Interferenzen beim Simultandolmetschen vom Spanischen ins Deutsche aus (psycho)linguistischer und dolmetschprozessorientierter Perspektive
0530
2023
978-3-8233-9601-7
978-3-8233-8601-8
Gunter Narr Verlag
Jennifer Konzett
10.24053/9783823396017
Das Werk befasst sich mit Interferenzen beim Simultandolmetschen in die A-Sprache in der Sprachkombination Spanisch - Deutsch. Die Erforschung von Interferenzen wurde im Bereich der Dolmetschwissenschaft bislang vernachlässigt, obwohl das Phänomen der Interferenzerscheinungen nicht nur aus linguistischer Perspektive interessant ist, da so sprachspezifische Schwierigkeitsstellen erfasst werden können, sondern auch aus dolmetschprozessorientierter Perspektive, da es einen Einblick in die Sprachverarbeitung und Strategien während des Simultandolmetschens ermöglicht. Es wurde folglich eine interdisziplinäre Perspektive an der Schnittstelle zwischen Linguistik und Dolmetschwissenschaft für die Erforschung von Interferenzen gewählt, um sowohl die linguistischen und sprachenpaarspezifischen Erkenntnisse als auch die Spezifika des Dolmetschprozesses berücksichtigen zu können.
<?page no="0"?> Studien zur kontrastiven deutschiberoromanischen Sprachwissenschaft Das Werk befasst sich mit Interferenzen beim Simultandolmetschen in die A-Sprache in der Sprachkombination Spanisch - Deutsch. Die Erforschung von Interferenzen wurde im Bereich der Dolmetschwissenschaft bislang vernachlässigt, obwohl das Phänomen der Interferenzerscheinungen nicht nur aus linguistischer Perspektive interessant ist, da so sprachspezifische Schwierigkeitsstellen erfasst werden können, sondern auch aus dolmetschprozessorientierter Perspektive, da es einen Einblick in die Sprachverarbeitung und Strategien während des Simultandolmetschens ermöglicht. Es wurde folglich eine interdisziplinäre Perspektive an der Schnittstelle zwischen Linguistik und Dolmetschwissenschaft für die Erforschung von Interferenzen gewählt, um sowohl die linguistischen und sprachenpaarspezifischen Erkenntnisse als auch die Spezifika des Dolmetschprozesses berücksichtigen zu können. Interferenzen beim Simultandolmetschen Konzett SkodiS 7 Jennifer Konzett Interferenzen beim Simultandolmetschen vom Spanischen ins Deutsche aus (psycho)linguistischer und dolmetschprozessorientierter Perspektive ISBN 978-3-8233-8601-8 <?page no="1"?> Studien zur kontrastiven deutsch-iberoromanischen Sprachwissenschaft (SkodiS) Band 7 <?page no="2"?> Studien zur kontrastiven deutsch-iberoromanischen Sprachwissenschaft (SkodiS) Herausgegeben von Meike Meliss und Bernhard Pöll Wissenschaftlicher Beirat Joachim Born (Universität Gießen) José Antonio Calañas Continente (Universitat de València) Mireia Calvet Creizet (Universitat de Barcelona) Juan Cuartero Otal (Universidad Pablo de Olavide, Sevilla) Paul Danler (Universität Innsbruck) María José Domínguez Vázquez (Universidade de Santiago de Compostela) Brigitte Eggelte (Universidad de Salamanca) Christian Fandrych (Universität Leipzig, Herder-Institut) Marta Fernández Villanueva (Universitat de Barcelona) María Jesús Gil Valdés (Universidad Complutense de Madrid) Sybille Große (Universität Heidelberg) José Luis Herrero Ingelmo (Universidad de Salamanca) Thomas Hüsgen (Universidade do Porto) Rafael López Bodineau (Universidad de Sevilla) Macià Riutort Riutort (Universitat Rovira i Virgili, Tarragona) Paloma Sánchez Hernández (Universidad Complutense de Madrid) Bernd Sieberg (Universidade de Lisboa) María Teresa Zurdo Ruiz Ayúcar (Universidad Complutense de Madrid) <?page no="3"?> Jennifer Konzett Interferenzen beim Simultandolmetschen vom Spanischen ins Deutsche aus (psycho)linguistischer und dolmetschprozessorientierter Perspektive <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783823396017 Publiziert mit Unterstützung der Stiftungs- und Förderungsgesellschaft der Universität Salzburg. © 2023 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach CPI books GmbH, Leck ISSN 2365-3337 ISBN 978-3-8233-8601-8 (Print) ISBN 978-3-8233-9601-7 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0479-1 (ePub) www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> Inhalt Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Abstract . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1.1 Themenwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.2 Forschungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1.3 Forschungsvorhaben und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Teil I: Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2 Interdisziplinarität und Sprachenpaarspezifik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen . . . . . . . . . . . 31 3.1 Psycholinguistische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3.1.1 Gedächtnistypen und ihre Rolle beim Simultandolmetschen 32 3.1.2 Das mentale Lexikon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3.1.3 Language Mode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3.1.4 Besonderheiten der gemittelten Kommunikation . . . . . . . . . 42 3.1.5 Aktivierung, Disambiguierung und Suppression . . . . . . . . . . 44 3.1.6 Fazit zu den psycholinguistischen Grundlagen . . . . . . . . . . . 53 3.2 Kognitionspsychologische Grundlagen zum Arbeitsgedächtnis . . 55 3.2.1 Baddeleys Arbeitsgedächtnismodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3.2.2 Cowans Arbeitsgedächtnismodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3.2.3 Arbeitsgedächtnis und Simultandolmetschen . . . . . . . . . . . . . 63 3.2.4 Fazit zu den Grundlagen zum Arbeitsgedächtnis . . . . . . . . . 72 3.3 Dolmetschprozessmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3.3.1 Giles Effort Model für das Simultandolmetschen . . . . . . . . . . 75 3.3.2 Probability Prediction Model von Chernov . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3.3.3 Dolmetschprozessmodell von Setton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3.3.4 Fazit zu den Dolmetschprozessmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3.4 Dolmetschstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3.5 Monitoring und Autokorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 <?page no="6"?> 4 Interferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4.1 Interferenzen als fächerübergreifender Gegenstand . . . . . . . . . . . . . 99 4.2 Interferenzen in der Translationswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4.2.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4.2.2 Klassifizierung von Interferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 4.2.3 Interferenzen in der Dolmetschdidaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 4.3 Stand der Forschung in der empirischen Dolmetschwissenschaft 119 4.4 Mögliche Ursachen für Interferenzen im Dolmetschprozess . . . . . 129 4.4.1 Epistemisches und translationsprozedurales Wissen . . . . . . 130 4.4.2 Sprachstrukturelle Besonderheiten der Dolmetschrichtung Spanisch - Deutsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 4.4.3 Psycholinguistische und externe Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . 145 4.4.4 Fazit zu Interferenzursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 4.5 Dolmetschstrategien und Interferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Teil II: Empirisches Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 5 Fragestellungen und Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 6 Methodik und Experimentbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 6.1 Analysematerial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 6.1.1 Rede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 6.1.2 Fragebögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 6.2 Versuchspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 6.3 Ablauf des Experiments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 6.4 Auswertungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 6.4.1 Transkription . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 6.4.2 Vorgehensweise bei der Auswertung und Grenzfälle . . . . . . 181 6.4.3 Definitionen und Interferenztypologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion . . . . . . . . . . . . 189 7.1 Quantifizierung und Klassifizierung der ermittelten Interferenzen 189 7.2 Auswertung und Ergebnisse der Fragebögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 7.2.1 Sprachbiographie und Dolmetscherfahrung der Probanden 195 7.2.2 Retrospektive Einschätzung der Rede und Verdolmetschung 207 7.3 Studenten und professionelle Dolmetscher im Vergleich . . . . . . . . 219 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 7.4.1 Lexik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 7.4.2 Phonetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 6 Inhalt <?page no="7"?> 7.4.3 Morphosyntax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 7.4.4 Syntax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 7.5 Psycholinguistische Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 7.6 Autokorrekturen und Monitoringprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 8 Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Anhang 1: Fragebogen 1: Studenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Anhang 2: Fragebogen 1: professionelle Dolmetscher . . . . . . . . . . . . . . . 310 Anhang 3: Fragebogen 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Anhang 4: Ausgangsrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 Inhalt 7 <?page no="8"?> Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Visual representation of the interpreter ’ s position on the language mode continuum when doing simultaneous interpreting . . . . . . . 40 Abb. 2: Aktivierungsausbreitung bei der Sprachproduktion am Beispiel des Satzes „ Some swimmers sink. “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Abb. 3: Baddeleys Arbeitsgedächtnismodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Abb. 4: Cowans Embedded Processes Model of Working Memory . . . . . . 61 Abb. 5: Schematische Verteilung der Verarbeitungskapazität beim Simultandolmetschen eines einfachen Satzes mit einem Segment, das einen hohen Informationsgehalt hat [t2 - t4] . . . 77 Abb. 6: Settons Modell des Simultandolmetschens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Abb. 7: Levelts perceptual loop theory of self-monitoring . . . . . . . . . . . . . 93 Abb. 8: Interferenztypologie nach Schneider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Abb. 9: Klassifizierung in Interferenzkategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Abb. 10: Studenten: Interferenzen pro 100 Wörter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 Abb. 11: Professionelle Dolmetscher: Interferenzen pro 100 Wörter . . . 220 Abb. 12: Studenten: Klassifizierung in Interferenzkategorien . . . . . . . . . . 222 Abb. 13: Professionelle Dolmetscher: Klassifizierung in Interferenzkategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Abb. 14: Korrekturen von Interferenzen (Studenten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Abb. 15: Korrekturen von Interferenzen (professionelle Dolmetscher) . 269 Abb. 16: Korrekturen in Relation zur Interferenzanzahl . . . . . . . . . . . . . . . 270 Abb. 17: Korrekturen nach Interferenzkategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 <?page no="9"?> Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Interferenzbegünstigende linguistische Besonderheiten des Sprachenpaars Spanisch - Deutsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Tabelle 2: Interferenzbegünstigende Faktoren aus psycholinguistischer Perspektive (inhaltliche und externe Ursachen) . . . . . 155 Tabelle 3: Sprachliche Schwierigkeitsstellen mit Interferenzpotential in der Rede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Tabelle 4: Inhaltliche Schwierigkeitsstellen in der Rede . . . . . . . . . . . . . 173 Tabelle 5: Quantifizierung von Interferenzen und Korrekturen (Studenten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Tabelle 6: Quantifizierung von Interferenzen und Korrekturen (professionelle Dolmetscher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Tabelle 7: Sprachbiographie (Studenten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Tabelle 8: Sprachbiographie (professionelle Dolmetscher) . . . . . . . . . . . 202 Tabelle 9: Dolmetscherfahrung/ -ausbildung (Studenten) . . . . . . . . . . . . 203 Tabelle 10: Dolmetscherfahrung/ -ausbildung (professionelle Dolmetscher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Tabelle 11: Retrospektive Einschätzung (Studenten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Tabelle 12: Retrospektive Einschätzung (professionelle Dolmetscher) . 216 Tabelle 13: Lexikalische Interferenzen: Übersicht der betroffenen Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Tabelle 14: Phonetische Interferenzen: Übersicht der betroffenen Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Tabelle 15: Morphosyntaktische Interferenzen: Übersicht der betroffenen Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Tabelle 16: Syntaktische Interferenzen: Übersicht der betroffenen Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 <?page no="11"?> „ Wir müssen uns eine harte Haut zulegen, sozusagen eine Kokodrilshaut. “ Dr. Jennifer Konzett <?page no="13"?> Danksagung Diese Monographie ist die leicht überarbeitete Version meiner im März 2022 am Fachbereich Romanistik der Universität Salzburg abgeschlossenen Dissertation. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die mich auf meinem Weg zur Dissertation unterstützt haben und mir in dieser Zeit sowohl fachlich als auch persönlich zur Seite gestanden haben. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Bernhard Pöll, der als Hauptbetreuer der Arbeit stets ein offenes Ohr für meine Anliegen hatte, mich mit seinem ausgezeichneten fachlichen Wissen bestens beraten und mein Forschungsvorhaben auch organisatorisch immer unterstützt hat. Als Dissertantin unter seinem Lehrstuhl gab er mir die Möglichkeit, Einblicke in neue Fachgebiete über die Translationswissenschaft hinaus zu bekommen und hat mich auf diesem Weg immer gefördert, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Meiner Zweitbetreuerin Frau Prof. Martina Behr möchte ich ebenfalls meinen großen Dank aussprechen für ihre ausgezeichnete Unterstützung bei allen offenen Fragen und ihre wertvollen Anregungen, vor allem zu den dolmetschwissenschaftlichen Aspekten sowie dem methodischen Vorgehen in der empirischen Studie. Ich bedanke mich auch herzlichst bei der Universität Salzburg für die finanzielle Unterstützung im Rahmen eines Förderungsstipendiums, welches eine große Hilfe bei der Durchführung meines Forschungsvorhabens war. Die Publikation der Dissertation wurde mit Fördergeldern der Stiftungs- und Förderungsgesellschaft der Universität Salzburg unterstützt, was dieses Projekt überhaupt möglich gemacht hat und wofür ich mich herzlichst bedanken möchte. Bei Kathrin Heyng möchte ich mich für die ausgezeichnete Betreuung seitens des Verlags bedanken. Die Datenerhebung wäre ohne die Teilnahme der Probanden am empirischen Experiment nicht möglich gewesen. Daher möchte ich ein großes Dankeschön an alle Dolmetscher sowie an alle Dolmetschstudenten aussprechen, die an meiner Studie mitgewirkt und somit einen wichtigen Beitrag zur wissenschaftlichen Forschung geleistet haben. Bedanken möchte ich mich auch bei allen, die mir bei der Probandensuche unter die Arme gegriffen haben und meine Anfrage weitergeleitet bzw. veröffentlicht haben. Für die Unterstützung bei der Ausarbeitung des empirischen Experiments möchte ich mich insbesondere bei Astrid Schmidhofer für die hilfreichen <?page no="14"?> Anmerkungen und Tipps im Rahmen des Pretests sowie bei David More Trujillo für das Einlesen der Originalrede als Audio-Datei bedanken. Bei Melanie Reisinger und Karoline Wurzer möchte ich mich herzlich fürs Korrekturlesen sowie die wertvollen Anregungen und Ratschläge bedanken. Sonja Riebandt danke ich für ihre Unterstützung bei der Auswertung der Daten sowie die Korrekturen von Abstracts in englischer Sprache und dafür, dass sie immer ein offenes Ohr für meine Fragen und Unsicherheiten hatte. Mein Dank gilt auch allen Arbeitskolleginnen und -kollegen, die mich in diesen Jahren begleitet haben, für den fachlichen Austausch, aber auch die persönlichen Gespräche und gemeinsamen Aktivitäten. Insbesondere möchte ich mich bei Anne-Kathrin Gärtig, Christoph Hülsmann, Birgit Füreder, Romina Palacios, Damien Wilhelmy und Karoline Wurzer bedanken, da sie in dieser Zeit wichtige Ansprechpersonen waren und stets mit Tipps und Tricks zur Stelle waren. Die erfolgreiche Vollendung des Dissertationsprojekts verdanke ich auch der emotionalen Unterstützung und dem Rückhalt meiner Freunde. Ganz besonders bedanke ich mich bei Simone, Hans, Stoffl, Sonja, Christina mit Elina, Karo, Julia und Romeo mit meinem kleinen Zaney, dafür, dass sie immer für mich da sind sowie für die ausgleichenden Aktivitäten zwischen Salzburger Kletterhalle und Tiroler Bergwelt und die gemeinsamen heiteren Momente. Zuletzt möchte ich noch meinen Großeltern, Eltern und meinem Bruder Mario mit Jeong-Eun danken, dass sie mich auf meinem Weg immer unterstützt haben. Mein besonderer Dank gilt meinen Eltern, Elisabeth und Reinhard Konzett, dass sie mich stets ermutigt haben, meinen Horizont zu erweitern und neue Pfade einzuschlagen. Ohne ihre Unterstützung im Studium, bei den unterschiedlichen Auslandsaufenthalten und ohne den emotionalen Rückhalt wäre ich nicht da, wo ich heute bin. 14 Danksagung <?page no="15"?> Abstract Im vorliegenden Forslchungsprojekt werden Interferenzerscheinungen beim Simultandolmetschen in der Sprachkombination Spanisch - Deutsch beim Dolmetschen in die A-Sprache aus (psycho)linguistischer und dolmetschprozessorientierter Perspektive behandelt. Die Erforschung von Interferenzen wurde im Bereich der Dolmetschwissenschaft bislang vernachlässigt, obwohl das Phänomen der Interferenzerscheinungen nicht nur aus linguistischer Perspektive interessant ist, da so sprachspezifische Schwierigkeitsstellen in einer bestimmten Sprachkombination erfasst werden können, sondern auch aus psycholinguistischer und dolmetschprozessorientierter Perspektive, da es einen Einblick in die Abläufe der Sprachverarbeitung und der Strategien während des Simultandolmetschens ermöglicht. Es bietet sich folglich eine interdisziplinäre Perspektive an der Schnittstelle zwischen Linguistik und Dolmetschwissenschaft für die Erforschung von Interferenzen an, um sowohl die linguistischen und sprachenpaarspezifischen Erkenntnisse zu Interferenzen als auch die Spezifika des Dolmetschprozesses berücksichtigen zu können. Der erste Teil des Werkes behandelt die für den Forschungsgegenstand relevanten theoretischen Grundlagen und der zweite Teil das empirische Experiment. Im Rahmen des empirischen Teils wird das Auftreten von Interferenzerscheinungen bei Dolmestschstudenten und professionellen Dolmetschern anhand der Simultandverdolmetschung einer zuvor präparierten Rede vom Spanischen ins Deutsche untersucht. Zusätzlich werden mittels Fragebögen Daten zu den Teilnehmern und zur Selbstwahrnehmung erhoben. Ausgehend von den im Theorieteil ausgearbeiteten Grundlagen zum mentalen Lexikon, zur Aktivierungsausbreitung, zum Arbeitsgedächtnis und den unterschiedlichen Dolmetschprozessmodellen sowie unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der kontrastiven Linguistik und empirischen Experimenten zu Interferenzen beim Simultandolmetschen in anderen Sprachenpaaren wird überprüft, welche linguistischen Besonderheiten im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch besonders interferenzanfällig sind und wie sich allgemeine Schwierigkeitsstellen auf Interferenzen auswirken. Zusätzlich geben die aus den Fragebögen gewonnen Daten Aufschluss über die Sprach- und Dolmetschbiographie der Probanden sowie zur Einschätzung der Rede und retrospektiven Selbsteinschätzung der Verdolmetschung, wobei mögliche Korrelationen mit der Interferenzhäufigkeit und den ermittelten Selbstkorrekturen erfasst werden. <?page no="16"?> Die Studie hat gewissermaßen explorativen Charakter, da aktuell keine Daten zu Interferenzerscheinungen beim Simultandolmetschen im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch vorliegen. Allerdings können ausgehend von den theoretischen Grundlagen und Ergebnissen empirischer Experimente zu Interferenzen in anderen Sprachenpaaren auch Hypothesen aufgestellt werden, die in der Studie für das Sprachenpaar Spanisch - Deutsch überprüft werden. Die Auswertung der im empirischen Experiment gesammelten Daten konnte aufzeigen, dass Interferenzen sowohl bei Dolmetschstudenten als auch bei professionellen Dolmetschern als häufiges Phänomen beobachtet werden können, und umfasst dabei folgende Teilbereiche: sprachspezifische Besonderheiten in den unterschiedlichen linguistischen Teildisziplinen beim Dolmetschen zwischen den Sprachen Spanisch und Deutsch; der Einfluss einer kognitiven Überlastung auf die Interferenzhäufigkeit; Unterschiede zwischen professionellen Dolmetschern und Dolmetschanfängern hinsichtlich Interferenzen, was auch Rückschlüsse auf unterschiedliche Sprachverarbeitungsprozesse zwischen diesen beiden Gruppen zulässt; Monitoringprozesse, Selbstkorrekturen und retrospektive Selbsteinschätzung in Bezug auf Interferenzen. 16 Abstract <?page no="17"?> 1 Einleitung „ Der Übersetzungsvorgang hat mit dem Austausch von Wörtern so wenig zu tun wie das Schachspiel mit dem Verrücken von Schachfiguren. “ (Hans G. Hönig) Das Simultandolmetschen als besondere bilinguale Kommunikationsform bietet interessante Möglichkeiten, um Sprachen im Kontakt zu beobachten und Vorgänge der bilingualen Sprachverarbeitung im Dolmetschprozess zu erforschen. Inwieweit, unter der Simultaneität der Sprachproduktion in einer und der Sprachrezeption in einer anderen Sprache, die Ausgangssprache einen Einfluss auf die Zieltextproduktion hat, ist dabei eine grundlegende Frage. Die Erforschung dieses Einflusses in Form von Interferenzerscheinungen kann Einblicke in die ablaufenden Sprachverarbeitungsprozesse im Dolmetschprozess sowie in das strategische Vorgehen des Dolmetschers 1 und gleichzeitig in die linguistischen Besonderheiten des jeweiligen Sprachenpaares geben und liegt somit an der Schnittstelle zwischen Dolmetschwissenschaft und Linguistik. Im Rahmen des vorliegenden Forschungsprojekts werden Interferenzerscheinungen beim Simultandolmetschen in die A-Sprache in der Sprachkombination Spanisch - Deutsch untersucht, wobei ein interdisziplinärer, sprachenpaarspezifischer Ansatz verfolgt wird. Als Grundlage für die Ausarbeitung des empirischen Experiments werden linguistische (insbesondere psycholinguistische und kontrastiv-linguistische), kognitionspsychologische sowie dolmetschprozessorientierte Erkenntnisse und Perspektiven zur Sprachverarbeitung beim Simultandolmetschen, zu kontrastiven Besonderheiten des Sprachenpaars Spanisch - Deutsch und zu Interferenzen im Konkreten herangezogen. Die empirische Studie hat folglich zum Ziel, sowohl Daten zu den sprachstrukturellen Herausforderungen beim Dolmetschen vom Spanischen ins Deutsche als auch Rückschlüsse zu den Abläufen, Störungen und strategischen Entscheidungen im Dolmetschprozess in Zusammenhang mit Interferenzen zu gewinnen. 1 Zugunsten einer besseren Lesbarkeit wird jeweils auf die grammatisch maskuline Form zurückgegriffen, die hinsichtlich des natürlichen Geschlechts als neutral zu verstehen ist. <?page no="18"?> 1.1 Themenwahl Interferenzerscheinungen sind ein bislang vernachlässigtes Themengebiet in der Translationswissenschaft. Wolfram Wilss (1989: 5) schreibt dazu: „ Sprachmittlung ist der praktisch bedeutsamste Weg, interlinguale und damit interkulturelle Textkontakte herzustellen. Umso erstaunlicher ist es, daß die Übersetzungswissenschaft bislang kaum zu einer mehr als punktuellen Diskussion der spezifisch translatorischen Erscheinungsweise von Interferenz gefunden hat. “ Seit Wolfram Wilss vor über 30 Jahren diese Forschungslücke für die Übersetzungswissenschaft festgestellt hat, hat sich nur wenig in Bezug auf die Erforschung von Interferenzen in der Translations- und im Konkreten der Dolmetschwissenschaft geändert, wohingegen in unterschiedlichen Bereichen der Linguistik die Interferenzproblematik umfassend und aus verschiedensten Blickwinkeln behandelt wurde. In der Dolmetschwissenschaft im Speziellen wurden Interferenzen erst sehr spät thematisiert. Interferenzen wurden zwar in einigen dolmetschwissenschaftlichen Experimenten empirisch untersucht, jedoch häufig im Rahmen von Diplom- und Masterarbeiten, oft mit kleinen Probandengruppen, die teilweise nur aus Studenten bestanden, und nur in einigen wenigen Sprachenpaaren. Für das Sprachenpaar Spanisch - Deutsch liegen aktuell noch keine Daten in Bezug auf Interferenzerscheinungen oder sprachstrukturelle Herausforderungen beim Simultandolmetschen vor. Folglich ist es von besonderer Relevanz, einen sprachenpaarspezifischen Beitrag für das Simultandolmetschen in dieser Sprachrichtung zu leisten. Zusätzlich stellen Interferenzen aber ebenfalls ein interessantes Forschungsfeld aus dolmetschprozessorientierter Perspektive dar, welches einen Einblick in die dahinter ablaufenden Sprachverarbeitungs- und Dolmetschprozesse geben kann. Fromkin (1973: 43 f) schreibt bezüglich der bereichernden Erkenntnisse, die aus der Erforschung von Versprechern gewonnen werden können, Folgendes: „ [S]peech error data [ … ] provide us with a window into linguistic processes and provide, to some extent, the laboratory data needed in linguistics. “ Während Versprecher Aufschluss über verborgen ablaufende Sprachverarbeitungsprozesses in der monolingualen Kommunikation geben können, ermöglicht die Beobachtung von Interferenzen ähnliche Rückschlüsse über die Sprachverarbeitung in multilingualen Settings und im konkreten Fall der Sprachmittlung über dabei stattfindende Prozesse. Die Relevanz von Interferenzerscheinungen ist auch empirisch in der Translationswissenschaft belegt, da diese als häufiges Phänomen nicht nur bei Translaten in die Fremdsprache, sondern auch in die Grundsprache, dabei ebenso bei Studenten wie auch professionellen Dolmetschern beobachtet werden können. Wolfram Wilss (1977: 36) spricht von einem „ hypnotischen 18 1 Einleitung <?page no="19"?> Zwang “ des Ausgangstextes, der dazu führt, dass „ [ … ] ausgangssprachliche Formulierungsweisen ungefiltert, im Rahmen einer mechanischen Texterzeugungsprozedur, so auf die Primärsprache projiziert werden, daß daraus Kollisionen mit primärsprachlichen Normen resultieren “ . Interferenzen können dabei sowohl an erwartbaren als auch an unerwarteten Stellen vorkommen und in Zusammenhang mit gewissen textinternen Faktoren auf inhaltlicher und sprachlicher Ebene, mit den externen Umständen, in denen das Translationsprodukt entsteht, sowie mit der individuellen Erfahrung und Sprachbiographie des Übersetzers oder Dolmetschers stehen. Diese Auslöser für Interferenzen und Zusammenhänge mit unterschiedlichen weiteren Aspekten sind bisher nur sehr wenig untersucht und bergen noch ein großes Forschungspotential, sowohl bezüglich sprachenpaarspezifischer linguistischer Besonderheiten als auch in Bezug auf dolmetschprozessorientierte Fragestellungen. 1.2 Forschungsziele Ziel des vorliegenden Forschungsprojekts ist es, erstmalig empirische Daten zu Interferenzerscheinungen beim Simultandolmetschen vom Spanischen ins Deutsche zu erheben. Besonderes Augenmerk bei der durchgeführten Studie richtet sich einerseits auf die kontrastiven linguistischen Besonderheiten im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch und andererseits auf die dolmetschprozeduralen Vorgänge. Die Dolmetschrichtung wurde dabei auf Verdolmetschungen in die A-Sprache beschränkt, da der Fokus auf der Erforschung von sprachstrukturellen und psycholinguistischen Ursachen im Dolmetschprozess liegt und nicht auf Sprachkompetenzproblemen in einer Fremdsprache. Bei Verdolmetschungen in die B-Sprache (aktive Fremdsprache beim Dolmetschen) ist es sehr viel schwieriger und teilweise unmöglich zu beurteilen, inwieweit ein Kompetenzmangel oder eine Störung auf Performanzebene vorliegt. Die A- Sprache ist dabei immer die stärkste Sprache des Dolmetschers und üblicherweise die Muttersprache bzw. L1 und/ oder frühe Bildungssprache und wird laut Internationalem Verband der Konferenzdolmetscher (AIIC) wie folgt definiert: „ The interpreter's native language (or another language strictly equivalent to a native language), into which the interpreter works from all her or his other languages, and as a general rule, in both modes of interpretation, simultaneous and consecutive “ (AIIC 2018: 4). Dem zum Teil explorativen Charakter der Studie, der vor allem das gewählte Sprachenpaar und die damit verbundene sprachstrukturelle Ausarbeitung von interferenzbegünstigenden Strukturen betrifft, soll mit einer systematischen quantitativen Aufstellung und Klassifizierung von Interferenzen und Korrek- 1.2 Forschungsziele 19 <?page no="20"?> turen sowie der Ermittlung möglicher Korrelationen mit unterschiedlichen Aspekten Rechnung getragen werden. Die Auswertung der Ergebnisse zielt darauf ab, Antworten auf die sich aus dem Theorieteil ergebenden Forschungsfragen in diesen Bereichen zu geben. Zusätzlich werden die aus den theoretischen Grundlagen und empirischen Experimenten zu Interferenzen beim Simultandolmetschen in anderen Sprachenpaaren abgeleiteten Hypothesen im empirischen Experiment überprüft. Die Forschungsfragen und Hypothesen werden im Kapitel 5 der vorliegenden Arbeit im Detail erläutert. Im Rahmen des Forschungsprojekts werden die im Folgenden zusammenfassend dargestellten Ziele verfolgt: Ein erstes Ziel ist die Quantifizierung und Klassifizierung von Interferenzen im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch beim Simultandolmetschen in die A- Sprache und in diesem Zusammenhang die Beantwortung der folgenden Forschungsfragen: Mit welcher Häufigkeit treten Interferenzen auf und wie verteilen sich diese auf die unterschiedlichen Interferenzkategorien? Welche Erkenntnisse können in Bezug auf Autokorrekturen bei Interferenzen gewonnen werden? Gibt es Unterschiede zwischen Studenten und professionellen Dolmetschern bezüglich der Interferenzrate und Klassifizierung in Interferenzkategorien? Welche weiteren möglichen Korrelationen zwischen Interferenzerscheinungen und der Sprachbzw. Dolmetschbiographie der Probanden können gefunden werden? Wie sieht ein Vergleich mit vorangehenden Studien zu anderen Sprachenpaaren aus? Ein weiterer wichtiger Forschungsbereich sind sprachstrukturelle Besonderheiten im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch, welche aus theoretischen Gesichtspunkten als interferenzbegünstigend gesehen werden können und empirisch auf ihre tatsächliche Interferenzanfälligkeit überprüft werden. Hierbei geht es darum, sprachenpaarspezifische linguistische Schwierigkeitsstellen beim Simultandolmetschen sowie mögliche damit zusammenhängende strategische Entscheidungen zu identifizieren, was in weiterer Folge dolmetschprozedurale sowie dolmetschdidaktische Rückschlüsse ermöglicht. Bezüglich dieses Aspekts ist auch ein Vergleich von Studenten und professionellen Dolmetschern von besonderer Relevanz, da somit mögliche Unterschiede in der Sprachverarbeitung und im strategischen Vorgehen im Dolmetschprozess möglich sind. Neben den linguistischen Besonderheiten des Sprachenpaares Spanisch - Deutsch sind jedoch auch psycholinguistische Interferenzursachen, die in Zusammenhang mit einer kognitiven Überlastung des Dolmetschers stehen können, von Interesse. Diesbezüglich sollen allgemeine inhaltliche Schwierigkeitsstellen in Bezug auf die Interferenzhäufigkeit untersucht sowie mögliche 20 1 Einleitung <?page no="21"?> individuelle Problemstellen der einzelnen Dolmetscher auf eine Korrelation mit den ermittelten Interferenzen überprüft werden. Die Erfassung von Wahrnehmungs- und Monitoringprozessen sowie Autokorrekturen in Bezug auf Interferenzerscheinungen stellt einen letzten großen Forschungsbereich dar, da hier wichtige Daten zur Wahrnehmung von Interferenzen und zu strategischen Entscheidungen im Dolmetschprozess gewonnen werden können. Neben der reinen Beobachtung von Selbstkorrekturen in den Verdolmetschungen sind diesbezüglich retrospektive Einschätzungen der Dolmetscher zu wahrgenommenen Schwierigkeiten und Korrekturentscheidungen von besonderem Interesse. Zusammenhänge zwischen der Selbsteinschätzung der Qualität der eigenen Verdolmetschung sowie der Einschätzung des Schwierigkeitsgrades der Ausgangsrede und Interferenzerscheinungen sind ein weiteres Teilgebiet bezüglich der Erforschung von Wahrnehmungspozessen, das in der vorliegenden Arbeit behandelt werden soll. Die Forschungsziele sind, wie im Laufe des Kapitels ersichtlich wird, relativ breit gefächert, was der großen Forschungslücke im Bereich von Interferenzerscheinungen in der Dolmetschwissenschaft und des damit verbundenen teilweise explorativen Charakters der vorliegenden Studie geschuldet ist. In diesem Sinne kann die Themenstellung des vorliegenden Forschungsprojekts einen wichtigen Beitrag sowohl zur Sprachenpaarspezifik aus einer linguistischen Perspektive konkret für das Dolmetschen vom Spanischen ins Deutsche, als auch zur empirischen Dolmetschwissenschaft, insbesondere zur Dolmetschprozessforschung, leisten und hat zum Ziel, zumindest einen kleinen Teil der Forschungslücke in Bezug auf Interferenzerscheinungen in der Dolmetschwissenschaft zu schließen. 1.3 Forschungsvorhaben und Aufbau der Arbeit Das Forschungsvorhaben beinhaltet die Ausarbeitung einer empirischen Studie, welche ausgehend von den theoretischen Grundlagen, aber auch Erkenntnissen aus vorangehenden empirischen Experimenten zu Interferenzen beim Dolmetschen in anderen Sprachenpaaren entworfen wird. Die theoretische Fundierung stützt sich dabei einerseits auf psycholinguistische und kognitionspsychologische Grundlagen zur Sprachverarbeitung und den aktuellen Forschungsstand zum Dolmetschprozess, zu sprachenpaarspezifischen Ansätzen in der Dolmetschwissenschaft sowie zu strategischem Vorgehen und Monitoringprozessen beim Simultandolmetschen. Andererseits bilden Forschungsergebnisse zu Interferenzen sowohl in der Linguistik als auch in der Translationswissenschaft und zu sprachstrukturellen Unterschieden zwischen dem 1.3 Forschungsvorhaben und Aufbau der Arbeit 21 <?page no="22"?> Spanischen und dem Deutschen aus dem Bereich der kontrastiven Linguistik ebenfalls eine wichtige Ausgangsbasis. Darauf aufbauend sollen besonders interferenzanfällige Strukturen für das Simultandolmetschen vom Spanischen ins Deutsche sowie mögliche inhaltliche Schwierigkeitsstellen, welche eine vermehrte Kapazität beim Dolmetschen beanspruchen, identifiziert werden. Zur Überprüfung der Fragestellungen und Hypothesen wird als Methodik die Kombination einer Dolmetschproduktanalyse von Verdolmetschungen derselben Rede seitens unterschiedlicher Experimentteilnehmer und der Auswertung von Fragebögen gewählt. Dadurch sollen Interferenzerscheinungen nicht nur als Resultat, sondern auch im Zusammenhang mit der Sprachbiographie und Dolmetscherfahrung der Teilnehmer sowie unter möglichen Rückschlüssen auf den Dolmetschprozess und die Selbstwahrnehmung interpretiert werden. Die spanische Originalrede wird dabei in Übereinstimmung mit den aus den theoretischen Grundlagen abgeleiteten Schwierigkeitsstellen und Strukturen ausgewählt und präpariert. Bei der Ausarbeitung der Fragebögen wird darauf geachtet, dass einerseits ausreichend Daten zur Dolmetschausbildung und -erfahrung sowie zur Sprachbiographie der Dolmetscher und andererseits retrospektive Daten zur Einschätzung der Ausgangsrede sowie der eigenen Verdolmetschung gewonnen werden, damit die Wahrnehmung von Problemstellen und mögliche Zusammenhänge mit den ermittelten Interferenzerscheinungen erfasst werden können. Die anvisierte Anzahl der Probanden wird dabei auf 20 festgelegt, was angesichts der Schwierigkeiten in der Dolmetschwissenschaft, geeignete Teilnehmer mit den festgelegten Voraussetzungen für ein Experiment zu gewinnen, und angesichts der Länge der Rede von 20 bis 30 Minuten, als angemessen für die Beantwortung der Forschungsfragen sowie für die gewählte methodische Vorgehensweise zur Bearbeitung der Thematik erachtet wird und eine große Menge an Analysematerial liefert. Die nicht zu große, aber dennoch ausreichende Anzahl an Probanden erlaubt eine quantitative Aufstellung der Daten und eine Ableitung von Tendenzen in einigen Bereichen, ermöglicht aber gleichzeitig auch eine qualitative Analyse von Aspekten, die bei einzelnen Dolmetschern beobachtet werden können und von besonderem Interesse in Bezug auf die Themenstellung sind. Bei der Auswertung der Daten kommt also ein Mixed-Methods-Forschungsdesign zum Einsatz. Die Fragestellungen, die unter anderem auf einen Einfluss der Dolmetscherfahrung auf Interferenzerscheinungen abzielen, erfordern eine Unterteilung in zwei Probandengruppen, alle mit A-Sprache Deutsch und Spanisch in ihrer Sprachkombination, wobei die Hälfte der Teilnehmer Studenten im Masterstudium Konferenzdolmetschen und die andere Hälfte professionelle Dolmetscher sein werden. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgt anhand der transkribierten Verdolmetschungen und der aus den Fragebögen 22 1 Einleitung <?page no="23"?> gewonnen Daten. Eine detaillierte Beschreibung der Methodik, der Ausgangsrede, der Fragebögen, der Probandengruppe sowie des Ablaufs des Experiments findet sich in Kapitel 6 der vorliegenden Arbeit. Im Anschluss wird noch kurz der Aufbau des Werkes skizziert: Teil I beschäftigt sich mit den theoretischen Grundlagen zum Dolmetschprozess, zur bilingualen Sprachverarbeitung, zu sprachenpaarspezifischen Ansätzen sowie Interferenzerscheinungen im Konkreten. Zunächst wird in Kapitel 2 der Forschungsstand zur Sprachenpaarspezifik und Interdisziplinarität in der Dolmetschwissenschaft, welche grundlegende Aspekte für den gewählten Ansatz in der vorliegenden Arbeit sind, thematisiert. In Kapitel 3 soll anschließend ein Überblick über die Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen gegeben werden. Dabei werden zunächst ausgewählte psycholinguistische Grundlagen zu Gedächtnistypen, zum mentalen Lexikon und zur Aktivierungsausbreitung unter besonderer Berücksichtigung der mündlichen gemittelten Kommunikation behandelt und im Anschluss kognitionspsychologische Grundlagen zum Arbeitsgedächtnis, besonders in Verbindung mit den Erkenntnissen zu Arbeitsgedächtnis und Simultandolmetschen skizziert. Des Weiteren werden dolmetschprozessorientierte Theorien und der aktuelle Forschungsstand zu Dolmetschstrategien insbesondere in Hinblick auf die Thematik von Interferenzerscheinungen diskutiert und schlussendlich noch grundlegende Aspekte zu Monitoringprozessen und Selbstkorrekturen erläutert. Kapitel 4 befasst sich ausführlich mit dem Themenbereich der Interferenzerscheinungen. Nachdem zunächst ein Überblick über Interferenzen als fächerübergreifender Gegenstand gegeben wird, werden Interferenzen aus der Perspektive der Translationswissenschaft behandelt und schlussendlich die Resultate und Erkenntnisse aus der empirischen Dolmetschwissenschaft vorgestellt. Dabei werden unterschiedliche Definitionen, Klassifizierungsmöglichkeiten von Interferenzen, die Ergebnisse empirischer Experimente sowie mögliche Interferenzursachen und Aspekte, die im Zusammenhang mit Interferenzerscheinungen von Interesse sind, thematisiert. Am Ende dieses Kapitels wird auch die Brücke zum empirischen Teil geschlagen, da konkret, ausgehend von den theoretischen Grundlagen und Resultaten von vorangehenden empirischen Experimenten, inhaltliche und sprachstrukturelle Schwierigkeitsstellen, die als besonders interferenzanfällig erachtet werden können, ausgearbeitet und systematisch aufbereitet werden. Diese bilden wiederum die Grundlage für die Auswahl und Bearbeitung der Rede für das empirische Experiment. Teil II der Arbeit befasst sich mit der Methodik, dem Aufbau sowie der Durchfürung der empirischen Studie. 1.3 Forschungsvorhaben und Aufbau der Arbeit 23 <?page no="24"?> Zunächst werden in Kapitel 5 das Forschungsgebiet, die Fragestellungen und Hypothesen im Detail angeführt. Im Kapitel 6 geht es um die Methodik und Experimentbeschreibung. In den Unterkapiteln werden zunächst die Rede und die dort enthaltenen Schwierigkeitsstellen mit Interferenzpotential sowie die Fragebögen genauer beschrieben. Anschließend werden das Anforderungsprofil an die Versuchspersonen sowie der Ablauf des Experiments erläutert und schlussendlich die Auswertungskriterien, darunter die Anfertigung der Transkripte, die Vorgehensweise bei der Auswertung und die verwendeten Definitionen und Interferenzkategorien, detailliert dargestellt. Kapitel 7 widmet sich schließlich der Auswertung der Ergebnisse, wobei die Forschungsfragen und Hypothesen überprüft und diskutiert sowie mögliche zusätzliche Aspekte, die im Zusammenhang mit Interferenzen als relevant erscheinen, thematisiert werden. In Kapitel 8 werden abschließend die wichtigsten Ergebnisse der Datenanalyse der empirischen Studie zusammengefasst und ein Ausblick auf zukünftige Forschungsfragen gegeben. Die leeren Fragebögen sowie die spanische Ausgangsrede sind im Anhang abgedruckt. Die kommentierte Version der Originalrede, die ausgefüllten Fragebögen der Teilnehmer und die Transkripte der Verdolmetschungen werden online unter folgendem Link https: / / files.narr.digital/ 9783823386018/ Zusatzmaterial.pdf zur Verfügung gestellt. 24 1 Einleitung <?page no="25"?> Teil I: Theoretische Grundlagen <?page no="26"?> 2 Interdisziplinarität und Sprachenpaarspezifik Für die Durchführung des Forschungsprojekts wird eine interdisziplinäre und sprachenpaarspezifische Vorgehensweise als geeignetste Herangehensweise erachtet. Die Interdisziplinarität 1 in der Dolmetschwissenschaft hat in den letzten Jahrzehnten stark an Wichtigkeit gewonnen. Als junge Wissenschaftsdisziplin war gerade zu Beginn eine gewisse Diskrepanz zwischen der Notwendigkeit, sich methodisch und theoretisch an andere Disziplinen anzulehnen, einerseits, und dem Wunsch nach Abgrenzung, andererseits, spürbar. Kalina (1998: 33) schreibt zu diesem Prozess Folgendes: „ Eine neu zu begründende Disziplin oder Teildisziplin kann sich zunächst nur in Abgrenzung von anderen Wissenschaften und in ihrer Schnittmenge mit ihnen definieren. “ In den letzten Jahrzehnten gewann die Berücksichtigung der Erkenntnisse aus benachbarten Forschungsfeldern für viele Themenstellungen an Wichtigkeit. (Vgl. Pöchhacker 1994: 25 f.) Kurz (1996), zum Beispiel, sieht dieselbe Notwendigkeit einer interdisziplinären, multiperspektivischen Forschung, die Snell-Hornby (1986) für die Übersetzungswissenschaft fordert, auch für die Dolmetschwissenschaft und erkennt vor allem großes Potential in der Miteinbeziehung von grundlegenden Erkenntnissen aus Forschungsbereichen wie „ der allgemeinen Sprachwissenschaft, der Textlinguistik, der Kommunikationswissenschaft, der kognitiven Psychologie, der Sprachpsychologie oder Neurophysiologie “ (Kurz 1996: 16). Die Autorin weist darauf hin, dass Interdisziplinarität keine Gefahr für die Eigenständigkeit der Translationswissenschaft darstellt, in Worten Snell-Hornbys (1995: 84): „ [ … ] [A]n integrated approach to translation is not only possible, but [ … ] is even essential if translation studies is to establish itself as an independent discipline. “ Welche Forschungsdisziplinen von besonderer Relevanz sind, hängt wiederum stark von der jeweiligen Fragestellung ab und eine Bereicherung durch interdisziplinäre Ansätze findet nicht nur unidirektional statt, sondern bidirektional, wobei auch andere Disziplinen von translationswissenschaftlichen Fragestellungen und Untersuchungen profitieren können. (Vgl. Kurz 1996: 15 ff.) Für die Thematik Interferenzerscheinungen beim Simultandolmetschen sind einerseits linguistische Grundlagen aus den unterschiedlichen Teildisziplinen 1 Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Thematik der Dolmetschwissenschaft als Interbzw. Transdisziplin vgl. z. B. Behr (2014) und Behr (2020). <?page no="27"?> und andererseits psycholinguistische und kognitionspsychologische Erkenntnisse essenziell, um nicht nur sprachstrukturellen Besonderheiten der Dolmetschrichtung Spanisch - Deutsch Rechnung zu tragen, sondern auch mögliche Interferenzursachen auf Dolmetschprozessebene zu identifizieren und somit wichtige Rückschlüsse auf die Sprachverarbeitung beim Simultandolmetschen zu schließen. Die Frage einer Sprachenpaarspezifik ist ein in der Dolmetschwissenschaft kontrovers diskutiertes Thema, vor allem im Bereich der Dolmetschdidaktik. Während von den Vertretern der Interpretativen Dolmetschtheorie, auch théorie du sens (vgl. Seleskovitch/ Lederer 1984), eine rein sinnbasierte Verarbeitung im Dolmetschprozess angenommen wird und sprachenpaarspezifische Besonderheiten somit kaum Beachtung finden, werden in vielen dolmetschwissenschaftlichen Forschungsarbeiten, welche auf den psycholinguistischen und kognitionswissenschaftlichen Erkenntnissen der Informationsverarbeitungstheorie basieren, sprachenpaarspezifische Ansätze und damit einhergehend die linguistischen Grundlagen der beteiligten Sprachen als wichtige Faktoren im Dolmetschprozess angesehen 2 . Gile (2003: 58) schreibt diesbezüglich, dass sich ein sinnbasierter Ansatz, wie er in der théorie du sens vertreten wird, und sprachenpaarspezifische Herangehensweisen nicht gegenseitig ausschließen, sondern weist vielmehr auf die Vorteile einer Kombination aus Deverbalisierungsprozess und sprachspezifischem Vorgehen und auch einem Training in der Dolmetschausbildung, das beide Ansätze miteinbezieht, hin: „ Thus, it is quite possible to acknowledge both the essential advantages of a deverbalization approach in translation work, and the existence of language-specific and language-pair specific features in its practical implementation without there being any contradiction. ” Die Arbeiten zu sprachenpaarspezifischen Fragestellungen beschäftigen sich sowohl aus theoretischer als auch aus empirischer Perspektive mit Dolmetschschwierigkeiten in verschiedenen Sprachenpaaren, welche sich wiederum in einer Häufung bestimmter Fehlerarten manifestieren, der sprachenpaarbedingten Anwendung von unterschiedlichen Strategien sowie dolmetschdidaktischen Rückschlüssen. (Vgl. Niemann 2012: 5 ff; Setton 1999: 53 ff.) Ganz allgemein schreibt Gile (1990: 20) über mögliche Unterschiede bezüglich des Schwierigkeitsgrades in verschiedenen Sprachenpaaren Folgendes: “ [ … ] there may well be 'easier' and 'more difficult' languages to interpret into [ … ]. In this respect, interpretation from German into English may be 'easier' than 2 Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit den beiden Standpunkten vgl. z. B. Setton (1999: 53 ff ). 2 Interdisziplinarität und Sprachenpaarspezifik 27 <?page no="28"?> interpretation from German into French ” . Die Annahme über den tatsächlichen Schwierigkeitsgrad einer Dolmetschrichtung ist zwar empirisch nicht überprüft und auch schwierig zu operationalisieren, aber Studien zu einzelnen Aspekten liefern wichtige Erkenntnisse zu sprachenpaarspezifischen Herausforderungen, Schwierigkeiten und Strategien beim Simultandolmetschen. Sowohl aktuelle psycholinguistische Erkenntnisse zur Sprachverarbeitung (vgl. Kapitel 3.1) als auch empirische Befunde aus der Dolmetschwissenschaft, zum Beispiel zur Antizipation (vgl. u. a. Seeber 2005), zur Décalage (vgl. u. a. Goldman-Eisler 1972), zu morphosyntaktischen Transformationen (vgl. z. B. Donato 2003), aber auch zu Interferenzerscheinungen in unterschiedlichen Sprachenpaaren (vgl. dazu Kapitel 4.3) geben Hinweise darauf, dass die Umkodierung beim Translationsprozess nie vollkommen unabhängig von linguistischen Faktoren der Ausgangs- und Zielsprache ist, dass Strategien sprachenpaarspezifisch eingesetzt werden und die Oberflächenstruktur der Ausgangssprache sich häufig durch Einflüsse in der Zielsprache manifestiert. Gile (2005: 12 ff ) spricht einerseits von den linguistischen Besonderheiten, die jede einzelne Sprache aufweist und die, je nachdem, ob es sich um die Ausgangs- oder Zielsprache beim Simultandolmetschen handelt, besondere Herausforderungen darstellen. Diesbezüglich erwähnt er als mögliche Einflussfaktoren auf das Sprachverständnis, zum Beispiel, den Grad an Redundanz und eine niedrige bzw. hohe Dichte von ambigen Wörtern oder Satzstrukturen in der Ausgangssprache. Bei der Sprachproduktion spielen unter anderem die syntaktische Flexibilität und damit einhergehend die Möglichkeiten, wie ein angefangener Satz zu Ende gebracht werden kann, eine Rolle. Andererseits gibt es zusätzlich zu den einzelsprachlichen Herausforderungen auch sprachenpaarspezifische Faktoren, die durch die jeweilige Kombination von Ausgangs- und Zielsprache, eine geringere oder höhere kognitive Verarbeitungskapazität bzw. die Anwendung verschiedener Dolmetschstrategien erfordern, darunter zum Beispiel die syntaktischen Unterschiede und Gemeinsamkeiten sowie der Verwandtschaftsgrad der beiden Sprachen in Bezug auf lexikalische, phonetische oder morphosyntaktische Ähnlichkeiten. Unterschiedliche syntaktische Abfolgen, vor allem bei komplexen Satzstrukturen in den beteiligten Sprachen, erhöhen die Anforderungen an die Merkkapazität und machen teilweise einen aufwendigen Satzumbau notwendig, was stark ressourcenverbrauchend ist. In diesen Fällen kann es zu Inhaltsfehlern kommen, aber auch Interferenzfehler sind ein häufiges Phänomen, wenn der Dolmetscher zugunsten der inhaltlichen Vollständigkeit so nahe wie möglich an der Struktur des Originals bleibt. Bei typologisch sehr ähnlichen Sprachen kann die Aktivierung von zielsprachlichen Items durch vielfach formähnliche Äquivalente stark erleichtert werden, was eine kognitive Entlastung bedeutet. Allerdings birgt diese Formähnlichkeit 28 2 Interdisziplinarität und Sprachenpaarspezifik <?page no="29"?> gleichzeitig ein erhöhtes Interferenzpotential, wenn nur die Form, nicht aber die Bedeutung übereinstimmen (vgl. Kapitel 3.1.2 und 3.1.5). (Vgl. Gile 2005: 12 ff.) Anhand des Effort-Modells für das Simultandolmetschen (vgl. Kapitel 3.3.1) kann gut dargestellt werden, dass unterschiedliche Sprachenpaare unterschiedliche Anforderungen an die Kapazitätenaufteilung beim Dolmetschen stellen. Gile (1997: 209) schreibt diesbezüglich: “ The Effort Models would suggest [ … ] that syntactic differences that force interpreters to wait longer before starting to formulate their [target language] speech tend to increase the load on the memory effort. One might even go further and talk about the intrinsic requirements of specific languages in terms of the listening effort and/ or in terms of the production effort. ” Seeber und Kerzel (2011) zeigen anhand von Seebers Modell der Verarbeitungskapazität (vgl. Seeber 2011) auf, dass nicht nur sprachenpaarspezifische Faktoren einen Einfluss auf die kognitive Belastung beim Dolmetschen haben, sondern dass auch intralinguale Aspekte berücksichtigt werden müssen. Eine Messung der kognitiven Belastung führte Seeber empirisch mithilfe von Pupillometrie 3 durch und verglich dabei die Verarbeitung unterschiedlicher Satzstrukturen im Sprachenpaar Deutsch - Englisch. Die Hypothese, dass SVO- Strukturen beim Dolmetschen vom Deutschen ins Englische, da sie syntaktisch symmetrisch sind, weniger Verarbeitungskapazität beanspruchen als SO V- Strukturen, welche im gewählten Sprachenpaar syntaktisch asymmetrisch sind, konnte vom Autor in seinem Experiment verifiziert werden. Zumindest für die Verbendstellung im Deutschen konnte somit ein empirischer Nachweis geliefert werden, dass die kognitive Belastung bei derartigen Satzstrukturen höher ist als bei Sätzen, bei denen die Linearität der wichtigsten Konstituenten im Satz in der Zielsprache erhalten werden kann. (Vgl. Seeber/ Kerzel 2011: 228 ff.) Diese Ergebnisse liefern klare Hinweise darauf, dass nicht nur das jeweilige Sprachenpaar, sondern auch die Art der Formulierung in der Ausgangssprache einen Einfluss auf die kognitive Belastung beim Dolmetschen hat. Für die gewählte Fragestellung ist im Zusammenhang mit der Sprachenpaarspezifik besonders relevant, dass die Herausforderungen je nach Ausgangs- und Zielsprache variieren. Unterschiedliche Sprachenpaare bergen, was auch mit den empirischen Ergebnissen zu Interferenzen übereinstimmt (vgl. Kapitel 4.3), ein kleineres oder größeres Interferenzpotential, je nach ihrer typologischen Ähnlichkeit. Syntaktische Asymmetrien in den beteiligten Sprachen stellen eine höhere kognitive Belastung für den Dolmetscher dar und können folglich, wenn nicht ausreichend Kapazitäten für eine Umstrukturierung des 3 Für detailliertere Informationen zu Forschungsarbeiten im Bereich der Pupillometrie in der Dolmetschwissenschaft siehe zum Beispiel Hyönö/ Tommola/ Alaja (2007). 2 Interdisziplinarität und Sprachenpaarspezifik 29 <?page no="30"?> Satzes zur Verfügung steht, ebenfalls vermehrt zu Interferenzerscheinungen führen. Jedoch ist nicht nur die Sprachkombination ausschlaggebend, sondern auch die Komplexität der verwendeten Strukturen in der Ausgangssprache. Für das vorliegende Forschungsprojekt wird ein interdisziplinärer und sprachenpaarspezifischer Ansatz konkret für die Spezifika der Dolmetschrichtung Spanisch - Deutsch verfolgt, wobei ausgehend von den dolmetschwissenschaftlichen und psycholinguistischen Erkenntnissen zur Sprachverarbeitung sowie den kontrastiven linguistischen Grundlagen interferenzbegünstigende Schwierigkeitsstellen identifiziert und im empirischen Teil überprüft werden. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse können nicht nur Aufschluss über spezifische linguistische Herausforderungen in der gewählten Sprachkombination und die ablaufenden Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen geben, sondern auch wichtige dolmetschdidaktische Anhaltspunkte bezüglich der Schwierigkeiten, Problemstellen, aber auch Übungsmöglichkeiten und Strategien speziell im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch liefern. 30 2 Interdisziplinarität und Sprachenpaarspezifik <?page no="31"?> 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen Vorliegendes Kapitel hat es zum Ziel, einen Überblick über die für die Themenstellung relevanten kognitiven, psycholinguistischen und dolmetschwissenschaftlichen Erkenntnisse zur Sprachverarbeitung, zu geben. Diese Grundlagen stellen eine wichtige Ausgangsbasis für die Erklärung von Interferenzerscheinung, vor allem für deren Entstehung im Dolmetschprozess dar. Die Psycholinguistik liefert einen bedeutenden Rahmen mit Daten zur Verarbeitung von Sprache generell und in bilingualen Settings, den beteiligten Gedächtnistypen, den mentalen Wissensrepräsentationen im Gehirn sowie deren Aktivierung und Inhibition, die wiederum Hinweise auf den Zusammenhang zwischen allgemeinen Schwierigkeitsstellen bzw. sprachstrukturellen Besonderheiten und Interferenzerscheinungen geben können. Kognitionspsychologische Grundlagen zum Arbeitsgedächtnis bilden eine wichtige Grundlage für die Erforschung der Beteiligung und der Rolle des Arbeitsgedächtnisses im Dolmetschprozess, wobei besonders die phonologische Schleife als auditiver Kurzzeitspeicher sowie die zentrale Exekutive als Koordinationssymstem interessante Ansätze für die Erforschung von Intereferenzerscheinungen ermöglichen. Unterschiedliche Dolmetschprozessmodelle sowie Modelle zum Monitoring geben einerseits Erklärungen für die Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen und helfen andererseits, Dolmetschschwierigkeiten, darunter Interferenzfehler, einzuordnen und als Störungen im Dolmetschprozess zu lokalisieren. 3.1 Psycholinguistische Grundlagen Im Anschluss werden einige wichtige psycholinguistische Grundlagen zur Sprachverarbeitung behandelt, welche essenziell für die Erklärung des Simultandolmetschprozesses an sich und im Speziellen für die Fragestellungen des Forschungsprojekts sind. Zunächst wird ein Überblick über die Gedächtnisarten sowie über die Sprachverarbeitungsprozesse gegeben, um anschließend auf die Besonderheiten der gemittelten Kommunikation, das Modell zum Language Mode von Grosjean sowie die für die Fragestellung der Interferenzproblematik besonders relevanten Erkenntnisse zur Aktivierungs- und Unterdrückungsmechanismen bei der Sprachverarbeitung einzugehen. <?page no="32"?> 3.1.1 Gedächtnistypen und ihre Rolle beim Simultandolmetschen Als Grundlage für das Erfassen und Erklären des Dolmetschprozesses müssen zunächst die unterschiedlichen Gedächtnistypen kurz erläutert werden, die bei Sprachverarbeitungsprozessen generell beteiligt sind. Psycho- und neurolinguistische Forschungen konnten empirische Evidenz dafür liefern, dass das Gedächtnis in unterschiedliche Subsysteme unterteilt werden kann, welche ihrerseits aus mehreren Komponenten bestehen. Eine grobe Unterteilung erfolgt in Ultrakurzzeitgedächtnis (auch sensorisches Gedächtnis), Kurzzeitgedächtnis bzw. in der neueren Forschungsliteratur Arbeitsgedächtnis (working memory) und Langzeitgedächtnis 1 . Das Ultrakurzzeitgedächtnis hält Informationen nur für Sekundenbruchteile, bevor sie entweder zur Verarbeitung an das Arbeitsgedächtnis weitergeleitet oder verworfen werden. Die Rolle des Arbeitsgedächtnisses (vgl. Kapitel 3.2) ist primär die temporäre Speicherung und Verarbeitung von Information und es ist ebenfalls beteiligt bei wichtigen Aufgaben wie Verstehensprozessen, Lernen, Schlussfolgern oder bewusster Wahrnehmung. (Vgl. Fabbro 1999: 92 f; Gruber 2018: 3 ff.) Das Langzeitgedächtnis wird in implizites Gedächtnis und explizites (oder auch deklaratives) Gedächtnis unterteilt. Das explizite Gedächtnis besteht wiederum aus dem semantischen Gedächtnis, das generelles Weltwissen und Wortbedeutungen enthält, sowie dem episodischen Gedächtnis, in dem autobiographische Erinnerungen gespeichert und bewusst abrufbar sind. Evidenz für die Unterteilung von semantischem und episodischem Gedächtnis in eigene Gedächtnissysteme stammt vor allem aus klinischen Studien, wo Patienten mit Gehirnverletzung teilweise nur in einem der beiden Gedächtnissysteme beeinträchtig waren, während das andere noch intakt war. Diese Trennung in zwei unterschiedliche Subsysteme bedeutet zwar, dass die beiden autonom funktionieren können, jedoch ist auch eine Interaktion der Systeme möglich und häufig gegeben, da eine Aktivierung von Weltwissen, zum Beispiel, dass Wien die Hauptstadt von Österreich ist, auch autobiographische Erinnerungen an Wien mitaktivieren kann, und umgekehrt ist ein Abruf der Erinnerung an ein autobiographisches Erlebnis häufig auch mit einer Aktivierung des darüber gespeicherten Weltwissens verbunden. (Vgl. Gruber 2018: 41 ff.) Im impliziten Gedächtnis werden jene Gedächtnisinhalte abgespeichert, die unbewusst, auto- 1 In der Forschungsliteratur wird manchmal noch ein weiteres Subsystem, das sogenannte intermediäre Gedächtnis verwendet, das Informationen von einigen Minuten bis zu mehreren Stunden speichern kann. Allerdings wird dieses Gedächtnis meistens als Teil des Langzeitgedächtnisses und nicht als eigenständiger Gedächtnistyp angesehen (vgl. Gruber 2018: 4). 32 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="33"?> matisch und ohne Willensanstrengung aktiviert werden. Die Bereiche, welche dem impliziten Gedächtnis zugeordnet werden, sind die klassische Konditionierung, Priming-Effekte (vgl. Kapitel 3.1.5) sowie das perzeptuelle und das prozedurale Gedächtnis. Das perzeptuelle Gedächtnis dient dazu, bekannte Orte, Personen oder Gegenstände wiederzuerkennen und diese als bekannt wahrzunehmen. Im prozeduralen Gedächtnis wiederum sind motorische und kognitive Prozesse abgespeichert, die durch wiederholtes praktisches Ausführen und Einprägen erlernt werden und automatisch sowie unbewusst ausgeführt werden, wie zum Beispiel Fahrrad fahren oder ein Instrument spielen. (Vgl. Gruber 2018: 49 ff.) Die Implikationen dieser allgemeinen Grundlagen zu den unterschiedlichen Gedächtnissystemen konkret für den Simultandolmetschprozess sind folgende: Beim Simultandolmetschen spielt das implizite Gedächtnis eine entscheidende Rolle für eine Vielzahl von Komponenten im Dolmetschprozess, die unbewusst und automatisiert ablaufen, wie unter anderem das gleichzeitige Hören und Sprechen, die Aufmerksamkeitsverteilung oder das Anwenden unterschiedlicher Dolmetschstrategien. Diese Prozesse, die im prozeduralen Gedächtnis gespeichert sind, können durch explizites Wissen (Wissen über den Dolmetschprozess, Weltwissen etc.) nicht verbessert werden, jedoch durch wiederholtes Ausführen der Tätigkeit trainiert und damit gesteigert werden. Im Gegensatz dazu kann auf die beiden Teile des expliziten Gedächtnisses bewusst zugegriffen und die gespeicherte Information abgerufen werden. Beim Simultandolmetschen kann folglich durch eine gute Vorbereitung und durch das Aneignen von explizitem Wissen (semantisches Wissen einerseits und Allgemeinbzw. Hintergrundwissen andererseits) die Leistung verbessert werden, da während des Dolmetschvorgangs auf die gespeicherten Informationen im semantischen und episodischen Gedächtnis zurückgegriffen wird. (Vgl. Darò 1997: 626; Fabbro 1999: 96 ff.) Der Abruf der gespeicherten Items im semantischen Gedächtnis kann schneller erfolgen, wenn die Aktivierung erst kürzlich erfolgte und ein größerer Wissensbestand sowie damit verbunden eine bessere Vernetzung besteht (vgl. Kapitel 3.1.5 und 3.2). Bei der Tätigkeit des Simultandolmetschens kommt es auf ein Zusammenspiel zwischen Übung bzw. Erfahrung im Simultandolmetschen an sich und einem möglichst fundierten Wissen (sowohl auf sprachlicher als auch auf inhaltlicher Ebene) an. Empirische Studien, die Verdolmetschungen von Dolmetschanfängern und professionellen Dolmetschern vergleichen, lassen den Rückschluss zu, dass jahrelanges Training im Simultandolmetschen zu einer Automatisierung der Prozesse im prozeduralen Gedächtnis, wie Aufmerksamkeitsverteilung, Dolmetschstrategien, Antizipationsfähigkeit etc., und folglich zu einer besseren Nutzung der kognitiven Ressourcen führt, wobei auch zugleich ein größeres Weltwissen sowie ein 3.1 Psycholinguistische Grundlagen 33 <?page no="34"?> vertieftes sprachliches Wissen wichtige Einflussfaktoren für bessere Dolmetschleistungen sind. (Vgl. Moser-Mercer 1997b: 257; Pöchhacker 2016b: 74 ff.) Von besonderer Relevanz für die vorliegende Themenstellung ist die Interaktion der unterschiedlichen Gedächtnistypen im Dolmetschprozess, bei dem sowohl die Wissensbestände und prozeduralen Abläufe, die im Langzeitgedächtnis angesiedelt sind, als auch das Arbeitsgedächtnis eine wichtige Rolle spielen. Die im Langzeitgedächtnis gespeicherten Informationen (Sprache, Weltwissen, Kontextwissen etc.) und verinnerlichten Prozesse sind gewissermaßen Grundvoraussetzung, dass eine Verdolmetschung überhaupt stattfinden kann, und liefern wichtige Erklärungen dafür, wie sich Training und Erfahrung im Dolmetschen auswirken, was wiederum theoretische Ansätze liefert, um Vergleiche zwischen Studenten und professionellen Dolmetschern ziehen zu können. Die Gedächtnissysteme und deren Interaktionen liefern eine erste wichtige Grundlage, um die in den nachfolgenden Kapiteln behandelten Forschungsbereiche zur Wissensrepräsentation von sprachlichen Elementen im Gehirn, zum Abruf, zur Selektion und Unterdrückung von Items, insbesondere in einer bilingualen Kommunikationssituation, sowie zu den Besonderheiten der gemittelten Kommunikation darauf aufbauen zu können. 3.1.2 Das mentale Lexikon Der Begriff mentales Lexikon wird für den menschlichen Gedächtnisspeicher für Wörter 2 verwendet und umfasst das gesamte damit verbundene Wissen eines Individuums. In der Psycholinguistik wurden viele Experimente durchgeführt, um die Inhalte, die Organisation und den Aufbau des mentalen Lexikons zu erforschen und zu modellieren. (Vgl. Rickheit/ Weiss/ Eikmeyer 2010: 37.) Über einige Aspekte des mentalen Lexikons sind sich die unterschiedlichen Studien mehrheitlich einig, wohingegen andere Auffassungen, vor allem hinsichtlich der Wissensstruktur, den Verbindungen und der Repräsentation von operativen Regeln im Gedächtnis, noch kontrovers diskutiert werden und weiteres Forschungspotential diesbezüglich besteht. Im Anschluss werden einige grundlegende Erkenntnisse über das mentale Lexikon, die für das Simultandolmetschen anwendbar und für vorliegende Arbeit von besonderer Relevanz sind, kurz dargestellt 3 . 2 Im mentalen Lexikon werden nicht nur einzelne Wörter, sondern auch Sinneinheiten, sogenannte chunks, die einerseits idiomatische Wendungen und formelhafte Ausdrücke, andererseits wahrscheinlich auch transparente Ausdrücke umfassen, gespeichert (vgl. Pöll 2018: 16). 3 Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem mentalen Lexikon würde den Rahmen vorliegender Dissertation übersteigen und ist für die gewählte Thematik nicht erfor- 34 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="35"?> Der aktuelle Forschungsstand in der kognitiven Linguistik belegt, dass im mentalen Lexikon sowohl die sprachlichen Formen (Laut- und Schriftbilder) als auch die Wortbedeutungen und im weiteren Sinn die damit assoziierten kognitiven Konzepte, das sogenannte Weltwissen, abgespeichert sind. Konzepte und Wortformen scheinen dabei getrennt gespeichert zu sein, was unter anderem durch das „ tip of the tongue “ -Phänomen oder Ergebnisse psycholinguistischer Experimente belegt wird (vgl. Pöll 2018: 13). Börner/ Vogel (1997: 3) schreiben hierzu, dass diese unterschiedlichen Bereiche des Sprachwissens „ [ … ] gemeinsam und dennoch zugleich autonom repräsentiert [sind.] Das mentale Lexikon ist also kein von der Kognition abtrennbares Modul der Sprache, sondern Schnittstelle sprachlicher und konzeptueller Strukturen. “ Die Wortformen, semantischen Konzepte und Strukturen werden als komplexe miteinander vernetzte Einheiten, aufbauend auf den zugrundeliegenden Regeln zur eigenständigen Bildung und Kombination derselben, gespeichert. Die Informationen sind dabei in unterschiedliche linguistische Ebenen gegliedert und umfassen phonologische bzw. graphematische Informationen, morphologische Schemata, syntaktische Regeln und Strukturen sowie semantisch-lexikalische Merkmale, wobei jede Ebene ein unabhängiges, aber zugleich interdependentes Subsystem bildet. Die im mentalen Lexikon gespeicherten Einheiten, Informationen, Strukturen und Regeln zeichnen sich durch ein komplexes System der Vernetzung zwischen den einzelnen Knoten aus, was eine schnelle Aktivierung und Verknüpfung von sprachlichem Material ermöglicht. (Vgl. Börner/ Vogel 1997a: 3 ff.) Die Vernetzung erfolgt dabei nicht nur zwischen Bedeutung und Wortform, sondern auch zwischen ähnlichen Items auf semantischer, phonologischer, graphemischer oder morphologischer Ebene. Die semantische Beziehung scheint dabei sowohl auf einer tatsächlichen Ähnlichkeit zwischen den Wörtern als auch auf einer assoziativen Beziehung zwischen Elementen, die zwar keine semantischen oder gestaltlichen Gemeinsamkeiten aufweisen, aber häufig zusammen oder in ähnlichen Kontexten vorkommen, zu beruhen (vgl. z. B. Dijkstra et al. 2010: 284 ff). Die starke Beziehung zwischen ähnlichen sprachlichen Informationen führt häufig zu einer falschen Aktivierung bzw. nicht erfolgreichen Unterdrückung von fälschlich aktiviertem sprachlichem Material und zeigt sich in der Kommunikation durch Versprecher. Aitchison (2012: 262) sieht das mentale Lexikon gewissermaßen als „ evolutionary mishmash “ , wo ein Kompromiss zwischen den Anforderungen an die Sprachproduktion und jenen an die Sprachrezeption getroffen wurde. Der Autor schreibt hierzu: „ The lemma side of the coin, then, favors production in its derlich. Für eine genauere Auseinandersetzung mit dem mentalen Lexikon vgl. z. B. Aitchison (2012) und zum mehrsprachigen mentalen Lexikon vgl. z. B. Raupach (1997). 3.1 Psycholinguistische Grundlagen 35 <?page no="36"?> organization, whereas the word-form side is better for recognition “ (Aitchison 2021: 263). Bei der Sprachproduktion steht also zunächst die Bedeutung im Vordergrund, weshalb eine Verknüpfung zwischen semantischen Konzepten, die in einerÄhnlichkeitsbeziehung stehen oder miteinander verbunden werden, die Sprachproduktion erleichtert. Der Sprachrezeptionsprozess hingegen startet mit der Lautperzeption, wobei eine komplexe matching and guessing-Operation stattfindet, und daher ähnlich klingende Wörter mitaktiviert werden. Diese Aktivierung formähnlicher Items hat jedoch bei der Sprachproduktion den Nachteil, dass diese unterdrückt werden müssen, um Versprecher zu vermeiden, was nicht immer erfolgreich ist. (Vgl. Aitchison 2012: 262 ff.) Die oben angeführten Erklärungen gelten für das mentale Lexikon generell; bezüglich des Aufbaus und der Struktur des mehrsprachigen mentalen Lexikons, auch häufig bilinguales Lexikon, ist die Forschungslage noch komplexer und uneindeutiger. Die Diskussion, ob bei multilingualen Personen ein sprachenübergreifendes System oder unterschiedliche sprachlich getrennte Systeme vorhanden sind, wurde bereits in den 1960er Jahren in der Linguistik geführt. Die Begriffe ‚ verschmolzener ‘ (compound) Bilingualismus, wo davon ausgegangen wird, dass ein Konzept existiert, welchem die Wortformen in den beiden Sprachen zugeordnet werden, und ‚ koordinierter ‘ (coordinate) Bilingualismus, wo angenommen wird, dass sowohl Form als auch Konzept sprachspezifisch sind, wurden von Weinreich (1953) eingebracht, von Ervin/ Osgood (1954) formalisiert und seither in zahlreichen Forschungsarbeiten modifiziert. Die unterschiedlichen Studien kamen zu teilweise stark divergierenden Ergebnissen und schon relativ bald wird in der Forschungsliteratur nicht mehr von einer Dichotomie der beiden Begriffe gesprochen, sondern ein Kontinuum angenommen, das von verschiedensten Faktoren wie Erwerbsalter, Art des Spracherwerbs, den jeweiligen Sprachen, Verwendungshäufigkeit etc. abhängt und im Laufe des Lebens Veränderungen unterworfen ist 4 . (Vgl. Raupach 1997: 22 ff.) In einigen Studien konnten empirische Hinweise dafür gefunden werden, dass es Unterschiede zwischen early bilinguals und late bilinguals gibt und frühe Bilinguale mehr Schwierigkeiten haben, die Einflüsse der anderen Sprache zu unterdrücken, was auch mit dolmetschwissenschaftlichen Erkenntnissen übereinstimmt, welche aufzeigen, dass early bilinguals nicht automatisch gut zum Dolmetschen geeignet sind, sondern häufig Probleme haben, die beiden Sprachsysteme zu trennen (vgl. Lambert 1978: 138 ff ). Paradis (1978; 2004) setzt sich eingehender mit den möglichen Hypothesen zur Anordnung der Sprachen bei mehrsprachigen Individuen auseinander. 4 Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen empirischen Studien zu möglichen Speicherformen im mentalen Lexikon vgl. z. B. Singleton (1999: 167 ff.) 36 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="37"?> Dabei diskutiert der Autor vier mögliche Hypothesen: Die Extended System Hypothesis entspricht gewissermaßen den Annahmen des compound bilingualism, wonach es ein Sprachsystem gibt, in dem die Einheiten sprachlich markiert sind, aber als Varianten im selben Speicher abgespeichert sind. Die Dual System Hypothesis stimmt mit den Ansichten des coordinate bilingualism überein und nimmt zwei getrennte Sprachsysteme bei bilingualen Personen an, welche wiederum in die Teilbereiche, die auch beim einsprachigen mentalen Lexikon vorhanden sind, gegliedert werden. Anschließend analysiert Paradis noch zwei Hypothesen, die zwischen den beiden genannten stehen. Die sogenannte Tripartite System Hypothesis, die zwar grundsätzlich von zwei getrennten Systemen ausgeht, aber bei ähnlichen Einheiten einen gemeinsamen Speicher vorsieht, was Erklärungen für Interferenzerscheinungen im Spracherwerb bzw. in der bilingualen Kommunikation liefern kann. Die letzte, die in der Wissenschaft häufig als die Theorie mit dem größten Erklärungspotential eingestuft wird und die auch als einzige eine Einordnung unterschiedlicher Stadien des Sprachverlustes bei Aphasie-Patienten ermöglicht (vgl. z. B. De Bot 2004; Raupach 1994: 30; Paradis 1978: 10), ist die Subset Hypothesis. Diese Hypothese verfolgt einen integrativen Ansatz und geht davon aus, dass alle Sprachen in einem gemeinsamen Speicher repräsentiert sind, aber die Einheiten der einzelnen Sprachen stark miteinander verschmolzen sind, wodurch sie jeweils ein eigenes, bis zu einem gewissen Grad autonomes, Subsystem bilden. Hulstijn (1997: 211) spricht diesbezüglich von „ separate families within a community “ . Zur Diskussion über ein gemeinsames oder zwei unabhängige Konzepte in den jeweiligen Sprachen gibt es in der aktuellen Forschungsliteratur, zusätzlich zu den bereits besprochenen Speicherhypothesen und den Annahmen, dass unterschiedliche Faktoren einen Einfluss auf die Speicherart haben, Hinweise darauf, dass Wörter, die viele gemeinsame semantische Eigenschaften in beiden Sprachen haben, schneller aktiviert und übersetzt werden können als solche mit wenigen semantischen Übereinstimmungen, was für diese Fälle den Rückschluss auf ein gemeinsames Konzept zulässt. Abstrakte und kulturell geprägte Wörter, die wenig konzeptuelle Eigenschaften mit den möglichen Übersetzungsäquivalenten teilen, benötigen mehr Zeit zur Aktivierung und es scheint hier nur eine teilweise Überschneidung von zwei unterschiedlichen Konzepten zu geben. Dieses ursprünglich nur für die semantischen Beziehungen entworfene Modell (vgl. De Groot 1992), wurde inzwischen auch auf die lexikalische Ebene erweitert (vgl. Van Hell/ De Groot 1998). Diesbezüglich konnte empirisch aufgezeigt werden, dass nicht nur konzeptuelle Ähnlichkeiten die Übersetzung von Wörtern erleichtern, sondern auch lexikalische Ähnlichkeitsbeziehungen. (Vgl. Van Hell/ De Groot 1998.) Es bestehen also nicht nur Verbindungen zwischen den Elementen einer Sprache untereinander, sondern 3.1 Psycholinguistische Grundlagen 37 <?page no="38"?> auch direkt zwischen Items der unterschiedlichen Sprachen auf den unterschiedlichen linguistischen Ebenen. In diesem Zusammenhang kommt es zu Vernetzungen durch Ähnlichkeitsbeziehungen, welche jedoch kein Übersetzungsäquivalent in der anderen Sprache darstellen. Diese ungewollten Beziehungen auf Grund von Form- oder Bedeutungsähnlichkeit liefern unter anderem eine Erklärung für die Entstehung von Interferenzen. (Vgl. Raupach 1997: 31; Setton 1999: 76 f.) Setton (1999: 76) schreibt zur interlingualen Interkonnektion zwischen den Elementen auf den unterschiedlichen Ebenen: „ These associations - both useful and ‚ parasitic ‘ - are morphological, phonological, orthographic, derivational, or semantic: there is no evidence to suggest associations between words through their syntactic similarities “ . Die unterschiedlichen Sprachen können, da sie ein eigenes Subsystem bilden, als Ganzes inhibiert bzw. aktiviert werden, was einen Sprachwechsel ermöglicht. Allerdings geht der aktuelle Forschungsstand davon aus, dass eine Sprache, selbst wenn sie nicht aktiv in der Kommunikation gebraucht wird, nicht einfach komplett abgeschaltet werden kann, da auch in diesem Zustand Spuren der anderen Sprachen im Output beobachtbar sind bzw. bei der Sprachverarbeitung konnte empirisch ebenfalls belegt werden, dass die zum Verständnis nicht aktiv gebrauchte Sprache dennoch verfügbar ist (vgl. Cook 1992: 564 f ). Es bestehen dementsprechend Verbindungen zwischen einzelnen Einheiten innerhalb eines Sprachsystems und auch zwischen unterschiedlichen Sprachsystemen, die in der Sprachproduktion dann zu ungewollten Einflüssen durch dieselbe Sprache, in Form von Sprechfehlern und Versprechern, oder durch eine andere Sprache trotz Inhibition des Subsystems, in Form von Interferenzerscheinungen, führen können, wenn die fälschlich aktivierten Items nicht unterdrückt werden bzw. eine unpassende der aktivierten Einheiten ausgewählt wird (vgl. Kapitel 3.1.5). (Vgl. Paradis 1993: 282; Setton 1999: 76 f.) Bezüglich der Aktivierung der unterschiedlichen Sprachsysteme gibt es verschiedene Ansätze. Green (1986) geht davon aus, dass eine Sprache für die Sprachproduktion ausgewählt ist (selected language), eine weitere Sprache aber ebenfalls aktiviert sein kann (active language), obwohl diese nicht aktiv zur Sprachproduktion verwendet wird, wobei diese dann durch Einflüsse im Output erkennbar ist, und weitere erlernte Sprachen deaktiviert sind (dormant language) und somit keinen Einfluss auf den Output haben. Hufeisen (1991) weist jedoch darauf hin, dass bei multilingualen Sprechern häufig Einflüsse von all ihren Sprachen erkennbar sind und somit auch die bei Green als dormant languages bezeichneten Sprachen nicht gänzlich deaktiviert sind. Häufig wird bei der Aktivierung noch zusätzlich zwischen Input und Output unterschieden (vgl. Raupach 1997: 33). Welche Sprachen inwieweit aktiviert sind, hängt von unterschiedlichen Faktoren, wie zum Beispiel der typologischen Ähnlichkeit 38 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="39"?> der Sprachen (vgl. z. B. Cenoz 2001), dem sogenannten foreign language effect, also einer Aktivierung von anderen Fremdsprachen, während die Muttersprache eher inaktiv ist und deshalb weniger Einfluss ausübt (vgl. z. B. Williams/ Hammarberg 2009), der Sprachkompetenz in den anderen beherrschten Sprachen oder Komponenten wie Verwendungshäufigkeit bzw. letzte Verwendung (vgl. z. B. Dewaele 1998) etc. ab. Die unterschiedlichen Annahmen zum Aktivierungsgrad der Sprachen bei multilingualen Personen beziehen sich häufig auf das Sprachlernsetting und sind somit nur bedingt für vorliegende Arbeit von Relevanz. Grosjean entwirft jedoch ein Language Mode Continuum, das sich speziell mit dem Aktivierungsgrad von Sprachen in bilingualen Kommunikationssettings auseinandersetzt und das er später speziell für das Simultandolmetschen adaptiert. Dieses Modell wird auf Grund der für die Thematik besonders geeigneten Darstellung gesondert im Kapitel 3.1.3 behandelt. 3.1.3 Language Mode Grosjean geht in der bilingualen Kommunikation davon aus, dass sich mehrsprachige Personen auf einem sogenannten language mode continuum befinden, wobei die Endpunkte der monolinguale Modus und der bilinguale Modus sind, der Sprecher sich aber auch in einem Zwischenstadium befinden kann. Im monolingualen Modus befinden sich Personen zum Beispiel, wenn sie mit Familienmitgliedern oder Freunden in nur einer ihrer Sprachen kommunizieren, ein einsprachiges Buch oder einen Film ansehen. Mehrsprachige Personen sind dann in einem bilingualen Modus, wenn sie mit anderen Bilingualen sprechen oder diesen zuhören und beide Sprachen verwendet werden. Normalerweise ist auch im bilingualen Modus eine Sprache mehr aktiviert, Grosjean spricht von einer sogenannten base language, die je nach Kommunikationssituation die L1 oder eine Lx sein kann, als die andere, die er als guest language bezeichnet. Allerdings gibt es auch Situationen, wie zum Beispiel das Anhören eines Gesprächs mit zwei Personen, bei dem Person 1 eine Sprache spricht und Person 2 in der zweiten Sprache antwortet, oder auch beim Dolmetschen, wo beide Sprachen aktiviert sind. Häufig befinden sich bilinguale Personen jedoch in einem Zwischenmodus, in dem zwar nur eine Sprache aktiv verwendet oder gebraucht wird, die andere aber ebenfalls aktiviert ist, zum Beispiel, wenn sie über Themen in der „ falschen “ Sprache sprechen, also Themen, die normalerweise in der anderen Sprache behandelt werden bzw. damit verknüpft sind. Der aktuelle Forschungsstand geht davon aus, dass selbst im monolingualen Modus keine vollständige Deaktivierung der nicht gebrauchten Sprache stattfindet, da empirisch belegt werden konnte, dass auch in diesen Situationen Einflüsse der 3.1 Psycholinguistische Grundlagen 39 <?page no="40"?> anderen Sprache bemerkbar sind, und zwar sowohl auf perzeptiver als auch auf produktiver Ebene. (Vgl. Grosjean/ Soares 1986: 146 ff; Grosjean 2010: 39 ff.) Wie groß der Einfluss der gerade nicht aktiv gebrauchten, aber je nach Situation mehr oder weniger aktivierten Sprachen ist, hängt in der bilingualen Kommunikation von unterschiedlichen Faktoren, wie zum Beispiel der Gebrauchshäufigkeit, der Sprachkompetenz, aber auch der Distanz bzw. Ähnlichkeit zwischen den Sprachen, ab (vgl. Raupach 1997: 32 f ). Für das Simultandolmetschen entwirft Grosjean ein spezifisches Schema ausgehend von seiner Theorie des language mode continuums bei bilingualen Sprechern, welches die Aktivierung der beiden beteiligten Sprachen im Dolmetschprozess darstellt. LANGUAGE A LANGUAGE B BILINGUAL LANGUAGE MODE Output inhibited Input activated Output activated Input activated MONOLINGUAL LANGUAGE MODE (target language) (source language) Abb. 1: Visual representation of the interpreter ’ s position on the language mode continuum when doing simultaneous interpreting (Grosjean 1997: 174) Grosjean geht davon aus, dass beim Dolmetschen beide Sprachen gleichermaßen aktiviert sind, es allerdings einen Unterschied bei der Aktivierung der Sprachverarbeitungsmechanismen gibt. Was die Sprachverarbeitung betrifft, befindet sich der Dolmetscher in einem Zwischenmodus, in dem der Input in beiden Sprachen aktiviert ist, der Output hingegen nur in der Zielsprache. Der Input der Ausgangssprache wird für den Verstehensprozess benötigt und ist wahrscheinlich stärker aktiviert, während der Input der Zielsprache ebenfalls aktiviert sein muss, um Monitoringfunktionen (siehe Kapitel 3.5) wahrzuneh- 40 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="41"?> men und den eigenen Output in der Zielsprache mit dem Original in der Ausgangssprache vergleichen zu können. Der Output der Ausgangssprache sollte hingegen deaktiviert sein, da keine aktive Verwendung der Ausgangssprache bei der Sprachproduktion benötigt wird. Grosjean geht in seinem language mode continuum für das Simultandolmetschen ebenfalls auf die für das vorliegende Forschungsprojekt besonders relevante Fragestellung ein, inwieweit die Output-Mechanismen beim Dolmetschen tatsächlich deaktiviert sind und ob Übertragungen von Sprachstrukturen der Ausgangssprache auf die Zielsprache durch eine fälschliche Aktivierung des Outputs der Ausgangssprache oder schon früher im Sprachverarbeitungsprozess entstehen. Er nimmt diesbezüglich an, dass Phänomene wie eine Übernahme der Sprachstruktur oder eine Übertragung eines Wortes durch eine Wort-für-Wort-Übersetzung bzw. eine Übernahme eines Wortes aus der Ausgangssprache, welches an die morphologischen oder phonologischen Regeln der Zielsprache angepasst wird, wahrscheinlich nicht durch eine Aktivierung des Output-Mechanismus der Ausgangssprache entstehen, sondern schon früher im Verarbeitungsprozess durch fälschliche Aktivierung und insuffiziente Unterdrückung von Items. Es kommt jedoch beim Simultandolmetschen auch immer wieder zu einer vollständigen Übernahme von ausgangssprachlichem Material, ohne dass dieses morphologisch oder phonetisch an die Zielsprache angepasst wird, wobei Grosjean in diesem Fall von code-switching spricht. Die Auslöser für dieses Phänomen beim Simultandolmetschen sind nicht eindeutig geklärt; es ist jedoch anzunehmen, dass es sich dabei um eine kurzzeitige Aktivierung des eigentlich deaktivierten Output-Mechanismus der Ausgangssprache handelt. (Vgl. Grosjean 1997: 174 ff.) Grosjeans Darstellungen zum language mode beim Simultandolmetschen stellen für die Thematik von Interferenzerscheinungen ein interessantes theoretisches Erklärungsmodell dar, das eine generelle Aktivierung der beiden im Dolmetschprozess involvierten Sprachen sowie eine separate Aktivierung bzw. Deaktivierung der Sprachverarbeitungsprozesse in den beiden Sprachen annimmt. Auf Grund der generellen Aktivierung der beiden Sprachen ist die Gefahr von Interferenzen in allen Momenten des Sprachverarbeitungsprozesses gegeben und diese können sowohl bereits beim Verstehens- und Umwandlungsprozess durch Aktivierung und insuffiziente Unterdrückung einzelner inkorrekter Elemente sowie auch später beim Sprachproduktionsprozess durch eine fälschliche Aktivierung des Outputs in der Ausgangssprache entstehen. 3.1 Psycholinguistische Grundlagen 41 <?page no="42"?> 3.1.4 Besonderheiten der gemittelten Kommunikation „ Simultaneous interpretation is like driving a car that has a steering wheel but no brakes and no reverse. “ (Preter Pyotr Avaliani, Russischdolmetscher bei der UNO, zit. in Endrst 1991) Im Gegensatz zur ungemittelten oder direkten Kommunikation zeichnet sich die gemittelte Kommunikation dadurch aus, dass der Dolmetscher oder Übersetzer sozusagen als drittes Bindeglied zwischen Sender und Empfänger steht, aber weder vom Redner als Hörer eingeplant ist noch selbst als eigenständiger Redner agieren darf. Zusätzlich vollzieht der Translator Sprachverstehens- und Sprachproduktionsprozesse in unterschiedlichen Sprachen, wie es auch in bilingualen Kommunikationssituationen der Fall ist, wobei aber beim Simultandolmetschen noch hinzukommt, dass der Dolmetscher mit dem Produktionsprozess schon während des Verstehensprozesses einsetzen muss, weshalb er auch nur über einen eingeschränkten Kontext verfügt, und auf Grund der gleichzeitig ablaufenden mentalen Prozesse nur beschränkte kognitive Ressourcen zur Verfügung hat. (Vgl. Setton 1999: 8 ff.) Ebenso wie in anderen bilingualen Kommunikationssituationen ist der Dolmetscher mit der Schwierigkeit des Umschaltens zwischen zwei Sprachen konfrontiert, die als gesamtes Subsystem aktiviert sind, jedoch bei ihrem Aktivierungsgrad je nach In- und Output variieren. In monolingualen Gesprächssituationen hingegen versuchen bilinguale Personen die Aktivierung des nicht benötigten Sprachsystems zu verhindern bzw. dessen Inhibition aufrechtzuhalten, um Interferenzen zu vermeiden (vgl. Paradis 1994: 322). Die Aktivierung beider Sprachsysteme unter gleichzeitiger Unterdrückung des Outputs der Ausgangssprache sowie fälschlich mitaktivierter Items scheint auch einer der Schlüsselprozesse beim Simultandolmetschen zu sein (vgl. Kapitel 3.1.5). Im Gegensatz zur einsprachigen Kommunikation, wo der Sprecher im Sprachverstehensprozess den genauen Wortlaut nur so lange aufrechterhält, bis die Bedeutung erfasst wurde, ist es beim Übersetzen notwendig, diesen bis nach der erfolgreichen Textproduktion ständig präsent zu haben, selbst wenn der eigentliche Verstehensprozess schon abgeschlossen ist. Kohn (1990b: 111) schreibt hierzu: „ The words and structures of the source text do not fade away with successful comprehension; in fact, they are kept alive and are needed for continual checks. ln the course of the production of the target text, translators have to create appropriate expressions while, at the same time, being forced to focus their attention on the source text. “ Diese starke Präsenz der beiden Sprachen birgt an sich schon die Gefahr von „ Sprachkontamination “ , wird aber beim Simultandolmetschen noch durch die Überlappung des Sprach- 42 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="43"?> rezeptions- und des Sprachproduktionsprozesses zusätzlich erschwert. Der Dolmetscher muss also in zweifacher Hinsicht widersprüchliche Handlungen vollziehen: Simultaneität von Rezeption und Produktion sowie Aktivierung der Ausgangssprache für den Verständnisprozess und Unterdrückung derselben für den Produktionsprozess, unter gleichzeitigem Behalten von Spuren des Originalinputs zu Monitoringzwecken. Mögliche Interferenzfehler, die auf eine Überschneidung der beiden Tätigkeit bzw. eine fälschliche Aktivierung von Elementen in der Ausgangssprache zurückgehen, haben nichts mit mangelnder Sprachkompetenz an sich zu tun, sondern vielmehr mit einer Kapazitätsüberlastung auf Grund von erhöhter benötigter Konzentrationsfähigkeit bzw. Schwierigkeiten bei der Aufmerksamkeitsverteilung. (Vgl. Chabasse 2009: 88 ff.) In der kognitiven Psychologie schreibt Neisser bezüglich der Kapazitätsgrenzen bei der Informationsverarbeitung, dass „ [ … ] Schwierigkeiten [dann] [auf] tauchen [ … ], wenn Menschen zwei Dinge aufs Mal zu tun versuchen “ (Neisser 1979: 83) und dass es zu Überlagerungen von zwei Handlungen kommt, „ [ … ] wenn wir versuchen, für zwei unvereinbare Vorhaben dieselben Wahrnehmungsschemata zu benutzen “ (Neisser 1979: 83.). Diese generellen Feststellungen können auch auf das Simultandolmetschen übertragen werden, wo auf Grund der Gleichzeitigkeit von unterschiedlichen ablaufenden Prozessen und der Präsenz von zwei verschiedenen Sprachen schon ein gewisses Interferenzpotential besteht. Dieses kann sich allerdings durch gewisse Umstände, welche die kognitiven Ressourcen im Dolmetschprozess zusätzlich beanspruchen (vgl. Kapitel 3.2 und 3.3.1), wie bestimmte sprachliche Strukturen (vgl. Kapitel 4.4.2), besondere Schwierigkeitsstellen im Text sowie textexterne Herausforderungen (vgl. Kapitel 4.4.3), noch erhöhen. Eine weitere Besonderheit der gemittelten Kommunikation ist, dass der Translator weder Urheber des Texts noch Adressat ist, weshalb er gewissermaßen ein Informationsdefizit gegenüber den Kommunikationspartnern hat, das beim Dolmetschen noch stärker ins Gewicht fällt als beim Übersetzen, wo der ganze Text zur Verfügung steht und Recherchen möglich sind. Zwar kann durch Vorbereitung und generell ein großes Weltwissen ein Teil dieses Defizits ausgeglichen werden, dies hängt jedoch immer stark davon ab, wie spezifisch die Themen sind, wie viel Vorbereitungszeit und welche Materialien dem Dolmetscher zur Verfügung gestellt wurden, wie vertraut er mit dem Redner und seinen möglichen Einstellungen ist etc. Der Dolmetscher ist zwar gleichzeitig Rezipient und Produzent des Textes, aber die „ Botschaft ist fremdbestimmt “ (Kalina 1998: 108). Sowohl der Inhalt als auch der Stil und Aufbau der Rede sind vorgegeben und müssen vom Dolmetscher möglichst originalgetreu übermittelt werden, wobei dieser in seinem Verstehensprozess durch die gleichzeitige Zieltextproduktion und die damit verbundene Gefahr einer fal- 3.1 Psycholinguistische Grundlagen 43 <?page no="44"?> schen Deutung der Botschaft, vor allem bei ambigen Strukturen, gestört wird. (Vgl. Kalina 1998: 106 ff.) Syntaktische Unterschiede in den beiden Sprachen erfordern teilweise komplexe Umbauarbeiten, da der Dolmetscher auf Grund der beschränkten Kapazitäten des Arbeitsgedächtnisses nicht zu lange warten kann, aber gleichzeitig bei zu frühem Einsetzen Gefahr läuft, die Satzstruktur der Ausgangssprache zu übernehmen und somit syntaktische Interferenzen in der Zielsprache zu produzieren. Hierbei handelt es sich um sprachenpaarspezifische Herausforderungen speziell beim Simultandolmetschen, die bei ähnlichen syntaktischen Strukturen in den beteiligten Sprachen weniger kognitive Kapazitäten beanspruchen als bei Sprachen, wo für eine idiomatische Lösung in der Zielsprache größere Satzumstellungen notwendig sind. (Vgl. Wilss 1978: 343 ff.) Genau diese Art von Schwierigkeiten vermindert sich jedoch mit Anstieg der Dolmetscherfahrung, die wiederum eine Auswirkung auf die Verinnerlichung und Anwendung von unterstützenden Dolmetschtechniken (vgl. Kapitel 3.4) hat, sowie mit zunehmendem Allgemein-, Situations- und Sprachwissen, das eine bessere Antizipation und Einschätzung des weiteren Verlaufs der Rede ermöglicht. 3.1.5 Aktivierung, Disambiguierung und Suppression “ Activation, and in particular inhibition will never be like an on/ off switch. It is more like holding down ping-pong balls in a bucket filled with water: With your hands you can hold down most of the balls, but occasionally one or two will escape and jump to the surface. Likewise, complete suppression of a language, particularly one with a high level of activation may be impossible. “ (De Bot 2004: 26) Sprachverarbeitung bedeutet immer eine Interaktion zwischen Arbeitsgedächtnis und Langzeitgedächtnis, wobei die gespeicherten Einheiten im Langzeitgedächtnis aktiviert werden müssen. Das aktuelle Kapitel beschäftigt sich mit den Erkenntnissen zur Aktivierung, Disambiguierung, Selektion und Inhibition von einzelnen Items in Sprachprozessen generell, die auch auf das Simultandolmetschen übertragen werden können und wichtige Hinweise auf die Entstehung von Interferenzen im Zusammenspiel zwischen der Aktivierung und Unterdrückung von Informationen des Langzeitgedächtnisses im Arbeitsgedächtnis liefern. Die Inhibition und Aktivierung der beiden Sprachsysteme als Ganzes sowie die Unterdrückung von fälschlich aktivierten Items durch Verbindungen auf Grund 44 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="45"?> einer Ähnlichkeitsbeziehung im mentalen Lexikon scheinen eine zentrale Rolle beim Simultandolmetschen einzunehmen. Hinweise darauf, dass diese Mechanismen und die Kommunikation bei zwei gleichzeitig aktivierten Sprachen durch Übung zumindest bedingt verbessert werden können, finden sich in den Beobachtungen von bilingualen Laien beim ad-hoc-Übersetzen von Ausdrücken. Diesbezüglich konnte festgestellt werden, dass bilinguale Personen ohne Translationserfahrung Schwierigkeiten haben, Übersetzungsäquivalente zu finden, obwohl sie die Terminologie in beiden Sprachen in einer monolingualen Kommunikationssituation beherrschen. Die Präsenz der ausgangssprachlichen Form scheint also eine Aktivierung der Entsprechung in der Zielsprache zu erschweren. Die gleichzeitige Aktivierung der beiden Sprachen, wenn auch zu einem unterschiedlichen Grad, wird von Bilingualen in einsprachigen Kommunikationssituationen, um die Interferenzgefahr zu vermindern, normalerweise vermieden und erfordert somit eine gewisse Übung, da es sich hierbei um einen Vorgang handelt, welcher in dieser Form der Tätigkeit der Translation eigen ist. (Vgl. Paradis 1994: 322.) Bei der Studie von Paradis sollte noch die Möglichkeit einer gewissen Verzerrung der Ergebnisse beachtet werden, da ein Vergleich zwischen bilingualen Laien und professionellen Translatoren nicht messbar macht, ob die Übersetzer und Dolmetscher wirklich durch Übung einen verbesserten Unterdrückungsmechanismus aufweisen oder ob diese Probandengruppe nicht schon vorher besser mit der Aktivierung und Unterdrückung bei zweisprachigen Kommunikationssituationen umgehen konnte, und vielleicht auch gerade deshalb diesen beruflichen Weg eingeschlagen hat. In der Psycholinguistik basieren die aktuellen Theorien zur Sprachverarbeitung, sowohl in der Sprachrezeption als auch in der Sprachproduktion, auf unterschiedlichen Modellen zur Aktivierungsausbreitung (Spreading Activation Theory), von denen im Anschluss einige grundlegende Aspekte erläutert werden. Die Grundzüge der Aktivierungsausbreitung beim Sprachverstehensprozess gehen auf Quillians Theorie zum semantischen Gedächtnis (vgl. Quillian 1967), welche für den Entwurf eines Computerprogramms zur Spracherkennung entwickelt wurde, zurück. Der Autor geht dabei davon aus, dass Wörter im Langzeitgedächtnis in Form eines semantischen Netzwerkes abgespeichert sind, wobei die jeweiligen konzeptuellen Knoten durch ein komplexes hierarchisches System untereinander verbunden sind. Beim Sprachverstehen kommt es durch Input zur Aktivierung eines Knotens, wodurch die Verbindungen zu den vernetzten Knoten ebenfalls mitaktiviert werden und somit schneller abrufbar sind (Priming-Effekt). Collins und Loftus (1975) erweitern die ursprüngliche Theorie und passen diese mehr an die Bedingungen des menschlichen Gehirns an. In Ihrer Theorie 3.1 Psycholinguistische Grundlagen 45 <?page no="46"?> gehen die Autoren nicht von einer rein semantisch basierten Vernetzung von Wörtern und Konzepten aus, sondern nehmen auch ein eigenes lexikalisches Netzwerk mit Verbindungen zwischen den phonologischen bzw. graphemischen Repräsentationen der Wörter an. Eine Aktivierung kann also auf Grund von inhaltlicher Übereinstimmung oder Formähnlichkeit stattfinden. Inzwischen konnten unterschiedliche empirische Experimente Beweise dafür liefern, dass, wie Collins und Loftus (1975) in ihrem Modell darstellen, das ursprünglich von Quillian (1967) nur für semantische Relationen angenommene Priming, viel universeller ist. Auf verschiedenen linguistischen Ebenen wurden empirische Belege für eine Voraktivierung durch ähnliche Items gefunden, so konnten morphologische (vgl. dazu z. B. Drews 1996), orthographische (vgl. dazu z. B. Grainger/ Jacobs) oder phonologische (vgl. dazu z. B. Dumay et al. 2001) Priming-Effekte beobachtet werden. Beim Sprachverständnis ist wichtig, dass die Begriffe in die Umgebung passen, weshalb durch Spreading Activation ähnliche konzeptuelle Einheiten, jedoch auch unter Berücksichtigung ihrer linguistischen Eigenschaften, mitaktiviert und, je nachdem wie sehr die Merkmale übereinstimmen, ausgewählt werden, wobei sowohl der Kontext als auch die syntaktischen Gegebenheiten im Satz Restriktionen für die Auswahl vorgeben. Da vorangehende Items bereits Knoten und Verbindungen voraktiviert haben und somit weniger Erregung für eine neuerliche Aktivierung notwendig ist, können nachfolgende Wörter, die mit den vorangehenden vernetzt sind, durch den Priming-Effekt schneller abgerufen werden als solche ohne Verbindungen. (Vgl. Collins/ Loftus 1975: 407 ff.) Die Aktivierung hängt jedoch nicht nur vom letzten Abruf, sondern auch von der generellen Gebrauchshäufigkeit ab. Elemente, die sehr häufig in Gebrauch sind, werden ebenso wie kürzlich aktivierte Items schneller und mit einer geringeren notwendigen Erregung aktiviert. (Vgl. Paradis 1994: 320.) Während die frühen Modelle zur Aktivierungsausbreitung beim Sprachverständnis, darunter auch Collins und Loftus Modell, sich ausschließlich auf Erklärungen in Zusammenhang mit der Aktivierung von Knoten konzentrieren, erfahren nachfolgende Theorien zur Spreading Activation eine Erweiterung durch einen eigenen Inhibitions-Mechanismus (vgl. z. B. Becker 1980; Neely 1977; Posner/ Snyder 1974). Die Notwendigkeit, eine aktive Unterdrückung in die Modelle zu integrieren, war vor allem in empirischen Daten begründet, wo ohne diesen Mechanismus Erklärungsschwierigkeiten für Phänomene bei der Sprachperzeption bestanden und ein reines langsames Verschwinden der mitaktivierten Bedeutungen (decay) zu kurz greift. Es wird angenommen, dass aktivierte Items, welche jedoch dann für das Sprachverständnis nicht benötigt werden, aktiv inhibiert werden und diese Unterdrückung proportional zum Aktivierungslevel erfolgt. (Vgl. Berg/ Schade 1992: 405 f.) Gernsbacher und Faust (1991) konnten, 46 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="47"?> zum Beispiel, in empirischen Experimenten Belege dafür finden, dass ein aktiver Unterdrückungsmechanismus bei der Auswahl der richtigen Bedeutung beteiligt ist, und sehen eine Erklärung für nicht akustisch bedingte Verständnisprobleme in einer unzureichenden Inhibition von konkurrierenden Items. Der Priming-Effekt und der Inhibitions-Mechanismus sind nicht nur wesentlich für das Sprachverstehen in einer monolingualen Kommunikationssituation, sondern auch speziell beim Simultandolmetschen. Auf Grund des Beginns der Sprachproduktion noch vor Abschluss des Sprachrezeptionsprozesses ist die Aktivierungsausbreitung und damit verbunden der Priming-Effekt von besonderer Relevanz für die Interpretation der Botschaft und eine eventuelle Antizipation des weiteren Satzverlaufs. Die Erkenntnisse zum Priming liefern Erklärungshinweise für das beim Simultandolmetschen häufig beobachtete Antizipieren von Satzenden, aber auch für die Schwierigkeit, unerwartete Satzverläufe bzw. sprunghafte Themenwechsel zu dolmetschen (siehe dazu auch Kapitel 3.3.2). Kurz (1996: 93 f ) weist im Zusammenhang mit dem Priming-Effekt beim Sprachverstehen ebenfalls auf die Rolle des Kontexts hin, welcher gemeinsam mit den sprachlichen Determinanten ausschlaggebend für die Aktivierung, die Disambiguierung und schlussendlich für die Selektion von Wörtern ist. Salevsky (1988) und Kirchhoff (1976) konnten feststellen, dass Dolmetscher zu Beginn einer Konferenz häufig wenig kontextuelle Information besitzen, welche zwar bei den Konferenzteilnehmern auf Grund der Spezifik des Themas implizit vorhanden ist, dem Dolmetscher jedoch fehlt. Dieses Phänomen zeigt sich in Verdolmetschungen darin, dass zu Beginn oft ein eher wortbasierter Ansatz verfolgt wird und nur mithilfe der linguistischen Hinweise im Text zum weiteren Verlauf der Sätze antizipiert werden kann, wohingegen im Verlaufe der Rede „ die Antizipationssicherheit des Dolmetschers “ (Kurz 1996: 94) steigt und der Dolmetscher sich besser von der sprachlichen Oberfläche lösen kann. Es spielen beim Sprachverstehens- und Sprachverarbeitungsprozess beim Simultandolmetschen sowohl bottom-up-Prozesse, vom einlaufenden Text und den dort enthaltenen sprachlichen Wegweisern zum Inhalt, als auch top-down-Prozesse, kontextgeleitete Verarbeitung und Entschlüsselung, eine Rolle, um die richtigen Elemente aus den aktivierten Möglichkeiten auszuwählen (vgl. Kurz 1996: 94; Kalina 1998: 65). Bezüglich des Unterdrückungsmechanismus im Sprachverstehensprozess beim Dolmetschen sind ambige Aussagen und Strukturen von besonderem Interesse, weil der Dolmetscher mit dem Einsetzen der eigenen Sprachproduktion häufig nicht so lange warten kann, bis die Bedeutung eindeutig geklärt ist, da er in diesem Fall zu viel inhaltliche Information verlieren könnte. Folglich muss er auch bei mehrdeutigen Aussagen oder Strukturen mit der Zieltextproduktion beginnen, darf dabei aber, sobald er sich für eine Möglichkeit 3.1 Psycholinguistische Grundlagen 47 <?page no="48"?> entschieden hat, die anderen Varianten nur teilweise unterdrücken, um im Falle einer Fehlentscheidung noch Korrekturen vornehmen zu können. In diesen Fällen besteht eine erhöhte Interferenzgefahr durch eine falsche Antizipation oder eine insuffiziente Suppression der mitaktivierten Möglichkeiten. (Vgl. Chabasse 2009: 88 f.) In psycholinguistischen Theorien und Experimenten konnte aufgezeigt werden, dass die Aktivierungsausbreitung nicht nur beim Sprachverstehen eine Rolle spielt, sondern auch bei der Sprachproduktion, wo ebenfalls unterschiedliche Modelle zur Aktivierung, Suppression und Selektion existieren. Bei den Modellen zur Aktivierungsausbreitung in der Sprachproduktion gibt es wie auch bei den Sprachrezeptionstheorien Unterschiede bezüglich der Rolle des Inhibitionsmechanismus. Während einige Modelle die Inhibition nicht explizit erwähnen, diese jedoch auch nicht als inkompatibel mit den vorgestellten Theorien erachten (vgl. z. B. Dell 1986), sehen andere die Inhibition als wichtigen Bestandteil (vgl. z. B. Stemberger 1985), wobei die konkrete Rolle, die der Inhibition zukommt, je nach Modell divergiert. Berg und Schade (1992) setzen sich eingehender mit den unterschiedlichen Sprachproduktionsmodellen, welche eine Spreading Activation mit oder ohne eigenen Inhibitionsmechanismus annehmen, auseinander und sehen ein größeres Erklärungspotential bei jenen Theorien mit Suppressionsmechanismus oder zumindest der Möglichkeit, diesen in die Theorie zu integrieren, als solchen, die von einer reinen Aktivierung und damit verbunden dem langsamen Verschwinden der anderen Bedeutungen ausgehen. Die Autoren nehmen an, dass der Vorgang der Aktivierungsausbreitung sowie die Funktion des Inhibitionsmechanismus bei der Sprachproduktion und der Sprachrezeption nicht beträchtlich voneinander abweichen. (Vgl. Berg/ Schade 1992: 406 ff; 431 ff.) Die Theorien zur Sprachproduktion basieren sowohl auf natürlichen Beobachtungen von Sprechern als auch auf Daten, die in kontrollierten Experimenten gewonnen werden. Besonders aufschlussreich für Rückschlüsse auf die Sprachverarbeitung ist die Analyse von Versprechern und Sprechfehlern bei Erwachsenen sowie bei Kindern im Spracherwerbsstadium, aber auch Daten aus der Aphasie-Forschung liefern wichtige Erkenntnisse zu Sprachproduktionsprozessen. (Vgl. Dell 1986: 283 ff; Levelt et al. 1991: 122 ff.) Dell (1986: 289 ff) erklärt anhand der Beschreibung von Versprechern, wie ein Großteil davon durch Aktivierungsausbreitung und damit verbunden durch die mentale Präsenz von zahlreichen Repräsentationen entsteht. Bei der Sprechplanung werden Konzepte und die dazugehörigen Wortformen im mentalen Lexikon aktiviert, was wiederum zu einer Aktivierung der phonologischen und morphologischen Codes, aber auch der syntaktischen Möglichkeiten der Satzplanung und in weitere Folge der in Frage kommenden Kategorien für den 48 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="49"?> jeweiligen freien Slot in der Satzkonstruktion führt. Die unterschiedlichen Fehlerquellen zeigen auf, dass eine Vernetzung im mentalen Lexikon auf semantischer, phonologischer, morphologischer und morphosyntaktischer Ebene existiert und kurz zuvor präsentierte oder verarbeitete Items, aber auch Ähnlichkeitsbeziehungen zu einer Voraktivierung führen, was zwar eine schnellere Verarbeitung ermöglicht, die richtige Selektion aber gleichzeitig auch erschweren kann. In nachfolgender Graphik wird bildlich dargestellt, wie eine Aktivierungsausbreitung im mentalen Lexikon bei der Sprachplanung des Satzes „ Some swimmers sink. “ stattfindet, wobei die unterschiedlichen aktivierten Items jeweils Abb. 2: Aktivierungsausbreitung bei der Sprachproduktion am Beispiel des Satzes „ Some swimmers sink. “ (Dell 1986: 290) 3.1 Psycholinguistische Grundlagen 49 <?page no="50"?> die Gefahr bergen, an der falschen Stelle ausgewählt bzw. nicht ausreichend unterdrückt zu werden und somit in der Sprachproduktion zu Versprechern zu führen. Folglich sind sowohl semantische (sink vs. drown) und lexikalische (swimmers sink vs. swimmers swim) Vertauschungen durch konzeptuelle oder lexikalische Ähnlichkeitsbeziehungen als auch phonologische (*swink durch Voraktivierung von swimmers), morphologische (*somes swimmers) oder morphosyntaktische (*some swim sinkers) Versprecher mögliche Folgen der Aktivierungsausbreitung und damit einer insuffizienten Unterdrückung bzw. falschen Selektion. (Vgl Dell 1986: 289 ff.) Wie Dells Modell gut demonstrieren kann, geht bereits bei einer monolingualen Kommunikationssituation eine weitreichende Aktivierung von Elementen auf unterschiedlichen linguistischen Ebenen im Sprachproduktionsprozess vonstatten. Bei multilingualen Sprechern muss immer eine Inhibition aller Sprachen, welche nicht in der Zieltextproduktion benötigt werden, erfolgen, wobei in den meisten psycholinguistischen Theorien davon ausgegangen wird, dass die Sprachen sich je nach Kommunikationssituation in unterschiedlichen Aktivierungsstadien befinden und In- und Output getrennt inhibiert werden können (vgl. z. B. Green 1986). Beim Simultandolmetschen ist der Output in der Ausgangssprache unterdrückt, wohingegen der Input in beiden beteiligten Sprachen aktiviert sein muss. Schon allein diese Tatsache erklärt eine erhöhte Interferenzgefahr durch die ständige Präsenz beider Sprachen. Hinzu kommt die Simultaneität des Sprachrezeptions- und Sprachproduktionsprozesses, wobei der Dolmetscher als Zwischenschritt die einlaufenden Informationen von der Ausgangssprache in die Zielsprache transformieren muss. Interferenzen können zwar durch eine fälschliche Aktivierung des gesamten Output-Mechanismus der Zielsprache beim Simultandolmetschen erfolgen, aber häufiger kommt es wahrscheinlich in einem früheren Stadium des Dolmetschprozesses, vor allem beim tatsächlichen Translationsvorgang, zu einer Übertragung von ausgangssprachlichen Strukturen durch Aktivierung und insuffiziente Unterdrückung von Items in der Zielsprache. (Vgl. Grosjean 1997: 174 ff.) Wie aus den Grundlagen zum mehrsprachigen mentalen Lexikon hervorgeht, existieren auch interlinguale Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Sprachen bei multilingualen Personen, welche auf phonetischer, morphologischer bzw. morphosyntaktischer oder semantisch-konzeptueller Ebene durch Ähnlichkeitsbeziehungen geknüpft werden. Intralinguale Ähnlichkeiten auf den unterschiedlichen linguistischen Ebenen führen bereits bei monolingualen Sprechern bzw. in einsprachigen Kommunikationssituationen, wie in Dells obiger Graphik gezeigt werden kann, zu zusätzlichen Aktivierungen, welche sich im Output als Versprecher manifestieren können. Bei einer bilingualen Kommunikationssituation ist eine Aktivierung von formähnlichen 50 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="51"?> Elementen nicht nur in einer Sprache, sondern auch sprachübergreifend gegeben, was eine Aufmerksamkeitslenkung auf die Selektion des richtigen und Inhibition der nicht korrekten Items nötig macht. Konkret für den Translationsvorgang können diese Erkenntnisse wichtige Erklärungen liefern, wie die Übertragung eines Elementes von der Ausgangsin die Zielsprache vor sich geht. Es wird angenommen, dass das zielsprachliche Äquivalent entweder durch Abruf des Konzepts, das durch die ausgangssprachliche Wortform aktiviert wird, abgerufen werden kann, oder auch durch direkte interlinguale Verbindungen zwischen dem ausgangssprachlichen und dem zielsprachlichen Ausdruck. Diese direkten Verbindungen, die von Setton (1999: 76) als “ useful and ‚ parasitic ‘” zugleich bezeichnet werden, stellen eine ressourcensparende Möglichkeit beim Dolmetschen dar, Wörter oder chunks schnell zu verarbeiten, und liefern gleichzeitig eine wichtige Erklärung für das Entstehen von Interferenzerscheinungen aus kognitiver Perspektive. (Vgl. Setton 1999: 94 f.) So konnte in unterschiedlichen psycholinguistischen Experimenten zur Verarbeitung von bi- oder multilingualen Personen bzw. Sprachlernenden nachgewiesen werden, dass Kognaten schneller übersetzt werden als Wörter, welche keine formale Ähnlichkeit aufweisen. Es wird angenommen, dass die direkte Verbindung von formähnlichen Elementen eine geringere Verarbeitungskapazität erfordert, da nicht der gesamte Weg ‘ lexikalische Entsprechung in der Ausgangssprache - Konzept - lexikalische Entsprechung in der Zielsprache ’ gegangen werden muss. Allerdings birgt dieser direkte Weg zwischen formähnlichen lexikalischen Entsprechungen gleichzeitig auch eine große Interferenzgefahr, da Kognaten häufig nicht das richtige Übersetzungsäquivalent bzw. nur in gewissen Kontexten die korrekte Entsprechung darstellen, sondern oft nur in ihrer Struktur und Gestalt übereinstimmen, wobei man von sogenannten falschen Freunden spricht. In solchen Fällen kann es gehäuft zu Interferenzen kommen und es konnte festgestellt werden, dass das Erkennen der korrekten Bedeutung bzw. die korrekte Übersetzung dieser Wörter oder, in weiterem Sinne auch idiomatischer Verbindungen mit Gestaltähnlichkeit ohne direkte Bedeutungsentsprechung, länger braucht. Selbst bei erfahrenen Sprachnutzern bergen solche Strukturen noch Interferenzpotential und die zeitliche Differenz beim Finden des zielsprachlichen Äquivalents zeigt auf, dass es einer aktiven Inhibition der formähnlichen Wörter bedarf, um eine korrekte Übersetzung in der Zielsprache zu produzieren. Diese Erkenntnisse zeigen die starke Verbindung zwischen lexikalisch ähnlichen Wörtern, selbst wenn der semantische Gehalt sehr unterschiedlich ist. (Vgl. Sanchez-Casas et al. 1992: 308; Brenders et al. 2011: 394.) Die im Laufe des Kapitels vorgestellten Grundzüge zur Aktivierungsausbreitung in der Sprachrezeption und -produktion zeigen, dass durch eine 3.1 Psycholinguistische Grundlagen 51 <?page no="52"?> Voraktivierung von miteinander verknüpften Einheiten eine schnellere Verarbeitung ermöglicht wird, dass es aber gleichzeitig durch eine Aktivierung von Einheiten, die zwar auf Grund von semantischen, phonologischen, graphemischen oder morphologischen Ähnlichkeiten gegeben sind, aber nicht das korrekte auszuwählende Elemente darstellen, zu einer langsameren Verarbeitung und Fehlern kommt. Diesbezüglich wird angenommen, dass die Unterdrückung von fälschlich mitaktivierten Elementen stark ressourcenverbrauchend ist (vgl. Chabasse 2009: 89 f). Auch die Forschungsergebnisse zur Speicherkapazität im Arbeitsgedächtnis (vgl. Kapitel 3.2.1) belegen, dass beim Behalten von Wörtern mit einem ähnlichen phonologischen Code im Kurzzeitspeicher weniger Einheiten korrekt wiedergegeben werden können als bei lautlich unterschiedlichen Einheiten. Es ist folglich anzunehmen, dass dafür ein höherer kognitiver Aufwand nötig ist, um die richtigen Wörter ohne Interferenzen herauszufiltern, was wiederum den hohen Ressourcenverbrauch des Unterdrückungsmechanismus aufzeigt. (Vgl. Baddeley 2000a: 417 ff.) Chabasse (2009: 90) nimmt an, dass der Inhibitionsmechanismus sogar „ eine der Hauptschwierigkeiten des Simultandolmetschens darstellt “ , da er im Vergleich zu einer einsprachigen Kommunikation noch viel häufiger zum Einsatz kommt, wobei er die für den Output nicht benötigte Sprache, die Wahl des Sprachregisters, die einlaufende Information und den eigenen Input betrifft. (Vgl. Chabasse 2009: 88 ff.) Die Grundlagen zum Aufbau des mentalen Lexikons und in diesem Zusammenhang die Aktivierung, Selektion und Unterdrückung liefern wichtige Erkenntnisse zur Entstehung von Versprechern in der einsprachigen Kommunikation und können folglich, unter Miteinbeziehung des Aufbaus des bilingualen Lexikons sowie der Aktivierungsausbreitung in der zweisprachigen Kommunikation, zusätzlich Erklärungsansätze für Interferenzerscheinungen bieten. Konkret für die Thematik von Interferenzen im Dolmetschprozess sind nachfolgende Punkte zum Forschungsstand der Aktivierungsausbreitung von besonderer Relevanz: Interferenzen können beim Dolmetschen ihren Ursprung sowohl im Sprachverstehensprozess, vor allem bei ambigen Strukturen, bei denen in der Zielsprache eine falsche Möglichkeit ausgewählt oder nicht korrekt unterdrückt wird, als auch im Sprachproduktionsprozess, durch unzureichende Inhibition des Originals bzw. durch fälschlich mitaktivierte Items in der Zielsprache, welche jedoch nicht das Übersetzungsäquivalent darstellen, haben. Verbindungen existieren sowohl zwischen Bedeutung und Wortform als auch zwischen ähnlichen Bedeutungen und ähnlichen Wortformen untereinander innerhalb eines Sprachsystems, aber ebenfalls direkt zwischen der Form von Konzepten bzw. den linguistischen Merkmalen in unterschiedlichen Sprachen. Diese 52 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="53"?> sogenannten „ cross-language connections “ (Setton 1999: 95) werden durch die Aktivierungsausbreitung genauso mitaktiviert und bieten die Möglichkeit, eine Abkürzung bei der Sprachverarbeitung vorzunehmen, ohne den Weg über die konzeptuelle Repräsentation zu nehmen. Der Vorteil davon ist, dass der Dolmetscher durch die Aktivierung einer direkten Entsprechung in der Zielsprache Kapazitäten und Zeit sparen kann. Folglich sind einige dieser interlingualen Verbindungen, wenn es sich sozusagen um „ reliable connections “ (Setton 1995: 95) handelt, gewollt und können bei immer wiederkehrenden Elementen, wie Begrüßungsformeln, gewissen Phrasen oder Wendungen, eine Entlastungsstrategie im Dolmetschprozess darstellen. Diese verlässlichen Verknüpfungen zwischen Strukturen in den beiden Sprachen sind durch sich wiederholende Themen, ähnliche Dolmetscheinsätze, ständige Sprachnutzung etc. bei professionellen Dolmetschern vermehrt vorhanden. Jedoch gibt es immer auch ungewollte und teilweise unbewusste Verbindungen zwischen gestaltähnlichen Wörtern oder Phrasen, welche auf Grund von phonetischen, morphologischen oder lexikalischen Ähnlichkeitsbeziehungen im multilingualen Lexikon aktiviert werden, obwohl sie nicht das Übersetzungsäquivalent darstellen, und die Gefahr von Interferenzen bergen, wenn das Monitoring und die notwendige Inhibition der Items nicht erfolgreich verlaufen. Monitoring- und Inhibitionsprozesse sind wiederum stark ressourcenverbrauchend und können nur bei noch freien kognitiven Kapazitäten zum Einsatz kommen, da ansonsten weitere Fehler die Folge sein können. Diese falschen interlingualen Aktivierungen im mentalen Lexikon durch Formähnlichkeit bzw. deren Inhibition sowie die Selektion des zwar formal unterschiedlichen, aber korrekten Elements können nur bedingt durch Übung kontrolliert werden und stellen auch bei professionellen Translatoren noch eine potenzielle Interferenzgefahr dar. (Vgl. Setton 1999: 94 f.) 3.1.6 Fazit zu den psycholinguistischen Grundlagen Für die Fragestellung dieses Forschungsprojekts sind aus den im Laufe dieses Überkapitels behandelten Themenbereichen nachfolgende psycholinguistische Aspekte im Zusammenhang mit der Sprachverarbeitung und den dabei beteiligten Gedächtnissystemen von besonderer Relevanz. Die Grundlagen zu den bei der Sprachverarbeitung und beim Dolmetschen beteiligten Gedächtnissystemen sowie deren Funktionsweisen und Zusammenspiel liefern nicht nur eine wichtige Basis für die Modellierung des Dolmetschprozesses an sich (vgl. Kapitel 3.3), sondern geben auch Aufschluss über die Entstehung von Interferenzerscheinungen im Sprachrezeptions- und Sprachproduktionsprozess in bilingualen Kommunikationssituationen generell und 3.1 Psycholinguistische Grundlagen 53 <?page no="54"?> speziell unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Simultandolmetschvorgangs. Die Einträge im mentalen Lexikon sind untereinander stark vernetzt, wobei nicht nur Bedeutung und Wortform in Verbindung stehen, sondern auch ähnliche Items auf den unterschiedlichen linguistischen Ebenen. Miteinander verbundene Einheiten werden durch Spreading Activation mitaktiviert, wobei zwar angenommen wird, dass verschiedene Sprachsysteme bis zu einem gewissen Grad ein eigenes Subsystem bilden, aber es existieren auch sogenannte „ cross-language-connections “ (Setton 1999: 95), also direkte Verbindungen zwischen lexikalischen, phonetischen, graphemischen oder morphologisch bzw. morphosyntaktischen Einheiten in den Sprachen eines multilingualen Sprechers. Diese stellen jedoch nicht zwingendermaßen das korrekte Item in der Zielsprache dar, da diese Verbindungen je nach Kontext die richtige oder aber auch falsche Übersetzung, für einen Teil einer fixierten oder halb-fixierten Verbindung möglich, für einen anderen Teil jedoch inkorrekt sein können und es auch Beziehungen durch reine Formähnlichkeit bei gleichzeitiger inhaltlicher Unterschiedlichkeit gibt. Dem Selektionsprozess sowie dem Inhibitionsmechanismus kommt folglich eine wichtige Rolle zu, um Interferenzen bei der Übertragung von einer Sprache in eine andere zu vermeiden. Beim Simultandolmetschen kommt zusätzlich zu einer normalen bilingualen Kommunikationssituation noch die Gleichzeitigkeit der ablaufenden Prozesse in zwei unterschiedlichen Sprachen hinzu, was zur Folge hat, dass der Dolmetscher mit der Sprachproduktion beginnen muss, bevor er sicher ist, wie der Satz weitergehen wird. Besonders bei ambigen, nicht eindeutigen Strukturen kann der Dolmetscher nur schwer antizipieren und ist bereits im Sprachrezeptionsprozess der Gefahr von möglichen Interferenzen ausgesetzt. Die Aktivierung von Items auf Grund von Gestaltähnlichkeiten liefert klare Hinweise darauf, dass in bilingualen Settings, darunter beim Simultandolmetschen als spezifischer Fall, gewisse Sprachenpaare, aber auch Sprachstrukturen speziell in der jeweiligen Dolmetschrichtung, ein größeres Interferenzpotenzial aufweisen als andere. Ausgehend von den psycholinguistischen Grundlagen und dem Forschungsstand zu Schwierigkeiten beim Übersetzen vom Spanischen ins Deutsche werden die linguistischen Besonderheiten, die für das in vorliegendem Forschungsprojekt gewählte Sprachenpaar als besonders interferenzbegünstigend erachtet werden können, in Kapitel 4.4.2 ausgearbeitet. Der Unterdrückungsmechanismus für fälschlich aktivierte Elemente scheint stark ressourcenverbrauchend zu sein, was an der Zeitverzögerung bei der Verarbeitung von falschen Freunden, den Priming-Effekten bei ähnlichen Elementen sowie dem schlechteren Abschneiden beim Ziffernspannentest mit phonetisch ähnlichen Wörtern beobachtet werden kann. Eine Inhibition dieser Items kann folglich nur dann erfolgen, wenn ausreichend kognitive Kapazitäten vorhanden sind. An Textstellen, an denen 54 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="55"?> generelle Schwierigkeiten durch die Redegeschwindigkeit, eine hohe inhaltliche Dichte, Störgeräusche etc. auftreten, sind neben Auslassungen und Inhaltsfehlern auch Interferenzerscheinungen auf Grund einer unzureichenden Unterdrückung der Ausganssprache als gesamtes Subsystem in der Outputproduktion bzw. einzelner ähnlicher mitaktivierter Elemente ein zu erwartendes Phänomen (vgl. Kapitel 4.4.3). 3.2 Kognitionspsychologische Grundlagen zum Arbeitsgedächtnis Im Anschluss wird der aktuelle Forschungsstand zum Arbeitsgedächtnis thematisiert, wobei sowohl das Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley als auch jenes von Cowan vorgestellt werden und schlussendlich spezifisch auf die empirischen Studien in der Dolmetschwissenschaft zum Arbeitsgedächtnis eingegangen wird. Hauptaugenmerk liegt dabei auf den Funktionen der unterschiedlichen Komponenten des Arbeitsgedächtnisses bei der Sprachverarbeitung sowie bei seiner Rolle im Simultandolmetschprozess. 3.2.1 Baddeleys Arbeitsgedächtnismodell Eines der bekanntesten Arbeitsgedächtnismodelle, das auch in der Dolmetschwissenschaft häufig herangezogen wird, ist das Mehrkomponentenmodell von Alan Baddeley, das in seiner ersten Version gemeinsam mit Graham Hitch (vgl. Baddeley/ Hitch 1974) entworfen, inzwischen aber von Baddeley eigenständig adaptiert und erweitert wurde, weshalb das Modell in der Forschungsliteratur oft als Baddeleys Arbeitsgedächtnismodell oder Baddeley-Modell benannt wird. In seiner aktuellen Version besteht das Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley aus drei Hauptkomponenten: der phonologischen Schleife (auditive Information), dem räumlich-visuellen Notizblock (visuelle Information) und dem episodischen Puffer. Diese drei sogenannten slave systems werden von der zentralen Exekutive gesteuert und interagieren mit unterschiedlichen Bereichen des Langzeitgedächtnisses. (Vgl. Gruber 2018: 29 f.) 3.2 Kognitionspsychologische Grundlagen zum Arbeitsgedächtnis 55 <?page no="56"?> Abb. 3: Baddeleys Arbeitsgedächtnismodell (Baddeley 2000a: 418) Die phonologische Schleife ist die empirisch am besten erforschte Komponente des Arbeitsgedächtnisses. Es gibt Evidenz dafür, dass auditive Information in Form eines phonologischen Codes temporär gespeichert wird, wobei zwischen einem passiven und einem aktiven Prozess zur Zwischenspeicherung unterschieden wird. Der passive Prozess findet im sogenannten phonologischen Speicher statt, wo der exakte lautliche Input (z. B. eine Zahlenfolge, Namen, eine genaue Wortfolge etc.) nur ca. 1,5 bis 2 Sekunden gehalten werden kann und zur Verfügung steht, um in sinnbasierte sprachliche Information weiterverarbeitet, im Langzeitgedächtnis abgelegt oder verworfen zu werden. Mit Hilfe der zweiten Subkomponente der phonologischen Schleife, dem sogenannten artikulatorischen Kontrollprozess, kann eine größere, aber immer noch begrenzte Anzahl an auditiver Information durch aktive innerliche Wiederholung ( „ innere Stimme “ ) länger im Kurzzeitspeicher gehalten werden. Eine weitere Funktion des artikulatorischen Kontrollprozesses ist die Möglichkeit, schriftlichen Input in phonologische Information umzuwandeln und diese in den phonologischen Kurzzeitspeicher einzuspeisen. (Vgl. Baddeley 1999: 49 ff) Bezüglich der Kapazität des phonologischen Speichers wird häufig die Ziffernspanne als Maß herangezogen und damit verbunden die „ magische Zahl 7 “ zitiert, welche auf Miller (1956) zurückgeht. Miller kam durch empirische Untersuchungen zum Kurzzeitgedächtnis zum Schluss, dass der Großteil der gesunden Probanden durchschnittlich 7 plus/ minus 2 Ziffern temporär speichern und gleich im Anschluss korrekt wiedergeben kann. Aus diesen 56 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="57"?> Ergebnissen schlussfolgerte er, dass diese Ziffernspanne auf die temporäre Speicherung von Informationseinheiten (Wörter oder ganze Sinneinheiten) generell übertragbar ist. Allerdings konnten neuere Studien aufzeigen, dass der Wert von 7 nicht automatisch von Ziffern für Wörter übernommen werden kann und sowohl die Art des Inputmaterials (Ziffern vs. Wörter) als auch die Artikulationsgeschwindigkeit bzw. Wortlänge in der jeweiligen Sprache einen Einfluss auf die Ergebnisse haben. Unterschiedliche empirische Studien konnten Hinweise darauf finden, dass nicht ausschließlich die Anzahl der Wörter ausschlaggebend ist, sondern dass die Anzahl der erinnerten Einheiten je nach Wortlänge variiert. (Vgl. Gruber 2018: 30 f.) Baddeley (1999: 54 ff ) gelangt durch empirische Datenerhebung zur Konklusion, dass die maximale Kapazität des phonologischen Speichers, wenn verbale Information in nicht zusammenhängenden Einheiten präsentiert wird, ungefähr der Anzahl an sprachlichem Material entspricht, das innerhalb von 2 Sekunden artikuliert werden kann. Somit wird der unterschiedlichen Wortlänge einzelner Einheiten Rechnung getragen. Werden Informationen hingegen als zusammenhängende Sinneinheiten präsentiert (wie etwa als Phrasen oder ganzen Sätze) bzw. können diese als Sinneinheiten zusammengefasst werden (z. B. die Buchstabenfolge F - B - I - A - B - C - U - S - A - D - D - R kann in 4 Sinneinheiten FBI - ABC - USA - DDR gespeichert werden), auch als Chunking bezeichnet, dann erhöht sich die Kapazität der phonologischen Schleife und damit verbunden die Ziffernspanne erheblich. Die phonologische Ähnlichkeit von Wörtern bzw. Silben oder Buchstaben scheint ebenfalls einen Einfluss auf die Kurzzeitspeicherung in der phonologischen Schleife des Arbeitsgedächtnisses zu haben. Sehr ähnliche Lautfolgen, wie zum Beispiel die Wörter Haus, Maus, raus, Laus etc.; führen zu einer geringeren Anzahl an erinnerten Einheiten, da sie einen ähnlichen phonologischen Code aufweisen, welcher mit größter Wahrscheinlichkeit als Basis für die Kurzzeitspeicherung von verbaler Information im Arbeitsgedächtnis dient, und es einen höheren Aufwand erfordert, den richtigen Code ohne Interferenzen herauszufiltern. (Vgl. Baddeley 2000a: 417 ff.) Besonders relevant für das Simultandolmetschen ist der von Baddeley erwähnte Effekt der artikulatorischen Interferenz, welcher sich darauf bezieht, dass bei simultanem Hören und Sprechen anderer Wörter die phonologische Schleife überfordert wird und ihre Funktion nur noch in eingeschränktem Maße ausführen kann, da eine sogenannte artikulatorische Unterdrückung des eigenen Outputs stattfinden muss, um die neu einlaufende Information verarbeiten zu können. Obwohl die phonologische Schleife nur mit dem inneren Sprechen arbeitet und nicht die tatsächliche Artikulation der Information verlangt, führt das gleichzeitige Sprechen zu einer Störung im phonologischen Speicher und damit einhergehend einer erschwerten Kurzzeitspeicherung von Informatio- 3.2 Kognitionspsychologische Grundlagen zum Arbeitsgedächtnis 57 <?page no="58"?> nen. In empirischen Experimenten konnte festgestellt werden, dass die Ziffernspanne für erinnerte Wörter geringer ist (laut Baddeley eine Verringerung von +/ - 2 Wörtern), wenn die Probanden gleichzeitig andere Wörter oder Ausdrücke (zum Beispiel bla bla bla) laut vor sich hinsprechen. Baddeley geht davon aus, dass das laute Vorsagen von Wörtern den artikulatorischen Kontrollprozess dominiert und folglich zumindest teilweise verhindert, dass Information, welche bereits im phonologischen Speicher ist, durch innerliche Wiederholung gehalten wird, bzw. dass visuelle Reize überhaupt erst in auditives Material umgewandelt werden können. (Vgl. Baddeley 2000a: 58.) Empirische Experimente (vgl. unter anderem Chincotta/ Underwood 1998 und Liu et al. 2004) konnten aufzeigen, dass Dolmetscher bei Ziffernspannentests mit gleichzeitigem lautem Sprechen anderer Wörter in gleichem Maße vom Effekt der artikulatorischen Interferenz betroffen sind wie Probanden ohne Simultandolmetscherfahrung. Beim Simultandolmetschen kommt es auf Grund des gleichzeitigen Sprechens und Hörens ebenfalls zu einer verringerten Leistungskapazität der phonologischen Schleife, wobei Dolmetscher aber laut aktuellen Erkenntnissen durch Übung zwar wahrscheinlich nicht den artikulatorischen Unterdrückungseffekt generell umgehen können, aber sich hingegen andere Strategien aneignen und durch Prozessautomatisierung Ressourcen einsparen können, was ihnen dabei hilft, im konkreten Kontext einer Dolmetschsituation besser mit der artikulatorischen Interferenz umzugehen. (Vgl. Liu et al. 2004: 35 f; Timarová 2008: 18 ff.) Der räumlich-visuelle Notizblock ist noch um einiges weniger erforscht als die phonologische Schleife. Allerdings liegen Daten vor, die darauf hinweisen, dass diese Komponente des Arbeitsgedächtnisses visuelle und räumliche Wahrnehmungen und Vorstellungen speichert, wobei zwei getrennte Komponenten für die räumliche und die visuelle Dimension angenommen werden. Wichtig für die Sprachverarbeitung ist vor allem die Funktion, verbalen Input in Bilder umzuwandeln und vice versa, wobei diese Umwandlung automatisch und häufig unbewusst durchgeführt wird. (Vgl. Baddeley 1999: 71 ff; Gruber 2018: 31 f.) Der episodische Puffer ist eine Komponente des Arbeitsgedächtnisses, die erst nachträglich von Baddeley in das bereits bestehende Modell integriert wurde, um Effekte, welche aus den aktuellen Forschungen hervorgingen und die mit dem vorangehenden Drei-Komponenten-Modell nicht mehr zu erklären waren, allen voran das bereits erwähnte Phänomen des Chunking, abdecken zu können. Dieses neu hinzugefügte Speichersystem wird als temporärer Speicher mit begrenzter Kapazität, welcher Informationen unterschiedlicher Art und von unterschiedlichen Quellen durch bewusste Wahrnehmung miteinander verknüpfen kann, angesehen. Baddeley (2000a: 421) erklärt den Namen und die 58 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="59"?> damit verbundene Anspielung auf das episodische Gedächtnis folgendermaßen: „ The buffer is episodic in the sense that it holds episodes whereby information is integrated across space and potentially extended across time. “ Es wird angenommen, dass der episodische Puffer die Schnittstelle zwischen Arbeitsgedächtnis und Langzeitgedächtnis, vor allem dem episodischen Gedächtnis, darstellt. Da im episodischen Puffer Informationen unterschiedlicher Art und folglich mit unterschiedlichen Codes verarbeitet werden können, geht man davon aus, dass dieses Speichersystem einen gemeinsam multidimensionalen Code verwendet. Ebenso wie für den räumlich-visuellen Notizblock und die phonologische Schleife wird für dieses Subsystem angenommen, dass die zentrale Exekutive die Steuerungseinheit ist. Hauptfunktionen des episodischen Puffers sind die Integration von unterschiedlichen Codes aus unterschiedlichen Quellen, wie zum Beispiel visuelle Information und auditive Information miteinander zu einem neuen Ganzen verbinden, sowie die Verknüpfung von Informationen im Arbeitsgedächtnis mit Inhalten, die im Langzeitgedächtnis gespeichert sind, was eine Erklärung für das Phänomen des Chunking liefert. Das Speichern von chunks im Arbeitsgedächtnis ist nämlich nur dann möglich, wenn die Bedeutung für die jeweiligen Einheiten aus dem Langzeitgedächtnis abgerufen werden können. So ist im oben genannten Beispiel für das Phänomen Chunking Grundvoraussetzung, dass man die Begriffe FBI oder DDR kennt, um die reine Buchstabenfolge zu größeren Sinneinheiten zu verbinden. (Vgl. Baddeley 2000a: 421 f.) Beim Dolmetschen kann durch Chunking die Beanspruchung der kognitiven Kapazitäten geringgehalten werden, da der Dolmetscher, durch die Verarbeitung von Wendungen, Phrasen oder Inhalten als chunks, diese als Ganzes erfasst und in ein Äquivalent in der Zielsprache transformiert, ohne die einzelnen Wörter jeweils extra verarbeiten zu müssen. Für diese Art von Mustererkennung ist allerdings ein großes sprachliches Wissen notwendig und es kommt zu einer Verbesserung mit steigender Erfahrung. (Vgl. Stoll 2009: 46 f.) Folglich kann angenommen werden, dass professionelle Dolmetscher häufiger Wendungen als chunks verarbeiten und direkte Verknüpfungen zu zielsprachlichen Äquivalenten verfügbar haben als Dolmetschanfänger, die öfter eine einzelne Verarbeitung der Wörter vornehmen müssen, und somit bei solchen Strukturen die Interferenzgefahr mit dem Sprach-, Welt und Dolmetschwissen durch Übung abnimmt. Die zentrale Exekutive ist die übergeordnete Kontroll- und Koordinationsstelle des Arbeitsgedächtnisses und sowohl für den Informationsaustausch zwischen den unterschiedlichen Subkomponenten innerhalb des Arbeitsgedächtnisses als auch für die Zusammenarbeit mit dem Langzeitgedächtnis zuständig. Diese Komponente des Arbeitsgedächtnisses ist empirisch weniger 3.2 Kognitionspsychologische Grundlagen zum Arbeitsgedächtnis 59 <?page no="60"?> erforscht, jedoch gibt es Hinweise darauf, dass eine ihrer Hauptfunktionen die Aufmerksamkeitsverteilung zwischen den unterschiedlichen Prozessen in den jeweiligen Subkomponenten ist. Die Leistung der zentralen Exekutive unterliegt ebenfalls einer beschränkten Kapazität, wobei diese davon abhängt, wie viele Aufgaben gleichzeitig behandelt werden müssen und wie stark diese Aufgaben automatisiert sind. Aufgaben mit einer starken Automatisierung beanspruchen nur sehr geringe Kapazitäten der zentralen Exekutive, was wiederum bedeutet, dass mehr Platz für mögliche andere, gleichzeitig stattfindende Ereignisse frei ist. Ganz anders sieht es bei unbekannten Reizen, nichtautomatisierten Handlungen oder der unerwarteten Wendung bei eigentlich bekannten Schemata aus. In solchen Fällen wird ein Überwachungssystem (Supervisory Attentional System) aktiviert, um die Kontrolle und die Steuerung zu übernehmen. Dabei handelt es sich um ein komplexes System, das die Kapazitäten der zentralen Exekutive stark beansprucht und wenig Raum für weitere simultan ablaufende Prozesse lässt. (Vgl. Gathercole/ Baddeley 1993: 5 ff.) Diese Erkenntnis kann auch einige Unterschiede zwischen Laien und professionellen Dolmetschern beim Simultandolmetschen erklären, da gewisse Strategien und Prozesse durch Übung automatisiert werden und somit die zentralen Exekutive weniger beanspruchen. Detailliertere Forschungsergebnisse zum Arbeitsgedächtnis konkret im Simultandolmetschprozess werden in Kapitel 3.2.3 diskutiert. 3.2.2 Cowans Arbeitsgedächtnismodell Nelson Cowans Arbeitsgedächtnismodell, im Original Embedded-Processing- Modell, stellt im Gegensatz zu Baddeleys Modell, welches sich primär auf die unterschiedlichen Komponenten des Gedächtnisses fokussiert, die Funktionalität des Kurzzeitspeichers in das Zentrum seines Modells. Besonderes Augenmerk legt er auf die Verbindung zwischen Aufmerksamkeit und Gedächtnis, wobei das Arbeitsgedächtnis laut seiner Definition ein aktivierter Gedächtniszustand ist, in dem der gerade erhaltene Input, auf welchen die Aufmerksamkeit gerichtet ist, sowie die benötigten Elemente aus dem Langzeitgedächtnis, welche in weiterer Folge aktiviert werden, in einem außergewöhnlich präsenten und leicht abrufbaren Zustand sind. In Cowans Embedded-Processing- Modell bilden alle mentalen Mechanismen, die zu einer temporären Speicherung bzw. Aktivierung von Informationen beitragen, um diese zur Weiterverarbeitung bereitzuhalten (sei es in der Sprachverarbeitung, im Bereich des Problemlösens oder bei Prozessen der Entscheidungsfindung), zusammen das Arbeitsgedächtnis. (Vgl. Cowan 1999: 62 f.) 60 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="61"?> Abb. 4: Cowans Embedded Processes Model of Working Memory (Cowan 1999: 64) Cowans Arbeitsgedächtnismodell wird ebenso wie Baddeleys Modell von einer zentralen Exekutive gesteuert. Das Arbeitsgedächtnis in Cowans Modell jedoch besteht aus dem aktivierten Langzeitgedächtnis (activated memory), welches das Kurzzeitgedächtnis (short-term store) bildet, sowie dem Fokus der Aufmerksamkeit (focus of attention), welcher Teil des aktivierten Gedächtnisses ist, aber nur jene Informationen umfasst, die sich tatsächlich im Bewusstsein befinden und damit auch bewusst wahrgenommen werden. Der Fokus der Aufmerksamkeit ist also nicht ident mit dem aktivierten Gedächtnis, was bedeutet, dass nicht alle Gedächtnisprozesse im Arbeitsgedächtnis auf bewusst beachteten Reizen basieren müssen, sondern sich auch Einheiten im aktivierten Gedächtnis befinden, welche zwar nicht bewusst erfasst werden, aber trotzdem sehr präsent und leicht zugänglich sind. Cowan geht aber davon aus, dass sich alle Einheiten im aktivierten Gedächtnis vorab zumindest kurz im Fokus der Aufmerksamkeit befinden müssen, damit dieser „ aktivierte “ Zustand erreicht werden kann. Da es sich in Cowans Modell beim Arbeitsgedächtnis um aktivierte Zustände des Langzeitgedächtnisses (long-term store) und nicht um komplett unterschiedliche Gedächtniskomponenten handelt, ist automatisch eine Interaktion zwischen den Speichern gegeben. (Vgl. Cowan 1999: 62 ff.) Die unterschiedlichen Komponenten des Arbeitsgedächtnisses sind entweder zeit- oder kapazitätsbeschränkt. Während im Fokus der Aufmerksamkeit nur eine gewisse Anzahl von Informationseinheiten gehalten werden kann (Cowan 3.2 Kognitionspsychologische Grundlagen zum Arbeitsgedächtnis 61 <?page no="62"?> spricht von 4 +/ - 1 isolierten Einheiten), ist die Aktivierung von Inhalten aus dem Langzeitgedächtnis nur für einen gewissen Zeitraum (ca. 10 - 20 Sekunden) möglich. Die aktivierten Zustände des Langzeitgedächtnisses werden wieder vergessen, wenn diese nicht immer wieder im Fokus der Aufmerksamkeit aufgefrischt und somit ins Bewusstsein gerufen werden. (Vgl. Cowan 1999: 84 ff.) Die Aufmerksamkeit kann in Cowans Modell entweder auf einen von außen kommenden Reiz gerichtet werden oder nach innen auf die im Langzeitgedächtnis gespeicherten Einheiten. Neue Stimuli kommen automatisch in den Fokus der Aufmerksamkeit, wohingegen länger andauernde Signale auf Grund des Gewöhnungseffekts nicht mehr automatisch in den Fokus der Aufmerksamkeit gelangen, sondern bewusst durch die Koordination der zentralen Exekutive dorthin transferiert werden müssen. Durch eine bewusste Steuerung können also die im Arbeitsgedächtnis ablaufenden Prozesse bis zu einem gewissen Grad beeinflusst werden, wobei Informationen länger gehalten oder zu Episoden verknüpft und für die Weiterverarbeitung bereitgestellt werden. Ein Teil der Prozesse, wie das Abrufen von gewissen Informationen aus dem Langzeitgedächtnis oder die Speicherung bzw. das Verwerfen von Input, kann allerdings nicht bewusst gesteuert werden, sondern wird unbewusst und automatisch durchgeführt. (Vgl. Cowan 1999: 62 f; 68 f.) In Cowans Arbeitsgedächtnismodell ist das Langzeitgedächtnis von besonderer Bedeutung, da das Kurzzeitgedächtnis eine aktivierte Form des Langzeitgedächtnisses ist und damit eine viel engere Bindung als in anderen Modellen besteht. Er geht davon aus, dass bereits im Langzeitgedächtnis gespeicherte Information bzw. automatisierte Tätigkeiten aus dem prozeduralen Gedächtnis viel einfacher aktiviert und im Fokus der Aufmerksamkeit gehalten werden können als komplett neue Informationen, was auch mit empirischen Ergebnissen zur Ziffernspanne bei bekannten und unbekannten Wörtern (vgl. z. B. Hulme/ Maughan/ Brown 1991) übereinstimmt. Bei jedem neuen Input handelt es sich nicht ausschließlich um neue Informationen oder Reize, sondern häufig nur um die Bildung neuer Verknüpfungen von bereits bekannten, im Langzeitgedächtnis gespeicherten Einheiten. Diese neuen Verknüpfungen können dann wiederum als solche im Langzeitgedächtnis abgelegt und in Folge bei zukünftigen Aufgaben, welche das Arbeitsgedächtnis beanspruchen, aktiviert werden. Cowan fügt diesbezüglich noch an, dass Einträge im deklarativen Gedächtnis nur durch den Fokus der Aufmerksamkeit aktiviert werden können, wohingegen im prozeduralen Gedächtnis abgespeicherte Einheiten automatisiert ablaufen können, wenn der auszuführenden Aufgabe ausreichend Aufmerksamkeit gewidmet wird. (Vgl. Cowan 1999: 88 f.) Das Zusammenspiel zwischen Langzeitgedächtnis und Arbeitsgedächtnis sowie diese Unterscheidung zwischen deklarativem und prozeduralem Gedächtnis ist auch für die 62 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="63"?> Tätigkeit des Simultandolmetschens und den Einfluss von Übung auf das Dolmetschen von Relevanz (vgl. Kapitel 3.2.3). 3.2.3 Arbeitsgedächtnis und Simultandolmetschen Das Arbeitsgedächtnis ist in der Forschungsliteratur zu kognitiven Prozessen generell, aber auch zur Sprachverarbeitung beim Dolmetschen im Konkreten, die sowohl theoretisch als auch empirisch meist diskutierteste Gedächtniskomponente. Fast alle Simultandolmetschmodelle basieren auf den Erkenntnissen zu den Aufgaben des Arbeitsgedächtnisses, welches eine grundlegende Komponente im Sprachverarbeitungs- und Dolmetschprozess darstellt. In den vorangehenden Kapiteln wurden die Funktionsweise und Hauptaufgaben des Arbeitsgedächtnisses laut dem aktuellen Forschungsstand zu zwei der bekanntesten Arbeitsgedächtnismodelle erläutert und es konnte aufgezeigt werden, dass das Arbeitsgedächtnis essenziell für die Tätigkeit des Simultandolmetschens ist. Aufgrund der Besonderheit des Simultandolmetschens, wo, im Gegensatz zu einer normalen Kommunikationssituation, Verstehens- und Produktionsprozesse in zwei unterschiedlichen Sprachen gleichzeitig vollzogen werden müssen, wird angenommen, dass vor allem eine erhöhte Kapazität des Arbeitsgedächtnisses für den Aktivierungs- und Unterdrückungsprozess des Inputs, aber auch des eigenen Outputs benötigt wird, wobei gerade so viel des Gesagten temporär gespeichert werden muss, dass eine Übertragung von einer Sprache in die andere und eine Überprüfung der Verdolmetschung möglich ist, ohne dass es durch eine zu starke Präsenz des Ausgangstextes zu Interferenzen in der Zieltextproduktion kommt (vgl. Chabasse 2009: 90). Diese vermehrte Inanspruchnahme des Arbeitsgedächtnisses beim Simultandolmetschen gab Anlass zu empirischen Studien, welche es zum Ziel hatten, herauszufinden, ob Dolmetscher mit langjähriger Erfahrung tatsächlich ein besseres Arbeitsgedächtnis haben als Nicht-Dolmetscher und wie im Vergleich Dolmetschstudenten abschneiden. (Vgl. Timarová 2008: 18.) Die erste Studie, welche sich mit dieser Frage beschäftigte, wurde von Padilla et al. (1995) durchgeführt. Die Autoren gingen von der Annahme aus, dass Dolmetscher ein besseres Arbeitsgedächtnis haben als Nicht-Dolmetscher und dass sich das Gedächtnis durch Berufserfahrung und Training verbessere, weshalb sie auch bessere Resultate in Gedächtnistests erzielen als Dolmetschstudenten. In der Studie wurden professionelle Dolmetscher, Dolmetschstudenten im zweiten bzw. dritten Studienjahr und Akademiker ohne Dolmetscherfahrung miteinander verglichen. Zur Messung der Arbeitsgedächtniskapazität wurde ein klassischer Ziffernspannentest, welcher daraus besteht, dass den 3.2 Kognitionspsychologische Grundlagen zum Arbeitsgedächtnis 63 <?page no="64"?> Probanden eine bei jeder Runde höhere Anzahl von Ziffern auditiv oder visuell präsentiert werden und diese im Anschluss von den Probanden in der richtigen Reihenfolge wiedergegeben werden müssen, und ein sogenannter Lesespannentest, welcher wiederum aus einer ansteigenden Anzahl von Sätzen besteht, die die Probanden zum Lesen bekommen, wobei sie sich jeweils das letzte Wort jedes Satzes merken müssen, eingesetzt. Der dritte durchgeführte Test diente speziell zur Messung der artikulatorischen Interferenz anhand eines Lesespannentests, wobei den Probanden visuell 16 Wörter präsentiert wurden, welche sie im Anschluss wiedergeben mussten. Beim ersten Durchgang wurden nur die Wörter präsentiert, wohingegen beim zweiten Durchgang die Probanden gleichzeitig die Silbe bla laut artikulieren mussten, um so die artikulatorische Interferenz zu messen. (Vgl. Padilla et al. 1995: 62 ff.) Padilla et al. (1995: 70) konnten tatsächlich ein besseres Arbeitsgedächtnis bei professionellen Dolmetschern im Vergleich zu Nicht-Dolmetschern und Dolmetschstudenten feststellen, wobei die Autoren schlussfolgerten, dass Übung im Dolmetschen das Arbeitsgedächtnis verbessert. Allerdings geben in der Forschungsliteratur die unvollständige Auswertung der Ergebnisse sowie fehlende Statistiken in der Publikation Anlass zu Kritik. Dies könnte eventuell zu einer Verfälschung des Ergebnisses geführt haben und erklären, warum andere Studien bei reinen Arbeitsgedächtnistests keine Unterschiede zwischen Dolmetschern und Nicht- Dolmetschern bzw. Dolmetschstudenten und professionellen Dolmetschern feststellen konnten. (Vgl. Timarová 2008: 19.) In einer späteren Studie relativierte ein Teil der Autoren ihre Rückschlüsse aus der ersten Studie, dass ausschließlich eine höhere Speicherkapazität des Arbeitsgedächtnisses das gleichzeitige Sprechen und Hören beim Simultandolmetschen erklärt. Vielmehr nehmen die Autoren nach einer zweiten Studie an, dass Dolmetscher, mit größter Wahrscheinlichkeit, schneller die im Langzeitgedächtnis gespeicherten lexikalischen bzw. semantischen Einheiten abrufen können, was die Simultaneität von Verstehens- und Artikulationsprozess ermöglicht. (Vgl. Padilla et al. 2005: 211.) Auch Köpke und Nespoulous (2006: 10 ff ) konnten in ihren empirischen Experimenten feststellen, dass Dolmetscher bei komplexen Aufgaben, welche eine tiefe semantische Verarbeitung erfordern, besser abschneiden als Nicht- Dolmetscher. Allerdings konnte keine allgemeine bessere Speicherkapazität im Arbeitsgedächtnis bei unterschiedlichen Ziffern- und Wortspannentests mit und ohne artikulatorische Unterdrückung bei Dolmetschern ermittelt werden. Bezüglich einer besseren Inhibitionsfähigkeit bei professionellen Dolmetschern konnten Köpke und Nespoulous unter Anwendung des Stroop-Tests, bei dem automatisch aktivierte Reize unterdrückt werden müssen, keine Unterschiede zwischen professionellen Dolmetschern, Dolmetschstudenten und der Kontrollgruppe feststellen. Die Autoren sehen in ihren Daten Hinweise darauf, dass die 64 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="65"?> zentrale Exekutive und nicht die reine Speicherkapazität des Arbeitsgedächtnisses bzw. der Fokus der Aufmerksamkeit laut Cowans Arbeitsgedächtnismodell eine Schlüsselrolle beim Dolmetschen einnehmen, und schließen aus ihren Ergebnissen, dass Dolmetscher bessere semantische Verarbeitungsstrategien haben, welche das Arbeitsgedächtnis entlasten können. Chincotta und Underwood (1998) haben sich in ihrer Studie auf die artikulatorische Interferenz bei gleichzeitigem Hören und Sprechen konzentriert. Dazu stützten sie sich auf die theoretischen Annahmen von Baddeleys Arbeitsgedächtnismodell zur artikulatorischen Unterdrückung (vgl. Kapitel 3.2.1). Da Dolmetscher auf Grund des gleichzeitigen Sprechens und Hörens ständig die gerade nicht benötigte Sprache so weit unterdrücken müssen, dass es zu keinen Interferenzen kommt, ist die Hypothese, dass Dolmetscher besser mit der artikulatorischen Interferenz bei gleichzeitigem Sprechen und Hören umgehen können, naheliegend. Chincotta und Underwood untersuchten in ihrer Studie diese Hypothese empirisch, indem sie 12 Studenten ohne Dolmetscherfahrung und 12 professionelle Dolmetscher den Ziffernspannentest einmal in seiner traditionellen Variante und einmal bei gleichzeitiger Artikulation von irrelevanten Silben oder Wörtern (z. B. bla bla bla) durchführen ließen. Die Ergebnisse zeigten auf, dass beide Gruppen bei der zweiten Versuchsbedingung schlechter abschnitten und gleichermaßen durch den Effekt der artikulatorischen Interferenz in der Merkfähigkeit der Ziffern beeinträchtigt wurden. Die Hypothese, dass professionelle Dolmetscher diesen Effekt umgehen können bzw. durch das gleichzeitige Sprechen und Hören weniger beeinträchtigt werden, konnte nicht bestätigt werden. Die Autoren gehen davon aus, dass Dolmetscher durch viel Übung einen Großteil der für den Dolmetschprozess relevanten Aktivitäten automatisiert haben, womit Kapazitäten im Arbeitsgedächtnis gespart werden können. (Vgl. Chincotta/ Underwood 1998: 11.) Christoffels et al. (2006) konnten im Gegensatz dazu eine höhere Speicherkapazität im Arbeitsgedächtnis bei professionellen Dolmetschern im Vergleich zu Englisch-Lehrern und Studenten unterschiedlicher Fachrichtungen feststellen. Sie führten dabei eine Studie mit den drei Probandengruppen durch, wobei alle Niederländisch als L1 hatten, um Unterschiede bei Wortschatz- und Wortfindungstests (in Form von picture-naming in beiden Sprachen und Wortübersetzungsaufgaben) sowie bei Arbeitsgedächtnistests (Lesespannentest, Hörspannentest und Wortspannentest) zu erfassen. Interessanterweise konnten bei den Wortschatz- und Wortfindungstests keine Unterschiede zwischen professionellen Dolmetschern und Englisch-Lehrern gefunden werden, sondern die beiden Gruppen erzielten sehr ähnliche Leistungen, wohingegen die Studenten beim Abrufen von lexikalischen Items langsamer waren als die beiden anderen Gruppen. Bei den Arbeitsgedächtnistests schnitten die 3.2 Kognitionspsychologische Grundlagen zum Arbeitsgedächtnis 65 <?page no="66"?> Englisch-Lehrer ebenso wie die Studenten ab und die Dolmetscher zeigten im Vergleich dazu eine höhere Arbeitsgedächtniskapazität. Die Autoren sehen in ihren Rückschlüssen einen Zusammenhang zwischen professionellem Dolmetschen und einer höheren Arbeitsgedächtniskapazität, wohingegen der Abruf lexikalischer Einheiten nicht im Zusammenhang mit der höheren Arbeitsgedächtniskapazität zu stehen scheint, sondern es können vielmehr Hinweise dafür gefunden werden, dass ein schnelleres Abrufen von lexikalischen Einheiten mit dem höheren Sprachniveau und intensiveren Befassen mit der Sprache, wie es bei professionellen Dolmetschern und Englisch-Lehrern der Fall ist, korreliert. (Vgl. Christoffels et al. 2006: 327 f; 336 f; 339 ff.) Besonders relevant für die Dolmetschwissenschaft ist Minhua Lius Dissertation (Liu 2001; Experimentdesign und Ergebnisse in Kurzversion publiziert von Liu et al. 2004), da sie sich nicht ausschließlich auf kognitionspsychologische Arbeitsgedächtnistests beschränkt, sondern zusätzlich auch Dolmetschaufgaben stellte. Dabei verglich die Autorin professionelle Dolmetscher, Dolmetschstudenten am Anfang ihres Studiums und fortgeschrittene Dolmetschstudenten miteinander hinsichtlich der aufgestellten Hypothese, dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen bezüglich der reinen Arbeitsgedächtniskapazität gibt, aber dass die Dolmetschleistungen trotz gleicher Arbeitsgedächtnisfähigkeit mit steigendem Erfahrungsgrad deutlich vollständiger und inhaltlich korrekter sind. Zur Überprüfung ihrer Hypothese führte Liu einerseits einen Hörspannentest durch, welcher eine abgewandelte Version des oben bereits besprochenen Lesespannentests ist und wobei die Sätze den Probanden nicht schriftlich, sondern mündlich präsentiert werden, was der Tätigkeit des Simultandolmetschens durch das gleichzeitige Hören und Sprechen ähnlicher ist als der klassische Lesespannentest. Andererseits wurde den Probanden, um die speziellen Unterschiede beim Simultandolmetschen herauszufinden, die Aufgabe gestellt, zuvor bearbeitete Texte mit eingebauten Schwierigkeitsstellen vom Englischen ins Chinesische (die Muttersprache aller Probanden) zu dolmetschen. In Lius Experiment konnte aufgezeigt werden, dass zwischen den Probandengruppen keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Arbeitsgedächtniskapazität bestehen und professionelle Dolmetscher nicht automatisch ein besseres Arbeitsgedächtnis haben. Allerdings gab es eindeutige Unterschiede zwischen den Gruppen bei der Dolmetschaufgabe. Professionelle Dolmetscher konnten den Text sowohl vollständiger als auch fehlerfreier wiedergeben, wobei sie viel schneller und korrekter die relevantesten Informationen der Rede herausfiltern konnten. Liu schließt aus den Ergebnissen ihrer empirischen Studie, dass Dolmetscher über bessere Analysefähigkeiten sowie über spezifischere Strategien zur Sprachverarbeitung und zur Aufmerksamkeitsverteilung als Nicht-Dolmetscher bzw. Dolmetschstudenten verfügen. 66 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="67"?> Diese durch Übung erlangten Fähigkeiten haben aber nicht eine generelle Erweiterung der Arbeitsgedächtniskapazität und damit ein besseres Abschneiden bei allgemeinen kognitiven Tätigkeiten zur Folge, sondern sind vor allem in simultandolmetschspezifischen Situationen von Nutzen. (Vgl. Liu et al. 2004: 35 f.) Somit erklärt sich Liu auch die Ergebnisse ihres empirischen Experiments und schreibt hierzu Folgendes: „ [ … ] [D]ifferences observed in the results of the listening span test and the actual simultaneous interpreting task may be understood if we accept the claim that professional interpreters draw on strategies and knowledge specific to the simultaneous interpretation process, and perhaps even specific to the interpretation of the two particular languages involved “ (Liu et al. 2004: 36). Tzou et al. (2012) führten ebenfalls eine Studie zu Simultandolmetschen und Arbeitsgedächtniskapazität bei Dolmetschstudenten im Sprachenpaar Mandarin - Englisch mit L1 Mandarin durch, wobei jedoch zusätzlich zu den in Lius Experiment thematisierten Aspekten noch eine mögliche Korrelation zwischen Sprachniveau und Arbeitsgedächtnis untersucht wurde und die Probandengruppe aus Dolmetschstudenten im ersten Jahr, Dolmetschstudenten im zweiten Jahr sowie bilingualen Studenten anderer Fachrichtungen ohne Dolmetscherfahrung bestand. Die Arbeitsgedächtnisleistung wurde mittels eines Lesespannentests sowie eines auditiv präsentierten Ziffernspannentests gemessen, die Sprachkompetenz mithilfe des TOEFL-Tests sowie einer Selbsteinschätzung und die Dolmetschkompetenz durch die Verdolmetschung einer Rede vom Englischen ins Chinesische. Die Autoren konnten keine Unterschiede zwischen der Arbeitsgedächtniskapazität der Dolmetschstudenten im ersten und im zweiten Jahr finden, was auch mit den Ergebnissen von Liu (2004) und Köpke und Nespoulous (2006) zu Dolmetschstudenten vs. professionellen Dolmetschern übereinstimmt. Allerdings war die Arbeitsgedächtniskapazität der Dolmetschstudenten besser als jene der bilingualen Nicht-Dolmetscher. Bezüglich der Sprachkompetenz in Englisch, der L2 aller Teilnehmer, konnte keine Korrelation zwischen höherem Sprachniveau und einer ausgeglicheneren Arbeitsgedächtniskapazität zwischen L1 und L2 festgestellt werden. Alle Teilnehmer wiesen unabhängig vom Sprachniveau eine niedrigere Arbeitsgedächtnisspanne in ihrer L2 als in ihrer L1 auf, aber Probanden mit sehr guter Sprachkompetenz in beiden Sprachen erzielten generell bessere Ergebnisse in den Arbeitsgedächtnistests. Die Qualität der Verdolmetschung beim Dolmetschen von der L2 in die L1 war bei den Probanden mit einer höheren Fremdsprachenkompetenz im Englischen sowie bei den Studenten im zweiten Jahr ebenfalls besser. Für die bessere Arbeitsgedächtnisleistung bei Dolmetschstudenten im Gegensatz zu Probanden ohne Dolmetscherfahrung könnten laut Rückschlüssen der Autoren einerseits Trainingseffekte verantwortlich dafür 3.2 Kognitionspsychologische Grundlagen zum Arbeitsgedächtnis 67 <?page no="68"?> sein, andererseits aber auch unter Berücksichtigung von vorangehenden Studien, wo keine Trainingseffekte beim Vergleich zwischen Dolmetschstudenten und professionellen Dolmetschern feststellbar waren, ist hier ebenfalls eine durch das Dolmetschstudium verbesserte Sprachkompetenz ein möglicher Faktor. Zusätzlich sollte noch die Möglichkeit bedacht werden, dass eventuell nur Kandidaten mit einem besseren Arbeitsgedächtnis ein Dolmetschstudium aufnehmen bzw. im Master weiterführen, und mögliche Aufnahmeprüfungen, die andere Kandidaten aussortieren, müssen ebenfalls beachtet werden. Die Autoren geben selbst an, dass das gewählte Experimentdesign keine direkten Aussagen über den Einfluss von Training auf das Arbeitsgedächtnis zulässt. Diesbezüglich sind noch weitere empirische Daten, vor allem auch im Rahmen von Längsschnittstudien, notwendig, um die genauen Faktoren, welche einen Einfluss auf die Arbeitsgedächtniskapazität haben, ermitteln zu können. (Vgl. Tzou et al. 2012: 223 ff.) Timarová et al. (2014) wählten einen etwas anderen Ansatz in ihrer empirischen Studie und legten den Fokus nicht, wie es in allen dolmetschwissenschaftlichen Forschungen zum Arbeitsgedächtnis bis dato der Fall war, auf die reine Speicherkapazität des Arbeitsgedächtnisses, sondern zielten auf die Erforschung der Komponente der zentralen Exekutive ab. Die Ziele der Studie waren dabei, die Zusammenhänge zwischen Simultandolmetschperformanz und den Funktionen der zentralen Exekutive des Arbeitsgedächtnisses darzulegen, die unterschiedlichen Funktionen des Arbeitsgedächtnisses im Dolmetschprozess zu erfassen sowie die Frage zu klären, ob das Arbeitsgedächtnis, und im Konkreten die zentrale Exekutive, ein entscheidender Mechanismus für die Vorgänge beim Simultandolmetschen sind. Es handelte sich hierbei um eine explorative Studie mit 28 Teilnehmern, welche individuelle Unterschiede zwischen Arbeitsgedächtnisfunktionen und Simultanverdolmetschungen bei professionellen Dolmetschern aufzeigen soll, um einen ersten Einblick über die Rolle der zentralen Exekutive im Dolmetschprozess zu geben. Für die Studie wurden folgende vier zentrale Funktionen der zentralen Exekutive ausgewählt, welche isoliert mit den dafür geeigneten Arbeitsgedächtnistests bei den Probanden überprüft wurden: Interferenzresistenz (was sich beim Dolmetschen sowohl auf Umwelteinflüsse wie irrelevante Nebengeräusche als auch auf den eigenen Output bezieht), Unterdrückung von automatischen Reaktionen (was beim Dolmetschen zum Beispiel bei falschen Freunden oder syntaktisch ambigen Sätzen von Relevanz ist), Anpassung an neu einlaufende Informationen und Taskswitching. Zusätzlich wurden die Verdolmetschungen nach Verarbeitung spezifischer linguistischer Phänomene (lexikalische, semantische und syntaktische Verarbeitung) sowie nach globalen Prozessen (Décalage, aktives Vokabular und Performanz bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten) ana- 68 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="69"?> lysiert und in Relation mit den untersuchten Funktionen der zentralen Exekutive gesetzt. (Vgl. Timarová et al. 2014: 143 ff.) Die Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Funktionen der zentralen Exekutive und den Parametern der Simultanverdolmetschung ergeben ein komplexes Netzwerk, in dem sich häufig mehrere Faktoren gegenseitig beeinflussen. Die Autoren schlussfolgern, dass das Arbeitsgedächtnis beim Dolmetschen nicht als eine einzelne Einheit auftritt, sondern dass verschiedene Funktionen des Arbeitsgedächtnisses unterschiedlich an einzelnen Komponenten des Dolmetschprozesses beteiligt sind. Alle vier ausgewählten Funktionen der zentralen Exekutive sind eng mit Aufmerksamkeit und Koordination verbunden. Diese beiden Faktoren wurden auch von anderen Autoren aus theoretischen Überlegungen (vgl. Cowan 1999; Moser-Mercer 1997b) bzw. als Rückschluss aus empirischen Ergebnissen (vgl. Liu et al. 2004) als entscheidend beim Dolmetschen ermittelt und durch das von Timarová et al. (2014) durchgeführte Experiment werden erstmals empirische Grundsteine für diese Annahme gelegt. Interessant sind auch die Ergebnisse in Bezug auf eine Korrelation zwischen Dolmetscherfahrung und den getesteten Funktionen der zentralen Exekutive. Diesbezüglich konnten die Autoren feststellen, dass die Fähigkeit der Interferenzresistenz bei Dolmetschern mit längerer Berufserfahrung höher ist, wohingegen keine Korrelation zwischen den anderen Funktionen und der Dolmetscherfahrung festgestellt werden konnte. Auch wenn auf Grund des Experimentdesigns und der bisher geringen Anzahl an Probanden nicht abschließend geklärt werden kann, ob tatsächlich die Dolmetscherfahrung für eine höhere Interferenzresistenz verantwortlich ist und welchen Einfluss Training und Erfahrung im Dolmetschen auf die Fähigkeit, irrelevante Stimuli auszublenden, genau hat, bildet die in dieser Studie dargelegte Korrelation einen Ausgangspunkt für weitere Hypothesen, die durch weitere empirische Daten gestützt werden müssen. Die von den Autoren in dieser Studie ermittelte Beteiligung der zentralen Exekutive, vor allem der Aufmerksamkeitsverteilung und Koordination unterschiedlicher Aufgaben, im Dolmetschprozess steht auch im Einklang mit dem konzeptuellen Rahmen von Giles Effort Modell (vgl. 3.3.1) und Cowans Arbeitsgedächtnismodell (vgl. 3.2.2), wo sowohl Zeitals auch Kapazitätsbeschränkungen sowie ein aktives Prozessmanagement zur Vermeidung einer kognitiven Überlastung zentrale Bestandteile sind. (Vgl. Timarová et al. 2014: 159 ff.) Injoque-Ricle et al. (2015) führten ebenfalls eine empirische Studie zu Arbeitsgedächtnis und Simultandolmetschen durch, wobei sie professionelle Dolmetscher mit unterschiedlicher Berufserfahrung den Ziffernspannentest und den Lesespannentest sowohl in klassischer Variante als auch unter der Versuchsbedingung mit gleichzeitiger Artikulation von unbedeutenden Silben absolvieren sowie eine kurze Rede simultan dolmetschen ließen. Die Autoren 3.2 Kognitionspsychologische Grundlagen zum Arbeitsgedächtnis 69 <?page no="70"?> verglichen dabei das Abschneiden der Dolmetscher, welche eine unterschiedliche Anzahl an Berufsjahren und Dolmetschtagen aufwiesen, bei den Arbeitsgedächtnistests und konnten keine Unterschiede bezüglich der Arbeitsgedächtniskapazität mit ansteigenden Berufsjahren feststellen. Ein weiteres Ziel der Studie war es, herauszufinden, ob es einen Zusammenhang zwischen den Ergebnissen der Arbeitsgedächtnistests mit und ohne artikulatorische Unterdrückung und den Dolmetschleistungen (Zusammenspiel aus Qualität, Flüssigkeit und Genauigkeit) gibt. Die Auswertung dieser empirischen Studie ergab, dass Dolmetscher mit guten Ergebnissen in den beiden Arbeitsgedächtnistests mit artikulatorischer Unterdrückung, eine bessere Dolmetschleistung ablieferten als jene mit schlechterem Abschneiden; jedoch konnte kein Zusammenhang zwischen dem klassischen Lesespannen- und Ziffernspannentest ohne artikulatorische Unterdrückung und Dolmetschleistung gefunden werden. (Vgl. Injoque-Ricle et al. 2015: 58 ff.) Die Autoren sehen in den Ergebnissen ihrer Studie Hinweise darauf, dass die Erfahrung im Dolmetschen keinen Einfluss auf die Arbeitsgedächtniskapazität hat und diese nicht durch Training erhöht werden kann. Allerdings scheint die Arbeitsgedächtniskapazität bei gleichzeitigem Sprechen im Zusammenhang mit der Qualität und Vollständigkeit der Verdolmetschung zu stehen. Injoque-Ricle et al. (2015: 60 f) schlussfolgern, dass wahrscheinlich jene Dolmetscher, die in den Arbeitsgedächtnistests besser mit der artikulatorischen Unterdrückung umgehen können und damit höhere Punkte erreichen, auch bei der Simultanverdolmetschung selbst weniger vom gleichzeitigen Hören und Sprechen beeinflusst werden, weshalb sie bessere Leistungen abliefern können. Es handelt sich hierbei um erste Hinweise in diese Richtung, wobei noch großes Forschungspotential bezüglich der verschiedenen Variablen und ihrem Einfluss auf die Verdolmetschung besteht. Dieser Überblick zeigt, dass in den durchgeführten empirischen Studien unterschiedliche Resultate bei der Messung der Arbeitsgedächtniskapazität von Dolmetschern im Vergleich zu Dolmetschstudenten und/ oder bilingualen Laien festgestellt wurden, aber bislang nicht klar bestätigt werden kann, dass Dolmetscher generell ein besseres Arbeitsgedächtnis haben als Nicht-Dolmetscher oder dass sich die Speicherkapazität des Arbeitsgedächtnisses durch jahrelange Praxis im Dolmetschen verbessert. Allerdings konnten empirische Beweise dafür gefunden werden, dass Dolmetscher bei dolmetschspezifischen Aufgaben und Tests, welche eine tiefe semantische Verarbeitung verlangen, besser abschneiden als Nicht-Dolmetscher bzw. Dolmetschanfänger. Diese Ergebnisse stehen auch im Einklang mit allgemeinen Forschungsergebnissen zum Arbeitsgedächtnis, wo aufgezeigt wurde, dass die Arbeitsgedächtniskapazität von den bereits im Langzeitgedächtnis abgespeicherten Einheiten abhängt. In einem Experiment mit Schachspielern (vgl. Chase/ Simon 1973) stellte sich 70 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="71"?> zum Beispiel heraus, dass geübte Spieler sich bis zu 16 Positionen von Schachfiguren merken können, wohingegen es bei Laien durchschnittlich nur 4 sind. Allerdings konnte diese größere Speicherkapazität des Arbeitsgedächtnisses nur für relevante Spieleraufstellungen festgestellt werden, nicht aber bei einer zufälligen und damit einhergehend in einem realen Spiel nicht gegebenen Verteilung der Figuren. (Vgl. Gruber 2018: 24.) Timarová (2008: 21) sieht keine theoretische Fundierung in den bekannten Arbeitsgedächtnismodellen für die Annahme einer höheren Speicherkapazität des Arbeitsgedächtnisses bei Dolmetschern und schreibt diesbezüglich: „ Most studies are looking to confirm better working memory capacity in interpreters than in non-interpreters, yet the theoretical models do not make it clear why such higher capacity would be needed. [ … ] Since the time lag in simultaneous interpreting is usually just a few seconds, well within the normal storage limit, it is not entirely clear why interpreters should exhibit increased storage capacity. ” Die Autorin schlägt einen anderen Ansatz vor, welcher bisher weniger erforschte Aufgaben und Funktionen des Arbeitsgedächtnisses in den Fokus rückt. So könnten Funktionen des Arbeitsgedächtnisses wie Aufmerksamkeitsverteilung auf die unterschiedlichen Aufgaben, Konzentrationsfähigkeit, Aktivierung, Auswahl und Unterdrückung von Items, Monitoringprozesse etc. eine durchaus größere Rolle beim Dolmetschprozess als die reine Kurzzeitspeicherkapazität spielen und auch eine Erklärung dafür liefern, dass die reine Kapazität des Arbeitsgedächtnisses weder durch Training im Dolmetschen erhöht wird, noch die einzige wichtige Komponente für eine erfolgreiche Verdolmetschung ist, was sie auch gemeinsam mit anderen Autoren in einer 2014 durchgeführten Studie empirisch untermauert. (Vgl. Timarová 2008: 21 ff; Timarová et al. 2014.) Es gibt zwar durch die Studie von Injoque-Ricle et al. (2015) erste Hinweise, dass eine höhere Arbeitsgedächtniskapazität bei Ziffernspannentests bei gleichzeitigem Hören und Sprechen mit vollständigeren und korrekteren Verdolmetschungen korreliert, aber die Autoren schreiben auch in diesem Zusammenhang, dass die Arbeitsgedächtniskapazität, insbesondere im Zusammenhang mit der artikulatorischen Unterdrückung, einer von mehreren Faktoren für eine gute Verdolmetschung zu sein scheint. Folglich ist es wichtig, dass bei der Erforschung der Rolle des Arbeitsgedächtnisses beim Dolmetschen die spezifische Aufgabe des Simultandolmetschens selbst sowie auch andere Funktionen und Komponenten des Arbeitsgedächtnisses, wie es erst in den neueren Studien gemacht wurde, miteinbezogen werden, wobei in diesem Bereich noch großes Forschungspotential herrscht. 3.2 Kognitionspsychologische Grundlagen zum Arbeitsgedächtnis 71 <?page no="72"?> 3.2.4 Fazit zu den Grundlagen zum Arbeitsgedächtnis Die Forschungsergebnisse zum Arbeitsgedächtnis geben nicht nur Aufschluss über die Rolle dieses Kurzzeitspeichers bei der Sprachverarbeitung und Sprachproduktion und insbesondere auch über die Verteilung der Aufmerksamkeit sowie der verfügbaren Kapazitäten bei der besonderen Sprachverarbeitung im Simultandolmetschprozess, sondern liefern auch Hinweise zu Unterschieden zwischen Profis bzw. Teilnehmern mit einem großen Fachwissen in einem bestimmten Bereich und Anfängern bei einigen Arbeitsgedächtnistests und -aufgaben. Interessant ist dabei für die gewählte Fragestellung vor allem, welche Bereiche des Arbeitsgedächtnisses durch Übung, Erfahrung und ein größeres Sprachwissen effizienter werden können und wie sich dies auf die Dolmetschleistung auswirkt. Für einen Vergleich zwischen Anfängern und professionellen Dolmetschern bzw. den Entwicklungen, die durch Übung und Erfahrung im Dolmetschen beobachtet werden können, sind aus psycholinguistischer Sicht vor allem die Veränderungen im Langzeitgedächtnis sowie mögliche Auswirkungen auf zumindest einige Funktionen des Arbeitsgedächtnisses von Interesse. Einigkeit herrscht darüber, dass Übung zu einer Automatisierung der ablaufenden Prozesse im prozeduralen Gedächtnis führt, wodurch wiederum mehr Kapazitäten für andere Funktionen zur Verfügung stehen. Eine weitere Erleichterung für den Dolmetschvorgang stellt ein mit Erfahrung einhergehendes größeres Welt- und Fachwissen, aber auch ein detaillierteres Sprachwissen im jeweiligen Sprachenpaar dar. Cowan (1999) geht in seinem Arbeitsgedächtnismodell davon aus, dass es sich bei den Einheiten im Arbeitsgedächtnis um aktivierte Zustände von gespeicherten Einträgen im Langzeitgedächtnis handelt, wobei ein größeres Wissen, eine noch nicht so lange zurückliegende Verwendung sowie ein regelmäßiger Gebrauch die Aktivierung erleichtern. Bezüglich des Sprachwissens im Konkreten ist von besonderer Relevanz, dass viele Teile von Reden sich wiederholen und auch sprachliche Ausdrücke oder syntaktische Konstruktionen ähnlich sind, was einen schnelleren Abruf möglich macht und gleichzeitig auch die Antizipationsfähigkeit steigert. Setton (1999) geht davon aus, dass bei professionellen Dolmetschern und auch bei häufig vorkommenden Phrasen und Wendungen öfter direkte interlinguale Beziehungen zwischen den Wortformen in beiden Sprachen bestehen, welche zwar die Gefahr von Interferenzen bergen, aber in sehr vielen Fällen eine kognitive Entlastung beim Dolmetschen darstellen können. Die Ergebnisse von empirischen Experimenten konnten keine klaren Ergebnisse dazu liefern, dass durch Übung im Simultandolmetschen die Arbeits- 72 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="73"?> gedächtniskapazität generell ansteigt, wobei einige Studien eine bessere Speicherkapazität bei professionellen Dolmetschern im Gegensatz zu Dolmetschanfängern oder Studenten anderer Fachrichtungen feststellen konnten. Andere hingegen konnten keine Unterschiede zwischen diesen Gruppen belegen, und Längsschnittstudien, die Dolmetschstudenten über längere Zeit begleiten, um so einen konkreten möglichen Anstieg der Arbeitsgedächtniskapazität zu messen, liegen auf Grund der Schwierigkeiten zur Durchführbarkeit keine vor. Hingegen schnitten bei dolmetschspezifischen Aufgaben oder Tests, die eine tiefere linguistische Verarbeitung erfordern, Dolmetscher in allen durchgeführten Studien besser ab als Versuchspersonen ohne bzw. mit wenig Dolmetscherfahrung. Übung im Dolmetschen scheint also weniger Einfluss auf die reine Speicherkapazität im Arbeitsgedächtnis zu haben, als vielmehr spezifische Fertigkeiten wie die Konzentrationsfähigkeit oder die Aufmerksamkeitsverteilung, welche in der zentralen Exekutive angesiedelt sind, zu verbessern. Ein größeres Sprach- und Weltwissen, der sicherere Einsatz von Dolmetschstrategien sowie eine Automatisierung des Dolmetschprozesses an sich stellen zusätzlich eine Entlastung der vorhandenen Ressourcen dar und können Fehlerquellen minimieren. Das stimmt auch mit Befunden zu Arbeitsgedächtnistests, bei denen Personen mit Fachwissen oder einer bestimmten Expertise in einem Bereich mit Novizen verglichen wurden, überein. Auch hier waren die Profis bei der Speicherkapazität nur dann überlegen, wenn es um Aufgaben ging, bei denen das gespeicherte Grundwissen eine Rolle spielte, und nicht generell bei Arbeitsgedächtnistests. Spies und Lüer (1998: 199) ziehen hierzu die Schlussfolgerung, dass die Überlegenheit der Experten „ [ … ] nicht allein auf einer besseren Ausnutzung der begrenzten Kapazität des Arbeitsgedächtnisses beruht, sondern dass auch die Speicherung im Langzeitgedächtnis sowie der Abruf aus dem Langzeitgedächtnis in effektiverer Weise erfolgt [ … ] “ , und verweisen dabei auch auf die Skilled Memory-Theorie von Chase und Ericsson (1981), die von einer bereichsspezifischen effektiveren Enkodierungsstrategie von Experten im Vergleich zu Novizen bei bestimmten fachspezifischen Aufgaben ausgeht. Konkret für das Thema von Interferenzerscheinungen kann ausgehend von den Erkenntnissen zum Arbeitsgedächtnis und unter Berücksichtigung des Dolmetschprozesses (vgl. Kapitel 3.3) sowie der Speicherung von Informationen im Langzeitgedächtnis (vgl. Kapitel 3.1.1 und 3.1.2) Folgendes angenommen werden: Bei Professionellen Dolmetschern sind insgesamt weniger Fehler in Verdolmetschungen und eine größere inhaltliche Vollständigkeit zu erwarten. Interferenzen können jedoch auch bei professionellen Dolmetschern als häufiges Phänomen beobachtet werden (vgl. Kapitel 4.3), was wiederum durch die 3.2 Kognitionspsychologische Grundlagen zum Arbeitsgedächtnis 73 <?page no="74"?> interlingualen Beziehungen zwischen den Wörtern in unterschiedlichen Sprachen und damit einhergehend einer teilweise ungewollten Aktivierung ähnlicher Elemente zu erklären ist. Setton (1999) geht zum Beispiel davon aus, dass diese cross-language-connections auch durch Erfahrung und Übung nur bedingt kontrolliert werden können. Zudem kommt, dass Verdolmetschungen von Anfängern häufig viele Auslassungen aufweisen, wohingegen professionelle Dolmetscher vollständiger bzw. detaillierter dolmetschen und bei Schwierigkeiten automatisiert auf (Not-)Strategien wie das Transkodieren (vgl. Kapitel 3.4) zurückgreifen, bevor sie inhaltliche Auslassungen riskieren, was ein größeres Interferenzpotential birgt. Folglich ist davon auszugehen, dass professionelle Dolmetscher zwar von einer besseren Kapazitätsverteilung und Koordination der Abläufe im Arbeitsgedächtnis und zusätzlich von einem größeren Welt- und Sprachwissen sowie einer höheren Automatisierung des Dolmetschprozesses profitieren zu scheinen, aber trotzdem nicht zwangsläufig weniger Interferenzen produzieren als Dolmetschstudenten bzw. Anfänger im Dolmetschen. 3.3 Dolmetschprozessmodelle „ Interpreters are linguistic acrobats constantly walking on a tightrope. ” (Delisle 1999: 3) Modelle werden in der Translationsprozessforschung erstellt, um die komplexen Abläufe beim Übersetzen bzw. Dolmetschen darzustellen und wichtige Erkenntnisse zu den mentalen Vorgängen und damit einhergehend zu möglichen Störquellen oder nützlichen Strategien im Translationsprozess zu gewinnen. Einerseits können damit Abläufe besser erklärt und mögliche Ursachen für Fehler identifiziert werden und andererseits dienen Modelle auch als Ausgangspunkt für neue Forschungen und empirische Untersuchungen von Teilaspekten. Allerdings können die bisher in der Dolmetschwissenschaft erstellten Modelle auf Grund der limitierten vorliegenden empirischen Daten zum Dolmetschen und der häufig aus allgemeinen Prinzipien anderer Disziplinen zusammengesetzten Komponenten nur bedingt Erklärungen liefern und müssen durch praktische Überprüfungen noch erweitert und spezifischer gestaltet werden. Setton (2005: 93) schreibt hierzu, dass „ [d]ie in der Literatur beschriebenen Modelle zum Simultandolmetschen [ … ] die nicht sehr gewichtige, aber dennoch nützliche Funktion, die Reflexion und Visualisierung des Prozesses sowie das Erkennen seiner Komponenten, Erfordernisse und anfälligen Schwachstellen zu befördern[,] [erfüllen] “ . Dolmetschprozessmodelle sind folglich von besonderem Nutzen für die Forschung und Didaktik. In der Translationsdidaktik können angehende Dolmetscher von einer Sichtbarmachung der Teilprozesse, der 74 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="75"?> Anforderungen während des Dolmetschprozesses und möglichen Schwierigkeiten profitieren und persönliche Schwachstellen können somit gezielt trainiert werden. (Vgl. Lica 2013: 18 ff; 30; Setton 2005: 66 ff.) Interferenzen beim Dolmetschen haben häufig nicht rein linguistische Ursachen und gehen besonders in der Sprachrichtung Fremdsprache - Grundsprache nur selten auf eine mangelnde Sprachkompetenz zurück, sondern stehen vielmehr im Zusammenhang mit Auslösern auf der Dolmetschprozessebene (vgl. Kapitel 4.4). Dolmetschprozessmodelle haben folglich ein wichtiges Erklärungspotential für die Entstehung von Dolmetschschwierigkeiten generell sowie für Sprachverarbeitungsprozesse und dolmetschspezifische Abläufe, aber auch für mögliche linguistische, psycholinguistische oder externe Einflüsse auf den Dolmetschvorgang. Dementsprechend können mit Hilfe von Dolmetschprozessmodellen Interferenzfehler ebenfalls besser eingeordnet und dolmetschprozessrelevante Erklärungen bzw. interferenzbegünstigende Faktoren als Auslöser identifiziert werden. Im Anschluss werden drei Dolmetschprozessmodelle, die alle unterschiedliche Ansätze haben, um die Vorgänge beim Simultandolmetschen zu erklären und die als besonders relevant für die Themenstellung erachtet werden, im Detail erläutert. 3.3.1 Giles Effort Model für das Simultandolmetschen In Giles Effort Model werden nicht die genauen psycholinguistischen Prozesse beim Simultandolmetschen dargestellt, sondern hauptsächlich die Kapazitätenverteilung auf die unterschiedlichen gleichzeitig ablaufenden mentalen Vorgänge und die aus einer Kapazitätsüberlastung resultierenden Dolmetschschwierigkeiten. Gile nimmt dabei an, dass häufige Fehler und Auslassungen bei Verdolmetschungen oft nicht auf fehlendes sprachliches oder allgemeines Wissen des Dolmetschers zurückgehen, sondern auf eine kognitive Überlastung, welche zur Folge hat, dass nicht mehr für alle Teilprozesse ausreichend Kapazitäten zur Verfügung stehen. (Vgl. Gile 1997: 196 f; 200.) In seinem Effort Model für das Dolmetschen geht Gile von der Annahme aus, dass der Dolmetschvorgang dem Dolmetscher eine Art mentale Energie (effort) abverlangt, welche nur beschränkt verfügbar ist und sich auf drei bzw. vier Bereiche verteilen muss. Der listening and analysing effort (L) bezieht sich auf alle Vorgänge, die dazu dienen, den Ausgangstext von der Klangerkennung bis zur Bedeutungsfindung zu erfassen. Der production effort (P) bezeichnet alle zur Output-Produktion notwendigen Prozesse, ausgehend von der mentalen Repräsentation der Sinneinheit über die Planung bis hin zur tatsächlichen Artikulation. Mit memory effort (M) sind die Prozesse im Kurzzeitgedächtnis 3.3 Dolmetschprozessmodelle 75 <?page no="76"?> gemeint, die während des Dolmetschens für die Abspeicherung von Informationen nach jedem Zwischenschritt und die Bereithaltung dieser zur Weiterverarbeitung verantwortlich sind. Zusätzlich spricht Gile (1995: 169) noch von einem coordination effort (C), welcher für die Kapazitätenverteilung auf und die Koordination zwischen den drei anderen efforts zuständig ist. (Vgl. Gile 1995: 161 ff; Gile 1985: 44 ff.) Gile (1995: 169) berschreibt den Simultandolmetschvorgang anhand von folgender Formel: (1) SI = L+M+P+C Diese erste Gleichung drückt dabei aus, dass das Simultandolmetschen als ein Prozess gesehen werden kann, der aus den vier oben genannten Komponenten, auf welche die Kapazitäten verteilt werden, besteht. Im einfachsten Fall ist jeder effort mit einem anderen Segment beschäftigt: während der Produktionsprozess von Segment A stattfindet, ist das Kurzzeitgedächtnis mit der Speicherung von Segment B, das nach A eingetroffen ist, befasst und die Input-Verarbeitungskapazität richtet sich auf Segment C. Gile weist darauf hin, dass es immer zu gewissen Überlappungen, Vertauschungen in der Reihenfolge und teilweise zu Vorgriffen in Form von Antizipation kommt. Die drei unterschiedlichen efforts sind dabei die meiste Zeit im Dolmetschprozess gleichzeitig aktiv, können allerdings auch einzeln arbeiten (zum Beispiel in Redepausen, in denen noch vorangehende Segmente verarbeitet werden). (Vgl. Gile 1985: 44 ff; Gile 1995: 169 ff; Gile 1997: 198 ff.) Mit seiner zweiten Formel versucht Gile (1995: 170) darzustellen, dass die benötigte Gesamtkapazität (TR = total capacity requirements) eine Summer (wenn auch nicht zwingendermaßen eine arithmetische Summe) der Kapazitätsanfordernisse der einzelnen Teilprozesse ist (LR = capacity requirements for L, MR = capacity requirements for M, PR = capacity requierements for P, CR = capacity requirements for C): (2) TR = LR+MR+PR+CR Zu jedem Zeitpunkt im Dolmetschprozess ist für jeden effort ein bestimmter Grad an Kapazitäten erforderlich, welcher sich innerhalb von wenigen Sekunden verändern bzw. neu auf die unterschiedlichen Teilschritte verteilen kann. Der Erfolg der Verdolmetschung hängt dabei davon ab, ob die vorhandenen Kapazitäten für die erforderlichen Kapazitäten in der jeweiligen Situation ausreichen, wie in den folgenden Formeln von Gile (1995: 171) dargestellt wird: (3) TA ≥ TR (4) LA ≥ LR 76 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="77"?> (5) MA ≥ MR (6) PA ≥ PR (7) CA ≥ CR Die verfügbare Gesamtkapazität muss also größer oder zumindest gleich groß wie die geforderte Gesamtkapazität sein (3). Allerdings reicht das alleine nicht aus, sondern bei jedem einzelnen effort - Input-Prozesse (4), Gedächtnisleistungen (5), Produktionsprozesse (6) und Koordinierungsaufwand (7) - muss die vorhandene Kapazität mindestens gleich groß wie die benötigte Kapazität sein. (Vgl. Gile 1985: 44 ff; Gile 1995: 169 ff; Gile 1997: 198 ff.) Gile (1997: 170) weist darauf hin, dass mögliche Interferenzen eine spezielle Aufmerksamkeit des Dolmetschers erfordern und dass dabei die Interaktion zwischen den einzelnen efforts eine große Rolle spielt. Abb. 5: Schematische Verteilung der Verarbeitungskapazität beim Simultandolmetschen eines einfachen Satzes mit einem Segment, das einen hohen Informationsgehalt hat [t2 - t4] (Gile 1997: 201) Abbildung 5 zeigt Giles Darstellung (1995: 200 f ) der Kapazitätenverteilung beim Simultandolmetschen anhand des folgenden einfachen Satzes als Beispiel: „ Ladies and Gentlemen, the International Association of Frozen Food Manufacturers is happy to welcome so many of you in Paris for this meeting. “ Die Zeile I stellt dabei den Input dar, wobei das Segment mit einer hohen Informationsdichte (in kursiv) zwischen t2 und t4 präsentiert wird. Für die Aufteilung der Kapazitäten auf die einzelnen efforts bedeutet das folglich, dass der listening und analysing effort (L) kurz zeitversetzt (t3 - t5) am höchsten ist, während der memory effort (M) direkt im Anschluss (ab t5) ansteigt und schlussendlich (ab t6) der production effort (P) eine erhöhte Aufmerksamkeit des Dolmetschers er- 3.3 Dolmetschprozessmodelle 77 <?page no="78"?> fordert. Die geforderte Gesamtkapazität (T) erreicht dabei zwischen t6 und t7, wo gleichzeitig eine hohe Gedächtnisleistung und ein erhöhter Produktionsaufwand notwendig sind, ihren Höchstwert. Gile erklärt anhand dieses Schemas, dass Fehler nicht an einem problematischen Segment auftreten müssen, sondern dass es in diesem Fall zum Beispiel zu Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von neu einlaufenden Informationen zwischen t6 und t7 kommen kann, obwohl der listening and analysing effort zu diesem Zeitpunkt eher gering ist, jedoch die anderen beiden efforts erhöhte Aufmerksamkeit beanspruchen und dadurch nicht mehr ausreichend Gesamtkapazitäten vorhanden sind. Dies kann zu Auslassungen oder Fehlern führen, auch wenn das Segment an sich keine Schwierigkeiten darstellt. Eine der Stärken von Giles Effort Modell ist sein Erklärungspotential für Dolmetschschwierigkeiten, die auf eine Kapazitätsüberlastung bzw. eine zu stark konzentrierte Aufmerksamkeitsverteilung auf einen der Teilbereiche zurückgehen. Gile nennt einige Faktoren, die für Verarbeitungsschwierigkeiten beim Dolmetschen verantwortlich sein können: Der wohl häufigste Auslöser ist eine hohe Informationsdichte der Ausgangsrede bzw. eine hohe Vortragsgeschwindigkeit, die ebenfalls zu einer erhöhten Informationsdichte führt. Externe Faktoren, wie die Qualität der Originalrede, Störgeräusche etc., führen ebenfalls zu einem erhöhten listening and analysing effort. Ein starker Akzent, ein ungewöhnlicher linguistischer Stil, Fehler in der Originalrede sowie Eigennamen, die dem Dolmetscher entweder unbekannt sind bzw. für die keine direkte Übersetzung abrufbar ist, sind weitere mögliche Auslöser für Dolmetschschwierigkeiten. (Vgl. Gile 1995: 200 f; Gile 1997: 172 ff.) Giles Effort Modell wird durch die sogenannte Tightrope Hypothesis gestützt, welche davon ausgeht, dass der Dolmetscher die meiste Zeit sehr nahe am Kapazitätslimit arbeitet, weshalb auch bei erfahrenen Dolmetschern häufig Auslassungen und Fehler vorkommen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit schwierigen Passagen der Ausgangsrede stehen (vgl. Gile 1999: 158 ff ). Allerdings weist Gile auch darauf hin, dass Training zu einer Automatisierung der kognitiven Prozesse beim Dolmetschen führt und damit weniger Kapazitäten dafür beansprucht werden, was wiederum zu mehr freien Kapazitäten in anderen Teilbereichen führt und insgesamt zu einer besseren und vollständigeren Dolmetschleistung. Außerdem spielt auch die Vorbereitung auf eine Konferenz eine wichtige Rolle, da dadurch das relevante lexikalische und allgemeine Wissen zum Thema schneller abruf- und zuordenbar ist. Nicht zuletzt haben auch die angewandten Dolmetschstrategien einen Einfluss darauf, wie Kapazitäten eingespart werden können und ob der Dolmetscher Schwierigkeiten frühzeitig erkennen und damit vermeiden bzw. beheben kann. (Vgl. Gile 1995: 205 ff.) 78 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="79"?> Giles Effort Modell ist ein wichtiger Bestandteil der Dolmetschprozessforschung und Dolmetschdidaktik. Das Modell zur Kapazitätenverteilung liefert grundlegende Hinweise auf die Entstehung von Dolmetschschwierigkeiten sowie auf mögliche Strategien zu deren Vermeidung und ermöglicht es Dolmetschstudenten, ihre persönlichen Kapazitäten in den unterschiedlichen involvierten Teilprozessen zu analysieren, besser zu verteilen bzw. zu trainieren. 3.3.2 Probability Prediction Model von Chernov Chernov (2004) geht in seinem Modell der probabilistischen Prognostizierung (Probabiltiy Prediction Model) von den Grundlagen der Aktivitätstheorie (Theory of Activity) der Russischen Schule der Psychologie aus, welche annimmt, dass mentale Aktivität von einer antizipierten Annahme über die Realität geleitet wird und dass die Handlungen der Lebewesen darauf aufbauen. Bereits in der monolingualen Kommunikation erfolgt der Sprachverstehensprozess zu einem großen Teil durch eine Antizipation des erwarteten weiteren Textverlaufes sowohl auf linguistischer als auch auf kontextueller Ebene (vgl. Aitchison 1998: 214). Nichols und Stevens (1957: 87) schreiben hierzu: „ The listener thinks ahead of the talker, trying to anticipate what the oral discourse is leading to and what conclusions will be drawn from the words spoken at the moment. “ Auf das Simultandolmetschen übertragen vertritt Chernov (2004) die Hypothese, dass der Simultandolmetschvorgang durch eine probabilistische Antizipation der Aussage möglich gemacht wird. Chernov (2004: 93) schreibt dazu folgendes: „ [ … ] [T]he basic idea is that in the process of aural perception of speech, the simultaneous interpreter ’ s brain generates hypotheses in anticipation of certain verbal and semantic developments of the discourse. ” Dabei handelt es sich um eine unbewusste und subjektive Einschätzung des Dolmetschers über die Wahrscheinlichkeit, in welche Richtung sich die laufende Rede entwickeln wird. Der Grad an Redundanz einer Rede ist ausschlaggebend für die Antizipationsfähigkeit während des Simultandolmetschvorgangs, wobei Chernov darauf hinweist, dass Sprachen grundsätzlich redundant sind. Der subjektive Redundanzgrad einer Rede hängt stark davon ab, zu welchem Anteil die einlaufenden Elemente bereits bekannte Information enthalten, was wiederum in engem Zusammenhang mit dem Wissen des Dolmetschers über die Situation, den Redner und das behandelte Thema sowie damit zusammenhängende Verknüpfungen steht. Außerdem spielen, vor allem für linguistische Antizipationen, das Sprachwissen und der Erfahrungsgrad der Dolmetscher eine Rolle, da mit zunehmender Dolmetschpraxis mehr Kollokationen und auch weniger gebräuchliche Wortverbindungen im Gehirn abgespeichert werden. Je mehr bekannte Information in einem Text vorkommt, desto schneller kann der 3.3 Dolmetschprozessmodelle 79 <?page no="80"?> Dolmetscher das Bekannte (Thema) verarbeiten, sich vermehrt auf die neuen bzw. unbekannten Inhalte (Rhema) konzentrieren und Inferenzen über den weiteren Verlauf der Rede auf allen Ebenen ziehen. Laut Chernov wird der Simultandolmetschvorgang überhaupt erst durch das Antizipieren und das Aufstellen von Wahrscheinlichkeitshypothesen möglich gemacht, was voraussetzt, dass die Ausgangsrede einen gewissen Grad an Redundanz aufweist. Seiner Hypothese zufolge kann so eine strategische Textkompression von bereits bekanntem oder erwähntem Inhalt als Dolmetschstrategie zum Einsatz kommen und eine flüssige Verdolmetschung ohne größere Sinneinbußen unter Zeitdruck produziert werden. Chernov weist, ausgehend von Studien zur Redundanz in der einsprachigen Kommunikation, auf die Unterschiede zwischen den Textsorten hin: Eng begrenzte Themengebiete mit spezifischen zu erwartenden Termini und Wendungen weisen für gewöhnlich einen sehr hohen Grad an Redundanz auf, wohingegen als anderes Extrem vor allem poetische und literarische Texte zu nennen sind, welche kaum redundant sind und folglich nur sehr eingeschränkt Antizipation zulassen, was für das Simultandolmetschen bedeutet, dass eine inhaltlich korrekte und flüssige Zieltextproduktion schwierig bis unmöglich wird. (Vgl. Chernov 2004: 91 ff; Setton 2005: 68 f.) Zur Überprüfung seines Probability Prediction Models führte Chernov Experimente mit unerwarteten Satzenden und Nonsens-Sätzen in Reden durch. Bei den Sätzen mit unerwarteten Satzenden ging Chernov von der Hypothese aus, dass die Dolmetscher das wahrscheinliche Satzende antizipieren und diesem trotz des unerwarteten Endes folgen würden. Bezüglich der Nonsens-Sätze, welche zwar grammatikalisch korrekt geformt waren, aber auf semantischer Ebene keinen Sinn ergaben, nahm Chernov an, dass die Wiedergabe dieser Sätze beim Simultandolmetschen extrem schwierig bis unmöglich sein würde. Beide Hypothesen konnten im empirischen Experiment bestätigt werden. Das Antizipieren von unerwarteten Satzenden konnte dabei sowohl im positiven Sinn, nämlich, wenn die in der Originalrede verwendeten Satzenden keinen Sinn machten und damit als Fehler bzw. Versprecher des Redners gesehen werden können, als auch im negativen Sinn, wenn es sich um zwar ungewöhnliche, aber durchaus beabsichtigte und semantisch logische Wendungen handelte, die in diesen Fällen vom Dolmetscher aber nicht so wiedergegeben wurden, beobachtet werden. Chernov stellte bei Hypothese 1 zusätzlich noch fest, dass in der Dolmetschrichtung Grundsprache - Fremdsprache häufiger antizipiert wurde und beim Simultandolmetschen ausgehend von der Fremdsprache häufiger der Satzverlauf mit den unerwarteten Satzenden beibehalten wurde. Die Auswertung der Daten zu Hypothese 2, wo die Verdolmetschungen der Nonsense-Sätze analysiert wurden, konnte aufzeigen, dass diese Segmente größtenteils nur unzureichend bzw. unter groben Sinnver- 80 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="81"?> änderungen wiedergegeben wurden und es zu häufigen Auslassungen, Pausen oder der Verwendung von Füllwörtern kam. Diese Ergebnisse stimmen auch mit der Erfahrung zu Simultanverdolmetschungen von literarischen Texten überein. (Vgl. Chernov 2004: 185 ff; Setton 2005: 68 f.) Chernov geht zwar nicht direkt auf die Interferenzproblematik ein, allerdings erwähnt er die Gefahr einer Wort-für-Wort-Übertragung bei nicht redundanten Reden. Er spricht dabei unter anderem von der Schwierigkeit literarische Texte oder auch Filme simultan zu dolmetschen, was nur mit sehr guter Vorbereitung möglich ist, und sieht Lyrik als simultan nicht dolmetschbares Genre. (Vgl. Chernov 2004: 95.) Chernovs Modell zur probabilistischen Prognostizierung leistet einen wichtigen Beitrag zu Dolmetschprozessforschung. Als einer der ersten Dolmetschwissenschaftler arbeitete Chernov nicht nur theoriebasiert, sondern auch empirisch und verfolgte einen holistischen und interdisziplinären Ansatz, welcher den damaligen Forschungsstand sowohl aus dem Bereich der Dolmetschwissenschaft als auch aus dem Bereich der Kognitionswissenschaften berücksichtigt. In seinem Modell werden neben dem Phänomen der Antizipation auch Einflüsse wie die Informationsdichte, kognitive Überlastung, das situative Umfeld, das Hintergrundwissen des Dolmetschers etc. miteinbezogen. Als Kritikpunkte merken Setton und Hild (2004: XVIIff ) an, dass ein konkretes Diagramm fehlt und einige Bereiche aus den Kognitionswissenschaften wie das Arbeitsgedächtnis oder die Aufmerksamkeitsverteilung nicht Eingang in das Modell fanden. Insgesamt ist das Modell aber sehr nützlich, sowohl für die Darstellung zumindest einiger Komponenten des Dolmetschprozesses und der Sprachverarbeitung sowie insbesondere für die Erklärung der Antizipation als Dolmetschstrategie. 3.3.3 Dolmetschprozessmodell von Setton Setton (1999: 63 ff ) entwickelte ein interdisziplinäres Modell für das Simultandolmetschen, das Erkenntnisse aus der Linguistik, Psycholinguistik, Psychologie und den Kommunikationswissenschaften miteinbezieht und Modelle zu Rezeptions- und Produktionsprozessen sowie zur Sprachanalyse in der einsprachigen Kommunikation (unter anderem Chomskys Generative Grammatik 1981; 1986, Levelts Modell zur Sprachproduktion 1989, Fillmores frame theory 1984 und Searles Sprechakttheorie 1983) als Ausgangsbasis hat. Bei seinem Modell für die Sprachverarbeitung beim Simultandolmetschvorgang versucht Setton gewissermaßen eine Verknüpfung von Annahmen der interpretativen Dolmetschtheorie, die Fehler als Ausdruck mangelnder Sprachbzw. Dolmetschkompetenz sieht und eine rein sinnbasierte Sprachverarbeitung 3.3 Dolmetschprozessmodelle 81 <?page no="82"?> beim Dolmetschen vertritt, von Erkenntnissen der Informationsverarbeitungstheorie, die sprachenpaarspezifischen Herausforderungen beim Dolmetschen eine hohe Bedeutung zuschreibt und als Auslöser für Fehler ein Aufmerksamkeitsdefizit resultierend aus einem Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren sieht, und von der teilweise in der Dolmetschwissenschaft nur am Rande Abb. 6: Settons Modell des Simultandolmetschens (Setton 1999: 65) 82 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="83"?> behandelten linguistischen Dimension, um somit einen neuen und ausgeglichenen interdisziplinären Ansatz zu schaffen. Bei der Entwicklung seines Dolmetschprozessmodells legt Setton spezielles Augenmerk darauf, Defizite früherer Modelle, wie zum Beispiel eine fehlende Überprüfbarkeit oder uneinheitliche bzw. nicht ideale Versuchsbedingungen, zu umgehen, sowie die bis dato vernachlässigte pragmatische Dimension miteinzubeziehen. (Vgl. Setton 1999: 4 ff; 25 ff; Gieshoff 2013: 106.) Das Modell unterscheidet zwischen den inputbezogenen (linke Seite der Abbildung) und den outputbezogenen Prozessen (rechte Seite der Abbildung). Dazwischen nennt Setton als wichtige Komponenten die Koordination der unterschiedlichen Prozesse und das Arbeitsgedächtnis (Mental Model), das als phonetischer Kurzzeitspeicher sowie eine Art Wissensplattform zur Verknüpfung der einlaufenden Informationen mit bereits bestehendem Wissen dient. (Vgl. Setton 1999: 68 ff; Gieshoff 2013: 107 ff.) Die Input-Quellen umfassen dabei den auditiven Teil der Originalrede mit all seinen phonetischen und prosodischen Elementen, die visuellen Reize wie Artikulationsbewegungen und Gesichtsausdruck des Redners, aber auch die Wahrnehmung der Umgebung selbst (situational knowledge), und den akustischen Input durch die eigene Verdolmetschung (vgl. Setton 1999: 67; 71 ff ). Während die nonverbalen Elemente direkt an den Executive weitergeleitet werden, wo sie bei der anschließenden Zieltextproduktion berücksichtigt werden, werden die linguistischen Bestandteile im Parser analysiert und anschließend im Assembler interpretiert. Setton (1999: 79) beschreibt den Parser als „ [ … ] a sub-component which projects syntactic information for each incoming word, building partial structures which are then either upgraded to thematic structure or ruled out as impossible or implausible by selectional information (semantics) or other knowledge (pragmatics). “ Der erste wichtige Vorgang beim Verstehensprozess ist die Worterkennung, die im Parser unter Rückgriff auf das mentale Lexikon und das gespeicherte grammatikalische Wissen stattfindet. Im Anschluss werden die geparsten Einheiten im Assembler mithilfe des kontextuellen Wissens und des Weltwissens des Dolmetschers auf semantischer und pragmatischer Ebene interpretiert. Die temporäre Speicherung (in nonverbaler Form) der Bedeutung der analysierten Segmente erfolgt im Arbeitsgedächtnis. (Vgl. Setton 1999: 75 ff; Gieshoff 2013: 109 ff.) Eine zentrale Rolle kommt in Settons Modell der Steuerungseinheit (Executive) zu, da sie als einzige Einheit Zugang zu allen Inputformen hat, die unterschiedlichen Prozesse koordiniert und als Kontrollinstanz die im Assembler interpretierten Segmente und die eigene Verdolmetschung (vor, während und nach der Textproduktion) überprüft und gegebenenfalls Korrekturentscheidungen trifft (vgl. Setton 1999: 90 ff; Gieshoff 2013: 113 f). 3.3 Dolmetschprozessmodelle 83 <?page no="84"?> Die im Executive überprüften Segmente werden, wenn sie relevant und korrekt erscheinen, an den Formulator weitergeleitet, wo der Produktionsprozess beginnt. Der in Settons Modell dargestellte Sprachproduktionsprozess basiert primär auf den Erkenntnissen von Levelt (1989) zur Produktion von spontaner Sprache. Der im Modell dargestellte Formulator hat die Aufgabe, die Mikroplanung des Outputs, darunter eine zielsprachliche Anordnung der Informationseinheiten, die Wahl der Satzstruktur und des Fokus etc., vorzunehmen. In einem nächsten Schritt werden die Segmente ähnlich wie beim Sprachverstehensprozess im Parser analysiert und unter Einbezug des Lexikons grammatisch und phonologisch in der Zielsprache kodiert. Der fertige phonetische Plan wird im Articulator Output Buffer kurz zwischengespeichert und überprüft bevor die Zieltextsegmente verbal artikuliert werden. Sowohl der bereits artikulierte Output als auch der präartikulatorische Output auf Ebene des phonetischen Plans werden an den Executive gesendet und können, falls es die Kapazitäten zulassen, überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. (Vgl. Setton 1999: 92 ff; 240 f; Gieshoff 2013: 115 ff.) Setton weist darauf hin, dass nicht zwingendermaßen immer alle Teilprozesse des Dolmetschmodells durchlaufen werden müssen, sondern der Dolmetscher auch Abkürzungen nehmen kann bzw. in bestimmten Fällen auch muss (vgl. Setton 1999: 94 f ). Bezüglich der Aufmerksamkeitsverteilung auf die unterschiedlichen Prozesse schreibt Setton (1999: 244) folgendes: „ Our hypothesis is that in SI, as in any coordinated task, attention is naturally centered by default on coordination between input and output, with a bias toward the actionoriented functions (judgement on inputs, and production of fluent and clear speech), but may be partially diverted - to cope with the contingencies and opportunities of a changing environment - either to probing one of the (successively fading) levels of input representation, or to meeting special challenges of formulation. ” Eine zu starke Konzentration des Dolmetschers auf die Produktion, hat eine Vernachlässigung der Inputanalyse zur Folge und kann sich im Output in einer zwar flüssigen, aber inhaltlich unvollständigen bzw. fehlerhaften Verdolmetschung niederschlagen und umgekehrt können lange Pausen auf einen Aufmerksamkeitsschwerpunkt beim Verstehensbzw. Sprachverarbeitungsprozess hindeuten (vgl. Setton 1999: 246). Von besonderem Interesse für die vorliegende Arbeit ist die Darstellung einer sprachübergreifenden Aktivierung von Strukturen und Wörtern in Settons Modell, welche neben Ausgangs- und Zielsprache auch weitere Fremdsprachen betreffen kann und zu deren Unterdrückung ein hoher Teil der Aufmerksamkeit eingesetzt werden muss, um Interferenzfehler zu vermeiden (vgl. dazu Kapitel 3.1.5). Der Unterdrückungsmechanismus kann zwar bis zu einem bestimmten Grad 84 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="85"?> trainiert werden, scheint aber immer eine gewisse Anstrengung zu kosten und nur bedingt zu funktionieren. (Vgl. Setton 1999: 94 f; Gieshoff 2013: 116 f.) 3.3.4 Fazit zu den Dolmetschprozessmodellen Die unterschiedlichen Dolmetschprozessmodelle, die in den vorangehenden Kapiteln vorgestellt wurden, geben einen wichtigen Überblick darüber, welche Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen ablaufen, und liefern Erklärungen zu den Ursachen von möglichen Schwierigkeiten, die im Dolmetschprozess begründet sind. Besonders relevant für die Thematik von Interferenzerscheinungen sind die Umschlüsselungsprozesse von ausgangssprachlichem zu zielsprachlichem Material, aber auch die Aufmerksamkeitsverteilung auf die unterschiedlichen Teilprozesse sowie mögliche Störungen, welche schlussendlich Dolmetschschwierigkeiten, darunter Interferenzen, zur Folge haben können. Eine besonders ausführliche Auseinandersetzung mit der Aufmerksamkeitsverteilung liefert Gile (1985; 1997) mit seinem Effort Model. Fehler und Auslassungen bei Verdolmetschungen können mithilfe des Modells durch beschränkte verfügbare Kapazitäten, die auf unterschiedliche Teilbereiche während des Dolmetschens verteilt werden müssen und wobei durch schwierige Bedingungen sehr schnell das Kapazitätslimit erreicht bzw. überstiegen wird, erklärt werden. Es ist folglich anzunehmen, dass auch der spezifische Fehlertyp der Interferenzfehler häufig an Stellen auftritt, an denen eine erhöhte Kapazität für einen oder mehrere Teilbereiche gefordert ist, dementsprechend an Stellen mit einer hohen Informationsdichte, mit schwierigen oder außergewöhnlichen Formulierungen, bei schlechten akustischen Bedingungen etc. Chernov (2004) sieht in seinem Probability Predcition Model die Gefahr von Dolmetschfehlern abhängig von der Ausgangsrede, wobei er den Fokus auf den Redundanzgrad des Textes legt, und bei nicht oder nur wenig redundanten Sätzen sowohl falsche Antizipationen als auch Wort-für-Wort-Übersetzungen als mögliche Dolmetschschwierigkeiten ermitteln konnte. Literarische Texte oder poetische Zitate bergen ausgehend von Chernovs empirischen Ergebnissen ein sehr hohes Interferenzpotential. In Settons Modell (1999) wird von einer sprachübergreifenden Aktivierung von gespeicherten Items im mentalen Lexikon ausgegangen, was auch Interferenzen mit einer beim Dolmetschen nicht beteiligten Sprache erklären kann. Setton schreibt dabei dem Mechanismus zur Unterdrückung von fälschlich aktivierten Einheiten eine sehr wichtige Rolle zu, merkt jedoch an, dass dieser sehr viel Aufmerksamkeit verlangt und nur bis zu einem bestimmten Grad 3.3 Dolmetschprozessmodelle 85 <?page no="86"?> durch Training verbessert werden kann. Diese Erkenntnisse erklären auch, dass Interferenzen nicht nur bei Dolmetschanfängern, sondern auch bei professionellen Dolmetschern noch vorkommen und dass vor allem bei allgemeinen Schwierigkeiten nicht mehr ausreichend Kapazitäten für eine erfolgreiche Unterdrückung der fälschlich aktivierten Items zur Verfügung stehen, was die Interferenzwahrscheinlichkeit erhöht. Die analysierten Dolmetschprozessmodelle liefern nicht nur wichtige Erklärungsansätze zur möglichen Entstehung von Fehlern und im Konkreten von Interferenzen im Simultandolmetschprozess, sondern es kann davon ausgehend auch folgende allgemeine Annahme als Basis für die Aufstellung der Hypothesen (vgl. Kapitel 5) und die Auswahl der Rede bzw. der manipulierten Passagen (vgl. Kapitel 6.1) aufgestellt werden: Generelle Schwierigkeitsstellen in der Ausgangsrede, welche sowohl auf sprachstrukturelle Besonderheiten oder sprachlich anspruchsvolle Passagen als auch auf inhaltliche Herausforderungen oder externe Faktoren zurückgehen, scheinen die Interferenzanfälligkeit beim Simultandolmetschen zu erhöhen, da weniger Kapazitäten für eine tiefgreifende semantische Verarbeitung und die Unterdrückung des ausgangssprachlichen Materials bzw. von fälschlich aktivierten Entsprechungen zur Verfügung stehen. 3.4 Dolmetschstrategien Im Zusammenhang mit der Sprachverarbeitung und den Abläufen im Simultandolmetschprozess sind auch der Einsatz von Dolmetschstrategien, ihre Rolle für eine erfolgreiche Verdolmetschung sowie diesbezügliche Unterschiede zwischen Anfängern und professionellen Dolmetschern von besonderem Interesse. Für eine Strategiedefinition ist zunächst wichtig zu klären, welche Gegebenheiten erfüllt werden müssen, damit es sich um eine Strategie handelt. Faerch und Kasper (1983: 31 ff ) befassen sich mit strategischen Prozessen in der Kommunikation und sehen Problemorientiertheit und Bewusstheit als die zwei Grundbedingungen, um von einer Strategie zu sprechen, wobei Faerch (1984) noch eine dritte Komponente, nämlich die Zielgerichtetheit, hinzufügt. Kader und Seubert (2015: 125) schreiben zur Zielgerichtetheit von Dolmetschstrategien, dass das Hauptziel jeglicher Dolmetschstrategie eine erfolgreiche Verdolmetschung ist, was wiederum bedeutet, dass alle Anforderungen an eine gelungene Kommunikation erfüllt werden. Diese grundlegenden Feststellungen zum Strategiebegriff werden auch in Definitionen konkret zu Übersetzungs- und Dolmetschstrategien wieder aufgegriffen. Kalina (1996: 274) gibt zum Beispiel eine 86 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="87"?> Strategiedefinition konkret für die Dolmetschwissenschaft: „ Dolmetschstrategien werden hier definiert als flexible und zielorientierte, an die spezifische Aufgabe anzupassende Vorgehensweise bei der Lösung einer Dolmetschaufgabe [ … ]. Diese Strategien sind potenziell bewusst, der Grad ihrer Automatisierung steigt mit der Zunahme der dolmetscherischen Erfahrung. “ Verstehens- und produktionsstüzende Strategien kommen in der einsprachigen Kommunikation ebenso vor wie in natürlichen bilingualen Kommunikationssituationen und im spezifischen Fall der Sprachmittlung. Allerdings bedarf es bei einer Übersetzungssituation, und noch mehr beim Simultandolmetschen, spezifischer Strategien, welche über die reinen strategischen Prozesse zum Sprachverstehen und zur eigenen Sprachproduktion hinausgehen. Kohn (1990b: 112) schreibt hierzu: „ [ … ] translators have to acquire new translation-specific production strategies, or they have to modify and adapt old ones “ . Im Gegensatz zu einer Äußerung in einer natürlichen Kommunikation hat der Übersetzer oder Dolmetscher nur eine eingeschränkte semantische Kontrolle über seinen Zieltext, die sprachliche Oberfläche der Originalaussage muss länger als bei einer normalen Gesprächssituation und über den reinen Verstehensprozess hinaus präsent bleiben und beim Simultandolmetschen kommt noch die Überlappung des Sprachverstehens- und Sprachproduktionsprozesses hinzu, was vom Dolmetscher eine Zieltextproduktion verlangt, bevor er die gesamte Aussage kennt. Eine Anwendung der gewohnten strategischen Vorgehensweisen aus der einsprachigen Kommunikation reicht für ein erfolgreiches Translationsprodukt nicht aus und führt zu Fehlern im Zieltext. (Vgl. Kohn 1990b: 105 ff.) Je nach Translationsmodus sind folglich spezifische Strategien zu erlernen bzw. die bereits aus der einsprachigen Kommunikation bekannten Strategien an den jeweiligen Prozess zu adaptieren, wobei durch Übung eine Automatisierung stattfindet und diese adäquater angewandt werden können. Mit zunehmender Automatisierung laufen die Prozesse zumindest teilweise unbewusst ab, was eine klare Abgrenzung von strategischem Handeln und unbewusst ablaufenden Fertigkeiten wiederum schwierig macht. Bei Dolmetschanfängern, aber auch bei ungewohnten Problemstellen ist der Einsatz von Dolmetschstrategien durch die fehlende Automatisierung stark ressourcenverbrauchend, wodurch vermehrt Fehler entstehen, ungeeignete Strategien zum Einsatz kommen oder auf eine gewohnte Strategie der einsprachigen Kommunikation zurückgegriffen wird, die nicht immer zielführend ist. Bei professionellen Dolmetschern und bei Schwierigkeitsstellen, die häufig vorkommen, werden Strategien hingegen größtenteils automatisch aktiviert und stellen meistens eine kognitive Entlastung bei der Überwindung von Schwierigkeiten dar. (Vgl. Kader/ Seubert 2015: 125 f; Riccardi 2012: 79 f; Kalina 1998: 113.) 3.4 Dolmetschstrategien 87 <?page no="88"?> Ganz allgemein laufen bei der Sprachrezeption und der Sprachproduktion sowohl bottom-up-, als auch top-down-Prozesse ab. Kohn (1990b: 108) schreibt hierzu: „ 'Bottom up' processing is based on our linguistic knowledge and operates on the text to identify lexical and grammatical clues of meaning. 'Top down' processing taps the general world knowledge and specialized subject knowledge of the producers/ readers, together with their beliefs and attitudes, to create expectations and inferences. The successful creation of textual meaning, in comprehension as well as in production, always requires a close and complex interaction between 'bottom up' and 'top down'. “ Eine ausgeglichene Interaktion und Anpassung dieser beiden Prozesse an die jeweils erforderlichen Bedingungen hängt vom strategischen Handeln des Übersetzers bzw. Dolmetschers ab. Gelingt es nicht, die beiden Prozesse situationsbedingt korrekt einzusetzen und kommt es zu einem Ungleichgewicht, so hat dies Verständnisprobleme bzw. Übersetzungsfehler zur Folge. Mangelnde top-down Informationen, zum Beispiel im Falle eines spezialisierten Themas, zu dem nicht ausreichend Fachwissen vorhanden ist, kann der Translator durch vermehrtes Zurückgreifen auf bottom-up-Strategien ausgleichen; umgekehrt kann es aber bei ausreichendem Vorhandensein von top-down-Informationen hinderlich sein, wenn zusätzlich eine vermehrte bottom-up-Analyse stattfindet. (Vgl. Kußmaul 2000: 73; Kohn 1990b: 108 f.) Der aktuelle Forschungsstand gibt Hinweise darauf, dass Dolmetschstrategien, auch wenn die Strategien an sich in allen Sprachenpaaren anwendbar sind, je nach Häufigkeit bzw. Notwendigkeit sprachenpaarspezifisch entwickelt werden und an die jeweiligen Besonderheiten der Ausgangs- und Zielsprache angepasst zum Einsatz kommen. Besonders bezüglich der syntaktischen Unterschiede in den beiden beteiligten Sprachen gibt es theoretische und empirische Hinweise, dass gewisse Strategien in bestimmten Sprachenpaaren eine kognitive Entlastung darstellen und zur Überwindung von Schwierigkeiten eingesetzt werden können (vgl. dazu z. B. Donato 2003; Kalina 1998; Gile 1995). Unterschiedliche Sprachenpaare stellen unterschiedliche Herausforderungen dar und verlangen folglich auf die jeweiligen Besonderheiten abgestimmte Strategien. Einige Autoren (z. B. Götz 2014; Bevilacqua 2009; Donato 2003) konzentrierten sich in empirischen Studien auf Dolmetschstrategien, allen voran auf die Antizipation, in Sprachenpaaren mit Deutsch als Ausgangssprache und konnten feststellen, dass die Strategie der Antizipation auf Grund der häufigen Verbendstellung im Deutschen öfter als in anderen Sprachkombinationen zum Einsatz kommt. Seeber (2011) stellt in seinem Modell zur Verarbeitungskapazität die kognitive Belastung während der Verdolmetschung eines syntaktisch asymmetrischen Satzes vom Deutschen ins Englische anhand von 4 unterschiedlichen Dolmetschstrategien dar, wobei er für die Antizipation 88 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="89"?> die geringste benötigte Verarbeitungskapazität im Vergleich zum Abwarten, Stalling (Hinauszögern) und Chunking feststellt. Neben morphosyntaktischen Divergenzen ist unter anderem auch der Grad an Redundanz der beiden Sprachen zu beachten. Eine Verdolmetschung aus einer sehr redundanten Sprache, wie dem Spanischen, in eine informationsdichte Sprache, wie das Deutsche, setzt eine andere Vorgehensweise voraus als in der umgekehrten Richtung. (Vgl. Kader/ Seubert 2015: 135; Gile 1999: 20; Kalina 1998: 114.) Eine Kategorisierung von Dolmetschstrategien erfolgt je nach Forschungszielen in Dolmetschmodus (vgl. z. B. Kalina 1998: 114), Verarbeitungsebene (vgl. z. B. Wörrlein 2007: 27), in Verstehens-, Produktions- und Notstrategien (vgl. z. B. Kalina 1998: 115 ff) oder in universelle sowie sprachenpaarspezifische Strategien (vgl. Riccardi 2005). Dolmetschstrategien können nur schwer isoliert betrachtet werden, da häufig Überschneidungen mehrerer Strategien feststellbar sind, aber auch eine Interdependenz von Strategien, dem aktuellen Problem und nachfolgenden Segmenten. Jedoch können aus theoretischer Perspektive einzelne Strategien individuell betrachtet, erklärt und ihr Nutzen, aber auch ihre möglichen negativen Auswirkungen beleuchtet werden. (Vgl. Kucharska 2009: 60.) Im Anschluss werden einige wichtige Dolmetschstrategien aufgezählt und kurz erläutert 5 , wobei auf Dolmetschstrategien und Interferenzen noch gesondert in Kapitel 4.5 eingegangen wird. Eine erste strategische Entscheidung, die der Dolmetscher bei jeder Dolmetschsituation neu treffen muss, ist jene über den Abstand, den er bei seiner Zieltextproduktion zum Originalredner einhält, in der Dolmetschwissenschaft wird meist der Begriff Décalage, häufig auch Ear-Voice-Span (EVS) oder Time-Lag (auch: Timelag oder time-lag) verwendet. Eine flexible Décalage, die der Dolmetscher je nach Bedingungen strategisch einsetzen kann, stellt eine wichtige Komponente für eine erfolgreiche Verdolmetschung und Lösung von Schwierigkeitsstellen dar. Einen idealen Abstand, auch wenn versucht wurde, diesen mittels Durchschnittswerten theoretisch zu ermitteln (vgl. z. B. Barik 1969; Goldman-Eisler 1972), gibt es nicht, da sowohl subjektive, persönliche Faktoren (Kompetenz, Erfahrung, eigene Strategien etc. des Dolmetschers) als auch objektive sprach-, rede- und situationsbezogene Komponenten (Sprachenpaar, Stil, Schwierigkeit, Geschwindigkeit der Rede, Störgeräusche etc.) einen Einfluss darauf haben, wann der Dolmetscher mit seiner Zieltext- 5 Eine vollständige Aufzählung und detaillierte Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Dolmetschstratgien ist für die Thematik vorliegender Arbeit nicht notwendig, findet sich aber z. B. in Kalina (1998) oder Kader/ Seubert (2015). 3.4 Dolmetschstrategien 89 <?page no="90"?> produktion beginnt bzw. im optimalen Fall beginnen sollte. Reden bzw. Passagen mit vielen Eigennamen, Zahlen oder technischen Termini beanspruchen die Merkkapazität des Arbeitsgedächtnisses vermehrt und daher wird häufig eine kürzere Décalage als Entlastungsstrategie gewählt. Bei komplex formulierten Absätzen oder auch bei morphosyntaktisch sehr unterschiedlichen Sprachenpaaren hingegen muss der Dolmetscher häufig länger warten, bis er die Sinneinheiten und Zusammenhänge tatsächlich erfassen kann. Der Dolmetscher muss also in der Lage sein, den Abstand zum Redner strategisch an die jeweiligen Gegebenheiten anzupassen, wobei eine Verlängerung der Décalage eine stärkere Belastung für das Arbeitsgedächtnis bezüglich der Speicherkapazität bedeutet und die Gefahr von Informationsverlust birgt, eine verkürzte Décalage hingegen kann sowohl inhaltliche Fehlinterpretationen bzw. -antizipationen als auch Interferenzfehler durch eine Übernahme der ausgangssprachlichen Struktur zur Folge haben. (Vgl. Kader/ Seubert 2015: 129 f; Kucharska 2009: 60 ff.) Eine sehr nützliche und häufig angewandte Strategie beim Simultandolmetschen ist das Antizipieren. Beim Sprachverstehensprozess erfolgt eine Aktivierung von Einheiten, welche durch linguistische oder semantische Merkmale miteinander verbunden sind, wobei sich dadurch gewisse Restriktionen im Satzverlauf sowie gewisse wahrscheinliche Kombinationen ergeben, die wiederum antizipiert werden können. Es ist zum Beispiel im Englischen sehr wahrscheinlich, dass auf einen Artikel ein Nomen folgt, ein zweiter Artikel oder ein Verb sind hingegen unwahrscheinlich. Auf semantischer Ebene kann der Dolmetscher auf diese Weise Redewendungen, Phraseologismen oder auch Kollokationen bereits vor vollständiger Artikulation durch den Redner erfassen. Ähnlich verhält es sich mit kontextueller Erwartung, wo gewisse Dinge bei einer Begrüßung erwartbar sind, ein plötzlicher Themenwechsel jedoch nicht. Diese probabilistische Prognostizierung spielt für einen erfolgreichen Sprachrezeptionsprozess eine grundlegende Rolle und ist beim Simultandolmetschen auf Grund der Überlappung mit dem Sprachproduktionsprozess von besonderer Relevanz (vgl. Kapitel 3.3.2). In der monolingualen Kommunikation wird bei der Sprachrezeption ebenfalls antizipiert, das heißt, es werden der weitere Satzverlauf und die mögliche inhaltliche Richtung, die der Redner wahrscheinlich einschlagen wird, bereits vor der Äußerung in Form von mentalen Hypothesen konstruiert. Beim Simultandolmetschen geht die Antizipation über die mentalen Hypothesen hinaus, da die antizipierten Elemente vom Dolmetscher in der Zieltextproduktion vor der tatsächlichen Artikulation des Ausgangselementes geäußert werden, womit im Gegensatz zur monolingualen Kommunikation ein vermehrter Fokus auf die Zieltextproduktion und nicht rein auf das Ausgangstextverständnis gelegt wird. (Vgl. Kader/ Seubert 2015: 135; Kalina 1998: 117.) Antizipation findet beim Dolmetschen sowohl auf linguistischer als auch auf 90 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="91"?> inhaltlicher Ebene statt, wobei vor allem zur sprachlichen Antizipation, darunter größtenteils zu Verbantizipationen bei Verdolmetschungen aus dem Deutschen in unterschiedliche Sprachen, empirische Forschungsarbeiten in der Dolmetschwissenschaft existieren (vgl. z. B. Bevilacqua 2009; Donato 2003; Seeber 2005; Riccardi 1996; Jörg 1995). Linguistische Antizipation findet sprachenpaarspezifisch statt und ist vor allem bei syntaktisch asymmetrischen Sprachen eine sehr häufige Strategie, um die kognitive Belastung bei Strukturen, bei denen ansonsten sehr langes Abwarten nötig wäre, zu verringern. In empirischen Studien konnte festgestellt werden, dass die Antizipationshäufigkeit, aber auch die Art der antizipierten sprachlichen Elemente je nach Sprachenpaar variieren. Inhaltliche bzw. kontextuelle Antizipation kann ebenfalls eine ressourcensparende Strategie sein, die bei bekannten Themen oder Rednern, guter Vorbereitung und einem allgemein großen Weltwissen gut eingesetzt werden kann, um Kapazitäten bei der Sprachrezeption (in Giles Effort-Modell listening and analysing effort) zu sparen und somit mehr freie Kapazitäten für die Sprachproduktion, das Speichern von Informationen und für die Koordination der ablaufenden Prozesse zur Verfügung zu haben. (Vgl. Gile 1997: 176 ff.) Eine weitere Strategie, die sehr häufig bei morphosyntaktisch asymmetrischen Sprachenpaaren zum Einsatz kommt, ist die syntaktische Transformation. Diese kann entweder notwendig sein, um auf Grund der Unterschiede zwischen den beteiligten Sprachen überhaupt einen korrekten Satz in der Zielsprache zu produzieren, oder auch dann vom Dolmetscher angewandt werden, wenn sie zwar nicht zwingend erforderlich wäre, aber zu einer Simplifizierung von komplexen Strukturen, zum Beispiel von verschachtelten Satzgefügen, führt. Der Satzumbau gibt dem Dolmetscher Zeit, um Lösungen für eventuelle Schwierigkeiten zu finden, da er das jeweilige Element später einfügen kann und erlaubt es, in manchen Fällen Sätze syntaktisch offener zu gestalten, sodass im weiteren Satzverlauf mehr Spielraum für Änderungen bleibt. Das sogenannte Chunking bzw. Segmentieren, das eine Aufspaltung der einlaufenden Rede in einzelne Sinneinheiten (chunks) und individuelle Verarbeitung dieser in eigenen Satzgefügen bezeichnet, wird zwar eher als verstehensstützende Strategie gesehen, um komplexe Konstruktionen des Ausgangstextes besser zu strukturieren, zeigt sich aber in der Zieltextproduktion anhand syntaktischer Transformationen. (Vgl. Kucharska 2009: 78 ff; Kalina 1998: 117 f.) Durch eine Loslösung von der Originalstruktur wird bei syntaktischen Rekonstruktionen die Interferenzgefahr erheblich verringert, wobei diese Strategie vor allem bei syntaktisch asymmetrischen Sprachen eine Entlastung des Arbeitsgedächtnisses ermöglichen kann (vgl. Kader/ Seubert 2015: 128). Die gegenteilige Strategie zur syntaktischen Transformation ist die Strategie des Transkodierens, die „ möglichst linear und am Wort orientiert umgesetzt 3.4 Dolmetschstrategien 91 <?page no="92"?> wird “ (Kalina 1998: 118). Die Strategie kann sowohl auf syntaktischer als auch auf lexikalischer Ebene eingesetzt werden. Syntaktisches Transkodieren kann eine große Kapazitätsentlastung darstellen, da dem Satzverlauf unter Einhaltung der Zieltextnormen gefolgt wird und nur wenig Ressourcen für das Speichern von Elementen nötig sind. Auf lexikalischer Ebene wird das Transkodieren vor allem als Strategie zur Überwindung terminologischer Schwierigkeiten eingesetzt und kann bei Elementen, die nur bedingt semantisch verarbeitet werden können, darunter Eigennamen oder Zahlen, oder bei Verständnisproblemen, zum Beispiel in literarischen Zitaten, eine erfolgreiche Lösungsmöglichkeit darstellen. Allerdings birgt das Transkodieren Interferenzpotential, weshalb es strategisch und nicht generell als Universallösung eingesetzt werden sollte. (Vgl. Kader/ Seubert 2015: 132; Kucharska 2009: 84 ff.) Bei Formulierungsschwierigkeiten oder auch Zeitmangel können sogenannte Näherungsstrategien zum Einsatz kommen, darunter das Paraphrasieren, das Generalisieren und das Simplifizieren. Paraphrasen kommen häufig dann zum Einsatz, wenn dem Dolmetscher das korrekte Übersetzungsäquivalent nicht einfällt bzw. „ auf der Zunge liegt “ . In diesen Fällen kann er den Terminus erklären bzw. umschreiben. Bei Unsicherheiten bezüglich des richtigen Verständnisses des Ausgangstextelements setzen Dolmetscher jedoch auch häufig auf Generalisierungen bzw. Simplifizierungen, um Sinnfehler zu vermeiden und eine allgemeinere Ebene zu erreichen. (Vgl. Kucharska 2009: 89 ff.) Schlussendlich sind noch die sogenannten Monitoring- und Korrekturstrategien zu erwähnen, die jedoch gesondert in Kapitel 3.5 bei der Auseinandersetzung mit Monitoring und Autokorrekturen behandelt werden. 3.5 Monitoring und Autokorrektur In der Forschungsliteratur zu Monitoringprozessen in der Linguistik und Dolmetschwissenschaft herrscht ein Konsens darüber, dass Monitoring stattfindet, um die eigene Sprachproduktion zu kontrollieren, und dieses in Form von Fehlern und Selbstkorrekturen beobachtet werden kann. Laver (1973: 134) schreibt hierzu zum Beispiel: „ Detection is a logical prerequisite to correction, and detection and correction together are taken to be evidence of a monitoring function in the speech-producing process. ” Sowohl in der L1als auch der L2- Kommunikation stimmen die Autoren überein, dass der beste Beweis für eine Monitoringfunktion Selbstkorrekturen sind (vgl. dazu zum Beispiel Levelt 1989; Kohn 1990a; Postma/ Kolk 1993). Kohn (1990a: 165) weist darauf hin, dass Autokorrekturen zwar ein konkreter Ausdruck für das Stattfinden von Monitoringprozessen sind, dass sich Monitoring jedoch nicht ausschließlich auf 92 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="93"?> Fehler und Selbstkorrekturen beschränkt, sondern es sich um ein viel umfassenderes Kontrollsystem handelt, welches beim Spracherwerb, bei der Sprachentwicklung sowie vor allem beim Sprachgebrauch eine wichtige Rolle spielt. Uneinigkeit hingegen gibt es bezüglich der Wahrnehmung und Steuerung von Monitoringprozessen (bewusste vs. unbewusste und automatische vs. steuerbare Funktion) sowie darüber, ob es sich um einen externen Kontrollmechanismus oder einen integralen Teil der Sprachproduktion bzw. deren Teilprozesse handelt. Ausgangspunkt für die Modelle und empirischen Untersuchungen zum Monitoring beim Simultandolmetschen bilden die Erkenntnisse aus dem Bereich der Psycholinguistik zu Sprachproduktionsprozessen in der monolingualen Kommunikation. Eine der bekanntesten Theorien, auf welcher auch unter anderem Settons Annahmen zum Monitoring in seinem Simultandolmetschmodell basieren (vgl. Kapitel 3.3.3), ist dabei Levelts Perceputal Loop Theory of Self-Monitoring. Levelt geht bei seiner Theorie davon aus, dass das Selbstmonitoring bei der Sprachproduktion über denselben Kanal abläuft wie das Wahrnehmungssystem bei der Sprachrezeption und dass ein Sprecher folglich gleichzeitig auch immer Rezipient seiner eigenen Worte ist, allerdings mit dem Unterschied, dass der Sprecher auch Zugang zu den internen Vorgängen der Sprachproduktion hat. (Vgl. Levelt 1989: 469 f.) Abb. 7: Levelts perceptual loop theory of self-monitoring (Levelt 1989: 470) In seinem Modell unterscheidet Levelt zwischen einer Sprachkontrolle vor dem eigentlichen Sprechakt, also des inneren Sprechens, die sogenannte innere Schleife (internal loop) und einer Überprüfung der bereits artikulierten Worte, 3.5 Monitoring und Autokorrektur 93 <?page no="94"?> die sogenannte externe Schleife (external loop). Monitoring kann auf drei Ebenen erfolgen: Die erste Kontrollmöglichkeit ist auf präverbaler Ebene angesiedelt und beinhaltet eine Überprüfung der Botschaft auf Übereinstimmung mit der Sprecherabsicht. Bei dieser ersten Monitoringfunktion scheint das Sprachverstehenssystem nicht beteiligt zu sein, sondern die im Konzeptualisierer gespeicherte Botschaft wird direkt vom Monitor des Konzeptualisierungssystems überprüft. Die zweite Überprüfungsmöglichkeit findet auf Ebene des phonetischen Plans statt, welcher im Formulator entworfen wurde und festlegt, wie die phonologischen Einheiten artikuliert werden sollen. Die dritte Ebene der Monitoringschleife sind die tatsächlich artikulierten Einheiten (overt speech). Die beiden letzten Ebenen der Monitoringschleife laufen laut Levelt über das normale Sprachverstehenssystem ab, wobei die phonetisch nur mental repräsentierten sowie die tatsächlich artikulierten Einheiten im Sprachverstehenssystem geparst werden. Die bei diesem Prozess extrahierten Informationen werden anschließend im Monitor des Konzeptualisierers, ebenso wie es bei der präverbalen Botschaft der Fall ist, durch einen Abgleich mit der Sprecherabsicht, dem gespeicherten Hintergrundwissen, dem Sprachwissen sowie kontextuellen Faktoren überprüft. Bei einer ermittelten Nichtübereinstimmung wird das Arbeitsgedächtnis informiert und der Sprecher kann seinen Plan ändern bzw. bereits artikulierte Einheiten korrigieren. Levelts Modell zum Selbstmonitoring sieht also nur ein Monitoringsystem vor, das auf drei unterschiedlichen Ebenen operiert und gegebenenfalls Korrekturen vor, während oder nach der Sprachproduktion vornehmen kann. Die Überprüfung bei der Sprachproduktion umfasst die unterschiedlichen Aspekte des Sprechens von Inhalt über grammatikalische Korrektheit bis hin zu pragmatischen oder prosodischen Merkmalen. Levelt geht in seiner Perceptual Loop Theory davon aus, dass Monitoring ein bewusst ablaufender Prozess ist, der sich je nach Erfordernissen und freien Kapazitäten auf die unterschiedlichen Ebenen und Aspekte der Sprachproduktion verteilt. (Vgl. Levelt 1989: 458 ff; 469 ff.) Im Gegensatz zu Levelts Theorie geht die Production-Based Speech Theory (mit Vertretern wie zum Beispiel Laver 1973; 1980; Schlenck/ Huber/ Wilmes 1987 oder Van Wijk/ Kempen 1987) davon aus, dass Monitoringprozesse größtenteils unbewusst sowie automatisch geschehen und nicht über das Sprachverstehenssystem ablaufen, sondern im Sprachproduktionssystem selbst angesiedelt sind. Dabei überwachen die Monitore bzw. das Monitoringsystem 6 die unterschied- 6 Während zum Beispiel Laver (1980) davon ausgeht, dass es unterschiedliche Monitore gibt, die die jeweilige Phase der Sprachproduktion überwachen, nehmen andere Autoren, wie zum Beispiel Van Wijk und Kempen (1987) an, dass es ein zentrales Monitoringsystem gibt, das Zugriff auf die verschiedenen Stufen des Sprachproduktionsprozesses hat. 94 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="95"?> lichen Stufen des Sprachproduktionssystems und operieren nicht nur auf den von Levelt genannten drei Ebenen. Laver (1980: 293) weist darauf hin, dass tatsächlich artikulierte Fehler und Versprecher im Vergleich mit der Menge der täglich produzierten Worte relativ selten vorkommen, was seiner Ansicht nach ein Hinweis darauf ist, dass das Monitoring-System sehr viele potenzielle Fehler frühzeitig erkennt und es gar nicht erst zu deren Artikulation kommt. Eine dritte große Theorie im Bereich des Monitorings ist MacKays Node Structure Theory (vgl. MacKay 1987; 1992), die nicht von einer eigenen Kontrollinstanz ausgeht, sondern, vereinfacht gesagt, annimmt, dass die Sprachproduktion über ein Netzwerk an Knoten (nodes) verläuft, wobei jeder Knoten ein Lexem, eine Silbe, ein Phonem etc. darstellt. Durch die Aktivierung eines Knotens werden mögliche Verbindungen aktiviert und die Informationen miteinander verknüpft sowie weitergeleitet. Bei einem Fehler kommt es zum Aufbau einer neuen Verbindung, was eine längere Aktivierungszeit bedeutet und diese verlängerte Aktivierung hat wiederum zur Folge, dass der normalerweise unbewusst verlaufende Prozess der Sprachproduktion bewusst wahrgenommen wird. Auf diese Weise können Fehler und Versprecher korrigiert werden bzw. auch die bewusste Entscheidung gegen eine Korrektur erfolgen. (Vgl. Postma 2000: 113 ff; Nozari/ Dell/ Schwartz 2011: 3 ff.) Zu den vorgestellten Theorien wurden empirische Experimente durchgeführt, allerdings kann keine Theorie alle Daten zum Monitoring eindeutig erklären. Gleichzeitig konnte jedoch auch keine der Theorien widerlegt werden. Einige Autoren plädieren für eine Kombination der unterschiedlichen Monitoring-Theorien, um die Forschungsergebnisse besser erklären zu können. (Vgl. Postma 2000: 125; Nooteboom 2005: 183 ff.) Nooteboom (2005) und Huettig/ Hartsuiker (2010), zum Beispiel, konnten empirische Hinweise dafür finden, dass es Unterschiede beim Monitoring des inneren Sprechens und bei der Überprüfung von bereits artikulierten Einheiten gibt. Das Monitoring des inneren Sprechens scheint schnell und unbewusst stattzufinden, während das äußere Monitoring ein bewusster, zeitintensiver Prozess ist. Die inneren Vorgänge empirisch zu erfassen, stellt allerdings eine besondere Schwierigkeit dar, weshalb gerade in diesem Bereich des Monitorings noch viele Fragen offen sind und über gewisse Vorgänge noch spekuliert werden muss. (Vgl. Nooteboom 2005: 183 ff; Huettig/ Hartsuiker 2010: 363 ff.) Nach diesem kurzen Überblick zu Monitoringprozessen in der einsprachigen Kommunikation, welche ebenfalls als Basis für spezielle Kommunikationssituationen, wie es die bilinguale und die gemittelte Kommunikation sind, dienen, werden im Anschluss die wichtigsten Erkenntnisse zum Monitoring konkret beim Dolmetschen erläutert. 3.5 Monitoring und Autokorrektur 95 <?page no="96"?> Die unterschiedlichen Autoren in der Dolmetschwissenschaft stimmen überein, dass Monitoringprozesse beim Simultandolmetschen, ebenso wie es auch der Forschungsstand zur monolingualen Kommunikation darstellt, zumindest teilweise bewusst ablaufen. Kalina (1998: 120; 195) weist darauf hin, dass Monitoring beim Simultandolmetschen komplexer ist als bei einer einsprachigen Kommunikationssituation, da nicht nur die geplante Sprachproduktion überwacht, kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert werden muss, sondern auch der Ausgangstext und vor allem die Übereinstimmung zwischen Ausgangs- und Zieltext bei den Monitoringprozessen miteinbezogen werden müssen. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Gleichzeitigkeit von Sprachrezeption und -produktion dar, welche auch der größte Unterschied zu einer monolingualen Gesprächssituation ist (vgl. Liu 2008: 166). In den meisten Dolmetschprozessmodellen wird Monitoring als Teil des Dolmetschprozesses genannt. Der Monitoringvorgang ist optional und wird je nach freier Kapazität bzw. verfügbarer Zeit eingesetzt. Gerver (1976: 201 f ) weist darauf hin, dass die Aufmerksamkeit des Dolmetschers möglicherweise nur dann auf den Monitoringvorgang gelenkt wird, wenn Unstimmigkeiten zwischen Original und Übersetzung festgestellt werden. In seiner Darstellung sind Monitoringprozesse und mögliche Selbstkorrekturen ein fester Bestandteil des Dolmetschprozesses und kein eigenständiger, unabhängiger Vorgang, der nach der Verdolmetschung stattfindet. Kirchhoff (1976: 67 f) spricht von der Outputkontrolle beim Simultandolmetschen als Prozessschritt, welcher wie bei jeglicher Art von sprachlicher Äußerung erfolgt und eine Korrektur von Fehlern und Versprechern möglich macht, wenn die Bedingungen dazu gegeben sind. Kompetenzfehler können vom Dolmetscher nicht bewusst als solche erkannt werden, aber auch nicht alle Fehler auf Performanzebene werden erkannt bzw. korrigiert. Die Korrekturrate hängt laut Kirchhoff einerseits von der noch vorhandenen Kapazität des Dolmetschers und damit verbunden der Möglichkeit, Fehler bewusst wahrzunehmen, sowie der Entscheidung für oder gegen eine Korrektur, und andererseits von der individuellen Fehlertoleranz des Dolmetschers sowie der Einschätzung der Relevanz einer Überarbeitung für die Funktionalität der Verdolmetschung, ab. Auch Lederer (1981: 50; 104 ff ) stimmt damit überein, dass zwar permanent Monitoringprozesse ablaufen, diese aber nur durch Fehler bzw. Korrekturen offen erkennbar sind. Sie nimmt ebenfalls an, dass eine offene Selbstkorrektur nur dann erfolgen kann, wenn der Fehler dem Dolmetscher bewusst und als solcher erkannt wird, was auch mit den Erkenntnissen zu Monitoringprozessen in der einsprachigen Kommunikation übereinstimmt. Die auditive Erinnerung des Originaltextes sowie der bereits artikulierten Segmente spielt laut Lederer 96 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="97"?> eine wichtige Rolle für die Überprüfung, wobei diese im Kurzzeitgedächtnis gespeicherten phonologischen Einheiten auch gleichzeitig die Gefahr von Interferenzen bergen, da der Dolmetscher seine Aufmerksamkeit auf die beiden Sprachen verteilen muss. Sawyer (1994: 435 ff ) beschreibt Monitoringvorgänge bei Dolmetschstudenten und erklärt dabei die Differenzierung zwischen bewussten und unbewussten Prozessen damit, dass bereits verinnerlichtes Wissen einen automatischen, unbewussten Überprüfungsvorgang ermöglicht und folglich die zeit- und kapazitätensparende Variante darstellt. Den bewussten Kontrollmechanismus erklärt Sawyer anhand von Giles Effort Model (vgl. Kapitel 3.3.1) und der Möglichkeit, noch freie Kapazitäten für Reparaturstrategien einzusetzen. Kalina (1998: 120 f ) definiert Monitoring als strategischen Prozess, der auf allen Stufen des Dolmetschvorgangs stattfindet. Während des Rezeptionsprozesses werden so aufgestellte Hypothesen über den Verlauf der Rede auf Kohärenz mit dem einlaufenden Input geprüft und während des Produktionsprozesses kann eine Überprüfung des eigenen produzierten Outputs auf Übereinstimmung mit dem Original sowie auf linguistische Korrektheit vor und nach der tatsächlichen Artikulation stattfinden. Kalina unterteilt Monitoringprozesse in Anlehnung an Kohn (1990a: 162 f) zeitlich in planerisches Monitoring (bzw. bei Kohn auch antizipatorisches Monitoring), welches eine Überprüfung des inneren phonologischen Plans vor der Artikulation darstellt, simultanes Monitoring, welches eine Aussage während der Artikulation überprüft, und retrospektives Monitoring, welches unmittelbar nach der Artikulation stattfindet. Ähnlich wie Sawyer (1994) geht Kalina davon aus, dass eine Automatisierung von Strategien eine kognitive Entlastung für den Dolmetscher darstellt und damit Kapazitäten für andere Prozessschritte freihält, wobei Monitoringvorgänge, ihrer Ansicht nach, nur teils automatisierte strategische Prozesse sind. Beim Monitoring ermittelte Probleme können Selbstkorrekturen als Notstrategie zur Folge haben, aber es kann auch eine bewusste Entscheidung gegen eine Korrektur erfolgen. Notstrategien sind generell wenig automatisiert und erfordern daher einen hohen kognitiven Aufwand, weshalb sie auch nur bei noch freien Kapazitäten zum Einsatz kommen und auch eine eingeschränkte Verarbeitung der nachfolgenden Information zur Folge haben können. (Vgl. Kalina 120 f; 124 f.) Monitoringprozesse können also zu Autokorrekturen oder auch zur strategischen Entscheidung der bewussten Nicht-Korrektur (vgl. Kalina 1998: 120 f; Kucharska 2009: 105) führen. Allerdings ist es sehr schwierig, zu ermitteln, ob eine Nicht-Korrektur die Folge einer bewussten Entscheidung ist oder ob es sich um einen nicht erkannten Fehler handelt. Kucharska (2009: 109) geht davon aus, 3.5 Monitoring und Autokorrektur 97 <?page no="98"?> dass nicht korrigierte Fehler meistens auf ein mangelhaftes Monitoring zurückgehen und somit gar nicht erst bemerkt werden. Die meisten Autoren stimmen darüber überein, dass Reparaturen des eigenen Outputs produktionsbezogene Strategien sind, welche zielgerichtet und zweckbestimmt eingesetzt werden (vgl. Kalina 1998: 120; Petite 2005: 30 f; Kucharska 2009: 105 f). Kalina (1998: 120 f) spricht von Selbstkorrekturen als strategische Prozesse der Zieltextproduktion und gibt dafür folgende Definition: „ Die zur Selbstkorrektur des Dolmetschers eingesetzten Strategien basieren auf im Rahmen von Monitoringprozessen entdeckten tatsächlichen oder vermeintlichen (nach dem subjektiven Wissen oder der Erinnerung des Dolmetschers) produzierten Fehlern oder Mängeln und dienen zu deren tatsächlicher oder vermeintlicher Berichtigung “ (Kalina 1998: 124 f). Autoren (unter anderem Levelt 1983: 44 oder Postma/ Kolk 1993: 477), die zu Monitoring in der monolingualen Kommunikation forschten, konnten feststellen, dass Selbstkorrekturen in mehreren Phasen verlaufen - Ermittlung des Fehlers, Unterbrechung des Redeflusses (häufig durch eine Pause, Zögern oder Füllwörter gekennzeichnet), Überarbeitung des Segments und Artikulation der Korrektur - und daher einen höchst komplexen sowie kognitiv anspruchsvollen Vorgang darstellen. Selbstreparaturen beim Sprechen lassen sich in unterschiedliche Kategorien einteilen, je nachdem zu welchem Zeitpunkt die Korrektur erfolgt, ob es sich um eine reine Substitution des Elements oder eine Wiederholung vorangehender Segmente vor der Korrektur handelt und ob das Ziel der Korrektur eine größere Adäquatheit ist und es sich somit um eine Zusatzinformation handelt oder ob es sich um die Verbesserung eines tatsächlichen Fehlers handelt 7 . Selbstkorrekturen konkret bei Interferenzfehlern beim Dolmetschen wurden im Rahmen einiger empirischer Studien erfasst und werden genauer im Kapitel 4.3, das sich mit dem aktuellen Forschungsstand in der empirischen Dolmetschwissenschaft beschäftigt, beleuchtet. 7 Auf Grund des Fokus dieser Arbeit auf Interferenzen, wo Selbstkorrekturen nur generell und nicht die konkreten Kategorien eine Rolle spielen, würde eine genauere Auseinandersetzung mit diesem Phänomen, den Rahmen dieser Arbeit übersteigen. Ein Klassifizierungsvorschlag zu Korrekturen bei monolingualen Kommunikationssituationen wird von Levelt (1983) gegeben sowie von Petite (2005) für das Simultandolmetschen adaptiert und anhand von Verdolmetschungen empirisch überprüft. Einige neuere Studien, welche im Rahmen von Masterarbeiten durchgeführt wurden, beschäftigen sich ebenfalls empirisch mit dem Phänomen der Selbstkorrekturen beim Simultandolmetschen (vgl. dazu z. B. Tschanz 2011 oder Schröfl 2014). 98 3 Sprachverarbeitungsprozesse beim Simultandolmetschen <?page no="99"?> 4 Interferenzen In diesem Kapitel werden die wichtigsten theoretischen und empirischen Grundlagen zu Interferenzerscheinungen ausgehend von einem kurzen Überblick in benachbarten Disziplinen über erste Auseinandersetzungen in der Translationswissenschaft sowie mögliche Definitionen und Klassifizierungsversuche bis hin zur empirischen Auseinandersetzung, Ursachenerforschung und potenziellen Vermeidungsstrategien in der Dolmetschwissenschaft behandelt. 4.1 Interferenzen als fächerübergreifender Gegenstand Der Begriff Interferenz ist sehr weit gefasst und wird ganz allgemein im Sprachgebrauch im Sinne von Überlagerung bzw. Überlappung definiert und als Synonym für Beeinflussung verwendet (vgl. Duden online „ Interferenz “ ). Ursprünglich stammt er aus der Physik, wo er bereits im 17. Jahrhundert verwendet wurde, und bezeichnet zwei oder mehr sich überlappende Wellen. Später wurde der Begriff in der Psychologie übernommen und zu Interferenztheorien in der Gedächtnispsychologie wurde vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts intensiv geforscht. (Vgl. Kupsch-Losereit 2004: 543.) Der Terminus Interferenz wird in der Psychologie ganz allgemein als „ [ … ] de[r] störende [ … ] Einfluss eines Vorgangs auf einen anderen “ (Bredenkamp 2020) definiert und je nach Fachgebiet noch näher abgegrenzt. Hauptsächlich verwendet wird der Interferenzbegriff in der Gedächtnispsychologie, im Bereich des verbalen Lernens und der Aufmerksamkeitsforschung, wo er die „ Effekte der Konkurrenz zwischen ähnlichen Gedächtnisspuren [ … ] “ (Oberauer/ Mayr/ Kluwe 2006: 155) bezeichnet und dieser Effekt kann sowohl zwischen älteren Gedächtnisinhalten, welche ein nachfolgendes Ereignis beeinflussen (proaktive Interferenz), als auch in der umgekehrten Richtung, wo neue Gedächtnisspuren frühere Inhalte verändern (retroaktive Interferenz), vorkommen. Neueste empirische Erkenntnisse aus der Gedächtnispsychologie liefern Hinweise, dass es einen Zusammenhang zwischen den Gehirnfunktionen im präfrontalen Kortex, wie Arbeitsgedächtnis, Aufmerksamkeit und kognitiver Flexibilität, und der proaktiven Interferenz gibt, wobei eine höhere Arbeitsgedächtnisspanne, ebenso wie eine hohe kognitive Flexibilität und eine gute Inhibitionsfähigkeit, die Anfälligkeit für proaktive Interferenzen verringern. Die Inhibitionsfähigkeit kann allerdings <?page no="100"?> auf Kosten von bereits früher gelernten Inhalten gehen und eine retroaktive Interferenz begünstigen. (Vgl. Darby/ Sloutsky 2015: 410 ff.) Ob diese Überlagerung von Gedächtnisinhalten Ausdruck einer momentanen Abrufschwierigkeit ist oder es sich um ein permanentes Überschreiben der anderen Gedächtnisspur handelt, wird innerhalb der Psychologie stark diskutiert und kann nicht eindeutig empirisch festgestellt werden (vgl. Buchner/ Brandt 2017: 415). Die Interferenz wird in der Psychologie als eine der Hauptursachen für Vergessen und für Lernschwierigkeiten angesehen und ist somit negativ konnotiert. Allerdings sollte diesbezüglich bedacht werden, dass „ [ … ] Interferenz eine unumgängliche Begleiterscheinung eines Gedächtnissystems ist, in dem der Gedächtniszugriff nach dem Prinzip der Ähnlichkeit geschieht, also inhaltsadressierbar ist [und] [d]ieses Prinzip ist es auch, das es uns ermöglicht, gelerntes Wissen auf neue Situationen zu generalisieren [ … ] “ (Oberauer/ Mayr/ Kluwe 2006: 157). Diese Funktionsweise des Gedächtnisses ist folglich ein ausgeklügelter Mechanismus, um vernetzend und ressourcensparend neue Inhalte hinzuzufügen und auf neue Situationen anzuwenden. Die Ähnlichkeit der Gedächtnisinhalte ist ausschlaggebend für das Auftreten von Interferenzen, wobei diese sowohl bei der Abspeicherung neuer Informationen mit einem hohen Ähnlichkeitsgrad und mit geringer zeitlicher Distanz, wie es vor allem beim Lernen der Fall sein kann, als auch beim Abrufen von bereits gespeicherten Inhalten, die auf Grund ihrer Gemeinsamkeiten miteinander in Konkurrenz treten und fälschlicherweise aktiviert werden, vorkommen können. (Vgl. Oberauer/ Mayr/ Kluwe 2006: 155 ff.) Dieser letzte Punkt ist auch hauptsächlich ausschlaggebend für das Auftreten von Interferenzen beim Simultandolmetschen, wo es sich größtenteils und vor allem beim Dolmetschen in die A-Sprache um eine Störung auf Ebene der Performanz, also eine momentane Abrufschwierigkeit, nicht jedoch um eine Überlappung bzw. Überschreibung von Inhalten beim Lernen und folglich einen Kompetenzmangel in den beteiligten Sprachen handelt. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts wird der Begriff Interferenz auch in der Linguistik, besonders in der Bilingualismus-, Spracherwerbs- und Sprachkontaktforschung, verwendet. (Vgl. Tesch 1978: 226; Lauterbach/ Pöchhacker 2015.) Prägend hierfür war der Linguist Uriel Weinreich mit seinem Werk Languages in Contact (1953), welcher Interferenzen als Normabweichungen in einer Sprache bei Sprechakten von Zweisprachigen auf Grund von Sprachkontakt definiert, wobei er unter bilinguals generell Personen, die zwei Sprachen abwechselnd verwenden, versteht (vgl. Weinreich 1977: 15). Innerhalb der Linguistik werden jedoch je nach Teilbereich unterschiedliche Definitionen für Interferenzen verwendet, was gewissermaßen mit verschiedenen Herangehensweisen und Schwerpunkten in der Forschung zusammenhängt, und teilweise herrscht auch 100 4 Interferenzen <?page no="101"?> terminologische Unklarheit über die Bezeichnung des Phänomens. In der Forschungsliteratur findet man anstelle von Interferenz sowohl die Begriffe (negativer) Transfer, Hemmung, Transferenz, cross-linguistic influence als auch, vor allem in älteren Werken, die missverständlichen Bezeichnungen code switching oder Entlehnung, welche aktuell jedoch für andere Erscheinungen in der Linguistik verwendet werden. (Vgl. Schneider 2007: 3.) In der Mehrsprachigkeits- und Sprachkontaktforschung ist Uriel Weinreichs Definition für Interferenzen grundlegend für viele weitere Forschungsarbeiten, wobei Weinreich davon ausgeht, dass Interferenzen in beiden beteiligten Sprachen vorkommen können und ihr Auftreten sowohl vom Sprecher selbst als auch von linguistischen Faktoren und der kommunikativen bzw. soziokulturellen Situation abhängt (vgl. Juhász 1982: 443 f; Weinreich 1977: 1 ff; Oksaar 1996: 1). Weinreich (1977: 14 ff ) nimmt auch eine erste Klassifizierung von Interferenzen in die Bereiche Phonetik/ Phonologie, Grammatik und Lexik vor, wobei diese Kategorien sowohl in der Linguistik als auch später in der Translationswissenschaft (vgl. Kapitel 4.2.2) immer wieder aufgegriffen wurden und als Basis für teilweise erweiterte bzw. genauer untergliederte Interferenztypologien diente. Bei der Definition von Grosjean und Soares (1986: 146), welche sich vor allem mit den kognitiven Vorgängen beim Bilingualismus beschäftigen, wird hervorgehoben, dass es sich um einen „ unbeabsichtigten Einfluss “ einer Sprache auf eine andere handelt und die Autoren sehen die Ursachen für das Auftreten von Interferenzen darin, dass sich eine Sprache, selbst wenn sie gerade nicht aktiv verwendet wird, nicht zur Gänze deaktivieren lässt (vgl. Kapitel 3.1.3). Uneinigkeiten herrschen in der Forschungsliteratur teilweise bezüglich der Abgrenzung zwischen Interferenzen als Ausdruck von Sprachkontakt bei bilingualen Individuen auf Ebene der parole und jenen Normabweichungen, welche bereits in das Sprachsystem einer bestimmten Sprechergemeinschaft integriert sind, also auf Ebene der langue beobachtet werden können, und somit eine gewisse Akzeptabilität in der Sprechergemeinschaft genießen, bewusst eingesetzt und regelmäßig von den Sprechern gebraucht werden. Letztere werden in der Kontrastiven Linguistik und Lehngutforschung üblicherweise unter dem Begriff Entlehnungen gruppiert, welcher als Gegenstück zur unbewussten 1 bzw. unbeabsichtigt verwendeten Interferenz auf individueller Ebene gesehen, aber in manchen Definitionen mit dem Interferenzbegriff vermischt bzw. nicht klar davon abgegrenzt wird oder wobei einer der beiden Begriffe gar als Oberbegriff verwendet wird. Tesch (1978: 32) schreibt hierzu, dass „ [n]icht jede Normabweichung [ … ] zur Normänderung [wird] “ . Er weist auf die 1 Auch die Einschätzung von Interferenzen als unbewusst wird in der Linguistik kontrovers diskutiert. 4.1 Interferenzen als fächerübergreifender Gegenstand 101 <?page no="102"?> Schwierigkeiten der Abgrenzung zwischen den beiden Phänomenen hin und sieht Interferenzen als mögliche Vorstufe zur Entlehnung, wobei in seiner Definition Interferenzen prinzipiell auf Ebene der parole stattfinden und Entlehnungen ein „ Faktum des Sprachsystems “ (Tesch 1978: 37) sind. Allerdings können sich nach seinem Verständnis Interferenzen unter bestimmten Bedingungen, welche primär von extralingualen Faktoren abhängen, im Sprachsystem festigen und somit zu Entlehnungen werden. (Vgl. Tesch 1978: 32 ff.) Gottlieb (2005) zählt Interferenzen zu den Lehnphänomenen, jedoch als solche, die sich auf der untersten Stufe der Skala bezüglich ihrer Integration in eine Sprache befinden und von denen nur sehr wenige eine tatsächliche, permanente Übernahme in das Sprachsystem erfahren. Der Autor bezieht sich in seiner Forschung auf Anglizismen und beobachtet, dass vor allem Interferenzen in schriftlichen Texten bzw. Übersetzungen auf Ebene der langue integriert werden und somit langfristig den Übergang zu Entlehnungen schaffen können. (Vgl. Gottlieb 2005: 168.) Czochralski (1971) nimmt eine Trennung zwischen Interferenz und Entlehnung durch die Sprachrichtung einerseits und die Bewertung bzw. Akzeptanz des Resultats andererseits vor. Der Autor versteht unter Entlehnungen nur Übernahmen von fremdsprachlichen Elementen in die Muttersprache, welche „ [ … ] im Allgemeinen zu einer Bereicherung der Muttersprache um eine in ihr bisher nicht vorhandene oder als irgendwie besser empfundene sprachliche Einheit führen “ (Czochralski 1971: 9). Weiters gibt er an, dass Entlehnungen von der jeweiligen Sprachgemeinschaft aktiv verwendet und akzeptiert werden. Interferenzen hingegen sind seiner Ansicht nach Projektionen von der Muttersprache auf die Fremdsprache und stellen „ einen Mißbrauch der Fremdsprache gemäß einem systemfremden Modell “ (Czochralski 1971: 9) dar. Die Einschränkung in der Definition auf Grund der Sprachrichtung wird jedoch kontrovers diskutiert und in den meisten Arbeiten nicht als Unterscheidungskriterium zwischen den Begriffen herangezogen (vgl. Tesch 1978: 36 f). Galinsky (1977) verwendet eine besonders weit gefasste Definition, wobei seiner Ansicht nach „ [ … ] ‚ Interferenz ‘ als Vorgang wie als Ergebnis, als ‚ borrowing ‘ ( ‚ Entlehnung ‘ ) wie als ‚ loan ‘ ( ‚ Lehngut ‘ ), aber auch als ‚ Integration ‘ ( ‚ Eingliederung ‘ ) verstanden [wird] [ … ] “ (Galinsky 1977: 464). Diese Verwendung des Begriffs ist jedoch missverständlich, vor allem angesichts der Tatsache, dass die Mehrzahl der Autoren, Interferenz als Normverstoß bzw. -abweichung auf individueller Ebene eines Sprechers definieren, bei Entlehnungen aber eine ganze Sprechergemeinschaft betroffen ist, in welcher sich je nach Integrationsstadium die Akzeptabilität des Lehnphänomens ändert und zuletzt kein Normverstoß mehr vorliegt. Juhász (1982: 443) plädiert, auf Grund der uneinheitlich und teilweise mehrdeutig verwendeten Terminologie, ebenso wie Seidel (1958: 798 f) und Tesch (1978: 32) für eine Unterscheidung zwischen den Be- 102 4 Interferenzen <?page no="103"?> griffen Interferenz, welche auf Ebene der parole beim Redeakt des Sprechers, und Entlehnung, welche auf Ebene der langue innerhalb einer Sprachgemeinschaft beobachtet werden kann. Er sieht den Prozess jedoch als Vorgang mit fließenden Übergängen, wobei die Grenze zwischen Manifestationen der Sprachverwendung und Auswirkungen auf das Sprachsystem nicht immer eindeutig feststellbar und innerhalb der Linguistik umstritten ist. Zusätzlich weist Juhász (1982: 444) darauf hin, dass „ Interferenzen [ … ] nur auf ihrem historischen, kulturellen, situativen etc. Hintergrund interpretiert werden [können] “ und führt als Beispiel an, dass es einen Unterschied macht, „ [ … ] ob die Interferenz im Klassenzimmer des Fremdsprachenunterrichts oder beim Bürgermeister eines zweisprachigen Gebietes beobachtet wird “ . Unterschiedliche Auffassungen gibt es auch bezüglich dessen, ob der Interferenzbegriff nur die festgestellte Normabweichung in einer Sprache auf Grund von Sprachkontakt umfasst oder auch den kognitiven Vorgang der Beeinflussung an sich miteinbezieht. In jenen Definitionen, welche Interferenz auch für die Bezeichnung des Vorgangs verwenden, wird meist auch angenommen, dass Interferenzen nicht nur in Kontexten des Sprachkontakts als Einfluss eines Sprachsystems auf ein anderes, sogenannte interlinguale Interferenzen, sondern auch als Übertragungen (Überbzw. Untergeneralisierungen) innerhalb nur eines Sprachsystems, sogenannte intralinguale Interferenzen, auftreten. Diese weitgefasste Interpretation des Interferenzbegriffs vertritt zum Beispiel Juhász (1970: 9): „ Unter Interferenz ist [ … ] die durch die Beeinflussung von anderen sprachlichen Elementen verursachte Verletzung einer sprachlichen Norm bzw. der Prozess der Beeinflussung zu verstehen. “ Er unterscheidet bei diesem Prozess der Beeinflussung zusätzlich noch, zu welchem Resultat dieser führt, wobei er die Differenzierung von Debyser (1970: 36) wieder aufgreift. So kann dieser kognitive Prozess der Übertragung von sprachlichen Elementen einen Normverstoß mit sich ziehen, jedoch auch zu einem wohlgeformten Ergebnis führen, wobei der Autor Ersteres als Interferenz und Zweiteres als Transfer bezeichnet. (Vgl. Juhász 1970: 32.) Jedoch wird auch der Begriff Transfer uneinheitlich verwendet: Teilweise wird er wie bei Juhász als positives Ergebnis und damit Gegenpart der Interferenz verwendet, aber teilweise auch als Oberbegriff, welcher den Prozess an sich bezeichnet und somit wiederum in positiven und negativen Transfer unterteilt werden kann (vgl. Tesch 1978: 34 f). Diese Auffassung von Interferenzerscheinungen sowohl als Prozess als auch als Ergebnis von Beeinflussung mit positivem oder negativem Resultat wird auch in weiteren Bereichen, welche sich intensiv mit Interferenzerscheinung beschäftigt hat, nämlich der Spracherwerbsforschung und der Fremdsprachendidaktik, geteilt. Auf Grund der besonderen Situation des Sprachlernprozesses 4.1 Interferenzen als fächerübergreifender Gegenstand 103 <?page no="104"?> ist in diesen Bereichen eine etwas andere Sicht auf das Interferenzphänomen nötig als in der Sprachkontakt- oder Lehnforschung, da, wie bereits im Zitat von Juhász angesprochen, es einen Unterschied macht, ob Interferenzen bei einem Individuum im Sprachlernprozess oder in einer bilingualen Sprechergemeinschaft beobachtet werden. In der Spracherwerbsforschung und Fremdsprachendidaktik werden häufig Definitionen aus der Gedächtnis- und Lernpsychologie übernommen und adaptiert, wonach eine frühere Lerntätigkeit bzw. ein früherer Gedächtnisinhalt neue Lerntätigkeiten und Inhalte beeinflussen oder, auch umgekehrt, neuer Input Einfluss auf bereits früher gespeicherte Inhalte nehmen kann (Transfer als Prozess) und sich dieser Einfluss als Resultat manifestieren kann (Transfer als Ergebnis). Ist das Ergebnis negativ, also eine Hemmung des Inhalts, spricht man von Interferenz oder negativem Transfer, im umgekehrten Fall, wenn also ein Gedächtnisinhalt das Behalten oder Erlernen von Inhalten erleichtert, spricht man von positivem Transfer. In dieser Auffassung wird die Interferenz bzw. der Transfer sozusagen als Strategie angesehen, welche nicht in einer Interferenz im Sinne von Weinreichs Definition als Normverstoß enden muss, sondern auch den Fremdsprachenerwerb erleichtern und somit zu einem positiven Resultat führen kann. (Vgl. Weinert 1979: 687 f.) Während einige frühe Arbeiten zu Interferenzerscheinungen nur von einem Einfluss der Muttersprache bzw. L1 auf die zu erlernende Sprache ausgehen (z. B. Lado 1977, Novikov 1976), sehen andere Autoren (wie Juhász 1970, Weinreich 1953, Czochralksi 1976) Interferenzerscheinungen als wechselseitige Beeinflussung, welche sowohl von der dominanten auf die nicht dominante Sprache als auch in umgekehrter Richtung vorkommen kann. Einige Autoren (z. B. Jakobovits 1969: 70; Carroll 1968: 114) übernehmen diesbezüglich die Begriffe proaktive und retroaktive Interferenz aus der Gedächtnispsychologie, wo die Termini wie folgt definiert werden: „ Bei der proaktiven Interferenz hemmt ein früherer Lernprozess einen späteren und bei der retroaktiven Interferenz wird der ursprüngliche Lernprozess von dem neu erlernten Stoff gestört “ (Stangl 2020). In der Spracherwerbsforschung und Fremdsprachendidaktik wird folglich von einigen Autoren der Einfluss der Muttersprache oder anderer bereits vorher gelernter Sprachen auf eine neu zu erlernende Sprache als proaktive Interferenz bezeichnet und der Einfluss, den eine neu erlernte Sprache auf die Muttersprache haben kann, als retroaktive Interferenz (teilweise auch backlash interference). Die Autoren konnten feststellen, dass die retroaktive Interferenz vor allem bei fortgeschritteneren Lernen beobachtet werden kann. (Vgl. Böttger 2008: 22.) In der Transferforschung im Bereich des Spracherwerbs war lange Zeit die Kontrastivhypothese, welche von Robert Lado geprägt wurde und aus dem Behaviorismus und Strukturalismus entstand, vorherrschend. Die Vertreter 104 4 Interferenzen <?page no="105"?> dieser Hypothese gingen davon aus, dass die Erstsprache (L1) eines Sprechers ausschlaggebend für das Erlernen einer Fremdsprache ist und dass positiver Transfer an Stellen auftritt, wo die Sprachen sich ähneln, negativer Transfer hingegen an Stellen, die Kontraste aufweisen. Ziel war es, Fehler im Fremdspracherwerb zu erklären, und einige Autoren gingen noch weiter und prognostizierten sogar eine Voraussehbarkeit von möglichen Fehlern bei Lernern, welche sich jedoch nicht bestätigte. Die Kontrastivhypothese ist zwar, zumindest was die Voraussage von Fehlern auf Grund der Erstsprache betrifft, weitgehend widerlegt, die in diesem Bereich entstandenen Arbeiten liefern allerdings eine wichtige Grundlage für die Auseinandersetzung mit Interferenzerscheinungen und Begriffen sowie Definitionen. (Vgl. u. a. Boeckmann 2010: 169; Hufeisen/ Riemer 2010: 470; Königs 2010: 756.) Während Interferenzphänomene zwischen L1 und L2 relativ gut erforscht sind, wurde die Rolle weiterer Fremdsprachen beim Erlernen einer neuen Sprache erst seit den 1980er Jahren langsam Gegenstand von Studien und diese Transfer- und Interferenzphänomene von einer L2, L3 oder L4 auf eine neu zu erlernende Sprache bzw. mögliche Interferenzen zwischen verschiedenen Sprachen in der Sprachverwendung bei mehrsprachigen Individuen unter Berücksichtigung unterschiedlicher Sprachkombinationen sind aktuell häufig Forschungsgegenstand in der Spracherwerbsforschung (vgl. dazu unter anderem De Angelis/ Dewaele 2009; Jessner 2008; Lindqvist/ Bardel 2010). Die Faktoren, die den Transfer von einer bestimmten Lx auf die Zielsprache begünstigen, sind dabei vielfältig und umfassen mögliche Einflüsse wie die typologische Ähnlichkeit der Sprachen (vgl. z. B. Cenoz 2001), die gefühlte Sprachähnlichkeit, auch Psychotypologie, (vgl. z. B. De Angelis 2007), der sogenannte foreign language effect, also einer Aktivierung von anderen Fremdsprachen, während die Muttersprache eher inaktiv ist und deshalb weniger Einfluss ausübt, (vgl. z. B. Williams/ Hammarberg 2009), die Sprachkompetenz in den anderen beherrschten Sprachen (vgl. z. B. Dewaele 1998) oder Komponenten wie Verwendungshäufigkeit bzw. letzte Verwendung (vgl. Dewaele 1998), Motivation (vgl. z. B. Pfenninger/ Singleton 2016) oder Setting (vgl. z. B. Perales/ García Mayo/ Liceras 2009). Interessant ist auch die Diskussion in der Linguistik über die Charakterisierung von Fehlern im Sprachgebrauch, darunter auch Interferenzen, als Performanzfehler oder als Kompetenzfehler. In der Forschungsliteratur wird hier häufig zwischen ‚ Fehler ‘ und ‚ Irrtum ‘ bzw. im Englischen respektive zwischen mistake und error unterschieden. Weimer (1925: 3 ff ) spricht dabei von Fehlern als „ Gebilde des Augenblicks “ , welche auf Grund eines Aufmerksamkeitsdefizits entsteht, und dem Irrtum als etwas „ Verharrendes “ bzw. das „ Fürwahrhalten des Nichtrichtigen “ , der seine Ursachen in der Unkenntnis, im 4.1 Interferenzen als fächerübergreifender Gegenstand 105 <?page no="106"?> Nichtwissen hat. In Anlehnung an Chomskys Unterteilung in Performanz und Kompetenz (vgl. Chomsky 1972: 14) wird bei der Fehleranalyse aktuell häufig von einer Störung auf Ebene der Performanz einerseits, und einem Kompetenzmangel andererseits gesprochen. Die Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen ist jedoch gerade in der Spracherwerbsforschung und Fremdsprachendidaktik alles andere als eindeutig und anhand der reinen Oberflächenerscheinung nicht differenzierbar. Das Ziel in der Forschung dieser Bereiche liegt prioritär auf dem Erfassen von systematischen Fehlern, welche Aufschluss über die Sprachkompetenz und Sprachlernstrategien der Sprecher geben, wohingegen Performanzfehler wenig über das sprachliche Wissen aussagen, sondern vielmehr in einem Aufmerksamkeitsdefizit, einer Überlastung des Kurzzeitgedächtnisses, Störungen und Ablenkungen etc. begründet sind. (Vgl. Weimer 1925; Nickel 1972: 17; Hellinger 1980: 190 ff.) Hellinger (1980: 190 ff ) vertritt zum Beispiel die Meinung, dass die wenigsten Fehler im Fremdsprachenlernbereich durch performanzbedingte Störungen zu erklären sind, dass allerdings auch nicht von einer „ [ … ] voll ausgebildeten [ … ] zielsprachlichen Kompetenz “ (Hellinger 1980: 191) gesprochen werden kann. Folglich schlägt die Autorin vor, die Ebene der Kompetenz weiter zu untergliedern und im Falle des Fremdsprachenerwerbs eine „ transitionelle Teilkompetenz “ (Hellinger 1980: 191) anzunehmen, welche die individuelle Kompetenz des Sprechers zu einem bestimmten Zeitpunkt widerspiegelt, aber gleichzeitig über die Ebene der reinen Performanz hinausgeht. In der Translation, als besondere Art des Sprachkontaktes, ist die Situation anders als im Spracherwerb und, vor allem in der Richtung Fremdsprache - Grundsprache sowie bei professionellen Übersetzern bzw. Dolmetschern, sind Interferenzen größtenteils auf Ebene der Performanz, als Momentaufnahme und Ausdruck einer temporären Störung, zu beobachten und gehen weniger auf tatsächliches Nichtwissen, also einen Kompetenzmangel zurück (vgl. Wilss 1989: 15). Es wird zwar ebenfalls „ [ … ] eine sprachliche Norm durch andere sprachliche Elemente beeinflußt; allerdings rührt dieser Einfluß nicht aus erlernten Regeln oder Wissensbeständen her, sondern [resultiert aus] [ … ] [der] Prozeßspezifik “ (Kalina 1998: 124). Während in der Spracherwerbsforschung Kompetenzfehler um einiges interessanter zu erforschen sind, ist es in der Translationswissenschaft genau umgekehrt, da die Erforschung des Translationsprozesses von möglichen Schwierigkeiten und verwendeten Strategien im Vordergrund steht, wobei Rückschlüsse durch performanzbedingte Fehler möglich sind, ein Kompetenzmangel in einer Fremdsprache jedoch nichts mit dem Übersetzungs- oder Dolmetschprozess an sich zu tun hat. Nach diesem kurzen Überblick über die Verwendung des Interferenzbegriffes in unterschiedlichen Bereichen, vor allem den verschiedenen Teilbereichen der 106 4 Interferenzen <?page no="107"?> Linguistik, wobei auch die diversen Definitionen und Auslegungen sowie synonyme Termini in Diskussion gestellt wurden, wird im nächsten Kapitel der Forschungsstand zu Interferenzen in der Translations- und insbesondere der Dolmetschwissenschaft behandelt. 4.2 Interferenzen in der Translationswissenschaft Während in der kontrastiven Linguistik, der Spracherwerbsforschung und der Fremdsprachendidaktik Interferenzerscheinungen relativ gut erforscht sind, handelt es sich in der Translationswissenschaft um ein bisher vernachlässigtes Gebiet, obwohl Übersetzen und Dolmetschen als eine besondere Form des Sprachkontakts „ [ … ] ein Nährboden für Interferenzerscheinungen [sind] und man diese in all ihren Spielarten hier gut beobachten kann “ (Wilss 1989: 7). Ebenso wie in der Linguistik herrscht in der Translationswissenschaft terminologische Uneinheitlichkeit bezüglich des Interferenzbegriffs und fehlende Definitionen sowie unterschiedliche Klassifizierungen erschweren eine Vergleichbarkeit von verschiedenen Studien. In den folgenden Unterkapiteln wird folglich ein Überblick über die unterschiedlichen Definitionen und Interferenztypologien gegeben und ausgehend von den bisherigen Erfahrungen eine für die vorliegende Arbeit bestmöglich eingegrenzte Definition und geeignete Unterteilung in Interferenzkategorien herausgefiltert, welche in Kapitel 6.4.1 konkretisiert werden. Obwohl der Dolmetschprozess andere Besonderheiten als der Prozess des schriftlichen Übersetzens aufweisen kann, können die Erkenntnisse zu Interferenzen beim Übersetzen größtenteils auch auf das Dolmetschen übertragen und je nach Bedarf an die Spezifika angepasst werden, weshalb bei der Definition und Klassifizierung von Interferenzen auch der Forschungsstand der Übersetzungswissenschaft, welcher eine wichtige Ausgangsbasis bildet, miteinbezogen wird. 4.2.1 Definitionen In der Translationswissenschaft gibt es, wie auch in der Linguistik, keine allgemein anerkannte und einheitliche Interferenztheorie mit einer klaren Begriffsdefinition, sondern die Erforschung von Interferenzen erfolgt häufig aus unterschiedlichen Perspektiven, welche auch teilweise unterschiedliche Definitionen und Herangehensweisen verlangen. Dieser Umstand erschwert es allerdings, innerhalb der Translations- und im Konkreten der Dolmetschwissenschaft eine klare Abgrenzung des Interferenzphänomens und eine Vergleichbarkeit der verschiedenen Forschungsarbeiten zu erreichen. 4.2 Interferenzen in der Translationswissenschaft 107 <?page no="108"?> Die Definitionen von Weinreich oder Juhász in der Linguistik dienen auch in der Translationswissenschaft häufig als Basis und es herrscht größtenteils Einigkeit darüber, dass es sich bei Interferenzen um eine „ Normabweichung “ handelt, welche auf Grund der Übernahme von Strukturen derAusgangssprache in der Zielsprache festgestellt werden kann. Eine ebenfalls mehrheitliche Übereinstimmung herrscht bezüglich der beidseitigen Beeinflussungsrichtung, wobei in der Translationswissenschaft empirisch belegt werden konnte, dass Interferenzen sowohl beim Übersetzen und Dolmetschen in die Fremdsprache als auch in die Muttersprache relativ häufig vorkommen. Denison (1981: 267) schreibt hierzu: „ Der Übersetzer steht [ … ] sogar dann im Banne des Ausgangstextes, wenn er aus einer für ihn prestigemäßig tieferstehenden Sprache in eine höherstehende übersetzt, die zudem seine Muttersprache ist. “ Diese Erkenntnis steht im Gegensatz zu manchen Definitionen in der Spracherwerbsforschung, welche eine Übernahme der Sprachstrukturen nur von der Muttersprache oder vorher erlernten auf eine neu zu erlernende Sprache ansehen, oder in der Lehngutforschung, wo der Einfluss von der prestigemäßig höheren Sprache auf eine niedrigere als sehr viel häufigeres Phänomen beobachtet wird als in die umgekehrte Richtung. Eine mögliche Erklärung dafür findet sich in der Spezifik des Translationsprozesses, währenddessen eine Aktivierung beider Sprachen notwendig ist und auch die Oberflächenstruktur der Ausgangssprache nicht komplett unterdrückt werden kann, wobei auch die Interferenzursachen größtenteils in einer Störung im Prozess begründet sind und nicht in einem Kompetenzmangel (vgl. Kapitel 3.1 und 3.3). Interferenzen stellen in der Translationswissenschaft also, ganz allgemein, inakzeptable Übersetzungsresultate auf Grund des Einflusses des Ausgangstextes dar und „ [ … ] postulieren eine interlinguale lexikalisch-idiomatischsyntaktische Symmetrie, wo keine Symmetrie ist [ … ] “ (Wilss 1992: 69). Die Definition von Normverstoß impliziert in weiterer Folge, dass Interferenzen unbeabsichtigt entstehen, wobei Wilss (1989: 8) in diesem Sinne anmerkt: „ Mit der Einschätzung von Interferenzerscheinungen als ungewollt kann man sich vorbehaltlos einverstanden erklären; ob sie dominant auch unbewußt sind, ist [ jedoch] [ … ] zu bezweifeln “ . In der empirischen Dolmetschwissenschaft konnte ebenfalls festgestellt werden, dass Interferenzen nicht immer unbewusst passieren, sondern oft auch wahrgenommen und teilweise sogar korrigiert oder zumindest als Formulierungsschwierigkeiten in retrospektiven Befragungen erkannt werden (vgl. Kapitel 4.3). Einige Autoren, unter anderem Schmidt (1989: 29), verwenden den Begriff Interferenz nicht nur für das Ergebnis, sondern auch für den Prozess, der zu einer Übertragung der ausgangssprachlichen Strukturen auf die Zielsprache führt. Auch Toury (2012) mit seinem law of interference sieht Interferenzen als 108 4 Interferenzen <?page no="109"?> Prozess, welcher zu einem negativen Transfer, also einem Normverstoß in der Zielsprache, aber auch zu einem positiven Transfer, sozusagen einem gehäuften Gebrauch von Elementen, welche zwar in der Zielsprache üblich sind, aber im Vergleich mit Originaltexten sehr viel häufiger in Übersetzungen auf Grund der Übertragung von Strukturen der Ausgangssprache vorkommen. Toury (2012) zählt Interferenzen ebenso wie Mauranen (2004) zu den sogenannten Universalien der Translation, welche sich auf Spezifika beziehen, die übersetzte Texte gemeinsam haben, nicht aber Originaltexte in der Zielsprache. Eine Unterrepräsentation von zielsprachenspezifischen Elementen in Übersetzungen scheint ebenfalls interferenzbedingt zu sein (vgl. z. B. Eskola 2004; Tirkkonen-Condit 2004). Laut Toury werden Interferenzen je nach Textsorte, Zielpublikum, soziokulturellen Faktoren oder Prestige der Sprachen mehr oder weniger toleriert und der Übersetzer bemüht sich, dementsprechend Interferenzen zu vermeiden oder im Nachhinein auszubessern. Allerdings merkt er zu Interferenzen in Übersetzungen Folgendes an: „ [ … ] interference as such will always be present. It may just be more or less readily seen “ (Toury 2012: 276). Diese Ansicht teilt auch Hansen (2002: 303), die davon ausgeht, dass „ Interferenz bei unmittelbarem Sprachkontakt, wie es das Übersetzen ist, [ … ] [nicht] zu vermeiden [ist] “ . Einige Autoren erkennen folglich trotz der Normwidrigkeit eine gewisse Daseinsberechtigung von Interferenzen an (vgl. z. B. Schmidt 1989), andere wiederum, vor allem in der didaktisch orientierten Translationswissenschaft, sehen Interferenzen als Fehler, welche durch geeignete Strategien unbedingt vermieden werden müssen (vgl. z. B. Snell-Hornby 1989). Eine der bekanntesten Definitionen in der Translationswissenschaft stammt von Kußmaul (1989: 22), der Interferenzen als „ normwidrige Vermischung von Elementen oder Regeln verschiedener Sprachsysteme im aktuellen Sprachgebrauch “ definiert und ihr Auftreten als Resultat eines misslungenen Übersetzungsprozesses, welches sowohl bei Studenten als auch bei professionellen Übersetzern vorkommen kann, sieht (vgl. Kußmaul 1989: 26). Definitionen mit ähnlichen Kriterien werden auch häufig konkret in der Dolmetschwissenschaft herangezogen, da sie sowohl den Normverstoß als auch den Einfluss eines Sprachsystems auf ein anderes umfassen, ohne dabei eine Einschränkung auf die Richtung Grundsprache - Fremdsprache, wie es häufig in der Sprachlernforschung der Fall ist, vorzunehmen und mögliche Interferenzen mit einer dritten Sprache, welche zwar selten, aber doch hin und wieder in empirischen Experimenten beim Simultandolmetschen beobachtet werden konnten, miteinschließen. Allerdings kann es beim Simultandolmetschen auf Grund der Spezifika des Prozesses ebenfalls zu besonderen Interferenztypen (vgl. Kapitel 4.2.2) kommen, welche nicht direkt auf eine Beeinflussung des Sprachsystems der Ausgangssprache an sich zurückzuführen sind, sondern 4.2 Interferenzen in der Translationswissenschaft 109 <?page no="110"?> vielmehr auf eine Überlappung von Sequenzen der Ausgangsrede, die dann in der Zielsprache falsch miteinander kombiniert werden. Um auch diese simultandolmetschspezifischen Interferenzerscheinungen des simultanen Kurzschlusses abzudecken, bieten sich Definitionen mit nicht expliziter Erwähnung einer Übertragung von Strukturen der Ausgangssprache an. Relativ allgemein, aber diesen Kriterien entsprechend, definiert Petioky (1970: 1, zit. n. Ș erban 2018: 15) Interferenzen in der Dolmetschwissenschaft: „ Interferenz fassen wir als ein Geschehen auf, das sich zunächst im Bewusstsein abspielt: durch Einwirken eines Bewusstseinsinhaltes auf einen anderen kommt es zu einer Fehlleistung. “ Pöchhacker (1994: 27) gibt eine in der Dolmetschwissenschaft weit verbreitete Definition für Interferenzen, die ebenfalls wichtige Kriterien für eine Einordnung der unterschiedlichen beim Dolmetschen beobachteten Interferenzkategorien erfüllt, als „ a well-known form of target-text contamination with sourceculture material “ . Demzufolge umfasst der Begriff Interferenz nicht ausschließlich eine Normabweichung auf Grund der Übernahme von Strukturen eines anderen Sprachsystems, sondern es wird allgemein die Kontamination durch die Ausgangsgrundlagen als Ursache gesehen, was auch eventuelle kulturelle Interferenzen miteinschließt. Eine Interferenz-Definition und Begriffsabgrenzung, die als Grundlage für die Auswertung des empirischen Teils des vorliegenden Werks dienen, werden in Kapitel 6.4.3.1 gegeben. 4.2.2 Klassifizierung von Interferenzen In der Dolmetschwissenschaft wurden in den Studien zu Interferenzen (vgl. Kapitel 4.3) sehr unterschiedliche Klassifizierungsversuche für Interferenzen unternommen, wobei teilweise Kategorien aus der Linguistik übernommen und teilweise andere speziell für das Dolmetschen aufgestellt wurden. Klar abgrenzbare Kategorien und ausreichende Definitionen, um eine Zuordnung der Interferenzen so weit wie möglich eindeutig möglich zu machen, sind ebenso wichtig wie eine gewisse Einheitlichkeit der verwendeten Kategorien bei den unterschiedlichen Studien, damit eine Vergleichbarkeit der Resultate gegeben ist. Schneider (2007) und Lamberger-Felber/ Schneider (2008) trugen in ihren Arbeiten zu Interferenzen beim Dolmetschen diesem Umstand Rechnung und konzentrierten sich erstmals in der Dolmetschwissenschaft auf eine Analyse der bereits durchgeführten Klassifizierungen sowie der Zuordenbarkeit von Interferenzen zu den einzelnen Kategorien. Ausgehend von der Analyse stellten die Autorinnen Interferenzkategorien auf, welche die spezifische Situation des Dolmetschens berücksichtigen und eine klare Zuordenbarkeit und Abgrenzung der beim Simultandolmetschen erfassten Interferenzen ermöglichen sollen. Im 110 4 Interferenzen <?page no="111"?> Anschluss wird ein kurzer Überblick über die in unterschiedlichen Studien verwendeten Interferenzkategorien 2 sowie die Schwierigkeiten bei der Einteilung gegeben und schlussendlich die Klassifizierung von Schneider (2007) und Lamberger-Felber/ Schneider (2008) vorgestellt, welche auch auf Grund der guten Anwendbarkeit für das Simultandolmetschen und mit dem Ziel eine bessere Vergleichbarkeit von Studien untereinander als Einteilung für vorliegende Arbeit als Basis übernommen wird und im Bedarfsfall noch weiter untergliedert bzw. spezifiziert werden kann. Für die Translation, wobei diese Klassifizierung ausgehend von der Analyse von schriftlichen Übersetzungen aufgestellt wurde, unterteilt Heide Schmidt (1989: 33 ff) Interferenzen in rezeptive translatorische Interferenz und produktive translatorische Interferenz. Die rezeptive translatorische Interferenz entsteht bei der Verarbeitung des Zieltexts und geht somit auf eine Störung im Verstehensprozess zurück, wohingegen die produktive translatorische Interferenz eine Problemstelle bei der Formulierung trotz korrektem Verständnis des Ausgangstextes darstellt. Diese Einteilung ist ein interessanter Ansatz, da sie auch die Interferenzursachen miteinbezieht. Allerdings gibt es keine Möglichkeit, aus der reinen Analyse von Interferenzen auf den Entstehungszeitpunkt (Sprachrezeption vs. Sprachproduktion) zu schließen, und eine direkte Befragung der Übersetzer ist zwar möglich, beim Dolmetschen aber um einiges komplexer zu bewerkstelligen, da im Nachhinein viele Passagen den Dolmetschern selbst nicht mehr in Erinnerung sind. Deshalb wird in vorliegendem Forschungsprojekt auf diese Unterscheidung in Form von Interferenzkategorien verzichtet und versucht die Interferenzursachen als eigenen Punkt zu erfassen. Heide Schmidt unterscheidet in ihrer Analyse zusätzlich noch zwischen direkten und indirekten Interferenzen, wobei direkte Interferenzen eine Verletzung der grammatischen oder stilistischen Konventionen der Zielsprache mit der Folge einer Sinnveränderung und indirekte Interferenzen eine stilistische Beeinträchtigung ohne Bedeutungsverlust darstellen. Eine Grenze zwischen den beiden Kategorien zu ziehen ist allerdings sehr komplex und daher wird in vorliegender Arbeit auf eigenständige Kategorien von direkten und indirekten Interferenzen verzichtet, wobei jedoch bei der Auswertung der Daten eventuell noch der Punkt, inwieweit Interferenzen generell sinnverändernd sind, miteinbezogen wird. Eine erstmalige Einteilung von Interferenzen in Kategorien konkret in der Dolmetschwissenschaft stellt Brady (1989) bei seinem empirischen Experiment zu Interferenzen beim Vom-Blatt-Dolmetschen in der Sprachkombination 2 Für eine graphische Übersicht der wichtigsten bis dato verwendeten Kategorien in der Literatur vgl. Schneider 2007: 30. 4.2 Interferenzen in der Translationswissenschaft 111 <?page no="112"?> Italienisch - Englisch auf. Brady unterscheidet zwar zwischen grammatischen, lexikalischen, kulturellen und phonetischen Interferenzen, ohne jedoch näher auf die Klassifizierung einzugehen. Andere frühe Arbeiten zu Interferenzen von Hack (1992) und Stummer (1992) nehmen ebenfalls eine Einteilung von Interferenzen in unterschiedliche Kategorien vor, wobei von den beiden Autorinnen neben den linguistischen Kategorien der phonetischen/ phonologischen Interferenzen, morphologischen Interferenzen, syntaktischen Interferenzen, lexikalischen Interferenzen (bei Hack auch noch zusätzlich falsche Freunde und Wortschöpfungen) und semantischen Interferenzen auch intralinguale Interferenzen, wie Blends und Versprecher, in die Analyse miteinbezogen wurden. Schwierigkeiten bei der Einordnung in die einzelnen Kategorien hatten die Autorinnen bei der Auswertung der Daten einerseits auf Grund von fehlenden bzw. unzureichenden Definitionen und andererseits auf Grund von teilweise nicht geeigneten oder sich überschneidenden Kategorien, welche eine klare Abgrenzung nicht möglich machten. Kock (1993) unterteilte die ermittelten Interferenzen in ihrem empirischen Experiment in neben einigen bereits bekannten linguistischen Kategorien, wie phonologische, syntaktische, grammatische und lexikalische Interferenzen, auch noch in pragmatische, textuelle und kulturelle Interferenzen. Allerdings stellte sich eine Zuordnung zu diesen letzten Kategorien als äußerst schwierig heraus. Besonders hervorzuheben an Kocks Klassifizierung ist die neue Kategorie des simultanen Kurzschlusses, welcher auf Grund einer Überlappung der Sprachrezeptions- und Sprachproduktionsprozesse nur beim Simultandolmetschen vorkommt und erstmals eine geeignete Untergliederungsmöglichkeit für diese Art von Interferenzfehlern bildet. Russo und Sandrelli (2003) konzentrierten sich in ihrer Studie auf generelle Schwierigkeiten beim Dolmetschen in unterschiedlichen Sprachenpaaren, teilten aber ihr Analysematerial in 3 Teilbereiche: Dolmetschstrategien, Probleme und Interferenzen. Ihre Definition von Interferenzen umfasst ausschließlich lexikalische und morphosyntaktische Übernahmen des Ausgangstextes in der Zieltextproduktion, wobei die Autoren aber bei der Auswertung ihrer Daten nicht zwischen den beiden Kategorien unterschieden. Wo genau in der Analyse die Grenze zwischen grammatischen Problemen und Interferenzen gezogen wird, geht ebenfalls nicht klar hervor. Ballardini (2004) unterscheidet bei seiner Analyse von Vom-Blatt-Verdolmetschungen im Sprachenpaar Französisch - Italienisch zwischen morphosyntaktischen, phonologischen und lexikalischen Interferenzen, gibt allerdings nur sehr vage Definitionen an, weshalb keine Rückschlüsse darauf möglich sind, was genau er zu welchen Kategorien zählt. Ähnlich sieht es bei der Klassifi- 112 4 Interferenzen <?page no="113"?> zierung von Garwood (2004) aus, der nur zwischen lexikalischen und syntaktischen Interferenzen unterscheidet, aber ebenfalls keine Definitionen oder Einordnungskriterien dafür angibt. Schneider (2007) hat sich in ihrer Diplomarbeit eingehend mit den unterschiedlichen Interferenzkategorien, welche in der Dolmetschwissenschaft bis dato zum Einsatz kamen, auseinandergesetzt und liefert einen sehr umfassenden Überblick über die angewandten Kategorien sowie mögliche Definitionsbzw. Zuordnungsschwierigkeiten (vgl. Schneider 2007.26 ff ). Die Autorin wählte für ihre Studie nach eingehender Analyse jene Kategorien aus, die speziell für das Simultandolmetschen relevant erscheinen und die auch eine klare Zuordnung ohne Grenzfälle möglich machen. Die von ihr gewählten Interferenzkategorien wurden anschließend empirisch überprüft und kamen auch in einer Folgestudie von Lambergeber-Felber/ Schneider (2008) wieder zum Einsatz, wobei die Autorinnen bei der Auswertung der Daten alle Interferenzen mit ihrem Klassifizierungsmodell erfassen konnten und keinerlei Zuordnungsbzw. Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den einzelnen Kategorien feststellten. Jere šč enková (2014) verwendete eine Interferenztypologie, die auf der Einteilung von Schneider (2007) und Lamberger-Felber/ Schneider (2008) basierte, aber noch zusätzlich spezifischere Untergliederungen innerhalb der Kategorien, vor allem im morphosyntaktischen Bereich, vorsah, zusätzlich zur morphosyntaktischen Interferenz auch noch die Kategorie von syntaktischen Interferenzen beinhaltete sowie speziell für das Sprachenpaar Tschechisch - Deutsch auch die kulturelle Interferenz als relevant erachtete und miteinbezog. Die Autorin konnte ebenfalls gut mit der gewählten Klassifizierung arbeiten und alle Interferenzen klar zuordnen. Ș erban (2018) entwarf für Ihre Studie ebenfalls eine Interferenztypologie ausgehend von Schneiders Kategorien und passte diese an die Spezifika des Sprachenpaars Rumänisch - Deutsch an. In dieser Arbeit wurden ebenfalls die Kategorien der kulturellen und der syntaktischen Interferenzen zu Schneiders Typologie hinzugefügt. Ș erban nahm ebenso wie Waisová (2014) zusätzlich noch eine eigene Untergliederung für korrigierte Interferenzen vor, da die beiden Autorinnen ursprünglich nur unbewusste Übertragung ausgangssprachlicher Strukturen auf die Zielsprache als Interferenzen erfassen wollten. Jedoch stellten sie fest, dass Interferenzen sehr häufig korrigiert werden und erfassten diese Interferenztypen unter Interferenzen mit Output-Korrektur, ohne eine nähere Untergliederung in die jeweiligen linguistischen Kategorien vorzunehmen. Ausgehend von den Erfahrungen der unterschiedlichen Autoren scheint es wichtig, den Besonderheiten des jeweiligen Sprachenpaars in der gewählten Interferenztypologie Rechnung zu tragen, wobei sich die Klassifizierung von Schneider (2007) als gut geeigneter Ausgangspunkt herauskristallisiert hat. Im 4.2 Interferenzen in der Translationswissenschaft 113 <?page no="114"?> Anschluss werden die Interferenzkategorien von Schneider (2007), die für den empirischen Teil dieses Forschungsprojekts teilweise übernommen und an die Spezifika des Sprachenpaars Spanisch - Deutsch angepasst werden (vgl. Kapitel 4.3), vorgestellt. Schneider (2007) untergliedert Interferenzen grob in nicht dolmetschspezifische und simultandolmetschspezifische Interferenzen, wobei erstere auch in anderen Settings als nur beim Dolmetschen auftreten und zweitere spezifisch für die Situation des Simultandolmetschens sind und somit nicht in anderen zweisprachigen Kommunikationssituationen vorkommen. Die nichtdolmetschspezifischen Interferenzen werden weiters in phonologische, lexikalische und morphosyntaktische Interferenzen unterteilt und die simultandolmetschspezfischen Interferenzen in den simultanen Kurzschuss sowie die grammatische Kongruenz mit Ausgangstextelementen. Nicht dolmetschspezifische Interferenzen Simultandolmetschspezifische Interferenzen Phonologische Interferenz Simultaner Kurzschluss Lexikalische Interferenz Grammatische Kongruenz mit AT Morphosyntaktische Interferenz Abb. 8: Interferenztypologie nach Schneider (2007: 41) Zur phonologischen Interferenz gibt Schneider (2007: 31; 41) an, dass in der Forschungsliteratur die Begriffe phonologische und phonetische Interferenz uneinheitlich verwendet werden, obwohl damit jeweils dieselbe Interferenzkategorie, nämlich ein Normverstoß in der Zielsprache durch Übernahme der Aussprache der Ausgangssprache, gemeint ist. Unter lexikalische Interferenz fallen laut Schneiders Definition alle Arten von Normverstößen durch die Verwendung von Lexemen, welche teilweise oder ganz durch die Ausgangssprache beeinflusst sind, wobei die Autorin damit auch Kategorien wie falsche Freunde oder Wortschöpfungen, die in manchen Studien als eigene Punkte angeführt wurden, abdeckt. In Schneiders Interferenztypologie werden morphologische und syntaktische Interferenzen, welche in manchen Studien unter der Klassifizierung der grammatischen Interferenz geführt werden, nicht gesondert behandelt, da eine klare Trennung der beiden Kategorien nicht immer eindeutig möglich ist und rein morphologische Interferenzen sehr selten vorkommen bzw. sich in dem Sprachenpaar Englisch - Deutsch nicht als 114 4 Interferenzen <?page no="115"?> relevant herauskristallisiert haben. Besonders interessant ist auch die zusätzliche Einteilung in simultandolmetschspezifische Interferenzkategorie mit dem simultanen Kurzschluss einerseits und der grammatischen Kongruenz mit Ausgangstextelementen andererseits. Der simultane Kurzschluss wurde erstmals von Kock (1993) beobachtet und dokumentiert, wobei es sich um eine Vermischung von Ausgangstext- und Zieltextelementen handelt, und zwar auf Grund der Tatsache, dass beim Simultandolmetschen Sinneinheiten zeitversetzt verarbeitet werden und die neu einlaufende Information nicht mit der gerade vom Dolmetscher artikulierten Information übereinstimmt. Lamberger-Felber (1998a: 114) greift diese Kategorie wieder auf und spricht von einer Art zeitlichen Interferenz, „ [ … ] [die dann auftritt], wenn der Dolmetscher einzelne Wörter oder Satzteile aus dem Original an anderer Stelle inhaltsverändernd in die Dolmetschung einbaut oder falsch miteinander kombiniert. “ Diese Definition übernimmt Schneider für ihre Arbeit. Die grammatische Kongruenz mit Ausgangstextelementen bezeichnet schließlich einen Normverstoß, welcher als Folge einer grammatischen Übereinstimmung von Zieltextelementen mit der Ausgangssprache entsteht. Bei diesem Interferenztyp ist allerdings nicht klar, warum er eine simultandolmetschspezifische Interferenzkategorie darstellt bzw. wäre eine Abgrenzung zur morphosyntaktischen Interferenz nur möglich, wenn die Ursache dafür ganz klar im Simultandolmetschvorgang begründet wäre und nicht in einer normalen mehrsprachigen Sprachverarbeitung, die in anderen bilingualen Settings ebenfalls vorkommt, was aber nicht abschließend feststellbar ist. Eine genauere Definition der einzelnen Kategorien, die für die vorliegende Arbeit und die Auswertung der Daten des empirischen Experiments herangezogen werden, wird in Kapitel 6.4.1 gegeben. 4.2.3 Interferenzen in der Dolmetschdidaktik Interferenzen werden in Übersetzungen oder Verdolmetschungen größtenteils als Normabweichung bzw. Normverstoß definiert und somit als negatives Phänomen eingestuft. Wilss beschreibt die negativen Auswirkungen von Interferenzen auf den Zieltext folgendermaßen: „ Der Empfänger des Zieltextes ist, wenn er nicht über solche inhaltlichen und stilistischen Unzulänglichkeiten hinwegliest oder sie mit dem Mantel der christlichen Nächstenliebe zudeckt, frustriert “ (1989: 14). Die meisten Wissenschaftler stimmen mit Wilss überein, dass Interferenzen möglichst vermieden werden sollten, und plädieren für das Schaffen eines gewissen Bewusstseins über Interferenzen bei Studenten mit Hilfe von geeigneten didaktischen Maßnahmen sowie der Lehre von möglichen Eindämmungsstrategien. Allerdings gibt es keine einheitliche „ Toleranzgrenze “ 4.2 Interferenzen in der Translationswissenschaft 115 <?page no="116"?> für Interferenzen im Zieltext und je nach Autor werden Interferenzerscheinungen als unterschiedlich störend definiert. Holz-Mänttäri (1989) sieht Interferenzen als naturbedingtes Vorkommen in einer Kommunikationssituation, die sich im „ kulturellen Grenzbereich “ (Holz- Mänttäri 1989: 133) abspielt. Die Autorin sieht Interferenzen erst als problematisch bzw. als Beeinträchtigung im Zieltext, wenn diese einen gewissen Toleranzrahmen übersteigen, wobei dieser je nach Textsorte unterschiedlich ausfallen kann und vor allem bei literarischen Übersetzungen ein Durchscheinen der Ausgangssprache nicht immer nur negative Auswirkungen haben muss. Wichtig ist, dass der professionelle Translator erkennen kann, wann Interferenzen störend sind und diese dann vermeidet oder ausbessert, was wiederum in der Ausbildung gelehrt werden sollte. (Vgl. Holz-Mänttäri 1989: 129 ff.) Schmidt (1989: 35 ff ) sieht Interferenzen ebenfalls als nicht immer vermeidbares Phänomen beim Übersetzen und spricht ihnen je nach Zweck und Adressat der Übersetzung eine gewisse Legitimität zu. Die Ursachen für Interferenzen decken sich ihrer Ansicht nach mit den Ursachen für Translationsschwierigkeiten generell, wobei sie aus didaktischer Sicht für eine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen von Interferenzen auf den Zieltext und den möglichen Vorbzw. Nachteilen anderer Lösungen plädiert. Snell- Hornby (1989) wünscht sich in der Übersetzungsdidaktik einen ganzheitlicheren Ansatz, welcher nicht nur die reinen sprachlichen Strukturen und vor allem das einzelne Wort im Blick hat, sondern die Kommunikationssituation als Ganzes. Hierzu schreibt sie: „ Wünschenswert wäre es, als Ausgangspunkt nicht mehr das Wort zu nehmen, sondern die damit verbundene Handlung (etwa den Sprechakt) oder die größere Struktur (etwa die Metapher) und zu zeigen, mit welchen sprachlichen und gestalterischen Mitteln die verschiedenen Kulturgemeinschaften solche Handlungen vollziehen, solche Strukturen bilden “ (Snell-Hornby 1989: 141). Beim Simultandolmetschen ist es auf Grund der besonderen Situation und des Zeitdrucks nur bedingt möglich, die Legitimität von Interferenzen im Augenblick zu erkennen oder nachträgliche Korrekturen vorzunehmen. Jedoch können auch in der Dolmetschwissenschaft je nach Textsorte, Zweck und Adressat eine unterschiedliche Toleranzgrenze für Interferenzen angesetzt werden und Studenten didaktisch dementsprechend darauf vorbereitet werden. Kock (1993) stützt sich bei ihrer Einteilung von Interferenzen beim Simultandolmetschen auf die Skopostheorie (vgl. dazu Reiß/ Vermeer 1984: 95 ff ), welche die Funktion bzw. den Zweck des Translats in den Mittelpunkt stellt und davon ausgehend eine Interpretation des Ergebnisses ermöglicht. Die angehenden Dolmetscher können so sensibilisiert werden, wann Interferenzen besonders 116 4 Interferenzen <?page no="117"?> problematisch sind und unbedingt vermieden werden sollen, aber gleichzeitig eine gewisse Toleranz für Interferenzen in manchen Kontexten, vor allem bei literarischen Zitaten, kulturellen Anspielungen, teilweise auch bei Fachtexten, entwickeln. Manche Dolmetschwissenschaftler unterscheiden Interferenzen und ihren Toleranzrahmen je nach Schweregrad der Auswirkungen auf den Zieltext, wobei eine Abgrenzung zwischen sinnstörenden und nur stilbeeinträchtigenden Interferenzen sehr schwierig ist. Gile (2009: 165) spricht zum Beispiel von gravierender Interferenz (gross interference), wozu er offensichtliche Fehler im Bereich der Grammatik, Lexik oder Phonetik zählt und von diskreter Interferenz (discrete interference), welche einen Einfluss auf den Redefluss, die Klarheit oder den Stil hat und somit für den Zuhörer eine unangenehmere Performance darstellt. In der Dolmetschdidaktik werden unterschiedliche Strategien gelehrt, welche abhängig von Ausgangstext, Redegeschwindigkeit oder der Sprachkombination das Interferenzrisiko minimieren können (vgl. Kapitel 3.4). Kohn und Kalina (1996: 129 f) weisen darauf hin, dass Dolmetscher strategisch handeln müssen, um die kognitiven Ressourcen auf die gleichzeitig ablaufenden Prozesse beim Simultandolmetschen verteilen zu können, ohne dass es zu Interferenzen kommt, wobei unterschiedlichen Strategien und dem Training im Dolmetschen dabei eine wichtige Rolle zukommt. Einige didaktische Ansätze empfehlen zusätzlich das spezifische Trainieren von typischen Phrasen in unterschiedlichen Reden und Szenarien, wie Begrüßungsformeln, Eröffnungssätzen, Danksagungen, Schlusssätzen, oder auch das Einüben von häufig vorkommenden (halb-fixierten oder fixierten) Ausdrücken bzw. Verbindungen im jeweiligen Sprachenpaar. Niedzielski (1987) zum Beispiel geht von den Erkenntnissen zum Spracherwerb aus, wo sogenannte „ prefabricated chunks of language “ (Niedzielski 1987: 167), darunter idiomatische Ausdrücke, halbfixierte und fixierte Verbindungen, typische Phrasen zur Begrüßung etc., im Sprachlernprozess häufig zum Einsatz kommen und die Kommunikation erheblich erleichtern sowie natürlicher gestalten. Der Autor geht davon aus, dass ein solches Repertoire an vorgefertigten chunks, welche vom Dolmetscher verinnerlicht werden und auf die er dann in der Stresssituation des Simultandolmetschens zurückgreifen kann, die kognitive Belastung im Dolmetschprozess verringern kann und, vor allem bei Reden, deren Schwerpunkt auf der Formulierung liegt bzw. bei denen die stilistischen Mittel essenziell sind, wie zum Beispiel bei Eröffnungs- oder Dankesreden, unnatürliche Wort-für-Wort-Übertragungen aus der Ausgangssprache verhindern kann. (Vgl. Niedzielski 1987: 167 ff.) Hönig (1992) wiederum sieht die Entstehung von Interferenzen in vielen Fällen als Folge einer strategischen Entscheidung, welche auf der Angst vor einer zu großen Abweichung vom Ausgangstext und damit einhergehend der Selbst- 4.2 Interferenzen in der Translationswissenschaft 117 <?page no="118"?> verantwortung des Dolmetschers für sein Dolmetschprodukt gründet. Der Dolmetscher entscheidet sich also mehr oder weniger bewusst dafür, nahe am Ausgangstext zu bleiben, um so wenig wie möglich vom Inhalt der Originalrede abzuweichen, was jedoch gehäuft zu unbeabsichtigten Interferenzfehlern in der Zielsprache führen kann. Hönig schlägt deshalb vor, dass Translatoren in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt werden müssen, um den Mut aufzubringen, sich vermehrt von der Struktur der Ausgangssprache zu lösen. Es gibt, wie in diesem Kapitel aufgezeigt werden konnte, unterschiedliche Ansätze, wie die Interferenzproblematik in der Übersetzungs- und Dolmetschdidaktik vermittelt und auf welche Strategien bzw. Übungsmöglichkeiten der Fokus gelegt werden kann. Eine zu starke Konzentration auf das Vermeiden von Interferenzen in der Translationsdidaktik kann allerdings auch einen gegenteiligen Effekt haben und zu einem Phänomen führen, das Kußmaul (1989: 23 ff) als „ Interferenzphobie “ bezeichnet. Unter diesem Begriff wird verstanden, dass der Dolmetscher mit dem Ziel, Interferenzen zu verhindern, um jeden Preis formähnliche Äquivalente in der Zielsprache meidet und stattdessen Synonyme mit unterschiedlicher Form oder teilweise umständliche Umschreibungen wählt, obwohl das formal ähnliche Wort eine mögliche, manchmal sogar die beste Lösung wäre. Das Phänomen der Interferenzphobie ist vor allem bei fortgeschrittenen Studenten oder semiprofessionellen Translatoren zu beobachten und scheint auf eine Übergeneralisierung des Paraphrasierens als Übersetzungsstrategie zurückzugehen. Kußmaul verfolgt den Ansatz, dass im Übersetzerbzw. Dolmetscherstudium Strategien zur Vermeidung von Interferenzen gelehrt werden sollen, aber den Studenten auch klargemacht wird, dass der Schritt des Abstrahierens im Translationsprozess nicht zwingendermaßen zu einer Ausdrucksverschiebung führen muss, und plädiert in diesen Fällen für den „ Mut zur 1: 1-Entsprechung “ (Kußmaul 1989: 27). Ausgehend von den dolmetschdidaktischen Ansätzen zur Interferenzproblematik wäre von besonderem Interesse, welcher Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Lehrkonzepten, Dolmetschstrategien und Interferenzhäufigkeit besteht. Interventionsstudien könnten beispielsweise Aufschluss über den Erfolg von gewissen Strategien oder bestimmten Übungen in der Lehre zur Eindämmung von Interferenzen geben. Von Interesse wäre ebenfalls eine bessere Erforschung des Zusammenhangs zwischen Interferenzhäufigkeit und den in der Ausbildung gelehrten Dolmetschstrategien, aber auch den sprachspezifischen Lösungsstrategien von Problemstellen. Eine mögliche Erklärung für die in einigen empirischen Studien gefundenen Hinweise, dass bei professionellen Dolmetschern häufiger oder zumindest gleich häufig Interferenzen auftreten als bei Studenten (vgl. Kapitel 4.3), könnte neben der vermehrten Vollständigkeit und Genauigkeit der Verdolmetschung auch in einer 118 4 Interferenzen <?page no="119"?> höheren Sensibilisierung von Studenten für Interferenzfehler, je nach Ausbildungsinstitut und Dozent, begründet sein. In Bezug auf dolmetschdidaktische Fragestellungen und Interferenzerscheinung herrscht noch großes Forschungspotential, besonders was die tatsächlichen Auswirkungen der theoretischen didaktischen Überlegungen auf die praktische Ausübung des Simultandolmetschens betrifft. 4.3 Stand der Forschung in der empirischen Dolmetschwissenschaft Die empirische Dolmetschwissenschaft begann erst sehr spät, sich mit Interferenzerscheinungen zu beschäftigen, und einige der ersten Studien wurden im Rahmen von Diplomarbeiten oder mittels Experimenten in kleinem Rahmen durchgeführt. Auch aktuell sind Interferenzen, obwohl ein häufiges Auftreten beim Dolmetschen durch die starke Präsenz beider Sprachen erwiesen ist, noch ein relativ unerforschtes Gebiet. Die meisten Studien wurden mit kleinen Probandengruppen durchgeführt, dienten oft dazu, erste Ergebnisse zu gewinnen, und sind folglich häufig im explorativen Forschungsbereich einzuordnen. Die angewandten Methoden bei den Experimenten zu Interferenzen in der Dolmetschwissenschaft umfassen sowohl qualitative als auch quantitative Analysen des Dolmetschprodukts, meistens mit Rückschlüssen auf den Dolmetschprozess und auf mögliche Interferenzursachen, teilweise auch unter Bezugnahme auf retrospektive Einschätzungen der Dolmetscher. Bei den empirischen Studien wurden unterschiedliche Sprachenpaare untersucht, für das Sprachenpaar Spanisch - Deutsch gibt es jedoch aktuell noch keine Forschungsarbeiten in diesem Bereich. Schwierigkeiten bei der Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Experimente sind die verschiedenen angewandten Parameter und Versuchsbedingungen, eine unterschiedliche Auslegung des Interferenzbegriffs bzw. teilweise fehlende Eingrenzungen oder Definitionen sowie die nicht einheitliche Einteilung in Interferenzkategorien. Zusätzlich zu den Arbeiten, die sich explizit mit Interferenzen und ihren Auslösern beschäftigten, liefern auch einige Studien, welche die Erforschung dieses Themas zwar nicht als Hauptziel hatten, sondern sich auf allgemeine Fehleranalysen oder sprachstrukturelle Besonderheiten konzentrierten, aber Interferenzen bei der Auswertung der Daten beachteten, interessante Daten (vgl. dazu z. B. Brady 1989; Agrifoglio 2004; Kiess 2014). Im Anschluss wird der aktuelle Forschungsstand zu Interferenzerscheinungen in der Dolmetschwissenschaft unter Bezugnahme auf die für das Forschungsprojekt relevanten empirischen Studien skizziert. 4.3 Stand der Forschung in der empirischen Dolmetschwissenschaft 119 <?page no="120"?> Eines der ersten dolmetschwissenschaftlichen Experimente, das sich empirisch mit Interferenzen auseinandersetzte, behandelt die Sonderform des Vom- Blatt-Dolmetschens. Dabei untersuchte Brady (1989) den Output von Studenten und Lehrpersonen der Universität Triest beim Vom-Blatt-Dolmetschen in der Dolmetschrichtung Italienisch - Englisch, um die Spezifika dieses Dolmetschmodus zu erforschen und zu beschreiben. Er widmete sich in seiner Analyse auch dem Thema der Interferenzerscheinungen in die Mutter- und Fremdsprache und stellte erstmalig eine Einteilung in Interferenzkategorien in der Dolmetschwissenschaft auf. Die von Brady ermittelten Interferenzkategorien sind folgende: grammatische, lexikalische, kulturelle und phonetische Interferenzen. Die Ergebnisse der Studie widerlegen die Annahme, dass beim Dolmetschen in die Muttersprache ein geringeres Interferenzpotential besteht, sondern zeigen auf, dass Interferenzen in beiden Dolmetschrichtungen ungefähr gleich häufig vorkommen. Dieses Ergebnis konnte auch im Experiment von Lauterbach (2009: 92, 99 ff ) für das Simultandolmetschen mit den Sprachenpaaren Englisch - Deutsch/ Deutsch - Englisch und Russisch - Deutsch/ Deutsch - Russisch bestätigt werden. Č e ň ková (1988) stellte in ihrer Studie zu Interferenzen in der Sprachkombination Tschechisch - Russisch/ Russisch - Tschechisch fest, dass sogar mehr Interferenzen beim Dolmetschen in die Muttersprache als in die Fremdsprache produziert werden, was sie als Bestätigung dafür sieht, dass Interferenzen beim Simultandolmetschen überwiegend auf psycholinguistische Ursachen zurückzuführen sind. Dailid ė nait ė und Volynec (2013), die ein empirisches Experiment zu lexikalischen Interferenzen beim Simultandolmetschen vom Englischen ins Litauische und umgekehrt durchführten, kamen hingegen bei ihrer quantitativen Analyse zum Schluss, dass zwar in beiden Dolmetschrichtungen Interferenzen vorkommen, dass aber die Anzahl lexikalischer Interferenzen beim Dolmetschen in die Fremdsprache höher ist und es vermehrt zu sinnverändernden oder das Verständnis beeinträchtigenden Interferenzfehlern kommt, wohingegen beim Dolmetschen in die Muttersprache häufiger der Redefluss oder der Stil betroffen sind. Russo und Sandrelli (2003), die sich zwar hauptsächlich mit der Dolmetschrichtung beim Simultandolmetschen und nicht mit Interferenzen an sich beschäftigten, konnten bei der Datenauswertung von studentischen Verdolmetschungen in unterschiedlichen Sprachkombinationen, wobei Spanisch bei allen Probanden als Mutter- oder Fremdsprache enthalten war, feststellen, dass beim Dolmetschen in die Fremdsprache der Grad der Sprachbeherrschung und die Ähnlichkeit der Sprachen ausschlaggebend für die Häufigkeit von Interferenzen sind. Die Autoren diagnostizierten bei dem strukturell sehr ähnlichen Sprachenpaar Italienisch - Spanisch ein auffallend hohes Interferenzrisiko, auch bei fortgeschrittenen Dolmetschstudenten. Allerdings sollte bezüglich der 120 4 Interferenzen <?page no="121"?> Aussagekraft der Ergebnisse von Russos und Sandrellis Studie hinzugefügt werden, dass die Autorinnen keine klaren Definitionen für Interferenzen und keine Abgrenzung zu anderen sprachlichen Phänomenen anführen und daher nicht feststellbar ist, was bei der Auswertung konkret zum Interferenzbegriff gezählt wurde. Simonetto (2002) führte eine deskriptive Analyse von Abschlussprüfungen von italienischen Muttersprachlern in der Dolmetschrichtung Spanisch - Italienisch an der Universität Forlì durch. Dabei lag das Hauptaugenmerk darauf, Schwierigkeiten beim Simultandolmetschen zwischen den beiden typologisch sehr ähnlichen Sprachen durch die Ermittlung und Beschreibung von Interferenzen aufzuzeigen. Die Autorin stellt dabei schlussfolgernd ebenfalls fest, dass Interferenzen bei strukturell ähnlichen Sprachenpaaren sehr häufig für Dolmetschschwierigkeiten verantwortlich sind. Die Auswertung der Daten von Bradys Studie (1989) weist ebenfalls darauf hin, dass morphosyntaktisch ähnliche Sprachstrukturen ein höheres Interferenzrisiko bergen können. Brady (1989: 151) schreibt hierzu: „ Under certain circumstances there may be more danger of grammatical interference where there is a similarity between the source language construction and the target language construction than when the two are very different. “ Die Frage, ob morphosyntaktisch ähnliche Sprachen ein höheres Interferenzpotential bergen als sehr unterschiedliche Sprachen, wurde in Studien anderer Autoren wieder aufgegriffen. So ermittelte Lauterbach (2009: 65 ff; 92) ebenfalls eine höhere Interferenzzahl in Verdolmetschungen zwischen den strukturell ähnlichen Sprachen Englisch und Deutsch als bei dem unterschiedlicheren Sprachenpaar Russisch und Deutsch, während hingegen allgemeine Sprechfehler bei dieser Sprachkombination auffallend häufiger vorkamen. Auch Kiess (2014: 68 ff ) kam in seinem empirischen Experiment zum Thema Strategien beim Simultandolmetschen in den Sprachkombinationen Japanisch - Deutsch und Englisch - Deutsch zu dem Ergebnis, dass bei der Dolmetschrichtung Englisch - Deutsch Sprachstrukturen viel häufiger übernommen werden können und dadurch ein höheres Interferenzpotential besteht als in Verdolmetschungen vom Japanischen ins Deutsche, wo auf Grund der Unterschiedlichkeit der beiden Sprachen weniger Interferenzen, dafür aber mehr inhaltliche Fehler bzw. Auslassungen produziert werden. Die ersten Forschungsexperimente, die sich speziell dem Thema Interferenzen beim Simultandolmetschen widmen, wurden auf universitärer Ebene im Rahmen von Diplomarbeiten durchgeführt. Hack (1992) und Stummer (1992) untersuchten in ihren Diplomarbeiten an der Universität Heidelberg ein Korpus mit Verdolmetschungen von Studenten in der Sprachkombination Englisch - Deutsch auf Interferenzen, wobei alle Teilnehmer Deutsch als Muttersprache und Englisch als B-Sprache hatten. Beide Verfasserinnen versuchten, ausgehend 4.3 Stand der Forschung in der empirischen Dolmetschwissenschaft 121 <?page no="122"?> von der Dolmetschproduktanalyse Rückschlüsse auf Ursachen von Interferenzen zu ziehen, und sehen diese vorrangig im Dolmetschprozess. In Hacks und Stummers Arbeiten wurde versucht, anhand der ermittelten Interferenzen eine Kategorisierung vorzunehmen, welche die Bereiche Lexik, Syntax, Morphologie, Semantik und Phonologie/ Phonetik erfasst. Außerdem bezogen die Autorinnen intralinguale Interferenzen (Blends und Versprecher) in die Analyse mit ein. Sowohl Hack als auch Stummer geben an, dass sie Schwierigkeiten hatten, die Interferenzen den unterschiedlichen Kategorien zuzuordnen, was auf fehlende Definitionen und Abgrenzungen hinweist. Folglich sind die Ergebnisse der beiden Arbeiten unter Vorbehalt zu betrachten. Hack konzentrierte sich in ihrer Arbeit hauptsächlich auf die Beschreibung der ermittelten Interferenzen anhand von Beispielen, wohingegen Stummer auch eine quantitative Analyse zur Häufigkeit unterschiedlicher Interferenzkategorien vornahm. Bei der statistischen Auswertung der Daten ermittelte Stummer (vgl. 1992: 95 ff ), dass am häufigsten syntaktische Interferenzen, gefolgt von Blends und lexikalischen Interferenzen im Korpus vorkommen. Es ist jedoch eine große Schwankungsbreite zwischen den einzelnen Dolmetschern und im Verlauf der Reden zu beobachten. Interessant scheint auch die Feststellung, dass bei fortgeschrittenen Studenten mehr Interferenzen verzeichnet wurden als bei Anfängern. Zu dieser Erkenntnis kam ebenfalls Garwood (2004) bei seinem empirischen Experiment zu Interferenzen beim Simultandolmetschen mit Studenten und professionellen Dolmetschern. Bei seiner Analyse zeigte sich, dass fortgeschrittene Studenten und professionelle Dolmetscher durchschnittlich mehr Interferenzen produzieren als Anfänger und diese auch seltener korrigieren. Auch die Ergebnisse von Setton und Motta (2007) bei ihrem Experiment zum Simultandolmetschen mit Textvorlage, bei dem sie sich zwar nicht mit Interferenzen beschäftigten, sondern die Leistungen von Anfängern und professionellen Dolmetschern verglichen, zeigten auf, dass die Experten viel näher an der Satzstruktur der Ausgangsrede blieben und durchschnittlich um 34,5 % mehr Wörter verwendeten als die Anfänger. Stummer (1992) sieht die Gründe dafür in den vielen Auslassungen und damit der generell verkürzten Redezeit von Anfängern im Vergleich zu Fortgeschrittenen. Fortgeschrittene sind auch mehr um inhaltliche Vollständigkeit und die Vermeidung von Inhaltsfehlern bemüht, was in einigen Fällen auf Kosten der Formulierung und des Ausdrucks geht. Garwood (2004) erklärt sich diese Diskrepanz ebenfalls damit, dass Fortgeschrittene der inhaltlichen Genauigkeit und Vollständigkeit Priorität geben und sich Anfänger häufiger auf die Formulierung konzentrieren und zusammenfassend dolmetschen. Bei seiner Analyse sieht Garwood Interferenzfehler als geringeres Problem im Vergleich zu inhaltlichen Schwierigkeiten oder Auslassungen, ohne dabei darauf einzugehen, dass Interferenzen auch zu 122 4 Interferenzen <?page no="123"?> Sinnfehlern und inhaltlichen Verzerrungen führen können. Lamberger-Felber und Schneider (2008: 234) konnten in ihrem Experiment durch retrospektive Befragung der Dolmetscher ermitteln, dass die Verdolmetschung, bei der durchschnittlich am meisten Interferenzen ermittelt wurden, von 80 % der Probanden in ihrer Selbsteinschätzung als ihre „ beste Leistung “ klassifiziert wurde, was aufzeigt, dass Interferenzen von professionellen Dolmetschern im Gegensatz zu inhaltlichen Schwierigkeiten nicht als Problem gesehen werden, und was ebenfalls eine Erklärung für die geringe Korrekturrate von Interferenzfehlern bei fortgeschrittenen Dolmetschstudenten und professionellen Dolmetschern sein könnte. Kock (1993), die ebenfalls im Rahmen ihrer Diplomarbeit an der Universität Heidelberg zum Thema Interferenzen forschte, untersuchte im Korpus mögliche Interferenzauslöser und Bereiche, die beim Dolmetschen ein potenzielles Interferenzrisiko darstellen. Zusätzlich zu den bereits von Hack und Stummer verwendeten Interferenzkategorien unterscheidet sie noch kulturelle, pragmatische und textuelle sowie absichtlich verwendete Interferenzen. Ebenfalls neu ist die Definition des Interferenztyps simultaner Kurzschluss, welcher nur beim Simultandolmetschen zu beobachten ist und sich darauf bezieht, dass bei der Wiedergabe in der Zielsprache nicht nur jene Informationen, die gerade sprachlich verarbeitet werden, sondern auch neu einlaufende Sinneinheiten, die während der Produktion der noch vorangehenden Einheit gehört werden, zu einer Interferenz führen können. Kock stellt schlussfolgernd fest, dass das Auftreten von Interferenzen im Zusammenhang mit der Sprachkombination und den jeweiligen Kulturen sowie den Dolmetschstrategien zu betrachten sind. 2004 wurden mehrere Studien zu Interferenzerscheinungen in der Dolmetschwissenschaft veröffentlicht. Die Daten dieser Experimente liefern interessante Erkenntnisse zu dem bis dato sehr spärlich erforschten Phänomen der Interferenzen beim Dolmetschen. Sie sind allerdings mit Vorbehalt zu betrachten, da fehlende Definitionen für Interferenzen allgemein bzw. für deren Unterkategorien sowie uneinheitliche oder nicht vorhandene Kriterien zur Einordnung in Kategorien und deren Abgrenzung untereinander nur eine teilweise Interpretation der Ergebnisse ermöglichen. Garwoods Experiment (2004) zu Interferenzen beim Simultandolmetschen mit Studenten und professionellen Dolmetschern wurde bereits weiter oben genauer beleuchtet. Mead (2004) führte ebenfalls eine empirische Untersuchung mit Studenten und professionellen Dolmetschern durch, allerdings zur Flüssigkeit beim Konsekutivdolmetschen. Dabei definierte er Interferenzen als störenden Einfluss von kognitiven Prozessen auf andere Prozesse, der sich durch Pausen und Schwierigkeiten bei der Formulierung niederschlägt. Durch Retrospektion der Probanden versuchte Mead, die Auslöser dieser Schwierigkeiten zu ermitteln, 4.3 Stand der Forschung in der empirischen Dolmetschwissenschaft 123 <?page no="124"?> analysierte jedoch nicht die sprachlichen Interferenzen in den Verdolmetschungen an sich. Ballardini (2004) führte eine Analyse von Vom-Blatt-Verdolmetschungen im Sprachenpaar Französisch - Italienisch durch und bewertete die ermittelten Interferenzen in der Zielsprache. Dabei nahm er eine Unterteilung in phonologische, lexikalische und morphosyntaktische Interferenzen vor, ohne jedoch diese Interferenzklassen näher zu definieren. Ballardini stellte abschließend fest, dass Interferenzen nicht eine ausschließlich negative Erscheinung sind, die es um jeden Preis zu vermeiden gilt, und spricht ihnen, solange sie keine Sinnveränderungen bewirken, eine gewisse Legitimität zu, insbesondere in Anbetracht der besonderen Herausforderungen beim Vom-Blatt-Dolmetschen. Agrifoglio (2004) verglich in ihrer empirischen Arbeit die Dolmetschmodi Vom-Blatt-Dolmetschen, Konsekutivdolmetschen und Simultandolmetschen in Bezug auf Ausdrucks- und Inhaltsfehler in der Sprachkombination Englisch - Spanisch, wobei Spanisch die Muttersprache der Probanden war. Sie kam zum Schluss, dass Ausdrucksfehler häufiger beim Vom-Blatt-Dolmetschen vorkommen, Inhaltsfehler hingegen öfter beim Konsekutiv- und Simultandolmetschen. Agrifoglio spricht zwar von Interferenzen und wertet sie als Teil der Ausdrucksfehler, gibt jedoch keine Definition für Interferenzen und führt auch keine Untergliederung in Kategorien durch. Die meisten der von ihr ermittelten Ausdrucksfehler können aber zu den Interferenzfehlern gezählt werden. Jere šč enková (2014) beschäftigte sich in Anlehnung an Agrifoglios Studie im Rahmen ihrer Masterarbeit an der Universität Wien ebenfalls mit unterschiedlichen Dolmetschmodi und untersuchte Interferenzen beim Vom-Blatt-Dolmetschen und beim Simultandolmetschen. Bei ihrem Experiment ließ sie 6 Dolmetschstudenten je eine Rede simultan und eine vom Blatt vom Tschechischen ins Deutsche (bei 5 der Probanden die B-Sprache und bei einem, der bilingual war, die A-Sprache) dolmetschen. Die Hypothese, dass beim Vom- Blatt-Dolmetschen mehr Interferenzen produziert werden als beim Simultandolmetschen, konnte zwar bestätigt werden, allerdings wies Jere šč enková darauf hin, dass ein Vergleich der beiden Dolmetschmodi auf Grund unterschiedlicher Faktoren sehr kompliziert ist. Eine Überprüfung der Resultate mit größeren und homogeneren Probandengruppen wäre demnach wünschenswert. Im Rahmen der Arbeit wird aufbauend auf die Klassifizierung von Schneider (2007) und Lamberger-Felber/ Schneider (2008) auch speziell eine Interferenztypologie für das Sprachenpaar Tschechisch - Deutsch aufgestellt, auf die nachfolgende Arbeiten aufbauen können. Wichtige Forschungsergebnisse zu Interferenzen beim Simultandolmetschen mit bzw. ohne Text und vor allem in Bezug auf eine dolmetschspezifische Interferenztypologie liefert die Diplomarbeit von Schneider (2007). Das verwendete Korpus besteht aus einer Ausgangsrede in Englisch, die von 12 124 4 Interferenzen <?page no="125"?> professionellen Konferenzdolmetschern in ihre Muttersprache Deutsch gedolmetscht wurde, wobei 4 ohne Textvorlage, 3 mit vorbereiteter Textvorlage und 5 mit unvorbereiteter Textvorlage dolmetschten. Schneider legte bei ihrer Arbeit große Aufmerksamkeit auf die Definition, die Einteilung in Kategorien sowie die Abgrenzung dieser untereinander, um die in einigen der vorgestellten Experimente aufgetretenen Schwierigkeiten, welche die Interpretation und Vergleichbarkeit der Resultate behindern, zu vermeiden. In die gewählte Interferenztypologie aufgenommen wurden daher nur Kategorien, die für die Autorinnen eindeutig abgrenzbar waren und die alle Interferenzen des untersuchten Korpus abdeckten. Schneider (2007: 40 ff ) unterteilt die Interferenzen in nicht dolmetschspezifische Interferenzen, welche in phonologische, lexikalische und morphosyntaktische Interferenzen untergliedert werden, und simultandolmetschspezifische Interferenzen, wozu sie den simultanen Kurzschluss (vgl. Kock 1993; Lamberger-Felber 1998) sowie die grammatische Kongruenz mit Ausgangstext-Elementen zählt (vgl. Kapitel 4.2.2). Schneider konnte bei der Auswertung der Ergebnisse bestätigen, dass die von ihr gewählte Interferenztypologie für das analysierte Korpus geeignet war und alle Interferenzen eindeutig zugeordnet werden konnten. Am häufigsten konnte Schneider Interferenzen in der Kategorie der Lexik, gefolgt von morphosyntaktischen Interferenzen und dem simultanen Kurzschluss beobachten. Phonologische Interferenzen kamen am seltensten und ausschließlich bei Eigennamen vor. Zusätzlich zur quantitativen Auswertung von Interferenzen und ihrer Einteilung in Interferenzkategorien hatte Schneiders Studie zum Ziel, 3 Hypothesen zu überprüfen. Hypothese 1 war, dass mit unvorbereiteter Textvorlage am meisten Interferenzen auftreten und komplett ohne Textvorlage am wenigsten. Diese Hypothese konnte nicht verifiziert werden und anhand der ausgewerteten Daten kann davon ausgegangen werden, dass die Versuchsbedingung nicht vorrangig für die Interferenzhäufigkeit verantwortlich ist. Hypothese 2 besagte, dass Interferenzen beim Simultandolmetschen häufiger an generellen Problemstellen auftreten, da sie auf ein Verarbeitungsdefizit hinweisen. Schneider konnte ermitteln, dass fast 60 % aller Interferenzen entweder vor Auslassungen und bei akustisch hörbaren Schwierigkeiten auftraten oder zu Inhaltsfehlern führten, und sieht diese Hypothese damit als verifiziert. Hypothese 3 lautete, dass Verdolmetschungen mit vielen Inhaltsfehlern auch mehr Interferenzen aufweisen und dass hingegen bei Dolmetschleistungen mit vielen Auslassungen weniger Interferenzen beobachtet werden können. Der Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Inhalts- und Interferenzfehlern bestätigte sich nur für die Hälfte aller Probanden. Bezüglich der Korrelation zwischen Auslassungen und einer Abnahme von Interferenzen konnte keine eindeutige Verifizierung der Hypothese erreicht werden, da die Schwankungsbreite 4.3 Stand der Forschung in der empirischen Dolmetschwissenschaft 125 <?page no="126"?> zwischen den einzelnen Dolmetschern sehr hoch war. Allerdings zeichnet sich insgesamt die Tendenz ab, dass vollständigere Verdolmetschungen das Interferenzrisiko erhöhen. Schneider schreibt in ihrer Zusammenfassung, dass das Thema der Interferenzerscheinungen beim Dolmetschen noch ein großes Forschungspotential birgt und dass Experimente mit unterschiedlichen Sprachenpaaren, Textsorten, Versuchsbedingungen etc. notwendig sind, um Erkenntnisse in diesem Bereich der Dolmetschwissenschaft zu gewinnen. Sie merkt auch an, dass eine Verbindung mit retrospektiven Befragungen in ihrer Studie sinnvoll gewesen wäre und einige zusätzliche Fragen aufklären hätte können. Lamberg-Felber und Schneider (2008: 215 ff ) führten aufbauend auf der Diplomarbeit von Schneider (2007) eine Fallstudie zu Interferenzen beim Simultandolmetschen mit Text durch, wobei sie zwölf professionelle Konferenzdolmetscher 3 unterschiedliche Reden vom Englischen in ihre Muttersprache Deutsch dolmetschen ließen. Bei jeder Rede dolmetschten 4 Versuchspersonen ohne schriftliche Textvorlage, 4 mit unvorbereitetem Redemanuskript und 4 mit vorbereitetem Redemanuskript. Erster Gegenstand der Studie war, basierend auf der Pilotstudie von Schneider (2007), eine bessere Erforschung unterschiedlicher Interferenztypologien bezüglich ihrer Relevanz und Anwendbarkeit als Parameter in der empirischen Dolmetschwissenschaft sowie eine klare Definition und Unterteilung der Kategorien, um für zukünftige Studien eine bessere Vergleichbarkeit zu erreichen. Das zweite Ziel war die Überprüfung der Hypothesen, dass beim Simultandolmetschen mit Verwendung des Redemanuskripts auf Grund des doppelten Inputs (auditiv und visuell) mehr Interferenzen produziert werden und dass eine Vorbereitung des Manuskripts im Voraus die Interferenzhäufigkeit senkt. Die Autorinnen konnten die erste Hypothese nicht eindeutig beweisen oder widerlegen. Allerdings stellten sie fest, dass entgegen ihrer Annahme bei der zweiten Hypothese die Dolmetscher mit einem vorbereiteten Redemanuskript durchschnittlich mehr Interferenzfehler produzierten als mit einem unvorbereiteten. Ein ebenfalls interessantes Ergebnis des Experiments war, dass bei der Rede, die von allen Dolmetschern als einfachste klassifiziert wurde, die höchsten Durchschnittswerte an Interferenzfehlern gemessen werden konnten. Dies könnte eine Bestätigung der Ergebnisse von Dams Studie zu formbasiertem bzw. sinnbasiertem Dolmetschen bei Reden mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad sein, welche eine höhere Tendenz zu formbasiertem Dolmetschen bei einfacheren Texten und eine vermehrte Loslösung von der Textoberfläche bei schwierigen Reden aufzeigten (vgl. Dam 2001). Die Auswertung der Daten wies außerdem darauf hin, dass die Interferenzhäufigkeit mit Anstieg der Redegeschwindigkeit abnimmt, was ebenso wie die Tendenz zum sinnbasierten Dolmetschen bei schwierigen Reden auf 126 4 Interferenzen <?page no="127"?> einen vergrößerten zeitlichen Abstand zum Redner (Décalage) und damit verbunden auf die Aktivierung des nonverbalen Gedächtnisses und der zeitlich sehr beschränkten Speicherung der verbalen Erinnerung zurückzuführen sein könnte (vgl. Dam 2001; Goldman-Eisler 1972; Baddeley 1992; Isham 1994; Darò/ Fabbro 1994; Gile 1995: 1992 ff.). Auf Grund der beschränkten Anzahl an Probanden und der eher geringen Datenmenge bedarf es jedoch einer oder mehrerer Folgestudien, um diesbezüglich gesicherte Aussagen treffen zu können. Bezüglich der Häufigkeit und der Interferenzkategorien konnten Lamberger-Felber und Schneider feststellen, dass unabhängig von der Ausgangsrede und den individuellen Differenzen zwischen den Dolmetschern mehrheitlich lexikalische oder morphosyntaktische Interferenzen vorkommen. Es scheint, dass die Art des Dolmetschens (mit/ ohne Text) weit weniger Auswirkungen auf die Häufigkeit von Interferenzen hat als die individuellen Leistungen bzw. angewandten Dolmetschstrategien. Lamberger-Felber und Schneider weisen darauf hin, dass trotz der limitierten Daten ihrer Studie Interferenzen als sehr häufiges Phänomen beim Dolmetschen belegt werden können und folglich weitere empirische Untersuchungen mit unterschiedlichen Sprachenpaaren, verschiedenen Ausgangstexten etc. notwendig sind. (Vgl. Lamberger-Felber/ Schneider 2008: 230 ff.) In Anlehnung an die von Lamberger-Felber und Schneider durchgeführte Fallstudie führte Waisová (2014) im Rahmen ihrer Masterarbeit an der Universität Wien ein empirisches Experiment zum Simultandolmetschen mit und ohne Textvorlage in der Sprachkombination Deutsch - Tschechisch durch. Bei den Probanden handelte es sich um Dolmetschstudenten mit Muttersprache Tschechisch. Waisovás Studie hatte zum Ziel, die Hypothese zu überprüfen, dass auf Grund der Doppelbelastung (auditiv und visuell) mehr Interferenzen beim Simultandolmetschen mit Text entstehen als ohne, und weiters ging es darum, die Häufigkeit von Interferenzen sowie die unterschiedlichen Interferenztypen, basierend auf der Kategorisierung von Č e ň ková (1988), im Sprachenpaar Deutsch - Tschechisch zu untersuchen. Die Einteilung erfolgte dabei in lexikalische, lexikalisch-syntaktische und morphologische Interferenzen (mit je 3 Unterkategorien) sowie in Interferenzen mit Output-Korrektur. Am häufigsten kam es in Waisovás Experiment zu lexikalisch-syntaktischen Interferenzen. Die quantitative Analyse konnte die zuvor formulierte Hypothese verifizieren, zeigte aber auch gleichzeitig auf, dass die Anzahl von korrigierten Interferenzen beim Simultandolmetschen mit Text auffallend hoch war im Vergleich zum Simultandolmetschen ohne Text, wohingegen die Anzahl der ermittelten Interferenzen in den anderen Kategorien kaum eine Abweichung zeigte. Ș erban (2018) beschäftigte sich in ihrer Masterarbeit ebenfalls mit Interferenzen beim Simultandolmetschen mit und ohne Textvorlage, aber im Sprachen- 4.3 Stand der Forschung in der empirischen Dolmetschwissenschaft 127 <?page no="128"?> paar Deutsch - Rumänisch und mit professionellen Dolmetschern. Da es sich um nur eine sehr kleine Probandengruppe mit 4 professionellen Dolmetschern handelte, sind die Ergebnisse zwar mit Vorbehalt zu interpretieren, liefern aber interessante Hinweise bezüglich der Schwierigkeitsstellen für Interferenzen im genannten Sprachenpaar. Die Ergebnisse der Auswertung zeigen in absoluten Zahlen auf, dass bei den 4 professionellen Dolmetschern im Sprachenpaar Deutsch - Rumänisch ebenfalls mehr Interferenzen beim Dolmetschen mit Text vorkommen und das in fast allen Interferenzkategorien, außer dem simultanen Kurzschluss, welcher durch die Textvorlage sehr viel seltener auftrat. Die Autorin weist jedoch darauf hin, dass bei der Interpretation der Resultate zu beachten ist, dass auch die Verdolmetschung mit Textvorlage vollständiger war, was wiederum mehr Interferenzpotential birgt. Interessant ist auch die Feststellung, dass die beiden Dolmetscherinnen, welche angaben, dass sie zweisprachig in Rumänisch und Deutsch aufgewachsen sind, mehr Interferenzen produzierten als die anderen beiden. Die identifizierten Schwierigkeiten im Sprachenpaar Deutsch - Rumänisch liefern auf Grund der Ähnlichkeit der romanischen Sprachen untereinander ebenfalls wichtige Hinweise für die im Forschungsprojekt gewählte Sprachkombination. Als besonders herausfordernd bewerteten die Dolmetscher die Übertragung von Wortspielen bzw. idiomatischen Ausdrücken, Eigennamen und Komposita vom Deutschen ins Rumänische, wobei die häufigsten Interferenzfehler in beiden Versuchsbedingungen lexikalischer Natur waren, beim Simultandolmetschen ohne Text gleichauf mit dem simultanen Kurzschluss, gefolgt von morphosyntaktischen Interferenzen. Bei der Verdolmetschung von Komposita entstanden sowohl häufig lexikalische als auch morphosyntaktische Interferenzen und bei den morphosyntaktischen Interferenzen waren Fehler bei Komposita sogar die häufigste Untergruppe. Phonetische Interferenzen kamen am seltensten vor. (Vgl. Ș erban 2018: 71 ff.) Die Häufigkeit des Auftretens der unterschiedlichen Interferenzkategorien in Ș erbans Experiment deckt sich größtenteils mit den Ergebnissen von Schneider (2007) im Sprachenpaar Englisch - Deutsch. Eike Lauterbach (2009) beschäftigte sich im Rahmen ihrer Dissertation mit Sprechfehlern und Interferenzprozessen beim Simultandolmetschen. Für ihre Studie untersuchte sie die Diplomprüfungsreden von Studenten der Universität Leipzig, wobei sie Verdolmetschungen von 16 Probanden mit deutscher Muttersprache für die Sprachkombinationen Englisch - Deutsch und Deutsch - Englisch und von 4 Probanden mit russischer Muttersprache für die Sprachkombinationen Russisch - Deutsch und Deutsch - Russisch sowie einen umformulierten deutschen Text von 9 Muttersprachlern, die Studenten anderer Fachrichtungen waren und als Kontrollgruppe fungierten, analysierte. Das Hauptaugenmerk ihrer Arbeit liegt auf Sprechfehlern, folglich werden haupt- 128 4 Interferenzen <?page no="129"?> sächlich jene Interferenzprozesse, die Auslöser für Versprecher sind, behandelt. Neben den Beobachtungen bezüglich der Dolmetschrichtung und der Ähnlichkeit der Sprachenpaare sind interessante Ergebnisse der Studie, dass im Sprachenpaar Deutsch - Englisch und Englisch - Deutsch hauptsächlich Eigennamen oder Fachtermini von Interferenzprozessen betroffen waren, wohingegen beim Dolmetschen vom Russischen ins Deutsche gehäuft phonetische Interferenzen auftraten. Außerdem konnte Lauterbach auch eine Interferenz mit der L3 einer Dolmetscherin, nämlich mit der französischen Sprache, feststellen. In ihrer Schlussbetrachtung (Lauterbach 2009: 103 ff ) plädiert die Autorin für eine Thematisierung von Sprechfehlern und Interferenzprozessen in der Dolmetscherausbildung, wobei vor allem wichtig wäre, dass sich die angehenden Dolmetscher dessen bewusst sind, welche Arten von Interferenzen und Sprechfehlern auftreten können, wann diese vermehrt auftreten und welche Wortarten betroffen sind. Sie vertritt die Meinung, dass Sprechfehler grundsätzlich nicht zu vermeiden sind, dass jedoch Interferenzen durch eine Bewusstmachung und gezieltes Üben sehr wohl reduzierbar seien. 4.4 Mögliche Ursachen für Interferenzen im Dolmetschprozess Ganz allgemein sind sich die meisten Autoren in der Übersetzungs- und auch der Dolmetschwissenschaft einig, dass Interferenzen sowohl in der Richtung Grundsprache - Fremdsprache als auch in der umgekehrten Richtung Fremdsprache - Grundsprache auftreten können, was auch in einigen empirischen Studien (vgl. Kapitel 4.3) belegt werden konnte. Diese Tatsache ist besonders interessant für die Interferenzforschung in der Translationswissenschaft, da sie aufzeigt, dass die Ursachen für Interferenzen beim Übersetzen und Dolmetschen nicht primär auf ein mangelndes sprachliches Wissen in der Fremdsprache, somit einen Kompetenzmangel, zurückgehen, wie es im Spracherwerb häufig der Fall ist, sondern meistens ihren Ursprung im Translationsprozess selbst haben und folglich Rückschlüsse auf die Sprachverarbeitung in der gemittelten Kommunikation erlauben. Interferenzfehler beim Simultandolmetschen haben in den seltensten Fällen rein sprachliche Ursachen, sondern sind in den allermeisten Fällen Fehler auf Ebene der Performanz, welche durch externe und psycholinguistische Auslöser begünstigt werden, und sind der Ausdruck einer Störung im Dolmetschprozess. (Vgl. Č e ň ková 1988: 89 ff; Ku č erová 1991: 16 ff; Wilss 1992: 80 f.) Die sprachstrukturellen Besonderheiten der jeweiligen Sprachenpaare spielen insofern eine gesonderte Rolle, als aus dem Forschungsstand zur Sprachverarbeitung und auch aus den empirischen 4.4 Mögliche Ursachen für Interferenzen im Dolmetschprozess 129 <?page no="130"?> Studien zu Interferenzerscheinungen abgeleitet werden kann, dass gewisse sprachliche Elemente auf den unterschiedlichen linguistischen Ebenen eine höhere Verarbeitungskapazität beanspruchen, vor allem was die Unterdrückung von ähnlichen fälschlich aktivierten Items, aber auch die Antizipierfähigkeit betrifft, und somit ein größeres Interferenzpotential bergen. Die linguistischen Aspekte von Ausgangs- und Zielsprache nehmen somit gewissermaßen eine Zwischenstellung zwischen psycholinguistischen und sprachbedingten Interferenzursachen ein. In den folgenden Unterkapiteln werden die Grundlagen zu Ursachen für Interferenzen beim Simultandolmetschen genauer beleuchtet, wobei zunächst die generellen theoretischen Überlegungen zur Interaktion zwischen epistemischem und translationsprozeduralem Wissen erläutert und anschließend sprachstrukturelle Besonderheiten der Dolmetschrichtung Spanisch - Deutsch sowie schlussendlich mögliche psycholinguistische und externe Faktoren im Hinblick auf die Entstehung von Interferenzen beleuchtet werden. 4.4.1 Epistemisches und translationsprozedurales Wissen Wilss (1989) bezieht sich zwar in seinen Überlegungen zu Interferenzen in der Translationswissenschaft auf das Übersetzen, seine Ausführungen zur Entstehung von Interferenzen können jedoch auch auf das Dolmetschen übertragen werden und stehen im Einklang mit den in der Dolmetschwissenschaft gezogenen Rückschlüssen zu Interferenzauslösern. Wie auch andere Autoren vertritt Wilss die Meinung, dass Interferenzen beim Übersetzen größtenteils nicht auf einen Kompetenzmangel in der Zielsprache zurückzuführen sind, sondern im Translationsprozess begründet sind, und schreibt dazu folgendes: „ Die Interferenzforschung muß, didaktisch gesehen, von der Überlegung ausgehen, daß jedenfalls in der Übersetzungsrichtung Fremdsprache - Grundsprache, die Ursache von Interferenzen nicht primär mangelndes ‚ grammatisches Wissen ‘ [ … ], sondern ein Mangel an ‚ Interaktion ‘ zwischen epistemischem und übersetzungsprozessualem Wissen ist “ (Wilss 1989: 15). Das epistemische Wissen „ [ … ] umfaßt [dabei] [ … ] sprachliches, außersprachliches, soziokulturelles, situatives und text(sorten)spezifisches Wissen “ (Wilss 1996: 94) und wird im Laufe des Lebens durch Wissenszuwachs, Ausbildung, Berufserfahrung etc. aufgebaut und ständig erweitert. Bei jeder Übersetzung bzw. Verdolmetschung wird nicht wieder von Null begonnen, sondern der Translator greift auf bereits bestehende Wissensbestände zurück, was die Arbeit mit zunehmender Erfahrung erleichtert. Das übersetzungsprozessuale Wissen definiert Wilss als „ [ … ] heuristisches Wissen[,] [über das der Übersetzer] verfügt bzw. verfügen muß, d. h. er weiß bzw. er muß wissen, wie er über- 130 4 Interferenzen <?page no="131"?> setzungsmethodisch vorzugehen hat, um ein interferenzfreies Übersetzungsresultat zu erreichen [ … ] “ (Wilss 1989: 15). Wilss (1996: 78 ff ) stellt fest, dass Interferenzen teilweise auf Grund gewisser sprachlicher Elemente, wie z. B. falschen Freunden, zu erwarten sind oder durch bestimmte Umstände wie Stresssituationen begünstigt werden. Allerdings werden Interferenzerscheinung ebenfalls häufig in Übersetzungen, die stressfrei angefertigt werden, beobachtet und treten auch an nicht erwarteten Stellen im Text auf. Der Übersetzer schafft es in diesen Situationen nicht, die notwendige psychische Distanz zwischen Ausgangs- und Zieltext zu halten, sondern steht unter dem „ hypnotisierenden Einfluß “ (Wilss 1996: 81) des Ausgangstextes, wobei er gewissermaßen automatisiert handelt und „ interferenzanfällige ‚ Frames ‘“ (Wilss 1989: 13) abruft. Die Möglichkeiten mit Eins-zu- Eins-Entsprechungen zu arbeiten sind beschränkt und sprachenpaarabhängig, aber in vielen Fällen eine legitime Strategie. Häufig ist es allerdings notwendig, dass der Übersetzer eine lexikalische, morphosyntaktische oder syntaktische Ausdrucksverschiebung in der Zielsprache vornimmt, um eine korrekte Formulierung in der Zielsprache zu erreichen. Wird in solchen Fällen jedoch mit der Strategie von fixen „ Übersetzungsgleichungen “ (Wilss 1989: 13) gearbeitet, dann zeigt sich dies in Form von Interferenzfehlern im Zieltext. Besonders anfällig dafür sind Sprachstrukturen mit einem geringen Kontrast oder Entsprechungen mit einer jeweils anderen Bedeutung in den beiden beteiligten Sprachen, weil sie dem Übersetzer eine vermeintliche Konfliktlosigkeit vermitteln. Ebenfalls problematisch ist das sogenannte „ Kleben am Wörterbuch “ (Wilss 1989: 12), wobei das vom Übersetzer gewählte Äquivalent in der Zielsprache zwar existiert, aber in dem konkreten Kontext der Textstelle nicht angemessen ist und eine Loslösung von der Wörterbuchentsprechung nötig wäre, um eine angemessene Formulierung in der Zielsprache zu erreichen. (Vgl. Wilss 1989: 12 ff; 1996: 78 ff.) Krings (1986: 303 ff ) spricht von sogenannten „ Primärassoziationen “ , welche automatisch durch den Klang oder die Form eines Wortes aktiviert werden und die nur durch bewusste kognitive Gegensteuerung als solche erkannt und im Falle einer Nicht-Übereinstimmung umgangen werden können. Kußmaul (1989: 26 f) sieht das Abstrahieren als zentralen Vorgang im Translationsprozess, wobei dann ausgehend von der abstrahierten Version des Ausgangstextelementes die Formulierung in der Zielsprache erfolgt. Dieses Vorgehen ermöglicht eine Transposition bzw. Ausdrucksverschiebung, ohne dass der Translator an der Form des Ausgangstextelements hängen bleibt. Allerdings verweist Kußmaul auch auf die Gefahr einer sogenannten „ Interferenzphobie “ (Kußmaul 1989: 26), welche zur Folge hat, dass der Übersetzer auch dann eine Ausdrucksverschiebung vornimmt, wenn eine Eins-zu-Eins- Entsprechung die eigentlich idiomatischere Lösung wäre. 4.4 Mögliche Ursachen für Interferenzen im Dolmetschprozess 131 <?page no="132"?> 4.4.2 Sprachstrukturelle Besonderheiten der Dolmetschrichtung Spanisch - Deutsch Der aktuelle Forschungsstand (vgl. Kapitel 4.3) liefert deutliche Hinweise darauf, dass es Unterschiede bei der Verdolmetschung je nach Sprachenpaar gibt und dass typologisch ähnliche Sprachen ein höheres Interferenzpotential beim Simultandolmetschen bergen. In der Forschungsliteratur zu Interferenzerscheinungen stellen einige Autoren (vgl. u. a. Juhász 1970; Köhler 1975; Denison 1981) fest, dass Interferenzen an Stellen einer vermeintlichen Übereinstimmung bzw. Konfliktlosigkeit auftreten. Wilss (1989: 12) schreibt hierzu, dass „ [d]ie Neigung, einer assimilatorischen Strategie den Vorzug zu geben, [ … ] dort besonders ausgeprägt [ist], wo zwischen den ausgangssprachlichen und den zielsprachlichen Ausdruckspotentialen nur ein relativ schwacher Kontrast besteht [ … ] “ . Dies lässt sich auch mit den Befunden zur Art der Sprachverarbeitung beim Simultandolmetschen und zur Aktivierung von Items im Arbeitsgedächtnis (vgl. Kapitel 3.1.5 und 3.2) erklären, die eine nicht rein sinnbasierte, sondern auch teilweise formbasierte Verarbeitung des Inputs durch automatische Aktivierung ähnlicher Einträge in der Ausgangs- und Zielsprache annehmen, was in weiterer Folge einen Einfluss der Sprachstruktur der Ausgangssprache auf den Sprachtransfer und die Formulierung in der Zielsprache bedeutet. Formähnliche Lexeme mit unterschiedlichen Bedeutungen oder einer anderen Konnotation in den beiden Sprachen sowie ambige Strukturen scheinen besondere Schwierigkeiten zu bereiten, da es zu einer falschen Aktivierung bzw. einer insuffizienten Unterdrückung der nicht benötigten Möglichkeiten kommen kann und die Speicherkapazität des Arbeitsgedächtnisses durch ähnlich klingende Worte beeinträchtigt wird. Der Unterdrückungsprozess von nicht benötigter Information unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung von Spuren des Ausgangstextes in ihrer Originalform im Arbeitsgedächtnis ist eine große Herausforderung beim Simultandolmetschen und eine stark ressourcenbeanspruchende Tätigkeit. Hinzu kommt, dass der Sprachproduktionsprozess beginnt, bevor der Dolmetscher den Verstehensprozess des Satzes abgeschlossen hat, was bei Divergenzen in der linearen Abfolge der beiden Sprachen zu syntaktischen Interferenzen führen kann. Es ist ausgehend vom aktuellen Erkenntnisstand anzunehmen, dass bestimmte sprachspezifische Strukturen vermehrt Kapazitäten in diesem Bereich beanspruchen und es folglich auch häufiger zu einer Überlastung des Unterdrückungsbzw. Aktivierungsmechanismus kommt, welche sich in Form von Spuren des Ausgangstextes in der zielsprachlichen Produktion manifestieren kann. Hierbei handelt es sich nicht um einen Kompetenzmangel in der jewei- 132 4 Interferenzen <?page no="133"?> ligen Sprache, sondern um eine unzureichende oder fehlerhafte Sprachverarbeitung im Simultandolmetschprozess. (Vgl. Chabasse 2009: 89 f.) Für das Sprachenpaar Spanisch - Deutsch gibt es aktuell keine Studien oder Literatur konkret zu sprachstrukturellen Problemstellen beim Simultandolmetschen. Allerdings können aus der Forschungsliteratur zur kontrastiven Linguistik bzw. zu Übersetzungsschwierigkeiten in diesem Sprachenpaar und basierend auf dem aktuellen Forschungsstand zur Sprachverarbeitung beim Dolmetschen einige Schwierigkeitsstellen in Bezug auf mögliche Interferenzen beim Simultandolmetschen identifiziert werden. In Übereinstimmung mit den empirischen Untersuchungen zu Interferenzen und den aktuellen Erkenntnissen zum Arbeitsgedächtnis scheinen sprachliche Strukturen mit geringen Kontrasten sowie syntaktisch ambige Satzstrukturen die größten Problemstellen als Auslöser für Interferenzerscheinungen auf sprachstruktureller und sprachenpaarspezifischer Ebene darzustellen. Im Anschluss werden, ausgehend von diesen Erkenntnissen, einige der möglichen Schwierigkeiten vorgestellt, welche für das Sprachenpaar Spanisch - Deutsch identifiziert werden können und folglich auch als Grundlage für die Operationalisierung der sprachstrukturellen Schwierigkeitsstellen im empirischen Teil dienen werden. 4.4.2.1 Lexik Der Bereich der Lexik ist in der Linguistik und auch in der Übersetzungswissenschaft in Bezug auf Interferenzerscheinungen der am besten erforschte, vor allem was das Phänomen der sogenannten falschen Freunde betrifft (vgl. Wilss 1992: 74). In empirischen Experimenten zum Simultandolmetschen konnten lexikalische Interferenzen neben morphosyntaktischen als häufigste Interferenztypen ermittelt werden, wobei je nach Studie und Sprachenpaar die eine oder die andere der beiden Kategorien an erster Stelle bezüglich der Häufigkeit steht (vgl. Kapitel 4.3). Die kontrastive Lexikologie beschäftigt sich vorrangig mit Kontrasten in den jeweiligen analysierten Sprachenpaaren und stellt somit eine wichtige Ausgangsbasis für das Identifizieren von lexikalischen Schwierigkeitsstellen in einem bestimmten Sprachenpaar dar (vgl. Pöll 2018: 93 ff zu lexikalischen Kontrasten im Spanischen und Deutschen). Einige der ermittelten Kontraste können folglich, unter Berücksichtigung der Sprachverarbeitungstheorien sowie der ablaufenden Prozesse beim Dolmetschen, als interferenzbegünstigende Strukturen im Bereich der Lexik konkret beim Simultandolmetschen gesehen werden. Die empirischen Ergebnisse zu Interferenzen in der Dolmetschwissenschaft (vgl. Kapitel 4.3), aber auch die Erkenntnisse zur Sprachverarbeitung und zum Dolmetschprozess (vgl. Kapitel 3) liefern Hinweise darauf, dass vor allem formähnliche Wörter mit einer unterschiedlichen 4.4 Mögliche Ursachen für Interferenzen im Dolmetschprozess 133 <?page no="134"?> Bedeutung, halb-fixierte und fixierte Ausdrücke mit geringen formalen Kontrasten sowie polyseme Lexeme bzw. Äquivalente mit unterschiedlicher Konnotation oder unterschiedlichem situativen Anwendungsrahmen anfällige Strukturen für Interferenzerscheinungen sind. Als sprachstrukturelle Besonderheiten im lexikalischen Bereich mit erheblichem Interferenzpotential können die sogenannten falschen Freunde genannt werden, welche unabhängig von der Sprachkombination eine besondere Herausforderung in der Translation darstellen, aber sprachenpaarspezifisch auftreten. Hönig und Kußmaul unterscheiden ganz allgemein zwischen zwei Arten von falschen Freunden, welche Interferenzpotential bergen: „ Erstens solche, deren formale Entsprechungen in der [Zielsprache] nie die gleichen Bedeutungen haben. [ … ] Zweitens gibt es Wörter, deren formale Entsprechung in der [Zielsprache] manchmal die gleiche Bedeutung hat wie das [Ausgangssprachen]-Wort und manchmal nicht. “ (Hönig/ Kußmaul 1991: 89) Für die beiden Arten von falschen Freunden können in der Sprachkombination Spanisch - Deutsch folgende Beispiele angeführt werden: Compromiso kann im Deutschen nie mit dem formalen Äquivalent Kompromiss übersetzt werden, da die Bedeutung in keinem Kontext übereinstimmt. Conservar hingegen kann im Deutschen in einigen Fällen mit der formalen Entsprechung konservieren übersetzt werden, in anderen Kontexten hingegen wäre diese Übersetzung falsch und die formähnliche Entsprechung stellt somit einen falschen Freund dar (z. B. sp. conservar el medio ambiente vs. dt. *die Umwelt konservieren), man spricht hier auch von partiellen falschen Freunden. Falsche Äquivalenzassoziationen auf Grund von Formähnlichkeiten können jedoch nicht nur in Form von falschen Freunden auftreten, sondern auch durch eine partielle Übereinstimmung bzw. geringe Kontraste bei Teilelementen von komplexen bzw. mehrgliedrigen Lexemen, darunter in Komposita oder in unterschiedlichen fixierten bzw. halb-fixierten Verbindungen. Komposita bergen sowohl auf morphosyntaktischer als auch auf lexikalischer Ebene Interferenzpotential und konnten auch in anderen Sprachenpaaren mit Deutsch in der Kombination als häufig von Interferenzen betroffene Strukturen identifiziert werden (vgl. zum Beispiel Waisová 2014 für das Sprachenpaar Deutsch - Tschechisch und Ș erban 2018 für das Sprachenpaar Deutsch - Rumänisch). Eine besondere Herausforderung stellen insbesondere Komposita mit geringem formalen Kontrast dar, welche nur teilweise wörtlich übersetzt werden können und teilweise eine Loslösung von der Form des Ausgangswortes verlangen. Die Gefahr einer inkorrekten bzw. stilistisch unpassenden Wort-für- Wort-Übersetzung ist bei derartigen Strukturen besonders groß. Ein Beispiel hierfür wäre das spanische Kompositum enviado especial, welches im Deutschen nicht mit der direkten auf lexikalischer Ebene formähnlichen Entsprechung 134 4 Interferenzen <?page no="135"?> *Spezialgesandter wiedergegeben werden kann, sondern durch das Kompositum Sondergesandter, wobei eine Unterdrückung des Äquivalents Spezial-, das im Deutschen ebenfalls häufig in Komposita vorkommt, aber in diesem Fall nicht korrekt wäre, erfolgen muss. Zusätzlich stellen Komposita ebenfalls eine Herausforderung bezüglich der Konstruktion dar und sind somit auch auf morphosyntaktischer Ebene als interferenzbegünstigende Strukturen zu sehen. Neben Komposita stellen auch alle weiteren fixierten sowie halb-fixierten Wortverbindungen bzw. Verbindungen mit eingeschränkter Kombinatorik 3 , bei denen Ähnlichkeitsbeziehungen unter gleichzeitigen Kontrasten von Teilelementen zwischen den beiden Sprachen bestehen, eine mögliche Schwierigkeitsstelle mit Interferenzpotential beim Dolmetschen dar. Phraseologismen, die als fixierte Verbindung als Ganzes sinnerfassend interpretiert und dementsprechend durch ein mögliches ebenfalls fixiertes zielsprachliches Äquivalent oder eine freie sinnbasierte Umschreibung übersetzt werden müssen, sind dabei ebenso als problematische Sprachstrukturen für lexikalische Interferenzen zu sehen wie Kollokationen als „ Halbfertigprodukte der Sprache “ (Hausmann 1985: 118) mit einer eingeschränkten Kombinierbarkeit, da in der Zielsprache die Kombinationsmöglichkeiten zwar ähnlich sein können, häufig aber Kontraste aufweisen. Phraseologismen bergen dadurch, dass Teile oder auch alle Elemente in übertragener Bedeutung verwendet und sie teil- oder vollidiomatisch sein können, ein erhöhtes Interferenzpotential gegenüber freien Wortverbindungen, und zwar bereits im Sprachverstehensprozess. Hinzu kommt die eingeschränkte Kombinatorik in der Zielsprache, was die Anzahl möglicher zielsprachlicher Entsprechungen dezimiert und häufig entspricht das Äquivalent, das in einer freien Wortverbindung korrekt wäre, in fixierten oder halb-fixierten Verbindungen nicht der richtigen Übersetzung (vgl. Holzinger 1993: 160). Schade (1989) konnte in seinem Korpus zu übersetzten Texten aus der russischen Publizistik feststellen, dass es bei Kollokationen häufig zu Wortfür-Wort-Übersetzungen kommt, wodurch „ inkompatible Kollokationen “ (Schade 1989: 98) entstehen, wovon hauptsächlich die Kombination Verb + Substantiv betroffen war. Schade gibt ein Beispiel für die Sprachrichtung Russisch - Deutsch an, welches auch auf die Kombination Spanisch - Deutsch übertragen werden kann, und zwar die Interferenz „ *den Eindruck schaffen “ , statt „ erwecken “ (das 3 Für den empirischen Teil dieser Arbeit ist eine genauere Untergliederung nicht von Relevanz, da davon auszugehen ist, dass jegliche Art von Wortverbindungen, vor allem jene mit einer eingeschränkten Kombinatorik, potenzielle Schwierigkeitsstellen für lexikalische Interferenzen darstellen können. Eine detailliertere Auseinandersetzung mit Strukturen mit eingeschränkter Kombinatorik sowie deren Untergliederungen und Abgrenzungen untereinander und zu freien Wortverbindungen findet sich z. B. in Burger 2003; Fleischer 1997; Pöll 2018: 59 ff. 4.4 Mögliche Ursachen für Interferenzen im Dolmetschprozess 135 <?page no="136"?> spanische Äquivalent crear la impresión wird hier in seinen Einzelteilen wörtlich übersetzt, anstelle als Gesamtentsprechung). Beim Simultandolmetschen ist die Interferenzgefahr bei Strukturen, wo die beiden Komponenten der Kollokation im Satzverlauf weit voneinander entfernt sind, besonders hoch. Der Dolmetscher kann sich bei solchen Satzverläufen möglicherweise nicht mehr an seine eigene angefangene Zieltextproduktion und somit den ersten Teil der verwendeten Kollokation erinnern, weshalb es zu einer Orientierung an der Ausgangssprache beim zweiten Teil der Kollokation und somit bei interlingualen lexikalischen Unterschieden zu Interferenzerscheinungen kommen kann. Phraseologismen weisen teilweise, ähnlich wie literarische Zitate oder poetische Textpassagen, eine geringe Redundanz auf (besonders wenn es sich um satzwertige Phraseologismen und Sprichwörter handelt), haben manchmal keine direkte phraseologische Entsprechung, sondern müssen paraphrasiert werden (Beispiel aus Geck 2002: 75: sp. a escote nada es caro in dt. paraphrasiert „ gemeinsam gezahlt ist nichts zu teuer “ ), bzw. eine lexikalisch sehr unterschiedliche Entsprechung in der Zielsprache (z. B. sp. estar como una cabra vs. dt. einen Vogel haben), welche vom Dolmetscher unter Zeitdruck oft nicht abgerufen werden kann. In solchen Fällen kann es zu Auslassungen, aber auch zum Einsatz einer Notstrategie in Form einer Wort-für-Wort-Übersetzung des Phraseologismus kommen, was bei einer ähnlichen Entsprechung in der Zielsprache erfolgreich sein kann, aber auch gleichzeitig die Gefahr ungewollter normwidriger Übertragungen von lexikalischen Elementen auf die Zielsprache birgt. Phraseologismen können, selbst wenn eine ähnliche Entsprechung in beiden Sprachen gegeben ist, beim Dolmetschen interferenzbegünstigend sein, da die Formähnlichkeit bei gleichzeitigem geringen Kontrast, der häufig nur eine Komponente der Struktur betrifft, falsche Assoziationen im mentalen Lexikon und das Nicht-Erkennen von Unterschieden durch vermeintliche Übereinstimmung begünstigt (z. B. sp. tener la piel dura vs. dt. eine dicke Haut haben). Inwieweit Phraseologismen eine Schwierigkeit im Dolmetschprozess darstellen, hängt, so wie generell die Übersetzbarkeit, stark von der Ähnlichkeit der beteiligten Sprachen, der kulturellen Nähe, dem individuellen Sprachwissen und der Erfahrung des Dolmetschers oder der Art von Phraseologismen ab (vgl. Pym/ Turk 1998: 273). Je größer das Sprachwissen des Dolmetschers und umso häufiger er mit gewissen Wortverbindungen bereits in Kontakt war, desto besser ist die Antizipierbarkeit einer Struktur sowie das Sprachverständnis und desto höher ist auch die Anzahl an direkten gespeicherten Verbindungen zwischen Einheiten in den unterschiedlichen Sprachen im mentalen Lexikon. Phraseologismen können also nicht nur eine sprachstrukturelle Problemstelle, unter anderem für potenzielle Interferenzfehler, sondern im Gegenzug auch eine kognitive Entlastung im 136 4 Interferenzen <?page no="137"?> Dolmetschprozess darstellen, wenn ein Übersetzungsäquivalent direkt abrufbar ist. Es ist somit zu erwarten, dass professionelle Dolmetscher seltener Schwierigkeiten mit Phraseologismen haben, da sie bereits vermehrt mit ähnlichen Konstruktionen in Kontakt gekommen sind und in diesen Fällen schnell eine Äquivalenzassoziation abrufen können. (Vgl. Kurz/ Gross-Dinter 2007: 223 ff; Santiago/ Barrick 2007: 27.) Kurz und Gross-Dinter (2007: 230) weisen auch darauf hin, dass Phraseologismen sich auch bei erfahrenen Dolmetschern noch als problematisch erweisen können, da sie im Gegensatz zu Fachvokabular, das vor jedem Einsatz spezifisch wiederholt und erlernt werden kann, unerwarteter und thematisch unabhängiger eingesetzt werden. Eine besondere Herausforderung mit Interferenzgefahr können Lexeme mit Polysemie bzw. mit mehreren Entsprechungen in der Zielsprache mit unterschiedlicher Konnotation oder unterschiedlichem situativen bzw. kontextuellen Anwendungsrahmen darstellen, da oft direkte interlinguale Verbindungen, nicht nur zwischen formähnlichen Lexemen, sondern auch zwischen häufig gebrauchten Wortformen und ihrer Entsprechung, bestehen. Durch Aktivierungsausbreitung besteht die Gefahr einer falschen Selektion bei mehreren Entsprechungen in der Zielsprache, vor allem wenn ein weniger gebräuchliches Äquivalent die korrekte oder stilistisch beste Lösung im Kontext darstellt. Hinzu kommt, dass die richtige Bedeutung bei lexikalischen Ambiguitäten beim Simultandolmetschen auf Grund der Überschneidung der Prozesse, wo der Dolmetscher noch während der Sprachproduktion mit der Übertragung in die Zielsprache beginnen muss, manchmal erst spät eindeutig erkannt werden kann. In solchen Fällen ist eine kontextuell oder stilistisch unpassende Übersetzung eines Lexems mit einer zwar in der Zielsprache durchaus korrekten Entsprechung für den ausgangssprachlichen Begriff möglich, welche jedoch in diesem Satz bzw. an dieser Stelle normwidrig ist. Polysemien bereiten Dolmetschern besonders dann Probleme, wenn diesen notwendiges Weltwissen fehlt bzw. der Begriff in einem bestimmten Fachgebiet eine andere Entsprechung in der Zielsprache hat als gewohnt (z. B. sp. la falta: dt. 1. Fehler, Irrtum; 2. Mangel, Fehlen, Abwesenheit; aber in der Sportterminologie: Foul). Seleskovitch und Lederer (2002: 74) schreiben hierzu: „ En l ’ absence de connaissances extérieures à la langue, les phrases sont ambigu ё s, les mots sont polysémiques. “ Auch unerwartete Satzverläufe oder Themenwechsel bzw. eine sehr späte Erfassung der zusammengehörenden Struktur im Satzverlauf, vor allem bei polysemen Verben (z. B. dar, hacer), welche auch in freien Wortverbindungen jeweils eine andere Übersetzung in die Zielsprache verlangen können, führen möglicherweise zur falschen Selektion aus den potenziellen zielsprachlichen Äquivalenten und somit zu einer Interferenzerscheinung. Als Beispiel für eine unterschiedliche Konnotation bzw. auch einen unterschiedlichen situativen 4.4 Mögliche Ursachen für Interferenzen im Dolmetschprozess 137 <?page no="138"?> bzw. kontextuellen Verwendungsrahmen kann das spanische gente im Vergleich zum deutschen Übersetzungsäquivalent Leute genannt werden. Während im Spanischen das Lexem gente neutral ist und sowohl in mündlichen als auch in schriftlichen Aussagen, in formellen und informellen Situationen zur Anwendung kommt, ist die deutsche Entsprechung Leute zwar in einigen Fällen durchaus korrekt, wird aber neben feststehenden Wendungen häufig umgangssprachlich bzw. in informellen mündlichen Kontexten verwendet und hat in vielen Strukturen eine negative Konnotation. In offiziellen politischen Reden würde man im Deutschen das im spanischen Original verwendete la gente que vive en extrema pobreza nicht mit *die Leute in extremer Armut, sondern die Menschen in extremer Armut dolmetschen, da der Begriff Leute hier sehr informell wirkt 4 . 4.4.2.2 Morphosyntax Morphosyntaktische Interferenzen konnten in empirischen Experimenten zum Simultandolmetschen als häufigste Interferenzkategorie nach bzw. je nach Sprachenpaar sogar noch vor den lexikalischen Interferenzen beobachtet werden (vgl. Kapitel 4.3). Im Bereich der Morphosyntax können, ausgehend von den psycholinguistischen Grundlagen, ebenfalls interlinguale Gestaltähnlichkeiten mit geringem Kontrast, vor allem bei komplexen mehrgliedrigen Lexemen, bei denen Teilelemente morphologisch in beiden Sprachen äquivalent sind, andere hingegen den zielsprachlichen Normen entsprechend in ihrer morphologischen Gestalt angepasst werden müssen, sowie Asymmetrien bei Präpositionen oder beim Artikelgebrauch als besondere Schwierigkeitsstellen identifiziert werden. Zusätzlich stellt die Kongruenz, auf Grund der Spezifik des simultanen Sprechens und Hörens und der Notwendigkeit einer Zieltextproduktion noch bevor der ganze Satz im Original gehört wurde, eine Herausforderung dar, weil der Dolmetscher die Übereinstimmung grammatischer Merkmale mit seiner Zieltextproduktion machen muss, gleichzeitig aber die Originalrede verarbeitet, er hierbei häufig den weiteren Satzverlauf antizipieren muss und es folglich zu einer Übernahme von morphosyntaktischen Merkmalen aus der Ausgangssprache kommen kann, welche nicht an die gewählte Struktur in der Zielsprache angepasst werden. Komposita sind nicht nur auf lexikalischer Ebene interferenzanfällig, sondern stellen auch aus morphosyntaktischer Perspektive eine besondere Herausfor- 4 Das Beispiel gente vs. Leute für eine Interferenzerscheinung auf Grund von Konnotationsunterschieden sowie Unterschieden im kontextuellen bzw. situativen Rahmen wurde aus eigener Erfahrung mit studentischen Verdolmetschungen als häufige Problemstelle beobachtet. 138 4 Interferenzen <?page no="139"?> derung dar. Ș erban (2018) konnte im Sprachenpaar Deutsch - Rumänisch Komposita als häufigste Auslöser für morphosyntaktische Interferenzen ermitteln und auch die Einschätzungen der Dolmetscher in der retrospektiven Befragung zeigen auf, dass die Übersetzung deutscher Komposita als nennenswerte Problemstelle erkannt wurde. Bei Sprachenpaaren, wo Deutsch als Ausgangs- oder Zielsprache beteiligt ist, sind Komposita als sprachstrukturelle Schwierigkeitsstellen im Dolmetschprozess zu nennen, da Deutsch aus sprachvergleichender Perspektive eine sehr kompositionsfreudige Sprache mit sehr vielen echten Komposita bzw. Vollkomposita ist (vgl. Schlücker 2012: 2). Im Spanischen hingegen „ sind echte Komposita [ … ] relativ selten; in vielen Fällen behalten die spanischen Komposita gewisse Eigenschaften von freien Kombinationen bei [ … ] “ (Pöll 2018: 29). Den deutschen Vollkomposita entsprechen im Spanischen, und generell in den romanischen Sprachen, sehr häufig die Konstruktion ‚ Nomen + Adjektiv ‘ oder die sogenannten syntagmatischen Komposita des Typs ‚ Nomen/ Adjektiv + Präposition (+Artikel) + Nomen ‘ oder des Typs ‚ Nomen + Präposition + Infinitiv ‘ . Beim Simultandolmetschen vom Spanischen ins Deutsche können diese Kontraste bei Komposita zu Interferenzerscheinungen führen, wenn die Konstruktionen morphosyntaktisch übertragen und nicht in die zielsprachlich notwendige Struktur umgewandelt werden. In einigen Fällen ist eine Übernahme der Struktur ins Deutsche, wenn dadurch das Kompositum als freies Syntagma aufgelöst wird, möglich; z. B. bei sector de turismo wären sowohl das Kompositum Tourismussektor als auch das freie Syntagma Sektor des Tourismus akzeptable Lösungen. Jedoch ist diese Variante meistens weniger idiomatisch, vor allem bei einer gehäuften Verwendung freier Syntagmen, und je nach Satzstruktur, situativem Rahmen, Art der Rede etc. stilistisch unterschiedlich störend. In anderen Fällen ist eine Übertragung von Elementen der morphosyntaktischen Gestalt des Kompositums aus der Ausgangssprache jedoch überhaupt nicht möglich, wie es unter anderem bei cumbre económica (*wirtschaftlicher Gipfel) der Fall wäre, oder es kann je nach Kontext korrekt oder normwidrig sein (z. B. crisis financiera wird in einigen Fällen, wo es um einzelne Personen oder Entitäten geht, mit der Adjektiv-Substantiv-Konstruktion finanzielle Krise übersetzt; wenn es jedoch um die Weltfinanzkrise geht, wird im Deutschen das Vollkompositum verwendet und eine Übernahme der morphosyntaktischen Struktur würde einen Interferenzfehler darstellen). (Vgl. Pöll 2018: 29 f; Cartagena/ Gauger 1989: 82 ff; 103 ff zu den linguistischen Grundlagen zur Komposition im Spanischen und Deutschen.) Im morphosyntaktischen Bereich stellen auch Präpositionen ein Interferenzrisiko dar, wobei sich dieses je nach Sprachenpaar unterschiedlich und mit abweichender Häufigkeit manifestiert. Waisová (2014) und Jere šč enková (2014) konnten feststellen, dass Präpositionen beim Dolmetschen zwischen den Spra- 4.4 Mögliche Ursachen für Interferenzen im Dolmetschprozess 139 <?page no="140"?> chen Deutsch und Tschechisch in beiden Richtungen häufig von Interferenzen betroffen waren, wohingegen Ș erban (2018) beim Dolmetschen vom Deutschen ins Rumänische zwar ebenfalls Interferenzen durch Übernahme von ausgangssprachlichen Präpositionen registrierte, jedoch eher seltener. Interferenzen in diesem Bereich können einerseits durch eine Aktivierung und Übernahme der direkten Entsprechung bzw. einer von mehreren Entsprechungen, welche durch Formähnlichkeit oder durch eine hohe Verwendungshäufigkeit am meisten aktiviert wird, entstehen, ohne dass die gewählte zielsprachliche Sprachstruktur miteinbezogen und die dafür benötigte Präposition eingesetzt wird. Andererseits stellen auch vorangestellte Präpositionalphrasen eine Herausforderung dar und können dadurch, dass der Dolmetscher den weiteren Inhalt und die damit verbundene Satzstruktur zumindest teilweise antizipieren muss, ebenfalls zu Interferenzen führen, wenn die Präposition der Ausgangssprache übertragen wird, später im Satzverlauf aber zum Beispiel ein unerwartetes Verb kommt, das eine andere Präposition in der Zielsprache erfordert. Schneider (2007: 58) stellte in der Analyse von Interferenzfehlern beim Dolmetschen vom Englischen ins Deutsche fest, dass gehäuft jene Konstruktionen mit der Präposition of, welchen im Deutschen eine Genitivkonstruktion entspricht, von präpositionalen Interferenzerscheinungen betroffen sind. Analog dazu kann für das Sprachenpaar Spanisch - Deutsch angenommen werden, dass Konstruktionen mit der Präposition de, deren korrekte Entsprechung im Deutschen eine Genitivkonstruktion wäre, ein erhöhtes Interferenzpotential durch die Übernahme der Präposition aufweisen. Als Beispiel für eine Interferenzerscheinung durch eine normwidrige Übertragung der Präposition in die Zielsprache kann die Übersetzung der Struktur la protección de nuestros bosques mit *der Schutz von unseren Wäldern, wo jedoch im Deutschen die korrekte Wiedergabe durch eine Genitivkonstruktion (der Schutz unserer Wälder) erfolgen müsste, genannt werden. Die Kongruenz stellt beim Simultandolmetschen auf Grund der simultanen Sprachrezeption und Sprachproduktion, wo morphosyntaktische Elemente in den beiden Sprachen häufig nicht übereinstimmen, eine besondere Herausforderung dar. Der Dolmetscher muss die grammatischen Merkmale mit seiner Zieltextproduktion übereinstimmen, obwohl er gleichzeitig die Ausgangssprache verarbeitet und besonders bei Konstruktionen, bei denen die determinierende Konstituente und das übereinzustimmende Element im Satz weit auseinanderliegen, kann es hierbei zu Schwierigkeiten kommen. Schneider (2007) erfasst Kongruenzfehler unter der eigenen simultandolmetschspezifischen Interferenzkategorie Kongruenz mit Ausgangstext-Elementen, wobei jedoch schwierig zu begründen ist, warum es sich um eine rein simultandolmetschspezifische Kategorie handeln sollte und nicht um einen morphosyntaktischen 140 4 Interferenzen <?page no="141"?> Interferenztyp, weshalb diese Einteilung auch in nachfolgenden Arbeiten nicht übernommen, sondern Kongruenzfehler den morphosyntaktischen Interferenzen zugeordnet wurden. Beim Dolmetschen in die A-Sprache stellte Schneider (2007: 58) für das Sprachenpaar Englisch - Deutsch fest, dass Interferenzen durch Kongruenz mit dem Ausgangstext fast ausschließlich die Übereinstimmung hinsichtlich des Numerus betrafen, und Ș erban (2018: 59) konnte im Sprachenpaar Deutsch - Rumänisch interferenzbedingte Inkongruenz nur bei Prädikat und Subjekt beobachten. Jere šč enková (2014: 44) erfasste in ihrer Studie interferenzbedingte Genusfehler als häufiges Phänomen beim Dolmetschen vom Tschechischen ins Deutsche, allerdings hatten dabei fast alle Probanden Deutsch als B-Sprache und es handelte sich um Studenten, weshalb die Ursachen in diesem Fall ebenfalls auf eine mangelnde Sprachkompetenz und nicht ausschließlich den Dolmetschprozess zurückgehen können. Ausgehend von den erläuterten Beobachtungen ist für das Dolmetschen in die A-Sprache im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch ebenfalls davon auszugehen, dass die Kongruenz, vor allem bei Schachtelsätzen, wo die übereinzustimmenden Elemente weiter auseinanderliegen, eine Schwierigkeitsstelle mit Interferenzpotential darstellt, wobei die gewonnenen Daten anschließend mit den vorangehenden Studien in anderen Sprachenpaaren verglichen und Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten hinsichtlich der interferenzbedingten Kongruenzfehler erkannt werden können. Als Beispiel für einen Kongruenzfehler in der Dolmetschrichtung Spanisch - Deutsch, wo zwischen Subjekt und Prädikat ein Nebensatz eingefügt ist und somit eine erhöhte Gefahr besteht, dass der Dolmetscher sich nicht mehr an seinen eigenen Output erinnert und die Übereinstimmung stattdessen mit dem einlaufenden Input macht, kann folgender Auszug aus einer Verdolmetschung angeführt werden: Spanisches Original: Estas tendencias, que ya estamos observando desde hace algunos años, muestran … Deutsche Verdolmetschung: *Diese Tendenz, welche wir bereits seit einigen Jahren beobachten, zeigen uns … Bezüglich des Artikelgebrauchs sind nicht nur mögliche Kongruenzfehler, sondern auch die normwidrige Verwendung oder Auslassung eines bestimmten oder unbestimmten Artikels in der Zielsprache durch die Übernahme aus der Ausgangssprache möglich. Beim Sprachenpaar Spanisch - Deutsch und beim Dolmetschen in die A-Sprache sind interferenzbedingte Artikelfehler auf Grund der Ähnlichkeiten in der Artikelverwendung in den beteiligten Sprachen eher seltener zu erwarten als in Sprachenpaaren mit größeren Kontrasten diesbezüglich, wie z. B. beim Dolmetschen vom Tschechischen, wo keine Artikel verwendet werden, ins Deutsche, wobei Jere šč enková (2014) unter anderem 4.4 Mögliche Ursachen für Interferenzen im Dolmetschprozess 141 <?page no="142"?> feststellen konnte, dass es interferenzbedingt relativ häufig zur Auslassung von im Deutschen benötigten Artikeln kommt. Beim Sprachenpaar Spanisch - Deutsch sind die Kontraste bezüglich der Artikelverwendung geringer, aber trotzdem können auch dort bei unterschiedlichem Artikelgebrauch, wie es zum Beispiel bei Prozentzahlen der Fall ist (el/ un 10 por ciento vs. Ø 10 Prozent), Interferenzen in diesem Bereich auftreten. 4.4.2.3 Syntax Im Bereich der Syntax konnten Seeber und Kerzel (2011) anhand von Datenerhebungen durch Pupillometrie feststellen, dass syntaktisch asymmetrische Satzstrukturen eine erhöhte Verarbeitungskapazität beim Dolmetschen verlangen. Bei morphosyntaktisch sehr ähnlichen Sprachenpaaren hingegen kann der Dolmetscher häufig die Strategie des Transkodierens anwenden und dem Satzverlauf des Originals folgen, was eine Entlastung des Arbeitsgedächtnisses bedeutet. Kontraste im syntaktischen Bereich bedeuten immer, dass entweder Antizipationen oder Umbauarbeiten im Satz notwendig sind, wobei erstere Strategie weniger Kapazitäten verlangt, aber ein gewisses Risiko darstellt, die letztere hingegen mehr Sicherheit bietet, aber nur bei noch genügend freien Kapazitäten erfolgreich zum Einsatz kommen kann (vgl. Kapitel 3.4). Kommt es zu keiner erfolgreichen Strategie zum Ausgleich der Asymmetrien im Satzverlauf, dann können syntaktische Interferenzen die Folge sein. Diese sind sprachenpaarabhängig, wobei eine syntaktische Ähnlichkeit nicht zwingendermaßen weniger Interferenzerscheinungen bedeutet, denn morphosyntaktisch ähnliche Sprachenpaare sind auf Grund einer vermeintlichen Konfliktlosigkeit besonders häufig von Interferenzen betroffen, da der Dolmetscher gewohnt ist, dem Satzverlauf zu folgen, aber Strukturen unerwarteterweise doch oft voneinander abweichen. (Vgl. Wilss 1989: 12) Nachfolgend werden kurz einige der Unterschiede im syntaktischen Bereich im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch erläutert, welche als mögliche interferenzbegünstigende Sprachstrukturen angesehen werden können. Beim Dolmetschen vom Spanischen ins Deutsche dolmetscht man von einer SVOin eine OV+V2-Sprache, was größere syntaktische Unterschiede mit sich bringt, als wenn zwischen zwei Sprachen mit demselben syntaktischen Muster gedolmetscht wird. Eine Besonderheit, die beim Dolmetschen vom Spanischen ins Deutsche besonders in Gewicht fällt, ist die V2-Stellung des finiten Verbs in deutschen Hauptsätzen. 5 Am Beispiel des folgenden Satzes kann verdeutlicht 5 Vgl. Pafel 2011: 154 ff zu detaillierteren Grundlagen zur deutschen Syntax, welche für die Ermittlung möglicher Schwierigkeitsstellen beim Simultandolmetschen im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch ebenfalls herangezogen wurden. 142 4 Interferenzen <?page no="143"?> werden, dass der Dolmetscher bei gewissen Konstruktionen im Spanischen, bei denen erst sehr spät im Satzverlauf das Verb kommt, Schwierigkeiten hat, wenn er den Satz beginnt und dann auf Grund des fehlenden Verbs nicht weiterdolmetschen kann: William Blake, hace dos siglos, en sus preciosos cuadros que son precursores del surrealismo y en su maravillosa poesía, decía que se puede abarcar con facilidad el sueño en una mano. In solchen Fällen müsste der Dolmetscher, wenn er bereits eingesetzt hat, entweder eine sehr lange Pause machen, bis das Verb kommt und sich die gesamten vorangestellten Elemente merken, oder das Verb antizipieren, oder, er folgt dem Satzverlauf und produziert somit eine syntaktische Interferenz. Es ist anzunehmen, dass professionelle Dolmetscher an solchen Passagen häufiger und mit einer höheren Trefferquote antizipieren als Dolmetschanfänger. Eine weitere Herausforderung der deutschen Syntax sind die Verbklammern in Hauptsätzen sowie die Verbendstellung in deutschen Nebensätzen. Diese beiden Spezifika führten dazu, dass das Deutsche als Ausgangssprache zum Forschungsgegenstand einiger empirischer Experimente in der Dolmetschwissenschaft zur Antizipation beim Simultandolmetschen wurde (vgl. z. B. Wilss 1978; Seeber 2005; Seeber/ Kerzel 2011; Götz 2014). Allerdings kann es beim Dolmetschen ins Deutsche ebenfalls problematisch sein, wenn sich der Dolmetscher das Verb bei Satzklammern oder bei Verbendstellung in Nebensätzen, bis zum Ende merken muss, da das Arbeitsgedächtnis nur beschränkt Informationen halten kann. Eine Kapazitätsüberlastung kann zu einer Übernahme der linearen Struktur der Ausgangssprache oder einer Auslassung von Konstituenten im Satz, darunter des noch fehlenden Verbs, führen. Folgender Auszug einer studentischen Verdolmetschung zeigt einen Interferenzfehler auf Grund einer falschen syntaktischen Übernahme der Struktur aus der Ausgangssprache: Spanisches Original: Para mí es un gran placer tener la oportunidad de hablar ante ustedes sobre un tema que … Deutsche Verdolmetschung: *Es ist für mich eine große Ehre, vor Ihnen zu sprechen über ein Thema, das … Hier wurde eine nicht ganz gelungene Dolmetschstrategie angewandt, da der Dolmetscher einerseits versuchte den Satz in Sinneinheiten aufzuspalten, um das Verb früher zu platzieren, weil es sonst in Vergessenheit geraten könnte, andererseits aber nach dem Verb im Deutschen keinen Satzabschluss macht. Besonders bei solchen komplexeren Satzstrukturen ist davon auszugehen, dass es Unterschiede zwischen Anfängern und professionellen Dolmetschern gibt. Vorangestellte Gerundialsätze, Partizipialsätze und Infinitivsätze im Spanischen stellen häufig eine ambige Struktur und somit eine sprachstrukturelle 4.4 Mögliche Ursachen für Interferenzen im Dolmetschprozess 143 <?page no="144"?> Problemstelle dar. Ohne den weiteren kontextuellen Verlauf ist eine richtige Einschätzung, um welche Art von Satz es sich handelt, schwierig. So kommen bei Gerundialsätzen als deutsche Entsprechung häufig Hauptsätze, aber auch Kausal-, Modal-, Temporal- oder Konditionalsätze in Frage, und bei Partizipialkonstruktionen Temporal-, Modal- oder Relativsätze. Infinitivsätze sind weniger problematisch, da sie mit Präposition verwendet werden, jedoch kann bei der Konstruktion ‚ por + Infinitiv ‘ sowohl ein Kausalals auch ein Finalsatz und bei der Konstruktion ‚ de + Infinitiv ‘ sowohl ein Temporalals auch ein Kausalsatz das richtige Äquivalent sein. (Vgl. Siever 2008: 29 ff.) Durch Antizipation kann der Dolmetscher zwar der linearen Abfolge des Satzes folgen, es besteht aber gleichzeitig auch die Gefahr, dass er sich für eine falsche Variante entscheidet und somit Interferenzfehler produziert. Folgendes Beispiel (entnommen aus Siever 2008: 61) verdeutlicht die Schwierigkeit beim Simultandolmetschen bei einem vorangestellten Partizipialsatz, wo erst durch den Hauptsatz eine sichere Disambiguierung stattfindet, aber ein zu langes Abwarten einen Informationsverlust zur Folge haben kann: Considerada una de las fadistas más importantes de Portugal, Mariza nos presentará su nuevo álbum „ Concerto em Lisboa “ . Derartige Strukturen können, als sprachstrukturelle Schwierigkeiten im syntaktischen Bereich beim Dolmetschen vom Spanischen ins Deutsche, eine erhöhte Interferenzgefahr darstellen. 4.4.2.4 Phonetik Die Ergebnisse aus empirischen Experimenten zu Interferenzen beim Simultandolmetschen zeigen auf, dass phonetische Interferenzen, zumindest beim Dolmetschen in die A-Sprache, als seltenste Kategorie beobachtet werden können (vgl. Kapitel 4.3). Bei Schneider (2007) betrafen die wenigen ermittelten phonetischen Interferenzen im Sprachenpaar Englisch - Deutsch ausschließlich Eigennamen, welche bei der Verdolmetschung originalgetreu übernommen wurden, obwohl eine Anpassung an die zielsprachliche Entsprechung notwendig gewesen wäre (vgl. Schneider 2007: 56). Ș erban (2018: 71 ff ) konnte eine Übernahme des Wortakzents bzw. von einzelnen Lauten bei sehr ähnlich klingenden Wörtern im Deutschen und Rumänischen feststellen, was auch mit Waisovás (2014: 48) Beobachtungen im Sprachenpaar Deutsch - Tschechisch übereinstimmt, wobei die Autorin zwar phonetische Interferenzen nicht in die quantitative Analyse miteinbezog, aber in der Auswertung unter sonstige Interferenzkategorien erwähnt. Ausgehend von diesen Ergebnissen sowie von den Erkenntnissen zur Sprachverarbeitung, welche eine erhöhte Interferenzanfälligkeit bei formähnlichen Wörtern postulieren, können für das Sprachenpaar Spanisch - Deutsch folglich im Bereich der Phonetik ebenfalls Wörter mit einer lautlich sehr 144 4 Interferenzen <?page no="145"?> ähnlichen Form, darunter insbesondere Eigennamen, in den beiden Sprachen als besonders interferenzanfällig identifiziert werden. Ein unterschiedlicher Wortakzent bei gleichzeitiger Formähnlichkeit, wie es häufig bei Ländernamen, z. B. Etiopía [e.tjo. ˈ pi.a] (im Deutschen Äthiopien [ ɛ .ti. ˈ o: .pi. ə n]), oder bei fehlenden, zusätzlichen bzw. vertauschten Lauten in Wörtern mit geringem phonetischen Kontrast, zum Beispiel bei Habana [a ˈβ ana] vs. Havanna [ha ˈ vana] oder cocodrilo [koko ˈ ðrilo] vs. Krokodil [kroko ˈ di: l], der Fall ist, können dabei als interferenzbegünstigende Faktoren genannt werden. Bei sehr ähnlichen Wörtern wie im Falle von Habana vs. Havanna kann es sein, dass der Dolmetscher die Aussprache des kompletten Wortes übernimmt. Häufig kommt es aber nur zur Übernahme von einzelnen Lauten bzw. des Wortakzentes, während das restliche Wort phonetisch korrekt in der Zielsprache artikuliert wird. Im kontrastiven Vergleich für phonetische Interferenzen relevant scheint auch die im Deutschen häufige Längung von Vokalen zu sein, welche im Spanischen nicht vorkommt, weshalb bei formähnlichen Wörtern, bei denen im Deutschen ein langer Vokal als Entsprechung für den spanischen kurzen Vokal käme, wie es zum Beispiel bei nación [na ˈθ jon] vs Nation [na ˈ tsjo: n] der Fall ist, ebenfalls von einer erhöhten Interferenzgefahr auszugehen ist. 4.4.3 Psycholinguistische und externe Faktoren Ganz allgemein gilt, dass Faktoren, die eine Stresssituation begünstigen und die kognitiven Ressourcen an ihr Limit bringen, zu einer vermehrten Fehleranfälligkeit bei Übersetzungen oder Verdolmetschungen führen. Je nachdem, ob es zu einer Überlastung der Speicherkapazität im Kurzzeitgedächtnis oder einem Overload der am Sprachverarbeitungs- und Sprachproduktionsprozess beteiligten Systeme kommt, treten dann inhaltliche Schwierigkeiten bzw. Informationsverluste oder sprachliche Probleme, darunter Interferenzfehler, auf. (Vgl. Paradis 1992: 322.) Wilss konnte beim Übersetzen feststellen, dass Interferenzen deutlich häufiger in Situationen auftreten, in denen der Übersetzer gestresst ist, wie zum Beispiel bei Prüfungen oder bei Übersetzungsaufträgen mit einer kurzfristigen Deadline. Eine Erklärung hierfür sieht er darin, dass der Translator schnell und mit minimalem kognitiven Aufwand den Zieltext produzieren muss. (Vgl. Wilss 1989: 13.) Beim Dolmetschen ist der Zeitdruck immer gegeben und somit sind Interferenzerscheinungen ein noch häufigeres Phänomen als beim Übersetzen. Allerdings gibt es auch beim Simultandolmetschen sowohl textinterne als auch externe Faktoren, die den Stresslevel noch erhöhen bzw. das Arbeitsgedächtnis an seine Kapazitätsgrenzen bringen können. Der Dolmetscher hat nur begrenzte Kapazitäten zur Verfügung und eine erhöhte Anforderung an eine Teilkapazität führt automatisch zu weniger 4.4 Mögliche Ursachen für Interferenzen im Dolmetschprozess 145 <?page no="146"?> verfügbaren Ressourcen bei anderen Teilkapazitäten. Fehler generell und damit eingeschlossen Interferenzfehler können mithilfe von Giles Modell gut durch eine Überlastung der verfügbaren Ressourcen im Arbeitsgedächtnis erklärt werden. Die Überlastung kann dabei den Sprachverarbeitungsprozess betreffen, wie es zum Beispiel bei inhaltlichen Schwierigkeiten der Fall wäre, aber auch den Sprachproduktionsprozess, bei dem unter anderem Passagen, welche besonders sorgfältig formuliert werden müssen, als besonders herausfordernd gelten, oder die vorübergehende Speicherung von Informationen, wobei das Arbeitsgedächtnis vor allem bei vielen neuen Informationen oder Zahlen sehr gefordert ist. (Vgl. Gile 1995: 200 f; Gile 1997: 172 ff.) Sprachstrukturelle Besonderheiten in den jeweiligen Sprachenpaaren können ebenfalls zu einem Ungleichgewicht bei den unterschiedlichen Teilkapazitäten führen und somit Dolmetschschwierigkeiten verursachen. Diese werden gesondert für das Sprachenpaar Spanisch - Deutsch im Kapitel 4.4.2 behandelt, da sie zwar bis zu einem gewissen Grad ebenfalls psycholinguistischer Natur sind, aber gleichzeitig ihren Ursprung in den linguistischen Besonderheiten des jeweiligen im Dolmetschprozess involvierten Sprachenpaars haben. Als textinterne und textexterne Faktoren, die aus psycholinguistischer Sicht besonders herausfordernd sind und Interferenzerscheinungen begünstigen, können nachfolgende Punkte identifiziert werden: Schneider (2007) konnte in ihrem empirischen Experiment zu Interferenzen beim Simultandolmetschen feststellen, dass ca. 60 % aller ermittelten Interferenzfehler im Zusammenhang mit allgemeinen Problemstellen, wie Verständnisproblemen, Auslassungen oder Inhaltsfehlern, der Dolmetscher standen. Problemstellen sind zwar individuell sehr unterschiedlich, können aber durch gewisse Schwierigkeiten in der Ausgangsrede oder durch textexterne Störfaktoren vermehrt zu Problemen führen. Inhaltlich schwierige Passagen zeichnen sich durch lange Aufzählungen, Eigennamen, viel neu einlaufende Information oder viele Zahlen aus, da hierfür eine höhere Verarbeitungs- und Merkkapazität von Nöten ist. Aber auch externe Faktoren können einen Einfluss auf das Entstehen von Dolmetschschwierigkeiten haben. Eine hohe Redegeschwindigkeit steht zum Beispiel in direktem Zusammenhang mit einer hohen Informationsdichte, welche die Verarbeitungs- und Merkkapazität des Dolmetschers wiederum schneller an seine Grenzen bringt. Sprechrhythmus und Intonation können eine Verdolmetschung ebenfalls erschweren und somit vermehrt zu Fehlern führen. Diese Aspekte sind vor allem bei gelesenen Reden eine Herausforderung für Simultandolmetscher, wobei die Thematik der gelesenen statt frei vorgetragenen Reden bereits von der Pariser Schule empirisch erfasst wurde (vgl. dazu Déjean Le Féal 1978). Weitere externe Faktoren, die zu Problemstellen beim 146 4 Interferenzen <?page no="147"?> Dolmetschen führen können, sind unter anderem ein ungewöhnlicher Akzent des Redners, ein schwieriger Präsentationsstil oder akustische Störungen. (Vgl. Gile 1997: 204 ff.) Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass inhaltliche Schwierigkeiten und externe Störfaktoren zwar zu einer erhöhten Fehleranfälligkeit im Dolmetschprozess führen, dass jedoch nicht voraussehbar ist, welche Art von Fehlern dann besonders häufig gemacht werden und ob folglich gehäuft Interferenzen auftreten oder auf Grund von eventuellen längeren Auslassungen und damit verbunden weniger Redezeit in der Verdolmetschung sogar seltener Interferenzerscheinungen vorkommen. Dams Studie (2001) konnte eine größere Loslösung vom Ausgangstext bei schnelleren und schwierigeren Reden feststellen, was ein Indiz dafür sein könnte, dass gewisse Schwierigkeitsfaktoren eher andere Dolmetschfehler als Interferenzproblematiken zur Folge haben. Lamberg-Felber und Schneider (2008: 215 ff) stellten in ihrem empirischen Experiment ebenfalls fest, dass die von den Dolmetschern als einfachste bewertete Rede durchschnittlich am meisten Interferenzfehler aufwies, wobei die Schwankungsbreite zwischen den einzelnen Probanden zusätzlich auch noch relativ hoch war. Es sind in diesem Zusammenhang noch weitere Experimente zu den unterschiedlichen psycholinguistischen und externen Einflüssen, welche die Interferenzhäufigkeit begünstigen können, nötig. Im vorliegenden Forschungsprojekt werden neben den sprachstrukturellen Besonderheiten auch noch einige der vorgestellten inhaltlichen Schwierigkeitsstellen, auf Grund der Breite des Themas nicht jedoch die externen Faktoren, empirisch auf ihren Einfluss auf Interferenzerscheinungen überprüft. 4.4.4 Fazit zu Interferenzursachen Zusammenfassend kann man, aus den in den vorangehenden Kapiteln thematisierten Ursachen für Interferenzen, einerseits sprachenpaarspezifische Strukturen mit Interferenzpotential im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch identifizieren und andererseits psycholinguistische Auslöser, die entweder inhaltlicher Natur sind, und somit nicht auf ein konkretes Sprachenpaar begrenzbar, oder externe Faktoren darstellen, die mit den äußeren Gegebenheiten der konkreten Dolmetschsituation zu tun haben. Als interferenzbegünstigende Strukturen speziell im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch können, ausgehend von den Erkenntnissen zur bilingualen Sprachverarbeitung und zum Dolmetschprozess sowie dem kontrastiven Sprachvergleich zwischen den beiden Sprachen, die in der nachfolgenden Tabelle dargestellten Kategorien erfasst werden. Die besonderen Schwierigkeiten dieser 4.4 Mögliche Ursachen für Interferenzen im Dolmetschprozess 147 <?page no="148"?> Sprachstrukturen liegen, zusammenfassend gesagt, einerseits in einer Ähnlichkeit mit geringen Kontrasten, die häufig zu einer falschen Aktivierung und einem erhöhten Unterdrückungsaufwand bei der Sprachverarbeitung führen, und andererseits in syntaktischen Unterschieden, die beim Simultandolmetschen durch die gleichzeitige Sprachrezeption und -produktion bei komplexen bzw. ambigen Satzkonstruktionen ebenfalls Interferenzfehler begünstigen. Linguistische Besonderheiten des Sprachenpaars Spanisch - Deutsch mit Interferenzpotential Beispiele Lexik falsche Freunde (solche wo das formähnliche Äquivalent nie die gleiche Bedeutung hat) partielle falsche Freunde (wo Polysemie herrscht und je nach Kontext die formale Entsprechung die gleiche Bedeutung haben kann, häufig aber ein anderes Äquivalent zu wählen wäre) compromiso: im Deutschen nie mit Kompromiss zu ersetzen conservar: im Deutschen manchmal mit der formalen Entsprechung konservieren übersetzbar; je nach Kontext aber viel häufiger mit erhalten, (auf)bewahren (Beispiel: conservar el medio ambiente - *die Umwelt konservieren) Komposita: bei geringem formalem Kontrast besteht die Gefahr einer Wort-für-Wort- Übersetzung organismos financieros: nicht *Finanzorganismen, sondern Finanzinstitute enviado especial: nicht *Spezialgesandter, sondern Sondergesandter Fixierte und halb-fixierte Wortverbindungen bzw. Verbindungen mit eingeschränkter Kombinatorik: Kollokationen, Verbalperiphrasen und Phraseologismen (im weiteren Sinne) sp. crear la impresión vs. dt. den Eindruck erwecken (nicht: *schaffen) sp. tener la piel dura vs. dt. eine dicke Haut haben (nicht: *harte Haut) sp. han vuelto a confiar en Ecuador vs. dt. vertrauen wieder in Ecuador Hasta que Dios decide cerrarnos los ojos. (Religiöse) Redewendung: ins Deutsche nicht Wort-für-Wort übertragbar, aber es existiert die Wendung „ die Augen für immer 148 4 Interferenzen <?page no="149"?> Linguistische Besonderheiten des Sprachenpaars Spanisch - Deutsch mit Interferenzpotential Beispiele schließen “ und gleichzeitig gibt es Verbindungen mit Gott wie z. B.: „ bis Gott uns zu sich holt “ ; die Gefahr einer wörtlichen Übertragung ist damit auf Grund der Formähnlichkeit gegeben. polyseme Lexeme; Lexeme mit Entsprechungen mit unterschiedlicher Konnotation, unterschiedlichem situativen Rahmen: Interferenzgefahr durch die Auswahl eines zwar existierenden Übersetzungsäquivalents, das an der jeweiligen Stelle aber nicht korrekt bzw. stilistisch unpassend ist Polysemie: sp. la falta: dt. Fehler, Irrtum, Mangel; aber in der Fußballterminologie: Foul (ohne nötiges Weltwissen wären rein kontextuell in vielen Fällen auch die nicht fachsprachlichen Bedeutungen möglich) sp. gente (neutral; sowohl in schriftlichen als auch mündlichen Kontexten sowie in formellen und informellen Situationen verwendet, darunter in politischen Reden) vs. dt. Leute (eher umgangssprachlich und in mündlicher Kommunikation sowie in gewissen Wendungen, nicht in offiziellen politischen Reden verwendet; teilweise negativ konnotiert) z. B. la gente que vive en extrema pobreza (*die Leute in extremer Armut) Morphosyntax Komposita: nicht nur lexikalisches, sondern auch morphosyntaktisches Interferenzpotential; bei morphosyntaktischen Kontrasten unter gleichzeitiger lexikalischer Formähnlichkeit: • spanische syntagmatische Komposita werden im Deutschen häufig durch Vollkomposita wiedergegeben; eine Übernahme der lucha de clases: Kampf der Klassen wäre nicht die idiomatische und stilistisch beste deutsche Entsprechung, sondern das Vollkompositum Klassenkampf sector de turismo: Tourismussektor und Sektor des Tourismus (je nach Satzkonstruktion und Verwendungshäufigkeit durchaus beides gebräuchlich) 4.4 Mögliche Ursachen für Interferenzen im Dolmetschprozess 149 <?page no="150"?> Linguistische Besonderheiten des Sprachenpaars Spanisch - Deutsch mit Interferenzpotential Beispiele syntagmatischen Struktur und somit Auflösung als freies Syntagma ist im Deutschen teilweise möglich, teilweise nicht, und oft nicht idiomatisch bzw. stilistisch unpassend • Spanischen Komposita des Typs ‚ Nomen + Adjektiv ‘ entspricht im Deutschen häufig ein Vollkompositum des Typs ‚ Nomen + Nomen ‘ ; eine Übernahme der morphosyntaktischen Gestalt ist manchmal möglich, kann aber auch zu Interferenzen in Form einer Bedeutungsverzerrung oder einer unnatürlichen Formulierung führen cumbre económica: nicht *wirtschaftlicher Gipfel, sondern Wirtschaftsgipfel crisis financiera: finanzielle Krise vs. Finanzkrise Präpositionen: Kontraste bei Präpositionen in den beiden Sprachen können zu einer direkten Übersetzung anstelle der Verwendung einer an die zielsprachliche Struktur angepassten Präposition führen; vor allem bei vorangestellten Präpositionalphrasen, Gestaltähnlichkeiten oder bei einer höheren Verwendungshäufigkeit bestimmter Übersetzungsäquivalente einer Präposition in der Zielsprache im Vergleich zu den anderen möglichen Entsprechungen la protección de nuestros bosques: im Deutschen nicht mit der Präposition „ von “ (*der Schutz von unseren Wäldern), sondern durch Genitivkonstruktion (der Schutz unserer Wälder) A aquellas personas que dicen que lo que estamos haciendo es imposible, lo único que les pedimos es que nos dejen trabajar mientras lo logramos. Wenn der Dolmetscher hier dem Satzverlauf folgt, ist es auf Grund des vorangestellten Objekts und dem sehr späten Auftauchen des Verbs wahrscheinlich, dass er entweder 150 4 Interferenzen <?page no="151"?> Linguistische Besonderheiten des Sprachenpaars Spanisch - Deutsch mit Interferenzpotential Beispiele syntaktische Probleme hat (siehe nächster Punkt), oder dass er den falschen Kasus oder eine falsche Präposition bei „ a aquellas personas “ wählt: z. B: *Allen Personen … bitten wir … oder *An alle Personen … bitten wir Kongruenz: die richtige Übereinstimmung der morphosyntaktischen Merkmale kann auf Grund der Zeitversetzung und der Präsenz der Ausgangssprache häufig Schwierigkeiten bereiten und es wird oft eine Übereinstimmung nach den ausgangssprachlichen Merkmalen gemacht; Interferenzen können bezüglich der Kongruenz von Person, Genus, Numerus oder Kasus auftreten. Estas tendencias, que ya estamos observando desde hace algunos años, muestran … Der Dolmetscher entscheidet sich für ein Substantiv im Singular, stimmt jedoch die Merkmale des Verbs mit dem spanischen Ausgangstext überein, was zu einer morphosyntaktischen Interferenz führt: *Diese Tendenz, welche wir bereits seit einigen Jahren beobachten, zeigen uns … A aquellas personas que dicen que lo que estamos haciendo es imposible, lo único que les pedimos es que nos dejen trabajar mientras lo logramos. Wenn der Dolmetscher hier dem Satzverlauf folgt, ist es auf Grund des vorangestellten Objekts und dem sehr späten Auftauchen des Verbs wahrscheinlich, dass er entweder syntaktische Probleme hat (siehe nächster Punkt), oder, dass er den falschen Kasus oder eine falsche Präposition bei „ a aquellas personas “ wählt: z. B: *Allen Personen … bitten wir … oder *An alle Personen … bitten wir 4.4 Mögliche Ursachen für Interferenzen im Dolmetschprozess 151 <?page no="152"?> Linguistische Besonderheiten des Sprachenpaars Spanisch - Deutsch mit Interferenzpotential Beispiele Artikelverwendung: mögliche Übernahme von Artikeln, obwohl in der Zielsprache kein Artikel notwendig wäre, oder im umgekehrten Fall, kein Artikelgebrauch auf Grund einer Übertragung aus der Ausgangssprache Hoy el turismo representa el 10 % del PIB. Im Deutschen wird vor Prozentsätzen kein Artikel gebraucht, möglicher Interferenzfehler: *Heute macht der Tourismus den 10 % des BIP aus. Syntax V2-Stellung in deutschen Hauptsätzen, wohingegen im Spanischen das Verb je nach Satzkonstruktion sehr viel später im Satzverlauf auftauchen kann, was folglich, wenn der Dolmetscher nicht zu lange abwarten will und falls es nicht zu einer korrekten Antizipation kommt, zu einem erhöhten Interferenzpotential führt. William Blake, hace dos siglos, en sus preciosos cuadros que son precursores del surrealismo y en su maravillosa poesía, decía que se puede abarcar con facilidad el sueño en una mano. In diesem Beispielsatz wird es vermutlich zu syntaktischen Interferenzen kommen, wenn der Dolmetscher mit William Blake beginnt, weil er vermutet, dass das Verb bald kommt, und nicht antizipiert, da er kein Verb zur Verfügung hat, welches aber eigentlich an zweiter Stelle kommen müsste. Verbklammern und Verbendstellung bei deutschen Nebensätzen: keine direkte Übernahme der Satzstruktur aus dem Spanischen möglich; Dolmetscher müsste sich für einen korrekten Satzbau das Verb bis zum Ende des Satzes merken sp. Para mí es un gran placer tener la oportunidad de hablar ante ustedes sobre un tema que … vs. dt. *Es ist für mich eine große Ehre, vor Ihnen zu sprechen über ein Thema, das … 152 4 Interferenzen <?page no="153"?> Linguistische Besonderheiten des Sprachenpaars Spanisch - Deutsch mit Interferenzpotential Beispiele Vorangestellte Gerundialsätze, Infinitivsätze oder Partizipialsätze im Spanischen stellen eine syntaktische Schwierigkeit dar: Solange der Hauptsatz nicht bekannt ist, sind diese häufig ambig und erfordern eine gewisse Antizipation. Eine strenge Folge der Satzstruktur kann syntaktische (durch eine Übernahme der Wortfolge oder falschen Antizipation der Art des Nebensatzes), aber auch morphosyntaktische Interferenzen (durch eventuelle Übernahme von Präpositionen, Kasus etc.) zur Folge haben. Considerada una de las fadistas más importantes de Portugal, Mariza nos presentará su nuevo álbum „ Concerto em Lisboa “ . Im Deutschen wird erst durch Mariza wirklich klar, um wen es geht. Ein zu frühes Einsetzen des Dolmetschers wird hier zu Schwierigkeiten führen, da weder die Person bekannt ist, noch die Art des ersetzten Nebensatzes (Modal-, Temporal- oder Relativsatz) und der Dolmetscher Gefahr läuft eine falsche Entsprechung zu wählen. Yo pertenecía al gobierno anterior, fui vicepresidente, y haciendo un acto de contrición, un propósito de enmienda y un mea culpa, debo decir con toda sinceridad, que francamente me preocupé muy poco por temas técnicos y temas económicos. Auch bei diesem Beispiel wird erst durch den nachfolgenden Hauptsatz klar, um welche Art von Gerundialsatz es sich handelt und welche Übertragungsmöglichkeiten im Deutschen somit aus syntaktischer Sicht in Frage kommen. 4.4 Mögliche Ursachen für Interferenzen im Dolmetschprozess 153 <?page no="154"?> Linguistische Besonderheiten des Sprachenpaars Spanisch - Deutsch mit Interferenzpotential Beispiele Phonetik Formähnliche Wörter in beiden Sprachen mit nur geringem lautlichem Kontrast, z. B. unterschiedlicher Wortakzent, Auslassung oder Vertauschung von einzelnen Lauten (darunter häufig Eigennamen) Etiopía [etjo ˈ pia] vs. Äthiopien [ ɛ ti ˈ o: pj ə n] Habana [a ˈβ ana] vs. Havanna [ha ˈ vana] cocodrilo [koko ˈ ðrilo] vs. Krokodil [kroko ˈ di: l] Keine Längung von Vokalen im Spanischen: bei formähnlichen Wörtern, Gefahr der Übernahme eines kurzen Vokals im Deutschen, obwohl dort ein langer käme nación [na ˈθ jon] vs Nation [na ˈ tsjo: n] Tabelle 1: Interferenzbegünstigende linguistische Besonderheiten des Sprachenpaars Spanisch - Deutsch Neben diesen sprachspezifischen und somit je nach Sprachenpaar unterschiedlichen Interferenzursachen auf linguistischer Ebene, können, wie im Lauf der vorangehenden Kapitel sichtbar wurde, auch nicht direkt sprachliche oder sprachenpaarspezifische Faktoren, also psycholinguistische Ursachen, das Interferenzpotential erhöhen. Einerseits können diese, inhaltlicher Natur sein, wie es zum Beispiel eine hohe Informationsdichte oder viele Eigennamen sein können, und andererseits spielen externe Faktoren, die nicht mit dem Text an sich in Verbindung stehen, sondern durch die jeweilige Vortrags- und Dolmetschsituation ausgelöst werden können, eine Rolle. Die interferenzbegünstigenden Faktoren auf psycholinguistischer Ebene erhöhen insgesamt die Fehleranfälligkeit und damit verbunden auch die Interferenzanfälligkeit beim Simultandolmetschen. Es ist somit davon auszugehen, dass generell gehäuft Interferenzen der unterschiedlichen linguistischen Interferenzkategorien an bzw. nach allgemeinen inhaltlichen Schwierigkeiten oder begünstigt durch externe Faktoren auftreten, wobei vor allem der Interferenztyp des simultanen Kurzschlusses zu erwarten ist. In der nachfolgenden Tabelle werden die aus den theoretischen Überlegungen zur Sprachverarbeitung und zum Simultandolmetschprozess ermittelten psy- 154 4 Interferenzen <?page no="155"?> cholinguistischen Interferenzrisiken in den jeweiligen Kategorien überblicksartig dargestellt. Die externen Faktoren werden zur Vollständigkeit erwähnt, sind allerdings nicht Teil der empirischen Studie der vorliegenden Arbeit, da diese Thematik ausreichendes Forschungspotential für eine eigene Arbeit bietet. Psycholinguistische und externe Faktoren Beispiele Allgemeine Schwierigkeitsstellen in der Rede, welche eine erhöhte Kapazität des Arbeitsgedächtnisses erfordern und somit zu einer vermehrten Fehleranfälligkeit führen Informationsdichte viele Eigennamen und Zahlen lange Aufzählungen Zitate, vor allem mit poetischem/ literarischem Stil Externe Faktoren Vortragsgeschwindigkeit Störgeräusche/ schlechte Tonqualität schwieriger Akzent des Redners Intonation (vorgetragener vs. gelesener Text) Tabelle 2: Interferenzbegünstigende Faktoren aus psycholinguistischer Perspektive (inhaltliche und externe Ursachen) 4.5 Dolmetschstrategien und Interferenzen Dolmetschstrategien können Interferenzen sowohl verhindern als auch in gewissen Fällen zur Folge haben. In Kapitel 3.4 wurde bereits ein kurzer Überblick über Dolmetschstrategien allgemein gegeben. Vorliegendes Kapitel behandelt konkret die Thematik von Dolmetschstrategien und Interferenzen. Zunächst ist es von Interesse, auf die Thematisierung von Interferenzen als mögliche Dolmetschstrategie in einigen Forschungsarbeiten (vgl. z. B. Jere šč enková 2014: 54; Ș erban 2018: 34; 58) einzugehen. Eine fehlende einheitliche Interferenztheorie mit klaren Begriffsabgrenzungen in der Translationswissenschaft hat zur Folge hat, dass unterschiedliche Autoren unterschiedliche Kriterien für die Begriffsabgrenzung annehmen. Jere šč enková (2014) und Ș erban (2018) nehmen als Kriterien für die Begriffsdefinition von Interferenzen an, dass es sich um unbewusste und ungewollte Erscheinungen handelt und dass es sich im Falle einer bewussten Übernahme von ausgangssprachlichen Merkmalen, die einen Normverstoß zur Folge haben, um eine Strategie handelt, um zum Beispiel inhaltliche Fehler zu vermeiden. Jedoch sei diesbezüglich 4.5 Dolmetschstrategien und Interferenzen 155 <?page no="156"?> darauf hingewiesen, dass es sich zwar beim Transkodieren, wo möglichst nahe am Ausgangstext gedolmetscht wird, um eine Strategie handelt, der Dolmetscher aber trotzdem versuchen wird, eine der Norm entsprechende Äußerung in der Zielsprache zu erreichen und somit eine mögliche Interferenz nur die Folge der, in diesem Fall, nicht vollständig geglückten Dolmetschstrategie darstellt. Die Interferenzerscheinung im Zieltext ist, auch wenn der Dolmetscher bewusst ein gewisses Risiko zugunsten einer anderen Problemlösung eingeht, immer noch ungewollt und wird als solche nicht strategisch eingesetzt. In der vorliegenden Arbeit wird das Bewusstsein nicht als Kriterium für den Interferenzbegriff gesehen, da es, wie ersichtlich wurde, zu möglichen Abgrenzungsschwierigkeiten führt, ein bewusstes vs. unbewusstes Handeln nur teilweise feststellbar ist und korrigierte Interferenzfehler somit nicht unter den Interferenzbegriff fallen würden (vgl. Kapitel 6.4.3.1 zur Begriffsabgrenzung für die Datenauswertung in der vorliegender Arbeit). Dolmetschstrategien dienen zwar der Lösung von Schwierigkeiten und können somit auch das Interferenzrisiko mindern, aber je nach Aufwändigkeit der gewählten Strategie können sie auch zu einem erhöhten Kapazitätsaufwand führen und Inhaltsfehler, Auslassungen, Formulierungsschwierigkeiten und auch Interferenzen im aktuell verarbeiteten oder in nachfolgenden Segmenten zur Folge haben. (Vgl. Kucharska 2009: 60.) Ausgehend vom Forschungsstand zum Arbeitsgedächtnis (vgl. Kapitel 3.2) ist anzunehmen, dass eine größere Décalage das Interferenzrisiko senkt, da der exakte Wortlaut der Ausgangssprache nur sehr kurzzeitig gespeichert werden kann. Auf syntaktischer Ebene hat der Dolmetscher bei einem kurzen Abstand zum Redner nur sehr wenig Handlungsspielraum und somit ist die Gefahr, dass er die ausgangssprachliche Struktur in der Zielsprache übernimmt, hoch. In Dams Experiment (2001) konnte festgestellt werden, dass Dolmetscher sich bei schnelleren Reden vermehrt vom Ausgangstext lösen als bei langsamen, was wahrscheinlich zumindest teilweise auf eine größere Décalage zurückgeht, gleichzeitig aber auch mit der Strategie einer inhaltlichen Kompression zusammenhängen könnte. Passagen mit vielen Zahlen, Eigennamen, Aufzählungen etc. verlangen vom Dolmetscher jedoch, dass er einen verkürzten Abstand zum Redner einhält, da ansonsten inhaltliche Auslassungen und Fehler auf Grund einer Überlastung der Speicherkapazität im Kurzzeitgedächtnis drohen (vgl. Kiess 2014: 19). Zusätzlich wird an Stellen mit vielen Eigennamen, Fachtermini, Zahlen, aber auch Zitaten, literarischen oder poetischen Einschüben vermehrt auf die Strategie des Transkodierens zurückgegriffen (vgl. Kalina 1998: 118), weshalb durch die Interaktion der beiden Strategien zwar die Belastung des Arbeitsgedächtnisses, die aus der inhaltlichen Dichte resultiert, verringert werden kann, aber dafür ein erhöhtes Interferenzpotential besteht. 156 4 Interferenzen <?page no="157"?> Bei Dolmetschanfängern ist hingegen an solchen Stellen auf Grund der noch nicht automatisierten Dolmetschstrategien und weniger direkten cross-language connections häufiger mit Auslassungen oder Inhaltsfehlern zu rechnen (vgl. Setton 1999: 95). Die Antizipation spielt eine wichtige Rolle als Strategie beim Simultandolmetschen. Ein großes Sprach-, Welt- und Situationswissen begünstigt eine erfolgreiche Antizipation, da dadurch schneller mögliche Hypothesen über den weiteren Verlauf der Rede erstellt werden können, weshalb davon auszugehen ist, dass es diesbezüglich Unterschiede zwischen professionellen Dolmetschern und Studenten gibt. Der Dolmetscher kann durch linguistische Antizipationen, indem er eine Konstituente, die erst später in der Ausgangsrede folgt, die er aber in der Zielsprache bereits früher benötigt, Kapazitäten sparen, welche besonders bei einem langen Abwarten oder bei komplexen syntaktischen Umbauarbeiten beansprucht werden würden. Gleichzeitig vermeidet er durch eine Antizipation, dem Satzverlauf des Originals zu folgen und somit Interferenzfehler zu riskieren. Der Monitoringaufwand bei antizipierten Satzverläufen steigt, denn der Dolmetscher muss bis zur tatsächlichen Artikulation des Elements seine eigene Textproduktion präsent haben, um mögliche Fehlinterpretationen zu erkennen und gegebenenfalls auszubessern. (Vgl. Kalina 1998: 117.) Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass Dolmetscher sich sehr wohl der Risiken bei der Antizipation bewusst sind und nur dann antizipieren, wenn die Wegweiser klar genug sind, um mit größter Wahrscheinlichkeit korrekt zu antizipieren. So konnten Bevilacqua (2009) und Liontou (2012) zum Beispiel feststellen, dass über 90 Prozent der in ihren Experimenten ermittelten Antizipationen korrekt waren und somit eine relativ geringe Fehlerquote durch die Anwendung dieser Strategie feststellbar ist, und Dolmetscher an einigen Stellen, wo Antizipation durchaus zur Problembewältigung möglich wäre, auf andere Strategien setzten. Bei falschen Antizipationen kommt es jedoch zu unterschiedlichen Fehlern, darunter können wiederum Interferenzerscheinungen sein. Syntaktische Transformation und Paraphrasieren können als Dolmetschstrategien der Interferenzgefahr entgegenwirken. Allerdings handelt es sich dabei um strategische Operationen, welche die kognitiven Kapazitäten stark beanspruchen, weshalb sie gezielt eingesetzt werden sollten, da ansonsten andere Fehler die Folge sein können. (Vgl. Kucharska 2009: 78 ff; Kalina 1998: 117 f.) Gerade bei morphosyntaktisch ähnlichen Sprachenpaaren ist häufig mithilfe des Transkodierens eine erfolgreiche Lösung der Schwierigkeiten, die gleichzeitig ressourcensparend ist, zu erreichen. Diese Ähnlichkeit zwischen den beiden beteiligten Sprachen oder auch zwischen gewissen Sprachstrukturen erleichtert den Dolmetschprozess, birgt jedoch eine erhöhte Interferenzgefahr, wenn geringe Kontraste bestehen, die vom Dolmetscher leicht über- 4.5 Dolmetschstrategien und Interferenzen 157 <?page no="158"?> sehen werden können. Diesbezüglich ist ein sprachenpaarspezifisches Vorgehen nötig, das der Dolmetscher durch Erfahrung und Übung verinnerlicht, wobei er auf gewisse Strukturen sensibilisiert wird und situationsabhängig die jeweils beste Strategie für die Lösung eines Dolmetschproblems auswählen kann. (Vgl. Gile 2009: 197.) 158 4 Interferenzen <?page no="159"?> Teil II: Empirisches Experiment <?page no="160"?> 5 Fragestellungen und Hypothesen Die empirische Studie zu Interferenzerscheinungen im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch beim Dolmetschen in die A-Sprache hat gewissermaßen explorativen Charakter, da für das gewählte Sprachenpaar aktuell keine Daten zu Interferenzen beim Simultandolmetschen vorliegen. Zunächst geht es also darum, Daten zu Interferenzen im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch zu sammeln und eine Quantifizierung und Klassifizierung der ermittelten Interferenzen sowie der Korrekturraten vorzunehmen. Anschließend können unter Bezugnahme auf empirische Studien in anderen Sprachenpaaren Vergleiche gezogen und mögliche sprachenpaarspezifische Unterschiede thematisiert werden. Die Forschungsfragen, die im Rahmen des empirischen Experiments behandelt und beantwortet werden sollen, sind dabei folgende: • Mit welcher Häufigkeit kommen Interferenzen im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch beim Simultandolmetschen in die A-Sprache vor und in welchem Verhältnis stehen diese zur Wortanzahl der Verdolmetschung? • Wie verteilen sich die ermittelten Interferenzen auf die jeweiligen Interferenzkategorien und gibt es diesbezüglich Unterschiede zu Experimenten in anderen Sprachenpaaren? • Wie hoch ist die Korrekturrate von Interferenzen und welche Interferenzkategorien werden am häufigsten korrigiert? • Welche Unterschiede gibt es bezüglich Interferenzhäufigkeit, Interferenzkategorien sowie Korrekturraten zwischen Studenten und professionellen Dolmetschern? • Sind die aus den theoretischen Grundlagen ermittelten sprachstrukturellen Besonderheiten im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch tatsächlich interferenzbegünstigend? Welche weiteren Strukturen, die nicht vorab ausgehend von den theoretischen Grundlagen identifiziert wurden, sind gehäuft von Interferenzen betroffen? • Welchen Einfluss haben inhaltliche Schwierigkeitsstellen, wie Zahlen, Eigennamen, Zitate oder eine hohe Informationsdichte, auf die Interferenzhäufigkeit? • Wie sieht die retrospektive Selbstwahrnehmung in Bezug auf Interferenzen und deren Korrekturen aus? Stimmen wahrgenommene Schwierigkeiten mit den ermittelten Interferenzen überein oder werden vermehrt inhaltliche <?page no="161"?> Schwierigkeiten wahrgenommen und passieren Interferenzen eher unbewusst? • Gibt es Zusammenhänge zwischen der Interferenzhäufigkeit und der Selbsteinschätzung der Verdolmetschung bzw. der Einschätzung der Schwierigkeit der Ausgangsrede? • Steht die Anzahl der ermittelten Interferenzen in einem Zusammenhang mit der Sprachkompetenz im Spanischen (laut Selbsteinschätzung) oder der Dauer von Auslandsaufenthalten in spanischsprachigen Ländern? Können Unterschiede zwischen den Dolmetschern, die Spanisch als B-Sprache (aktive Fremdsprache beim Dolmetschen), und jenen, die Spanisch als C-Sprache (passive Fremdsprache beim Dolmetschen) haben, ermittelt werden? In Zusammenhang mit den Fragestellungen können ausgehend von den theoretischen Grundlagen sowie den Ergebnissen aus empirischen Experimenten zu Interferenzen beim Dolmetschen in anderen Sprachenpaaren einige Hypothesen aufgestellt werden, die im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch beim Dolmetschen in die A-Sprache zu erwarten sind und welche anhand der empirischen Daten überprüft werden sollen: Hypothese 1: Im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch kommen beim Simultandolmetschen lexikalische und morphosyntaktische Interferenzen als häufigste Kategorien vor. Hypothese 2: Die in der Rede zuvor gekennzeichneten sprachstrukturellen Schwierigkeitsstellen (vgl. 6.1.1) provozieren gehäuft Interferenzen in der jeweiligen Interferenzkategorie. Hypothese 3: Interferenzen treten vermehrt an allgemeinen Schwierigkeitsstellen, wie Passagen mit hoher Informationsdichte, vielen Zahlen, Eigennamen und Zitaten, auf, die zuvor in der Rede als solche gekennzeichnet wurden (vgl. Kapitel 6.1.1), sowie bei individueller Kapazitätsüberlastung, also direkt vor oder nach Pausen, Auslassungen und Sinnfehlern in der Verdolmetschung. Hypothese 4: Eigennamen sind besonders häufig von Interferenzen betroffen. Hypothese 5: Im Durchschnitt produzieren Studenten und professionelle Dolmetscher gleich viele Interferenzen in Relation zur artikulierten Wortanzahl in ihrer Verdolmetschung. Hypothese 6: Studenten korrigieren Interferenzen häufiger als professionelle Dolmetscher. In Zusammenhang mit den in der Rede enthaltenen sprachlichen und inhaltlichen Schwierigkeitsstellen ist noch wichtig darauf hinzuweisen, dass die 5 Fragestellungen und Hypothesen 161 <?page no="162"?> ermittelten Passagen und Strukturen unter Umständen nicht nur direkt zu Interferenzen führen, sondern möglicherweise der Dolmetscher die Strukturen korrekt dolmetscht, aber im Anschluss dann Fehler oder Auslassungen jeglicher Art auftreten. Dies wird in der Auswertung ebenfalls berücksichtigt, da es sich dabei um Hinweise handelt, dass die ermittelten Sprachstrukturen und inhaltlichen Schwierigkeitsstellen einen erhöhten Kapazitätsaufwand erfordern und somit problematisch sind, auch wenn der erwartete Interferenzfehler nicht auftritt. Folglich sind, besonders in Hinblick auf mögliche Rückschlüsse auf die Sprachverarbeitung und die Herausforderung beim Dolmetschen gewisser sprachstruktureller Besonderheiten im gewählten Sprachenpaar, möglicherweise auch die Elemente im direkten Umfeld der ermittelten inhaltlichen und sprachlichen Schwierigkeitsstellen sowie dort auftretende Dolmetschprobleme von Relevanz. 162 5 Fragestellungen und Hypothesen <?page no="163"?> 6 Methodik und Experimentbeschreibung In vorliegendem Kapitel werden der Inhalt und der Ablauf des Experiments sowie die Vorgehensweise bezüglich Auswahl und Bearbeitung der Rede, Zusammenstellung der Fragebögen und Auswertung der Resultate beschrieben. Die Unterlagen für das Experiment, wie Originalrede, Fragebögen, Transkriptionen der Verdolmetschungen etc., sind extra im Anhang bzw. unter dem Online-Link angeführt, um den Textfluss im Kapitel nicht zu stören. 6.1 Analysematerial Zur Überprüfung der Fragestellungen und Hypothesen (vgl. Kapitel 5) wurde ein Experiment mit Studenten und professionellen Dolmetschern mit Deutsch als A-Sprache und Spanisch als B- oder C-Sprache durchgeführt, welche alle die gleiche Rede vom Spanischen ins Deutsche dolmetschten und 2 Fragebögen dazu ausfüllten. Die Rede für die Verdolmetschung wurde basierend auf den im Theorieteil ermittelten linguistischen und psycholinguistischen Faktoren, die Interferenzen zu begünstigen scheinen, ausgewählt und bearbeitet und anschließend von einem Muttersprachler eingelesen. Die Fragebögen zielen einerseits darauf ab, Daten über die Dolmetscher, wie Sprachkenntnisse, Dolmetscherfahrung etc. zu erfassen, und sollen andererseits Aufschluss über die Einschätzung der Ausgangsrede, die Selbstwahrnehmung und Monitoringeffekte bei Interferenzerscheinungen beim Simultandolmetschen geben. Zur Evaluierung der Schwierigkeit und Dolmetschbarkeit der Rede sowie einer Überprüfung der Fragebögen wurde ein Pretest mit einer Dolmetschdozentin durchgeführt, wobei mögliche Probleme für die Durchführung des Experiments ermittelt und diese Stellen geändert werden konnten. Die Ausgangsrede sowie die beiden Fragebögen und auch im Pretest ermittelte Problemstellen werden im Anschluss detaillierter beleuchtet. 6.1.1 Rede Bei der spanischen Ausgangsrede für das Experiment handelt es sich um eine gekürzte und bearbeitete Version einer Originalrede des ecuadorianischen Präsidenten Lenin Moreno Garcés vom April 2019 bei einem Treffen der <?page no="164"?> Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Washington zum Thema Entwicklung, Menschenrechte und interamerikanische Zusammenarbeit. Die Rede wurde auf Grund der bereits in der Originalversion enthaltenen Schwierigkeitsstellen, wie Zitaten, Phraseologismen oder Passagen mit vielen Eigennamen, ausgewählt, um trotz der nachträglichen Bearbeitung einen möglichst natürlichen Text zu bewahren. Außerdem wurde darauf geachtet, dass die Rede ohne Vorbereitung dolmetschbar ist, wobei jedoch einige unbekannte Eigennamen und Informationen bewusst verwendet wurden, um die Auswirkung davon auf Interferenzen zu messen. Die ausgewählte Rede wurde anschließend nach den in Kapitel 4.4 ermittelten interferenzbegünstigenden Faktoren analysiert und um noch unterrepräsentierte Schwierigkeitsstellen ergänzt. Zusätzlich wurde darauf geachtet, dass zwischendurch auch leichtere Passagen vorkommen und dass linguistische Problemstellen sowohl isoliert als auch in Korrelation mit anderen Schwierigkeitsstellen enthalten sind, um mögliche Zusammenhänge mit einer kognitiven Überlastung feststellen zu können. Die in der Rede vorab ermittelten Schwierigkeitsstellen wurden in linguistische Besonderheiten der Dolmetschrichtung Spanisch - Deutsch auf den unterschiedlichen Ebenen und psycholinguistische Herausforderungen, die zum Beispiel durch Eigennamen, Zahlen, eine hohe Informationsdichte etc. ausgelöst werden, unterteilt. Zusätzlich wurde in der kommentierten Rede vermerkt, wenn es zu einer Überlappung mehrerer Schwierigkeitsstellen kommt. Nach dem Pretest wurden einige Stellen überarbeitet, da Schwierigkeiten angegeben wurden, die für die Erforschung der Fragestellungen in der vorliegenden Studie nicht von Relevanz waren oder bei denen die Wahrscheinlichkeit einer Auslassung sehr groß gewesen wäre, was wiederum verlorene Passagen wären. Dies betraf einige unklare Äußerungen, wie zum Beispiel eine Stelle, wo von temas técnicos die Rede war, aber aus dem Zusammenhang nicht klar hervor ging, was damit gemeint war, oder die Verwendung von regionalen oder sehr wenig geläufigen Ausdrücken, wie zum Beispiel die Adjektive irrestricto und malhadado. Außerdem wurde der metaphorische Vergleich tener la piel de un quelonio zu tener la piel de cocodrilo umgeändert, da das Lexem quelonio sehr wenig geläufig ist und somit bei den wenigsten Dolmetschern die erwartete Assoziation mit Schildkröte hervorrufen würde, was dann bei diesen Probanden keine Interferenzgefahrenstelle darstellen würde. Cocodrilo hingegen ist allseits bekannt und führt somit zu einer Aktivierung des deutschen Lexems Krokodil, welches jedoch in diesem Zusammenhang im Deutschen eine Interferenz darstellt. Somit handelt es sich um eine viel besser geeignete Formulierung mit Interferenzpotential als es beim ursprünglichen Phraseologismus der Fall war. Bei den inhaltlichen Schwierigkeitsstellen wurde nach dem Pretest nur noch geringfügige Änderungen vor- 164 6 Methodik und Experimentbeschreibung <?page no="165"?> genommen. Der Schwierigkeitsgrad der Rede wurde insgesamt als „ eher schwierig “ eingestuft, was als angemessen für die beiden Zielgruppen (fortgeschrittene Studenten und professionelle Dolmetscher) angesehen wird. Somit ist auch die Dolmetschbarkeit der Rede gegeben und es ist nicht mit zu langen Auslassungen zu rechnen. Die Absätze, in denen bewusst viele Zahlen und Eigennamen oder neue Informationen in konzentrierter Form vorkommen, wurden beim Pretest als Hürde erkannt und als sehr schwierig eingestuft. Das war auch das Ziel und diese Absätze konnten somit als geeignet für die Fragestellungen eingestuft werden, da es bei diesen Passagen darum geht, bewusst einen cognitive overload zu provozieren, um den Einfluss einer Kapazitätsüberlastung auf Interferenzerscheinungen ermitteln zu können. In der nachfolgenden Tabelle werden die vorab identifizierten und in der für das Experiment schlussendlich fertig präparierten Rede enthaltenen linguistischen Schwierigkeiten in der Sprachkombination Spanisch - Deutsch präsentiert. Sie werden dabei in die jeweiligen linguistischen Teilbereiche, die bereits als Kategorien für die sprachstrukturellen Schwierigkeitsstellen im Theorieteil ausgearbeitet wurden (vgl. Kapitel 4.4.4), untergliedert. Sprachliche Schwierigkeitsstellen mit möglichem Interferenzpotential Lexik falsche Freunde ambicioso autoridad brigadista compromiso concurrencia condiciones conservación escenario (adecuado) estar comprometido faraónico (obras faraónicas) graduarse inversión justicia mandante mandatario marca (del país) mil millones millares de orgánicamente popular (respaldo popular) privilegiar promover 6.1 Analysematerial 165 <?page no="166"?> Sprachliche Schwierigkeitsstellen mit möglichem Interferenzpotential Komposita acuerdos mínimos enviado especial informe preliminar libertad de expresión organismos financieros internacionales principales necesidades tienda de esquina fixierte bzw. halb-fixierte Verbindungen abrir las puertas a convertirse en el mundo nos mira con otros ojos emprender el camino en situación de vulnerabilidad enfrentar desafíos estamos hechos del mismo barro continental, del mismo barro humano estar enmarcado dentro de la verdad generar desconfianza hasta que Dios decide cerrarnos los ojos mantenerse con el oído al piso menos discursos y más oídos patear la pelota para adelante personas vulnerables realidades inmutables tener la piel de cocodrilo tener la piel dura tomar decisiones una guerra sin tregua volver a (+ Infinitiv) Wortspiel: gobierno vs. desgobierno polyseme Lexeme (polyseme Lexeme, bei denen eine der Entsprechungen gleichzeitig die formale Entsprechung ist, also partielle falsche Freunde, werden unter dem Punkt falsche Freunde angeführt) und Lexeme mit Entsprechungen mit unterschiedlicher Konnotation bzw. atropello (a los pueblos) bienestar campaña carta cita digno duplicar escuela (de medicina) gente 166 6 Methodik und Experimentbeschreibung <?page no="167"?> Sprachliche Schwierigkeitsstellen mit möglichem Interferenzpotential unterschiedlichem situativen oder kontextuellen Rahmen gratificar guerra inédito la patria obras recorrer sin costo triplicar vulnerable Morphosyntax Komposita acuerdos de cooperación acuerdos mínimos enviado especial informe preliminar instituciones de control ley de comunicación libertad de expresión mecanismos de acercamiento misiones de observación electoral organismos financieros internacionales plan de desarrollo plan de gobierno principales necesidades tienda de esquina Präpositionen Gefahr von Interferenzen bei unterschiedlichem Gebrauch in den beiden Sprachen, welcher wiederum von der gewählten zielsprachlichen Formulierung abhängt; einige Beispiele aus dem Text, welche möglicherweise Interferenzpotential bergen: creer en cumplir con el bienestar de nuestro país el Ministro de Economía de mi gobierno enviado especial sobre discapacidad y accesibilidad estar comprometido con 6.1 Analysematerial 167 <?page no="168"?> Sprachliche Schwierigkeitsstellen mit möglichem Interferenzpotential se los demandaba por millonarias sumas soñar con/ en tender puentes con Artikelgebrauch Schwierigkeit immer bei Kontrasten; hängt von der gewählten zielsprachlichen Formulierung ab; unterschiedliche Artikel sowie unterschiedlicher Artikelgebrauch; im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch ist auf jeden Fall der Kontrast beim Artikelgebrauch bei Prozentzahlen zu nennen Kongruenzfehler Kongruenzfehler können an den unterschiedlichsten Stellen über die Rede verteilt auftreten und hängen stark von der gewählten Formulierung sowie dem Abstand zwischen den übereinzustimmenden Elementen ab, weshalb keine konkreten allgemeingültigen Schwierigkeitsstellen diesbezüglich angenommen werden können; allerdings gilt für die Kongruenz ebenfalls erhöhtes Interferenzpotential bei syntaktisch asymmetrischen Konstruktionen, wo häufig antizipiert werden muss oder der Dolmetscher sich Elemente über einen längeren Zeitraum merken muss (siehe Bereich Syntax) Syntax V2-Stellung in deutschen Hauptsätzen: Satzkonstruktionen, bei denen das Verb in der spanischen Originalrede sehr spät auftaucht, im Deutschen aber schon früher benötigt wird A aquellas personas que dicen que lo que estamos haciendo es imposible, lo único que les pedimos es que nos dejen trabajar mientras lo logramos. A nivel nacional en total hasta el momento la misión “ Las Manuelas “ ha beneficiado a 53 mil personas con discapacidad. 168 6 Methodik und Experimentbeschreibung <?page no="169"?> Sprachliche Schwierigkeitsstellen mit möglichem Interferenzpotential Fue por esa Misión que el Dr. Ban Ki Moon, entonces secretario general de la ONU, me nombró su enviado especial sobre discapacidad y accesibilidad. Inclusive a los proveedores y constructores a los que se les adeudaba, se les decía que no hicieran las facturas hasta que haya el dinero para pagarles. William Blake, hace dos siglos, en sus preciosos cuadros que son precursores del surrealismo y en su maravillosa poesía, decía que se puede abarcar con facilidad el sueño en una mano. Satzstrukturen mit Satzklammern und Verbendstellung im Deutschen, bei denen im Spanischen das Verb/ die Verben viel früher artikuliert wird/ werden El gobierno ecuatoriano ha establecido el diálogo como el mejor mecanismo para el acercamiento de ideas, de sueños, de diversas esperanzas, inquietudes y críticas inclusive. Esta labor - pionera en el mundo - ha sido reconocida, replicada y mejorada por varios países hermanos de América. Vengo a esta cita para reiterar el compromiso de Ecuador con la Organización de Estados Americanos, y con sistemas como éste, que privilegian el diálogo y el acercamiento entre seres humanos. vorangestellte Gerundial-, Partizipial- oder Infinitivsätze Conscientes de la importancia que tiene la Comisión Interamericana de Derechos Humanos, Ecuador será sede de su próximo período de sesiones. 6.1 Analysematerial 169 <?page no="170"?> Sprachliche Schwierigkeitsstellen mit möglichem Interferenzpotential Haciendo un acto de contrición, un propósito de enmienda y un mea culpa, debo decir con toda sinceridad, que francamente me preocupé muy poco por temas económicos. Phonetik Formähnliche Wörter mit geringem lautlichem Kontrast ADN carta cocodrilo comisión comunicación crisis crítica/ críticas Ecuador La Habana misión OEA ONU PIB plan recursos respeto seriedad Venezuela Tabelle 3: Sprachliche Schwierigkeitsstellen mit Interferenzpotential in der Rede Zusätzlich wurden die in der Rede enthaltenen inhaltlichen Schwierigkeiten, ausgehend von den im Theorieteil ermittelten Kategorien (vgl. Kapitel 4.4.4), markiert und werden in untenstehender Tabelle nach Bereichen angeführt. Inhaltliche Schwierigkeitsstellen Eigennamen und Siglen/ Akronyme ADN Albert Einstein Ban Ki Moon Carlos Soublette Carta Democrática Interamericana Comisión Interamericana de Derechos Humanos 170 6 Methodik und Experimentbeschreibung <?page no="171"?> Inhaltliche Schwierigkeitsstellen Comité Interamericano para la Eliminación de Todas las Formas de Discriminación contra las Personas con Discapacidad Ecuador Ernesto “ Ché ” Guevara Jorge Enrique Adoum misión Las Manuelas objetivos de desarrollo sostenible de Naciones Unidas ONU Organización de los Estados Americanos (OEA) PIB Quito, Guayaquil, Cuenca Sistema Interamericano de Derechos Humanos „ Toda una Vida “ Venezuela William Blake Absätze mit vielen Zahlen En 2017, el PIB per cápita superó los 6 mil dólares, comparado con los 5 mil de 2011. La tasa de pobreza disminuyó más de 5 puntos en 2018, mientras que la pobreza extrema bajó de 12 a 9 por ciento. Este año tenemos prevista una inversión de 265 millones en bonos de desarrollo humano para 400 mil personas en pobreza, 90 millones para 142 mil personas con discapacidad. Y 123 millones para beneficiar a 400 mil adultos mayores en situación de pobreza. Absätze mit hoher Informationsdichte/ viel neuer Information/ vielen Eigennamen Estamos comprometidos con el Sistema Interamericano de Derechos Humanos. Renovamos los acuerdos de cooperación con la Comisión Interamericana de Derechos Humanos. La última muestra de ello ocurrió en septiembre de 2018, cuando Ecuador se convirtió en el quinto país del mundo en ratificar los 18 instrumentos de las Naciones Unidas, en materia de protección de los Derechos Humanos. 6.1 Analysematerial 171 <?page no="172"?> Inhaltliche Schwierigkeitsstellen Fue por esa Misión que la OEA me eligió presidente del Comité para la Eliminación de Todas las Formas de Discriminación contra las Personas con Discapacidad en el 2012. Fue por esa Misión que el Dr. Ban Ki Moon, entonces secretario general de la ONU, me nombró su enviado especial sobre discapacidad y accesibilidad. Y creo que fue por eso, que el pueblo ecuatoriano me eligió para atender integralmente a los pobres y excluidos de la Patria. Aufzählungen Hay que volver a escucharnos, a mirarnos, a dialogar. En la casa, en la oficina, en la calle y, sobre todo y ante todo, en y con el gobierno. Intercambiar opiniones, aportar lo mejor de cada uno de nosotros. No ocurría así en el período anterior, cuando lastimosamente se perseguía y encarcelaba periodistas, se cerraban medios de comunicación, se atentaba contra ellos, se los demandaba por millonarias sumas en el intento de quebrarlos y anularlos definitivamente de la libertad de expresión. Quisiera que el gobierno que me suceda encuentre un país encaminado, en el que las cuentas estén claras, en el que haya un ambiente de transparencia, de honestidad; en el que las instituciones sean autónomas, especialmente las instituciones de control para que puedan cumplir con su trabajo. Zitate, vor allem mit poetischem/ literarischem Stil und Anekdoten Albert Einstein decía: “ a aquellas personas que dicen que lo que estamos haciendo es imposible, lo único que les pedimos es que nos dejen trabajar mientras lo logramos ” . Aquí, en este foro, podemos añadir que, en las Américas, nada nos es ajeno ni lejano, porque ahora más que nunca debemos presentarnos 172 6 Methodik und Experimentbeschreibung <?page no="173"?> Inhaltliche Schwierigkeitsstellen amazorcados, decía el poeta Jorge Enrique Adoum, como una mazorca de maíz, juntos, difícil de desgranar al comienzo, pero si se desgrana uno se vuelve fácil. Llegó a oídos del presidente que la obra iba a estrenarse en los próximos días, entonces llamó al director, a quien le solicitó que le indique de que se trata. Él le dijo: “ encantado, incluso la podríamos presentar ante usted ” . Ya se pueden imaginar la ridiculización, las exageraciones y críticas acervas que se le hacía al gobierno. Al terminar la obra, el presidente se reía a carcajadas. Y el director le dijo: “ no le preocupa que nos riamos de usted ” . “ No. Un presidente no debe preocuparse cuando su pueblo se ríe de él, sino cuando el presidente se ríe del pueblo ” , le dijo Soublette. Un gran hombre, hay que reconocer que fue un gran hombre, aunque no estemos de acuerdo con sus ideas o ideologías: Ernesto “ Ché ” Guevara, decía que nadie se gradúa de ser humano, mientras no sienta como propio el dolor que siente otro ser humano en el mundo. William Blake, hace dos siglos, en sus preciosos cuadros que son precursores del surrealismo y en su maravillosa poesía, decía que se puede abarcar con facilidad el sueño en una mano. Es como si soñaras en una rosa, y cuando despiertas ya la tuvieses en tu mano. Los sueños pueden ser posibles. A lo mejor por eso pone Dios los sueños en nuestra cabeza, para que los convirtamos en realidad. Tabelle 4: Inhaltliche Schwierigkeitsstellen in der Rede Die exakten Stellen, an denen die einzelnen Schwierigkeiten vorkommen, und eventuelle Überlappungen mehrerer unterschiedlicher Problemstellen sind in der kommentierten Version der Rede online einsehbar. 6.1 Analysematerial 173 <?page no="174"?> Der präparierte Text wurde von einem L1-Sprecher des Spanischen aus Peru mit Präsentations-Erfahrung als Audio-Datei eingelesen, wobei darauf geachtet wurde, dass dieser einen möglichst „ neutralen “ Akzent und eine gut verständliche Artikulation hat. Der Redner präsentierte die Rede in Bezug auf Artikulation, Stimmführung, Pausensetzung und Betonungen wie bei einer authentischen Rede vor Publikum, um eine möglichst realitätsnahe Verdolmetschung per Audio-Aufnahme zu ermöglichen. Es wurde keine Video-Aufnahme der Originalrede angefertigt, was möglicherweise für einige Probanden eine Schwierigkeit darstellte, da Mimik und Gestik nicht sichtbar sind, jedoch kann dies auch bei realen Aufträgen passieren, wenn der Dolmetscher keine direkte Sicht auf den Redner hat oder wenn in einer Video-Konferenz das Bild nicht verfügbar ist. Als Geschwindigkeit wurde ausgehend von der in der Forschungsliteratur als angenehm ermittelten Geschwindigkeit von 90 bis 120 Wörtern pro Minute (vgl. zum Beispiel Gerver 1976) und angesichts der Tatsache, dass es sich um einen eher schwierigen Text ohne Vorbereitung handelt, eine Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 100 Wörtern pro Minute gewählt. Außerdem wurde drauf geachtet, dass die Geschwindigkeit über die Rede verteilt, relativ konstant bleibt, da ein Wechsel zwischen schnellen Passagen und längeren Pausen eine zusätzliche Herausforderung darstellt (vgl. Pöchhacker 2016a: 124 f ). Für die vorliegende Arbeit ist eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Einfluss von der Geschwindigkeit von Ausgangsreden auf die Verdolmetschung nicht relevant, da diese nicht als Parameter in die Auswertung einfließt. Vielmehr wurde versucht, eine durchschnittliche, von den Dolmetschern als angenehm empfundene Geschwindigkeit zu wählen, die eher im unteren Bereich angesiedelt ist, um sicherzustellen, dass es nicht probandenübergreifend zu größeren Auslassungen kommt, da diese Passagen dann für die Auswertung verloren gingen. Im Pretest wurde die gewählte Geschwindigkeit von ca. 110 Wörtern pro Minute als durchschnittlich bewertet und somit als geeignet für die Durchführung des Experiments eingestuft, wobei die tatsächliche Geschwindigkeit bei der Originalrede beim empirischen Experiment dann etwas darunterlag und sich auf ungefähr 100 Wörter pro Minute im Durchschnitt belief. In den Fragebögen wurde eine Frage zur Einschätzung der Geschwindigkeit integriert, um festzustellen, wie diese von den Dolmetschern wahrgenommen wird und ob die Geschwindigkeit für die Dolmetscher in diesem Fall eine Schwierigkeit darstellte. 6.1.2 Fragebögen Neben der Verdolmetschung der Rede umfasst das empirische Experiment auch die Datenerhebung mittels zweier Fragebögen (siehe Anhang), wobei der 174 6 Methodik und Experimentbeschreibung <?page no="175"?> erste Fragebogen dem Erfassen von Daten zu den Probanden dient und der zweite eine Einschätzung der Rede sowie retrospektive Selbsteinschätzung beinhaltet. Der erste Fragebogen sollte vor der Verdolmetschung in Ruhe ausgefüllt werden. Es geht dabei darum, die Sprachbiographie, Ausbildung und Dolmetscherfahrung zu erheben, um mögliche Einflüsse dieser Faktoren auf die ermittelten Interferenzen bzw. die Interferenzhäufigkeit feststellen zu können. Den zweiten Fragebogen sollten die Probanden direkt im Anschluss an die Verdolmetschung ausfüllen, damit die Rede und die eigene Verdolmetschung noch präsent und mögliche konkrete Stellen der Rede in Erinnerung sind. Die Fragen zielen dabei darauf ab, einerseits eine Einschätzung der Rede seitens der Dolmetscher zu erhalten, und andererseits eine retrospektive Selbsteinschätzung der eigenen Verdolmetschungen zu bekommen, um Monitoringeffekte und Zusammenhänge zwischen bewusst wahrgenommenen Dolmetschschwierigkeiten und Interferenzen zu ermitteln. Die Fragebögen beinhalten sowohl Fragen mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten zum Auswählen als auch offene Fragen, damit die Dolmetscher konkrete Überlegungen zu Korrekturen, wahrgenommenen Schwierigkeitsstellen etc. anführen können. Die Fragebögen wurden im Pretest mitgetestet und zusätzlich von 2 Personen evaluiert, um sicherzustellen, dass die Fragen gut verständlich und eindeutig zu beantworten sind. Danach wurden noch ein paar Veränderungen durchgeführt: So wurde zum Beispiel ein Link mit Informationen zum GERS eingefügt, falls einige Probanden damit nicht vertraut sein sollten. Ein paar Formulierungen wurden geändert und manche Fragen noch weiter untergliedert. Diesbezüglich wurden bei den Fragen zu wahrgenommenen Korrekturen bzw. der Unterlassung von Korrekturen statt der ursprünglichen Auswahl zwischen „ Ja “ oder „ Nein “ noch zusätzliche Kategorien wie „ häufig “ , „ manchmal “ oder „ selten “ eingeführt. Bei den offenen Fragen wurde das Format geändert und anstelle der anfangs geplanten Zeilen nur Leerzeilen vorgegeben, um nicht durch Vorgabe des Platzes einen Einfluss auf die Länge der Antworten zu nehmen. Zusätzlich wurde die Ergänzung eingefügt, dass die Fragen so ausführlich wie möglich beantwortet werden sollen und alle Details, die den Probanden dazu einfallen, auch wenn diese vielleicht unwichtig erscheinen, angegeben werden sollten. 6.2 Versuchspersonen Für die Beantwortung der Fragestellungen und Prüfung der Hypothesen (vgl. Kapitel 5) war es notwendig, zwei Probandengruppen zu bilden, um einen Vergleich zwischen erfahrenen Dolmetschern und Dolmetschstudenten ziehen 6.2 Versuchspersonen 175 <?page no="176"?> zu können. Alle Probanden sollten Deutsch als A-Sprache beim Dolmetschen haben, da der Fokus auf der Ermittlung von Interferenzen als Performanzfehler im Dolmetschprozess liegt und nicht auf möglichen Sprachkompetenzproblemen - eine Unterscheidung, die beim Dolmetschen in eine Fremdsprache schwieriger zu ermitteln ist. Spanisch war dabei entweder die B-Sprache (aktive Dolmetschsprache, in die von der A-Sprache und aus der in die A-Sprache gedolmetscht wird) oder C-Sprache (passive Dolmetschsprache, aus der in die A- Sprache gedolmetscht wird). Eine Beschränkung nur auf die B-Sprache wäre auf Grund der geringen Zahl sowohl an Studenten als auch an professionellen Dolmetscher mit Deutsch A und Spanisch B nicht möglich gewesen. Allerdings ermöglicht eine Mischung von Probanden mit Spanisch als B- und C-Sprache auch mögliche Rückschlüsse, ob der Unterschied zwischen aktiver oder passiver Sprache beim Dolmetschen einen Einfluss auf die Interferenzhäufigkeit hat. Bei zwei Probanden in der Gruppe der professionellen Dolmetscher ist Spanisch sogar die zweite A-Sprache neben dem Deutschen, wobei eine Sprachkombination mit zwei A-Sprachen relativ selten ist, aber durchaus interessante Ergebnisse in Bezug auf Interferenzen beitragen kann. Als erste Gruppe wurden Probanden gesucht, die bereits fortgeschrittene Masterstudenten des Fachs Konferenzdolmetschen sind, wobei unterschiedliche Universitäten im deutschsprachigen Raum angeschrieben wurden, um Freiwillige für die Experimentteilnahme zu finden. Voraussetzungen waren dabei neben Deutsch als A-Sprache, dass die Studenten bereits mindestens im zweiten Jahr des Masterstudiums sind, da die Rede für vollkommene Dolmetschanfänger zu schwierig wäre und damit zu viele Auslassungen für eine aussagekräftige Auswertung zu erwarten wären, und dass sie Spanisch als B- oder C-Sprache belegen. Die zweite Gruppe sollte aus professionellen Dolmetschern bestehen, welche ebenfalls Deutsch als A-Sprache beim Dolmetschen haben sowie Spanisch als Arbeitssprache (B- oder C-Sprache) und zusätzlich mindestens 5 Jahre Berufserfahrung sowie mindestens 200 Dolmetschtage als Konferenzdolmetscher vorweisen können, was auch als Kriterium für eine Senior-Mitgliedschaft beim Berufsverband der Dolmetscher und Übersetzer in Deutschland (BDÜ) 1 gilt. Die Probanden für die Gruppe der professionellen Dolmetscher wurden über Dozenten im Bereich Konferenzdolmetschen an Universitäten im deutschsprachigen Raum, über soziale Netzwerke, über Aufrufe bei den Berufsverbänden für 1 Der BDÜ ist der wichtigste Zusammenschluss für Übersetzer und Dolmetscher in Deutschland und somit können die dort festgelegten Voraussetzungen für eine Senior Mitgliedschaft als Kriterium für die Eingrenzung von professionellen Dolmetschern in der vorliegenden Arbeit übernommen werden. 176 6 Methodik und Experimentbeschreibung <?page no="177"?> Übersetzer und Dolmetscher in Deutschland, Österreich und der Schweiz, über direkte Kontaktaufnahme zu freiberuflichen Dolmetschern sowie über Bekannte, die als freiberufliche Übersetzer und Dolmetscher arbeiten, gesucht. Damit einerseits möglichst aussagekräftige Ergebnisse zu möglichen Tendenzen bei Interferenzerscheinungen in der Sprachkombination Spanisch - Deutsch getroffen werden können (quantitative Auswertung) und andererseits eine qualitative Auswertung der Fragebögen ermöglicht und dem explorativen Charakter der Studie Rechnung getragen werden kann, wurde die gewünschte Zahl der Teilnehmer auf 10 pro Gruppe festgelegt. Dabei handelt es sich angesichts der Schwierigkeiten in der Dolmetschwissenschaft, geeignete Probanden mit den jeweiligen Sprachkombinationen und Berufsjahren zu finden, um eine angemessene Zahl, um Erkenntnisse zu den Fragestellungen und Hypothesen zu gewinnen. Die finale Probandengruppe bestand dann aus 22 Teilnehmern, die die geforderten Kriterien erfüllten, mit einer ausgeglichenen Aufteilung von 11 Studenten und 11 professionellen Dolmetschern. Die genauen Daten zur Sprachbiographie sowie der Dolmetschausbildung und Berufserfahrung der Teilnehmer werden in Kapitel 7.2.1 bei der Auswertung der Fragebögen dargestellt. 6.3 Ablauf des Experiments Die Probanden erhielten alle für die Durchführung des Experiments notwendigen Unterlagen (Instruktionsblatt und Datenschutzerklärung, zwei Fragebögen und Audio-Datei der Originalrede) per Mail und wurden gebeten, die Verdolmetschung eigenständig unter möglichst praxisnahen Bedingungen, in diesem Fall wie bei einer Videokonferenz, durchzuführen. Der Zeitpunkt für die Verdolmetschung konnte von den Teilnehmern frei gewählt werden und die Verdolmetschung erfolgte von zu Hause, wobei die Dolmetscher gebeten wurden, für eine gute Aufnahmequalität mittels eines geeigneten Headsets oder Mikrofons zu sorgen. Bei der Studentengruppe war zunächst geplant, das Experiment direkt an den Universitäten, nach Möglichkeit innerhalb des gewohnten Dolmetschunterrichts, abzuhalten, um sicherzustellen, dass das Experiment korrekt durchgeführt wird, die Motivation durch Anwesenheit des Dolmetschdozenten hoch ist und die Studenten in ihrer gewohnten Arbeitsumgebung, den Dolmetschkabinen des jeweiligen Instituts, ungestört und ohne technische Probleme dolmetschen können. Jedoch war es auf Grund der Covid19-Situation nicht möglich, wie geplant vorzugehen und die Studenten wurden, ebenso wie die professionellen Dolmetscher, gebeten, von zu Hause am Experiment teilzunehmen. 6.3 Ablauf des Experiments 177 <?page no="178"?> Die Dolmetscher hatten im Vorfeld beziehungsweise auch nach Durchsicht des Informationsblattes und der Fragebögen die Möglichkeit, Fragen an die Versuchsleiterin zu stellen, um Unklarheiten bezüglich der Durchführung des Experiments zu klären. Der Untersuchungsgegenstand der Studie wurde den Probanden nicht mitgeteilt, damit es zu keiner Verfälschung der Ergebnisse kommt, sondern sie erhielten nur die Information, dass es sich um eine Studie zum Simultandolmetschen im Rahmen eines Dissertationsprojekts handle und die Daten in anonymisierter Form anhand von Transkripten verwendet werden. Bezüglich des Themas der Rede wurden die Probanden vorab darüber informiert, dass es sich um eine Rede des ecuadorianischen Präsidenten Lenin Moreno Garcés zu Menschenrechten, Entwicklung und interamerikanischer Zusammenarbeit handle. Den Probanden wurde aufgetragen, die Rede möglichst wie in einer echten Dolmetschsituation, in diesem Falle wie in einer Video-Konferenz, zu dolmetschen und somit keine Pausen oder Unterbrechungen einzulegen, nicht vorher hineinzuhören oder die Rede mehrmals zu dolmetschen sowie für ein geeignetes Arbeitsumfeld ohne Störungen, Unterbrechungen oder Hintergrundgeräusche zu sorgen. Der erste Fragebogen sollte vor der Verdolmetschung ausgefüllt werden, der zweite direkt im Anschluss an die Verdolmetschung, um sicherzustellen, dass so viele Details wie möglich bei der retrospektiven Befragung noch in Erinnerung sind. Die Probanden schickten im Anschluss an das durchgeführte Experiment das unterschriebene Informationsblatt mit der Einverständniserklärung, die beiden ausgefüllten Fragebögen sowie die Audio-Aufnahme mit ihrer Verdolmetschung an die Versuchsleiterin zur Auswertung zurück. Die Audio-Aufnahmen werden in der vorliegenden Arbeit in Form von Transkripten verwendet, die mittels eines Codes den Fragebögen zuordenbar sind, und die Tonaufnahmen werden keinen dritten Personen zugänglich gemacht, um die Anonymität der Probanden zu garantieren. 6.4 Auswertungskriterien Für die Auswertung der Daten wurde ein Mixed-Methods-Design gewählt, wobei die Transkripte der Verdolmetschungen und die ausgefüllten Fragebögen als Analysematerial dienten. Die Interferenzen sowie die Korrekturen von Interferenzen wurden in den Verdolmetschungen zunächst markiert, in die unterschiedlichen Kategorien untergliedert und quantitativ erfasst. Die Antworten der Fragebögen wurden der Übersichtlichkeit halber in Tabellen-Form gebracht und beschrieben. Anschließend wurden Zusammenhänge mit den in den Fragestellungen und Hypothesen ausgearbeiteten Parametern ermittelt sowie 178 6 Methodik und Experimentbeschreibung <?page no="179"?> mögliche Tendenzen bei Interferenzerscheinungen in der gewählten Sprachkombination erfasst und diskutiert. Die Ergebnisse der Auswertung werden im Kapitel 7 dieser Arbeit präsentiert. In den nachfolgenden Unterkapiteln werden die für die Auswertung notwendigen Rahmenbedingungen, wie die Anfertigung der Transkripte, die angewandten Definitionen und Kategorien sowie die Kriterien für die Ermittlung von Interferenzen und für eine Korrelation mit Sinnfehlern, Auslassungen oder längeren Pausen, im Detail erläutert. 6.4.1 Transkription Die Audio-Dateien mit den Verdolmetschungen der Reden wurden mithilfe des Programms EXMARaLDA transkribiert und werden als Transkripte online zur Verfügung gestellt. Die Transkription mit dem Partitur-Editor von EXMARaLDA ermöglicht es, die Tonspur der Originalrede und jene der Verdolmetschung im zeitlichen Abstand zueinander zu transkribieren und in tabellarischer Form darzustellen. Somit kann ein allgemeiner Überblick über die Décalage des Dolmetschers gegeben werden und festgestellt werden, was der Originalredner zum Zeitpunkt eines Fehlers in der Verdolmetschung sagt und ob dieses Segment einen Einfluss auf den Output des Dolmetschers hat. Zusätzlich können Pausen relativ genau gemessen und notiert werden, um in den Transkripten ersichtlich zu machen, wo der Dolmetscher längere Auslassungen oder mögliche Schwierigkeiten hatte. Für die Fragestellungen in vorliegender Arbeit ist die Notation der Pausen ebenfalls von Interesse, um mögliche Korrelationen zwischen Interferenzfehlern und Dolmetschschwierigkeiten zu erfassen. Die Transkription der beiden Tonspuren der Verdolmetschungen erfolgte in Segmenten von 2 Sekunden, unabhängig davon, ob eine Äußerung oder ein Wort zu Ende gesprochen wurde, da so eine Vergleichbarkeit zwischen den unterschiedlichen Probanden gegeben ist. Nur für die Darstellung von Pausen wurden teilweise kürzere Segmente angefertigt, da diese ab einer Länge von über 0,5 Sekunden als relevant erachtet und erfasst wurden. Natürliche kurze Pausen unter 0,5 Sekunden, zum Beispiel nach Satzzeichen oder zur Betonung von Inhalten wurden nicht notiert. Auch Pausen in der Originalrede wurden der Vollständigkeit halber erfasst und notiert, um den Redefluss so real wie möglich darzustellen. Das Hauptaugenmerk liegt bezüglich der Pausen jedoch auf längeren Pausen in den Verdolmetschungen und vor allem auf einem möglichen Zusammenhang zwischen Interferenzen und Pausen, die kurz davor oder danach vorkommen. Das Programm erlaubt eine ungefähre Messung der Pausen mit leichten Abweichungen, je nach Segmentierung der Abschnitte, da sehr kurze Passagen nicht ganz exakt erfasst werden können. Folglich kommt es auch zu 6.4 Auswertungskriterien 179 <?page no="180"?> Abweichungen (von ca. +/ - 0,3 Sekunden) der Pausenlänge in den unterschiedlichen Transkriptionen der Originalrede, je nachdem wo die Segmentgrenzen liegen. Für die Erforschung der Fragestellungen und Hypothesen in vorliegender Arbeit ist das aber vollkommen ausreichend. Die Transkriptionen erfolgten grundsätzlich orthographisch und orientieren sich an den HIAT-Konventionen, wobei im Anschluss noch die genaueren Details zu den in den Transkripten verwendeten Zeichen erläutert werden: • Pausen werden in EXMARaLDA innerhalb von doppelten runden Klammern dargestellt, zum Beispiel im Falle einer zweisekündigen Pause ist in den Transkripten folgende Angabe zu sehen: ((2,0s)). Kurze Pausen unter einer Länge von 0,5 Sekunden wurden nicht gekennzeichnet, da hier keine Relevanz für die vorliegende Themenstellung gegeben war, außer sie wurden mitten im Wort platziert, wobei diese dann durch ein Leerzeichen und anschließend das Symbol ‿ kenntlich gemacht wurden. • Phonetische Transkriptionen wurden nur im Falle von lautlichen Normabweichungen bei einzelnen Lauten oder Wörtern, die von Relevanz für die Themenstellung sind, angefertigt. So wurden hauptsächlich phonetische Transkriptionen eingefügt, wenn es zu phonetischen Interferenzen in der Verdolmetschung kam. Diese sind in den Transkripten in eckigen Klammern [] direkt nach dem betroffenen Laut oder Wort ersichtlich. Zusätzlich wurde noch beschlossen, Laute, die vom Dolmetscher unnatürlich gelängt wurden, mithilfe des IPA-Zeichens [ ː ] zu kennzeichnen, auch wenn es sich hierbei nicht um Interferenzen handelt, da eine Längung von Vokalen oder Konsonanten auch häufig zur Füllung von Nachdenkpausen verwendet wird und somit einen Hinweis auf Dolmetschschwierigkeiten geben kann, welche in den Transkripten aufscheinen sollten. • Sehr häufig kommen in den Verdolmetschungen abgebrochenen Aussagen vor, wofür auf der EXMARaLDA-Tastatur das Symbol von drei Punkten ( … ) zur Verfügung steht, um ersichtlich zu machen, dass der Dolmetscher eine Aussage neu begonnen hat, auch wenn häufig keine Korrekturankündigung, zum Beispiel in Form von „ ich korrigiere “ gemacht wurde. • Teilweise haben Dolmetscher Wörter nachträglich, oft nach einer kürzeren Nachdenkpause oder einem Hesitationslaut wie „ äh “ , zusammengefügt, ohne das gesamte Wort zu wiederholen. In diesem Fall wurde das in EXMARaLDA für diesen Zweck verfügbare Symbol ‿ verwendet. In einem konkreten Beispiel sieht das dann in den Transkripten folgendermaßen aus: „ die Wirtschaft äh ‿ skrise “ . 180 6 Methodik und Experimentbeschreibung <?page no="181"?> Die in EXMARaLDA angefertigten Transkripte wurden anschließend als Partitur im rtf-Format exportiert, wodurch sie als Word-Dokument geöffnet und bearbeitet werden können. In den Transkripten wurden die Interferenzen bei allen Probanden gekennzeichnet und in die jeweiligen Kategorien eingeteilt und farblich gekennzeichnet. Am Ende des jeweiligen Dokuments wurde eine quantitative Aufstellung über Interferenzvorkommen und Korrekturraten gemacht, was somit erlaubt, dass für jeden Dolmetscher die insgesamte Interferenz- und Korrekturhäufigkeit sowie die Untergliederung der Kategorien ersichtlich wird. Zuletzt sei bezüglich der Transkripte noch darauf hingewiesen, dass es sich bei einer Verdolmetschung immer um eine mündliche Kommunikationssituation handelt, die nicht zur Verschriftlichung und üblicherweise, mit einigen Ausnahmen von sehr wichtigen Reden oder auch online zugänglichen Verdolmetschungen der EU, auch nicht zur mehrmaligen Wiedergabe gedacht ist. Die Transkripte stellen einen wichtigen Beitrag dar, da somit allen Interessierten im Anhang die vollständigen Verdolmetschungen zugänglich gemacht werden können, sollten aber immer unter Berücksichtigung dieser Aspekte gelesen und interpretiert werden. 6.4.2 Vorgehensweise bei der Auswertung und Grenzfälle Nach der Transkription der Audio-Dateien mit den Verdolmetschungen wurden die Transkripte von der Versuchsleiterin auf Interferenzerscheinungen überprüft. Wie bereits andere Autorinnen (vgl. Schneider 2007; Waisová 2014; Jere šč enková 2014; Ș erban 2018) bei der Auswertung angaben, stellen die subjektive Wahrnehmung und unterschiedliche Fehlertoleranz beim Identifizieren von Interferenzen eine Herausforderung dar. Da Interferenzen einen Normverstoß in der Zielsprache durch Beeinflussung von ausgangssprachlichem Material darstellen, ist es einerseits notwendig, festzustellen, ob und inwieweit ein Normverstoß in der Zielsprache vorliegt, und andererseits muss dieser Normverstoß durch eine Beeinflussung durch die Ausgangssprache entstanden sein. Bei beiden Aspekten kann es zu Grenzfällen kommen, wobei vor allem die Einordnung als Normverstoß einer gewissen Subjektivität unterworfen ist. Petioky (1970: 4, zit. n. Waisová 2014: 22) schreibt zum Normbegriff, und besonders in Bezug auf Interferenzen Folgendes: „ Die Norm selbst ist ja nicht immer etwas Feststehendes: ihre Anerkennung und Einschätzung kann unterschiedlich sein im Wandel der Zeiten, von einer Region zur anderen, zwischen verschiedenen sozialen Gruppen, ja zwischen verschiedenen Individuen. “ Aus diesen Gründen ist es bei manchen Strukturen schwierig festzustellen, ob ein 6.4 Auswertungskriterien 181 <?page no="182"?> Normverstoß vorliegt oder ob es sich vielleicht zwar nicht um die beste, eventuell eine ungewöhnliche, aber dennoch noch akzeptable Entsprechung in der Zielsprache handelt. Zusätzlich muss bedacht werden, dass es sich beim Simultandolmetschen um eine mündliche Kommunikationssituation handelt, wo die Fehlertoleranz beim Zielpublikum auf Grund der Flüchtigkeit generell etwas größer ist. Jedoch wird die Evaluierung für die vorliegende Arbeit nicht aus der Perspektive des Zielpublikums gemacht, wofür eine Qualitätsstudie notwendig wäre, sondern aus einem linguistischen Blickwinkel, wo die Auswertung etwas strenger erfolgt, da der Fokus vermehrt auf dem Grad der Beeinflussung der Ausgangssprache liegt und nicht auf dem Grad der Akzeptabilität. Daher sind auch Formulierungen, die zwar verständlich sind, aber in einer natürlichen einsprachigen Kommunikationssituation üblicherweise nicht verwendet werden würden und bei denen die ausgangssprachliche Formulierung einen klaren Einfluss ausübt, ebenfalls von besonderem Interesse, um Rückschlüsse auf den Dolmetschprozess und die dabei ablaufenden Sprachverarbeitungsprozesse zu ziehen. Einige Autorinnen (vgl. Schneider 2007 oder Waisová 2014) versuchten, in ihrer Auswertung eine möglichst große Objektivität zu erreichen, indem die Transkripte der Verdolmetschungen von mehreren Personen unabhängig voneinander auf Interferenzen durchsucht wurden und nur jene Stellen tatsächlich gezählt wurden, die von der Mehrheit als Interferenzen eingeordnet wurden. Andere Autorinnen (vgl. Jere šč enková 2014; Ș erban 2018) führten die Auswertung allein durch, entschieden sich jedoch für eine mehrmalige Durchsicht und Kennzeichnung von Interferenzen im Abstand von einigen Wochen. Für die vorliegende Arbeit wäre eine Durchsicht mehrerer Personen auf Grund der großen Anzahl von Transkripten von insgesamt mehreren hundert Seiten nicht durchführbar gewesen. Außerdem wurde im Experiment ein etwas anderer Ansatz gewählt, da die Rede im Vorfeld bearbeitet und in Bezug auf interferenzbegünstigende Strukturen analysiert und kommentiert wurde. Diese Vorgehensweise erleichterte die Auswertung dahingehend, dass sehr viele Interferenzerscheinungen im Vorhinein ausgehend von den sprachlichen Strukturen im Spanischen als wahrscheinliche Übertragungen ins Deutsche erwartet wurden. In diesen Fällen waren eine klare Identifizierung und Abgrenzung der Interferenzen von anderen Fehlern einfach durchführbar. Es kam jedoch auch zu Interferenzen, die in der Analyse der Originalrede nicht vorausgesehen wurden oder bei denen Strukturen nur teilweise übernommen bzw. adaptiert wurden, was eine eindeutige Einordnung als Normverstöße oder eine klare Beeinflussung durch die Ausgangssprache schwieriger machte. Folglich wurden, neben einer mehrmaligen Durchsicht der Transkripte, alle Grenzfälle dokumentiert, zunächst in Wörterbüchern und Korpora auf ihre mögliche 182 6 Methodik und Experimentbeschreibung <?page no="183"?> Verwendung überprüft und anschließend mit Experten im Bereich Linguistik, Romanistik und Germanistik besprochen, um eine möglichst objektive Entscheidung über die Klassifizierung als Interferenzen zu treffen. Die Einteilung der ermittelten Interferenzen in die zuvor definierten Kategorien (vgl. Kapitel 6.4.3) war ohne größere Zuordnungsschwierigkeiten möglich, wobei Grenzfälle mit anderen wissenschaftlichen Experten durchbesprochen wurden und Mischformen von zwei Interferenzen, bei denen zum Beispiel im ersten Teil einer Konstruktion eine lexikalische Übertragung und im zweiten Teil eine phonetische festgestellt wurde, dann jeweils einmal in der jeweiligen Interferenzkategorie klassifiziert wurden. Interferenzen, die genau in derselben Konstruktion im gleichen Kontext vom selben Dolmetscher wiederholt wurden, wie zum Beispiel die mehrmalige lautliche Übernahme der Aussprache von Ecuador [ekwaðo ɾ ] vom Spanischen in der deutschen Verdolmetschung, wurden nur als ein Interferenzfehler in der quantitativen Aufzählung für diesen Probanden gewertet, jedoch jedes Mal extra in den Transkripten gekennzeichnet und in der Auswertung unter den Transkripten der einzelnen Verdolmetschungen als Interferenzen inklusive Anzahl der Wiederholungen angegeben. Die Wiederholung desselben Interferenzfehlers im Laufe einer Verdolmetschung lässt nämlich Rückschlüsse darauf zu, ob hier möglicherweise ein Kompetenzfehler des Dolmetschers vorliegt, wenn der Dolmetscher eine Konstruktion immer auf dieselbe Art und Weise übersetzt, oder auf eine gewisse Unsicherheit der zielsprachigen Entsprechung, wenn er mehrmals dieselbe Interferenz produziert, zwischendurch aber die korrekte Entsprechung der Zielsprache verwendet. In den Transkripten der einzelnen Verdolmetschungen wurden die ermittelten Interferenzen sowie die Korrekturen von Interferenzen in unterschiedlichen Farben je nach Interferenzkategorie markiert und unter jedem Transkript die Gesamtzahl der Interferenzen, der Output in Wörtern, die Umrechnung der Interferenzzahl pro 100 Wörter des Outputs sowie die Anzahl von Interferenzen in den jeweiligen Kategorien und die Korrekturrate festgehalten. Die Antworten in den Fragebögen bezüglich Sprachbiographie und Dolmetscherfahrung wurden zunächst in tabellarische Form gebracht (vgl. Kapitel 7.2.1), um mögliche Korrelationen mit der Interferenz- oder Korrekturhäufigkeit feststellen zu können, und anschließend diskutiert. Die wichtigsten Fragen zur retrospektiven Einschätzung und die darauf gegebenen Antworten der Probanden werden ebenfalls in Form von Tabellen angeführt (vgl. Kapitel 7.2.2), damit mögliche Zusammenhänge zu den ermittelten Interferenzen der Dolmetscher schneller ersichtlich sind. Zusätzlich werden Auszüge aus den offenen Fragen zur Selbstwahrnehmung, zu Monitoringprozessen und Korrekturen qualitativ im Kapitel 7.6 dargestellt, da sie einen schönen Einblick in die 6.4 Auswertungskriterien 183 <?page no="184"?> Wahrnehmung von Interferenzen und auch Aufschluss über bewusste Entscheidungen für oder gegen Korrekturen dieser geben. 6.4.3 Definitionen und Interferenztypologie Für die Klassifizierung der im empirischen Experiment erfassten Interferenzen in Interferenzkategorien wird die Einteilung von Schneider (2007) (vgl. Kapitel 4.2.2) als Ausgangspunkt verwendet, wobei die Erfahrungen anderer Autoren mit dieser Interferenztypologie miteinbezogen werden und die Untergliederungen an die Besonderheiten des Sprachenpaares Spanisch - Deutsch angepasst werden. Im Anschluss werden genauere Definitionen und Eingrenzungen der für diese Arbeit gewählten Interferenzkategorien sowie einige praktische Beispiele gegeben. 6.4.3.1 Begriffsabgrenzung Ausgehenden von den verschiedenen Begriffsabgrenzungen und Erfahrungen mit der Zuordnung in empirischen Forschungsarbeiten (vgl. Kapitel 4.2.1), werden für die Auswertung der Daten in vorliegender Arbeit Interferenzen wie folgt definiert: Interferenzen sind ungewollte Normabweichungen in der Zielsprache, die durch eine Beeinflussung eines anderen Sprachsystems, darunter vorranging der Ausgangssprache beim Dolmetschen, entstehen. Bei Interferenzen beim Simultandolmetschen in die A-Sprache kommt, wie empirisch für andere Sprachenpaare festgestellt werden konnte und es auch die theoretischen Aspekte zum Language Mode bzw. zum Aktivierungsgrad der im Dolmetschprozess beteiligten Sprachen verdeutlichen, fast ausschließlich der Einfluss der Ausgangssprache auf die Zielsprache zum Tragen. Vereinzelt wurden jedoch auch Interferenzen mit einer dritten, im Dolmetschprozess nicht beteiligten Sprache beobachtet, welche durch vorliegende Definition ebenfalls erfasst und wenn erforderlich, als eigene Interferenzkategorie ausgewiesen werden können. Ebenfalls zum Interferenzbegriff gezählt werden jene Normverstöße, die auf eine inhaltlich unpassende Kombination von vorangehenden und neu einlaufenden Elementen des Ausgangstextes zurückgehen, wobei es sich hierbei um eine simultandolmetschspezifische Kategorie und eine Art zeitliche Interferenz handelt, bei der zwar meistens grammatisch korrekte Sätze entstehen, aber Sinnfehler, Sinnverzerrungen oder Nonsens-Sätze die Folge sind. Für vorliegende Interferenzdefinition wird die Einschätzung von Wilss (1989: 8) von Interferenzen als auf jeden Fall ungewollte, aber nicht zwingendermaßen unbewusste Erscheinungen übernommen. Das Kriterium bewusst vs. unbewusst wurde in einigen Forschungsarbeiten in der Definition als Ab- 184 6 Methodik und Experimentbeschreibung <?page no="185"?> grenzung herangezogen, wobei jedoch nicht eindeutig feststellbar ist, wann es sich um bewusste oder unbewusste Vorgänge handelt und auch eine Eingliederung von bewussten Interferenzen als Dolmetschstrategie, die einige Autoren vornahmen, wenig sinnvoll scheint. Zwar können Interferenzen durchaus als Resultat einer Dolmetschstrategie entstehen und ihre Entstehung kann vom Dolmetscher in strategischem Sinne bewusst als mögliches kleineres Übel gebilligt werden, jedoch handelt es sich, unabhängig von der Entstehungsursache, um einen ungewollten Normverstoß in der Zielsprache, da der Dolmetscher auch bei einer Notstrategie den Anspruch hat, eine zielsprachlich möglichst korrekte Verdolmetschung zu produzieren. Folglich wird in vorliegender Arbeit das Bewusstsein über eine Interferenzerscheinung nicht als Abgrenzungskriterium angenommen und Interferenzen als Resultat in der Verdolmetschung werden somit von Strategien abgegrenzt und nur als mögliches Ergebnis dieser diskutiert. Der Bewusstseinsgrad über produzierte Interferenzen in der Verdolmetschung soll im empirischen Teil vielmehr mithilfe von retrospektiven Einschätzungen und anhand der ermittelten Korrekturraten erfasst werden, um Rückschlüsse auf die ablaufenden Wahrnehmungs- und Monitoringprozesse ziehen zu können. 6.4.3.2 Nicht dolmetschspezifische Interferenzen Jene Kategorien, die unter den Oberbegriff nicht dolmetschspezifische Interferenzen fallen, umfassen die in der Linguistik üblichen Klassifizierungen in phonologische, morphosyntaktische, syntaktische und lexikalische Interferenzen. Diese Unterteilung beinhaltet grundsätzlich Interferenzen, die generell in bilingualen Kommunikationssituationen auftreten und nicht speziell auf das Setting des Simultandolmetschens beschränkt sind. Die Definitionen für die Interferenzkategorien werden jedoch unter Berücksichtigung der Spezifika des Dolmetschens festgelegt, da Interferenzen in anderen Bereichen, wie zum Beispiel der Fremdsprachendidaktik (vgl. hierzu unter anderem Alexiadis 2008: 35 ff ), durchaus andere Erscheinungsformen aufweisen. (Vgl. Schneider 2007: 41.) Lexikalische Interferenzen Als lexikalische Interferenzen werden jene Lexeme gewertet, welche Normverstöße in der Zielsprache durch einen Einfluss der Ausgangssprache auf lexikalischer Ebene darstellen. Darunter fallen eine komplette Übernahme ohne oder mit nur geringer Anpassung an die zielsprachlichen Konventionen (kommt eher selten, aber teilweise bei Eigennamen vor, z. B. Übernahme des spanischen Akronyms ACNUR ins Deutsche mit oder ohne Anpassung an die deutsche Aussprache, anstelle der Verwendung des deutschen Akronyms UNHCR), die 6.4 Auswertungskriterien 185 <?page no="186"?> Übersetzung von falschen Freunden durch das formähnliche Äquivalent, das jedoch nicht, oder zumindest an dieser Stelle nicht, die korrekte inhaltliche Entsprechung darstellt (z. B. sp. compromiso vs. dt. Kompromiss), die Auswahl eines kontextuell unpassenden Äquivalents bei polysemen Lexemen bzw. bei unterschiedlicher Konnotation bzw. unterschiedlichem situativen Rahmen (z. B. sp. falta vs. dt. Fehler, Irrtum; Mangel, Fehlen, Abwesenheit; Sport: Foul; jur. Übertretung) sowie Wort-für-Wort-Übersetzungen bei Komposita, fixierten oder halb-fixierten Verbindungen (wie Kollokationen, Phraseologismen, metaphorischen Vergleichen), wobei die einzelnen Bestandteile zwar korrekte Wörter in der Zielsprache darstellen, aber nicht in diesen Kombinationen auftreten (z. B. sp. enviado especial vs. dt. *Spezialgesandter oder tener la piel de un cocodrilo vs. *eine Krokodilhaut haben). Morphosyntaktische Interferenzen In Anlehnung an die von Schneider (2007) und Lamberger-Felber/ Schneider (2008) verwendete Interferenztypologie wird die Kategorie der morphosyntaktischen Interferenzen übernommen, welche auch in nachfolgenden empirischen Experimenten verwendet wurde und eine bestmögliche Klassifizierung ohne größere Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Morphologie und Syntax erlaubt. Jedoch wird in vorliegender Arbeit im Gegensatz zu Schneiders Interferenzklassifizierung zusätzlich noch eine eigene Kategorie für rein syntaktische Interferenzen (vgl. Kapitel 4.3), also Übertragungen, die ausschließlich die Übernahme der Wortfolge betreffen, angewandt, da sich diese Klassifizierung in weiteren Forschungsarbeiten als praktikable Lösung herauskristallisiert hat (vgl. z. B. Jere šč enková 2014; Ș erban 2018). Unter morphosyntaktischen Interferenzen werden alle Arten von Normverstößen durch eine Übertragung von morphologischen bzw. morphosyntaktischen Elementen der Ausgangssprache bzw. des Ausgangstextes auf die Zielsprache gewertet, darunter inkorrekte morphologische bzw. morphosyntaktische Konstruktionen, vor allem in Komposita, Kongruenzfehler, Fehler beim Artikelgebrauch bzw. Weglassen von notwendigen Artikeln sowie die normwidrige Verwendung von Präpositionen. Morphosyntaktische Interferenzen können auf Grund der Zeitversetzung beim Simultandolmetschen auch dann entstehen, wenn morphosyntaktische oder morphologische Elemente der Satzteile, die gerade rezipiert oder verarbeitet werden, auf das Wort übertragen werden, das in diesem Moment artikuliert wird, und stellen sozusagen eine Mischung von morphosyntaktischem Material unterschiedlicher Lexeme dar. Dasselbe kann auch auf Satzebene geschehen, wenn der Dolmetscher den Satz mit einer bestimmten Konstruktion beginnt, durch den Einfluss des Originals aber an späterer Stelle dem morphosyntaktischen Satzbau des Originals folgt, welcher dann mit dem 186 6 Methodik und Experimentbeschreibung <?page no="187"?> eigenen Satzbeginn keine grammatikalisch korrekte Entsprechung mehr darstellt. Dies ist sehr häufig bei Konstruktionen mit Präpositionen oder bei unterschiedlichem Numerus bzw. Kasus der Fall, vor allem, wenn es in der Zielsprache mehrere Entsprechungen gibt und die Sätze stark verschachtelt sind, da der Dolmetscher in diesen Fällen häufig nicht mehr weiß, wie er den Satz begonnen hat und sich daher am Original orientiert. Syntaktische Interferenzen Unter syntaktische Interferenzen fallen all jene Normverstöße oder unnatürliche Konstruktionen, welche durch eine Übernahme von ausgangssprachlichen Strukturen, die die lineare Abfolge der Konstituenten im Satz der Zielsprache betreffen, entstehen. Syntaktische Interferenzen können bei Verdolmetschungen ins Deutsche auch eine Auslassung von Konstituenten bei Satzklammern betreffen, wenn im Spanischen das Verb bereits sehr viel früher im Satz kommt, der Dolmetscher den Satz zwar korrekt beginnt, aber am Ende der spanischen Struktur folgt und das Verb gar nicht mehr genannt wird. Als Beispiel für die Übernahme der Wortfolge aus der Ausgangssprache kann für das Sprachenpaar Spanisch - Deutsch folgender Auszug aus einer Verdolmetschung genannt werden: Sp. Original: Para mí es un gran placer tener la oportunidad de hablar ante ustedes sobre un tema que … Dt. Verdolmetschung: Es ist für mich eine große Ehre,*vor Ihnen zu sprechen über ein Thema, das … Ein Beispiel für eine Auslassung durch einen zwar richtigen Satzbeginn, aber mit anschließender Übernahme der spanischen Abfolge ist folgender Auszug aus einer Verdolmetschung: Sp. Original: Nos tomó tiempo cambiar una desafortunada ley de comunicación que, además, creó instancias oficiales para perseguir y amordazar a los periodistas y políticos. Dt. Verdolmetschung: Es *hat ziemlich lange gedauert, ein unglückliches Kommunikationsgesetz, das noch dazu offizielle Instanzen gegründet hat, um Journalisten und Politiker zu verfolgen und zu bedrohen. Phonetische Interferenzen Als phonetische Interferenzen werden all jene Normabweichungen in der Zielsprache definiert, die durch eine Übernahme der ausgangssprachlichen Aussprache von einzelnen Lauten innerhalb eines Wortes, von ganzen Wörtern oder auch des Wortakzents entstehen. Eine Übernahme der Aussprache eines ganzen Wortes würde zum Beispiel vorliegen, wenn der Dolmetscher den Eigennamen La Habana mit der Lautfolge [a β ana] anstelle der deutschen 6.4 Auswertungskriterien 187 <?page no="188"?> Entsprechung Havanna und der dazugehörigen Aussprache [havana] übersetzen würde. Einen partiellen Einfluss der Ausgangssprache auf die Zielsprache würde, unter anderem, eine Übersetzung des spanischen Wortes cocodrilo durch *[koko ˈ dri: l] im Deutschen, darstellen und eine phonetische Interferenz durch eine Übernahme des Wortakzents wäre, zum Beispiel, die Aussprache des Landes Äthiopien im Deutschen unter Beibehaltung des spanischen Wortakzents [ ɛ .tjo. ˈ pi. ə n]. 6.4.3.3 Simultaner Kurzschluss Die Interferenzkategorie des simultanen Kurzschlusses kann im Gegensatz zu den in Kapitel 6.4.3.2 vorgestellten Interferenzen nur in der spezifischen Situation des Simultandolmetschens und nicht in anderen bilingualen Settings beobachtet werden und wird daher häufig auch als dolmetschspezifischer Interferenztyp gesehen (vgl. Schneider 2007: 42). Der simultane Kurzschluss bezeichnet einen Normverstoß in der Zielsprache, der jedoch nicht direkt auf den Kontakt zweier Sprachsysteme zurückgeht, sondern auf Grund der gleichzeitigen Verarbeitung von neu einlaufender und bereits rezipierter Information im Simultandolmetschprozess zu einer falschen Kombinatorik der ausgangssprachlichen Einheiten in der Zielsprache führt. Für vorliegende Arbeit wird Lamberger-Felbers Definition des Phänomens als eine zeitliche Interferenz, welche „ [ … ] dann auf[tritt], wenn der Dolmetscher einzelne Wörter oder Satzteile aus dem Original an anderer Stelle inhaltsverändernd in die Dolmetschung einbaut oder falsch miteinander kombiniert “ (Lamberger-Felber 1998a: 114) übernommen. Als Beispiel für einen simultanen Kurzschluss kann folgender Auszug aus einer studentischen Verdolmetschung angeführt werden: Spanisches Original: “ Especialmente las siguientes especies están en peligro de extinción: el mono aullador, el cocodrilo de río, el oso negro …” Verdolmetschung ins Deutsche: „ Vor allem folgende Arten sind vom Aussterben bedroht: der *Brüllbär …“ . Der simultane Kurzschluss bietet einen besonderen Einblick in die Abläufe beim Simultandolmetschen, ist jedoch teilweise auch schwierig von anderen Inhaltsfehlern abzugrenzen, weshalb nur jene Normverstöße unter diese Interferenzkategorie gezählt werden, bei denen eine eindeutige Überlappung von einlaufender und gerade verarbeiteter bzw. produzierter Information feststellbar ist. 188 6 Methodik und Experimentbeschreibung <?page no="189"?> 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion In diesem Kapitel werden die Resultate des empirischen Experiments präsentiert, wobei die in Kapitel 5 der Arbeit behandelten Forschungsfragen beantwortet und die Hypothesen überprüft werden. Auf Grund des teilweise explorativen Charakters der Forschungsstudie werden auch zusätzliche Punkte, die nicht im Vorfeld bei den Forschungsfragen und Hypothesen thematisiert wurden, aber von Relevanz in Bezug auf Interferenzen sind oder bei denen unerwartete Korrelationen gefunden werden können, ebenfalls in den nachfolgenden Unterkapiteln erwähnt und diskutiert. 7.1 Quantifizierung und Klassifizierung der ermittelten Interferenzen Im Laufe dieses Kapitels werden die ermittelten Interferenzen quantifiziert und klassifiziert, um einen generellen erstmaligen Überblick über das Auftreten von Interferenzen im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch, die Häufigkeit der jeweiligen Interferenzkategorien und die Schwankungsbreite zwischen den einzelnen Dolmetschern zu geben. Eine Quantifizierung und Klassifizierung von Interferenzen ist insbesondere in Hinblick auf den Vergleich zwischen unterschiedlichen Sprachenpaaren und auf Experimente mit unterschiedlichen Versuchsbedingungen in früheren oder auch nachfolgenden Experimenten von Relevanz. Insgesamt konnten in den 22 Verdolmetschungen 662 Interferenzen ermittelt werden, was im Durchschnitt 30 Interferenzen pro Verdolmetschung entspricht. Da die Wortanzahl der Verdolmetschungen stark variiert, sind die Ergebnisse aussagekräftiger, wenn man die Interferenzen auf den Output umrechnet, vor allem, wenn es dann um einen Vergleich zwischen professionellen Dolmetschern und Studenten geht. Insgesamt kann ein Durchschnitt aller Probanden von auf eine Kommastelle gerundet 1,0 Interferenzen pro 100 Wörter des Outputs ermittelt werden und umgerechnet auf die Dauer der Originalrede, die mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 100 Wörtern pro Minute vorgetragen wurde und ca. 30 Minuten lang ist, entspricht dies ca. 1 Interferenz pro Minute. Die durchschnittliche Korrekturrate beläuft sich auf 5,1 Korrekturen pro Verdolmetschung. In den nachfolgenden Tabellen werden die ermittelten Interferenzen in absoluten Zahlen, gemessen am Output sowie die <?page no="190"?> Korrekturen der einzelnen Dolmetscher angegeben, wobei die Ergebnisse der professionellen Dolmetscher und der Studenten bereits getrennt präsentiert werden, um eine bessere Übersichtlichkeit zu garantieren (detailliert auf die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen wird gesondert in Kapitel 7.3 eingegangen). Quantifizierung von Interferenzen und Korrekturen (Studenten) Dolmetscher 1 Output in Wörtern Interferenzen in absoluten Zahlen Interferenzen pro 100 Wörter des Outputs Korrekturen von Interferenzen in absoluten Zahlen Prozentsatz der korrigierten Interferenzen CA3851 2.852 30 1,1 8 27 % DG1990 2.645 15 0,6 1 7 % DM0410 3.263 30 0,9 12 40 % EB4081 3.218 50 1,5 6 12 % EK2764 2.909 34 1,2 6 18 % FH0751 3.375 36 1,1 8 22 % HL7359 2.521 29 1,1 5 17 % IZ9291 2.876 20 0,7 4 20 % KB1821 2.639 17 0,6 2 12 % LV0510 2.988 35 1,2 7 20 % MS1030 2.682 25 0,9 12 48 % Durchschnitt 2.906 29 1 6,5 22 % Tabelle 5: Quantifizierung von Interferenzen und Korrekturen (Studenten) 1 Die Dolmetscher werden unter den selbstgewählten Codes angeführt, welche auch auf den Fragebögen und den Transkriptionen aufscheinen, um die Ergebnisse zuordnen zu können. Anhand des Codes können sich die Teilnehmer auch selbst in den Ergebnissen wiederfinden. 190 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="191"?> Quantifizierung von Interferenzen (professionelle Dolmetscher) Dolmetscher Output in Wörtern Interferenzen in absoluten Zahlen Interferenzen pro 100 Wörter des Outputs Korrekturen von Interferenzen in absoluten Zahlen Prozentsatz der korrigierten Interferenzen AL2709 3.418 43 1,3 5 12 % AT2605 2.860 32 1,1 4 13 % CB2023 3.385 23 0,7 1 4 % CT3712 3.408 25 0,7 6 24 % ES0909 3.348 27 0,8 7 26 % MA1928 3.250 34 1 3 9 % MP2021 3.396 47 1,4 9 19 % MS2021 2.578 20 0,8 0 0 % MV2529 3.156 26 0,8 1 4 % NF1957 3.382 35 1 3 9 % TS4972 3.367 29 0,9 3 10 % Durchschnitt 3.232 31 0,95 3,8 12 % Tabelle 6: Quantifizierung von Interferenzen und Korrekturen (professionelle Dolmetscher) In den beiden Tabellen wird ersichtlich, dass es eine große Schwankungsbreite zwischen den einzelnen Dolmetschern gibt, sowohl was die Wortanzahl des Outputs betrifft als auch die Anzahl der Interferenzen und der Korrekturen. Das wurde auch schon in anderen empirischen Studien zu Interferenzen beim Dolmetschen in unterschiedlichen Sprachenpaaren festgestellt. Die Wortanzahl des Outputs reicht dabei von 2.521 bis 3.418 Wörtern, was eine Spannungsbreite von ca. 900 Wörtern ausmacht. Die Interferenzanzahl in absoluten Zahlen bei der Probandin mit dem niedrigsten Wert beläuft sich auf 15 und bei der Probandin mit der höchsten Anzahl auf 50 Interferenzen in der Verdolmetschung. Umgerechnet auf die Anzahl des Outputs ergibt das eine Schwankungsbreite von 0,6 bis 1,5 Interferenzen pro 100 Wörter. Wie bereits in anderen Experimenten aufgezeigt werden konnte, steigt die Interferenzgefahr tendenziell mit einer vollständigeren Verdolmetschung, wobei aber auch hier individuelle Schwankungen zwischen den einzelnen Dolmetschern feststellbar sind. Die beiden Verdolmetschungen, in denen nur 15 bzw. 17 Interferenzen und in beiden Fällen 0,6 Interferenzen pro 100 Wörter ermittelt werden konnten, sind 7.1 Quantifizierung und Klassifizierung der ermittelten Interferenzen 191 <?page no="192"?> beide im untersten Bereich angesiedelt, was die Wortanzahl des Outputs betrifft. Eine Verdolmetschung mit vielen Auslassungen führt nicht nur zu einer geringeren Interferenzanzahl in absoluten Zahlen, was jedoch mit einer Umrechnung der Interferenzen auf den Output in der Auswertung berücksichtigt werden kann, sondern auch zu einer geringeren Anzahl pro 100 Wörter des Outputs. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass bei größeren Auslassungen und weniger artikulierten Wörtern auch mehr Zeit und freie Kapazitäten für die Wahl der Formulierung und Monitoringprozesse bleiben. Die Verdolmetschungen mit überdurchschnittlich vielen Interferenzen (50, 47 und 43 in absoluten Zahlen bzw. 1,5, 1,4 und 1,3 Interferenzen pro 100 Wörter) weisen alle eine hohe Wortanzahl von mehr als 3.200 Wörtern Output auf. Die Vollständigkeit der Verdolmetschung scheint hierbei ein Faktor zu sein, der bei einer hohen Interferenzanzahl mit hineinspielt. Allerdings führt umgekehrt eine hohe Wortanzahl im Output nicht automatisch zu einer höheren Interferenzrate in der Verdolmetschung, sondern diese liegt auch häufig rund um den Durchschnittsbereich. Die Gründe für eine erhöhte Interferenzanzahl bei einigen Dolmetschern, während andere trotz hoher Wortanzahl und vollständiger Verdolmetschung eine durchschnittliche Rate aufweisen, können einerseits in individuellen Unterschieden in der Sprachbiographie und der Dolmetscherfahrung (vgl. Kapitel 7.2.1) liegen, andererseits aber auch mit nicht erhobenen und nur bedingt ermittelbaren Faktoren zusammenhängen, wie der Kenntnis der in der Rede vorkommenden Strukturen, der Verwendungshäufigkeit oder kürzlichen Verwendung dieser, der Vertrautheit mit ähnlichen Reden bzw. Rednern etc. Ein weiterer interessanter Aspekt könnte ein möglicher Zusammenhang zwischen der Exaktheit bzw. inhaltlichen Genauigkeit der Verdolmetschung und der Interferenzanzahl sein. Eine hohe Redezeit bedeutet nämlich nicht automatisch, dass die Verdolmetschung auch exakt ist. Zum Beispiel bei einer häufigen Verwendung der Generalisierung als Strategie kann ebenfalls eine hohe Wortanzahl erzielt werden, aber unter einer größeren Lösung vom Original sowie der Vermeidung von Strukturen mit Fehleranfälligkeit. Die Exaktheit könnte folglich ein möglicher Faktor sein, welcher im Zusammenhang mit der Interferenzhäufigkeit bei Simultanverdolmetschungen steht. Eine Erforschung dessen würde das Ausmaß der vorliegenden Arbeit sprengen, stellt aber ein interessantes, noch unerforschtes Feld für weitere Arbeiten in diesem Bereich dar. Die ermittelten Interferenzen wurden in die in Kapitel 6.4.3 definierten Interferenzkategorien klassifiziert und werden in untenstehender Graphik in Prozentsätzen dargestellt. 192 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="193"?> Abb. 9: Klassifizierung in Interferenzkategorien Die Hypothese, dass lexikalische und morphosyntaktische Interferenzen im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch ebenfalls als häufigste Kategorien vorkommen, konnte in der vorliegenden Studie verifiziert werden. Aus der Graphik wird ersichtlich, dass ungefähr die Hälfte der ermittelten Interferenzen den lexikalischen Bereich betreffen, gefolgt von morphosyntaktischen Interferenzen, die prozentuell jedoch weit dahinter liegen mit 21,1 %, und syntaktischen Interferenzen an dritter Stelle mit 16,3 %. Phonetische Interferenzen machen nur ungefähr 9 % aller ermittelten Interferenzen aus und die seltensten Interferenzkategorien sind der simultandolmetschspezifische Interferenztyp des simultanen Kurzschlusses mit 2,9 % sowie die Kategorie Interferenzen mit einer 3. Sprache, die insgesamt überhaupt nur einmal vorkam und somit nur 0,2 % der gesamten Interferenzzahl entspricht. Ein Vergleich mit vorangehenden Studien in anderen Sprachenpaaren ist nur bedingt möglich, da unterschiedliche Interferenzkategorien herangezogen und teilweise Interferenzen mit Output-Korrektur als eigenständige Kategorie verwendet wurden, wohingegen die Interferenzen dieser Kategorie jedoch ebenfalls einer linguistischen Kategorie zugeordnet werden müssten. Die meisten Arbeiten lehnen ihre Interferenztypologie aber an die Klassifizierung von Schneider (2007) an und somit sind zumindest ungefähre Parallelen sichtbar. In Schneiders Experiment mit Verdolmetschungen von professionellen 7.1 Quantifizierung und Klassifizierung der ermittelten Interferenzen 193 <?page no="194"?> Dolmetschern vom Englischen ins Deutsche stellten lexikalische Interferenzen ebenfalls die häufigste Kategorie dar, mit fast derselben Prozentzahl wie in vorliegender Studie, und zwar von 50,48 %. Die zweithäufigste Kategorie stellten auch morphosyntaktische Interferenzen dar, wobei diese jedoch mit rein syntaktischen Interferenzen in einer Kategorie zusammengefasst wurden. Unterschiede können hauptsächlich in Bezug auf den Interferenztyp des simultanen Kurzschlusses festgestellt werden, welcher bei Schneider mit 15,11 % sehr viel häufiger auftrat als in vorliegendem Experiment, sowie bei den phonetischen Interferenzen, die bei Schneider etwas seltener mit knapp 6 % der ermittelten Interferenzen vorkamen. (Vgl. Schneider 2007: 54.) Diese leichte Abweichung kann mit der Ausgangsrede und den dort enthaltenen Schwierigkeitsstellen (vor allem, viele formähnliche Eigennamen) zusammenhängen, aber auch Hinweise darauf liefern, dass phonetische Interferenzen im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch etwas häufiger auftreten oder eher als Normverstöße wahrgenommen werden als beim Dolmetschen vom Englischen ins Deutsche. Um die tatsächlichen Ursachen dafür festzustellen, wären aber konkrete Experimente, die unterschiedliche Sprachenpaare vergleichen, oder solche, bei denen Ausgangsreden mit unterschiedlichem Fachlichkeitsgrad gedolmetscht werden, nötig. Bezüglich der Schwankungen bei der Häufigkeit des simultanen Kurzschlusses könnten ebenfalls mehrere Faktoren mit hineinspielen. Denkbar wären Unterschiede im Fachlichkeitsund/ oder Schwierigkeitsgrad der Ausgangsrede, die Geschwindigkeit des Originalvortrags, aber auch die Vorgehensweise bei der Auswertung und Klassifizierung von Interferenzen, da der Interferenztyp des simultanen Kurzschlusses häufig schwierig von anderen Inhaltsfehlern abzugrenzen ist. Auch in anderen Experimenten mit dem Sprachenpaar Deutsch - Rumänisch ( Ș erban 2018) sowie mit dem Sprachenpaar Tschechisch - Deutsch ( Jere šč enková 2014) konnten lexikalische, gefolgt von morphosyntaktischen Interferenzen als häufigste Kategorie beobachtet werden und, trotz der Kontraste in der gewählten Interferenztypologie, war wie auch in vorliegender Arbeit eine große Übereinstimmung mit einigen kleineren Abweichungen feststellbar. Insgesamt konnte in mehreren Studien gezeigt werden, dass lexikalische und morphosyntaktische Interferenzen am häufigsten vorkommen. Diesbezüglich ist jedoch auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass es generell mehr potenzielle Problemstellen in Bezug auf Lexik oder Morphosyntax gibt als zum Beispiel im Bereich der Syntax, die ja größere Einheiten umfasst, oder im Bereich der Phonetik, wo beim Dolmetschen in die A-Sprache fast ausschließlich formähnliche Lexeme mit geringen lautlichen Kontrasten betroffen sind. Es wäre also zu weit gegriffen aus diesen Beobachtungen zu schließen, dass lexikalische oder morphosyntaktische Einheiten an sich mehr Schwierigkeiten in Bezug auf 194 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="195"?> Interferenzen verursachen, da auch die Möglichkeit, in diesem Bereich mehr Fehler zu machen, größer ist und dieser Faktor zumindest bis zu einem gewissen Grad als Einfluss auf die Häufigkeit bedacht werden muss. Nichtsdestotrotz ist die Anzahl von lexikalischen Interferenzen in absoluten Zahlen beachtlich hoch im Vergleich zu den anderen Kategorien und zusätzlich führen Interferenzen in diesem Bereich besonders häufig zu Sinnveränderungen oder -fehlern, weshalb es sinnvoll scheint, lexikalischen Interferenzen in der Dolmetschdidaktik besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Bei den Interferenzkategorien konnten zusätzlich noch Unterschiede zwischen der Gruppe der Studenten und der Gruppe der professionellen Dolmetscher festgestellt werden, die gesondert in Kapitel 7.3 dargestellt werden. 7.2 Auswertung und Ergebnisse der Fragebögen In vorliegendem Kapitel wird ein Überblick über die Probanden und ihre Wahrnehmung der Originalrede sowie der eigenen Verdolmetschung anhand einer tabellarischen Aufstellung der wichtigsten Informationen, die durch die Fragebögen ermittelt werden konnten, gegeben. Ausgehend von diesen Daten werden Zusammenhänge mit den ermittelten Interferenzen ermittelt und dargestellt. Der erste Fragebogen gibt dabei Aufschluss über die Sprachbiographie, Dolmetschausbildung sowie Dolmetscherfahrung der Probanden. Im zweiten Fragebogen sind durch eine retrospektive Einschätzung der Originalrede sowie der eigenen Verdolmetschung Rückschlüsse auf die Wahrnehmung von Interferenzen und auf Monitoringprozesse möglich. Die vollständig ausgefüllten Fragebögen aller Probanden werden online zur Verfügung gestellt. 7.2.1 Sprachbiographie und Dolmetscherfahrung der Probanden Die finale Probandengruppe bestand aus 22 Teilnehmern, darunter 18 Dolmetscherinnen und 4 Dolmetscher, mit Deutsch als A-Sprache und Spanisch in ihrer Sprachkombination, wobei die Studentengruppe und die Gruppe der professionellen Dolmetscher mit je 11 Teilnehmern ausgeglichen sind. Neben den bereits in Kapitel 6.2 erläuterten Kriterien für die Auswahl der Probanden in Bezug auf die Sprachkombination sowie die Dolmetscherfahrung, die alle Teilnehmer erfüllten, wurden in den Fragebögen zusätzlich noch weitere Daten zur Sprachbiographie sowie zur Dolmetschausbildung und -erfahrung ermittelt. In folgender Tabelle werden die wichtigsten gewonnen Daten zur Sprachbiographie der Studentengruppe dargestellt, die im Anschluss noch kommentiert und in Zusammenhang mit den ermittelten Interferenzen diskutiert werden. 7.2 Auswertung und Ergebnisse der Fragebögen 195 <?page no="196"?> Sprachbiographie (Studenten) Dolmetscher L1 und Bildungssprache Selbsteinschätzung Sprachniveau Spanisch Auslandsaufenthalte in spanischsprachigen Ländern in Monaten Weitere Fremdsprachenkenntnisse CA3851 L1: Spanisch (early bilingual: Spanisch und Deutsch) Bildungssprache: Deutsch C1 11 Englisch (C-Sprache) Arabisch DG1990 Deutsch C2 14 Englisch (C-Sprache) Französisch, Portugiesisch Italienisch DM0410 Deutsch C1 12 Italienisch (C-Sprache) Englisch Französisch EB4081 Deutsch C2 14 Russisch (C-Sprache) Englisch Französisch Arabisch EK2764 Deutsch C1 35 Englisch (C-Sprache) Portugiesisch Türkisch 196 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="197"?> Sprachbiographie (Studenten) Dolmetscher L1 und Bildungssprache Selbsteinschätzung Sprachniveau Spanisch Auslandsaufenthalte in spanischsprachigen Ländern in Monaten Weitere Fremdsprachenkenntnisse FH0751 Deutsch C2 0,5 Portugiesisch (B-Sprache) Englisch Französisch Niederländisch HL7359 Deutsch C1 5 Englisch (B-Sprache) Französisch Singhalesisch IZ9291 L1: Schweizerdeutsch (early bilingual: Schweizerdeutsch und Deutsch) Bildungssprache: Deutsch B2 15 Englisch Französisch (weitere C-Sprachen) Italienisch KB1821 Deutsch C2 5 Englisch (B-Sprache) Französisch (weitere C-Sprache) LV0510 Deutsch C1+ 26 Französisch Galizisch Katalanisch (weitere C-Sprachen) Portugiesisch Niederländisch Italienisch Baskisch 7.2 Auswertung und Ergebnisse der Fragebögen 197 <?page no="198"?> Sprachbiographie (Studenten) Dolmetscher L1 und Bildungssprache Selbsteinschätzung Sprachniveau Spanisch Auslandsaufenthalte in spanischsprachigen Ländern in Monaten Weitere Fremdsprachenkenntnisse MS1030 Deutsch C2 11 Französisch (B-Sprache) Englisch Italienisch Katalanisch Russisch Tabelle 7: Sprachbiographie (Studenten) Ein erster wichtiger Punkt, der im Fragebogen behandelt wurde, sind die L1 und Bildungssprache der Teilnehmer, da diese nicht automatisch mit der A-Sprache übereinstimmen müssen, auch wenn dies häufig der Fall ist, da die A-Sprache beim Dolmetschen immer die stärkste Sprache des Dolmetschers ist. Wie aus der Tabelle ersichtlich wird, hatten alle bis auf zwei Probanden Deutsch als L1 und Bildungssprache. Bei einem Dolmetscher war die L1 Spanisch, da er aber in deutschsprachiger Umgebung aufwuchs, wurde Deutsch sehr früh erworben (early bilingual) und die Bildungssprache war Deutsch. Eine weitere Dolmetscherin gab an, dass sie Deutsch als Bildungssprache, aber nicht als L1 hatte und in ihrem Fall Schweizerdeutsch die L1 war. Es konnten keine Auffälligkeiten in Bezug auf die Interferenzhäufigkeit bei dem bilingualen Probanden mit Spanisch als L1 im Vergleich zu den anderen Probanden gefunden werden, sondern er liegt mit 1,1 Interferenzen pro 100 Wörter im Durchschnitt. Es handelt sich hierbei aber nur um einen Teilnehmer mit dieser besonderen Sprachsituation, weshalb keine generalisierbaren Aussagen getroffen werden können und es auch nicht Ziel der Studie ist zu ermitteln, ob es Einflüsse auf die Interferenzhäufigkeit hat, wenn die L1 eine andere als die A-Sprache ist oder, wenn beide beim Simultandolmetschen beteiligten Sprachen bereits im frühen Kindesalter parallel erlernt werden. Einen weiteren interessanten Bereich stellen die Sprachkenntnisse im Spanischen dar, die in diesem Falle nur in Form einer Selbsteinschätzung sowie auch durch Abfrage der absolvierten Auslandsaufenthalte in spanischsprachigen Ländern erhoben wurden. Von den 11 Studenten schätzten 5 ihre Sprachkennt- 198 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="199"?> nisse auf Niveau C2 ein, 5 auf Niveau C1 und nur eine Probandin auf Niveau B2. Zwischen der Selbsteinschätzung und der Interferenzhäufigkeit konnte keine Korrelation gefunden werden. Interessant ist, dass sowohl die Dolmetscherin mit den meisten Interferenzen als auch der Dolmetscher mit der geringsten Anzahl an Interferenzen ihre Sprachkenntnisse auf dem Niveau C2 einschätzten. Die Auslandsaufenthalte in spanischsprachigen Ländern in Monaten reichten bei der Studentengruppe von 0,5 bis 35, mit einem Mittelwert von 13,5 Monaten und einer Standardabweichung von 9,7. Die beiden Studentinnen mit den längsten Auslandsaufenthalten von je 35 und 26 Monaten weisen eine Interferenzzahl von 1,2 Interferenzen pro 100 Wörter auf, was leicht über dem Durchschnitt liegt, aber die Studentin mit den mit Abstand geringsten Auslandsaufenthalten von 0,5 Monaten hat eine fast gleich hohe Interferenzrate mit 1,1 Interferenzen pro 100 Wörter. Der Dolmetscher mit der geringsten Anzahl an Interferenzen und die Dolmetscherin mit der höchsten Anzahl an Interferenzen in der Studentengruppe gaben beide Auslandsaufenthalte von 14 Monaten an, was ziemlich genau dem Durchschnitt entspricht. Es gibt folglich keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Sprachniveau oder der Dauer der Auslandsaufenthalte und der Interferenzanfälligkeit, wobei mehrjährige Aufenthalte in der Studentengruppe nicht vorkamen. Allerdings können bezüglich der tatsächlichen Sprachkompetenz in Relation mit Interferenzen nur Experimente, welche einen oder mehrere Sprachniveautests inkludieren und sich gezielt dieser Forschungsfrage widmen, gesicherte Aussagen treffen. Im Bereich der Sprachbiographie wurden zusätzlich noch alle weiteren Fremdsprachen, und ob diese Arbeitssprachen beim Dolmetschen sind, abgefragt, um mögliche Interferenzen mit einer dritten Sprache zuordnen zu können, die jedoch beim Dolmetschen in die A-Sprache äußerst selten zu beobachten sind und in der durchgeführten Studie nur in einem Fall beobachtet wurden. In nachfolgender Tabelle werden die wichtigsten gewonnenen Daten zur Sprachbiographie der professionellen Dolmetscher dargestellt, die im Anschluss ebenfalls kommentiert und in Zusammenhang mit den ermittelten Interferenzen diskutiert werden. 7.2 Auswertung und Ergebnisse der Fragebögen 199 <?page no="200"?> Sprachbiographie laut Fragebogen (professionelle Dolmetscher) Dolmetscher L1 und Bildungssprache Selbsteinschätzung Sprachniveau Spanisch Auslandsaufenthalte in spanischsprachigen Ländern Weitere Fremdsprachenkenntnisse AL2709 L1: Spanisch (early bilingual: Spanisch und Deutsch) Bildungssprache: Deutsch C2 180 (15 Jahre) Englisch (C-Sprache beim Dolmetschen) Niederländisch AT2605 Deutsch C1 12 Englisch (B-Sprache) Französisch (C-Sprache) Bosnisch-Kroatisch- Serbisch CB2023 Deutsch C2 144 Monate (12 Jahre) Englisch (C-Sprache) Italienisch Französisch Griechisch CT3712 Deutsch C1 5 Französisch (B-Sprache) Englisch (C-Sprache) Russisch ES0909 Deutsch C2 21 Englisch (C-Sprache) Italienisch MA1928 Deutsch C1 40 Englisch Französisch Italienisch (weitere Arbeitssprachen beim Dolmetschen) 200 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="201"?> Sprachbiographie laut Fragebogen (professionelle Dolmetscher) Dolmetscher L1 und Bildungssprache Selbsteinschätzung Sprachniveau Spanisch Auslandsaufenthalte in spanischsprachigen Ländern Weitere Fremdsprachenkenntnisse MP2021 L1: Deutsch und Spanisch (Mutter- und Vatersprache) Bildungssprache: Englisch C2 120 (10 Jahre) Englisch (C-Sprache) MS2021 Deutsch C2 12 Französisch Italienisch Englisch MV2529 Deutsch C2 13 Englisch Russisch Italienisch (weitere Arbeitssprachen beim Dolmetschen) Französisch NF1957 Deutsch C2 51 Englisch (B-Sprache) Französisch TS4972 L1: Deutsch und Schwedisch (Vater- und Muttersprache) Bildungssprache: Deutsch C2 15 Englisch Französisch Portugiesisch Schwedisch (weitere Arbeitssprachen beim Dolmetschen) Türkisch Kroatisch Mandarin Dänisch Tabelle 8: Sprachbiographie (professionelle Dolmetscher) 7.2 Auswertung und Ergebnisse der Fragebögen 201 <?page no="202"?> In der Gruppe der professionellen Dolmetscher wurde die Sprachbiographie auf dieselbe Art und Weise wie bei den Studenten erhoben. Als erster wichtiger Punkt ist die Frage nach L1 und Bildungssprache zu nennen. Bei den professionellen Dolmetschern gaben 8 der 11 Teilnehmer an, dass Deutsch ihre L1 und Bildungssprache ist, 2 Probandinnen sind mit zwei Erstprachen (Vater- und Muttersprache) aufgewachsen und 1 Probandin hatte Spanisch als L1 sowie Deutsch in frühen Kindesjahren und als Bildungssprache erlernt. Von den 2 Probandinnen mit zwei Erstsprachen hatte eine Spanisch und Deutsch als Vater- und Muttersprache, wobei die Bildungssprache Englisch war, die andere wuchs mit Deutsch und Schwedisch als Vater- und Muttersprache auf, wobei Deutsch die Bildungssprache war. Interessant ist, dass bei der Gruppe der professionellen Dolmetscher und im Gegensatz zum frühen Bilingualen der Studentengruppe die beiden Probandinnen, die mit Spanisch und Deutsch als early bilinguals aufwuchsen, als Einzige in dieser Gruppe überdurchschnittlich viele Interferenzen mit 1,3 bzw. 1,4 Interferenzen pro 100 Wörter produzierten. Allerdings kommen bei diesen beiden Probandinnen noch zwei weitere Faktoren hinzu, die ebenfalls die Abweichung bei der Interferenzzahl im Vergleich mit den anderen Dolmetschern erklären könnten, nämlich sehr lange Auslandsaufenthalte von 10 und 15 Jahren, und dass beide Spanisch neben Deutsch als zweite A-Sprache haben. Die Dauer der Auslandsaufenthalte erstreckt sich bei den professionellen Dolmetschern von 5 Monaten bis 15 Jahren. Die Schwankungsbreite ist also um einiges größer als bei den Studenten. Drei Dolmetscherinnen stechen hervor mit Auslandsaufenthalten von 10, 12 und 15 Jahren, wobei zwei davon mit Spanisch und Deutsch als early bilinguals aufwuchsen und zusätzlich Spanisch als zweite A-Sprache beim Dolmetschen haben. Bei diesen beiden konnte eine überdurchschnittliche Interferenzhäufigkeit festgestellt werden, wohingegen die Verdolmetschung der dritten Dolmetscherin mit sehr langen Auslandsaufenthalten, nämlich 12 Jahren, im unteren Bereich liegt, und zwar mit 0,7 Interferenzen pro 100 Wörter - dieselbe Anzahl, die auch der professionelle Dolmetscher mit dem kürzesten Aufenthalt in spanischsprachigen Ländern, nämlich von 5 Monaten, hat. Es scheint hier Hinweise darauf zu geben, dass Auslandsaufenthalte allein nicht automatisch die Interferenzhäufigkeit beeinflussen, dass aber möglicherweise ein Zusammenspiel von frühem Bilingualismus, langen Auslandsaufenthalten und einer häufigen Verdolmetschung aller Arbeitssprachen in beide A-Sprachen zu einer höheren Interferenzanfälligkeit führt, wobei derAspekt der Sprachkombination noch näher bei der Dolmetscherfahrung beleuchtet wird. Ebenso wie bei der Studentengruppe wurden auch bei der Gruppe der professionellen Dolmetscher alle Arbeitssprachen sowie alle weiteren beherrschten Fremdsprachen abgefragt, um hier einen besseren Überblick zu haben und mögliche Einflüsse leichter zu erkennen. 202 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="203"?> Zusätzlich zur Sprachbiographie wurden im ersten Fragebogen Daten zur Ausbildung und Dolmetscherfahrung der Teilnehmer erhoben, da auch hier zwischen den einzelnen Dolmetschern in den jeweiligen Gruppen Unterschiede bestehen könnten, welche möglicherweise einen Einfluss auf Interferenzerscheinungen haben. Dieser Teil des Fragebogens enthielt unterschiedliche Fragen bei der Gruppe der Studenten und der Gruppe der professionellen Dolmetscher, da bei ersteren der Fokus auf dem Studium, bei zweiteren auf der tatsächlichen Dolmetscherfahrung liegt. In der nachfolgenden Tabelle werden die Antworten auf die als am relevantesten erachteten Fragen in Bezug auf die Dolmetschausbildung bzw. -erfahrung bei den Studenten dargestellt. Dolmetscherfahrung/ -ausbildung (Studenten) Dolmetscher Deutsch als … Spanisch als … Studiensemester im Master Dolmetscherfahrung außerhalb des Studiums in Tagen CA3851 A-Sprache B-Sprache 4 0 DG1990 A-Sprache B-Sprache 4 0 DM0410 A-Sprache B-Sprache 5 0 EB4081 A-Sprache B-Sprache 4 0 EK2764 A-Sprache B-Sprache 4 0 FH0751 A-Sprache C-Sprache 4 2,5 HL7359 A-Sprache C-Sprache 4 0 IZ9291 A-Sprache C-Sprache 3 4,5 KB1821 A-Sprache C-Sprache 5 3 LV0510 A-Sprache B-Sprache 4 ca. 20 MS1030 A-Sprache C-Sprache 5 0,5 Tabelle 9: Dolmetscherfahrung/ -ausbildung (Studenten) Die Teilnehmer der Studentengruppe mussten als Voraussetzungen ein aktives Masterstudium im Konferenzdolmetschen ab dem 2. Jahr, Deutsch als A- Sprache und Spanisch als B- oder C-Sprache erfüllen. Alle Probanden sind Studenten an einer deutschsprachigen Hochschule in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Die Hochschulen wurden in der Tabelle nicht inkludiert, da keine Korrelationen mit der Interferenzanzahl messbar sind, werden hier aber 7.2 Auswertung und Ergebnisse der Fragebögen 203 <?page no="204"?> der Vollständigkeit halber angeführt: 4 Teilnehmer studieren am FTSK Germersheim der Universität Mainz, 2 Teilnehmer an der Universität Heidelberg und ebenfalls 2 an der Universität Leipzig und je 1 Teilnehmer an der Universität Innsbruck, der Universität Wien und der ZHAW Winterthur. Die Studenten befanden sich zum Zeitpunkt der Teilnahme alle zwischen dem 3. und dem 5. Semester des Masterstudiums Konferenzdolmetschen, der Großteil davon im 4. Semester und die meisten kurz vor der Abschlussprüfung, zwei hatten diese gerade absolviert. Die Ausbildungssituation ist bei allen Probanden relativ homogen und diesbezüglich können keine Einflüsse auf die ermittelten Interferenzen festgestellt werden. Alle Probanden der Studentengruppe haben den Anforderungen für die Experimentteilnahme entsprechend Deutsch als A-Sprache, wobei Spanisch bei 6 die B-Sprache und bei 5 die C-Sprache ist. Diese fast ausgeglichene Aufteilung war Zufall, aber ermöglichte dadurch einen Vergleich zwischen der Interferenzhäufigkeit bei Dolmetschern mit B- und Dolmetschern mit C-Sprache. Diesbezüglich konnten jedoch keine Auffälligkeiten gefunden wurden, auch nicht, wenn alle Experimentteilnehmer (Studenten und professionelle Dolmetscher) mit B- und C-Sprache gegenübergestellt werden. Ob Spanisch aktive oder passive Arbeitssprache beim Dolmetschen ist, scheint keinen eindeutig erkennbaren Einfluss auf die Interferenzhäufigkeit zu haben. Bei der Studentengruppe wurde zusätzlich noch die reale Dolmetscherfahrung außerhalb des Studiums erhoben, um hier mögliche Unterschiede zwischen den einzelnen Probanden feststellen und gegebenenfalls Erklärungen für auffällige Abweichungen bei den Interferenzerscheinungen finden zu können. Allerdings haben alle teilnehmenden Studenten sehr wenig praktische Erfahrung im Dolmetschen: 7 der Probanden gaben an, bislang gar keine Erfahrung zu haben, und 4 hatten eine sehr geringe Anzahl an Aufträgen, die zwischen 0,5 und 20 Dolmetschtagen liegt. Hier sind auf Grund der sehr geringen Dolmetscherfahrung keine Rückschlüsse in Bezug auf Unterscheide bei den Interferenzerscheinungen möglich. Die Fragebögen der professionellen Dolmetscher in Bezug auf Ausbildung und Dolmetscherfahrung enthielten ebenfalls Fragen zur Sprachkombination sowie zur Ausbildung der Probanden, aber das Hauptaugenmerk lag hier auf der Dolmetscherfahrung. In folgender Tabelle werden die diesbezüglich relevantesten Ergebnisse aufgelistet. 204 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="205"?> Dolmetscherfahrung/ -ausbildung laut Fragebogen (professionelle Dolmetscher) DolmetscherIn Deutsch als … Spanisch als … Dolmetscherfahrung in Jahren/ EU- Akkreditierung* Durchschnittliche Dolmetschtage pro Jahr AL2709 A-Sprache A-Sprache 13 80 - 100 AT2605 A-Sprache C-Sprache 10 70 - 80 CB2023 A-Sprache B-Sprache 14 60 CT3712 A-Sprache C-Sprache 18/ * seit 2018 60 - 90 ES0909 A-Sprache B-Sprache 13 50 MA1928 A-Sprache C-Sprache 34/ * seit 1990 60 MP2021 A-Sprache A-Sprache 15 100 MS2021 A-Sprache B-Sprache 27 20 MV2529 A-Sprache B-Sprache 28 60 NF1957 A-Sprache C-Sprache 9 70 TS4972 A-Sprache B-Sprache 8/ * seit 2015 Bis 2019: 100 Seit 2019: Vollzeitanstellung beim Europäischen Parlament Tabelle 10: Dolmetscherfahrung/ -ausbildung (professionelle Dolmetscher) In der Gruppe der professionellen Dolmetscher erfüllen alle 11 Teilnehmer die Kriterien bezüglich Sprachkombination und Dolmetscherfahrung, wobei die Berufserfahrung bei allen weitaus mehr Berufsjahre und Dolmetschtage umfasst als das festgelegte Minimum. Die Probanden haben alle einen Hochschulabschluss im Bereich Konferenzdolmetschen, weshalb dieserAspekt nicht näher beleuchtet wird und auch keine Rückschlüsse auf die Interferenzhäufigkeit zwischen Dolmetschern mit oder ohne Abschluss eines Dolmetschstudiums möglich sind. Die Teilnehmer haben alle Deutsch als A-Sprache, 5 haben Spanisch als B-Sprache, 4 als C-Sprache und 2 als zweite A-Sprache neben dem Deutschen. Bei einem Vergleich zwischen den Dolmetschern mit B- oder C-Sprache konnten, wie oben bereits erwähnt, weder bei den Studenten noch bei den 7.2 Auswertung und Ergebnisse der Fragebögen 205 <?page no="206"?> professionellen Dolmetschern Zusammenhänge mit der Interferenzhäufigkeit gefunden werden. Die beiden Probandinnen mit Deutsch und Spanisch als A-Sprachen hingegen wiesen im Vergleich zu den anderen professionellen Dolmetschern eine überdurchschnittlich hohe Interferenzanzahl auf. Hier können Hinweise darauf gefunden werden, dass das Zusammenspiel mehrerer Faktoren (früher Bilingualismus, sehr lange Aufenthalte in spanischsprachigen Ländern von 10 bzw. 15 Jahren und die Sprachkombination mit zwei A-Sprachen) zu einer erhöhten Interferenzanfälligkeit führen könnte, da ein längerer Auslandsaufenthalt oder die frühe zweisprachige Erziehung als alleinige Faktoren bei den anderen zwei Probanden nicht zu Unterschieden in der Interferenzhäufigkeit führten. Auf Grund der nur sehr eingeschränkten Anzahl an Teilnehmern mit diesen Besonderheiten in der Sprachbiographie bzw. Dolmetschkombination sind keine Verallgemeinerungen möglich, aber es handelt sich hierbei um interessante erste Indizien, die Anstoß für weitere Forschungsvorhaben mit Fragestellungen in diese Richtung sein könnten. Die Berufserfahrung der Teilnehmer in der Gruppe der professionellen Dolmetscher reicht von 8 Jahren bis 34 Jahren mit einem Durchschnitt von 17 Jahren. Die Dolmetscherin mit der geringsten Anzahl an Berufsjahren von 8 Jahren lag dabei mit 0,9 Interferenzen pro 100 Wörtern ebenso wie die Dolmetscherin mit der höchsten Anzahl an Berufsjahren von 34 mit 1,0 Interferenzen pro 100 Wörter ziemlich genau im Durchschnitt. Die beiden Teilnehmer mit der niedrigsten Interferenzzahl liegen mit 14 und 18 Jahren im Mittelfeld, was auch auf die Probandinnen mit der höchsten Interferenzanzahl zutrifft, die 13 und 15 Jahre Berufserfahrung mitbringen. Die Daten lieferen keine Hinweise darauf, dass die Anzahl der Berufsjahre als Dolmetscher ausschlaggebend für die Interferenzhäufigkeit sein könnte. Da zusätzlich zur Berufserfahrung in Jahren auch die Dolmetschhäufigkeit einen Einfluss haben könnte, wurden Daten zu den durchschnittlichen Dolmetschtagen pro Jahr erhoben. Diese reichen von 20 bis 100 durchschnittlichen Dolmetschtagen mit einem Mittelwert von 66 Dolmetschtagen pro Jahr. Eine Probandin hat seit 2019 eine Vollzeitanstellung beim Europäischen Parlament, wobei die Dolmetschtage schwierig zu eruieren sind, aber diese dürften deutlich über 100 Dolmetschtagen liegen, da sie dort regulär täglich arbeitet, abzüglich Urlaubes, Wochenenden und Dienstreisen. Die beiden Probandinnen mit zwei A-Sprachen gaben beide eine sehr hohe Anzahl an Dolmetschtagen von 80 - 100 bzw. 100 Tagen an, wobei nur die Dolmetscherin mit Fixanstellung mehr Dolmetschtage aufweisen kann und auch von den anderen freiberuflichen Dolmetschern niemand auf 100 Tage kommt. Die hohe Interferenzanzahl bei diesen beiden Dolmetscherinnen steht aber in großer Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit der Sprachbiographie und/ oder den beiden A-Sprachen 206 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="207"?> und hat eher nichts mit der hohen durchschnittlichen Anzahl an Dolmetschtagen zu tun, da bei allen anderen Teilnehmern keine Hinweise darauf gefunden werden können, dass die Anzahl der Dolmetschtage einen Einfluss auf die Interferenzhäufigkeit haben könnte. Da sich bei den beiden Dolmetscherinnen mit zwei A-Sprachen die Dolmetschaufträge auf beide Sprachen verteilen, wird wahrscheinlich auch häufiger als bei den Probanden mit B-Sprache ins Spanische gedolmetscht und zusätzlich auch noch von allen anderen Arbeitssprachen, dadurch natürlich etwas seltener ins Deutsche. Dies könnte folglich eine Erklärung dafür liefern, dass die Interferenzanzahl bei diesen beiden Teilnehmerinnen deutlich über dem Durchschnitt lag. 7.2.2 Retrospektive Einschätzung der Rede und Verdolmetschung Der zweite Fragebogen hatte zum Ziel, Daten zur Einschätzung der Rede und zur Selbsteinschätzung der Verdolmetschung in Retrospektion zu erheben, um so mögliche Zusammenhänge und auch die Wahrnehmung von Interferenzen zu erfassen. In diesem Kapitel werden die Antworten, die in Bezug auf Interferenzen von Interesse sind, tabellarisch dargestellt und im Anschluss diskutiert. Die Antworten auf die offenen Fragen zur Wahrnehmung der Autokorrekturen und zu bewussten Monitoringprozessen während der Verdolmetschung werden gesondert im Kapitel 7.6 ausgewertet und dort auch in Bezug auf die Korrekturhäufigkeit sowie in Relation mit der Dolmetscherfahrung behandelt. In folgender Tabelle werden die Antworten der Studenten in Bezug auf die Einschätzung der Rede, der identifizierten Schwierigkeitsstellen sowie der Selbsteinschätzung der Qualität der eigenen Verdolmetschung erfasst. Retrospektive Einschätzung (Studenten) Dolmetscher Einschätzung Schwierigkeit der Rede Einschätzung Schwierigkeit des verwendeten Sprachstils Selbsteinschätzung der Qualität der Verdolmetschung Identifizierte Schwierigkeiten CA3851 durchschnittlich schwierig mittelmäßig Thema/ fehlendes Hintergrundwissen Satzstrukturen Zahlen 7.2 Auswertung und Ergebnisse der Fragebögen 207 <?page no="208"?> Retrospektive Einschätzung (Studenten) Dolmetscher Einschätzung Schwierigkeit der Rede Einschätzung Schwierigkeit des verwendeten Sprachstils Selbsteinschätzung der Qualität der Verdolmetschung Identifizierte Schwierigkeiten DG1990 schwierig schwierig schlecht verwendeter Sprachstil/ Formulierungen Satzstrukturen Informationsdichte DM0410 schwierig schwierig schlecht Fachterminologie Thema/ fehlendes Hintergrundwissen Zahlen EB4081 einfach einfach mittelmäßig Fachterminologie Zahlen EK2764 einfach durchschnittlich mittelmäßig Thema/ fehlendes Hintergrundwissen Zahlen Eigennamen FH0751 durchschnittlich durchschnittlich mittelmäßig Thema/ fehlendes Hintergrundwissen verwendeter Sprachstil/ Formulierungen Zahlen Phraseologismen Länge der Rede 208 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="209"?> Retrospektive Einschätzung (Studenten) Dolmetscher Einschätzung Schwierigkeit der Rede Einschätzung Schwierigkeit des verwendeten Sprachstils Selbsteinschätzung der Qualität der Verdolmetschung Identifizierte Schwierigkeiten HL7359 schwierig schwierig schlecht Thema/ fehlendes Hintergrundwissen verwendeter Sprachstil/ Formulierungen Zahlen IZ9291 schwierig schwierig schlecht Fachterminologie verwendeter Sprachstil/ Formulierungen Zahlen KB1821 durchschnittlich schwierig gut Thema/ fehlendes Hintergrundwissen Zahlen Informationsdichte LV0510 durchschnittlich durchschnittlich mittelmäßig Thema/ fehlendes Hintergrundwissen Satzstrukturen Zahlen MS1030 durchschnittlich schwierig bis sehr schwierig mittelmäßig verwendeter Sprachstil/ Formulierungen Zahlen Phraseologismen Tabelle 11: Retrospektive Einschätzung (Studenten) 7.2 Auswertung und Ergebnisse der Fragebögen 209 <?page no="210"?> Der Schwierigkeitsgrad der Rede sollte von den Probanden durch das Ankreuzen auf einer Skala von „ sehr einfach “ bis „ sehr schwierig “ evaluiert werden. 2 Studenten schätzten die Rede als „ einfach “ ein, 5 als „ durchschnittlich “ und 4 als „ schwierig “ . Interessant ist hierbei, dass es einen Zusammenhang zwischen Interferenzhäufigkeit und Einschätzung des Schwierigkeitsgrades der Rede zu geben scheint. Die Teilnehmer, die die Originalrede als „ schwierig “ einschätzten hatten im Durchschnitt nur 0,8 Interferenzen pro 100 Wörter, jene die sie als „ durchschnittlich “ bewerteten, lagen auch bei der Interferenzanzahl im allgemeinen Durchschnitt von 1,0 Interferenzen pro 100 Wörter und die beiden Studentinnen, die die Rede als „ einfach “ evaluierten, bildeten im Durchschnitt 1,35 Interferenzen und wiesen jeweils eine der höchsten Interferenzraten auf. Diese Korrelation zwischen der Einschätzung des Schwierigkeitsgrades der Originalrede und der Interferenzanzahl könnte damit erklärt werden, dass jene Dolmetscher, die die Rede als „ einfach “ empfinden, inhaltlich weniger Probleme hatten und damit weniger Auslassungen, wodurch jedoch die Interferenzanfälligkeit steigt. Zusätzlich könnte auch die Wahrnehmung von inhaltlichen Problemstellen größer sein im Vergleich zu sprachlichen Schwierigkeiten, wodurch die Rede dann bei weniger inhaltlichen Problemen als einfacher empfunden wird, auch wenn sprachstrukturelle Schwierigkeitsstellen vorhanden sind, da diese eventuell nicht oder zumindest von einigen Dolmetschern nicht so bewusst wahrgenommen werden. Um genauere Erkenntnisse konkret zur Wahrnehmung der sprachlichen Herausforderungen zu erhalten, wurden die Dolmetscher deshalb ebenfalls gebeten, eine Einschätzung des Schwierigkeitsgrades des verwendeten Sprachstils abzugeben. Diesbezüglich zeichnet sich ein sehr ähnliches Bild ab wie bei der generellen Einschätzung der Schwierigkeit der Rede, auch wenn der Sprachstil in Summe als schwieriger empfunden wurde als die Rede insgesamt. 7 Studenten schätzten den Sprachstil der Rede als „ schwierig “ ein, eine davon sogar als „ schwierig bis sehr schwierig “ , 3 gaben die Bewertung „ durchschnittlich “ ab und eine Probandin evaluierte mit „ einfach “ . In Bezug auf die Interferenzhäufigkeit kann hier, ebenso wie bei der Einschätzung der Schwierigkeit der Rede insgesamt, festgestellt werden, dass die Probanden, die die verwendete Sprache in der Rede als „ schwierig “ einstuften, durchschnittlich 0,8 Interferenzen pro 100 Wörter in ihren Verdolmetschungen aufweisen, jene, die den Sprachstil mit „ durchschnittlich “ bewerteten, kamen auf 1,2 Interferenzen pro 100 Wörter, und die einzige Teilnehmerin, die angab, dass die verwendete Sprache „ einfach “ war, hatte die höchste Interferenzanzahl mit 1,5 Interferenzen pro 100 Wörter. Es scheint hier bei der Studentengruppe einen Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung des Schwierigkeitsgrades der Rede sowie der sprachlichen Strukturen und der Interferenzanzahl zu geben, wobei Dolmet- 210 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="211"?> scher mit höheren Interferenzzahlen die Rede als einfacher einzuschätzen scheinen sowie sprachliche Schwierigkeitsstellen weniger bewusst wahrnehmen. Die Ursachen dafür können vielfältiger Natur sein und mit der individuellen Wahrnehmung, aber auch der Erfahrung sowie möglicherweise mit der Ausbildung zusammenhängen. Diesbezüglich wäre möglicherweise eine Erklärung, dass, wenn das Hauptaugenmerk im Dolmetschunterricht auf inhaltlicher Vollständigkeit liegt, der Inhalt dann auch bewusster wahrgenommen und stärker gewichtet wird als sprachliche Schwierigkeiten. Zusätzlich ist noch zu bedenken, dass die Dolmetscher eine retrospektive Einschätzung direkt im Anschluss an die Verdolmetschung abgegeben haben, ohne noch einmal in die Rede hineinzuhören, weshalb es möglich ist, dass viele Problemstellen und vor allem konkrete sprachstrukturelle Schwierigkeiten nicht mehr erinnert werden. Folglich ist davon auszugehen, dass Studenten, die eine relativ vollständige Verdolmetschung erreichen konnten oder während der Rede das Gefühl hatten, dem roten Faden gut folgen zu können, und die zentralen Ideen zu erfassen, die Schwierigkeit der Rede als geringer einstuften und weniger Kapazitäten übrighatten, um Probleme mit Sprachstrukturen oder Interferenzerscheinungen wahrzunehmen. Neben der Einschätzung der Originalrede ist auch die Selbsteinschätzung der Qualität der eigenen Verdolmetschung von Interesse, um Rückschlüsse auf die Wahrnehmung von Interferenzen zu ziehen. Dabei bewerteten 4 Studenten ihre Verdolmetschung als „ schlecht “ , 6 als „ mittelmäßig “ und 1 als „ gut “ . Die Studentin, die ihre Verdolmetschung als „ gut “ bewertete, weist eine der niedrigsten Interferenzraten mit nur 0,6 Interferenzen pro 100 Wörter auf und hat gleichzeitig eine eher geringe Outputrate mit knapp über 2.600 Wörtern. Die Probandin gab bei der Selbsteinschätzung an, dass sie den roten Faden der Rede gut übertragen konnte. Die Durchsicht des Transkriptes bestätigt, dass die zentralen Ideen gut übertragen wurden, die Verdolmetschung bei Details jedoch teilweise nicht sehr exakt war (zum Beispiel bei Aufzählungen) und häufig generalisiert wurde, was die geringe Outputrate und gleichzeitig die eigene Zufriedenheit mit dem Inhalt der Verdolmetschung erklären kann. Dieses Resultat weicht von dem beobachteten Muster bei der Einschätzung des Schwierigkeitsgrades der Originalrede ab: Die Teilnehmerin schätzt ihre Verdolmetschung als „ gut “ ein, aber die Ausgangsrede als „ mittelmäßig “ und den Sprachstil sogar als „ schwierig “ . Bei den anderen Probanden stimmen die Ergebnisse hingegen mit jenen der Einschätzung der Ausgangsrede überein: Dolmetscher, die die Rede als „ schwierig “ bewerteten, schätzten ihre eigene Leistung auch als „ schlecht “ ein, wohingegen jene, die mit „ einfach “ oder „ durchschnittlich “ bewerteten, ihre eigene Leistung ebenfalls als „ mittelmäßig “ evaluierten. Somit zeichnet sich bei einem Vergleich der Selbsteinschätzung bei 7.2 Auswertung und Ergebnisse der Fragebögen 211 <?page no="212"?> der Studentengruppe der Zusammenhang ab, dass Dolmetscher, die ihre eigene Leistung als „ schlecht “ einschätzten, weniger Interferenzen produzierten, im Durchschnitt 0,8 pro 100 Wörter, und Dolmetscher, die ihre Leistung als „ mittelmäßig “ bewerteten, lagen mit einem Mittelwert von 1,2 Interferenzen pro 100 Wörter deutlich darüber. Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass trotz der Abweichung einer Probandin bei der Selbsteinschätzung sich bezüglich der Einschätzung der Rede sowie der eigenen Verdolmetschung folgendes Muster abzeichnet: Die Interferenzzahl ist bei jenen Dolmetschern höher, die den Schwierigkeitsgrad der Ausgangsrede niedriger bewerten und ihre eigene Verdolmetschung besser einschätzen. Durch eine Überprüfung der artikulierten Wortanzahl und unter Berücksichtigung der Ergebnisse vorangehender Studien zu Interferenzen kann der Rückschluss gezogen werden, dass es hier mit größter Wahrscheinlichkeit einen Zusammenhang mit der inhaltlichen Vollständigkeit gibt, die die Interferenzanfälligkeit steigert. Bei der Qualitätsbewertung der eigenen Verdolmetschung scheint auch, wie bereits Lamberger-Felber und Schneider (2008) in ihrer Studie feststellten, die inhaltliche Vollständigkeit im Vordergrund zu stehen und Interferenzen werden häufig entweder nicht bewusst wahrgenommen bzw. sind im Nachhinein weniger präsent in der Erinnerung oder werden als weniger problematisch in Bezug auf die Qualität der Verdolmetschung gesehen. Im Fragebogen mussten die Probanden noch zusätzlich 3 Kategorien auswählen, die als besondere Schwierigkeiten der Rede wahrgenommen wurden, um so festzustellen, wo die Problemstellen der Ausgangsrede gesehen wurden. 4 Dolmetscher kreuzten nur Kategorien an, die inhaltlicher Natur waren, wie zum Beispiel eine hohe Informationsdichte, Zahlen, Eigennamen etc., während bei den anderen 7 zumindest eine der Kategorien aus dem sprachlichen Bereich, nämlich Satzstrukturen, Phraseologismen oder verwendeter Sprachstil/ Formulierungen, dabei war. Die am häufigsten genannte Kategorie stellten „ Zahlen “ dar, die von 10 der 11 Probanden in der Studentengruppe als besondere Schwierigkeit der Rede eingestuft wurden, gefolgt von „ Thema/ fehlendes Hintergrundwissen “ . An dritter Stelle wird die Schwierigkeit des „ Sprachstils/ der Formulierungen “ genannt, und zwar insgesamt von 5 Teilnehmern. Die Wahrnehmung der Schwierigkeitsstellen scheint sehr individuell zu sein, wobei inhaltliche Schwierigkeiten noch gehäuft vor den sprachlichen genannt wurden und bei der Studentengruppe auffallend war, dass alle bis auf eine Probandin „ Zahlen “ als besondere Herausforderung angaben. Ein möglicher Zusammenhang zwischen inhaltlichen Schwierigkeiten, besonders Zahlen, Eigennamen und den eingebauten Zitaten, welche zu einer kognitiven Überlastung führen können, und Interferenzerscheinungen wird gesondert im Kapitel 7.5 behandelt. 212 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="213"?> In nachfolgender Tabelle werden die Antworten der professionellen Dolmetscher in Bezug auf die Einschätzung der Originalrede sowie Selbsteinschätzung der Verdolmetschung dargestellt. Retrospektive Einschätzung laut Fragebogen (professionelle Dolmetscher) Dolmetscher Einschätzung Schwierigkeit der Rede Einschätzung Schwierigkeit des verwendeten Sprachstils Selbsteinschätzung der Qualität der Verdolmetschung Identifizierte Schwierigkeiten AL2709 einfach schwierig gut Informationsdichte Phraseologismen Sonstiges: Vorgelesene/ vor-formulierte Reden lassen oft keine natürliche Verdolmetschung entstehen. AT2605 durchschnittlich durchschnittlich mittelmäßig Phraseologismen Eigennamen Sonstiges: Zitate CB2023 schwierig schwierig mittelmäßig Thema/ fehlendes Hintergrundwissen verwendeter Sprachstil/ Formulierungen Zahlen 7.2 Auswertung und Ergebnisse der Fragebögen 213 <?page no="214"?> Retrospektive Einschätzung laut Fragebogen (professionelle Dolmetscher) Dolmetscher Einschätzung Schwierigkeit der Rede Einschätzung Schwierigkeit des verwendeten Sprachstils Selbsteinschätzung der Qualität der Verdolmetschung Identifizierte Schwierigkeiten CT3712 durchschnittlich durchschnittlich mittelmäßig Thema/ fehlendes Hintergrundwissen verwendeter Sprachstil/ Formulierungen Zahlen ES0909 durchschnittlich durchschnittlich mittelmäßig Thema/ fehlendes Hintergrundwissen Satzstrukturen Zahlen Eigennamen Sonstiges: Zitate MA1928 durchschnittlich schwierig gut verwendeter Sprachstil/ Formulierungen Zahlen Sonstiges: Konzentrationsprobleme beim Ferndolmetschen 214 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="215"?> Retrospektive Einschätzung laut Fragebogen (professionelle Dolmetscher) Dolmetscher Einschätzung Schwierigkeit der Rede Einschätzung Schwierigkeit des verwendeten Sprachstils Selbsteinschätzung der Qualität der Verdolmetschung Identifizierte Schwierigkeiten MP2021 durchschnittlich schwierig gut Thema/ fehlendes Hintergrundwissen Informationsdichte Sprechgeschwindigkeit MS2021 durchschnittlich schwierig mittelmäßig verwendeter Sprachstil/ Formulierungen Zahlen Phraseologismen Eigennamen MV2529 durchschnittlich durchschnittlich gut Thema/ fehlendes Hintergrundwissen Zahlen Eigennamen 7.2 Auswertung und Ergebnisse der Fragebögen 215 <?page no="216"?> Retrospektive Einschätzung laut Fragebogen (professionelle Dolmetscher) Dolmetscher Einschätzung Schwierigkeit der Rede Einschätzung Schwierigkeit des verwendeten Sprachstils Selbsteinschätzung der Qualität der Verdolmetschung Identifizierte Schwierigkeiten NF1957 schwierig schwierig mittelmäßig verwendeter Sprachstil/ Formulierungen Zahlen Informationsdichte TS4972 schwierig schwierig mittelmäßig verwendeter Sprachstil/ Formulierungen Phraseologismen Eigennamen Tabelle 12: Retrospektive Einschätzung (professionelle Dolmetscher) Bei der Einschätzung des Schwierigkeitsgrades der Ausgangsrede bewertete der Großteil der professionellen Dolmetscher diesen als „ durchschnittlich “ , nämlich 7 der 11 Teilnehmer, 3 schätzen ihn als „ schwierig “ und nur 1 Probandin als „ einfach “ ein. Wie bei der Studentengruppe konnte in diesem Bereich ein Zusammenhang zwischen der Einschätzung des Schwierigkeitsgrades und der Interferenzanzahl gefunden werden: Die Dolmetscherin, die die Rede als „ einfach “ bewertete, hatte mit 1,3 Interferenzen pro 100 Wörter die zweithöchste relative Anzahl unter den professionellen Dolmetschern. Zwischen den Dolmetschern, die die Rede als „ durchschnittlich “ , und jenen, die die Rede als „ schwierig “ bewerteten, ist der Unterschied nicht so deutlich wie bei den Studenten, da die erste Gruppe 0,9 Interferenzen pro 100 Wörter aufweist, die zweite 0,8. Insgesamt zeichnet sich aber auch bei der Gruppe der professionellen Dolmetscher ab, dass die Interferenzanzahl tendenziell bei einer Einschätzung der Ausgangsrede als „ einfach “ oder „ durchschnittlich “ höher ist, als wenn diese als „ schwierig “ empfunden wurde. Interessant ist, dass die Studenten und die 216 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="217"?> professionellen Dolmetscher die Ausgangsrede sehr ähnlich in Bezug auf den Schwierigkeitsgrad einschätzten. Bezüglich der Einschätzung des Schwierigkeitsgrads des Sprachstils sind die Ergebnisse der beiden Gruppen ebenfalls ähnlich: Genau wie bei den Studenten gaben 7 der professionellen Dolmetscher „ schwierig “ als Einschätzung an, 4 evaluierten die sprachliche Schwierigkeit der Rede mit „ durchschnittlich “ , wobei im Gegensatz zur Studentengruppe kein Teilnehmer hier die Kategorie „ einfach “ wählte. Bei den professionellen Dolmetschern konnte diesbezüglich im Gegensatz zu den Studenten kein Zusammenhang mit der Einschätzung des Schwierigkeitsgrades der sprachlichen Aspekte der Rede gefunden werden, da sich für die Gruppe mit der Bewertung „ durchschnittlich “ eine mittlere Interferenzzahl von 0,9 Interferenzen pro 100 Wörter und für jene mit der Bewertung „ schwierig “ eine Interferenzzahl von durchschnittlich 1,0 Interferenzen pro 100 Wörter ergab. Die Ursachen hierfür sind auf Grund der Daten nicht eindeutig eruierbar. Einerseits könnte es sich um einen Hinweis handeln, dass professionelle Dolmetscher sprachliche Schwierigkeiten im Gegensatz zu den Studenten neben den inhaltlichen Herausforderungen vermehrt wahrnehmen und als problematischer einstufen, worauf die Antworten auf die offenen Fragen zu Autokorrekturen hindeuten (vgl. Kapitel 7.6). Andererseits könnten die Unterschiede zumindest teilweise darauf zurückgehen, dass die individuelle Schwankungsbreite bei der Interferenzanzahl bei den Studenten höher als bei den professionellen Dolmetschern ist (vgl. dazu auch Kapitel 7.3) und somit Unterschiede deutlicher ablesbar sind. Die Qualität der eigenen Verdolmetschung wurde von den professionellen Dolmetschern insgesamt eindeutig besser bewertet als von der Studentengruppe. 4 Dolmetscher bewerteten ihre Verdolmetschung als „ gut “ , 7 als „ mittelmäßig “ und im Gegensatz zu den Studenten gab keiner an, dass seine Verdolmetschung „ schlecht “ war. In Bezug auf die Interferenzhäufigkeit können hier ebenso wie bei der Studentengruppe Hinweise darauf gefunden werden, dass die Interferenzanzahl bei einer besseren Selbsteinschätzung höher ist. Im Durchschnitt beläuft sich die Interferenzanzahl pro 100 Wörter bei den Dolmetschern, die ihre Verdolmetschung als „ mittelmäßig “ bewerteten, auf 0,8 und bei jenen, die ihre Verdolmetschung als „ gut “ bewerteten, auf 1,1. Dieses Ergebnis, dass nicht nur bei Studenten, sondern auch bei professionellen Dolmetschern die Interferenzanzahl bei einer besseren Selbstbewertung höher ist, steht auch im Einklang mit den Daten von Lamberger-Felber und Schneider (2008), die ihre Studie ebenfalls mit professionellen Dolmetschern durchgeführt haben. Die identifizierten Schwierigkeitsstellen in der Rede waren bei der Gruppe der professionellen Dolmetscher diversifizierter als bei den Studenten und es 7.2 Auswertung und Ergebnisse der Fragebögen 217 <?page no="218"?> wurde auch häufiger die Kategorie „ Sonstiges “ gewählt, um eine nicht genannte Schwierigkeit hinzuzufügen. Dabei nannten die Dolmetscher vor allem die Zitate (2-mal) oder die Schwierigkeiten beim „ Ferndolmetschen “ ohne Video des Redners (2-mal). Es gab keine Kategorie, die von allen oder fast allen Probanden genannt wurde. Zahlen wurden generell seltener, dafür häufiger Eigennamen als Problemstellen eingestuft. Sprachliche Schwierigkeiten in Form von „ Satzstrukturen “ , „ Phraseologismen “ oder „ verwendeter Sprachstil/ Formulierungen “ , wurden von etwas mehr professionellen Dolmetschern als Studenten, nämlich von 9 im Vergleich zu 7, angekreuzt. Diese Daten weisen darauf hin, dass professionelle Dolmetscher andere Schwierigkeitsstellen als Studenten haben, was auf Grund der jahrelangen Berufserfahrung auch zu erwarten ist. Interessant ist hierbei, dass Studenten Eigennamen, obwohl sie damit sogar häufiger Probleme in der Verdolmetschung hatten, nur einmal als Schwierigkeitsstelle nannten, professionelle Dolmetscher hingegen viel öfter. Bei professionellen Dolmetschern scheint hier der Anspruch, den korrekten Eigennamen zu nennen, größer zu sein, aber es ist auch möglich, dass in dieser Gruppe andere Problemstellen einfach seltener sind und Eigennamen daher im Vergleich dazu noch am häufigsten zu Schwierigkeiten führen. Umgekehrt waren Zahlen bei den Studenten häufiger als problematisch in Erinnerung, was einerseits natürlich mit der geringeren Übung zusammenhängen kann, andererseits aber auch darauf zurückgehen könnte, dass professionelle Dolmetscher bei Zahlen schneller erfassen, wann es notwendig ist, den exakten Betrag zu nennen, und ansonsten häufig eine Zahl auf ganze Stellen runden. Die Interferenzen bei den Absätzen mit vielen Zahlen und in Bezug auf Eigennamen werden noch konkreter im Kapitel 7.5 behandelt. Was die Wahrnehmung von sprachstrukturellen Schwierigkeitsstellen betrifft - ein Punkt, der von besonderem Interesse im Zusammenhang mit Interferenzerscheinungen ist - scheinen professionelle Dolmetscher sprachliche Schwierigkeitsstellen vermehrt als solche wahrzunehmen bzw. im Anschluss an die Verdolmetschung noch in Erinnerung zu haben. Studenten haben zwar ebenfalls häufig das Gefühl, ihre Verdolmetschung war zu nahe an der Ausgangssprache, jedoch ohne konkret die dazugehörigen Stellen in der Ausgangsrede identifizieren zu können. Dies kann auch durch die Auswertung der offenen Fragen im Fragebogen bestätigt werden, die im Kapitel 7.6 in Bezug auf Autokorrekturen und Monitoringprozesse gesondert behandelt wird. 218 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="219"?> 7.3 Studenten und professionelle Dolmetscher im Vergleich In diesem Kapitel werden Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten zwischen der Studentengruppe und der Gruppe der professionellen Dolmetscher in Bezug auf Interferenzen näher behandelt und diskutiert. Zunächst ist ein Vergleich im Bereich der Quantifizierung von Interferenzen interessant. Insgesamt konnte ein Durchschnitt von 30 Interferenzen pro Verdolmetschung ermittelt werden. Interessant ist hierbei, dass die Gruppe der Studenten auf einen Durchschnitt von 29 kommt, die Gruppe der professionellen Dolmetscher hingegen auf 31. Dieses Resultat deckt sich jedoch auch mit Beobachtungen in vorangehenden Studien, wonach professionelle Dolmetscher durchschnittlich gleich viele, teilweise sogar mehr Interferenzen als Studenten produzierten, zumindest, wenn in absoluten Zahlen und nicht in Relation zum Output gerechnet wurde. Die Spannweite der ermittelten Interferenzen in den einzelnen Verdolmetschungen in absoluten Zahlen reicht von 15 bis 50. Beide Werte stammen aus der Gruppe der Studenten. Die Schwankungsbreite innerhalb der Gruppe der professionellen Dolmetscher in absoluten Zahlen ist mit 20 bis 47 ermittelten Interferenzen geringer. In der Gruppe der Studenten sind jedoch auch größere individuelle Unterschiede in Bezug auf die Wortanzahl des Outputs feststellbar als in der Gruppe der professionellen Dolmetscher. Der Durchschnittswert für die Verdolmetschungen der Studenten beläuft sich auf 2.900 Wörtern, wohingegen die professionellen Dolmetscher durchschnittlich auf eine Wortanzahl von 3.230 kamen. Bei den Studenten gibt es nur 3 Verdolmetschungen, die mehr als 3.000 Wörter aufweisen und somit dem durchschnittlichen Bereich der professionellen Dolmetscher in Bezug auf die Wortanzahl entsprechen, die restlichen 8 weisen unterschiedliche Outputraten zwischen 2.500 und 3.000 Wörtern auf. Bei den professionellen Dolmetschern hingegen sind 9 der 11 Verdolmetschungen mit einem Output von zwischen 3.100 und 3.400 Wörtern in der Wortanzahl und Vollständigkeit sehr ähnlich. Ein Vergleich der Interferenzen umgerechnet auf 100 Wörter des Ouptuts ist folglich repräsentativer als ein Vergleich in absoluten Zahlen. Umgerechnet auf den Output pro 100 Wörter konnte insgesamt ein Durchschnitt von 0,98 Interferenzen ermittelt werden. Für die Gruppe der professionellen Dolmetscher ergibt sich ein Wert von 0,95, für die Studenten von 1,0. Die beiden Gruppen weisen also in Bezug auf die Interferenzzahl pro 100 Wörter des Outputs fast dieselbe Rate auf, mit einer minimal geringeren Anzahl in der Gruppe der professionellen Dolmetscher, obwohl diese in absoluten Zahlen eine leicht höhere Anzahl als die Studenten aufweisen. Die Annahme, dass Studenten und professionelle Dolmetscher in Relation zum Output durchschnittlich gleich viele Interferenzen produzieren, hat sich in vorliegendem Experiment bestätigt 7.3 Studenten und professionelle Dolmetscher im Vergleich 219 <?page no="220"?> und es kann somit weitere Evidenz dafür geliefert werden, dass es bezüglich der reinen Interferenzanzahl kaum Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen gibt. In den folgenden beiden Graphiken werden die Interferenzraten der Studenten und der professionellen Dolmetscher pro 100 Wörter sowie der Mittelwert der jeweiligen Gruppe dargestellt, um die Schwankungen innerhalb der Gruppen und auch im Vergleich zueinander zu veranschaulichen. Abb. 10: Studenten: Interferenzen pro 100 Wörter Abb. 11: Professionelle Dolmetscher: Interferenzen pro 100 Wörter 220 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="221"?> Aus den Graphiken wird ersichtlich, dass trotz der sehr ähnlichen Durchschnittszahl von Interferenzen in den beiden Gruppen die individuellen Unterschiede und somit die Schwankungsbreite von Interferenzen, auch umgerechnet auf 100 Wörter des Outputs, bei den Studenten leicht höher ist als bei der Gruppe der professionellen Dolmetscher. Sie reicht dabei von 0,6 bis 1,5 Interferenzen bei der Gruppe der Studenten und von 0,7 bis 1,4 Interferenzen pro 100 Wörter bei der Gruppe der professionellen Dolmetscher. Zusätzlich ist bei der Gruppe der professionellen Dolmetscher noch dazu auffallend, dass die zwei Dolmetscherinnen mit den zwei A-Sprachen mit 1,3 und 1,4 Interferenzen pro 100 Wörter deutlich über dem Durchschnitt liegen, während die restlichen Probanden alle sehr nah am Durchschnittswert sind und im Vergleich zueinander sehr ähnliche Interferenzzahlen und eine viel geringere Schwankungsbreite aufweisen. Die individuellen Unterschiede in Bezug auf die Interferenzhäufigkeit wurden bereits in vorangehenden Studien (vgl. z. B. Lamberger- Felber/ Schneider 2008) erwähnt. Die Resultate dieses Experiments liefern Hinweise darauf, dass individuelle Schwankungen bei Studenten noch häufiger und ausgeprägter sind. Bei professionellen Dolmetschern hingegen scheint die Schwankungsbreite geringer zu sein, was auch mit einer ähnlicheren Outputrate und Vollständigkeit der Verdolmetschungen in Verbindung stehen kann. Zusätzlich scheinen weitere Faktoren, wie in diesem Falle die zweite A-Sprache und damit zusammenhängend lange Auslandsaufenthalte sowie ein früher Bilingualismus (vgl. dazu Kapitel 7.2.1), ebenfalls zu größeren individuellen Abweichungen bei der Interferenzzahl auch bei professionellen Dolmetschern zu führen. Ein Vergleich zwischen Dolmetschstudenten und professionellen Dolmetschern ist nicht nur in Bezug auf die Interferenzhäufigkeit von Interesse, sondern auch in Bezug auf die Klassifizierung in Interferenzkategorien. Die insgesamt am häufigsten beobachtete Interferenzkategorie ist jene der lexikalischen Interferenzen, gefolgt von den morphosyntaktischen an zweiter, den syntaktischen an dritter und den phonetischen Interferenzen an vierter Stelle. Wenn man die Interferenzkategorien getrennt nach den beiden Gruppen ermittelt, gibt es eine weitläufige Übereinstimmung mit jedoch einem auffälligen Unterschied. In den folgenden beiden Graphiken werden die ermittelten Interferenzen in Interferenzkategorien in Prozent getrennt nach der Gruppe der Studenten und der Gruppe der professionellen Dolmetscher dargestellt, um die Ähnlichkeiten und Unterschiede zu veranschaulichen. 7.3 Studenten und professionelle Dolmetscher im Vergleich 221 <?page no="222"?> Abb. 12: Studenten: Klassifizierung in Interferenzkategorien Abb. 13: Professionelle Dolmetscher: Klassifizierung in Interferenzkategorien Die beiden Graphiken zeigen, dass die lexikalischen Interferenzen bei beiden Gruppen mit fast gleichem Anteil von 50,5 % und 50,4 % die häufigste Kategorie sind und die Hälfte aller ermittelten Interferenzen ausmachen. Auch bei den phonetischen Interferenzen mit 9 % und 9,1 % gibt es keine Unterschiede zwischen den Studenten und den professionellen Dolmetschern. Die Kategorie 222 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="223"?> des simultanen Kurzschlusses wurde minimal häufiger bei den Studenten beobachtet mit 3,1 % im Vergleich zu 2,6 % und eine Interferenz mit einer dritten Sprache wurde nur in der Gruppe der Studenten beobachtet, allerdings nur einmal im Vergleich zu nie bei den professionellen Dolmetschern. Während also beim Großteil der Kategorien eine ziemlich genaue Übereinstimmung herrscht, gibt es bei den morphosyntaktischen und syntaktischen Interferenzen auffallende Unterschiede. In der Gruppe der Studenten stehen morphosyntaktische Interferenzen mit 24,3 % an zweiter Stelle, bei den professionellen Dolmetschern jedoch handelt es sich hierbei erst um die dritthäufigste Interferenzkategorie nach den syntaktischen. Letztere sind mit 19,7 % bei den professionellen Dolmetschern sehr viel häufiger vertreten als bei den Studenten, wo die syntaktischen Interferenzen erst an dritter Stelle stehen und nur 12,8 % ausmachen. Diese Beobachtung steht im Einklang mit den Ergebnissen von Setton und Motta (2007), die beim Vergleich von Studenten und professionellen Dolmetschern feststellten, dass die Verdolmetschungen der professionellen Dolmetscher nicht nur vollständiger waren und eine höhere Wortanzahl aufwiesen, sondern dass diese auch näher an der Satzstruktur der Ausgangssprache lagen. Eine höhere Vollständigkeit, die auch in vorliegender Studie bei den professionellen Dolmetschern in Form einer höheren Wortanzahl festgestellt werden kann, birgt auch ein größeres Risiko, die Satzstruktur zu übernehmen und folglich bei Kontrasten syntaktische Interferenzen zu produzieren. Umgekehrt scheinen syntaktische Interferenzen auch mit strategischen Entscheidungen zusammenzuhängen. Es ist also eine wechselseitige Beeinflussung - syntaktische Interferenzen durch fehlende Strategien bei großer Vollständigkeit und syntaktische Interferenzen als Folge von Strategien - anzunehmen. Diese Komponente wird noch detaillierter in Kapitel 7.4.4 zu den syntaktischen Besonderheiten thematisiert. Über die Gründe, warum bei den Studenten morphosyntaktische Interferenzen häufiger vorkommen, können keine gesicherten Aussagen getroffen werden. Gerade bei Kongruenzfehlern liegen die Ursachen meistens im Dolmetschprozess, wobei der Dolmetscher vergisst, wie er den Satz begonnen hat und ihn mit den Ausgangstextelementen übereinstimmt. Diese Art von Interferenzen kam bei beiden Gruppen in etwa gleich häufig vor. Dabei ist zwar anzunehmen, dass die professionellen Dolmetscher durch jahrelanges Training mehr Kapazitäten für das Monitoring ihres eigenen Outputs haben und diesen länger in Erinnerung halten können bzw. in Übereinstimmung mit den Erkenntnissen zum Arbeitsgedächtnis hier durch Erfahrung von einem besseren Koordinationsmechanismus und einem größeren Sprachwissen profitieren, gleichzeitig aber auch mehr Möglichkeiten zu Kongruenzfehlern auf Grund einer größeren Vollständigkeit und häufigeren Übernahme auch komplexere 7.3 Studenten und professionelle Dolmetscher im Vergleich 223 <?page no="224"?> Satzstrukturen der Originalrede haben. Bei anderen morphosyntaktischen Interferenzen wie übernommenen Artikeln und Präpositionen, Kategorien, die bei der Studentengruppe sehr viel häufiger von Interferenzen betroffen waren, könnte ein Hinweis darauf vorliegen, dass Studenten vermehrt dazu tendieren, die einzelnen Konstituenten von Strukturen zu verarbeiten, wohingegen professionelle Dolmetscher schneller eine Entsprechung für die gesamte Struktur in der Zielsprache abrufen können. Dies stimmt auch mit den Ausführungen von Setton (1999: 95) zu interlingualen Verbindungen überein, wonach durch eine vermehrte Verwendung von Lexemen oder Wortverbindungen und Übung im Dolmetschen direkte zielsprachliche Entsprechungen für Wortverbindungen, Wendungen etc. schneller und zuverlässiger aktiviert werden können. Interessant ist auch ein Vergleich zwischen Studenten und professionellen Dolmetschern in Bezug auf Autokorrekturen von Interferenzen. Die Hypothese, dass Dolmetschstudenten Interferenzen häufiger korrigieren als professionelle Dolmetscher, kann in vorliegendem Experiment als verifiziert angesehen werden und somit wird weitere Evidenz für höhere Korrekturraten bei Dolmetschstudenten im Vergleich zu professionellen Dolmetschern geliefert. Die Studentengruppe korrigierte im Durchschnitt pro Verdolmetschung 6,5 Interferenzen, während es bei den professionellen Dolmetschern nur 3,8 waren. In Relation zur Interferenzanzahl konnte für die Gruppe der Studenten ermittelt werden, dass 22 % aller Interferenzen korrigiert wurden, wohingegen für die Gruppe der professionellen Dolmetscher nur eine Korrekturrate von 12 % aller produzierten Interferenzen ermittelt werden konnte. Zusätzlich konnten, wie bereits bei der Auswertung der Fragbögen (vgl. Kapitel 7.2.2) angeführt wurde, bei der retrospektiven Einschätzung Hinweise darauf gefunden werden, dass professionelle Dolmetscher im Vergleich zu Studenten sprachstrukturelle Problemstellen in der Originalrede häufiger als Schwierigkeiten wahrnehmen bzw. im Anschluss an die Verdolmetschung erinnern. Konkret in Bezug auf Autokorrekturen scheinen auch hier die professionellen Dolmetscher mehr Kapazitäten im Bereich des Monitorings übrig zu haben, um bewusster Entscheidungen für oder gegen eine Korrektur zu treffen. Korrekturen und Monitoringprozesse werden noch gesondert und ausführlicher im Kapitel 7.6 behandelt. 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der Datenauswertung in Bezug auf die sprachstrukturellen Schwierigkeitsstellen mit Interferenzpotential analysiert. 224 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="225"?> Die linguistischen Besonderheiten im kontrastiven Vergleich speziell für die Dolmetschrichtung Spanisch - Deutsch wurden in Kapitel 4.4.2 ausgehend von den theoretischen Grundlagen ausgearbeitet und anhand der konkreten in der Rede enthaltenen Schwierigkeitsstellen in tabellarischer Form in Kapitel 6.1.1 dargestellt. Insgesamt konnte die Hypothese, dass die zuvor ermittelten und in der Rede gekennzeichneten Sprachstrukturen im jeweiligen Teilbereich großes Interferenzpotential bergen und somit Interferenzen hauptsächlich an gewissen sprachstrukturellen Schwierigkeitsstellen auftreten, im Experiment bestätigt werden. In den Bereichen Lexik, Phonetik und Morphosyntax stimmten die zuvor ermittelten Sprachstrukturen ziemlich genau mit den tatsächlich von Interferenzen betroffenen überein, wobei nur ein paar kleinere Ergänzungen bzw. Präzisierungen in den einzelnen Bereichen notwendig sind. Im syntaktischen Bereich konnten zwar ebenfalls die generell identifizierten Strukturen als besonders interferenzanfällig bestätigt werden, jedoch war es sehr viel schwieriger vorauszusehen, in welchen Satzkonstruktionen es dann konkret zu Problemen kommt und ob diese dann überhaupt syntaktische und nicht morphosyntaktische Interferenzen oder sogar inhaltliche Fehler zur Folge haben. Im Folgenden werden die einzelnen Teilbereiche und die zuvor ermittelten Schwierigkeitsstellen detailliert und anhand von konkreten Beispielen aus den Verdolmetschungen behandelt sowie mögliche Abweichungen und zusätzliche zuvor nicht identifizierte Strukturen thematisiert. 7.4.1 Lexik Lexikalische Interferenzen stellten im Experiment mit ca. 50 % aller ermittelten Interferenzen die häufigste Gruppe dar und kamen bei der Gruppe der Studenten und der Gruppe der professionellen Dolmetscher ungefähr gleich häufig vor. Die Beobachtung, dass Phraseologismen, falsche Freunde und polyseme Lexeme auch bei erfahrenen Dolmetschern noch häufig zu Interferenzen führen, deckt sich mit Settons (1995) Erläuterungen zu interlingualen sprachenübergreifenden Vernetzungen. Er nimmt diesbezüglich an, dass diese durch den Abruf einer direkten Entsprechung ohne tiefgreifende semantische Verarbeitung häufig eine Entlastung im Dolmetschprozess darstellen, gleichzeitig aber teilweise auf Grund einer Formähnlichkeit oder geringen Kontrasten eine falsche Aktivierung von Items begünstigen können, die nicht die tatsächliche Entsprechung in der Zielsprache sind. Diese automatischen Aktivierungen von cross-language connections können auch bei professionellen Dolmetschern nur bedingt kontrolliert werden und liefern somit eine mögliche Erklärung, warum Interferenzerscheinungen im lexikalischen Bereich bei Formähnlich- 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten 225 <?page no="226"?> keiten, geringen Kontrasten oder unterschiedlichen, aber ähnlichen Bildern in den beiden Sprachen auch bei professionellen Dolmetschern noch als häufiges Phänomen beobachtet werden können. Die am häufigsten von Interferenzen betroffenen Strukturen im lexikalischen Bereich waren falsche Freunde, polyseme Lexeme und fixierte sowie halb-fixierte Verbindungen, wobei der Anteil jeweils ca. 25 Prozent an der Gesamtzahl der lexikalischen Interferenzen 2 ausmacht. Die restlichen Interferenzen im lexikalischen Bereich verteilen sich auf Komposita, Zahlen (ohne diejenigen, die unter die falschen Freunde fallen), wörtliche lexikalische Übernahmen aus dem Spanischen mit oder ohne phonetische und morphologische Anpassung an das Deutsche und wörtliche Übersetzungen. Im Nachfolgenden werden die einzelnen Strukturen, die im lexikalischen Bereich vermehrt von Interferenzen betroffen waren, im Detail besprochen. Als besonders problematisch im lexikalischen Bereich wurden im Vorhinein falsche Freunde eingestuft, wobei darauf geachtet wurde, dass über die Rede verteilt eine ausreichende Anzahl von falschen Freunden vorkommt, wobei manche davon auch zweimal eingebaut wurden, um somit Rückschlüsse ziehen zu können, ob es im Falle einer Interferenz Hinweise auf einen Kompetenzmangel oder zumindest eine Unsicherheit in der Verwendung gibt. Von den vorab in der Rede ermittelten falschen Freunden waren 78 % (in absoluten Zahlen 18 von 23 unterschiedlichen falschen Freunden) zumindest einmal von einer Interferenz in den Verdolmetschungen betroffen. Dabei waren sowohl falsche Freunde, deren formales Äquivalent nie die korrekte Entsprechung in der Zielsprache darstellt, als auch die sogenannten partiellen falschen Freunde, bei denen, je nach Kontext, das formale Äquivalent in der Zielsprache richtig sein kann oder auch nicht, von Interferenzen betroffen. Partielle falsche Freunde wurden in vorliegender Arbeit zu den falschen Freunden und nicht zu den Polysemien gezählt, obwohl beide Einteilungen möglich wären, aber hier der Formähnlichkeit Priorität eingeräumt wurde. In folgenden zwei Auszügen aus den Verdolmetschungen wird je ein Beispiel für eine lexikalische Interferenz, welche durch einen falschen Freund bzw. einen partiellen falschen Freund verursacht wurde, gegeben. 2 Die Zahlen werden der Vollständigkeit halber und zur Orientierung angegeben. Jedoch muss hier erwähnt werden, dass ein direkter Vergleich der Strukturen nur bedingt möglich ist, da erstens, die Anzahl der in der Originalrede enthaltenen Strukturen je nach Bereich unterschiedlich war, zweitens, die Schwierigkeitsstelle in derAusgangsrede nicht immer direkt zu einer Interferenz in derselben Kategorie führte (z. B. ein Kompositum wurde umschrieben und dabei kam es zu einem nicht erwarteten Kollokationsfehler), was die Klassifizierung erschwert und drittens, einige Strukturen in mehrere Bereiche fallen könnten bzw. schwer abgrenzbar sind. 226 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="227"?> .. 37 [00: 58.6] 38 [01: 00.0] OR [v] La verdad absolu ta todos lo sabemos NF1957 [v] man die einzige und absolute Wahrheit in den Händ en hielte. Die absolute .. 39 [01: 02.0] 40 [01: 04.0] OR [v] y lo conocemos por excelencia histórica - depen NF1957 [v] Wahrheit das wissen wir alle und das kennen wir auch alles, auch auf Grund 41 [01: 06.0] 42 [01: 08.0] 43 [01: 10.0] OR [v] de de la concurrencia de di versos factores, como las NF1957 [v] unserer Geschichte hängt imme r von der Konkurrenz verschiedener Fa ktoren ab, Concurrencia kann im Deutschen nie mit dem formalen Äquivalent „ Konkurrenz “ übersetzt werden, wohingegen in nachfolgendem Beispiel orgánicamente in anderen Kontexten sehr wohl in der Bedeutung von „ organisch “ verwendet werden kann, zum Beispiel im Sinne von „ organisch abbaubar “ , weshalb es sich hier um einen partiellen falschen Freund handelt. .. 1209 [29: 18.0] 1210 [29: 18.2] 1211 [29: 19.1] 1212 [29: 20.0] OR [v] organización de Estado s, ((0,8s)) nos asiste el derecho y la obligaci ES0909 [v] Wir sind eine Staatenorganisat ion. Deshalb 1213 [29: 22.0] 1214 [29: 24.0] OR [v] ón de actuar conjunta y orgánicamente por nues ES0909 [v] haben wir das Recht auf unserer Seite, deswegen ha ben wir aber auch die Pflicht, .. 1215 [29: 26.0] 1216 [29: 28.0] 1217 [29: 30.0] OR [v] tros pueblos, por su liber tad, por la paz y la ES0909 [v] gemeinsam organisch zusa mmen mit unseren Völkern zu ha lten, für Es scheint sehr individuell zu sein, welche falschen Freunde tatsächlich bei welchen Dolmetschern zu Interferenzen führen, wobei anzunehmen ist, dass sowohl die individuelle Kapazität an der jeweiligen Stelle als auch das Vorwissen und mögliche kürzliche oder häufige Verwendungen der Struktur einen Einfluss darauf haben, wo Probleme auftreten. Falsche Freunde wurden ab und zu bei öfterem Vorkommen im Laufe der Rede mehrfach falsch übersetzt. Allerdings betraf dies ausschließlich partielle falsche Freunde mit ähnlichen semantischen Entsprechungen im Deutschen (z. B. sp.: privilegiar dt.: ‚ privilegieren ‘ , ‚ begünstigen ‘ ). Hier ist nicht von einem Kompetenzmangel auszugehen, sondern eher einem falschen Abruf durch die direkte Verbindung zwischen den formähnlichen Äquivalenten, die jedoch kontextuell an diesen Stellen nicht 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten 227 <?page no="228"?> passend waren. Gewissheit darüber, ob bei einzelnen falschen Freunden ein Kompetenzmangel vorliegen könnten bzw. wie die Dolmetscher Interferenzen bei falschen Freunden in ihren eigenen Verdolmetschungen einschätzen würden, könnte aber nur eine Studie geben, welche sich zum Beispiel explizit der Erforschung von falschen Freunden beim Dolmetschen im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch widmet, da somit dieser Aspekt vertiefend behandelt werden könnte. Besonders auffallend waren die Interferenzen bei „ obras faraónicas “ , wo die deutschen Entsprechungen „ irrwitzige Projekte “ oder „ Prachtbauten “ korrekt wären, aber 7 der professionellen Dolmetscher im Deutschen von „ pharaonischen Projekten “ oder „ pharaonischen Bauten “ sprachen. Bei den Studenten kam es hier jedoch nur einmal zu einer Interferenz. Diesbezüglich ist anzunehmen, dass professionelle Dolmetscher durch längere Auslandsaufenthalte, aber auch längeren oder stärkeren Kontakt mit der Sprache im Beruf, durch spanischsprachige Freunde etc. in diesem Fall häufiger das Bild der Originalsprache präsent haben und die wörtliche Übertragung ins Deutsche somit keine Befremdung auslöst, wohingegen den Studenten das Lexem weniger geläufig zu sein scheint und diese teilweise länger abwarteten, um die Bedeutung im Kontext zu erfassen, was zu einer Lösung von der Originalstruktur führte. Insgesamt konnten sowohl bei Studenten als auch professionellen Dolmetschern sehr häufig Interferenzen bei falschen Freunden beobachtet werden und auf falsche Freunde entfallen bei beiden Gruppen mit sehr ähnlichen absoluten Zahlen etwas mehr als 25 % der gesamten Interferenzen im lexikalischen Bereich, wobei die konkret betroffenen falschen Freunde großen individuellen Schwankungen unterlagen. Die Verbindung zwischen den formähnlichen Wörtern im mentalen Lexikon, auch wenn keine inhaltliche Übereinstimmung vorliegt, ist sehr stark und gerade unter dem Zeitdruck sowie dem erhöhten Kapazitätsaufwand bei der Tätigkeit des Simultandolmetschens scheinen sowohl Studenten als auch professionelle Dolmetscher häufig nicht mehr ausreichend Kapazitäten für die Unterdrückung dieser fälschlich aktivierten Items übrig zu haben. Interessant ist hierbei, dass professionelle Dolmetscher entweder an diesen Stellen noch mehr Monitoringkapazitäten oder ein höheres Bewusstsein bezüglich falscher Freunde zu haben scheinen, denn trotz der insgesamt sehr viel niedrigeren Korrekturrate korrigierten diese Interferenzen bei falschen Freunden um einiges häufiger, und zwar insgesamt 10-mal, im Vergleich zu den Studenten, die nur 3 Interferenzen, die durch falsche Freunde auftraten, korrigierten. Eine weitere lexikalische Schwierigkeitsstelle, die im Vorhinein ermittelt und in der Rede analysiert wurde, sind Polysemien. Bei der Auswertung der Interferenzen konnte festgestellt werden, dass polyseme Lexeme ebenso wie 228 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="229"?> falsche Freunde sehr häufig von Interferenzen betroffen waren, wobei partielle falsche Freunde, welche ja gleichzeitig ebenfalls polysem sind, in der vorliegenden Arbeit zu den falschen Freunden gezählt und unter diesem Punkt ausgewertet wurden. Bei 78 % der konkret im Vorhinein in der Rede gekennzeichneten polysemen Strukturen (in absoluten Zahlen 11 von 14 unterschiedlichen polysemen Strukturen) konnte zumindest einmal in den Verdolmetschungen eine Interferenz beobachtet werden, und zusätzlich waren noch ein paar weitere, nicht vorab identifizierte Lexeme von Interferenzen durch Polysemie betroffen. Die Herausforderung bei polysemen Lexemen liegt teilweise im Simultandolmetschprozess an sich, da der Dolmetscher zu einem Zeitpunkt einsetzt, an dem er häufig noch nicht ausreichend Kontext hat, um sicherzugehen, welche der Bedeutungen die korrekte an der jeweiligen Stelle ist. Untenstehendes Beispiel zeigt, wie eine Interferenz - auf Grund des zum Zeitpunkt des Einsetzens der Dolmetscherin noch nicht klaren Kontexts - entstand, wobei die Dolmetscherin hier recorrer mit „ bereisen “ übersetzte, obwohl es in diesem Zusammenhang nicht um Reisen ging, sondern darum, dass die Frauen im Zuge des Projekts auch die entlegensten Gebiete des Landes „ aufsuchen “ , um armen und benachteiligten Menschen zu helfen. .. 551 [14: 16.0] 552 [14: 18.0] 553 [14: 19.2] 554 [14: 20.8] OR [v] situación de pobreza y de vul nerabilidad. ((1,6s)) Con la FH0751 [v] ((2,0s)) ältere Erwachs ene, die in Armut leben. ((3,1s)) .. 555 [14: 22.0] 556 [14: 24.0] 557 [14: 26.0] 558 [14: 28.0] OR [v] misión “ Las Manuelas ” miles de mujere s brigadistas recorre n cada rincón de FH0751 [v] Mit “ Las Manuelas ” haben viele Frauen .. 559 [14: 28.9] 560 [14: 30.0] 561 [14: 31.1] 562 [14: 32.0] 563 [14: 34.0] OR [v] Ecuador, no sólo las grandes ciuda des Quito, Guayaqui l o Cuenca, FH0751 [v] ((2,2s)) angefangen, jede Ecke des Landes zu bereisen. Es reicht .. 564 [14: 36.0] 565 [14: 38.0] OR [v] sino también las zonas ru rales y más aisla FH0751 [v] nicht Quito, Guayaquil oder Cuenta zu bereisen, sondern es ist au ch wichtig, die .. 566 [14: 40.0] 567 [14: 42.0] OR [v] das del país, a tendiendo a las personas con dis FH0751 [v] ländlichen Re gionen und die isoliertesten R egionen des Landes zu bereisen. Zusätzlich zu den konkreten dolmetschprozeduralen Herausforderungen stellen polyseme Lexeme auch dann, wenn der Kontext bekannt ist, eine Schwierig- 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten 229 <?page no="230"?> keit dar, da die korrekte Entsprechung ausgewählt und die fälschlicherweise mitaktivierten Items unterdrückt werden müssen und das innerhalb von kurzer Zeit. In vielen Fällen liegt die Ursache für die Interferenz dann nicht im fehlenden Kontext, sondern in einer mangelhaften Unterdrückung bzw. in einem Nicht-Erkennen des Kontrastes, was vor allem problematisch ist, wenn nur geringe Kontraste vorliegen, entweder durch mehrere formähnliche Äquivalente (zum Beispiel prever kann im Deutschen in der Bedeutung „ voraussehen “ , aber auch in der Bedeutung „ vorsehen “ vorkommen) oder auch durch konzeptuelle Ähnlichkeiten der möglichen Entsprechung, zum Beispiel wenn es um Konnotationsunterschiede geht. Ein Beispiel dafür ist in nachfolgendem Auszug aus einer Verdolmetschung zu sehen, wo eine Interferenz durch eine unterschiedliche Konnotation der gewählten Entsprechung in der Zielsprache entstand. 669 [16: 42.0] 670 [16: 44.0] 671 [16: 46.0] 672 [16: 48.0] OR [v] gió para atender in tegralmente a los po bres y excluidos de la Patria. MA1928 [v] dorianische Volk, mich gewählt hat, um ((2,0s)) die .. 673 [16: 48.6] 674 [16: 50.5] 675 [16: 52.0] OR [v] ((1,9s)) Nos gratifica aque llo, porque una MA1928 [v] Ärmsten und Ausgegrenzten des Vaterlandes zu unterstützen. ((1,5s)) Dies Patria kann im Deutschen zwar in der Bedeutung von „ Vaterland “ verwendet werden und ist auch stark durch die formähnliche Entsprechung „ patriotisch “ damit assoziiert. Allerdings ist die Konnotation von „ Vaterland “ sehr viel stärker als jene von patria und es würde nicht in diesem Kontext, wo es um die „ Ärmsten und Ausgegrenzten des Landes “ geht, vorkommen. Im Spanischen wird patria sehr viel häufiger, vor allem auch in politischen Reden verwendet, aber entspricht dann oft einer neutraleren Formulierung im Deutschen, wie es auch hier der Fall wäre, wo zum Bespiel „ unseres Landes “ eine gute Entsprechung wäre. Die Dolmetscherin hat in diesem Fall diesen Kontrast nicht erkannt, wobei hier nicht der fehlende Kontext ursächlich für die Interferenz sein kann, da es sich um das Satzende handelt, wo bereits der Inhalt des Satzes vollständig vom Originalredner artikuliert worden war. Ebenso wie falsche Freunde haben sich polyseme Lexeme als sprachstrukturelle Besonderheit mit besonderem Interferenzpotential bestätigt und stellen sowohl für Studenten als auch für professionelle Dolmetscher eine Herausforderung beim Simultandolmetschen dar. Die mitaktivierten Bedeutungen erfordern ebenso wie die fälschlich aktivierten Items bei den falschen Freunden eine erhöhte Kapazität, um die richtige Entsprechung auszuwählen und die 230 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="231"?> andere(n) Entsprechung(en) zu unterdrücken. Zusätzlich kommt bei polysemen Lexemen noch teilweise die Schwierigkeit hinzu, dass die korrekte Entsprechung erst im Kontext zu erkennen ist, wobei im Simultandolmetschprozess der Dolmetscher zunächst bei einem unvollständigen Inhalt beginnen muss. Insgesamt machen polyseme Lexeme einen ähnlichen Anteil an den lexikalischen Interferenzen wie falsche Freunde, mit etwas mehr als 25 %, aus. Diesbezüglich ist aber noch zu erwähnen, dass sich bei polysemen Lexemen die Abgrenzung von anderen Kategorien teilweise als schwierig erwies und es zu Überschneidungen kam, wie bereits bei partiellen falschen Freunden ersichtlich wird, die in der Auswertung nicht zu Polysemien gezählt wurden. Gleiches gilt für polyseme Lexeme, die innerhalb von fixierten oder halb-fixierten Verbindungen vorkamen, die dann speziell in diesem Kontext zu Interferenzen führten. Die Interferenzanfälligkeit von fixierten und halb-fixierten Verbindungen sowie Verbindungen mit eingeschränkter Kombinatorik, die ausgehend von den theoretischen Grundlagen bereits erwartet wurde, konnte, anhand der in der Rede enthaltenen Kollokationen, Verbalperiphrasen und Phraseologismen im weitesten Sinne, überprüft und bestätigt werden. 95 % der in der Rede eingebauten und markierten Schwierigkeitsstellen in diesem Bereich (in absoluten Zahlen 19 der 21 vorab identifizierten Strukturen) waren zumindest einmal von einer Interferenz betroffen. An dieser Stelle ist aber noch wichtig zu erwähnen, dass es vor allem bei Kollokationen sehr schwierig ist, vorauszusehen, wie der Dolmetscher die Stelle übertragen wird und diese auch nur in einigen wenigen Fällen im Vorhinein als konkrete Stellen gekennzeichnet wurden - denn es ist möglich, dass eine Kollokation verwendet wird, obwohl im Original keine vorkommt oder obwohl im Deutschen keine zwingend notwendig wäre, aber auch umgekehrt, dass eine erwartete Kollokation mit einer anderen Entsprechung gedolmetscht wird. Fixierte und halb-fixierte Verbindungen führten vor allem bei geringen Kontrasten zu Schwierigkeiten bei der Loslösung vom Original, aber auch sehr starke bildliche Phraseologismen, bei denen die deutsche Entsprechung wenig Ähnlichkeiten mit dem Original hat, hatten häufig Interferenzen durch eine wörtliche Übertragung zur Folge. In nachfolgenden Beispielen werden einige der unterschiedlichen betroffenen Strukturen, die eine gewisse Fixiertheit bzw. eingeschränkte Kombinatorik aufweisen, behandelt. Bei Kollokationen waren ausschließlich solche betroffen, bei denen ein Teil der Konstruktion wörtlich übernommen werden konnte, aber beim anderen Teil Kontraste auftraten. In nachfolgendem Auszug aus einer Verdolmetschung findet, zum Beispiel, eine Kombinatorik von zwei Elementen statt, die so im Deutschen nicht verwendet werden, obwohl „ generieren “ in der Bedeutung von ‚ schaffen ‘ in Kombination mit anderen Substantiven, wie zum Beispiel „ Wohlstand “ , sehr wohl verwendet werden kann. 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten 231 <?page no="232"?> .. 928 [22: 16.0] 929 [22: 17.4] 930 [22: 18.7] 931 [22: 20.0] 932 [22: 22.0] OR [v] generaba desconfianza. ((1,3s)) Un sistema de intolerancia, de EB4081 [v] eine Regierung, die Misstrauen generierte. Ein System von Intoleran z, Verbalperiphrasen führten in den Verdolmetschungen nicht häufig, aber immerhin doch in manchen Fällen zu Interferenzen, wobei hier noch darauf hingewiesen werden muss, dass auch nicht sehr viele in der Rede vorkamen. Diesbezüglich konnte beobachtet werden, dass ausschließlich Studenten Schwierigkeiten mit diesem Aspekt hatten, und zwar nur bei der Übertragung der Periphrase convertirse en, wobei sie hier wörtlich übersetzten, wie in folgendem Beispiel ersichtlich wird. .. 928 [21: 50.6] 929 [21: 52.0] 930 [21: 54.0] 931 [21: 56.0] OR [v] de ello ocurr ió en septiembre de 2018, cuando Ecuador LV0510 [v] ((1,3s)) Die letzte … der letzte Beweis dafür war im Septem ber 2018, als E .. 932 [21: 58.0] 933 [22: 00.0] 934 [22: 02.0] OR [v] se convir tió en el quinto país del mundo en ratificar los 18 instrume LV0510 [v] cuador sich ins fünfte Land auf der ganzen We lt verwandelte, Phraseologismen bergen einerseits ein Interferenzpotential, wenn eine große Ähnlichkeit mit geringen Kontrasten besteht, wie es bei tener la piel dura mit der deutschen Entsprechung „ eine dicke Haut haben “ der Fall ist. Andererseits kamen Interferenzen aber auch bei größeren Kontrasten, wo jedoch sehr bildhafte Sprache verwendet wird und diese Assoziationen schwierig zu unterdrücken bzw. die korrekte Entsprechung schwierig zu aktivieren ist, wie anhand von piel de cocodrilo, wo im Deutschen von „ Elefantenhaut “ gesprochen wird, ersichtlich wird. Die Schwierigkeiten, sich bei Phraseologismen von der Originalstruktur zu lösen, konnten sowohl bei den Experten als auch den Studenten beobachtet werden und auch die Interferenz bei der in nachfolgendem Beispiel dargestellten Struktur konnte in beiden Gruppen mehrfach beobachtet werden. .. 751 [18: 38.0] 752 [18: 40.0] 753 [18: 42.0] OR [v] goberna ntes deben aprender a tener la piel dura. La piel de coco HL7359 [v] ((2,0s)) Jeder Teil der Regierung muss lernen, eine har 754 [18: 44.0] 755 [18: 46.0] 756 [18: 48.0] 757 [18: 50.0] OR [v] drilo, para rep eler los ataques de mise ria humana que debemos soportar. HL7359 [v] te, eine Krokodil shaut zu haben, ((3,7s)) um 232 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="233"?> Besonders interessant ist auch ein Blick auf den Phraseologismus in nachfolgendem Beispiel, da hier sehr viele der Probanden Schwierigkeiten hatten, sich vom Spanischen zu lösen und nur wenige die deutsche Entsprechung „ aus demselben Holz geschnitzt “ abrufen konnten. .. 1272 [30: 28.0] 1273 [30: 28.8] 1274 [30: 30.0] OR [v] mu y sencilla: ((1,2s)) Estamos hechos de MV2529 [v] versuchen gemeinsam, uns ere Ziele zu erreichen, aus einem ganz einfachen .. 1275 [30: 32.0] 1276 [30: 32.9] 1277 [30: 34.0] 1278 [30: 36.0] 1279 [30: 37.2] OR [v] l mismo barro continental, del mismo barro humano. ((1,6s)) MV2529 [v] Grund: ((1,0s)) Wir sind aus dem gleichen ((1,3s)) Lehm, 1280 [30: 38.9] 1281 [30: 40.0] 1282 [30: 42.4] OR [v] Muchas gracias. ((2,5s)) Lenin Moreno Garcés MV2529 [v] aus demselben Menschenton geschaffen. Vie len Dank für Ihre Viele Probanden blieben hier am spanischen Bild „ Lehm “ , „ Ton “ bzw. der „ Erde “ hängen, wobei anzunehmen ist, dass eine Aktivierung der deutschen Entsprechung durch das starke Bild sehr schwierig ist und höchstwahrscheinlich auch selten in Verdolmetschungen benötigt wird, was wiederum den Abruf erschwert. Interessant ist auch der Einblick in die Verarbeitung dieser Struktur, den eine Dolmetscherin in der retrospektiven Einschätzung zu Selbstkorrekturen gab (vgl. Kapitel 7.6), da sie eine starke Assoziation des Bildes „ Lehm “ oder „ Erde “ mit Lateinamerika sah und sich erst, als sie den Phraseologismus wörtlich übersetzte, bewusstwurde, dass diese Entsprechung im Deutschen nicht sehr idiomatisch ist und „ aus demselben Holz geschnitzt “ die bessere Lösung gewesen wäre. Bei der Verdolmetschung dieses Phraseologismus ist ebenfalls sehr spannend, wie sich manche Dolmetscher mehr vom spanischen Original lösten als andere, jedoch trotzdem im Abruf der deutschen Entsprechung blockiert waren. Hier ist eine gewisse strategische Komponente erkennbar. Die Dolmetscher scheinen sich diesbezüglich, wie in nachfolgendem Beispiel ersichtlich wird, zwar bewusst gewesen zu sein, dass barro im Deutschen in der wörtlichen Entsprechung nicht verwendet wird, wichen aber auf ein allgemeines Substantiv, wie zum Beispiel „ Material “ aus, wobei das Verb teilweise wörtlich mit „ gemacht “ , teilweise mit „ geschaffen “ und in einem Fall sogar mit „ geschnitzt “ wiedergegeben wurde. In diesen Fällen ist die Beeinflussung der Ausgangsstruktur in unterschiedlichem Grad ersichtlich, und zwar indirekt auf Grund der Strategie der Generalisierung und des Ausweichens auf ein allgemeineres 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten 233 <?page no="234"?> Lexem durch die Blockierung der korrekten deutschen Entsprechung „ aus demselben Holz geschnitzt “ . .. 1311 [30: 32.0] 1312 [30: 33.5] 1313 [30: 34.0] 1314 [30: 36.0] 1315 [30: 37.2] OR [v] de l mismo barro continental, del mismo barro humano. ((1,6s)) MS2021 [v] Wir sind alle aus demselben Material geschaffen, wir 1316 [30: 38.9] 1317 [30: 40.0] 1318 [30: 42.4] 1319 [30: 43.6] 1320 [30: 44.0] 1321 [30: 44.9] OR [v] Muchas gracias. ((2,5s)) Lenin Moreno Garcés, presidente con MS2021 [v] sind alle Menschen dieser Erde. ((1,2s)) Vielen Dank. ((5,0s)) Insgesamt waren fixierte und halb-fixierte Verbindungen in etwa gleich häufig wie falsche Freunde und polyseme Lexeme von Interferenzen betroffen und machen ebenfalls gerundet ca. 25 % der lexikalischen Interferenzen aus. Einen weiteren Punkt im Bereich der Lexik mit Interferenzpotential, der im empirischen Experiment ebenso bestätigt werden konnte, stellen Komposita dar. Komposita waren im lexikalischen Bereich nicht so häufig von Interferenzen betroffen wie andere Strukturen, was aber auch damit zusammenhängen kann, dass ausschließlich Komposita mit geringen lexikalischen Kontrasten von Interferenzen betroffen waren, weshalb es auch nicht so viele davon in der Originalrede gab. Alle im empirischen Experiment ermittelten Interferenzen kamen bei einem der Komposita vor, die im Vorfeld als problematisch in der Rede gekennzeichnet wurden - es gab also keine weiteren, nicht vorab identifizierten Komposita, die Probleme im lexikalischen Bereich bereitet haben. Insgesamt waren 72 % der vorab identifizierten Komposita (in absoluten Zahlen 5 von 7) von Interferenzen betroffen. Im untenstehenden Beispiel wird aufgezeigt, wie eine Dolmetscherin zunächst eine lexikalische Interferenz durch wörtliche Übersetzung eines Teils des Kompositums libertad de expresión (dt. ‚ Meinungsfreiheit ‘ ) mit „ *Ausdrucks …“ produziert, diese dann aber auf die korrekte Entsprechung im Deutschen ausbessert. 140 [03: 44.0] 141 [03: 46.0] 142 [03: 48.0] OR [v] to de quebrarlos y anula rlos definitivamente de la lib ertad de expresión. MS1030 [v] Es wurde versucht, ihnen den Mund zu verbieten .. 143 [03: 50.0] 144 [03: 52.0] 145 [03: 54.0] 146 [03: 56.0] OR [v] Nuestro gobierno act úa con profundo resp eto a la opinión ajena y a la MS1030 [v] und ihre Ausdrucks … äh ihre Meinungsfreiheit einzuschränken. ((7,1s 234 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="235"?> Bei Komposita konnte auch häufig beim Auftreten von lexikalischen Interferenzen beobachtet werden, dass gleichzeitig morphosyntaktisch ebenfalls die Ausgangsstruktur übernommen wurde, wie es in nachfolgendem Beispiel gut illustriert wird, wo statt der korrekten Entsprechung ‚ Finanzorganisationen ‘ sowohl lexikalisch das spanische Lexem organismos wörtlich übertragen wurde als auch morphologisch die Adjektivkonstruktion mit financieros. 476 [11: 42.0] 477 [11: 44.0] 478 [11: 46.0] 479 [11: 48.0] OR [v] Hoy, el mundo nos mira con otros ojos, y los organismos fi nancieros EB4081 [v] seitens des Volkes. Heute sieht uns die Welt mit anderen Augen an und die .. 480 [11: 50.0] 481 [11: 50.8] 482 [11: 52.0] 483 [11: 53.1] OR [v] internacionales han vuelto a confia r en Ecuador. ((0,8s)) EB4081 [v] finanziellen Organismen ((0,9s)) der ganzen Welt ((1,2s)) haben aufs Neue Morphosyntaktische und lexikalische Interferenzen traten bei Komposita teilweise gemeinsam und teilweise getrennt voneinander auf, wobei morphosyntaktische Interferenzen gesondert im Kapitel 7.4.3 behandelt werden. Im lexikalischen Bereich konnte in Bezug auf Interferenzen noch beobachtet werden, dass es vor allem bei Eigennamen häufig zu einer wörtlichen Übernahme des spanischen Originals mit oder ohne Anpassung an zielsprachliche Elemente kam. Ein Beispiel wäre folgendes: La Habana wurde zum Teil wörtlich ins Deutsche übernommen, obwohl die Entsprechung „ Havanna “ sowohl lexikalisch als auch phonetisch unterschiedlich ist, teilweise wurde das Lexem jedoch phonetisch an die deutsche Aussprache angepasst, aber die lexikalische Einheit übernommen, was dann die Mischform „ La Havanna “ ergab. In einigen wenigen Fällen übernahmen die Dolmetscher auch ein spanisches Lexem in ihrer Verdolmetschung, ohne dass es sich um einen Eigennamen handelte, wobei dabei entweder das spanische Original ohne Anpassung durch eine ungewollte Aktivierung des spanischen Outputs artikuliert wurde, wie es einem Dolmetscher mit libertad ging, wo er zunächst kurz ins Spanische wechselte, um sich anschließend auf „ Freiheit “ auszubessern, oder es wurde das spanische Original morphologisch und phonetisch ans Deutsche angepasst und es kam somit zu einer Wortneuschöpfung, wie in untenstehendem Beispiel ersichtlich wird. .. 678 [16: 36.0] 679 [16: 36.3] 680 [16: 37.5] 681 [16: 38.0] 682 [16: 40.0] OR [v] y accesibilid ad. ((1,2s)) Y cre o que fue por eso que el pueblo ecuatoriano EB4081 [v] seinem äh m Gesandten für … gegen … für Acc … Akzesibilität und 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten 235 <?page no="236"?> Eine Stelle, an der im Spanischen ein Wortspiel mit gobierno vs. desgobierno gemacht wird, bereitete ebenfalls vielen Dolmetschern Schwierigkeiten, wobei einige sich für eine wörtliche Übersetzung entschieden, was im Deutschen jedoch zu einem Interferenzfehler in Form von den Wortneuschöpfungen „ Unregierung “ , „ Anti-Regierung “ oder „ Nicht-Regierung “ führte. Hier kann auf Grund der fehlenden Entsprechung im Deutschen für desgobierno davon ausgegangen werden, dass es sich bis zu einem gewissen Grad um eine Strategie handelte, die jedoch als Endresultat nicht ganz geglückt ist und eine Interferenz zur Folge hatte. Möglich wäre hier zum Beispiel gewesen eine Verdolmetschung mit Missregierung (als Anspielung an Misswirtschaft) oder eine neutralere Formulierung oder Zusammenfassung, auf die einige Dolmetscher auswichen. Zuletzt lohnt es sich noch, in Bezug auf lexikalische Interferenzen einen Blick auf die Übersetzung von Zahlen zu werfen. Zwar wurden einige Zahlen im Vorhinein als falsche Freunde identifiziert (z. B. millares de vs. tausende) und somit eine erhöhte Interferenzgefahr für diese vorausgesehen, aber Zahlen führten auch noch zu weiteren lexikalischen Schwierigkeiten. Insgesamt waren Zahlen 20-mal von Interferenzen betroffen (vgl. auch Kapitel 7.5), weshalb es von Interesse ist, welche Strukturen dabei, zusätzlich zu den inhaltlichen Problemen, aus linguistischer Perspektive problematisch sind. Dabei konnte festgestellt werden, dass ausnahmslos folgende 3 Punkte zu lexikalischen Interferenzen bei Zahlen führten: • die Kontraste bei gleichzeitiger Formähnlichkeit bei millares de, aber teilweise auch bei mil bzw. miles de, wobei an diesen Stellen häufig die formähnlicheren Entsprechungen „ Millionen “ oder „ Milliarden “ im Deutschen aktiviert wurden; • das spanische Lexem mil millones, für das im Deutschen die Entsprechung „ Milliarden “ steht; • der Kontrast in der linearen Abfolge bei der Artikulation der Zahlen: z. B. cincuenta y tres vs. dreiundfünfzig. In nachfolgender Tabelle werden abschließend zur Übersicht alle Strukturen, die zumindest einmal von lexikalischen Interferenzen betroffen waren, angeführt sowie die jeweilige Interferenzhäufigkeit bei der Studentengruppe und der Gruppe der professionellen Dolmetscher angeführt. Wie bei der Quantifizierung der Interferenzen wurden auch hier Wiederholungen desselben Interferenzfehlers innerhalb einer Verdolmetschung nicht mitgezählt - Wiederholungen sind jedoch in den Transkripten unter jeder Verdolmetschung inklusive der Anzahl vermerkt. 236 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="237"?> Lexikalische Interferenzen: Übersicht der betroffenen Strukturen Struktur in der Ausgangsrede Anzahl bei Studenten Anzahl bei professionellen Dolmetschern abrir las puertas a 9 10 accesibilidad 3 2 acto 1 0 actuar 2 0 ADN 0 1 ambicioso 1 0 ambiente 4 2 atrás quedó 5 4 autoridad 3 5 bienestar 2 2 bonos de desarrollo 0 5 buscar 0 1 campaña 1 0 caracterizarse por 2 1 carta 3 0 cita 0 1 compromiso 2 1 concurrencia 3 1 condiciones 1 1 convertirse en 2 0 creer 0 1 desafortunado 1 5 desarrollo integral 1 0 descubrir 4 6 desde adentro 0 1 desgobierno 6 7 digno 1 1 director 6 6 dirigente 0 1 discriminación 3 0 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten 237 <?page no="238"?> Lexikalische Interferenzen: Übersicht der betroffenen Strukturen Struktur in der Ausgangsrede Anzahl bei Studenten Anzahl bei professionellen Dolmetschern doctor 0 1 dueño 0 1 duplicar 1 1 en casa 1 0 encaminado 1 0 encarcelar 1 0 encontrar 8 2 enriquecimiento 0 1 enviado especial 0 1 escenario 1 3 escuela (de Medicina) 3 3 estamos hechos del mismo barro continental, del mismo barro humano 8 8 generar desconfianza 1 0 graduarse 0 1 hacer un poco de historia 1 0 hasta el momento 1 0 hasta que Dios decide cerrarnos los ojos 1 4 hermanos 1 2 hipotecar (el futuro) 0 1 índice 2 0 justicia 2 0 La Habana 6 2 libertad de expresión 1 0 mandante 4 2 mandatario 0 1 manifestarse 1 0 mantenerse con el oído al piso 1 0 marca 3 3 238 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="239"?> Lexikalische Interferenzen: Übersicht der betroffenen Strukturen Struktur in der Ausgangsrede Anzahl bei Studenten Anzahl bei professionellen Dolmetschern mientras que 1 0 mil millones 3 3 miles/ millares de 2 1 Naciones Unidas 1 0 nos tomó tiempo 0 1 obra 1 3 obras faraónicas 1 7 OEA 7 6 ONU 1 0 orgánicamente 1 3 organismos financieros 3 1 países hermanos 0 1 partes del mundo 0 1 patear la pelota para adelante 0 2 Patria 0 1 per cápita 1 2 prever 0 1 principales necesidades 3 0 privilegiar 1 4 propósito de enmienda 1 2 pueblo 1 0 punto (bei Zahlen, z. B.: 2,5) 0 1 quebrar 1 1 recorrer 1 1 resulta difícil de creer 0 1 sin costo 1 1 tener la piel de cocodrilo 4 7 tener la piel dura 2 1 triplicar 0 3 un sueño puede ser posible 5 6 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten 239 <?page no="240"?> Lexikalische Interferenzen: Übersicht der betroffenen Strukturen Struktur in der Ausgangsrede Anzahl bei Studenten Anzahl bei professionellen Dolmetschern una guerra sin tregua 0 2 vulnerable 4 4 Struktur von Zahlen (z. B. 53 vs. 35) 1 2 wörtliche Übernahme des spanischen Lexems ohne Anpassung (Aktivierung des spanischen Outputs) 0 1 Tabelle 13: Lexikalische Interferenzen: Übersicht der betroffenen Strukturen 7.4.2 Phonetik Der phonetische Bereich war mit ca. 9 % der gesamten ermittelten Interferenzen insgesamt eher seltener von Interferenzen betroffen, aber auch hier konnten die zuvor identifizierten sprachstrukturellen Besonderheiten im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch sowie die konkreten in der Rede enthaltenen Strukturen, die als besonders anfällig für phonetische Interferenzen erachtet wurden, bestätigt werden. Interferenzpotential im phonetischen Bereich bergen, zumindest beim Dolmetschen in die A-Sprache, fast ausschließlich formähnliche Lexeme in den beiden Sprachen, wobei gehäuft Eigennamen, darunter vor allem auch spanische geographische Namen betroffen waren. Dabei kam es teilweise zu einer vollständigen Übernahme der Aussprache und teilweise zu einer Übertragung von einzelnen Lauten oder dem Wortakzent vom Spanischen in der deutschen Verdolmetschung. Von den vorab identifizierten Schwierigkeitsstellen mit Interferenzpotential im phonetischen Bereich waren 61 % (in absoluten Zahlen 11 der 18 vorab gekennzeichneten Strukturen in der Rede) zumindest einmal von einer Interferenz betroffen und es kam nur einmal zu einer phonetischen Interferenz bei einem zusätzlichen Lexem, wobei in diesem Fall zwischen dem deutschen und dem spanischen Lexem keine Formähnlichkeit vorlag, sondern nur die Aussprache des spanischen Lautes [ ɾ ] im Deutschen übernommen wurde. In nachfolgendem Auszug aus einer Verdolmetschung wird aufgezeigt, wie es bei einer Verdolmetschung im Falle der Aussprache des Lexems Ecuador zu einer vollständigen Übernahme aus dem Spanischen kam. Länder- und Ortsnamen, wie Venezuela, Ecuador oder La Habana, waren besonders häufig von phonetischen Interferenzen betroffen. 240 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="241"?> 488 [11: 49.2] 489 [11: 50.0] 490 [11: 52.0] 491 [11: 53.1] 492 [11: 54.0] OR [v] internacionales han vuelto a confia r en Ecuador. ((0,8s)) Ahora hemos CA3851 [v] Und die internationalen Finanzin stitutionen vertrauen Ecua dor[ekwaðo ɾ ] Neben formähnlichen Eigennamen, darunter vor allem spanische Orts- und Ländernamen, sind jedoch auch alle anderen Lexeme, die eine große Formähnlichkeit mit geringen Kontrasten aufweisen, besonders interferenzanfällig. Ein Beispiel hierfür ist der geringe Kontrast bei der Aussprache der deutschen Entsprechung „ Doktor “ [ ˈ d ɔ k.to ːɐ ] für das spanische Ausgangslexem doctor [dok. ˈ to ɾ ], was bei einigen Dolmetschern, wie in nachfolgendem Ausschnitt einer Verdolmetschung, zu einer phonetischen Interferenz führte. .. 632 [16: 22.0] 633 [16: 24.0] 634 [16: 26.0] 635 [16: 28.0] OR [v] e por esa misión que el Dr. Ban Ki Moon, entonces FH0751 [v] Diskriminierung gekämpft. Das war 2011. Dr.[dok. ˈ to ɾ ] Ban Ki Moon hat … Nicht immer wurde, wie in vorangehendem Beispiel, die Aussprache vollständig übernommen, sondern häufig kam es zur Übertragung einzelner Laute unter Anpassung der Aussprache des restlichen Lexems an die zielsprachlichen Konventionen. Dies kann an nachfolgendem Beispiel demonstriert werden, wo das stimmlose [t] des spanischen Ausgangslexems ecuatoriano im Deutschen übernommen wurde, obwohl hier ein stimmhaftes [d] in „ ecuadorianisch “ korrekt wäre. 22 [00: 36.0] 23 [00: 38.0] 24 [00: 40.0] OR [v] que privilegia el diálogo. El gobierno ecuatoriano ha establecido el diáologo TS4972 [v] ten, der OAS, denn diese Organisati on fördert den Dialog. .. 25 [00: 42.0] 26 [00: 44.0] OR [v] como el mejor mecanismo para el acercamien to de ideas, de sueños, TS4972 [v] Die ecuad[t]orianische Regierung hat den D ialog zum besten Mechanismus Bei formähnlichen Lexemen, die jedoch einen unterschiedlichen Wortakzent aufweisen, wurde manchmal, im Gegensatz zum Beispiel weiter oben mit der Übersetzung von doctor, wo es zu einer vollständigen Übernahme der spanischen Aussprache kam, nur der Wortakzent auf die deutsche Entsprechung übertragen, jedoch unter gleichzeitiger korrekter Aussprache des Wortes laut den zielsprachlichen Normen. Dies kann in folgendem Auszug aus einer Verdolmetschung anhand der Übertragung des Wortakzents von director, der im Spanischen auf der letzten Silbe (Ultima) liegt, in der deutschen Entsprechung „ Direktor “ , wo der Wortakzent korrekterweise auf der vorletzten Silbe (Pänultima) liegen würde, demonstriert werden. 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten 241 <?page no="242"?> .. 812 [19: 48.0] 813 [19: 48.5] 814 [19: 49.3] 815 [19: 50.0] 816 [19: 51.5] 817 [19: 52.0] OR [v] carcaja das. ((0,9s)) Y el directo r le dijo: “ ¿No le preocupa que AL2709 [v] war, hat der Präside nt lauthals gelacht. ((1,6s)) Und der .. 818 [19: 54.0] OR [v] nos riamo s de usted? ” AL2709 [v] Direktor[di.r ɛ k. ˈ to ːɐ ] sagte zu ihm: “ Machen Sie sich da keine Sorgen, dass wir uns Eine phonetische Besonderheit im Sprachvergleich zwischen dem Spanischen und dem Deutschen ist die Unterscheidung von kurzen und langen Vokalen in der deutschen Phonetik, wohingegen im Spanischen keine Längung von Vokalen vorkommt. Dieser Unterschied konnte bereits in einem Experiment zu Interferenzen beim Simultandolmetschen vom Deutschen ins Rumänische als interferenzbegünstigend bei ansonsten formähnlichen Lexemen ermittelt werden (vgl. Ș erban 2018). In vorliegendem Experiment konnte ebenfalls bestätigt werden, dass, wenn auch in seltenen Fällen bei formähnlichen Wörtern, der kurze Vokal vom Spanischen in der deutschen Aussprache übernommen wurde, wie in nachfolgendem Beispiel am Lexem plan [plan], das im Deutschen die Entsprechung Plan [pla ː n] hätte, gezeigt werden kann. .. 408 [10: 34.0] 409 [10: 35.1] 410 [10: 36.0] 411 [10: 36.5] 412 [10: 38.0] OR [v] desarrollo so stenible de Naciones Unidas. ((1,4s)) Ese plan tiene programa MS1030 [v] Vida ” ((1,2s)) eingeführt ((2,0s)) ein nationaler .. 413 [10: 40.0] 414 [10: 42.0] 415 [10: 42.5] 416 [10: 44.0] OR [v] s y misiones que buscan el bienestar de los ecua torianos MS1030 [v] Entwicklungspla n. Dieser Plan[plan] hat ((1,4s)) ein Interferenzen im phonetischen Bereich wurden fast ausschließlich bei Formähnlichkeit mit geringen Kontrasten beobachtet. Sehr selten kam es jedoch vor, dass die Phonetik der Ausgangssprache bei zielsprachlichen Ausdrücken aktiviert wurde, obwohl keine Formähnlichkeit vorlag. In nachfolgendem Auszug aus einer Verdolmetschung kam es zum Beispiel zur spanischen Aussprache des <r> in „ Grund “ in Form des alveolaren Taps [ ɾ ], was jedoch von der Dolmetscherin bemerkt und gleich korrigiert wurde. 1234 [30: 30.0] 1235 [30: 32.0] OR [v] Estamos hechos de l mismo barro continental, del CB2023 [v] Das hat einen ganz einfachen Gr[ ɾ ]u … Grund: ((2,0s)) In der 242 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="243"?> In nachfolgender Tabelle werden noch einmal überblicksartig alle von Interferenzen betroffenen Strukturen im phonetischen Bereich mit der jeweiligen Anzahl in der Studentengruppe und der Gruppe der professionellen Dolmetscher dargestellt. Phonetische Interferenzen: Übersicht der betroffenen Strukturen Struktur in der Ausgangsrede Anzahl bei Studenten Anzahl bei professionellen Dolmetschern análisis 1 0 carta 1 0 cocodrilo 1 1 crisis 1 2 crítica/ críticas 5 5 director 1 1 doctor 1 0 Ecuador 3 5 ecuatoriano 6 7 indicador 0 1 La Habana 1 0 marzo 1 0 miseria 1 0 PIB 1 1 plan 1 0 poeta 0 1 política 0 1 recursos 0 1 Venezuela 4 4 Übernahme der Aussprache eines spanischen Lautes im Deutschen ohne Formähnlichkeit zwischen den beiden Lexemen 0 1 Tabelle 14: Phonetische Interferenzen: Übersicht der betroffenen Strukturen Die im Vergleich zu anderen Interferenzkategorien eher geringe Anzahl an phonetischen Interferenzen kann unter anderem auch darauf zurückgehen, dass 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten 243 <?page no="244"?> ausschließlich formähnliche Wörter betroffen sind, was wiederum die Möglichkeiten für Interferenzen in dieser Kategorie beschränkt. Gerade in diesem Bereich wäre deshalb ein Vergleich zwischen unterschiedlichen Sprachenpaaren interessant, da anzunehmen ist, dass zwischen zwei Sprachen mit einer höheren Dichte an formähnlichen Wörtern, wie zum Beispiel zwischen zwei romanischen Sprachen, der Anteil an phonetischen Interferenzen in den Verdolmetschungen höher ist. Aber auch die Art der Rede dürfte einen Einfluss auf die Interferenzhäufigkeit im phonetischen Bereich haben, da im Experiment beobachtet werden konnte, dass vor allem Eigennamen mit geringen Kontrasten in den beiden Sprachen von phonetischen Interferenzen betroffen sind. Bezüglich Fachterminologie können auf Grund des geringen Fachlichkeitsgrades der Rede keine Rückschlüsse gezogen werden, aber da je nach Fachgebiet die Terminologie in diesen Bereichen oft eine höhere Formähnlichkeit aufweist, wären in einigen Bereichen vermehrt phonetische Interferenzen zu erwarten. Dieser Themenbereich birgt folglich ebenfalls noch interessantes Forschungspotential hinsichtlich unterschiedlicher Sprachkombinationen, aber auch bezüglich unterschiedlicher Reden bzw. einem unterschiedlichen Fachlichkeitsgrad der Reden. 7.4.3 Morphosyntax Morphosyntaktische Interferenzen waren insgesamt und auch in der Gruppe der Studenten die zweithäufigste beobachtete Interferenzkategorie in den Verdolmetschungen. Bei den professionellen Dolmetschern hingegen kamen diese seltener vor und stehen erst an dritter Stelle nach den syntaktischen. Die zuvor ermittelten Schwierigkeitsstellen mit Interferenzpotential im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch sowie die dazugehörigen konkreten Problemstellen in der Rede konnten als besonders interferenzanfällig für morphosyntaktische Interferenzen ebenfalls bestätigt werden. Dabei wurde bereits im Vorfeld darauf hingewiesen, dass Kongruenzfehler, aber auch Fehler im Artikelgebrauch sehr stark von der gewählten zielsprachlichen Struktur in der jeweiligen Verdolmetschung abhängen und meistens nicht an bestimmte Schwierigkeitsstellen im Ausgangstext gekoppelt werden können. Die anderen ermittelten morphosyntaktischen Problemstellen hingegen können klarer in Zusammenhang mit konkreten Strukturen in der Ausgangsrede in Verbindung gebracht werden. Am häufigsten konnten insgesamt Interferenzen durch Kongruenzfehler (41-mal), bei Präpositionen (40-mal) und beim Artikelgebrauch (37-mal) beobachtet werden. Bei der Studentengruppe stellten Interferenzen beim Artikelgebrauch die zahlenmäßig größte Kategorie im morphosyntaktischen Bereich dar und kamen im Vergleich zur Gruppe der professionellen Dolmet- 244 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="245"?> scher dreimal so oft vor, in der hingegen Kongruenzfehler an erster Stelle standen. In den nachfolgenden Absätzen werden die einzelnen Strukturen, die im morphosyntaktischen Bereich von Interferenzen betroffen waren, noch detailliert und anhand von Auszügen aus den Verdolmetschungen besprochen. Komposita stellen auch aus morphosyntaktischer Perspektive eine Herausforderung dar, wenn geringe strukturelle Kontraste bestehen. Dabei kam es teilweise zu lexikalischen Interferenzen, teilweise zu morphosyntaktischen und öfters auch zu Konstruktionen, bei denen sowohl eine lexikalische als auch eine morphosyntaktische Interferenz in einem Kompositum vorkamen. In nachfolgendem Beispiel wurde genau so eine Konstruktion gebildet, bei der sowohl morphosyntaktisch als auch lexikalisch eine Beeinflussung vom spanischen Kompositum ersichtlich ist, was zu einem Normverstoß im Deutschen führt, wo die korrekte Entsprechung „ Sondergesandter “ wäre. .. 672 [16: 30.0] 673 [16: 32.0] 674 [16: 34.0] OR [v] la ONU, me nombró su enviado especial sobre discapacidad y AL2709 [v] äh ‿ sekretär der Vereinten Nat ionen war, mi ch als speziellen .. 675 [16: 36.0] 676 [16: 36.3] 677 [16: 37.5] 678 [16: 38.0] 679 [16: 39.1] OR [v] accesibilid ad. ((1,2s)) Y cre o que fue por eso que el AL2709 [v] Gesandten … äh seinen speziellen Gesandten ernannt hat ((1,2s)) und ich denke, Insgesamt kamen morphosyntaktische Interferenzen bei Komposita aber im Vergleich zu Präpositionen, Kontrasten im Artikelgebrauch und Kongruenzfehlern eher selten vor (6-mal), was jedoch auch damit zusammenhängt, dass es hier weniger Möglichkeiten gibt, da nur jene Komposita besonders interferenzanfällig sind, die strukturelle Kontraste bei gleichzeitiger Formähnlichkeit aufweisen und es folglich nur eine beschränkte Anzahl dieser Strukturen pro Rede gibt. Kontraste bei den Artikeln sowie ein unterschiedlicher Artikelgebrauch konnten ebenfalls als Interferenzauslöser für morphosyntaktische Interferenzen bestätigt werden. Hierbei ist vor allem auffällig, dass diese Strukturen hauptsächlich bei Studenten problematisch waren und vermehrt zu Interferenzen führten - insgesamt 28-mal bei den Studenten im Vergleich zu 9-mal bei den professionellen Dolmetschern. Bei unterschiedlichen Artikeln in den beiden Sprachen, wie in untenstehendem Beispiel, wurde von Studenten häufig der spanische Artikel übernommen, dieser dann aber gleich im Anschluss wieder korrigiert. 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten 245 <?page no="246"?> .. 450 [10: 54.0] 451 [10: 56.0] 452 [10: 57.0] 453 [10: 58.1] 454 [10: 58.6] OR [v] for ma holística en toda u na vida. ((1,7s)) Albert Einstein dec IZ9291 [v] ist. Das Allgemeinwohl ((2,2s)) und die L eben … das Leben der Bev Diese Art von Interferenzen kam bei professionellen Dolmetschern kaum vor, was darauf hinweist, dass es diesbezüglich Unterschiede in der Sprachverarbeitung bzw. dem Dolmetschprozess zwischen Studenten und professionellen Dolmetschern gibt. Eine mögliche Erklärung wäre eine kürzere Décalage bei den Studenten, die im Einklang mit den Erkenntnissen zum Arbeitsgedächtnis dazu führt, dass der genaue Wortlaut häufig noch in der phonologischen Schleife gespeichert ist. Es ist aber auch denkbar, dass bei den Experten durch die jahrelange Übung im Dolmetschen der Input vermehrt in chunks verarbeitet wird und bei Studenten häufiger die einzelnen Komponenten, wie Artikel und Substantiv, getrennt voneinander im Dolmetschprozess bearbeitet werden. Diese Hinweise bieten ebenfalls noch ein sehr interessantes Forschungsfeld zur morphosyntaktischen Verarbeitung, zu Interferenzen und dem Erfahrungsgrad von Dolmetschern. Zusätzlich zu unterschiedlichen Artikeln führten auch Kontraste bei der Artikelverwendung zu Interferenzen, wenn aufgrund einer Übertragung der Ausgangssprache Artikel nicht verwendet wurden, obwohl sie im Deutschen gebraucht werden, oder umgekehrt ein Artikel verwendet wurde, obwohl an dieser Stelle keiner vorgesehen wäre. Dies kann anhand des untenstehenden Auszugs einer Verdolmetschung an einem konkreten Beispiel gezeigt werden, wo im Deutschen ein indefiniter Artikel benötigt werden würde, während im Spanischen kein Artikel verwendet wird. .. 990 [23: 14.0] 991 [23: 14.9] 992 [23: 16.0] 993 [23: 18.0] 994 [23: 18.3] OR [v] dice que l os pueblos de América tie nen derecho a la democrac ia ((1,1s)) EK2764 [v] Die Demokratie charta besagt, dass die Völker Recht 995 [23: 19.4] 996 [23: 20.0] 997 [23: 22.0] OR [v] y que los go biernos estamos o bligados a promoverla EK2764 [v] auf Demokratie haben und dass die Regierung en dazu verpfli Einer der Bereiche der Morphosyntax, der am häufigsten von Interferenzen betroffen war, sind Präpositionen. Bei Kontrasten in den beiden Sprachen kann es hier im Dolmetschprozess zu einer Übertragung der Präposition aus der Ausgangssprache kommen, obwohl diese in der gewählten zielsprachlichen Formulierung nicht korrekt ist. Interferenzfehler bei Präpositionen kamen sowohl bei Studenten als auch bei professionellen Dolmetschern vor, wobei sie bei der Studentengruppe häufiger beobachtet werden konnten (24-mal im 246 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="247"?> Vergleich zu 16-mal). In nachfolgendem Auszug aus einer Verdolmetschung finden sich zwei Beispiele für Interferenzen durch eine direkte Übersetzung der ausgangssprachlichen Präposition im Spanischen. .. 93 [02: 14.0] 94 [02: 16.0] 95 [02: 17.6] 96 [02: 18.0] OR [v] ade ntro cuando tuve el ho nor de presidir el Comité Interamericano para la Eli IZ9291 [v] kommt zum Forum. ((1,7s)) Ich s elbst hatte die Ehre, das … 97 [02: 20.0] 98 [02: 22.0] 99 [02: 24.0] OR [v] minación de Todas las F ormas de Discriminación contra las Personas IZ9291 [v] den Interamerikanischen Ausschuss zu präsidieren, mit dem Ziel .. 100 [02: 26.0] 101 [02: 28.0] 102 [02: 29.5] 103 [02: 30.0] OR [v] con Discapacidad en el 2012. ((1,6s)) Ven go a esta cita IZ9291 [v] alle Art der Diskriminierung in 2012 auszumerz Im ersten Fall hat die Dolmetscherin die Präposition para nicht als Teil des Eigennamens „ Interamerikanisches Komitee für die Beseitigung der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung “ interpretiert, sondern als kausale Präposition mit der Bedeutung „ um zu “ / „ mit dem Ziel “ . Dadurch kam es jedoch durch die Konstruktion des Satzes zu einer Sinnveränderung, da es nicht das Ziel dieses Komitees war, jegliche Diskriminierung gegen Menschen mit Behinderung im Jahr 2012 auszumerzen. Bei der zweiten Interferenz in diesem Ausschnitt hat die Dolmetscherin die spanische Präposition en bei der Jahreszahl übertragen und mit „ in 2012 “ übersetzt, wo jedoch im Deutschen keine Präposition käme bzw. diese nur in der Verbindung „ im Jahr “ verwendet werden würde. Häufig waren auch Präpositionen, die mit bestimmten Verben in Verbindung stehen, von Interferenzen betroffen, wie zum Beispiel soñar con, wo in den Verdolmetschungen teilweise die spanische Präposition „ mit “ wörtlich übersetzt wurde, obwohl im Deutschen „ träumen von “ richtig wäre. Die zuvor ermittelten und in der Rede gekennzeichneten Schwierigkeitsstellen konnten als besonders interferenzbegünstigend bestätigt werden und Präpositionen stellten im Gegensatz zu Interferenzen bei Artikeln nicht nur bei den Dolmetschstudenten, sondern auch bei der Gruppe der professionellen Dolmetscher eine häufige Schwierigkeitsstelle dar. Kongruenzfehler, die auf eine Beeinflussung durch die Ausgangssprache zurückgehen, konnten insgesamt und in der Gruppe der professionellen Dolmetscher als häufigste Interferenzursache im morphosyntaktischen Bereich identifiziert waren. Diese Art von Interferenzen kam bei beiden Gruppen vor, allerdings minimal häufiger bei der Gruppe der professionellen Dolmetscher - 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten 247 <?page no="248"?> in absoluten Zahlen 18-mal bei den Studenten und 23-mal bei den professionellen Dolmetschern. Das vermehrte Auftreten von Kongruenzfehler durch Übereinstimmung mit Elementen des Ausgangstextes bei professionellen Dolmetschern ist wahrscheinlich auf eine größere Vollständigkeit und damit einhergehend eine vermehrte Übernahme der Satzstruktur der Ausgangsrede zurückzuführen. Interferenzen durch eine Kongruenz mit dem Ausgangstext haben ihre Ursache im Dolmetschprozess, wo auf Grund der beschränkten Speichermöglichkeiten des genauen Wortlauts der Dolmetscher häufig nicht mehr weiß, wie er den Satz begonnen hat, und folglich eine Übereinstimmung mit Kasus, Numerus oder Genus der neu einlaufenden Elemente der Ausgangsrede vornimmt. Dabei waren vor allem Satzkonstruktionen betroffen, in denen durch Schachtelsätze Verb und Substantiv relativ weit voneinander entfernt sind, oder in denen im Originalsatz das Verb sehr spät kommt, was es für den Dolmetscher, wie in nachfolgendem Beispiel gezeigt wird, schwierig macht, die Kongruenz mit dem Verb in Bezug auf den richtigen Kasus zu machen. .. 386 [09: 28.0] 387 [09: 30.0] 388 [09: 31.4] 389 [09: 32.0] 390 [09: 32.7] 391 [09: 34.0] OR [v] ingresos y egresos, en el mejor de los casos. ((1,3s)) Inclusive a los CA3851 [v] kei ne Konten. ((6,9s)) .. 392 [09: 36.0] 393 [09: 36.8] 394 [09: 38.0] 395 [09: 39.2] 396 [09: 40.0] OR [v] proveedores y constructo res a los que se les adeuda ba, se les decía que no CA3851 [v] Die[i ː ] ((1,3s)) Bauarbei ter, denen .. 397 [09: 42.0] 398 [09: 44.0] OR [v] hicieran las facturas ha sta que haya el dinero para pagarles. ((1,2s)) CA3851 [v] geholfen wurde, hat man gesagt, dass sie die Zusätzlich zu den im Laufe dieses Kapitels thematisierten sprachstrukturellen Besonderheiten mit Interferenzpotential, welche im Vorhinein ausgehend von den theoretischen Grundlagen als solche identifiziert und in der Rede an konkreten Stellen gekennzeichnet wurden, konnte noch eine weitere morphosyntaktische Problemstelle in Bezug auf Interferenzen beobachtet werden: Übertragungen von einzelnen Morphen oder des Plurals bzw. Singulars in der Wortbildung. In einigen Fällen kam es dabei zu Sinnveränderungen oder auch Wortneuschöpfungen durch eine wörtlich oder falsch übersetzte Übernahme einzelner Morphe auf das zielsprachliche Lexem. Dies kann an nachfolgenden Beispielen, die in einigen Verdolmetschungen beobachtet werden konnten, demonstriert werden: deuda wurde im Deutschen mit „ *Schuld “ anstelle des im Deutschen korrekten Plural-Substantivs „ Schulden “ übersetzt, arbitrariedad wurde im Deutschen mit „ *Willkürlichkeit “ anstelle von „ Willkür “ 248 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="249"?> übersetzt, felicidad mit „ *Glücklichkeit “ statt „ Glück “ und desconfianza wurde zur Neuschöpfung „ *Unvertrauen “ , wobei hier im Deutschen die verneinte Konstruktion mit dem Morph missexistiert. Auffällig war hierbei, dass diese Art von Interferenzen ungefähr doppelt so häufig bei der Gruppe der professionellen Dolmetscher als bei der Studentengruppe vorkam. In nachfolgender Tabelle wird noch einmal eine vollständige Übersicht über die von Interferenzen betroffenen Strukturen im morphosyntaktischen Bereich und die dazugehörige Interferenzzahl in den beiden Probandengruppen gegeben bzw. in den Fällen, in denen keine direkte Zuordnung zu konkreten Schwierigkeitsstellen in der Rede möglich ist (wie Kongruenzfehler oder Interferenzen beim Artikelgebrauch), wird die Anzahl unter der jeweiligen Kategorie zusammengefasst. Morphosyntaktische Interferenzen: Übersicht der betroffenen Strukturen Struktur Anzahl bei Studenten Anzahl bei professionellen Dolmetschern Komposita 3 3 enviado especial 0 1 organismos financieros 3 2 Präpositionen 24 16 a los 50 años 1 1 Comité Interamericano para la Eliminación de Todas las Formas de Discriminación 4 1 convertirse en 1 0 comprometerse con 2 2 compromiso con 1 0 de vs. Genitivkonstruktion 3 1 demandar por 0 1 en casa 1 0 en nuestra opinión 1 0 entender algo como 0 1 nombrar a alguien algo 0 1 pateando la pelota para adelante 0 1 pensar en 1 0 por esta misión 0 1 por miedo a 1 1 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten 249 <?page no="250"?> Morphosyntaktische Interferenzen: Übersicht der betroffenen Strukturen Struktur Anzahl bei Studenten Anzahl bei professionellen Dolmetschern por un motivo 1 0 Sistema Interamericano de Derechos Humanos 1 0 situarse en 0 1 soñar en/ con 6 3 tender puentes con 0 1 Artikel 28 9 Kongruenz 18 23 Interferenzen durch Übertragung einzelner Morphe oder Übernahme des Plurals/ Singulars bei der Wortbildung (z. B. felicidad > *Glücklichkeit; deuda > *Schuld) 5 11 Tabelle 15: Morphosyntaktische Interferenzen: Übersicht der betroffenen Strukturen 7.4.4 Syntax Syntaktische Interferenzen kamen bei professionellen Dolmetschern am zweithäufigsten nach den lexikalischen vor und insgesamt sowie in der Gruppe der Studenten an dritter Stelle. Die zuvor aus kontrastiv-linguistischer Perspektive ermittelten syntaktischen Kontraste zwischen den beiden Sprachen konnten allgemein als besonders interferenzanfällig bestätigt werden. Allerdings gibt es diesbezüglich große Unterschiede in der Häufigkeit zwischen den unterschiedlichen Strukturen. Zusätzlich war auffällig, dass syntaktische Interferenzen zwar an den Stellen mit sprachstrukturellen Kontrasten (wie z. B. V2-Stellung im Deutschen oder Verbklammern) auftraten, jedoch die Schwierigkeitsstellen in der Rede, bei denen sehr komplexe Satzstrukturen vorlagen und Probleme im Vorhinein angenommen wurden, häufig nicht betroffen waren. Wie auch bei den anderen Bereichen zeigte sich hier, dass Interferenzen besonders an Stellen mit geringen Kontrasten entstehen. Diesbezüglich bestätigt sich also ebenfalls Wolfram Wilss (1989: 12) Einschätzung, dass Interferenzen in der Translation „ in einem Umfeld vermeintlicher Konfliktlosigkeit “ auftreten. Offensichtliche Kontraste durch sehr komplexe und in beiden Sprachen unterschiedliche Satzstrukturen scheinen vor allem von den professionellen Dolmetschern als solche erkannt zu werden, wobei diese dann Dolmetschstrategien einsetzen 250 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="251"?> konnten, wie anhand der Beispiele im Laufe des Kapitels aufgezeigt wird. Bei Studenten kam es an den im Voraus markierten Schwierigkeitsstellen in der Rede, welche syntaktisch komplexe Strukturen mit großen Kontrasten betrafen, häufiger zu Problemen, aber auch hier waren syntaktische Interferenzen schwierig vorauszusehen, da an diesen Stellen als Konsequenz der komplexen Syntax ebenfalls Auslassungen, Satzabbrüche oder morphosyntaktische Interferenzen auftraten. Die häufigsten Strukturen, welche im syntaktischen Bereich von Interferenzen betroffen waren, sind die Verbendstellung in deutschen Nebensätzen (38-mal), Verbklammern (31-mal) und die Stellung von Subjekt sowie Objekten, vor allem bei Pronomen (22-mal), wobei vor allem die erste Kategorie sehr viel häufiger bei professionellen Dolmetschern als bei den Dolmetschstudenten (30-mal im Vergleich zu 8-mal) vorkam. Im Anschluss werden die Satzstrukturen mit besonderem Interferenzpotential sowie die im Vorhinein markierten syntaktischen Schwierigkeitsstellen in der Rede noch genauer hinsichtlich der tatsächlich ermittelten Interferenzen in der Auswertung behandelt. Eine der im Vorhinein identifizierten Schwierigkeitsstellen war die V2- Stellung in deutschen Hauptsätzen, wohingegen im Spanischen Satzkonstruktionen vorkommen können, wo das Verb viel später auftaucht. Dieser syntaktische Kontrast zwischen den beiden Sprachen führte in einigen Fällen (insgesamt 6-mal) zu Interferenzen, allerdings meistens bei Konstruktionen mit geringem Kontrast und nur in den seltensten Fällen bei den im Vorhinein in der Rede markierten Stellen, die offensichtliche und große Kontraste aufwiesen. In nachfolgendem Auszug aus einer Verdolmetschung wird gezeigt, wie ein geringer syntaktischer Kontrast zu einer Interferenz im Deutschen führte, da die spanische Wortfolge beibehalten und die V2-Stellung im Deutschen missachtet wurde. .. 658 [17: 42.0] 659 [17: 42.6] 660 [17: 43.6] 661 [17: 44.0] 662 [17: 46.0] OR [v] pueden ser po sibles. ((1,0s)) A lo mejor por eso po ne Dios los sueños MP2021 [v] Hand. ” Die Träume können möglich sein. Vielleicht aus dies em Grund .. 663 [17: 48.0] 664 [17: 50.0] 665 [17: 52.0] 666 [17: 52.3] OR [v] en nue stra cabeza, para que l os convirtamos en realida d. ((1,3s)) MP2021 [v] ähm sorgt Gott dafür, dass die Träume in unseren Kopf kommen, damit sie Bei den syntaktischen Konstruktionen, bei denen im spanischen Original das Verb im Hauptsatz sehr spät kam und somit ein großer Kontrast bestand, wurde die Schwierigkeitsstelle häufiger von den Dolmetschern erkannt und Strategien, allen voran die Antizipation, angewandt. Teilweise kam es aber auch auf Grund der syntaktischen Schwierigkeit zu einer größeren Décalage, bei den Studenten 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten 251 <?page no="252"?> häufig damit verbunden zu Auslassungen oder Generalisierungen und vermehrt morphosyntaktischen Interferenzen durch Kongruenz- oder Präpositionsfehler (vgl. Kapitel 7.4.3). In nachfolgendem Auszug aus einer Verdolmetschung wurde die zuvor identifizierte Schwierigkeitsstelle (beginnend bei „ William Blake “ ), bei der das Verb sehr spät im Spanischen auftaucht, erfolgreich durch die Strategie der Antizipation umgangen. Die Dolmetscherin artikulierte das Verb „ hat “ bereits 8 Sekunden bevor in der spanischen Originalrede das Verb decía vorkam. .. 700 [17: 10.0] 701 [17: 12.0] 702 [17: 12.4] 703 [17: 13.5] OR [v] Un sueño puede ser po sible. ((1,1s)) Willia EB4081 [v] Freunde, es gibt keine unveränderlichen Wahrheiten. Ein Traum kann wahr wird 704 [17: 14.0] 705 [17: 16.0] 706 [17: 18.0] OR [v] m Blake, hace dos si glos, en sus preciosos c uadros que son precurso res EB4081 [v] en. William Blake hat vor 200 Jah ren in seinen wunderbaren Gem älden, .. 708 [17: 22.0] 709 [17: 24.0] OR [v] del surrealismo y en su maravillosa poesía, decía que se puede EB4081 [v] die dem Surrealis mus vorangingen, und in seiner wunderbaren Poesie Verbale Satzklammern im Deutschen wurden im Vorfeld als weitere interferenzbegünstigende Sprachstruktur identifiziert, da in diesen Fällen Kontraste zwischen den beiden Sprachen bestehen, wobei das Verb bzw. die Verben im Spanischen früher artikuliert werden und dies einen erhöhten Merkaufwand bei der Verdolmetschung ins Deutsche darstellt. Bei der Auswertung der Daten konnte bestätigt werden, dass Satzklammern tatsächlich eine Herausforderung für die Dolmetscher darstellen und vermehrt zu syntaktischen Interferenzen führen - insgesamt stehen verbale Satzklammern mit 31 ermittelten Interferenzen an zweiter Stelle bezüglich der Häufigkeit im syntaktischen Bereich, bei der Studentengruppe sogar an erster. Bei Satzklammern konnten Interferenzen sowohl durch eine falsche Positionierung als auch durch eine Auslassung des zweiten Prädikatsteils beobachtet werden. In untenstehendem Auszug aus einer Verdolmetschung wird ein Beispiel für einen Interferenzfehler durch die Übernahme der spanischen Struktur und Missachtung der deutschen Verbklammer mit einem Modalverb, wo das Verb „ greifen “ an das Ende des Satzes käme, gegeben. 252 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="253"?> .. 720 [17: 24.0] 721 [17: 26.0] 722 [17: 28.0] OR [v] maravillosa poesía, decía que se puede abarcar con facili dad el CA3851 [v] und schrieb William Blake: ((2,0s)) “ Man .. 723 [17: 29.3] 724 [17: 30.0] 725 [17: 31.0] 726 [17: 32.0] 727 [17: 34.0] OR [v] sueño en una ma no. Es como si soñaras en una ros a y cuando despierta CA3851 [v] kann ((1,7s)) seine Träume greifen mit einer Hand. Es ist Nachfolgend noch ein Auszug aus einer Verdolmetschung, bei der eine syntaktische Interferenz bei einem trennbaren Verb vorkam, da hier ebenfalls die Wortfolge bei der Satzklammer im Deutschen nicht befolgt wurde. 38 [01: 05.9] 39 [01: 06.9] 40 [01: 08.0] 41 [01: 10.0] OR [v] ((1,0s)) La verdad ab soluta todos lo sabe mos y lo conocemos por excel TS4972 [v] Herr der einzigen, ja der absoluten Wahrheit ist. Die absolute Wahrheit, und das .. 42 [01: 12.0] 43 [01: 14.0] 44 [01: 16.0] 45 [01: 17.2] OR [v] encia histórica d epende de la concurrencia de diversos TS4972 [v] wis sen wir alle und das wissen wir aus Erfahrung, ((1,3s)) hängt .. 46 [01: 18.0] 47 [01: 20.0] 48 [01: 22.0] OR [v] factores, como las circunstancias, las condiciones, el TS4972 [v] ab vo m Zusammentreffen unterschiedlicher Fakt oren, darunter ((1,1s)) In beiden Beispielen handelte es sich um nicht sehr komplexe Satzstrukturen, wo auch der zweite Teil der Verbklammer nicht sehr lange im Arbeitsgedächtnis gehalten werden müsste, was jedoch auch bereits bei kurzer Zeit einen erhöhten Merkaufwand darstellt. Dabei ist im erstem Fall davon auszugehen ist, dass auf Grund der inhaltlichen Schwierigkeit des Zitats und des davor präsentierten Eigennamens keine Kapazitäten mehr übrig waren, um den geringen syntaktischen Kontrast zu erkennen und zu vermeiden. Im zweiten Fall scheint die Interferenz jedoch im Zusammenhang mit strategischem Vorgehen zu stehen, da hier anzunehmen ist, dass die Dolmetscherin bei der Satzplanung eine Aufzählung erwartete, die zwar auch kommt, aber durch den Einschub „ von unterschiedlichen Faktoren “ nachgestellt werden kann. Daher scheint plausibel, dass der zweite Teil des Verbs zumindest teilweise bewusst vorgezogen wurde, auch wenn dadurch unbeabsichtigt ein syntaktischer Normverstoß entstanden ist. Bei syntaktischen Interferenzen scheint generell häufig eine strategische Komponente mithineinzuspielen bzw. sollte diese zumindest in Betracht gezogen werden, was am Ende dieses Kapitels noch diskutiert wird. Satzklammern in deutschen Hauptsätzen bergen beim Dolmetschen vom Spanischen ins Deutsche eine hohe Interferenzgefahr, jedoch stellen Nebensätze 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten 253 <?page no="254"?> eine noch größere Herausforderung in Hinblick auf syntaktische Interferenzen dar. Die meisten syntaktischen Interferenzen konnten bei der Verbendstellung bei deutschen Nebensätzen ermittelt werden, wo ähnlich wie bei Satzklammern ein hoher Merkaufwand bei einer Simultanverdolmetschung aus dem Spanischen gefordert wird. Insgesamt waren diese Strukturen 38-mal von Interferenzen betroffen, interessanterweise davon 30-mal bei professionellen Dolmetschern. Dies könnte damit zusammenhängen, dass Studenten häufiger syntaktisch einfachere Sätze konstruieren und professionelle Dolmetscher eher dazu tendieren, dem Satzverlauf der Ausgangsrede zu folgen, auch wenn es sich um komplexere, verschachtelte Satzstrukturen handelt, was wiederum das Fehlerpotential im syntaktischen Bereich erhöht. Zusätzlich zur Verbendstellung konnten bei Nebensätzen noch geringere und daher oft unbemerkte Kontraste, wie die Stellung des Subjekts und/ oder der Objekte, vor allem bei Pronomen als Auslöser für Interferenzen beobachtet werden. In deutschen Nebensätzen kam es zu Interferenzen, ebenso wie bei Satzklammern, entweder durch eine frühzeitige Positionierung des Verbs oder durch einen Wegfall des Verbs am Satzende in Übereinstimmung mit der spanischen Satzstruktur. In nachfolgendem Auszug aus einer Verdolmetschung wird aufgezeigt, wie durch eine Beeinflussung der spanischen Ausgangsstruktur der Dolmetscher das Verb im Nebensatz noch vor dem Objekt positioniert, weshalb eine nicht korrekte syntaktische Struktur im Deutschen entsteht. .. 64 [01: 38.0] 65 [01: 40.0] OR [v] escuchar la opinión de los demás, para tratar de cap ES0909 [v] Konversationen, in An näherungen, in Versuchen und natürlich auch darin, .. 66 [01: 42.0] 67 [01: 44.0] 68 [01: 46.0] 69 [01: 46.6] OR [v] tar lo que a nuestro parec er puede parecer asimilarse a lo que ES0909 [v] die Meinung der anderen zu hören, um zu versuchen, zu verstehen ((1,3s)) 70 [01: 48.0] 71 [01: 50.0] 72 [01: 50.2] 73 [01: 51.6] OR [v] más coincide con nuestras realida des. ((1,4s)) Es mu ES0909 [v] oder um zu versuchen, möglichst nahe zu kommen, dem, was eine 74 [01: 52.0] 75 [01: 54.0] 76 [01: 56.0] OR [v] y grato estar en este foro junto a hermanos del continen te. Les traigo ES0909 [v] Wahrheit ist und unsere Realität be … be[ əː ] ‿ trifft. Ich freue In nachfolgendem Beispiel wird gezeigt, wie eine syntaktische Interferenz durch Auslassung des Verbs am Ende des Nebensatzes in der Verdolmetschung produziert wurde. Hier kommt im Spanischen das Verb cambiar noch vor 254 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="255"?> dem Objekt, im Deutschen hingegen hätte sich die Dolmetscherin das Verb für eine korrekte syntaktische Konstruktion im Nebensatz zumindest bis nach „ Kommunikationsgesetz “ merken müssen, wofür jedoch auf Grund der inhaltlichen Dichte und der verschachtelten Satzstruktur keine Kapazitäten mehr übrig waren. .. 855 [20: 39.2] 856 [20: 41.0] 857 [20: 42.0] 858 [20: 42.5] 859 [20: 44.0] OR [v] ((1,8s)) Nos tomó tie mpo cambiar una des EB4081 [v] Freihei t ist eine der wichtigsten Rechte. ((1,5s)) Es hat .. 860 [20: 46.0] 861 [20: 48.0] OR [v] afortunada ley de comunicació n que, además, creó instan EB4081 [v] ziemlich lange gedauert, ein unglückliches Kommunikations gesetz, das .. 862 [20: 50.0] 863 [20: 52.0] 864 [20: 54.0] 865 [20: 55.0] OR [v] cias oficiales p ara perseguir y amordazar a los periodistas y pol EB4081 [v] noch dazu Instanzen … offiziell e Instanzen gegründet hat, ((1,1s)) um 866 [20: 56.0] 867 [20: 57.0] 868 [20: 58.0] 869 [21: 00.0] 870 [21: 01.2] OR [v] íticos. ((1,0s)) Entonces dije que la prensa y la libertad de EB4081 [v] Journalisten und Politiker zu verfolg en und zu bedrohen. ((1,3s)) Und In den beiden Beispielen wird ersichtlich, dass die syntaktischen Kontraste zwischen dem Spanischen und dem Deutschen beim Simultandolmetschen ins Deutsche vor allem bei Nebensätzen häufig einen erhöhten Merkaufwand verlangen, wenn die korrekte Wortfolge eingehalten wird. Hierbei kommt es jedoch gerade bei längeren Schachtelsätzen auf Grund der nur geringen und zeitlich sehr kurzen Speicherkapazität des genauen Wortlauts im Arbeitsgedächtnis, was auch den Wortlaut der eigenen Verdolmetschung betrifft, öfters zu Interferenzen. Die spanische Satzstruktur wurde dabei entweder in Bezug auf die Wortfolge übernommen, indem das Verb zu früh artikuliert wurde, oder durch eine Auslassung am Ende des Nebensatzes, weil der Dolmetscher zwar versuchte, den Satz den deutschen Regeln entsprechend aufzubauen, aber auf Grund des nicht vorhandenen Verbs am Ende des spanischen Originals, dieses dann in der Verdolmetschung ebenfalls vergaß. Inwieweit ein Vorziehen des Verbs eine strategische Komponente hat und, um eine Auslassung des Verbs am Ende zu vermeiden, auf Kosten der korrekten Syntax zumindest teilweise bewusst eingesetzt wird, kann aus vorliegenden Daten nur teilweise beantwortet werden. Es ist, vor allem auf Grund der Beobachtung, dass professionelle Dolmetscher sehr viel häufiger syntaktische Interferenzen durch ein Vorziehen des Verbes und damit die Nichtbeachtung der Verbendstellung produzieren, 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten 255 <?page no="256"?> anzunehmen, dass hier eine Strategie vorliegen könnte: Das Verb wird bei komplexen Satzstrukturen so früh wie möglich artikuliert, um Kapazitäten für den nachfolgenden Inhalt frei zu haben. Professionelle Dolmetscher orientieren sich durch eine größere Vollständigkeit häufig näher an der Ausgangsstruktur und können somit strategisch durch Vorziehen des Verbs auch komplexen Satzverläufen gut folgen, was eine exaktere Wiedergabe des Inhalts ermöglicht. Zusätzlich hat der Dolmetscher dadurch, dass er seine Verdolmetschung schon beginnen muss, wenn der Satz in der Originalrede noch nicht vollständig vorliegt, das Problem, dass auch bei wenig komplexen Sätzen oft noch unerwartete Satzteile kommen, die dann schwierig syntaktisch korrekt in den bereits angefangenen Satz einzubauen sind. In einigen Fällen konnte auch beobachtet werden, dass sich Dolmetscher der Schwierigkeit von Nebensätzen im Deutschen bewusst sind und deshalb öfters auch Verben doppelt artikuliert wurden, da der Dolmetscher nicht mehr wusste, welche Konstruktion er gewählt hatte und ein fehlendes Verb bei einer Satzklammer oder bei einer Verbendstellung im Nebensatz vermeiden wollte. Dabei kam es zu Fehlern wie in folgendem Beispiel, die jedoch nicht als Interferenz gewertet werden, da hier keine Übernahme der spanischen Satzstruktur, sondern im Gegenteil, eine in diesem Fall nicht benötigte Interferenzvermeidungsstrategie vorliegt: „ *Ecuador wurde zum fünften Land der ganzen Welt geworden “ . Interferenzvermeidungsstrategien kamen aber auch häufig erfolgreich zum Einsatz, wie in nachfolgendem Auszug aus einer Verdolmetschung demonstriert werden kann, bei der die Dolmetscherin das Verb schon früher artikulierte, was zu einer Interferenz durch die syntaktische Konstruktion mit der Nachstellung von „ im Bereich der Verteidigung der Menschenrechte “ zur Folge hätte, aber durch den Einschub von „ und zwar “ umgangen wurde. .. 882 [21: 58.0] 883 [21: 58.5] 884 [22: 00.0] 885 [22: 00.9] 886 [22: 02.0] OR [v] cuando Ecuador se convir tió en el quinto país del mundo en ratificar los 18 CB2023 [v] ((2,5s)) Ecuador wurde zum ((1,0s)) fünften La nd auf .. 887 [22: 04.0] 888 [22: 06.0] OR [v] instrume ntos de las Naciones Un idas, en materia CB2023 [v] der ganzen Welt, das die 18 Instrumente der Vereinten Nationen ratifizierte 889 [22: 08.0] 890 [22: 10.0] 891 [22: 11.5] 892 [22: 12.0] 893 [22: 14.0] OR [v] de protección de los dere chos humanos. Atrás quedó u n gobierno CB2023 [v] und zwar im Bereich der ((1,5s)) Verteidigung der Menschenrechte. ((3,2s)) Zusätzlich zur Verbendstellung, welche bereits im Vorfeld als besonders interferenzbegünstigend im syntaktischen Bereich identifiziert und im Expe- 256 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="257"?> riment bestätigt wurde, konnten bei Nebensätzen auch Kontraste bei der Stellung und Abfolge von Subjekt und Objekten, besonders bei Pronomen, als Strukturen, die häufig von Interferenzen betroffen waren, ermittelt werden. Bei diesen Strukturen lag üblicherweise ein geringer Kontrast vor, was wiederum mit der Annahme des Auftretens von Interferenzen an Stellen einer vermeintlichen Konfliktlosigkeit übereinstimmt. Nachfolgender Auszug aus einer Verdolmetschung gibt ein Beispiel für eine Interferenz, wo das Subjektpronomen „ wir “ durch eine Beeinflussung des spanischen Originals an der falschen Stelle plaziert wurde. .. 161 [04: 06.0] 162 [04: 07.5] 163 [04: 08.8] 164 [04: 10.0] OR [v] Ecuador de hoy es el diálogo. ((1,3s)) Porque en Ecuador y me temo, que MS2021 [v] Das Ecuador von heute stützt sich auf den Dialog. 165 [04: 12.0] 166 [04: 14.0] 167 [04: 16.0] 168 [04: 16.8] OR [v] en buena parte del mundo, nos dejamos de escuchar. ((1,5s)) Hay MS2021 [v] ((4,9s)) Ich befürchte .. 170 [04: 18.0] 171 [04: 20.0] OR [v] que vol ver a escucharnos, a mirarnos, a dialo MS2021 [v] jedoch, dass in vielen Gegenden dieser Welt wir un s nicht mehr gegenseitig .. 172 [04: 22.0] 173 [04: 22.4] 174 [04: 23.4] 175 [04: 24.0] 176 [04: 26.0] OR [v] gar. ((1,0s)) En la casa, en la oficina, en la calle. MS2021 [v] zuhören, uns anschauen, einen Dialog führen, sowohl zu Hause als auch i Die im Vorhinein ermittelte Schwierigkeit von vorangestellten Gerundial-, Partizipial- oder Infinitivsätzen konnte sich hinsichtlich eines vermehrten Auftretens von syntaktischen Interferenzen bei diesen Strukturen nicht bestätigten. Hier mussten die Dolmetscher häufig lange abwarten, bis das Subjekt und der Bezug des Satzes klar waren, oder antizipieren, was in einigen Fällen zu Auslassungen, Generalisierungen oder Ungenauigkeiten in der Bedeutungsrelation zwischen den vorangestellten Gerundial-, Partizipial- oder Infinitivsätzen und dem Hauptsatz führte. Die syntaktischen Kontraste sind bei diesen Strukturen jedoch offensichtlich und scheinen somit von den Dolmetschern wahrgenommen zu werden, wobei Strategien wie Antizipation, Abwarten oder syntaktische Transformationen zum Einsatz kommen, die einer Übernahme der ausgangssprachlichen Strukturen entgegenwirken und somit die Interferenzhäufigkeit verringern. In nachfolgendem Ausschnitt einer Verdolmetschung kann gut aufgezeigt werden, wie der Dolmetscher zunächst abwartet. Als ihm die Pause zu lang wird, setzt er mit seiner Verdolmetschung ein, ohne das 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten 257 <?page no="258"?> Bezugsobjekt zu kennen, weshalb er antizipiert, in diesem Fall jedoch nicht korrekt, da er zunächst von „ wir “ spricht, obwohl das Pronomen „ ich “ hier korrekt wäre. Bevor der Hauptsatz beginnt, kann er nicht wissen, worauf sich der vorangestellte Gerundialsatz genau bezieht, und man sieht hier sehr schön, wie der Dolmetscher zunächst eine vage Formulierung wählt, die hier auf Grund des Kontexts auf jeden Fall passend sein könnte, diese dann gar nicht mehr ausbessert, sondern direkt im Hauptsatz wieder mit dem richtigen Inhalt einsteigt. Die syntaktische Schwierigkeit wurde hier erkannt und nicht im Sinne einer Interferenz auf die deutsche Verdolmetschung übertragen. .. 241 [06: 10.0] 242 [06: 12.0] 243 [06: 12.8] OR [v] anterior, fui vicepresidente. ((0,9s)) Y haciendo un a ES0909 [v] Tei l der vorherigen Regierung gewesen, ich war damals Vizepräsident u 244 [06: 14.0] 245 [06: 14.3] 246 [06: 16.0] 247 [06: 17.5] 248 [06: 18.0] 249 [06: 20.0] OR [v] cto de contrición, un propósito de enmienda y un mea culpa, debo decir con ES0909 [v] nd ((3,2s)) äh d amals haben wir v[f ː ]ersucht … 250 [06: 22.0] 251 [06: 24.0] 252 [06: 26.0] OR [v] toda sinceridad que francamente me preoc upé muy poco por ES0909 [v] haben wir vieles versucht, aber ich muss doch mit aller Ehrlich keit sagen und die Bei der Studentengruppe kam es an dieser Stelle häufiger zur kompletten Auslassung des vorangestellten Gerundialsatzes und einem Wiedereinsetzen der Verdolmetschung mit dem Beginn des Hauptsatzes. Vorangestellte Gerundial-, Partizipial- und Infinitivsätze konnten somit zwar als syntaktische Herausforderungen des Spanischen beim Dolmetschen ins Deutsche identifiziert werden, jedoch nicht als besonders anfällig für syntaktische Interferenzen bestätigt werden. Zusätzlich zu den im Vorhinein ermittelten sprachstrukturellen Schwierigkeitsstellen mit Interferenzpotential, können ausgehend von der Datenauswertung noch drei weitere Punkte genannt werden, welche immer wieder, wenn auch sehr viel seltener als die zuvor genannten Strukturen, von syntaktischen Interferenzen betroffen waren (insgesamt entfielen 11 Interferenzen auf diese 3 Punkte). Erstens, ist hier die Hierarchie bei Adjektiven zu nennen, zweitens, die Abfolge der Konstituenten in fixierten Verbindungen und drittens, unvollständige Sätze bzw. aneinandergereihte Teilsätze, die jedoch nicht auf die Auslassung des Verbs bei Verbendstellung zurückgehen. Untenstehendes Beispiel zeigt eine Interferenz durch Übernahme der Struktur bei Adjektiven, wobei die hierarchische Abfolge der beiden Adjektive vertauscht wird und das Adjektiv „ schwierige “ , das sich eigentlich auf die 258 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="259"?> „ wirtschaftlichen Entscheidungen “ beziehen sollte, erst nach „ wirtschaftliche “ gesetzt wird. 1044 [26: 24.0] 1045 [26: 26.0] 1046 [26: 28.0] OR [v] He debido tomar decisiones econ ómicas complicadas y el país las ha MS1030 [v] t sehr schwierig sind. Ich muss Entscheidungen tr effen, .. 1047 [26: 30.0] 1048 [26: 32.0] OR [v] tenido … las ha entendido. ((2,0s)) MS1030 [v] wirtschaftliche, schwier ige Entscheidungen, die gab es in unserem Land, aber wir In nachfolgendem Auszug aus einer Verdolmetschung kann anhand der festen Wendung „ mit anderen Augen auf etwas/ jemanden blicken “ gezeigt werden, wie durch eine Übertragung der spanischen Satzstruktur die Konstituenten im Deutschen vertauscht werden und eine syntaktische Interferenz gebildet wird. .. 448 [11: 40.7] 449 [11: 42.0] 450 [11: 42.7] 451 [11: 44.0] OR [v] Hoy, el mu ndo nos mira con otros oj os, y los orga AT2605 [v] Unterstützung des Volkes. ((0,8s)) Heute blickt die Welt auf uns mit anderen .. 452 [11: 46.0] 453 [11: 48.0] 454 [11: 50.0] OR [v] nismos financieros internac ionales han vuelto a confiar en AT2605 [v] Augen und die f … i nternationalen Finanzorgani sationen haben ihr Nachfolgend wird noch ein Beispiel gezeigt, bei dem es zu einer Kombination von zwei unvollständigen Sätzen kam, da der Dolmetscher zunächst das Verb weglässt, anschließend aber dem Satzverlauf des Originals folgt, was dann eine syntaktisch inkorrekte und inhaltlich unklare Konstruktion ergibt. .. 780 [18: 46.0] 781 [18: 48.0] 782 [18: 49.2] 783 [18: 50.0] OR [v] Carlos Soublette era pres idente de Venezuela, cuando había DG1990 [v] auszuhalten. Wir brauchen ein hartes Fell. ((1,3s)) Carlos Soublett e, Ex- .. 784 [18: 52.0] 785 [18: 52.9] 786 [18: 54.0] OR [v] libertad de expresión en ese querido país, DG1990 [v] Präsident von Venezuela, ((1,0s)) als es in diesem schönen Land noch 787 [18: 56.0] 788 [18: 58.0] 789 [19: 00.0] 790 [19: 01.5] OR [v] un grupo teatral hizo una obra que se llamaba “ Señor Presidente ” , ((1,5s)) DG1990 [v] Meinungsfreiheit gab, führte einmal eine Theatergruppe das 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten 259 <?page no="260"?> .. 791 [19: 02.9] 792 [19: 04.0] 793 [19: 06.0] OR [v] en la que se reí an del mandatario. ((1,7s)) DG1990 [v] Stück “ Herr Präsi dent ” auf. ((2,0s)) In diesem machten sie sich Die folgende Tabelle soll noch einen Überblick über die Untergliederung der von Interferenzen betroffenen Strukturen im syntaktischen Bereich und die jeweilige Interferenzanzahl geben. Syntaktische Interferenzen: betroffene Strukturen Struktur in der Zielsprache Anzahl bei Studenten Anzahl bei professionellen Dolmetschern V2-Stellung in deutschen Hauptsätzen 2 4 Verbklammern 13 18 Verbendstellung in deutschen Nebensätzen 8 30 Stellung und/ oder Abfolge von Subjekt und/ oder Objekten, vor allem bei Pronomen 11 11 Hierarchie bei Adjektiven 1 1 Abfolge von Konstituenten bei fixierten Verbindungen 2 1 Sonstiges: unvollständige Sätze, aneinandergereihte Teilsätze (die nicht durch ein vergessenes Verb am Ende von Nebensätzen oder Verbklammern bedingt sind) 4 2 Tabelle 16: Syntaktische Interferenzen: Übersicht der betroffenen Strukturen Nachdem die sprachstrukturellen Besonderheiten mit syntaktischem Interferenzpotential in der Dolmetschrichtung Spanisch - Deutsch thematisiert wurden, wird im Anschluss kurz auf strategische Prozesse, die besonders im Zusammenhang mit syntaktischen Schwierigkeitsstellen gut beobachtet werden können, eingegangen. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit Dolmetschstrategien und Interferenzen würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, stellt jedoch ein sehr interessantes Forschungsfeld für weitere Arbeiten in diesem Bereich dar. 260 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="261"?> Bei allen Interferenzkategorien kann ein Zusammenspiel zwischen Interferenzen und Dolmetschstrategien angenommen werden. Einerseits können Strategien zur Interferenzvermeidung eingesetzt werden, um sprachstrukturelle Herausforderungen zu meistern, wie es durch Antizipation der Fall sein kann. Andererseits können strategische Entscheidungen, um zum Beispiel eine inhaltliche Schwierigkeit zu lösen oder um eine Kapazitätsüberlastung zu vermeiden, jedoch auch Auslöser einer Interferenz sein, was zum Beispiel beim wörtlichen Übersetzen von Zitaten vorkommen kann. Bei syntaktischen Schwierigkeitsstellen kann diese strategische Komponente, wie bereits weiter oben in einigen Beispielen aufgezeigt wurde, jedoch besonders gut beobachtet werden. In diesem Bereich wurden einige komplexe syntaktische Strukturen, wie vorangestellte Gerundialsätze oder Hauptsätze, bei denen im Spanischen das Verb sehr spät kommt und im Deutschen durch die V2-Stellung früher benötigt wird, im Vorfeld als besonders interferenzanfällig gekennzeichnet. Bei diesen auffälligen syntaktischen Kontrasten zwischen den beiden Sprachen kam es zwar häufig zu Schwierigkeiten, weshalb diese Strukturen als syntaktische Herausforderung im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch bestätigt werden konnten, aber kaum zur Übernahme der spanischen Syntax, weshalb das erhöhte syntaktische Interferenzpotential dieser Strukturen nicht nachgewiesen werden konnte. Es konnte an diesen Stellen festgestellt werden, dass die Dolmetscher häufig Strategien, wie die Antizipation, eine größere Décalage, Generalisierungen oder syntaktische Transformationen, anwendeten. Diese Beobachtungen liefern Hinweise darauf, dass offensichtliche Kontraste häufiger erkannt werden, was wiederum den Einsatz von Strategien zur Überwindung dieser Sprachstrukturen ermöglicht und Interferenzfehler damit vermieden werden. Andererseits ist bei verbalen Satzklammern und der Verbendstellung in deutschen Nebensätzen in Betracht zu ziehen, dass hier zumindest teilweise auf Grund strategischer Prozesse das Verb der spanischen syntaktischen Struktur entsprechend vorzeitig artikuliert wird, um zu vermeiden, dass es am Ende vergessen wird. Inwieweit den Dolmetschern in diesen Fällen bewusst ist, dass durch das Vorziehen des Verbs eine syntaktische Interferenz entsteht und inwieweit diese von den Dolmetschern selbst als störend empfunden wird, kann ausgehend von den vorliegenden Daten nicht ermittelt werden. Da syntaktische Interferenzen bei professionellen Dolmetschern im Vergleich zur Gruppe der Studenten sehr viel häufiger vorkamen, ist ein vermehrtes strategisches Vorgehen, aber auch eine größere Orientierung an der Exaktheit der Verdolmetschung, welche wiederum ein näheres Dolmetschen an der ausgangssprachlichen Struktur mit sich bringt, anzunehmen. Eine vertiefende Auswertung zu Dolmetschstrategien und einem möglichen Zusammenhang zwischen der Interferenzhäufigkeit generell bzw. strategi- 7.4 Sprachstrukturelle Besonderheiten 261 <?page no="262"?> schem Vorgehen bei konkreten Schwierigkeitsstellen, an denen Interferenzen auftreten oder erwartbar sind, birgt folglich noch großes Forschungspotential für weitere Arbeiten, wobei sowohl sprachenpaarspezifische als auch sprachvergleichende Aspekte von Interesse sein könnten. 7.5 Psycholinguistische Ursachen In vorliegendem Kapitel wird die Auswertung der Daten bezüglich möglicher psycholinguistischer Ursachen, die in Kapitel 4.4.3 aus theoretischer Perspektive behandelt wurden, in Korrelation mit Interferenzen thematisiert. Um Zusammenhänge mit inhaltlichen Schwierigkeitsstellen, die eine erhöhte Kapazität des Dolmetschers verlangen und somit die Gefahr einer Kapazitätsüberlastung bergen, und Interferenzen festzustellen, wurde die Rede dahingehend mit unterschiedlichen Problemstellen, darunter Zitaten, Absätzen mit vielen Zahlen, Passagen mit hoher Informationsdichte/ vielen neuen Informationen und/ oder Eigennamen, präpariert (vgl. auch Kapitel 6.1.1). In diesen Absätzen, die zuvor als inhaltlich schwierig identifiziert wurden, konnten insgesamt 153 Interferenzen festgestellt werden, was ca. 22 % der ermittelten Interferenzen ausmacht. Da es sich umgerechnet auf die Gesamtwortanzahl bei diesen Passagen insgesamt um ca. 22 % des Redetextes handelt, liegt die Interferenzanzahl bei diesen inhaltlich schwierigen Passagen genau im Durchschnitt und es konnten keinerlei Abweichungen festgestellt werden. Die Hypothese, dass Interferenzen gehäuft an allgemeinen inhaltlichen Schwierigkeitsstellen auftreten konnte somit allgemein und übergreifend auf die unterschiedlichen Bereiche nicht bestätigt werden. Eine Erklärung dafür liefern die größeren Auslassungen sowie häufigere Generalisierungen bzw. Zusammenfassungen bei schwierigen Inhalten. Zusätzlich enthalten nicht alle inhaltlichen Schwierigkeitsstellen auch sprachliche Strukturen mit Interferenzpotential, wie es zum Beispiel bei Absätzen mit vielen Zahlen oft der Fall ist, wodurch häufiger andere Fehler als Interferenzen zu erwarten sind. Im Anschluss wird noch detaillierter und individuell auf die unterschiedlichen inhaltlichen Schwierigkeitsstellen und Auffälligkeiten in Bezug auf Interferenzen eingegangen. Zunächst werden Eigennamen in Bezug auf ihre Interferenzanfälligkeit genauer analysiert. In der Rede waren Eigennamen nicht nur in Absätzen, in denen konzentriert viel neue Information und viele Eigennamen auf einmal vorkamen, vertreten, sondern über die gesamte Rede verteilt. Dabei wurde im Vorhinein darauf geachtet, dass sowohl bekannte als auch weniger bekannte bis hin zu mit größter Wahrscheinlichkeit unbekannte Eigennamen vertreten waren. 262 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="263"?> Allgemein zeigen die Ergebnisse, dass, während die Absätze mit hoher Informationsdichte und vielen Eigennamen in Bezug auf die Interferenzhäufigkeit unauffällig waren, Eigennamen selbst häufig von Interferenzen betroffen waren. Insgesamt betrafen 66 Interferenzen einen Eigennamen, was ca. 10 % der ermittelten Interferenzen ausmacht und was eine beträchtliche Anzahl ist, angesichts dessen, dass die Eigennamen nur eine geringe Wortanzahl am Gesamtanteil der Rede ausmachen. Die Hypothese, dass Eigennamen besonders häufig von Interferenzen betroffen sind, kann somit als verifiziert angesehen werden. Bezüglich der Interferenzkategorien, die bei Eigennamen festgestellt werden konnten, sind hauptsächlich lexikalische Interferenzen, durch eine vollständige oder teilweise Übernahme des Originals, sowie phonetische Interferenzen, durch eine vollständige oder teilweise Übernahme der Aussprache, zu nennen. Eigennamen waren jedoch auch immer wieder vom simultanen Kurzschluss betroffen, durch eine Vermischung von einlaufender und gerade artikulierter Information (z. B. Jorge Enrique > *Jorque), und in einigen wenigen Fällen von morphosyntaktischen Interferenzen. Gerade bei Eigennamen war gut feststellbar, dass es sich manchmal um einen Kompetenzfehler des Dolmetschers handelte und die Interferenz daher in diesen Fällen keine Ursache im Dolmetschprozess an sich hatte, wie es zum Beispiel der Fall war, wenn Dolmetscher anstelle der deutschen Entsprechung OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) über die gesamte Rede das spanische Akronym OEA (Organización de los Estados Americanos) verwendeten. In anderen Fällen hingegen war eindeutig ersichtlich, dass sich der Dolmetscher in einer bestimmten, wahrscheinlich individuellen Stresssituation vom Spanischen beeinflussen ließ, während er ansonsten eine korrekte deutsche Entsprechung verwendete, wobei hierbei sowohl bekannte als auch unbekannte Eigennamen betroffen waren. Interessant ist auch ein Blick auf die Daten konkret in Bezug auf die Absätze mit vielen Zahlen. In der Rede gab es zwei Absätze, die in sehr kurzer Zeit viele Zahlen und dazugehörige Informationen enthielten. Neben den inhaltlichen Schwierigkeiten, die Zahlen dem jeweiligen Inhalt korrekt zuzuordnen, stellen die Zahlen selbst, durch Kontraste zwischen den beiden Sprachen, auch eine sprachliche Herausforderung dar. Die Absätze mit vielen Zahlen enthielten ansonsten wenige sprachliche Schwierigkeitsstellen und sind, wie es üblich für solche Stellen in Reden ist, syntaktisch einfach aufgebaut. Es waren jedoch noch zwei lexikalische Herausforderungen eingebaut, ein falscher Freund und ein polysemes Lexem, sowie eine phonetische Herausforderung in Form eines Akronyms mit geringem lautlichem Kontrast. Die Absätze mit vielen Zahlen führten jedoch, ebenso wie die Passagen mit hoher Informationsdichte, vielen Eigennamen bzw. langen Aufzählungen, häufig zu Auslassungen und/ oder 7.5 Psycholinguistische Ursachen 263 <?page no="264"?> Generalisierungen, was sich vor allem in den Verdolmetschungen der Dolmetschstudenten widerspiegelt. Insgesamt konnten in den beiden Absätzen 24 Interferenzen ermittelt werden. Davon entfällt der Großteil auf lexikalische Interferenzen mit 16, gefolgt von morphosyntaktischen Interferenzen mit 4. Simultane Kurzschlüsse und phonetische Interferenzen konnten je 2-mal beobachtet werden. 14 der 24 Interferenzen, die in den Absätzen mit vielen Zahlen vorkamen, wurden bei professionellen Dolmetschern beobachtet, was auf Grund der geringeren Auslassungen dieser Passagen in dieser Gruppe nicht überraschend ist. Zahlen stellen jedoch, auch wenn sie einzeln auftreten, was im Verlauf der Rede ebenfalls der Fall war, eine Herausforderung dar, weshalb es interessant ist, einen Blick darauf zu werfen, wie häufig Zahlen selbst von Interferenzen betroffen sind. Insgesamt waren Zahlen 20-mal direkt von Interferenzen betroffen, wobei es sich fast immer um lexikalische Interferenzen handelte, mit Ausnahme eines simultanen Kurzschlusses, bei dem die gerade artikulierte Zahl mit der neu einlaufenden Zahl vermischt wurde. Zitate sind ebenfalls von besonderem Interesse, da sie durch meist unbekannte Aussagen inhaltlich herausfordernd sind sowie üblicherweise einen Eigennamen des Verfassers und eventuell eine Jahreszahl enthalten und auch sprachlich häufig schwierig zu übertragen sind. In der Originalrede waren 3 kurze Zitate von je einem Satz enthalten, welche alle in Verbindung mit dem Eigennamen des Verfassers auftraten, der in zwei Fällen bekannt und in einem Fall unbekannt war. Der Sprachstil war in allen Fällen poetisch bzw. philosophisch und ein Zitat enthielt noch einen metaphorischen Vergleich. Insgesamt konnten 30 Interferenzen innerhalb der Zitate beobachtet werden, wobei der Großteil morphosyntaktische, gefolgt von syntaktischen Interferenzen und dem simultanen Kurzschluss waren. Lexikalische Interferenzen waren sehr selten (2 in absoluten Zahlen). Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass lexikalisch sehr nah am Spanischen übersetzt werden konnte, da sprachliche Bilder gerade im philosophischen bzw. poetischen Bereich relativ gut übertragbar sind, aber auch morphosyntaktische und syntaktische Kontraste vorkamen, für die dann weniger Kapazitäten übrig waren. Zusätzlich hatten gerade die Studenten bei den Zitaten eine sehr kurze Décalage, was wiederum problematisch ist, da poetische Sprache, wie Chernov in seinem Probability- Prediction-Model (vgl. 3.3.2) aufzeigt, wenig redundant ist und somit schlecht antizipiert werden kann. Dies könnte ebenfalls erklären, warum viele syntaktische und morphosyntaktische Interferenzen in den Zitaten, davon der Großteil bei den Studenten, vorkamen. Anhand des nachfolgenden Auszugs aus einer Verdolmetschung kann die Schwierigkeit eines Zitats aufgezeigt werden: Die Dolmetscherin produziert zunächst beim Eigennamen Albert Einstein einen simultanen Kurzschluss, da sie eine sehr kurze Décalage hat, und anschließend 264 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="265"?> folgt sie dem spanischen Satzverlauf, was eine syntaktische Interferenz zur Folge hat. .. 417 [10: 57.0] 418 [10: 58.6] 419 [11: 00.0] 420 [11: 00.2] 421 [11: 01.1] OR [v] vida. ((1,7s)) Albert Einstein dec ía: ((0,9s)) “ a FH0751 [v] ganz heitliche Ansicht auf die Dinge. Einber … Aglbert Einstein hat gesa .. 422 [11: 02.0] 423 [11: 04.0] 424 [11: 06.0] OR [v] aquellas personas que dicen que lo que estamos haciendo es impo sible, lo ún FH0751 [v] gt, dass die Menschen, die sagen, dass was wir machen .. 425 [11: 08.0] 426 [11: 08.9] 427 [11: 10.0] 428 [11: 12.0] OR [v] ico que les pedimos es que nos dejen trabajar mientras lo FH0751 [v] unmöglich ist, ((1,0s)) diese Menschen bitten wir nur, dass sie uns machen .. 429 [11: 14.0] 430 [11: 15.2] 431 [11: 16.0] 432 [11: 17.0] 433 [11: 18.0] OR [v] logramos. ” ((1,3s)) Con planifi cación, disciplina y decisión política FH0751 [v] lassen, während wir es schaffen. ((1,8s)) Mit Pl an … mit Plänen, Interessant ist auch, dass die einzige Interferenz mit einer 3. Sprache in einem Zitat vorkam, und zwar kurz nachdem der Name von William Blake genannt wurde. Obwohl die Aussprache des Namens Englisch ist, war die Interferenz mit einer 3. Sprache, nämlich dem Französischen, wobei die Dolmetscherin den ersten Wortteil von surrealistisch auf Französisch [sy ʁ eal] aussprach. Hier ist anzunehmen, dass das phonetische Material einer dritten Sprache, nämlich dem Englischen bei der Aussprache des Eigennamens, zu einer Aktivierung von nicht gebrauchten Sprachen im Dolmetschprozess geführt hat, was mit Grosjeans Bilingual Mode beim Simultandolmetschen in Einklang stehen würde (vgl. Kapitel 3.1.3), wonach üblicherweise beim Dolmetschen der Input beider beteiligten Sprachen aktiviert ist, der Output jedoch nur in der Zielsprache. Zusätzliche Sprachen können zwar nicht vollständig deaktiviert werden, aber ihr Einfluss beim Dolmetschen in die A-Sprache scheint gering zu sein, da nur sehr selten Interferenzen mit einer dritten Sprache beobachtet werden. Ein plötzlicher Wechsel in der Input-Sprache, auch wenn es sich in diesem Fall nur um die Aussprache handelte, verlangt also auf unerwartete Weise, dass der Dolmetscher vorübergehend den Input für diese Sprache aktiviert. Dabei sind ein erhöhter Kapazitätsaufwand und eine höhere Fehleranfälligkeit sowie möglicherweise eine Aktivierung anderer, nicht beteiligter Sprachen anzunehmen. Um diese Annahmen zu überprüfen, müssten jedoch ausreichend Daten dazu gesammelt werden, wie sich ein plötzlicher Sprachwechsel bzw. Einwurf in einer anderen Sprache, wie es auch heutzutage durch die Dominanz des 7.5 Psycholinguistische Ursachen 265 <?page no="266"?> Englischen in manchen Gebieten durchaus vorkommen kann, auf Interferenzen generell sowie die Aktivierung weiterer Sprachen beim Simultandolmetschen auswirkt. Dieser Aspekt birgt folglich ebenfalls noch ein interessantes Forschungspotential zu Interferenzen und Sprachverarbeitung im Simultandolmetschprozess. Die Hypothese, dass Interferenzen vermehrt an allgemeinen Schwierigkeitsstellen durch eine Kapazitätsüberlastung auftreten, konnte nur teilweise für einige inhaltliche Schwierigkeitsstellen, aber nicht allgemein verifiziert werden, da sich eine Kapazitätsüberlastung in unterschiedlichen Dolmetschschwierigkeiten, wie Auslassungen, Fehlern, Versprechern etc. zeigen kann und gerade durch viele Auslassungen oder nur approximierende Dolmetschungen weniger Interferenzpotential besteht. Zusätzlich ist noch zu erwähnen, dass allgemeine Schwierigkeitsstellen von den unterschiedlichen Dolmetschern unterschiedlich wahrgenommen werden und die Kapazitätsgrenze sehr individuell ist. Folglich könnte die individuelle Kapazitätsüberlastung der einzelnen Dolmetscher aussagekräftiger sein, als die im Voraus in der Rede definierten allgemeinen inhaltlichen Herausforderungen. Daher wurden die Interferenzen zusätzlich dahingehend untersucht, ob sie in direkter Umgebung einer längeren Pause, Auslassung, abgebrochenen Satzteilen oder einem Sinnfehler stehen, um festzustellen, ob es eine Korrelation zwischen individuellen Problemstellen und Interferenzen gibt. Hierbei war es sehr schwierig festzulegen, ab wann eine Pause als auffällig gezählt werden konnte, da die Pausensetzung starken individuellen Schwankungen zwischen den Dolmetschern sowohl in Bezug auf die Häufigkeit als auch die Länge und Stellung im Satz betreffend unterworfen war. Die Pausen wurden folglich versucht in Relation zu den Pausen in der jeweiligen Verdolmetschung zu betrachten und nur jene mitzuzählen, die nicht der natürlichen Pausensetzung des jeweiligen Dolmetschers entsprachen. Bei Auslassungen war es ebenfalls sehr schwierig zu bestimmen, ab wann die Auslassung wichtig genug wäre, dass sie in die Auswertung miteinfließen sollte, da kleinere natürliche Auslassungen, die an anderen Stellen ebenfalls vorkommen, die Ergebnisse verfälschen würden. Abgebrochene Satzteile, häufige Verwendung von Hesitationsmarkern wie „ äh “ und „ ähm “ und Sinnfehler in unmittelbarer Umgebung der Interferenzen waren hingegen leichter als Problemstellen zu identifizieren und führten zu weniger Grenzfällen. Aus diesen Gründen ist eine gewisse Subjektivität nicht auszuschließen und es wird folglich nur eine annähernde Prozentzahl angegeben, die jedoch für vorliegende Auswertung, bei der es sich nur um einen Teilbereich der Ergebnisse handelt, als ausreichend erachtet wird. Insgesamt standen ca. 30 % der ermittelten Interferenzen im Zusammenhang mit individuellen Schwierigkeiten der Dolmetscher im Sinne von Auslassungen, längeren 266 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="267"?> Pausen, Satzabbrüchen bzw. Abbrüchen von Satzteilen, meist in Verbindung mit Zögern in der Stimme oder der Verwendung von Füllwörtern wie „ ähm “ , sowie Sinnfehlern. Die Hypothese, dass Interferenzen gehäuft in Zusammenhang mit individuellen Schwierigkeiten der Dolmetscher auftreten, konnte nur teilweise verifiziert werden und muss hier präzisiert werden: Der Großteil der Interferenzen, nämlich in diesem Fall ca. 70 %, scheinen isoliert aufzutreten und in keinem Zusammenhang mit allgemeinen individuellen Dolmetschproblemen inhaltlicher Natur zu stehen bzw. auch nicht zu solchen zu führen. Allerdings treten allgemeine individuelle Problemstellen immerhin bei fast jeder dritten Interferenz in direkter Umgebung auf und scheinen somit in Zusammenhang mit einer Kapazitätsüberlastung zu stehen. Wichtig ist, diesbezüglich noch darauf hinzuweisen, dass größtenteils nicht ermittelbar ist, ob die inhaltlichen Schwierigkeiten zu den Problemen in der Dolmetschung und in weiterer Folge durch fehlende Kapazitäten zur Entstehung der Interferenzen führten, oder ob umgekehrt, die sprachstrukturellen Schwierigkeitsstellen für eine Kapazitätsüberlastung verantwortlich waren und somit neben den Interferenzen auch inhaltliche Probleme verursachten. In einigen wenigen Fällen, in denen zum Beispiel klar ein bestimmtes Lexem von Schwierigkeiten betroffen war, da mehrere Anläufe und Korrekturversuche unternommen wurden, oder in denen ganz klar die Priorität auf der korrekten Wiedergabe des Inhalts lag, kann die Ursache ermittelt werden, wobei beide Szenarien in den Verdolmetschungen vorkamen. Nachfolgendes Beispiel zeigt, wie eine Interferenz in Zusammenhang mit einer Auslassung auftritt, wobei die Sprachstruktur hier ganz klar Ursache der Dolmetschschwierigkeit ist, weil die Dolmetscherin es nicht schaffte, sich vom Spanischen actuar zu lösen und die deutsche Entsprechung „ handeln “ abzurufen. Der Dolmetscherin wurde dabei jedoch während der Dolmetschung bewusst, dass es keine entsprechende Verbform mit „ akt …“ , wie z. B. „ *aktuieren “ im Deutschen gibt, weshalb sie einen Korrekturversuch vornahm, es ihr aber dabei ebenfalls nicht möglich war, die spanische Entsprechung zu unterdrücken. Als Folge dieser Interferenz kam es zu einer größeren Pause und Auslassung des Inhalts des restlichen Satzes, da dieser abgebrochen wurde. .. 149 [03: 42.0] 150 [03: 44.0] 151 [03: 46.0] OR [v] Nuestro gobierno actúa con profundo respeto a la LV0510 [v] treiben, um ihre Meinungsfreiheit zu unterbinden. Unsere Regierung äh akt … .. 152 [03: 48.0] 153 [03: 50.0] 154 [03: 51.2] 155 [03: 52.0] OR [v] opinión ajena y a la diversidad de criterios. ((1,3s)) Es en el d iálogo franco y LV0510 [v] äh ((2,0s)) akt … ((3,6s)) 7.5 Psycholinguistische Ursachen 267 <?page no="268"?> .. 156 [03: 54.0] 157 [03: 54.8] 158 [03: 56.0] 159 [03: 58.0] OR [v] abierto en donde encontramos la s soluciones de manera conjunta y proactiva. LV0510 [v] Es liegt in dem off enen, ehrlichen Dialog, wo wir … in dem wir In untenstehendem Beispiel hingegen, wo ebenfalls eine Interferenz in direkter Umgebung eines Sinnfehlers steht, ist die Ursache für die Kapazitätsüberlastung in der inhaltlichen Herausforderung der vielen Zahlen zu finden. Die Dolmetscherin scheint hier keine Kapazitäten mehr übrig gehabt zu haben, um das fälschlich mitaktivierte Item im Deutschen, nämlich „ Indiz “ , zu unterdrücken, wobei es sich hier um den „ Index “ handelt. Spannend ist, dass der Artikel nicht auf „ Indiz “ angepasst wurde, sondern der männliche Artikel verwendet wurde. In diesem Fall wurde das interferierende Lexem flüssig und ohne Zögern in der Dolmetschung verwendet, was ebenfalls darauf hinweist, dass die Konzentration hauptsächlich auf der korrekten Wiedergabe der Zahlen lag, wobei kurz nach der Interferenz der Bezug der Zahl 11 % falsch wiedergegeben wurde, was in Verbindung mit der Interferenz aufzeigt, dass hier das Kapazitätslimit erreicht wurde. .. 540 [13: 00.0] 541 [13: 01.3] 542 [13: 02.0] 543 [13: 03.6] 544 [13: 04.0] OR [v] del año 2018. ((1,7s)) En el mi smo periodo el índice de EK2764 [v] sie sich ((1,4s)) am Ende de s Jahres 2018 auf etwa 23,2 Prozent. 545 [13: 06.0] 546 [13: 08.0] 547 [13: 10.0] 548 [13: 12.0] 549 [13: 12.9] OR [v] pobreza extrema bajó de un 11,9 a un 8, 6 por ciento. EK2764 [v] Gleichzeitig ist der Indiz für extreme Armut um 11 Prozent ((1,0s)) auf .. 550 [13: 14.0] 551 [13: 16.0] 552 [13: 18.0] 553 [13: 18.9] OR [v] ((2,0s)) Estas cifras muestran algunos logros importantes, EK2764 [v] etwa 8 Prozent gesunken. ((3,0s)) Diese Zahlen 7.6 Autokorrekturen und Monitoringprozesse In diesem Kapitel werden zunächst die Autokorrekturen nach Häufigkeit und in Bezug auf Interferenzkategorien behandelt und anschließend die offenen Fragen des Fragebogens zur Wahrnehmung von Monitoringprozessen und zu bewussten Entscheidungen für bzw. gegen Korrekturen analysiert sowie Rückschlüsse daraus gezogen. Insgesamt konnten in den 22 Verdolmetschungen 113 Korrekturen von Interferenzen ermittelt werden. Das entspricht einer durchschnittlichen Kor- 268 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="269"?> rekturrate von 5,1 Interferenzen pro Verdolmetschung. Die Korrekturraten von Studenten und professionellen Dolmetschern unterschieden sich dabei signifikant: Während bei den professionellen Dolmetschern durchschnittlich nur 3,8 Interferenzen pro Verdolmetschung korrigiert wurden, waren es bei der Gruppe der Studenten 6,5. In den folgenden beiden Graphiken werden die Korrekturhäufigkeiten der einzelnen Dolmetscher in absoluten Zahlen dargestellt, wobei zur besseren Übersicht die Korrekturen der professionellen Dolmetscher und der Studenten separat präsentiert werden. Abb. 14: Korrekturen von Interferenzen (Studenten) Abb. 15: Korrekturen von Interferenzen (professionelle Dolmetscher) 7.6 Autokorrekturen und Monitoringprozesse 269 <?page no="270"?> In einem Vergleich der beiden Graphiken wird die generell geringere Korrekturrate von Interferenzen in der Gruppe der professionellen Dolmetscher ersichtlich. Zusätzlich ist jedoch gruppenübergreifend auffallend, dass die Interferenzhäufigkeit einer großen individuellen Schwankungsbreite unterliegt. Die geringste Korrekturrate beträgt 0 Korrekturen, wohingegen die höchste sich auf 12 Korrekturen beläuft. Es konnte kein Zusammenhang zwischen der Interferenzanzahl und der Korrekturhäufigkeit der einzelnen Dolmetscher gefunden werden. Im nachfolgenden Diagramm werden die Interferenzzahlen aller Dolmetscher als aufsteigende Linie dargestellt und in Relation dazu die jeweilige Korrekturzahl. Abb. 16: Korrekturen in Relation zur Interferenzanzahl Die Graphik zeigt auf, dass die Korrekturrate nicht mit ansteigender Interferenzzahl ansteigt, sondern sowohl bei einer geringen Interferenzzahl als auch bei einer hohen Interferenzzahl die Zahl der Korrekturen auffallend hoch oder niedrig sein kann. Die höchsten Korrekturraten wurden bei Verdolmetschungen gefunden, die mit 25 und 30 Interferenzen eher im Mittelfeld in Bezug auf die Interferenzrate liegen. Die niedrigsten Korrekturraten von 0 oder 1 Korrektur sind bei Verdolmetschungen, die im unteren Bereich bis zum Mittelfeld liegen, zu finden. Wenn man die Korrekturrate in Relation zur Interferenzanzahl berechnet, kann festgestellt werden, dass ca. 17 % aller Interferenzen korrigiert wurden, wobei in der Studentengruppe 22 % der ermittelten Interferenzen und in der Gruppe der professionellen Dolmetscher nur 12 % der Interferenzen korrigiert wurden. Die Dolmetscherin mit der höchsten Korrekturrate in Relation zur Interferenzanzahl hat 12 der 25 Interferenzen in ihrer Verdolmetschung korrigiert und somit fast 50 %, jene mit der geringsten Anzahl korrigierte 270 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="271"?> überhaupt keine Interferenz, womit sich die Korrekturrate in Relation zum Output auf 0 % beläuft. In Bezug auf die Korrekturen ist neben der Korrekturhäufigkeit auch die Art der korrigierten Interferenzen von besonderem Interesse. Diesbezüglich wird in der folgenden Graphik die prozentuelle Aufteilung der ermittelten Korrekturen auf die jeweiligen Interferenzkategorien dargestellt. Abb. 17: Korrekturen nach Interferenzkategorien Aus der Graphik wird ersichtlich, dass der Großteil der ermittelten Korrekturen mit 45,1 % Korrekturen von lexikalischen Interferenzen betrifft, gefolgt von Korrekturen im morphosyntaktischen Bereich mit 36,3 %, was angesichts dessen, dass es sich hierbei auch um die häufigsten Interferenzkategorien handelt, nicht überraschend ist. 13,3 % der Korrekturen entfallen auf phonetische Interferenzen und nur je 2,65 % auf syntaktische Interferenzen sowie den simultanen Kurzschluss. Die prozentuelle Verteilung der ermittelten Kategorien auf die unterschiedlichen Interferenzkategorien sagt aber noch nichts über die Korrekturhäufigkeit in Relation zu den ermittelten Interferenzen in den jeweiligen Kategorien aus. Interessant ist hierbei, dass zwar der Großteil der ermittelten Korrekturen den lexikalischen Bereich betreffen, aber in Relation zu den ermittelten Interferenzen in dieser Kategorie kann festgestellt werden, dass nur 15,3 % aller lexikalischen Interferenzen korrigiert wurden. Im Gegensatz dazu wurden 29 % aller morphosyntaktischen und 25 % aller phonetischen Interferenzen korrigiert. In Relation zu den tatsächlich produzierten Interferenzen sind diese beiden Kategorien die häufigsten, die korrigiert wurden. Am 7.6 Autokorrekturen und Monitoringprozesse 271 <?page no="272"?> seltensten kam es zu Korrekturen von syntaktischen Interferenzen, von denen nur 3 % korrigiert wurden. Die geringe Korrekturrate von syntaktischen Interferenzen lässt sich leicht damit erklären, dass Korrekturen in diesem Bereich sehr zeitaufwändig sind, wobei rein syntaktische Interferenzen, die nur eine Übernahme der Wortstellung betreffen, üblicherweise auch nicht die Verständlichkeit der Verdolmetschung beeinträchtigen und somit eine Korrektur selten als notwendig erachtet wird. Morphosyntaktische, phonetische, aber auch lexikalische Interferenzen lassen sich hingegen häufig relativ einfach durch Wiederholung des korrekten Begriffs korrigieren. Die Unterschiede in der Korrekturhäufigkeit zwischen Studenten und professionellen Dolmetschern lassen sich einerseits damit erklären, dass bei einer größeren Vollständigkeit, wie es bei den Verdolmetschungen der professionellen Dolmetscher der Fall war, weniger Zeit und Kapazitäten für Korrekturen bleiben. Andererseits war der Anteil der syntaktischen Interferenzen, die kaum korrigiert werden, bei den professionellen Dolmetschern um einiges höher als bei den Studenten, was ebenfalls ein Faktor sein könnte, der in die geringere Korrekturrate miteinfließt. Professionelle Dolmetscher scheinen zudem häufiger bewusst zu entscheiden, ob eine Korrektur Sinn macht oder nicht, da jede Korrektur einen Kapazitätsaufwand bedeutet und auf Kosten der neu einlaufenden Informationen gehen kann. Diesbezüglich ist interessant, dass von den ermittelten Korrekturen innerhalb der Gruppe der professionellen Dolmetscher der Großteil, und zwar fast 60 %, auf lexikalische Interferenzen entfallen. Bei den Studenten bilden die morphosyntaktischen Interferenzen die häufigste korrigierte Kategorie. Interferenzen im lexikalischen Bereich führen häufig zu Sinnfehlern oder -verzerrungen bzw. beeinträchtigen die Verständlichkeit der Verdolmetschung, was bei morphosyntaktischen Interferenzen seltener der Fall ist. Hier könnte eine strategische Entscheidung gegen Korrekturen bei den professionellen Dolmetschern ebenfalls für die geringere Korrekturrate verantwortlich sein. Interessant ist auch die Art, wie Korrekturen von den Dolmetschern bei Interferenzen vorgenommen werden. Korrekturen wurden am häufigsten durch eine Wiederholung der Aussage mit dem korrekten Lexem, der richtigen Kongruenz bzw. der korrekten Aussprache des Lexems vorgenommen. Diese Art von Korrekturen eignet sich hauptsächlich für lexikalische, morphosyntaktische und phonetische Interferenzen, wobei auch meistens kein weiterer Einschub, wie zum Beispiel „ ich korrigiere “ oder „ Entschuldigung “ notwendig ist. Ein Beispiel für eine Korrektur durch Wiederholung der Aussage wird in nachfolgendem Auszug aus einer Verdolmetschung am Beispiel einer morphosyntaktischen Interferenz dargestellt. 272 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="273"?> .. 921 [21: 50.0] 922 [21: 50.7] 923 [21: 52.0] 924 [21: 52.9] 925 [21: 54.0] 926 [21: 56.0] OR [v] bre de 2018, cuando Ecuador se convirtió en el quin to país del KB1821 [v] Menschen rechte. ((2,2s)) Im Jahr 2 008 i st Ecuador in d .. 927 [21: 58.0] 928 [22: 00.0] 929 [22: 02.0] 930 [22: 04.0] OR [v] mundo en r atificar los 1 8 instrumentos de las Na ciones Unidas, en KB1821 [v] as fünfte … zum f ünften Land des … der W elt geworden, da s Sehr viel seltener wurden Korrekturen durch einen nachträglichen Einschub, der die vorangehende Aussage erklärt oder abschwächt, vorgenommen. Diese Art der Korrektur wurde nur bei lexikalischen Interferenzen verwendet, bei denen der Dolmetscher dann im Nachhinein das Gefühl hatte, das Lexem wäre doch nicht so passend. Nachfolgender Auszug einer Verdolmetschung veranschaulicht an einem konkreten Beispiel, wie Korrekturen durch einen nachträglichen Einschub zur Erklärung oder Abschwächung der Aussage aussehen können. 849 [21: 32.8] 850 [21: 34.0] 851 [21: 36.0] 852 [21: 36.7] 853 [21: 38.0] OR [v] éste tam poco merece llamar se tal. ((1,2s)) ¡Sería un desgo MS1030 [v] respektiert wird d urch eine Regierung, dann ist diese Reg ierung ihres Titels .. 854 [21: 40.0] 855 [21: 40.6] 856 [21: 43.3] 857 [21: 44.0] OR [v] bierno! ((2,7s)) Estamos com prometidos con el MS1030 [v] nicht würdig. ((0,7s)) Es wäre eine Unregierung, ((0,6s)) um diesen äh .. 858 [21: 46.0] 859 [21: 46.4] 860 [21: 48.0] 861 [21: 50.0] OR [v] Sistema Inter americano de Derechos Humanos. ((2,0s)) Renovamos los MS1030 [v] Neologismus zu verw enden. ((5,5s)) Die seltenste Art der Korrektur, die ebenfalls nur bei lexikalischen Interferenzen vorkam, ist eine Anpassung der nachfolgenden Aussage, da die vorangehende Interferenz ansonsten zu einem Sinnfehler geführt hätte. Das kann sehr schön an nachfolgendem Beispiel gezeigt werden, wo atrás quedó vom Dolmetscher falsch interpretiert wurde und somit das Gegenteil von dem Gemeinten gesagt worden wäre, wenn der Dolmetscher dem restlichen Satzverlauf gefolgt wäre. Dadurch, dass er aber anschließend von Vertrauen statt Misstrauen spricht, hat er, wenn auch nicht den exakten Sinn des Gesagten, trotzdem den zentralen Gedankengang, dass die aktuelle Regierung das alles hinter sich gelassen hat, noch retten können. 7.6 Autokorrekturen und Monitoringprozesse 273 <?page no="274"?> .. 868 [22: 08.0] 869 [22: 10.0] 870 [22: 10.4] 871 [22: 12.0] OR [v] protección de los derechos humanos. Atrás quedó un gobierno que CT3712 [v] ging es um den Schutz der Menschenre chte. ((3,5s)) .. 873 [22: 16.0] 874 [22: 17.3] 875 [22: 18.0] 876 [22: 20.0] OR [v] generaba desconfianza. ((1,4s)) Un sis tema de intolerancia, de prepotencia CT3712 [v] Dahinter steht eine Regierung, die auch für Vertrauen steht. Ein System Zur Erfassung der Wahrnehmung von Interferenzen, Monitoringprozessen und möglichen Selbstkorrekturen wurden im Fragebogen noch offene Fragen inkludiert, um so einen genaueren Einblick in die individuellen mentalen Prozesse und strategischen Vorgehensweisen zu bekommen. Die Teilnehmer wussten nicht, dass es bei dem Experiment um die Erfassung von Interferenzerscheinungen geht, weshalb nicht direkt nach Interferenzen gefragt wurde. Die offenen Fragen waren zu generellen Schwierigkeitsstellen, einer Einschätzung der gut gelungen und weniger gut gelungenen Stellen in der Verdolmetschung sowie zu wahrgenommenen Fehlern, Korrekturen und Entscheidungen gegen Autokorrekturen. Insgesamt war auffällig, dass sich die professionellen Dolmetscher häufiger an konkrete Stellen (wie zum Beispiel ein Problem mit einem bestimmten Eigennamen oder mit einem bestimmten Zitat) erinnern konnten, wohingegen die Dolmetschstudenten eher allgemeinere Angaben machten (wie zum Beispiel, dass sie generell Probleme hatten, sich von der spanischen Satzstruktur zu lösen oder dass die Zitate, Zahlen etc. zu Schwierigkeiten führten). Es wurden sowohl inhaltliche als auch sprachliche Probleme genannt, wobei von den Studenten häufiger Schwierigkeiten inhaltlicher Art genannt wurden, was aber auch damit übereinstimmt, dass die Verdolmetschungen der Studentengruppe insgesamt weniger vollständig waren und mehrAuslassungen oder inhaltliche Fehler aufwiesen als die der Gruppe der professionellen Dolmetscher. Von Interesse für die Wahrnehmung von Interferenzerscheinungen sind besonders die genannten sprachlichen Schwierigkeiten in der Rede. Auffallend war hier neben der Beobachtung, dass Studenten fast nie konkrete Stellen oder Ausdrücke nannten, sondern allgemeiner blieben, auch, dass im Vergleich zu den professionellen Dolmetschern in der Studentengruppe sprachliche Problemstellen meistens nicht in Verbindung mit der Ausgangsrede gesehen wurden (zum Beispiel, dass dort idiomatische Wendungen vorkamen, die Probleme bereiteten, oder dass die Ausgangsrede syntaktisch schwierige Sätze enthielt, die dann zu Fehlern führten), sondern rein als negativer Punkt der eigenen Verdolmetschung oder Problem bei der Anwendung von Dolmetschstrategien gesehen wurden. Professionelle Dolmetscher konnten sich diesbezüglich nicht nur genauer an konkrete Schwierigkeitsstellen erinnern, 274 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="275"?> sondern auch die Ursachen für die Schwierigkeiten in der Ausgangsrede (wie Phraseologismen, falsche Freunde oder schwierige syntaktische Strukturen) klarer erkennen. Im Folgenden werden einige Auszüge aus den Fragebögen der Studenten zu wahrgenommenen Fehlern und Schwierigkeiten, die Aufschluss über die Wahrnehmung von Interferenzen geben, präsentiert: • DG1990: „ Verbendungen (Plural<->Singular); ich war mir nicht mehr sicher, welches Genus das Subjekt hatte “ • DM0410: „ Eigennamen (z. B. OEA) wurden falsch gesagt “ • EB4081: „ Syntax im Deutschen, eloquente Formulierung(en) im Deutschen, teils unpassende Übersetzungen aufgrund von ‚ Verdeutschung ‘ des Spanischen “ • IZ9291: „ Es gab einige Schwierigkeiten, mich von der spanischen Struktur und von gewissen Wendungen zu lösen (z. B: dicke Haut vs. dickes Fell). Es gab einige solcher Beispiele, die mir jetzt konkret nicht mehr einfallen. Mein Eindruck war, dass meine Verdolmetschung eingedeutschter hätte sein müssen. Ebenfalls wusste ich nicht genau, welche interamerikanische Organisation gemeint war, da ich diese nicht kenne. “ • LV0510: „ Sätze nicht zu Ende gesprochen bzw. syntaktische Fehler (manchmal vergesse ich, wie ich einen Satz begonnen habe) “ • MS1030: „ Oft unidiomatisch oder vereinfacht formuliert. “ Die beispielhaften Auszüge aus den Fragebögen zeigen auf, dass bei der Gruppe der Studenten immer wieder Schwierigkeiten genannt wurden, die im Zusammenhang mit einer Übernahme der spanischen Satzstruktur oder Formulierungen stehen, aber selten konkrete Ausdrücke oder Stellen genannt werden. Teilweise waren hierbei die Studenten sehr streng bei der Selbsteinschätzung, wie zum Beispiel durch den Auszug von IZ9291 ersichtlich wird, wo „ dicke Haut “ als zu nah am Spanischen klassifiziert wurde, obwohl diese Wendungen im Deutschen durchaus gebräuchlich ist und sogar von einer professionellen Dolmetscherin als positives Beispiel für eine sehr gelungene Formulierung genannt wurde. Die Dolmetscherin IZ9291 liegt bei der Interferenzzahl mit 0,7 Interferenzen pro 100 Wörter im unteren Bereich und dies könnte auf einen möglichen Zusammenhang hindeuten, dass großes Augenmerk auf die Vermeidung von Sprachstrukturen aus dem Spanischen und damit von potenziellen Interferenzen gelegt wurde. Die Dolmetscherin mit der höchsten Anzahl an Interferenzen hatte zwar im Fragebogen angegeben, dass der in der Rede verwendete Sprachstil einfach war und auch bei den Auswahlfragen keine sprachlichen Schwierigkeitsstellen ausgewählt, gab jedoch bei der Selbstein- 7.6 Autokorrekturen und Monitoringprozesse 275 <?page no="276"?> schätzung ihrer eigenen Verdolmetschung ebenfalls an, dass Syntax und Formulierungen im Deutschen teilweise vom Spanischen geprägt waren. Der große Einfluss der Ausgangssprache scheint auch in der Gruppe der Studenten bewusst zu sein und auch wenn Interferenzen häufig nicht konkret an den jeweiligen Stellen als solche erkannt werden, wird im Nachhinein zumindest generell eine zu starkes „ Kleben an der Ausgangssprache “ als problematisch eingeschätzt. Einige Auszüge aus den offenen Fragen der Fragebögen bezüglich den wahrgenommenen Problemstellen und der eher nicht so gelungenen Stellen der Verdolmetschungen bei den professionellen Dolmetschern, welche Hinweise auf die Wahrnehmung von Interferenzerscheinungen geben, sind im Anschluss zu finden: • AT 2605: „ Bei der Stelle mit der Theateraufführung hat mich der Begriff ‚ director ‘ verunsichert, ich habe erst im Nachhinein gemerkt, dass es um den Theaterdirektor geht und nicht um einen ‚ director ‘ aus der Regierung, deshalb konnte ich den Dialog mit dem Präsidenten nicht wiedergeben, weil er für mich keinen Sinn ergab, und musste es sehr allgemein halten. “ • CB2023: „‘ blumiger ‘ Sprachstil/ Formulierungen Lateinamerika (Beispiel „ Brüder und Schwestern “ ), es stellt sich die Frage, inwieweit diese im DE übernommen werden sollten. Teilweise Probleme bei der syntaktischen Auflösung der Sätze “ • CT3712: „ Generell wäre es besser gewesen, sich noch mehr vom Ausgangstext und den Formulierungen im Original zu lösen. Die Übertragung der schönen bildlichen Formulierungen aus dem Ausgangstext ist in der deutschen Zielsprache auch nicht immer passend (z. B.: ‚ vom Beginn an bis zum Tag des Ablebens ‘ statt ‚ von der Wiege bis ins Grab ‘ ). Zudem waren die Zitate und eine Sequenz mit zahlreichen aufeinander folgenden Zahlen schwierig. “ • ES0909: „ An zwei Stellen begann der Satz mit einer Verbform, die Präsens oder Indefinido sein konnte, da dauerte es recht lang, bis die Satzaussage klar wurde und die Zweideutigkeit geklärt war. “ • MA1928: „ Die Stelle mit der Hilfe durch Kuba war mir anfangs nicht ganz klar (Ausbildung von medizinischem Personal). Einige Sätze wurden nicht korrekt beendet (Konkordanzprobleme). Einige Begriffe, wo ich mich besser hätte vom spanischen Original lösen können (frühere Periode statt letzte Amtsperiode, Poet statt Dichter etc.). “ • MS2021: „ OEA vs. OAS; PIB vs. BIP ” • NF1957: „ Bei sehr langen Sätzen weiß ich am Ende stellenweise nicht, ob ich die richtigen Verben verwendet habe. Satzstruktur: oft sehr nah an der 276 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="277"?> Struktur des Ausgangstextes, da ich aufgrund der hohen Informationsdichte einen kurzen Time-Lag wählte. “ Die Auszüge aus den retrospektiven Selbsteinschätzungen der professionellen Dolmetscher zeigen auf, dass diese sich sehr häufig noch an konkrete Schwierigkeitsstellen erinnern, im Vergleich zur Studentengruppe mehr Bewusstsein über die Ursachen der Schwierigkeiten haben (z. B. kurze Décalage, unklare Satzanfänge in der Ausgangsrede etc.) und auch bewusster Strategien einsetzen, um mit Problemstellen umzugehen. Durch Übung und Erfahrung im Dolmetschen scheinen hier mehr Kapazitäten für eine bewusste Reflektion über Problemstellen übrig zu sein. Auch bei der Einschätzung bezüglich Selbstkorrekturen zeigt sich, dass professionelle Dolmetscher im Vergleich zu Dolmetschstudenten häufiger angeben, bewusst eine Entscheidung gegen eine Korrektur getroffen zu haben, wobei sie die konkrete Stelle nennen konnten und ihre Entscheidung begründeten. Zwar gaben auch ein paar Studenten an, dass sie zum Beispiel bei nicht idiomatischen Formulierungen auf eine Korrektur verzichten, solange der Satz noch verständlich ist, um nicht auf Grund einer Korrektur den nachfolgenden Inhalt zu verpassen, aber niemand in dieser Gruppe konnte konkrete Schwierigkeitsstellen in der Verdolmetschung benennen und anhand dieser seine Entscheidung für oder gegen eine Autokorrektur begründen. In der Studentengruppe wurde auch häufiger angegeben, dass grammatische Fehler korrigiert wurden, was mit den Daten zur Korrekturhäufigkeit von Interferenzen übereinstimmt, wo bei den Studenten am öftesten morphosyntaktische Interferenzen korrigiert wurden, bei den professionellen Dolmetschern hingegen lexikalische. Interessant ist auch, dass eine der beiden Dolmetscherinnen mit der höchsten Korrekturrate von Interferenzen angab, dass sie „ zu viele Selbstkorrekturen “ in der Verdolmetschung hatte, was wiederum Hinweise darauf liefert, dass auch in der Studentengruppe Korrekturen generell wahrgenommen werden, aber weniger bewusst darüber reflektiert wurde, wann und an welchen konkreten Stellen diese stattfanden oder eine Entscheidung dagegen getroffen wurde. Einige Antworten in der Gruppe der professionellen Dolmetscher geben einen sehr schönen Einblick in die Wahrnehmung und eine bewusste Entscheidung für oder gegen Korrekturen, darunter auch Autokorrekturen von Interferenzen. Dies dürfte ein Hinweis darauf sein, dass professionelle Dolmetscher trotz der meistens größeren Vollständigkeit ihrer Verdolmetschungen mehr freie Kapazitäten für Monitoringprozesse haben, wobei auch sorgfältiger die Vor- und Nachteile einer Korrektur an der jeweiligen Stelle abgewogen werden. Nachfolgender Auszug aus den Antworten einer professionellen 7.6 Autokorrekturen und Monitoringprozesse 277 <?page no="278"?> Dolmetscherin bezüglich Selbstkorrekturen und in diesem Fall konkret bezogen auf zwei Schwierigkeitsstellen, bei denen es zu Interferenzen kam, zeigt exemplarisch, wie Monitoringprozesse während einer Verdolmetschung ablaufen können: TS4972 zu Korrekturen: „ Habe mich zwar mehrmals korrigiert aufgrund von Versprechern und (mindestens) einmal zur Verbesserung einer Formulierung (zu diesem Zeitpunkt - Ende der Rede - bereits nachlassende Konzentration eingetreten), jedoch kann ich mich nicht an alle konkreten Stellen im Detail erinnern. Ausbesserung von ‚ Medizinschulen ‘ in ‚ Medizinuniversitäten ‘ . “ Und zu nicht vorgenommenen Korrekturen: „ Ich hätte gerne ‚ aus dem gleichen Holze geschnitzt ‘ gesagt, jedoch zu lange überlegt, ob für Lateinamerika die Formulierung in Hinblick auf ‚ Lehm ‘ aufgrund des kulturellen Kontexts nicht doch passender ist. Dann beschlossen, den Versuch an dieser Stelle einzustellen ( ‚ misión abortada ‘ : -)), auch wenn dies das Ende weniger elegant als gewünscht gestaltet hat. “ 278 7 Resultate, Überprüfung der Hypothesen und Diskussion <?page no="279"?> 8 Fazit und Ausblick In vorliegender Forschungsarbeit wurden Interferenzerscheinungen beim Simultandolmetschen in die A-Sprache in der Sprachkombination Spanisch - Deutsch untersucht, wobei sowohl linguistische, kognitionspsychologische als auch dolmetschprozessorientierte Aspekte für die Ausarbeitung des empirischen Experiments und die Interpretation der Ergebnisse miteinbezogen wurden. Da es sich um eine erstmalige Datenerhebung zu Interferenzen in der Sprachrichtung Spanisch - Deutsch beim Simultandolmetschen handelt, hatte die Studie zumindest teilweise explorativen Charakter, wobei eine systematische Aufstellung der Interferenzen sowie eine Überprüfung möglicher Korrelationen zwischen Interferenzen und unterschiedlichen anderen Aspekten (wie z. B. Erfahrungsgrad der Dolmetscher, inhaltliche Schwierigkeitsstellen oder eine individuelle Kapazitätsüberlastung) wichtige Ziele der Arbeit waren. Zusätzlich wurden ausgehend von den theoretischen Grundlagen und vorangehenden empirischen Experimenten zu Interferenzen beim Simultandolmetschen in anderen Sprachenpaaren Hypothesen aufgestellt, die in der Studie überpüft und im Ergebnisteil der Arbeit diskutiert wurden. Zusammenfassend werden im Folgenden die wichtigsten Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus den Resultaten der empirischen Studie festgehalten. Interferenzen konnten im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch beim Dolmetschen in die A-Sprache als häufiges Phänomen, mit durchschnittlich 30 Interferenzen in der 30-minütigen Rede bzw. gerundet 1,0 Interferenzen pro 100 Wörter, bestätigt werden. Die individuelle Schwankungsbreite war dabei, wie es auch schon in vorangehenden Experimenten beobachtet werden konnte, sehr hoch, was jedoch vor allem auf die Gruppe der Studenten zutraf, wohingegen die professionellen Dolmetscher in Bezug auf die Interferenzhäufigkeit homogener waren. Die Interferenzanfälligkeit scheint mit einer höheren Outputrate anzusteigen. Letztere scheint allerdings nicht ausschlaggebendes Kriterium dafür zu sein, da manche Verdolmetschungen mit einer hohen Wortanzahl im unteren Bereich in Bezug auf die Interferenzhäufigkeit liegen, während umgekehrt Verdolmetschungen mit einer geringen Wortanzahl nie im überdurchschnittlichen Bereich lagen. Diesbezüglich wären weiterführende Studien notwendig, um neben der reinen Outputrate auch Zusammenhänge zwischen Interferenzhäufigkeit und Exaktheit der Verdolmetschungen zu erforschen. Es konnten keine Hinweise darauf gefunden werden, dass die Anzahl an Berufsjahren oder Dolmetschtagen im Jahr bei den professionellen Dolmetschern <?page no="280"?> einen Einfluss auf die Interferenzhäufigkeit hat. Zwischen der Gruppe der Studenten und der professionellen Dolmetscher gab es zwar kaum Unterschiede in Bezug auf die durchschnittliche Anzahl der Interferenzen sowohl in absoluten Zahlen als auch umgerechnet auf die Wortzahl des Outputs, aber hier konnte klar festgestellt werden, dass die Verdolmetschungen der professionellen Dolmetscher vollständiger waren und eine viel höhere Output-Rate aufwiesen, wodurch die Interferenzgefahr steigt, was wiederum die im Vergleich zu den Studenten fast gleich hohe Durchschnittsrate an Interferenzen erklären kann. Bezüglich der Selbsteinschätzung der Sprachkenntnisse im Spanischen sowie längeren Auslandsaufenthalten in spanischsprachigen Ländern und der Interferenzhäufigkeit konnte keine Korrelation gefunden werden und auch ein Vergleich zwischen Dolmetschern mit Spanisch als B- und C-Sprache ergab keinen Einfluss auf die Interferenzanzahl. Allerdings nahmen 2 professionelle Dolmetscherinnen mit Spanisch als zweite A-Sprache neben dem Deutschen teil und diese wiesen im Vergleich zu den anderen professionellen Dolmetschern eine überdurchschnittlich hohe Interferenzzahl in den Verdolmetschungen auf. Eine zweite A-Sprache steht immer in Verbindung mit sehr ausgeglichenen Sprachkenntnissen in den beiden A-Sprachen, weshalb meistens ein früher Bilingualismus und/ oder lange Auslandsaufenthalte vorliegen, was auch hier der Fall war. Bei beiden Probandinnen kommt zusätzlich zur zweiten A-Sprache nämlich noch hinzu, dass sie über 10 Jahre in spanischsprachigen Ländern verbrachten und beide Sprachen in früher Kindheit erlernten. Diese Ergebnisse sind zwar unter Vorbehalt zu interpretieren, da es sich nur um 2 Teilnehmerinnen mit dieser Besonderheit in der Sprach- und Dolmetschbiographie handelt, liefern jedoch erste interessante Hinweise auf mögliche Zusammenhänge zwischen Interferenzhäufigkeit und zwei A-Sprachen. Die retrospektive Einschätzung der Rede lieferte ebenfalls interessante Daten nicht nur zur Wahrnehmung von Interferenzen, sondern auch zu einem Zusammenhang zwischen Selbsteinschätzung und Interferenzhäufigkeit sowie zwischen Einschätzung der Schwierigkeit der Rede bzw. des Sprachstils der Rede und Interferenzhäufigkeit. Es konnte hier eine Korrelation zwischen einer besseren Selbsteinschätzung der eigenen Verdolmetschung und einer höheren Interferenzzahl festgestellt werden, was auch mit vorangehenden empirischen Experimenten im Einklang steht, sowie vor allem in der Studentengruppe eine deutlich höhere Interferenzrate, je „ einfacher “ der Schwierigkeitsgrad bzw. der Sprachstil der Ausgangsrede bewertet wurde. Bei den professionellen Dolmetschern war dieser zweite Punkt nicht so eindeutig, was daran liegen kann, dass dort die Schwankungsbreite generell geringer war, aber auch Hinweise darauf liefern könnte, dass sprachstrukturelle Schwierigkeiten von Experten häufiger 280 8 Fazit und Ausblick <?page no="281"?> als solche wahrgenommen werden und bei Studenten mehr die inhaltlichen Herausforderungen im Fokus stehen. Insgesamt ist hier aber die Tendenz ablesbar, dass Verdolmetschungen, die von den Dolmetschern selbst als inhaltlich korrekter oder vollständiger wahrgenommen werden, besser bewertet werden, bei den Studenten in klarem Zusammenhang mit einer Einschätzung der Ausgangsrede und der verwendeten Sprache in der Ausgangsrede als „ einfacher “ . Hier kommt wahrscheinlich auch der Umstand zum Tragen, dass mit einer höheren Vollständigkeit auch die potenzielle Interferenzgefahr steigt. Die Korrekturhäufigkeit von Interferenzen betrug insgesamt ca. 17 %, wobei die Studenten um einiges häufiger als die professionellen Dolmetscher Korrekturen vornahmen, insgesamt war sie aber sehr starken individuellen Schwankungen in den einzelnen Verdolmetschungen unterworfen. Die Korrekturhäufigkeit steigt nicht mit zunehmender Interferenzanzahl, sondern die höchsten Korrekturraten konnten bei Interferenzraten im Mittelfeld beobachtet werden. In den offenen Fragen zur retrospektiven Einschätzung konnten Hinweise darauf gefunden werden, dass professionelle Dolmetscher öfter bewusste Entscheidungen für oder gegen eine Korrektur treffen, je nachdem, ob der Sinn stark beeinträchtigt ist oder nicht. Dies untermauert auch ein Blick auf die korrigierten Interferenzkategorien: Bei den Studenten war die am häufigsten korrigierte Kategorie jene der morphosyntaktischen Interferenzen, wohingegen professionelle Dolmetscher am ehesten lexikalische Interferenzen, die auch im Vergleich zu den anderen Kategorien am öftesten zu Sinnveränderungen führen, korrigierten. Studenten konnten sich insgesamt seltener an konkrete Stellen in der Verdolmetschung erinnern und weniger gut einschätzen, wodurch ihre Dolmetschschwierigkeiten entstanden sind oder welche ausgangssprachliche Formulierung dabei ursächlich war, wobei in dieser Gruppe auch keine direkten Überlegungen zu Korrekturentscheidungen mehr in Erinnerung waren. Die 6 im Vorfeld aufgestellten Hypothesen konnten im Experiment bis auf eine alle zumindest teilweise verifiziert werden. Hypothese 1 besagte, dass beim Simultandolmetschen vom Spanischen ins Deutsche lexikalische und morphosyntaktische Interferenzen, wie es auch bei den meisten Experimenten zu anderen Sprachenpaaren der Fall war, als häufigste Kategorie vorkommen. Mit ca. der Hälfte aller ermittelten Interferenzen lagen die lexikalischen Interferenzen klar an erster Stelle und gruppenübergreifend kamen die morphosyntaktischen Interferenzen, wenn auch weit dahinter mit etwas über 20 %, an zweiter Stelle. Hypothese 2 bezog sich auf die sprachstrukturellen Besonderheiten, welche ausgehend von den theoretischen Grundlagen als besonders interferenzbegünstigend beim Simultandolmetschen vom Spanischen ins Deutsche identifiziert 8 Fazit und Ausblick 281 <?page no="282"?> wurden, und beinhaltete, dass diese ermittelten Strukturen und konkret in der Rede gekennzeichneten Stellen dann tatsächlich gehäuft zu Interferenzen im jeweiligen linguistischen Bereich führen. Auch diese Hypothese konnte insgesamt verifiziert werden. Die systematische Aufstellung und Überprüfung der Sprachstrukturen, die konkret im gewählten Sprachenpaar als Schwierigkeitsstellen ermittelt werden konnten, bietet somit einen erstmaligen empirischen Ausgangspunkt für ein mögliches sprachenpaarspezifisches Training und damit zusammenhängend dolmetschdidaktische Ansätzen zum Umgang mit linguistischen Besonderheiten beim Simultandolmetschen vom Spanischen ins Deutsche. Hypothese 3 hatte zum Inhalt, dass Interferenzen gehäuft an den allgemeinen inhaltlichen Schwierigkeiten, wie Passagen mit vielen Zahlen, hoher Informationsdichte, Zitaten etc., auftreten und mit den diesbezüglich in der Rede gekennzeichneten Stellen übereinstimmen, sowie dass individuelle Dolmetschschwierigkeiten, die durch Auslassungen, lange Pausen oder Sinnfehler in der Verdolmetschung erkennbar sind, ebenfalls mit Interferenzen korrelieren. Beide Teile der Hypothese konnten nur teilweise verifiziert werden. Individuelle Dolmetschschwierigkeiten, wie Sinnveränderungen, Auslassungen oder lange Pausen, kamen in ca. 30 % in direkter Umgebung einer Interferenz vor, was darauf hinweist, dass hier ein Zusammenhang besteht, wobei sowohl die Interferenz ursächlich für andere Schwierigkeiten sein kann als auch umgekehrt, die inhaltliche Herausforderung eine Interferenz zur Folge haben kann. Dieser Teil der Hypothese konnte somit nur bedingt verifiziert werden, da im Großteil der Fälle die Interferenzen ohne Zusammenhang mit sichtlichen anderen Dolmetschproblemen aufzutreten scheinen, aber immerhin bei jeder dritten bis vierten Interferenz ein Zusammenspiel von Dolmetschschwierigkeiten und Interferenzen beobachtet werden kann. Ein Zusammenhang zwischen allgemeinen inhaltlichen Schwierigkeitsstellen und einer höheren Interferenzzahl war insgesamt nicht ersichtlich, da diese Passagen ziemlich genau im generellen Durchschnitt lagen. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass inhaltliche Schwierigkeitsstellen häufig zu Auslassungen oder Generalisierungen führen, was wiederum die Interferenzanfälligkeit vermindert. Wenn man die einzelnen Schwierigkeitsstellen individuell betrachtet, kann man jedoch feststellen, dass manche davon ein erhöhtes Interferenzpotential aufweisen. Zitate waren auffällig häufig von Interferenzen betroffen, vor allem unter Berücksichtigung der insgesamt sehr geringen Wortanzahl, die diese ausmachten. Die Passagen mit einer hohen Dichte an Zahlen und Eigennamen haben sich zwar als unauffällig in Bezug auf die Interferenzhäufigkeit herausgestellt, aber Zahlen und Eigennamen selbst scheinen eine erhöhte Interferenzgefahr zu bergen und waren insgesamt im Verlauf der Rede häufig von Interferenzen 282 8 Fazit und Ausblick <?page no="283"?> betroffen. Damit kann Hypothese 4, dass Eigennamen besonders anfällig für Interferenzen sind, als verifiziert angesehen werden. Hypothese 5, dass Dolmetschstudenten und professionelle Dolmetscher im Durchschnitt gleich viele Interferenzen produzieren, wenn man diese in Relation zur Wortanzahl der Verdolmetschung berechnet, kann mit minimal geringem Unterschied bei den professionellen Dolmetschern von durchschnittlich 0,95 Interferenzen pro 100 Wörter im Vergleich zu 1,0 Interferenzen pro 100 Wörter bei der Gruppe der Studenten ebenfalls als verifiziert angesehen werden. Interessant war diesbezüglich, dass zwar die Interferenzhäufigkeit im Durchschnitt bei professionellen Dolmetschern nicht geringer war, dass es aber in dieser Gruppe eine geringere Schwankungsbreite zwischen den einzelnen Dolmetschern gab und dass es bei der Klassifizierung einen auffallenden Unterschied zwischen den beiden Gruppen gab: Während bei den Studenten morphosyntaktische Interferenzen als zweithäufigste Kategorie vorkamen, machten diese bei den professionellen Dolmetschern eine sehr viel geringere Anzahl aus und stehen an dritter Stelle nach den syntaktischen Interferenzen. Beim gehäuften Auftreten von morphosyntaktischen Interferenzen bei Studenten, wobei der Kontrast zwischen den beiden Gruppen hauptsächlich Artikel und Präpositionen betraf, ist davon auszugehen, dass diesbezüglich häufiger die Komponenten von Strukturen einzeln verarbeitet werden. Bezüglich des vermehrten Auftretens von syntaktischen Interferenzen bei professionellen Dolmetschern hingegen müssen neben der größeren Vollständigkeit, die mit einer näheren Verdolmetschung an der Ausgangsstruktur einhergeht, auch strategische Entscheidungen in Betracht gezogen werden. Hypothese 6 bezog sich auf die Korrekturrate, wobei davon ausgegangen wurde, dass Studenten häufiger als professionelle Dolmetscher Interferenzfehler korrigieren. Diese Hypothese konnte mit 6,5 durchschnittlichen Korrekturen von Interferenzen (Korrekturrate von 22 %) in den Verdolmetschungen der Studenten im Vergleich zu 3,8 Korrekturen im Durchschnitt (Korrekturrate von 12 %) bei den professionellen Dolmetschern verifiziert werden, was sich auch mit Daten aus vorangehenden empirischen Experimenten deckt. Die Gründe dafür stehen wahrscheinlich in Verbindung mit einer größeren Vollständigkeit der Verdolmetschung bei den Experten, was weniger freie Zeit für Korrekturen bedeutet, aber auch mit bewussteren strategischen Entscheidungen für oder gegen eine Korrektur - je nachdem als wie sinnstörend sie eingestuft wird - , was sich mit den retrospektiven Daten, aber auch mit den Unterschieden bezüglich der korrigierten Interferenzkategorien in den beiden Gruppen deckt. Zusätzlich werden syntaktische Interferenzen, die bei den professionellen Dolmetschern als zweithäufigste Kategorie vorkamen, auf 8 Fazit und Ausblick 283 <?page no="284"?> Grund dessen, dass sie sehr aufwändig zu korrigieren sind, generell fast nie korrigiert, was ebenfalls noch mithineinspielen könnte. Die hier in Kurzfassung noch einmal dargelegten wichtigsten Ergebnisse der empirischen Studie zeigen, dass die Erfassung von Interferenzerscheinungen sehr viele unterschiedliche Themenbereiche abdeckt und in Korrelation mit verschiedenen Faktoren stehen kann. Da es sich um eine erstmalige Datenerhebung zu Interferenzen beim Simultandolmetschen im Sprachenpaar Spanisch - Deutsch handelt, sollte ein allgemeiner, möglichst breit angelegter Überblick, bei dem auch die unterschiedlichsten Aspekte angesprochen werden, gegeben werden. Dies bedeutet jedoch auch, dass in der vorliegenden Forschungsarbeit nicht detailliert auf alle einzelnen Aspekte und Hinweise, die bei der Datenauswertung gefunden wurden, eingegangen werden konnte, weil sonst einerseits das Ausmaß dieser Arbeit überstiegen worden wäre und andererseits die Erforschung mancher konkreten Teilbereiche ein anderes, explizit darauf abgestimmtes Experimentdesign erfordern würde. Die Daten für den empirischen Teil dieser Arbeit bestehen aus einem Korpus von Transkripten von 11 professionellen Dolmetscher und von 11 Studenten sowie den Fragebögen mit Angaben zu den Dolmetschern und einer retrospektiven Einschätzung. Angesichts der Schwierigkeiten in der Dolmetschwissenschaft, eine ausreichende Anzahl an Probanden mit einer gewissen Sprachkombination, Sprachbiographie und der erforderlichen Dolmetscherfahrung, die für das jeweilige Experiment festgesetzt wird, zu gewinnen, handelt es sich hierbei um ein recht umfassendes Datenmaterial, das sich für die Beantwortung der Fragestellungen der Studie als geeignet bestätigt hat. Die zuvor ausgehend von den linguistischen, kognitionspsychologischen und dolmetschprozessbasierten theoretischen Grundlagen bearbeitete Rede bot ausreichend Schwierigkeitsstellen, sodass auch mit einer geringeren Anzahl an Teilnehmern aussagekräftige Ergebnisse zumindest bezüglich dieser Strukturen erzielt werden hätten können. Für andere Bereiche, wie Korrekturen, Vergleich zwischen professionellen Dolmetschern und Dolmetschstudenten oder den Zusammenhängen zwischen Interferenzen und retrospektiven Einschätzungen war die Anzahl von ungefähr 10 Teilnehmern pro Gruppe auf jeden Fall erforderlich und bezüglich einzelner Aspekte, zum Beispiel dem Einfluss von sehr langen Auslandsaufenthalten oder einem frühen Bilingualismus, wäre eine höhere Zahl von Teilnehmern mit genau diesen Voraussetzungen notwendig, um allgemeinere Aussagen darüber treffen zu können. Eine nicht zu hohe Anzahl an Teilnehmern bringt jedoch auch den Vorteil mit sich, dass offene Fragen qualitativ analysiert und beispielhaft in die Auswertung eingearbeitet werden können, was gerade in Bezug auf die Selbstwahrnehmung und 284 8 Fazit und Ausblick <?page no="285"?> Monitoringprozesse sehr interessante zusätzliche Hinweise in der vorliegenden Studie lieferte. Die gesammelten Daten würden sich auch für die Vertiefung oder eigenständige Bearbeitung einzelner Teilbereiche, wie zum Beispiel der Auswertung von Dolmetschstrategien generell oder konkret in Bezug auf Interferenzen, einer detaillierten und nicht nur auf Interferenzen beschränkten Auswertung von Selbstkorrekturen und Monitoringprozessen etc. eignen, was jedoch Ausmaß für jeweils eigenständige Forschungsgegenstände in zukünftigen Arbeiten bieten würde. Sowohl die Rede als auch die beiden Fragebögen erwiesen sich als sehr gut auf die Beantwortung der Fragestellungen und Hypothesen zugeschnitten, wobei bezüglich des Experimentdesigns noch hinzugefügt werden kann, dass eine Verdolmetschung anhand einer reinen Audio-Aufnahme bei einigen Dolmetschern als Schwierigkeit wahrgenommen wurde, weshalb bei zukünftigen Studien auch in Betracht zu ziehen wäre, hierbei mit einer Videoaufnahme zu arbeiten. Zur Durchführung des Experiments kann noch ergänzt werden, dass sich die Teilnahme am Experiment von zu Hause aus als praktikabel erwiesen hat, wobei hier bei professionellen Dolmetschern auf Grund des heutzutage vermehrten Ferndolmetschens eine gewohnte Arbeitssituation vorlag, bei den Studenten hingegen weniger. Diesbezüglich war eigentlich geplant, die Verdolmetschungen der Studenten ebenfalls in ihrer üblichen Dolmetschumgebung, nämlich den Dolmetschkabinen der Universitäten, bestenfalls im Rahmen des regulären Dolmetschkurses, aufzunehmen, was jedoch auf Grund der Einschränkungen durch die Covid-19-Pandemie nicht möglich war und wodurch eine Anpassung der Durchführung an die Gegebenheiten notwendig war. Leichte Konzentrationsstörungen durch Hintergrundgeräusche oder nicht die beste technische Ausstattung sowie eventuell eine etwas verminderte Motivation durch das fehlende Publikum sind somit insbesondere bei der Studentengruppe nicht ganz auszuschließen. Der Großteil der Studenten gab jedoch an, gut mit der Ferndolmetschsituation zurecht gekommen zu sein. Die empirischen Daten lassen einige klare Tendenzen und in manchen Bereichen auf Grund des explorativen Charakters erste Hinweise auf weitere interessante Zusammenhänge erkennen, aber es sei auch darauf hingewiesen, dass auf Grund der statistisch gesehen doch geringen Anzahl gesicherte Aussagen zu gewissen Aspekten nur durch größere Probandengruppen, was je nach Experimentdesign und Sprachenpaar in der Dolmetschwissenschaft nur bedingt möglich ist, oder durch Folgestudien getätigt werden können. Interferenzen sind, wie im Laufe dieser Arbeit thematisiert wurde, noch immer ein vernachlässigtes Forschungsfeld in der Translations- und im Speziellen der Dolmetschwissenschaft und bieten deshalb noch ein breites Forschungsfeld, 8 Fazit und Ausblick 285 <?page no="286"?> sowohl was sprachenpaarspezifische Vorgehensweisen und vor allem sprachstrukturelle Besonderheiten beim Simultandolmetschen betrifft, als auch bezüglich Zusammenhängen zwischen Interferenzerscheinungen und einigen konkreten Aspekten, wie unterschiedlichen Ausgangsreden, Geschwindigkeit der Rede, Sprachbiographie der Dolmetscher oder Dolmetschstrategien. Ein Ausblick in die Zukunft zeigt in diesem Bereich noch großes offenes Forschungspotential, wobei vor allem vermehrt empirische Daten wünschenswert sind, um die dolmetschwissenschaftliche Forschung voranzubringen. Nachfolgend werden noch einige Themenbereiche angeschnitten, die sich bei der Auswertung der Daten als mögliche Forschungsgebiete von besonderem Interesse für zukünftige Studien im Zusammenhang mit Interferenzen oder mit sprachenpaarspezifischen Besonderheiten aus linguistischer und dolmetschprozessorientierter Perspektive hervorgehoben haben. Die vorliegende Studie liefert eine erstmalige systematische und empirisch überprüfte Aufstellung von sprachstrukturellen Schwierigkeitsstellen beim Simultandolmetschen konkret für das Sprachenpaar Spanisch - Deutsch. Damit stellt sie einen wichtigen Beitrag dar, um aus einer linguistischen und sprachenpaarspezifischen Perspektive Herausforderungen beim Dolmetschen zu beleuchten. Die gewonnenen Daten können folglich als Grundlage und Ausgangspunkt für weiterführende Arbeiten dienen, welche diese dolmetschdidaktisch aufbereiten und sich in weiterer Folge mit Trainingsmöglichkeiten in der Ausbildung von Dolmetschern zur erfolgreichen Verarbeitung dieser linguistischen Strukturen beim Simultandolmetschen vom Spanischen ins Deutsche beschäftigen. In diesem Zusammenhang wäre ebenfalls eine vertiefende Beschäftigung mit Dolmetschstrategien in Bezug auf Interferenzen oder auch generell in Bezug auf sprachstrukturelle Kontraste ein weiteres interessantes Forschungsfeld, wobei bei der Ausarbeitung der Ergebnisse bereits einige Hinweise und Tendenzen in Bezug auf Interferenzen und Dolmetschstrategien erwähnt wurden, eine detaillierte Auseinandersetzung damit bietet aber Inhalt für eigene Studien. Eine vertiefende Erforschung von einzelnen ausgewählten Sprachstrukturen, die sich in vorliegender Studie als besonders interferenzanfällig herausgestellt haben, wie zum Beispiel falschen Freunden oder syntaktisch asymmetrischen Strukturen mit geringem Kontrast, und damit einhergehend ein konkretes Befassen mit dem Umfeld der Struktur, dem Zusammenhang mit strategischen Komponenten, externen Einflüssen etc. könnten ebenfalls noch wichtige Forschungsergebnisse liefern. Ein weiterer interessanter Hinweis, der bei der Auswertung der Ergebnisse gefunden werden konnte, ist ein Unterschied bei der Interferenzhäufigkeit bei Dolmetschern mit zwei A-Sprachen im Zusammenhang mit früher Bilingualität und langen Auslandsaufenthalten. Diesbezüglich können auf Grund der ge- 286 8 Fazit und Ausblick <?page no="287"?> ringen Datenmenge zu Dolmetschern mit dieser besonderen Sprach- und Dolmetschbiographie in der durchgeführten Studie keine allgemeinen Rückschlüsse gezogen werden, aber die Ergebnisse könnten Anstoß für weiterführende Forschungsarbeiten in diesem Bereich geben. Außerdem bergen Interferenzerscheinungen in der Dolmetschwissenschaft immer noch ein großes Forschungspotential in vielerlei Hinsicht, wie zum Beispiel einem Vergleich verschiedener Sprachenpaare, unterschiedlicher Reden, einem Einfluss von externen Faktoren oder auch bezüglich Qualitätsbewertungen. Insofern leistet die vorliegende Forschungsarbeit einen wichtigen empirischen Beitrag, um die Forschungslücke im sehr breiten und vielfältigen Forschungsfeld der Interferenzerscheinungen in der Dolmetschwissenschaft zu verkleinern. Die im Rahmen der empirischen Studie gewonnen Daten sind sowohl von Relevanz aus einer linguistischen und sprachenpaarspezifischen Perspektive konkret für das Sprachenpaar Spanisch - Deutsch, als auch von besonderem Interesse hinsichtlich der Rückschlüsse auf die ablaufenden Sprachverarbeitungsprozesse und strategischen Vorgänge im Dolmetschprozess. Interferenzen geben nämlich einen Einblick in die Prozesse, die bei der bilingualen Sprachverarbeitung und konkret beim Simultandolmetschvorgang fast unsichtbar ablaufen und sind sozusagen in Anspielung an das in der Einleitung präsentierte Zitat von Fromkin (1973) zu Sprechfehlern ein window into the mind of the interpreter. 8 Fazit und Ausblick 287 <?page no="288"?> Bibliographie A GRIFOGLIO , Marjorie (2004) „ Sight translation and interpreting: A comparative analysis of constraints and failures “ , in Interpreting 2004/ 6 (1), 43 - 67. AIIC (2018) Regulation governing admissions and language classification. 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Was ist Ihre Erstsprache (L1) und was ist Ihre Bildungssprache (Sprache in der die Schulbildung hauptsächlich erfolgt ist), falls diese unterschiedlich zur L1 ist? 2. Ist Deutsch Ihre A-Sprache beim Dolmetschen? q Ja q Nein 3. Spanisch ist Ihre … q B-Sprache q C-Sprache 4. Wie würden Sie Ihre rezeptiven Sprachkenntnisse in Spanisch laut GERS 1 einschätzen? q A1 q B1 q C1 q A2 q B2 q C2 1 Falls Sie mit der Einteilung laut GERS nicht vertraut sind, finden Sie eine Beschreibung der unterschiedlichen Niveau-Stufen unter folgendem Link: https: / / www.europaeischerreferenzrahmen.de/ . <?page no="308"?> 5. Was ist bzw. sind Ihre andere(n) Arbeitssprache(n) beim Dolmetschen? 6. In welchen weiteren Sprachen haben Sie Kenntnisse? Bitte geben Sie jeweils das Niveau nach GERS an. 7. Haben Sie Auslandserfahrung in spanischsprachigen Ländern? Wenn ja, bitte um Angabe des Zwecks (Sprachreise, Studium, Arbeit etc.), der Länder und der Dauer der Aufenthalte. Falls Sie mehr Platz für Ihre Angaben brauchen: Die Tabelle erweitert sich automatisch, wenn Sie mit der Tab-Taste weiter klicken. Land Dauer Zweck Dolmetscherfahrung: 8. An welcher Universität und welchem Institut studieren Sie? 9. In welchem Semester des Masterstudiums Dolmetschen befinden Sie sich? 10. Wie viele Stunden pro Woche haben Sie Dolmetschunterricht in der Sprachrichtung Spanisch - Deutsch? 11. Wann haben Sie vor, die Abschlussprüfung im Dolmetschen abzulegen? 12a. Haben Sie bereits Dolmetscherfahrung außerhalb des Studiums gesammelt? q Ja q Nein 308 Anhang <?page no="309"?> 12b. Wenn ja, in welchem Setting und mit welcher Häufigkeit? Geben Sie alle Dolmetscheinsätze, die Sie bisher hatten, an. Falls Sie mehr Platz für Ihre Angaben brauchen: Die Tabelle erweitert sich automatisch, wenn Sie mit der Tab-Taste weiter klicken. Art des Einsatzes Dauer Dolmetschmodus/ Sprachen Anhang 1: Fragebogen 1: Studenten 309 <?page no="310"?> Anhang 2: Fragebogen 1: professionelle Dolmetscher Teil 1 (vor der Verdolmetschung auszufüllen): Angaben zur Person (Sprachkenntnisse und Dolmetscherfahrung) Die Zuordnung der beiden Fragebögen und der Audio-Datei erfolgt mittels eines Codes, um die Anonymität der Probanden zu garantieren. Geben Sie dazu eine 6stellige Ziffern- und Buchstabenkonstellation ein, welche zu Beginn aus zwei beliebigen Großbuchstaben und anschließend aus einer beliebigen 4-stelligen Zahlenkombination besteht (z. B. AE2020). Verwenden Sie denselben Code wie auf dem ersten Teil des Fragebogens auch auf dem zweiten Teil und im Datei- Namen der Audio-Datei. Sprachen und Sprachkenntnisse: 1. Was ist Ihre Erstsprache (L1) und was ist Ihre Bildungssprache (Sprache in der die Schulbildung hauptsächlich erfolgt ist), falls diese unterschiedlich zur L1 ist? 2. Ist Deutsch Ihre A-Sprache beim Dolmetschen? q Ja q Nein 3. Spanisch ist Ihre … q B-Sprache q C-Sprache 4. Wie würden Sie Ihre rezeptiven Sprachkenntnisse in Spanisch laut GERS 2 einschätzen? q A1 q B1 q C1 q A2 q B2 q C2 5. Was ist bzw. sind Ihre andere(n) Arbeitssprache(n) beim Dolmetschen? 2 Falls Sie mit der Einteilung laut GERS nicht vertraut sind, finden Sie eine Beschreibung der unterschiedlichen Niveau-Stufen unter folgendem Link: https: / / www.europaeischerreferenzrahmen.de/ 310 Anhang <?page no="311"?> 6. In welchen weiteren Sprachen haben Sie Kenntnisse? Bitte geben Sie jeweils das Niveau nach GERS an. 7. Haben Sie Auslandserfahrung in spanischsprachigen Ländern? Wenn ja, bitte um Angabe des Zwecks (Sprachreise, Studium, Arbeit etc.), der Länder und der Dauer der Aufenthalte. Land Dauer Zweck Dolmetscherfahrung: 8a. Haben Sie einen Hochschulabschluss im Bereich Dolmetschen? q Ja q Nein 8b. Wenn ja, bitte um Angabe des Instituts, Studiengangs, Jahr des Abschlusses und der Sprachkombinationen. 8c. Falls nein, in welchem Fach haben Sie einen Studienabschluss bzw. welche Ausbildung haben Sie absolviert? 9. Haben Sie eine EU-Akkreditierung als Dolmetscher/ in? q Ja, seit: (bitte um Angabe des Jahres) q Nein 10. Wie lange sind Sie bereits als Dolmetscher/ in tätig? 11. Auf wie viele Dolmetschtage kommen Sie durchschnittlich pro Jahr (denken Sie dabei an ein durchschnittliches Jahr vor der Corona-Zeit)? Anhang 2: Fragebogen 1: professionelle Dolmetscher 311 <?page no="312"?> 12. Welche Themengebiete dolmetschen Sie hauptsächlich? 13. Wie häufig kommt bei Ihren Dolmetscheinsätzen der Modus Simultandolmetschen zum Einsatz? Bitte geben Sie an, in wie viel Prozent der Einsätze Sie durchschnittlich simultan dolmetschen. 312 Anhang <?page no="313"?> Anhang 3: Fragebogen 2 Teil 2 (nach der Verdolmetschung auszufüllen): Retrospektive Einschätzung Die Zuordnung der beiden Fragebögen und der Audio-Datei erfolgt mittels eines Codes, um die Anonymität der Probanden zu garantieren. Geben Sie dazu eine 6stellige Ziffern- und Buchstabenkonstellation ein, welche zu Beginn aus zwei beliebigen Großbuchstaben und anschließend aus einer beliebigen 4-stelligen Zahlenkombination besteht (z. B. AE2020). Verwenden Sie denselben Code wie auf dem ersten Teil des Fragebogens auch auf dem zweiten Teil und im Datei- Namen der Audio-Datei Ihrer Verdolmetschung. Bei den offenen Fragen antworten Sie bitte so ausführlich wie möglich und geben Sie alles an, woran Sie sich bei den gefragten Themen erinnern können, auch wenn Sie eventuell einzelne Bereiche nicht näher erläutern können. 1. Wie schätzen Sie den Schwierigkeitsgrad der Rede insgesamt ein? sehr einfach einfach durchschnittlich schwierig sehr schwierig q q q q q 2. Wie empfanden Sie die Sprechgeschwindigkeit der Rede? sehr langsam langsam durchschnittlich schnell sehr schnell q q q q q 3. Wie würden Sie die Fachterminologie der Rede beschreiben? sehr einfach einfach durchschnittlich schwierig sehr schwierig q q q q q 4. Wie würden Sie die in der Rede verwendete Sprache (Sprachstil, Formulierungen, Sprachstrukturen) beschreiben? sehr einfach einfach durchschnittlich schwierig sehr schwierig q q q q q 5. Wie schätzen Sie die Qualität Ihrer Verdolmetschung ein? sehr gut gut mittelmäßig schlecht sehr schlecht q q q q q Anhang 3: Fragebogen 2 313 <?page no="314"?> 6. Welche der folgenden Faktoren haben Ihnen besonders Schwierigkeiten bereitet? Bitte kreuzen Sie maximal 3 Kategorien an. Falls Sie etwas angeben möchten, was nicht unter den aufgelisteten Kategorien vorkommt, dann kreuzen Sie bitte den Punkt „ Sonstiges “ an und nennen Sie die von Ihnen ermittelte Schwierigkeitskategorie. q Fachterminologie q Akzent des Sprechers q Thema/ fehlendes Hintergrundwissen q Informationsdichte q Verwendeter Sprachstil/ Formulierungen q Phraseologismen q Satzstrukturen q Eigennamen q Zahlen q Sprechgeschwindigkeit q Sonstiges: _____________________ Optionale Anmerkungen (falls Sie eine der genannten Kategorien näher erläutern oder zusätzliche Angaben dazu machen möchten): 7a. Können Sie sich an konkrete Stellen erinnern, die Ihnen Schwierigkeiten bereiteten? q Ja q Nein 7b. Wenn ja, erklären Sie bitte, an welchen Stellen Sie Schwierigkeiten wahrgenommen haben, worin diese bestanden und wie Sie damit umgegangen sind. 8a. Können Sie sich daran erinnern, ob Sie sich in Ihrer Verdolmetschung selbst korrigiert haben und falls ja, mit welcher Häufigkeit? q Ja q häufig q hin und wieder q selten q Nein 8b. Wenn ja, beschreiben Sie bitte, sofern Sie sich daran erinnern, die Problemstelle(n) bzw. die Art des korrigierten Fehlers (Inhalt, Formulierung, Zahl, Versprecher etc.). 314 Anhang <?page no="315"?> 9a. Können Sie sich daran erinnern, ob Sie einen Fehler, ein Formulierungsproblem, einen Versprecher oder ähnliches wahrgenommen haben, sich aber gegen eine Autokorrektur entschieden haben? q Ja q einen Fehler q ein Formulierungsproblem q einen Versprecher q Sonstiges: _____________________ q Nein 9b. Wenn ja, beschreiben Sie bitte kurz, sofern Sie sich daran erinnern, die Problemstelle(n) bzw. die Art des nicht korrigierten Problems (Inhalt, Formulierung, Zahl, Versprecher etc.) und geben Sie jeweils an, warum Sie sich gegen eine Korrektur entschieden haben. 10. Was denken Sie, dass bei Ihrer Verdolmetschung dieser Rede besonders gut gelungen ist und was Sie idealerweise besser hätten dolmetschen können? Besonders gut gelungen Weniger gut gelungen Anhang 3: Fragebogen 2 315 <?page no="316"?> Anhang 4: Ausgangsrede DESARROLLO SOCIAL, DERECHOS HUMANOS Y SISTEMA INTERAMERICANO Lenín Moreno Garcés Presidente Constitucional de la República del Ecuador Washington, abril 16, 2019 Señor secretario general de la Organización de los Estados Americanos, Señoras y señores representantes de los Estados miembros, Excelencias, señoras y señores delegados y ministros, Señoras y señores, Realmente es grato estar con ustedes en este foro de la Organización de los Estados Americanos (OEA), porque es una institución que privilegia el diálogo. El gobierno ecuatoriano ha establecido el diálogo como el mejor mecanismo para el acercamiento de ideas, de sueños, de diversas esperanzas, inquietudes y críticas inclusive, para tratar de alejarnos de aquello que lastimosamente se practicó durante la década pasada en el gobierno ecuatoriano: el creerse el dueño de la verdad única, de la verdad absoluta. La verdad absoluta - todos lo sabemos y lo conocemos por excelencia histórica - depende de la concurrencia de diversos factores, como las circunstancias, las condiciones, el tiempo, las apreciaciones. Por eso, llegar a la verdad absoluta es tan difícil. Vuelvo a recalcar: la verdad absoluta no existe. Hay que buscarla en diálogos, en conversaciones, en mecanismos de acercamiento, en escuchar la opinión de los demás, para tratar de captar lo que - a nuestro parecer - puede parecer asimilarse a lo que más coincide con nuestras realidades. Es muy grato estar en este foro junto a hermanos del continente. Les traigo un abrazo de amistad del pueblo ecuatoriano. Luego de 17 años un presidente ecuatoriano visita la OEA. Aunque, personalmente, ya la conocí desde adentro cuando tuve el honor de presidir el Comité Interamericano para la Eliminación de Todas las Formas de Discriminación contra las Personas con Discapacidad, en el 2012. Vengo a esta cita para reiterar el compromiso de Ecuador con la Organización de Estados Americanos, y con sistemas como éste, que privilegian el diálogo y el acercamiento entre seres humanos. Este es el escenario adecuado para cruzar ideas sobre el presente y futuro de la región. Para pensar en un mundo mejor. Y, sin duda, para estrecharnos las manos como hermanos americanos que somos. Hoy, Ecuador se caracteriza por la defensa absoluta y promoción de los Derechos Humanos. No ocurría así en el período anterior, cuando lastimosamente se 316 Anhang <?page no="317"?> perseguía y encarcelaba periodistas, se cerraban medios de comunicación, se atentaba contra ellos, se los demandaba por millonarias sumas en el intento de quebrarlos y anularlos definitivamente de la libertad de expresión. Nuestro gobierno actúa con profundo respeto a la opinión ajena y a la diversidad de criterios. Es en el diálogo franco y abierto en donde encontramos las soluciones de manera conjunta y proactiva. Por eso me gusta mucho decir que la “ marca del país ” del Ecuador de hoy, es el diálogo. Porque en, y me temo que, en buena parte del mundo, nos dejamos de escuchar. Hay que volver a escucharnos, a mirarnos, a dialogar. En la casa, en la oficina, en la calle y, sobre todo y, ante todo, en y con el gobierno. Intercambiar opiniones, aportar lo mejor de cada uno de nosotros. Entre autoridades y mandantes, más aún todavía. Solo así podremos tomar decisiones correctas, porque las tomamos juntos. Entendemos el desarrollo integral como simbiosis entre el desarrollo social y la construcción de democracia. Y que la economía de cualquier país debe ser manejada para satisfacer las principales necesidades del ser humano. Sobre todo, las de la gente más pobre, que más ayuda necesita, los olvidados y excluidos. Nuestra economía y plan de desarrollo se enfocan hacia generar riqueza para el bienestar de toda la colectividad. ¡Sin excepciones! Estamos convencidos de que no tiene sentido el crecimiento económico, si la riqueza está mal distribuida. El crecimiento solo económico, el enriquecimiento solo de algunos, no nos interesa. Voy a hacer un poco de historia: A días de asumir el gobierno descubrimos un Ecuador gravemente marcado por la crisis económica. Yo pertenecía al gobierno anterior, fui vicepresidente, y haciendo un acto de contrición, un propósito de enmienda y un mea culpa, debo decir con toda sinceridad, que francamente me preocupé muy poco por temas económicos. Yo creía - y lo digo con toda sinceridad - , en la palabra del presidente anterior. Creí que las cifras y datos que nos daba con respecto a que no había actos de corrupción, estaban enmarcados dentro de la verdad. Pero no había sido así. Descubrimos un país gravemente marcado por la crisis económica, con una deuda que casi duplicaba la cantidad que se había dicho, una deuda inmanejable, que para poder cumplir anualmente había que prescindir de todos los recursos de educación, de salud y algo de seguridad. Hubo un nivel de despilfarro que resulta difícil de creer. Para construir obras faraónicas no había dinero, entonces había que pedir prestado, aunque sea a tasas altas y a cortos plazos, pero había que hacer esos proyectos faraónicos. Seguramente para dejar, como los reyes de hace 5 mil años en Egipto, obras por las cuales les recuerden. ¡Qué pena que eso fue a costa de la miseria, a costa de hipotecar el futuro, los sueños de los ecuatorianos! Heredamos una deuda de 70 mil millones de dólares, equivalente al 70 % de nuestro PIB. Pero no toda esa deuda se usó en obras sociales. Una inmensa parte fue a los bolsillos de altos funcionarios corruptos. Anhang 4: Ausgangsrede 317 <?page no="318"?> Cuando llegué al gobierno prometí una guerra sin tregua a la corrupción. Y así lo estamos haciendo. Emprendí el camino del diálogo para enfrentar la crisis, y tender puentes con todos los sectores sociales y económicos. Así pudimos alcanzar estabilidad política y empezar a poner en orden las finanzas públicas. El ministro de Economía de la primera etapa de mi gobierno, cada semana encontraba nuevas deudas. Y descubría que todo fue llevado con una contabilidad de tienda de esquina, con todo respeto a las tiendas. Apenas con los recibos, sin cuentas, sin auditorías, únicamente con ingresos y egresos, en el mejor de los casos. Inclusive a los proveedores y constructores a los que se les adeudaba, se les decía que no hicieran las facturas hasta que haya el dinero para pagarles. Al final nunca hubo el dinero, y es una deuda que también estamos asumiendo. Se dijo que nuestra deuda era de 27 mil millones de dólares. Mentira. Prácticamente triplicaba esa suma. Reorganizamos y redujimos el tamaño del Estado. Frenamos el despilfarro y pusimos en marcha un plan de gobierno ambicioso, al que llamamos “ Toda una Vida ” , que se enmarca en los objetivos de desarrollo sostenible de Naciones Unidas. Ese plan tiene programas y misiones que buscan el bienestar de los ecuatorianos, desde que están en el vientre materno hasta que Dios decide cerrarnos los ojos. Así debe comportarse una sociedad y un gobierno solidario. El bienestar de todos, logrado de forma holística en toda una vida. Albert Einstein decía: “ a aquellas personas que dicen que lo que estamos haciendo es imposible, lo único que les pedimos es que nos dejen trabajar mientras lo logramos ” . Con planificación, disciplina y decisión política, hemos logrado importantes transformaciones en apenas dos años: Redujimos la pobreza y la desigualdad en todas sus formas. Y estamos enfrentando grandes desafíos, con un amplio respaldo popular. Hoy el mundo nos mira con otros ojos, y los organismos financieros internacionales han vuelto a confiar en Ecuador. Ahora hemos obtenido un crédito inédito para Ecuador, de varias instituciones multilaterales internacionales, lo cual nos permitirá poner en orden las finanzas públicas y encaminarnos hacia el desarrollo. Algunos indicadores dan cuenta de que vamos por el camino correcto: En 2017, el PIB per cápita superó los 6 mil dólares, comparado con los 5 mil de 2011. La tasa de pobreza disminuyó más de 5 puntos porcentuales entre 2010 y 2018 situándose en un 23,2 % a finales del año 2018. En el mismo periodo el índice de pobreza extrema bajó de un 11,9 a un 8,6 %. Estas cifras muestran algunos logros importantes, que ya hemos alcanzado juntos. Además, con nuestro plan “ Casa para Todos ” hemos construido millares de viviendas dignas, bonitas y seguras, que son entregadas sin costo a las personas más pobres y vulnerables del país. 318 Anhang <?page no="319"?> Este año tenemos prevista una inversión de 265 millones en bonos de desarrollo humano para 400 mil personas en pobreza, 90 millones para 142 mil personas con discapacidad. Y 123 millones para beneficiar a 400 mil adultos mayores en situación de pobreza y de vulnerabilidad. Con la misión “ Las Manuelas ” , miles de mujeres brigadistas recorren cada rincón de Ecuador, no sólo las grandes ciudades Quito, Guayaquil o Cuenca, sino también las zonas rurales y más aisladas del país, atendiendo a las personas con discapacidad en condición de pobreza y en situación de vulnerabilidad. A nivel nacional en total hasta el momento la misión “ Las Manuelas “ ha beneficiado a 53 mil personas con discapacidad y sus familias. Además de brindar ayuda directa a la gente más afectada, la misión ha contribuido considerablemente a visibilizar el tema de la discapacidad. Esta labor - pionera en el mundo - ha sido reconocida, replicada y mejorada por varios países hermanos de América. El apoyo de especialistas médicos cubanos y venezolanos que se han instalado en Ecuador, trabajando mano a mano con nuestros expertos, y la formación gratuita de miles de jóvenes ecuatorianos en la Escuela de Medicina en La Habana han contribuido considerablemente al éxito de la misión, lo cual agradezco sobremanera. Fue por esa Misión que la OEA me eligió presidente del Comité Interamericano para la Eliminación de Todas las Formas de Discriminación contra las Personas con Discapacidad, en el 2012. Fue por esa Misión que el Dr. Ban Ki Moon, entonces secretario general de la ONU, me nombró su enviado especial sobre discapacidad y accesibilidad. Y creo que fue por eso, que el pueblo ecuatoriano me eligió para atender integralmente a los pobres y excluidos de la Patria. Nos gratifica aquello, porque una vida sin servir a quienes más necesitan no es vida. ¡Y qué mejor que este servicio se extienda por todo el mundo! Queridos amigos: no hay realidades inmutables. Un sueño puede ser posible. William Blake, hace dos siglos, en sus preciosos cuadros que son precursores del surrealismo y en su maravillosa poesía, decía que se puede abarcar con facilidad el sueño en una mano. Es como si soñaras en una rosa, y cuando despiertas ya la tuvieses en tu mano. Los sueños pueden ser posibles. A lo mejor por eso pone Dios los sueños en nuestra cabeza, para que los convirtamos en realidad. Este gobierno ha sido un ejemplo de tolerancia y respeto a la opinión de los demás, a la libertad de expresión, inclusive a la más acerba. En más de una ocasión he manifestado que la crítica es el asesoramiento gratuito que tenemos los gobiernos, y que se debe respetar la opinión de los demás, por más dura que pueda ser. En el ejercicio del gobierno, los gobernantes deben aprender a tener la piel dura. La piel de cocodrilo, para repeler los ataques de miseria humana que debemos soportar. Cuando el general Carlos Soublette era presidente de Venezuela, cuando había libertad de expresión en ese querido país, un grupo teatral hizo una obra que se Anhang 4: Ausgangsrede 319 <?page no="320"?> llamaba “ Señor Presidente ” , en la que se reían del mandatario. Llegó a oídos del presidente que la obra iba a estrenarse en los próximos días, entonces llamó al director, a quien le solicitó que le indique de que se trata. Él le dijo: “ encantado, incluso la podríamos presentar ante usted ” . Ya se pueden imaginar la ridiculización, las exageraciones y críticas acerbas que se le hacía al gobierno. Al terminar la obra, el presidente se reía a carcajadas. Y el director le dijo: “ no le preocupa que nos riamos de usted ” . “ No. Un presidente no debe preocuparse cuando su pueblo se ríe de él, sino cuando el presidente se ríe del pueblo ” , le dijo Soublette. Amigas, amigos: El nuevo Ecuador fortalece cada día la democracia, como elemento indispensable para el desarrollo. Y toda democracia requiere para existir: estabilidad política y social, paz y libertad. La libertad es uno de los derechos más importantes. Nos tomó tiempo cambiar una desafortunada ley de Comunicación que, además, creó instancias oficiales para perseguir y amordazar a los periodistas y políticos. Entonces dije que la prensa y la libertad de expresión solo pueden llamarse así, si son libres. La libertad nadie nos la regala. La libertad es nuestra esencia, está en nuestro ADN vital. Y si no es reconocida y respetada por un gobierno, éste tampoco merece llamarse tal. ¡Sería un desgobierno! Estamos comprometidos con el Sistema Interamericano de Derechos Humanos. Renovamos los acuerdos de cooperación con la Comisión Interamericana de Derechos Humanos. La última muestra de ello ocurrió en septiembre de 2018, cuando Ecuador se convirtió en el quinto país del mundo en ratificar los 18 instrumentos de las Naciones Unidas, en materia de protección de los Derechos Humanos. Atrás quedó un gobierno que generaba desconfianza. Un sistema de intolerancia, de prepotencia y de abusos. ¡Ya no va más en el país! Hemos abierto las puertas a una nueva integración, al consenso, a la solidaridad, a los acuerdos mínimos. Estamos en el proceso de reconstruir la institucionalidad, olvidando los tiempos de arbitrariedad y dominio del derecho del más fuerte. Conscientes de la importancia que tiene la Comisión Interamericana de Derechos Humanos, Ecuador será sede de su próximo período de sesiones. La Carta Democrática Interamericana dice que los pueblos de América tienen derecho a la democracia, y que los gobiernos estamos obligados a promoverla y defenderla. ¡Enhorabuena! ¡Así lo estamos haciendo, cada día! Por eso acogimos con mucho gusto a las dos misiones de observación electoral de la OEA. El informe preliminar de las elecciones de marzo pasado reconoce la alta participación y el ambiente pacífico que hubo en ese proceso. La democracia no nace ni termina en las urnas. Es una tarea diaria y continua, que involucra 320 Anhang <?page no="321"?> todo quehacer, público y privado. El respeto a nuestro planeta, la protección y la conservación de la naturaleza. La justicia. La prosperidad de nuestro país. La ley y los derechos humanos, por sobre cualquier interés particular. Democracia no es el culto a los gobernantes, y mucho menos el perdón y olvido a quienes robaron el dinero de todos y burlaron la confianza de un pueblo. Un gran hombre, hay que reconocer que fue un gran hombre, aunque no estemos de acuerdo con sus ideas o ideologías: Ernesto “ Ché ” Guevara, decía que nadie se gradúa de ser humano, mientras no sienta como propio el dolor que siente otro ser humano en el mundo. Y eso no es nuevo. Hace dos mil años un “ loco ” dijo que hay que amar al prójimo como a nosotros mismos. ¡Qué difícil, ¿no? ¿A cuál prójimo? ¿Al amigo, al enemigo? No: a todos, decía. Eso significa sentirnos alegres con sus alegrías y tristes con su tristeza. Toda autoridad debe salir a menudo a las calles y mantenerse con el oído al piso. Saber qué quieren sus mandantes, qué necesitan, para qué nos eligieron, con qué sueñan, qué les preocupa … Y luego, cuando pasemos del diálogo al gran acuerdo nacional, podremos tomar las decisiones correctas, por difíciles que sean. He debido tomar decisiones económicas complicadas y el país las ha entendido. A los 50 años se toman en el país decisiones. Nadie se había atrevido por miedo a que le saquen del poder. Parecía ser lo único que les preocupaba. Eso a mí no me preocupa, porque volvería a mi casa tranquilamente al otro día. A mí lo que me preocupa es heredar al próximo gobierno - pateando la pelota para adelante - , todos los problemas que nos heredaron. ¿Qué es lo que queda? Las enseñanzas, los principios, los valores, eso es lo que queda. Los sueños, las esperanzas, eso es lo que queda. La seriedad de las instituciones, eso es lo que queremos que quede, no el recuerdo de un presidente. No me importan mi popularidad ni mi aceptación. ¡Ya no estoy en campaña! Yo no gobierno para las próximas elecciones, sino para las futuras generaciones, para que encuentren un país mejor. Quisiera que el gobierno que me suceda encuentre un país encaminado, en el que las cuentas estén claras, en el que haya un ambiente de transparencia, de honestidad; en el que las instituciones sean autónomas, especialmente las instituciones de control para que puedan cumplir con su trabajo. Así entiendo la democracia: menos discursos y más oídos. Sin retórica. Sin palabras ni análisis que nadie entiende. Democracia es lograr que todos alcancen su idea de felicidad. Es necesaria una permanente cooperación entre los gobiernos auténticamente democráticos. Tenemos que frenar el atropello a los pueblos y la violación de los derechos humanos, en cualquier lugar donde ocurra. Debemos iniciar acciones conjuntas para el juzgamiento de los responsables de las crisis humanitarias, así como la reparación integral, y justicia para las víctimas y sus familias. Anhang 4: Ausgangsrede 321 <?page no="322"?> Puesto que somos una Organización de Estados, nos asiste el derecho y la obligación de actuar conjunta y orgánicamente por nuestros pueblos, por su libertad, por la paz y la equidad. Todo lo que ocurra a cualquier ser humano y porque es parte del mundo, siempre nos afecta a todos. Aquí, en este foro, podemos añadir que, en las Américas, nada nos es ajeno ni lejano, porque ahora más que nunca debemos presentarnos amazorcados, decía el poeta Jorge Enrique Adoum, como una mazorca de maíz, juntos, difícil de desgranar al comienzo, pero si se desgrana uno se vuelve fácil. Debemos permanecer sólidos, unidos, para cumplir juntos nuestros objetivos, por una razón muy sencilla: estamos hechos del mismo barro continental, del mismo barro humano. Muchas gracias. 322 Anhang <?page no="323"?> Studien zur kontrastiven deutschiberoromanischen Sprachwissenschaft Das Werk befasst sich mit Interferenzen beim Simultandolmetschen in die A-Sprache in der Sprachkombination Spanisch - Deutsch. Die Erforschung von Interferenzen wurde im Bereich der Dolmetschwissenschaft bislang vernachlässigt, obwohl das Phänomen der Interferenzerscheinungen nicht nur aus linguistischer Perspektive interessant ist, da so sprachspezifische Schwierigkeitsstellen erfasst werden können, sondern auch aus dolmetschprozessorientierter Perspektive, da es einen Einblick in die Sprachverarbeitung und Strategien während des Simultandolmetschens ermöglicht. Es wurde folglich eine interdisziplinäre Perspektive an der Schnittstelle zwischen Linguistik und Dolmetschwissenschaft für die Erforschung von Interferenzen gewählt, um sowohl die linguistischen und sprachenpaarspezifischen Erkenntnisse als auch die Spezifika des Dolmetschprozesses berücksichtigen zu können. Interferenzen beim Simultandolmetschen Konzett SkodiS 7 Jennifer Konzett Interferenzen beim Simultandolmetschen vom Spanischen ins Deutsche aus (psycho)linguistischer und dolmetschprozessorientierter Perspektive ISBN 978-3-8233-8601-8
