/ -innen noch einmal auf die große Bedeutung der Einbettung ihrer Überlegungen in einen bestimmten (d.h. exemplarisch wählbaren, fiktiven) Unter‐ richtskontext hin (methodology). • Subjektorientierung: Qualität der Reflexion in Bezug auf die eigene Lernbiografie als Schüler/ -in und als angehende Lehrperson, damit verbunden das tiefgreifende Hinterfragen subjektiver Erfahrungen, Wissensbestände und Überzeugungen in Bezug auf method und methodology. Sprachlich wies ich auf die Bedeutung der Qualität des Gebrauchs der englischen Sprache hin, fokussierend vor allem auf den treffenden Gebrauch englischdidaktischer Begriffe, den nachvollziehbaren Aufbau der Argumentation, die Komplexität und Treffsicherheit im schriftsprachlichen Ausdruck sowie die englischsprachliche Korrektheit und stilistische Angemessenheit im übergreifenden Sinne von writing academic texts. Zur Konkretisierung meiner Bewertungsmaßstäbe diskutierte ich mit den Teilnehm‐ enden zwei exemplarisch ausgewählte, anonymisierte Textpassagen aus schriftlichen Hausarbeiten, die in früheren englischdidaktischen Lehrveranstaltungen zu anderen eng‐ lischdidaktischen Themen (weit vor der Pandemie) angefertigt worden waren (i.e. ein gelungenes und ein weniger gelungenes Beispiel). 3 Wissenschaftliche Analyse der Untersuchung Ich muss mich im Rahmen dieses Aufsatzes auf wesentliche Fragen der Erkenntnisgewin‐ nung beschränken, verzichte auf eine tiefer greifende Diskussion des qualitativ-interpre‐ tativ-rekonstruktiven Ansatzes, der der Untersuchung forschungsmethodisch zugrunde liegt. - 3.1 Erkenntnisinteressen und Forschungsfragen Im Kern ging es mir in der Begleitforschung zu dieser LV um die vorangestellten vier For‐ schungsfragen, die im Sinne des explorativen Charakters der Studie bewusst offengehalten wurden. Im Verbund mit dem unter 1.2 skizzierten, dreidimensionalen Lehrkräfteleitbild galt das primäre Erkenntnisinteresse der Erkundung eines digital-asynchronen Konzepts universitärer Englischlehrer/ -innenbildung, das in Anlehnung an Yazan & Lindahl (2020) als teacher identity work and professional transformation in digital multimodal spaces bezeichnet werden kann. - 3.2 Forschungsansatz und Methodik Forschungsmethodisch fügt sich diese Studie in den Bereich der explorativen, qualitativempirisch angelegten Fallforschung (vgl. Stake 1995) ein. Der ‚Fall‘, der hier betrachtet wird, ist eine vorwiegend asynchron-schriftlich angelegte englischdidaktische LV zum Thema EFL Teaching Methods, die jedoch - wie zuvor dargelegt - einige hybride Elemente im Sinne des Projekts TEFLhybrid@JLU trägt. Die Studie ist im Kern zudem der hochschuldi‐ Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 163 <?page no="164"?> daktischen Aktionsforschung zuzuordnen (vgl. hierzu weiterführend Burns 2009), zumal sie sich a) einigen - eingangs im Detail geschilderten - Problemen und Herausforderungen der universitären Englischlehrerbildung annimmt, und dabei b) die Teilnehmenden unter Berücksichtigung grundlegender ethischer Prinzipien in den Forschungsprozess mit ein‐ zubeziehen versucht (Studierende als aktive, selbstreflexive Subjekte, nicht als passive Objekte, die es zu ‚beforschen‘ gilt). Hinzu kommt im Sinne von Aktionsforschung, dass die Studie darauf ausgerichtet ist, im Wechselspiel von Reflexion und Aktion (Dozent, Studierende) einen (bescheidenen) Beitrag zur Entwicklung einer holistisch-integrativreflexiven, theoretisch fundierten, forschungsorientierten und zugleich praxisrelevanten Englischlehrerbildung zu leisten, unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden digitalen Infrastruktur an der Universität Gießen. - 3.3 Sample / Fallbeschreibung Wie eingangs angedeutet, richtete sich die horizontal polyvalente, in englischer Sprache realisierte LV einerseits an Lehramtsstudierende, i.e. an angehende Lehrer/ -innen, die Englisch an Gymnasien, Gesamt-, Real- oder Hauptschulen zu unterrichten beabsichtigen, andererseits an Studierende in diversen Masterstudiengängen, in denen TEFL als ein Studienschwerpunkt gewählt werden kann. In der Regel können derartige, auf 30 Teilnehmende begrenzte englischdidaktische Veranstaltungen an der JLU Gießen nur dann belegt werden, wenn Lehramtsstudierende die ein- und weiterführenden Studienmodule (i.e. die Module TEFL I und TEFL II, bestehend aus einer englischdidaktischen Einführungsvorlesung mit begleitendem Tutorium sowie drei weiteren englischdidaktischen Seminaren) erfolgreich abgeschlossen haben. Die meisten Studierenden, die eine LV im Modul TEFL III anwählen, haben bereits das mehrwöchige Fachpraktikum Englisch als Teil der obligatorischen schulpraktischen Studien durchlaufen. Einige verfügen zudem über zusätzliche Unterrichtserfahrungen im Fach Englisch (bei‐ spielsweise als Aushilfen an staatlichen Schulen bzw. als Teilzeitlehrkräfte an staatlichen oder privaten Schulen in Deutschland oder anderswo) oder über Praxiserfahrungen als Englisch-Nachhilfelehrer/ -innen. Hinsichtlich der (ebenfalls) modularisierten und kompetenzorientierten Masterstudien‐ gänge, in denen TEFL als ein Studienschwerpunkt gewählt werden kann, stellt sich die Ausgangsituation in Teilen anders dar. In der Regel bringen Masterstudierende, die sich für den Studienschwerpunkt TEFL entscheiden - nicht selten bzw. zunehmend handelt es sich hier um internationale Studierende - sehr unterschiedliche englischdidaktische Qualifikati‐ onen mit. So haben einige bereits TEFL in Bachelorstudiengängen in anderen Ländern (zum Beispiel als Nebenfach im B.A.-Studiengang Translationswissenschaft) studiert. Andere verfügen über international anerkannte Zertifikate auf B.A.-Niveau, die den Bereichen TEFL, TESL (Teaching English as a Second Language) oder TESOL (Teaching English to Speakers of Other Languages) zuzuordnen sind. Vielfach haben die Masterstudierenden auch bereits unterrichtliche Lehrerfahrungen (in anderen Ländern) sammeln können, die sich erfahrungsgemäß allerdings nur bedingt mit den Praktikumserfahrungen der Gießener Studierenden in den Lehramtsstudiengängen Englisch vergleichen lassen. Zumeist bleibt unklar, ob bzw. in welchen Regionen dieser Welt und in welchen beruflichen Kontexten die internationalen Masterstudierenden künftig Englisch zu lehren beabsichtigen. 164 Jürgen Kurtz <?page no="165"?> Insgesamt schrieben sich für diese Online-LV, die auf 30 Teilnehmer/ -innen begrenzt war, 28 Studierende ein, davon 26 Lehramtsstudierende (16 x Lehramt an Gymnasium, 10 x Lehramt an Haupt- und Realschulen) sowie zwei Studierende im Masterstudiengang Anglophone Studies. Die Anzahl der weiblichen Studierenden war deutlich höher als die der männlichen (ca. zwei Drittel weiblich, ein Drittel männlich). Zwei Lehramtsstudierende beendeten ihre Teilnahme ohne Angabe von Gründen bereits in den ersten zwei Wochen der Veranstaltungszeit. Alle anderen Studierenden schlossen die Lehrveranstaltung - wie in der Modulbeschreibung für dieses Studiensegment vorgesehen - entweder mit einem Teilnahmenachweis (ungraded credit) oder mit einem qualifizierten Leistungsnachweis (graded credit) ab. Sämtliche Studierende hatten vor der pandemiebedingten Umstellung ihres Studiums auf reine Online-Lehre bereits einige Erfahrungen mit universitären Präsenzveranstaltungen sammeln können, allerdings nicht unbedingt im fortgeschrittenen Studium und nicht ausschließlich an der Universität Gießen. Dies ist wichtig hervorzuheben, da einige Teil‐ nehmerinnen und Teilnehmer meine Online-LV mit der von ihnen erlebten Präsenzlehre vor der Pandemie (zum Teil an anderen Universitäten, nicht nur in Deutschland, und teilweise in anderen Studiengängen) vergleichen. - 3.4 Datenerhebung Zur Datenerhebung teilte ich den Studierenden (im Sinne der Berücksichtigung grundleg‐ ender forschungsethischer Gesichtspunkte) das Folgende mit, hier erneut explizit dargelegt im Sinne einer rich description, die der Nachvollziehbarkeit und Transparenz dieser Fallstudie dienen soll: In the TEFL section of the / *Anglistik Institut*/ at JLU Giessen, we have adopted a researchbased approach to developing our teaching in the digital age. This means that we investigate carefully what we are doing, using scholarly methods to find out more about what we are offering to you. At present, we are on the way to developing a research project that focuses on the conceptualization and implementation of various formats of remote/ digital learning in EFL teacher education. … What does this mean? No, you are certainly not considered or treated as ‘guinea pigs’ in a university teaching experiment that largely leaves you in the dark about its intentions and research procedures. On the contrary, we are envisioning a research project in which you will be involved as co-researchers. Your contributions to this class (reflective learning logs, forum postings, evaluative course questionnaire, term paper) will represent a cornerstone of our research. In order to learn more about the current state of teacher education research and the importance of reflection in this context, please read the extract from Blume et al. (2021), published in the current issue of the / *Zeitschrift für Fremdsprachenforschung*/ (ZFF) (provided on StudIP). Nahezu alle Seminarteilnehmer/ -innen verdeutlichten daraufhin ihr Interesse an diesem Forschungsprojekt und erklärten schriftlich ihre Bereitschaft, daran teilzunehmen. Eine Teilnehmerin verzichtete jedoch auf ihre Teilnahme an der Studie und begründete dies folgendermaßen: Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 165 <?page no="166"?> 4 [EFLM = Seminarreferenz, L/ M = Studiengangreferenz (L = Lehramt; M = Master); Sx = anonymisierte Teilnehmerreferenz, w/ m = Geschlechterreferenz; Wx = Zeitreferenz, Seminarwoche; F/ T/ H = Datenreferenz (F = Forum, T = Tagebuch, H = Hausarbeit)]. Even though I really appreciate this study, I have to say that I will unfortunately not have enough time to take part in it, I have a little baby girl of four months and want to take the / *Staatsexamen*/ in May next year so there is plenty of work for me. [EFLM_L_S1w_W3_F]. 4 3.4.3 Erhebungsverfahren und Untersuchungsinstrumente Zur Datenerhebung wurde einerseits das unter 2.2.3 bereits aufgeführte, speziell für die studentische Evaluation der LV entwickelte Fragebogeninstrumentarium eingesetzt, andererseits wurden von Woche zu Woche impulsgesteuerte, an den Verlauf der LV angepasste Daten in Form von studentischen Stellungnahmen im Online-Forum und in den Lerntagebüchern erhoben. Als weitere Daten wurden die schriftlichen Seminarhaus‐ arbeiten derjenigen Teilnehmer/ -innen einbezogen, die aufgrund der Modulbeschreibung verpflichtet waren, eine Hausarbeit zur Erlangung eines qualifizierten Leistungsnachw‐ eises (graded credit) einzureichen. Wie unter 2.2.4 darstellt, waren Thema und Gliederung der Hausarbeit weitgehend vorgegeben. Der eigens für die LV entwickelte, auf das Thema und das gewählte digitale Format zuge‐ schnittene studentische Evaluationsbogen umfasst insgesamt fünf erkenntnisbezogene, auf die drei zentralen hochschuldidaktischen Gestaltungsschwerpunkte der Wissenschafts-, der Berufsfeld- und der Subjektorientierung ausgerichtete Itemgruppen, nämlich a) global understanding of and attitudes toward CLT, b) familiarity with core characteristics of CLT, c) knowledge about central categories of communicative classroom activities, d) confidence in promoting CLT in the EFL classroom sowie e) personal evaluation of log-based reflective learning in the seminar. Die Itemgruppen a), b), d) und e) sind als verbalisierte Ratingskalen angelegt, die Skala c) dagegen als halboffen gehaltene Zuordnungsaufgabe. Dies ist folgendermaßen zu begründen: Die Itemgruppen a) und b) fokussieren Aspekte der studentischen Wahrnehmung und Einschätzung ihres persönlichen Lernzuwachses in Bezug auf die in dem Mittelpunkt der Lehre gestellten Konstrukte method, methodology und communicative language teaching (Wissenschaftsbezug). Im Kern heben die Items a) und b) auf die kognitiv-inhaltliche Dimension von Englischlehrerbildung bzw. die Wissenschaftsorientierung in Bezug auf Fragen der Methodik des Englischunterrichts ab, aber auch auf die Eruierung der studen‐ tischen Bewertung des Beitrags der LV zum sich entwickelnden Selbstverständnis als angehende Lehrperson. Nach dem aktuellen Stand der Diskussion in der Fremdsprachen‐ didaktik lassen sich diese beiden Aspekte allenfalls in der Theorie voneinander trennen (vgl. hierzu die Beiträge in Burwitz-Melzer et al. 2018). Die Itemgruppen c) und d) beziehen sich im Kern eher auf den Zusammenhang von Berufsfeld- und Subjektbezug, hier insbesondere auf die Einschätzung der Studierenden, wissenschaftliche Ansätze zur Methodik des Englischunterrichts mit einigen exemplari‐ schen unterrichtlichen Realisierungsmöglichkeiten unter den Bedingungen digitaler, mul‐ timodaler und vorwiegend asynchron-schriftlich angelegter Lehre in Verbindung bringen zu können. Auch hier war es mir wichtig in Erfahrung zu bringen, wie zuversichtlich 166 Jürgen Kurtz <?page no="167"?> 5 Die Auswertung der Untersuchungsdaten und das Verfassen dieses Beitrags erfolgte im Wesentlichen in den veranstaltungsfreien Sommermonaten nach Beendigung der LV sowie weitergehend im Wintersemester 2021-22. Es sei hier zur Kontextualisierung der Untersuchung hervorgehoben, dass im Herbst 2021 zahlreiche Studierende vor dem Hauptgebäude der Universität Gießen für eine zu‐ mindest partielle Wiederaufnahme der Präsenzlehre demonstrierten. Umso wichtiger erschien es mir herauszufinden, was die Teilnehmenden über die LV, die in vielerlei Hinsicht wohl am weitesten von der Präsenzlehre entfernt ist, in Bezug auf die gewählten Aufgaben und Aktivierungsformate denken und welche Bedeutung sie der LV im Gesamtkontext ihrer Erwartungen an die Englischlehrerbildung beimessen. die Teilnehmenden auf die Verwertungspotenziale des in der LV Gelernten blicken. Die Itemgruppe c) habe ich vor diesem Hintergrund nicht als Ratingskala angelegt, sondern als eine auf die Theorie und Praxis des Englischunterrichts bezogene Zuordnungsaufgabe, die es den Studierenden ermöglichen sollte, ihren individuellen Lernzuwachs hinsichtlich der methodischen Betrachtungsebenen approach, design und procedure konkret zu erfassen und zu hinterfragen. Die Itemgruppe d) hebt noch wesentlich akzentuierter darauf ab, in Erfahrung zu bringen, wie sich die Zuversichtlichkeit der Studierenden darstellt, auf der Grundlage der LV künftig einen kommunikativ anspruchsvollen, bedeutsamen und ertragreichen Englischunterricht gestalten zu können. Die Itemgruppe e) zielt weitergehend und allgemeiner auf die studentische Einschät‐ zung des Beitrags der LV zu einer wissenschaftlich fundierten und zugleich berufsfeld‐ orientierten Englischlehrerbildung. Das an das Ende des Fragebogens gestellte Item resilience wurde mit in das Erhebungsinstrument aufgenommen, um zu explorieren, wie die Studierenden den Arbeitsaufwand und Nutzen des wöchentlichen Verfassens von Lerntagebucheinträgen sowie auch persönlichen Fragen und Stellungnahmen im digitalen Seminarforum erlebt haben und bewerten. Ich habe dieses Item mit in den Erhebungsbogen aufgenommen, um - ansatzweise zumindest - in Erfahrung zu bringen, ob bzw. inwieweit es gerechtfertigt ist anzunehmen, dass asynchron-schriftliche Lehrveranstaltungen von den Studierenden als eher anstrengend und ermüdend betrachtet (und von daher eher nicht gewählt? ) werden. 5 Zusammenfassend sei hier der explorative Charakter des Erhebungsinstruments und seiner Verwendung hervorgehoben. Der Fragebogen orientiert sich zwar an den von Menold & Bogner (2015) zusammengefassten Empfehlungen für die Gestaltung von Ra‐ tingskalen in sozialwissenschaftlich motivierten Untersuchungen, jedoch nicht im Sinne quantitativer bzw. ‚psychometrischer‘ Forschung. Der von mir zur Evaluation der LV entwickelte Fragebogen ist in den Kontext qualitativ-empirisch-explorativ motivierter Aktionsbzw. Praxisforschung einzuordnen, mit dem gebotenen bzw. entsprechend be‐ scheiden anzusetzenden Anspruch, zu fallbezogenen Beobachtungen und (vorläufigen) Erkenntnissen zu gelangen, die der weiteren Erforschung und Entwicklung der digitalen (hier speziell der englischdidaktischen) Lehre zuträglich sein können. 3.5 Datenaufbereitung In Bezug auf die Datenaufbereitung stand ich vor der Herausforderung, die individuellen studentischen Reaktionen auf meinen Fragebogen zur LV in Bezug zu a) den persönlichen Einträgen in die digitalen Lerntagebücher, b) den Stellungnahmen im Online-Forum, und c) den umfassenderen individuellen Reflexionen in den studentischen Seminarhausarbeiten 167 Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung <?page no="168"?> zu bringen. Dies erwies sich erwartungsgemäß als hoch komplex und anspruchsvoll, zumal es um die sinnvolle, mit den Erkenntnisinteressen korrespondierende Verknüpfung und Aufbereitung unterschiedlicher Datensätze ging (Datentriangulation). Ich bemühte mich hier um eine Systematisierung der studentischen Stellungnahmen zur Wahrnehmung der Bedeutung der Thematik für die universitäre Englischlehrerbildung, zur persönlichen Be‐ urteilung des gewählten digitalen, vornehmlich asynchron-schriftlichen Lehr-/ Lernformats im Hinblick auf die Aspekte Wissenschafts-, Bezugsfeld- und Subjektbezug sowie zur subjektiv wahrgenommenen ‚Wertigkeit‘ der Aufgabenformate und Aktivierungsimpulse im Gesamtkontext vornehmlich asynchron-digitaler Lehre und Professionalisierung. For‐ schungsmethodisch orientierte ich mich dabei an Aguado (2015). - 3.6 Datenauswertung Die Auswertung der aufbereiteten Datensätze erfolgte einerseits theoriegeleitet (top-down) im Hinblick auf die zentralen englischdidaktischen Konstrukte (method bzw. methodology sowie communicative language teaching in den Dimensionen approach, design, procedure) und in Bezug auf die hochschuldidaktischen Perspektiven der Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektorientierung, andererseits datengeleitet (bottom-up), hier vor allem hinsichtlich der studentischen Wahrnehmung des gewählten Online-Formats und der gewählten, thematisch verankerten Aufgabenformate und Aktivierungsformen (vgl. hierzu Burwitz- Melzer & Steininger 2016, 259ff). Darüber hinaus bemühte ich mich darum, themenbezo‐ gene studentische Lernerlebnisse und Lernergebnisse in Bezug auf die LV zu sichten und auszuwerten. Mitunter ließen sich diese Untersuchungsaspekte jedoch kaum voneinander trennen. Forschungsmethodisch orientierte ich mich hier in erster Linie an den Neuendorf (2002). 4 Erkenntnisse der Fallstudie - 4.1. Zur Teilnahmebereitschaft der Studierenden an der Erforschung dieser digitalen LV Die Studierenden verbanden mit ihrer Einwilligung, an dem begleitenden Forschungspro‐ jekt zu dieser LV teilzunehmen, im Wesentlichen die folgenden Interessen und Erwar‐ tungen, hier an drei Ankerbeispielen verdeutlicht: Dear all, I really enjoyed reading about the research initiative. I certainly think that it is a very good idea to assess the means of teaching in the digital age and would say that the current situation holds great potential for doing so. What I would be really interested in is how the learners' development differs from an asynchronous course like this one to the synchronous ones as well as to courses that adapted a digital format a longer while ago such as the TEFL hybrid courses. I would … really like to take part in a questionnaire. [EFLM_L_S1m_W3_F] I would also like to participate. While reading the introduction of the research initiative, I wondered in how far students are able to teach themselves during asynchronous sessions and whether it is a disadvantage for them or not. I am interested to see what my fellow students think about the learning process of asynchronous seminars. [EFLM_l_S17m_W3_T] 168 Jürgen Kurtz <?page no="169"?> I am also willing to take part in the questionnaire. However, I would really appreciate it if the participants were informed about the results drawn from the data. It would certainly be very interesting for me to learn about the results of a study I have personally participated in. [EFLM_M_S1w_W3_T] Hinsichtlich der studentischen Beweggründe, sich auf eine vorwiegend asynchron-schrift‐ liche englischdidaktische LV mit Begleitforschungsbezug einzulassen, wurde, weitgehend unabhängig vom jeweils gewählten Studiengang (Lehrämter, Master), das Folgende deut‐ lich: • Die pandemiebedingte, vollumfängliche Digitalisierung der universitären Lehre wurde nicht lediglich als ein Problem wahrgenommen, sondern auch als eine Chance in Richtung einer Diversifizierung der universitären Studienangebote bzw. weitergehend der Erweiterung der persönlichen Erfahrungs- und Erkenntnishorizonte. • Das forschungsbezogene studentische Engagement war bemerkenswert hoch; viele Studierende erwarteten jedoch, dass ihnen die Befunde der Untersuchung vermittelt und mit ihnen perspektivisch diskutiert wurden. - 4.2. Zur studentischen Beurteilung des zur Evaluation der LV bereitgestellten Fragebogens Die studentische Evaluation des Fragebogens, der speziell für diese LV entwickelt wurde, stellt sich gänzlich positiv dar: I am of the opinion that the feedback sheet provided in this seminar provides much more fruitful feedback than the normal feedback sheet provided by the university via StudIP (the one many lecturers ask us to complete at the end of the semester). I consider the very general feedback questions of the feedback sheet by the university not as useful as those adjusted to the seminar. I especially appreciate that the questionnaire also touches upon the affective dimension of learning. This way the lecturer also learns about the participants’ very personal opinions on this seminar. What is your opinion? [EFLM_L_S6w_W14_F] I definitely agree with xy. The questionnaire is very detailed and includes every aspect we have dealt with in this seminar. To be honest, it is not possible to fill in the questionnaire without having a look and re-reading the reflective log entries we wrote and that is why I think that this questionnaire is obviously more detailed than questionnaires we are familiar with. So, this questionnaire cannot be compared with the typical feedback questions. Because of that, I do not think that you can appropriately reflect on seminars if the questionnaire does not include the seminar's contents. [EFLM_L_S8m_W14_F] The given questionnaire is one of the most useful and specific ones I have ever used in my university career. In particular, I really like the rating “no progress, little progress, moderate progress, good progress, great progress and not applicable”, for it represents a wide range of progress, which is more useful than a rating with only three columns, for instance. Moreover, I believe that the testing of the knowledge about central categories of communicative classroom activities by the students being supposed to give examples is a great idea, as well as the brief review of critical learning incidents. [EFLM_M_S1m_W14_F] I also agree that the questionnaire helped a lot to reflect on the learning progress, and contained all aspects being discussed during the seminar. It also gives a pretty good idea in which way I want Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 169 <?page no="170"?> to reflect myself when I become a teacher. Moreover, rereading the learning logs been written over the course of this semester, I realized several improvements. However, I also have realized due to the learning logs and the questionnaire that I still have to improve reflecting on my learning progress to deepen my understanding of several definitions. [EFLM_L_S9w_W14_F] Interessanterweise nahmen die Studierenden speziell den Teil c) der Befragung (knowledge about central categories of communicative classroom activities) als eine - von mir so nicht beabsichtigte - Form der Selbstvergewisserung war, d.h. als eine unerwartete, aber offenbar willkommene Gelegenheit, sich noch einmal im Rückblick konkret mit dem eigenen Stand des Gelernten im Spannungsfeld von Wissenschafts- und Berufsfeldorientierung zu be‐ fassen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung studentischen Lernbewusstseins sehr bemerkenswert, auch und gerade wenn man weitergehend in Betracht zieht, dass die Förderung von Lernbewusstheit heutzutage zu den transversalen Kernkompetenzen des Englischunterrichts gehört: The questionnaire not only provides feedback for the lecturer on how good or bad the seminar was, but it also provides feedback to the students, who can check how much they have really learned during the seminar. Since it is so detailed I was able to more deeply reflect on what I really learned and how well I learned it. [EFLM_L_S5m_W14_T] Hinsichtlich der weiteren Entwicklung von universitären Erhebungsinstrumenten, die der Eruierung der sog. Qualität von Lehre und Studium, auch und gerade im digitalen Zeitalter dienlich sein sollen, bleibt vorläufig festzuhalten: • Evaluationskonzepte, die vor allem darauf abheben, den Lehrenden (bzw. den Deka‐ naten oder der Hochschulleitung) Rückmeldungen zur sog. Qualität von Lehre und Studium zu geben, sind in ihrer Bedeutung für die Weiterentwicklung des digitalen Lehrangebots zu relativieren. • Weitgehend inhaltsleere, disziplinen- und lehrveranstaltungsübergreifende Rating‐ skalen, wie sie im Rahmen der sog. Qualitätsentwicklung der Hochschullehre unter dem Regime der Kompetenzorientierung gegenwärtig vielerorts Verwendung finden, erscheinen vor diesem fallspezifischen Hintergrund diskussionsbzw. erklärungsbe‐ dürftig. Ich werde die Ergebnisse der Fragenbogenerhebung im Folgenden - den hochschuldidak‐ tischen Leitprinzipien der Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektorientierung entspre‐ chend - zunächst quantitativ-deskriptiv - offenlegen, um sie auf der Grundlage der qualitativen Datensätze qualitativ-interpretativ dann tiefergreifend zu analysieren. - 4.3 Zur studentischen Beurteilung der Wissenschaftsorientierung der LV In Bezug auf die Itemgruppen a) (global understand of and attitudes towards CLT) und b) (familiarity with core characteristics of CLT) ergibt sich das folgende Bild hinsichtlich der studentischen Beurteilung der Wissenschaftsorientierung der LV: 170 Jürgen Kurtz <?page no="171"?> Global understanding of and attitudes toward CLT - To a large extent To some extent To a limited extent Hardly at all I understand the concept of ‘language learning method’ 85% 15% - - I know what ‘approach’ means 81% 19% - - I know what ‘design’ means 70% 30% - - I know what ‘procedure/ technique’ means 78% 18% 4% - I know how the ALM and CLT differ in terms of approach to language and to language learning 52% 44% 4% - I know how the ALM and CLT differ in terms of goals and objectives 26% 67% 7% - I know how the ALM and CLT differ in terms of instructional design 26% 55% 19% - I know how the ALM and CLT differ in terms of preferred classroom procedures and activities 55% 41% 4% - My understanding of ‘method’ has changed since the beginning of the term 74% 26% - - My attitude toward lesson planning and its functions has changed since the beginning of the term 30% 44% 22% 4% My view of my ‘self ’ as an EFL teacher as changed since the beginning of the term 44% 41% 15% - Familiarity with core characteristics of CLT - To a large extent To some extent To a limited extent Hardly at all No answer I can explain the difference between a structural (forms-based) and a functional (usage-based) approach to TEFL 37% 41% 22% - - I can explain what is meant by ‘weak’ and ‘strong’ versions of CLT 74% 19% 7% - - I can explain how the theoretical founda‐ tions of CLT differ in parts in Germany and in English-speaking countries 7% 43% 45% 5% - I can explain how some models of CLT (Ca‐ nale, Savignon, Celce-Murcia) differ from each other in terms of emphasis on certain competencies and skills 26% 59% 15% - - Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 171 <?page no="172"?> To a large extent To some extent To a limited extent Hardly at all No answer I can explain how task-based language teaching (TBLT) relates to CLT 37% 52% 7% - 4% I can explain why context is important in CLT and TBLT 56% 41% 3% - - I can explain what PPP means 70% 26% 4% - - I can explain the difference between PPP and TBLT 41% 52% 7% - - I can explain the role of the teacher in PPP and TBLT 56% 41% 3% - - I can explain the role of the learner in PPP and TBLT 52% 41% 7% - - I can explain the role of teacher questions in CLT 50% 50% - - - I can explain the role of grammar in CLT 46% 50% 4% - - I can explain the difference between induc‐ tive and deductive grammar teaching in CLT 67% 26% 7% - - I can explain what ‘input’ means 85% 15% - - - I can explain what ‘output’ means 85% 15% - - - I can explain what ‘intake’ means 44% 37% 11% 8% - I can explain what ‘noticing’ means 67% 22% 11% - - I can explain the role of accuracy in CLT 52% 37% 11% - - I can explain the role of noticing in language learning 56% 33% 11% - - I can explain the role of corrective feedback in CLT 30% 63% 7% - - I can explain what ‘implicit’ and ‘explicit’ corrective feedback means 22% 63% 15% - - I can explain why it is important to know various ways of providing corrective feed‐ back 41% 44% 15% - - I can explain what IRF means 15% 48% 37% - - Die studentischen Bewertungen des von ihnen wahrgenommenen Lernzuwachses stellen sich in Bezug auf die in den Mittelpunkt der LV gestellten englischdidaktischen Konzepte und deren attitudinale und selbstkonzeptbezogene Einordnung überwiegend positiv dar. Dies konnte in Anbetracht der Diversität der polyvalent zu bedienenden Lehramts- und Masterstudiengänge und der Heterogenität der Teilnehmenden (d.h. ihrer divergier‐ 172 Jürgen Kurtz <?page no="173"?> enden, mir teilweise unbekannten Wissensbestände sowie Studienbzw. Berufsziele), aber auch aufgrund des für viele weitgehend unbekannten digitalen Lehr-/ Lernformats keineswegs erwartet werden. Im Kern bleibt allerdings festzuhalten, dass die unter, dem Gesichtspunkt der Outcome-Orientierung der Lehre im Sinne von ‚I know‘ und ‚I can‘ generierten Ratingitems und -skalen nur einen unvollständigen, womöglich trügerischen Eindruck vom Wissen und Wissenserwerb im englischdidaktischen Studium vermitteln. Sie lassen keine präzisen bzw. tragfesten Aussagen zum tatsächlichen studentischen Lernzuwachs zu. Da sich aus der quantitativ-deskriptiven Betrachtung der Erhebungsergebnisse zu a) und b) keine tiefgreifenderen Erkenntnisse gewinnen lassen, bedarf es der Betrachtung und Triangulation weiterer (prozessbezogener) Daten und Perspektiven. Dies ist hier in der weitergehenden, qualitativ-interpretativen Auswertung allerdings nur ansatzweise darstellbar. Festzuhalten ist diesbezüglich das Folgende: Die an den Anfang der LV gestellte Aufgabe, sich mit einer der zahlreichen Websites zu befassen, die - zumeist kommerziell motiviert - terminologisch unpräzise und fragwürdige Unterrichtsrezeptologien verbreiten, sollte einen bewusst herbeigeführten Bruch mit her‐ kömmlichen hochschuldidaktischen Lehrkonzepten und dahingehend womöglich bereits geformten studentischen Vorstellungen und Erwartungen darstellen. Ich denke hier in erster Linie an solche Lehrveranstaltungen, die von Anfang an auf die Auseinandersetzung mit (Auszügen aus) wissenschaftlichen Publikationen abheben. Im Kontext rein digital zu gestaltender, vorwiegend asynchroner Lehre erschien es mir angebracht, einen anderen, dem intensiven Online-Medienkonsum heutiger Studentinnen und Studenten besser ent‐ sprechenden Einstieg in die Thematik zu wählen. So sollten sie aufgabengesteuert heraus‐ gefordert werden, a) ihre bereits vorhandenen Kenntnisse und subjektiven Überzeugungen zur Methodik des Englischlehrens und -lernens zu aktivieren bzw. zu relativieren, und b) ihre (mehr oder weniger ausgeprägt) vorhandene digital media literacy auf den Prüfstand zu stellen. Hinsichtlich des englischunterrichtlichen Methodenbegriffs (method; methodology) ergab sich in der Folge eine große Spannweite studentischer Wahrnehmungen und Bewer‐ tungen. Nicht wenige der Studierenden übten Kritik an der unter englischbzw. fremdspra‐ chendidaktischen Gesichtspunkten als fragwürdig einzuordnenden Mosalingua-Website, allerdings auf der Grundlage unterschiedlich ausgeprägter didaktisch-methodischer und medienkritischer Kenntnisse sowie auch persönlicher Überzeugungen (preconceptions, beliefs). Einige brachten ihre (von mir so provozierte) Irritation in Bezug auf den gewählten Einstieg in die LV und die auf der ausgewählten Website vertretene Methodenkonzept zum Ausdruck. Andere nahmen die Mosalingua-Website dagegen zunächst eher unkritisch wahr, d.h. sie setzten sich mit der dort propagierten methodology ohne eine erkennbare Re‐ flexion wissenschaftlicher method-Konzepte (d.h. eher intuitiv) in ihren Lerntagebüchern auseinander. Hier zunächst ein Beispiel für eine unter englisch- und medienkritischen Aspekten in der anfänglichen Reflexionsweite und -tiefe bereits bemerkenswert differenzierte studentische Stellungnahme, die zudem ein vergleichsweise hohes Maß an theoretischkonzeptueller und hochschuldidaktischer Reflexion sowie auch zielgerichteter Studienmo‐ tivation erkennen lässt: Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 173 <?page no="174"?> Mathilde seems to have a rather broad understanding of the term method. The article (…) has lead to some irritation on my side, which is why I would really appreciate it if we could learn more about common definitions of the term ‘method’. Without proper understanding of the relevant terminology, I am afraid, effective and efficient learning is not much likely to take place. I consider a profound understanding of the respective terminology one of the key aspects to a profound understanding of any field of study. [EFLM_L_S4m_W1_T] Die nachfolgenden beiden Beispiele verdeutlichen exemplarisch, wie heterogen sich letztlich jedoch das studentische Reflexionsvermögen zur Methodik des Englischunter‐ richts unter dem Gesichtspunkt der Wissenschaftsorientierung eingangs darstellte. Hier zunächst eine zumindest in Teilen als methodenkritisch zu betrachtende studentische Stellungnahme, gefolgt von einer Einschätzung, die ich als problematisch einstufen würde: After reading the article, I can say, that I generally agree with Mathilde, when she regards aspects such as motivation, actually using the vocabulary in a context and to not worry about mistakes as very important in learning a language. But, do those five aspects she mentions equal a method? For me, a method as such is like a ‘system’ with particular steps you have to follow in order to achieve ‘something’. The various steps are very clear and serve as a ‘check up’ to see what you already did and what still is left. In this sense, what Mathilde mentions are, in my perspective more like tips that can help when learning a language, but not as clear method with clear instructions to follow. [EFLM_L_S2w_W1_T] Mathildes article talks about five methods that can be used to learn a language in general and is not solely focused on the English language. The methods therefore can be applied to every language one wants to learn, which is the first thing that constitutes them as methods because they work in a general way. The methods shown moreover not only present different procedures to accomplish a certain goal but also contain systematic features to do so. [EFLM_L_S3w_W6_T] Das zunehmend in dieser LV sich entwickelnde Problembewusstsein der Studierenden in Bezug auf den Methodenbegriff und den kommunikativen Ansatz sei hier exemplarisch anhand der folgenden studentischen Äußerungen und Fragen im Online-Forum verdeut‐ licht: During the seminar it becomes clear that CLT is a process which has been revised again and again over the years as Richards mentions “communicative language teaching has passed through a number of different phases” (Richards: 41). I wonder if CLT is still expandable and if yes, which competencies could even become more important, and what could the model of CLT look like in a few years. [EFLM_L_S8w_W6_F] Celce-Murcia proposes a "chronological evolution" of communicative competence (cf. Celce-Murcia 2008: 43). Would you say that every "evolutionary step" can also be seen as an improvement? What about the older models are they still relevant or can they be ignored? [EFLM_L_S6m_W6_F] Rückblickend lässt sich unter dem Gesichtspunkt der Wissenschaftsorientierung das Folgende in Bezug auf die gewählte Seminareröffnung, hier speziell in Bezug auf das an den Anfang gestellte Aufgabenformat und die angedachte Studierendenaktivierung im digitalasynchronen Format festhalten: 174 Jürgen Kurtz <?page no="175"?> • Die anfängliche Konfrontation der Studierenden mit englischdidaktisch als fragwürdig zu beurteilenden Webinhalten hat sich als erhellend in Bezug auf die vorhandenen Kenntnisse zu Fragen der Methodik erwiesen. Dass diese Aufgabe einen derart hohen und letztlich wertvollen ‚diagnostischen‘ Wert (für die Studierenden und mich) haben könnte, hatte ich so nicht erwartet. • Kennzeichnend für die meisten der in der Anfangsphase der LV in den Lerntagebü‐ chern und Forendiskursen zum Ausdruck kommenden studentischen Vorerfahrungen, Kenntnisse und Überzeugungen ist die zunächst partikuläre Sicht auf Fragen der Methodik im Sinne einer vorrangig praxeologisch-intuitiv motivierten methodology. Dies gilt weitgehend unabhängig vom gewählten Studiengang. • Die studentischen Lerntagebücher und Foreneinträgen verweisen zu Beginn der LV auf ein hohes Maß an englischdidaktischer- und medienreflexiver Heterogenität, Di‐ versität und Divergenz. Damit muss unter den Bedingungen der eingangs dargestellten Polyvalenz der Lehre auch in Präsenzveranstaltungen gerechnet werden. Im Kontext vorwiegend asynchron-schriftlich organisierter digitaler Lehre bedarf es jedoch einer individuell einfühlsamen Aktivierung und Flankierung der angestrebten Interaktions- und Lernprozesse, vor allem wenn es darum geht, die Studierenden zu ermutigen, sich schriftlich unter Preisgabe ihres jeweils vorhandenen, wissenschaftlich fundierten Reflexionsvermögens in die Diskussion einzubringen. In einer englischdidaktischen Präsenzveranstaltung ist alles im Fluss; weil vorwiegend mündlich und in der Dis‐ kussion flüchtig. Die Teilnehmenden können hier weitgehend selbst entscheiden, ob, wann und wie sie sich (spontan) einbringen möchten. Dies ist in der digitalasynchron-schriftlichen Lehre anders, da alle gefordert sind, sich regelmäßig unter Einhaltung vorgegebener Einreichungsfristen einzubringen. Es ist zudem ein hohes Maß an studentischer Kritikfähigkeit erforderlich, zumal auf das jeweils Geschriebene dauerhaft zugegriffen werden kann. • Die wöchentlich gestellten Aufgaben, viel mehr noch als in der Präsenzlehre und ggf. auch in der synchron über Videokonferenzen organisierten digitalen Lehre, müssen so (eindeutig) angelegt sein, dass sie das angestrebte, weitgehend selbstregulierte Lernen ermöglichen können. Die asynchrone Lehre stellt allergrößte Herausforderungen an die Fähigkeiten der Lehrenden, Aufgaben und Aktivierungsimpulse schriftlich so zu formulieren, dass sie (ohne die Möglichkeit der spontanen mündlichen Nachfrage) für die Studierenden verständlich sind. Hierzu ist eine nicht zu unterschätzende Erfahrung und Expertise notwendig. Dies beinhaltet auch die Fähigkeit, komplexe wissenschaftliche Terminologien, Theorien und Modelle in schriftlicher Form (in der rein englischsprachig realisierten Lehre) zu erklären und zu diskutieren. • Im Laufe der LV entschied ich mich dazu, den in der Seminarplanung ursprünglich angedachten, einwöchigen Aufgabenrhythmus für eine gewisse, im Verlauf des Se‐ mesters nicht absehbare Zeit, zu verändern. Ich gab den Studierenden, wie unter 2.2.2 dargestellt, zwischenzeitlich zwei Wochen Zeit, um die (dahingehend leicht angepassten, aber nicht ausgeweiteten) Aufgaben zu bearbeiten. Dies erachtete ich als eine sinnvolle, den Studierenden unter den schwierigen Bedingungen der Pandemie entgegenkommende Maßnahme. Für manche der Teilnehmenden stellte die zeitweise Umstellung des Seminarrhythmus aber eine (von mir unerwartete) studienorganisato‐ Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 175 <?page no="176"?> rische Erschwernis dar, und zwar in dem Sinne, dass sie ihre in dieser LV geforderten Leistungen (Einträge in das persönliche Lerntagebuch; schriftliche Stellungnahme im Online-Forum) zugunsten anderer Lehrveranstaltungen so weit verschoben, dass sie in Schwierigkeiten gerieten, ihre von Woche zu Woche in dieser LV geforderten Beiträge termingerecht einzureichen. • Dies deutet darauf hin, dass das gewählte, vorwiegend asynchron-schriftliche digitale Studienformat lehr- und lernseitig hoch anspruchsvoll in Bezug auf seine Einbettung in eine universitäre Englischlehrerbildung ist, die (auch nach der Pandemie) darauf abheben sollte, die Studierenden mit unterschiedlichen Lehr-/ Lernformaten vertraut zu machen. In Abwägung der Herausforderungen, Chancen und weiterführenden Fragen, die sich vor dem Hintergrund dieser Fallstudie ergeben, wäre es allerdings fahrlässig, zu einer rein in Präsenz organisierten Lehre zurückzukehren. Bemerkenswert ist jenseits dessen, gerade im Zeitalter modularisierter Studiengänge, dass einige Studierende nach Einführung der diversen theoretischen Modellvorstellungen zur kommunikativen Kompetenz nach und nach begannen, sich tiefer greifend mit Fragen der Methodik des Englischlehrens und -lernens zu befassen, indem sie eigenständig Fragen aufwarfen, die über die jeweilige konkrete Aufgabenstellung - unter Einbeziehung des in anderen Lehrveranstaltungen Gelernten - hinausgingen. Exemplarisch sei hier auf den Aspekt der Authentizität kommunikativen Englischunterrichts verwiesen, der in den zur Diskussion gestellten wissenschaftlichen Modellvorstellungen zur kommunikativen Kompetenz nicht explizit behandelt wird: From what I drew from the introductory lecture and other seminars, I believed authenticity to be a very prominent aspect of CLT. What are your thoughts on this? How important do you think authenticity really is in CLT? [EFLM_L_S17m_F] Die eigenständige studentische Verknüpfung modular vermittelter Studieninhalte ist unter dem Gesichtspunkt einer ganzheitlich gedachten Englischlehrerbildung (vgl. 1.1. und 1.2) wünschenswert bzw. hoch einzuschätzen. - 4.4 Zur Bezugsfeldorientierung der LV In Bezug auf die die Itemgruppen c) (knowledge about central categories of communicative classroom activities) und d) (confidence in promoting CLT in the EFL classroom) stellen sich die Ergebnisse des Fragebogens zur Berufsfeldorientierung der LV ebenfalls insgesamt positiv dar. Erfreulich zu sehen ist, dass die allermeisten Studierenden gegen Ende der Veranstaltung in der Lage waren, zentrale Konstrukten bzw. Unterrichtsprinzipien mit dahingehend ausgerichteten englischunterrichtlichen Aktivitäten und Aufgabenformaten in Verbindung zu bringen. Exemplarisch sei hier auf das für den kommunikativen Ansatz wichtige Konstrukt focus on communicative practice verwiesen, das die Studierenden in erster Linie mit Sozial- und Aktionsformen wie Partner- oder Gruppenarbeit und diversen monologisch wie dialogisch angelegten mündlichen und schriftlichen Aktivitäten (Rollenspiele, Lernspiele, projektorientierte Sprechaktivitäten, Improvisationen, u.a.m.) verbanden. Aber auch zu den anderen, nicht minder wichtigen theoretischen Prinzipien und Konstrukten (Schülerorientierung, Feedback, kommunikative Grammatikvermittlung, 176 Jürgen Kurtz <?page no="177"?> focus on form bzw. focus on forms u.a.m.) finden sich zahlreiche, weitgehend nachvollzieh‐ bare begründete unterrichtliche Praktiken. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, einen als kommunikativ zu bezeichnenden Englischunterricht in der Zukunft inszenieren zu wollen und zu können (confidence in promoting CLT in the EFL classroom), wurde mehrheitlich hoch angesetzt, aber, wie die folgende Auswertung zeigt, nicht überzogen bewertet: Confidence in promoting CLT in the EFL classroom - To a large extent To some extent To a limited extent Hardly at all No answer I feel confident about implementing the communicative approach in the EFL class‐ room in the future 48% 48% 4% - - I think my knowledge of the scholarly literature on CLT will help me make informed decisions in the future 56% 37% 7% - - I suppose my own proficiency in English is sufficient for implementing CLT flexibly in different classroom contexts (lower, in‐ termediate, upper-intermediate, advanced levels, related to your future field of work: L1, L2, L3, L5) 44% 48% 8% - - I think CLT is in line with my own beliefs about how English should be taught in schools 59% 41% - - - Since most present-day EFL textbook adhere to the principles of CLT, it will not be diffi‐ cult to implement it in class 15% 70% 11% - 4% Dass nahezu alle Studierenden in der Befragung zum Ausdruck bringen, der kommunikative Ansatz füge sich in ihr Grundverständnis von (gutem, gelungenem) Englischunterricht ein („I believe CLT is in line with my own beliefs about how English should be taught in schools“ [EFLM_L_S7w_W14_T]), muss zu der studentischen Hoffnung in Bezug gebracht werden, dass heutige Lehrwerke, in Teilen zumindest, hierzu den Weg weisen können. Die Skepsis überwiegt diesbezüglich jedoch. Hierzu zwei exemplarische Stellungnahmen aus den studentischen Lerntagebüchern: There is no ‚best method‘, often several teaching concepts exist side by side and the methods are usually applied differently by all teachers. The development has shown that there is no universal teaching method for all learners. […] At first, I thought that as an English teacher, I would only have to use textbooks and curricula to teach my future students. However, the concepts and principles of TEFL taught me that I need to teach my students how to communicate with others. I will let them speak in English as often as possible so that they can practice and become more and more confident in their use of the foreign language, and so that one day they will be able to express themselves properly. [EFLM_L_S4m_W14_T] Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 177 <?page no="178"?> Although I sometimes still have a hard time understanding the different core concepts and approach to foreign language instruction and learning, my view of English teaching has changed during my studies. I always assumed that English lessons consisted of the book and the CD. However, I noticed relatively quickly that it was not that simple. [EFLM_M_S1w_W14_T] Wie unterschiedlich jedoch das komplexe Gefüge von Wissenschafts- und Berufsfeldbezug im Kontext der universitären Englischlehrkräftebildung interpretiert wird, lassen die folgenden beiden studentischen Statements erkennen: In my opinion, it is only possible to see if a term is fully understanding [sic] when it can be used in real life for lesson planning. [EFLM_M_S1m_W14_T] In order to develop professional teaching competence, it is vitally important to become aware of one’s own experiences, beliefs and convictions about how to teach and learn English best. The teachers’ vast array of experiences, beliefs and convictions greatly impacts their instructional decisions in the classroom, since teaching is a complex cognitive activity. Therefore, the need to understand the underlying belief systems of language teachers and the impact these have on their classroom practices plays an important role in the field of TEFL. […] At the beginning, I thought of a “method” mostly in terms of practical techniques and activities only. However, now I know that it is much more than that. [EFLM_L_S10w_W14_T] Unter Einbeziehung der studentischen Diskussionsbeiträge im Online-Forum sowie auch der individuellen Stellungnahmen zum Berufsfeldbezug der LV in den Lerntagebüchern ergibt sich im Ganzen das folgende Bild: • Die große Mehrheit der Teilnehmenden misst der hochschuldidaktisch von mir ange‐ strebten Zusammenführung von wissenschaftsorientierten und berufsfeldorientierten Studienaufgaben und Diskussionsimpulsen eine große Bedeutung zu. • Auch wird die Fortführung dieses Ansatzes in der dahingehend vorstrukturierten Seminarhausarbeit mehrheitlich als angemessen, hilfreich und gewinnbringend einge‐ schätzt, auch und gerade unter den Bedingungen vorwiegend asynchron-schriftlicher Lehre. • Den erhobenen Daten ist insgesamt zu entnehmen, dass die meisten Studierenden im Laufe des Semesters erkannt haben, warum es wichtig ist, in Bezug auf Fragen der Methodik des schulischen Englischunterrichts a) zwischen method as proposed by theorists und methodology as practiced by teachers zu unterscheiden, b) methods as products of their times zu begreifen, und c) in diesem Kontext die Betrachtungsebenen approach, design und procedure in den Blick zu nehmen (vgl. 1.1). • Die aufeinander bezogenen Datensätze deuten zudem darauf hin, dass die LV offenbar (mehr oder minder) dazu beigetragen hat, sich mit dem individuell wahrgenommenen Stellenwert des Themas der LV für den weiteren beruflichen Werdegang im Sinne von teaching as informed decision-making auseinanderzusetzen (vgl. 1.1). - 4.5 Zur Subjektorientierung der LV Die Itemgruppe e) des Erhebungsbogens sollte dazu dienen, explorativ in einer ersten Annäherung in Erfahrung zu bringen, wie die Studierenden das hochschuldidaktische Design der LV (hier insbesondere den Einsatz von Lerntagebüchern im vorwiegend 178 Jürgen Kurtz <?page no="179"?> schriftlichen digital-asychronen Zugang) individuell wahrgenommen und in ihrem Verlauf erlebt haben. Die Ergebnisse der Befragung stellen sich wie folgt dar: Personal evaluation of log-based reflective learning in the seminar As a result of your weekly written reflections, what progress have you made in becoming a reflective practitioner? no pro‐ gress little pro‐ gress mode‐ rate pro‐ gress good pro‐ gress great pro‐ gress not ap‐ plicable No answer Connecting key class ideas with previous beliefs about how to teach Eng‐ lish best - 4% 18% 52% 26% - - Integrating class ideas into acquired experiencebased knowledge about TEFL - 7% 15% 48% 30% - - Learning to see TEFL from the learner’s/ learning per‐ spective - 4% 15% 40% 37% 4% - Learning to see TEFL from the teacher’s/ teaching perspective - - 7% 52% 37% 4% - Learning to see the chances, challenges and demands of CLT - - 18% 52% 22% 4% 4% Understanding research studies and scholarly texts focusing on TEFL (e.g. DESI) - 10% - 15% 52% 19% 4% - Using key TEFL terms and concepts in learning journal - 7% 34% 48% 7% 4% - Understanding the value of theory and research for planning, implementing and reflecting on CLT 4% - 15% 52% 25% 4% - Using systematic reaso‐ ning in discussion of core concepts and models 4% - 7% 26% 48% 15% - - Being able to write aca‐ demic texts using appro‐ priate terminology - 12% 27% 35% 23% 3% - Being able to self-reflect on own written language proficiency in terms of ac‐ curacy and terminological adequacy 4% - 7% 59% 26% 4% - Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 179 <?page no="180"?> As a result of your weekly written reflections, what progress have you made in becoming a reflective practitioner? no pro‐ gress little pro‐ gress mode‐ rate pro‐ gress good pro‐ gress great pro‐ gress not ap‐ plicable No answer Understanding own lear‐ ning preferences (as a uni‐ versity TEFL student) 7% - 19% 26% 44% 4% - Resilience: ability to respond and adapt to high workload and experiencing stress 4% - 11% 26% 30% 22% 7% - Im Großen und Ganzen deutet die Befragung auf eine eher positive Beurteilung des Einsatzes von Lerntagebüchern in der LV hin. Der selbst wahrgenommene Lernfortschritt wird mehrheitlich als hoch eingeschätzt (good progress, great progress). Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass einige Studierende den Beitrag der LV zu zentralen Aspekten und Zielsetzungen als eher ‚moderat‘ einstufen (moderate progress). Dies wirft weitergehende, lernprozessbezogene Fragen auf, die eine konkretere, qualitativ-analytische Betrachtung der studentischen Lerntagebücher erforderlich macht. Exemplarisch sei in diesem Rahmen auf den folgenden Tagebucheintrag verwiesen, der konkret zu erkennen gibt, welche Selbstreflexionsprozesse auf der Subjektebene in der LV im Einzelnen in Gang gesetzt werden konnten: After analysing my written learning logs, I have observed numeral aspects which have changed over the course of this semester. The first one is a more general aspect, which can be seen when rereading the learning logs. It is connected to the way I used to reflect. In my first learning logs my reflection was no real reflection because I often only summarized the text, or material we were supposed to work with, and reflected in a short paragraph at the end of the log about the topic. However, this changed over the course of this semester. I started to incorporate personal experiences in my logs, and also tried to imagine a classroom scenario in which the targeted aspect of CLT can be used. This provided deeper thoughts on a certain topic, making it more understandable and connected to real life teaching. Also, I realized that in some topics in which multiple teaching models, or theoretical constructions were covert I gave my opinion on which of those I would prefer when teaching English, and which might be problematic. Therefore, the different ideas I found interesting and useable for the English teaching classroom are more rememberable. Gleichwohl darf in diesem Zusammenhang die große Streuung der Ergebnisse in Bezug auf die Beurteilung der eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten, mit Belastung und Stress in einer vorwiegend asynchron-schriftlich angelegten LV umzugehen (resilience), nicht unterbeachtet bleiben. Im Großen und Ganzen erscheint es angemessen zu sein, die LV aus der Subjektperspektive (lern- und lehrseitig) wie folgt einzuordnen: • Die vorwiegend asynchron realisierte Online-LV war für alle Beteiligten (mich selbst eingeschlossen) aufgrund der zumeist schriftsprachlich geführten, zeitversetzten Dis‐ tanzkommunikation gewöhnungsbedürftig. 180 Jürgen Kurtz <?page no="181"?> • Die überwiegend schriftsprachliche Interaktion war rezeptions- und produktionsseitig anstrengend und stellte für alle Beteiligten eine als mehr oder minder belastend wahrgenommene inhaltliche und sprachliche Herausforderung dar. • Die LV wurde gleichwohl in Bezug auf die Dimensionen ‚Wissenschaftsorientierung‘ und ‚Berufsfeldorientierung‘ von der großen Mehrheit der Studierenden als ergiebig bzw. ertragreich betrachtet. Für mich selbst stellte sich diese Form der Lehre höchst anspruchsvoll dar. Der selbst gesetzte Anspruch, die LV unter den Bedingungen größter Heterogenität, Diversität und Divergenz von Woche zu Woche flexibel und adaptiv in Bezug auf die Aufgabenangebote und die Individualisierung des studentischen Feedbacks zu gestalten, führte mich an die Grenzen meiner Belastungsfähigkeit. Der Handlungsdruck war lehr- und lernseitig immens, aber für mich niemals demotivierend, da sich die Mehrheit der Studierenden mit großem Engagement aktiv beteiligte. 5 Fazit und Ausblick Vor 40 Jahren wies John Naisbitt in seinem seinerzeit viel beachteten Buch „Megatrends. Ten New Directions Transforming Our Lives“ (1982) auf die disruptiven Potenziale der damals erst ganz am Anfang stehenden Digitalisierung aller Lebensbereiche hin. Er schrieb: „The more technology we introduce into society, the more people will aggregate; will want to be with other people …” (1982: 42). Er fasste diesen, von ihm so identifizierten und absehbaren sog. Megatrend mit dem Worten high tech vs. high touch zusammen und meinte damit: je mehr high tech wir bereit sind zuzulassen und zu nutzen, desto größer wird unsere Sehnsucht nach high touch werden, i.e. nach persönlicher Nähe im gegenseitigen Austausch. Die pandemiebedingte Forcierung der digitalen Studienangebote, aber auch der eng‐ lischunterrichtlichen Unterrichtsangebote an den Schulen in Deutschland und anderswo, verweist auf den dringenden Bedarf einer wesentlich tiefergreifenden Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung. Hierzu abschließend eine entspre‐ chende studentische Einschätzung: I am sure we could have had more intense discussions and would have been able to share more ideas, if we had been able to take the course in person, but nonetheless, I do think that the online seminar in connection with learning logs helped me to have a more personal engagement with the topic and advance my knowledge. [EFLM_L_S8w_W14_H] Die Erfahrungen und Erkenntnisse, die wir in der rein digitalen Lehre sammeln konnten, sind für die weitere Entwicklung von Englischlehrerbildung und schulischem Englischun‐ terricht von großer Bedeutung. Nach der Pandemie werden Lehre und Unterricht nicht mehr so sein können wie davor. Analyse einer vorwiegend asynchronen englischdidaktischen Lehrveranstaltung 181 <?page no="182"?> Literatur Aguado, Karin (2015). Triangulation: Möglichkeiten, Grenzen, Desiderate. In Daniela Elsner & Britta Viebrock (Hrsg.), Triangulation in der Fremdsprachenforschung (S. 203-219). Frankfurt: Lang. Barkhuizen, Gary P. (Ed.) (2017). Reflections on language teacher identity research. New York: Routledge. Barkhuizen, Gary P. (Ed.) (2021). Language teacher educator identity. Cambridge: Cambridge Univer‐ sity Press. Bausch, Karl-Richard, Burwitz-Melzer, Eva, Königs, Frank G. & Krumm, Hans-Jürgen (2011) (Hrsg.), Fremdsprachen lehren und lernen: Rück- und Ausblick. Arbeitspapiere der 30. 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The book also provides ideas for combining different feedback methods synergistically and closes with recommendations for developing dynamic digital feedback literacies among teachers and students. Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de <?page no="187"?> Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Giessener Beiträge Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik ISBN 978-3-8233-8595-0 Lehrpersonen in der akademischen Fremdsprachendidaktik zeigten während der COVID-19-Pandemie einigen Ideenreichtum in Bezug auf die Konzeption ihrer Lehrveranstaltungen. Vor allem die Aktivierung der Studierenden musste weitgehend neu gedacht und mithilfe digitaler Medien realisiert werden. Termini wie „synchron“, „asynchron“ oder „hybrid“ gehörten plötzlich zum Alltagsvokabular. Dieser Band beschreibt die metareflexiven Prozesse einer Disziplin, die im Zuge einer radikalen Umstellung auf digitale Lehre das eigene Selbstverständnis befragt und dabei zukunftsweisende Praktiken exploriert.