Translation als Gestaltung
Beiträge für Klaus Kaindl zur translatorischen Theorie und Praxis
0304
2024
978-3-8233-9607-9
978-3-8233-8607-0
Gunter Narr Verlag
Mira Kadrichttps://orcid.org/0000--000-1-61-52-6
Waltraud Kolbhttps://orcid.org/0000--000-2-78-06-6
Sonja Pöllabauerhttps://orcid.org/0000--000-2-89-91-7
10.24053/9783823396079
Inspiriert von der beeindruckenden Themenvielfalt der wissenschaftlichen Arbeiten von Klaus Kaindl präsentiert dieser Sammelband Beiträge von namhaften Autor:innen zur translatorischen Theorie und Praxis. Die im Buch abgebildete Themenpalette reicht von Beiträgen zur Ausgestaltung der Disziplin, in denen der Blick auf zentrale Grundfragen des Übersetzens, Aspekte von Multimodalität, soziokognitive Translationsprozesse, die Technologisierung der Arbeitswelt von Translator:innen sowie die Social-Media-Sichtbarkeit von Translator:innen gerichtet wird, bis hin zu Studien aus dem Feld der (Literary) Translator Studies, in denen Übersetzer:innen als Gestalter:innen im Zentrum stehen. Weitere Abschnitte widmen sich dem weiten Feld der literarischen Übersetzung, mit Fallstudien zu Übersetzungen aus verschiedenen Genres (Belletristik, Lyrik, Theatertexte, Operntexte, Jugendliteratur, Comics), sowie dem Wirken von fiktionalen Translator:innen in Film und Literatur. Ein persönlicher Nachklang mit Fokus auf dem Operntext als Übersetzungsphänomen rundet den Sammelband ab. Der Band richtet sich an Forscher:innen aus der Translationswissenschaft und verwandten Disziplinen. Er liefert einen Einblick in rezente zentrale Entwicklungen des Fachs und spiegelt die facettenreiche Themenvielfalt aktuellen translationswissenschaftlichen Schaffens.
<?page no="0"?> ISBN 978-3-8233-8607-0 Inspiriert von der beeindruckenden Themenvielfalt der wissenschaftlichen Arbeiten von Klaus Kaindl präsentiert dieser Sammelband Beiträge von namhaften Autor: innen zur translatorischen Theorie und Praxis. Die im Buch abgebildete Themenpalette reicht von Beiträgen zur Ausgestaltung der Disziplin, in denen der Blick auf zentrale Grundfragen des Übersetzens, Aspekte von Multimodalität, soziokognitive Translationsprozesse, die Technologisierung der Arbeitswelt von Translator: innen sowie die Social-Media-Sichtbarkeit von Translator: innen gerichtet wird, bis hin zu Studien aus dem Feld der (Literary) Translator Studies, in denen Übersetzer: innen als Gestalter: innen im Zentrum stehen. Weitere Abschnitte widmen sich dem weiten Feld der literarischen Übersetzung, mit Fallstudien zu Übersetzungen aus verschiedenen Genres (Belletristik, Lyrik, Theatertexte, Operntexte, Jugendliteratur, Comics), sowie dem Wirken von fiktionalen Translator: innen in Film und Literatur. Ein persönlicher Nachklang mit Fokus auf dem Operntext als Übersetzungsphänomen rundet den Sammelband ab. Der Band richtet sich an Forscher: innen aus der Translationswissenschaft und verwandten Disziplinen. Er liefert einen Einblick in rezente zentrale Entwicklungen des Fachs und spiegelt die facettenreiche Themenvielfalt aktuellen translationswissenschaftlichen Schaffens. Kadrić / Kolb / Pöllabauer (Hrsg.) Translation als Gestaltung Translation als Gestaltung Mira Kadrić / Waltraud Kolb / Sonja Pöllabauer (Hrsg.) Beiträge für Klaus Kaindl zur translatorischen Theorie und Praxis <?page no="1"?> Translation als Gestaltung <?page no="3"?> Mira Kadrić / Waltraud Kolb / Sonja Pöllabauer (Hrsg.) Translation als Gestaltung Beiträge für Klaus Kaindl zur translatorischen Theorie und Praxis <?page no="4"?> DOI: https: / / www.doi.org/ 10.24053/ 9783823396079 © 2024 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISBN 978-3-8233-8607-0 (Print) ISBN 978-3-8233-9607-9 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0526-2 (ePub) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 11 21 31 I 43 65 75 87 103 II 119 133 149 165 Inhalt Ouvertüre Waltraud Kolb, Sonja Pöllabauer & Mira Kadrić „Von den Rändern ins Zentrum“. Die Wissenschaftsreise von Klaus Kaindl . . . . . . . . . . Werkverzeichnis Klaus Kaindl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Martin Stegu (Meta-)Biographisches zu und für Klaus Kaindl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltung einer Disziplin Franz Pöchhacker Von verbal zu multimodal. Translationswissenschaftliche Entwicklungslinien . . . . . . . Hanna Risku Reflections on individualized and extended translator studies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andrew Chesterman Benjamin, without doubt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Sandrini Logotherapie für Translator: innen? Selbstverständnis und Kompetenzsuche im Zeitalter der Automatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alexander Künzli „Aber ein toller Film reicht, und man ist wieder Feuer und Flamme für den Beruf “. Zur Arbeitszufriedenheit von Untertitel-Expert: innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersetzer: innen als Gestalter: innen Michelle Woods Rooms, wombs, and stanzas. Translator memoir and Translator Studies . . . . . . . . . . . . Brian James Baer Editorial Purgatory. The English translation of José Lezama Lima’s Paradiso . . . . . . . . Wolfgang Pöckl H.-C. Artmann als Übersetzer in Nichtstandardvarietäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nitsa Ben-Ari Is a translation ever finished? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="6"?> 171 189 III 207 223 231 247 265 IV 277 295 309 327 Susanne Hagemann Textual and academic visibility. Three translators of Lewis Grassic Gibbon’s Sunset Song Mikael Evdokimov Translator: innen als Influencer: innen. Zur Brisanz translatorischer Social-Media-Sichtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das weite Land der Übersetzung Norbert Bachleitner Zwischen historischer Rekonstruktion und Aktualisierung. Übersetzungen von Karl Kraus’ Die letzten Tage der Menschheit ins Englische und Französische . . . . . . . . . . . . . Patricia Godbout À propos de la traduction des littératures autochtones du Canada . . . . . . . . . . . . . . . . . Monika Wozniak Young adult novels from communist Poland in translation. A comparative look at Hanna Ożogowska’s Ucho od śledzia in German and Italian versions . . . . . . . . . . . . . . . Marco Agnetta La ritraduzione dei libretti d’opera come negoziazione del loro potenziale ermeneutico Vitaly A. Nuriev & Vladimir I. Karpov Intersemiotische Übersetzung und Interpunktionszeichen. Einige Überlegungen dazu, wie man bei Verfilmungen Klammern auflöst und Gedankenstriche einsetzt . . . . . . . . Beyond Translation Judith Woodsworth Imagining translation, thinking in metaphors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christiane Nord Wortsucht und sprachlicher Eigensinn. Das Gewicht der Worte von Pascal Mercier . . . Ingrid Kurz Sara und Lorena. Zwei Konferenzdolmetscherinnen in Kriminalromanen aus der Feder von Praktikerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachklang Mary Snell-Hornby „…-e poi le parole“. Der Operntext als Übersetzungsphänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="7"?> Foto: privat <?page no="9"?> Ouvertüre <?page no="11"?> 1 Die Quellenangaben beziehen sich auf das Werkverzeichnis. „Von den Rändern ins Zentrum“ Die Wissenschaftsreise von Klaus Kaindl Waltraud Kolb, Sonja Pöllabauer & Mira Kadrić Dieser Band würdigt das wissenschaftliche Werk Klaus Kaindls, und das ist keine kleine Aufgabe angesichts der Breite und Fülle eines Werks, das im interdisziplinär und pluralis‐ tisch orientierten Fach Translationswissenschaft angesiedelt ist und sich auf eine Vielzahl von Dimensionen erstreckt. Bereits mit seiner 1995 1 veröffentlichten Doktorarbeit Die Oper als Textgestalt. Perspektiven einer interdisziplinären Übersetzungswissenschaft zog Klaus Kaindl die Aufmerksamkeit der internationalen Fachwelt auf sich, ungewöhnlich für eine erste Buchpublikation, die nicht einmal in englischer Sprache verfasst war. Zuvor, noch während der Promotionsphase, war schon ein Beitrag zur Übersetzung des Librettos zu Carmen (1991b) in TexTconTexT, dem damaligen zentralen Organ der deutschsprachigen Translationswissenschaft um Hans Vermeer, erschienen. 1997 widmete jedenfalls das renommierte Fachjournal Target seiner Studie zur Opernübersetzung eine ausführliche Rezension, in der ihm - „a young Austrian translation theoretician and opera lover unde‐ terred by hybrid art forms“ (Gorlée/ van Baest 1997: 377) - attestiert wurde, Pionierarbeit geleistet zu haben. Diese Einschätzung sollte sich in weiterer Folge auch für andere seiner Arbeiten bestätigen. Immer wieder wagt er sich auf neues Terrain und setzt bis dahin unbeachtete Themen auf die translationswissenschaftliche Landkarte oder trägt zu einer Neuperspektivierung bei. Einen ersten solchen Themenschwerpunkt stellen multimodale Texte dar, und der Name Klaus Kaindl ist aufs engste mit der Etablierung des Multimodalitätskonzepts in der Translationswissenschaft verbunden. Pöchhackers Beitrag im vorliegenden Band zeichnet im Detail die Wege seines Kollegen nach, die diesen von der Auffassung multimedialer Texte als ‚Gestalt‘ zur Entwicklung soziosemiotischer Ansätze führten. Im Laufe der Jahre rückt Klaus Kaindl neben dem Musiktheater (u. a. 1991b, 1995, 1997a, 1998d, 2004 f, 2010d, 2020b) eine ganze Reihe weiterer multimodaler Texte in den Fokus: von Popularmusik wie Schla‐ gern, Chansons oder Rock ‘n’ Roll über Musikvideos (z. B. 2003a, 2004c, 2009b, 2011, 2012c, 2020a) bis hin zu Comics und verwandten „hybriden Kunstformen“ wie Graphic Novels (exemplarisch 1998b, 1999b, 2004b, 2004d, 2008b, 2015, 2018a, 2021b). Um Übersetzungen solcher semiotisch komplexer oder „plurisemiotischer“ (2005e) Texte in ihrer jeweiligen zielkulturellen Situiertheit und im Zusammenwirken sprachlicher und nicht-sprachlicher <?page no="12"?> Elemente erfassen zu können, entwickelt er entsprechende Analyseinstrumentarien, für deren Konzeption er auch den Dialog mit benachbarten Disziplinen sucht. Inspiration findet der „beherzte Grenzgänger“ (Pöchhacker in diesem Band) diesbezüglich vor allem in der Semiotik und der Soziologie (beispielsweise in Bourdieus Feld- und Habituskonzepten), aber auch in der Musik- und Literaturwissenschaft (erinnert sei hier etwa an Bachtins Prinzip der Dialogizität). Ganz explizit greift er die Rolle der Interdisziplinarität in der Translationswissenschaft (siehe auch weiter unten) am Beispiel der Comic-Übersetzung in seiner Habilitationsschrift auf (2004g). Ab den 2000er Jahren kommt ein weiterer Forschungsschwerpunkt hinzu: die fiktionale Darstellung von Translator: innen bzw. literarische und filmische Verarbeitungen transla‐ torischer Tätigkeiten. Obwohl vereinzelte Arbeiten diese Thematik bereits in den 1970er und 1980er Jahren aufgegriffen hatten (Steiner 1975; Arrojo 1986; Kurz 1987) und Vieira schon 1996 einen fictional turn in der Translationswissenschaft ausgerufen hatte, fand dieser turn erst in der zweiten Hälfte der Nullerjahre merkbaren Niederschlag - unter reger Beteiligung von Klaus Kaindl. Sein maßgeblicher Beitrag zur Entwicklung dieses Forschungsfeldes umfasst etwa die Organisation der „First International Conference on Fictional Translators in Literature and Film“ (siehe Zentrum für Translationswissenschaft 2011), die das Konferenzthema in der internationalen wissenschaftlichen Community etablierte und zu Nachfolgekonferenzen in Tel Aviv (2013), Montréal (2015) und Guangzhou (2017) führte, durch die das Feld noch weiter gefestigt wurde. Dazu kommen Fallstudien, theoretische und methodologische Darstellungen und Handbucheinträge (beispielsweise 2008e, 2010a, 2010i, 2012e, 2016a, 2018b, 2018c) ebenso wie die Mitherausgeberschaft von bislang vier Sammelbänden zum Thema (Kaindl/ Kurz 2005, 2008b, 2010; Kaindl/ Spitzl 2014). Der rezenteste trägt den Titel Transfiction: Research into the realities of translation fiction und verankerte den Begriff transfiction endgültig im Fach (vgl. Spitzer/ Olivera 2022). In allen diesen Publikationen zeigt Klaus Kaindl eindrücklich, wie einerseits fiktionale Translator: innen „eine ideale Projektionsfläche für die mit der globalisierten Welt verbun‐ denen gesellschaftlichen und kulturellen Befindlichkeiten und Zustände“ zu sein scheinen (Kaindl/ Kurz 2010a: 11) und andererseits fiktionale Verarbeitungen der translatorischen Praxis nicht nur der Theorie als Erkenntnisquelle dienen, sondern auch die Translations‐ didaktik bereichern können. Klaus Kaindls besonderes Augenmerk gilt dabei auch den handelnden Personen und den unterschiedlich angelegten literarischen Konstruktionen von Selbst- und Fremdbildern translatorischer Rollen und Identitäten, wie etwa jüngst in einer Untersuchung von sogenannten transfictional footnote novels, die in Fußnoten vom Haupttext unabhängige narrative translatorische Welten und Identitäten entwerfen (2022). Seit der Jahrtausendwende sind auch die an realen translatorischen Prozessen und Produkten beteiligten Menschen zunehmend in den Vordergrund tranlationswissenschaft‐ lichen Interesses gerückt, ablesbar u. a. am Ruf Pyms (2009) nach einer Humanisierung des Fachs und Chestermans (2009) Vorschlag, Translator Studies als eigenständiges For‐ schungsfeld zu etablieren (vgl. auch Hu 2004). Auch hier hat sich Klaus Kaindl wieder als „pathfinder“ (Gorlée/ van Baest 1997: 377) erwiesen, der neue Wege ein- und vorschlägt. Dabei geht es ihm vor allem auch um eine stärkere Theoretisierung des translatorischen Subjekts, die systematische Entwicklung geeigneter Analysemethoden und - wie bei allen seiner Forschungsschwerpunkte - den epistemologischen Wert solcher Untersuchungen. 12 Waltraud Kolb, Sonja Pöllabauer & Mira Kadrić <?page no="13"?> Zwei Publikationen seien hier stellvertretend genannt: zum einen der Band Dolmetsche‐ rinnen und Dolmetscher im Netz der Macht: Autobiographisch konstruierte Lebenswege in autoritären Regimen (Kaindl et al. 2017b), mit dem er Autobiographien von Translator: innen als Untersuchungsgegenstand verstärkt ins Zentrum rückt - Zeugnisse translatorischen Wirkens, die ihn auch gegenwärtig besonders beschäftigen; zum anderen der Sammelband mit dem richtungsweisenden Titel Literary Translator Studies (Kaindl et al. 2021), der auf eine 2018 in Wien von ihm initiierte Konferenz folgt („Staging the Literary Translator“, siehe Zentrum für Translationswissenschaft 2018) und die Untersuchung literarischer Übersetzer: innen, ihrer Rollen, Identitäten, Persönlichkeiten, ihres Menschseins in allen seinen Dimensionen, als neues Feld translationswissenschaftlicher Forschung definiert. „Translator Studies, as I understand it, is the antithesis to the mechanisation of Translation Studies“, schreibt Klaus Kaindl in seiner Einleitung: „There is little more complex and complicated than the study of a person. Life is not logical, unambiguous, linear, stringent, objective, static - it is usually quite the opposite.“ (2021a: 22). Indem Tranlator: innen nicht auf ihre berufliche Praxis reduziert, sondern als ganze Menschen betrachtet werden, können wir, so Klaus Kaindl, letztendlich ein holistisches Verständnis von Translation för‐ dern: „The investigation of the personal response of a translator to social structures, cultural traditions and ideological values helps to detect the cracks, conflicts and contradictions in the grand narratives of translation.“ (2021a: 23). Ein Untersuchungsstrang führt dabei auch zum Topos der übersetzerischen Sichtbarkeit, dem er sich 2021 etwa mit Andrea Brighentis (2007, 2017) soziologisch geprägtem Ansatz nähert. Dabei ist (Un-)Sichtbarkeit nach Klaus Kaindl multifaktoriell und gründet nicht in einem „expliziten Regelapparat“, sondern im „performativen Akt des doing translation“ (2021c: 48, Kursivierung im Original), aus dem vier Dimensionen übersetzerischer Sichtbarkeit entstehen können: textuelle, mediale, soziale und wissenschaftliche Sichtbarkeit (2021c), wobei Klaus Kaindl zu letzerer ganz maßgeblich beigetragen hat. Ein weiteres Feld, das Klaus Kaindl, vor allem auch gemeinsam mit Brian Baer, für die Translationswissenschaft erschlossen und in ihren Themenkanon eingeschrieben hat, ist jenes der queer translation. Auch hier ist der Mensch, sind Selbst- und Fremdbilder und damit verbunden Identitätsdefinitionen und -zuschreibungen Dreh- und Angelpunkt der inhaltlichen Erörterung. Aufbauend auf der Auseinandersetzung mit queerness als identitätsstiftende Facette von otherness (Baer/ Kaindl 2018a: 1) im Rahmen einer Konferenz 2015 an der Universität Wien („Queering Translation - Translating the Queer“, siehe Zentrum für Translationswissenschaft 2015) veröffentlichte er gemeinsam mit Brian Baer neben einer Arbeitsbibliographie zum Thema (Baer/ Kaindl 2015) einen breit rezipierten Sammelband mit theoretischen Beiträgen und Fallstudien (Baer/ Kaindl 2018b). Die Rezep‐ tion der Publikation zeugt davon, dass der Versuch eines Brückenschlags zwischen Queer Theory und Translationswissenschaft - „to destabilize not only traditional models of representation […] but also the authorial voices and subjectivities they project“ (Baer/ Kaindl 2018a: 10) - gelungen scheint: Sie wird nicht nur als „compelling“ (Ma 2022: 776) und „ground-breaking“ (Gramling 2018: 501; siehe auch Iturregui-Gallardo 2021: 450) gewertet, sondern hat sich zweifelsohne auch, wie im Klappentext erhofft, als „key reading“ etabliert. Weitere Arbeiten im Schaffen Klaus Kaindls widmen sich verschiedenen Facetten der ‚disziplinären Positionsbestimmung‘, wobei dieses für den vorliegenden Überblick Die Wissenschaftsreise von Klaus Kaindl 13 <?page no="14"?> gewählte Etikett der Tiefgründigkeit seiner Ausführungen sowie der Vielfalt der seinen Publikationen zugrunde liegenden theoretischen Ansätze sicher nicht gerecht wird. Immer wieder greift er in seinem wissenschaftlichen Schreiben in differenzierter und nuancierter Form strittige Fragen auf. Dieser Blick für wunde Punkte ist wohl auch der Tatsache geschuldet, dass er in seiner wissenschaftlichen Vita als junger Assistent am damaligen Institut für Übersetzer- und Dolmetscherausbildung in Wien der „quasi ersten […] Genera‐ tion“ (2004a: 149) in den Aufbaujahren der Disziplin angehörte und so - noch am Rande des Systems - Konflikte und die daraus erwachsende Konsolidierungsarbeit hautnah miterlebte (beispielsweise den Wiener „Translationsgipfel“ oder die Gründung der „European Society of Translation Studies“, siehe 2004a) und durch den Appell seiner Doktormutter Mary Snell-Hornby zur „Neuorientierung“ wohl auch zum kritischen Hinsehen angehalten wurde. So befasst er sich auf wissenschaftstheoretischer Ebene etwa mit der Frage des Objektbereichs des Fachs und der Konsolidierung der Disziplin (1997c, 1997d, 2010h), dem (Spannungs-)Verhältnis von Theorie und Praxis (2005d) oder den Formen und der Ausgestaltung von Interdisziplinarität in der Translationswissenschaft (1991a, 1997d, 2004g, 2006a, 2020a). In seinem Ausloten des Objektbereichs der sich neu etablierenden Disziplin, dem er sich intensiv Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre widmet, vergleicht er die Ent‐ wicklungen in der Translationswissenschaft mit ähnlich gelagerten Emanzipationsbestre‐ bungen beispielsweise in der Theaterwissenschaft (1997c). Die Translationswissenschaft als aus linguistischen oder philologischen Teildisziplinen erwachsene Disziplin sieht er dabei nicht als „Stiefkind einer wie auch immer gearteten Textwissenschaft“ (57), auch wenn für ihn der ‚Text‘ als „Basiskategorie“ auch in weiterer Folge zentral ist, damit die junge Disziplin nicht ihre Identität verliert und das Konstrukt ‚Übersetzen‘ nicht nur me‐ taphorisch als Transferhandlung in anderen Disziplinen, wie etwa in den Cultural Studies, bestehen bleibt (2010h). Eine Verlagerung des Fokus auf den größeren Handlungsrahmen, wie bei Holz-Mänttäri (1984) ausgeführt, sieht er dabei als vielversprechend und die anfangs noch vage Ausdifferenzierung der begrifflichen und theoretischen Grundlagen des jungen Fachs nicht als Manko, sondern als Aufforderung, dessen „Erfolgsgeschichte“ (1997c: 62) weiterzuschreiben - ein Fazit, zu dem er selbst im Lauf der Jahre wesentlich beitragen wird. Aus einer wissenschaftstheoretischen Perspektive befasst er sich auch mit theore‐ tisch-methodischen Zugängen in der Disziplin. Ausgehend von den Kuhn‘schen (1979) Ausführungen zu Fortschritt in der Wissenschaft sieht er in der Phase der Normalwissen‐ schaft der Translationswissenschaft weniger ein akzeptiertes Paradigma als in Anlehnung an Toulmin (1968) einen „pluriparadigmatischen Zugang“ (1997d: 229). Sehr kritisch (siehe dazu auch 1997c) wertet er dabei den in dieser Zeit, und hier vor allem in der Dolmetsch‐ wissenschaft (siehe etwa Moser-Mercer 1991), stark präsenten naturwissenschaftlich ge‐ prägten „radikalen Induktivismus“ (1997d: 231), der aus seiner Sicht oft ohne fundierte Theorieeinbettung als „Allheilmittel“ (236) für die Konsolidierung des Fachs erachtet zu werden scheint. Hier fordert er eine größere Akzeptanz auch hermeneutischer Methoden und ein Mehr an wissenschaftstheoretischer Reflexion mit dem Ziel des Aufbrechens der von ihm identifizierten „theoretischen Orientierungslosigkeit“ (1997d: 234). Neben dem Spannungsfeld Empirie-Hermeneutik bzw. quantitativ vs. qualitativ aus‐ gerichtete Methodenorientierung (1997d) beschäftigt ihn auch das Konfliktfeld Theorie- 14 Waltraud Kolb, Sonja Pöllabauer & Mira Kadrić <?page no="15"?> Praxis, das er zur damaligen Zeit als „feindselige Debatte“ (2005d: 47) wahrnimmt. Auf der Grundlage eines systemsoziologischen Blickwinkels (Luhmann 1984) greift er etwa Maturana und Varelas (1987) neurobiologisches Konzept der „Pertubation“ (im Sinne von ‚Störung‘) auf und erörtert, wie Einflüsse von außen in die autopoietischen Systeme der Translationswissenschaft bzw. der Translationspraxis integriert werden könnten, um Adaptationen im System zu bewirken. Derartige Störungen heben Differenzen dabei nicht auf, sondern können aus seiner Sicht befruchtend wirken. In diesem Sinne schlägt er auch eine Brücke zur Ausbildung (siehe unten), deren Ziel es sein sollte, Expert: innentum aufzubauen und zu fördern, um unreflektiert tradiertes Praxiswissen nicht zu perpetuieren, sondern zu „perturbieren“ (2005d: 55) und so durch kritisches Hinterfragen neuen Heraus‐ forderungen begegnen zu können. Umfassend beschäftigt Klaus Kaindl sich auch mit der Frage nach der Ausgestaltung von ‚Interdisziplinarität‘ in der Translationswissenschaft, in Abgrenzung zu Konzepten wie ‚Multi-‘/ ,Pluri-‘ oder ‚Transdisziplinarität‘. Wie er Ende der 1990er feststellt (1999a), ist die Translationswissenschaft kaum durch wissenschaftstheoretisch fundiertes interdis‐ ziplinäres Arbeiten geprägt. Diesen Befund hält er auch 2006 noch weitgehend aufrecht, als er seine Modellierung verschiedener Formen und Stufen der Interdisziplinarität noch um Kriterien für „genuine mutual cooperation“ (2006a: 92) erweitert (umfassend zum Thema siehe seine Habilitationsschrift 2004g). Während Klaus Kaindl das Fach aufgrund von dessen Einverleibung durch die Linguistik lange durch eine imperialistische Inter‐ disziplinarität gekennzeichnet sieht, erkennt er nach der Konsolidierung der Disziplin eine importierende Interdisziplinarität. Eine ‚echte‘ reziproke Interdisziplinarität oder Ausprägung von Transdisziplinarität sieht er (auch weiterhin) nicht gegeben (1999a, 2006a, 2020a). Abhängig von der Fragestellung und auch getrieben durch rasante technologische Entwicklungen identifiziert er bereits Ende der 1990er Jahre die Notwendigkeit einer Ausweitung der Theorie- und Methodenvielfalt, auch wenn diese stets die Gefahr einer weiteren „einseitigen Instrumentalisierung“ (1999a: 152) birgt. Klaus Kaindls holistischer Blick auf Translation als komplexes soziosemiotisches System (z. B. Kaindl 2005e), in dem nicht die fortlaufende Mechanisierung (siehe oben), sondern der handelnde und gestaltende Mensch ins Zentrum gerückt werden sollte (Kaindl et al. 2021), zeigt sich auch in seinen Überlegungen zur Translationsdidaktik - hier liegt sein Fokus vorrangig auf dem Übersetzen, auch wenn seine Ausführungen in ihrer Breite vielerorts auch auf das Dolmetschen übertragbar sind. Wieder richtet sich seine kritische Aufmerksamkeit gerne auf die „cracks, conflicts and contradictions in the grand narratives of translation“ (2021a: 23, siehe oben), so etwa im Zusammenhang mit dem universitären Übersetzungsunterricht (exemplarisch 1996b, 1997b). Wohl geprägt durch die eigenen Er‐ fahrungen als Studierender in den 1980er Jahren, als sich der Übersetzungsunterricht wenig überraschend und mit seltenen Ausnahmen (siehe auch Pöchhacker in diesem Band) auf die ausgangstextorientierte satzbasierte Wiedergabe eines stark reduzierten Repertoires an (Zeitungs-)Texten beschränkt haben dürfte, war Klaus Kaindl die theoretische Fundierung des Unterrichts in Verbindung mit einer konkreten Praxisorientierung stets ein Anliegen. Nach seinem aus persönlicher Sicht „wissenschaftsfreien Übersetzungsstudium“ (2004a: 148) versuchte er diesem Anliegen in der eigenen Lehre von Anbeginn an Rechnung zu tragen. Auf theoretischer Ebene widmet er sich kritisch dem „Festhalten an der Die Wissenschaftsreise von Klaus Kaindl 15 <?page no="16"?> traditionellen Ausbildungspraxis“ (1997b: 99), das er als Zeuge der „disziplinären Bauphase“ (1999a: 138) des Fachs selbst nach dem Aufbrechen der „linguistischen Vormachtstellung“ (1997b: 99) noch Ende der 1990er Jahre in der Konzeption des universitären Überset‐ zungsunterrichts erkennt. Dabei reflektiert er diesen in verschiedenen „Teilsystemen“ des komplexen Systems Universität (1997b: 92), wie dem Fremdsprachenunterricht an Philologien, dem fachlichen Fremdsprachenunterricht an nichtsprachlichen Fachbereichen und dem Übersetzungsunterricht an Instituten für Übersetzen und Dolmetschen, und hält fest, dass Fremdsprachenkundigkeit nicht per se als Qualifikation für eine Lehrtätigkeit im Bereich Translation gewertet werden kann. Besonders vom eigenen Teilsystem fordert er dabei eine modernisierte Konzeption des Unterrichts, in dem „Übersetzen als theoriegelei‐ tete praktische Tätigkeit“ (1997b: 101) gelehrt werden sollte, anstatt in einer veralteten „Konzeptionslosigkeit“, wie im Titel des genannten Beitrags angesprochen, zu verharren. Dieses Bemühen um eine fundierte theoriebasierte Ausbildung neuer Generationen von Translator: innen zeigt sich auch in der Mitgestaltung einer Reihe von Lehrbüchern, die in ihrer inhaltlichen Ausrichtung und Aufbereitung die zieltextorientierte, funktionale Prägung spiegelt, in die Klaus Kaindl als junger Wissenschaftler und Hochschullehrer in der Phase der viel zitierten disziplinären „Neuorientierung“ (Snell-Hornby 1986) und Loslösung von der Linguistik and anderen Textwissenschaften in den 1980er Jahren hineinwuchs. Mit dem 2019 bereits in 6. Auflage (2005, 2007, 2009, 2010, 2012) erschienenen Lehrbuch Translatorische Methodik (Reihe „Basiswissen Translation“) bereiten Mira Kadrić, Klaus Kaindl, Michèle Cooke, und ab 2019 Karin Reithofer, den Boden für eine zeitgemäße Translationsdidaktik, die davon ausgeht, dass für angehende Übersetzer: innen und Dol‐ metscher: innen „der Erwerb von Grundlagenwissen zu ihrer Tätigkeit selbstverständlich und unverzichtbar geworden“ ist (Kadrić et al. 2019, Klappentext). Die theoriebasierte Fundierung der Lehre wird dabei nicht als „Selbstzweck“ gesehen, sondern soll dazu beitragen, „die Praxis auf ein neues, höheres Niveau zu befördern“ (9) und damit die „Basis für das nötige (Selbst-)Bewusstsein zukünftiger Translatorinnen“ (Klappentext) zu bilden. Verschiedene Facetten von „Translation als zentrale Nebensache“ (Kadrić/ Kaindl 2016a: 1) skizzieren Mira Kadrić und Klaus Kaindl differenziert in einem weiteren, in der renommierten UTB-Reihe erschienenen Lehrbuch für Studierende und Fachinteressierte, das sich in seiner breiten Ausrichtung auf Anforderungen, Ausbildung, Arbeitsmittel und Tätigkeitsfelder als würdiger Nachfolger von ähnlich gestalteten ‚Klassikern‘ im deutschsprachigen Raum erweist (etwa Kapp-1991; Best/ Kalina 2002; Kurz/ Moisl 2002). Die Beurteilung translatorischer Leistungen als ein Aspekt der Translationsdidaktik erweckt - vor diesem Hintergrund wenig verwunderlich - ebenfalls das Interesse Klaus Kaindls (1994, 1998c, 2001). Hier beschränkt er sich allerdings nicht auf didaktische Überlegungen, sondern erörtert unter Bezug auf Hanna Riskus kognitionswissenschaft‐ lich fundierte Modellierung von Expertentum (1998) und vor der Folie des von ihm so benannten „Sumpf[s] laienhafter Sprach- und Übersetzungsvorstellungen“ (2001: 320) Dimensionen einer Expert: innenkompetenz für eine fachlich fundierte Übersetzungskritik. Dass seine Expertise, unter anderem zu Themen wie Übersetzungskritik, nicht nur im Rahmen deutschsprachiger Lehr- und Handbücher gefragt und anerkannt ist, belegt seine Autorenschaft von Beiträgen für eine internationale Leser: innenschaft in Handbüchern renommierter Verlage zu Themen wie Comicübersetzung (2010b, 2018a), Multimodalität 16 Waltraud Kolb, Sonja Pöllabauer & Mira Kadrić <?page no="17"?> (2012d), Repräsentation von Translator: innen (2012e) oder Transfiction (2018b). Auch wenn er sich selbst in Bezug auf seine Themenwahl mehr am „Rande der Wissenschaft“ (2004a) verortet, in der er aus eigener Sicht mehr per Zufall und Neigung denn per gezielter Karriereplanung Fuß fasste (siehe ibid.), so zeigt diese Fülle an Handbucheinträgen doch, dass der Grenzgänger per Zufall - polysystemtheoretisch gesprochen - im Zentrum angelangt ist und als Vertreter der Wiener Schule (siehe Pöchhacker in diesem Band) auch international reüssiert. Klaus Kaindls Breite an Interessen und die Offenheit für neue Themen spiegeln sich auch in seiner universitären Lehre und Betreuungstätigkeit wider, wobei die Lehre der Bereich ist, in dem die Wissenschaft Studierenden personifiziert gegenübertritt, gleichsam ein Gesicht bekommt. Klaus Kaindl gehört zu jenen Vertreter: innen des Fachs, die der Lehre ebenso viel Raum und Gedanken widmen wie der Forschung - ein Dienst an den nachrückenden Generationen des Faches. Den Großteil seiner Berufslaufbahn hat Klaus Kaindl am Zentrum für Translationswis‐ senschaft in Wien, der größten translatorischen Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum, verbracht. Das Zentrum steht, so wie seine Mutter, die Universität Wien als größte Hochschule des deutschen Sprachraums, für einen freien Hochschulzugang und einen nicht-elitären, großen Studienbetrieb bei gleichzeitig hohem Qualitätsanspruch. Klaus Kaindl hat Zeit seines Berufslebens auf allen curricularen Ebenen - im Diplomstudium, in den Bachelor- und Masterprogrammen ebenso wie im PhD-Bereich - unterrichtet. Seine Lehrtätigkeit umfasst große Vorlesungen wie auch Veranstaltungen mit kleineren Gruppen (siehe Universität Wien 2023), behandelt breite Themenfelder und zeichnet sich durch den Einsatz vielfältiger didaktischer Methoden aus. Dabei scheut er auch nicht die sogenannten ‚Massenlehrveranstaltungen‘, Vorlesungen mit mehreren hundert Zuhörer: innen. Die ausgezeichneten Evaluierungen durch die Studierenden zeugen von der Gewissenhaftigkeit, mit der er sich der Wissensvermittlung widmet. Für eine Universität lässt sich der Qualitätsanspruch dann am besten erfüllen, wenn die Spitzenvertreter: innen der Forschung sich auch in der Lehre besonders engagieren. Für die Universität Wien ist der außergewöhnliche Einsatz Klaus Kaindls in der Lehre ein Asset und Privileg. So ist es für die Universität etwa wichtig, die Studierenden am Beginn des Studiums für ein Fach zu begeistern. In seinen Vorlesungen zu den Grundlagen der theoretischen und angewandten Translationswissenschaft gelingt Klaus Kaindl genau das. Er vermittelt einen Überblick, stellt Inhalte des Fachs in einen größeren Zusammenhang und regt die Studierenden zur kritischen Bewertung an. Seine Vorlesungen zeichnen sich zudem durch die enge Verknüpfung der Theorie mit praktischen Anwendungen in Form von mehrsprachigen Beispielen aus: Dabei kommt ihm das Beherrschen einer Vielzahl von Sprachen zugute. In seinen Seminaren, etwa zu Forschungsmethodik, zur literarischen und multimodalen Übersetzung oder zu queer translation, bemüht er sich ebenso wie in Master- und PhD-Kol‐ loquien, Studierende frühzeitig in Forschungsaktivitäten einzuführen und ihnen den Weg zu eigenen Interessen und Schwerpunkten freizumachen. Klaus Kaindls Offenheit für die Interessen der Studierenden und seine Bereitschaft zur Betreuung wissenschaftlicher Arbeiten mit neuen, auch unkonventionellen Inhalten erschließen dem Fach neue Per‐ spektiven. In den von ihm betreuten Bachelor- und Masterarbeiten zur Theorie, Qualität Die Wissenschaftsreise von Klaus Kaindl 17 <?page no="18"?> und Praxis der Translation, vorwiegend im Kontext der literarischen, multimedialen und multimodalen Translation, wird auch sein eigenes Werk reflektiert und in neuen Themenfeldern implementiert. Die Verbreiterung des Faches durch das Wirken Klaus Kaindls ist so sichtbar. Dazu kommt der Anspruch, Studierende so früh wie möglich mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft in Kontakt zu bringen und sie in Publikationsaktivitäten und internationale Konferenzen einzubeziehen. Im Ergebnis war und ist sein Wirken bereits für mehrere Generationen von Studierenden der Translationswissenschaft prägend, die mit seinen Werken ins Fach hineinwachsen oder bei ihm studiert haben. Klaus Kaindl gehört wohl zu den Menschen, die als Kosmopoliten geboren sind. Man kann ihn sich in jeder Hauptstadt der Welt vorstellen. Er bewegt sich mit der größten Selbstverständlichkeit durch die vielen Sprachen, die er selbst beherrscht, und durch die internationale akademische Welt. Biographisch der Stadt Wien verbunden, war Klaus Kaindl schon früh weltweit vernetzt. Diese internationale Vernetzung ist wieder stark der Wiener Translationswissenschaft zugutegekommen, insbesondere sein Engagement bei der Organisation internationaler Fachkonferenzen zu innovativen Themen (siehe oben), die zu den Meilensteinen seiner Pionierarbeit gehören und den Standort Wien ein Stück weiter in die translationswissenschaftliche Mitte gerückt haben. Sie illustrieren, wie es ihm gelingt, Themen in den internationalen Diskurs einzuführen und die translationswissenschaftliche Forschung auf der Höhe der Zeit zu halten, was auch in seiner Lehre Niederschlag findet. Die Verzahnung von Forschung und Lehre und eine hohe Qualität im Studienbetrieb sind ohne Engagement und Einsatz von Spitzenforscher: innen in der akademischen Verwaltung kaum möglich. Die Leistungen Klaus Kaindls als Studienprogrammleiter und Studiendekan verdienen hier eine besondere Würdigung. Die Organisation und Qualitätssicherung der Lehre durch alle curricularen Ebenen mit mehr als 700 Lehrveranstaltungen in einem Studienjahr, die Verantwortung für über zweitausend Studierende in studienrechtlichen Belangen und die Fachaufsicht über mehr als 100 Lehrende (siehe Zentrum für Translati‐ onswissenschaft 2023) bedeuten eine besondere Herausforderung, und Klaus Kaindl nutzte diesen Verantwortungsbereich, um neue Qualitätsmaßstäbe in der translatorischen Lehre zu etablieren. Manche Tätigkeiten eines Wissenschaftlers und Universitätsprofessors sind unsichtbar und erfahren wenig Aufmerksamkeit. Das gilt jedenfalls für den Bereich der akademischen Verwaltung und die Übernahme von Funktionen, wie etwa die bereits genannten Verant‐ wortungsbereiche eines Studienprogrammleiters oder eines Studiendekans. Diese Unsicht‐ barkeit betrifft aber ebenso, und vielleicht sogar in noch höherem Maße, die Beteiligung an diversen evaluativen Verfahren für andere facheinschlägige Forschungs- und Ausbildungs‐ stätten, etwa Gutachtertätigkeiten in Berufungsverfahren, für Forschungsprojekte oder internationale Publikationsorgane. So ist Klaus Kaindl Mitglied in mehreren editorial boards sowie Reviewer in zentralen Publikationsorganen wie Meta, Target, Translation Studies, inTRAlinea, Translation and Interpreting Studies oder JoSTrans. Klaus Kaindls über Jahrzehnte konstantes Engagement ist für die Translationswissen‐ schaft von unschätzbarem Wert. Der Erfolg seiner wissenschaftlichen Laufbahn gründet zweifellos auf außergewöhnlichen Begabungen, die er im Berufsalltag, sei es in der Lehre, sei es in der Forschung, mit Genauigkeit und Konsequenz verbindet. Spricht man Menschen auf Klaus Kaindl an, dann heben fast alle - neben seiner wissenschaftlichen und 18 Waltraud Kolb, Sonja Pöllabauer & Mira Kadrić <?page no="19"?> 2 Unser herzlicher Dank gilt auch Simone Uran für ihre Unterstützung bei der Erstellung des Manuskripts. didaktischen Qualifikation - seinen Humor und sein Lachen hervor. Das befreite, herzliche Lachen steht für die Offenheit, die sein gesamtes Wirken prägt und auszeichnet und die Begegnung mit ihm so wertvoll macht. Die vorliegende Schrift versucht die Breite und Buntheit des Wirkens und der Person Klaus Kaindls einzufangen und darzustellen. Dazu versammeln sich in diesem Band zahl‐ reiche dem Jubilar freundschaftlich verbundene Kolleg: innen, um ihm in vier Sprachen zu gratulieren. Ihnen allen wollen wir an dieser Stelle ganz herzlich danken. Wir stellen die Bei‐ träge hier nicht einzeln vor und haben sie auch keiner rigorosen formalen Vereinheitlichung unterzogen, sondern hoffen, dass die jeweils stärkere persönliche Note sowohl dem Jubilar als auch den Autor: innen besser entspricht. Diese stärkere persönliche Prägung gilt für zwei Beiträge ganz besonders, und wir danken sehr herzlich Klaus Kaindls Lebenspartner, Martin Stegu, für seinen (meta-)biographischen Beitrag und seiner Doktormutter und der Doyenne der Wiener Translationswissenschaft, Mary Snell-Hornby, dafür, dass sie diesen Band mit einem so schönen Nachklang abgerundet hat. 2 Der Würdigung und Beglückwünschung Klaus Kaindls durch die Autor: innen schließen wir Herausgeberinnen uns ganz herzlich an! Literatur Arrojo, Rosemary (1986). Oficina de Traduç-o. A Teoría na Prática. S-o Paulo: Ática. Best, Joanna/ Kalina, Sylvia (Hrsg.) (2002). Übersetzen und Dolmetschen. Tübingen: Francke (UTB). 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Wiener Zeitung 17.9.2011. https: / / www.wienerzeitung.at/ h/ das-richtig e-wort-fur (zuletzt aufgerufen 11.10.2023) 30 Werkverzeichnis Klaus Kaindl <?page no="31"?> (Meta-)Biographisches zu und für Klaus Kaindl Martin Stegu 1 Metabiographisches Die Herausgeberinnen der Klaus Kaindl gewidmeten Festschrift haben auch mich gebeten, für diesen Band einen Beitrag zu schreiben. Das mag einige Leser: innen verwundern, weil mich in der translationswissenschaftlichen Community wohl nicht viele kennen werden. Ich bin Sprachwissenschaftler, habe kaum übersetzungswissenschaftlich gearbeitet, scheine daher gar nicht ‚berufen‘, an diesem Buch mitzuwirken. Andererseits, für die, die Klaus (und dadurch auch mich) etwas näher kennen: Es wäre irgendwie sonderbar, wenn ich in diesem Band nicht vertreten wäre. Ich kenne Klaus seit 1987, ja, mehr noch, wir leben eigentlich seit dieser Zeit zusammen, unsere Leben sind seit damals verflochten, vor allem natürlich privat, aber auch in der gegenseitigen Spiegelung unserer wissenschaftlichen Biographien. Und dies ist gleich das uns hier weiter beschäftigende Stichwort: Klaus hat in den letzten Jahren begonnen, sich - im Kontext der von ihm betriebenen „Translator Studies“ (vgl. Kaindl 2021) - intensiv mit Biographien und auch mit (Auto-)Biographie-Theorien zu befassen. Sein Interesse an dieser Thematik, das ich mit etwas anderen Vorzeichen inzwischen auch teile, führt mich daher zunächst zu einem kleinen metabiographischen Vorspann. In der Textsorte Festschrift ist es üblich, auch auf das Leben des: der Gefeierten ein‐ zugehen, in mehr oder weniger ausführlicher Form. Dabei stehen im Allgemeinen die akademischen Stationen im Vordergrund, inklusive der Orte, an denen gelebt bzw. vor allem ‚gewirkt‘ wurde. Wenn es angebracht erscheint, wird auch Privates erwähnt, Herkunft, frühere und spätere - vor allem ‚geordnete‘ - Familienverhältnisse, dazu eventuell als besonders wesentlich erachtete ungewöhnliche Lebensereignisse sowie besondere Zusatzaktivitäten (politischer, zivilgesellschaftlicher, kultureller etc. Natur). Aber im Zentrum stehen akademische Aspekte, während die erwähnten privaten Details vor allem als ‚Goodies‘ (österr. ‚Zuckerln‘) für diejenigen Leser: innen bestimmt zu sein scheinen, für die die wissenschaftlichen Arbeiten des: der Geehrten (und die anderen Beiträge des Bandes) eigentlich nur von sekundärer Bedeutung sind. Mögliche Zusammenhänge zwischen privaten biographischen Ereignissen und wissen‐ schaftlichen Lebensaspekten werden nicht grundsätzlich ausgeklammert, aber werden vor allem dann erwähnt, wenn sie offensichtlich sind („als Diplomat: innenkind verbrachte XY große Teile ihrer Schulzeit in Asien, schon damals erwachte ihr Interesse für die japanische Sprache und Kultur“). Andererseits können auch Lebensumstände als mitteilenswert erachtet werden, die die spätere wissenschaftliche Karriere noch nicht erahnen lassen: <?page no="32"?> „XY wollte nach der Schule unbedingt noch ein Handwerk erlernen …“ oder „XY machte zunächst eine Ausbildung als Rechtsanwalt, bevor-…“. Die Fragen, welche sonstigen Einflüsse es von privaten Faktoren auf ein wissenschaftli‐ ches Œuvre geben könnte oder auch welchen Stellenwert biographische (Teil-, Para-)Texte in der Präsentation einer wissenschaftlich tätigen Person haben, werden in einem derar‐ tigen Rahmen selten mitreflektiert. Die allgemein verbreitete Auffassung ist ja, dass das wis‐ senschaftliche Werk ein von der Biographie im Grunde unabhängiges, autonomes Ganzes darstellt und auch ‚für sich‘ gilt. Die Gültigkeit (oder auch Nicht-Gültigkeit) beispielsweise der Relativitätstheorie hat mit den konkreten Lebensumständen Albert Einsteins nichts zu tun. Zweifellos gibt es jedoch indirekte Beziehungen zwischen Lebensumständen und Forschungsergebnissen - etwa welche äußeren Bedingungen bestimmte wissenschaftliche Leistungen fördern oder auch behindern. Aus der Literaturwissenschaft kennen wir ähnliche Diskussionen, die in verschiedenen Epochen unterschiedlich geführt worden sind und werden: Welchen Einfluss hat das Leben von Schriftsteller: innen auf ihre Literatur (auch und vor allem in nicht als explizit autobio‐ graphisch ausgewiesenen Werken), und welche Rolle dürfen oder sollen Lebensumstände bzw. Biographien von Autor: innen für die Literaturwissenschaft spielen, auch wenn sie vor allem konkrete literarische Texte analysieren will? Es geht hier um Fragestellungen, die meines Erachtens noch viel grundsätzlicher sind und alle potenziellen Beziehungen zwischen Lebensfaktoren einerseits und literarischen, wissenschaftlichen, aber auch anderen professionellen und nicht professionellen (Text-) ‚Produkten‘ betreffen. Welche Beziehungen kann es hier geben und inwieweit können oder müss(t)en sie in einer wissenschaftlichen Analyse miteinbezogen werden? Sollte dies gleich von Beginn an geschehen oder erst in einer späteren, mehr oder minder unabhängig davon erfolgenden Phase? Und wäre diese Einbeziehung ein ganz zentrales Forschungsdesiderat oder doch nur eine optionale, gar unnötige Zusatzaufgabe? Es ist natürlich Forscher: innen frei gestellt, sich auch nur für einen Teilaspekt des ge‐ wählten Forschungsobjekts zu interessieren, so zum Beispiel für die rein intern feststellbare (oder zugeschriebene? ) Struktur eines Textes; Wissenschaft kann ja ohnehin nie wirklich ‚das Ganze‘ denken und bedenken (dies gelingt wohl nicht einmal der Philosophie …). Aber es ist natürlich möglich, den wissenschaftlichen Objektbereich zu erweitern und Aspekte einzubeziehen, die uns vorher als nicht besonders relevant erschienen sind. Ich möchte daher behaupten, dass das Wissen um Lebensumstände von ‚Textproduzent: innen‘ in manchen Fällen auch das Wissen um deren Produkte in sehr sinnvoller, vielleicht sogar notwendiger Weise ergänzt, während es in anderen Fällen nur zusätzliches, sicher auch bereicherndes, aber nicht unbedingt notwendiges Wissen darstellt. Im Grunde gilt eine solche Annahme auch für Äußerungen im Rahmen von Alltagskommunikation, wo es oft auch von großem Nutzen sein kann, mehr über den allgemeinen und situationsspezifi‐ schen Hintergrund der ‚Sender: in‘ eines Kommunikationsakts zu wissen: Bei aller weiter bestehenden Unsicherheit gelingt das Verstehen dessen, was mit dem ‚Äußerungsprodukt‘ eigentlich gemeint ist (oder bescheidener ausgedrückt: gemeint sein könnte), in diesem Fall um einiges besser. (Auch wenn beim Verstehensprozess die Autopoiesis der Empfänger: in wohl immer die Letztinstanz bleiben wird.) 32 Martin Stegu <?page no="33"?> Was hat das nun alles mit Klaus Kaindl zu tun? Klaus hat in seiner eigenen wissen‐ schaftlichen Entwicklung nicht nur seinen Interessensfokus auf immer andere, neue Objekte der Translationswissenschaft ausgeweitet, sondern auch dazu beigetragen, die Translationswissenschaft selbst zu erweitern und dadurch auch zu verändern. Ging es zunächst einmal um die Erweiterung des übersetzungswissenschaftlichen Ansatzes im Fall von Opern-, aber auch Chanson- und Songübersetzungen auch auf das Zeichensystem bzw. den ‚Modus‘ Musik, wurden im Weiteren - vor allem im Bereich von Comics - auch die visuellen Elemente einbezogen, die entgegen einer wohl noch immer weitverbreiteten Meinung im Rahmen des Translationsprozesses ebenfalls ‚mitübersetzt‘ werden (bzw. werden können oder sollten). Schließlich wandte sich Klaus Kaindl den Übersetzer: innen als Personen zu, zunächst in deren Darstellung in fiktionalen Texten und schließlich auch realen Translator: innen und deren Biographien. Lange galt Übersetzung nur als Transcodierungsvorgang, der, solange es noch keine perfekten Übersetzungsmaschinen geben würde, zwar von Menschen durchgeführt werden musste, deren jeweilige Individualität und vor allem auch Kreativität aber vielfach ausgeblendet wurden. Der in letzter Zeit bemerkbare turn hin zu einer inten‐ siveren Auseinandersetzung mit übersetzenden Menschen, deren Leben, Persönlichkeiten, Schicksalen lässt sich hingegen als Beitrag zur Entmechanisierung und Humanisierung der Translationswissenschaft begreifen (vgl. Kaindl 2021). Klaus Kaindl wurde damit eine: r der ersten Vertreter: innen der „(Literary) Translator Studies“ und begann sich dabei besonders auch für Autobiographien von Übersetzer: innen zu interessieren. Dabei wandte er sich u. a. den (Auto-)Biography Studies zu, was dann auch zu einem doch intensiven ‚biographietheoretischen‘ Dialog zwischen uns beiden führen sollte. Im Zusammenhang mit eigenen autobiographischen Plänen stellte ich mir nämlich schon länger die Frage, ob es denn nicht möglich wäre, Zusammenhänge zwischen allgemeinen Lebensumständen oder -erfahrungen von Wissenschaftler: innen und deren konkreten Theorieansätzen festzustellen. (Etwas später entdeckte ich dazu auch ähnliche Überlegungen bei Thomä et al. 2015 bzw. auch Prasad et al. 2022). Könnten Lebenserfah‐ rungen bzw. Biographien von Wissenschaftler: innen nicht auch in ihre (eigenen) Theorien ‚eingeschrieben‘, in diesen zumindest als Spuren enthalten sein? Nur um ein Beispiel aus meinem eigenen Fragenkatalog zu nennen: Können sich Nicht-Eindeutigkeits- und Widersprüchlichkeitserfahrungen im Alltagsleben auch auf die Form theoretischer Modelle und Aussagen auswirken? Um zu Klaus Kaindls Translator Studies zurückzukehren, wäre hier auch die Fragestel‐ lung denkbar, ob und welche Zusammenhänge es zwischen autobiographisch erwähnten Einstellungen zur eigenen Übersetzungs- oder Dolmetschtätigkeit und der tatsächlich ausgeübten Translationspraxis gibt - was aber momentan zugegebenermaßen nicht der Hauptfokus seiner Forschungsinteressen ist. Es geht ihm eher um die Art und Weise, wie Menschen ihr ‚Leben als Translator: in‘ autobiographisch konstruieren, ohne dass diese Konstruktionen mit einer als objektiv angenommenen Wirklichkeit oder auch mit den von ihnen geschaffenen Translaten ständig abgeglichen werden müssen. (Das schließt aber nicht aus, dass grundsätzliche politische und soziologische Rahmenbedingungen wie etwa Dolmetschen in einer Diktatur mitbedacht werden.) (Meta-)Biographisches zu und für Klaus Kaindl 33 <?page no="34"?> Als die Idee zu diesem Festschriftbeitrag entstand, stellte sich die Frage, ob Translator Studies nicht auch in Richtung „Translator Scholar Studies“ erweitert werden könnten oder sollten, etwa in Anknüpfung an Projekte wie jenes von Pöckl (2004), in denen Translati‐ onswissenschaftler: innen erzählen, wie sie zu ihrem Fach gefunden haben. (Auto-)Biogra‐ phien von Translator: innen und Translationswissenschaftler: innen weisen sicher gewisse Überschneidungen auf, sind Letztere ja oft selbst als Übersetzer: innen tätig. In beiden Fällen wird wohl immer auch über das Grundverständnis des eigenen Tuns reflektiert, allerdings ergeben sich bei Translatolog: innen noch zusätzliche Überschneidungen mit (Auto-)Biographien von Wissenschaftler: innen sonstiger Disziplinen. Wie inzwischen schon mehrfach angedeutet, bin ich jedenfalls überzeugt, dass es auch bei Wissenschaftler: innen verschiedenste Einflüsse ihrer Persönlichkeit und ihres nicht-wissenschaftlichen Lebens auf ihre eigene wissenschaftliche Tätigkeit gibt. Genauso wie in Translaten Spuren ihrer Translator: innen nachweisbar sind, lassen sich auch in wissenschaftlichen Texten Spuren ihrer Autor: innen finden. Beim Grad der Ein- oder Ausblendung der Eigenpersönlichkeit mag es Unterschiede zwischen Disziplinen, zwischen wissenschaftlichen Schulen, aber auch einzelnen Forscher: innen geben. Klaus Kaindl schreibt in der im vorigen Absatz erwähnten Publikation sogar selbst dazu: „Natürlich hat die Art und Weise, wie man Wissenschaft betreibt, immer auch mit der eigenen Person zu tun, Persönliches ist in der Forschung allerdings für aufmerksame LeserInnen höchstens zwischen den Zeilen eines Textes heraus zu lesen“ (Kaindl 2004: 147). So ist auch die von ihm zwischendurch betriebene Öffnung der Translationswissenschaft zu queer(theoretisch)en Themen sicher zu einem Teil biographisch begründet. Nicht nur in diesem Zusammenhang hat er allerdings auch gerne betont, wie sehr er rein persönlichen Befindlichkeiten, wie sie heute in gesellschaftspolitischen Diskussionen oft eine prominente Rolle spielen, sehr skeptisch gegenübersteht. Trotzdem, Klaus Kaindls Texte sind keine Produkte total anonymisierter Wissenschaft; gerade, wenn man ihn gut kennt, weiß man, wie sehr es seine Texte sind-… Klaus hat grundsätzlich darauf Wert gelegt, die Bereiche Privates und Beruflich-Wis‐ senschaftliches niemals ganz ineinander verschwimmen zu lassen; gerade die private Umgebung hat es ihm ermöglicht, sich von beruflichem Stress zu erholen, und schon deshalb waren für ihn diesbezügliche Abgrenzungen wichtig. Dennoch würde etwas Wesentliches fehlen, würde ich nicht auf einige Schnittstellen von Privatem und Wissenschaftsbezogenem hinweisen, von denen ich mir vorstellen kann, dass sie auch von Klaus im Nachhinein das ‚Imprimatur‘ gewährt bekommen - zumal er ja auf einige Punkte auch bereits selbst im erwähnten Text (Kaindl 2004) eingeht. 2 Biographisches Bei der Wahl seines Studiums hatte Klaus wohl zunächst nicht daran gedacht, Wissen‐ schaftler zu werden - noch dazu, wo im damaligen „Dolmetschinstitut“ die Wissenschaft noch keine allzu große Rolle spielte. Nachdem er sein Studium zunächst mit dem Mag. phil. beendet hatte, wollte Klaus aber noch ein Doktorat anschließen. Wir hatten einander erst kurze Zeit davor kennengelernt, und er gestand mir später, dass meine eigene Biographie 34 Martin Stegu <?page no="35"?> - ich war seit einigen Jahren Dr. phil. und Universitätsassistent für romanische Sprachen an der Wirtschaftsuniversität Wien - ihn in diesem Vorhaben bestärkt hatte. Es ging aber zunächst einmal darum, ein Dissertationsthema zu finden, von einer wissenschaftlichen Karriere im engeren Sinn war noch keine Rede. Es ist kein großes Geheimnis, dass Klaus immer schon ein großer Opernfreund war (und damals auch oftmaliger Stehplatzbesucher), und daher wollte er ein Thema finden, bei dem Opern und Übersetzung(en) in irgendeiner Weise gemeinsam behandelt werden konnten. Dissertati‐ onsbetreuer: innen mussten damals außerhalb des Instituts (und nunmehrigen „Zentrums“) gesucht werden, da es dort - mit Ausnahme von Hildegund Bühler (mit einer am Institut für Sprachwissenschaft der Universität Wien im Jahr 1987 erworbenen Venia „Angewandte Übersetzungswissenschaft und Terminographie“) - noch keine internen habilitierten Wis‐ senschaftler: innen oder gar Professor: innen gab. Klaus suchte vor allem in den philologischen Fächern mögliche Betreuer: innen in deren Sprechstunden auf, darunter einen damals recht berühmten Libretto-Spezialisten an der Germanistik. Aber niemand konnte er mit seinen - damals noch recht vagen - Interessen im Schnittbereich von Oper und Translation überzeugen. Dann hieß es auf einmal, es gebe endlich eine Professur am „Dolmetschinstitut“ mit einer soeben eingetroffenen neuen Professorin, und Klaus erblickte hier seine ‚letzte Chance‘. Die neue Professorin war niemand anderer als Mary Snell-Hornby, die die erste Begeg‐ nung mit Klaus ebenfalls in ihrem Beitrag am Ende dieses Bandes beschreibt. Ich habe auch noch deutliche Erinnerungen an jenen Tag, weiß aber natürlich nicht, ob sie tatsächlich richtig sind (vielleicht ist das Ganze nicht „vero“, sondern nur „ben trovato“; ‚konstruiert‘ sind ja biographische Elemente [Fakten? ] auf alle Fälle …). Jedenfalls komme ich an jenem Abend nach einem Vortragsbesuch später als sonst nach Hause. Klaus sitzt am Boden, vor unserem niedrigen Wohnzimmertischchen, umgeben von zig Formularen und Papieren. „Gerade heute kommst du so spät“, schimpfte er. Was war passiert? Klaus hatte in den Stunden davor nicht nur seine Dissertationsbetreuerin gefunden, sondern gleich auch ganz spontan eine Assistent: innenstelle angeboten bekommen. „Sie haben romanische Sprachen bei uns gewählt? Sie haben an unserem Institut studiert? Es ist gerade eine Stelle ausgeschrieben - hier sind die Bewerbungsformulare, füllen Sie sie bitte bis morgen aus! “ Es hatte anscheinend schon andere Bewerbungen gegeben, aber alle von Absol‐ vent: innen philologischer Institute, Mary Snell-Hornby wollte jedoch unbedingt eine Person mit abgeschlossenem Translationsstudium. Diese Geschichte der ‚Entdeckung‘ des Klaus Kaindl für die (Übersetzungs-)Wissenschaft mit dem spontanen Stellenangebot an ihn ist für mich und wohl für die meisten Menschen, die das heutige, aber auch schon frühere Universitätssystem kennen - mit der Schwierigkeit, überhaupt eine Uni-Stelle zu finden und diese auch weiter behalten zu dürfen - ein fast unvorstellbares, kaum glaubwürdiges Szenario, geradezu ein Märchen. Hier ist Mary Snell-Hornby in ganz besonderer Weise dafür zu danken, dass sie den Mut hatte, eine solche Entscheidung zu treffen und Klaus diese Chance zu bieten. Sie hatte tatsächlich die besondere Gabe, Potenziale zu erkennen - was sich auch bei einer ganzen Reihe anderer Personalentscheidungen gezeigt hat. Ich musste mich von da an sowohl erst an die neue Rolle von Klaus als Wissenschaftler als schließlich auch an die Rolle einer eigenen Disziplin „Translationswissenschaft“ gewöhnen (als Linguist alter Schule war diese natürlich für mich eine Subdisziplin der angewandten (Meta-)Biographisches zu und für Klaus Kaindl 35 <?page no="36"?> Linguistik gewesen …), aber von beidem war ich nach einiger Zeit überzeugt. Klaus war darum zu beneiden, dass er selbst am Aufbau einer neuen (Inter-)Disziplin mitwirken konnte, in einer größtenteils auch international noch überschaubaren Community - im Gegensatz zur unüberschaubaren Menge weltweit tätiger Linguist: innen. Innerhalb kürzester Zeit hat er eine intellektuell-wissenschaftliche Entwicklung genommen, die mich sehr beeindruckt hat; auch das zunächst doch noch bestehende ‚Lehrer-Schüler-Verhältnis‘ - disziplinenübergreifend gesehen - verwandelte sich rasch in ein Verhältnis gleichberech‐ tigter wissenschaftlicher Gesprächspartner. Bei manchen wissenschaftlichen und allgemein ‚intellektuellen‘ Themen bin inzwischen sogar ich es, der Klaus mehr um Rat fragt als umgekehrt-… Die Konstellation, dass wir beide beruflich und wissenschaftlich in ähnlichen, aber doch nicht identischen Bereichen tätig waren, war für uns beide ein besonderer, uns bereichernder Glücksfall. Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten waren auch in den meisten anderen Bereichen richtig aufgeteilt und haben einander sehr gut ergänzt. Vor allem haben wir - vielleicht das Wichtigste - ein sehr ähnliches Konzept von ‚Alltag‘, das für uns eigentlich seit jeher mit positiven Konnotationen verbunden war und uns vor allem an unsere vielen gemeinsam gepflegten Rituale denken lässt. Wie erwähnt, hat das Phänomen ‚Oper‘ in Klaus’ Leben immer eine wichtige Rolle gespielt, und so hat sich auch seine Opernbegeisterung bis heute auf viele der gerade erwähnten Alltagsrituale ausgewirkt - so werden z. B. unzählige Opernzitate (von Tosca bis Salome) - als Teil einer Art ‚Geheimcode‘ zwischen uns - kreativ auf ganz andere Lebenssituationen angewandt. Eine weitere Begabung, die ich ebenfalls im Zusammenhang mit seinen beruflichen und wissenschaftlichen Interessen sehe, ist seine semiotisch-textuelle Kompetenz, wobei ich hier besonders an die rezeptive Seite denke: Wenn wir z. B. gemeinsam Filme anschauen, weiß er aufgrund bestimmter Bild-, Musik-, Gesprächskonventionen fast immer, wie die Handlung gleich unmittelbar weitergehen und sogar oft, nach nur wenigen Minuten Filmrezeption, wie sie überhaupt enden wird. Eine weitere unbedingt zu erwähnende Eigenschaft von Klaus ist sein beeindruckendes Zeitmanagement, das sowohl seinen wissenschaftlichen als auch nicht-wissenschaftlichen Aktivitäten zugutekommt. Nie hat man den Eindruck, dass er gehetzt ist, nie versäumt er irgendwelche Deadlines (und kann es auch bei anderen nicht verstehen, dass so etwas überhaupt vorkommen kann - Gott sei Dank ahnt er noch nichts von der etwas verspäteten Abgabe auch des hier vorliegenden Beitrags! ). PowerPoint-Folien für Vorträge hat er schon Wochen davor fertig vorbereitet - wie gut kennen wir ja Kolleg: innen, die sich noch nach Ankunft am Konferenzort bis zur letzten Minute der Fertigstellung ihres Vortrags widmen müssen … Dieses Zeitmanagement betrifft auch ganz andere Bereiche. Er ist ja auch ein äußerst guter Koch, und fünfgängige Menüs bei Einladungen gelingen ihm ohne ersichtlichen Stress (und nebenbei, wie ein Wunder, ist sogar die Küche beim Aufbruch der Gäste schon wieder fast ganz sauber). All das erklärt sich wohl daraus, dass er es schafft, (für ihn) Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und dieses Unwichtige bzw., besser gesagt, das für ihn momentan, aber auch allgemein Irrelevante geschickt auszublenden und oft auch gleich ganz aus dem Gedächtnis zu verbannen. 36 Martin Stegu <?page no="37"?> Einerseits ist Klaus sehr offen und sozial - wenn man ihn in einem größeren Gebäude sucht, ist er relativ leicht zu finden, weil das lauteste und fröhlichste Lachen ihm gehört und er dadurch seinen Aufenthaltsort nicht ganz geheim halten kann. Andererseits strengt ihn Smalltalk, etwa bei conference dinners oder anderen offiziellen Anlässen, meist ein wenig an, und er fühlt sich in kleineren Runden viel wohler. Sein gutes Zeitmanagement betrifft nicht nur die gerade ausgeübten oder anstehenden Aktivitäten, sondern auch die harmonische Ausgewogenheit zwischen seinem univer‐ sitär-wissenschaftlichen und privaten Leben, etwas, was heute gerne als Work-Life-Balance bezeichnet wird. Er war nie jemand, der fanatisch nur für seine wissenschaftliche Tätigkeit gelebt hat, welcher sich alles andere (und alle anderen) hätten unterordnen müssen, nein, im Gegenteil, es war ihm sowohl aufgrund seiner inneren Disposition als auch aufgrund meist sehr günstiger Arbeitsbedingungen möglich, wissenschaftliche und private Interessen in gleicher Weise zu verfolgen. Dabei gab es große Bereiche, wie Oper, Chansons, Comics, Kultur und Kulturen (im weitesten Sinne), die in beiden Sphären wichtig für ihn waren und diese auch stets miteinander verbunden haben. In dieser Hinsicht gingen privates und berufliches Leben sehr wohl ineinander über - genauso wie es auch viele sehr freundschaftliche Beziehungen zu Berufskolleg: innen gab und gibt. Bis heute weiß ich eigentlich nicht, welche Rolle Ehrgeiz in Klaus’ Leben gespielt hat oder noch spielt. Wenn überhaupt, dann eine sehr geringe. Es ging ihm wohl immer mehr darum, ein zufriedenes Leben leben zu können, wobei für ihn aufgrund seiner Interessen und Begabungen Zufriedenheit nie mit Bequemlichkeit oder gar Untätigkeit gleichzusetzen waren. Auch für mich war es immer erstaunlich, wie produktiv er war, ohne dass besondere Abstriche von seinem sonstigen Leben aufgefallen wären (also kein „Ich muss mich jetzt für zwei Wochen in Klausur begeben, um diese Publikation endlich abzuschließen.“). Auch wenn Klaus in letzter Zeit begonnen hat, sich mit Forschungsanträgen zu be‐ fassen, die u. a. zusätzliche, wenn auch zeitlich begrenzte Stellen für Nachwuchswissen‐ schaftler: innen bzw. auch für Teams schaffen sollen, war er immer eher ein Einzelforscher. Von gemeinsamen Buchherausgaben abgesehen, hat er vor allem gerne allein gearbeitet - die neuesten Trends der Community (oder verwandter Communitys) selbstverständlich einbeziehend und mit diesen Personen auch in ständigem Austausch befindlich, aber doch, was das Nachdenken, Analysieren, Auswerten und Schreiben betrifft, lieber individuell, ‚im stillen Kämmerlein‘ werkend. Als jemand, der nicht aus anderen Disziplinen, vor allem aus der Linguistik, über‐ gewechselt ist, sondern selbst als Kernfach Übersetzen und Dolmetschen studiert hat, gehörte Klaus zur ersten Generation und in gewisser Weise zur Avantgarde der sich neu etablierenden Übersetzungswissenschaft. Wir haben beide aber gerade in letzter Zeit oft darüber gesprochen, wie sehr sich die Wissenschaftslandschaft verändert hat, inzwischen auch in geisteswissenschaftlichen Disziplinen ‚ein ganz anderer Wind weht‘ und Mainstream-Forschungsszenarien aus anderen Wissenschaftsfeldern übernommen werden. Vielleicht etwas zu pointiert ausgedrückt, scheint bei Postenbesetzungen - und dies nicht nur bei Professuren - inzwischen außerdem weniger wichtig, was jemand für ein Fach geleistet hat oder potenziell noch leisten könnte, sondern ob jemand Begabung im ‚Drittmitteleinwerben‘ hat-… (Meta-)Biographisches zu und für Klaus Kaindl 37 <?page no="38"?> Klaus hatte ja das Glück, zu einer Zeit von einer österreichischen Universität angestellt zu werden, in der es - zumindest mit den innerhalb nicht allzu langer Fristen abgeschlossenen Qualifikationen Doktorat und Habilitation - möglich war, fix an einer Universität zu bleiben. Dies bedeutete für Klaus natürlich von Anfang an viel Sicherheit, auch wenn er es - man denke z. B. an einen ersten Listenplatz in Innsbruck - ohne Weiteres geschafft hätte, auch unter anderen vertraglichen Bedingungen eine universitäre Laufbahn erfolgreich weiterzuführen. Ich habe auf diesen Seiten wahrscheinlich ohnehin zu weit ausgeholt - daher wäre es unangebracht, an dieser Stelle noch weitere ausführliche Überlegungen zu Veränderungen in der universitären bzw. wissenschaftlichen Gesamtsituation der letzten Jahre und Jahr‐ zehnte einzubringen, eine Kurzüberlegung dazu sei jedoch noch erlaubt: Veränderungen muss es zweifellos immer geben, in jedem unserer Lebensbereiche. Es war einfach nicht früher alles besser, wie gerade ältere Menschen gerne behaupten … Veränderungen im Wissenschaftsbetrieb sind daher sowohl erwartbar als auch erforderlich und sollten dazu dienen, qualitative Verbesserungen für die Forschung und deren Ergebnisse zu erreichen. Eigentlich würden dazu auch Verbesserungen der Arbeits- und Lebensbedingungen von Wissenschaftler: innen zählen. Letztgenannte Zielsetzung genießt gegenwärtig aber nicht allzu große Priorität. Vielleicht mag es früher etwas zu einfach gewesen zu sein, Dauerjobs an Universitäten zu bekommen, wodurch Stellen für begabten Nachwuchs zu lange blockiert waren. Aber wie viele begabte Uni-Absolvent: innen beschließen heute, sich gar nicht für Uni-Posten zu bewerben, weil ihnen die Realität von nicht verlängerbaren Kurzzeitverträgen als Karrierebzw. Lebensmodell nicht attraktiv genug erscheint? Ich würde den folgenden Satz wahrscheinlich nicht hinschreiben, wenn er nicht auch in ähnlicher Weise schon in einem Gespräch durch Klaus selbst gefallen wäre: Es wäre nicht sicher, ob Klaus unter den heutigen Bedingungen Wissenschaftler und Uni-Lehrer geworden wäre. Dabei denke ich nicht nur an die vor allem zu Beginn der Laufbahn üblichen Kurzzeitverträge, sondern auch die Art und Weise, wie heute Wissenschaft betrieben wird, und ob ihm das sich heute herausbildende role model für Forschende ‚lebenswert‘ erschienen wäre. Es gibt Veränderungen, bei denen fast alles Alte durch Neues ersetzt wird, während in anderen Fällen Neues als zusätzliche Variante ins Spiel kommt und dadurch insgesamt eine neue Art von Diversität entsteht. Gerade in der heutigen Zeit wird Diversität gerne gepredigt, aber nicht überall gleich gerne gesehen und umgesetzt. Vielleicht wäre eine pluralere, diversere Einstellung zur Frage, wie denn Wissenschaft (und ein Leben als Wissenschaftler: in) heute und morgen aussehen sollte, nicht die schlechteste Idee. (Wie lange ist die Postmoderne-Diskussion mit ihrem Kampf gegen die ganz großen und ‚homogenisierenden‘ Erzählungen eigentlich schon vorbei? ) Ich komme nun langsam zur Konklusion: Für uns beide war die Weise, in der Klaus sein ‚Leben als Wissenschaftler‘ führen konnte, ideal. (Natürlich gab es für mich nicht ganz unähnliche Bedingungen und Lebenskonzepte, das steht aber hier nicht im Vorder‐ grund.) Unsere wissenschaftlichen und intellektuellen Interessen waren auch in unserem Privatleben präsent. Gerade die Zugehörigkeit zu ähnlichen, aber nicht identischen Diszi‐ plinen - eine Art gleichzeitiges ‚Außen‘ und ‚Innen‘ - ermöglichte unzählige interessante (zugegebenermaßen auch: Streit-)Gespräche. Aber für uns beide bedeutete ein Leben 38 Martin Stegu <?page no="39"?> als Wissenschaftler nicht, dass das Leben vor allem oder gar ausschließlich durch die Wissenschaftsbrille gesehen und erlebt werden sollte. Es war und ist - zumindest aus unserer Sicht - ein facetten- und interessensreiches Leben, mit hoffentlich nur wenig Scheuklappen, das uns im Grunde zu zufriedenen, ja glücklichen Menschen gemacht hat. Dies außerdem in einer Art von Partnerschaft, die für viele noch etwas Ungewöhnliches an sich hat (und in vielen Teilen der Welt nach wie vor nicht akzeptiert würde). Gerade in einer Zeit, in der uns besonders viele Krisen gesundheitlicher, politischer, wirtschaftlicher, klimatischer etc. Natur immer näher gerückt sind und bedrohen, soll und darf der Satz gedacht und ausgesprochen werden, dass Glück noch möglich ist. Es gehört zu Texten wie diesen, dass nur Positives erwähnt, Negatives, Unangenehmes hingegen ausgeklammert wird. Trotzdem gab es hier kaum etwas zu retouchieren: Ich bin Klaus (und wohl auch dem Schicksal, das uns zusammengeführt hat) dankbar, dass ich ein Leben mit ihm führen darf, das nie langweilig geworden ist (im Gegenteil, von Jahr zu Jahr spannender! ), ein Leben, das intellektuell herausfordert, in dem aber auch Humor und Genuss eine große Rolle spielen, vor allem aber ein Leben, das Geborgenheit ermöglicht - in dieser unserer sonderbaren Welt, die auch für Wissenschaftler: innen letztendlich nie ganz durchschaubar und verständlich sein wird-… Literatur Kaindl, Klaus (2004). Am Rande der Wissenschaft: Zufall und Neigung als Wegführer. In: Pöckl, Wolfgang (Hrsg.) Übersetzungswissenschaft - Dolmetschwissenschaft. Wege in eine neue Diszi‐ plin. Wien: Präsens, 147-152. Kaindl, Klaus (2021). (Literary) Translator Studies: Shaping the Field. In: Kaindl, Klaus/ Kolb, Wal‐ traud/ Schlager, Daniela (eds.). Literary Translator Studies. Amsterdam: John Benjamins, 1-38. Thomä, Dieter/ Schmid, Ulrich/ Kaufmann, Vincent (2015). Der Einfall des Lebens. Theorie als geheime Autobiografie. München: Hanser. Prasad, Gail/ Auger, Nathalie/ Le Pichon-Vorstman, Emmanuelle (2022). Humanizing Research(ers) and Understanding How Concepts Evolve in Context. In: Prasad, Gail/ Auger, Nathalie/ Le Pi‐ chon-Vorstman, Emmanuelle (eds.). Multilingualism and Education: Researchers’ Pathways and Perspectives. Cambridge: Cambridge University Press, 1-11. (Meta-)Biographisches zu und für Klaus Kaindl 39 <?page no="41"?> I Gestaltung einer Disziplin <?page no="43"?> Von verbal zu multimodal Translationswissenschaftliche Entwicklungslinien Franz Pöchhacker Zusammenfassung: Der Beitrag zeichnet mit Bezug auf Arbeiten von Klaus Kaindl als einem Mitglied der Wiener Schule der Translationswissenschaft einige Aspekte der Entwicklung des Faches im Verlauf von gut drei Jahrzehnten nach. Den Aus‐ gangspunkt bildet die Gründungsphase der Wiener Schule nach der Besetzung der ersten Professur für Übersetzungswissenschaft an der Universität Wien mit Mary Snell-Hornby. Nach einem Rückblick auf die Vorgeschichte der Übersetzungsdidaktik wird Klaus Kaindls Doktoratsforschung zur Opernübersetzung im Hinblick auf ihre theoretische Fundierung und die darin neu eröffneten interdisziplinären Perspektiven diskutiert. Im Anschluss wird der weitere Weg von einer wort- und sprachfixierten Übersetzungsauffassung über die Hinwendung zu multimedialen Texten bis hin zum neueren Konzept der Multimodalität verfolgt, für welches Klaus Kaindl als Wegbereiter für grundlegende Beiträge zu würdigen ist. Schlagwörter: Textgestalt, Interdisziplinarität, Multimedialität, Semiotik, Multimo‐ dalität Abstract: With reference to the work of Klaus Kaindl as a member of the Vienna School of Translation Studies this article reviews some aspects of the field in the course of some three decades of its development. The formative years of the Vienna School after the appointment of Mary Snell-Hornby as the first Professor of Translation Studies at the University of Vienna serves as a starting point. Following a brief look at the previous tradition of translation teaching, Klaus Kaindl’s doctoral research on opera translation is discussed with regard to its theoretical foundation and newly developed interdisciplinary perspectives. The article then traces the subsequent trajectory from a wordand language-centered view of translation to a reorientation toward multimedia texts and on to the more recent concept of multimodality, for which Klaus Kaindl deserves credit for his groundbreaking contributions. Keywords: Textual gestalt, interdisciplinarity, multimediality, semiotics, multimoda‐ lity <?page no="44"?> 1 Einleitung Dieser Aufsatz versteht sich als Beitrag zur Geschichte des Faches, wobei mit dem Fach klarerweise die Translationswissenschaft gemeint ist. Dass die fachliche Identität hier in dieser Weise außer Zweifel gestellt werden kann, ist aber bereits Teil der Geschichte, die es zu schreiben gilt, wäre doch die Frage nach dem Fach - und auf jeden Fall nach dessen Benennung - vor einigen Jahrzehnten noch durchaus strittig gewesen. Damit ist zugleich der Zeitbezug gegeben, der für historische Betrachtungen unabdingbar ist, und diesem ist auch noch eine räumliche Eingrenzung hinzuzufügen. Es wäre vermessen, die Geschichte der Translationswissenschaft schreiben zu wollen; es wäre allein schon viel zu hoch gegriffen, eine Geschichte der Translationswissenschaft zu verfassen, wenngleich dazu etwa mit den Entwicklungslinien von Erich Prunč (2007) und freilich auch mit Mary Snell-Hornbys (2006) Sicht auf die Turns der Translationswissenschaft schon vielbeachtete Beiträge vorliegen. Gerade das letztere Werk bringt uns der vorzunehmenden örtlichen Eingrenzung näher, zumal seine Verfasserin aus erster Hand eine Entwicklung des Faches beschreibt, die sie selbst durch ihr Wirken als erste Ordinaria für „Übersetzungswissen‐ schaft“ an der Universität Wien maßgeblich mitgeprägt hat. Im Fokus dieses Aufsatzes steht somit die Entwicklung des Faches, wie sie durch Translationswissenschaftlerïnnen an der Universität Wien mitgestaltet wurde. Wenngleich über die Zuschreibung noch kritisch zu reflektieren sein wird, ließe sich der thematische Fokus in einem ersten Ansatz als die Wiener Schule der Translationswissenschaft angeben. Daran lässt sich nahtlos die Spezifizierung anschließen, dass es in einer ‚Schule‘ auch Schülerïnnen geben muss, und tatsächlich sind es diese (und insbesondere einer von ihnen), um die es in den folgenden Ausführungen in erster Linie gehen wird - freilich nicht im Sinne einer biografischen Darstellung (siehe Stegu, in diesem Band), sondern mit Bezug auf die theoretischen Konzepte, die sie im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Arbeit hervorgebracht haben und die sich als Beitrag zur internationalen Entwicklung des Faches begreifen und einordnen lassen. Auf diesem personen- und werkbezogenen Weg soll schließlich das eigentliche Ziel dieses Beitrages erreicht werden, nämlich die Darstellung einer für den heutigen Forschungsstand bedeutsamen Entwicklungslinie der Translationswissenschaft, die innerhalb des Faches in unterschiedlicher Weise verlaufen ist. Die Rede ist, wie im Titel des Beitrags angezeigt, vom Weg zur Multimodalität. Mit der Literatur zu diesem wichtigen Konzept der heutigen Translationswissenschaft ist der Name Klaus Kaindl eng verbunden; das Nachzeichnen der Entwicklung hin zu einem verstärkten Bewusstsein für die Multimodalität von Textvorkommen in der Translation ist somit über weite Strecken eine Auseinandersetzung mit den Ideen und Positionen von Klaus Kaindl, dessen Werk mit den Aufsätzen in diesem Band gewürdigt werden soll. Um dabei aber den Blick möglichst weit auf die Translationswissenschaft als Ganzes, unter Einbeziehung der Dolmetschwissenschaft, zu richten, werde ich versuchen, Parallelen wie auch Unter‐ schiede in der Entwicklung der Übersetzungswissenschaft und der Dolmetschwissenschaft als translationswissenschaftlichen Teildisziplinen aufzuzeigen. Mein Arbeitsschwerpunkt im Bereich der Dolmetschwissenschaft legt einen solchen parallelen Ansatz nahe, der hoffentlich nicht als Versuch missverstanden wird, eigene Arbeiten in ungebührlicher Weise ins Rampenlicht zu rücken. Als Rechtfertigung für diese duale Betrachtung kann 44 Franz Pöchhacker <?page no="45"?> vielmehr auch der Umstand gelten, dass der raumzeitliche Bezugs- und Ausgangspunkt für die folgenden Ausführungen ein und derselbe ist, nämlich die besagte Wiener Schule der Translationswissenschaft in den frühen Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts. 2 Wiener Schule Obwohl eine Ausbildung im Fach Übersetzen und Dolmetschen an der Universität Wien schon seit 1943 existiert (siehe Ahamer 2007), kam es erst Ende der 1980er Jahre zur Ein‐ richtung einer Professur für dieses Fach, damals noch mit der Bezeichnung „Übersetzungs‐ wissenschaft“. Ende 1989 trat Mary Snell-Hornby als Ordentliche Universitätsprofessorin ihr Amt an und sah es als ihre Aufgabe, das „Institut für Übersetzer- und Dolmetscheraus‐ bildung“ aus der historisch verwurzelten Dominanz durch philologische Professuren der (Geisteswissenschaftlichen) Fakultät zu lösen. Dem traditionellen (kontrastiv-)sprachwis‐ senschaftlich geprägten Ansatz sollte eine integrative Konzeption des Faches entgegenge‐ setzt werden, wie sie in der Einleitung zu dem von Snell-Hornby (1986a) herausgegebenen richtungweisenden Sammelband sowie auch in ihrem englischsprachigen ‚Bestseller‘ mit dem Titel Translation Studies - an Integrated Approach (Snell-Hornby 1988) entworfen wurde. Verschiedene Textsorten, von der Bibel bis zum naturwissenschaftlichen Fachar‐ tikel, sollten unter einer funktionalen Perspektive vereint werden, für welche vor allem die Textlinguistik, aber auch die Sozio- und die Psycholinguistik das analytische Instrumen‐ tarium liefern könnten. Der Titel ihres Sammelbandes (Snell-Hornby 1986a) wurde zum Programm für das Fach insgesamt; zugleich war eine „Neuorientierung“ vor allem auch an der Ausbildungs- und Forschungsstätte unter ihrer Leitung das Gebot der Stunde. Für das Vorhaben, eine Neuorientierung des Faches herbeizuführen und es als eigen‐ ständige Disziplin zu ‚emanzipieren‘, bedurfte es Mitstreiterïnnen. Im Einklang mit ihrem erklärten Ziel, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern, wusste die neu berufene Professorin die Ausstattung ihres Lehrstuhls mit Assistentenstellen zu nutzen, um unver‐ brauchte Mitarbeiterïnnen für ihre Vorhaben zu gewinnen. Nachdem die erste dieser Stellen im November 1989 mit dem Verfasser dieses Beitrags besetzt worden war, folgte Anfang 1990 die Besetzung einer zweiten Stelle mit dem Widmungsträger des vorliegenden Bandes. Mag. Klaus Kaindl hatte sein Studium am Wiener Institut im Studienzweig „Über‐ setzerausbildung“ mit Französisch als „1. Fremdsprache“ absolviert, sein Assistentenkollege hingegen im Studienzweig „Dolmetscherausbildung“ mit Englisch. Gemeinsam besuchte Lehrveranstaltungen in der „2. Fremdsprache“ Spanisch waren in Studienzeiten die ein‐ zigen, sehr sporadischen Berührungspunkte zwischen den beiden jungen Assistenten, waren aber doch prägend für ihre hochschuldidaktischen Vorerfahrungen. Einer langen und in allen Arbeitssprachen verbreiteten Tradition folgend wurden in den damaligen Übersetzungsübungen Sammlungen von Zeitungstexten Satz für Satz durch Studierende vom Blatt übersetzt, woraufhin die fehlerhaften Lösungen von der Lehrenden kritisiert und durch die ‚richtigen‘ Entsprechungen ersetzt wurden. Dass die meisten Übungsteilnehmerïnnen Spanisch als ungenügend beherrschte zweite Fremd‐ sprache hatten, ließ die Autorität der Lehrenden umso unanzweifelbarer erscheinen und die Unterrichtseinheiten zu Wortschatzerweiterungsübungen verkommen. Das richtige Wort in der richtigen Phrasierung zu finden war somit der Angelpunkt des übersetzerischen Von verbal zu multimodal 45 <?page no="46"?> Lernprozesses, der praktisch nicht über die Satzgrenze hinausging. Von ‚Texten‘, die im Übrigen nur in Form von fotokopierten Zeitungsspalten in Erscheinung traten, war nicht die Rede, geschweige denn von Textsorten und deren Konventionen. Zumal im Studium auch keine übersetzungswissenschaftliche Lektüre vorgesehen war, fanden kriti‐ sche Studierende wie Klaus Kaindl vorerst keine Bestätigung für ihre Skepsis gegenüber dem Ausbildungsbetrieb in der Fachliteratur. Dabei hatte Snell-Hornby (1986b: 11) in ihrem zur selben Zeit veröffentlichten einleitenden Aufsatz schon festgestellt: „Während der Ausbildung wird allzu oft im ‚luftleeren Raum‘ übersetzt, ohne Bezug zur sprachwis‐ senschaftlichen Forschung einerseits, aber auch ohne Berücksichtigung der Realität des späteren Berufsalltags.“ Die einzige löbliche Ausnahme im Wiener Studienangebot der 1980er Jahre war dies‐ bezüglich Hildegund Bühler, die mit Pionierïnnen der Übersetzungswissenschaft wie Katharina Reiß und Wolfram Wilss in Kontakt stand und neben ihrer Unterrichtstätigkeit einige vielbeachtete Aufsätze (z. B. Bühler 1980, 1985, 1986) publizierte. Zwar legte sie ihren Schwerpunkt auf den Bereich Terminologie, ließ aber in ihren Übungen, die allerdings keinen besonderen Stellenwert im Unterrichtsangebot hatten, bereits textlinguistische und übersetzungswissenschaftliche Erkenntnisse einfließen. Vor dem Hintergrund dieser Ausbildungserfahrungen am Wiener Institut stand den beiden Assistenten der neuen Ordinaria eine große wissenschaftliche Horizonterweiterung bevor. Diese wurde ihnen dank der engen Kontakte ihrer Professorin zu Vertreterïnnen der funktionalen Translationstheorie wie Katharina Reiß und Hans Vermeer sowie Hans Hönig, Paul Kußmaul und Christiane Nord förmlich ins Haus geliefert. Durch Gastvorlesungen (siehe z. B. Reiß 1995) und Veranstaltungen am Wiener Institut konnte sich fachlich wie auch menschlich ein starkes Zugehörigkeitsgefühl entwickeln, das auch die Motivation und Triebkraft für die zu leistende wissenschaftliche Aufbauarbeit lieferte. Unter den hier skizzierten institutionellen und fachlichen Rahmenbedingungen hatten Assistenten wie Klaus Kaindl eine Reihe von organisatorischen Aufgaben, wie etwa die Arbeit an der Reform der Studienordnung, die Anbahnung von Kontakten zu Aus‐ bildungsstätten in Mittel- und Osteuropa und die Vorbereitung von Veranstaltungen. Unter Letzteren ist neben sogenannten Translationsgipfeln und einem Mitteleuropäischen Symposium vor allem der internationale Translationswissenschaftskongress im September 1992 zu nennen, der führende Fachvertreterïnnen aus verschiedenen Forschungstraditi‐ onen, von den noch literaturwissenschaftlich geprägten Descriptive Translation Studies bis zur kognitionspsychologisch orientierten Dolmetschwissenschaft, unter dem Motto der Interdisziplinarität in Wien zusammenführte und in der Gründung der Europäischen Gesellschaft für Translationswissenschaft (EST) unter der Präsidentschaft von Mary Snell-Hornby mündete. Letztendlich mussten die Assistenten am Lehrstuhl, zu denen bald auch Mira Kadrić auf einer dritten Assistentenstelle gestoßen war, aber neben ihrer Aufbauarbeit für das Fach und die wissenschaftliche Fundierung der Ausbildung ihren eigenen wissenschaftlichen Weg finden. Für ihre theoretischen und methodologischen Er‐ kundungen diente das Dissertantenseminar von Mary Snell-Hornby, in dem zum ersten Mal an der Universität Wien Doktorarbeiten zu translationswissenschaftlichen Themen betreut werden konnten, sozusagen das Basislager. Gemäß dem von Snell-Hornby proklamierten integrativen Ansatz war in diesem Seminar, an dem die Assistenten ex officio mehrere 46 Franz Pöchhacker <?page no="47"?> Semester lang teilnahmen, breiter Raum für verschiedene Themen und Methoden. So ging es etwa bei den einen um Prozesse und Produkte beim simultanen Konferenzdolmetschen und beim anderen um die Übersetzung im Musiktheater. Die große Offenheit bedeutete zugleich, dass sich die einzelnen Nachwuchsforscherïnnen den einzuschlagenden Weg weitgehend eigenständig suchen und dabei oft neue Pfade beschreiten mussten. Die damals neuen translationswissenschaftlichen Wege sollen im Folgenden am Beispiel der Arbeiten von Klaus Kaindl nachgezeichnet werden, um einerseits die Ausgangsposi‐ tionen der Wiener Schule darzustellen und andererseits eine von Klaus Kaindl vorange‐ triebene Entwicklung zu erörtern, die von Wien ausgehend die Ausrichtung des Faches maßgeblich prägen sollte. 3 Vom Text zur Gestalt 3.1 Text als Fundament Für einen übersetzungswissenschaftlichen Ansatz, der dem Textbegriff einen besonderen Stellenwert einräumt, war Wien um 1990 ein idealer Nährboden. Die Textlinguistik des Sprachwissenschaftlers Wolfgang Dressler (1972), dessen Hauptvorlesung an der Universität Wien seit vielen Jahren auch für alle Studierenden des Übersetzens und Dolmetschens Pflicht war, wurde mit dem Lehrbuch von Beaugrande und Dressler (1981a) zur Basislektüre, noch bevor Dresslers Ko-Autor in den 1990er Jahren eine Zeit lang an der Universität Wien wirkte. Dass durch die Beiträge von Beaugrande auch die neuen Erkenntnisse der seit Mitte der 1970er Jahre aufstrebenden Kognitionswissenschaft, vor allem im Zusammenhang mit dem Kohärenzprozess und den postulierten Planungs-, Produktions- und Verarbeitungsphasen, in die Textlinguistik einflossen, blieb dabei vorerst im Hintergrund. Wer sich also im Dissertantenseminar von Mary Snell-Hornby mit Texten befasste - was bei den meisten Themen, auch jenen im Bereich des Dolmetschens, der Fall war -, tat dies mit Bezug auf besagte Textlinguistik, die somit als Bestandteil des theoretischen Fundaments der Wiener Schule der Translationswissenschaft gesehen werden kann. Diese Spezifik zeigt sich umso deutlicher im Vergleich zu Forschungsansätzen im angelsäch‐ sischen Raum, wo die ebenfalls in den 1970er Jahren geprägte systemisch-funktionale Linguistik (Halliday 1973, 1978) tonangebend wurde und vor allem auch in Asien und Australien großen Einfluss gewann. Diese divergente Entwicklung ist hier einige exkursorische Betrachtungen wert. Sie wirft etwa die Frage auf, inwieweit die in der jeweiligen Wissenschaft präferierten theoretischen Ansätze sprachspezifisch sind oder sein können. Diesbezüglich ließe sich vielleicht der Wiener Schule - trotz ihrer englisch-muttersprachlichen Galionsfigur - ein Hang zur theoretischen Fundierung in der Landessprache nachsagen; die Gründe für die vergleichsweise begrenzte Reichweite und Nachhaltigkeit der Textlinguistik Wiener Prägung wären jedoch anderswo zu suchen, zumal die Einführung in die Textlinguistik auch in einer vielzitierten englischen Ausgabe (Beaugrande/ Dressler 1981b) erschien. Vermutlich haben diese Gründe mit der inhaltlichen Entwicklung der textlinguistischen Ansätze zu tun. Während die Textlinguistik Wiener Prägung auf den Leitbegriff konzentriert blieb, Von verbal zu multimodal 47 <?page no="48"?> weitete Halliday (1978) - wie im Übrigen auch van Dijk (1997) - seine Sichtweise über den textgrammatischen Ansatz hinaus auf die Sprachverwendung im gesellschaftlichen System aus, wobei er sich explizit an allgemeinen semiotischen Kategorien orientierte. Auf diesen Aspekt wird im Weiteren noch zurückzukommen sein. Abgesehen von der textlinguistischen Fundierung trat der Aspekt der Sprachspezifik in der Wahl der theoretischen Konzeption jedenfalls bei den eigentlichen Grundfesten der Wiener Schule stark in Erscheinung. Im richtungweisenden Sammelband von Snell-Hornby (1986a) waren diese insbesondere durch Hans Vermeer (1986) und Justa Holz-Mänttäri (1986) repräsentiert, die sich in ihren Aufsätzen bereits ausdrücklich auf einander bezogen. Weitaus stärker als für Vermeer trifft dabei die Sprachgebundenheit auf Holz-Mänttäri (1984) zu, deren grundlegend neue Sicht- und Ausdrucksweisen sich in der Translationswis‐ senschaft in geradezu spektakulärer Weise als unübersetzbar erwiesen haben. (Es gibt bis heute, 40 Jahre nach seinem Erscheinen, keine englische Übersetzung von Holz-Mänttäris Opus magnum.) Zwar war die Problematik der globalen Reichweite in den frühen 1990er Jahren, von denen hier die Rede ist, noch weniger akut, doch ist sie zweifellos ein nicht zu vernachlässigender Aspekt in der gegenständlichen Betrachtung von Entwicklungen und Strömungen in einer weitgehend internationalen Translationswissenschaft. In diesem noch sehr deutsch geprägten wissenschaftlichen Rahmen nahmen also Dok‐ torandïnnen wie Klaus Kaindl ihr Vorhaben in Angriff, für die gewählte Themenstellung einen geeigneten theoretischen und methodischen Ansatz zu finden, oder besser gesagt zu entwickeln, da ein solcher im noch jungen Fach nicht einfach vorzufinden war. Für Kaindls Thema der Opernübersetzung scheint das auch wenig verwunderlich, aber auch für die Untersuchung der Ausgangs- und Zieltexte beim simultanen Konferenzdolmetschen gab es kaum ein gebrauchsfertiges Analyseinstrumentarium. Wenig überraschend zeichneten sich für die betreffenden Nachwuchsforscher auch keine gemeinsamen Lösungswege ab. Im Gegenteil: Zwar wurde Seite an Seite im Kreis des Dissertantenseminars referiert und diskutiert, doch wurden schon damals die hehren Ansprüche von Snell-Hornbys „integrativem“ Ansatz deutlich spürbar. Mit anderen Worten: Ein Fach, an einem Ort, mit einem Lehrstuhl, und doch war kein einheitlicher Weg zur Erreichung des Forschungsziels vorgezeichnet. Vielmehr mussten jeweils eigene Pfade beschritten werden - ausgehend von den Blickwinkeln und Orientierungspunkten der Theorie vom translatorischen Handeln und im Bewusstsein um die Unverzichtbarkeit von relevanten Konzepten und Methoden anderer Disziplinen. 3.2 Text als Gestalt Wer im landläufigen Sinn an Text in der Oper denkt, würde diesen mit dem Libretto gleichsetzen. Die Übersetzung einer Oper würde somit nur das Libretto als einen schriftlich vorliegenden Text betreffen. Über eine solche enge linguistische Sichtweise sollte ein translationstheoretischer Ansatz hinausgehen, und Klaus Kaindl (1995) beschreitet dafür zunächst den Weg einer interdisziplinären Erkundung. Erkenntnisse aus der Literatur-, Theater- und Musikwissenschaft werden auf ihren Aufschlusswert für die Opernüberset‐ zung überprüft, bevor der Schlüsselbegriff Text und die dafür entwickelten theoretischen Modelle aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven beleuchtet werden. An erster Stelle steht naturgemäß die Textlinguistik, und Kaindl (1995: 15) stellt bei Durchsicht ver‐ 48 Franz Pöchhacker <?page no="49"?> schiedener Ansätze fest, dass Texte zwar prinzipiell nicht auf verbale Bestandteile reduziert werden, non-verbale Textelemente aber kaum in die Untersuchungen einbezogen und somit „als vernachlässigbare Restmenge nur am Rande behandelt“ werden. Dies gilt auch für die Feststellung von Beaugrande und Dressler (1981a: 229): „Im weitesten Sinn könnte jede bedeutungshafte Zeichenkonfiguration ein Text genannt werden.“ Diese Offenheit hin zur Semiotik wird von den Autoren jedoch nicht dem einführenden Lehrbuch zugrunde gelegt, sondern findet sich erst im letzten Kapitel des Buchs über die „interdisziplinäre Anwendung“ der textlinguistischen Konzeption. Kaindl (1995) spürt denn auch selbst dem Textbegriff in der Semiotik nach und wird bei Fischer-Lichtes (1983) Semiotik des Theaters fündig. Diese stützt sich wiederum auf textlinguistische und strukturalistische Ansätze, die auch für „alle Arten von multimedialen Texten Gültigkeit reklamieren“ (1983: 10), doch erweisen sich ihre Textdefinitionen für Kaindl (1995: 24) als unzureichend. Als besonders relevant erscheint in der Auffassung der Theateraufführung als „Textgebilde“ allerdings der Begriff der Multimedialität, wenngleich Kaindl (1995: 26) auch hier Unschärfen in der Abgrenzung der Begriffe Medium und Zeichen kritisiert. Entsprechend den Grundpositionen der Wiener Schule findet Kaindl (1995) eine tragende Säule für seine theoretische Aufbauarbeit bei Holz-Mänttäri (1984, 1986), die mit ihrem Kon‐ zept des „Botschaftsträgerverbunds“ (1984: 76) den Textbegriff neu rahmen möchte und das Zusammenwirken verschiedener Medien im translatorischen Handeln zur Grundannahme macht. Wie Kaindl (1995) aber zu Recht moniert, gehen Holz-Mänttäris (1984) Beispiele und Analysen nur selten über die Kombination von schriftlichen und bildhaften Elementen hinaus. Darüber hinaus ist ihr handlungstheoretisch fundierter, sozio-translatologischer Ansatz ganz auf die „kommunikative Steuerung von Kooperation“ (1986: 366) ausgerichtet. Diese lässt sich aber für Kaindl (1995: 29) nicht schlüssig auf literarische Kommunikations‐ prozesse umlegen, weshalb er auf der Grundlage eines weiteren theoretischen Ansatzes über das Konzept der Botschaftsträger im Verbund hinausgeht. Bevor dieser (letzte) Schritt nachvollzogen wird, kann es aber für den Blick auf die Wiener Schule erhellend sein, den unterschiedlichen Aufschlusswert ein und desselben Ansatzes - nämlich Holz-Mänttäris (1984) Theorie vom translatorischen Handeln - für die Erarbeitung eines translationstheoretischen Textkonzepts aufzuzeigen. In der zeitgleichen Arbeit von Pöchhacker (1994) an der Entwicklung eines Theorie- und Beschreibungsrahmens für das Simultandolmetschen bei internationalen Konferenzen erwies sich gerade die Orien‐ tierung an übergeordneten Handlungszwecken (wie dem wissenschaftlichen Austausch in einem Fach oder dem Aushandeln internationaler Vereinbarungen) als Tor zu einer komplexeren Sichtweise, die über Textverstehens- und -produktionsprozesse hinausgeht und gesellschaftliche Institutionen und Akteure mit in den Blick nimmt. Die Ebene des Translationsauftrags wird im Sinne der Skopostheorie (Reiß/ Vermeer 1984; Vermeer 1990) zur bestimmenden Instanz für den Einsatz von Dolmetscherïnnen, die bei einer Konferenz durch ihr professionelles Handeln Kommunikation über Sprach- und Kulturbarrieren hinweg ermöglichen sollen. Die Interaktionsform Konferenz wird dabei als ein raumzeitlich komplexes kommunikatives Ereignis (Beaugrande/ Dressler 1981a) betrachtet und als „Hy‐ pertext“ bezeichnet, dessen Skopos auch bei den einzelnen (Teil-)Texten, die gedolmetscht werden, zum Tragen kommt. Genau - und erst - an dieser Stelle in der theoretischen Von verbal zu multimodal 49 <?page no="50"?> Konzeption von Pöchhacker (1994) stellt sich wiederum die Frage nach der Textdefinition. Diese wird - wie auch bei Kaindl (1995) - mit Blick auf verschiedene Grundpositionen der Textlinguistik beantwortet. Mit losem Bezug zur Semiotik wird der Text in allgemeinster Form zunächst als die Gesamtheit der in einer kommunikativen Interaktion vorkommenden Zeichen definiert (Pöchhacker 1994: 95), bevor wiederum auf Holz-Mänttäris (1984: 76) „Botschaftsträgerverbund“ Bezug genommen wird. Wie bei Kaindl (1995) musste auch für die Zwecke von Pöchhacker (1994) die Dominanz von schriftlichen im Verbund mit bildhaften Botschaftsträgern wenig befriedigend erscheinen, doch findet sich in einer früheren Arbeit von Holz-Mänttäri (1982: 81) eine illustrative Aussage, die den Blick in eine andere und weitaus zweckmäßigere Richtung weist: „Ist der Hauptbotschaftsträger z. B. ein mündlich vorgetragener Text, so können Gestik und Mimik einen Teil der Botschaft tragen.“ Ungeachtet der Unschärfen, die sich in dieser Formulierung finden lassen, ist der Bezug zur Mündlichkeit bzw. zur gesprochenen Sprache, die im Übrigen auch bei Beaugrande und Dressler (1981a) mitbedacht wird, für das Dolmetschen von zentraler Bedeutung. Mehr noch: Mit der Fokussierung des Sprechens lassen sich die engen Grenzen der damaligen Linguistik leicht in Richtung einer sprachpsychologischen Sichtweise überwinden. Mit Bezug auf Karl Bühler (1934: 52) wird Sprechen als eine zielgesteuerte Handlung „in gegebener Situation“ charakterisiert (vgl. Pöchhacker 1994: 93). Die hierfür zur Verfügung stehenden Ausdrucksmittel wurden schon in der Sprachpsychologie der 1970er Jahre, freilich weit über die verbalen Grenzen hinaus, erforscht (z. B. Graumann 1972). Die neben den verbalen zur Verfügung stehenden Ausdrucksmittel waren dabei unter dem Begriff nonverbale Kommunikation Gegenstand einer bedeutenden Forschungstradition. Eine - besonders für die Translationswissenschaft - zentrale Rolle spielt darin Fernando Poyatos (1983), dessen Arbeiten schon von Bühler (1980, 1985) aufgegriffen worden waren und dessen Modellierung der Zeichensysteme beim Dolmetschen (Poyatos 1987) Eingang in die Textmodellierung von Pöchhacker (1994: 97ff.) fand. Auf das Konzept von Poyatos (1983, 1987) wird später noch zurückzukommen sein; vorerst kann festgehalten werden, dass in den frühen (Doktor-)Arbeiten der Wiener Schule zwar mit Bezug zur textlinguistischen Fundierung und in einer funktional-translationstheoretischen Orientierung der Weg zu einer Sichtweise von Text als Zeichenverbund eingeschlagen wurde, dass jedoch die konkret beschrittenen Pfade durchaus unterschiedlich waren und somit eine einheitliche Konzeption von Text schwer auszumachen ist. Einen wichtigen weiteren Schritt, um die „Oper als Text“ aufzufassen, setzt Klaus Kaindl (1995) mit dem Aufgreifen gestalttheoretischer Erkenntnisse. Diese Forschungstra‐ dition der Wahrnehmungspsychologie, die auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurückgeht, thematisiert Bewusstseinskomplexe, denen „Gestaltqualität“ zugeschrieben wird. Diese sieht Kaindl (1995: 37) mit Bezug auf Christian Ehrenfels (1988) durch zwei Merkmale charakterisiert: einerseits die sogenannte Transponierbarkeit (d. h. Auswechselbarkeit einzelner Teile) und andererseits die (daraus folgende) „Übersummativität“, die nahelegt, „das Ganze nicht als die additive Zusammensetzung einzelner Teile zu sehen“. Wenngleich Kaindl (1995) mit seiner gründlichen Aufarbeitung der Gestalttheorie Neuland betritt, folgt er dafür Wegweisern, die nicht zuletzt von Mary Snell-Hornby gesetzt wurden. Diese beschreibt Text, mit Verweis auf die hermeneutischen Ansätze von Fritz Paepcke und Radegundis Stolze, als „a complex, multi-dimensional structure consisting of more than 50 Franz Pöchhacker <?page no="51"?> the mere sum of its parts - a gestalt (…), whereby an analysis of its parts cannot provide an understanding of the whole“ (Snell-Hornby 1988: 69). Kaindl (1995) vertieft somit die theoretische Fundierung von Grundpositionen der Wiener Schule. Zugleich trägt er dem Postulat von Text als Gestalt Rechnung und zeigt in seinem Werk am Beispiel zweier Opern in Übersetzung, wie eine multiperspektivische Analyse der Oper als Textgestalt zu leisten ist. 4 Von audiomedial zu multimodal 4.1 Medialität In Klaus Kaindls (1995) Arbeit zur Opernübersetzung ist der weitere Weg, der hier nachgezeichnet werden soll, bereits angelegt. Er nimmt seinen Ausgang vom Begriff der Medialität von Texten, die in den bisherigen Betrachtungen zum Wesen und zu den Bestandteilen von Texten zwar bereits angeklungen war, hier aber noch deutlicher in den Mittelpunkt gestellt werden soll. Als theoretischer Bezugspunkt dient Kaindl (1995) das Texttypenmodell von Katharina Reiß (1971), die sich für ihre funktionale Differenzierung bekanntlich am Organon-Modell der Sprache von Karl Bühler (1934) orientierte. Reiß (1971) setzte neben dem informativen, expressiven und operativen noch einen vierten Texttyp an, den sie ursprünglich als den „audio-medialen Texttyp“ bezeichnete (1971: 34). Damit waren schriftlich fixierte Texte gemeint, die über technische Medien wie Rundfunk und Fernsehen vermittelt und im auditiven Kanal rezipiert werden, wie etwa Radiokommentare und Hörspiele (1971: 49). Wie Kaindl (1995: 70f.) aufzeigt, wird die Definition der audio-medialen Texte später noch - über die Vermittlung durch technische Medien hinaus - um das Vorkommen von nichtsprachlichen Elementen ergänzt. Um diese nicht auf akustisch realisierte Ausdrucksmittel reduzieren zu müssen, entschloss sich Reiß - auch als Reaktion auf Kritik - zu einer Umbenennung und spricht zuletzt von „multimedialen Texten“, die in der gemeinsamen Publikation mit Hans Vermeer wie folgt beispielhaft erläutert werden: „Schrifttexte, die erst zusammen mit bildlichen Darstellungen (Bilderbücher, Comic strips, Begleittexte für Dias etc.) oder mit Musik (Lieder, musikalische Bühnenwerke etc.) das vollständige Informationsangebot ausmachen“ (Reiß/ Vermeer 1984: 211). Diese Aussage über multimediale Texte ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Zunächst fällt auf, dass die Multimedialität des Ausdrucks nach wie vor auf „Schrifttexte“ beschränkt bleibt, was für einen integrativen translationswissenschaftlichen Ansatz unge‐ nügend wäre. Weiters gerät das Medium der Vermittlung zugunsten der medialen Merkmale der Zeichenvorkommen (wie bildhaft oder tonal) aus dem Blickfeld. Und mit Bezug auf die Forschungsthemen von Klaus Kaindl fällt auf, dass in diesem Zitat gleich drei seiner Arbeitsschwerpunkte genannt werden, nämlich die Comic- und Lied-Übersetzung wie auch jene des Musiktheaters. Noch relevanter ist für die Zwecke dieser Abhandlung aber die Schlussfolgerung, die Kaindl (1995) aus diesem Zitat für seine Definition von Multimedialität zieht. Obwohl er, wie oben erwähnt, am Multimedialitätsbegriff von Fischer-Lichte (1983) die unklare Differenzierung zwischen Medium und Zeichen kritisiert, legt er den Schwerpunkt ganz auf Letztere, wenn er formuliert: „Wenn wir daher im folgenden von der Multimedialität des Textes sprechen, so meinen wir damit die ineinander Von verbal zu multimodal 51 <?page no="52"?> verwobenen sprachlichen und nicht-sprachlichen Zeichenkomplexe, die den Text als Ganzes konstituieren.“ (Kaindl 1995: 71) Kaindl rückt in der solcherart formulierten Definition der Multimedialität das Medium im Sinne der technischen Vermittlung von Texten in den Hintergrund, wenngleich er sich in seiner Analyse des Operntextes eingehend mit den verschiedenen Realisierungsformen der Zeichenvorkommen (Musik, Stimme, Szene) einschließlich ihrer medialen Bedingtheit auseinandersetzt. Diese begriffliche Positionierung wird in Kaindls späterer Arbeit kritisch überdacht und gibt den Anstoß zu einer bedeutsamen theoretischen Weiterentwicklung. Im Rahmen seiner Habilitationsschrift, in der Kaindl (2004) die disziplinäre Positionie‐ rung und Profilierung der Translationswissenschaft und ihre interdisziplinäre Ausrichtung am Beispiel der Comic-Übersetzung behandelt, wird das Thema der Multimedialität im Zusammenhang mit der Definition von Comics erneut aufgegriffen. Wieder geht es grund‐ sätzlich um das Zusammenwirken von verbalen und nonverbalen Zeichen, wobei diese semiotische Relation ungleich weniger komplex erscheinen muss als im zuvor behandelten Fall der Oper. Kaindl (2004: 83) bekräftigt, dass der Terminus Multimedialität in der neueren Translationswissenschaft primär „das gleichzeitige Auftreten von verbalen und nonver‐ balen Zeichen in Texten bezeichnet“, verweist dann aber auf die zunehmende Verwendung des Medienbegriffs im kommunikationstheoretischen Sinn, etwa im Zusammenhang mit dem sich rasant entwickelnden Gegenstandsbereich der audiovisuellen Translation. Der Kritik von Schmitt (1997) folgend, entschließt Kaindl (2004: 84) sich dazu, das Medium nicht mehr als semiotische Kategorie, sondern nur als „materiellen Vermittlungsträger“ zu verstehen. Für das Zusammenwirken von verbalen und nonverbalen Zeichen in Texten schlägt er dagegen - in Anlehnung an Gottlieb (1994) - den Terminus „polysemiotisch“ vor. Diese Umbenennung geht in ihrer Relevanz weit über die Vermeidung eines mehrdeutigen Begriffs hinaus, bringt sie doch den ganzen disziplinären Rahmen der Semiotik explizit ins Spiel. Diese bedeutungsvolle Neuorientierung - oder auch Rückbesinnung - wird im Folgenden noch eingehend behandelt. Zuvor soll jedoch die Erörterung des Medienbegriffs in seiner materiellen Bedeutung noch abgerundet werden, indem er auch in Bezug auf das Dolmetschen einer näheren Analyse unterzogen wird. Im Unterschied zum Text-Bild-Bezug bei Comics stehen beim Dolmetschen in der Regel keine Zeichenvorkommen in einem materialen Trägermedium zur Verfügung. Mit Ausnahme des Vom-Blatt-Dolmetschens sind es bei Lautsprachen primär Schallwellen, in denen verbale und paraverbale Äußerungen manifest und wahrnehmbar werden, begleitet von visuell wahrnehmbaren nonverbalen Äußerungen. Diese Einfachheit und Natürlichkeit der Ausdrucksmittel könnte als ein Grund dafür gesehen werden, weshalb die Medialität oder Multimedialität des Dolmetschens in der wissenschaftlichen Forschung lange Zeit kein Thema war. Selbst die technische Vermittlung der Ausgangs- und Zieltexte beim Si‐ multandolmetschen durch elektroakustische Übertragung zog wenig Aufmerksamkeit auf die medialen Bedingungen. Gefragt wurde nicht nach dem Trägermedium, sondern, wenn überhaupt, nach den Wahrnehmungsprozessen im auditiven und visuellen Kanal (Bühler 1985), wie sie vor allem von Poyatos (1987) für das Konsekutiv- und Simultandolmetschen modelliert wurden. Diese mediale Komplexität zeigt sich auch in der Textmodellierung von Pöchhacker (1994: 99) für das Simultandolmetschen, in der Schrifttexte in den audiovisu‐ ellen Zeichenverbund integriert sind. Das vorrangige Interesse am Simultandolmetschen 52 Franz Pöchhacker <?page no="53"?> und seinen Akteurïnnen engte dabei den Fokus auf die Rezeptionsbedingungen der Dolmet‐ scherïnnen ein. Die frühe Studie von Gerver (1974) zum Einfluss von schlechter Tonqualität ist dafür ein typisches Beispiel. Zugleich blieb die (eigentlich wesentliche) Wahrnehmung der Verdolmetschung durch die Zuhörerïnnen außerhalb des Interessensbereichs. Das weitgehende Ausblenden der (Multi-)Medialität des Dolmetschens endete mit dem Aufkommen des (mittlerweile so genannten) Ferndolmetschens, zu dem auch das seit den frühen 1970er Jahren praktizierte und lange Zeit kaum untersuchte Telefondolmetschen zu zählen ist (Kelly/ Pöchhacker 2015). Gerade die dolmetschervermittelte Kommunikation über das technische Medium des Telefons führt aber die gravierenden Einschnitte in das Repertoire der kommunikativen Ausdrucksmittel deutlich vor Augen. Ähnliches gilt für Dolmetschprozesse mittels Videokonferenz (Braun 2015), wo die Vermittlung durch das audiovisuelle Medium zu einem komplexen kommunikativen Bedingungsgefüge führt. Diese neuen Translationsformen legen somit eine Aufwertung des Medialitätsbegriffs im Sinne der medialen Vermittlung von Äußerungs- und Wahrnehmungsprozessen nahe. Das gesteigerte Interesse an der Medialität im Sinne der materialen Realisierung und Vermittlung von (komplexen) Zeichenvorkommen war gleichermaßen im Bereich der Übersetzung zu verzeichnen. Kaindl (2004: 181) spricht im Zusammenhang mit Co‐ mics von „den technischen Möglichkeiten des Multimedia-Zeitalters“, in dem visuelle Gestaltungsmittel stark an Bedeutung gewonnen haben, und zeigt die Bedeutung von Multimedia-Technologien am Beispiel von Musikvideos in Übersetzung (Kaindl 2005). Nicht nur die Zeichenvorkommen, sondern auch die verschiedenen Dimensionen des Mediums gewinnen damit in der translationswissenschaftlichen Analyse an Komplexität, was die Klärung der begrifflichen Beziehungen nicht unbedingt erleichtert. 4.2 Semiotik Mit der Wahl seiner Untersuchungsgegenstände - der Übersetzung von Opern, Comics und später auch von Popularmusik (Kaindl 2005) - sprengt die übersetzungswissenschaftliche Forschung von Klaus Kaindl den Rahmen der Linguistik und führt die als interdisziplinär orientierte Disziplin konzipierte Translationswissenschaft (Kaindl 2004) auf theoretisches und methodisches Neuland. Für seine konkreten Forschungsobjekte, die durchwegs als komplexe Zeichenvorkommen zu charakterisieren sind, erscheint die Semiotik als beson‐ ders naheliegende Leitdisziplin. Tatsächlich aber spielt die Semiotik als solche in der hier nachzuzeichnenden Entwicklung zunächst eine relativ untergeordnete Rolle. Wie bereits erwähnt greift Kaindl (1995) für die Arbeit zur Opernübersetzung auf die Semiotik des Theaters von Fischer-Lichte (1983) zurück, um die Sichtweise der Oper als Textgestalt zu untermauern. Auch in seinen funktionalen Analysen der einzelnen Bestandteile des komplexen Operntextes treten semiotische Ansätze immer wieder in Erscheinung, meist aber im Sinne einer angewandten Semiotik. Wenn es etwa darum geht, das Repertoire musikalischer Ausdrucksmittel zu analysieren, wird auf Erkenntnisse der Musiksemiotik zurückgegriffen; um die darstellerischen Gestaltungsmittel auf der Bühne zu beschreiben, auf Konzepte wie Mimik, Gestik und Proxemik aus der Forschung zur nonverbalen Kommunikation, einschließlich des Ansatzes von Poyatos (1988). In seiner Habilitationsforschungsarbeit zur Comic-Übersetzung betrachtet Kaindl (2004: 184) den semiotischen Ansatz als nur eine von verschiedenen möglichen Sichtweisen, Von verbal zu multimodal 53 <?page no="54"?> neben der philosophischen, psychologischen, kunst- oder medienwissenschaftlichen Per‐ spektive. Zwar setzt er sich beim Versuch, auch Bilder als Textbestandteile zu erfassen und im Zusammenwirken mit sprachlichen Zeichen zu analysieren, an erster Stelle mit dem Klassifikationsmodell der Semiotik auseinander und bezieht sich dabei ausdrücklich auf die dreigestaltige Zeichenkonzeption von Charles Sanders Peirce, findet jedoch die Differenzierung nach Zeichenarten (wie Symbol, Index und Ikon) für eine übersetzungs‐ wissenschaftliche Analyse „wenig brauchbar“ (2004: 195). Ähnliches konstatiert er für strukturell-segmentierende Ansätze und konzentriert sich deshalb auf „funktional-kom‐ positionstechnische Ansätze“ (2004: 198). Unter diesen geht er besonders auf die von Kress und van Leeuwen (1996) vorgelegte „funktionale Bildgrammatik“ ein, die Hallidays (1978) systemisch-funktionale Linguistik zur Grundlage hat. Die Strukturierungsmuster und Gestaltungsprinzipien der Bildkomposition von Kress und van Leeuwen (1996) werden zwar als besonders vielversprechend gewürdigt, doch stößt sich Kaindl (2004: 200) an deren unzulässiger Generalisierung, wofür er kulturspezifische Konventionen ins Treffen führt. Die Semiotik wird somit in den Monographien von Klaus Kaindl (1995, 2004) nicht als eine Art Basisdisziplin oder gar als übergeordneter Theorierahmen angesprochen. Dasselbe gilt auch für die Wiener Schule der Translationswissenschaft im Allgemeinen, was schon in Snell-Hornbys (1986b: 17) integrativer Konzeption der prototypischen Textsorten und übersetzungsrelevanten Disziplinen zu erkennen ist. Zwar werden dort auch schon die Bühnenübersetzung und die Filmübersetzung sowie Werbetexte („Werbesprache“) erwähnt, doch wird in Bezug auf Basisdisziplinen festgestellt: „Grundlegend für sämtliches Übersetzen ist die Textlinguistik in allen Aspekten“ (1986b: 19f.). Darüber hinaus ist die Distanz gegenüber der Semiotik und ihrem Zeichenbegriff auch in den Grundpositionen der funktionalen Translationstheorie zu erkennen, wenn Holz-Mänttäri (1984, 1986) von „Botschaften“ spricht und Text bei Nord (1988: 16) als „kommunikativer Signalverbund“ charakterisiert wird. Vor diesem Hintergrund erscheint Klaus Kaindl im Rahmen der Wiener Schule als Pionier, der sich auf das Terrain der Semiotik vorwagt. Wie hier erwähnt wurde, erfolgte dies zunächst anhand spezifischer analytischer Aufgabenstellungen, für die Kaindl (1995, 2004) auf theoretische und methodische Konzepte der Semiotik zurückgriff. In einem Aufsatz zur Opernübersetzung in der Zeitschrift Target setzt sich Kaindl (1997) aber auch ausführlicher mit dem Verhältnis zur Semiotik aus wissenschaftstheoretischer Sicht auseinander. Dass die Beziehung zwischen Übersetzungsbzw. Translationswissenschaft und Se‐ miotik eine weitaus engere sein könnte, verdeutlicht Kaindl (1997: 275) anhand von Susan Bassnetts dezidierter Zuordnung der Übersetzung bzw. der Translation zur Semiotik: „although translation has a central core of linguistic activity, it belongs most properly to semiotics, the doctrine which studies sign systems or structures, sign processes and sign functions“ (Bassnett-McGuire 1991: 13). Kaindl (1997) erinnert auch an die grundlegende semiotisch fundierte Position von Roman Jakobson (1959), der sich direkt auf Peirce als den bedeutendsten Vertreter der modernen Semiotik bezog. Das tat im Übrigen auch Dinda Gorlée (1994), die in den 1990er Jahren eine Professur für Übersetzungswissenschaft an der Universität Innsbruck innehatte. Dennoch ortet Kaindl (1997) im Verhältnis zwischen Übersetzungswissenschaft und Semiotik in zweifacher Hinsicht ein „Beziehungsproblem“: Einerseits stehe der deduktive Ansatz der Semiotik - ausgehend von allgemeinen Gesetz‐ 54 Franz Pöchhacker <?page no="55"?> mäßigkeiten von Zeichenvorkommen - im Gegensatz zu dem am konkreten Text und dessen Zeichen orientierten Blickwinkel der Übersetzungswissenschaft, und andererseits seien beide Disziplinen noch stark von der Linguistik geprägt und hätten kaum eigene, adäquate Begriffs- und Analyseinstrumentarien entwickelt (1997: 276f.). Wollte man dieser doch sehr vorsichtigen Annäherung - auch mit Blick auf die Wiener Schule - weiteren Rückhalt verleihen, könnte man an den 1979 in Wien abgehaltenen Semiotik-Kongress erinnern, bei dem es eine Sektion zum Thema „Semiotik und Über‐ setzen“ gab, deren Referate von Wolfram Wilss (1980a) herausgegeben wurden. In dem Band finden sich Aufsätze von Beaugrande (1980) zu einer semiotischen Theorie des Literaturübersetzens, von Reiß (1980) zur übersetzungsrelevanten Ausgangstextanalyse mit Rückgriff auf die Peirce’sche Semiotik, und von Spillner (1980), der sich in der Diskussion semiotischer Aspekte der Comics-Übersetzung kritisch mit der Reiß’schen Texttypologie auseinandersetzt. Zu erwähnen ist ferner neben dem Beitrag von Toury (1980) zum systemischen semiotischen Ansatz auch Hildegund Bühlers (1980) Beitrag zur nonverbalen Kommunikation beim Konferenzdolmetschen. Ungeachtet dieser hochkarätigen Beiträge stellt Wilss (1980b: 7) damals schon (oder noch) in seinem Vorwort fest: „Für eine semiotische Theorie des Übersetzens und der Übersetzung ist die Zeit noch nicht reif.“ Trotz der oben beschriebenen konstruktiven Beiträge von Klaus Kaindl war sie das - gemessen an dem von ihm selbst gezogenen Fazit - auch knapp zwei Jahrzehnte später noch nicht. Einen weiteren Schritt in diese Richtung setzt Kaindl (2005) im Zusammenhang mit seiner Forschung zur Übersetzung von Popularmusik. In einem von Gorlée (2005) heraus‐ gegebenen Sammelband, in dem er mit einem Beitrag zur Opernübersetzung in bester Gesellschaft gewesen wäre, analysiert er Übertragungen eines französischen Chansons (Les Enfants du Pirée) ins Deutsche (Ein Schiff wird kommen) sowie englische Versionen eines ursprünglich türkischen Musikvideos. Abgesehen davon, dass er mit dem letzteren Beispiel auch den Begriff des Mediums als technische Vermittlung in den Vordergrund rückt, ist in diesem Zusammenhang sein Konzept der Sozio-Semiotik von besonderem Interesse. Basierend auf dem Peirce’schen Grundmodell der Semiose analysiert Kaindl (2005) die Verkettung von Interpretanten im Rahmen des (poly-)systemischen Ansatzes von Itamar Even-Zohar (1997), der eng mit der Forschungstradition der Descriptive Translation Studies verknüpft ist. Er betont damit die intertextuellen Beziehungen von „polysemiotischen“ Texten in verschiedenen Subsystemen und soziokulturellen Kontexten und, einmal mehr, das Potenzial der Semiotik für eine ganzheitliche Analyse der Translation als einer sozio-se‐ miotisch geprägten Praxis. Kaindls (2005) Konzept der Sozio-Semiotik, das sowohl die semiotische Komplexität von Texten als auch die soziologische Dimension ihrer kulturellen Einbettung im Blick hat, steht allerdings in einem genuin translationswissenschaftlichen Rahmen - im Unterschied zu jenem sozio-semiotischen Ansatz, der im Verlauf des 21. Jahr‐ hunderts ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt ist und aufs engste mit dem Begriff der Multimodalität verbunden ist. 4.3 Multimodalität Der Begriff der Multimodalität ist seit der Jahrtausendwende in zahlreichen Fachbereichen und nicht zuletzt auch in der Translationswissenschaft zu einem vielbenutzten Schlagwort geworden. (Von der wichtigen, aber hier nicht relevanten Verwendung im Zusammen‐ Von verbal zu multimodal 55 <?page no="56"?> hang mit klimabewusstem Mobilitätsverhalten sei hier einmal abgesehen.) Der Ausdruck „multimodal“ findet sich zum Beispiel schon als Schlüsselbegriff im Vorwort von Kaindl und Oittinen (2008) zur Sondernummer von Meta über das Verbale und Visuelle in der Translation. Wie Kaindl (2013) einige Zeit später in seinem Kapitel zur Multimodalität in einem translationswissenschaftlichen Handbuch feststellt - und in seinen oben skizzierten Forschungsleistungen hinreichend unter Beweis gestellt hat -, war der Begriff im Sinne von komplexen Zeichenvorkommen oder semiotisch komplexen („polysemiotischen“) Texten in der Textlinguistik wie auch in der Semiotik lange Zeit vorhanden, wurde jedoch nicht in dieser Form bezeichnet. Es waren Kress und van Leeuwen (2001), die in Weiterführung von Hallidays (1978) sozio-semiotischer Sprachauffassung und ihrer oben bereits erwähnten funktionalen Bildgrammatik (Kress/ van Leeuwen 1996) eine allgemeine Kommunikations‐ theorie entwarfen, in deren Mittelpunkt der Begriff der semiotischen Modalität stand. Der Schlüsselbegriff Modalität bzw. der englische Terminus mode wird dabei verschieden aufgefasst. Kress (2010) definiert ihn als „a socially shaped and culturally given resource for making meaning“ und führt dann beispielhaft unter anderem Bild, Schrift, Layout, Gestik und Soundtrack an. Für Kress und van Leeuwen ist Multimodalität somit „the use of several semiotic modes in the design of a semiotic product or event, together with the particular way in which these modes are combined“ (2001: 20). Wie Kaindl (2020) rund zwei Jahrzehnte nach Erscheinen des Hauptwerks von Kress und van Leeuwen (2001) feststellt, scheint das Konzept der Multimodalität weitgehend an die Stelle der althergebrachten Semiotik getreten zu sein und deren zeichentheoretische Ansätze verdrängt zu haben. Er kann sich dabei nicht den Vorwurf verkneifen, dass Kress und van Leeuwen (2001) im Grunde bekanntes Wissen, vornehmlich aus der Semiotik, ohne allzu viel Bedacht auf Vorläufer und verwandte Ansätze (oft auch deutschsprachiger Autorïnnen) neu präsentierten. Kaindl (2020: 52) resümiert: „progress does not necessarily happen cumulatively by building on what already exists“. Mehr als den Neuigkeitswert des Modalitätskonzepts würdigt er die Kombination und Ausdifferenzierung von Modalitäten und ihrer medialen Realisierung, wodurch ein bes‐ seres Verständnis der funktionalen Bezüge zwischen semiotischen Ressourcen ermöglicht werde, sowie die konsequente soziokulturelle Einbettung aller kommunikativen Prozesse (2020: 52). Auf dieser Basis skizziert Kaindl (2013: 261f.) für den Gegenstandsbereich der Übersetzungswissenschaft eine zweifache Differenzierung von Transferarten - zwischen intramodal und intermodal einerseits und zwischen intramedial und intermedial anderer‐ seits - und betont deren wechselseitige Verknüpfung. Wie schon in seiner grundlegenden Arbeit zur interdisziplinären Positionierung des Faches (Kaindl 2004) sieht Kaindl (2020) in wissenschaftstheoretischer Perspektive ein Ungleichgewicht in der interdisziplinären Beziehung: Während die Translationswissen‐ schaft eifrig Inhalte der Sozio-Semiotik - im Deutschen auch als Sozialsemiotik oder soziale Semiotik bezeichnet (Eschbach 2015) - aufgreift, nehme diese kaum von der Translationsforschung Notiz. Trotzdem sieht er großes Potenzial für den Dialog zwischen den Forschungsbereichen Multimodalität und Translation. Dem Bereich der Übersetzung würde ein geschärftes Bewusstsein für Multimodalität guttun, wenn es doch im Prinzip stets darum gehe, multimodale Texte in kooperativem Handeln für einen spezifischen zielkulturellen Rezeptionskontext zu produzieren (Kaindl 2020: 64). Zugleich erinnert er 56 Franz Pöchhacker <?page no="57"?> daran, dass für eine multimodale Translationswissenschaft noch viel zu tun sei, vor allem zur Klärung von Schlüsselbegriffen wie Modalität und Medialität und zur Entwicklung eines translationsrelevanten Analyseinstrumentariums für nichtsprachliche Zeichenmoda‐ litäten. Für die Dolmetschwissenschaft, in die das Konzept der Multimodalität auf anderen Wegen, aber doch letztlich mit Bezug auf den sozio-semiotischen Ansatz von Kress und van Leeuwen (2001) Eingang gefunden hat, wurde in Pöchhacker (2020) der Versuch unternommen, das Zusammenspiel von Medien und Modalitäten begrifflich zu klären und Beschreibungsansätze für die multimodalen Texte in verschiedenen Szenarien und Modi des Dolmetschens auszuarbeiten. Im Hinblick auf den Modalitätsbegriff wird in der strittigen Frage der Abgrenzung von „zentralen“ Modalitäten wie „Sprache, Bild und Ton“ (Stöckl 2016) klar dafür Stellung bezogen, Sprache nicht im abstrakten Sinn als semiotische Modalität zu sehen, sondern mit Bezug auf deren mediale Realisierung von vornherein zwischen drei sprachlichen Modalitäten, nämlich der Sprechsprache, Schriftsprache und Gebärdensprache, zu differenzieren. Auf dieser Basis lassen sich traditionelle wie auch neue Formen des Dolmetschens anhand ihrer Modalität (intramodal/ intermodal) wie auch ihrer Lingualität (interlingual/ intralingual) differenzieren (Pöchhacker 2019). Für die Zwecke konkreter Analysen wird in Pöchhacker (2020) wiederum auf das Konzept des dreiteiligen Kontinuums von Sprechsprache, Parasprache und Kinesik von Poyatos (1987, 1997) zurückgegriffen, das den medialen Bedingungen von Produktion und Rezeption, und somit insbesondere den auditiven und visuellen Wahrnehmungskanälen, einen besonderen Stellenwert zuweist. In diesem Zusammenhang lassen sich in der Dolmetschforschung bislang zwei Orientierungen ausmachen: Zum einen wird das Zusam‐ menwirken verschiedener Zeichenmodalitäten in kommunikativer Interaktion, vor allem beim Gesprächsdolmetschen, untersucht, und zum anderen wird die kognitive Dimension der multimodalen Wahrnehmung und Verarbeitung in den Mittelpunkt gerückt. Im Bereich der Gesprächsdolmetschforschung bietet vor allem Davitti (2019) richtungweisende metho‐ dologische Konzepte und wurden Einzelstudien über das Zusammenwirken von verbalen Äußerungen, Gestik, Blickrichtung und Körperhaltung durchgeführt (z. B. Krystallidou 2014; Klammer/ Pöchhacker 2021). Die Forschung zur Multimodalität beim Simultandolmet‐ schen ist hingegen, der Forschungstradition entsprechend, vor allem kognitiv orientiert. So etwa behandelt Seeber (2017) vor allem die kognitive Belastung, die aus den miteinander verschränkten auditiven und visuellen Wahrnehmungsprozessen der Dolmetscherïn resul‐ tiert. Diese Thematik hat neuerdings durch das Aufkommen des computerunterstützten Simultandolmetschens, insbesondere durch automatische Spracherkennung, stark an Be‐ deutung gewonnen (siehe Defrancq/ Fantinuoli 2021). Dabei steht allerdings nicht die Zeichenmodalität, sondern im Grunde die Medialität im Sinne der medialen Realisierung der betreffenden sprachlichen Modalität im Vordergrund. Diesbezüglich könnte man zur Begrifflichkeit abschließend konstatieren, dass in der Übersetzungswissenschaft die semiotische Multimodalität lange Zeit als multimedial bezeichnet wurde, während das Multimediale im Dolmetschprozess nunmehr multimodal genannt wird. Von verbal zu multimodal 57 <?page no="58"?> 5 Entwicklungslinien Mit dem vorliegenden Beitrag wurde das Ziel verfolgt, translationswissenschaftliche Entwicklungswege auf mehreren Ebenen nachzuzeichnen. In erster Linie wurde anhand der übersetzungswissenschaftlichen Forschungsarbeiten von Klaus Kaindl eine Art Mik‐ rogeschichte verfasst, die bei den theoretischen Grundlagen und Rahmenbedingungen ansetzt und auch die akademische Vorgeschichte nicht außer Acht lässt. Ausgehend vom institutionellen Rahmen der Doktoratsforschung am 1989 neu geschaffenen Lehrstuhl für Übersetzungswissenschaft an der Universität Wien ergab sich eine zweite Entwicklungs‐ linie, in der mit Bezug auf die Arbeit von Pöchhacker die stark unterschiedlich geprägte, teils aber auch parallel verlaufende Forschung im Bereich Dolmetschen mit ins Bild gerückt wurde. Dieser Blick auf Unterschiede und Parallelen im Wirken zweier Fachkollegen, die lange Zeit gleichsam Schulter an Schulter arbeiteten, sollte zumindest im Ansatz ein Bild von der (Frühzeit der) translationswissenschaftlichen Entwicklung an der Wiener Forschungs- und Ausbildungsstätte für Übersetzen und Dolmetschen vermitteln, das wiederum mit der Entwicklung der Translationswissenschaft im Allgemeinen in Beziehung gesetzt werden kann. Wenngleich nur ausgewählte Aspekte der Arbeit von Klaus Kaindl Erwähnung fanden, wären sie doch an dieser Stelle nur schwer zu rekapitulieren. In wissenschaftstheoretischer Hinsicht hervorstechend ist jedenfalls Kaindls Interesse an wenig beachteten ‚Randthemen‘ der Übersetzungswissenschaft, wie der Übersetzung von Opern, Comics oder Popular‐ musik. Dieses außergewöhnliche Engagement dient nicht nur der Konsolidierung und Erweiterung des Gegenstandsbereichs des Faches, was für sich allein genommen schon eine wertvolle Leistung wäre. Vielmehr sind Erkundungen im Grenzbereich auch mit der Möglichkeit und meist auch der Notwendigkeit verbunden, Grenzen zu überschreiten, und Klaus Kaindl hat sich wie kaum ein anderer Translationswissenschaftler als beherzter Grenzgänger und auch Vermittler zwischen Disziplinen erwiesen. Eine Parallele in der dolmetschwissenschaftlichen Arbeit seines Wiener Kollegen der ersten Stunde lässt sich nur im Hinblick auf den ‚Randbereich‘ des Kommunaldolmetschens finden, das in den frühen 1990er Jahren noch kein Thema im Mainstream der Dolmetschfor‐ schung war (Pöchhacker 1997), sich dann aber rasant zu entwickeln begann. Zwar brachte die Aufwertung des Kommunaldolmetschens auch eine Hinwendung zu soziologischen Ansätzen mit sich, doch war der Grad an Interdisziplinarität bei Pöchhacker (2000) sehr bescheiden und blieb weit hinter den Beiträgen zurück, die Kaindl (2004) im Bereich der Semiotik und vor allem mit seiner soziologischen Komplementierung der Translationswis‐ senschaft leistete. Neue Wege in der Dolmetschforschung wurden eher in methodologischer Hinsicht beschritten, etwa mit der Nutzung von diskursanalytischen Konzepten (z. B. Pöchhacker/ Kolb 2009) und quantitativen sozialwissenschaftlichen Methoden. Eine deutliche Divergenz der Subdisziplinen lässt sich in erkenntnistheoretischer Hinsicht im Verhältnis zwischen Theorie und Empirie feststellen. Wie Kaindl (2004) feststellt, ergibt sich die Empirielastigkeit und Theorieferne der Dolmetschwissenschaft im Zuge der von Gile (1994) auf dem Wiener Translationswissenschaftskongress von 1992 proklamierten „Renaissance“ der kognitionswissenschaftlich orientierten experimentellen Forschung zum Dolmetschen, in deren Zusammenhang Snell-Hornby (2006) von einer „empirischen Wende“ spricht. Grundlegende Gemeinsamkeiten in der übersetzungswis‐ 58 Franz Pöchhacker <?page no="59"?> senschaftlichen und der dolmetschwissenschaftlichen Entwicklung am Wiener Lehrstuhl gehen dagegen naturgemäß auf Mary Snell-Hornbys (1986, 1988) integrative Konzep‐ tion des Faches zurück, die neben einer textlinguistischen Fundierung vor allem auf der funktional orientierten Allgemeinen Translationstheorie (Reiß/ Vermeer 1984) bzw. Holz-Mänttäris (1984, 1986) proto-soziologischer Theorie vom translatorischen Handeln beruhte. Sowohl Kaindl (1995) als auch Pöchhacker (1994) - wie auch andere Translations‐ forscherïnnen am Wiener Lehrstuhl - bauten auf dieses theoretische Grundgerüst auf und konzipierten die jeweils relevanten Textvorkommen ganzheitlich als Zeichenverbünde, die über das Verbale hinausgingen und letztlich in eine multimodale Sichtweise mündeten. Neben diesen Parallelen in der wissenschaftlichen Arbeit der beiden Snell-Hornby- ‚Schüler‘ ist auch deren gemeinsames Engagement für die disziplinäre Entwicklung des Fa‐ ches Translationswissenschaft hervorzuheben, das bereits mit der Namensgebung begann. War Snell-Hornby (1986b: 27) für die deutsche Fachbezeichnung noch im Zweifel, „ob sich Translation international durchsetzen kann“, wurde am Wiener Lehrstuhl in den 1990er Jahren mit vereinten Kräften an der disziplinären Identität der Translationswissenschaft gearbeitet. Die für Snell-Hornby wohl unerwartete Schwerpunktsetzung im Bereich der Dolmetschwissenschaft, an der nicht zuletzt Ingrid Kurz (1996) mit ihren interdisziplinären Ansätzen maßgeblichen Anteil hatte, machte die Nutzung des Kade’schen Oberbegriffs für Übersetzen und Dolmetschen zur Bezeichnung des Faches umso plausibler und notwen‐ diger. Wie Kaindl bekräftigt, war der Terminus Translationswissenschaft „nicht einfach ein neues Etikett“: „Die Zusammenführung von übersetzungs- und dolmetschwissenschaft‐ lichen Fragen, wie sie im Terminus Translation zum Ausdruck kommt, steht für das Bestreben, bisher getrennte Bereiche unter einem disziplinären Dach zu vereinen“ (2004: 319). Durch die unmittelbare gemeinsame Arbeit unter Kollegen, Seite an Seite, an einem Ort, wurde dies sicherlich erleichtert. Darüber hinaus aber lag diesem Bestreben ein Konsens über den Status und das disziplinäre Profil des Faches zugrunde. In diesem Sinn steht Translationswissenschaft laut Kaindl für „ein Programm, das darauf abzielt, durch eine Erweiterung der Perspektiven und damit verbunden eine Neudefinition des Gegenstandes eine von der Linguistik unabhängige Disziplin zu etablieren“ (2004: 37). Angesichts dieser Programmatik und des dafür entwickelten und in Forschung und Lehre umgesetzten wissenschaftstheoretischen und theoretischen Konsenses, wonach Translationswissenschaft ganzheitlich, integrativ und interdisziplinär orientiert ist und ihren Gegenstandsbereich in semiotisch komplexen (multimedialen, multimodalen) Texten hat, die eingebettet in einen gesellschaftlichen Handlungskontext entsprechend zielgrup‐ penspezifischer Anforderungen und zielkultureller Erwartungen zu gestalten sind, wurde in diesem Beitrag von einer Wiener Schule der Translationswissenschaft gesprochen. Im Lichte der darin skizzierten Entwicklungslinien muss wohl zumindest das Schlagwort von der Einheit in Vielfalt bemüht werden. Dennoch scheint die Behauptung nicht vermessen, dass eine solche Wiener Schule zumindest ein Jahrzehnt lang existierte und auch international als solche wahrgenommen wurde. Wie sehr die Translationswissenschaft insgesamt von dieser Wiener Schule geprägt wurde, lässt sich ungleich schwerer und letztlich wohl weniger affirmativ beantworten. In den frühen 1990er Jahren hatte das traditionsreiche Wiener Institut stark an Sichtbarkeit gewonnen. Mit Mary Snell-Hornby war eine international gut vernetzte Wissenschaftlerin, Von verbal zu multimodal 59 <?page no="60"?> deren Publikationen man im Evaluierungsjargon für Forschungsleistungen wohl als „pa‐ radigm-changing“ bezeichnen würde, an die Universität Wien berufen worden - eine Professorin, die sich neben der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Fach vor allem der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses verschrieben hatte. Mit ihrer (wie man heute sagen würde) Forschungsgruppe, deren Größe ursprünglich nicht weit über die hier angeführten Nachwuchsforscher hinausging, wurde die Entwicklung des Faches sowohl theoretisch-methodisch wie auch soziologisch-institutionell vorangetrieben. Der Wiener Translation Studies Congress des Jahres 1992, der führende Vertreterïnnen der Übersetzungs- und Dolmetschforschung unter einem Dach vereinte (Snell-Hornby et al. 1994) und auch zur Gründung der Europäischen Gesellschaft für Translationswissenschaft führte, setzte zweifellos ein weithin sichtbares Signal. Auch die Gastprofessur von Snell-Hornby im Rahmen des internationalen CERA-Chair-Sommerschulprogramms im Jahre 1994 förderte ihre weitere Ausstrahlung im Kreis von Nachwuchsforscherïnnen im Bereich der Trans‐ lation. Demgegenüber steht allerdings die Tatsache, dass die Translationsforschung der Wiener Schule in ihrer funktional-translationstheoretischen Ausrichtung und textlinguis‐ tischen Fundierung sehr stark deutschsprachig geprägt war. Gerade das Schlüsselwerk von Holz-Mänttäri (1984) zum translatorischen Handeln und auch viele Arbeiten von Vermeer blieben unübersetzt, und die Fokussierung auf Aspekte der (wenn auch semiotisch komplexen) Textualität wurde im anglophonen Raum zusehends von der Erforschung gesellschaftlicher Diskurse auf Basis der systemisch-funktionalen Linguistik Halliday’scher Prägung verdrängt. Auf diesem anglophonen Fundament wurde schließlich im zunehmend monolingualen Fach Translation Studies auch jener sozio-semiotische Ansatz entwickelt, der zuvor von nicht zuletzt deutschsprachigen Autorïnnen geleistete Beiträge ignorierte und nunmehr die Multimodalität zu einem Leitbegriff des Faches hat werden lassen. Zwar haben beide ‚Schüler‘ der Wiener Schule, und ganz besonders Klaus Kaindl, das Konzept der Multimodalität für ihre Subdisziplinen aufgenommen und in richtungweisenden Publika‐ tionen für die translationswissenschaftliche Weiterentwicklung zu nutzen versucht, doch ließe sich das kaum als ein prägender Einfluss der „Wiener Schule“ auf das Fach verbuchen. Die zuletzt wieder unter Anführungszeichen gesetzte Wiener Schule der Translations‐ wissenschaft könnte man wohl rückblickend auch als ein Opfer ihres eigenen Erfolges bezeichnen. Die mit Nachdruck und im internationalen Zusammenwirken verfolgte Ent‐ wicklung des Faches hat zur Herausbildung einer weltweit verankerten und nicht zuletzt durch digitale Kommunikationstechnologien intensiv vernetzten Disziplin geführt. Als solche ist die Translationswissenschaft nicht mehr in einzelnen geographischen Zentren oder Institutionen zu verorten; diese sind heute wenig mehr als Knoten in einem welt‐ weiten Netzwerk. Mehr noch: Die Erschließung immer weiterer Gegenstandsbereiche und die interdisziplinäre Offenheit für neue Konzepte und Methoden hat zu einer beeindru‐ ckenden Diversifizierung und Ausdifferenzierung des Faches geführt, die ein einzelner theoretisch kohärenter Ansatz kaum mehr umfassen kann. Die translationshistorische und die corpusbasierte Übersetzungs- und Dolmetschforschung sowie der große Bereich der Audiovisuellen Translation wären hier ebenso zu nennen wie die Kognitive Translations‐ wissenschaft, die Forschung zur Translationstechnologie oder eben auch die Multimodale Translationswissenschaft. Dieser Vielfalt liegen jeweils spezifische Entwicklungslinien zugrunde, die kaum mehr in ihrer Gesamtheit und übersummativen Verwobenheit erfasst 60 Franz Pöchhacker <?page no="61"?> werden können. Wohl aber konnte in diesem Beitrag eine Entwicklung nachgezeichnet werden, in der Klaus Kaindl als Vertreter der Wiener Schule der Translationswissenschaft einen Weg bereitet und beschritten hat, der von der Fixierung auf das Verbale bis zur konsequenten und differenzierten Erfassung und Erforschung des Multimodalen geführt hat. Literatur Ahamer, Vera S. (2007). Die Gründung des Instituts für Dolmetschausbildung an der Universität Wien 1943. Lebende Sprachen 52 (1), 2-9. Bassnett-McGuire, Susan (1991). Translation Studies. Rev. Edition. London: Routledge. Beaugrande, Robert de (1980). Toward a semiotic theory of literary translating. In: Wilss, Wolfram (Hrsg.). Semiotik und Übersetzen. Tübingen: Gunter Narr, 23-42. Beaugrande, Robert-Alain de/ Dressler, Wolfgang U. (1981a). Einführung in die Textlinguistik. Tü‐ bingen: Max Niemeyer. Beaugrande, Robert de/ Dressler, Wolfgang (1981b). Introduction to Text Linguistics. London: Longman. Braun, Sabine (2015). Remote interpreting. 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Reflections on individualized and extended translator studies Hanna Risku 1 Abstract: Translator studies employ translator-centred approaches in translation research, placing the focus on the study of people and their involvement in the processes, practices and contexts of relevance for translation. In an attempt to humanize translation research, individualized translator studies investigate the biographies, contributions and motivations of individual translators as key actors with their own unique, personal backgrounds and strategies. While individuals and their personal choices are thus taking centre stage in this branch of translator studies, socio-cognitive approaches seem to be moving in a different direction. Rather than emphasizing individual agency, they shift the attention to the unit of “brain-body-world” that is distributed across actors, objects and environments, implying that translatorship and translatorial agency can also be located at the situation, system or network level rather than that of individual subjects. In this paper, I retrace the disciplinary paths and scholarly motivations that have led to the development of individualized, person-ori‐ ented translator studies on the one hand, and socio-cognitive, extended translator studies on the other, reflecting thereby on their differences and commonalities. Keywords: Translator studies, extended translation, socio-cognitive translation stu‐ dies, distributed agency, distributed translatorship 1 Introduction Andrew Chesterman (2009) describes translator studies as the sub-branch of translation studies in which translation is examined from sociological, cognitive and cultural perspec‐ tives. As the name suggests, the focus here lies on translators and interpreters, their roles and positions as well as the processes and practices involved rather than on textual or linguistic structures. This focus on people and their actions can be seen as the culmination of a long-term development in translation studies insofar as it represents a break from the traditional emphasis on languages and texts that had prevailed in translation studies from its establishment as a separate discipline in the 1970s through to the late 1980s. In the last decades, the study of translators and interpreters from sociological, cognitive and cultural perspectives has continued to gain in strength, with such approaches now all developing <?page no="66"?> 2 Translation studies have several origins, with applied linguistics as just one of the storylines running alongside the developments stemming, for example, from the field of comparative literature. in their own right within translation studies and contributing to the humanization of the discipline (see Chesterman 2009; Pym 2009). Klaus Kaindl (2021) emphasizes the relevance of studying translators as autonomous beings with their own particular histories, biographies, work contexts, discretion and choices. With their edited volume Literary Translator Studies (2021), Klaus Kaindl, Waltraud Kolb and Daniela Schlager lay a sound foundation for the person-centred study of translators as individuals. They devote their volume to the field of literary translation, where the increasing emphasis on the visibility of translators of literary texts as individuals can be related to the traditionally high visibility of the authors of literary (source) texts. In this paper, I take a brief look at the development of translator studies and compare it with chronologically parallel developments in the field of cognitive science. I use this comparison to discuss the similarities and differences between 1) individualized, person-oriented and 2) extended, socio-cognitive translator studies that rely on current cognitive scientific developments. While both person-oriented and socio-cognitive approa‐ ches in translator studies exhibit some key commonalities (discussed below) and represent dominant orientations within the translator studies paradigm, they have each chosen slightly different paths when it comes to identifying the unit they define as the actor or whose activities they seek to explain. While individuals and their personal choices take centre stage in the person-centred strand of translator studies, socio-cognitive approaches that rely on cognitive scientific concepts such as extended and distributed cognition seem to be moving in a different direction. Rather than emphasizing individual agency, they shift their attention to the socio-cognitive unit of “brain-body-world” (Hutchins 2006: 389) that is distributed across actors, objects and the environment. I will therefore discuss how person-oriented translator studies tend to focus on individual translators, their identities and personalities, while extended and distributed cognitive science approaches and the corresponding extended translation approach (Risku/ Wind‐ hager 2013; Risku et al. 2013) instead explain human activity as a process that is carried out by socio-cognitive, socio-technical and organizational units. The latter would thus focus on how a socio-cognitive unit such as translators and their material and organizational environments (or a publishing house or language service provider) generates a translation rather than on how individual translators make their choices. I reflect on these questions by retracing the disciplinary paths and scholarly motivations that have led to the different approaches used in person-oriented translator studies and their counterparts that draw on the concept of extended translation. I also shed light on the similarities and differences between their origins and the developments in each of these fields in order to discuss their potential intersections and implications. 2 Similar origins and motivations Translation studies began the journey towards becoming a discipline in its own right in the 1970s as a branch of applied linguistics 2 . In line with the developments in linguistics 66 Hanna Risku <?page no="67"?> at the time, translation studies scholars concentrated on the comparison of languages as rule-based coding systems. In this respect, comparative linguistics also seemed to provide an adequate basis for identifying equivalence and other relations between language systems in the study of translation. As Kaindl (2021: 3) notes, this was also strongly borne by the assumption that translation is a computation that can be carried out by a computer as soon as the respective language symbols and rule systems have been fully recorded. A similar tenet can be found in cognitive science, which initially emerged as an attempt to simulate human intelligence on the computer. Behind this lay the assumption that thinking is a linguistically and symbolically transparent coding, calculation and problem-solving process - a symbol manipulation process in line with the propositional theory of mind. This ultimately led (similarly to translation studies of the time) to the human element being pushed out of the theory building or modelling: in this cognitive science approach, it was all about the correct application of learned or externally stored algorithms - independent of the human element or indeed the executing medium. With the reorientation of translation studies (Snell-Hornby 1986) in the 1980s, descrip‐ tive, functional and hermeneutic approaches brought the interests, goals, prior knowledge, understanding, potential and limitations of the actors involved to the forefront of transla‐ tion research. Translation was now seen as dependent on the individual interpretations and choices of translators. This led to the emergence of actorand action-centred approaches in translation studies or “translator studies” (Chesterman 2009) that placed the translator at the centre of attention in translation research. A logical extension of this development is person-centred translation research, which studies the histories, choices, effects and relevance of individual translators - “the translator as a person” (Kaindl 2021: 5f.) and the translator as a “translatorial subject” (2021: 6). In an attempt to humanize translation research (Pym 2009), it investigates the biographies, contributions and motivations of in‐ dividual translators as key actors with their own unique goals, backgrounds and strategies. According to Kaindl (2021: 8), person-centred translator research can “provide us with a deeper understanding of the individual dimension of translation”. Individuals and their personal attitudes and identities thus take centre stage. A parallel development was initially also seen in cognitive science: the connectionism and parallel distributed processing approaches (Rumelhart/ McClelland 1986) that emerged in the 1980s saw experience-based learning at the heart of cognition and intelligence, making cognition dependent on individual perceptions, prior knowledge, learning paths and, thus, on the person doing the thinking. Here, the basis for thinking and learning lay not in rule-governed sequences of states that can be coded as symbols and syntactic structures but in activation patterns of neural networks - schemata that emerge through repeated perceptions and activities and the feedback received in the process. Individuals with their past learning and experience thus also took centre stage in these approaches. 3 Shifting the focus in different directions Further developments in cognitive science, however, moved in a slightly different direction to that of person-centred translator studies. Instead of emphasizing individual agency, some cognitive scientific approaches like extended cognition (Clark/ Chalmers 1998; Menary Reflections on individualized and extended translator studies 67 <?page no="68"?> 3 See also other translation studies research committed to situatedness and embodiment, e.g., Risku (2010), Muñoz Martín (2016a), Hirvonen/ Tiittula (2018), Martín de León/ Fernández Santana (2021), Korhonen/ Hirvonen (2021), Pleijel (2021) and Sannholm (2021). 2010) and distributed cognition (e.g., Hutchins 2006, 2011) shifted their attention to the role of the local context of action. This context of action is assumed to co-determine the cognitive process - not just as a contextual connotation or specification but as an integral part of the process in which contextual structures, objects and actors are perceived, manipulated and interacted with. Consequently, according to the extended and distributed cognition approaches, the cognitive process is not carried out by individuals but by the socio-cognitive system of (potentially multiple) actors, artefacts and other objects in their present environment. The interactive unit of “brain-body-world” does the acting, thinking and deciding; this unit is distributed across actors, objects and the environment. Thus, in the case of translating, translatorship and translatorial agency (in the sense of “willingness and ability to act”; Kinnunen/ Koskinen 2010: 6) would need to be located at the situation or system level, not at the level of the individual actors (for distributed agency, see also Enfield/ Kockelman 2017). The extended cognition/ mind thesis was originally developed by Andy Clark and David Chalmers (1998), and the distributed cognition approach by Edwin Hutchins (1995a, b). In this paper, I will group these two approaches together, even though they do not constitute a unified theory of cognition but belong rather to the cluster of cognitive scientific approaches often referred to as 4EA cognition (i.e., embodied, embedded, extended, enacted, affective cognition; for an overview, see Risku/ Rogl 2021). All these approaches allocate a central role to embodiment and to physical and social interaction rather than to the notion of mental representation or mental information processing. Despite their different emphases, the extended and distributed cognition approaches expand the notion of the cognitive system to entities outside of the head and the cranium (e.g., the body and the environment). Given the many intersections inside the 4EA cluster, some of the approaches are frequently combined, for example as “situated, embodied cognition” or, as in this paper, “extended, distributed cognition”. Whilst I am aware that this could be seen as an undue generalization or abstraction, I hope that, in the context of this paper, it serves the purpose of directing our attention to their common extension of the cognitive unit or system. Taking this as a basis, I use the extended translation approach (Risku/ Windhager 2013; Risku et al. 2013) 3 that draws on the approaches of extended and distributed cognition to present an extended, distributed view of translatorship. This enables me to reflect on and compare developments in person-centred, individualized translator studies and the extended translation approach. Despite the obvious differences between these two perspectives on translatorship, I argue that the two actually mirror each other in their development and views. After all - even if they seem to disagree when it comes to the analytical unit that carries the agency of an activity - individualized translator studies and the extended translation approach (leading to a view of extended translator studies) also both reject the notion of linguistically transparent, rule-based information processing as a basis for human translation. 68 Hanna Risku <?page no="69"?> 4 Extendedness and distributedness: Implications for translation studies Extended and distributed views of cognition and translation effectively see intelligent human abilities as socio-cognitive accomplishments that arise from interaction with social and material environments. A cognitive system can thus comprise one or several persons and their interactions with each other, with environmental structures and with artefacts of different kinds. In such approaches, the structures that govern activities include not only mental units like neural activation patterns but also the environment as a part of thinking and learning. The thinking, remembering and decision-making unit is thus a system of neural, bodily, social and technical elements (Hutchins 2006: 376), all of which contribute significantly to the dynamics of the heterogeneous system as a whole. Memory, representation and decision-making thus do not occur in the brain, to which the other elements only supply information and from which they would receive commands, but in the entire socio-cognitive system. The boundaries of the cognitive system are drawn neither by the skull or neural system nor by the skin but by the elements that interact and develop system dynamics. Cognitive processes are enacted in systems that contain more than the single individual (Clark 2008; Hutchins 2011). Memory as an important cognitive element or function is a good example in this context. According to Edwin Hutchins (2006: 378), because memory is more than just the sum of a specific set of mental processes, it would not actually be possible to understand human memory and how people remember even if we had a complete understanding of human mental processes. Memory also depends strongly on the position, activation status and environment in which we find ourselves at the moment of remembering, on current per‐ ceptions that support or influence certain memories, and on material artefacts (databases, books, checklists, spatial layout), immaterial artefacts (language structures, motor routines) or social infrastructures (co-workers, social platforms, exchange options, agreements, conventions) that serve as hints and scaffolds to support our thinking and doing. An explanation on the level of the individual would thus be reductionist - the “boundary around the person” becomes “permeable” (Hutchins 2006: 388). In this regard, Raphael Sannholm (2021) strikingly describes how remembering in translation departments unfolds as a collective effort in which translation memories and other storage media are not only actively used but also constantly maintained so that the knowledge that exists today remains available in the future and for all who need it - across the whole organization (see also Sannholm/ Risku forthcoming). The role of representation, one of the key concepts of cognitive science, is also reconsidered and redefined in extended and distributed approaches to cognition. Here, representations are not assigned a function that depicts the world but are instead assumed to always be related to the action and situation - they do not represent the world itself in any universal or objective way without regard to their original purpose and use. This is an epistemological stance that brings together quite different contemporary cognitive science approaches - from connectionism to situated cognition as advocated by Andy Clark (1997) and Lucy Suchman (2007) - and has also been adopted largely by current research in translation studies. Sandra Halverson and Haidee Kotze (2021), for example, present a usage-based understanding of language that also refers to a socio-cognitive stance Reflections on individualized and extended translator studies 69 <?page no="70"?> 4 I follow Hutchins’ terminology here, as the extended mind hypothesis proposed by Clark and Chalmers (1998) and Clark (2008) would put this in somewhat different terms. 5 The supraindividual, collective or systemic level of description shares similar concerns with research on translation activities and competences at the institutional level; see, e.g., Koskinen (2008) on “translating institutions” and Sandrini (2019) on “institutional translation competence” (“institutionelle Translationskompetenz”). on translation. What is, however, special about the distributed cognition approach taken by Hutchins (2006) is the notion that representations are distributed 4 : they reside in the brain, in physical gestures, in visual and linguistic expressions, in social communication and also in technology. They are structures of varying stability, the mental and physical manipulation, propagation and transformation of which constitutes the cognitive process (Hutchins 2006: 384). Cognition in this sense is also interaction, and the cognitive unit a distributed system of elements that are internal and external to the body. Herein seems to lie a difference to approaches in translator studies that are person-oriented and concentrate more on the individual. This difference is perhaps even stronger where distributed cognition assumes collective cognitive characteristics. Hutchins (2006: 377) speaks of “supraindividual cognitive effects” that differ from the cognitive characteristics, preferences and possibilities of the individuals who participate in such social processes. This approach assumes that actions can only be explained if the socio-cognitive and technical structures with all their internal and external representations, interactions and resulting supraindividual effects are also taken into account. As Hanna Risku and Regina Rogl (2021) point out, there is a similarity here between distributed cognition and Bruno Latour’s (2005) actor-network theory: at the centre lies a network of actors, media and other elements that together generate designs, innovations and other products - but also sociality itself. Whereas Latour investigated the work processes and practices in scientific laboratories, translation scholars use similar ethnographic methods to acquire and analyse data in different empirical translation settings. 5 The extended translation approach relativizes the focus on individuals and their indi‐ vidual agency and seems to direct our attention instead to how translation agencies, translation departments, online translation networks and platforms or literary publishing houses with their internal and external members of staff, material and immaterial struc‐ tures, representations and “boundary objects” (that act as common points of reference and connect different actors and groups; Star 2010; see also Rogl/ Risku forthcoming) generate a translation. The unit of analysis to be described from a theoretical perspective and the empirical settings of concrete investigations are thus expanded from individuals to teams, platforms and organizational units. The distributed cognition approach emphasizes the relevance of methodological research designs that study “cognition in the wild” (Hutchins 1995a), i.e., ethnographic studies with meticulous recording and analysis of participant interactions and statements (e.g., participatory observation, qualitative interview and artefact analysis). A research agenda committed to extendedness and distributedness would underscore that an analysis that is data-based protects against premature theoretical or other assumptions and also uncovers surprising, counterintuitive, seemingly illogical, dynamic, contingent and non-linear deve‐ 70 Hanna Risku <?page no="71"?> lopments and connections. In comparison, data from empirical studies seems to play a lesser role for Kaindl (2021: 8, 10, 12). It seems to me, however, that his critique of the reliance on empirical data is mainly directed towards decontextualized and depersonalized empirical studies rather than all empirical data acquisition and analysis, which would also include, for instance, ethnographic studies seeking to uncover the translators’ own subjective perspectives and studies using translators’ personal notes and comments, autobiographical texts by translators and the like. Indeed, Kaindl (2021: 12) contrasts “data” with “life” and thus reminds us of the need to keep the data alive and let life become visible through data. The extendedness and distributedness perspective raises some exciting questions for translation studies - and possibly for translator studies in particular. Who is translating? A translator or a translation agency, a team or network? Whose are the words in a translation? Who or what does the remembering of terms and phrases? Where is the unit located that chooses what and how to write? In our attempt to explain the making of a translation, could we study translators, their identities and personalities and also ask how a publisher or language service provider remembers its resources and practices (rephrasing the title of a prominent article by Hutchins (1995b), “How a Cockpit Remembers its Speeds”)? Should we investigate the agency of the translation bureau - the agency of the agency? In answering these questions, socio-cognitive translation studies can draw on recent discussions on collaborative translation and multiple translatorship that share similar concerns even if they might not refer to current cognitive scientific developments (see, e.g., Jansen/ Wegener 2013; Solum 2017; Cordingley/ Frigau Manning 2017; Kolb 2019). 5 Common ways ahead Given the similarities and differences described above, it seems legitimate to juxtapose the person-oriented, individualized research tradition and the extended translation approach. Likewise, they should not be artificially constructed as a contradiction. Person-oriented translator studies does take a more individualistic approach to translatorship than the extended translation approach. Kaindl (2021: 8) emphasizes “the individual dimension”: translators’ decisions are described as their own and allocated to them as individuals. However, there are also important commonalities between the two. After all, investigations in the person-oriented translator studies tradition describe individuals in their context and history, not in a vacuum. Their decisions are constrained by their socio-cultural situation, role and development; they are “subject to contextual and situational constraints” (Kaindl 2021: 11). I would thus also contend that the two approaches are quite compatible in their basic motivations and epistemological positions but they emphasize different methods, define the borders of their unit of analysis differently, and, more often than not, concentrate on different fields of translation (literary or non-literary). Person-oriented translator studies and studies of extended translation are both “not primarily concerned with texts but with people” (Kaindl 2021: 5). They both assume that the analysis of purely textual data - such as a comparison of a translation with the source text or of different translations of the same text - is not sufficient to explain the choices made by translators. Both approaches are also descriptive: they do not seek primarily to model ideal conditions, give advice to practitioners or the translation industry or develop Reflections on individualized and extended translator studies 71 <?page no="72"?> direct applications to advance translation studies programmes. Instead, they endeavour to describe, analyse and interpret actual events and connections. Both see translators as active actors who don’t just apply prescribed or learned rules or react to their environment but actively contribute to shaping it. They study unique human beings in unique contexts. Furthermore, both approaches reject strict boundaries between different explanatory perspectives or disciplinary frameworks. Kaindl (2021: 13) criticizes a universal differen‐ tiation between sociological and cultural approaches as artificial, while situated cogni‐ tive translation studies approaches reject the distinction between “acts” as cognitive and “events” as sociological/ social dimensions of translation (Muñoz Martín 2016b) and identify a convergence between sociological and cognitive approaches in translation studies (Halverson/ Kotze 2021; Risku/ Rogl 2022). Individualized and extended translator studies also both emphasize aspects of embodiment and the visibility of real people and thus strive towards a humanization of translation studies. It is precisely the shared recourse to the Heideggerian “being-in-the-world” (2010: 53 in Kaindl 2021: 22) in individualized and extended translator studies (and the cognitive sciences, for example through Clark 1997) that points to the similar origins and motivations of the two approaches. Given the aforementioned multiple shared motivations, I believe it is possible to find a common path forward for the individualized and the extended orientations in translator studies. Both strive to study the challenges of translating and the active role - and voice - of translators and make them visible and audible: “Appreciating and acknowledging their achievements also shines light on their contribution to the cultural and social spheres of life.” (Kaindl 2021: 23) The two strands of translator studies discussed in this paper can be mutually enriching. The person-centred tradition can fruitfully experiment with rethinking the role of the material, social and historical context of action and be inspired by ideas such as collective agency and socio-cognitive, heterogenous cognitive systems. Socio-cognitive translation research that relies on extended, distributed views of cognition can, in turn, take care to ensure that the histories and contexts of the specific persons being studied are taken into account. In case-based, qualitative studies, data is elicited together with the participants in their immediate contexts of action. This methodological approach allows researchers to see the subjects not only as representatives of specific groups like translation project managers, bilinguals, semi-professionals or expert translators but as persons with their own histories and identities. References Chesterman, Andrew (2009). The name and nature of translator studies. Hermes 42, 13-22. Clark, Andy (1997). Being There: Putting Brain, Body and World Together Again. Cambridge, MA: MIT Press. Clark, Andy (2008). Supersizing the mind. Oxford: Oxford University Press. Clark, Andy/ Chalmers, David J. (1998). The extended mind. Analysis 58 (1), 7-19. 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Andrew Chesterman Abstract: There seems to be a serious epistemological divide in Translation Studies, one that has been conceptualized in several different but overlapping ways during the past two decades. I frame this divide here in terms of two contrasting attitudes to doubt, and hence to the status of doubt in one’s conception of knowledge. On one side we find a rhetoric of certainty, in which signs of doubt are largely absent. The other side is marked by a rhetoric of conjecture, in which signs of doubt are explicit, as seen in the use of hypotheses of various kinds, probabilities, reservations and hedges etc. The discussion focuses on a single text: Walter Benjamin’s classic essay on literary translation, “Die Aufgabe des Übersetzers”. This essay offers a striking example of the rhetoric of conviction, with a number of apodictic statements presented as assumed truths. I question - that is, I doubt - some of Benjamin’s confident assumptions about literary translation. Keywords: Doubt, epistemology, rhetoric, Benjamin “Translator Studies, as I understand it” (Kaindl 2021: 22) 1 Aristotle on eels Aristotle was fascinated by eels. He observed their behaviour carefully, and wondered how they reproduced. No eggs had ever been found when eels were cut open, nor was there any evidence of eels mating, or even that there were males and females at all. He noticed that when some eel pools were drained, and then filled again after a fall of rain, eels appeared again, as if out of nowhere. In his History of Animals (350 B.C.E.) he concluded that they were born from mud, by spontaneous generation. This was a logical conclusion, for on the evidence of previous research, plus empirical observation, it seemed the best inference, the only explanation available. But Aristotle added the following comment to his conclusion: “There can be no doubt that the case is so.” A few lines down, he repeats his certainty: “There is no doubt, then, that they proceed neither from pairing nor from an egg.” We now know that Aristotle’s empirical claim was wrong, totally wrong. - My inspira‐ tion here is Svensson’s wonderful book (2019 in Swedish, translations in many languages) about eels and the history of research into their mysterious lives. The book is, among other things, a meditation on epistemology and the limits of knowledge. - But why was Aristotle <?page no="76"?> so sure that he was right? Perhaps because he could think of no alternative explanation, that he had ruled out all other possibilities. Or maybe this was only a failure of imagination? Or a conclusion based on insufficient evidence, since it seems to rule out the possibility of future research coming up with new information on how eels reproduce, evidence that might be observable with the help of technical innovations that were unimaginable in 350 B.C.E.? In this respect too, a failure of imagination? Or is Aristotle’s certainty, his total lack of doubt, a sign of hubris? The great philosopher and scientist simply must be right: he knew he was right. 2 Background Over the past couple of decades at least, Translation Studies (TS) has been marked by an epistemological split, which seems to be reflected both in methodological assumptions about the justification of claims and in academic rhetoric. This split has been conceptualized in several different but overlapping ways, for instance in terms of the following opposi‐ tions: essentialist vs non-essentialist (Chesterman/ Arrojo 2000); empirical vs postmodern (Delabastita 2003); empirical science vs liberal arts paradigms (Gile, e.g. 2009); empirical vs anti-empirical (Pym 2016); positivistic vs phenomenological (Olalla-Soler 2020); embodied realism vs relativism (Muñoz Martín/ Olalla-Soler 2022). The situation within TS seems to reflect a wider divide between the natural sciences on one hand and some sections of the humanities on the other (see e.g. Tallis 2000). A key point where opinions and attitudes diverge is the concept of knowledge itself, and its relation to assumptions about truth. If we follow Plato, knowledge is “justified true belief ”; but this has long been recognized to be problematic (see e.g. Steup/ Neta 2018). How do we know that a given belief is true, since so many beliefs that were held to be true in the past are now believed (with good justification) to be false? Beliefs held by whom, if not everyone? Can two conflicting beliefs both be justified to some extent? How much justification is necessary? Justified by what? Logic alone? Experience, evidence? Intuition? Imagination? And what about cases when an assumed justification turns out later to be mistaken? The history of science surely shows that, at least within science, “justified true beliefs” rarely have permanent status, as permanent and unchanging knowledge. Or is (some? ) knowledge never absolute, never totally true? Always only a possible approximation to a truth? Within humanities research, opinions also differ. One way of crystallizing these opposing epistemological positions is to frame them as contrasting attitudes to doubt. Is a claim presented as being doubt-free, i.e. with the explicit or implicit assumption that it is certain, correct, factual, true? Or is there an acknowledgement of the possibility of doubt? Consider first how the status of the evidence given for a claim, i.e. as some kind of justification, can raise doubts. If no justification of any kind is offered to back up a claim, it is rational at least to doubt it, if not indeed reject it. And even if some justification is offered, it might be considered insufficient. The need for evidence is a central point stressed by Tallis (2000), who criticizes humanities research that seems to assume that anecdotes or individual non-representative examples are enough to validate claims. He warns against confirmatory bias and the neglect of counter-examples. A doubter could at least say that 76 Andrew Chesterman <?page no="77"?> future research might produce opposing evidence. Furthermore, a doubter might take the general view that we are all fallible, always liable to be mistaken, so that all claims must be constantly tested. Second, an implicit indicator of doubt is the concept of a hypothesis. A hypothesis is, after all, an educated guess, one that appears to be justified but nevertheless needs testing, or indeed more testing. Even if it appears to be supported by a given test, there may be something wrong with the test itself. Moreover, as e.g. Laudan (1977) has argued, science does not only attempt to solve empirical problems, but also conceptual ones. For instance, concepts that are unclear, or that are applied inconsistently, constitute serious problems. It has been suggested that purely conceptual or interpretive claims are also hypotheses, of a kind (Føllesdal 1979; Chesterman 2008). They are not claims that something is true, but that a given interpretation or conceptualization is helpful, that it offers a useful perspective on a given phenomenon, for example leads to hypotheses that can be empirically tested. Examples are definitions, analogies and metaphors (translating is [like] crossing a bridge …), and conceptual distinctions and classifications (of types of equivalence, for example). Interpretive hypotheses that are not found by the relevant research community to be useful simply fall out of use (such as the view that translation equivalence only and always means some kind of identity). Not all interpretations are equally justified. As hypotheses of a kind, their usefulness can be doubted, they can be compared with others, weighed in the balance of pros and cons, perhaps found wanting. They are thus tested in use, by the criterion of pragmatic usefulness. In this respect they differ from empirical hypotheses, which are ultimately assessed against the criterion of being true or false. Third, in empirical research at least, notice the role of replication studies. Their function is to reduce doubt. Exact replication studies are motivated, implicitly or explicitly, by a wish to check the results of previous research. Other kinds of replication may aim to test the scope of proposed generalizations, or to explore other ways of testing a given hypothesis. How valid were those previous results actually, how reliable was the way they were obtained? Judging by at least some surveys of replication studies, a majority of such studies in both hard and soft sciences fail to reproduce the same results as the original studies (see Olalla-Soler 2020: 6f.). This conclusion certainly serves to raise doubts about the original studies, and several typical methodological and reporting weaknesses have been noted. Interestingly, replication studies (as opposed, say, to counter-arguments) do not seem relevant to purely conceptual work. And finally, the rhetoric used to present a claim can either indicate doubt or its absence. If claims are stated dogmatically, as factual truths, no space is left for doubt: I will call this a rhetoric of certainty. But if claims are presented as tentative proposals, possibilities or probabilities rather than established facts, there is space for doubts to be legitimately raised and discussed: I will call this a rhetoric of conjecture (alluding to Popper 1963). Rhetorical markers of certainty include the use of factive verbs (show, prove etc.), emphatic connectors such as clearly, and the lack of reservations. Markers of conjecture, on the other hand, include non-factive verbs (suggest, argue etc.), all kinds of reservations, hedges and epistemic modal verbs (to some extent, probably, may etc.), mentions of the need for further research and testing, recognition of the difficulty of generalizing, and the like. In Benjamin, without doubt? 77 <?page no="78"?> the rhetoric of conjecture, things seem to be such-and-such. And see my epigraph from Kaindl (2021), above, which explicitly allows for other possible understandings. I take the view that epistemic doubt is highly relevant to both science and humanistic scholarship, and that its absence may be … dubious. This is, of course, a widespread view adopted by empirical scientists and empirically-oriented scholars today. I expand on it in a recent contribution to the Routledge Handbook of Translation and Cognition (Chesterman 2021), outlining a position described by the editors as “sceptically optimistic”. Sceptical, because in my view we may always be mistaken about what we think we know, i.e. our assumptions, claims, hypotheses and theories are always fallible. And optimistic, because we can always know better, we can strive towards deeper understanding. This is basically the position argued for by Karl Popper (e.g. 1963): science proceeds via conjectures and refutations, followed by new conjectures and more refutations. Any “truths” that are arrived at are only provisional, only maintained until they in their turn are falsified some day, to be replaced by better approximations. As Richard Dawkins (2020) puts it in an article on the concept of scientific truth and its value in our shamefully “post-truth” era (on which see e.g. McIntyre [2018]): progress in science takes place as “successive approximations towards yet-to-be-falsified provisional truths”. On this view, then, doubt is central. It is built into the epistemological framework in which we operate. If all our claims etc. are inevitably fallible, we should retain some doubt about them, not assume that they must be certainly true. Doubt allows progress; certainty may indicate a dead-end, a getting stuck. I am therefore curious when I come across, or return to, scholarly contributions in TS whose authors appear to have no doubt about their claims, but present them as truths, self-evident and unassailable. Take, for example, Walter Benjamin’s classical essay, “Die Aufgabe des Übersetzers” (‘The task of the translator’), to which I now turn. (In my text I will cite Harry Zohn’s translation, with page numbers from the reprint of this in Venuti’s 2004 collection, available online, indicated as “Zohn”. I give the original German with page numbers from the 1972 edition of Benjamin’s collected works [Gesammelte Schriften Vol. IV], also available online. I will not evaluate Zohn’s translation as such; note however some comments by Rendall included in the Venuti source.) 3 Benjamin’s rhetoric of certainty This essay is of course one of the most well-known and widely cited texts on literary translation. In view of the background outlined above, I now return to it from a perspective rather different from what I felt when I first read it decades ago. I shall not comment on any of the work by other scholars who have been inspired by the essay, but focus solely on issues of certainty, doubt, and justification, by way of a few extracts which I think are stylistically representative. Recall first that the essay was published as the introduction to the author’s translation of Baudelaire’s “Tableaux Parisiens”, i.e. in a clear context of literary translation. So Benjamin’s generalizations about “translation” must be understood as referring specifically to literary translation. We are talking here, then, about translation as an art form, as is evident right from the beginning: 78 Andrew Chesterman <?page no="79"?> In the appreciation of a work of art or an art form, consideration of the receiver never proves fruitful. Not only is any reference to a certain public or its representatives misleading, but even the concept of an “ideal” receiver is detrimental in the theoretical consideration of art, since all it posits is the existence and nature of man as such. Art, in the same way, posits man’s physical and spiritual existence, but in none of its works is it concerned with his response. No poem is intended for the reader, no picture for the beholder, no symphony for the listener. (Zohn [1968] 2004: 75) Nirgends erweist sich einem Kunstwerk oder einer Kunstform gegenüber die Rücksicht auf den Aufnehmenden für deren Erkenntnis fruchtbar. Nicht genug, daß jede Beziehung auf ein bestimmtes Publikum oder dessen Repräsentanten vom Wege abführt, ist sogar der Begriff eines „idealen“ Aufnehmenden in allen kunsttheoretischen Erörterungen vom Übel, weil diese lediglich gehalten sind, Dasein und Wesen des Menschen überhaupt vorauszusetzen. So setzt auch die Kunst selbst dessen leibliches und geistiges Wesen voraus - seine Aufmerksamkeit aber in keinem ihrer Werke. Denn kein Gedicht gilt dem Leser, kein Bild dem Beschauer, keine Symphonie der Hörerschaft. (Benjamin [1923] 1972: 9) It is clear at once that Benjamin is apparently absolutely certain of the truth of his claim here. He evidently just knows. By instinct? He does not offer a conjecture, but assumptions presented as dogmas. No space is offered for discussion, disagreement, alternative views, suggestions of counter-arguments, modifications, or the like. No empirical evidence is offered to support the idea that any consideration of receiver responses is misleading. Has Benjamin interviewed artists to find out what they “intend”, whether they do actually intend their work to reach receivers? Presumably not; at least, he does not say so. Perhaps he could reply to such queries by appealing to a particular theory of art; but why should we accept this theory (or: interpretation) as being better than alternative theories which see art as, for instance, a form of communication? A dissenter could also query the universalizing nature of Benjamin’s claim (“never”, “no poem”-…). On what grounds does Benjamin appear to assume that all art is similar in the claimed respect? Does he think that art is a homogeneous category? On what grounds does he think this? So many questions are prompted, and no answers offered, because there is no implicit dialogue. It is more like a sermon, or even a credo, and we should not interrupt. For Pym this kind of withholding of a space for dialogue is typical of a non-empirical attitude. He writes (2016: 312): [W]henever we hear ‘X is Y because I say so, and I know,’ then the empiricist is entitled to retort: let me see the evidence, let me re-interpret the data, let me propose an alternative concept, let me debate this within and across communities. And the empiricist can adopt that attitude because they begin from one initial premise: ‘I don’t know; let us find out’. Note Pym’s initial premise of not knowing. “Not knowing” is not the same as doubting, however. Doubt is not a state of ignorance, but of uncertainty, of not totally believing that something is true. It implies the recognition of a fundamental indeterminacy in what we imagine we can know. To resolve doubt, one needs convincing evidence. Doubting Thomas, according to John’s gospel in the New Testament, refused to believe in reports of the risen Christ until he had had personal experience ( John 20: 25). Moreover, one can think one knows something, but still doubt. Something can seem to be true, yet not quite beyond all Benjamin, without doubt? 79 <?page no="80"?> shadow of doubt. Doubting is not being sure. Benjamin does not (seem to? ) doubt his claims at all here. Commenting on Benjamin’s writing on a different topic, films as an art form, Carey (2005: 50f.) queries Benjamin’s claims about the beneficial social and cognitive effects of films because these claims are not backed up by any evidence. Indeed, Benjamin is dismissed as “another critic who draws his evidence exclusively from his imagination”. Claims that are made without evidence or justification, as being self-evident and beyond contradiction, are said to be apodictic. Benjamin himself uses this word a page later, with respect to the issue of translatability. Here is the context: Translation is a mode. To comprehend it as mode one must go back to the original, for that contains the law governing the translation: its translatability. The question of whether a work is translatable has a dual meaning. Either: Will an adequate translator ever be found among the totality of its readers? Or, more pertinently: Does its nature lend itself to translation and, therefore, in view of the significance of the mode, call for it? In principle, the first question can be decided only contingently; the second, however, apodictically. Only superficial thinking will deny the independent meaning of the latter and declare both questions to be of equal significance-… (Zohn [1968] 2004: 76) Übersetzung ist eine Form. Sie als solche zu erfassen, gilt es zurückzugehen auf das Original. Denn in ihm liegt deren Gesetz als in dessen Übersetzbarkeit beschlossen. Die Frage nach der Übersetzbarkeit eines Werkes ist doppelsinnig. Sie kann bedeuten: ob es unter der Gesamtheit seiner Leser je seinen zulänglichen Übersetzer finden werde? oder, und eigentlicher: ob es seinem Wesen nach Übersetzung zulasse und demnach - der Bedeutung dieser Form gemäß - auch verlange. Grundsätzlich ist die erste Frage nur problematisch, die zweite apodiktisch zu entscheiden. Nur das oberflächliche Denken wird, indem es den selbständigen Sinn der letzten leugnet, beide für gleichbedeutend erklären. (Benjamin [1923] 1972: 9) Benjamin offers two possible interpretations of what “translatability” means. Only two (a false dichotomy, surely? ). The first implies some criterion of quality: there must be an “adequate” translator available. But what about a non-adequate translator? No quality evaluation criteria are offered in this particular context, but we can infer from elsewhere in the essay what the author thinks a good translation should be (see below). Yet we could surely raise quite a number of doubts. What about other interpretations of “translatability”? Hofstadter, for instance, takes a much more optimistic view, coming at Benjamin’s question from a different angle altogether. He writes (1997: 292): “To say that translation is impossible is to say that experiences cannot resemble one another.” Hofstadter starts not from (some sense of) the form of a text (cf. Zohn’s “mode” - which translates Benjamin’s Form) but from human experience. On what grounds should we accept one or other of these views as being more useful than the other? People’s opinions would probably differ, depending on a whole range of different assumptions and opinions. But at least there could be a debate! Another question: how does it follow that if a work is translatable (in Benjamin’s sense), then therefore it should be translated? Is this logic not also debatable? If we disagree with Benjamin’s argument here, note, we seem to be a priori dismissed as practitioners of “superficial thinking.” Apodictic claims rise above the need for justification or evidence; they just must be taken as acceptable assumptions, not questioned. 80 Andrew Chesterman <?page no="81"?> Hofstadter in general has a much broader concept of literary translation than Benjamin does. In his main book on literary translation, Hofstadter (1997) includes many examples of poems translated by non-poets, some even by machines. One might think some of these versions are not particularly good, but this is not Hofstadter’s point: they are nevertheless translations. The category of “translation” (even “literary translation”) does not automatically exclude instances that are judged (by whom? ) to be bad translations. Even a bad chair is a chair (up to a point-…: also to be debated-…). For Benjamin, it seems, the only exemplars that count are those that are good, and on his criteria, too. So there is another dialogue to be had here, on the pros and cons of working with broader and hence more heterogeneous categories vs narrower and hence more homogeneous ones. Which kind of category might be more useful, for what purposes? Does Benjamin take the activity of literary translation (or: that of good literary translation) to be a homogeneous category? If so, on what grounds? What happens to variation? One reason for the renown of this essay is Benjamin’s concept of pure language, reine Sprache. This concept is based on the assumption that: Languages are not strangers to one another, but are, a priori and apart from all historical relationships, interrelated in what they want to express. (Zohn [1968] 2004: 77) [D]ie Sprachen einander nicht fremd, sondern a priori und von allen historischen Beziehungen abgesehen einander in dem verwandt sind, was sie sagen wollen. (Benjamin [1923] 1972: 12) I take “what they want to express” (“was sie sagen wollen”) to mean something like “se‐ mantic potential”. The claim is that languages complement each other by virtue of this shared, universal potential. On the following page, Benjamin illustrates his claim by comparing German Brot and French pain. They both refer to “the same object”, but they do not mean the same thing, because of cultural and connotational differences (I paraphrase). So we have similarity, but not identity: fair enough, if I have interpreted Benjamin correctly here. We are then told that the relation between languages, a “kinship” relation, does not involve likeness (such as is manifested in translation): Wherein resides the relatedness of two languages, apart from historical considerations? Certainly not in the similarity between works of literature or words. Rather, all suprahistorical kinship of languages rests in the intention underlying each language as a whole - an intention, however, which no single language can attain by itself but which is realized only by the totality of their intentions supplementing each other: pure language. (Zohn [1968] 2004: 78; he adds “certainly”) Worin kann die Verwandtschaft zweier Sprachen, abgesehen von einer historischen, gesucht werden? In der Ähnlichkeit von Dichtungen jedenfalls ebensowenig wie in derjenigen ihrer Worte. Vielmehr beruht alle überhistorische Verwandtschaft der Sprachen darin, daß in ihrer jeder als ganzer jeweils eines und zwar dasselbe gemeint ist, das dennoch keiner einzelnen von ihnen, sondern nur der Allheit ihrer einander ergänzenden Intentionen erreichbar ist: die reine Sprache. (Benjamin [1923] 1972: 13) One might object that another false dichotomy seems to appear here: the relatedness between two languages must (? ) be manifested either in similarity between texts or words (the rejected alternative), or in some kind of shared “totality of intentions”. The pure Benjamin, without doubt? 81 <?page no="82"?> language is said to represent the interrelation of all languages: a mythical-sounding claim reminding us of course of a time before Babel. An empiricist might interject: what kind of evidence (or justification) can a myth be? However, what is rhetorically significant here is how Benjamin’s assumptions and claims are presented as facts, true a priori, without a trace of doubt or reservation. Benjamin’s essay is particularly well-known for the metaphor of the broken vessel, which illustrates his concept of the pure language. Fragments of a vessel which are to be glued together must match one another in the smallest details, although they need not be like one another. In the same way, a translation, instead of resembling the meaning of the original, must lovingly and in detail incorporate the original’s mode of signification, thus making both the original and the translation recognizable as fragments of a greater language, just as fragments are part of a vessel. (Zohn [1968] 2004: 80f.) Wie nämlich Scherben eines Gefäßes, um sich zusammenfügen zu lassen, in den kleinsten Einzelheiten einander zu folgen, doch nicht so zu gleichen haben, so muß, anstatt dem Sinn des Originals sich ähnlich zu machen, die Übersetzung liebend vielmehr und bis ins Einzelne hinein dessen Art des Meinens in der eigenen Sprache sich anbilden, um so beide wie Scherben als Bruchstück eines Gefäßes, als Bruchstück einer größeren Sprache erkennbar zu machen. (Benjamin [1923] 1972: 18) I suggested above that metaphors are interpretive hypotheses about ways of seeing phenomena. A given metaphor prompts you to see translation in a given way, and such a perspective sheds light on certain aspects of the whole. But all metaphors are in essence selective: they select one way of looking, one aspect to be highlighted, and hide others. In effect, metaphors are metonymic: they select a part of a whole, and propose it as representing the whole phenomenon. This does not mean they are useless: far from it! It is just good to recognize them for what they are: not undoubted truths, but suggested ways of seeing, to be queried, tested in practice, maybe refined, or perhaps found to be less useful than an alternative, or to have only limited applications. A metaphor expresses an analogy, a perceived similarity. But we should also recognize the risk of a false analogy: this is a classical fallacy. If a proposed analogy is based on similarities which are trivial or irrelevant, and overlooks significant differences, it is a misleading or false analogy. If I compare translations to bananas, I imply at least some similarities between the two. I could claim that both can multiply, both are of cultural and economic interest, and both have typical and non-typical shapes, for instance. But it does not follow that there are similarities in significant respects between translations and bananas. This analogy obviously overlooks many obvious differences, and is thus a misleading one, from which (I assume) no conclusions can usefully be drawn. The title of the essay is explicated in this central claim: The task of the translator consists in finding that intended effect [Intention] upon the language into which he is translating which produces in it the echo of the original. (Zohn [1968] 2004: 79) [Die Aufgabe des Übersetzers] besteht darin, diejenige Intention auf die Sprache, in die übersetzt wird, zu finden, von deraus in ihr das Echo des Originals erweckt wird. (Benjamin [1923] 1972: 16) 82 Andrew Chesterman <?page no="83"?> What are the hidden assumptions here? At least these: (a) there is only one task (or main task at least); (b) the translator has access to the “intended effect”; (c) what matters is an effect upon the target language, not upon a target reader or readers; and perhaps (d) only one such translation solution is available. However, all these assumptions can be queried. One might raise doubts about them, and make Pym’s objections: hang on, let’s see the evidence, what about alternatives, and so on. And one might ask what exactly is meant by the metaphorical “echo” here. Sameness? A couple of pages later, Benjamin moves from an acoustic metaphor (“echo”) to a visual one: A real translation is transparent; it does not cover the original, does not cover its light, but allows the pure language, as though reinforced by its own medium, to shine upon the original all the more fully. This may be achieved, above all, by a literal rendering of the syntax which proves words rather than sentences to be the primary element of the translator. (Zohn [1968] 2004: 81) Die wahre Übersetzung ist durchscheinend, sie verdeckt nicht das Original, steht ihm nicht im Licht, sondern läßt die reine Sprache, wie verstärkt durch ihr eigenes Medium, nur um so voller aufs Original fallen. Das vermag vor allem Wörtlichkeit in der Übertragung der Syntax und gerade sie erweist das Wort, nicht den Satz als das Urelement des Übersetzers. (Benjamin [1923] 1972: 18) Assumptions include: (a) only one kind of (literary) translation is “real”; (b) translation quality can helpfully be conceptualized in terms of degree of “reality”; (c) “pure language” is a clear and useful concept; and (d) a literal rendering proves something about the “primary element” of the (literary) translator. One could well raise doubts, for instance, about how the usefulness of the concept of the pure language (“die reine Sprache”) can be assessed in practice; or whether all literary translations can/ should always be translated in the same way, “transparently”; or in what sense anything has been shown to be “proved” here. A brief aside on Zohn’s translation of this extract: in the English, there is in fact one marker of epistemic doubt, the modal verb may (“This may be achieved […] by a literal rendering […]”). Interestingly, this hedge has actually been added by Zohn; compare the German original. However, I do not wish to claim that Benjamin has absolutely no such markers in the source text. There are several occurrences of the verb scheinen ‘to seem’ for instance. But I do claim that the dominant style is very largely free of doubt. Note what I am not arguing here: I am not claiming that this kind of scholarship is valueless, nor that interpretive hypotheses are a waste of time. Benjamin’s essay is deservedly famous, and remains an inspiration for many scholars. Conceptual work is always needed: data must be interpreted in terms of the concepts available, better concepts and categories can be proposed, and new ones must be invented to describe new insights. What I am claiming is that, epistemologically, this kind of necessary conceptual analysis does not deal with truths, but with suggestions concerning what seem to be useful ways of thinking about a given phenomenon, guesses that need to be tested in practice, potential perspectives to be tried out and assessed. I am also claiming that a rhetoric of certainty can be misleading when it is used in purely conceptual arguments and the false impression is given that the author is making factual claims. This risks becoming, linguistically, a factive style, in which propositions are presented as if they are presupposed to be true, and are not to be doubted or challenged: apodictic propositions. Benjamin, without doubt? 83 <?page no="84"?> At least, I think these claims of mine are justified. But of course I may be wrong … If you can convince me I am wrong, or that my claims need modifying, I will have to re-examine my position. This is, I think, a basic empirical attitude, and it seems to me to be appropriate also in conceptual argument. Am I being unfair to Benjamin? He is not, after all, writing within the empirical tradition, where knowledge claims are regularly questioned and doubted. His intellectual roots are elsewhere, in mysticism, especially the Kabbalistic tradition and its notion of the sacred text, and also in Marxism. Yet I find it significant that neither mysticism nor Marxism seem notably marked by space given to doubt. In an article on Benjamin’s notion of history, drawn to my attention by a reviewer, De Laurentiis (1994: 28) notes that communism and mysticism are both “totalizing” notions. Later (31), she points out that Benjamin’s concept of history was extraordinary in that he proposed a (Marxist) theory of history that would be “unassailable” if it were supported by theology. Unassailable, so admitting no doubts? These examples of Benjamin’s attraction to ways of thinking that claim doubt-free certainty may offer some explanation for Benjamin’s apparent absence of doubt in the essay on translation we have examined. 4 Conclusion When challenging someone’s claim, then, a key question is “What would make you change your mind? ” An empiricist might answer: when I see persuasive evidence that my previous hypothesis is false, or when I notice that the logic of my argument fails somewhere, or when I come across a better hypothesis or a better theory. But what would, say, a postmodernist reply? Would there be any room at all for a change of opinion? If the answer is “nothing, under any circumstances, would make me change my mind”, this surely indicates an attitude that is closer to beliefs of a different kind, beliefs that are intuitive or perhaps doctrinal or ideological, beliefs that are never doubted. So we have two distinct epistemologies here. On one hand, we have a position where doubt is central to a particular concept of knowledge, one which therefore includes the possibility of criticism, changes of mind, development, at least a kind of progress, optimistically towards better approximations to truth, better understandings. On the other, we have statements that are implied to be known to be true, without doubt, and this without giving space to any criticism or change. (We surely all hold many such beliefs in our everyday lives, but our specific context here is epistemology in research.) Openness to a changing of mind, allowing the possibility of doubt, may be linked to a certain kind of personality. In December 1817, the English poet John Keats wrote a letter to his brothers, a letter that has become famous. He had had an interesting conversation with a friend called Dilke, a man who, he wrote later (letter to Brown, Sept. 24, 1819), seemed to need to make up his mind firmly about everything, in order to have a personal identity. Keats wrote that this encounter had made him think: Brown and Dilke walked with me and back from the Christmas pantomime. I had not a dispute but a disquisition, with Dilke on various subjects; several things dove-tailed in my mind, and at once it struck me, what quality went to form a Man of Achievement especially in Literature and which Shakespeare possessed so enormously - I mean Negative Capability, that is, when a man 84 Andrew Chesterman <?page no="85"?> is capable of being in uncertainties, mysteries, doubts, without any irritable reaching after fact & reason […] (Keats 1817; emphasis added) Dilke totally lacked this quality of negative capability. The way Keats describes the effect of his conversation is interesting: first, several things came together in his mind, and then he had a flash of inspiration. A dialogue with someone else, then a connection formed between different things, and then the inspiration. In research methodology, I wonder to what extent the role played by doubt is a question of personality, and to what extent just a question of attitude. Personality is not easily changed, but attitudes can be shifted and modified, in time. Was Benjamin really as free of doubt as the rhetoric of his essay suggests? References Aristotle [350 B.C.E.] (1910). The History of Animals, Book 6, Part 16. Translated by D’Arcy Wentworth Thompson. Oxford: Clarendon Press. http: / / classics.mit.edu/ Aristotle/ history_anim.6 .vi.html (last accessed 10 November 2022) Benjamin, Walter [1923] (1972). Die Aufgabe des Übersetzers. In: W.-B.: Gesammelte Schriften, Vol. IV. Frankfurt a.-M.: Suhrkamp, 9-21. Carey, John (2005). 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Potenzielle Lösungsansätze zur Bewältigung der Sinnkrise durch Kompetenzverla‐ gerung im Sinne eines nachhaltigen Expertenbewusstseins werden im Anschluss angedacht. Schlagwörter: Technologieinduzierte Sinnkrise, Logotherapie, Berufsbild, Translati‐ onskompetenz, Translationstechnologie Abstract: Recent advancements in artificial intelligence and machine translation lead to a common dissatisfaction and loss of orientation and meaning among translators. To make things worse, social status, economic and social recognition are considerably lower than in other professional activities with an academic background. The paper discusses the sources and reasons for such discomfort by establishing connections with the psychotherapeutic orientation of logotherapy and its emphasis on the “will to meaning” as the basic motivation for human life. Regaining meaning in one’s own professional activity is therefore central to overcoming this situation. The paper proposes a reorientation in the tasks of professional translators by shifting competences towards the sustainable profile of an expert for translation processes and translation technology. Keywords: Technology-induced crisis of meaning, logotherapy, job profile, transla‐ tion competence, translation technology <?page no="88"?> 1 Einleitung Der mit dieser Festschrift gefeierte Klaus Kaindl bezeichnet die in der Literatur dargestellten Übersetzer: innen und Dolmetscher: innen als „machtlos, selbstlos, meinungslos“ (Kaindl/ Kurz 2010) und zeichnet damit, zumindest in der literarischen Wahrnehmung, eine negative gesellschaftliche Auffassung von Translation sowie ein geringes Selbstverständnis der Translator: innen. Dass dies durchaus auch für die gegenwärtige Praxis der Translation gilt, wird in den folgenden Überlegungen ausgeführt. Dazu wird zunächst den Faktoren nachgegangen, die eine solche Hinterfragung des Selbstverständnisses von Translation und Translator: innen verursacht haben könnten, wobei insbesondere technologische und berufliche Entwicklungen der letzten zwei bis drei Jahrzehnte berücksichtigt werden. Die zugrunde liegende Forschungsfrage lautet: Gibt es eine Sinnkrise für Translator: innen und wurde sie durch die zunehmende Automatisierung ausgelöst? Anhand der Logotherapie Viktor Frankls werden das Entstehen und die Eckpunkte einer solchen Sinnfrage im Bereich der Translation diskutiert. Daran anschließend wird versucht, im Rahmen eines verantwortungsvollen und positiven Umgangs mit dieser Frage im Sinne der Logotherapie Viktor Frankls zukunftsorientierte Lösungsstrategien aufzuzeigen, was zur zweiten For‐ schungsfrage führt: Welche Auswege können aufgezeigt werden? Neuorientierung und Neudefinition des Berufsbildes professioneller, akademisch ausgebildeter Translator: innen werden als Ansätze einer Lösung vorgestellt. 2 Anzeichen einer Sinnkrise Als entscheidende Faktoren, die neben den materiellen Voraussetzungen wie Lohn und Sozialleistungen zu Zufriedenheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz führen, gelten nach Devivere (2021) vor allem: Sinn in der Arbeit erleben; bei der Arbeit geschätzt werden; eine der Aufgabe angemessene Aus‐ bildung; in der Lage sein, Entscheidungen über Fragen zu treffen, die die eigene Tätigkeit betreffen; einen gut gestalteten Arbeitsplatz haben; soziale Beziehungen und soziale Unterstützung erleben; Arbeitsbelastung und Tempo; Entwicklungsmöglichkeiten; ein wertschätzender Management-Stil; eine werteorientierte Organisationskultur. (Devivere 2021: 16) Wird die Frage der finanziellen Abgeltung, die gekennzeichnet ist durch „years of conti‐ nuous price stagnation and erosion“ (ELIS 2022: 9) einmal beiseite gelassen, erweisen sich zahlreiche der angeführten Faktoren für die Translation im Allgemeinen sowie für beruflich tätige Translator: innen im Besonderen als problematisch: mangelnde gesell‐ schaftliche Anerkennung, keine zwingend erforderliche akademische Ausbildung für den Berufszugang, sehr oft streng vorgegebene Arbeitsbedingungen beispielsweise im Rahmen umfangreicher Lokalisierungsprojekte, soziale Isolation bei der Arbeit als Freelancer: innen, verstärkt durch häufiges isoliertes Arbeiten zuhause und virtuelle Kommunikation, hohe Arbeitsbelastung durch Akkordarbeit bzw. Bezahlung nach Anschlägen oder Zeilensätzen, fehlende Karrieremöglichkeiten als Freiberufler: innen u. v. m. (vgl. Moorkens 2020; ELIS 2022). 88 Peter Sandrini <?page no="89"?> Im Gegensatz zur individuellen Situation und Befindlichkeit der Translator: innen ist in den letzten Jahren, insbesondere nach dem der COVID-Pandemie geschuldeten Einbruch, ein Wachstum des Marktes für Sprachdienstleister: innen zu beobachten und auch für die nächsten Jahre prognostiziert (ELIS 2022; Nimdzi 2022): „Confidence shows in revenue and profitability expectations, but also in recruitment plans, pricing expectations and investment mood“ (ELIS 2022: 7). Dieser Widerspruch wird im zitierten ELIS-Bericht teilweise dadurch erklärt, dass sich die Daten hauptsächlich auf Unternehmen beziehen, während die Erwartungen der „independent professionals“ sehr viel vorsichtiger ausfallen. Insgesamt lassen sich die wesentlichen Änderungen und Einflüsse auf das Selbstver‐ ständnis der Translation und der Translator: innen aus den folgenden Faktoren und Entwicklungen ableiten. 2.1 Mangelnder sozialer Status Translation steht im Dienste der angewandten Mehrsprachigkeit; Translation ermöglicht Kommunikation über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg. Dies ist aber auch Gegenstand anderer Fächer wie beispielsweise Sprachdidaktik, Sprachpolitik etc., die ebenfalls Instru‐ mente zur Lösung von sprachlichen Kommunikationsproblemen bieten. Aus dieser Position einer Hilfsdisziplin - unter mehreren möglichen Alternativen - lässt sich ein sozialer Status erklären, der für viele unbefriedigend erscheint. Dem entziehen kann sich auch die Translationswissenschaft nicht. Nach Kaindl (2009) gab es mehrere Missverständnisse bereits bei der „Erfindung“ dieser Disziplin, als die Translationswissenschaft sozusagen als ein Werkzeug zur Unterstützung der maschinellen Übersetzung konzipiert wurde: „An der Wiege der Übersetzungswissenschaft standen - um es einmal melodramatisch zu formulieren - die Totengräber der humanen Komponente des Übersetzungsprozesses“ (Kaindl 2009: 155). Ein zweites Missverständnis führte aufgrund der disziplinären Einordnung in die angewandte Sprachwissenschaft dazu, dass der „Faktor Mensch als auszuklammernder Störfaktor“ (Kaindl 2009: 156) angesehen wurde. Darüber hinaus fehlte der Disziplin zu Beginn ein Bezug zur konkreten Praxis. Erst allmählich konnten diese anfänglichen Fehlentwicklungen korrigiert werden, wobei sich die Transla‐ tionswissenschaft erst langsam als selbständige akademische Forschungsdisziplin neben den traditionellen universitären Fachrichtungen etablierte. Mangelnde soziale Anerkennung ist daher kein neues Phänomen, wird aber durch neuere Entwicklungen verstärkt. So ist der schwere Stand der Translation im praktischen Bereich und damit der professionellen Translator: innen auch eine Folge zunehmender Übersetzungsaktivitäten durch die Zieltextrezipient: innen selbst, meist Laien, „User Gene‐ rated Translation (UGT)“ (O’Hagan 2016) genannt: Everyday users with varying degrees of foreign language proficiency functioning as amateur and volunteer translators: translating online content, working on large online projects, and even evaluating the quality of translations for their area of interest (e.g. social media, video games, animation). (Doherty 2016: 960) Eingesetzt werden Laien ebenfalls, wenn Übersetzungen von Unternehmen an eine breite Gruppe von Nutzer: innen ausgegeben werden. Eine solche „Crowd-sourced Translation” wurde beispielsweise von Facebook eingesetzt, um Dienstleistungen, Webauftritt und Pro‐ Logotherapie für Translator: innen? 89 <?page no="90"?> dukte aus dem Englischen in verschiedene Sprachen übersetzen zu lassen (vgl. Kelly et al. 2011). Daneben leisten aber auch professionelle Translator: innen häufig einen freiwilligen Beitrag zur Crowd-sourced Translation im Rahmen verschiedener Non-Profit-Organisa‐ tionen, wie Wikipedia, Translators without Borders oder die Rosetta Foundation. Für akademisch ausgebildete Translator: innen gestaltet sich insbesondere der Berufs‐ einstieg schwierig. Yu Hao und Anthony Pym (2022) ermittelten in einer Umfrage, dass lediglich ein Drittel der Absolvent: innen der Translationsausbildung den Beruf praktisch ausüben, während zwei Drittel nah verwandte Berufe wählen oder auch etwas völlig an‐ deres machen. Unter anderem kann dies darauf zurückzuführen sein, dass laut Singer (2022) bereits unter den Studierenden ein hoher Anteil sich nicht unbedingt mit dem Übersetzen als Beruf identifiziert: Das „commitment to their translator identity“ (Singer 2022: 141) ändert sich im Laufe der Ausbildung in Abhängigkeit von der Einstellung, die Studierende angesichts von Krisen während des Studiums aufweisen. Bestätigt wird dies durch die unter Studierenden (284 Befragte im Sommersemester 2022) an der Universität Innsbruck durchgeführte Studie (Sandrini 2022): Mehr als die Hälfte der Bachelorstudierenden (54 %) wählten das Fach Translationswissenschaft aus dem unspezifischen Motiv „weil sie Sprache lieben“ und lediglich 27 % aus dem rationalen Hauptmotiv „Berufswunsch Übersetzer/ Dol‐ metscher“, während die unspezifische Motivwahl unter den Masterstudierenden von 54 % auf 32-% sank. Bezeichnend für die subjektive Erfahrung mangelnder Wertschätzung am Arbeitsmarkt ist die folgende Feststellung einer Translatorin, die im Rahmen einer Absolvent: innen-Um‐ frage (Sandrini 2023) dieses Statement abgab: Ich habe versucht, selbstständig als Übersetzerin zu arbeiten, aber leider habe ich entweder überhaupt keine Aufträge erhalten oder von manchen Agenturen nicht mal eine Rückantwort auf meine Bewerbung. Ich fühlte mich mit meinem eigentlich ja doch ‚hohen‘ und qualitativen Abschluss überhaupt nicht wertgeschätzt und habe daher die Selbstständigkeit vorerst ruhend gemeldet, da ich weder Spaß an der Sache hatte noch Geld verdiente. (Sandrini 2023 Nr.-31) 2.2 Digitalisierung und Technologie Digitale Kommunikationstechnologien haben einerseits Kommunikation über geografische Grenzen hinweg erleichtert, andererseits Werkzeuge bereitgestellt, die mehrsprachige Kommunikationsabläufe automatisieren können: „Translation is living through a period of revolutionary upheaval. The effects of digital technology and the internet on translation are continuous, widespread, and profound” (Cronin 2013: 1). Dies hat einen bedeutenden Einfluss auf die Art, wie Translation durchgeführt wird, sowie auf den Einsatz und die Nachfrage nach Sprachdienstleistungen bzw. nach professionellen Translator: innen. Pym et al. (2016) sprechen von einer Marktstörung bzw. „market disorder“ ausgelöst durch Digitalisierung und Globalisierung, die sowohl den Status professioneller Translator: innen als auch ihr Verhältnis zu Kund: innen beeinflusst. Der ELIS-Bericht 2022 zu Erwartungen und Trends im Bereich Translation zeigt deut‐ lich auf, dass insbesondere die maschinelle Übersetzung ein zentrales Thema bei allen vier befragten Gruppen (Übersetzungsunternehmen, selbständige Übersetzer: innen/ Dol‐ metscher: innen, Übersetzungsabteilungen und Ausbildungsstätten) darstellt: „Since MT is clearly destined to be an integral part of the professional translation landscape, industry 90 Peter Sandrini <?page no="91"?> stakeholders are discussing how to integrate the technology in the industry’s business model.“ (ELIS 2022: 26) Während jedoch Sprachdienstleistungsunternehmen maschinelle Übersetzung im Allgemeinen als Mittel zur Produktivitätssteigerung positiv sehen, be‐ trachten selbständige Translator: innen diese als einen bedeutenden Stressfaktor: „Language companies see light post-editing and the NMT quality improvement much more as an opportunity than as a threat, while the independent professionals have mixed feelings about both.” (ELIS 2022: 13) Analog zu den individuellen Praktiker: innen nimmt auch ein hoher Anteil von Leh‐ renden und Studierenden an den Ausbildungsstätten in Österreich, nämlich 49 % der Lehrenden und 43 % der Studierenden, die maschinelle Übersetzung als eine Bedrohung wahr, wie aus einer rezenten Studie (Bagaglini 2021: 52) hervorgeht. Die Bedrohung besteht einerseits in einer befürchteten ökonomischen Konkurrenz durch die Maschine, andererseits aber auch in einem Verlust an Anerkennung und Sichtbarkeit des beruflichen Status: „[t]he visibility of the human translator has been opaqued by a growing selection of relatively easy-to-use and online MT systems“ (Doherty 2016: 963). Gerade die allgegen‐ wärtige Verfügbarkeit von meist kostenlosen Online-Systemen verleitet Benutzer: innen dazu, Translation zu bagatellisieren und als selbstverständlich anzusehen: „Such users are becoming increasingly accustomed to being able to access ‘free’ translation services at the touch of a button as the presence of MT becomes much more commonplace and translation ergo becomes less valued and visible.“ (Doherty 2016: 963) 2.3 Differenzierung des Berufsbildes Der Begriff Translation im Sinne der konkreten Tätigkeit des Übersetzens und Dolmet‐ schens hat sich durch die zunehmende Ausdifferenzierung zu einem abstrakten Sammelbe‐ griff entwickelt. Die darunter zu subsumierenden Tätigkeiten reichen von der Lokalisierung von Benutzeroberflächen in Software, Webportalen und Multimedia-Inhalten über das Übersetzen von Vertragstexten und technischer Dokumentation bis hin zum Übersetzen von Literatur, Graphic Novels und „User Generated Content“. Darüber hinaus werden von Translator: innen zahlreiche andere Tätigkeiten, die mit Mehrsprachigkeit in Zusammen‐ hang stehen, durchgeführt: Bereitstellen und Prüfen mehrsprachiger Parallelkorpora, Ter‐ minologiemanagement, Anpassen maschineller Übersetzungssysteme u. v. m. Jede dieser Ausprägungen verlangt spezifische Kenntnisse und eine entsprechende Vorbereitung bzw. Ausbildung. Die Vorstellung einer universell einsetzbaren Translator: in, die sich ad hoc jeweils in ein neues Tätigkeitsfeld einarbeiten kann, erweist sich angesichts dieser Entwick‐ lung längst als überholt: „Die Vielgestaltigkeit des Fachs Übersetzen spricht nämlich längst gegen eine undifferenzierte Einheitsausbildung.“ (Arntz 2001: 335) Für Absolvent: innen des Faches ergibt sich daraus die Unsicherheit, wofür man sich entscheiden soll: Eine Spezia‐ lisierung erhöht die anfängliche Schwierigkeit, auch einen entsprechenden Kundenkreis zu gewinnen, während eine zu allgemeine Vorbereitung eine schlechte Voraussetzung für qualitativ hochwertige Leistung in einem dieser spezialisierten Bereiche bedeutet. Im ELIS-Bericht 2022 zum Zustand und den Entwicklungen in der sogenannten „Transla‐ tion Industry“ wird zudem zwischen vier verschiedenen Interessensgruppen unterschieden: Unternehmen (Übersetzungsagenturen, größere Sprachdienstleister), selbständigen Trans‐ lator: innen (Freiberufler: innen bzw. Freelancer: innen), Übersetzungsabteilungen (inner‐ Logotherapie für Translator: innen? 91 <?page no="92"?> halb internationaler Organisationen, öffentlicher Verwaltungen, Unternehmen und In‐ stitutionen) sowie Ausbildungsstätten. Alle Ergebnisse wurden nach diesen Gruppen differenziert und führten im ELIS-Bericht zu sehr unterschiedlichen Erwartungen und Gewichtungen. Auch hier gilt wiederum, dass für diese vier Zielgruppen jeweils unter‐ schiedliche und sich zum Teil widersprechende Ausbildungsanforderungen gelten: Für Unternehmen stehen beispielsweise betriebswirtschaftliche Zusammenhänge, Ressourcen- und Projektmanagement im Vordergrund, für Abteilungen organisatorische Fragen, für Freiberufler: innen Zeitmanagement und Produktivität, für die universitäre Ausbildung wissenschaftliche Fragen (ELIS 2022: 8). Falsche Inhalte bzw. unzureichende Schwerpunkt‐ setzung in der Ausbildung können durchaus Auslöser von Unsicherheit sein und in der Folge zu Sinnkrisen in der Berufsausübung führen. Weil in der breiten Öffentlichkeit das Bewusstsein für Translation als professionelle Tä‐ tigkeit weitgehend fehlt und Translator: innen geringes gesellschaftliches Gewicht haben, kann es zu Situationen kommen, in denen maschinelle Übersetzungssysteme als vollwertige Lösung für Translation gesehen werden. Insbesondere in Kontexten, wo Sprachkompetenz weitgehend vorhanden ist, beispielsweise bei offizieller Mehrsprachigkeit, internationalen Organisationen oder Unternehmen, können alle Mitarbeiter: innen, Textersteller: innen, Kommunikator: innen per Knopfdruck eine Übersetzung von der Maschine anfordern. Die Übersetzung eines Textes und damit die Mehrsprachigkeit würden zu einem kurzen, schmerzlosen Knopfdruck ohne Zeitverlust und ohne nennenswerten Aufwand. Die wegen der immer besser werdenden Qualität der Ergebnisse in der Regel kurze Überprüfung könnte dann von allen Mitarbeiter: innen bzw. Fachleuten schnell durchgeführt werden, sofern diese über entsprechende Sprachkenntnisse in Ausgangs- und Zielsprache sowie die mit der spezifischen Tätigkeit verbundenen Fachsprachenkenntnisse verfügen. Eine solche dystopische Vision des Übersetzens, bei der Translation nicht mehr einen spezifischen Beruf darstellt, sondern zu einer Zusatzqualifikation mutiert, hat schwerwie‐ gende Folgen: Es würde das spezifische Berufsbild von Translator: innen verschwinden, Translationswissenschaft und Translator Studies sowie alle damit verbundenen Fragen, die sich mit der Person bzw. dem Berufsbild der Translator: innen auseinandersetzen, würden ihre Bedeutung verlieren. Translationsrelevante Kompetenzen würden in einem solchen Szenario konsequenterweise zu Inhalten einer beruflichen Fortbildung für andere Berufe: So könnten Jurist: innen, Wirtschaftswissenschaftler: innen, Sekretär: innen etc., die im Rahmen einer mehrsprachigen Gesellschaft, eines mehrsprachigen Unternehmens tätig sind und entsprechende Sprachkenntnisse besitzen, translationsrelevante Kenntnisse zusätzlich erwerben. Dass dies nicht nur eine Vision darstellt, sondern durchaus Realität ist, beweist der Tarifvertrag für öffentliche Angestellte in der autonomen Region Südtirol (Kollektivvertrag für Landespersonal: Bereichsvertrag vom 8.3.2006, Art. 2 Allgemeine Aufgaben), der zwar Sprachkompetenz voraussetzt, aber übersetzerische Tätigkeiten ohne irgendwelche translationsspezifischen Ausbildungserfordernisse zu den allgemeinen Aufgaben der Be‐ diensteten zählt. Daneben hat diese Vorstellung von Translation eine lange Tradition. Pym (2012) spricht in diesem Zusammenhang von „Paraprofessionals“, die Translation neben ihrem eigentlichen Beruf ausüben. 92 Peter Sandrini <?page no="93"?> Aus all diesen Szenarien und Entwicklungen kristallisiert sich ein schleichendes Unwohl‐ sein unter Translator: innen heraus: „Existentielle Frustration ist nicht manifest, sondern latent und maskiert“ (Frankl 1991, zitiert in Devivere 2021: 12). Darauf müssen Antworten gefunden werden. 3 Sinnsuche als zentraler Aspekt psychischer Gesundheit Die folgenden Ausführungen gehen von der Hypothese aus, dass die oben genannten Faktoren einer negativen individuellen Befindlichkeit der Translator: innen sowie der deutliche Anstieg der Qualität maschineller Übersetzungssysteme und ihr weltweiter Einsatz zu einer Sinnfrage im Selbstverständnis führen. Steigender Zeitdruck, schwierige Wettbewerbsverhältnisse und stagnierende Einkommen können zu einer zunehmenden Entfremdung im Arbeitsleben führen und existentielle Fragen auslösen: Hat der Beruf als Translator: in überhaupt noch einen Sinn? Werde ich in Zukunft noch meinen Lebensun‐ terhalt damit verdienen können? Zum Überwinden solcher Sinnkrisen können Psychologie und Psychotherapie beitragen. Einerseits ist Psychologie dem Erforschen der Abläufe und Entscheidungsgrundlagen in der Translation dienlich und hilft somit die Psychologie der Translation zu verstehen: The Psychology of Translation: An Interdisciplinary Approach therefore seeks to expand our understanding of translator behaviour by bringing to the fore new schools of thought and conceptualisations […] it offers unique contributions that can enrich translation process research and provide a means of encouraging further development in the area of translation psychology. (Hubscher-Davidson/ Lehr 2023: Abstract) Andererseits kann Psychologie, und insbesondere die Psychotherapie in ihrer logothera‐ peutischen Ausprägung, aber auch Hinweise darauf geben, wie auf Krisen reagiert werden kann und welche Lösungsansätze dazu nützlich sind. Diesem Ansatz soll hier nachgegangen werden. Der Arzt, Psychiater, Neurologe, Psychotherapeut, Philosoph und Shoa-Überle‐ bende Viktor E. Frankl begründete die Logotherapie, eine psychotherapeutische Richtung, bei der die individuelle Sinnsuche zum zentralen Bestandteil psychischer Gesundheit wird: Das Sinnbedürfnis des Menschen - das ist sein »Wille zum Sinn«, wie ich ihn nenne, das heißt, das dem Menschen zutiefst innewohnende Bedürfnis, in seinem Leben oder vielleicht besser gesagt in jeder einzelnen Lebenssituation einen Sinn zu finden - und hinzugehen und ihn zu erfüllen! (Frankl 1985: 32) Dieser Wille zum Sinn wird den Grundannahmen Frankls (1991, 1996, 2007) zufolge erst durch die Voraussetzung einer allgemeinen Freiheit des Willens dazu führen, dass ein Sinn des Lebens gefunden wird. Ohne Sinn kein Wohlbefinden, keine Gesundheit, keine befriedigende Arbeit. Die „Sinnsuche einer Person kann definiert werden als der Wunsch, in der Welt etwas zu verändern, einen Beitrag zu etwas zu leisten, das größer ist oder hinausgeht über das eigene Ich“ (Devivere 2021: 57). Wenn jedoch der eigene Beitrag darin besteht, interlinguale Kommunikation zu gewährleisten, und diese durch andere Maßnahmen oder durch eine Maschine in angemessener Qualität schneller und zugleich kosteneffizienter erreicht wird, kann der subjektive Sinn verloren gehen. Im Unterschied Logotherapie für Translator: innen? 93 <?page no="94"?> zu Algorithmen, die streng vorgegebene Befehle abarbeiten, kann der Mensch nach Frankls Axiom des freien Willens entscheiden, was er tut und welche Entscheidungen aufgrund welcher situativen und kontextuellen Kriterien getroffen werden müssen. Gemäß Frankls Annahme des absoluten Willens zum Sinn möchten Translator: innen in ihrer Arbeit einen Sinn sehen bzw. eine Befriedigung aus der geleisteten Arbeit ziehen. Konsequenterweise werden Translator: innen daher danach trachten, all jene Tätigkeiten, die eine Maschine durchführen kann, auch dieser zu überlassen und Sinn anderswo bzw. in einer anderen Tätigkeit zu suchen. Dabei geht es keineswegs um unmittelbares Wohlbefinden; dieses kann durchaus im Gegensatz zu einem sinnerfüllten Leben stehen, denn zur Sinnerfüllung nehmen Menschen häufig einen beschwerlicheren Weg auf sich: Personen entscheiden sich, wie zahlreiche Beobachtungen zeigen, bewusst für eine bestimmte Arbeit, die ihren Lebensweg und den ihrer Familie wesentlich entgegen eines einfachen Wohl‐ befindens verändern könnte, und zwar aus nur einem Grund: Sie wollen ihrem Leben einen Sinn geben, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten einer bestimmten Sache widmen, die über ihre unmittelbaren physischen und psychosozialen Interessen hinausgeht. (Devivere 2021: 68) Neben vordergründigen ökonomischen Motiven, die einen gewissen Zwang zur Arbeit mit sich bringen können, trägt die berufliche Tätigkeit ganz wesentlich zu einer positiven Sinnfindung bei: „Arbeit bietet normalerweise folgende positiven Faktoren: Erfüllung von grundlegenden Lebensbedürfnissen, Unterstützung, Sinn, soziale Beziehungen.“ (Devivere 2021: 15) Diese Sinnfindung beeinflusst die individuellen Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsschemata und führt zu dem charakteristischen Handlungs- und Lebensstil eines Individuums. Der französische Soziologie Bourdieu (1990: 53) verwendet den Begriff Habitus, der den handelnden Personen in einem gesellschaftlichen Kontext verschiedene Formen von Kapital - ökonomisches, gesellschaftlich-soziales, kulturelles und symboli‐ sches Kapital - zur Verfügung stellt und durch Prägung, Bildung und Wohlstand zustande kommt. Dadurch werden Hierarchien und Positionen innerhalb eines bestimmten sozialen Feldes ausgehandelt. Bourdieus Habitus sowie die spezifische Position innerhalb eines so‐ zialen Feldes können somit den Ausgangspunkt für eine existentiell begründete Sinnsuche nach der Logotherapie Frankls bilden. Was gemäß der Logotherapie für die individuelle existentielle Sinnfindung gilt, kann auf die berufliche Erfüllung durch die eigene Tätigkeit bzw. durch Translation bezogen werden: Alle Translator: innen haben einen freien Willen und können translationsbedingte Entscheidungen für sich treffen, alle suchen Sinn in ihrer Arbeit als Translator: innen, und es liegt Sinn darin, sich mit Translation auseinanderzusetzen. Die Bedeutung einer klaren Sinnperspektive des Berufsbildes wird damit in Anlehnung an psychotherapeutische Ansätze in den Mittelpunkt gerückt. Ansätze zur Bewältigung von Sinnkrisen und zum Umgang mit Unsicherheit werden im Folgenden angerissen. 4 Umgang mit technologieinduzierter Sinnkrise Die Psychologie, aber auch die Wirtschaftswissenschaft haben sich mit der Bewältigung von Unsicherheit und Krisen auseinandergesetzt: „Sinn-Forschung und--Praxis sind heute weitgehend geprägt von der Positiven Psychologie, der Organisationsentwicklungsfor‐ 94 Peter Sandrini <?page no="95"?> schung und der Managementforschung.“ (Devivere 2021: 55) Mit der Positiven Psychologie des amerikanischen Psychologen Abraham Maslow, den Viktor Frankl ausgiebig zitiert, steht die Logotherapie in engem Zusammenhang. Der logotherapeutische Ansatz sucht auf der Grundlage eines bejahenden Menschenbildes nach positiven Antworten auf Sinnkrisen: „Die Frage, die wir uns nun zu stellen haben, lautet: Wie ist es möglich, trotz all dieser tragischen Aspekte menschlicher Existenz trotzdem Ja zum Leben zu sagen? “ (Frankl 1996: 51) Mit etwas weniger existentiellem Pathos könnte die Frage für Translator: innen folgendermaßen lauten: Wie können wir negative Tendenzen überwinden, unsere Auf‐ gaben und Kompetenzen neu definieren und damit trotzdem Ja zu unserem Beruf sagen? Frankl spricht dabei vom „tragischen Optimismus“ (Schechner/ Zürner 2013: 300), der angesichts der widrigen Umstände nach dem besten Weg sucht, damit umzugehen und trotzdem noch Sinnstiftendes im Leben zu finden: „Irgendwie muss es eigentlich auch noch angesichts der tragischen Aspekte unseres Daseins die Möglichkeit geben, […] das Beste daraus zu machen; ‚das Beste’ jedoch heißt auf Lateinisch ‚Optimum’.“ (Frankl 1991: 51) Ausgehend vom einzelnen Menschen leistet Logotherapie Hilfe und „sensibilisiert ihn für die Wahrnehmung von Sinnmöglichkeiten“ (Batthyany et al. 2018: 302). In diesen Erörterungen zu Selbstverständnis und Kompetenzsuche soll jedoch nicht die individuelle psychotherapeutische Sinnfindung im Mittelpunkt stehen, sondern der Sinn von Translation in einem neuen Kontext, der Zweck („purpose“) von Translation und translatorischen Tätigkeiten auf einer überindividuellen Ebene: Insofern schaffen die neuesten empirischen Ergebnisse zur Purpose-Diskussion gleichzeitig auch Klarheit darüber, worum es im Kern der Sinnfrage geht: Entweder um eine instrumentelle, am wirt‐ schaftlichen Zweck orientierte Praxis, oder um das Verständnis der existenziellen Grundthemen der Sinnsuche des Einzelnen in der Arbeit. (Devivere 2921: 9) Die individuelle Sinnfindung von Translator: innen bleibt dabei unangetastet und kann niemals von außen vorgegeben werden: „Es besteht kein Zweifel, dass Sinn gefunden werden muss und nicht gegeben werden kann […] Zu versuchen, Sinn zu geben, käme einer Moralisierung gleich.“ (Frankl 1991: 34) Hier geht es vielmehr darum, allgemeine Ansätze zu verfolgen, die der Disziplin der Translationswissenschaft, ihrer praktischen Anwendung durch Translator: innen sowie der Ausbildung neue Impulse geben können. Ein erster Schritt der Bewältigung besteht in der Anerkennung der krisenhaften Realität sowie in einer positiven Grundhaltung gegenüber bestehenden Möglichkeiten: „Mensch-sein bedeutet nicht nur Anders-sein, sondern auch Anders-können.“ (Frankl 2007: 132) Dieses Anders-Können ist verankert im Verantwortlichsein für das eigene Leben, von Frankl als „Wesensgrund des Menschen“ (Frankl 2007: 28) bezeichnet. In diesem Sinne übernehmen Translator: innen nicht nur in individueller psychotherapeutischer Hinsicht Verantwortung, sondern auch Verantwortung gegenüber dem Beruf und der Translation im Allgemeinen bzw. gegenüber der Translationskultur. Einen solchen Bezug stellt Prunč (2012: 357) in seiner ethisch fundierten Handlungsmaxime her: „Handle professionell und wahre das Ansehen deines Berufsstandes, handle im Einklang mit den Normen deiner Translationskultur, habe jedoch den Mut, dich selbstverantwortlich dagegen zu entscheiden und die Gründe dafür offenzulegen.“ Ähnlich argumentieren auch Moorkens und Rocchi mit ihrem Konzept einer „sustainable translation industry“ (2021: 326). Logotherapie für Translator: innen? 95 <?page no="96"?> Grundbedingung dafür ist immer die Möglichkeit, selbst entscheiden zu können. Daher „konzentrieren sich Praktiken für sinnvolle Arbeit zunehmend auf das inhärente menschliche Bedürfnis nach Autonomie und Entscheidungsfreiheit“ (Devivere 2021: 11). Automatisierung und vor allem der unkritische Einsatz maschineller Übersetzung redu‐ zieren Entscheidungsfreiheit und Autonomie des Menschen, und keineswegs dürfen sie in Konkurrenz zum Menschen gesehen werden. Sinnfindung ist nur dann erfolgreich, wenn Tätigkeiten ausgeübt werden, die selbständiges Denken und Entscheiden voraussetzen. Ist dies der Fall, wird Translation nicht mehr als automatisierbarer Ersetzungsvorgang bzw. Codewechsel begriffen, sondern als ein Denken in Alternativen und in der Folge ein Ent‐ scheiden über alternative Lösungen. Translation stellt somit einen Selektionsprozess dar, der auf der Grundlage von Auftragsspezifikationen, situativem Kontext und vorhandenen Daten stattfindet: Much of the translator’s skill-set and effort was previously invested in identifying possible solutions to translation problems (i.e., the generative side of the cognitive process), the vast majority of those skills and efforts are now invested in selecting between available solutions, and then adapting the selected solution to target-side purposes (i.e., the selective side of the cognitive processes). (Pym 2013: 493) Diese Ausrichtung entspricht durchaus den von der Logotherapie Frankls vorgeschlagenen drei „Hauptstraßen zum Sinn“ (Schechner/ Zürner 2013: 258): 1) Kreatives leisten durch schöpferische Werte, 2) Erleben und Erfahrungen sammeln sowie 3) durch bewusste Ein‐ stellungswerte schwierige Phasen überwinden. Translation als einen Entscheidungsprozess zu verstehen, der auf der Grundlage situativer Parameter und durch Auswahl, Bearbeiten und Anpassen von vorhandenen Daten stattfindet, erhöht Entscheidungsfreiheit und Autonomie von Translator: innen und ermöglicht eine positive Sinnfindung. Auseinander‐ setzung mit Technologie spielt dabei eine wichtige Rolle, wobei nicht nur ethische Fragen aufgeworfen werden: Die Beantwortung der Frage „Was ist richtig, was ist falsch? “ könnte in der Auseinandersetzung mit Big Data, dem Umfang, der Dynamik und der Komplexität der unüberschaubar riesigen Datenmengen, zur größten Herausforderung dieses Jahrhunderts werden: Generierung, Zugang, Nutzung und Management von Daten beschäftigen Unternehmen, Führungskräfte, die Gesell‐ schaft als Ganzes und Einzelpersonen in einem noch nie dagewesenen Ausmaß. (Devivere 2021: 30) Darüber hinaus ergibt sich durch das Begreifen von Technologie als Chance, und nicht als zu bekämpfenden Gegner, die Notwendigkeit neuer Kompetenzrahmen. Analog zu der oben angeführten Auffassung von Translation als kontextgesteuertem Auswahlprozess sind für Krüger (2018) durch den vermehrten Einsatz von Maschinenübersetzung über eine „tendenziell rückläufige Bedeutung der Textproduktionskompetenz hinausgehende Kon‐ sequenzen für die sprach-/ kommunikationsorientierten Teilkompetenzen der allgemeinen Translationskompetenz“ (Krüger 2018: 117) zu beobachten. Mit Verweis auf Holz-Mänttäri (1993), die bereits vor 30 Jahren die Verantwortung der translatorisch Handelnden für die Gestaltung des Zieltextes unterstrich, schreibt Krüger: „Es gibt also gute Gründe dafür, 96 Peter Sandrini <?page no="97"?> den Übersetzer im digitalisierten und datafizierten Übersetzungsprozess nicht mehr als Textproduzent, sondern als Textdesigner zu bezeichnen.“ (2018: 124) Im Umgang mit Translationstechnologie im Allgemeinen und mit maschineller Über‐ setzung im Besonderen lassen sich zwei grundlegende Abwehrmechanismen unter Trans‐ lator: innen beobachten. Entweder wird maschinelle Übersetzung und Automatisierung de‐ zidiert abgelehnt und versucht, dies durch eine Beweisführung zugunsten der eindeutigen Überlegenheit des Menschen zu rechtfertigen. Eine solche Beweisführung erweist sich in vielen Fällen als schwierig und gelingt nicht immer eindeutig - Gründe für das Misslingen können dabei fehlerhafte Voraussetzungen, ungenügende Vergleichskriterien, einseitige oder mangelhafte Auswahl von MÜ-Systemen, Wahl der menschlichen Übersetzungen und der menschlichen Probanden, Textsorten usw. sein. Darüber hinaus führt die angenommene Überlegenheit des Menschen zu dem stetig steigenden Druck, diese Qualitätsanforderungen auch zu erfüllen, und damit zu einem Circulus vitiosus: Je besser maschinelle Überset‐ zungssysteme werden, desto besser müssen auch Translator: innen werden, um diesem Wettbewerb standhalten zu können. Die Projektion künftiger Entwicklungen auf der Grundlage historischer Erfahrung lässt jedoch den Erfolg einer solchen Beweisführung immer unwahrscheinlicher erscheinen. Eine zweite Antwort auf diese Herausforderung liegt in der Anerkennung der Vor‐ teile, die Automatisierung und Maschinenübersetzung bieten. Hier wird das maschinelle Übersetzen in die eigene Tätigkeit integriert und der Schwerpunkt der eigenen Kompe‐ tenzen verlagert bzw. neu definiert. Dies spiegelt eine längerfristige Perspektive wider und steht durchaus im Gegensatz zu einem Streben nach unmittelbarem Erfolg, „in der Distanzierung von dem, was unser schnelles Denken nahelegen könnte über den leichtesten Weg, schnelles Glück, Wohlbefinden, persönlichen oder kurzfristigen unternehmerischen Gewinn zu erzielen“ (Devivere 2021: 11). Verzicht auf Akkordarbeit, auf unmittelbar verfüg‐ bare Aufträge unter Zeitdruck bei gleichzeitiger Suche nach neuen Chancen können zwar kurzfristig einen Einkommensverlust bedeuten, längerfristig aber durchaus eine höhere Position in der Wertschöpfungskette und damit auch einen höheren beruflichen Status bedeuten. Dass eine solche Umorientierung zumindest für fest angestellte Translator: innen in der sogenannten „Translation Industry“ bereits stattfindet, zeigt eine Untersuchung der Stellenanzeigen (Piovesan 2022): Lediglich bei ca. 25 % der Jobangebote gehört aktives Übersetzen zur Jobbeschreibung, während in allen anderen Fällen das Translations- und Projektmanagement bzw. Translationstechnologie u.-a. im Vordergrund steht. Beiden Ansätzen gemeinsam ist eine wie immer geartete Sinnsuche, im ersten Fall die Suche nach absoluter Qualität, im zweiten nach neuen Arbeitschancen und neuen Kompetenzprofilen. Chancen liegen dabei vor allem darin, die technologieinduzierte Sinnkrise durch einen Perspektivenwechsel zu überwinden: Technologie akzeptieren und lernen, sie zu verstehen, zu beherrschen und für die eigenen Zwecke nutzbar zu machen: In the wake of TMs and MT software, the need for technological competencies for professional translators to remain on top, if not ahead, of change has never been more evident than it is now. (Doherty 2016: 962) Erst dadurch können Mehrwertdienstleistungen angeboten und gerechtere Entlohnung erzielt werden: Logotherapie für Translator: innen? 97 <?page no="98"?> With informed and effective use of TMs and MT, many of the known issues and shortcomings of these technologies can be overcome, especially in terms of translation quality, to somewhat mitigate the downward trend in pricing for translation services in line with tighter budgets and deadlines. (Doherty 2016: 962) In einem solchen Perspektivenwechsel werden Translator: innen zu Problemlöser: innen im Bereich Mehrsprachigkeit und Translation. Pym und Torres-Simón (2019) sehen ihre Hauptaufgabe darin, Kund: innen bei der Bewältigung von Problemen der Auftrag‐ geber: innen zu unterstützen, und verwenden dafür den Ausdruck „solving clients’ pro‐ blems“. Die Autoren zählen die unterschiedlichen Berufsbezeichnungen auf, die in der Übersetzungsindustrie dafür verwendet werden: „solutions architect, director of client solutions, solutions consulting and director of technology solutions, cloud solutions architect, or solutions manager for machine intelligence“ (Pym/ Torres-Simón 2019: 17). Beratung über Möglichkeiten und Einsatz von Translationstechnologie sowie das Einbringen von Expertenwissen über den Translationsprozess bringen zwar neue Berufs‐ chancen, setzen allerdings auch voraus, dass entsprechende Kompetenzen vorhanden sind bzw. in der Ausbildung vermittelt werden. Da Digitalisierung und Datafizierung eine steigende Prozess- und Technologiekomplexität des Übersetzungsprozesses und damit häufig einen kundenseitigen Beratungsbedarf mit sich bringen, sollten Übersetzer in Zukunft außerdem in der Lage sein, ihren Kunden entsprechende translatori‐ sche Mehrwertdienstleistungen anzubieten, die über die reine Übersetzungsleistung hinausgehen. (Krüger 2018: 107) In diesem Sinne kann auch die oben dargestellte dystopische Vision in ein positiveres Szenario überführt werden: Die neue Rolle von Translator: innen als Expert: innen für Translationsprozesse und Translationstechnologie besteht darin, den nicht-professionellen Übersetzer: innen planend und organisatorisch zur Seite zu stehen. Ein solcher Schwenk von der ausführenden hin zur beratenden und planenden Seite könnte zwar zu geringeren Absolvent: innenzahlen an den Ausbildungsinstituten führen, würde aber zweifellos eine höhere Qualifikation als Expert: innen zur Folge haben. Those that work within large companies may sooner or later become gatekeepers and makers of decisions about work practices and data harvesting that will impact many other stakeholders within the translation industry. (Moorkens 2020: 29) Unter Beachtung des von Frankl eingeforderten Verantwortungsprinzips, das somit eben‐ falls für die akademische Ausbildung gilt, müssen angehenden Translator: innen die dazu nötigen Kompetenzen vermittelt werden, „mit denen diese als mündige Bürger die techno‐ logischen Veränderungen in der Gesellschaft kritisch reflektieren und die entsprechenden Prozesse aktiv mitgestalten können“ (Krüger 2018: 132). 5 Schlussbemerkungen Zur Beantwortung der anfangs gestellten Forschungsfragen kann aufgrund der ange‐ führten Argumente durchaus eine Sinnkrise im Selbstverständnis von Translation und Translator: innen identifiziert werden. Mangelnde gesellschaftliche Anerkennung und 98 Peter Sandrini <?page no="99"?> geringes ökonomisches Gewicht sind zwar keine neue Entwicklung, wohl aber haben die zunehmende Automatisierung und Technologieabhängigkeit sowie die Ausdifferenzierung translatorischer Tätigkeiten in immer mehr unterschiedliche Berufsbilder Unsicherheit und Zweifel unter Translator: innen verstärkt. Die Logotherapie unterstreicht zunächst einmal die Bedeutung der Sinnfindung für eine befriedigende Arbeitserfahrung und bietet einen psychotherapeutischen Ansatz zur Bewältigung individueller Sinnkrisen. Analog dazu kann dasselbe Instrumentarium auf die überindividuelle Ebene der Translation und des Translationsberufes bezogen werden. Der Begründer der Logotherapie Viktor Frankl betont im Rahmen einer positiven Sichtweise des Menschen, dem sowohl Willensfreiheit als auch der Drang nach Sinnfindung eigen ist, das Prinzip des Verantwortlichseins für die individuelle Sinnsuche. Für die translatorische Tätigkeit muss dieses Verantwortlichsein in gleicher Weise für Translation im Allgemeinen, d. h. den Berufsstand, die Translationskultur, die Ausbildung sowie die Translationswis‐ senschaft gelten. Grundbedingung für jede Art von Auswegen aus einer Krise ist zunächst einmal das Anerkennen eines krisenhaften Zustandes bzw. eines diffusen Unwohlseins. In der Folge kann ein bejahendes Akzeptieren der neuen Entwicklungen in der Translationstechnologie und ihr Einbeziehen in den eigenen Tätigkeitsbereich zu einer Bewältigung der durch die Maschinenübersetzung entstandenen Herausforderungen führen. Dazu gehört vor allem eine Neuorientierung von ausführenden Tätigkeiten hin zu konzeptionellen Beratungs- und Planungsaufgaben. So könnten Translator: innen durch entsprechende prozessanalytische, prozessorganisatorische und translationstechnologische Kompetenzen in den Augen der Gesellschaft und ihrer beruflichen Kooperationspartner endlich den Expertenstatus erreichen, der ihnen in der Vergangenheit so häufig und oft in ungerechtfer‐ tigter Weise versagt wurde (Krüger 2018: 125). Damit kann das von Viktor Frankl als Folge einer erfolglosen Sinnsuche entstandene „existentielle Vakuum“ durchbrochen und können Sinnkrisen überwunden werden. Literatur Arntz, Reiner (2001). Fachbezogene Mehrsprachigkeit in Recht und Technik. Hildesheim: Olms. Bagaglini, Gloria (2021). Die MÜ in der Übersetzerausbildung am Beispiel Österreichs. Innsbruck: Universität Innsbruck, unveröffentlichte Masterarbeit. Batthyany, Alexander/ Vik, János/ Biller, Karlheinz/ Fizzotti, Eugenio (Hrsg.) (2018).-Viktor E. Frankl - Gesammelte Werke: Psychotherapie, Psychiatrie und Religion: Über das Grenzgebiet zwischen Seelenheilkunde und Glauben. 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Vorschläge für Folgestudien betreffen arbeitspsychologische Untersuchungen zur Ermittlung weiterer Dimensionen von Arbeitszufriedenheit mit Blick auf die Schaffung eines motivierenden Arbeitsumfelds und die Vermeidung unerwünschter Fluktuationen. Schlagwörter: Untertitelung, Untertitel-Expert: innen, Arbeitszufriedenheit, deutschsprachiger Raum, E-Mail-Interviews Abstract: This study investigates subtitling professionals’ job satisfaction. Previous research suggests that on the one hand many translators feel that their work is not sufficiently recognized, but that on the other hand they are happy in their job. As au‐ diovisual translators’ working conditions have significantly changed in recent years, this contribution examines job satisfaction in the context of interlingual subtitling. An email interview study was conducted with nineteen subtitling professionals producing German-language subtitles. Thematic analysis was used to organize the data into two overall themes: extrinsic sources of subtitler satisfaction and intrinsic ones. Suggestions for future directions concern studies in work psychology to identify key extrinsic satisfiers able to motivate subtitling professionals to stay in the profession and prevent unwanted churn among freelancers. Keywords: Subtitling, subtitling professionals, job satisfaction, German-speaking countries, e-mail interviewing <?page no="104"?> 1 Einleitung Die Untertitelungsforschung war lange Zeit produktorientiert und fokussierte auf die Beschreibung und Bewertung von Untertitellösungen. Im letzten Jahrzehnt rückten die Bedürfnisse und Erwartungen verschiedener Zielgruppen in den Vordergrund. Noch wenig erforscht sind die Produktionsabläufe von Untertitelungsprojekten, die Rolle, die Untertitel-Expert: innen in diesem Workflow einnehmen, und die Interaktion von Untertitler: innen mit den anderen Projektbeteiligten. Der vorliegende Text möchte dazu beitragen, diese Forschungslücke zu schliessen. Er fokussiert auf die Arbeitszufrieden‐ heit von Untertitel-Expert: innen und ist als übersetzungspsychologische Studie in den Translator Studies (Chesterman 2009) verortet. Während in der Forschung zu Literary Translator Studies nicht zuletzt Kaindl (2021) empirische Pionierarbeit geleistet hat, ist das Feld bezüglich Audiovisual Translator Studies und insbesondere Subtitler Studies noch weitgehend unbestellt. Die Übersetzungspsychologie entstand im Kontext der kognitionswissenschaftlichen Übersetzungsprozessforschung der 1980er-Jahre, beschäftigt sich mittlerweile aber nicht mehr nur mit kognitiven, sondern auch emotionalen und sozialen Facetten des Über‐ setzer: innenberufs, d. h. mit Übersetzer: innen als komplexen Individuen (Bolaños-Medina 2016: 66). Studien zur Arbeitszufriedenheit sind innerhalb der Arbeits- und Organisations‐ psychologie angesiedelt und untersuchen die Mikrobzw. individuelle Ebene übersetzeri‐ schen Verhaltens in Organisationen und am Arbeitsplatz. Im vorliegenden Fall werden Erkenntnisse aus einer Interviewstudie mit Vertreter: innen aus einem spezifischen beruf‐ lichen Setting präsentiert: 19 professionelle Untertitler: innen, die als freiberuflich Tätige interlinguale Untertitel für den deutschsprachigen Raum erstellen. Während in bisherigen Studien zu Untertitel-Expert: innen immer wieder negative Aspekte im Zusammenhang mit der Berufsausübung thematisiert wurden, soll hier der Blick auf die Facetten gelegt werden, die Untertitler: innen zufrieden machen. Hierfür wird zunächst die Fachliteratur zur Arbeitszufriedenheit professioneller Über‐ setzer: innen referiert. Anschliessend beschreibe ich das Vorgehen zur Datenerhebung und Datenanalyse meiner empirischen Studie, diskutiere die wichtigsten Ergebnisse und präsentiere zum Schluss Überlegungen für weiterführende Untersuchungen arbeitspsycho‐ logischer Natur. 2 Forschungsstand Arbeitszufriedenheit ist ein Begriff, der in der übersetzungswissenschaftlichen Literatur in jüngster Zeit vermehrt, allerdings oft unpräzise verwendet wird. In Anlehnung an Nerdinger, Blickle und Schaper (2019: 465) definiere ich sie als Einstellung, die „die emotionale Reaktion auf die Arbeit, die Meinung über die Arbeit und die Bereitschaft, sich in der Arbeit in bestimmter Weise zu verhalten” umfasst. Arbeit hat viele Facetten, deshalb können sich die Einstellungen auf die unterschiedlichsten Merkmale beziehen: die Tätigkeit als solche, die Arbeitsbedingungen, die Beziehungen zu Vorgesetzten und Kollegen oder das Gehalt bzw. Honorar. Entsprechend unterscheidet die Zwei-Faktoren-Theorie der Ar‐ beitszufriedenheit zwei Kategorienklassen (ebd. 467f.): Kontextfaktoren, d. h. extrinsische 104 Alexander Künzli <?page no="105"?> Aspekte ausserhalb der Arbeitstätigkeit (Beispiel: Gehalt oder Führung durch Vorgesetzte), und Kontentfaktoren, d. h. intrinsische Aspekte, die in der Arbeit liegende Faktoren betreffen (Beispiel: Arbeitsinhalt oder das Gefühl, sich in der Arbeit entfalten zu können). Die Zufriedenheit mit den verschiedenen tätigkeitsbezogenen Aspekten kann bei einer Person unterschiedlich ausfallen. Übersetzer: innen können mit ihrer Tätigkeit (d. h. dem Arbeitsinhalt) zufrieden und gleichzeitig mit dem Gehalt und der Unternehmenspolitik unzufrieden sein. Die Zwei-Faktoren-Theorie ist somit in der Lage, das in der übersetzungs‐ wissenschaftlichen Fachliteratur beschriebene scheinbare Paradox zu erklären (s. die weiter unten referierte Studie von Dam und Zethsen [2016]): Übersetzer: innen können sehr wohl ein hohes Mass an Zufriedenheit mit dem Arbeitsinhalt äussern (= intrinsische Dimension) und gleichzeitig unzufrieden bezüglich konkreter Arbeitsbedingungen sein (= extrinsische Aspekte). Nun aber genauer zu den übersetzungswissenschaftlichen Studien, die sich mit der Arbeitszufriedenheit von Übersetzer: innen beschäftigt haben. Die Übersetzungswie auch die Untertitelungsbranche waren in den letzten Jahren tiefgreifenden Umwälzungen ausgesetzt. Im Zuge der Globalisierung und Digitalisierung entstanden transnationale Arbeitsumgebungen, virtuelle Teams und neue Workflow-Management-Strategien. Diese neue Form der Telekooperation war und ist eine Herausforderung für Übersetzer: innen und ihre Arbeitsroutinen, wie verschiedene Studien zeigen. Dam und Zethsen (2016) analysierten die Daten von 15 dänischen Freelance-Über‐ setzer: innen, die in kurzen narrativen Texten ihre Gedanken zu ihrer Tätigkeit festhalten sollten. Die Befragten beurteilten ihre Tätigkeit als spannend, vielfältig, kreativ, wichtig und sinnerfüllend, was laut Autor: innen mit ein Grund dafür sein dürfte, dass Übersetzer: innen trotz niedrigem Status und unterdurchschnittlichen Arbeitsbedingungen ihrem Beruf treu bleiben. Ruokonen und Mäkisalo (2018) befragten 459 finnischsprachige literarische, Fachbzw. audiovisuelle Übersetzer: innen zu ihrer Arbeitszufriedenheit. Die Befragten waren der Ansicht, dass der Status von Übersetzer: innen - der als eine Dimension von Arbeitszufrie‐ denheit definiert wurde - im Allgemeinen nicht sehr hoch ist, meinten aber gleichzeitig, dass ihre Arbeit in ihrem direkten beruflichen Umfeld geschätzt wird. Unterschiede ergaben sich zwischen Berufskategorien. Audiovisuelle Übersetzer: innen schätzten ihren Status als tiefer ein, hatten das niedrigste Einkommen, und ihre Statuseinschätzung korrelierte mit dem Einkommensniveau - im Gegensatz zu literarischen Übersetzer: innen, deren niedriges Einkommensniveau keinen Einfluss auf die Wahrnehmung ihres Status hatte, den sie als hoch einschätzten. Die Autor: innen erklären dieses Ergebnis zumindest teilweise mit den strukturellen Umwälzungen, denen die audiovisuelle Übersetzungsbranche in den letzten Jahren ausgesetzt war. Als Folge davon sind audiovisuelle Übersetzer: innen meist als Sub‐ unternehmer: innen für multinationale Unternehmen, unter prekären Arbeitsbedingungen sowie für niedrige Honorare tätig. In der von Courtney und Phelan (2019) durchgeführten Fragebogen-Umfrage unter 474 irischen Übersetzer: innen wurde kein Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit (die als sehr hoch eingeschätzt wurde) und berufsbedingtem Stress (mittel bis hoch gerankt) festgestellt. Als Stressfaktoren wurden mangelnde An‐ erkennung durch Agenturen und Kund: innen, sinkendes Honorar, unsichere Zukunfts‐ aussichten aufgrund von maschineller Übersetzung und CAT-Tools sowie steigender Termindruck genannt. Aspekte von Arbeitszufriedenheit waren Flexibilität, Autonomie Zur Arbeitszufriedenheit von Untertitel-Expert: innen 105 <?page no="106"?> und das Übersetzen an sich. Und schliesslich ist Moorkens (2020) zu erwähnen, der die Arbeitszufriedenheit von weiteren 52 irischsprachigen Übersetzer: innen untersuchte und feststellte, dass sowohl Freelanceals auch Übersetzer: innen im öffentlichen Dienst sich als passionierte Übersetzer: innen beschreiben und stolz auf ihre Arbeit sind. Gleichzeitig ist die Wahrnehmung von Freelancer: innen in Bezug auf Behandlung, Honorar und Jobsicherheit weniger positiv. Sie fühlen sich auch stärker als Übersetzer: innen im öffentlichen Dienst durch Translationstechnologien bedroht. Mit den Arbeitsbedingungen von Untertitel-Expert: innen und damit indirekt auch mit Aspekten von Arbeitszufriedenheit haben sich Nikolić (2010), Künzli (2022) und Silvester (2022) befasst. Die von Nikolić (2010) unter 27 kroatischen Untertitler: innen durchge‐ führte Umfrage kam zum Schluss, dass die negativen Seiten (u. a. schlechte Bezahlung, schrumpfende Fristen) die positiven Seiten (Erwerb neuer Kenntnisse, Telearbeit, flexible Arbeitszeiten) überwiegen. In der von Künzli (2017) durchgeführten Fragebogen-Umfrage mit 59 Untertitel-Expert: innen aus dem deutschsprachigen Raum wurden ebenfalls eine Reihe negativer Entwicklungen thematisiert, darunter sinkender Handlungsspielraum, fehlende Namensnennung und mangelnde Anerkennung. Andererseits äusserte sich fast die Hälfte der Befragten zufrieden mit den Abgabeterminen und dem Honorar für Unter‐ titelungsaufträge. Silvester (2022) wiederum hat sechs englischsprachige Untertitler: innen von französischen Autorenfilmen nach ihren Erfahrungen befragt und von persönlichem Kontakt zwischen Untertitler: innen und Produzent: innen bzw. Regisseur: innen (z. B. gemeinsame Untertitel-Simulationen), angemessenen Fristen und höherem Status, als ihn Untertitler: innen anderer audiovisueller Formate geniessen, berichtet. Dieser Überblick lässt erkennen, dass es keine einheitliche Übersetzungs- und Unterti‐ telungspraxis bzw. keine einheitliche Wahrnehmung der Arbeitsbedingungen gibt. Darüber hinaus fehlen Studien, die sich spezifisch mit der Arbeitszufriedenheit professioneller Untertitler: innen beschäftigen und die verschiedenen Dimensionen von Arbeitszufrie‐ denheit systematisch beschreiben. Die vorliegende Arbeit möchte einen Beitrag dazu leisten und geht deshalb folgender Frage nach: Welches sind nach Einschätzung von Untertitel-Expert: innen positive Facetten ihrer beruflichen Tätigkeit und wie lassen sich diese kategorisieren? 3 Methodisches Vorgehen Die Studie wurde als Folgestudie einer zwischen 2010 und 2011 durchgeführten elek‐ tronischen Fragebogen-Umfrage konzipiert (Künzli 2017). Als Datenerhebungstechnik habe ich E-Mail-Interviews gewählt. E-Mail-Interviews werden in der sozialwissenschaft‐ lichen Forschung seit Anfang der 2000er-Jahre verwendet (Hunt/ McHale 2007), in der Translationswissenschaft bisher aber kaum genutzt. Ihr Potenzial für die Übersetzungs- und Dolmetschforschung wird in Künzli und Gile (2021) aufgezeigt. Im Mittelpunkt der Interviews stand die Frage nach Veränderungen im Arbeitsumfeld professioneller Untertitler: innen und nach den Auswirkungen auf Kompetenzanforderungen, Qualität und Qualitätssicherung (s. Interview-Leitfaden im Anhang). Die Interviews wurden mit vierzehn Untertitlerinnen und fünf Untertitlern zwischen November 2019 und Januar 2021 durchgeführt. Die Berufserfahrung der Umfrageteilnehm‐ 106 Alexander Künzli <?page no="107"?> enden variiert zwischen zwei und 30 Jahren (Durchschnitt: 15 Jahre). Die Befragten untertiteln grossmehrheitlich aus dem Englischen, viele auch aus romanischen Sprachen und einige aus slawischen, skandinavischen und asiatischen Sprachen. Die Bandbreite der untertitelten Formate umfasst überwiegend Spiel- und Dokumentarfilme bzw. -serien, aber auch Firmenvideos, Werbung, Reality-TV-Shows oder audiovisuelle Texte für Museen. Die Einladung zur Teilnahme an der Studie wurde über einschlägige Berufsverbände verschickt. Das Interviewkorpus besteht aus einem Transkript von 26.663 Wörtern bzw. 190.577 Zeichen, das nach den Prinzipien der thematischen Analyse (Braun/ Clarke 2006) analysiert wurde. Hierfür wurden alle Äusserungen mit Hilfe der Datenanalyse-Software QDA Miner in den Interviews codiert, die als Indikatoren von Arbeitszufriedenheit interpretiert werden konnten. Als Ausgangspunkt für die Erstellung der thematischen Karte und der übergeordneten Themen wurden in einem ersten Schritt die von Nerdinger, Blickle und Schaper (2019) beschriebenen zwei Kategorienklassen Kontextfaktoren und Kontentfaktoren im Sinne eines konzeptgestützten Vorgehens herangezogen. In einem zweiten Schritt wurden die zugehörigen Unterthemen datengestützt mittels induktiver Analyse ermittelt. Informationen, die zur Identifizierung der Umfrageteilnehmenden führen könnten (z. B. Namen von Unternehmen, Ländern, Städten), wurden aus den Interviewtranskripten entfernt. 4 Ergebnisse In diesem Abschnitt beschreibe ich die Aspekte, die in den Interviews als Indikatoren für eine positive emotionale Einstellung zur eigenen Arbeit interpretiert werden können. Die Perspektive der Untertitler: innen wird anhand von Auszügen aus den Interviews verdeutlicht und mit der Fachliteratur verknüpft. Aus Platzgründen fokussiert die Analyse auf die wesentlichsten Punkte. 4.1 Kontextfaktoren Zunächst zu den extrinsischen Faktoren von Arbeitszufriedenheit, die Aspekte ausserhalb der Tätigkeit an sich betreffen. Bei der Erledigung von Arbeitsaufgaben ergeben sich Belastungen, die je nach Intensität zu Stressreaktionen führen können. Solche Belastungen für Untertitel-Expert: innen sind entweder zu hohe quantitative Arbeitsanforderungen (d. h. Zeit- und Termindruck) oder aber ausbleibende regelmässige Auftragserteilungen (d. h. Arbeitsplatzunsicherheit). Die Gewissheit, über längeren Zeitraum gut ausgelastet zu sein und damit über Auftragssicherheit im Sinne eines stabilen Arbeitsvolumens zu verfügen, ist ein erster Aspekt von Arbeitszufriedenheit, der in den Interviews thematisiert wird und im Zusammenhang mit der zunehmenden Verbreitung von Streaming-Portalen betrachtet werden kann: [Ausschnitt 1] Vorher hatte ich meist viele kleinere Aufträge, meist eben Spiel- und Dokumentar‐ filme, also Volumen von je +/ - 90 Min, da brauchte ich also mehrere solche Aufträge pro Monat - mit dem entsprechenden Aufwand an Angebote und Rechnungen schreiben, Zeitmanagement, Kundenkommunikation etc. Bei den grossvolumigen Serien habe ich oft mit einer Staffel genug Arbeit für ca. zwei, drei-…-Monate - und kann so entspannter und linearer arbeiten. Zur Arbeitszufriedenheit von Untertitel-Expert: innen 107 <?page no="108"?> Es gibt eine Reihe von Praktiken, die Untertitel-Expert: innen im Kontext ihrer Tätigkeit für Streamingdienste kritisch betrachten: die Honorarentwicklung, die maschinelle Unter‐ titelung oder die Arbeit in English Master Templates (Künzli 2023). Fakt ist jedoch, dass mit der steigenden Anzahl solcher Dienste auch die Nachfrage nach untertitelten Inhalten steigt, was für Untertitler: innen zu grösserer Auftragssicherheit führt. Darüber hinaus können sich Untertitler: innen durch den sinkenden Aufwand für Nebenaktivitäten wie Kundenakquise und Buchhaltung in grösserem Masse auf die eigentliche Untertitelungs‐ arbeit konzentrieren - die Tätigkeit, für die sie bezahlt werden und die sie „mit Herz und Seele“ ausführen, wie eine Untertitlerin meint (s. Abschnitt 4.2 unten). Eine weitere wichtige Dimension von Arbeitszufriedenheit ist für Untertitler: innen die Möglichkeit zur Partizipation, d. h. zu direktem Austausch und Teilhabe an Entscheidungen mit den anderen Akteur: innen in Untertitelungsprojekten. Die Interviews lassen erkennen, dass mit einer solchen direkten Einbeziehung in den Workflow auch die Erwartung verbunden ist, die eigenen hohen Qualitätsansprüche umsetzen zu können: [Ausschnitt 2] Ich selbst „simuliere“ die Übersetzungen von anderen Kollegen - bis zur Coronakrise erfolgte dies zumeist „leibhaftig“ zu zweit vor dem Computer. Das ist die ideale Situation: Gemeinsames Anschauen des Werkes „im Flow“ und Zeit zur Diskussion und zum gemeinsamen Brainstorming. [Ausschnitt 3] [D]er persönliche Kontakt ist in meinen Augen auf jeden Fall ein wichtiges Element. Ich glaube, ich kann mich auch glücklich schätzen, dass ich überwiegend Kunden habe, die ein mehr oder weniger „persönliches“ Verhältnis zu den Produktionen haben. Die Tatsache, dass Untertitelungsprojekte immer anonymer abgewickelt werden, steht diesem Wunsch nach Partizipation und direktem Austausch entgegen. Die zunehmende Anonymität im Zusammenhang mit transnationalen virtuellen Teams äussert sich oft schon zu Projektbeginn. Ein befragter Untertitler kritisiert die Politik des sogenannten Haifischbe‐ ckens, bei der Projekte auf Online-Auftragsplattformen an den Erstantwortenden vergeben werden - und nicht mehr nach direkter Verhandlung mit den potentiell geeignetsten Un‐ tertitler: innen (s. dazu auch Stössel 2024). Zufrieden mit der Arbeit macht Untertitler: innen aber auch, wenn sie das Gefühl haben, nach der Phase der Auftragsvergabe direkt in die Entscheidungsprozesse involviert zu sein, um beispielsweise konkrete Übersetzungslö‐ sungen zu diskutieren, wie Interviewausschnitt 2 oben zeigt. Allerdings unterbinden - so eine Untertitlerin in einem anderen Interview - Agenturen oft bewusst den Kontakt zwischen Projektmitarbeitenden, um zu verhindern, dass sich diese über Honorare und Arbeitsbedingungen austauschen. Präzisiert sei, dass sich die Kritik von Untertitler: innen nicht primär auf das Fehlen eines Face-to-face-Kontakts bezieht, sondern die Anonymität, die in virtuellen Teams prononcierter als in ortsgebundenen Teams sein kann und sich dann in intransparenten Arbeitsprozessen und Verantwortlichkeiten äussert. An dieser Stelle sei auf die Studie von LeBlanc (2017) verwiesen, dessen Beobachtungen zur Akzeptanz von Translationstechnologien andeuten, dass es weniger die Tools an sich sind, die sich negativ auf die Arbeitszufriedenheit von Übersetzer: innen auswirken, sondern die Art und Weise, wie Veränderungen organisatorischer Natur (z. B. die Einführung neuer Tools) umgesetzt werden. Auch die vorliegenden Interviews signalisieren, dass Untertitler: innen skeptisch reagieren, wenn ihre Expertise bei solchen Entscheidungen 108 Alexander Künzli <?page no="109"?> nicht einbezogen wird; wenn falsch eingesetzte maschinelle Untertitelung ihre Tätigkeit mechanischer macht; und wenn Qualitätsfragen aufgrund von Produktivitätsstreben ins Hintertreffen geraten. Für Untertitel-Expert: innen sind solche Entwicklungen mit einer Begrenzung ihrer Autonomie, einem Statusverlust und letzten Endes einer Entprofessio‐ nalisierung konnotiert. Ein dritter extrinsischer Aspekt von Arbeitszufriedenheit betrifft die Führung virtueller Teams und insbesondere das Auftraggeber-Feedback. Ein solches fehlt in diesen Settings oft, wie folgende Interviewausschnitte illustrieren: [Ausschnitt 4] Bei vielen Agenturen bekomme ich die Änderungen nicht zu Gesicht und weiß entsprechend auch nicht, in welcher Qualität die Untertitel am Ende veröffentlicht werden; auch das Feedback zu meiner Arbeit und ggf. Möglichkeiten, die eigene Arbeit zu verbessern und zu optimieren, bleiben dabei auf der Strecke. [Ausschnitt 5] Ich merke nur, dass sich jemand die Sachen ansieht, wenn es Feedback, Änderungs‐ wünsche oder Lob (! ) gibt. Rückmeldungen können Lern- und Motivationsprozesse sowie emotionale Prozesse wie beispielsweise Stolz auslösen. Deshalb korreliert das Ausmass von Feedback mit der generellen Arbeitszufriedenheit (Nerdinger et al. 2019: 319). Ausschnitt 4 oben zeigt, dass Untertitel-Expert: innen Rückmeldungsinformationen zur Beurteilung ihres Handlungs‐ fortschritts und zur weiteren Handlungssteuerung schätzen. Allerdings erfahren freibe‐ ruflich tätige Untertitler: innen oft nur durch Zufall, ob und wie eine Qualitätskontrolle stattfindet. Lob scheint selten zu sein, wie Interviewausschnitt 5 andeutet. Dabei ermöglicht nicht nur kritisches, sondern auch positives Feedback Mitarbeitenden, besser einschätzen zu können, wie sie auf dem Weg zum Ziel liegen. Entsprechend hoch wird Feedback gewichtet, wenn es denn kommt („A litte goes a long way“, wie sich eine Untertitlerin in einem anderen Interview ausdrückt). 4.2 Kontentfaktoren Bei den Kontentfaktoren handelt es sich um in der Arbeit selbst liegende, d. h. intrinsische, Aspekte von Arbeitszufriedenheit. Drei solche Dimensionen haben sich bei der Interview‐ analyse als besonders relevant für die Arbeitszufriedenheit von Untertitel-Expert: innen herauskristallisiert. Zunächst zum positiven Gefühl, den eigenen Qualitätsanspruch in Untertitelungspro‐ jekten umsetzen können. Untertitler: innen haben häufig den Eindruck, Abstriche bei ihren Qualitätsvorstellungen machen zu müssen, gerade bei Projekten für Streaming-Portale, deren Qualitätsvorstellungen sich nach Meinung vieler befragter Untertitler: innen signi‐ fikant von den ihrigen unterscheiden. Für diese tiefer angesetzten Qualitätsansprüche werden eine Reihe von Faktoren verantwortlich gemacht: fehlende Untertitelungstradition in den Herkunftsländern der grossen Streamingdienste, Aufweichung etablierter Normen (z. B. längere Untertitel, um maschineller Untertitelung den Weg zu ebnen) oder der Tatbestand, dass für Qualitätssicherungsmassnahmen nicht ausreichend Zeit eingeplant wird, wie folgender Interviewausschnitt verdeutlicht: Zur Arbeitszufriedenheit von Untertitel-Expert: innen 109 <?page no="110"?> [Ausschnitt 6] Für mich ist die Simulation, d. h. die Durchsicht meiner Untertitel gegen den laufenden Film ein Pflichtteil meiner Arbeit. Durch meine Tätigkeit als Korrektorin und durch Gespräche mit Kollegen weiß ich aber, dass manche ihre Arbeit höchstens stichprobenartig kon‐ trollieren. Leider ist dies immer öfter dem steigenden Zeitdruck geschuldet - und der Tatsache, dass viele wegen der inadäquaten Bezahlung mehr Arbeit annehmen müssen, als eigentlich möglich wäre. Meiner Ansicht nach wäre die beste Qualitätskontrolle eine angemessene Vergütung, sodass sich der Untertitler genügend Zeit lassen kann, seine Arbeit selbst Korrektur zu lesen. Ich habe dabei die Erfahrung gemacht, dass es am besten ist, nach der abgeschlossenen Übersetzung eine Pause einzulegen (am besten über Nacht und auf jeden Fall weg vom Computer), damit man sein Werk mit „frischen“ Augen sieht - ansonsten sieht man viele Fehler einfach nicht. Untertitler: innen schätzen es aber nicht nur, die Qualität ihrer eigenen Arbeit gewissenhaft zu kontrollieren. Sie erwarten in der Regel auch, dass ihre Untertitel im nächsten Work‐ flow-Schritt von einer fachkundigen Person geprüft werden und sie daraufhin selbst mit der Einarbeitung der Korrekturen betraut werden - sprich, dass sie die Resultate ihrer Tätigkeit und die Qualität ihrer Ergebnisse kennen -, ein Aspekt, der intrinsisch motivierend wirkt und mit Arbeitszufriedenheit korreliert (Nerdinger et al. 2019: 469). Die Interviews verdeutlichen darüber hinaus, dass Untertitler: innen gerne Revisionsaufträge übernehmen, d. h. von anderen Untertitel-Expert: innen erstellte Erstübersetzungen überprüfen. Als Motivationsgründe werden u. a. positive Auswirkungen auf den eigenen Lernprozess genannt („[I]ch mache das gern, denn ich finde es wichtig zu sehen, wie andere arbeiten und welchen Blick andere auf die eigene Arbeit werfen.“). Ein weiterer für Untertitel-Expert: innen positiv konnotierter Aspekt im Zusammen‐ hang mit ihrer Tätigkeit ist das Gefühl, für den Arbeitsprozess von Anfang bis Ende verantwortlich zu sein, d. h. eine vollständige Dienstleistung anbieten zu können. Viele Untertitler: innen betrachten die zunehmende Tendenz zu English Master Templates, d. h. die Arbeit mit vorgespotteten Untertitelvorlagen, in denen eine Transkription des englischen Originals oder aber eine englische Relais-Übersetzung einer anderssprachigen Produktion enthalten ist, in verschiedener Hinsicht als problematisch. Zum einen ist das Spotting (d. h. die Timecodes, die die Ein- und Ausblendzeiten der Untertitel festlegen) in diesen Templates oft verriegelt. Untertitler: innen müssen ihre deutschen Untertitel an der englischen Transkription oder aber an der englischen Übersetzung ausrichten, was nicht nur aufgrund sprachstruktureller Unterschiede suboptimal ist. Im grösseren Kontext führt diese Entwicklung dazu, dass in gewissen Settings nicht mehr direkt aus der Originalsprache (z. B. aus skandinavischen Sprachen), sondern indirekt über das Englische untertitelt wird, und Untertitler: innen somit immer seltener ihr komplettes sprachliches Repertoire bespielen können. Man könnte argumentieren, dass die Aufsplittung des Untertitelungsprozesses in eine Spotting- und in eine Übersetzungsphase durchaus im Sinne von Untertitler: innen ist, die sich auf das Übersetzen als (vermeintlich) kreativere Phase konzentrieren können. Allerdings zeigen verschiedene Interviews, dass es Untertitler: innen Freude macht bzw. mit Stolz erfüllt, wenn sie sich mit den formalen, technischen Gegebenheiten auskennen - das heisst, ihre Kenntnisse der filmischen Codes zum Einsatz kommen und es ihnen gelingt, ein Spotting zu erstellen, das den Rhythmus der Originalproduktion respektiert: 110 Alexander Künzli <?page no="111"?> [Ausschnitt 7] Untertitler brauchen Spass an handwerklicher „Frickelarbeit“, wenn es um das Spotting geht. Mit anderen Worten: Untertitel-Expert: innen schätzen die mit dem Untertitelungsprozess verbundene Anforderungsvielfalt. Andere Untertitler: innen wiederum erklären, dass sie gerne Untertitelungsprojekte im Alleingang begleiten und nicht (häppchenweise) in einem Team an Folgen von Serien arbeiten. Diese Chance, Projekte von A bis Z durchzuführen, bietet sich oft bei kleineren Projekten und Aufträgen, die nicht über Agenturen vermittelt werden, was in folgendem Ausschnitt zum Ausdruck kommt: [Ausschnitt 8] [Erfreulicherweise sind] etliche Kunden doch wieder davon abgekommen […], mir „provisorische“ Untertitel zu schicken, die ich lediglich hinsichtlich Platzierung, Lesezeit, seman‐ tische Einheiten etc. „überarbeiten“ sollte. (Dazu war es durch die Digitalisierung gekommen, häufig haben Regisseure oder Cutter selbst provisorische Untertitel erstellt.) Heute kann ich wieder überwiegend selbst die Untertitel erstellen und werde angemessen dafür bezahlt. Und schliesslich zu einem dritten Aspekt, der Untertitler: innen bei der Arbeit zufrieden macht: der Arbeitsinhalt an sich. Viele befragte Untertitel-Expert: innen geben an, dass sie - trotz der teilweise widrigen, teilweise sich verschlechternden Arbeitsbedingungen - ihrer Tätigkeit mit Freude nachgehen, weil sie eine Affinität zu verschiedenen audiovisuellen Formaten, Genres und Medien haben, ein Interesse für audiovisuelle Medien und Liebe zum Film. Gerade deshalb dürfte der weiter oben erwähnte Wunsch, die eigenen hohen Qualitätsansprüche umzusetzen, so ausgeprägt sein. Dass die Qualitätsfrage als transversal und damit alle Aspekte überlagernd betrachtet werden kann, illustriert nachstehender Interviewausschnitt: [Ausschnitt 9] Als sehr filmaffine Übersetzerin habe ich meine Passion (Film & Sprachen) zum Beruf gemacht und bin entsprechend mit Herz und Seele dabei. Somit ist auch für mich die Qualitätsfrage ganz wichtig. Ich arbeite allerdings nicht mit einem vorgegebenen Qualitätsraster, da ich für keine der großen UT-Firmen oder Großkunden wie [Name von Streamingdienst] arbeite. Darüber hinaus lässt sich feststellen, dass die Bedeutung der intrinsischen Faktoren von Arbeitszufriedenheit, d. h. der Kontentfaktoren wie Liebe zum Film, oft im Kontrast zu negativen, mit Unzufriedenheit verbundenen extrinsischen Faktoren thematisiert wird: [Ausschnitt 10] [D]ie allgemeinen Aussichten für die Untertitler*innen werden immer düsterer (Maschinenübersetzung, Crowdsourcing, Preisverfall). Das führt dazu, dass die Stimmung unter den Kollegen, und natürlich auch meine, sich zunehmend eintrübt. Aber ein toller Film reicht, und man ist wieder Feuer und Flamme für den Beruf. Abschliessend sei in diesem Zusammenhang erwähnt, dass mehrere potenzielle Interview‐ partner: innen auf eine Studienteilnahme mit der Begründung verzichteten, dass sie den Untertitelungsberuf aufgrund von Faktoren wie Preisdumping oder konkreter Arbeitsbe‐ dingungen aufgegeben hätten. Sollten in der Untertitelungsbranche tätige Unternehmen zum Schluss kommen, dass die mit solchen Fluktuationen verbundenen negativen Folgen (Knowhow-Verlust, Einarbeitung neuer Mitarbeitender) grösser sind, als Mitarbeitende mit guten Arbeitsbedingungen an sich zu binden, so signalisieren die vorliegenden Inter‐ Zur Arbeitszufriedenheit von Untertitel-Expert: innen 111 <?page no="112"?> views, dass ein solcher Strategiewechsel erfolgreich sein könnte: Untertitel-Expert: innen empfinden ihre Tätigkeit an sich als bereichernd, vielfältig und spannend. 5 Fazit Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Faktoren, die nach Meinung von Untertitel-Ex‐ pert: innen dazu beitragen, dass sie ihre Arbeit motiviert ausführen, zu identifizieren und sie anhand der Zwei-Faktoren-Theorie (Nerdinger et al. 2019: Kap. 24) zu ordnen. In den mit 19 professionellen Untertitler: innen aus dem deutschsprachigen Raum geführten Interviews haben sich folgende Aspekte als wesentliche Dimensionen von Arbeitszufriedenheit her‐ auskristallisiert: Kontextfaktoren: • Auftragssicherheit • Partizipation (direkte Einbeziehung in den Workflow) • Auftraggeber-Feedback Kontentfaktoren: • Möglichkeit, die eigenen (hohen) Qualitätsansprüche umzusetzen • Möglichkeit, eine ganzheitliche Dienstleistung anzubieten (Spotting, Übersetzung, Revision) • Passion für audiovisuelle Medien und Sprachen Die Qualitätsfrage kann, wie erwähnt, als transversaler Aspekt betrachtet werden, der für den gesamten Workflow von Untertitelungsprojekten relevant ist. Untertitel-Expert: innen sind zufrieden, wenn sie - dies legen zumindest die vorliegenden Interviews nahe - ihre Qualitätsvorstellungen im direkten Kontakt mit anderen Projektmitgliedern diskutieren können, Rückmeldung zu ihrer Arbeit erhalten und mit dem kompletten Ablauf von Spot‐ ting, Übersetzung bis hin zur Einarbeitung von Korrekturen betraut werden. Chesterman (2006: 18-21) postulierte vor bald zwanzig Jahren, dass die Übersetzungspraxis als institu‐ tionalisiertes System sozialen Verhaltens weniger durch Machtüberlegungen (wie viele Studien suggerieren würden) als durch die Kooperation von Akteur: innen, deren Tätigkeit das Streben nach Qualität beinhaltet, charakterisiert sei. Dies scheinen die vorliegenden Interviews zu bestätigen. Auch die verschiedenen Theorien der Arbeitszufriedenheit unterstreichen die Bedeutung der Qualitätsfrage für die Zufriedenheit und Motivation von Mitarbeitenden (Nerdinger et al. 2019: Kap. 24). Deshalb stellt sich die Frage, inwiefern sich die immer wieder in der übersetzungswissenschaftlichen Fachliteratur propagierte Vorstellung von unterschiedlichen Qualitätsebenen (z. B. Mossop 2014: Kap. 11.2) nicht nur mit den Erwartungen von Organisationen und Unternehmen, sondern auch mit jenen der Übersetzer: innen selbst vereinbaren lässt. Die aus den Interviews gewonnenen Erkenntnisse können als empirische Validierung der Forschungsliteratur betrachtet werden, ergänzen diese jedoch in verschiedener Hinsicht. So kann in den bisherigen Studien zu den Arbeitsbedingungen von Untertitler: innen die einseitige Fokussierung auf extrinsische Aspekte von Arbeitszufriedenheit wie Hono‐ rargestaltung, Deadlines oder Anerkennung kritisch betrachtet werden. Auch überwog 112 Alexander Künzli <?page no="113"?> bisher die Beschreibung negativer Entwicklungen, während in der hier diskutierten Studie Untertitel-Expert: innen eine Reihe positiver Aspekte im Zusammenhang mit ihrer Arbeitstätigkeit thematisierten. Eine mögliche Erklärung für diese unterschiedlichen Fo‐ kussierungen ist methodischer Natur: Die Daten der vorliegenden Studie wurden in Form von E-Mail-Interviews erhoben, die im Gegensatz zu Online-Fragebogen-Umfragen nicht nur einen Dialog zwischen Forscher und Studienteilnehmenden und gegenseitige Rück‐ fragen ermöglichten, sondern aufgrund ihrer asynchronen Natur auch Zeit für fundierte Reflexionen liessen. In übersetzungstheoretischer Hinsicht hat sich darüber hinaus das Zwei-Faktoren-Modell der Arbeitszufriedenheit als geeignete Grundlage für die Beschrei‐ bung und Erklärung scheinbarer Widersprüche in der Einstellung von Untertitler: innen gegenüber ihrer Arbeit erwiesen. Es erlaubt ausserdem eine ganzheitlichere Betrachtung der Arbeitszufriedenheit, da auch intrinsisch motivierende Faktoren berücksichtigt werden. Kritisch an der durchgeführten Studie kann der Tatbestand betrachtet werden, dass die Anzahl der Interviewteilnehmenden (n=19) beschränkt ist. Ebenso kann nicht aus‐ geschlossen werden, dass gewisse Dimensionen von Arbeitszufriedenheit, insbesondere Kontentfaktoren wie Liebe zum Film oder Passion für Sprachen, weniger häufig genannt wurden, weil sie als selbstverständlich betrachtet werden. Deshalb wird in einer Folge‐ studie mit Untertitel-Expert: innen aus dem deutschsprachigen Raum, aus Schweden und aus Frankreich noch stärker auf die Arbeitszufriedenheit fokussiert. Dabei werden Unter‐ titler: innen explizit gefragt, was sie bei ihrer Arbeit glücklich macht, ob Auftraggeber: innen ihre Tätigkeit als wichtig erachten und ob sie anderen empfehlen würden, den Beruf als Untertitler: innen zu ergreifen. Die Studie soll Erkenntnisse liefern, anhand derer die Untertitelungsbranche - sofern sie das möchte - ein motivierendes Arbeitsumfeld schaffen und Untertitel-Expert: innen im Sinne eines affektiven Commitments (Felfe/ Six 2006) längerfristig an sich binden kann. Letzten Endes sind Neueinstellungen und Umschulungen immer mit Kosten verbunden, sodass es für Unternehmen ressourcenschonender sein könnte, ihre intrinsisch motivierten Mitarbeitenden „bei der Stange zu halten“ (wie es eine Untertitlerin in der neuen Interviewreihe ausdrückt) und hohe Fluktuationen zu vermeiden. Last but not least: Wenn Berufsverbände für audiovisuelle Übersetzer: innen in ihrer externen Kommunikation künftig die Konsument: innen von untertitelten Produktionen stärker in den Blick nehmen und deutlich machen, unter welch prekären Bedingungen Untertitel-Expert: innen teilweise tätig sind, sind Reputationsschäden für Unternehmen - in Analogie zu anderen Marktbereichen - nicht auszuschliessen. Dies kann nicht im Interesse einer Unternehmenspolitik sein. Die Studie soll deshalb auch die Eckpfeiler einer nachhaltigen Untertitelungspraxis skizzieren. Literatur Bolaños-Medina, Alicia (2016). Translation psychology within the framework of translator studies: New research perspectives and pedagogical implications. In: Martín de León, Celia/ González-Ruiz, Víctor (eds.). From the lab to the classrom and back again. Perspectives on translation and interpreting training. Oxford: Peter Lang, 59-99. Zur Arbeitszufriedenheit von Untertitel-Expert: innen 113 <?page no="114"?> Braun, Virginia/ Clarke, Victoria (2006). Using Thematic Analysis in Psychology. Qualitative Re‐ search in Psychology 3 (2), 77-101. https: / / doi.org/ 10.1191/ 1478088706qp063oa (zuletzt aufgerufen 05.01.2023) Chesterman, Andrew (2006). Questions in the sociology of translation. In: Ferreira Duarte, Joao/ Assis Rosa, Alexandra/ Seruya, Teresa (eds.). Translation studies at the interface of disciplines. 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Anhang: Interviewleitfaden 1. Einige Fragen eingangs: - In welchem Jahr haben Sie angefangen zu untertiteln? - In welcher Eigenschaft erstellen Sie Untertitel: festangestellt oder freiberuflich? - In welchem Sprachpaar sind Sie hauptsächlich tätig? - Welche Arten von Produktionen untertiteln Sie? - Erstellen Sie hauptsächlich Untertitel für Hörende oder auch Untertitel für Menschen mit Hörbehinderung? - Erzählen Sie mir eine (lustige, traurige, erfreuliche, unerfreuliche…) Anekdote aus Ihrem Leben als UntertitlerIn 2. Welches waren die grössten (positiven, negativen…) Veränderungen in Ihrer Tätigkeit als UntertitlerIn in den letzten drei Jahren? 3. Inwiefern findet Ihrer Erfahrung nach in der Untertitelungspraxis eine Qualitätskon‐ trolle statt: Werden Ihre Untertitel nach Lieferung an die KundInnen geprüft und wovon hängt es ab? Wie wird diese Qualitätskontrolle durchgeführt? Wurden Sie selber schon von AuftraggeberIinnen gebeten, Untertitel, die von jemand anders erstellt wurden, zu prüfen und, wenn ja, in Bezug auf welche Kriterien? 4. Was sind für Sie die wesentlichen Merkmale einer guten Untertitelung? Unterscheiden sich Ihrer Erfahrung nach die Qualitätsvorstellungen von UntertitlerInnen und Auf‐ traggeberIinnen? 5. Welche wesentlichen Kenntnisse und Fertigkeiten müssen Ihrer Meinung nach Un‐ tertitlerIinnen mitbringen? Worauf würden Sie unbedingt achten, wenn Sie eine/ n UntertitlerIn einstellen müssten? Falls Sie auch als ÜbersetzerIn tätig sind: Wo sehen Sie die wichtigsten Unterschiede zwischen Untertitelungskompetenz und Überset‐ zungskompetenz? 6. E-Mail-Interviews sind eine relativ neue Forschungstechnik. Was halten Sie von dieser Form von Interviews? Wenn Sie die Wahl zwischen Face-to-face-Interview, Video-Interview oder E-Mail-Interview hätten, was würden Sie das nächste Mal wählen? Zur Arbeitszufriedenheit von Untertitel-Expert: innen 115 <?page no="117"?> II Übersetzer: innen als Gestalter: innen <?page no="119"?> Rooms, wombs, and stanzas Translator memoir and Translator Studies Michelle Woods Abstract: Utilizing Klaus Kaindl’s call for a rehumanized Translation Studies, this contribution focuses on the Irish-language poet and translator, Doireann Ní Ghríofa, and her memoir, A Ghost in the Throat, about her years-long translation of the 18 th century Irish poem, “Caoineadh Airt Uí Laoghaire.” A new generation of female trans‐ lators have been producing recent translator memoirs that connect their professional and creative work as translators with their domestic and affective lives. Ní Ghríofa charts her work translating Eibhlín Dubh Ní Chonaill’s “Caoineadh” as she gives birth to her children and tends house in austerity-era Ireland, presenting the reader with a holistic sense of the translator’s life and how it effects the production, rhythms and reading of a translation. The contribution argues that Kaindl’s advocacy for a Translator Studies that “is the antithesis to the mechanisation of Translation Studies” (2021: 22), in centering a holistic sense of the translator as a being-in-the-world, enables a widening of our understanding of the translator and their role in our understanding of how translation works within different contexts, cultures and times. Keywords: Doireann Ní Ghríofa, A Ghost in the Throat, “Caoineadh Airt Uí Laogh‐ aire”, Eibhlín Dubh Ní Chonaill, translator memoir, Translator Studies Standing under a tree in the rain in the west of Ireland, a child in a buggy, a child in her belly, waiting for a child in the schoolroom, Doireann Ní Ghríofa starts scrolling through her phone. She comes across a poem composed two hundred years earlier but in proximity to where she and her young, expanding family now live. The “Caoineadh Airt Uí Laoghaire” [The Keen for Art Ó Laoghaire] was composed by a woman of the old Irish gentry, Eibhlín Dubh Ní Chonaill, upon the murder of her husband, Art Ó Laoghaire, a murder instantiated by his flouting of the colonial Penal Laws. “The poem’s landscape came to life as I read,” Ní Ghríofa writes, “it was alive all around me, alive and fizzing with rain, and I felt myself alive in it” (Ní Ghríofa 2020, 16f.). She navigates the text on her phone with her “fingertip-scar,” and “scrolled the text from beginning to end, then swiped back to read it all again. Slower this time” (17). The instant virtual access to the poem allows a roaming reading of it; her eyes alight first on the fifth verse and Eibhlín Dubh’s mention of her two young sons - an immediate connection, along with Ní Ghríofa’s instant translation of the Irish into idiomatic Hiberno-English: “‘Conchubhar beag an cheana is Fear Ó Laoghaire, an leanbh’ - which I translated to myself as ‘our dotey little Conchubhar / and Fear Ó <?page no="120"?> Laoghaire, the babba’” (17). Her electric, immediate and unthinking urge to translate leads her scarred fingertip to move backwards and slow the reading down; the haptic presence of her body reacting to the virtual interface. “A body holds so much more than the visible,” she writes. “Before it was ever transcribed or translated, Caoineadh Airt Uí Laoghaire was preserved in oral folklore, reverberating through a succession of female bodies, from female mouth to female ear, over years and years and years” (37). It is in a poor old woman’s cottage that the poem is finally transcribed, in a homestead described by the British property valuation in the 1850s as worthless; but the home of the old denizen, Honoria Singleton, or Norrie, is both “worthless and priceless” because of her “invisible heirloom, for within her, she holds a vast library of priceless antiques … she was known by her encyclopedic knowledge of song and story” (190). In the 21 st century, Ní Ghríofa sits in rented rooms pumping breast milk, a “scruffy photocopy” of the poem in her hands “inviting the voice of another woman to haunt my throat a while” (10). The rhythm of that voice and the “wheeze-whirr of my pump” lead her to the rhythms of translation; in “the margin, my pencil enters a dialogue with many previous versions of myself, a changeable record of thought” (10). Ní Ghríofa’s 2020 memoir, A Ghost in the Throat, is a highly intimate, subjective, somatic and affective portrayal of translation as an act embedded in daily and domestic rooms and their rhythms, rather than something that happens in another room or in a specifically academic or literary room. “By not reducing translators to their profession but instead perceiving them as human beings,” Klaus Kaindl writes in 2021, “we ultimately promote a holistic understanding of translation” (Kaindl 2021: 23). Kaindl’s forceful argument for a rehumanized Translation Studies through a focus on the translator as, pace Heidegger, a “being-in-the-world” (22) and not simply as a point of data, or a historical figure, reimagines prioritizing humanistic approaches to studying translators, thus effecting a field of Translator Studies that “is the antithesis to the mechanisation of Translation Studies” (22). In doing so, he argues that the field can help us understand the motivations for entering the profession, what role the profession plays in a human life, and help to change attitudes towards the profession especially in an increasingly technologically and AI-focused world in which the worth of the human translator might appear more tenuous. Kaindl’s incisive overview of the methodological approaches to translators in Translation Studies of the last forty years shows the apprehension, as the field tried to establish its scientific bona fides, in dealing with translators as people; “with the focus on the individual,” Kaindl writes, articulating the field’s anxiety, “might not the research be considered subjective, thus questioning the ‘scientific nature’ of Translation Studies” (2). Invoking Star Trek, Kaindl argues (slightly tongue-in-cheek) that, as a result, translators have been studied as if they were “passive Borg, beings that are half machine, half human, devoid of individual personality and collectively pursuing a goal assigned to them” (11). In an effort to establish the general principles of the field and to eschew claims of subjectivity, “the translatorial individual was lost” (11). Kaindl notes that while the individual translator has been studied (in historical, micro-historical, and sociological approaches), they have not been studied fully as human beings in the world whose contradictions and messiness might overflow the bounds of methodological parameters or restrictions. “There is little more complex and complicated than the study of a person,” Kaindl writes, 120 Michelle Woods <?page no="121"?> Life is not logical, unambiguous, linear, stringent, objective, static - it is usually quite the opposite. Scientists do not like to deal with illogicalities, fuzziness, subjectivity, ephemerality. Capturing the translator as a person with all their realized and unrealized potential, options and meaning is an unfinalizable task. (22) He suggests that we might “nose around” the life of the translator rather than impose our own chosen methodology upon their life. “This involves an empathetic exploration of life contexts,” he adds, “the willingness to accept contradicting actions, thoughts and feelings of translators, and not shying away from the fact that not everything can be explained scientifically” (22). In taking this humanistic approach, “translating human beings” (2) as he puts it, we can then begin to form new “theoretical, methodological” and most importantly, I think, “conceptual” spaces that allow “for an adequate representation” of individual translators and their existence (23). Indeed, as I want to argue, translators are beginning to do this themselves, not only in adding to public archives of their work as Kaindl notes (11), but also in a new form of translator memoir that speaks as much about the life of the translator as their life as a translator (though the two are importantly innately intertwined). English-language translator memoirs became briefly and commercially popular in the US in the 2010s with Edith Grossman’s Why Translation Matters (2010) and David Bellos’s Is That a Fish in Your Ear? Translation and the Meaning of Everything (2011). Both were literary and belletristic apologia for translation from two famous translators, following in style and form on the heels of memoirs by other famous translators in the US: Suzanne Jill Levine’s The Subversive Scribe (1991) and Gregory Rabassa’s If This Be Treason: Translation and its Dyscontents (2005). These memoirs, by translators enmeshed firmly in the literary and academic establishment, opened up a path for younger, less established translators to publish more formally experimental memoirs that are interested in conveying the rhythms of translation as it pertains to the pulse of their lives and the lives of their readers rather than arguing simply for a seat at the literary table for translation as an art and profession. It is most striking in two recent memoirs: Kate Briggs’s This Little Art (2017) and Ní Ghríofa’s memoir, A Ghost in the Throat (2020). Though I focus on Ní Ghríofa here, I want to highlight briefly the resistance to these approaches; the kind of holistic affective approaches, for which Kaindl argues. Briggs’s innovative memoir has been admired in translation circles because of her rumination on translation and translation history in a prose style that effects a sense of what the act and art of translation feels like: in its hesitations, its repetitions and in its constant questions. We watch her live translation as it moves through body and mind. Yet, Benjamin Moser’s infamously coruscating review of her memoir in the New York Times willfully missed the importance of the texture of the book and derided what he saw as Briggs’s “placing of subjective impressions over objective scholarship” (Moser 2018). An open letter published two days later, signed by leading US translators and translation scholars - including Susan Bernofsky, Lydia Davis, Karen Emmerich, Emily Wilson and Lawrence Venuti - challenged his “general tone of condescension and occasional misogynistic sniping” and his lack of understanding of the book’s texture and form. They contended that it was not a cut and dry methodology (as Moser implied) arguing “that all translations are entitled to boundless artistic license” but rather that “contemplating personal and public histories of translation Rooms, wombs, and stanzas 121 <?page no="122"?> in the tradition of Montaigne’s essai […] she explores the forms of creativity and critical thinking, responsibility and risk inherent in every act of translation” (Bernofsky et al. 2018). Moser accused Briggs of a blind defense of Helen Lowe-Porter’s bad translations (in his terms) of Thomas Mann’s work and how he, as an editor has “seen how bad - how truly, appallingly awful - many [translations] are” (Moser 2018). The open letter challenges Moser’s dismissive eradication of Lowe-Porter’s work and argues that it is Briggs’s nuanced examination of the ways in which we think about accuracy that makes the poetics of translation she presents in This Little Art so compelling. There are questions that she poses in the book and leaves open precisely because she experiences them as specific, complicated and open-ended. The tone of Moser’s review suggests that allowing for uncertainty, acknowledging complication and contradiction, including — and thinking with — “subjective impressions” (which he sets in opposition to “objective scholarship”) implies a lack of argumentative rigor or intellectual seriousness. (Bernofsky et al. 2018) “Was Moser reacting to an existential fear of the vital, non-linear reasoning presented in the book? ” Heather Green, in another letter to the editor, asked, arguing, too, that the form of the book “weaves a delicate net of inquiry into the art of translation. In the lacunae created by this associative web, the reader is invited to make meaning” (Green 2018). Briggs’s poetics of translation, her weaving of a net of inquiry, speaks to new and innovative ways in which to understand a translator’s “being-in-the-world” and, I would argue, instantiates a translatorial presence and history that takes into account female experiences outside the academy and the entrenched literary world. Even in the 21 st century, the precarity of such expression can be seen in the abrasiveness of Moser’s brutal review and his call to expunge Lowe-Porter from literary history (and, implicitly, Briggs herself). In a third letter to the editor, Lowe-Porter’s granddaughter-in-law, Jo Salas, excoriates Moser’s scorn and dismissal of the translator, pointing out the contemporary criticism Lowe-Porter faced from powerful literary men and the “30 years of her life bringing a majority of Thomas Mann’s works to English-speaking readers” (Salas 2018). Ní Ghríofa, too, is concerned with the physical and literary erasure of female history: by the scant biography affixed to previous translations of Eibhlín Dubh’s poem; the lack of a gravestone and death date (unlike her husband and sons); the physical erasure of the original rooms of Eibhlín Dubh’s maternal home by the Irish state, in favor of those of her famous nephew, Daniel O’Connell (a home now a museum to his memory); the perceived worthlessness of Honoria Singleton’s cottage rooms but the wealth of the stanzas carried within her throat and the “female bodies” that roomed those stanzas invisibly for decades and passed them on, by the ubiquity and invisibility of female domestic life even now. “I know how unqualified I am to attempt my own translation,” she writes, “I hold no doctorate, no professorship, no permission-slip at all - I am merely a woman who loves this poem” (Ní Ghríofa 2020, 38). She adds that, The task of translation itself, however, does not feel unfamiliar to me, not only due to translating my own poems, but because the process feels so close to homemaking. In Italian, the word stanza means ‘room.’ If there are times when I feel ill-equipped and daunted by the expertise of those who have walked these rooms before me, I reassure myself that I am simply homemaking, and 122 Michelle Woods <?page no="123"?> this thought steadies me, because tending to a room is a form of labour I know that I can attempt as well as anyone. (38) A Ghost in the Throat begins and ends with the same sentence: “This is a female text.” It is a sentence that not only refers to the dual texts of Eibhlín Dubh’s poem and Ní Ghríofa’s memoir, but also to Ní Ghríofa’s rooms and to her body as she emits milk and ink and tattoos words from Eibhlín Dubh’s poem onto her body. The female text of the memoir starts not with translating but with a description of the rhythms of her domestic life encapsulated in a list of “drudge-work” (6) she loves, a list she erases through the day, marking off her tasks of feeding, and cleaning “each of the rooms under my control” (7), dropping off and picking up children, expressing milk and, as she does, picking up Eibhlín Dubh’s poem for a brief minute. She is “struck again by how often moments of my day are lived by countless other women in countless other rooms, through the shared text of our days” (6). In her use of repetition, of repeated motifs, of a circular and poetic pulse through her text, she poeticizes - without at all romanticizing - some of the givens of maternal daily life and sets an existential rhythm within which the translation gradually embeds. For it is not a translation memoir that begins with a literary discovery, or the act of translation, or an apologia for translation, or a statement of bona fides; it begins with the translator’s literally messy life being put in and out of order through her domestic daily routine. When she does rediscover the poem - a poem she’d read at school - waiting in the rain scrolling on her phone, “I was startled to find Eibhlin Dubh pregnant again with her third child, just as I was. I had never imagined her as a mother in any of my previous readings” (17). It is after her own third child is born that she begins to do some research on the poem, but it is research that has to fit into the rhythms of motherhood. Carrying her third baby in a sling, her toddler in the buggy, and “a nappy bag spewing books” she can only visit the library in six-minute increments “before the screeching begins” (23). “This is how a woman in my situation comes to chase down every translation of Eibhlín Dubh’s words,” she writes (24); her situation being both far away from how we might imagine a translator working (in a quiet room, in an academic setting, in a library without a baby ripping “an extravagant blast into his nappy” (24)), and utterly ubiquitous, the experience of “countless other women in countless other rooms.” Despite the ubiquity of the maternal and domestic experience, Ní Ghríofa shrewdly underlines the constant textual and physical erasure of it. She makes lists of her daily tasks and strikes through each as it is completed (though translation is not on her list - it is a break from it). It gives her a sense of control over her own rooms, but she realizes too that this is emblematic of the quotidian erasure of women’s lives, evidenced by the lack of biographical information about the 18 th century poet, Eibhlín Dubh who, nevertheless lovingly describes her own home in the poem. “If I am to conjure her own presence,” Ní Ghríofa writes, “I must first construct a suitable home for her, building and furnishing room after careful room, in which each mirror will catch her reflection” (39). She needs to imagine the place and pulse of Eibhlín Dubh’s life in order to enter the place and pulse of the poem as a translator and part of that is found in the place and pulse of her own domestic and maternal life. In the “small gap” between dinner and putting the children to bed, she runs upstairs and opens her laptop, “leaving my own home behind in order to hoist myself into that of a stranger” (38); she “tip-tap[s]” the document and “hurr[ies] through the door of a Rooms, wombs, and stanzas 123 <?page no="124"?> new stanza, measuring furniture and carpets, feeling the texture of fabrics between thumb and finger, and testing their weight” (38f.). Each day in that “small gap” of time, she returns to Dubh’s stanzas “mimicking the homemaking actions of centuries before” (40) and performing “a decelerated reading, and a kind of repetitive looping: back, and back, and back again […] Such dedication, if nothing else, has permitted me to grow in slow intimacy with the poet herself, to discover the particular swerve of her thoughts and the pulse of her language” (40f.). Ní Ghríofa describes this looping back in terms of homemaking, of polishing mirrors and moving furniture and tidying up: unpaid and unacknowledged labor, most especially in the rooms of literature. As her third pregnancy comes to its end, she finishes the translation and yet feels it unfinished, because her “document doesn’t hold her voice and as such, I judge it a failure - an inevitable failure, but a failure nonetheless” (41f.). She has no plans to publish it: instead, she sees its worth in what the poem has given her and the sense of her own breath and pulse in the English-language translation she is producing, “in the untranslatable pale space between stanzas, where I sense a female breath lingering on the stairs, still present, somehow, long after the body has hurried onwards to breathe elsewhere” (42). Her fourth child, and first daughter, is born prematurely, almost stillborn, a body without breath, and Ní Ghríofa, in the rush to the hospital takes a photocopy of the poem with her. As her daughter fights for her life in the NICU [Neonatal Intensive Care Unit], she expresses milk in a room with other mothers who are unsure whether or not their babies will survive, a room the nurses jokingly call the “milking-parlour” (58), a room “that exists in its own spiral of repetitions” (63) of pain and fear and death and whispers: “and now here I sit,” she writes, “uselessly spilling liquid: milk into the breast-pump, urine into the catheter, while sniffling and weeping into tissues […] There is only one voice who never leaves my side; Eibhlín Dubh is with me, close as ink on paper and steady as a pulse” (55). She hasn’t finished with the translation; reading, re-reading and intoning the poem fashions it into a kind of familiar, a totemic physical (the tattered photocopy) object and rhythmic, incantational female text, reignited by the troubled birth of her first daughter and considerations of what women pass on and what has not been passed on. Nursing her daughter now becomes the small gap in which she not only re-reads and intones the poem but also when she does research in “scholarly volumes, through histories of eighteenth-century Ireland, through translations and old maps […] to find all the information I can on Eibhlín Dubh’s life” (68); these are books she gets by entering university libraries under the identities of others - friends who have access to them - and they are books that include books on translation. Her obsessive search for information on Eibhlín Dubh, on Ireland and its history, on translation itself, shows the multifaceted nature of the process of literary translation, on the background work, the contextual work surrounding the translation from one language to another, but she also highlights the time it takes as the work can only take place in the small gaps and becomes entwined in her own personal history of multiple pregnancies and childrearing. In the months after she brings her daughter home, “the act of reciting the Caoineadh comes to feel like time-travel - I am carrying this baby in the same sling and whispering the same verses as I did with her brother” (68). The poem, and her readings and translation, are embedded in the life she portrays: her understanding of her own life’s rhythms, its rooms, help her to understand 124 Michelle Woods <?page no="125"?> those of Eibhlín Dubh and to write a history of female life that is missing from the poet’s life. Ní Ghríofa drives her baby daughter to the ruins of Kilcrea Abbey, near her home in Cork: this is where Eibhlín Dubh’s murdered husband and her sons are buried, though there is no indication of where she herself is buried. The friary was sacked multiple times by the English; the ruins speaking of colonial rule; standing in the ruins, she looks up to the empty space above the ruins and the vanished “scriptorium where monks bent over a table, fill[ed] the air with the steady scrape of quill on vellum. Careful, careful replications: oh, the serious labours of man” (73). During this period - the 15 th to the early 17 th century - Ní Ghríofa notes that poems were commissioned by the male gentry and were copied into “handwritten anthologies that also held genealogies and sacred texts” (74) but that these careful, careful textual replications stand in contrast to “literature composed by women” which “was stored not in books but in female bodies, living repositories of poetry and song” (74). As she stands in the ruins, she recites lines from the poem and her “daughter peers up at me, amused, then tilts her head sharply, mimicking the cadence of my words” (75). The textual integrity of the poem has been questioned exactly because it passed orally through the bodies of women - it is questioned as the original work of Eibhlín Dubh, something, Ní Ghríofa writes, that “feels like a male assertion pressed upon a female text” (74) - but she argues: the etymology of the word ‘text’ lies in the Latin verb ‘texere’: to weave, to fuse, to braid. The Caoineadh form belongs to a literary genre worked and woven by women, entwining strands of female voices that were carried in female bodies, a phenomenon that seems to me cause for wonder and admiration, rather than suspicion of authorship. (74) As Karen Emmerich has argued so convincingly, even in textual, written litera‐ ture, “So-called originals are not given, but made, and translators are often party to that making” (Emmerich 2017: 13); thus, “translation doesn’t just edit or manipulate some preexisting, stable ‘source,’ but rather continues a process of textual iteration already at work in the language of initial composition” (10). Ní Ghríofa’s self-conscious awareness of her body and voice as a vessel interceding with, carrying the poem, amplifies, iterates, weaves into the poem as she weaves its cadences into her daughter’s mouth; her daughter who is wearing a pink cardigan knitted by Ní Ghríofa’s mother, a farmer’s wife, “a female text in which every stitch is a syllable” (Ní Ghríofa 2020: 72). The scriptorium in the abbey no longer exists because of the repeated English sacking of it, but the textual remnants in Irish do still exist; what is missing are the “absent texts composed by women, those works of literature never transcribed or translated” (113). Kilcrea abbey, she points out, is named after a woman who founded it, but was taken over by monks before it was decimated by the English. The writing out or over of the abbey’s female nascency is reflected in the occlusion of Eibhlín Dubh as a historical figure who only hovers in the margins of extant male texts, mainly in brief mentions in the letters of her brothers: “How might she appear if drawn in the light of the women she knew instead? ” Ní Ghríofa asks, and she begins with the brothers’ letters, performing an act of “oblique reading” and “of wilful erasure, whittling each document and letter until only the lives of women remain” (76). Rooms, wombs, and stanzas 125 <?page no="126"?> She finds some information about, and short poetic works by, Eibhlín Dubh’s mother, Máire Ní Dhonnchadha Dhuibh, who built the family seat, Derrynane House, and gave birth to twenty-two children, one of whom was the Irish nationalist hero Daniel O’Connell’s father. O’Connell, who led the fight for Catholic Emancipation in the early nineteenth century, inherited Derrynane from his uncle (Eibhlín Dubh’s brother), and he built “a series of extensions” which now survive as a museum in his honor; “Máire’s rooms were obliterated” when the Irish State took over the house in 1967; her house, the one Eibhlín Dubh grew up in, “was intact at the heart of the complex, but it was soon pronounced structurally unsound” and razed (199). Postcolonial, independent Ireland, she infers, physically fashioned its own history “thud by violent thud” obliterating the female founding of the place and the domestic and literary history that came with it (199). Similarly, she searches for Eibhlín Dubh’s sister’s house, Clohina House, and is shown “the wet meadow where Mary’s rooms once stood” by a passing local farmer: “‘See? he says. ‘Nothing’” (124). She sits on a gate, “peering at the empty air where a poem of beautiful rooms once stood, each stanza holding its own careful litany […] Another grand deletion, this. Another ordinary obliteration of a woman’s life” (124). Ironically, the one set of rooms still standing are Eibhlín Dubh’s; those of her marital home, Raleigh House, still exist but the current owner, despite several entreaties, will not allow Ní Ghríofa entry. She sends a rose ostensibly as an apology, but also as an “oblique entry” into the house determined that she can be as good at “haunting” as Eibhlín Dubh is at haunting her own rooms where she has sat translating the poem (178). In fact, as she gives birth to her children and embarks on the translation, she and her family are in constant transit from one set of “rented rooms in the inner city” to another (13). Her exclusion from Raleigh House seems emblematic of another layer of obliteration, of silencing of women’s lives: those lives of the “shadow-women” (17) who made Eibhlín Dubh’s “opulent” home feasible. “I envied her her home,” Ní Ghríofa writes, “and wondered how many servants it took to keep it all going, how many shadow-women doing their shadow-work, the kind of shadow-women I come from” (17). The shadow-women were, of course, the women who not only kept Eibhlín Dubh’s home going, but kept her poem alive, re-iterating it, weaving themselves into it, just as Ní Ghríofa does. In her dogged search for the remnants of Eibhlín Dubh’s life, and the life of the women close to her, she inscribes the life - her life - of the shadow-women, written out of colonial and postcolonial history and literature, often robbed of a voice except that voice that passes down story and song from one generation to another. Ní Ghríofa’s memoir covers the austerity years in Ireland, following the 2008 financial crisis, when she learns “the rigours of frugality” (13). The papers, full of headlines about the strange austerity economy that included ever-heightening rents meant their “landlords always saw opportunities in such bulletins, and who could blame them? Me” (14). Her growing family has to move and move again. In her search for Eibhlín Dubh’s rooms to unearth Dubh’s story, Ní Ghríofa tells her own. She connects to the rhythms of domesticity and child-rearing in the Caoineadh, to the passionate love Dubh felt for her doomed husband, to the listing of things and the listing of vengeances and grudges. To some extent she sees herself as a servant to the verse. But she creates a contemporary history of ordinary, working-class, domestic life in her own 126 Michelle Woods <?page no="127"?> memoir that plugs the lacunae of obliterated female texts she mourns; one that shows the insatiable, often selfless, rhythms of that life, one that can create its own selfless erasure. “I have made an invisibility of myself,” she writes, “neatly concealed in rooms made by female labour and repetition and milk” (211), except of course she has not, since she is writing it, inscribing it. The realities of class, of being in the right room, locate themselves in the middle of her memoir, when she writes about a room she dreamed about and then, unexpectedly, found herself in right at the beginning of her college career. Having set her mind on becoming a dentist, she finds herself in the dissection room of University College Cork, standing over an old woman’s dead body, donated, just as she herself will go on to donate milk, to donate time, to donate her “very thoughts and days to another” woman, Eibhlín Dubh (141). She struggles to understand her fellow students and their semiotics of class - the skiing weekends, the inherited lab coats, the “shared vocabulary of jokey gestures I didn’t fully understand” (101) and “the honeyed vowels of private schools” (97) - “I translated the underlying text to myself ” (98). Ní Ghríofa, who had chosen the profession for a sense of safety and control, gradually falls apart: I wasn’t where I was supposed to be. I wasn’t in the room when I panic-scrubbed my vomit from my flatemate’s favourite (borrowed) dress. I wasn’t in the room on the many mornings when I collected the morning-after pill from yawning chemists. I wasn’t in the room when I wept in the chapel of a cloistered order of nuns. I wasn’t in the room when I dozed in A&E, my head nodding over red bandages, with shards of a pint glass embedded in my fist. I wasn’t in the room the morning after I tried to give my body to the river. I wasn’t in the room. I had left. (103) A Caoineadh, she tells us on the second page of her memoir, is a dirge and a lament, a chorus and a hymn, and here is one right here woven into the prose text. Only a hundred pages into the memoir do we begin to understand her propensity for lists, for repetition, for the control of homemaking and its repeated rhythms in her own (albeit rented) rooms. Only then, do we understand her scarred fingertip that scrolled nonchalantly through Eibhlín Dubh’s poem; on her first day in that room, she put her hand in the pocket of her uninherited lab coat and cut herself with her own scalpel: “Who slices themselves open in a dissection room? Only me, only me” (99). Like her suicide attempt it marks her for life, stays as a reminder of the room she dreamt about and yet felt too alien in. Just as a translator, and Ní Ghríofa herself, revisits stanzas, re-reading them, re-shaping them, re-translating them, the concrete, physical dissection room shifts shape and meaning, but also her identity and age are in flux as she enters the room at different times in her life (and death). There is parallel plasticity of text and body. She enters the dissection room five times (twice imaginatively): in a prophetic dream as a teenager; as a first-year student who is increasingly vacating the room; as a young mother sneaking into the now defunct room (the university having moved its medical facilities); then a fourth time as it is used for an art exhibition before a construction overhaul. She then decides she will visit the dissection room one last time: except it will likely be the completely newly constructed one, that by then will be new no longer: she decides to donate her body to the university so that it, too, will be dissected, a poetics of gesture, she writes “allowing me to orchestrate a moment of my future in which my body will echo a moment from my past” (113). Having made the Rooms, wombs, and stanzas 127 <?page no="128"?> decision, she decides she wants “to leave a message for the strangers who would be the last to touch me” (113): she will tattoo a phrase from the Caoineadh on her body in white ink: “Is aisling trí néallaibh,” which she translates (but not on her body) as “such clouded reveries” (114). “In choosing white ink for my tattoo,” she writes: I thought of the milk bank. I thought of the Caoineadh emerging from a sequence of white throats. I thought of all the absent texts composed by women, those works of literature never transcribed or translated. I thought of Hélène Cixous: ‘there is always within her at least a little of that good mother’s milk. She writes in white ink.’ (113) Ní Ghríofa’s literal inscription of text onto the translatorial body speaks to how “the works of art and literature that we attend to become inscribed within us at a very deep level, almost in this sense of being inscribed on us and in us as invisible ink,” as she noted in a podcast interview, adding that “I feel like it really acknowledges the ways that we’re affected at a bone level by the art and literature that we encounter” (Naimon n.d.). Just as women carried the poem as a ghost in the throat through decades before it was written down, she indicates the entwining of text and body as she carries through the translation to the very end of her life, with the hope of passing the text on to future “teenage medical students interacting with this” - her body, Dubh’s poem (Naimon n.d.). Of course, the quote which is only part of one line of the poem, and in Irish, deliberately decontextualizes the poem for these future readers, as does its physical mutability: “finding this invisible text, or perhaps not finding it, because the thing with white ink is that it fades like a scar” (Naimon n.d.). She knows that it will not be a quick, fluent reading of her corpse and its text; “you’d have to be really attending to it to see it there depending on the embalming process, I guess,” she adds. It is exactly this “really attending to it” reading that she deliberately spurs. When she herself was in the dissecting room, her group gradually dissected the body of an old woman; though she missed many classes as her mental health deteriorated, Ní Ghríofa conveys the corpse being gradually undone over weeks of instruction and being read differently each class - even in death, the body is a mutable text. These future students will come back again and again to her undoing body and to her scar-text: “the sense of reading a woman’s body like a text, there’s such a magic in that and it’s a gift” (Naimon n.d.). Ní Ghríofa notes that the short quote, “Is aisling trí néallaibh,” [“such clouded reveries”] includes the polysemous Irish word aisling which could “be literally translated as dream but it speaks to a genre within our literature” too, namely it is, “the kind of poem where a poet has a reverie in which a beautiful woman comes to him that represents Ireland and communicates something to him” (Naimon n.d.). The genre is furthermore a postco‐ lonial genre: a specific response to British colonial rule in which a sometimes beautiful woman, sometimes old woman, and sometimes old-turning-into-young woman (such as in, famously, W. B. Yeats and Lady Gregory’s 1902 play Cathleen ni Houlihan), who prophesies a revival of Ireland. In fact, an old woman mysteriously appears in the stanza from which the quote is taken, a “seanbhean aosta” [old old woman, translated by Ní Ghríofa as “old lady”] (Ní Ghríofa 2020: 312f.) bent over the corpse of Eibhlín Dubh’s husband when she finds him shot to death. In this stanza, Eibhlín Dubh has had an apocalyptic dream of her homeland and it brings her back to this traumatic moment, described earlier in the poem, 128 Michelle Woods <?page no="129"?> in stanza eight, when you can hear her trauma and breathlessness in seeing her husband’s corpse, as she repeats the word “gan” [without]; there is no one to pray over him - “with no Pope, no bishop, / no clergy, no holy man” - only an “old hag” (291), which is Ní Ghríofa’s translation of “seanbhean chríonna” [wise/ old old woman]. “Who is this crumpled bystander? ” Ní Ghríofa asks, “this mysterious old woman” (150f.), and her decision to translate seanbhean initially as “hag” and then as “lady” suggests the shape-shifting otherworldly movement of the aisling; that this is Ireland grieving over a man murdered because of the colonial Penal Laws, with the inferred hope of revenge or retribution. Yet, this time, the aisling appears to the wife, the female poet, Eibhlín Dubh, who calls, through the poem, for reprisal and Ní Ghríofa reads this seanbhean figure as Eibhlín Dubh herself who “watches her own young self falling, howling over Art’s corpse, until those vowels falter and begin to take form as words” (150). Rather than an idealized and objectified female figure representing Ireland, it is the insertion of the aged poet and her aging female body. Ní Ghríofa goes further: “She is also you, and she is me. We are both bound in that peculiar figure too; we peer through her eyes” (151). That figure is an emblematically hermeneutic one: us the readers and translators experiencing a parallel witnessing to that of Eibhlín Dubh within this room, this stanza, of the poem, enfigured within it. Here, within the stanzas, are two parallel personas: the seanbhean and Eibhlín Dubh; reader/ translator/ re-iterator and writer; the interpretative node is visible in that body of the old woman gazed at and remembered by Eibhlín Dubh who perhaps sees herself reading the scene as we can see ourselves reading it in our own way. Eibhlín Dubh’s “Caoineadh Airt Uí Laoghaire” and Ní Ghríofa’s English translation of the poem, “The Keen for Art Ó Laoghaire” are published at the end of the memoir as a parallel text, facing-page, translation. Here, the parallel personas are laid out together. The poem and translation take up the last 40 pages of the book, about 1/ 8 of the text (the memoir itself takes up 280 pages). There are no annotations or footnotes or appendices; the memoir is our introductory text, a long multi-roomed entrance into the stanzas that are constructed by these two poets and the shadow-women who carried the words through centuries into Norrie’s modest, worthless cottage where it was finally transcribed. The vastly uneven size of the peritext is suggestive of the space and time translation takes up in an otherwise busy domestic life; though the poem becomes totemic during her third and fourth pregnancies and toddlerhood of her children, its creation takes place in the small gaps of her life. At the same time, the translation is completely infused by her life and her lived experiences, ones she clearly feels are not articulated enough as corollaries to, or even enwombments of, literary creation. In investigating the parallel personas - of Eibhlín Dubh and her own self - Ní Ghríofa valorizes and enshrines the rhythms of domestic life articulated in the poem, imagined by her, and lived by her. Ní Ghríofa describes how she was “raging” at “the ways in which women have been erased from historical records” but at the same time, “was very drawn to utterly subsuming myself within motherhood until I felt myself almost invisible” (Naimon n.d.). Researching Eibhlín Dubh, translating the Caoineadh, and writing her own form of prose Caoineadh as memoir, allowed her to look beyond the “walls” within which she had subsumed herself, excavating an obscured history as well as her own (Naimon n.d.). “The investigation of the personal response of a translator to social structures, cultural Rooms, wombs, and stanzas 129 <?page no="130"?> traditions and ideological values,” Kaindl writes, “helps to detect the cracks, conflicts and contradictions in the grand narratives of translation” (Kaindl 2021: 23). Ní Ghríofa’s memoir, in deeply personalizing and prioritizing the translator’s lived experience, opens up intersectional questions of gender and class and colonial identity, but also makes us understand the patterns and rhythms of the process of translation as part of living for a given person: as passion and obsession, as stolen moments of time in the domestic day, as trips to the library in six-minute increments, as movement from room to room, as homemaking, as innately part of a mutable female body. Kaindl urges us to listen to translators rather than to impose our own methodologies onto them. “A scholarly investigation of the meaning translators give to their lives requires integrity on the part of the researcher,” he writes: In other words, if we encounter incommensurabilities of translatorial existence, we should not seek to smooth them over or force them into a system, but instead strive to create a theoretical, methodological and conceptual space that allows for an adequate representation. The way we deal with people in our research ultimately also says something about ourselves. (2021: 23) Ní Ghríofa lays bare her life as she tries to un-bare the obscured life of another woman from centuries before; she not only gives us a valuable insight into the experience of translating a work over a period of years but also suggests a way for us, translation researchers, to empathically approach the human subjects of our research. “So much of A Ghost in the Throat and of my attempts to come to know Eibhlín Dubh Ní Chonaill,” she says, is a repetition or an echo of that standing over a woman’s body [in the dissection room], and slowly dissecting through those layers in an effort to understand something, in an effort to learn something being confronted with the past, making your way through it and attempting to draw some meaning or learning from that experience. (Naimon n.d.) In the end, there is so much yet to know; there are so “many lacunae where I have not been able to find her” but “my hand has learned to hover over those gaps in awe. My attempt to find another woman has found its ending not in the satisfaction of neat discovery, but in the persistence of mystery” (Ní Ghríofa 2020: 280). References Bellos, David (2011). Is That a Fish in Your Ear? Translation and the Meaning of Everything. New York: Farrar, Straus and Giroux. Bernofsky, Susan et al. (2018). The Art of Translation. Letters to the Editor. New York Times Book Review. 20 July 2018. https: / / www.nytimes.com/ 2018/ 07/ 20/ books/ review/ letters-to-the-editor.ht ml (last accessed 05 October 2023) Briggs, Kate (2018). This Little Art. London: Fitzcarraldo Editions. Emmerich, Karen (2017). Literary Translation and the Making of Originals. New York: Bloomsbury. Green, Heather (2018). The Art of Translation. Letters to the Editor. New York Times Book Review. 20 July 2018. https: / / www.nytimes.com/ 2018/ 07/ 20/ books/ review/ letters-to-the-editor.html (last accessed 05 October 2023) Grossman, Edith (2010). Why Translation Matters. 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The paper explores the power dynamics among the publisher, editor, translator and author that shaped the translation and its marketing. Keywords: Translation editors, publishers, Andrée Conrad, Gregory Rabassa, Cul‐ tural Cold War 1 Introduction The now vast and growing literature on post-editing of machine translation output often focuses on the professional profile of the editors and revisors and its relationship to effort and, ultimately, translation quality (see Rico/ Torrejan 2012; Rensburg 2017; Ginovart 2020; Ginovart et al. 2020). In literary translator studies, however, in which human editors interact with human translators and human publishers, social factors play a no less important role in shaping the final product. Furthermore, unlike with post-editing, where the very designation suggests a clear delineation between the translation and editing stages, in literary translator studies, the line between translatorial and editorial work is often blurry (Mellen 1988; Wakabayashi 1991; Paloposki/ Koskinen 2010; Afrouz 2021), and the interaction between editors and translators (and sometimes publishers) is often described as “negotiation” (Rodrigues/ Blaauw 2004; Siponkoski 2013, 2015)—realities better captured in the term transediting than post-editing (see Stetting 1989; Chen 2011; Schrivjer et al. 2011; Schäffner 2012). Moreover, the editor is not simply one agent among many. As Jean-Paul Constantin points out, “Dans le monde de la traduction, la position des éditeurs est centrale: ils sont le lien fonctionnel entre les auteurs, les traducteurs et le public” (1992: 125). In small publishing houses, the publisher may play an active role in the editing process, and an editor often does more than revise a manuscript, serving as a kind of project manager, recruiting and vetting translators, participating in the design of the cover and the drafting <?page no="134"?> 1 All archival materials cited in this paper are taken from Farrar, Straus and Giroux, Inc. records. Manuscripts and Archives Division. The New York Public Library. Astor, Lenox, and Tilden Foundations. I would also like to acknowledge the invaluable help of my doctoral student Javier de la Morena Corrales, who organized the archival documents and offered his input on the shifting dynamics among the various agents. of text for the book jacket, and bearing ultimate responsible for the quality and timely delivery of the final manuscript. Studying the role and agency of editors in literary translator studies poses a number of challenges, however. First, despite the influential role played by many editors, they are among the most invisible agents of translation. Whereas a translator is typically named if not on the cover then on the frontispiece of a book-length translation, the editor’s name as a rule appears nowhere. Some editors even embrace that invisibility. As the editor Robert Gottlieb (2016: 62-63) writes in his memoir: “I felt then, and still do, that readers shouldn’t be made aware of editorial interventions; they have a right to feel that what they’re reading comes direct from the author to them.” (Of course, the fact that editors such as Gottlieb pen autobiographies suggests a more complicated relationship to invisibility.) Second, social factors must be studied from an intersectional and a relational perspective, requiring a network-based approach. While extant studies of editing in the realm of literary translator studies—mostly case studies—often raise social factors, they do not always do so in a systematic way. For example, Ebbe Kutgärd (2013: 42), in her study of two Danish translators of Chaucer, notes, “They were both young and working for the new literary magazine Cavalcade in the late 1940s,” but then fails to mention the age of their editors, Ole Storm and Orla Lunda, who exerted a strong “editorial hand,” and therefore draws no conclusions as to the possible effect an age difference might have made on editorial negotiations. When social factors are raised in a more systematic way—as in the case of Mikail Johani’s study of the English translation of an Indonesian novel—one social factor, in this case, racialized ethnicity, is treated quite convincingly, but in isolation. While showcasing “the ‘high-handed executive attitude’ of a translator and a native speaker of English when he had to deal with being edited by a native speaker of the language of the original (Indonesian)” ( Johani 2013: 25), the author notes that he was nonetheless able to achieve, albeit with great effort, some compromise solutions with the translator. This begs the question of whether the number, and perhaps the nature of those compromises may have been different had one or both of the agents been female or one markedly older than the other. The same could be said of the excellent collected volume Gender and Translation: Understanding Agents in Transnational Reception, edited by Isis Herrero López, Cecilia Alvstad, Johanna Akujärvi, and Synnøve Skarsbø Lindtner, which largely isolates gender from other social categories such as race and class. While also a case study of a specific translation—that of Cuban writer José Lezama Lima’s novel Paradiso—the present study makes use of a variety of archival documents related to the project, and kept by the publisher Farrar, Straus and Giroux, to embed the editor within a complex and shifting web of asymmetrical power relations, highlighting the various professional and social factors that shape the editor’s role and agency in relation to the publisher, the translator and other related players, such as funding agents and editorial consultants. 1 Because the role and agency of the editor in literary translator studies 134 Brian James Baer <?page no="135"?> is, as stated above, shaped by both professional and social factors, I will apply both to this case study. Among professional factors, I will include whether one is employed as a bilingual or monolingual editor; one’s level of experience—e.g., whether one is a novice or an expert—and one’s professional status or reputation, as defined by awards and honors, and institutional prestige (i.e., the reputation of the publishing house the editor represents). Among social factors, I will include age, gender, ethnicity, and class. It should be noted that both sets of factors are of relative, not absolute value, as age, for example, is more salient when the other agents are significantly older or younger. It should also be noted that, while these factors shape the editor’s role or agency, they do not determine it. And so, despite structural odds, an editor can assert a high degree of agency, although the assertation of that agency will be more laborious and contested, one might surmise, when the editor is in a structurally weaker position vis-à-vis the publisher and/ or translator, as for example, a monolingual novice, in the professional realm, or a young woman, in the social realm. 2 Setting the stage It is with these considerations in mind that I will investigate the role and agency of Andrée Conrad, a young bilingual female editor working at the US publisher Farrar, Straus and Giroux. Born in Caracas, Venezuela, in 1945, Conrad was a graduate of Smith College. She was in her mid-twenties when the publisher acquired the rights to publish an English translation of the novel Paradiso by Cuban writer José Lezama Lima, and she was assigned to edit the translation. Being bilingual, Conrad was also tasked with communicating in Spanish with Lezama Lima, in Cuba, and his sister, who was then living in Puerto Rico, and with translating that communication into English for the publishers, as well as translating into Spanish any communications from the publishers to the author. Lezama Lima was almost sixty when he awarded the translation rights for Paradiso to US publisher Farrar, Straus and Giroux. He was best known as a poet. His novel Paradiso became something of a succès-de-scandale for its homoerotic content, leading some in the west to describe him as the next Proust. In Cuba, however, it led to his novel being banned. The English translation of Lezama Lima’s Paradiso was contracted to Gregory Rabassa, who was almost fifty when he undertook the project. He was a professor of Spanish language and literature at Queens College, a branch of the City College of New York, and had established a reputation for himself as a translator of Latin American literature, having won the National Book Award in 1968 for his translation of the novel Hopscotch, by Argentine writer Julio Cortázar. Robert Giroux, the publisher who worked most closely with Conrad on the publication of Paradiso, was four years younger than Lezama Lima. Two other players in this drama worthy of mention are José Guillermo Castillo and Mercedes Cortázar. Born in Caracas, Venezuela, in 1938, Castillo became head of the literature division of the Center for Inter-American Relations in 1968. The Center was a Cold War institution, founded in 1965 with support from the Rockefeller Foundation; its mission was to foster “education, dialogue, and debate about the political, economic, and social Editorial Purgatory 135 <?page no="136"?> 2 Cited from the website of the Rockefeller Brothers Fund. Available at: https: / / www.rbf.org/ abo ut/ our-history/ timeline/ center-inter-american-relations#: ~: text=Established%20in%201965%20by%2 0founding,importance%20of%20inter%2DAmerican%20relationships (last accessed 15 February 2023) issues facing Latin America, North America, and the Caribbean.” 2 The Center provided funds—$2500, or half the total cost—to subtend the translation of Lezama Lima’s Paradiso and may have paid for the martini-soaked lunch during which Rabassa agreed to undertake the translation. Mercedes Cortázar was a poet, playwright, and novelist. Born in Havana, Cuba, in 1940, she was hired by Conrad to revise Rabassa’s translation. So extensive were her contributions that, at one point, the publishers considered listing Cortázar as one of the novel’s translators but in the end decided against it, perhaps to preserve and protect Rabassa’s reputation. 3 Ante-Purgatory: White lies and flattery For Farrar, Straus and Giroux, making the English translation of Lezama Lima's novel a reality meant undertaking a double courtship, directed at the author, to convince him to award the translation rights to the publisher, and at the translator, to convince him to undertake the translation of a novel known for its elaborate prose. The courtship of the author was initially undertaken by the publisher Roger Straus, with the assistance of Conrad, as a translator, while the courtship of the translator fell initially into the hands of Straus and Castillo, with Conrad taking on the central role of managing that relationship after the contract was signed. The question of a suitable translator was raised repeatedly in communications between Lezama Lima and Straus. Indeed, in the letter in which Lezama Lima grants the translation rights to Farrar, Straus and Giroux, he mentions the translator: “It is absolutely imperative to find a good translator, who will study [the novel] with great care and be aware of its idiomatic difficulties.” (7/ 30/ 68) When Straus writes back to Lezama Lima several months later, finally offering him a contract, he notes that their hesitation had to do with the novel’s translatability: “[…] its delicacy and intricacies might not be translatable into an English that would do your book justice,” but then assuages the author’s concern: “We now have reason to hope that one of best Spanish translators in America will be able to work on Paradiso.” (12/ 16/ 68) He adds that they are in talks with “our poet, Elizabeth Bishop,” to write an introduction. Lezama Lima raises his concern over the translation again in a 1969 letter to Straus: “The translation should be made carefully by a competent person, recognized as an efficient translator and one who will respect the original in making his English version. The work should be translated in its entirety and certainly without suppressing any of its parts.” (4/ 22/ 69) Straus again reassures him: “As you know in what high esteem we hold your work, you can be well assured that we will spare no effort or expense to get the absolutely best translation available, and we are already beginning, now that we have your letter to make inquiries to find who might be available and how quickly he can begin to work.” (5/ 14/ 69) One month later, Straus is able to inform Lezama Lima that Rabassa is interested in the project and willing to accept this commission over another: “We have had preliminary 136 Brian James Baer <?page no="137"?> conversations in regard to translation with Gregory Rabassa, and we have persuaded him to drop a project that he planned to do next. He has promised us to begin work as promptly as possible.” (6/ 5/ 69) Hearing that Rabassa has agreed to the translation, José Castillo sends a letter to Straus, confirming that the Center for Inter-American Relations will cover half the cost of the translation. In that letter, he notes: “I am also very glad that Gregory Rabassa will be able to do that translation. I think he is by far the best translator around and surely he’ll turn out a first rate translation.” (6/ 12/ 69) One day later, Conrad sends a contract for the translation to Rabassa. Shortly after the deal is sealed, Conrad pens a short note to Castillo: “I can’t believe the whole thing is straightened out—knock on wood that it will keep on that way.” (6/ 16/ 69) A couple of weeks later, Conrad sends a much longer letter to Lezama Lima, filled with white lies and flattery: It gives us great pleasure to inform you that an arrangement that pleases us very much for the translation of Paradiso into English has been completed. Mr. Gregory Rabassa, whose name you will undoubtedly recognize, has agreed to take charge of the translation. He is the translator of Cortazar [sic], and also of works by Asturias, Goytisolo (see the enclosed), and others. His first translation won the National Book Award, and his other translations have received the very highest praise. From the beginning we wanted him to do the translation [they had in fact approached another translator before Rabassa, Norman Thomas di Giovanni—see Conrad’s letter to di Giovanni of 1/ 10/ 69—whom Conrad later refers to as “the ‘official’ Borges translator”—letter from Conrad to Elizabeth Bishop of 1/ 13/ 69], but we understood he was very busy and could not take on so difficult a task in the short time necessary. Fortunately, when Roger Straus and I talked to him during lunch one day, his eyes lighted up and he showed a great desire to do the translation [we learn later from Conrad that he was very drunk]. The fact is, he has put aside two other books [Straus mentioned only one other book in a previous letter] to be able to do Paradiso and finish the translation before 1971. Mr. Rabassa hopes to have a section, small but representative, finished by the end of the summer, and the translation completed in June of 1970. This way, we will be able to achieve the best possible translation, and naturally this takes time. In this case, Mr. Rabassa will dedicate his time exclusively to this project without any interruption [he was a full-time professor at this time with teaching and administrative responsibilities, which he mentions often in his correspondence with Conrad], to complete the work in the shortest possible time. For Mr. Rabassa, any suggestion, comment or correction on your part would be invaluable. […] In conclusion, let me repeat how proud we are to be the American publishers of Paradiso. Mr. Rabassa is delighted to be doing the translation. (7/ 3/ 69) Conrad sends a copy of the letter to Castillo and Rabassa, referring to it, tongue in cheek, as her latest “gongorismo“ (7/ 3/ 69), a reference to the baroque style of the Spanish poet Luis de Góngora (1561-1627). It appears to work, as Lezama Lima is thrilled, writing to Conrad: It pleases me extraordinarily that Mr. Gregory Rabassa was chosen to do the translation, for his diligence and exceeding accuracy. The work is difficult to translate and its future in the English language will depend on whether the translator finds in his version the movement of my diction. It is undeniable that Mr. Rabassa is elaborately equipped to bring this work to a happy conclusion. Will you be good enough to tell him of my happy reaction to his assignment. (8/ 11/ 69) Editorial Purgatory 137 <?page no="138"?> While Conrad had not mentioned Rabassa’s “diligence and exceeding accuracy,” she must have noted the importance of these qualities to the author because two years later, when she is attempting to calm Lezama Lima, who is upset over the continued delays in the project, she explains that they are taking the time necessary to guarantee the translation would be “a mirror” of his original (8/ 10/ 72). She will take a very different tack with the translator, however, urging Rabassa to move away from the syntax of Lezama Lima’s byzantine prose and, at one point, encouraging him to take an “interpretive approach” (12/ 23/ 69). Of course, at this point Conrad could not have known that Rabassa would require multiple extensions, which would push the publication date back by several years. In an article published later, however, she suggests that she suspected rather early in the process that Rabassa was so intimidated by the complexity and reputation of Lezama Lima’s novel that he was blocked. 4 Terrace One: Coaxing and cajoling In late June, Rabassa, on his way to Hamptons Bay for vacation, tells Conrad that he hoped “to send some pages before summer is over” (6/ 23/ 69). On June 26, he tells her, “I shall shortly start cutting my teeth on Lezama.” He says the same in a letter from July 11—“I have dug into Paradiso and by this weekend should have the first draft of the first chapter done.” This letter is also interesting in marking a distinct change in tone between the editor and translator, from formal to jocular: “Your Gongorism came off very well I thought, although I have done so much work with Padre Antônio Vieira that now it all seems natural to me (Doesn’t everybody? ).” From this point on, although they continue to address each other formally, as Miss Conrad and Mr. Rabassa, their letters regularly contain humorous, often witty observations, such as Conrad’s reference to the 1969 moon landing: “I hope you weathered the deflowering of Luna with less apathy than I.” (7/ 22/ 69) Despite his repeated promises to deliver a chapter by the end of summer, Rabassa sends Conrad the translation of the first two chapters only in early December. While noting that some remaining issues might have been “solved with a little time in the library,” he seems to have no major reservations regarding the quality of the translation, signing off: “I hope you enjoy the pages and I look forward to seeing you at the Borges reception.” (12/ 4/ 69) Conrad replies in late December. In that two-page letter of December 23, 1969, Conrad expresses unease if not alarm over the quality of the translation and attempts to initiate a discussion about his translation approach, discussed at greater length below. On February 16, 1970, Conrad sends Rabassa a four-page letter with her editorial suggestions, all related to Lezama’s extensive use of simile. Hearing from Rabassa that he would rather complete the draft before considering her edits, Conrad decides to resist pressuring him; instead, she sends him short letters to confirm receipt of the installments, often ending them with upbeat notes of encouragement: “On‐ ward, onward” (8/ 26/ 70); “Vorworts, vorworts! [sic]” (8/ 31/ 70); and “Onward” (9/ 18/ 70). When the French translation is released in early 1971, however, completing the English translation becomes more urgent, and Conrad ends her letter to Rabassa of March 24, 1971, with uncharacteristic sternness: “What I am trying to say is that the pressure to get the book out is mounting. I trust you are working hard on the material that remains, and I must ask you to give me the most specific estimate possible of when you will deliver the 138 Brian James Baer <?page no="139"?> rest of the first draft and complete the revisions of the final manuscript.” In his response of March 26, 1971, Rabassa expresses his preference for completing the first rough draft before discussing the edits. She concurs in her response of March 31: “The Eumenides have been laid to rest. I go along with your idea of finishing the whole thing then going back.” She then returns to her encouragement: “Onward to glory” (7/ 26/ 71); “Let this letter take the place of six nymphet cheerleaders, complete with miniskirts, bobbysox, and pompoms” (8/ 26/ 71); and “Bravo! ” (9/ 28/ 71). When he submits the final installment in mid-October, she writes: “All my very best, (should I send you champagne? ).” (10/ 13/ 71) 5 Terrace Two: Damage control In the face of these setbacks, Straus and Conrad go into full damage control mode. Lezama Lima is the first to express frustration with the publication delay. In July of 1972, he writes to Conrad with the salutation “Dear Friend,” punctuating it with a colon. The tone of the letter is, however, less than friendly: I write you with understandable surprise, since days and months pass and I do not yet see the publication of my book. Gregory Rabassa’s last letter, received several months ago, informed me that he had finished the translation. Therefore everything must be ready for the publication of the book and its delay is incomprehensible to me. (7/ 18/ 72) He goes on to note that the French and Italian translations have met with popular and critical acclaim, ending the letter with: “I expect to receive a copy of the North American edition or to know what is the reason for the delay, since I believed the work would appear in the first months of this year. In expectation of your news, I remain very attentively, José Lezama Lima.” At about that time, in a letter to Tom Rosenthal, of the British publishing house Martin Secker and Warburg, Conrad downplays the extent of the editing required, describing it as “tidying up.” (7/ 27/ 72) She is more forthright, however, in her response to Lezama Lima. In her letter of August 10, she attempts to thread the needle, admitting the need for extensive editing, while deflecting blame from the translator, whom she and Straus had praised so hyperbolically just two years before: Many thanks for your letter of July 18, which I hasten to answer. The slowness of publication of Paradiso disturbs us as much as it does you. Indeed Gregory Rabassa did finish his work on the translation a few months ago. The trouble is, no one—myself, another colleague here, the Center for Inter-American Relations who subsidized part of the translation, is pleased with the English version. Even with the aid of the French and Italian editions, Rabassa could not create a wholly successful version of Paradiso. For this reason, at this very moment his manuscript of 900 pages is undergoing the most careful checking against the Ediciones Era version to make absolutely certain that the translation is a mirror of the original in tone as well as content. (8/ 10/ 72) Here, Conrad suggests that the problem is one of accuracy, hence the careful checking against the original, but, as we learn from her letters to Rabassa, the problem, in her opinion, is that Rabassa has adhered too closely to the Spanish syntax. In any case, she then shields Rabassa from blame: “There is no question of having Paradiso re-translated by another Editorial Purgatory 139 <?page no="140"?> person as no one could have done the job as well as Gregory Rabassa did.” She ends the letter by attributing the difficulties with the translation to “the character of the two languages, the discrepancy of atmosphere and diction between Spanish and English: specifically, English words must be chosen with the utmost care if they are to re-create to any degree the richness of your Spanish, which is probably the most extraordinary published today in its dignified and convoluted sonorities.” In a letter to Lezama Lima of April 9, 1973, she again presents the editorial process as focused on accuracy: “Your book, Paradiso, is being painstakingly edited, every detail of the translation is being checked for accuracy and perfection of phrase. When this arduous process is done, the manuscript will go to the printer.” Conrad must explain the delay to others, as well. In those letters, however, she describes the editing of Paradiso rather differently from the way she does to Lezama Lima. On February 22, Jane Garrett from Knopf writes to Conrad about a request they had made almost a year before for an excerpt from Paradiso to include in an anthology of Latin American Literature. In her response to Garrett, Conrad refers to Paradiso as “the albatross of the century as far as editing goes.” A few days later, on February 28, Rabassa writes to Conrad: “It has been a long time and as I have heard odd rumors here and there about the scheduled appearance of Paradiso, I thought I would ask whether it is about to come out. I hope that it was not too wretched a chore to edit the monster and I am sure that the end product will be the best possible.” In her reply to Rabassa, she notes “the ghastly problems inherent in this manuscript-book of 900 pages, so you may not be surprised that Paradiso is scheduled to come out this fall, not this spring as I had hoped. I know that Lezama is anxious to see it, you are anxious to see it, Castillo is, I am, and so on. And, in fact, one day we will” (3/ 2/ 73). 6 Terrace Three: Negotiating editorial agency Conrad exercised a good deal of agency in her robust editing of Paradiso, suggesting that she was not unduly intimidated by the famous translator who was male and almost thirty years her senior. In fact, she bypasses the translator on several occasions. For example, she proposes a title for the translation in the following inter-office memo to the publishers, without consulting Rabassa: If you agree, I would very much like to keep Lezama’s title, Paradiso. These are the reasons: 1) The book has been building up quite a considerable reputation, and it doesn’t seem a good idea to muddy the waters with a new title, even if it were the obvious: Paradise. 2) Paradiso is not Spanish but Italian. The Spanish is Paraíso. Lezama chose the Italian undoubtedly for its relation to Dante—and in English versions of Dante, Inferno, Paradiso and Purgatorio always remain in the Italian. Since Lezama is a poet by reputation, it seems fitting to keep the association with Dante. Do you agree? (Memorandum from the editor of Paradiso Andrée Conrad (7/ 1/ 1969)) Later, at the suggestion of Giroux (10/ 19/ 73), Conrad creates a family tree to be appended to the translation, again without seeking any input from Rabassa: “I made a family tree for Jose Cemi, which you will see enclosed. I agree that it will be helpful to the reader.” (Memorandum to Roger Straus 10/ 25/ 73) 140 Brian James Baer <?page no="141"?> 3 This is a short bio sketch of R. W. Flint published in the New York Review of Books on April 5, 1973: “R. -W. Flint translated, edited, and introduced The Selected Works of Cesare Pavese in 1968 and Marinetti: Selected Writings in 1971. He has contributed interviews, essays, translations, and reviews on Italian writers to various journals including Parnassus, Canto, and The Italian Quarterly. He lives in Cambridge, Massachusetts.” Her agency, however, was checked repeatedly by Roger Straus. On Conrad’s memo regarding the title, Straus instructs her to consult the translator: “Good points, but the translator’s view is important. What does Rabassa want? ” Similarly, in an inter-office memo of June 19, 1973, in which Conrad informs Straus that she and Giroux have decided to credit Rabassa as the sole translator, but to acknowledge Cortázar on the copyright page and to pay her $1000 for her enormous contribution at the editing phase, Straus writes at the top: “Andre [sic], Be sure Rabassa knows of editing etc.” Regarding the actual editing of the translation, Conrad makes repeated good faith attempts to engage with Rabassa, understanding that the revisions would be extensive. At the beginning of that process, she makes every effort not to offend Rabassa while also standing firm regarding the necessity for major revision. For example, her first letter on the subject, of December 23, 1969, is a masterclass in the art of diplomacy. She opens by acknowledging the difficulty of translating Paradiso, casting Rabassa as a hero: “I must again say what a heroic task you have set for yourself. Although you have never complained to me in any of your letters, I sense that the process of working on it must seem nightmarish to you.” She then offers a rather critical assessment of the translation, but does so as if the criticism were Rabassa’s own, in this way allowing the translator to save face: “I can see that the two chapters are not nearly in their final form and expect that you will be using these pages as a sort of trot when you come to make the final version. So much of the Spanish diction comes through here that I sense that you will abandon it in great part to make an interpretive translation. This is a classic in Spanish and I have the feeling that you will want to make it one in English too.” She dedicates the following lengthy paragraph to explaining what she means by an interpretive translation, which she ends by invoking a mutual friend, R. W. Flint. 3 This is another rhetorical strategy to avoid any hint of coercion or scolding on her part: “Our friend, the translator and peripatetic intellectual R. W. Flint, once quoted some good advice to me, which I now pass on to you and hope you will find as useful as I have: ‘A kind and knowing soul once gave me a healthy warning against what he calls a quality of false precision in Italian prose, doubled ideas and words and finicking adverbs that don’t really do any work.’ This is true of all Romance languages, I fear, and more than true of Spanish, and excrutiatingly true of Lezama.” She then switches to the first-person plural: “He can get away with it in Spanish; we will not be able to get away with it in English.” She ends by authorizing a less literal approach to the translation, as if this is what Rabassa had wanted all along but was unsure the publisher would sanction it: “Do forgive this long, discursive letter; what I suppose I’m doing is expressing the fears I myself would feel if I had the job to do. But we do want you to know that we realize that no translator can be a slave to this text.” While thanking Conrad for her useful suggestions, Rabassa expresses the desire to complete the first draft in its entirety before discussing the edits, which he construes as “Englishing”: “Once certain of accuracy and spirit, I will have an easier time of Englishing Editorial Purgatory 141 <?page no="142"?> it in accordance with your advice.” (1/ 11/ 70) She follows up on February 16 with a four-page list of editorial suggestions related to Lezama’s extended use of simile. Again, Rabassa resists engaging with Conrad’s recommendations: “I think that at this point the wise thing would be for me to go along as I have and wait for what you and he [Lezama Lima] to comment before proceeding to what can be the final form.” (2/ 27/ 70) She continues to send him her editorial suggestions, but he does not react, leading her to explain her editorial approach in a letter dated August 31, 1970: “I hope you approve of my editing. […] Bear in mind that I am attacking Lezama’s efflorescence not yours. My aim is to distill and at least give the wildly mysterious imagery a chance to reach the reader—like pruning a bush to give the branches breath and growing room. I hope you think this works, and will use this manuscript as Draft Two.” In his response of September 11, 1970, Rabassa mentions Conrad’s edits only in a note at the bottom: “ P.S. I have been letting both your edited pages and those I have got back from Lezama pile up because I feel more comfortable driving ahead than tidying up the battlefield behind.” Again, he puts Conrad off, minimizing her editorial intervention as mere “tidying up.” Conrad does not raise the question of her editorial suggestions again until August 18, 1971, as Rabassa is nearing the end of the translation: “Seriously, I wonder if the time has come to take a look at the edited pages I sent you a while ago, to make some rebuttal to them. I’d like to begin sketching out in my mind a method for editing the translation, and I hope you will give me your thoughts in the matter.” Only now does Rabassa acknowledge that he has resisted engaging with Conrad on the subject not simply because he preferred to complete the draft as expeditiously as possible, but because “details get me doubting myself and my work, all to the good, but I think I should go along as I have and drive it. Maybe Lezama needed an editor from the start” (8/ 23/ 71). Note once again his rather dismissive characterization of Conrad’s editorial suggestions as “details.” In any case, given that the translation is not yet complete, Conrad backs off once again: “The last thing I want is for you to doubt your word, believe me. So don’t look at those pages until the mother is finished.” (8/ 26/ 71) Clearly, Conrad had been hoping to discuss these issues early in the process so that Rabassa could consider them when translating the remaining chapters; but that would not happen. Toward the end of 1971, Rabassa suggests that his primary loyalty has been to Lezama Lima: “During the doing of this I tried to keep your suggestions in mind, although probably most often I was led by the prolixity of the original” (12/ 1/ 71). Conrad would not return to the question of editing until April 19, 1973. This final letter makes clear, albeit still somewhat tactfully, Conrad’s level of frustration with Rabassa. Instead of expressing sympathy for the translator, as she does in her letter of December 23, 1969, she seems to appeal for sympathy for the editor and, perhaps, for the printer, who will set the galley proofs: “I have been out of the office the past month working on Paradiso, and I am now two-thirds of the way through a job of very close editing. Much of my work will be re-typed to save the printer’s eye.” (4/ 19/ 73) She then abandons the delicacy of her previous correspondence: “I would like to have a conversation with you about this editing, because I have never been sure what your attitude towards it is.” She goes on to elaborate not only an approach to translation but also an ethics of translation: I want to be very frank with you. The reason the editing of this book has taken so long is that it has involved a tremendous amount of word-for-word pruning, and sentence-by-sentence 142 Brian James Baer <?page no="143"?> condensation, and every time I have telescoped something, it has provoked a crise de conscience and a renewal of my inner arguments about the question of responsible translation. According to Walter Benjamin, it is a sin for a translator to deviate even in points of syntax from the original; there are authors for whom I would willingly, constantly apply this dictum, but none of them wrote in Spanish, and I must certainly exclude Lezama, and keep from thinking of the obnoxious professors who review for the TLS and will want to restore all 75-word sentences to their original length. I have felt all along that the discrepancy between the character of the two languages, that is, the unhurried verbosity of Spanish and the almost epigrammatic succinctness to which English lends itself, should be resolved somehow in favor of our own language, for the sake of all concerned, [sic] I do not think you want your translation praised merely for its patience and fidelity, although that is of course the safest route. (4/ 19/ 73) In this letter, a final appeal to the translator to engage more actively in the editorial process, the conciliatory language appears only at the very end: “Over and over I have marveled at not only your fortitude for taking on this project, but also the clever solutions to the infinite problems it posed. Lezama’s book is a masterpiece, a truly extraordinary feat, and because of it, almost impossible. I want to make sure that you accept and approve of the work I’m doing to make it a little more possible.” There is no response from Rabassa in the archive. At this point, it appears that Rabassa is removed from the editorial process. In an inter-office memo to Roger Straus dated June 19, 1973, Conrad informs him that she and Giroux have decided to employ the young Cuban poet Mercedes Cortázar to help with the editing, and that she would be acknowledged on the copyright page, although Rabassa would remain credited as the sole translator. A few days later, in a letter to Ronald Christ of the Center for Inter-American Relations, which subtended the translation, Conrad praises Cortázar ‘s contribution: “The name of the Cuban poet who is checking the manuscript is Mercedes Cortázar. We have done about a week’s work and it makes all the difference in the world.” (6/ 25/ 73) In a short letter of June 26, 1973, Conrad complies with Straus’s instruction to inform Rabassa, explaining that he will not see the translation again until it is in galley proofs—“it’s just worthless to show you the manuscript in bits and pieces”—especially given his unwillingness to engage with her editorial suggestions along the way. Aware that this assertation of authority might offend Rabassa, she seeks to foreclose any objection by reassuring the translator while also making it clear that the translation is now a group effort: “I very much hope that this doesn’t seem a high-handed proceeding to you; all I can do is assure you that three very intelligent people have been slaving to make this one of the finest translations ever achieved”—for which, of course, he will receive sole credit. At the opening of that same letter, she notes that the editing she has undertaken with Cortázar, “is making the book grow on me more and more,” underscoring the transformative nature of their editorial work. In that regard, it is interesting to note that Rabassa, upon receiving the proofs, downplays the extent of the edits: “It has been so long since I was at work on it that it is hard for me to distinguish what I had written and what has been revised to some degree.” (12/ 8/ 73) He goes on to note “one grievous mistake” in the proofs: the misspelling of his name. Editorial Purgatory 143 <?page no="144"?> 4 This blurb is cited from the website of the book Images of the Divine Bird: Autofiction and Stories (Publishing Parnters International, 2020). Available at: https: / / books.google.com/ books/ about/ Imag es_of_the_Divine_Bird_Autofiction_an.html? id=lhOEzQEACAAJ (last accessed 15 February 2023) 5 Rabassa writes: “I was pleased that the Italian Paradiso was kept for my translation, but then Roger Straus was at the time one of the few Magi left in commercial publishing. Paradise would have been a loss and since the Italian word was used in the Spanish and not Paraíso, why translate the word in an English version and ruin the effect. Beyond the obvious Dantean connection, it was said to be the description that the purported Italian Christopher Columbus had given the island of Cuba.” (2005: 110) 7 Conclusion: The editor’s revenge It appears Conrad had been instructed by the publishers (perhaps, Straus) to take the fall for Rabassa, and she was not happy about it. As she writes in her letter to Tom Rosenthal of July 27, 1972: “I was told to confess to you that the translation of Lezama Lima’s Paradiso has been postponed on account of my tardy editing.” She is unwilling, however, to accept all the blame, as evident in a letter to Lezama Lima of August 10, 1972: “I am chagrined and sorry for this long, long time we have taken, and accept part of the blame myself. However, I am certain that you would not wish the book to be published in English until the translation is as exceptional as Paradiso deserves” (italics added). In the years following, Conrad would seek to set the record straight. For example, in her biographical blurbs, she makes sure to mention her editorial contribution to the English translation of Paradiso, as evident below in the lengthy biographical note accompanying a 2020 volume of her translations of the poetry of Mercedes Cortázar: Andrée Conrad (Caracas, Venezuela, 1945) has translated works by José Donoso, Victoria Ocampo, Robinson Rojas Sanford, and others, as well as Mercedes Cortázar’s ORBS: COLLECTED POEMS (2019), IMAGES OF THE DIVINE BIRD: STORIES AND AUTOFICTION (2020) (both published by Publishing Partners International, Inc.), and INFANCY IN PARADISE (PPI, forthcoming shortly in 2022). While associate editor at Farrar, Straus & Giroux, she edited the translation of José Lezama Lima’s PARADISO and other books originally written in Spanish, Italian, and Portuguese. Her translations have been published by FSG, Alfred A. Knopf, Harper & Row, David R. Godine, and others. Her views on translation may be found in her essay “Editor - Author - Translator”, TRANSLATION (journal published by Columbia University), Volume 2, pp. 87-94. She has also been a magazine editor and an instructor in art history and the humanities at Columbia University and Vassar College. She has a B.A. from Smith College, an M.A. from NYU's Institute of Fine Arts, and a M.F.A. in Creative Writing from Florida International University. (2020, n.p.; italics added) 4 She does not mention Rabassa as the translator of Paradiso, nor does Rabassa mention Conrad in the chapter on Paradiso in his memoir If This Be Treason (2005); he does, however, praise Roger Straus’s decision to keep Paradiso as the title, unaware perhaps that it was Conrad who had initially proposed it. 5 Incidentally, Mercedes Cortázar also makes note of her editorial work on Paradiso in her biography posted on the site of Cintas Foundation, founded in 1963 to support Cuban arts and the Humanities: “Later, she was the poetry 144 Brian James Baer <?page no="145"?> 6 This bibliographic sketch is cited from the website of the Cintas Foundation. Available at: https: / / cin tasfoundation.org/ fellows/ creative-writers/ 204-mercedes-cortazar (last accessed 15 February 2023) consultant for Farrar, Straus & Giroux for the English translation of José Lezama Lima’s novel Paradiso.” 6 She too, omits Rabassa’s name. Conrad’s detailed biographical note is also interesting in terms of her self-presentation. By indicating her birthplace of Caracas, Venezuela, she insinuates her linguistic credentials. She also displays an editor’s awareness of the cultural capital of the major US publishers, mentioning that she worked at Farrar, Straus and Giroux, and published translations with Knopf and Harper & Row, three of the largest and most prestigious publishing houses of that time. Moreover, she makes clear that she not only edited and translated but also reflected on the process, mentioning the critical essay “Editor - Author - Translator,” which appeared in the journal Translation, published by Columbia University. Note the order of the roles in the title. It was in that essay that Conrad exacted her most direct revenge on Rabassa, for having put her through editorial hell. There, in only slightly veiled terms, she lambasts his translation and his behavior as symptomatic of larger problems with the contemporary culture of translation in the US . Speaking of the ethical dilemma of accepting a translation for which one does not have the requisite domain competence, she makes the following aside: Many translators have made the same stupid mistake but have had to suffer much longer periods for their rashness. One translator I know fell to six Martinis, reluctantly accepting a very long and difficult novel of whose reputation he was well aware. He did not begin to translate—probably because of the psychological block produced in him by the book’s formidable reputation—until two months before his deadline. The book was finally published five years later, after two editors, a copy editor, and a poetry consultant had spent countless hours trying to unravel the sodden mass of impossible and ridiculous sentences he had produced. (Conrad 1974: 88) Notable here is that Conrad portrays the prize winning (male) translator not simply as in over his head, but as “weak”: succumbing to six Martinis and then feeling so intimidated by the “formidable reputation” of the original that he was blocked. In any case, while the publisher ultimately decided to let Rabassa appear on the cover as the sole translator, preserving his reputation as one of the great English-language translators of Latin American literature, Conrad sets the record straight by revealing the many hands involved in transforming Rabassa’s “sodden mass of impossible and ridiculous sentences” into something publishable and even admirable. What she does not mention, of course, is that two of those individuals, the copy editor and the poetry consultant, were young bilingual women, who had to negotiate their roles with older male publishers, on the one hand, and an older male translator, on the other. In that regard, it is notable that Lezama Lima’s sister, Eloísa, thanks all three in her letter to Roger Straus acknowledging receipt of the English edition of Paradiso: “I was very moved, since I know how difficult a labor it must have been. Please convey my gratitude to Rabassa, Mercedes Cortazar [sic], and Andre [sic] Conrad” (2/ 22/ 74). Editorial Purgatory 145 <?page no="146"?> References Afrouz, Mahmoud (2021). Self-edition hypothesis: the case of multiple self-edited versions of modern literary texts.-Forum-19 (1), 1-23. Chen, Yamei (2011). The translator’s subjectivity and its constraints in news transediting: a perspec‐ tive of reception aesthetics.-Meta-56 (1),119-144. Conrad, Andrée (1974). Editor - author - translator. Translation 2, 87-94. Constantin, Jean-Paul (1992). Les éditeurs. Dans: Barret-Ducrocq, Françoise (éd.). Traduire l’Europe. Paris: Éditions Payot, 125-29. Ginovart Cid, Clara (2020). 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Mehrfach hat er Texte in eine Nichtstandardvarietät des Deutschen übersetzt, wie hier an vier Beispielen gezeigt wird: einer intralingualen Übersetzung von Heinrich von Kleists Lustspiel Der zerbrochene Krug in ostösterreichische, dialektal gefärbte Umgangssprache; einer intralingualen Übersetzung aus zweiter Hand des Comics Asterix als Legionär in Wiener Dialekt; einer interlingualen Übersetzung eines von einem schriftstellerisch talentierten eng‐ lischen Mädchen im Grundschulalter in waghalsiger Rechtschreibung verfassten Romans in ein stilistisch-orthographisch entsprechendes Deutsch sowie Gedichten des französischen Dichters François Villon in Wiener Dialekt, wie er ihn wenige Jahre zuvor in seinem Lyrikband med ana schwoazzn dintn erprobt hatte. Schlagwörter: H. C. Artmann, intralinguale Übersetzung, Comic-Übersetzung, Über‐ setzungsvergleich Abstract: The poet H. C. Artmann also distinguished himself as an extremely productive translator who frequently indulged in experiments. On several occasions he translated texts into non-standard German varieties, as shown here in four examples: an intralingual translation of Heinrich von Kleist’s comedy Der zerbrochene Krug into 19 th century dialectally coloured colloquial language as spoken in Eastern Austria; an intralingual second-hand translation of the comic strip Asterix als Legionär into Viennese dialect; an interlingual translation of a novel written in ‘chaotic’ orthography by a talented English girl of primary school age into a stylistically and orthographically age-appropriate German; and poems by the late medieval French poet François Villon into the Viennese dialect Artmann had used a few years earlier in his volume of poetry med ana schwoazzn dintn. Keywords: H. C. Artmann, intralingual translation, translation of comics, comparison of translations Wenn man Artmanns Originalwerke in einem Regal neben seine Übersetzungen stellen würde, wäre man vielleicht zunächst einmal vom quantitativen Verhältnis überrascht. Artmann war zeitlebens ein ungemein produktiver Übersetzer; in Ermangelung einer verlässlich vollständigen Bibliographie seiner Übersetzungen, wie wir sie beispielsweise von dem gleichfalls unermüdlichen Schriftsteller-Übersetzer Peter Handke besitzen, ist es <?page no="150"?> 1 Die Reclam-Ausgabe, aus der hier zitiert wird (Kleist 2014 [1811]), enthält auf nahezu jeder Seite mehrere Wort- und gelegentlich auch Sacherklärungen. riskant, konkrete Zahlen zu nennen, ist doch einiges unter Pseudonym und vieles verstreut veröffentlicht worden, so dass der eine oder andere Text leicht übersehen werden könnte. In Literaturgeschichten wird Artmann generell in der Sparte Lyrik abgehandelt, obwohl einige seiner Dramolette in Germanistikkreisen Aufmerksamkeit erregt haben und der Residenz-Verlag eine vierbändige Ausgabe seiner Prosa herausgebracht hat. Es handelt sich allerdings überwiegend um kurze und nicht zu den prototypischen Prosa-Gattungen zählende Texte. Als Übersetzer dagegen hat er sich mehrerer nicht eben schmaler Romane und einer beeindruckenden Anzahl abendfüllender Theaterstücke aus verschiedenen Lite‐ raturen angenommen. Was an Artmanns übersetzerischem Gesamtwerk außerdem noch imponiert, ist die Vielzahl der Ausgangssprachen: Englisch, Niederländisch, Dänisch, Schwedisch, Jiddisch, Französisch, Italienisch, Spanisch - und Deutsch. Mit einem Beispiel der zuletzt genannten Konstellation soll nun das eigentliche Thema dieses Beitrags eröffnet werden. 1 Der zerbrochene Krug von H.-C. Artmann nach Heinrich von Kleist So steht es auf dem Cover und dem Titelblatt der 1992 im Residenz-Verlag erschienenen Fassung des bekannten Theaterstücks. Der Titel deutet bereits an, dass es sich bei dem Inhalt des Büchleins um eine intralinguale Übersetzung des deutschen Komödienklassikers handelt, an den sich Angehörige der älteren Generation wahrscheinlich als sprachlich einigermaßen sperrigen, vom Lehrplan aber als obligatorische Schullektüre vorgesehenen Lesetext erinnern werden. Für den heutigen Schulgebrauch ist das Werk in den geläufigen Ausgaben in allerlei pädagogisches, dem besseren Verständnis dienendes Begleitmaterial eingebettet. 1 Dafür, dass es nicht ganz aus dem Kanon verdrängt wird, sorgen von Zeit zu Zeit von der Theaterkritik beachtete Inszenierungen. So scheint etwa Thomas Bernhard in Alte Meister eine Lanze für das Stück gebrochen zu haben, wenn er einem Protagonisten das Urteil in den Mund legt, es sei „das beste deutsche Lustspiel“ - ein Zitat, das der Residenz-Verlag auf der Rückseite des Umschlags philologisch etwas fahrlässig, aber werbewirksam dem Autor statt der Figur zuschreibt. Es gehört zum tragischen Schicksal der großen klassischen Werke einer Literatur, dass sich im Lauf der Zeit Verständnisbarrieren verschiedener Art zwischen den Text und das moderne Publikum schieben; je größer die Achtung vor dem Werk, desto unantastbarer scheint es. Man denke an Rabelais, an Shakespeare oder auch an Schiller, deren Originale der heutigen Leserschaft in der eigenen Sprache schwerer zugänglich sind als einem anderssprachigen Publikum, dem moderne Übersetzungen zur Verfügung stehen. Artmann hat es sichtlich als seine Aufgabe betrachtet, das etwas fremd gewordene Stück wieder näher an ein heutiges Publikum heranzurücken: zeitlich, geographisch und sprach‐ lich. Bei Kleist befinden wir uns „in einem niederländischen Dorfe bei Utrecht“ (Kleist 2014: 4), die Zeit ist nicht näher bestimmt. Artmann präzisiert den Rahmen: „Die Handlung spielt während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im südlichen Niederösterreich“ (Artmann 1992: 5), schränkt jedoch gleich ein: „Zeit und Ort dürfen aber beliebig verlegt werden“ 150 Wolfgang Pöckl <?page no="151"?> 2 Ruprecht schildert seine rabiate Vorgangsweise bei der Verfolgung des aus Eves Zimmer fliehenden Besuchs, wobei Lexik und Syntax hier einen auffallenden Kontrast bilden: „Als ich die Tür eindon‐ nerte, so reiß ich / Jetzt mit dem Stahl eins pfundschwer übern Detz ihm“ (v. 979-980). - Im 9. Auftritt versucht Adam, Eve aus der Gerichtsverhandlung auszuschließen, indem er ihre jugendliche Unerfahrenheit ins Spiel bringt: „Ein twatsches Kind. Ihr seht’s. Gut, aber twatsch“ (v. 1238). (ebd.), was insofern inkonsequent ist, als in einem anderen geographischen Setting weder die Örtlichkeiten (Baden, Neustadt, Kaltenleutgeben werden explizit genannt, Matzelsdorf ist erfunden oder beruht auf einer Verwechslung mit Matzendorf) noch die sprachliche Färbung stimmig wären. Dabei legt Artmann selbstbewusst Wert auf seine sprachliche Kompetenz: „[…] ich bin ein ganz guter Germanist, was Sprache betrifft. Das sage ich von mir selbst. Und ich weiß, wie man 1903 gesagt hätte, wie man jetzt sagt, wie man vor zweihundert Jahren gesprochen hätte. Da bin ich ganz genau! “ (Brandt 2001: 48) Es ist auch unverkennbar, dass - wie Johann Holzner (2020: 181) schon festgestellt hat - der Text an die Alt-Wiener Volkskomödie anknüpft und auch aus diesem Grund nur schwer eine Verpflanzung in ein anderes sprachgeographisches Ambiente vertragen würde. Wie aber gestaltet Artmann nun den Kleist’schen Text so um, dass sich ein (ost-)österreichisches Publikum in dem Stück heimisch fühlt? Der Blankvers ist durch Prosa ersetzt, was natürlich sehr viel mehr lexikalische und syntaktische Bewegungsfreiheit schafft. Die Namen der meisten handelnden Personen sind leicht austrifiziert, aber problemlos zu den Figuren Kleists in Beziehung zu setzen. Der Dorfrichter Adam und der Bauernsohn Ruprecht behalten ihre Namen; der Gerichtsrat Walter erhält das Adelsprädikat von Waltersberg, der Schreiber Licht einen typisch bairi‐ schen Diminutiv, einen Diphthong und einen Vornamen, er heißt bei Artmann Ferdinand Liechtl. Die Klägerin Marthe Rull wird in Magdalena Rull umbenannt, ihre Tochter Eve in Eva, die als Zeugin herbeizitierte Frau Brigitte (vulgo Briggy) stellt sich dem Gericht als Theresia Scheibl vor, der Bauer Veit Tümpel wird zu Vitus Dimpfl und die Mägde Margarete und Liese heißen Gretl und Marie. Mit Holzners Verweis auf Nestroy ist auch bereits etwas Charakteristisches über das von Artmann verwendete Bühnenidiom zum Ausdruck gebracht. Während Kleist in seine Blankverse nur ganz sporadisch regionale (Berliner) Ausdrücke einbaut, 2 entfaltet Artmann in seiner dialektal eingefärbten Prosafassung das volle Kontinuum zwischen Akrolekt und Basilekt, wobei er jeder der Figuren ein individuelles soziolinguistisches Profil verleiht. Im Gegensatz zum Text Kleists werden die unterschiedlichen Sprachregister gelegentlich auch thematisiert. Der Gerichtsrat Walter von Waltersberg spricht gepflegtes, bisweilen etwas ge‐ spreiztes Standarddeutsch, versteht aber natürlich auch dialektale Ausdrücke. Bei Kleist beklagt Adam die Folge des Verlusts seiner Perücke: „Ich muss kahlköpfig den Gerichtstag halten“ (v. 376), was Walter im Folgevers irritiert kommentiert: „Kahlköpfig! “ Im Text Artmanns „übersetzt“ Waltersberg den Ausdruck Adams in ihm angemessen erschei‐ nendes Deutsch: A D A M . […] Soll ich jetzt glatzert meine Urteilssprüche fällen? W A L T E R S B E R G . Wie? Kahlköpfig, mit unbedecktem Haupte? (26) Ähnlich auf die Frage Waltersbergs nach der Wunde: H.-C. Artmann als Übersetzer in Nichtstandardvarietäten 151 <?page no="152"?> A D A M . Hingflogen bin ich halt. W A L T E R S B E R G . Hingefallen meint er. (74) Artmann stattet den Gerichtsrat mit einer gelegentlichen Neigung zu fremdsprachlichen Einsprengseln aus. Die über die Aussage ihrer Tochter aufgebrachte Frau Rull versucht er zu beschwichtigen mit „Assez, Madame, assez“ (66) (bei Kleist: „Ruhig, ruhig, Frau Marthe“ (v. 1298)), den Vorschlag des Dorfrichters zur Verhandlungsführung lehnt er mit „Au contraire“ (71) ab und erklärt in der Szene, in der die Situation eskaliert, dass Adam verdienen würde, „cum infamia [kursiv im Original] vor allem Volk verjagt zu werden“, was er am Ende der Tirade noch mit einem „Avanti“ (93) bekräftigt. Die sprachlich wendigste Figur im Stück ist Adam. In der von Artmann breit ausge‐ bauten Auftrittsszene lernt ihn das Publikum zunächst im Dialog mit dem Schreiber beim Versorgen seines verletzten Beins als Dialektsprecher kennen: „[…] die Schmierage da, wollt sagen das Elixier, ist für meinen hinigen Haxen das einzig probate Mittel“ (8). In der ausgedehnten Schilderung des Unfalls fallen dialektale Ausdrücke wie „und mich plescht es hin“ (10). Mit dem Gerichtsrat und während der Verhandlung spricht er phasenweise standardnah, verfällt aber - oder wechselt absichtlich - immer wieder in den Dialekt, was er in der Szene, in der er Eva zur Falschaussage überreden möchte, zweideutig kommentiert: „Um Vergebung, Euer Gnaden, ich bin ein einfacher Mann des Volkes und weiß nur zu reden, wie mir die Nase gewachsen ist. Ich habe nicht studiert, meine Lehr war das tägliche Brot, deshalb auch verstehn mich die Herren aus Baden und Neustadt bloß kümmerlich. Hier aber, unter die Leut da in der Gegend, ist meine Sprach angebracht“ (59). Auch der Schreiber Liechtl bewegt sich sprachlich gewandt. Als er die Bühne betritt, grüßt er seinen Vorgesetzten respektvoll in lupenreinem Standarddeutsch: „Erlaube mir einen guten Morgen zu wünschen, Herr von Adam“ (7; der Auftakt hat im Original kein unmittelbares Vorbild). In Szene 7, als Waltersberg die Verzögerungstaktik Adams kritisiert und „äußerst scharf “ bemerkt: „Ja sitzt er auf seinem Gehör? “ (35), „übersetzt“ Liechtl dem Richter, der vorgibt, die Frage nicht verstanden zu haben, mit einem regionalen Idiomatismus: „Ob er eine terrische Kapelln ist“ (35f.). Die Figuren aus dem Volk dürfen sich in Artmanns Text erheblich freier verwirklichen als bei Kleist, insbesondere bei Anrufungen von Heiligen, bei Flüchen und gegenseitigen Be‐ schimpfungen. Aus diesem Repertoire hat Artmann auch in anderen seiner Übersetzungen reichlicher geschöpft, als es der Ausgangstext vorgegeben hätte. Ein Beispiel für viele: Frau Rull bezichtigt Ruprecht der geplanten Desertion, worauf dieser bei Kleist mit dem beleidigenden Ausdruck „Rabenaas“ (v. 1318) reagiert. Artmann lockt den Beschuldigten mehr aus der Reserve: „Elendige Wetterhex du, verbrennt ghörst und zwar mit siebenerlei Feuer! “ (67) Artmann versucht nicht nur die vereinzelten Wortspiele Kleists zu berücksichtigen, sondern sie um das eine oder andere zu vermehren. Besonders originell sind sie in keiner der beiden Fassungen; entwickelt sind sie meistens um einen Wortstamm herum. So etwa wirbt Adam in Szene 1 angesichts des drohenden Unheils der Revision um die Loyalität Liechtls: „[…] ich hab unlängst läuten ghört, daß du endlich auch einmal Richter werden 152 Wolfgang Pöckl <?page no="153"?> 3 Artmann greift diese Wortfamilie noch einmal im Zusammenhang mit der Klage der Magdalena Rull auf: „Und der [Krug] muß wieder hergerichtet werden - wozu heißt’s denn Gricht, wann drinnen nichts gricht wird? “ (32) willst. Das müßt sich ja richten lassen“ (13). 3 Liechtl zeigt sich skeptisch. „ ADAM : Kommt Zeit, kommt Rat […] LI E C HT L (beiseite). Ja, der Gerichtsrat“ (14). Im selben Kontext kommt Adam zu Bewusstsein, dass seine Akten in Ordnung gebracht werden müssten, denn „die sind inzwischen schon höher angewachsen als der Schneeberg“. Darauf „ LI E C HT L (beiseite). Der ist nicht so schlimm wie der Waltersberg“ (14). Als äußerst kreativ erweist sich Artmann dagegen im Einbau von Referenzen auf Realien, die großteils ja in einem ganz anderen gesellschaftlichen Kontext als bei Kleist funktionieren müssen. Hier konnte der Übersetzer seiner Phantasie freien Lauf lassen und dem durch die Versform vielfach eingeschränkten Original noch mehr Leben einhauchen. Schon in der ersten Szene wird die Verortung durch die Bemerkung unterstrichen, dass die Salbe „von einer alten Zigeunerin aus Ödenburg“ (8) stammt. Der Schreiber, der den Vorfall mit dem Fall Adams im Paradies in Verbindung bringt, sinniert „über die Maschanskeräpfel von der Eva“ (9). Der von Gerichtsrat Walter in Holla suspendierte Richter wurde nach einem Selbstmordversuch „[i]ns nackte Leben“ zurückgeholt (v. 114), den Matzelsdorfer Kollegen hat man „mit Müh und Not […] wiederbelebt, mit Salmiakgeist und Tausendguldenkrauttee“ (13). Während sich Adam bei seiner Rechtsprechung im Text Kleists beruft auf „Statuten, eigentümliche, in Huisum, / Nicht aufgeschriebene […], doch durch / Bewährte Tradition uns überliefert“ (v. 627-629), begründet der Artmann’sche Adam seine Praxis damit, dass er verfahre, „wie’s bei uns seit Maria Theresiens Zeiten üblich ist“ (39) und dass er sich an „von unseren Vorfahren übernommene Weistümer“ (ebd.) halte. Im Bedarfsfall gebe es natürlich eine Alternative: „Wann’s sein muß, so kann ich auch nach den üblichen k. & k. Gesetzen richten.“ (39) Eine andere Begründung als der Huisumer Richter für eine Schwarze Kasse muss sein niederösterreichischer Amtskollege liefern. Der Gerichtsrat „stand im Wahn“ (v. 347), dass er nur vier Kassen zu inspizieren habe, aber Adam eröffnet ihm, dass er auch eine „Rhein-Inundations-Kollektenkasse“ (v. 348) verwalte, von deren Notwendigkeit sich Walter nur mäßig überzeugt zeigt: „Doch jetzo ist der Rhein nicht inundiert“ (v. 350). Artmann lässt Adam eine fünfte Kasse „[a]ls Notgroschen für die allzeit drohende Türkengefahr im südlichen Niederösterreich“ (25) anlegen, deren Existenz Waltersberg naturgemäß nicht unmittelbar einleuchtet: „Aber, aber, die Türken sind doch schon seit hundert Jahren brav und friedlich“ (25). Auch der von Adam gefälschte Einberufungsbefehl, dem zufolge Ruprecht als nieder‐ ländischer Staatsbürger in die entfernteste Kolonie, nämlich nach Batavia (v. 534), also Jakarta, geschickt werden sollte, muss inhaltlich verändert werden; den Bestimmungsort erfährt man bei Artmann allerdings erst in der eigentlichen Schlussszene, in der Eva dem Gerichtsrat eröffnet, dass laut Adam „alle Rekruten […] nach Mailand zum Radetzky“ (99) geschickt würden, mit geringen Überlebenschancen. Völlig umschreiben musste Artmann ein Glanzstück der Komödie: die Schilderung der Geschichte und des Aussehens des Krugs durch seine Besitzerin. Man konnte auf dem niederösterreichischen Krug natürlich nicht „die gesamten niederländischen Provinzen“ (v. H.-C. Artmann als Übersetzer in Nichtstandardvarietäten 153 <?page no="154"?> 649) aufgemalt sehen, und auch die lange Reihe prominenter Besitzer wäre auszutauschen gewesen. In seiner Fassung stammt der Krug aus der renommierten „Manufaktur Kwapil und Söhne aus Budweis“, er hat mehrere Diebstähle überstanden und sein prominentester Vorbesitzer war der „Fürscht Schwarzenberg persönlich“ (40). Diese Passage hat Artmann erheblich gekürzt, vermutlich um nicht eine völlig willkürliche Geschichte des Krugs erfinden zu müssen. Es wäre noch anhand einiger weiterer Themenfelder zu zeigen, dass Artmann den Text einfallsreich umgestaltet hat; besonders ergiebig wäre der Bereich Essen und Trinken. Die Auswahl der besprochenen Beispiele sollte jedoch genügen, um nachvollziehen zu können, warum der Österreichische Rundfunk gerade dieses Stück für eine Hommage an den Dichter im Rahmen der sonntäglichen Hörspielreihe ausgewählt hat (auch wenn die Ausstrahlung letztlich wegen des Todes von Friederike Mayröcker am 4. Juni 2021 auf einen späteren Sendetermin verschoben wurde). 2 Da Legionäa Asterix Wie man an die Analyse von Comic-Übersetzungen herangeht und welche Elemente dabei zu berücksichtigen sind, hat Klaus Kaindl in seiner Habilitationsschrift (Kaindl 2004) höchst umsichtig und anhand vieler konkreter Beispiele demonstriert. Bei dem hier zu besprechenden Text handelt es sich um eine intralinguale Übersetzung aus zweiter Hand. Damit ist die Behauptung aufgestellt, dass H. C. Artmann, der viele Werke aus dem Französischen übersetzt hat, in diesem Fall nicht (oder allenfalls nur ganz punktuell) auf das Original Astérix légionnaire (Goscinny/ Uderzo 1967) zurückgegriffen hat, sondern als Ausgangstext die deutsche Übersetzung Asterix als Legionär aus dem Jahr 1971 verwendet hat. Der Nachweis dieser Filiation wäre unschwer durch einen detaillierten Übersetzungs‐ vergleich anhand zahlreicher Beobachtungen zu erbringen, erübrigt sich aber durch die Deklaration im Impressum, wo offengelegt wird, dass die „stori fon Goscinny“ (Cover) „zeascht fon da Gudrun Penndorf M. A. ausm französischn ins hochdeutsche üwasezzt“ wurde; „die wiena fassung is fon H. C. Artmann“. Auch alle anderen produktionsrelevanten Informationen werden in (mehr oder weniger) dialektaler Form mitgeteilt (z. B. „des is a druk auf gloafrein bapia“), was bei den ersten beiden Vorgängerbänden der „Wiener“ Reihe nicht so gehandhabt wird; dort sind die verlagstechnischen Angaben in konventionellem Standarddeutsch formuliert. In diesem Zusammenhang sei auch angemerkt, dass die Schreibung dialektaler Elemente auf dem Cover variiert (vgl. z. B. Band 1: „Asterix redt wienerisch“ vs. Band 3: „ret“; „Übatrogn von Dr. a. D. Kurt Ostbahn“ vs. „übadrogn fon H.-C. Artmann“). Für die sprachliche Gestaltung, auf die wir uns hier konzentrieren, ist die Berücksichti‐ gung des soziokulturellen Settings in der Regel ein sensibler Faktor. Kaindl thematisiert denn auch die Problematik des Umgangs mit diatopischen und diastratischen Varietäten. Der Umstand, dass der französische Ausgangstext zwar eine Reihe von Wortspielen und An‐ spielungen auf Kulturspezifika (deren humoristischer Wert oft auf ihrem Anachronismus beruht) enthält, aber grundsätzlich den Normen der modernen Standardsprache folgt, hat der Übersetzerin Gudrun Penndorf das Jonglieren mit Varietäten erspart. Und warum eine Übersetzung in einen Dialekt im vorliegenden Fall gelingen kann, sieht Kaindl darin 154 Wolfgang Pöckl <?page no="155"?> begründet, dass „in manchen Geschichten [der Astérix-Serie] die Verankerung in einen französischen Kontext sekundär und der dialektale Transfer in eine andere Kultur nicht als Widerspruch empfunden [wird]“ (Kaindl 2004: 275). Allerdings ermöglicht, ja erfordert die Übersetzung in einen Dialekt im Sinne einer größeren Authentizität eine figurenspezifische sprachliche Differenzierung, die in der standardsprachlichen Version deutlich weniger ausgeprägt sein kann. Zur Erinnerung sei der Inhalt von Astérix légionnaire kurz zusammengefasst: Die zur Schönheit erblühte Falbala kommt nach ihrer Ausbildung in Condate (= Rennes) in ihr Dorf zurück. Obelix ist bezaubert und einigermaßen verwirrt. Nach einigen unbeholfenen Sympathiebekundungen sind er und Asterix anwesend, als Falbala die Nachricht überbracht wird, dass ihr Verlobter Tragicomix von den Römern zwangsrekrutiert wurde und in Afrika im Heer Cäsars kämpfen soll. Die beiden gallischen Helden verpflichten sich als Legionäre, befreien nach einigen spektakulären Abenteuern Tragicomix aus den Händen der Römer und ermöglichen die Heirat des jungen Paars. Obelix schwankt zwischen Stolz auf seine heldenhafte Aktion und (nobel unterdrückter) Enttäuschung über seinen Misserfolg als stiller Verehrer. Es gehört zum Prinzip der Asterix-Dialektausgaben, dass dem Text ein Glossar voraus‐ geht. Artmann war es offensichtlich ein Anliegen zu demonstrieren, wie stark der Wiener Dialekt mit Lehnelementen unterschiedlichster Herkunft durchsetzt ist. Als erklärungsbe‐ dürftig erachtet wurden z. B. feschak ‚gutaussehender Mann‘, masn ‚Glück‘, piwo ‚Bier‘, schtantepede ‚sofort‘, tachinira ‚Tagedieb‘, tschako ‚Paradehut oder Helm‘. Ferner bedürfen zahlreiche Phraseologismen einer Übersetzung: ane zintn ‚eine Ohrfeige erteilen‘, di wadln firerichten ‚drakonische Erziehungsmaßnahmen ergreifen‘, schmeestad sei ‚nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll‘, zwida is jo ned ‚sie sieht gut aus‘ etc. Das Personal der Serie besteht aus Figuren mit großteils sprechenden Namen. Hier muss sich der Übersetzer naturgemäß an die von Gudrun Penndorf eingeführten Namen halten: Panoramix erscheint also auch bei Artmann als der Druide Miraculix, Assurancetourix als Troubadix, Abraracourcix als Majestix. Anders ist das bei den Namen der Legionäre, die nur in diesem einen Band auftauchen. Der Grieche Plazadetoros heißt so wie bei Penndorf auch bei Artmann Militaros, die übrigen Legionäre werden aber kreativ umbenannt, teilweise werden ihnen auch entsprechende Schriften zugeordnet. Der Brite Faupayélatax (Penndorf: Eftax) wird zu Strikix, der Belgier Mouléfix (Penndorf: Mannekenpix) zu Brunzius, der Gote Chiméric (Penndorf: Kriegmichnich) zu Rasierdich, der Ägypter Courdeténis (Penndorf: Tennisplatzis) zu Kickplatzis, wobei die im Original und in der standarddeutschen Überset‐ zung auch bildlich dargestellte Bedeutung in der Wiener Fassung durch ein Fußballfeld ersetzt worden ist. Zu den Charakteristika von Comics zählen Interjektionen. Hier findet Artmann verschie‐ dentlich originelle Lösungen. Als Obelix zu Beginn der Geschichte geistesabwesend, weil von Gedanken an die schöne Falbala abgelenkt, gegen einen Baum rennt, auf dem Miraculix sitzt und Misteln schneidet, ruft er im Original „Aïe“, in der Übersetzung Penndorfs „Aua“, bei Artmann, mehr überrascht als wehleidig, „Hoet aus! “ (5). Eine andere, seinerzeit ebenfalls umstrittene sprachliche Besonderheit von Comics sind die - heute im Duden (2016: 611) als eigene Wortart geführten - Inflektive. Artmann setzt sie auch an Stellen ein, wo Penndorf sie vermeidet. Obelix, erneut in Gedanken an Falbala H.-C. Artmann als Übersetzer in Nichtstandardvarietäten 155 <?page no="156"?> versunken, äußert Laute, die sich offenbar schwer in Sprechblasen graphisch wiedergeben lassen. Uderzo: „Gros soupir“ / „Très gros soupir“ / „Énorme soupir“; Penndorf: „Grosser Seufzer” / „Sehr grosser Seufzer“ / „Riesenseufzer“; Artmann: „Seufz! “ / „Seufz! “ / „Seufz! Seufz! “ (6) Gruß- und Verabschiedungsformeln bieten sich besonders gut für die Sichtbarmachung von Kulturspezifik an, zumal sie ein feines Instrumentarium zur Kennzeichnung der Beziehung zwischen den Gesprächspartner: innen darstellen. Im Original und in Penndorfs Übersetzung fallen diese Sprechakte durchweg konventionell aus. Mit „Guten Tag, o Miraculix“ begrüßt Falbala den Druiden, der den Gruß mit „Guten Tag“ erwidert. Und „Auf Wiedersehen! “ ruft sie Asterix und Obelix zu. Ganz anders bei Artmann: „Griass Got Hea Miraculix“ - „Grüss Gott! “ (man beachte nicht nur die süddeutsch-österreichische Gruß‐ formel, sondern vor allem den soziolinguistisch-pragmatisch markierten Unterschied). Wesentlich familiärer ist Falbalas Umgang mit den beiden Protagonisten: „Oeso, tschau, tschüü, baba! “ (7) Das Spiel mit Varietäten funktioniert auch im babylonischen Sprachengewirr der Legionäre. Während der Gote bei Penndorf Standarddeutsch spricht, hat er bei Artmann einen bundesdeutschen Akzent: „Was hat denn der Zenturio gefraacht? “ (29) Lateinische Einsprengsel bieten Artmann manchmal Gelegenheit zu phantasievollen Ausschmückungen. Ein römischer Soldat erkundigt sich beim Blumen pflückenden Obelix nach seinem Befinden. Im französischen Original wird der Leserschaft zugemutet, dass sie „quomodo vales? “ versteht, in der standarddeutschen Fassung wird die Übersetzung („*Lat.: Wie geht’s? “) unterhalb der Panels quasi als Fußnote mitgeliefert; Artmann baut die Frage aus: „… Quomodo vales*; hau du ju du, wi a ol frends! “ (10) und fügt ebenfalls die Übersetzung („*wia geht’s“) bei. Die sachliche und sprachliche Vermischung von Zeitebenen ist bekanntlich ein be‐ währtes Rezept Goscinnys zur Erzeugung komischer Effekte. In Sachen kreative Ana‐ chronismen übertrifft Artmann diesbezüglich gelegentlich das Original und baut Stellen mit eigenen Einfällen aus. In der Szene, in der Panoramix eine Konversation zwischen Obelix und Falbala einfädelt, folgt Penndorf weitgehend (mit Ausnahme der Namen) der französischen Vorlage: Obelix: Falbala! Du bist doch die Tochter von Quantaplanckix, die nach Condate* [*das heutige Rennes] studieren ging, wie hast du dich verändert! Falbala: Ich war zwei Jahre lang da unten. Als ich von hier wegging, war ich noch ein kleines Mädchen mit sooo langen Zöpfen! (7) Obelix: Falbala, bist du ned di Klaane fon Quantaplantix, di wos auf da Uni in Condate* [*des heitige Rennes] woa? Gros bist woan! Bist jo scho a richtige Lädi-… Falbala: Zwa Joa woare auf da Knedlakademii … Wiare weg bin, woare no di Klaane mid da Gredl-Frisua! Die Nachricht von Falbalas Verlobtem Tragicomix, er sei zum römischen Heer eingezogen (Artmann: „zwangsassentiad“) worden, gibt Artmann noch eine Gelegenheit zum Ein‐ schmuggeln humoristischer Details. Auf Asterix‘ Frage, wer denn Tragicomix sei, heißt es bei Penndorf: „Wir haben uns in Condate kennengelernt, er ist mein Verlobter, wir wollten 156 Wolfgang Pöckl <?page no="157"?> heiraten“ (12). Artmann macht daraus: „Mia hom uns in Condate in Hallnbod kennagleand, Liebe aufn eastn Blik, am easchtn Mei woetn ma uns des Jowoat gebn! “ Im Großen und Ganzen erweist sich Artmann bei seinem Ausflug in die Welt der Comics als relativ „disziplinierter“ Übersetzer. Die gattungstypisch hohe Frequenz von Interjektionen und Gefühlsäußerungen, im konkreten Fall auch von soldaten- und kom‐ mandosprachlichen Elementen lässt den in diesen Bereichen gut ausgestatteten Dialekt allerdings gewissermaßen von Natur aus als besonders textadäquate Varietät erscheinen. 3 Daisy Ashfords Junge Gäste oder Mr. Salteenas Plan Einen Übersetzungsauftrag der besonderen Art vermittelte der spätere Professor für Anglistik an der Universität Frankfurt am Main Klaus Reichert in seiner Funktion als Verlagslektor Mitte der sechziger Jahre dem befreundeten Dichter Artmann. Daisy Ashford (1881-1972) hatte als neunjähriges Mädchen den Roman The Young Viseters [bei der Publikation in Visiters geändert] or Mr Salteenas Plan geschrieben, der durch Zufall 1919 aus seinem Dornröschenschlaf in einer Kommode seiner Verfasserin erlöst wurde, dank des Engagements der beiden renommierten Schriftsteller Frank Swinnerton und James M. Barrie im englischsprachigen Raum nicht nur Bekanntheit, sondern regelrechten Kultstatus erlangte und alsbald auch in Frankreich, lanciert von dem Dichter Jean Cocteau, als literarisches Gustostück gehandelt wurde. Unmittelbar nach seinem Erscheinen beim ange‐ sehenen Londoner Verlag Chatto & Windus wurde er zu einem Bühnenstück, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem Musical sowie einem Kinofilm und 2003 zu einer TV-Produktion verarbeitet (cf. Wikipedia: The_Young_Visiters). Im deutschen Sprachraum wissen nur Eingeweihte von dem 1965 in einem Schweizer Kleinverlag erschienenen Text und seiner Entstehungsgeschichte, weshalb es angebracht schien, auch noch auf dem Cover der neueren Ausgabe das Alleinstellungsmerkmal des Werks offenzulegen: Junge Gäste oder Mr. Salteenas Plan. Ein Liebes- und Gesellschaftsroman um 1900 geschrieben von Daisy Ashford im Alter von 9 Jahren. Übersetzt von H. C. Artmann. Mit einem Vorwort von Peter Bichsel (Ashford 2000; aus dieser Ausgabe wird in der Folge zitiert). Die Spezifizierung der Gattung auf dem Titelblatt zeigt bereits an, dass es sich nicht (wie in bibliographischen Quellen meist suggeriert) um Lesestoff für Kinder handelt, sondern um ein Stück Literatur, das mit Werken rivalisiert, wie sie in den Bücherschränken von Erwachsenen, zu denen die junge Autorin offensichtlich ungehinderten Zugang hatte, stehen. Die verschiedentlich von englischen Literaturwissenschaftler: innen geäußerte Vermutung, die Geschichte sei als Parodie zu lesen, geht zweifellos an der Intention der Verfasserin vorbei. Peter Bichsel hat daher völlig Recht, wenn er Respekt einfordert: „Ich bitte den Leser um Ernst für dieses Buch.“ (7) Was er damit meint, ist klar: Man möge die Autorin nicht belächeln, aber natürlich darf man sich von dem Charme des Romans bezaubern lassen, der hauptsächlich auf drei Komponenten verteilt ist: erstens auf die Handlungsebene, die dem Realitätscheck nicht immer standhält, weil sich die Dinge in der Lebenswelt (z. B. der Hocharistokratie) etwas anders abspielen, als sich eine Neunjährige aus großbürgerlichem Milieu das vorstellt; zweitens auf die beherzt und unbekümmert anarchische Orthographie, der sich Daisy befleißigt, und den weitgehenden Verzicht auf Interpunktion; drittens auf gelegentliche H.-C. Artmann als Übersetzer in Nichtstandardvarietäten 157 <?page no="158"?> Fehlgriffe im stilistischen Register, die zum Teil durch die (wohl nicht immer altersge‐ mäßen) Lektüreerfahrungen der Autorin induziert sind. Die erste Ebene stellt für den Übersetzer insofern kein Problem dar, als er naturgemäß nicht in den Ablauf der Handlung eingreifen darf. Der Plot, kurz zusammengefasst, ist folgender: Die 17-jährige Ethel Monticue, aus bescheidenen Verhältnissen stammend (wie man am Ende eher beiläufig im Zusammenhang mit der Schilderung der Hochzeitsfeier‐ lichkeiten erfährt), wohnt bei Alfred Salteena, einem alleinstehenden Mann mittleren Alters. Bernard Clark, ebenfalls Junggeselle, lädt Alfred und seine Begleiterin ein, ihn zu besuchen. Alfred leidet an einem sozialen Minderwertigkeitskomplex und möchte gern „gentlemännischer“ werden, weswegen Bernard ihn einem Earl anempfiehlt, der sich die entsprechende Sozialisation angelegen sein lassen will und Alfred unter erfundenem Namen in die High Society einführt. Indessen kommen Bernard und Ethel einander näher. Alfred Salteenas Plan, Ethel zu heiraten, scheitert, denn am Ende sind Bernard und Ethel ein Paar. Gefordert ist der Übersetzer dagegen natürlich im Hinblick auf die Sprachgestalt. Da bei der Publikation des Originals nur Absätze eingefügt wurden, der Wortlaut des Texts (mit Ausnahme des punktuellen Eingriffs im Titel) aber unverändert blieb, sieht sich das Lesepublikum einer überaus unkonventionellen Orthographie gegenüber, auf die sich die Aufmerksamkeit der Kritik bisher ziemlich ausschließlich fokussiert hat. Um einen kurzen, aber repräsentativen Einblick in die Natur des Texts zu geben, sei eine kleine Sequenz zitiert: [Bernard zeigt seinen Gästen Gemälde seiner Vorfahren]: I see you have a lot of ancesters said Mr Salteena in a jelous tone, who are they. Well said Bernard they are all quite correct. This is my aunt Caroline she was rarther exentrick and quite old. So I see said Mr Salteena and he passed on to a lady with a very tight waist and quearly shaped. That is Mary Ann Fudge my grandmother I think said Bernard she was very well known in her day. Why asked Ethel who was rarther curious by nature. Well I dont quite know said Bernard but she was and he moved away to the next picture. It was a man with a fat smiley face and a red ribbon round him and a lot of medals. My great uncle Ambrose Fudge said Bernard carelessly. He looks a thourough ancester said Ethel kindly. Well he was said Bernard in a proud tone he was really the Sinister son of Queen Victoria. Not really cried Ethel in excited tones but what does that mean. Well I dont quite know said Bernard Clark it puzzles me very much but ancesters do turn quear at times. (24) Wie ich sehe hast du ja ganz eine Masse Ahnen sagte Mr Salteena in eifersüchtiger Tonart. Wer sind sie? Tscha sagte Bernard die sind alle in Ordnung. Das ist hier Tante Caroline sie war ziemlich schrullig und steinalt. Man siehts sagte Mr Salteena und ging weiter zu einer Dame mit Wespentaille und eigentümlich geformt. Das ist Mary Ann Futsch meine Großmutter denke ich sagte Bernard sie war ihrerzeit recht bekannt. 158 Wolfgang Pöckl <?page no="159"?> Warum fragte Ethel die von Natur aus ziemlich neugierig war. Tscha ganz genau weiß ich das auch nicht sagte Bernard aber sie war es nun mal und damit verfügte er sich zum nächsten Bild, Es war ein Mann mit fettem lächelnden Antlitz und einem roten Ordensband und einem Haufen Medahlien. Mein Großonkel Ambrose Futsch sagte Bernard lässig. Oh er schaut durch und durch ahnisch aus sagte Ethel herzlich. Tscha das war er auch sagte Bernard in stolzer Tonart und um bei der Wahrheit zu bleiben er war der linkshändige Sohn der Königin Victoria. Nein was sie nicht sagen rief Ethel in aufgeregter Tonart aber was soll das heißen linkshändig. Tscha ich weiß das selber nicht recht sagte Bernard Clark es bringt mich etwas in Verwirrung, allein Ahnen schlagen bisweilen wunderlich aus. (20/ 21) Es liegt auf der Hand, dass die Aufgabe des Übersetzers nicht darin bestehen kann, jeden Fehler genau nachzubilden. Da die idiosynkratische englische Orthographie sehr viel mehr Anlass zu Fehlern gibt als die deutsche, ist es nachvollziehbar, dass Artmann die Verstöße vor allem bei Lehn- und Fremdwörtern eingebaut hat, wozu sich beispielsweise Passagen, in denen Mode und Kulinarik Thema sind, besonders gut eignen; hier einige Beispiele aus verschiedenen Kategorien: Gemählde (22), Dutzent (45), Fliederwochen (70); Schampanjer (45), Scherriwein (19); Schapoklack (67), eckzentrische Carros (61), rotes Rusch (12); rufte (passim), denkte (19), waschte (24) (Details in Pöckl 2011). In der Übersetzung des oben zitierten Auszugs fällt nur ein echter Rechtschreibfehler auf: Medahlien. Auch sonst zeigt sich Artmann eher zurückhaltend bei der „Erfindung“ von orthographischen Abweichungen. Erstaunlich ist, dass die deutsche Groß-/ Kleinschreibung gar nicht als Fehlerquelle in Betracht gezogen wurde. Wenn sich, wie in der zitierten Passage, kaum Wörter anbieten, die glaubhaft orthogra‐ phisch deformiert werden können, zieht Artmann es vor, auf andere Kategorien von Fehlern auszuweichen, z. B. auf die Wortbildung. So wenn Ethel feststellt, dass Bernards Großvater „durch und durch ahnisch aus[schaut]“. Ein weiteres Verfahren, die orthographischen Freiheiten in anderer Form zu kompen‐ sieren, besteht darin, die Skala der stilistischen Ausdrucksmittel etwas nach oben in Richtung Preziosität zu forcieren. Eine Halskette, „a birthday present“ (23), bekommt Ethel von Mr. Salteena „zum Wiegenfest“ (19) geschenkt. Wenn Bernard bei der Führung durch die Ahnengalerie „moved away to the next picture“, so „verfügte er sich zum nächsten Bild“, auf dem ein Mann mit „smiley face“ / einem „lächelnden Antlitz“ zu sehen ist. Die von Daisy Ashford strapazierte Konstruktion „in a … tone“ (s. o.: jelous / proud / excited) nimmt Artmann wörtlich auf und lässt die Figuren sich „in eifersüchtiger / stolzer / aufgeregter Tonart“ äußern. Für diese Art von Übersetzung gab es keine Vorbilder und keine Paralleltexte, an denen man die Tauglichkeit von Übersetzungspraktiken hätte messen können. Man darf Artmann sicher zugestehen, dass er seine kreativ-spielerische Ader mit Augenmaß eingesetzt hat und dem Text beziehungsweise seiner Verfasserin im Sinne Peter Bichsels weitgehend gerecht geworden ist. H.-C. Artmann als Übersetzer in Nichtstandardvarietäten 159 <?page no="160"?> 4 Villon: Baladn Die vermutlich größte und nachhaltigste Resonanz unter allen Übersetzungen Artmanns erzielte im Kulturbetrieb die Dialektversion von Texten des spätmittelalterlichen französi‐ schen Dichters François Villon. Aus philologischer Sicht sind vor einer eingehenderen Besprechung konkreter Texte mehrere Anmerkungen vorauszuschicken. Erstens: Der Ausgangstext legt die Verwendung des Dialekts nicht nahe. Zwar war das Französische im 15. Jahrhundert noch nicht standardisiert, aber die Pariser Varietät stellte bereits seit mindestens einem Jahrhundert de facto die Referenznorm für die französische Literatur dar. Zweitens: Der Wahl des Dialekts liegt seitens des Übersetzers keine folkloristische Motivation zugrunde. Die Wiener Gruppe (der Artmann nicht zugezählt werden wollte, wenn er nicht überhaupt ihre Existenz in Frage stellte) hatte den Dialekt als neues künstlerisches Ausdrucksmittel entdeckt, das Artmann 1958 mit der Gedichtsammlung med ana schwoazzn dintn eindrucksvoll legitimierte. Drittens: Der Titel Baladn, unter dem die Übersetzung in den Sechzigerjahren in Buchform und auf Tonträgern in Umlauf kam, ist unzutreffend. Nur ein Teil der übersetzten Texte gehört dieser Gattung an (zu den Definitionsmerkmalen s. u.). Viertens: In der literaturwissenschaftlichen Community scheint ein unwiderruflicher Konsens darüber zu bestehen, dass es sich bei Artmanns Villon-Übersetzung in Wirklichkeit um eine freie Nachdichtung handle. Wenn man sich jedoch der Mühe unterzieht, einen ernsthaften Übersetzungsvergleich vorzunehmen, wird man zu der Einsicht gelangen, dass sich kaum eine Übersetzung inhaltlich so konsequent am Ausgangstext orientiert wie die Version Artmanns (cf. Pöckl 1990: 231-246). Diese anerkennende Feststellung ergibt sich allerdings nur bei einer „mikroskopischen“ Analyse der Texte. Vertritt man die - bis heute umstrittene - Auffassung, dass dem Testament Villon (im Deutschen meist Großes Testament genannt) eine wohldurchdachte Struktur zugrunde liegt, so wäre Artmann der Vorwurf zu machen, dass er einzelne Texte herausgelöst, mit Stücken aus den Poèmes variés (1977) kombiniert und willkürlich neu angeordnet hat. Wie Artmann mit Villons Texten verfährt, soll an der ersten Strophe der letzten Ballade aus dem Testament illustriert werden. Vor einer solchen Analyse ist daran zu erinnern, dass die Ballade in der spätmittelalterlichen französischen Literatur eine Dichtungsgattung mit einer sehr genau definierten Struktur ist. Sie besteht aus drei Strophen und einer abschließenden Halbstrophe (envoi); die Zahl der Verse korreliert mit der Zahl der Silben pro Vers (im vorliegenden Beispiel heißt das: huitain / octosyllabe; es gibt als verbreitete Variante, auch bei Villon, die Form dizain / décasyllabe). Die Anordnung der Reime ist genau vorgegeben (im huitain ababbcbc, und zwar für das gesamte Gedicht; eine auf der Zahl Acht beruhende Ballade kommt also mit insgesamt nur drei Reimen aus); der letzte Vers jeder Strophe ist der Refrain. Formal lässt sich Artmann vom Ausgangstext nur bedingt einschränken. Die einlei‐ tenden Strophen im Testament, von Villon exakt nach dem Muster der besprochenen Bal‐ ladenstrophe gebaut, sehen in der Übersetzung ganz anders aus: Sie sind auf achtzehn bzw. siebzehn Kurzverse gestreckt und kommen ohne Reime aus. Dank dieses Verfahrens kann Artmann einen rhythmisch geformten, syntaktisch flüssig zu lesenden Text herstellen, was im Vergleich zu älteren Versionen einen bemerkenswerten Vorteil für die Rezeption darstellt (die heute als Standardversion geltende, rhythmisierte, durchweg reimlose Übersetzung 160 Wolfgang Pöckl <?page no="161"?> des Testament von Frank-Rutger Hausmann (1988) hält sich auch an die Anzahl der Verse des Originals). Für die (bei Villon titellose) schlusbalade hat sich Artmann auch noch die Mühe des Reims - allerdings des weniger anspruchsvollen Paarreims - auferlegt. Anstatt acht haben die drei Strophen jeweils zehn Verse, wobei der Refrain, den Artmann immer besonders einprägsam zu formulieren bemüht ist, hier wie auch in anderen Balladen zwei Verse umfasst (vgl. die Contreditz de Franc Gontier: „Il n’est tresor que de vivre a son aise“ mit der entgegnung aunan franc gontier: „gliklech bisd nua r auf da wöd, / schwimst in recht an hauffm göd! “). Der envoi hat, wie im Ausgangstext, nur vier Verse, weil Artmann hier ausnahmsweise den Refrain durch einen Einzelvers ersetzt. [BALLADE] schlusbalade Icy se clost le testament endlich kumd s jezt zu an end Et finist du povre Villon. mi n villon sein destament. Venez a son enterrement, head s de glokna, dumöd s eich Quant vous orez le carillon, und ged s mid med seina leich. Vestuz rouge com vermeillon, ziagt s eich purpurkutna r au, Car en amours mourut martir; den ea hod sei bluad fadau, Ce jura il sur son coullon, is fia d liab nua gmatad wuan, Quant de ce monde voult partir. hod s bei d eignan eia gschwuan, (Villon 1974: 156) wia r a sein entschlus hod gfost, - das a r unsa wöd falost-… - (Villon/ Artmann 1968: 81) Alle gedruckten Ausgaben der Übersetzung Artmanns sind von „einer hochdeutschen Rückübertragung“ von Friedrich Polakovics begleitet. Diese Information ist insofern zu präzisieren, als es zwei Versionen davon gibt (s. u.). In der zweiten Fassung mussten bei den gereimten Partien öfter Kompromisse eingegangen werden. Als Lesehilfen für dialektunkundige Leser: innen mögen diese Rückübertragungen immer noch hilfreich sein, die Konnotationen sind vielfach aber wohl nicht äquivalent. Schlußballade Schlußballade endlich kommt es nun zu einem ende Endlich kommt zu einem End mit dem testament villons. jetzt Villon sein Testament. hört die glocken, beeilt euch Hört die Glocken, eilet euch und geht mit seinem leichenzug mit. und geht mit mit seiner Leich. legt purpurkutten [sic] an, Zieht euch Purpurketten [sic] an, denn er vertat sein blut, denn er hat sein Blut vertan, wurde für die liebe nur gemartert, ist für die Lieb nur gemartert wor’n, schwor dies bei seinen eigenen hoden, hat’s bei den eigenen Eiern geschworn, als er seinen entschluß faßte, als er den Entschluß gefaßt, unsere welt zu verlassen. daß er unsre Welt verlaßt-… (Villon/ Artmann/ Polakovics 1968: 80) (Villon/ Artmann/ Polakovics 1998: 64) H.-C. Artmann als Übersetzer in Nichtstandardvarietäten 161 <?page no="162"?> 5 Resümee H. C. Artmann hat sich als Übersetzer auf eine Reihe von Experimenten eingelassen. Die hier vorgestellten Beispiele von Übersetzungen in Non-Standard-Varietäten unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht voneinander: erstens in Bezug auf die Gattung: Komödie, Comic, Roman, Gedichte; zweitens hinsichtlich der Entstehungszeit der Ausgangstexte: Spätmittelalter, Goethezeit, Viktorianisches Zeitalter, zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts; drittens, was die Sprache des Ausgangstextes anbelangt: Deutsch, Englisch, Französisch. Da Literaturgeschichten und Literaturlexika kaum je ausführlicher auf übersetzerische Leistungen von Schriftsteller: innen eingehen, besteht vorderhand wenig Aussicht auf eine angemessene Würdigung des Übersetzers H. C. Artmann in repräsentativen Nachschlage‐ werken. Die beiden Jubiläen der jüngsten Zeit (2020: 20. Todestag, 2021: 100. Geburtstag) hätten sich als Gelegenheit für eine Monographie oder einen Sammelband angeboten, wurden aber leider für diesen Zweck nicht wahrgenommen. Literatur Primärliteratur a) Ausgangstexte Ashford, Daisy (1951). The Young Visiters. London: Chatto & Windus. Goscinny, René/ Uderzo, Albert (1967). Astérix légionnaire. Paris: Hachette. Kleist, Heinrich von (2014 [1811). Der zerbrochne Krug. Ein Lustspiel. Hrsg. von Mario Leis und Natali-Eirini Petala-Weber. Stuttgart: Reclam. Villon, François (1974). Le Testament Villon. Édité par Jean Rychner et Albert Henry. I: Texte. Genève: Droz. Villon, François (1977). Le Lais Villon et les Poèmes Variés. Édité par Jean Rychner et Albert Henry. I: Textes. Genève: Droz. b) Übersetzungen Artmann, H. C. (1992). Der zerbrochene Krug von H. C. Artmann nach Heinrich von Kleist. Salzburg: Residenz Verlag. Ashford, Daisy (1965). Junge Gäste oder Mr. Salteenas Plan. Übersetzt von H.-C. Artmann. Olten: Collection Känguruh. Ashford, Daisy (2000). Junge Gäste oder Mr. Salteenas Plan. Ein Liebes- und Gesellschaftsroman um 1900 von Daisy Ashford geschrieben im Alter von 9 Jahren. Übersetzt von H.-C. Artmann. Mit einem Vorwort von Peter Bichsel. Düsseldorf: Artemis & Winkler. Goscinny, René/ Uderzo, Albert (1971). Asterix als Legionär. Übersetzt von Gudrun Penndorf. Gü‐ tersloh: Ehapa. Goscinny, René/ Uderzo, Albert (1999). Da Legionäa Asterix. Übersetzt von H.-C. Artmann. Wien: Egmont. Villon, François (1968). Baladn. In Wiener Mundart übertragen von H.-C. Artmann. [Mit hochdeut‐ scher Rückübertragung von Friedrich Polakovics.] Frankfurt a.-M.: Insel. Villon, François (1988). Das Kleine und das Große Testament. Französisch/ Deutsch. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Frank-Rutger Hausmann. Stuttgart: Reclam. 162 Wolfgang Pöckl <?page no="163"?> Villon, François (1998). Hoat und zoat. Eine Auswahl der lasterhaften Balladen übertragen in den Wiener Dialekt von H.-C. Artmann, samt einer hochdeutschen Rückübertragung von Friedrich Polakovics. Wien: Deuticke. Sekundärliteratur Bichsel, Peter (2000). Vorwort. In: Ashford, Daisy. Junge Gäste oder Mr. Salteenas Plan (übersetzt von H.-C. Artmann). Düsseldorf: Artemis & Winkler, 7-8. Brandt, Lars (2001). H.-C. Artmann. Ein Gespräch. Salzburg: Residenz Verlag. Duden - Die Grammatik ( 9 2016). Herausgegeben von Angelika Wöllstein und der Dudenredaktion. Berlin: Dudenverlag. Holzner, Johann (2020). Ein Potpourri von Bedeutungsräumen. H. C. Artmann: Der zerbrochene Krug. In: Klettenhammer, Sieglinde/ Wiesmüller, Wolfgang (Hrsg.). Entwicklungen der Dramatik und Formen des Theaters in Österreich seit den 1960er Jahren. Innsbruck: iup, 177-184. Kaindl, Klaus (2004). Übersetzungswissenschaft im interdisziplinären Dialog. Am Beispiel der Comic-Übersetzung. Tübingen: Stauffenburg. Pöckl, Wolfgang (1990). Formen produktiver Rezeption François Villons im deutschen Sprachraum. Stuttgart: Akademischer Verlag Hans-Dieter Heinz. Pöckl, Wolfgang (2011). Dichter übersetzt Kind. H.-C. Artmann und Daisy Ashford. In: Bauer, Matthias/ Pfeiffer-Rupp, Rüdiger/ Sasse, Claudia/ Wienen, Ursula (Hrsg.). Sprache, Literatur, Kultur: Translatio delectat. Festschrift für Lothar Černý zum 65. Geburtstag. Berlin: LIT Verlag, 233-245. Wikipedia (2022). The Young Visiters. https: / / en.wikipedia.org/ wiki/ The_Young_Visiters (zuletzt aufgerufen 01.01.2023) H.-C. Artmann als Übersetzer in Nichtstandardvarietäten 163 <?page no="165"?> Is a translation ever finished? Nitsa Ben-Ari Abstract: In 2006, my Hebrew translation of Goethe’s Faust appeared, after five years of work. It created a buzz and won me prizes, yet I was dissatisfied with one key passage, where, to circumvent a particular rhyme constraint, I added a word. One word. The passage starting with “Werd ich zum Augenblicke sagen” (‘If, to the fleeting moment I should say’). Now, many fellow Faust translators have grappled with this passage, as I will show, adding words, phrases. But this addition haunted me. I kept on retranslating the passage in my mind until I came up with a better solution. It took several years for a new corrected edition to be printed, but in 2021 it finally came out. I kept wondering, throughout this inner process and ever since: is a translation ever finished? Does it go on haunting us translators endlessly? After all, there is always a ‘better’ word, a more adequate solution. Is the translator’s or writer’s doom to be forever at the pursuit of the right word? Keywords: Retranslation, poetry translation, prosody constraints, Faust translations 1 Introduction Does a painter know when his painting has been accomplished? When it is perfect as it is and not a single brushstroke is missing? Does a writer write the legendary word END, push back his pen/ Hermes Baby/ mouse, get up and - lo and behold! - his work is done? Or is it the debtors pounding on the door, Signor Rossini, who decide when the opera is completed? And what about the translation of a work of art, is the appointed deadline the decision maker? The contract with the publisher? If translation is a work of art, in that it recreates art, albeit in a different language, the same law should apply to it: it is never finished. One will have to make a deliberate decision that the work is done and over with. This is what I did in 2006. Decided that my translation of Goethe’s Faust was finished. I could go on perfecting it, interminably, but the moment had arrived. 2 Fleeting moments: Hebrew I And it was precisely that ‘moment’ that left me restless. The fleeting moment. I had been working on my Hebrew translation of Faust Parts I and II for about five years. When it finally appeared, it created a buzz and won me prizes, yet I was unhappy with one passage, where, to circumvent a particular rhyme constraint, I had added a word. One word. <?page no="166"?> Not just any passage but a key passage, the one starting with “Werd ich zum Augenblicke sagen” (‘If, to the fleeting moment I should say’). The notorious pact with the Devil, the core of Goethe’s masterpiece. Doctor Faust, old, tired of a lifetime of worthless pondering over volumes of forgotten lore, desperate of ever being able to fathom the secret of the universe, disenchanted blasé Doctor Faust is ready to seal the deal and sign it with a drop of his blood. And in his bitter desolation in this world, he adds: if ever a fleeting moment should be so beautiful that he would wish it to linger … Well, you know the story, the devil can take his soul then and there. The word ‘beautiful’, yafeh in Hebrew, did not rhyme with the word ‘life’, khayim, so I added the word ‘pleasant’, na’im, to it. Yafeh ve na’im. Now, adding a word in poetry translation is far from tragic, and has been done before, I venture to say, under this or that constraint. Many fellow translators of Faust have grappled with this passage, as examples below will demonstrate, adding words, sometimes phrases. But this particular addition haunted me. It literally kept me awake at night. As years went by, I kept on retranslating the passage in my mind, and on one occasion - illumination! - I came up with a better solution. Rather, a better solution came to me. From that moment on I could not rest until I would be able to introduce the change into a new edition of my translation. It took several years for a new edition to be published, but in 2021 it finally came out. Let me take you through the agony of the never-ending task of the translator. In one of the most well-known and often quoted lines in German literature, Faust vows: Werd ich zum Augenblicke sagen: Im le rega kholef avakesh le’emor: - Verweile doch! du bist so schön! Hishtahe na me’at, ko yafeh ve na’im! - Dann magst du mich in Fesseln schlagen, Tukhal bi’nkhustayim oti le’esor, - Dann will ich gern zu Grunde gehn! Ki tov li ha mavet al pnei ha khayim. - Dann mag die Totenglocke schallen, Pa’amon az yakhriz al sof darki, - Dann bist du deines Dienstes frei, Ve ata me khovkha elai naki. - Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen, Ha sha’on yidom, ha makhog ya’atzor, - Es sei die Zeit für mich vorbei! Va ani la’ad min ha olam e’evor. - (Goethe 1984: 201) (trans. Ben-Ari 2006: 113f.) - The constraints are clear: prosody, rhyme and rhythm patterns. I was enthralled with my tov li ha mavet al pnei ha khayim, the biblical-sounding collocation meaning ‘I prefer death to life’, yet I could not come up with a suitable rhyme for khayim (‘life’). The solution, as I said, was adding the word na’im (‘pleasant’) to the description of the fleeting moment. The rhyme was saved, but not the moment. And not my peace of mind. 3 Fleeting moments: English and French In the English translations, alterations had to be made as well, as the following examples will show: the first, Bayard Taylor’s classic 1871 translation, states it was “translated into English in the original metres”. Indeed, the rhyme pattern was kept, at the expense of additions such as the exclamatory “Ah” and syntactical “poetic license” such as “the 166 Nitsa Ben-Ari <?page no="167"?> Moment flying” or “still delay”. In Philip Wayne’s 1949 translation, the rhyme pattern was changed, and a repetition of the word remain was introduced. The third, Walter Kaufmann’s, from 1961, added emphasis, as well as the word wish, and the phrase I swear to rhyme with fair. The rhythm pattern in all three was generally kept. I should perhaps add that English, unlike Hebrew, has an abundance of one-syllable words, so that additions can be introduced without hampering the rhythm. When thus I hail the Moment flying: “Ah, still delay - thou art so fair! ” Then bind me in thy bonds undying, My final ruin then declare! Then let the death-bell chime the token. Then art thou from thy service free! The clock may stop, the hand be broken, Then Time be finished unto me! (trans. Taylor 1871: n.p.) If to the fleeting hour I say: ‘Remain, so fair thou art, remain! ’ Then bind me with your fatal chain, For I shall perish in that day. ‘Tis I for whom the bell shall toll, Then you are free, your service done. For me the clock shall fail, to ruin run, And timeless night descend upon my soul. (trans. Wayne 1949: 87) If to the moment I should say: Abide, you are so fair - Put me in fetters on that day, I wish to perish then. I swear. Then let the death bell ever toll, Your service done, you shall be free, The clock may stop, the hand may fall, As time comes to an end for me. (trans. Kaufmann 1961: 185) The two classic 19 th -century French translations of Faust by Gérard de Nerval and Henri Blaze de Bury dealt with the problem differently, mainly by disregarding the rhyme pattern. This seems to have been an accepted norm in French 19 th -century poetry translation, similar to the solution adopted by both Baudelaire (1847) and Mallarmé (1875) to translate Edgar Allan Poe’s The Raven in free verse. I found it an unacceptable solution for Faust, for its myriad rhyme patterns have a significant dramatic role in the play. From sing-song rhymes to dramatic elegies, the variety is not only to reflect Goethe’s ingenuity, but to introduce a mood, an atmosphere, a character. Even to introduce sympathies/ antipathies between characters by their (in)ability to inter-rhyme. Is a translation ever finished? 167 <?page no="168"?> Gérard de Nerval makes a somewhat feeble attempt at following the rhyme in the first line: Si je te dis à l’instant: Reste donc! tu me plais tant! Alors tu peux m’entourer de liens! Alors, je consens à m’anéantir! Alors, la cloche des morts peut résonner, alors tu es libre de ton service-… Que l’heure se fasse entendre, que l’aiguille tombe, que le temps n’existe plus pour moi! (trans. de Nerval 1828: 103) Si jamais je dis au moment: Attardetoi, tu es si beau! alors tu peux me charger de liens; alors je consens à m’engloutir; alors la cloche des morts peut sonner; alors tu es affranchi de ton service; que le cadran s’arrète, que l’aiguille tombe, et que le temps soit accompli pour moi! (trans. Blaze de Bury [1847] 1863: 199f.) The 1988 translation by Jean Malaplate did follow the rhyme pattern: Si je dis à l’instant qui passe: Arrête-toi, tu es si beau, Alors que ta chaîne m’enlace, Alors que s’ouvre mon tombeau, Que le glas des morts retentisse, Que s’achève aussi ton service, Que l’aiguille retombe à l’heure du trépas Et que le temps pour moi s’anéantisse. (trans. Malaplate 1988: 79) I learned only recently that Edmond Rostand, one of France’s famous dramatists, had also been fascinated by Faust and spent a lifetime translating it into French verse. Philippe Bulinge, his devoted researcher, found Rostand’s manuscripts and published them (unfortunately, excerpts of Part I only) in 2007. Far from neglecting the rhythm and rhyme patterns, as did Nerval and Blaze de Bury, Rostand did his best to recreate them in a French alexandrine, at the expense, obviously, of textual accuracy. He keeps the eight original lines but plays around with their contents. Tope! Conclu! Si jamais, à l’instant, Je dis: “Oh, reste encore, reste, tu me plais tant! ” Si je veux l’arrêter par un pan de son aile, Alors je peux sombrer dans la nuit éternelle, Alors tu peux me prendre et m’emporter, alors La cloche peut tinter qui tinte pour les morts, Alors auprès de moi tu n’es plus de service, Et que le Temps s’arrête et que tout s’accomplisse! (trans. Rostand 2007: 42) 168 Nitsa Ben-Ari <?page no="169"?> 4 Fleeting moments: Hebrew II Back to my 2006 translation: printing a new Hebrew edition meant reprinting two pages in Part I, and two parallel pages in Part II, without interfering with page numbers, not a cheap endeavor for a publisher. In a world of electronic books, that would be a minor problem, but this academic publishing house worked with paper and print. To my immense relief, the publisher, a renowned scholar and himself a translator, gave his consent. The elimination of the extra word na’im led to rewriting the two sentences in italics. I took advantage of the occasion and supplied a more accurate translation of the two last lines as well, making the clock stop and its hand literally drop. Im le rega kholef avakesh le’emor: Ma yafita, rega! Sh’he na me’at! [‘how beautiful you are, moment, do linger a while’] Tukhal bi’nkhustayim oti le’esor, Va’ani beratzon ovad la’ad! [‘and I will forever perish willingly’] Pa’amon az yakhriz al sof darki, Ve ata me khovkha elai naki. Ha’shaon ya’atzor, ha’makhg yipol, [‘the clock will stop, the hand will fall’] Ve’al khayay nigzar lakhadol. [‘And my life is doomed to cease’] (trans. Ben-Ari 2021: 113f.) I have kept wondering, throughout this inner process and ever since: is a translation ever finished? Does it go on haunting us translators endlessly? After all, there is always a ‘better’ word, a more adequate solution. Is this the translator’s fate, or any writer’s, to be forever, relentlessly, in pursuit of the right word? Is this what makes translation a work of art? References Ben-Ari, Nitsa (2013). Hebrew Translations of German Classics - Attraction and Aversion. In: Brunner, José (Hrsg.) Deutsche(s) in Palästina und Israel: Alltag, Kultur, Politik. Göttingen: Wallstein Verlag, 130-142. Berman, Antoine (1990). La retraduction comme espace de la traduction. Palimpsestes 4, 1-7. Goethe, Johann Wolfgang von (1828). Faust. Traduit par Gérard de Nerval. Paris: Dondey-Dupres et fils, Imp.-Lib. https: / / fr.wikisource.org/ wiki/ Faust_(Goethe,_trad._Nerval,_1828) (last accessed 03 January 2023) Goethe, Johann Wolfgang von [1847] (1863). Faust. Traduit par Henri Blaze de Bury. Paris: Charpen‐ tier. tinyurl.com/ 26hcd49a (last accessed 03 January 2023) Goethe, Johann Wolfgang von (1879) Faust. Translated by Bayard Taylor. https: / / www.gutenberg.org/ cache/ epub/ 14591/ pg14591-images.html (last accessed 20 February 2023) Goethe, Johann Wolfgang von (1949). Faust. Translated by Philip Wayne. London: Penguin. Goethe, Johann Wolfgang von (1961). Faust. Translated by Walter Kaufmann. New York: Doubleday. Goethe, Johann Wolfgang von [1832] (1984). Faust. Berlin: Goldmann Verlag. Goethe, Johann Wolfgang von (1988). Faust. Traduit par Jean Malaplate. Paris: Garnier-Flamarion. Goethe, Johann Wolfgang von (2006). Faust. Translated by Nitsa Ben-Ari. Tel Aviv: Tel-Aviv University Press. Is a translation ever finished? 169 <?page no="170"?> Goethe, Johann Wolfgang von (2007). Faust de Goethe. Textes et Documents. Adaptation Inédite par Edmond Rostand. Édité par Philippe Bulinge. Paris: Éditions Théâtrales. Goethe, Johann Wolfgang von (2021). Faust. Translated by Nitsa Ben-Ari. Tel Aviv: Tel-Aviv University Press. Valéry, Paul (1957). OEuvres. Édité et annoté par Jean Hytier. Vol. 1. Paris: Gallimard. Woodsworth, Judith (2022). Remaking Richler for French Canada: Translation as Remaniement. In Canadian Literature 248: 149-157. https: / / canlit.ca/ article/ remaking-richler-for-french-canada -translation-as-remaniement (last accessed 20 February 2023) 170 Nitsa Ben-Ari <?page no="171"?> 1 Unless otherwise indicated, all translations from languages other than English are mine. Textual and academic visibility Three translators of Lewis Grassic Gibbon’s Sunset Song Susanne Hagemann Abstract: In this chapter, I shall examine aspects of translatorial visibility with regard to three translators and translations of Lewis Grassic Gibbon’s 1932 classic Sunset Song: Élisabeth Lavault-Olléon (French, 1997), Massimiliano Morini (Italian, 2005), and Esther Kinsky (German, 2018). My focus will be on how the ways in which the translators approach Gibbon’s use of the Scots language in their translations and their various paratexts affect translatorial visibility. The translators’ theoretical approaches and their translation strategies are quite different. Lavault-Olléon draws on Vermeer’s skopos theory and renders the social dimension of Scots by means of a colloquial, rural language. Morini, citing theorists such as Toury and his concept of norms, advocates the creation of what he calls a ‘synthetic Italian’. Kinsky, finally, invokes Walter Benjamin in arguing that literary translation is about language, not about culture or content, and uses words from Low German to translate Scots. Keywords: Visibility, paratexts, translator’s subjectivity, Scots language, Lewis Grassic Gibbon 1 Introduction Klaus Kaindl’s 2021 theorization of the visibility, or visibilities, of translations and transla‐ tors makes a significant contribution to clarifying and refining what he refers to as “an opaque concept” (2021: 35 1 ). Kaindl argues that visibility does not correlate with one specific translation strategy but “emerges from the actions and variegated interests of the stakeholders involved” and “depends on social, cultural, aesthetic, and economic factors” (2021: 41). Moreover, visibility is multidimensional, comprising as it does the textual, medial, social, and academic dimensions. In this contribution, I shall draw on Kaindl’s approach to explore three translations and translators of a Scottish twentieth-century classic. My focus will be on how (and in how far) the translators achieve visibility for themselves and their translations on the textual and academic levels, but the medial and social dimensions will play a certain role as well. All three translators have explicitly set out their theoretical positions on translation as well <?page no="172"?> 2 “The criterion distinguishing the epitext from the peritext - that is […], distinguishing the epitext from all the rest of the paratext - is in theory purely spatial. The epitext is any paratextual element not materially appended to the text within the same volume […]. The location of the epitext is therefore anywhere outside the book […].” (Genette 1997: 344) 3 Definitions are taken from the glossary in Gibbon (2007: 290-303). as the strategies used in translating Sunset Song. These paratexts - which consist of both peritexts such as prefaces and epitexts such as periodical publications 2 - are included in the dimensions of textual and academic visibility as described by Kaindl. The example that I shall use to illustrate issues of visibility will be the translators’ handling of a regional language employed in the source text. The source text, Lewis Grassic Gibbon’s Sunset Song (2007/ 1932), forms the first part of Gibbon’s trilogy A Scots Quair and is one of the best-known novels of the so-called Scottish Renaissance. One of its most prominent features is the use of Scots words in a text mainly written in English. Scots is a Germanic language, not to be confused with Scottish Gaelic, which belongs to the Celtic language family. This is the beginning of the novel’s “Prelude”: Kinraddie lands had been won by a Norman childe, Cospatric de Gondeshil, in the days of William the Lyon, when gryphons and such-like beasts still roamed the Scots countryside and folk would waken in their beds to hear the children screaming, with a great wolf-beast, come through the hide window, tearing at their throats. In the Den of Kinraddie one such beast had its lair and by day it lay about the woods and the stench of it was awful to smell all over the countryside, and at gloaming a shepherd would see it, with its great wings half-folded across the great belly of it and its head, like the head of a meikle cock, but with the ears of a lion, poked over a fir tree, watching. (Gibbon 2007: 9) The quotation includes Scots words such as childe ‘a full-grown, responsible male’, gloaming ‘twilight, dusk’, and meikle ‘great, much, large’. 3 Corbett (2003: 91) describes Gibbon’s Scots in Sunset Song as follows: Gibbon’s use of vocabulary adapts for English prose the synthetic approach to Scots poetry favoured by his friend, MacDiarmid: some archaic Scots and English items are mingled with general Scots terms, as well as a few regionalisms from different localities, though mainly north-eastern. The result is a literary construction of Scottish speech, rather than an ‘authentic’ recreation of the spoken Scots of Angus. This description applies to the narrative as well as the characters’ speech. Gibbon does not make a stylistic distinction between the two. As far as the individual translators and translations are concerned, Élisabeth Lavault- Olléon’s French translation first appeared in 1997 and was reissued in 2004 and 2016. She is a retired academic as well as a practising translator, and most recently taught Translation Studies at Grenoble Alpes University, France. An article in which she analyses her own translation has appeared in Meta (2006). Massimiliano Morini, like Lavault-Olléon, is both a translator and a translation scholar. In 2005, when his Italian translation of Sunset Song was published, he taught English Language and Translation at Udine University, Italy, and he currently works in the same field at Urbino University. He has discussed his translation of Sunset Song in several publications, including an article in RiLUnE (2006), 172 Susanne Hagemann <?page no="173"?> 4 I shall not discuss Petersen’s translation here because, as far as I am aware, he did not publish any theoretical reflections on his translation and therefore falls outside the framework of this contribution. For an analysis, see Zagratzki (2017) and, more briefly, Behrend (1979: 264) and Galbraith (2018: 387-390). 5 Lavault-Olléon refers to Scots as a dialect (“dialecte”) rather than a language. I shall not discuss this terminology issue here because it is irrelevant to my present purpose. a review of European literature published at Bologna University. Esther Kinsky, finally, is an award-winning translator and writer. Her German retranslation of Sunset Song was published in 2018, almost half a century after Hans Petersen first translated it 4 (1970). Kinsky briefly outlines her translation strategy in her preface to the novel, and her thoughts on translation in general are set out in her 2013 essay Fremdsprechen. In the following three sections, I shall discuss the three translators’ translations and paratexts individually. Each section will begin with the translator’s paratextual explanation(s) of his or her approach to Gibbon’s Scots, and proceed to examine the way in which the approach is implemented in the translation itself. On this basis, I shall then consider how the translator’s text and paratext(s) affect visibility. 2 Élisabeth Lavault-Olléon and Hans J.-Vermeer In her article on translating Sunset Song, Lavault-Olléon (2006: 506-508) explains that Gibbon’s Scots serves as both a geographical and a social marker, that its use has an ideological (leftist) as well as a literary dimension, that it stylistically merges the narrative with the dialogue, and that the text as a whole is intelligible for non-Scottish readers. She moreover emphasizes (2006: 506-509) that Scots voices in Sunset Song have more positive connotations than English or pseudo-English ones. Based on this description of Gibbon’s language, Lavault-Olléon (2006: 509-510) argues that the difficulty which his Scots poses for translation cannot be resolved either by literalism or by aiming for equivalence of effect. The former strategy would result in an unintelligible target text, and the latter would ignore both the cultural specificity of the effect of Scots and the fact that the dialect 5 is inseparable from other stylistic devices. She proceeds to suggest (2006: 510-512) that functionalist translation theories such as skopos theory (Vermeer 1978; Reiß/ Vermeer 2015/ 1984; Vermeer 1996) can help translators find an appropriate strategy for source texts in which dialect is used. The advantage of functionalism for Lavault-Olléon lies in its focus on the purpose of the target text, which is not necessarily identical to that of the source text. Lavault-Olléon’s skopos for Sunset Song (2006: 513) includes producing a translation that is intelligible rather than syntactically and semantically literal, and that recreates Gibbon’s idiolectal style on the level of the text as a whole rather than of individual sentences. She argues (2006: 514-516) that the poetic dimension of Scots is much less relevant in the target culture than in the source culture, and that it therefore makes sense to focus on the psychological and social tension between Scots and English. It seems likely that this skopos is in line with the needs of both the client and the target audience (a contemporary French-speaking audience). Lavault-Olléon (2006: 518) mentions working with series editor Keith Dixon, and the fact that the publisher decided to reissue the translation twice indicates Textual and academic visibility 173 <?page no="174"?> 6 Unless otherwise indicated, emphasis in quotations is original. - Gibbon consistently uses italics for direct speech. 7 I am indebted to Yvan Corcelle and Julia Neu for checking my back-translations from French and suggesting improvements. - Pas très beaucoup is wrong in French, which is why I have translated it as Not many lots. a degree of confidence in the book. Moreover, the publisher’s declared aim is “to offer readers texts that they would never have thought to ask for” and to encourage readers “to share our passion and our love for a text” (Métailié n.d.). Lavault-Olléon’s emphasis on intelligibility and stylistic recreation is presumably better suited to this mission than the literalism which she rejects. In the following, I shall analyse some examples that Lavault-Olléon herself discusses. Her strategy for achieving intelligibility and stylistic recreation has several strands. One strand consists in metalinguistic explicitations of the tension between Scots and English, as illustrated by Example 1. Example 1 […] if you […] said Well, Nellie, and how are your mother’s hens laying? 6 the quean would more than likely answer you Not very meikle the day […]. (Gibbon 2007: 28) […] si […] vous disiez en bon anglais Alors Nellie, est-ce que les poules de ta mère pondent bien en ce moment-? la petite à tous les coups répondait dans un méli-mélo d’anglais et d’écossais Pas très beaucoup ces jours […]. (Lavault-Olléon 2016: 31 / 2006: 514) […] if […] you said in good English Well, Nellie, are your mother’s hens laying well? the little one would without fail answer in a mishmash of English and Scots Not many lots these days […]. (Back-translation 7 of Lavault-Olléon 2016: 31) The translation is obviously intelligible, and from this point of view, both the translation strategy and the individual translation decisions are appropriate. On the level of style, the poetic dimension of Scots does not form part of Lavault-Olléon’s skopos. While the difference between Gibbon’s showing and Lavault-Olléon’s telling stands out when the two versions are compared, the translation is of course not intended for comparison but for being read on its own. The metalinguistic device is by no means unusual, as can be demonstrated by means of a Google search for French phrases referring to geographical markers in characters’ speech. It is therefore likely that the passage will be unobtrusive. Intelligibility also plays an important role in the second strand of Lavault-Olléon’s strategy, namely the explicitation of cultural information that is implicit in the source text (Example 2). Example 2 Then up he’d get on the platform […] and recite Weeeee, ssss-leek-ed, ccccccowering TIMROUS BEASTIE or such-like poem […]. (Gibbon 2007: 29) 174 Susanne Hagemann <?page no="175"?> 8 Interestingly, Lavault-Olléon (2006: 516) quotes her own translation with the definite article (“le fils”). However, the 2016 edition, at least, has “un fils”. Alors il montait sur l’estrade […] et il se mettait à réciter Ooooh j-j-j-jolie p-p-p-pe t-t-t-tite b-b-b-bête ef-f-f-frayée, ou quelque autre célèbre poème du grand Robert Burns […]. (Lavault-Olléon 2016: 33 / 2006: 515) Then he would get up on the platform […] and begin to recite Ooooh d-d-d-dar l-l-l-ling l-l-l-little f-f-f-frightened c-c-c-creature or some other famous poem by the great Robert Burns […]. (Back-translation of Lavault-Olléon 2016: 33) Lavault-Olléon explains to French readers what educated Scottish readers could have been expected to know without being told. The additional information is not strictly necessary because the context is the speaker’s stammer, not the poem chosen. However, Lavault-Olléon argues (2006: 514-515) that the explanation is a way of emphasizing the novel’s Scottishness and, therefore, of compensating for the lower profile of Scots in the target text. This seems plausible and fits the goal of making a Scottish text intelligible, but it may have a drawback. Referring to a “famous poem by the great Robert Burns” seems to me stylistically inconsistent with the narrating voice, a collective folk voice that tends to be much less respectful. This is a purely local issue, though. An explanation such as “le Covenant, la ligue protestante” (‘the Covenant, the Protestant league’; Lavault-Olléon 2006: 11) stands out less sharply. Lavault-Olléon (2006: 515) furthermore says that she has rendered the social dimension of Scots by means of a demotic, rural language that is informal and concrete (Example 3). Example 3 Forbye the two queans there was the son, John Gordon, as coarse a devil as you’d meet, he’d already had two-three queans in trouble and him but barely eighteen years old. But with one of them he’d met a sore stammy-gaster […]. (Gibbon 2007: 28) En plus des deux filles, il y avait un fils, John Gordon, un sacré bougre celui-là, il avait déjà mis deux ou trois filles dans le pétrin alors qu’il avait à peine dix-huit ans. Mais avec l’une d’elles il était tombé sur un os […]. (Lavault-Olléon 2016: 32-/ 2006: 515-516) Besides the two girls, there was a son, John Gordon, a nasty guy that one, he’d already got two or three girls in trouble when he was barely eighteen years old. But with one of them he’d got himself into a tight corner […]. (Back-translation of Lavault-Olléon 2016: 32) The translation is clearly both informal and concrete, but perhaps less so than the source text. In particular, when John Gordon is first mentioned, Gibbon uses the definite article (“the son”), which suggests that the listener has met, or heard of, John. By contrast, Lavault-Olléon employs the indefinite article, which is closer to a neutral register. 8 The same is true of the conjunction alors que (which, like when, can be used both temporally and adversatively). Lavault-Olléon of course does not aim to reproduce stylistic effects literally at the level of the sentence. Moreover, a similar number of informal and/ or concrete elements will not automatically ensure a similar reception in Scotland and France. Generally Textual and academic visibility 175 <?page no="176"?> speaking, the strategy that Lavault-Olléon describes for the social dimension of Scots fits her skopos. What can Lavault-Olléon’s text and paratext tell us about visibility? Her paratext in Meta makes both the translator and her translation academically visible (and is in turn cited in a number of other academic publications [e.g. Demissy-Cazeilles 2010: 282; Arnault 2020: 22]). By sharing her decision-making processes with other translation researchers, Lavault-Olléon (e.g. 2006: 509-513) emphasizes what Kaindl (2021: 47) calls “the subjectivity of translatorial decisions” and the translator’s “individual personality”. The translator’s agency is shown to play an important role. In the translated novel itself, the translator likewise achieves a degree of textual visibility through her subjectivity, which “can make translators visible in their individuality” (Kaindl 2021: 44). However, this subjectivity only becomes recognizable in conjunction with the paratext and/ or other versions of the novel, such as the source text. It is true that the target text on its own makes Scottishness explicit for instance by means of various references to Scots and Scottish culture, but foreign settings are obviously not exclusive to translations. In keeping with the skopos, the text does not openly draw attention to the translator or to its own translatedness. In terms of Venuti’s distinction between domestication and foreignization, Lavault-Ollé‐ on’s translation strategy for Gibbon’s Scots is at least partly foreignizing, since domestica‐ tion is based on “fluent strategies that are narrowly restricted to the current standard dialect of the translating language” (Venuti 2018: xv), while Lavault-Olléon uses an informal, rural language. Moreover, Lavault-Olléon’s emphasis on the “foreignness” of the novel’s Scottish setting (2006: 515) is consistent with the fact that foreignization “insinuates a difference in how readers in the receiving situation understand [the source] culture” (Venuti 2018: xv). However, neither of these features necessarily marks her text out as a translation since original literature, too, can employ foreignizing strategies - witness numerous postcolonial novels written in a colonizing language. The only obvious visibility signals in Sunset Song occur in the “publisher’s peritext” (Genette 1997: 16-36): the translator is named on the title page and on the back cover (but not on the front cover); the source language is identified as the English of Scotland, and the financial support of the Scottish Arts Council for the translation is acknowledged on the copyright page. These signals are paratextual, but in Kaindl’s model, they form part of social rather than textual visibility because, in particular, the issue of where and how the translator is named relates to the translator’s “presence in social space” (Kaindl 2021: 46). The textual dimension, by contrast, is the preserve of the translator’s voice. Medial visibility, finally, can involve various types of media. Kaindl (2021: 45) explicitly lists YouTube channels, websites, and social media, as well as documentaries and fictional representations of translators in literature and film. For Sunset Song, I have found one blog post (Parlotte 2020), which, however, focusses on the novel as such and only mentions in passing that the dialect is “lost a bit in the translation”. There seem to have been few press 176 Susanne Hagemann <?page no="177"?> 9 Kaindl (2021: 43-47) does not explicitly mention press reviews in his discussion of the dimensions of visibility. I have classified them as medial on account of their similarity to the blog post cited, but they are social as well in so far as newspapers form part of a social space. - I am indebted to Éditions Métailié for information about reviews (personal communication, 4-October 2022). 10 I am indebted to Tobias Briest for checking my translations and back-translations from Italian. reviews, and none that discuss the translation. 9 This fits in with the relatively low degree of textual visibility. 3 Massimiliano Morini and Gideon Toury The general framework for Morini’s (2006) article on his translation of Sunset Song is descriptivist rather than functionalist. In particular, he invokes Gideon Toury’s concept of norms. According to Toury (2012: 62-67), among the various types of intersubjective agreements about obligation and prohibition, norms are more specific and binding than conventions but less general and objective than rules. They are culturally and temporally specific. Norms do not have to be followed at all costs, but violating them may incur sanctions. Morini (2006: 124) cites Laviosa (2002: 43-70) to the effect that translation norms include “simplification, explicitation, disambiguation, and more generally normalization according to the standards of the target language and culture”. Morini (2006: 126-128) argues that the tension between English and Scots in Sunset Song constitutes a “major problem” for translation. While the use of Scots as a literary language can be described in the paratext, it is difficult to show in the novel itself. In Italy, according to Morini (2006: 128), the problem is exacerbated by the fact that the level of awareness of Scottish literature, as opposed to English literature, is quite low. As far as possible translation strategies are concerned, Morini suggests in an earlier theoretical article on poetry translation (2005c: 8-12) that there are four ways of handling Scots. Using standard Italian makes sense in bilingual texts in which the translation serves as an aid to understanding. Translating Scots into an Italian dialect constitutes a cultural adaptation which runs counter to current translation norms. Changing to an informal register with deviations from what is considered correct in the standard variety implies that Scots is in some way erroneous. Morini (2005c: 12) therefore advocates what he calls “a ‘synthetic’ Italian”, an artificial literary language incorporating words from different regional varieties, which is to be modelled on the synthetic Scots created by poet Hugh MacDiarmid. This synthetic Italian, he suggests, might constitute a model for other translations from Scots, including translations by other translators (2005c: 12, 2006: 130-131). In other words, he sees a potential for his translation to initiate a change in an Italian translation norm. However, he is somewhat pessimistic about the likelihood of actually achieving this change (2006: 135-138). In his article on Sunset Song, Morini (2006: 130) characterizes synthetic Italian as follows: “in my translating plans, [it] would be made up of incorrect or slightly modified words and phrases and regional words and expressions picked up more or less at random from various Italian regions and ‘normalized’ according to the phonetic rules of the national language”. In his introduction to the novel (2005b: 13), he even speaks of “mangling” Italian and its dialects (storpiare). 10 This is somewhat surprising because the reference Textual and academic visibility 177 <?page no="178"?> to “incorrect” words and the concept of “mangling” carry the very implication of Scots as an erroneous form of English that Morini rejects in his earlier article. In his own analysis of his actual translation, Morini (2006: 133-134) moreover draws attention to the fact that the text does not always accord with his projected strategy. Deviations include the almost total predominance of dialect words from the north, the use of standard Italian as a less than ideal solution in cases where no appropriate alternative was available, and the unintentional inclusion of “old-fashioned, formal words”. Morini (2006: 133-135) attributes these discrepancies between his theoretical vision and its practical implementation to a combination of two factors, namely the workings of language and translation on the one hand and translatorial lapses on the other. However, their origin will not necessarily affect their impact. In terms of Toury’s concept of norms, any kind of synthetic Italian, however composed, constitutes an innovation. If this innovation were to become a convention or even a norm, aspects such as the stylistic incoherence inherent in combining colloquialisms with obsolete and formal words might become permanent features of syntheticism even though they were originally unintentional. Example 4 illustrates both Morini’s synthetic Italian and a certain tendency towards simplification and normalization. Example 4 So the daftie took Ellison back with him to Kinraddie and made him his servant, and sometimes, when he was real drunk and the fairlies came sniftering out of the whisky bottles at him, he would throw a bottle at Ellison and shout Get out, you bloody dish-clout! so loud it was heard across at the Manse and fair affronted the minister’s wife. (Gibbon 2007: 13) E così il matto si portò a casa Ellison e se lo prese come domestico, e a volte, quando era ubriaco fradicio e sentiva gli spiriti che gnaulavano nel whisky, lanciava una bottiglia a Ellison e gli urlava Va’ via, straccione! tanto forte che lo sentivano di là in canonica e la moglie del parroco si scandalizzava da morire. (Morini 2005a: 22-23) And so the loony took Ellison home with him and made him his servant, and sometimes, when he was blind drunk and heard the spirits caterwauling in the whisky, he would throw a bottle at Ellison and shout Get out, you ragamuffin! so loud that they heard him over at the manse and the minister’s wife was dead scandalized. (Back-translation of Morini 2005a: 22-23) Morini (2006: 134) explains that he originally intended the verb gnaulare ‘caterwaul’ to “sound popular and informal” but subsequently realized that it was actually “formal” and “old-fashioned”. However, in either case, it can be regarded as part of synthetic Italian. At the same time, in this passage (and elsewhere), the density of synthetic Italian is lower than that of Scots in Gibbon’s text. Gnaulare is the only instance of synthetic Italian, whereas Gibbon uses six Scots words (daftie, real, fairlie, snifter, clout, fair). Moreover, Morini simplifies “you bloody dish-clout” by leaving out both the swearword and the creative metaphor (a straccione - derived from straccio ‘rag’ - is simply a person who wears rags). As far as visibility is concerned, both the Italian translator and his translation are demonstrably more visible than is the case with the French translator and translation. 178 Susanne Hagemann <?page no="179"?> Morini has discussed his translation in general and his use of synthetic Italian in particular in a number of paratexts. These include two epitexts, namely the academic article (2006) that I have already mentioned and a monograph on translation theory (2013: 37-41, 121-125). In promoting the translator’s academic visibility, Morini’s epitexts go beyond Lavault-Olléon’s in two respects. First, in analysing the translation process and its product, Morini places more emphasis on what he perceives to be the weaknesses of his approach and his translation decisions (e.g. 2006: 134-135, 2013: 39-40). He thus strengthens the “humanization of Translation Studies” (Kaindl 2021: 47). Secondly, the fact that one of the epitexts is a monograph setting out what the subtitle describes as “an integral theory of translation”, published by a major publisher, increases the chances of making the translator visible to a wider academic audience. In addition to the epitexts, Morini provides two peritexts, namely the introduction to the novel (2005b) and the notes in which he explains some culturally specific elements (2005a: 347-349). However, the introduction allots considerably more space to Gibbon’s novel than to Morini’s translation. While Morini does devote one paragraph to his synthetic Italian (2005b: 13-14), the translator and his translation are less prominent here than in the epitexts. In the novel itself, synthetic Italian merits some attention. In terms of Venuti’s distinction between domesticating and foreignizing translations, Morini’s strategy for Scots is more clearly foreignizing than Lavault-Olléon’s: “[F]oreignizing translation derives its interpre‐ tants from marginal resources and ideologies, which because of their very marginality may be less readily comprehensible, somewhat peculiar, and even estranging.” (Venuti 2018: xiv) Morini uses a language form that he has newly created himself and that will strike readers as alien. However, in his grand vision for future translation projects, synthetic Italian “would ideally come to represent Scots in the whole trilogy and, if the trilogy was successful, in an imagined future string of Scottish novels translated into Italian” (2006: 130-131). If this were to happen, synthetic Italian would cease to be innovative and might eventually lose some of its visibility. Moreover, it is worth asking whether the foreignizing effect of Morini’s synthetic Italian will automatically entail translational and translatorial visibility or whether visibility might remain confined to the purely linguistic level. At first glance, the answer may seem self-evident: a text set in Scotland and written in an unusual, artificial form of Italian must be a translation. However, Kaindl (2021: 40-41) cites the example of Hanswilhelm Haefs’s notorious German translation of Lawrence Norfolk’s novel Lemprière’s Dictionary. While early reviewers did notice the foreignizing style of Haefs’s literal translation, they attributed it to the author rather than the translator, who was barely mentioned at all. The controversy about Haefs’s translation did not start until, some months later, eleven translators complained about its perceived shortcomings in an open letter to the publisher (VdÜ 1993). Similarly, it is not inconceivable that Morini could remain invisible in discussions of synthetic Italian. In actual fact, however, this did not happen. Morini’s language did ensure some medial visibility for his translation qua translation. Thus, in his 2006 article, he quotes from the three press reviews available at the time, all of which explicitly draw attention to the translator’s style (2006: 136-137). Synthetic Italian obviously has a certain potential for making translatedness visible. Furthermore, Morini’s Textual and academic visibility 179 <?page no="180"?> 11 It has been argued that, for Benjamin, “[t]he translated poem complements the original poem in its progress towards pure language beyond all languages” (Sandbank 2015: 217). However, I am not concerned with interpretations of Benjamin but with the way in which Kinsky positions herself as a translator. occasional inconsistencies may enhance the translator’s visibility as a person, though in this case, as Kaindl (2021: 42) notes, visibility may not be an unmitigated asset. 4 Esther Kinsky and Walter Benjamin Esther Kinsky discusses her concept of translation extensively in a 2013 book, which she calls “a report, a survey of the thoughts to which I have kept returning over my years of translating” (2013: 7). Literary translation in her view is primarily “the result of a process of designing language as material, a process that does not spring from exploring a subject matter but from exploring the tension between two ways of dealing with a subject matter” (2013: 8). For Kinsky, the central aspect of literary translation is the how rather than the what of a text (2013: 8). She approvingly quotes Walter Benjamin’s famous essay on “The Translator’s Task”: In “Brot” and “pain,” what is meant is the same, but the mode of meaning differs. It is because of the mode of meaning that the two words signify something different to a German or a Frenchman, that they are not regarded as interchangeable and in fact ultimately seek to exclude one another; however, with respect to their intended object, taken absolutely, they signify one and the same thing. (Benjamin 2012: 78, translated by Steven Rendall; Kinsky 2013: 20) However, Kinsky (2013: 94) rejects Benjamin’s view that translation should be “transparent” by “conveying the syntax word-for-word” (2012: 81). She considers this view too extreme because it focusses exclusively on the original, whereas she regards translation as a new structure in its own right, a “dialogue with the foreign” (2013: 94). 11 This dialogue is inevitably subjective because it is based on the translator’s personal reading of the original and the equally personal implementation of this reading in a different language (2013: 61). Kinsky (2013: 21-23) argues that, because of the gap between the two modes of meaning, any literary translation will necessarily be imperfect, an approximation, an echo. The notion of echo, which she adopts from Benjamin (2012: 79-80), is a recurrent metaphor in her essay. However, she also emphasizes (2013: 38, 115-120) that this metaphor does not imply inferiority because translations neither compete with nor attempt to imitate the originals. Rather, they belong to a different category. While authors “put an idea, an action, an image into language”, translators “engage with the foreign” on the level of language (2013: 116, 119-120). The aim of this process is to achieve a “mesh” of “sound, rhythm, signs” whose “pattern” is necessarily different from that of the original but whose “texture” corresponds to the original (2013: 88). In view of Kinsky’s general concept of translation, her focus on the “foreign” and on her dialogue with it, it is not surprising that her approach to Gibbon’s Scots should be quite different from Lavault-Olléon’s and Morini’s. Neither a sociolect nor a synthetic German would achieve a “texture” which could be said to correspond to that of Sunset Song. In her short preface to the translation, Kinsky (2018b: 7-8) briefly explains that, after 180 Susanne Hagemann <?page no="181"?> 12 For the sake of consistency, single quotation marks are used for all explanations of the meaning of German, Low German, and Scots words or phrases, including definitions cited from referenced sources. experimenting with various German dialects, she has decided to translate Scots by means of Low German, a minority language used in parts of northern Germany. Interestingly, she makes it clear that she does not actually speak Low German but has drawn on existing resources to identify suitable words. Example 5 shows how she combines Low German and standard German. Low German words and their counterparts in the source text are highlighted in bold. Example 5 Up at Rob’s table an argument rose, Chris hoped that it wasn’t religion, she saw Mr Gordon’s wee face pecked up to counter Rob. But Rob was just saying what a shame it was that folk should be shamed nowadays to speak Scotch - or they called it Scots if they did, the split-tongued sourocks! Every damned little narrow-dowped rat that you met put on the English if he thought he’d impress you - as though Scotch wasn’t good enough now, it had words in it that the thin bit scraichs of the English could never come at. And Rob said You can tell me, man, what’s the English for sotter, or greip, or smore, or pleiter, gloaming or glunching or well-kenspeckled? And if you said gloaming was sunset you’d fair be a liar; and you’re hardly that, Mr Gordon. (Gibbon 2007: 161) Am Kopfende von Robs Tisch erhob sich ein Streit. Chris hoffte bloß, dass es nicht um Religion ging, sie sah, wie Mr Gordon sein kleines Gesicht spitz vorgereckt hatte, um Rob zu widersprechen. Doch Rob sagte nur, was für eine Schande es war, dass sie sich heutzutage schämen sollten, Scotch zu sprechen - oder Scots, wie die es nannten, diese doppelzüngigen Sauerpötte! Jede verdammichte kleinarschige Ratte, die einem über den Weg lief, machte heutzutage ganz auf Englisch, um Eindruck zu schinden - als wäre Scotch heute nicht gut genug, dabei hatte es Wörter, an die dieses dünne Gefiepse des Englischen nicht dranreichen konnte. Und Rob sagte: Kannst du mir erklären, Mann, was man denn auf Englisch sagt für soorig, oder Grepe, oder marachen, oder Ohmdraut, oder gniedsch oder für lelk und für moi? Und wer sagt, Ohmdraut wär dasselbe wie Sonnenuntergang, der ist wahrhaftig ein Lügner, und das bist du ja nicht, Gordon. (Kinsky 2018a: 227) Kinsky does not attempt to find a Low German equivalent for every single Scots word. For instance, she uses standard German for “wee face” (kleines Gesicht ‘little face’). Occasionally, her vocabulary is non-standard but not specifically Low German (e.g. Gefiepse ‘squeaking’ for “scraichs”). In some cases, she spells Low German words in a way that is close to standard German. Thus, Sauerpott, the singular form of Sauerpötte, would be spelled Suurpott in Low German; the standard German form is Sauertopf (literally ‘sour pot’). On the level of semantics, the meaning of Sauerpott resembles that of sourock ‘sulky, peevish, perverse, sour-tempered person’ 12 (Piirainen/ Elling 1992; DSL 2004). By contrast, in Rob’s list of typical expressions, most of the Low German words differ semantically from the Scots ones. For example, soorig means ‘humid, hot’ (Kinsky 2018a: 382), while Gibbon (2007: 300) glosses sotter as ‘to bubble stagnantly’. However, Ohmdraut ‘afterglow’ Textual and academic visibility 181 <?page no="182"?> 13 It is this standard German word that gives the translation its title: Lied vom Abendrot (literally ‘song of afterglow’). (literally ‘evening red’) comes close to gloaming. In Kinsky’s translation, it is contrasted with the standard German word Sonnenuntergang ‘sunset’, although Ohmdraut actually has a standard German cognate, namely Abendrot 13 . The contrast therefore does not seem entirely logical. For the speech of an Irish character, Ellison, Kinsky uses the Bavarian dialect, which is both linguistically and geographically remote from Low German. In Example 6, Bavarian elements and their counterparts in the source text are highlighted in bold. Example 6 And he aye wore leggings and riding breeks, for he was fair gentry by then; and when he would meet a crony at a mart he would cry Sure, bot it’s you, thin, ould chep! and the billy would redden up, real ashamed, but wouldn’t dare say anything, for he wasn’t a man you’d offend. (Gibbon 2007: 14) Ja, und er trug enge Stutzen und Reithosen, denn inzwischen war er fei Landadel; und wenn er einen auf dem Viehmarkt traf, dann rief er aus: Jo mei, das bist jo du, olter G’sell! Und der jeweilige Kerl wurde ganz rot im Gesicht und schämte sich eins, doch er sagte nichts, denn der Ellison, das war kein Mann, dem einer gegen den Strich gehn wollte. (Kinsky 2018a: 23) Interestingly, Kinsky also includes a Bavarian (or, more generally, southern German) word, the intensifier fei, in the narrative passage. This has the effect of making “he was fair gentry by then” sound like Ellison’s own free indirect speech, and therefore of ironically emphasizing his conspicuous pride in his social advancement. By contrast, in contexts where the implied speaker is unambiguously Scottish, the use of fei appears incongruous (e.g. “sie hatte fei schönes Haar” [Kinsky 2018a: 25] for “she […] had right bonny hair” [Gibbon 2007: 16]). Peritextual visibility is quite strong. Like Morini, Kinsky provides an introduction to her translation. While Morini devotes a substantial part of his introduction to Gibbon’s novel in its literary contexts and explains his use of synthetic Italian briefly at the end, Kinsky focusses more strongly on Gibbon’s language and her own translation strategy (2018b: 6-8). She also refers to the fact that she spent several weeks in northeast Scotland, where Gibbon grew up and where his novel is set, in order to familiarize herself with the language and the area (2018b: 8-9). All of this involves a higher degree of visibility both for the translator and her translation. Moreover, in discussing her translation process, she uses the first person singular, which highlights her own subjectivity on the level of grammar. Other parts of the German peritext, too, contribute to visibility. Kinsky supplies notes that explain culturally specific elements (2018a: 372-379) as well as a glossary of Low German words (2018a: 380-382). Furthermore, the book includes an afterword by Iain Galbraith (2018), which begins with an appraisal of Gibbon’s novel and proceeds to discuss and compare the two German translations by Petersen and Kinsky at some length. In the main text of the novel, the tension between the Scottish setting and Kinsky’s use of Low German is almost bound to be associated with translatedness. In Example 5, for 182 Susanne Hagemann <?page no="183"?> instance, it is sufficiently evident that the Low German words cited by Rob are not Scots and that Rob cannot actually be contrasting Low German Ohmdraut with standard German Sonnenuntergang. While a certain suspension of linguistic disbelief is necessary for many works of literature (witness, e.g., Julius Caesar’s speaking English in Shakespeare’s play), the discrepancy between words and their context is particularly conspicuous in Kinsky’s case. However, the caveat that textual visibility does not automatically follow from specific linguistic features applies to Low German as it does to literalism such as Hanswilhelm Haefs’s. Academic visibility has been promoted for instance in an English-language journal article devoted to the publishing histories of Petersen’s and Kinsky’s translations (Erich 2019), in which Kinsky’s role as a translator is extensively discussed. In connection with the medial dimension, reviews are worth mentioning. While reviews of translated novels in German media all too often ignore the translator completely, or at most use reductive labels such as congenial translation, Kinsky and her translation strategy have received significant attention in various quality media (for a selection of reviews, see Perlentaucher [2018]). Both the translator’s and the translation’s visibility in the press is thus quite high. Her translation has also featured in other media, for instance in a book review programme broadcast by a prestigious regional radio station (Porombka 2018). This prominence may in part be due to Kinsky’s translation strategy, but what is perhaps more important here is the fact that she is a well-known author in her own right, whose name will tend to attract attention. 5 Conclusion In the three preceding sections, I have presented three translators’ theoretical approaches as well as their application to Scots in Sunset Song. This has served as a basis for discussing the translators’ and translations’ textual and academic visibility. In the three cases I have analysed, the translators’ theoretical approaches and the translation strategies and decisions derived from them correlate to a certain extent with textual visibility. In Lavault-Olléon’s functionalist approach, which involves a combination of metalinguistic description and sociolectal elements and which does not require any peritextual material, an emphasis on Scottishness forms part of the skopos, but an emphasis on translatedness does not. Morini’s descriptivist focus on norms could have inspired a variety of translation strategies, from conforming to the perceived norm to violating it by using one Italian dialect. His actual attempt to change an existing Italian translation norm by creating a synthetic Italian is predicated on visibility because future translators could only be expected to join him in his effort if they were aware of it. In addition to the language of the target text itself, Morini’s introduction likewise draws attention to the translation, though not to the translator as a person. Finally, the fact that Kinsky echoes Scots by means of a German minority language can be regarded as a corollary of her interest in Benjamin’s idealized vision of language and translation. She could presumably not have derived a strategy such as Lavault-Olléon’s from her reading of Benjamin. Reviews show Kinsky’s use of Low German to be highly visible, and her visibility as a translator is further reinforced by a peritext, the introduction in which she describes her translation process. Iain Galbraith’s Textual and academic visibility 183 <?page no="184"?> afterword to the German translation could also be mentioned in this context. It seems fair to say that textual visibility is higher for Kinsky than for Morini and higher for Morini than for Lavault-Olléon. Academic visibility is less closely linked to approaches and strategies. Two factors play an obvious role here. The translators’ personal profiles are relevant in the case of Lavault-Olléon and Morini, who are Translation Studies scholars and therefore in a position to choose their own translations as topics for academic publications. Both discuss the translation process at length, and Morini in particular places some emphasis on the translator’s subjectivity. Kinsky does likewise in her 2013 book on translation, which, however, predates her translation of Sunset Song. Academic responses to Kinsky’s translation such as Erich’s (2019) and my own stem from a dual interest in both Scottish literature, i.e. the source text, and translation. An issue that deserves further exploration in connection with visibility is the blurred boundary between translation and other translational processes. I have mentioned the fact that linguistic foreignization and references to foreign cultures can occur in original literature as well as in translation. It can of course be argued that translational processes underlie all such phenomena. However, if we include them in our concept of translation, then translational and translatorial visibility will become submerged in more general issues of linguistic and cultural diversity. If, on the other hand, we confine ourselves to translation in a narrower sense, then we will need to differentiate clearly between the textual visibility of translations as such and the visibility of textual strategies, which target readers may well associate with the author rather than the translator. I shall conclude with a somewhat more subjective reflection on what I perceive to be a paradox of visibility. Kinsky, as a translator, is highly visible, and so is the translatedness of her text. At the same time, for me at least, her translation bears the hallmark of invisibility in so far as I can read it as if it were “not in fact a translation” (Venuti 2018: 1). From one point of view, it creates the illusion of being, not the original, but an original. Galbraith (2018: 390), comparing Petersen’s first German translation with Kinsky’s retranslation, considers Kinsky’s text to be “much more lively, direct, flowing”. While the exact meaning of these metaphors is difficult to pinpoint, they do describe my own reading experience. My theoretical affinities are with Vermeer and Toury rather than with Benjamin, and I intellectually appreciate Lavault-Olléon’s and Morini’s translations, but it is Kinsky’s that most appeals to me on an aesthetic and emotional level. In my perception, Kinsky the translator disappears behind Kinsky the author of the target text. References Arnault, Luc (2020). Translating Contemporary New Zealand Poetry into French: Anna Jackson and Robert Sullivan. Doctoral thesis. 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Wie wird das translatorische Ich, bei dessen Social-Media-Auftritt Berufliches, Soziales und Privates miteinander einhergehen, unter dem Einfluss der digitalen Influencer-Kultur inszeniert, klischiert, profaniert, monetarisiert? Schlagwörter: Translator, Sichtbarkeit, Social Media, Influencer Abstract: While blogging translators are gradually attracting the attention of resear‐ chers, the dimensions of translational action and visibility on social media platforms have hardly been addressed yet. Such platforms include Instagram, TikTok and YouTube, which facilitated the advent of ‘influencers’. How should we assess cases in which translators act as influencers? One of the central criticisms is that influencers are marketing tools in that they turn themselves (their identity, body, gender) into sales pitches to promote consumerism. To what extent do personal profiles of translators mimic this behavior and do their visibilities, subjectivities and individualities raise concerns? How is the translatorial self, whose appearance on social media platforms conflates professional with social and private, being staged, stereotyped, profaned and monetized under the influence of the respective digital culture? Keywords: Translator, visibility, social media, influencer <?page no="190"?> 1 Einführung Eine eindeutige Entwicklungslinie in der gegenwärtigen Translationswissenschaft ist das biografische, historiografische und zunehmend soziologische Interesse am translatorischen Subjekt. Wer sich dieser “crusade for translator, not text (of translation)“ (Tyulenev 2012: 10; Hervorh. i. O.) anschließt, bekennt sich zum Aufruf zur Humanisierung der Disziplin durch einen stärkeren, qualitativen Fokus auf Sichtbarkeit, Subjektivität und Individualität der Translator: innen (Kaindl 2021a: 12). Ein transdisziplinäres, konzeptuelles Instrumenta‐ rium wird für diesen humanistischen Zweck angelegt, wo komplexe Begriffe (Identität, Rolle, Persönlichkeit, Habitus etc.) die Erschließung und Beleuchtung translatorischer Lebensläufe, Entscheidungen und Motivationen in all ihrer Widersprüchlichkeit ermögli‐ chen und erleichtern sollen (ebd.: 18-22). Ganz besonders wird hierbei dafür plädiert, Translator: innen nicht auf ihre Berufe zu reduzieren (ebd.: 23). Vielmehr sind sie gesamtbiografisch und menschlich zu verstehen und zu beschreiben, weil ihr professionelles, soziales und privates Ich unteilbar ist (Kaindl 2017: 100). Solch ein holistisches Verständnis, so naheliegend es auch sein mag, stellt ein Gegen‐ gewicht und eine Herausforderung für die in der Forschung gängige und häufig unver‐ meidliche Fragmentierungslogik dar. Doch in einem konkreten Fall präsentiert sich der Forschung eine besonders auffallende und verwobene Unteilbarkeit der professionellen, sozialen und privaten Person. Und zwar ist sie bei medialen Inszenierungen im Internet oft zu beobachten und kommt stark in der Figur von Influencer: innen zum Ausdruck. In der Marketing-, Medien- und Kommunikationsforschung (Schach/ Lommatzsch 2018; Sturmer 2020; Cornwell/ Katz 2021) herrscht Einstimmigkeit darüber, dass Influencer-Per‐ sönlichkeiten, ob sie als Mitarbeitende eines Unternehmens fungieren, mit Firmen und Branchen zusammenarbeiten oder selbst zu Produzent: innen und Dientsleister: innen auf‐ gestiegen sind, mit steigender Tendenz zu meinungsführenden Themenexpert: innen in der spätkapitalistischen, digitalen Marketingwelt werden. Durch persönliches Auftreten und Ansprechen strahlen sie Glaubwürdigkeit, Intimität und Authentizität aus, erreichen dadurch beträchtliche Reichweite bzw. Followerschaft und generieren durch Befürworten und Weiterempfehlen von Inhalten und Produkten Umsätze für sich und ihre Kooperati‐ onspartner. Mehrere Aspekte dieses digitalen Marketingphänomens werden jedoch kontrovers diskutiert. Beispielsweise mündet eine Bindung an eine Medienpersönlichkeit bzw. die Teilhabe an deren Leben in eine „parasoziale“, d. h. Zwischenmenschlichkeit simulierende, aber oft einseitige, ggf. manipulative Beziehung, in der die hauptsächliche und oft verdeckte Influencer-Rolle darin besteht, politische, ideologische, moralische u. a. Orientierungshilfe zu leisten, indem die informationelle Komplexität politischer, konsumbezogener Themen reduziert und für bestimmte Werte, Marken und Produkte geworben wird (Schach/ Lom‐ matzsch 2018: 15). Trotz der Fälle, wo das einschlägige Engagement karitativen oder ökologischen Zwecken dient (Cornwell/ Katz 2021: 5ff.), wird die viel häufigere Tendenz kritisiert, sich selbst (Identität, Körper, Gender) zu Verkaufsflächen und Marketinginstru‐ menten zu machen und Konsumverhalten zu fördern (Nymoen/ Schmitt 2022). Wie ist vor diesem Hintergrund die Präsenz von Translator: innen auf Social-Media-Platt‐ formen zu beurteilen, wo sie angesichts ihrer Followerschaft als Influencer: innen aufzu‐ 190 Mikael Evdokimov <?page no="191"?> 1 Bis jetzt wurde in der Translationswissenschaft nur die vergleichbare Rolle blogführender Trans‐ lator: innen thematisiert (z. B. Mcdonough Dolmaya 2011, 2019). Insofern ist das Forschungsgebiet Influencer: innen nicht nur in der Marketing-, Medien- und Kommunikations-, sondern auch in der Übersetzer: innenforschung neu. Auch in der Presse erregt dieses Phänomen zunehmend Aufmerksamkeit, vgl. z. B. den ARTE-Dokumentationsfilm „Instagram - Das toxische Netzwerk“ („Instagram, la foire aux vanités“) vom Jahr 2022 oder die kritische Beleuchtung von Instagram und Influencer: innen in mehreren Sendungen des ZDF Magazin Royale. 2 Der Beitrag verdankt das thematische Interesse den Denkanstößen, die ganz besonders durch Klaus Kaindl in seinen Beiträgen u. a. zu den Translator Studies sowie in unseren persönlichen Begegnungen und Diskussionen im Rahmen der universitären Betreuung und Zusammenarbeit geliefert und mit größter Wertschätzung entgegengenommen wurden. treten scheinen? 1 Ein translationstheoretisch durchdachter Sichtbarkeitsbegriff macht u. a. auf mediale Sichtbarkeitsinszenierungen aufmerksam, die einer Darstellung der Transla‐ tion oder der Person dienen (Kaindl 2021b: 45f.). Oft haben solche Sichtbarkeiten nachteilige Macht-, Kommunikations- und Beziehungsdynamiken für Translator: innen zur Folge, sodass das Primat translatorischer Sichtbarkeit stark relativiert werden sollte (ebd.: 42). Die Kritik an Influencer: innen vermag die Debatte über mediale translatorische Sichtbarkeiten mit weiteren gesellschaftskritischen Anhaltspunkten zu bereichern. Ganz in diesem Sinne lassen sich einige Instagram-, TikTok- und Youtube-Profile von Translator: innen heraus‐ greifen und analysieren, wo ihre beruflichen und privaten Sichtbarkeiten, Subjektivitäten und Individualitäten sich vermischen und ihr „dolmetscherisches [oder übersetzerisches] Ich“ (Kaindl 2017: 100) unter Einfluss der Social-Media-Kultur womöglich klischiert, profaniert und monetarisiert wird. Im Folgenden werden einige der angesprochenen Aspekte problematisiert und anhand ausgewählter Profilbeispiele mit einer expliziten Selbstbezeichnung als Translator: in illustriert. 2 2 Influencer: innen in der Kritik Einigen Autor: innen zufolge (z. B. Sturmer 2020: 13f.; Nymoen/ Schmitt 2022: 133) ver‐ weist der Begriff „Influencer“ auf eine Studie über die Psychologie des Überzeugens zurück (Cialdini 2013). Viele einschlägige Prinzipien einer psychologischen, werbestra‐ tegischen, sowohl politischen als auch korporativen Überzeugungsarbeit finden sich im Influencer-Marketing wieder, wie z. B. das Gebot der Knappheit (wodurch schwer erreichbaren Möglichkeiten ein Exklusivitätswert zugesprochen wird), Verpflichtung zum Weiterverfolgen eines festgelegten Verhaltens (unter dem Stichwort Commitment) sowie soziale Bewährtheit und persönliche Sympathien (Sturmer 2020: 13f.). Das Aufkommen des Influencer-Phänomens dürfte dabei durch mehrere Faktoren begünstigt worden sein, wie z. B. personalisierte Werbung, Kommerzialisierung des Internets und Schaffung von Social-Media-Plattformen (Nymoen/ Schmitt 2022: 29-44). Eine Definition für die Personen, die Einflussmacht in sozialen Medien akkumuliert haben, wurde allerdings erst 2016 vorgelegt (Cornwell/ Katz 2021: 6). Eine aktuelle und inklusive Definition, die natürliche und juristische Personen gleichermaßen einschließt, lautet wie folgt: An influencer is a persona (related to a person, group of people, or organization) that possesses greater than average potential to sway others in terms of thoughts, attitudes and behaviors Translator: innen als Influencer: innen 191 <?page no="192"?> 3 Ein berühmtes Beispiel wäre die mediale Präsenz und die Merchandising-Aktivitäten der Familie Kardashian-Jenner. due to attributes of their communication frequency, persuasiveness, social network or other characteristics. (ebd.: -7) Einen Konsens über die Definitionen des Begriffs und angrenzender Konzepte (Influencer Marketing, Influencer Relations usw). gibt es allerdings nicht (Lommatzsch 2018; Schach 2018). Einer neutralen, teilweise würdigenden Beschreibung von Influencer-Aktivitäten (Cornwell/ Katz 2021) steht ein Diskurs gegenüber, der diese Meinungsführerschaft kritisch diskutiert und im Folgenden umrissen wird. Eine gesellschafts- und medienkritische Perspektive sieht im Wort ‚Influencer‘ ein Phänomen des digitalen Spätkapitalismus und der medialen Pop- und Konsumkultur, im Rahmen deren die eigene Persönlichkeit mit Marken verknüpft wird und eine Selbstinsze‐ nierung als Konsument: in zustandekommt (Nymoen/ Schmitt 2022: 7f.). Genährt wird dieses Phänomen durch den Bedarf an „Orientierung in der neuen Unübersichtlichkeit des Indivi‐ dualismus“ (ebd.: 122), der neue Autoritäten brauchte und kreiert hat. Wie moderne Schön‐ heits-, Gesundheits-, Selbstvermarktungs- und grundsätzlich Erfolgsapostel bzw. -vorbilder leben diese Autoritäten ihr konsum- und markenkonformes, zwischen Privatem und Öffentlichem wie Privatem und Beruflichem nicht mehr differenzierendes Leben für ihre Followerschaft vor und regen diese zum Nachmachen an. 3 Das Influencer-Marketing spielt und rechnet existentiell mit Identifikationsprozessen: „Da davon auszugehen ist, dass die Followerschaft stark identifikatorisch geprägt ist, sind die Unternehmen in der Lage, viel klarer zu ermessen, welche Influencer als Werbebotschafter infrage kommen“ (ebd.: 131). Identifikationsreiche Influencer-Werbung hat auf diese Weise die traditionelle Werbung per Druckmedien, Fernsehen und Funk weitestgehend ersetzt und ist dermaßen erfolgreich, dass sog. Macro-Influencer: innen mit millionenfacher Followerschaft „can easily command more than $1 million per post“ (Cornwell/ Katz 2021: 6) und ihr Marketing seit 2020 in den USA durch das American Influencer Council Incorporated (AICI) koordiniert und geschützt wird (ebd.: -22). Festzuhalten ist, dass das vermarktete Ich der Influencer: innen, die zuhauf auf So‐ cial-Media-Plattformen anzutreffen sind, nicht nur den Konsum von entsprechenden Con‐ tents (Inhalten wie z. B. Yoga, Ernährung, Lifestyle-Coaching) oder Markenwaren, sondern ein ähnliches, egozentrisches Verhalten ihrer Followerschaft begünstigt. Denn ein Ich steht hier immer im Mittelpunkt, gehört optimiert, inszeniert, möglicherweise monetarisiert und sucht Aufmerksamkeit, deren Konzentration (gemessen z. B. an der Anzahl an Clicks, Likes, Shares, Followerschaft etc.) wegen des algorithmischen Präferierens derselben gerade die Konzentration von Kapital bedeutet (Nymoen/ Schmitt 2022: 61). „The subsequent rise of influencer marketing is in fact inextricably linked to the phenomenon of sharing, and, to some degree, liking“ (Cornwell/ Katz 2021: 4), und dies wird auffällig mit Herzchen, Smileys, Likes sowie unzähligen Fotos und Videos betrieben. Im Fazit wird die praktizierte und zur Schau gestellte Selbstbesessenheit fast ausschließlich visuell vermittelt, dokumentiert, geteilt und ‚geliked‘. Können Bilder in Anlehnung an Roland Barthes entweder (im Modus des studium) konventionell, erwartungskonform oder (im Modus des punctum) irritierend, skandierend 192 Mikael Evdokimov <?page no="193"?> 4 „Die Influencer zeichnen wir keineswegs in rosigem Licht, wir sehen in ihnen eine ernst zu nehmende Gefahr, da sie antiaufklärerisch agieren und ihre Follower manipulieren. Sie erzeugen ein falsches Bewusstsein, das sie wiederum gewinnbringend auszubeuten wissen, ja, sie verherrlichen das ‚beschädigte Leben‘ im Spätkapitalismus.“ (Nymoen/ Schmitt 2022: 10) 5 Im Beitrag werden nur öffentlich zugängliche Accounts bzw. deren Benutzernamen (Usernames) angeführt, die gemäß der Auskunft des Datenschutzbeauftragten der Universität Wien in der Regel nicht schutzwürdig sind. Es gilt außerdem grundsätzlich das Prinzip der Datenminimierung im Rahmen der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zweck der Forschung und Lehre (Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO, Art. 89 Abs. 1 DSGVO, § 2f Abs. 5 FOG). Nebensächlich war dabei der Umstand, ob es sich bei diesen privaten Konten um ausgebildete Translator: innen handelt. Entscheidend wurde vielmehr die Tatsache einer medialen Sichtbarkeitsinszenierung als Translator: in betrachtet. Ferner sei angemerkt, dass Geschäftskonten, die translatorische Produkte oder Dienstleistungen anbieten, sowie translationsthematische Instagram-Seiten, die mit Hashtags (#) beginnen, nicht berücksichtigt werden. wirken (Barthes 2009: 33-72), so gehorcht die Ästhetik der unzähligen Selfies, Reise- und Alltagsbilder auf Social-Media-Plattformen der studium-Logik von „passförmiger“ und konformer Serialität und Wiederholung (Nymoen/ Schmitt 2022: 61-68, 90), die mitunter an Idolatrie und Bilderverehrung grenzen (ebd.: 125), aber nur so „likable“, „sharable“ und „instagrammable“ (ebd.: 155) sind. Dass in dieser Dynamik nicht selten auch alte Geschlechterrollen reproduziert werden (ebd.: 97-117), zeugt davon, dass die Social-Mediabzw. Influencer-Welt häufig ignorant gegenüber gesellschaftspolitischen Entwicklungen bleibt und regressiv wirkt, sodass ihr mit Bedacht begegnet werden sollte. 4 3 Translator: innen als Influencer: innen? Bereits ein erster Blick auf persönliche Instagram-, TikTok- und Youtube-Accounts von Translator: innen, wo sie als solche auftreten, lässt erkennen, dass sie ebenfalls Follower‐ schaft akkumulieren und sich oft als gleichzeitig Privatpersonen und Sprachexpert: innen, als Freelancer: innen und Reisende inszenieren. Ihre Sichtbarkeiten und Subjektivitäten, vom skizzierten gesellschafts- und medienkritischen Blickwinkel aus betrachtet, lassen einige translationstheoretische Topoi (z. B. translatorische Identität und Nomadentum) in einem ganz anderen Licht erscheinen. Diese Aspekte werden diskutiert, nachdem die Vorgehensweise vorgestellt und allgemeine Beobachtungen präsentiert worden sind. Als materielle Grundlage für die nachfolgenden Ausführungen dienen öffentliche Profile auf drei Social-Media-Plattformen (Instagram, TikTok und Youtube), die ihrer Bezeichnung nach persönliche und ggf. professionell genutzte Accounts sind und eine Selbstdefinie‐ rung als Translator: in bereits im Benutzernamen und/ oder im Profiltext aufweisen (s. Verzeichnis der angeführten Accounts als Tab. 1 im Anhang). 5 Solche sind i. d. R. auch mit entsprechenden Stichwörtern (engl. „translator“, „interpreter“, dt. „Übersetzer: in“, „Dolmet‐ scher: in“) bei einer Suche auffindbar, wobei sich durchaus anderssprachige Accounts aus der ganzen Welt mit englischsprachigen Benutzernamen wie „translator“ oder „interpreter“ tarnen oder eher schmücken können. Wenn die mediale Popularität zu verschiedenen Bezeichnungen berechtigt (Cornwell/ Katz 2021: 31), wie z. B. „Mega“ für über 1 Mio. und „Makro“ für unter 1 Mio. Followerschaft, so wird ersichtlich, dass private translatorische Profile entweder als Mikro-Influencer: innen einzustufen sind - mit einer Followerschaft unter 100.000 Menschen (fortan nach der Instagram-Schreibkonvention abgekürzt als 100K) Translator: innen als Influencer: innen 193 <?page no="194"?> 6 Zur linguistischen Untersuchung der Internetsprache s. Crystal (2006). 7 Die Zahl der Followerschaft wird ggf. abgerundet und bezieht sich samt Aufrufdatum in sämtlichen Fällen auf November 2022. - oder aber als noch kleinere, lokale oder ‚provinzielle‘ Nano-Influencer: innen. Ein rele‐ vantes Kriterium ist hiermit die Popularität, d. h. die Followerschaft oder Abonnentenschaft, sodass das Augenmerk des vorliegenden Beitrags in erster Linie den Profilen mit einem - für translatorische Profile - vergleichsweise großen meinungsführenden Potenzial gilt. In manchen Fällen ist im translatorischen Profil ein etwas ausführlicherer Beschrei‐ bungstext vorhanden, in dem Berufe, jeweilige Sprachkenntnisse und anderweitige Infor‐ mationen angegeben sind. Bereits hier fällt die allgegenwärtige Tendenz auf, die eigene mediale Präsenz so multisemiotisch wie möglich zu halten. Denn nicht selten werden Texte durch foto- und filmografisches Material angereichert, und darüber hinaus werden viele Posts (Beiträge), Bilder und Videos durch verschiedenste pikto- oder ideografische Bildschriftzeichen (Smileys, Emojis und Emoticons) und Akronyme verziert. 6 So werden z. B. Sprachkenntnisse gelegentlich durch Sprachkürzel oder gar Länderflaggen (z. B. auf den Instagram-Accounts „translatorpaola“, „translator_cornermariam“) angedeutet. In Bezug auf Letztere lässt sich gleich ein erster Kritikpunkt äußern, weil sich Länderflaggen als nicht zielführend für die Sprachnavigation und oft politisch bedenklich erweisen (Lanza-Mariani 2021). Auch einer ausgebildeten Dolmetscherin fällt es in ihrem profes‐ sionellen YouTube-Videoblog (fortan Vlog) „Interprepedia“ mit 7,8K Abonnent: innen 7 mitunter schwer, in ihren Stellungnahmen zu dolmetschrelevanten Themen auf Smileys und Zeichen zu verzichten, die rechts und links eingeblendet werden und ihre Emotionen und Worte visualisieren sollen. Mit Blick auf die Multimodalität (Kaindl 2013, 2020) erstaunt insgesamt die Palette an Modalitäten (Sprache, Bild, Musik usw.) und Submodalitäten (Typographie, Farben etc.), die bestimmte modalische Arrangements hervortreten lassen, „video habits“ (Kaindl 2013: 262), und generell sensorische Erwartungen prägen (Kaindl 2020: 55ff.), aber auch häufig in mul‐ timodalen Übersetzungsprozessen auf der Plattform selbst bearbeitet werden. So sind zwei TikTok-Übersetzerprofile der audiovisuellen, intramedialen Translation genrespezifischer Videoinhalte gewidmet: Das Profil „bestpraises“ (mit einer 33K starken Followerschaft) liefert Übersetzungen religiöser Liedertexte durch zweisprachige, französisch-englische Untertitel, während das Übersetzer- und Editorprofil „mr.lin99“ (Followerschaft: 50,9K) Serien- und Videoausschnitte mit (der Google-Spracherkennung zufolge) birmanisch-chi‐ nesischen Untertiteln postet. Ein besonders eindrückliches Beispiel mehrdimensionaler und multimodaler Translationsprozesse sind ferner die YouTube-Vlogs „Sarah Moon“ und „Sarah Moon Japanese“, einer Anime- und Computerspielübersetzerin mit insg. über 15K Abonnent: innen, die sich selbst, ihre Arbeit und Aspekte japanischer Anime- und Landes‐ kultur thematisiert und mitunter theatralisch (mithilfe nationaler Kostüme, humorvoller Rollenspiele, eingängiger Parodien, oft als das sog. Cosplay) inszeniert. Gewiss sorgt das letzterwähnte Beispiel wie auch einige der anderen translatorischen Privat- und Community-Profile in sozialen Medien für eine positive, hauptsächlich pro‐ fessionelle Sichtbarkeit ihrer Urheber: innen und deren Beruf, die, ob unterhaltend oder 194 Mikael Evdokimov <?page no="195"?> 8 Solch repräsentativer Sichtbarkeit dient z. B. der gemeinschaftliche Youtube-Kanal „Translators Aloud“ (1,8K), wo literarische Übersetzer: innen (der Figur literarischer Übersetzer: innen wurde unlängst ein ganzer Sammelband gewidmet, siehe Kaindl et al. 2021), eine Möglichkeit haben, Auszüge aus ihren Übersetzungen vorzulesen. Als ähnlich professionell, würdigend und aufklärend ist die Arbeit und die Botschaft der gemeinschaftlichen YouTube-Kanäle „TED Translators“ (53,4K) und „EU Interpreters“ (13,8K) zu beurteilen. 9 Zu Dimensionen des Selbstdarstellerischen bei einem öffentlichen Ich s. Kaufmann et al. (2014). nicht, über Berufsalltag, Übersetzungsprobleme usw. informiert. 8 Tatsächlich wird auf manchen persönlichen YouTube-Übersetzerkanälen bis zur eigenen Unsichtbarkeit auf das Private verzichtet, wie z. B. dem Kanal „Crochet Translator“ (18K), der sich dem Leiden‐ schaftsthema Häkeln bzw. der englisch-arabischen Übersetzung und Untertitelung von Häkelvideos widmet. Beim Vlog „Freelanceverse“ (19K) wird zwar die eigene Sichtbarkeit nicht gemieden, diese aber in den Dienst hauptsächlich professioneller Themen rund um eine freiberufliche Übersetzungstätigkeit gestellt. Die beurteilten Profile erwecken allerdings den Eindruck, dass es wohl üblich ist, auch als private Person aufzutreten und zu bestimmten, translationstypischen Themen Stellung zu nehmen, wie z. B. der Spracherwerbsgeschichte, dem Weg zum Beruf, sprach- und kulturspezifischen Erfahrungen und Erlebnissen, dem translatorischen Berufsalltag. Fast sämtliche dieser Themen kommen z. B. bei „Sarah Moon“ vor, ohne dass das professionelle, translationsbezogene Auftreten ins Ungleichgewicht kommt. Anders ist es aber bei vielen Profilen, bei denen Translation und die Rolle als Translator: in in den Hintergrund zu treten scheinen. In den folgenden Abschnitten werden beispielhaft Profile vorgestellt, bei denen sich Berufliches mit Persönlichem vermischt (3.1), Translation auf Sprachkompetenz und -training reduziert wird (3.2) und die gelegentlich zu einer Mobilitätsschau (3.3) oder Erfolgscoaching (3.4) mutieren. 9 3.1 Translatorisches Ich: Von personalisiert über emotionalisiert bis marginalisiert Translationssoziologische Identitätsaussagen lassen sich in vielen Fällen unter Rückgriff auf die aus der Psychologie stammenden Begriffe von Selbst und Selbstkonzept fassen (Kaindl 2021a: 18f.). Selbstbilder beschreiben reflexive Prozesse der Selbstwahrnehmung und -einstellung in dem einen oder anderen Lebenszusammenhang, sodass “[a] translato‐ rial self-schema would therefore be an awareness regarding one’s own beliefs, attitudes and values associated with translation“ (ebd.: 18). Social-Media-Profile lassen sich als multimodal inszenierte und nach außen präsentierte Selbstbilder interpretieren. In einigen der hier untersuchten Profile weisen diese eindeutig die Tendenz auf, das Berufliche mit dem Privaten dermaßen zu verknüpfen, dass über das Berufliche tendenziell durch die Brille persönlicher Emotionen berichtet wird oder dass trotz der Selbstdarstellung als Translator: in das Berufliche in der Flut privater Momentaufnahmen nur als eine Nebensache bzw. in einer Nebenrolle Erwähnung findet. Ein vereintes privates und berufliches Ich scheint sich auf dem Instagram-Profil „nousseyba_mohamed“ (40.3K) und „mile_translator“ (2,8K) zu präsentieren. Einblicke in das berufliche Vorankommen als Translator: in, Beiträge mit Übersetzungsbezug und translationsbezogene Webinare/ Streaming per Instagram TV oder Live-Instagram werden hier gleichermaßen dokumentiert wie persönliche Reiseerlebnisse, Parties, Geburtstage Translator: innen als Influencer: innen 195 <?page no="196"?> 10 Vgl. die soziologische Diagnose der nicht zuletzt marktideologischen Singularisierungstendenz in der spätmodernen Gesellschaft, in der jeder Mensch stets darum bemühnt ist, sich selbst, die eigene Biografie, den eigenen Lebensstil, Beruf usw. als originell, einzigartig, eben singulär zu gestalten und zu präsentieren (Reckwitz 2017). und Glückwünsche. Berufsbezogene Posts über Leseerlebnisse, Konferenzteilnahmen, Manuskripteinreichung, Erscheinen der Übersetzung usw. werden bei einigen Profilen in den Kontext persönlicher Erwartungen und Empfindungen, Glücksmomente und Enttäu‐ schungen eingebettet und emotionalisiert. Dies ist beispielsweise bei „h_translator_sunhee“ (0,9K), „papierkaetzchen“ (0,7K) und „translatorpaola“ (2,1K) zu beobachten. Wenn von o. g. perzeptiven Selbstschemata in verschiedenen Lebenszusammenhängen auszugehen ist, so zeigt sich in solchen Fällen, dass dem translatorischen Selbstbild über wechselnde Kontexte hinweg eine Bühne geboten und daher gleichwertige Relevanz neben dem Privat- und Gefühlsleben zugesprochen wird, selbst wenn Letzteres dieses translatorische Selbst deutlich umrahmt. Eine noch stärkere Umrahmung des Beruflichen durch das Private würde hingegen ein viel dominanteres privates Selbstbild preisgeben. So sind bei den Profilen „clarissabottos“ (0,7K) und „zel_daschenka“ (0,3K) unter persönlichen, fotografischen Selbstinszenierungen nur selten Posts mit Übersetzungsbezug, Fotoaufnahmen aus der Dolmetschkabine oder sonstige translationsbezogene Inhalte vorzufinden. In diesen Fällen tritt ein privates Ich auf, das trotz der Selbstpositionierung als Translator: in sich vielmehr durch Reiseorte, Kleider, Körper, Familienangehörige usw. definiert und das Berufliche marginalisiert. Im Hinblick auf individualisierte Konsumgüter, mit denen sich das private Ich schmückt, ähnelt sein Verhalten demjenigen der Influencer: innen, von denen behauptet werden kann, dass Konsumprodukte zum Bestandteil ihrer Psyche, ihres Selbst oder ihrer Individualität werden (Nymoen/ Schmitt 2022: 25, 52). 10 Allerdings lässt sich ein berufliches Ich zuweilen nicht eindeutig als ein translatori‐ sches Ich verstehen. Denn dieses Ich kann sich auch „teacher“ nennen (wie bei „h_trans‐ lator_sunhee“) oder hauptsächlich Inhalte über Spracherwerb, Dialekte und Wortschatz posten, wo Übersetzen/ Dolmetschen nur marginal erwähnt wird (wie bei „zel_daschenka“). Dies führt die Argumentation zum nächsten Punkt, einer Vermischung eines translatori‐ schen und eines linguistisch-philologischen Ichs. 3.2 Philologisierung translatorischer Identität Während auch in der Philologie und der Linguistik mit Sprachen gearbeitet wird, kann das Besondere am translatorischen Interesse für Sprachen darin bestehen, dass dieses einer praktischen und kreativen Arbeit mit fremdsprachlichem Material gilt (Kaindl 2014b: 88). Translator: innen wird dementsprechend eine „translingual identity“ (ebd.: 89) zugesprochen, deren Untersuchung auf personaler oder beruflich-sozialer Ebene unter den vorrangigen Forschungszielen und -schwerpunkten in den Translator Studies angeführt wird (Kaindl 2021a: 18). Wäre aber umgekehrt von einer translingualen Identität automa‐ tisch auf eine translatorische Identität zu schließen? Bei vielen translatorischen Profilen fällt nämlich auf, dass die Selbstbeschreibung als Translator: in mit einer Selbstbeschreibung als Sprachkenner: in und Sprachlehrer: in einhergeht. 196 Mikael Evdokimov <?page no="197"?> Die angesprochene Tendenz ist quer durch alle untersuchten Social-Media-Plattformen zu verzeichnen: Die TikTok-Profile „jevu5“ (45K) und „translator.en“ (22K) zum Beispiel zielen allem Anschein nach auf Arabischsprechende ab, laden diese mithilfe untertitelter Videoinhalte jedoch eigentlich ein, Englisch zu lernen. Der: die Urheber: in des russisch‐ sprachigen TikTok-Profils „translator_panic_“ (13,8K) bezeichnet sich als Translator: in und Philolog: in, lernt aber nach eigener Angabe erst Englisch mit Muttersprachler: innen. Unter den Profilinhalten gibt es keine Indizien dafür, dass das behauptete translatorische Berufsbzw. Kompetenzprofil nicht der noch zu erlernenden englischen, sondern einer anderen Sprache gälte. Ähnlich verhält sich mit dem Profil „translator_cornermariam“ (0,3K), wo vielmehr die Expertise in der chinesischen Sprache, deren Registern und kommunikativen Konventionen im Vordergrund steht. Auch auf YouTube präsentieren sich Personen als Translator: innen, die ihre Kanäle im strengen Sinne um Themen wie Literatur und Landeskunde, Spracherwerb und Selbstentwicklung aufbauen und Translation ggf. erst anfangen zu praktizieren oder zu erlernen. Dieser Kategorie sind die YouTube-Profile „Lou Translator“ (3,2K), „Emily Dreamer“ (2,1K) und „Magdalene“ (0,4 K) zuzuordnen. Translatorische Kompetenz scheint in vielen dieser Fälle stellvertretend für oder gar aus‐ tauschbar mit fremdsprachlichen und sprachdidaktischen Kompetenzen wahrgenommen bzw. dargestellt zu werden. Wenn „Translation als zentrale Nebensache in einer globali‐ sierten Welt“ (Kadrić/ Kaindl 2016) anzusehen ist, so stellt sich vor dem geschilderten Hintergrund die Frage, ob sie in der Welt sozialer Medien nicht manchmal als marginale Hauptsache im digitalisierten Fremdspracherwerb/ -unterricht auftritt. Entweder handelt es sich hier um Translator: innen, die ihre Berufung oder Berufsnische doch im Fremdsprach‐ unterricht gefunden haben (vgl. Sinclair 2021), oder um Sprachinteressierte, die sich nach den ersten Translationsaufträgen ein translatorisches Ich zulegen. In jedem Fall lässt sich auch vermuten, dass solche Social-Media-Profile nicht nur auf den Umstand hinweisen, dass Translation ein ungeschützter Beruf und demnach eine flexible Selbstdefinitionssache ist, sondern auf den schlichten Umstand, dass die Grammatik-Übersetzungsmethode im Erlernen einer Fremdsprache vielerorts wohl noch verbreitet ist. 3.3 Translatorisches Nomadentum im Zeitalter des Konsums Von Translator: innen wird oft behauptet, dass sie die „Deterritorialisierung der Menschheit bestens symbolisieren“ (Kaindl 2014a: 3; Übers. ME). Dementsprechend wird ihnen häufig eine nomadische Identität, womöglich ein kosmopolitisches Ich zugesprochen (Pym 1998: 18). Nicht wenige der bisher angeführten Profile demonstrieren eine erhebliche Mobilität und Reiselust ihrer Urheber: innen, die allerdings nicht unhinterfragt unter einem trans‐ latorischen Nomadentum zu verbuchen wären. Denn die Antriebskraft hinter solchem ‚Nomadentum‘ ist oft eine kritikwürdige, in der Gesellschaft verbreitete und in sozialen Medien sogar allgegenwärtige Fetischisierung von Reisen und Mobilität. Insbesondere an Instagram, an dessen Influencer: innen, aber auch herkömmlichen Nutzer: innen wird oft die Tendenz kritisiert, „einen konsumaffinen Kosmopolitismus“ (Nymoen/ Schmitt 2022: 10) zu betreiben und zu propagieren. Denn in der heutigen Erlebnisgesellschaft lebt man häufig aus dem Koffer, außer dem Smartphone und Laptop wird so gut wie nichts benötigt, mitunter geht die touristische Lebensweise mit einem trendigen Minimalismus einher, der nur Translator: innen als Influencer: innen 197 <?page no="198"?> 11 „Die ewig gleichen Motive - verträumt lächelnde Frauen im Lavendelfeld, am Infinity Pool, unter Palmen am Strand - dominieren keineswegs nur das professionelle Instagram, unzählige junge Frauen eifern ihren Idolen nach und reinszenieren, was sie bei ihnen zu sehen bekommen.“ (Nymoen/ Schmitt 2022: 104). vordergründig antimaterialistisch erscheint, denn konsumiert werden Erlebnisse oder, wie die Netzstars am liebsten sagen: Momente. (ebd.: -152) Der Konsum von Erlebnissen wird von vielen Reise-Influencer: innen akribisch dokumen‐ tiert, ausführlich geschildert und in dem Maße zu ihrer Verdienstquelle gemacht, in dem sie z. B. für ihre werbestrategischen Fotoinszenierungen in Luxushotels von diesen auch bezahlt werden. Die Effizienz solcher Werbung ist nicht zuletzt an den Zahlen der Kundschaft zu sehen, die nachahmend ihren Instagram-Vorbildern folgen, um sich an denselben Orten, mit denselben Schönheitsfiltern, in derselben Körperhaltung porträtieren zu lassen (ebd.: 154-157). Wenn inzwischen die allgemeine Wahrnehmung durch soziale Medien beeinflusst wird, so ist naheliegend, dass von dieser Tendenz auch Translator: innen nicht verschont bleiben, besonders diejenigen, die auf Social-Media-Plattformen unterwegs sind. 11 Ein letztes Instagram-Profil lässt sich in diesem Zusammenhang als ein krönendes Beispiel heranziehen, das nicht nur den Erlebniskonsum, sondern auch viele Merkmale des hier behandelten Phänomens in aller Anschaulichkeit bündelt. Das Instagram-Profil „translator_juliaoblomii“ (1,9K) einer Übersetzerin, die nach ei‐ gener Angabe in den Sprachen Russisch, Englisch, Spanisch mit Blogger: innen und Unter‐ nehmen arbeitet und des Weiteren Englisch- und Translationskurse anbietet, stellt unter den bisher präsentierten Fällen insofern keine Ausnahme dar, als sie sich sowohl persönlich als auch beruflich als Translatorin wie als Sprachexpertin/ -lehrerin inszeniert. Viel leb‐ hafter als bei anderen Profilen kommt bei ihr aber der Aspekt eines konsum- und markenaf‐ finen Influencer-Auftritts zum Tragen. Zuhauf werden für die Social-Media-Öffentlichkeit und Followerschaft schöne Erlebnisse an schönen Ortschaften festgehalten. Das Profil listet zahlreiche fotografische Selbstinszenierungen an traumhaften Stränden, in vornehmen Restaurants, vor eleganten Poolhotels und malerischen Stadtansichten auf. Selbst wenn hier eine beruflich-private Mobilität eines translatorischen Ichs postuliert werden könnte, so ist sie höchst konsumistischer Natur. Denn, abgesehen vom Erlebniskonsum, vervollständigen die dabei fotografierten bzw. konsumierten Gerichte und Getränke sowie Markenwaren das präsentierte (Selbst-)Bild. Es gibt mehrere, mit Fotos und Text versehene Posts mit Produkten von und Informationen über Louis Vuitton, Gucci, Dior usw. Einige Beiträge verraten, dass mit diesen Luxuswarenunternehmen höchstwahrscheinlich auch gearbeitet, d. h. für sie eben übersetzt wird. Die Markenprodukte aus der jeweiligen Branche finden auf diese Weise ihren natürlichen Weg in das Privat- und Berufsleben der Person und werden in den Posts auch mitvermarktet. So wird in einem im Sommer 2022 geposteten Beitrag darüber berichtet bzw. dafür geworben, dass angebotene Sprach- und Translationskurse aus den eigenen Erfahrungen hervorgegangen und mit Techniken aus der eigenen, täglichen Berufspraxis ausgestattet sind. Dabei erscheint dieser Beitrag interessanterweise in Begleitung eines Fotos eines Handgelenks mit einem Armband von Louis Vuitton (die Tasche und die Kleidung auf dem 198 Mikael Evdokimov <?page no="199"?> 12 Im Original: „Учиться надо у тех, чьи результаты вам нравятся. По этой же причине мы выбираем специалистов и смотрим на то, как выглядит косметолог, визажист, стилист, парикмахер. Бывают, конечно, исключения, так называемые «Сапожники без сапог», но чаще все же наоборот.“ 13 „Die Influencer sind die vorläufige Endstufe dieses kapitalistischen Verschönerungsregimes, das den Konsum zwecks Nachfragestimulation gleichermaßen ästhetisiert wie die Arbeit selbst, die vom Pool aus mit dem Tablet in der Hand oder in einem städtischen Co-Working-Space erledigt wird, wo man andere ‚inspirierende‘, ‚kreative‘ Menschen trifft, die von der neoliberalen Subjektivierung profitiert haben. Dabei fallen Leben und Arbeit ohnehin zusammen, gehört doch das Training des Werbekörpers ebenso zum Job wie das Beantworten von E-Mails oder die strategische Vergabe von Likes beim Durchscrollen anderer Influencer-Profile. Wo das Mixen eines Smoothies oder das Auftragen eines Lippenstifts gewinnbringend sein kann und zugleich der Verwirklichung dessen dient, wovon angenommen wird, dass es sich um das autonome Ich handelt, ist selbstredend kein Raum mehr für die Frage, ob die omnipräsente Ästhetisierung lediglich der Kitt von beschädigten Leben ist, die im Quadrat gefangen bleiben.“ (Nymoen/ Schmitt 2022: 70f.) Foto wären wohl gleicher oder vergleichbarer Markenherkunft). Eingeleitet wird das Ganze folgendermaßen: Man muss von denen lernen, deren Ergebnisse einem gefallen. Aus demselben Grund wählen wir Fachleute aus, indem wir uns anschauen, wie ein/ e Kosmetiker: in, ein/ e Visagist: in, ein/ e Stylist: in oder ein/ e Friseur: in aussehen. Es gibt natürlich Ausnahmen, die so genannten „Schuster ohne Schuhe“, aber meistens ist es umgekehrt. (Übers. ME) 12 Ein sprachaffines, translatorisches Ich präsentiert sich hier im Licht persönlicher, marken‐ konformer Eleganz, die gleichzeitig zum beruflichen Erfolgsmerkmal aufgewertet wird. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass solches Konsumverhalten eines Körpers bedarf: Denn ein „körperloser Influencer ist nicht denkbar“ (ebd.: 77), weil gerade der Körper als eine Verkaufsfläche fungiert. Dementsprechend wird oft nicht so sehr die Person und deren emotionales, individuelles Ich, sondern vielmehr deren Körper präsentiert und inszeniert. Das zur Schau gestellte Selbstbild ist oft primär ein Körperbild. Dafür spricht nicht zuletzt die heutzutage verbreitete Fetischisierung der Fitness, weil gerade der durch Sport gestraffte Körper zum Symbol für Erfolg, Leistung und Selbstentwicklung wird (Martschukat 2019). Dieser Stellenwert des Körpers, abgesehen von seiner Trägerfunktion für Markenwaren, ist diesem Profil im Besonderen (wie vielen anderen im Allgemeinen) aufgrund von körperexhibitionistischen After-Workout- und Strandurlaub-Selfies zu ent‐ nehmen. Konsum, Luxusprodukte und Eigenkörper werden nicht nur zum zentralen Identitätsteil, sondern auch zum relevanten Loyalitätsbezug sowohl eines privaten als auch eines beruflichen Selbst. 13 3.4 Erfolgscoaching in Translation Wie oben angedeutet, stellen Konsum, Luxus und Körper nicht zuletzt ein wichtiges Zeichen des persönlichen wie des beruflichen Erfolgs dar. Der letzte erwähnenswerte Punkt betrifft deshalb das implizite Aufstiegsversprechen, das vielen Influencer-Auftritten innewohnt und diesen gewisse Erfolgscoachingmerkmale verleiht. Ein zweiter Blick auf das Profil „translator_juliaoblomii“ lässt erkennen, dass Beiträge mit Buchempfehlungen, philologischen Kommentaren, Eigenwerbung usw. ein Gesamtbild eines erfolgreichen Berufslebens ergeben. Subtil wird ein solches Leben auch propagiert, Translator: innen als Influencer: innen 199 <?page no="200"?> indem in vielen Textpassagen über eigene (offensichtlich erfolgsversprechende) Erfah‐ rungen und Methoden berichtet wird und gelegentlich Frage-Antwort-Kampagnen durch‐ geführt werden, in denen Ratschläge und Tipps zu Spracherwerb und Sprachprüfungen, Praktika- und Arbeitschancen, Übersetzungs- und Dolmetschpraxis gegeben werden. Gepaart mit o. g. Fotoinszenierungen mündet dies mitunter in ein coachingähnliches Guru-Verhalten, das sich für kapitalistische Tugenden und das „meritokratische Verspre‐ chen des American Dream“ (Nymoen/ Schmitt 2022: 173) ausspricht. Beim oben erwähnten Kanal „Freelanceverse“ (19K) ist ebenfalls nicht selten ein subtiles Aufstiegsversprechen herauszuhören, das von einem beruflich erfolgreichen Ich vom Bildschirm aus verkündet wird. Der beschriebene Umstand ist insofern nicht verwundernd, als Coaching- und Influ‐ encer-Verhalten in vielen Fällen Hand in Hand gehen und stark durch Verunsicherung der jungen Generation angesichts arbeits-, wirtschafts- und umweltpolitischer Herausfor‐ derungen bedingt werden (ebd.: 168-181). Denn „Millionen junge Menschen, denen sonst eine Existenz als Wanderarbeiter drohen würde, versuchen sich inzwischen als Streamer“ (ebd.: 175) und suchen sich auf diese Weise eine Erfolgs- und Geltungsnische im Internet. Problematisch ist dies u. a. wegen Verlagerungen des kulturellen, sozialen u. a. Kapitals in solche privaten Social-Media-Hände. „Die klassischen Gatekeeper verlieren an Bedeutung“ (ebd.), und auch im Translationsbereich lässt sich im Rückblick auf die problematisierten Zusammenhänge gerade nicht ausschließen, dass die Autorität in berufsethischen, trans‐ lationsdidaktischen u. a. Stellungnahmen zumindest punktuell und mancherorts durch meinungsführende Social-Media-Prominente nicht privatisiert, oder gar usurpiert, werden kann. 4 Fazit: An- und Auffälligkeitsmerkmale ‚weiblich‘ und ‚freiberuflich‘ Zum Schluss ist auf zwei translationsspezifische An- und Auffälligkeitsmerkmale einzu‐ gehen, die von der bisherigen Argumentation in Form einer Bilanz hergeleitet werden können: nämlich dass Translatorinnen als Teil einer tendenziell frauendominierten und potentiell freiberuflich tätigen Berufsgruppe ein stärkeres Potential haben, als Influ‐ encer: innen im skizzierten Sinne aufzutreten. Selbst wenn mehrere Social-Media-Accounts nur über eine Followerschaft zugänglich sind und in der aktuellen Diskussion nicht beleuchtet werden konnten, fällt im gewährten, gewissermaßen eklektischen Überblick bereits auf, dass die meisten translatorischen Profile Frauen gehören. Neben den besprochenen Fällen reicht alleine schon ein flüchtiger Suchvorgang nach häufigen Pseudonymen „translator_girl“ und „translator_guy/ boy“ auf Instagram aus, um zu sehen, wie viel mehr Frauenals Männerprofile dort vertreten sind. Ihre Urheberinnen laufen dabei mit der Sichtbarkeitsinszenierung ihres beruflichen und privaten Ichs Gefahr, Geschlechterrollen und darin verborgene Machtasymmetrien zu ver‐ festigen. Im influencerkritischen Diskurs wird zu Recht problematisiert, dass Frauen (mitt‐ lerweile zunehmend auch Männer) vorgegebenen Körperidealen und Schönheitsnormen folgen und sich womöglich auf ihren Körper reduzieren (lassen) (ebd.: 77-98). Diese Tendenz ist an den zahlreichen Fotoinszenierungen der oben diskutierten Privatkonten zu erkennen. Dabei erfolgt die „Anpassung junger Frauen an eine von Männern geprägte 200 Mikael Evdokimov <?page no="201"?> 14 Bei Männern wird hingegen das andere Extrem einer auf den Plattformen inszenierten, „radikali‐ sierte[n], fast schon archaische[n] Männlichkeit“ (Nymoen/ Schmitt 2022: 109) diagnostiziert. Inwie‐ fern dies auf die Social-Media-Präsenz männlicher Translatoren zutrifft, bleibt fraglich. Dass aber translatorische Meinungsführerschaft im Internet auch eine regressive Richtung einschlagen kann, lässt sich an einem translatorischen Instagram-Profil illustrieren, das eindeutig einem männlichen Urheber zugerechnet werden kann und hier angemerkt sei. Der russischsprachige Account „trans‐ lator_xasanov“ (2,5K) beinhaltet nämlich religiöse, arabischsprachige Inhalte, Zitate und Regeln aus dem Koran und dem islamischen Gesetz (Scharia), die allem Anschein nach islamkonforme, moralische Orientierungshilfe für die Followerschaft leisten sollen. So geht es in den Beiträgen darum, wann genau man beten sollte, was genau z. B. am Friedhof gelesen werden müsste, aber auch, wann der Ehefrau ein Scheidungsanspruch zu gewähren sei. Gepaart wird dieser Auftritt mit autoritätsvollen Aussagen über die richtige Lebensführung und Kindererziehung im konservativen Geiste, z. B. durch ein abwertendes Urteil über Psychotherapeut: innen und psychosoziale Hilfe bzw. durch den hiermit nahegelegten Verzicht darauf. Ästhetik […] [durch] Belohnungsmechanismen sozialer Netzwerke“ (ebd.: 103f.), wo mit Likes, Smileys, Herzchen etc. gerade das verbreitet und gutgeheißen wird, was Stereotype aus Filmen, Plakaten und Serien reproduziert. So werden u. a. „klischierte Frauentypen“ (ebd.: 99) reproduziert, die einmal eine „sexy Businesswoman“ (ebd.), dann wieder eine „infantile Mädchenhaftigkeit“ (ebd.: 92) reinszenieren. Dass diese Social-Media-Ästhetik auch vor der Berufsgruppe der Translatorinnen nicht haltmacht, leuchtet beim Betrachten einiger ihrer Profile (z.-B. „Emily Dreamer“, „translator_juliaoblomii“) unmissverständlich ein und fordert zu einem medienkritischen bzw. -kompetenten Umgang mit der eigenen medialen Sichtbarkeit auf. 14 Die Sichtbarkeit eines ungeteilten Ichs von Translator: innen in der Social-Media-Land‐ schaft bringt eine weitere, relevante Erkenntnis mit sich. Im Influencer-Marketing steht das Ich immer im Mittelpunkt und lässt sowohl sich selbst als auch (recht symbolisch) den intimen, privaten Bereich des eigenen Zuhauses kommerzialisieren: Die Frage, warum das Zuhause wie selbstverständlich Homeoffice [durch einen Influencer] genannt wird, stellt sich im Neoliberalismus, der das Ich zum permanent zu optimierenden Projekt erklärt hat, nicht mehr. Die Arbeit für und an sich selbst hebt die Trennung von innen und außen, von privat und öffentlich auf […]. (ebd.: -11) Es liegt auf der Hand, dass translatorische Berufe, die oft selbstständig, freiberuflich, mobil und flexibel von zu Hause aus ausgeübt werden, Translator: innen beinahe dafür prädisponieren, dass ihr berufliches, professionelles Ich und ihr häusliches, intimes Ich räumlich, zeitlich und ggf. mental ‚unter einem Dach‘ sind und ineinander übergehen. Die mediale Sichtbarkeit eines translatorischen Subjekts, die in einem solchen Setting inszeniert wird, so sehr es ihm auf sachliche Inhalte ankommen mag, wird unvermeidlich auch die Privatperson in ihrer intimen Umgebung enthüllen. Dies ist der Fall bei mehreren Profilen („Interprepedia“, „Sarah Moon“, „Freelanceverse“, „Emily Dreamer“, „translator_juliaob‐ lomii“), deren Urheber: innen sich (oft bis fast immer) in legeren, häuslichen Kleidungen zeigen und ihre Zuhörer- und Followerschaft in ihre Wohnungen blicken lassen. Eine nette Authentizität, die hierdurch ausgestrahlt wird, sorgt für Glaubwürdigkeit und Vertrauen, was, wie oben bereits angedeutet, dann verdeckt manipulativ werden kann, wenn dies vom marktstrategischen Kalkül und Profit für sich oder kooperierende Unternehmen angetrieben wird. Translator: innen als Influencer: innen 201 <?page no="202"?> 5 Ausblick Der vorliegende Beitrag versuchte, einen Einblick in eine neue Forschungslandschaft der Translation/ Translator Studies zu gewähren, wobei mögliche Fragestellungen und Schwerpunkte nur ansatzweise diskutiert wurden. Beispielsweise bietet sich im Rückblick die Vermutung an, dass die Art und Weise translatorischer Sichtbarkeitsinszenierungen auf gewisse Länder-, Sprach- und Themenspezifik weiterzuverweisen vermag. Auch ange‐ deutete Geschlechts- und Genderverhältnisse in ihrer medialen Präsenz versprechen viele relevante Erkenntnisse. Sollte die translatorische Sichtbarkeit auf den Social-Media-Platt‐ formen bzw. deren Omnipräsenz im persönlichen und beruflichen Leben des modernen Menschen zunehmen, würde sich die Forschung mit noch weiterreichenden Fragen kon‐ frontiert sehen: Welche Folgen hätte z. B. die Reichweite der abonnierten translatorischen Social-Media-Kanäle für die institutionalisierten Ausbildungsformen und -prinzipien, für die translatorische Berufsethik und--praxis? Inwiefern wäre eine Didaktisierung einschlä‐ giger Forschungsergebnisse angebracht, um Medienkompetenz unter angehenden Trans‐ lator: innen zu fördern? Schließlich wurden hier die geschäftlichen Accounts translatorischer Firmen, Unter‐ nehmen und Selbstständigen nicht berücksichtigt. Welche mediale Meinungsführerschaft entfalten diese im Vergleich zu den Privatkonten? Wie viel Prozent der geschäftlichen, professionellen Interaktion verlagert sich auf diese Kanäle und wer genau konstituiert im jeweiligen Fall die Followerschaft? Es bleibt ferner von Interesse, wie in diesem Zu‐ sammenhang klassische Kapitalformen und deren Erwerb möglicherweise umgewandelt, beschleunigt, vermarktet werden (können). Die Leitfrage im aufgegriffenen Sichtbarkeits‐ diskurs bliebe dabei in jedem Fall unverändert: Wenn Translator: innen sich selbst und Translation in sozialen Medien sichtbar machen, wie genau wird dies getan und, noch wichtiger, was für eine Sichtbarkeit wird dadurch erzielt? Literatur Barthes, Roland (2009). Die helle Kammer. Bemerkung zur Photographie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Cialdini, Robert B. ( 7 2013). Die Psychologie des Überzeugens. Wie Sie sich selbst und Ihren Mitmen‐ schen auf die Schliche kommen. Bern: Huber. Cornwell, T. Bettina/ Katz, Helen (2021). Influencer. The Science Behind Swaying Others. Milton: Taylor & Francis Group. Crystal, David ( 2 2006). Language and the Internet. Cambridge: Cambridge University Press. Kadrić, Mira/ Kaindl, Klaus (2016). Translation als zentrale Nebensache in einer globalisierten Welt - eine Einführung. In: Kadrić, Mira/ Kaindl, Klaus (Hrsg.). Berufsziel Übersetzen und Dolmetschen. Grundlagen, Ausbildung, Arbeitsfelder. Tübingen: A. 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Die französische (2005/ 2015) und die beiden englischen Versionen (2015 bzw. 2016) bewegen sich zwischen historisch-philologischer Rekonstruktion und Aktualisierung. Der Beitrag widmet sich dem Umgang der Übersetzer mit Realien, Zitaten und An‐ spielungen, sowie mit den von Kraus verwendeten sprachlichen Registern und Wort‐ spielen. Alle diese Stilmittel stehen im Dienst seiner satirischen Antikriegspolemik, die von den Übersetzern einem gegenwärtigen Lesepublikum mit Hilfe unterschiedlicher Strategien vermittelt wird. Schlagwörter: Karl Kraus, Die letzten Tage der Menschheit, Erster Weltkrieg, englische Übersetzung, französische Übersetzung Abstract: Karl Kraus’s monstrous satirical drama about the inhuman warmongering surrounding World War I poses serious translation problems. The author uses a wealth of contemporary discourse and quotations from the press, and often alludes to historical persons and institutions. The French (2005/ 2015) and the two English versions (2015 and 2016) oscillate between historical-philological reconstruction and updating. The paper analyzes the translators’ handling of culture-specific elements, quotations, and allusions, as well as the linguistic registers and puns used by Kraus. All of these stylistic devices serve his satirical anti-war polemic, which the translators convey to a contemporary reading public through different strategies. Keywords: Karl Kraus, The Last Days of Mankind, World War I, English translation, French translation 1 Einleitung Karl Kraus’ Tragödie Die letzten Tage der Menschheit wird in den Vorbemerkungen „einem Marstheater zugedacht“ (Kraus 1986: 9). Damit weist der Verfasser auf die in seinem Text <?page no="208"?> vorherrschende Unmenschlichkeit hin, zugleich auch auf die Unspielbarkeit infolge des monströsen Umfangs - 1930 verfasste er eine entsprechend verkürzte Bühnenfassung. Der Text gilt nach wie vor als ein Muster der Polemik gegen den Ersten Weltkrieg - und darüber hinaus gegen den Krieg an sich. Mit der Abfassung hatte Kraus unmittelbar nach dem Ausbruch des Kriegs begonnen und den Text in Lieferungen in seiner Zeitschrift Die Fackel publiziert. Abgeschlossen wurde das Drama etwa gleichzeitig mit dem Ende des Krieges. Nun, nach Aufhebung der Zensur, konnten auch Passagen erscheinen, deren Publikation zuvor verboten worden war. Eine erste komplette Fassung erschien 1922; 1926 folgte eine vom Verfasser revidierte Version, die als Referenzausgabe gilt. Die Paratexte lassen erkennen, dass sie auch den Verfassern der drei in der Folge analysierten Übersetzungen als Ausgangstext diente. Aus seiner pazifistischen Haltung heraus attackierte Kraus in den Letzten Tagen der Menschheit die österreichische und die deutsche Regierung und die Militärs, aber auch die Kriegstreiber unter den Intellektuellen, die Kriegsprofiteure und - wie Zeit seines Lebens - die Presse. Sie stellte für Kraus eine apokalyptische Plage und eine enge Verwandte der Prostitution dar, da er beide als Ausgeburten des Kapitalismus erachtete. Die Verbindung von stumpfem Nationalismus und Kapitalismus war es auch, die diesen Krieg besonders in‐ human ausarten ließ. Allen voran geißelte Kraus auch in Sachen Kriegspropaganda die Neue Freie Presse mit ihrem pompösen Jargon, ihrer Phrasendrescherei, ihren heuchlerischen Euphemismen und ihrem Hurrapatriotismus. Man kann das von Kraus in Szene gesetzte Personal und die Ziele seiner Satire kaum besser zusammenfassen als Richard Schuberth in einer rezenten Gesamtschau von Kraus’ Werk: Ein Pandämonium seniler Monarchen, ruhmsüchtiger Generäle, sadistischer Offiziere, chauvi‐ nistischer Minister und vertrottelter Beamter, korrupter Redakteure und Heimatfrontpatrioten, Schieber und Kriegsgewinnler, waffensegnender Priester, grausamer Richter, selbstzufriedener, ihre Kinder und Frauen misshandelnder Bürger, schmieriger Operettensänger, eines lynchbereiten Mobs und einer blutgierigen, verlogenen Kriegsberichterstattung, deren satirisches Porträt in seiner analytischen Schärfe jede Kritik des heutigen Meutejournalismus in den Schatten stellt. (Schuberth 2016: 68f.) Man hat in den Letzten Tagen der Menschheit an die 500 Dramatis Personae gezählt, deren Spannweite sich von den Spitzen der Gesellschaft, nämlich dem österreichischen und dem deutschen Kaiser, bis hinunter zu den so genannten kleinen Leuten erstreckt. Auch unter den Letztgenannten ist der menschenverachtende Nationalismus allgegenwärtig, dazu kommen Klassengegensätze: Kraus stellt dem demonstrativen und provokanten Hedonismus des öffentlichen Lebens in Österreich die himmelschreienden Zustände an der Front, die Leiden und den Tod der Soldaten, gegenüber. Die Angehörigen der Oberschichten konnten es sich mehrheitlich ‚richten‘, sie führen ein bequemes, oft luxuriöses Leben in der Heimat, während die fast ausschließlich aus den Mittel- und Unterschichten rekrutierten Soldaten in den Schützengräben Granatenbeschuss, Giftgasangriffen und aller anderen Unbill des Kriegs ausgesetzt sind. Da die Fackel zur Zeit des Abdrucks der Letzten Tage der Menschheit bis zu 10.000 Exem‐ plare druckte, kann man von relativ großer Verbreitung sprechen. Wegen der zahlreichen Anspielungen, der stilistischen Komplexität und der Verwendung diverser Dialekte ist 208 Norbert Bachleitner <?page no="209"?> 1 Siehe dazu auch Lacheny (2018: 260) und Florea (2017: 364f.), die als Beispiel die notorische Äußerung des deutschen Kaisers Wilhelm II. „Ich habe es nicht gewollt“ anführt. der Text allerdings alles andere als leicht eingängig ausgefallen. Die Literaturwissenschaft und benachbarte Disziplinen haben immer wieder hervorgehoben, dass Kraus die realen Verhältnisse in der Gesellschaft mit Hilfe der Sprache, insbesondere mit den von den Protagonisten selbst verwendeten Idiomen, kritisiert. So schreibt zum Beispiel der Soziologe Max Horkheimer: „Seine Sprachanalysen dienen deren [der Gesellschaft] Physiognomik. Er demaskiert sie durch die Sprache, die sie spricht, durch die Untat, die sie an der Sprache verübt.“ (Horkheimer 1989: 21) Und er fährt fort: Die Sprache wird ihm zum Beweisstück der gesellschaftlich produzierten Verdummung, welche die Menschen dazu bringt, ohne Widerstand über sich ergehen zu lassen, was die Mächte der Welt aushecken; zum Beweisstück der Verrohung, die den Sprachleib ergreift, ehe sie in Kriegen, Diktaturen und Konzentrationslagern sich austobt. Als die Katastrophe hereinbrach, bestätigte sie nur, was Kraus der Sprache längst abgehört hatte. (Horkheimer 1989: 23) Kraus war ein eifriger Sammler von Zeitungsausschnitten, aus denen er ebenso eifrig zitierte. Er behauptete, weder etwas von den geschilderten Taten noch von den zitierten Gesprächen erfunden zu haben: „Die unwahrscheinlichsten Taten, die hier gemeldet werden, sind wirklich geschehen; ich habe gemalt, was sie nur taten. Die unwahrschein‐ lichsten Gespräche, die hier geführt werden, sind wörtlich gesprochen worden; die grellsten Erfindungen sind Zitate.“ (Kraus 1986: 9) Zurecht wurde Kraus’ Einsatz von Zitaten als eine Form der Attacke auf seine Gegner bezeichnet. So spricht Pierre Bourdieu davon, dass das Zurückverfolgen von Zitaten zu ihrer Quelle, das heißt zu ihren Autor: innen, ein Zitat zu einem Kampfzitat („citation de combat“; Bourdieu 2002: 376) 1 mache. Die Zitierten disqualifizieren sich dadurch selbst, sie offenbaren ihre Dummheit, Gefühllosigkeit und Grausamkeit. Nichtsdestoweniger kommentierte Kraus mit Hilfe der Figur des Nörglers, der so etwas wie sein Alter Ego im Text bildet, im Dialog mit dem Optimisten die Ereignisse auf sarkastische Weise. Auch dichtete er so manche satirischen Verse hinzu. Überdies bringt er auf dem Weg des Zitierens, wie bereits angedeutet, eine Vielzahl von Sprachvarietäten und Dialekten in den Text. Eine Fülle von Redewendungen und Sprachspielen trägt das Ihre dazu bei, dass der erste Eindruck von diesem Text lautet: Unübersetzbar! Umso erstaunlicher erscheint die Tatsache, dass nach der Übersetzung ins Französische von Jean-Louis Besson und Henri Christophe im Jahr 2005 (mit einer Neuauflage von 2015) unmittelbar hintereinander sogar zwei unabhängige englische Fassungen erschienen, und zwar die erste 2015 von Fred Bridgham und Edward Timms, die zweite 2016 von Patrick Healy. Bei der französischen und der englischen Übersetzung von 2015 handelt es sich um Erstübersetzungen des Gesamttexts der Letzten Tage der Menschheit in die jeweilige Sprache. Vorweg sei zudem bemerkt, dass alle drei Ausgaben einführende Paratexte, bibliographische Hinweise und umfangreiche Glossare mit Sacherläuterungen enthalten, sich also wissenschaftlichen Editionen zumindest annähern. Die weiter unten folgende Analyse der Übersetzungen orientiert sich methodisch einerseits an dem umfassenden Konzept von Lance Hewson (2011), der als einer der ersten Theoretiker der literarischen Übersetzung konsequent auf die außertextuellen Parameter Zwischen historischer Rekonstruktion und Aktualisierung 209 <?page no="210"?> (Herkunft der Übersetzer: innen, Verlage, Kritik etc.) eingeht. Im Übrigen hält er, was die Beurteilung der Übersetzungen betrifft, an der vertrauten Dichotomie treu-frei fest, unterteilt das Spektrum zwischen diesen Polen aber in vier Stufen unterschiedlicher Nähe zwischen Ausgangs- und Zieltext. Zudem wurde in einem rezenten, eher pragmatisch ausgerichteten Aufsatz des Verfassers die Vorgangsweise beim Sammeln von inhaltlich oder stilistisch signifikanten Passagen im Ausgangstext und ihrer Wiedergabe im Zieltext expliziert. Aufsteigend von solchen Belegstellen kann eine Gesamtcharakteristik der Über‐ setzung herausgearbeitet werden (Bachleitner 2022). Die dort geschilderte Vorgangsweise wird auch in diesem Beitrag praktiziert. 2 Die Übersetzer und ihre Verlage Heinz Schwarzinger hat sich bereits einen ausgezeichneten Namen als Übersetzer österrei‐ chischer Literatur ins Französische gemacht, unter anderem hat er den Österreichischen Staatspreis für literarische Übersetzung erhalten. Er ist spezialisiert auf Übersetzungen dramatischer Texte, daneben auch immer wieder als Regisseur und Schauspieler aktiv. Seine Backlist umfasst unter anderem Johann Nestroy, Ödön von Horvath, Elias Canetti, Arthur Schnitzler und Werner Schwab. Häufig firmiert er, wie in unserem Fall, unter dem Pseudonym Henri Christophe, ferner arbeitet er gerne im Tandem mit muttersprachlichen Kolleg: innen zusammen. Jean-Louis Besson ist Schriftsteller mit Schwerpunkt Kinder- und Jugendliteratur; er hat unter anderem aber auch Sachbücher und die Theaterstücke von Georg Büchner sowie Karl Valentin übersetzt. Mit Heinz Schwarzinger zusammen hatte er zuvor Nestroy ins Französische übertragen. Beide haben somit Erfahrung im Bereich der dramatischen Übersetzung, zudem scheint die Zusammenarbeit von zwei muttersprachlichen Übersetzern eine ideale Voraussetzung für die Übertragung komplexer literarischer Texte. Die beiden Urheber der ersten Übersetzung der Letzten Tage der Menschheit ins Englische sind ebenfalls bestens für die Herausforderungen einer Kraus-Übersetzung gerüstet. Fred Bridgham ist Historiker und Verfasser einer Reihe von Büchern über deutsche Geschichte, darunter findet sich das für die Kontexte von Kraus’ Tragödie besonders relevante The First World War as a Clash of Cultures (2006). Von Bedeutung für die Kraus-Übersetzung ist ferner, dass er ein deutsch-englisches Wörterbuch (A Friendly German-English Dictionary, 1996) herausgegeben hat, das im Speziellen auf lexikalische Besonderheiten in den beiden Sprachen eingeht. Edward Timms ist Germanist und ein Doyen der Austriazistik; als Spezialist für deutsch-jüdische Literatur hat er neben vielem anderen eine zweibändige Kraus-Biographie (Karl Kraus - Apocalyptic Satirist, zuerst 1986) vorgelegt, die als Stan‐ dardwerk gilt. Zusammen haben die beiden 2020 auch Kraus’ Dritte Walpurgisnacht, seine Reaktion auf Hitlers Machtübernahme und Abrechnung mit dem Nationalsozialismus, übersetzt. Ihre Übertragung der Letzten Tage der Menschheit erhielt den Übersetzerpreis der Modern Language Association of America. Patrick Healy ist ein publizistisch äußerst aktiver Kunst- und Architekturhistoriker bzw. -kritiker, ferner hat er über Walter Benjamin, Carl Einstein und Max Raphael geschrieben. In einer Rezension in der Irish Times vom 2. Juli 2016 wird seiner Übersetzung der Letzten Tage der Menschheit bescheinigt, effektvoll irische Dialektformen verwendet zu 210 Norbert Bachleitner <?page no="211"?> haben (Battersby 2016). 2017 hat er unter dem Titel In These Great Times eine Auswahl von Kraus-Texten in englischer Sprache nachgelegt. Alle drei Übersetzungen erschienen in eher kleinen Nischenverlagen, die sich der Komplexität und der Herausforderungen einer solchen Edition bewusst waren. Da von vornherein kein allzu großer Absatz zu erwarten war, ist es umso bemerkenswerter, dass die französische Übersetzung eine zweite Auflage erlebte und für Februar 2023 eine Taschenbuchausgabe der englischen Übersetzung von Bridgham und Timms angekündigt ist. Es überrascht - trotz dieser Anzeichen für einen gewissen Publikumserfolg - nicht, dass die beiden Übersetzungen ins Englische, wie bei derartigen Projekten üblich, finanziell gefördert wurden. Der Verlag Agone in Marseille verlegt wissenschaftliche Bücher aus den Bereichen Geschichte, Politik und Philosophie sowie Übersetzungen von anspruchsvoller Literatur, etwa Werke von Mark Twain oder Harry Martinson. Auch deutsche und österreichische Literatur bilden einen Schwerpunkt, genannt sei beispielsweise Wittgenstein, ferner fanden sich Bücher von und über Kraus bereits vor der aktuellen Übersetzung der Letzten Tage der Menschheit im Verlagsprogramm. Bridghams und Timms’ Übersetzung erschien bei Yale University Press, einem der renommiertesten US-amerikanischen Universitätsverlage. Ihr Programm umfasst eine breite Palette von Publikationen aller wissenschaftlichen Disziplinen, wobei die Kulturwis‐ senschaften eine prominente Rolle spielen. Die Reihe „The Margellos World Republic of Letters“, in der The Last Days of Mankind erschienen sind, ist, wie bereits der Titel verrät, Werken der Weltliteratur gewidmet. Die 2014 gegründeten November Editions in Amsterdam, die Patrick Healys Übersetzung herausbrachten, sind auf Literatur des Expressionismus und der Moderne spezialisiert. Aus dem Deutschen haben sie - neben Karl Kraus - Ausgaben von Werken Else Lasker-Schülers, Carl Einsteins, Walter Rheiners und Max Raphaels produziert. Der Verlagskatalog umfasst nur sieben Publikationen, die letzte stammt aus dem Jahr 2016, was befürchten lässt, dass der Verlag nicht mehr aktiv ist (November Editions 2016). 3 Die Übersetzungsstrategien Vorweggenommen werden soll an dieser Stelle eine pauschale Gesamteinschätzung der drei behandelten Übersetzungen, sie ermöglicht die in einem Aufsatz mit eingeschränktem Umfang unumgängliche Schwerpunktsetzung. Bessons und Christophes Version ist der Versuch einer philologischen Rekonstruktion des Ausgangstexts inklusive seiner histo‐ rischen Kontexte. Sie trachtet die vielfältigen Anspielungen auf die zeitgenössischen Verhältnisse, Personen und Diskurse möglichst beizubehalten. Obwohl sie die von Kraus verwendeten diversen Idiome und Dialekte nicht nachzuahmen versuchen bzw. dies aufgrund der relativen Homogenität des Französischen gar nicht möglich zu sein scheint, kann Bessons und Christophes Übersetzung als sich nahe am Ausgangstext bewegende, insofern verfremdende, zum Teil sogar wörtliche Wiedergabe bezeichnet werden. Sieht man von Interessent: innen von Seiten der Wissenschaft und anderer speziell in deutsch-österrei‐ chischer Geschichte vorgebildeter Leserschaft ab, so bereitet eine solche Übersetzungsweise dem breiteren Zielpublikum mit anderem kulturellen und linguistischen Hintergrund Zwischen historischer Rekonstruktion und Aktualisierung 211 <?page no="212"?> zweifellos Verständnisprobleme. Aus diesem Grund bieten die Übersetzer in Fußnoten und einem angehängten Glossar der wichtigsten erwähnten Namen, Periodika, Orte und Musikstücke bzw. -texte Erläuterungen an. Die Leser: innen werden damit eingeladen, in die Welt der 1910er Jahre einzutauchen. Patrick Healys Version bewegt sich ebenfalls eng am Ausgangstext entlang. In mancher Hinsicht ist sie aber kreativer: Healy ahmt das Wienerische und all die anderen Idiome mit Hilfe eines kolloquialen Sprachstils nach, der sich aus dem irischen Englisch speist. Auf diese Weise kreiert er einen eigenen Sound, indem er mit der Sprache ähnlich wie Kraus spielt und dabei zuweilen ähnlich komische Effekte erzielt. In ihrer Rezension seines Bandes hebt auch Eileen Battersby (2016) Healys Musikalität und sein Gefühl für sprachlichen Rhythmus hervor. In derartigen Passagen entfernt sich die Übersetzung zeitweise von der von Kraus porträtierten mitteleuropäischen Szenerie des Kriegsjahrzehnts, insgesamt betrachtet bleibt Healy jedoch - wie auch Besson und Christophe - dem Ausgangstext deutlich näher als Bridgham und Timms. Man könnte argumentieren, dass ein Text, der jeder Menge Erläuterungen bedarf, viel von seiner polemischen und satirischen Schärfe verliert. Dieses Argument scheint der Grund gewesen zu sein, weshalb Bridgham und Timms entweder spezifische historische oder sprachliche Anspielungen verallgemeinern oder erklärende Zusätze im Text unter‐ bringen. In ihrem Nachwort halten sie fest, dass „imaginative writing has to be adjusted to the rhythms of the target language and the expectations of a new audience“ (Kraus 2015a: 591). Und sie konstatieren, dass ihr Übersetzungskonzept „verbal changes to elucidate obscure conceptual or historical allusions“ vorsieht, mit denen sie beabsichtigen, „the impact of slogans and punch lines“ zu verstärken; ferner haben sie sich auf die Suche nach „modern equivalents for antiquated phrases“ (ibid.) begeben. Damit nicht genug, stellen sie, wann immer sich das anbietet, auch auf der Ebene von Ereignissen Analogien zur jüngeren Vergangenheit her, die auf dem Weg von Assoziationen angedeutet werden. Sie optierten für „deliberate allusions through choice of phrase to the continuing relevance — Kraus might have said, the universality — of its themes, notably its anti-war polemic“ (Bridgham 2015: 105). So ziehen sie zum Beispiel Parallelen zur Invasion von US-Truppen im Irak im Jahr 2003, die aufgrund gefälschter Dokumente über angeblich im Irak gela‐ gerte Massenvernichtungswaffen eingeleitet wurde, wenn bei Kraus von dem Historiker Heinrich Friedjung die Rede ist, der gefälschte Dokumente über revolutionäre Umtriebe in Serbien zitierte, um die österreichische Regierung zur ‚Verteidigung‘ aufzustacheln (Kraus 2015a: xii). Akte von Grausamkeit in kriegerischen Auseinandersetzungen sind auch in neuerer Zeit Legion, Bridgham und Timms erwähnen die Bombardierung einer Mädchenschule im Gazastreifen durch Israel im Jahr 2014 (ibid.: xviii); sieben Jahre danach wären bedauerlicherweise so manche aktuellere Assoziationen mit der Gegenwart möglich. Ein gegen Anachronismen offensichtlich voreingenommener Rezensent befand übrigens, dass solche Assoziationen zu weit gingen, er identifizierte Passagen, in denen das übersetzte Drama „seems almost too contemporary - where the parodies of journalistic spin or bureaucratic newspeak feel all too imitative of our own epoch“ (Linden 2018: 286). Wenn Bridgham und Timms das Wienerische durch eine Art Cockney ersetzen oder englischsprachigen Leser: innen geläufige Redewendungen und Zitate verwenden, nähern sie ihr Übersetzungskonzept ein Stück weit den französischen belles infidèles an. Ihre 212 Norbert Bachleitner <?page no="213"?> Übertragung versucht Kraus’ Satire in den Letzten Tagen der Menschheit über kulturelle und sprachliche Grenzen sowie die historische Distanz von einem Jahrhundert hinweg zu transferieren. Da dieser faszinierende Versuch alle Aufmerksamkeit verdient, wird ihre Übersetzung hier im Mittelpunkt stehen; die beiden anderen Übertragungen dienen zum Vergleich, der die unterschiedlichen Übersetzungsstrategien und ihre Umsetzung plastisch hervortreten lässt. 4 Textvergleiche 4.1 Erläuternde Erweiterungen Bridgham und Timms gehen, wie oben angedeutet, davon aus, dass Kraus’ Drama der „clarification through translation“ bedarf, „especially if one wants to reach a younger ge‐ neration“ (Bridgham 2015: 122). Tatsächlich ist ihr Text voll von erläuternden Ergänzungen. Das erste Beispiel betrifft eine Ortsangabe. Am Beginn jedes der fünf Akte beschreibt Kraus eine an der sogenannten Sirk-Ecke (d. i. der Ecke von Kärntner Ring und Kärntnerstraße) versammelte Menge. Die Ecke, einer der Plätze, an dem sich die feine Gesellschaft traf, ist benannt nach einem dort befindlichen Lederwarengeschäft. Kraus führt den Ort zu Beginn des ersten Akts lakonisch ein: „Wien. Ringstraßen-Korso. Sirk-Ecke. Etliche Wochen später. Fahnen an den Häusern. Vorbeimarschierende Soldaten werden bejubelt. Allgemeine Erregung. Es bilden sich Gruppen.“ (Kraus 1986: 69) In Bridghams und Timms’ Übersetzung wird die Lokalität näher beschrieben: „Vienna, at the corner where the Kärntnerstrasse meets the Ring. Flags flying from windows. Soldiers march past to cheers. General euphoria in August 1914 after the ultimatum to Serbia has precipitated world war. Everyone wants to be part of the action.“ (Kraus 2015a: 47; Hervorhebung der Ergänzungen vom Verfasser) Nicht nur Örtlichkeiten, auch historische Personen werden von Bridgham und Timms genauer identifiziert. Ein Abonnent der Neuen Freien Presse freut sich auf das Editorial in der nächsten Ausgabe seiner Zeitung, es ist allen Umstehenden (und österreichischen Leser: innen) klar, dass es von dem Chefredakteur Moriz Benedikt, in Kraus’ Augen ein unerträglicher Phrasendrescher, stammen wird. Die gottgleiche Allgegenwart Benedikts und seines Blattes bildet eine Art Leitmotiv in den Letzten Tagen der Menschheit. Kraus lässt den Namen daher weg: „Eine Sprache wird er finden, wie noch nie. Wie Lueger gestorben is, wird nix dagegen sein.“ (Kraus 1986: 47f.) Es widerspricht Kraus’ satirischer Intention, den Namen zu nennen. Bridgham und Timms ersetzen nicht nur das ‚er‘ durch ‚Benedict‘, sie ergänzen auch Luegers Funktion („Mayor Lueger“; Kraus 2015a: 31), was die Äußerung des natürlich bestens informierten Abonnenten unrealistisch macht und ihr weiteres satirisches Potential entzieht. Healy (2016: 7, 10) enthält sich dagegen aller erläuternden Zusätze; Besson und Christophe erklären, wer und was gemeint ist, in Fußnoten oder verweisen mit Sternchen im Text auf das Glossar im Anhang (Kraus 2015b: 1, 4), was zweifellos eine vergleichsweise elegante Methode der Kommentierung darstellt. Zwei andere Beispiele: Der Name von Sascha Kolowrat, mit dem Poldi Fesch „gedraht“ hat (Kraus 1986: 49), wird unter Hinweis auf die von ihm gegründete Filmgesellschaft erläutert: „I was out partying with the Sascha Film people.“ (Kraus 2015a: 32) In ihrem Nachwort erklären die Übersetzer, dass sie mit dem Ersetzen des Chefs durch eine Gruppe Zwischen historischer Rekonstruktion und Aktualisierung 213 <?page no="214"?> von Mitarbeiter: innen der Filmgesellschaft auf die in diesen Jahren zunehmende Bedeutung des Films hinweisen wollten, da dieser auch nicht zuletzt für Zwecke der Kriegspropaganda eingesetzt wurde (ibid.: 592). Ferner erklären Bridgham und Timms, wo Kraus einfach auf die sich patriotisch andienenden „93 Intellektuellen“ (Kraus 1986: 438) hinweist, dass es sich um „the 93 who signed the Manifesto of the Intellectuals of Germany against the ‚lies and slanders‘ of the Allies“ handelt (Kraus 2015a: 329; Hervorhebung der Ergänzung vom Verfasser). Schließlich verdeutlichen Bridgham und Timms auch Zitate und Anspielungen. Wenn Kraus (1986: 9) auf die Kriegstreiberei und andere Untaten bezogen ironisch schreibt, „ich habe gemalt, was sie nur taten“, so ist das die Verkehrung eines Zitats aus Schillers Fiesco. Bridgham und Timms verfolgen die Anspielung zurück zu ihrem Ursprung, was den Text wiederum überdeterminiert und die Satire abschwächt. Wenn Leser: innen eine solche Spur nicht selbst entdecken dürfen, verpufft die Wirkung. Bridgham und Timms (2015a: 1; Hervorhebung vom Verfasser) schreiben jedenfalls: „Going beyond the realm of Schillerian tragedy, I have portrayed the deeds they merely performed.“ Healy (Kraus 2016: 11, 330, 3) sowie Besson und Christophe (Kraus 2015b: 6, 399, ix) verzichten in den drei letztgenannten Passagen wieder auf Zusätze. 4.2 Aktualisierung von historischen Termini und Anspielungen Eine erkleckliche Anzahl von historischen Termini, Phänomenen und Anspielungen wurden von Bridgham und Timms offenbar als unverständlich für ein zeitgenössisches Publikum erachtet. Sie suchten daher nach gegenwärtigen, dem Publikum vertrauten Äquivalenten. Wie sie festhalten, wäre der Begriff „Nibelungentreue“ (Kraus 1986: 128) zu verwirrend für ihre Leser: innen gewesen, „only Wagnerians might surmise what the phrase means“ (Kraus 2015a: 591). Der Begriff meint bekanntlich die unverbrüchliche gegenseitige Unterstützung der österreichisch-ungarischen und der deutschen Armee. Bridgham und Timms setzen dafür die „Special Relationship“ ein, die Großbritannien und die USA auf ähnliche Weise miteinander verbindet (ibid.: 93, 592). Besson und Christophe (Kraus 2015b: 87) sowie Healy (Kraus 2016: 78) haben keine Bedenken, wörtlich mit „la fidélité des Nibelungen“ bzw. „the Nibelungen loyalty“ zu übersetzen. Ein anderer Terminus, der von Bridgham und Timms weniger als unverständlich, denn als unpassend erachtet wird, weil er in der Gegenwart mit anderer Bedeutung verwendet wird, ist „Menschenmaterial“: So titulieren bei Kraus (1986: 151) Offiziere ihre Mannschaft und degradieren sie dadurch zu belangloser Verschubmasse. Die Übersetzer befanden, dass die naheliegende Übersetzung ‚human resources‘ durch den Gebrauch des Begriffs im Wirtschafts- und Politikjargon allzu abgemildert worden und also unbrauchbar in diesem Zusammenhang sei: „[S]ince the dehumanising euphemism is now fully integrated into business-speak, we have to make the point more forcibly with ‚human raw material‘.“ (Kraus 2015a: 111) Healy (Kraus 2016: 97) scheut nicht vor „human resources“ zurück, Besson und Christophe (Kraus 2015b: 112) haben „le matériau humain“. Im Fall von Kraus’ „Friedenspimpfe[n]“ (Kraus 1986: 150), einer Verunglimpfung der Pazifisten, wagen Bridgham und Timms (Kraus 2015a: 110) mit „idiotic peaceniks“ einen anachronistischen Neologismus. Healy (Kraus 2016: 95) hat „stupid pacifist clique“, Besson und Christophe (Kraus 2015b: 110) entscheiden sich für „crétins de pacifistes“. 214 Norbert Bachleitner <?page no="215"?> A propos beatniks-peaceniks: Bridgham und Timms bringen auch Anspielungen auf Popsongs an. Die wiederkehrende, leicht drohende Phrase „Ma werd doch da sehn“ (Kraus 1986: 70) wird mit „You ain’t seen nothing yet! “ (Kraus 2015a: 48) wiedergegeben, was zumindest Angehörige der Boomer-Generation an einen Song der Band Bachman-Turner Overdrive aus den 1970er Jahren mit eben diesem Titel erinnert. Wenn ferner eine Figur über eine vergangene Konversation berichtet „sag ich ihm lieber Mappl tempora mutatur“ (Kraus 1986: 164), bauen Bridgham und Timms eine kleine Hommage an Bob Dylan ein, wenn sie übersetzen „my dear Mappl, I said, the times they are changing“ (Kraus 2015a: 122). Healy (Kraus 2016: 30, 107) hat „We’ll see it yet“ und behält die lateinische Phrase bei, Besson und Christophe (Kraus 2015b: 26, 126) haben ein unauffälliges „On verra bien“ bzw. ebenfalls die lateinische Phrase. Ein letztes Beispiel für Aktualisierungen betrifft die Szene, in der ein Offizier behauptet, „wir nähern uns dem Riesen mit Friedensschritten — oder nein, wir nähern uns dem Frieden mit Riesenschritten“ (Kraus 1986: 553). Die beiden Übersetzer nützen die Gelegenheit für eine weitere anachronistische Anspielung, indem sie eine Reminszenz an einen anderen großen Schritt für die Menschheit anbringen. Die Bedeutung verschiebt sich geringfügig, aber das Wortspiel ist überzeugend: „giants would be a peaceful step — no, hang on — peace would be a giant step for mankind“ (Kraus 2015a: 418). Healy (Kraus 2016: 423) sowie Besson und Christophe (Kraus 2015b: 515) bleiben wörtlich und dadurch etwas farblos. Sie schreiben „we’re approaching the giant with peace steps - or no, we are approaching peace with giant steps“ bzw. „nous approchons à pas de paix du géant - ou plutôt non, à pas de géant de la paix“. 4.3 Ersetzen statt übersetzen? Spezielle Übersetzungsprobleme werfen stets - so auch in den vorliegenden Texten - literarische Zitate und Anspielungen auf. Kraus’ primäre Autoritäten waren Goethe, Schiller und Shakespeare. Hier übersetzen die beiden Translatoren manchmal gar nicht, sondern sie ersetzen Kraus’ Quellen durch englische und amerikanische Autoren. Am gewagtesten ist die Substitution von Wordsworths berühmtem Gedicht „To Daffo‐ dils“ anstelle von Goethes nicht weniger bekanntem „Wandrers Nachtlied“. Kraus zitiert es im Zusammenhang eines Wettstreits zweier pensionierter Hofräte, die sich als Amateur‐ poeten betätigen. Beide haben gleichzeitig Adaptationen von Goethes Gedicht verfasst. Die erste mit dem Titel „Wanderers Schlachtlied“ lautet: Über allen Gipfeln ist Ruh, Über allen Wipfeln spürest du Kaum einen Hauch. Der Hindenburg schlafet im Walde, Warte nur balde Fällt Warschau auch. (Kraus 1986: 266) Das Gedicht des anderen Hofrats trägt den Titel „Beim Bäcken“: Über allen Kipfeln ist Ruh, Beim Weißbäcken spürest du Kaum einen Rauch. Zwischen historischer Rekonstruktion und Aktualisierung 215 <?page no="216"?> Die Bäcker schlafen im Walde Warte nur balde Hast nix im Bauch. (ibid.: 267) In der englischen Version von Bridgham und Timms wird, wie gesagt, zweimal Wordsworth adaptiert (Kraus 2015a: 197): I wandered lonely as a cloud That floats on high o’er vales and hills When all at once they called out loud Hindenburg, a name that thrills. And Warsaw soon our troops will seize With banners dancing in the breeze. I wandered lonely as a cloud Towards a scene that made me stop, For all at once I saw a crowd Queuing at the baker’s shop. The baker’s gone sleep, they say, There won’t be any bread today. Healy (Kraus 2016: 187f.) und Besson und Christophe (Kraus 2015b: 225f.) übersetzen ein‐ fach Kraus’ Version, man könnte sagen: schlecht und recht. Man kann ihnen zugutehalten, dass die Situation bei Parodien noch um einiges komplexer ist als bei Zitaten, da die Vorlage durchscheinen muss, soll der Effekt gewährleistet bleiben. Rhythmus und Reim bleiben jedenfalls auf der Strecke, und damit auch die Wirkung: On all the summits peace, On tree tops you hardly see A breath of breeze. Hindenburg sleeps in the forest. Wait, for very soon Warsaw will fall too. The rolls are waiting quietly, Over the bread you hardly see A puff of air. The bakers sleep in the forest, Wait, for soon You will die of hunger’s despair. Sur toutes les cimes, plus rien ne bouge, Aux sommets des arbres, tu perçois à peine Un souffle d’air - Dans la forêt Hindenburg s’est tu. Attends, bientôt, Varsovie tombera à son tour. 216 Norbert Bachleitner <?page no="217"?> Sur tous les kouglofs, plus rien ne bouge, À la boulangerie, tu perçois à peine Un souffle d’air. Dans la forêt les boulangers se sont tus. Attends, bientôt, Tu mourras de faim à ton tour. Ersetzt muss immer wieder auch bei Redewendungen werden. Ein Berliner Exporteur wirft den schlappen Wienern vor, nicht kampfbereit genug zu sein und zu viel vom Frieden zu träumen: „Is det ne Stimmung in eurem lieben Wien? Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich.“ (Kraus 1968: 427) Eine wörtliche Wiedergabe könnte etwa folgendermaßen lauten: „Is that the mood you have in your beloved Vienna? The expert is astonished and the layman puzzled.“ Es handelt sich um die von Healy (Kraus 2016: 321) gewählte Lösung, die sogar etwas von dem komischen Effekt konserviert. Bridgham und Timms optieren für eine semantisch abweichende Phrase, sie stellen überdies zwecks Verdeutlichung eine rhetorische Frage voran: „Loyal allies? You can tell that to the marines! “ (Kraus 2015a: 320) Besson and Christophe agieren ähnlich mit einer Redewendung, die soviel wie ‚das haut mich aus den Socken‘ bedeutet: „Là, vous m’en bouchez un coin.“ (Kraus 2015b: 388) 4.4 Diverse sprachliche Register Der wienerische Dialekt ist in den Letzten Tagen der Menschheit allgegenwärtig. Oft ist es nicht (nur) das Vokabular, sondern die Phonetik, die den Unterschied macht. So ertönt wie eine Signaltrompete gleich am Beginn des ersten Akts der Ruf des Zeitungsverkäufers: „Extraausgabee -! Ermordung des Thronfolgers! Da Täta vahaftet! “ (Kraus 1986: 45) Das ist natürlich, wie immer bei Markierungen von Dialekt in der Literatur, nur eine Annäherung, die angedeutete Phonetik kann aber bei einer gewissen Ortskenntnis leicht imaginiert werden. Bridgham und Timms ahmen die saloppe und ein wenig ordinäre Artikulation nach: „Ex-tra-aaedi-shun! Arsh-duke ass-ass-inated! Mur-draar-rested! “ (Kraus 2015a: 29) Es gelingt ihnen sogar, ein zusätzliches phonetisches Spiel mit den Silben ‚arsh‘ (‚arch-‘ ‚arse‘) und ‚ass‘ unterzubringen. Healy verfolgt etwas weniger überzeugend die nämliche Strategie, indem er die Dehnung und das Verschlucken von Vokalen markiert, zudem scheint sein Zeitungsverkäufer kein großer Freund von Fremdwörtern zu sein: „Extra-editiooon-! Assassination of th’heir to th’throne. The peppatra’or arrestid! “ (Kraus 2016: 7) Besson and Christophe sahen im Französischen offenbar keinerlei Möglichkeit, Dialekte zu markieren, ihr Zeitungsmann äußert sich hochsprachlich: „Édition spéciale - ! Le prince héritier assassiné! Le meurtrier arrêté! “ (Kraus 2015b: 1) Die Oberschichten befleißigen sich einer besonders snobistischen Aussprache, die von Kraus ebenfalls ziemlich lebensecht eingefangen wurde. Schon zuvor waren Kraus die Mitglieder der Gruppe des Jungen Wien wegen ihrer Pose dekadenter Poeten ein besonderer Dorn im Auge. Auch in den Letzten Tagen der Menschheit nimmt er sie aufs Korn, zumal sie es sich an diversen Schreibtischen vergleichsweise bequem gemacht hatten, unter anderem im Kriegsarchiv und im Kriegspressequartier. Nichtsdestoweniger verfassten sie salbungsvolle und pathetische Texte über den Krieg in dieser ‚großen‘ Zeit. In dem folgenden Dialog der Jungwiener Leopold von Andrian und Hugo von Hofmannsthal über Hermann Bahr, ein Zwischen historischer Rekonstruktion und Aktualisierung 217 <?page no="218"?> weiteres Mitglied der Gruppe, macht sich Kraus vor allem über ihre affektierte Sprechweise mit dunklem und nasalem a-Laut, der sich dem o nähert, lustig: „Gut’n Tog, du Hugerl weißt nix vom Bohr? […] Du Hugerl is wohr daß der Bohr in dem Johr noch nicht do wor oder is er gor eingrückt? “ (Kraus 1986: 148). Bridgham und Timms streichen in diesem Fall die Segel, bei solchen diffizilen Passagen hilft ihre gesammelte Kreativität nicht weiter, sie halten sich schlicht an den Inhalt: „Tell me, Hugo my boy, is it true Bahr hasn’t been here all year, or could he really have enlisted? “ (Kraus 2015a: 109) Auch bei Healy (Kraus 2016: 94) ist kaum etwas vom Snobismus des Ausgangstexts übrig geblieben: „Is it true Hugerl that Bahr hasn’t been here yet this year, or is he even enlisted? “ Kaum noch nötig zu sagen, dass Besson und Christophe (Kraus 2015b: 108) wieder in der Hochsprache verbleiben: „Dis moi, mon petit Hugo, c’est vrai que Bahr n’est pas encore venu cette année, il n’aura pas été mobilisé tout de même? “ Der Transfer von Dialekten ist nicht immer erfolgreich. Eine unversiegliche Quelle des Humors in Kraus’ Kriegsdrama sind die sprachlichen Unterschiede zwischen Wien und Berlin, die zu Missverständnissen oder blankem Unverständnis führen. Eine berühmte Szene führt einen Berliner Schieber und einen Wiener Dienstmann zusammen. Der Dienst‐ mann soll eine Botschaft an einen Wiener Kontaktmann namens Swoboda überbringen, aber der Dienstmann versteht kein Wort. Eine Kostprobe aus dem Redeschwall des Berliners: „[…] fragen Se nach dem Sektionscheff Swobóda, […] er möge noch wachten und ’n Tisch anjeben, das Treffbuch liegt vamutlich an der Auskunftei auf […] für den Fall hörn Se dass a vahindat wäre, möge er nach dem Muläng rusche komm’n oder wie det Etablissemang jetzt heißt“ (Kraus 1986: 235). Weder Bridgham und Timms (Kraus 2015a: 173) noch Healy (Kraus 2016: 162) gelingt es, den affektierten Ton des Berliners, der ganz in der Welt seiner Sprachvarietät eingeschlossen ist, wiederzugeben. Sie beschränken sich auf die üblichen Markierungen von Elisionen, die Umgangssprache und hohes Redetempo signalisieren. Besson und Christophe (Kraus 2015b: 194) haben nicht einmal dieses Mittel zur Hand. Bei ihnen ist kaum nachzuvollziehen, warum der Dienstmann nicht versteht, es sei denn, man schreibt ihm fortgeschrittene Geistesschwäche zu. Besser ließ sich offensichtlich der Wiener Dialekt wiedergeben, auch wenn man ein‐ räumen muss, dass es sich meist nur um kurze Dialogfetzen handelt. Der Dienstmann resigniert mit der Bemerkung: „Ahwoswoswaßiwossöwulln“ (Kraus 1986: 235). Healy (Kraus 2016: 162) bleibt mit „Whatisityouwantthen? “ näher an englischer Standardsprache als Bridgham und Timms (Kraus 2015a: 173), bei denen der Dienstmann kaum noch verständlich klingt: „Kum-agen-wot-was-it-ya-sed-ya-wonted? “ Besson und Christophe (Kraus 2015b: 194) kapitulieren auch vor dieser Aufgabe, sie beschränken sich darauf, nicht literarisches, sondern gesprochenes Französisch zu verwenden. Sie hatten davor erwogen, einen Pariser und einen Bewohner von Marseille zu konfrontieren. „Mais un Marseillais comprend très bien un Parisien - ou meme un Lillois. Et puis, quelle idée de mettre un Marseillais et un Parisien sur le Ring à Vienne! “ (Besson/ Schwarzinger 2006: 137) Ähnlich hatten Bridgham und Timms Cockney und Scots als Äquivalent zum Wieneri‐ schen in Erwägung gezogen, sich aber schließlich für „a generalized and varied version of the colloquial“ (Bridgham 2015: 113) entschieden. So blieb der Ruf eines Kutschers „Fahr füra Rabasbua vadächtiga - ! “ ein unspezifisch raues „Get-outta my way, ya dorty scum! “ (ibid.: 54) Gelegentlich rutscht ihnen aber doch Cockney durch, z. B. in der Szene, in der ein 218 Norbert Bachleitner <?page no="219"?> Portier erklärt, dass der Zug, wie immer, Verspätung hat: „E loiks t’arroive round sevun.“ Kurz darauf bestätigt er, dass man sich auch auf die Verspätung nicht verlassen könne: „Nat as a rule, zaktly, but a late arroival on toim wud be a bloody miracul“ (ibid.: 324). 4.5 Wortspiele Wenn eingangs das Wort ‚unübersetzbar‘ gefallen ist, so muss abschließend auch noch auf tatsächlich kaum zu überspringende, von Kraus aufgestellte Hürden hingewiesen werden. Bestes Beispiel dafür sind seine Wortspiele. Wenn Offiziere einen Feldgeistlichen als „Heiligenscheinwerfer“ und „Sündenabwehrkanone“ (Kraus 1986: 690) titulieren, so sind „Holy-water-sprinklers“ und „anti-temptation-weapon“ (Kraus 2015a: 523) passable Entsprechungen, denen aber der aggressive Zynismus, der sich in dummdreisten Humor kleidet, abgeht. Healy (Kraus 2016: 532) wählt mit „holy moly“ ein gänzlich anderes Humor‐ register, mit „defensive weapon against sin“ übersetzt er einfach umständlich-wörtlich. Bei Besson und Christophe (Kraus 2015b: 657) wirkt „faiseurs d’auréoles“ phantasielos, „vaillant canon antivénérien“ bringt immerhin eine Alliteration ins Spiel. Abseits von solchen diskutablen Lösungen, scheitern alle Übersetzer, wenn Kraus aus dem ‚Volk der Dichter und Denker‘ ein ‚Volk der Richter und Henker‘ macht; für dieses Wortspiel fehlen wohl in jeder anderen Sprache Äquivalente, ganz abgesehen von der pathetisch-nationalistischen Konnotation der Phrase im Deutschen. Stellvertretend für unzählige mögliche weitere Beispiele soll nur noch die berühmte Szene herangezogen werden, in der sich ein deutscher und ein österreichischer Soldat über das Bombenwerfen unterhalten. Der Deutsche berichtet stolz, dass ihnen ihr Ober‐ bombenwerfer freie Hand gegeben habe, Bomben nach Gutdünken wann und wo immer abzuwerfen. Der Österreicher versteht unter dieser Charge jemand, der Bomben „ober‐ wirft“, der Deutsche belehrt ihn, nachdem er endlich verstanden hat, dass man in diesem Fall „herabwerfen“ sagen würde. Der Österreicher schlägt daraufhin vor, den Vorgesetzten doch „Herabbombenwerfer“ zu nennen, der deutsche Kollege klärt ihn auf, dass natürlich der Chef der Bombenwerfer gemeint sei, analog zu Oberleutnant oder Oberkellner. Der Österreicher lernt dazu und schlägt demnach folgende Anrede für den Vorgesetzten vor: „Herr Oberbombenwerfer, derf ich jetzt eine Bomben - oberwerfen? “ (Kraus 1986: 181f.) Bei Bridgham und Timms nennt sich der Vorgesetzte „Lance-Bombardier“, was der Österreicher sich mit jemand, der sich mit „bombarding with lances“ und „throwing lances over“ beschäftigt, übersetzt und dafür den Terminus „Bomb-Lancer“ vorschlägt. Aufgeklärt, dass ein Lance-Bombardier eben der Chef der Bombenwerfer wäre, analog zu einem Oberkellner als Chef der Kellner (‚waiter‘), man ihn aber einfach mit „Wai-ter“ rufen würde. Daran knüpfen die beiden Übersetzer ein eigenes Wortspiel, wenn der unverständige Österreicher zurückfragt: „Wait’ere? But I am waiting ’ere! “ Schließlich schlägt er als korrekte Anrede vor: „Dear Mr. Lance-Bombardier, please bring me a bomb - to throw over now? “ (Kraus 2015a: 134f.) Healy tauft den Oberbombenwerfer „head of the bombing squad“, was den Österreicher unverständlicherweise zu der Feststellung „But everyone is throwing bombs on heads“ und zum alternativen Vorschlag „head bomber“ animiert. Der Deutsche weist ihn darauf hin, dass er das nicht gemeint habe, man sage ja schließlich auch „throw it at their feet“. Darauf werden vom Österreicher „footbombers“ vorgeschlagen - und abgelehnt, es handle sich Zwischen historischer Rekonstruktion und Aktualisierung 219 <?page no="220"?> schlicht um den „boss of the bombers“, analog zu einem „head-waiter“. Der Dialog mündet in den Vorschlag: „Mister head of the bombing squad, is it alright if I throw a little bomb at a head? “ (Kraus 2016: 121) Die Szene liest sich hier kaum wie ein Dialog von Kraus, sondern eher wie Gewitzel von Volksschulkindern. Besson und Christophe räumen in einer Fußnote ein, den Dialog adaptiert zu haben. Das ist eine Untertreibung, tatsächlich haben sie ihn stark gekürzt und anstatt der sprachlichen Verwicklungen eher unerklärliche inhaltliche Missverständnisse heraufbeschworen. Der Vorgesetzte nennt sich hier „bombardier en chef “, der den Auftrag gegeben hat, „de nettoyer“ (Kraus 2015b: 142). Der Österreicher fragt, wiederum unverständlicherweise, ob der Oberbombenwerfer gereinigt werden sollte? Nein, die Bombenwerfer säuberten selbst, und zwar die Landschaft von Menschen. Dazu gibt es noch ein Missverständnis um das Wort ‚larguer‘ (‚abwerfen‘, ‚fallen lassen‘), wenn der Österreicher fragt, ob Menschen abgeworfen wurden. Auch hier gewinnt man den Eindruck, dass die Missverständnisse nicht auf sprachliche Differenzen, sondern auf beidseitige Begriffsstutzigkeit zurückzuführen sind. 5 Conclusio Es konnten hier nur einige von vielen beim Übersetzen relevanten Aspekten von Kraus’ komplexem Text angesprochen werden. Zitate und Anspielungen, Wortspiele und die Ausbeutung der feinen Bedeutungsunterschiede und -nuancen von dialektalen, soziolek‐ talen und regionalen hochsprachlichen Varianten sind aber zweifellos die wichtigsten Elemente, mit denen er seine Antikriegspolemik vorantreibt. Die Schärfe von Kraus’ auf die spezifischen Verhältnisse der 1910er Jahre bezogenen Attacken hat aber einiges von ihrer polemischen Kraft verloren, auch sind die Letzten Tage der Menschheit im Detail mit zunehmender zeitlicher Distanz immer schwieriger zu dekodieren. Man benötigt dafür umfangreiche und entsprechend verdienstvolle Kommentarbände wie jenen von Agnes Pistorius (2011), auf den auch die Übersetzer dankbar zurückgegriffen haben. Besson und Christophe übersetzen weitgehend philologisch treu dem Ausgangstext entlang ohne erläuternde Einfügungen anzubringen oder ein Feuerwerk an kreativen Einfällen zu zünden, das Kraus’ sprachlichen Reichtum und Witz ins Französische migrieren würde. Sie verweisen aber häufig auf den reichhaltigen Stellenkommentar im Anhang, der enzyklopädische Informationen bereithält. Healy hält sich ebenfalls eng an den Ausgangstext; zum Unterschied von Besson und Christophe versucht er aber zumindest, gestützt auf die im Englischen weitaus reichlicher vorhandenen Möglichkeiten, Dialekt und die vielen von Kraus eingesetzten Sprachregister widerzuspiegeln, indem er kolloquiale Sprache verwendet, die von Spezialist: innen als typisch irisch beurteilt wurden. Es mag charakteristisch für Healys translatorischen Zugang sein, dass sein Band den dünnsten Kommentarteil der drei Übersetzungen aufweist. Er geht offensichtlich davon aus, dass er alles im Zieltext untergebracht hat, was im Ausgangstext stand, ergo nicht allzu viele weitere Informationen vonnöten sind. Bridgham and Timms tendieren - bei generell ebenso erkennbarer Absicht, das histo‐ rische Bedeutungspotential des Ausgangstexts zu rekonstruieren - immer wieder zur Verallgemeinerung historischer Details und, wie an einigen Beispielen gezeigt werden konnte, zur Aktualisierung so mancher von Kraus erwähnter Ereignisse, Verhältnisse, 220 Norbert Bachleitner <?page no="221"?> Mentalitäten etc. Auch der Umstand, dass sie in den Übersetzungstext Erläuterungen einfügen, zeigt, dass sie ihrem Publikum entgegenkommen wollen, dass es ihnen darauf ankommt, die Wucht der Kraus’schen Satire mit allen Mitteln aufrecht zu erhalten und in das 21. Jahrhundert zu tragen. Sie verhalten sich möglicherweise ‚untreu‘ gegenüber dem Wortlaut des Ausgangstexts, aber sie entsprechen seiner satirischen und polemischen Intention. Sie gehen von dem Satz aus, der gerne auf Wahlen angewendet wird: Nach dem letzten Krieg ist vor dem nächsten Krieg. Dafür gebührt ihnen aller Respekt. Zudem hat Kraus selbst seinen Text über eine dem Untergang geweihte Welt explizit an die Nachwelt adressiert, sie sollte ihre Schlüsse daraus ziehen. In seinem langen Schlussmonolog medi‐ tiert der Nörgler, wie gesagt, Kraus’ Alter Ego, über das Nachleben des Werks: „Ich bewahre Dokumente für eine Zeit, die sie nicht mehr fassen wird oder so weit vom Heute lebt, daß sie sagen wird, ich sei ein Fälscher gewesen.“ (Kraus 1986: 671) In seinem Vorwort zeigt sich Kraus zwar pessimistisch gegenüber dem Fortschritt, betont aber einmal mehr, dass man den Krieg und seine Schilderungen nicht als lokale und historisch begrenzte Angelegenheit betrachten sollte: „Dennoch muss ein restloses Schuldbekenntnis, dieser Menschheit anzugehören, irgendwo willkommen und irgendeinmal von Nutzen sein.“ Deutlicher kann man die Hoffnung auf Nachwirkung auf künftige Generationen kaum artikulieren. Literatur Bachleitner, Norbert (2022). Ordnen und Sammeln als grundlegende Operationen der Übersetzungs‐ kritik. Am Beispiel von historischen Dickens-, Flaubert- und Baudelaire-Übersetzungen. In: Ferstl, Paul/ Folie, Sandra/ Leschanz, Christoph/ Mallmann, Theresa/ Syrovy, Daniel (Hrsg.). Vom Sammeln und Ordnen. Berlin: Weidler, 319-334. Battersby, Eileen (2016). The Last Days of Mankind by Karl Kraus: translations of an epic drama reviewed. The Irish Times. 2 July 2016. https: / / www.irishtimes.com/ culture/ books/ the-last-days -of-mankind-by-karl-kraus-translations-of-an-epic-drama-reviewed-1.2707038 (zuletzt aufgerufen 12.11.2022) Besson, Jean-Louis/ Schwarzinger, Heinz (2006). En traduisant Karl Kraus. Agone 35/ 36, 135-146. Bourdieu, Pierre (2002). Actualité de Karl Kraus. Un manuel de combattant contre la domination symbolique. Dans: P. B.: Interventions, 1961-2001. Sciences sociales & action politique. Marseille: Agone, 374-381. Bridgham, Fred (2015). On Translating Karl Kraus’s Die letzten Tage der Menschheit. Austrian Studies 23, 104-122. Florea, Hélène (2017). Karl Kraus et la ‚citation de combat‘. Dans: Geisenhanslüke, Achim/ Lapchine, Nadia/ Iehl, Ives/ Lartillot, Françoise (éds.). Contre-cultures et littératures de langue allemande depuis 1960. Entre utopies et subversion. Berne: Peter Lang, 353-369. Hewson, Lance (2011). An Approach to Translation Criticism. Emma and Madame Bovary in translation. Amsterdam: John Benjamins. Horkheimer, Max (1989). Karl Kraus und die Sprachsoziologie. In: M. H.: Gesammelte Schriften. Bd. 13: Nachgelassene Schriften 1949-1972. Herausgegeben von Gunzelin Schmid Noerr. Frankfurt a. M.: S. Fischer, 19-24. Zwischen historischer Rekonstruktion und Aktualisierung 221 <?page no="222"?> Kraus, Karl (1986). Die letzten Tage der Menschheit. Herausgegeben von Christian Wagenknecht (Schriften 10). Frankfurt a.-M.: Suhrkamp. Kraus, Karl (2015a). The Last Days of Mankind. The Complete Text. Translated by Fred Bridgham and Edward Timms. New Haven: Yale University Press. Kraus, Karl ( 2 2015b). 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Wien: Klever. 222 Norbert Bachleitner <?page no="223"?> 1 On peut consulter ces 94 appels à l’action à l’adresse suivante : https: / / www.rcaanc-cirnac.gc.ca/ fra / 1524494530110/ 1557511412801 (consulté le 12.12.2022). À propos de la traduction des littératures autochtones du Canada Patricia Godbout Résumé-: Dans ce texte, je me penche sur la traduction des littératures autochtones du Canada, et sur la poétique caractéristique de ce corpus. L’intérêt généré au Canada anglais pour la traduction de la littérature autochtone rédigée en français est souligné, notamment la traduction anglaise de L’Ourse bleue, de Virginia Pésémapéo-Bordeleau, premier roman autochtone écrit et publié en français au Canada. La présence de mots en langues autochtones dans ces œuvres littéraires est examinée, de même que la traduction vers le français d’œuvres autochtones écrites en anglais, en particulier celles de l’écrivain cri Tomson Highway. Mots-clés-: Littérature autochtone, poétique, Canada, traduction, langues autochtones Abstract: This text looks at the translation of Indigenous literatures in Canada, and at the poetics typical of that corpus. The interest generated in English Canada for the translation of Indigenous literature written in French is examined, notably the English translation of L’Ourse-bleue, by Virginia Pésémapéo-Bordeleau, which is the first Indigenous novel written and published in French in Canada. The role played by Indigenous languages within these works is emphasized. Works by Indigenous writers writing in English and translated into French are also underlined, in particular those of Cree writer Tomson Highway. Keywords: Indigenous literature, poetics, Canada, translation, Indigenous languages Les littératures autochtones connaissent actuellement un grand essor au Canada. Si certaines œuvres sont écrites dans les langues autochtones du territoire canadien, comme le cri ou l’innu-aimun, la majorité sont écrites en anglais ou en français, les deux langues officielles du pays. Au cours de la dernière décennie, bon nombre de ces ouvrages (romans, poèmes, essais, pièces de théâtre) ont été traduits dans « l’autre » langue officielle. J’aimerais me pencher ici sur quelques caractéristiques de cette activité de traduction. Celle-ci prend place, plus généralement, dans le contexte socio-politique des 94 «-appels à l’action » publiés en 2015 par la Commission de vérité et réconciliation 1 . Cette commission, dont les travaux se sont déroulés de 2008 à 2015, visait à offrir aux personnes ayant <?page no="224"?> 2 Pour un aperçu de ce système, voir l’article «-Pensionnats indiens au Canada-»-: https: / / www.theca nadianencyclopedia.ca/ fr/ article/ pensionnats (consulté le 11.12.2022). été affectées par le système des pensionnats autochtones 2 une occasion de partager leurs histoires et leurs expériences. Après avoir examiné certains traits distinctifs de ce qui relève d’une poétique autochtone (McLeod 2014), je présenterai diverses stratégies de réappropriation des récits et des langues autochtones par les écrivaines et écrivains et quelques façons dont ces stratégies sont transportées dans l’espace de la traduction. Plusieurs études ont porté sur la poétique autochtone ces dernières années. Dans l’introduction à un ouvrage collectif consacré à cette question publié sous sa direction, Neal McLeod, lui-même d’ascendance crie et européenne, affirme qu’en contexte autochtone, une partie du processus d’écriture consiste à amener dans le temps présent la puissance narrative des contes traditionnels. Il ajoute-: Indigenous poetics can move toward the richness of knowledge stored in the manifold plurality of Indigenous consciousness. Within these poetic condensed cores of Indigenous consciousness, we can find the tools to not only articulate the beauty of our tradition, but also deal with our collective trauma as experienced in residential schools and the spatial diasporas from our own homelands. (McLeod 2014: 5-6). L’importance d’utiliser les langues autochtones est soulignée par McLeod dans un autre texte : « Chaque fois qu’une histoire est racontée, chaque fois qu’un mot d’une langue autochtone est prononcé, nous résistons à l’anéantissement de notre mémoire collec‐ tive » (McLeod 2018: 100). McLeod appelle « mémoire narrative » cette entreprise de réappropriation de soi par les récits et l’écriture (2018: 103). Ce courant littéraire - et j’ajouterais, traductif - s’inscrit dans une mouvance décoloniale, laquelle peut prendre des accents plus militants, comme c’est le cas chez la jeune poète innue Natasha Kanapé Fontaine, qui scande dans ses œuvres sa colère d’activiste contre divers projets de pipelines sur les terres ancestrales. Sont ainsi soulignés les liens étroits entre territoires, mots et récits, ce qui aboutit dans certains cas à une réflexion sur les « écopoétiques décoloniales », telle qu’elle qu’on peut la lire notamment dans un numéro récent de la revue Littérature, intitulé « Zones à dire : pour une écopoétique transculturelle ». Dans cette perspective décoloniale, le texte devient alors un territoire à se réapproprier : « Écrire les ancêtres, dans le territoire particulier du texte, c’est revenir par la littérature à une spiritualité associée à une spatio-temporalité décoloniale-» (Boizette et al. 2021: 74). Une caractéristique de l’activité récente de traduction des littératures autochtones au Canada est l’intérêt que portent plusieurs maisons d’édition canadiennes-anglaises aux œuvres publiées par des auteures et auteurs autochtones écrivant en français. Ainsi, la poésie de Natasha Kanapé Fontaine a attiré l’attention de la maison torontoise Mawenzi House Publishers, qui en a publié trois recueils dans la traduction anglaise de Howard Scott : Do not enter my soul in your shoes (2015), suivi de Assi Manifesto (2016b) et enfin Blueberries and Apricots, en 2018. Kanapé Fontaine prend la parole de façon forte et décisive dans ce dernier recueil pour témoigner de la perte de langage et de territoire de son peuple, mais aussi pour affirmer son existence. L’auteure parsème ses poèmes écrits en français de mots 224 Patricia Godbout <?page no="225"?> en langue innue - que l’on retrouve également dans la traduction - mots qui sont autant de jalons sur le chemin de résurgence qu’elle trace avec sa poésie. Le traducteur Howard Scott a bien senti l’importance de conserver en français certains mots, pour permettre aux lecteurs de saisir la référence culturelle. On peut ainsi lire les vers suivants dans un long poème intitulé « La réserve » : « Je me souviens/ d’avoir été déshonorée/ éraflée/ tordue/ battue/ saignée/ violée » (Fontaine 2016: 62). Ce « Je me souviens » est repris plusieurs fois dans les vers qui suivent. La traduction anglaise rend ces premières occurrences par « I remember » : « I remember/ being dishonoured/ scrat‐ ched/ twisted/ beaten/ bled/ raped » (Fontaine 2018: 42). Mais plus loin, alors que Fontaine reprend ces mots dans une autre strophe en les mettant en italiques (2016: 66), Scott fait de même, mais cette fois les laisse en français, ce qui permet au lecteur anglophone de saisir l’allusion à la devise du Québec, « Je me souviens », laquelle aurait autrement été effacée par la traduction : « Our sons and our daughters will come out of the reserves/ will remember/ the fabricated poverty/ they will crawl to the exits of the reservoirs/ of dams of outfitters/ they will whisper/ je me souviens » (2018: 45). Dès 2013, Mawenzi House avait fait paraître la traduction anglaise, par Phyllis Aronoff, du recueil fondateur de ce courant de poésie autochtone au Québec, Bâton à messages : Tshissinuatshitakana par Joséphine Bacon (2009), influence avouée sur la jeune Kanapé Fontaine. De langue maternelle innue, Bacon a travaillé avec des ethnologues à traduire de l’innu à l’anglais ou au français les histoires d’aînés de sa communauté avant de se tourner elle-même vers la poésie. Dans une entrevue qu’elle a accordée au quotidien montréalais La Presse dans la foulée de la parution de son deuxième recueil, Un thé dans la toundra (2013a), Bacon raconte qu’elle est arrivée à Montréal à la fin des années 1960 après avoir quitté sa région natale. Pour elle, écrire un poème, c’est marcher dans sa mémoire-: Ce que j’écris, je me vois le faire. Quand je parle [dans mes poèmes] des perches, ce sont vraiment des perches que je dois tirer avec moi : dans la toundra, il n’y a pas de bois, pas d’arbres, il faut donc apporter ses perches pour se monter un abri. Ce n’est pas abstrait : ma poésie est concrète. [Ma poésie] marche. Elle tire des perches, elle pagaie, elle portage. Et elle a les jambes fatiguées. Comme moi! (Blais 2014) Dans un texte paru dans le collectif dirigé par Neal McLeod cité ci-dessus, Michèle Lacombe souligne l’importance de cette métaphore de la marche dans la poésie autochtone de langue française au Canada. Cette figure rend compte des mouvements des ancêtres sur le territoire ainsi que des changements subis dans la réalité indigène contemporaine, tout en servant d’image englobante de la marche poétique elle-même et du va-et-vient linguistique et culturel dont la poésie autochtone témoigne : « I turn to the metaphor of walking to suggest the continuous and discontinuous movement between ancestral understandings based in Indigenous languages and cultures and the coexistence of such knowledge with European languages and urban cultures-» (McLeod 2014: 159). Bacon explique que ce qui met sa poésie en marche, c’est précisément le nomadisme des ancêtres, le fait qu’ils « marchai[ent] la terre », que la terre guidait leur vie et leurs rêves : « C’est pour ça que quand j’écris mes poèmes, mon inspiration, c’est tous ces vieux que j’ai traduits » (Bacon 2018). Les recueils de Bacon juxtaposent le français, sur la page de gauche, et l’innu sur celle de droite. Dans l’entrevue accordée à La Presse, Bacon explique À propos de la traduction des littératures autochtones du Canada 225 <?page no="226"?> sa démarche d’écriture : « J’écris le poème d’abord en innu. Puis je l’écris de nouveau en français […]. Ce n’est pas une traduction, c’est une adaptation à la réalité de chaque langue … Et ça fait comme si j’étais deux fois poète ! » (Blais 2014). Bacon ne se réfère jamais à ce travail comme à une entreprise d’autotraduction. Elle parle plutôt d’adaptation, en employant toutefois ce terme d’une façon plutôt générale (Godbout 2020: 62). On perçoit le désir chez l’auteure - qui a contribué dans le passé, comme on l’a vu, à recueillir des récits fondateurs chez les aînés de son peuple - à devenir elle-même une porteuse d’histoire et de mémoire, rôle sans doute impensable à tenir pour elle sans la présence de la langue innue : « À mon tour, je deviens une aînée/ J’attends ta visite pour te raconter/ Une histoire qui demeure/ Dans les mémoires-» (Bacon 2013a: 30). Cette histoire se raconte aussi en français dans ce recueil bilingue, la version française étant destinée autant aux Innus qui ne maîtrisent pas leur langue maternelle qu’aux lecteurs allochtones francophones. Traduits en anglais sous le titre Message sticks (Tshissinuatshi‐ takana), ces poèmes poursuivent leur voyage vers d’autres lectorats (Bacon 2013b). Le rôle vital de la traduction Les traductrices et les traducteurs jouent souvent un rôle vital de repérage de titres importants à traduire, qu’ils proposent ensuite à une maison d’édition. C’est le cas d’une traductrice canadienne aguerrie, Susan Ouriou, qui s’est mise tôt sur la piste de la traduction de la littérature autochtone de langue française. Avec sa fille Christelle Morelli, elle a traduit deux romans de l’auteure autochtone Virginia Pésémapéo Bordeleau (2017, 2019) et, en solo, elle en a traduit un troisième (2021). Ouriou et Morelli tenaient beaucoup à traduire Ourse bleue (2007; Blue Bear Woman, Inanna 2019) car il s’agit du premier roman en français au Québec écrit par une auteure autochtone (Godbout 2022: 123). Dans Ourse bleue, la narratrice Victoria entreprend une quête identitaire à l’occasion d’un voyage qu’elle effectue avec son compagnon Daniel à l’été 2004 dans le nord du Québec, par la route, ce qui inscrit cette œuvre dans la longue liste des « romans de la route » nord-américains, comme le souligne David Laporte (2016: 68). Tout comme l’auteure, Victoria est de mère crie, et de père québécois et algonquin. Dans une série de rêves, elle est appelée à résoudre l’énigme de la disparition, en 1953, de son grand-oncle Georges lors d’une expédition de chasse. Elle prendra graduellement conscience du don de vision qu’elle possède, lequel lui a été conféré par l’esprit de l’Ourse bleue. En acceptant la responsabilité qui lui incombe de servir de médiatrice entre le monde des vivants et celui des esprits, Victoria entreprend un travail de reconnexion avec ses origines autochtones. La dualité de l’identité du personnage de Victoria, dans Ourse bleue, est au cœur de ce roman. Victoria appartient en effet tant à la société québécoise qu’à la communauté crie. Le voyage sur la terre de ses ancêtres cris témoigne de son désir de renouer avec ses racines autochtones. « La reconnaissance des deux identités simultanément ne se réalisera pleine‐ ment que dans la deuxième partie, alors que Victoria réalisera sa quête spirituelle », écrit à ce sujet Marie-Hélène Jeannotte (2010: 306-307). Cette dernière relève l’hétérolinguisme du texte, notamment les nombreux emprunts à la langue crie qui le parsèment, quelquefois sans être accompagnés d’une traduction, ce qui signale un renversement de « l’ordre usuel qui demanderait une version dans la langue majoritaire » (2010: 309), dans ce cas le français. 226 Patricia Godbout <?page no="227"?> Commentant cette œuvre, Tomson Highway affirme que la véritable langue d’écriture d’Ourse bleue-est le cri et que le français serait déjà une langue de traduction : The Cree language resonates throughout these pages. In a sense, even though it comes out in French, the novel is written in Cree. The Indigenous people portrayed are not enraged by colonization so much as they are beleaguered by it. Victoria does her best to help them heal. Her quest to lay her great-uncle’s spirit to rest is a metaphor for this healing. That she finds within herself the wisdom to love under any circumstances earns her her status as medicine woman. And that is the victory over colonization. (Highway 2017: 76) Highway met ici en relation de façon intéressante la spiritualité autochtone et la lutte contre le colonialisme, laquelle passe par une réappropriation et une remise en circulation, sous diverses formes, des langues autochtones. La sensibilité des traductrices Ouriou et Morelli à l’égard des réalités autochtones est manifeste tout au long de leur traduction du roman Ourse bleue. Sur la quatrième de couverture de Blue Bear Women, on peut lire les félicitations adressées à l’auteure et à la maison éditrice de la traduction par une romancière autochtone de la Saskatchewan, Carol Rose GoldenEagle (dont le roman Bearskin Diary a paru en traduction française en 2018). On voit ici le rôle important joué par les traductions de telles œuvres en contexte canadien, pour faire connaître aux auteurs autochtones de divers coins du pays les œuvres littéraires de leurs consœurs ou confrères explorant des thématiques souvent proches des leurs. Sans parler de l’intérêt que ces œuvres et leurs traductions comportent pour le lectorat allochtone. La traduction du français vers l’anglais d’œuvres autochtones du Canada soulève des questions particulières sur lesquelles se sont penchées plusieurs chercheurs et chercheuses, notamment Lianne Moyes. À propos de sa traduction anglaise d’un texte de Nastasha Kanapé Fontaine, Moyes écrit : « Translating into English is always a gesture worth thinking about ». Elle ajoute : « [T]ranslating the work of an Indigenous writer from French to English in a colonial context such as Canada is even more worthy of pause » (Moyes 2018: 64). Il s’agit notamment, selon elle, de ne pas perdre de vue, en cours de traduction vers l’anglais, le rapport spécifique qu’entretient l’auteure dans le texte original avec la première langue coloniale, c’est-à-dire ici le français. À cet égard, on observe, dans Blue Bear Woman, le souci qu’ont eu les traductrices de maintenir la présence du français tel qu’il se vit pour la narratrice dans sa quête d’identité, entre autres quand elle passe à la langue crie pour se faire reconnaître comme une des leurs par les Cris qu’elle croise lors de son périple. Dans de tels passages, le français est clairement la langue coloniale. Aussi est-il particulièrement réussi, dans la version anglaise, de conserver le mot français « métissage » dans la phrase suivante : « My métissage suddenly sinks in-» (Pésémapéo Bordeleau 2019: 42). On note en outre, en plusieurs endroits dans la traduction, une juxtaposition non pas seulement de deux langues comme dans l’original (le cri et français), mais de trois langues (cri, français et anglais). Par exemple, au début du roman, dans une scène remémorée de l’enfance de la narratrice, son père, tenant dans ses bras la petite dernière surnommée Sibi, s’écrie : « Sibi a encore creusé une autre rivière. » La narratrice poursuit : « Il l’a surnommée Rivière, car il prétend qu’elle pisse comme une rivière » (Pésémapéo Bordeleau 2007: 22). En À propos de la traduction des littératures autochtones du Canada 227 <?page no="228"?> version anglaise, ce passage se lit comme suit : « He says, “Sibi’s unleashed a river again.” His nickname for her is “Rivière” because he claims she pees like one » (2019: 6). Le lectorat de langue anglaise a donc accès ici à un petit lexique trilingue - sibi, river, rivière. Lianne Moyes souligne quant à elle l’importance de promouvoir la traduction des litté‐ ratures autochtones dans un contexte de financement des projets qui a privilégié jusqu’ici les débats entre Euro-Canadiens au dépens de ceux entre peuples autochtones (Moyes 2018: 67). Elle cite Lacombe, Macfarlane et Andrews, qui écrivent : « In a context in which English represents the dominant discourse and French is simultaneously celebrated by some and resented by others, Indigenous writers who use French rather than English find themselves in an especially complex situation, experiencing double marginalization. » (Lacombe et al. 2010: 6) Dans ce contexte, la diffusion accrue de la pensée autochtone d’expression française constitue une retombée importante de la traduction vers l’anglais des œuvres autochtones écrites en français au Canada. Dans le domaine de l’essai, des textes de réflexion sur les réalités autochtones par les autochtones eux-mêmes ont joui d’une meilleure circulation grâce à la traduction. Parmi les essayistes traduits de l’anglais au français, citons Tomson Highway, dont il a déjà été question plus haut. Highway est également romancier, dramaturge et pianiste. Son essai A Tale of Monstrous Extravagance: Imagining Multilingualism (2015) a été traduit en français en 2019 par Jonathan Lamy. Ce livre est un hymne au plurilinguisme. Parler une seule langue, affirme l’auteur, « revient à vivre dans une maison qui n’a qu’une seule fenêtre » (Highway 2019: 60). C’est ne parler que de soi. Ce plaidoyer a une formidable résonance quand on sait qu’il nous est livré par quelqu’un à qui on interdisait de parler sa langue maternelle, le cri, à l’école et qui s’est fait imposer les langues de la colonisation. Highway a exercé et continue d’exercer une influence notable sur la nouvelle génération d’auteurs autochtones, tel le jeune poète cri Billy-Ray Belcourt, notamment dans des vers de son recueil Cette blessure est un territoire, traduit par Mishka Lavigne (2019). La poésie de Belcourt est une poésie du corps blessé, le sien et celui de l’autochtonie. Ce sont des textes où cohabitent diverses voix, celle des histoires d’amour et de tristesse queer, de rencontres de corps brisés. Au nombre des autres auteures et auteurs autochtones influents dont les œuvres ont été traduites en français, mentionnons Leanne Betasamosake Simpson et son essai Danser sur le dos de notre tortue : la nouvelle émergence des Nishnabeg qui a paru en 2018 dans la traduction d’Anne-Marie Regimbald. Simpson est écrivaine, artiste et universitaire d’ascendance nishnaabeg. Dans ce livre, elle recourt à des mots de sa langue maternelle pour insister justement sur le besoin d’intellectuels « qui existent dans le monde comme l’incarnation des expressions contemporaines de nos histoires et traditions anciennes, et qui illuminent la mino bimaadiziwin [bonne vie] » dans toutes ses dimensions (Simpson 2018: 37). Soulignons enfin, à cet égard, la contribution de l’ouvrage collectif Nous sommes des histoires : réflexions sur la littérature autochtone ( Jeannotte et al. 2018), réunissant, dans la traduction française de Jean-Pierre Pelletier, des essais de nombreux auteurs autochtones du Canada anglais tels Jeannette Armstrong, Thomas King et Lee Maracle. Une constante de ces écrits est le souhait exprimé d’ouvrir la voie à une libération de la mémoire pour en faire un espace de performance et de transformation (Henzi 2010: 83). 228 Patricia Godbout <?page no="229"?> Pour conclure, je ne saurais trop insister sur l’importance d’inclure, dans l’étude des pratiques translinguistiques au Canada, celle des formes particulières que proposent les auteures et auteurs autochtones. Ces pratiques font partie intégrante de l’histoire de la traduction au Canada. Elles en sont en fait le fondement même. Beaucoup de recherches restent à mener, dans ce corpus de littératures autochtones, sur les rôles qu’y joue la traduction sous toutes ses formes, rôles que je n’ai fait qu’effleurer ici. Bibliographie Bacon, Joséphine (2009). Bâton à messages : Tshissinuatshitakana. Montréal: Mémoire d’encrier. Bacon, Joséphine (2013a). Un thé dans la toundra : Nipishapui nete mushuat. Montréal: Mémoire d’encrier. Bacon, Joséphine (2013b). 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Young adult novels from communist Poland in translation A comparative look at Hanna Ożogowska’s Ucho od śledzia in German and Italian versions Monika Wozniak Abstract: Polish novels for young adults (YA) produced in communist Poland (1945- 1989), their undeniable literary value notwithstanding, proved difficult to translate. Even if the topics they were concerned with, typical of coming-of-age problems, were universal enough for foreign readers to share and understand, the cultural and social context of communist Poland could be perceived as puzzling or utterly incomprehensible to young readers from other countries. In my contribution, I analyse the problems related to the translation of the culture-specific elements of Polish reality for young readers based on the example of Hanna Ożogowska’s novel Ucho od śledzia (1963), comparing the strategies used in the German translation published in the GDR in 1970, the abridged version published in Western Germany under the title Ein unruhiges Haus, and the Italian one, printed in 1975 as Un orecchio d’arringa. Keywords: Translation of children’s literature, Polish YA novels, Hanna Ożogowska, culture in translation 1 Introduction Translation dynamics in the field of children’s literature are not governed by the same laws that apply to adult literature and the literary and artistic quality of a text often plays a less important role than a combination of various extratextual circumstances. Despite a few exceptions, such as the Harry Potter series, Neil Gaiman’s Coraline or Philip Pullman’s His Dark Materials trilogy, it is difficult for children’s or young adult fiction to achieve international bestseller status. Even the position of works considered classics of children’s literature is less solid than is often taken for granted. Works of seemingly indisputable prestige, such as Lewis Carroll’s Alice in Wonderland, Carlo Collodi’s Pinocchio or A. A. Milne’s Winnie-the-Pooh, are frequently known only as specific icons of contemporary culture or through their Disney film adaptations 1 . Some works considered part of the literary canon for young people in English-speaking countries may achieve this status <?page no="232"?> elsewhere thanks to translations, but still remain unknown in some countries. One can give the example of Lucy Maud Montgomery’s series Anne of Green Gables. Hugely popular, for example, in Japan and Poland, it was first translated into Italian in the early eighties, and a complete translation appeared only in 2018, influenced by the popularity of the series Anne with an E, released by Netflix. However, even the creation of translations does not always guarantee that a children’s classic will gain real popularity or even will be noticed in the target culture. Milne’s Winnie-the-Pooh, though much loved in Russia, Poland, and Hungary, is associated only with Disney cartoons in Italy, though four translations were published (the first in 1938): even to booksellers, Milne’s name does not mean anything. The difficulties experienced in breaking into international markets by English-language children’s literature, most willingly and often translated into other languages, are intensi‐ fied in the case of children’s literature belonging to other cultures. Texts well-known in a given country, considered there a part of the national canon of children’s literature, are often unable to penetrate foreign markets. This phenomenon applies even to countries with relatively high cultural prestige, such as France. While Antoine de Saint-Exupéry’s Le Petit Prince is undoubtedly one of the world’s most famous works of children’s literature, Astérix comics, popular and recognizable throughout Europe, remain virtually unknown in the United States. The novels of René Goscinny and Jean Jacques Sempé about Le Petit Nicolas, classics enjoying unflagging popularity in France (up to the present day, they sell 300,000 copies a year), have been translated into over 40 languages. Still, while they are widely known in Poland, Germany or Greece (https: / / www.petitnicolas.com/ historique), they never became popular in Italy, although the first translation was published as early as in 1967 and the film adaptation from 2009 met with a very favourable reception. Translations from lesser-known languages, in general, meet even more challenges, not only due to the publishers’ reluctance to take the risk of publishing unknown and potentially unprofitable works. A major challenge is also the fact that publishers often have only limited knowledge about the literary production of these countries and that for some languages there are not enough translators available. (These last two factors have become less critical in the era of more easily accessible international communication, extensive promotional activities also developed by smaller countries and the subsequent increasing number of translators from ‘small’ languages, but this does not mean that they have disappeared.) In the period between 1945 and 1989, in which Hanna Ożogowska’s book, Ucho od śledzia, which is the subject of this analysis, was written and translated, the situation of translations for young audiences was particularly complicated. Communist Poland, cut off from the countries of Western Europe by the Iron Curtain, did not have the opportunity or financial resources to promote its literature actively, especially works for children. For Western publishers, Polish youth literature was an unexplored, ‘exotic’ territory. The scope of translation initiatives was therefore limited and depended, to a greater extent than in other historical periods, on several non-textual factors and sometimes just a fortunate combination of circumstances. Interestingly, in the years 1945-1989, there was a significant increase in the number of translations from Polish into the languages of other countries of the Soviet bloc, dictated primarily by ideological considerations. Paradoxically, financial concerns, which were - and still are - fundamental for publishers’ strategies in capitalist countries, had relatively 232 Monika Wozniak <?page no="233"?> little weight in publishing choices in a top-down regulated market. According to the data collected by Bogumiła Staniów (2006), in the period 1945-1989, the translations of Polish children’s literature into German were the most numerous within the Soviet-bloc countries. The considerable difference between the numbers of titles published in the GDR (115), West Germany (40) or Austria (14) in that period is an explicit confirmation of the political factor’s importance in translation policy. In Italy, only 16 Polish books for children and young people were translated in the same period (Woźniak et al. 2014: 135-143). Among translated texts, there was not even one title which could be considered a bestseller. In Western Europe, especially in Spain and Italy, adaptations of Henryk Sienkiewicz’s Quo Vadis for young adult readers were the most popular. Still, the same book, due to its religious message, did not appear in the countries of the Soviet bloc at that time. On the other hand, the relatively large number of translations in these countries should not necessarily be read as an expression of genuine interest in Polish authors: over 60 % of the books had only one edition, and 90 % did not exceed three (Staniów 2006: 62). They appeared briefly on bookstore shelves and then quickly disappeared from circulation, leaving no lasting impression in the memory of readers. When it comes to the selection of texts to be translated, GDR translations included virtually all types of Polish literature for children: books for the youngest readers and various genres of youth literature, i.e. biographical, adventure, historical, science fiction and contemporary fiction. The proportions were different in countries with few translations of children’s literature. In Austria, where data for the period 1945-1975 name 13 translations for young adults (Rosner 1982-83: 192), the translator of most of them was Oskar Jan Tau‐ schinski, born in Galicia, who translated only contemporary works. Tauschinski’s literary talent and, at the same time, his promotional activity for Polish youth literature meant that his translated works met with some interest from readers and critics. For example, in the two-volume lexicon Jugendbuchautoren aus aller Welt (‘Authors of books for young adult readers from around the world’), edited by Lucja Binder (1975), there are profiles and bibliographic references for, among others, Janusz Domagalik, Joanna Kulmowa, Irena Jurgielewiczowa and Hanna Ożogowska (Rosner 1982-83: 196). In Germany, the only author who became visible to some extent was Janusz Korczak: his King Matt I saw thirteen editions from 1970 to 1988, and the second part of the dilogy, King Matt on a desert island - six (Staniów 2006: 248.). The situation was completely different in Italy, where until the early sixties, publishers showed minimal interest in contemporary foreign literature for children and released mainly reprints of translations, new translations of older works or adaptations of classics for adults. Only a few random titles from Polish youth literature were published. The only work that enjoyed genuine popularity was the already mentioned Quo vadis by Henryk Sienkiewicz, which in the post-war period appeared in almost thirty different adaptations for young adult readers (Woźniak et al. 2020: 90). It was not until the school reform in 1962, which required Italian students in the second and third year of junior high school to read at least one contemporary youth book, that an urgent demand for such texts arose. To fill the gap in the market that domestic production could not meet, publishers began to look for new proposals abroad, also among lesser-known literatures (Boero/ De Luca 1995: 242). Due to the lack of direct contacts and insight into Poland’s children’s book market, titles that already had translations into other European languages Young adult novels from communist Poland in translation 233 <?page no="234"?> were usually chosen. It seems that what had played quite an important role in publishers’ decisions was the Andersen Honor List (Woźniak 2020: 7). It is a list proposed annually by IBBY (International Board on Books for Young People, founded in 1953), which includes children’s books from different countries, recommended for translation because of their outstanding literary value. Although Poland became a member of IBBY only in 1972, already in the sixties, several Polish authors were on the Honor List, and they (as the only ones) were translated into Italian. The books included in the list and translated into Italian were Irena Jurgielewic‐ zowa’s Ten obcy (Honor List 1964, Italian translation 1965), Ucho od śledzia by Hanna Ożogowska (Honor List 1966, Italian translation 1975) and Janusz Domagalik’s Koniec wakacji (Honor List 1974, Italian translation 1976). All three writers were also among the most often translated contemporary Polish authors for young people in other European countries. Children’s texts generally age quickly. In books for small children, it is usually the didactic message and the proposed image of childhood that become obsolete. At the same time, young people’s rapidly evolving social and cultural realities are a fundamental issue in youth books. The organization of the school system, relationships in the family, professional ambitions, courtship, gender roles, favorite entertainment, fashion, access to the media, and - from the linguistic point of view - typical slang of the peer group change rapidly, and after twenty years a book written for the generation of parents may seem outdated, and in some respects even not fully understandable, to their children. Less evident in fantasy, adventure or historical books, this problem is particularly acute in novels set against a contemporary background. All these barriers are intensified in translation because the social and cultural contexts of young people’s lives in diverse countries are different even today, in the era of globalization and media communication. A few decades ago, these differences were much more significant, also entangled in a political context that directly impacted the realities of everyday life. In the countries of the Soviet bloc, the world presented in national and translated youth books obviously had many points of contact. However, for readers in Western Europe, it was an exotic and quite mysterious reality, often difficult to decipher. Such is the social and cultural background of Ucho od śledzia, which is the object of this study. 2 Hanna Ożogowska’s Ucho od śledzia Hanna Ożogowska, born in 1904, was a teacher, journalist and translator. She debuted as a writer for children in 1936 with a fantasy story for young children (Gospoda pod Łopianem) but gained popularity after World War II with books addressed to younger teenagers (12-14 years old). These were novels of manners that described the difficult living conditions in post-war Poland with a great deal of realism. Ożogowska, endowed with a good sense of observation, created psychologically convincing, non-idealized portraits of young heroes, avoiding simplifications and easy moralizing. That is probably why the author’s most successful novels, written at the turn of the fifties and sixties, were reprinted and read in Poland in the subsequent decades when the realities of everyday life presented in them 234 Monika Wozniak <?page no="235"?> became a thing of the past. Such was also the case with one of Ożogowska’s most beloved books, Ucho od śledzia, published in 1964. The story of Ucho od śledzia takes place in Warsaw at the beginning of the sixties, where, in a once elegant building now reduced to ruin after the devastation of the war, five families coexist in the only surviving apartment: the previous owners, who have retained possession of a single room, the Piotrowski family with two sons, Witek and Henio, a teacher, a nurse and a mechanic. Soon two other teenagers join this already incredibly cramped place: Michał and Agnieszka, both struggling with a traumatic experience in the past (he rebelled against his alcoholic and violent stepfather, and she was orphaned by her father who had been wrongly accused of fraud). From here starts a thin plot which develops against the backdrop of a detailed description of daily life. It is a portrayal, in the main, of three teenage protagonists (Michał, Agnieszka, Witek: Witek’s younger sibling, Henio, is a secondary character), but also of adults who share the narrow living space, between frictions, misunderstandings, small and great discontent, but also moments of solidarity, mutual help, leisure, and optimism. A choral tale that fascinates with its vivid re-enactment of that time’s life and a perspicacious introspection into the problems of adolescence, but most of all perhaps with the author’s ability to write even about sad or depressing topics with a great sense of humor. A vivid depiction of everyday life in Warsaw in the first half of the sixties is one of the book’s greatest assets and makes it possible to read it today as an engaging historical novel for young readers. The hidden didactic message (praise of the new, communist Warsaw rebuilt from the rubble), perceivable only to the most insightful readers at the time of its publication, does not significantly impact the pleasure of reading (Chrobak 2019: 233). At the same time, however, it is precisely the anchoring of the narrative in this specific Polish social and political context that makes the text a priori difficult to understand for a foreign reader and poses a great challenge for the translator. Already the very starting point of the narrative requires a piece of minimal knowledge about the history of Poland and especially the history of Warsaw. The housing shortage in cities ruined during the war was not uncommon in Europe, but nowhere did it reach such drastic proportions as in the capital of Poland, already overcrowded in the thirties and 85 % destroyed due to war hostilities. In communist Poland, the state took control of real-estate management. Regarding private dwellings, owners were allowed to maintain their status, but the so-called housing committees controlled the use of their property. According to the “private under a special leasing scheme” rule, the landlords could be commandeered by the local public administration to house other families as tenants. The common practice was to ‘fill’ the surviving premises by adding tenants to each free room. At the same time, housing construction became the business of the Company of Worker Projects (Zakład Osiedli Robotniczych, ZOR), a state organization responsible for planning construction beginning in 1949. After that year, the ZOR built 80 % of new dwellings in the capital. From the second half of the fifties, the ‘new housing policy’ implemented by Władysław Gomułka increased construction by mobilizing various stakeholders (the state, companies, cooperatives) and implementing a home savings system for households (Coudroy de Lille 2013: 112f.). Employees waited in line for the allocation of an apartment sometimes for many years (a single person or a couple received a one-room apartment; a family could Young adult novels from communist Poland in translation 235 <?page no="236"?> apply for two rooms). This is the situation presented in Ucho od śledzia. Although nearly twenty years have passed since the end of the war, eleven people cohabit in a collapsed tenement house in the only surviving apartment. The apartment does not have a washing machine, fridge or TV, and the use of the shower is rationed - every day, the tenants of a different room can access it. Dreams of a new apartment, efforts to move to a higher place in the queue, attempts to arrange an assignment thanks to acquaintances in the housing committee - all these realities of everyday life shown in the book were well known to the Polish audience and were also to some extent familiar to readers from other countries of the Soviet bloc. However, readers from Western Europe, especially young ones, probably found it difficult to imagine them. The same observation applies to many other historical and social references in the novel, taken for granted by the characters. Tenants frown at the planned reconstruction of the Royal Castle in Warsaw. The original owners of the apartment lost their son in an uprising, and they are coping financially thanks to the packages received from the daughter-in-law living abroad. ‘Luxury’ goods from parcels, such as coffee, chocolate, tobacco, nylon stockings, and cologne are sold for them on the black market by their former housekeeper, now more prosperous than they are. The father of fourteen-year-old Agnieszka went to prison because an employee in his factory committed embezzlement. Michał comes to Warsaw from the industrial town of Łódź, but he bred rabbits at home. He had no running water or heating there. To correctly interpret the text, the reader should know that: 1. The Royal Castle in Warsaw was destroyed during the Second World War and, unlike the Warsaw Old Town which was reconstructed immediately after the war, remained in ruins for a long time, although work on its reconstruction was constantly thought about (it finally began in 1971, almost ten years after the period in which the novel takes place). 2. The “uprising” is The Warsaw Uprising in 1944, in which about 20 % of the city’s inhabitants were killed and the town almost destroyed, including the house where Ożogowska’s novel takes place. It can also be guessed that the daughter-in-law of the hosts, who lives abroad, was deported by the Germans after the uprising, like many other residents of the capital. 3. Parcels sent from abroad by relatives were a frequent help for people from the upper classes who were deprived of property by the communist authorities or simply could not find their place in the new reality. Hard-to-find goods were sold (illegally) on the black market. 4. The new regime offered the possibility of advancement to people from the proletariat, who often became more affluent and more influential than their former employers. 5. The socialist justice system punished all economic crimes very severely and the detection of irregularities (real or alleged) in the functioning of a company often ended with unpleasant consequences not only for the direct perpetrator but also for the members of the management. 6. Difficult living conditions and the influx of rural people to the cities meant customs from the countryside were transferred to new surroundings, and often attempts were made to breed chickens or rabbits at home. 236 Monika Wozniak <?page no="237"?> Ignorance of these facts can significantly hinder the reading of the novel, as they are essential for understanding the development of the characters’ story, motivations and behaviour. Relatively less troublesome are the culture-specific terms that appear in the narrative, although sometimes important information is encoded in them, as well. They can be divided into several categories. Among the toponyms, the most problematic are places associated with Warsaw because many of them are of historical importance. For example, the repeatedly mentioned MDM, Marszałkowska Dzielnica Mieszkaniowa (Residential Marszałkowska District), a monumental residential complex in the style of Stalinist architecture in the centre of Warsaw, erected in the years 1950-1952, became a showcase of post-war communist Warsaw. Krakowskie Przedmieście, on the other hand, is the main historic boulevard of the capital, rebuilt immediately after the war. The (authentic) name of the street where the house inhabited by the characters of the novel is located: Boleść, which means sorrow or suffering, is also significant. The book mentions names of Polish writers and historical figures, such as Maria Konopnicka, Adam Mickiewicz, Henryk Sienkiewicz, Bolesław Prus. Names of popular Polish brands also appear, e.g. the watch “Start”, the fabric “texas” and “ćmielowska” porcelain. Many terms, such as kolkhoz, course conference, sanatorium, and housing committee, refer to the specific social realities of the communist period. The protagonists also spend much time preparing traditional Polish dishes in the kitchen. What they eat indicates, indirectly, their financial situation and availability of food products on the market. However, it would be unlikely for a foreign reader to pick up such subtleties. From a purely linguistic point of view, Ożogowska’s style is difficult to render in another language. Young adult novels are usually not very demanding regarding the language used, but there are exceptions, and Ucho od śledzia is undoubtedly one such exception. When creating a choral narration, the author tried to diversify the characters in terms of how they speak. This observation applies to both adult tenants of the apartment, coming from different social backgrounds, and especially the three teenage protagonists. Agnieszka Panasewicz, a relative of the teacher and an exemplary student, speaks correct Polish and uses a rich vocabulary. The language of Witek Piotrowski, the clerk’s son, is more colloquial, lexically less varied, and sometimes contaminated with the school jargon, and Michał Kowalski, who comes from a poor proletarian family, expresses himself in an even more colloquial way, also reflected in syntactic structures. He uses unusual jargon expressions and plays word games using the wrong semantic interpretation of their meaning. Finally, Witek’s younger brother, Henio, expresses himself childishly, and naively, building syntactically breakneck sentences, which often leads to a comic effect. The stylistic diversity of Ożogowska’s novel is another of the book’s strengths, as well as an essential way to deepen the psychological portraits of the characters. 3 The translations of Ucho od śledzia Undoubtedly, the inclusion of Ucho od śledzia in the Andersen Honor List in 1966, two years after the first Polish publication of the novel, became an incentive to translate Ożogowska’s books into other languages. In fact, all translations (including other stories by the author) were undertaken after that date. In total, 38 editions of her various books were published Young adult novels from communist Poland in translation 237 <?page no="238"?> abroad. However, most of them were published only once, which means that they did not gain wider popularity, except in former Yugoslavia, where Tajemnica zielonej pieczęci (‘The secret of the green seal’) reached five editions in Serbo-Croatian and had one Albanian version, and Dziewczyna i Chłopak (‘Girl and boy’) was published four times. Ucho od śledzia was translated into Romanian (1969), German (1970), Ukrainian (1971), Bulgarian and Russian (1974), Italian (1975), Latvian (1980), and Slovak (1986), but was only printed in one edition in all of these languages. Germany and Italy are the only Western European countries in which an attempt was made to present Ożogowska’s novel to young readers. In both cases, this attempt was unsuccessful. A comparison of the publishing and translation strategies of the German and Italian versions aims to determine whether this could have happened for similar reasons, e.g. translation quality. It should be kept in mind, however, that the German edition in the “Ravensburger Taschenbücher“ series was an abridged reprint of a translation published in 1970 in East Berlin. The first significant difference between German and Italian translations of Polish literature in general, not only texts for children, is the predominance of direct translations in the case of German-speaking countries and of indirect translations in Italy. The long-term dominance of indirect translations from ‘minor’ languages in Italy (still practiced today, although to a far lesser extent) stemmed both from the lack of investment of publishers in the quality of translations and the objective shortage of people who knew a given foreign language and were sufficiently qualified to undertake a literary translation. By contrast, there were many bilingual translators active in Germany and Austria after WWII who were born in Poland or earlier Austria-Hungary and had a good knowledge of Polish culture and history. In Austria, one such person was the already mentioned Oskar Jan Tauschinski, and in the GDR, Kurt Kelm, born in 1925 in Łódź. Kelm attended a Polish high school in France, studied Polish philology and translated over 60 books from Polish into German, including about 20 titles of children’s and youth literature, among them Ucho od śledzia. Kelm received many awards for his translations and participated in several congresses of translators in Poland. The Italian version of Ucho od śledzia had been entrusted to the slavist Pier Francesco Poli, who specialized in translations from Czech. It was not an isolated case, because Italian publishers had long assumed that all Slavic languages are similar and therefore whoever translates from one will also be able to do it from others. Poli translated Ożogowska’s book directly from Polish, but his knowledge of the language left much to be desired, which resulted in numerous errors in understanding the text. The difference in the linguistic competence of the translators is symbolically reflected in the very title of the German and Italian translations. The Polish title Ucho od śledzia, literally ’herring’s ear’, is a favourite idiomatic expression used by one of the main characters, Michał, and means ‘something impossible to do’. Kelm (or the publishing house), recognizing the impossibility of translating the idiom into German, proposed a title reflecting the novel’s central theme - Ein unruhiges Haus (‘restless house’). Poli translated it literally as Un orecchio d’aringa (‘herring’s ear’), which makes no sense in Italian. In fact, it is precisely the idiomatic, slang and colloquial expressions that were a great challenge for the Italian translator that he was unable to overcome. The first noticeable 238 Monika Wozniak <?page no="239"?> thing is the renunciation of any attempt to reproduce the characters’ various idiolects. They all speak uniformly and their Italian dialogues do not render the original jargon or slang expressions, and they often do not feel natural in oral speech. Sometimes the translator’s helplessness or lack of imagination led to unintentionally funny choices, such as rendering the colloquial term pracuś (‘busy boy’) as lavoratore mio bello (‘my pretty worker’). Among the Italian expressions cited in Table 1 only two examples (i, n) belong to the informal register (indicated as “inf.” in Table 1), all others are standard language. The German translator chose an entirely different strategy. Thus, even though the German version sometimes uses more neutral words (examples c, d, g, k, l) than the Polish, the oral and colloquial ways of speaking are successfully preserved. - Polish Italian German Meaning a graby mani (inf.) Pranken (inf.) hands b rajcować confabulare (inf.) quasseln (inf.) to talk c robotny laborioso arbeitsam (inf.) hard-working d bobrować andare in giro herumstöbern (inf.) to walk around e kapować capire (inf.) kapieren (inf.) to understand f smarowanie suonartele (inf.) versohlen (inf.) to beat g pracuś lavoratore mio bello Streber (inf.) hard-working person h forsa soldi (inf.) Kies (inf.) money i pomyślunek (inf.) bernoccolo (inf.) Grips (inf.) brain k żłób zotico Klotz (inf.) boor l gała due Fünf (inf.) failing grade m wykitować finire male (inf.) abkratzen (inf.) to die n obkuwać (inf.) sgobbare (inf.) büffeln (inf.) to learn Tab. 1: Italian and German translations of colloquial words in Ożogowska’s novel A similar difference can be seen in the translation of fixed phraseological expressions (Table 2). Poli was able to find some equivalents for Polish idioms, e.g. he translated aptly czekaj tatka latka (informal for ‘wait in vain’) as campa cavallo, a frequent abbreviation of the well known proverb campa cavallo che erba cresce (lit. ‘live, horse, because the grass is growing’) and na złodzieju czapka gore (inf. ‘have a guilty conscience’) as avere coda di paglia (lit. ‘to have a straw tail’) but most often, he limited himself to paraphrasing meanings in a correct but colourless way, as all other examples in Table 2 show. Some expressions, e.g. ci daremo una mano (b), ‘we will give each other a hand’, are typical of a literary register, grating when put in a youngster’s mouth. Kelm replaced most phraseological idioms with their colloquial German equivalents, but when he could not find any, he sometimes expanded the target expressions to convey the orginal’s meaning in its entirety. Very characteristic Young adult novels from communist Poland in translation 239 <?page no="240"?> of this strategy is example f from Table 2, the expression lekcja się upiekła (lit. ‘the lesson was baked’), which in Polish means that something unpleasant or dreaded (in this case the lesson) was avoided. In Italian, the expression was laconically translated as lezione non ci fu (‘there was no lesson’). In German, we find an extensive explanation: Nach der fünften Stunde gab es bei allen großen Jubel - die Klasse durfte nach Hause gehen (‘after the fifth lesson, everyone cheered - the class was allowed to go home’). At the same time, though, Kelm occasionally omitted entire sentences in which proverbs appear for which, we can assume, he could not find German equivalents. - Polish Italian German Meaning a dziesiąta woda po ki‐ sielu [lit. tenth water after the jelly dessert] una parente molto lontana (inf.) Verwandschaft um drei Ecken (inf.) distant rela‐ tive b będziemy trzymać sztamę [lit. we will keep „sztama” - agree‐ ment] ci daremo una mano wir halten zu‐ sammen (inf.) to stick toge‐ ther c szło mu jak z kamienia [lit. he was proceeding like with a stone] non gli veniva proprio (inf.) kam er nicht vom Fleck (inf.) to have diffi‐ culties with some‐ thing d czekaj tatka latka [lit. wait daddy for summer] (prov.) campa ca‐ vallo (inf.) da kannst du warten, bis du schwarz wirst (inf.) to wait in vain e lekcja upiekła się [lit. the lesson was baked] la sesta ora non ci fu nach der fünften Stunde gab es bei allen großen Jubel - die Klasse durfte nach Hause gehen (inf.) something un‐ pleasant or dreaded was avoided f na złodzieju czapka gore [lit. the hat burns on the thief] (phras.) chi è in fallo ha la coda di paglia auf dem Kopf des Diebes brennt die Mütze (inf.) the culprit, having an impure conscience, cannot hide his fear g hulaj dusza bez kon‐ tusza [lit. enjoy, soul, without the dress] baldoria - (inf.) dress imposes duties, only without it are we truly free Tab. 2: Italian and German translations of phraseological expressions and sayings in Ożogowska’s novel The Italian translator also did not come up with a convincing way to render figurative expressions that the exuberant Michał uses with pleasure, such as the already mentioned ucho od śledzia, but also cud-miód-ryba-kit (‘something really outstanding’) or kozie-bozie (lit. ‘goat-goddish’, an euphemism that replaces the interjection ‘as I love God‘). In the Italian version, kozie bozie is translated in several ways, as davvero, sai (’really, you know’), te lo garantisco (‘I grant it’), te lo giuro (’I swear it’) or addirittura perdiana - a literary and vaguely nineteenth-century expression of amazement (lit. ‘for [goddess] Diana’), rather unlikely in the mouth of a rough and uneducated boy such as Michał. Ucho od śledzia is 240 Monika Wozniak <?page no="241"?> translated literally into the incomprehensible orrecchio d’aringa. Here, too, Kelm showed linguistic creativity. He convincingly replaced ucho od śledzia with Scheibenkleister (said when one wants to swear but doesn’t want to use the vulgar expression Scheiße (’shit’), its literal meaning being ‘windowpane putty’) and bozie kozie with Manometer (an informal expression of astonishment or admiration). Despite a slightly different meaning, both expressions fit well the context in which they are used and render the extremely colloquial register of Michał’s speech well. The exclamation cud-miód-ryba-kit caused problems for both translators. Poli coined the term extra-super-dotata (‘super-well-endowed’), which is funny but not appropriate in all the contexts in which it appears in the text. Kelm proposed steiler Zahn (an informal term for an extremely good-looking person) but omitted the expression in several places. Another linguistic problem that concerns all translations from Polish, including Ożo‐ gowska’s novel, are the names and surnames of characters. The first difficulty is phonetics. The Polish language, rich in consonants, has developed a notation system in which the numerous digraphs and diacritics are challenging to interpret for a foreign audience. In the German translation, all names were kept in their original form, changing only slightly the name of the dog of one of the characters, called Pimpek instead of Pimpuś. The Italian translation gave some Polish surnames a different spelling, which should allow readers to read them in a manner similar to the Polish pronunciation. For example, Szafraniec became Sciafraniec in Italian, and Tołłoczko - Tolosco. Some names have been Italianised: Franciszek is Francesco, Michał - Michele, Agnieszka - Agnese, but others, e.g. Janina, Jadzia, Witek, and Henio, were left in their original form. All in all, the translator’s efforts were inconsistent, and the result could be a bit confusing for a young reader. Both translations also had to deal with the widespread Polish custom of using diminutives, not only when addressing children but also between adults. For example, the wife of the former owner of the apartment is called Leontyna, but the husband calls her affectionately Leonia or Leońcia. Her husband’s name is Franciszek, but his wife calls him Franio or Franek. Agnieszka is sometimes called Agnisia. For foreign readers, the emotional associations of these forms are not only elusive but can also be misleading because readers will not necessarily understand that Leonia and Leontyna or Franek and Franciszek are the same person. Both translators did not attempt to render the shades of meaning associated with different forms of the same name. They standardized their use (in the German version Mrs. Szafraniec is always called Leonia and in the Italian, Leontyna). However, they left unchanged the names of the sons of one of the families living in the house, Henio and Witek, although, for a foreign reader, it will not be clear that these are diminutives of the names Henryk and Witold. The difficulties of translating the oral register of the story are not limited to individual words or expressions but are reflected also in the syntactic structure of the dialogues, which in the Italian translation are not only deprived of their expressive charge but, in many cases, became artificial and implausible. For example, the mother tells her son: ti raccomando solo di tornare a casa presto (‘I only recommend that you go home soon’); Michał admonishes his friend ti sei fatto prendere dalla paura, (‘you were gripped by fear’) and apologizes to the owner of the flat with Mi sono comportato davvero come un villano (‘I behaved like a villain’). These are not phrases one would realistically expect to encounter in spoken Young adult novels from communist Poland in translation 241 <?page no="242"?> dialogue. In this respect, the German version is again more successful and more similar to the oral register of the Polish original. Both translators had great problems with translating culture-specific elements and did not always find satisfactory solutions. In the context of translation studies, this issue has often been tackled, and various classifications of so-called realia which may occur in the source language have been proposed (cf. mainly Newmark 1988, but also Rantanen 1990, Katan 1999, and others). Some culture-specific categories and examples of solutions used in the translation of Ożogowska’s novel are presented in Table 3. - Polish text Italian translation German translation Literal meaning atoponyms Wybrzeże Gdańskie, Mo‐ kotów, Powiśle, MDM, Starówka, Krakowskie Przed‐ mieście, ulica Bo‐ leść Lungovistola Dan‐ zica, Mokotów, Lun‐ govistola, nuovo quartiere residenz‐ iale MDM, Citta Vecchia, Borgo Cra‐ covia, via Bolesc Uferpromenade, Mokotov, Powiśle, Stadtzentrum, Alt‐ stadt, Krakauer Boulevard, Boleść names of War‐ saw’s districts bnewspapers „Życie Warszawy“, „Express Wieczorny” „Vita di Varsavia”, „Espresso della Sera” die Zeitung, „Abendexpress” titles of newspa‐ pers creferences to history, literature, national customs powstanie, Konop‐ nicka, Mickiewicz, Janosik, Prus, „Lalka“, kujawiak, dyngus insurrezione, Ko‐ nopnicka, Mickie‐ wicz, brigante Ja‐ nosik, Prus, „Lalka“ canticchiare, rituale annaffiatura Warschauer Auf‐ stand, Konop‐ nicka, Mickiewicz, Janošik, Prus, „Puppe“, kujawiak, Osterbegiessen Warsaw Insurrec‐ tion (1944), poet, poet, famous robber, novelist, novel The Doll, Po‐ lish dance, folk custom dreferences to social and poli‐ tical life kołchoz, komisja kwaterunkowa, sanatorium, szkodnik, kursokonferencja quella specie di cooperativa, commis‐ sione degli alloggi, ospedale, “far del male“, corso di perfe‐ zionamento Betrieb, Kommis‐ sion, Sanatorium, Schädling, Konfe‐ renz collective farm, housing com‐ mittee, sanato‐ rium, a person cau‐ sing harm to someone or some‐ thing, course eproduct brands Prusiczan, ćmie‐ lowski serwis, ze‐ garek Start, teksas Tabacco di marca, servito di marca, Start, blue-jeans neri teure Sorten, Eß‐ service, Start, schwarzes Baum‐ wollgewebe tobacco brand, brand of porcelain, brand of watch, type of fabric fdishes and food włoszczyzna, kar‐ toflanka, gro‐ chówka, kapuś‐ niak, zrazy, kompot z rabar‐ baru Le patate, minestra di patate, minestra di piselli, cotolette di maiale con cavolo, stufato di manzo con semolino, infuso di rabarbaro Kartoffeln, Kartof‐ felsuppe, Erbsen‐ suppe, „Mittag‐ essen“, -, Rhabarberkompot a mix of vegeta‐ bles, potato soup, pea soup, cabbage soup, beef rolls, rhubarb compote Tab. 3: Culture-specific elements and their Italian and German translation in Ożogowska’s novel 242 Monika Wozniak <?page no="243"?> Both Poli and Kelm decided to translate some toponyms of Warsaw. The name of a representative historic street Krakowskie Przedmieście was rendered quite convincingly by Kelm as Krakauer Boulevard, by Poli incomprehensibly as Borgo Cracovia (as if it were a medieval town). Poli named the already mentioned MDM district nuovo quartiere residenziale MDM. The choice is inappropriate as Italian readers generally associate quartiere residenziale with the city’s outskirts rather than the centre. Kelm, on the other hand, both here and in several other cases, decided to use the hypernym Stadtzentrum. This is the strategy preferred by the German translator, who, whenever possible, neutralized culture-specific terms (Zeitung, Eßservice, Baumwolle instead of Życie Warszawy, serwis ćmielowski, teksas) or sometimes even eliminated them. By contrast, Poli translated almost everything, sometimes with an unintended comic effect, e.g. dyngus (Polish Easter Monday folk tradition which involves people throwing copious amounts of water at each other) became in Italian rituale annaffiatura which means the ‘ritual watering [of the plants]’. The names of Polish food specialties also sound unconvincing in Italian, especially types of soups which are almost unknown in Italy (Table 3, example f). The German translator had a more manageable task in this respect because Polish and German cuisines have many features in common. Despite the differences in the strategies used, the translation of culture-specific items concerning life in communist Poland became one of the most problematic issues in both language versions. German and Italian publishers of the novel must also have been aware of this cultural alienation, and comparing the strategies they used to promote the book is quite interesting. The Italian publisher Sandron decided to precede the text with a preface by Carla Poesio, a pioneer scholar of children’s literature in Italy. The text introduces the novel’s historical context and analyzes its central topics. Some footnotes were also provided, although the criterion governing their insertion is not quite clear, and the information is often inaccurate or wrong. It is (correctly) explained, for example, that Szczecin is a “Polish port to the northwest, at the mouth of the Oder”, Mokotów “a large complex of residential buildings for workers and officials located in an area south of Warsaw” and Giewont “the second peak of the Polish Tatras”, but no information is given about other cities or places mentioned in the text. It is explained in the notes who Mickiewicz and Sienkiewicz were, but not who Konopnicka was. When in one of the conversations, someone mentions the reconstruction of the Royal Castle, the footnote specifies “ancient fortress on the Vistula, built in the seventeenth century and designed by the architect Andrea Hegner Abramowicz”, misspelling the name of the architect, Abrahamowicz. It does not inform the reader why the castle needs to be rebuilt. In the German edition of 1978, there is no preface and there are no notes; the book’s presentation is limited to the blurb on the back cover, which briefly presents the setting and characters of the novel (Table 4). Vor dem Krieg war es ein schönes, großes Haus. Jetzt ist es eine Ruine, in der eine Wohnung noch bewohnbar geblieben ist. Vor dem Krieg war es eine gepflegte, geräumige Wohnung, die das Ehepaar Szafraniec allein be‐ wohnte. Jetzt leben dort: 1. Zimmer - Herr und Frau Szafraniec Before the war, it was a beautiful, big house. Now it is a ruin in which an apartment has remained habitable. Before the war, it was a well-maintained, spa‐ cious apartment in which the Szafraniecs lived alone. Now there live: 1st room - Mr and Mrs Szafraniec Young adult novels from communist Poland in translation 243 <?page no="244"?> 2. Zimmer - Herr Piotrowski, Frau Piotrowska, Witek und Helio [sic] 3. Zimmer - Herr Czernik und Michał 4. Zimmer - Fräulein Tołłoczka, Agnieszka und die Katze Kissunia 5. Zimmer - Frau Aniela mit dem Dackel Pimpek -Küche und Bad benutzen alle. So war es nach dem Krieg nicht nur in Warschau, wo diese Geschichte spielt, sondern in allen zer‐ störten Städten - viele Menschen, die auf engem Raum zusammenleben mußten. Natürlich gab es dabei Streitereien, Aufregungen - aber auch Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft! 2nd room - Mr Piotrowski, Mrs Piotrowska, Witek and Helio [sic] 3rd room - Mr Czernik and Michał 4th room - Miss Tołłoczka, Agnieszka and the cat Kissunia 5th room - Mrs Aniela with the dachshund Pimpek Kitchen and bathroom are used by all. This was the situation after the war not only in Warsaw, where this story takes place, but in all destroyed cities - many people who had to live together in a confined space. Of course, there were struggles, quarrels - but also friendliness and helpfulness! Tab. 4: Blurb on the back cover of the 1978 German edition of Ożogowska’s novel (English translation by M.-W.) The text neatly sums up the central theme of the novel. However, the carelessness in the spelling of Polish names - Helio instead of Henio and Tołłoczka instead of Tołłoczko (in the text, they are spelt correctly) - is grating. Interestingly, the blurb emphasizes the universal historical value of the narrative (“This was the situation after the war not only in Warsaw, where this story takes place, but in all destroyed cities”) and its choral character. The emphasis in the Italian edition is entirely different. On the front cover, the incomprehensible title Un orecchio d’aringa is accompanied by a series of questions: è un egoista? è un prepotente? è un fatuo pienso di sé? o c’è piuttosto in lui una sensibilità offesa (’Is he selfish? Is he a bully? Is he a fatuous person full of himself ? Or is there instead in him an offended sensibility? ’). Thus, it is suggested that the novel’s protagonist and the central character is Michał. Probably the publisher hoped that such a presentation of the book could prompt teachers to include it in high school reading. That hope failed. Of the three Polish authors for young people published in Italy in the sixties and seventies, only Irena Jurgielewicz gained some popularity as school reading (Wozniak 2020: 23f.). Ucho od śledzia turned out to be a publishing fiasco. However, the two German editions did not fare any better. Neither the 1970 GDR edition nor the 1978 FRG edition, published as number 501 in the series “Geschichten von heute” (‘Today’s stories’), were ever reissued, and today they are only an antiquarian curiosity. 4 Conclusion The narration of Ucho od śledzia has undoubtedly aged also in Poland, but the book is still being reissued and read. The latest edition is from 2019. The audiobook, made available on YouTube in 2020, had 52,000 views in two years. The novel is mentioned and discussed in internet forums and blogs, although most contributors are middle-aged people who talk about the book as their favourite childhood reading. There is no easy answer as to why foreign readers have not been persuaded to read Ucho od śledzia, including in the countries of the Soviet bloc. The German language version is better than the Italian version and successfully renders the novel’s exuberant language, and yet the book was received as indifferently as in Italy. Therefore, it seems that the quality of the translation did not influence the lack of success. Perhaps the obstacle turned out 244 Monika Wozniak <?page no="245"?> to be the very strong embedding of the book in the realities of the historical context of communist Poland and the time gap. The Italian version was published 11 years after the first Polish edition, and the German versions 6 and 14 years later, when the world presented in the book must have seemed utterly alien to young Italians and Germans. It is possible that the lack of interest of critics or inadequate promotion influenced the publishing fiasco. All this suggests that in the case of books for children and young people, their foreign success is determined by a series of different, sometimes unpredictable factors, and sometimes probably also by a stroke of luck. Above all, however, it is safe to say that the period of the potential attractiveness of translations is short. Translations will never succeed if they do not penetrate foreign markets soon after their debut. References Primary sources Ożogowska, Hanna (1996 [1964]). Ucho od śledzia. Warszawa: Świat Książki. Ożogowska, Hanna (1975). Un orecchio d’aringa. Tradotto da Pier Francesco Poli. Firenze: Sandron. Ożogowska, Hanna (1970). Ein unruhiges Haus. Übersetzt von Kurt Kelm. Berlin: Der Kinderbuch‐ verlag. Ożogowska, Hanna (1978). Ein unruhiges Haus. Übersetzt von Kurt Kelm, gekürzte Fassung. Ulm: Otto Maier Verlag. Secondary sources Binder, Łucja (1975). Jugendbuchautoren aus aller Welt. Wien: Leinmüller. Boero, Pino/ De Luca, Carmine (1995). La letteratura per l’infanzia. Roma: Laterza. Chrobak, Małgorzata (2019). Bohater literatury dziecięcej i młodzieżowej w okresu PRL-u. Między kreacją a recepcją. Kraków: Wydawnictwo Naukowe Uniwersytetu Pedagogicznego. Coudroy de Lille, Louise (2013). Housing in the Polish People’s Republic: From “Deficit” to “Crisis”. Le Mouvement Social 245, 109-122. 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Nel presente articolo verranno discussi due diversi approcci alla teorizzazione del feno‐ meno della ritraduzione: Si noterà che la maggior parte delle affermazioni sulla traduzione dei libretti appartiene a un paradigma normativo. Tuttavia, negli ultimi anni, sono emersi studi che affrontano il discorso della traduzione in modo descrittivo ed elaborano la rilevanza delle traduzioni come pietre miliari di un discorso storico. L’articolo mostrerà che la ricerca sulla traduzione dei libretti può trarre beneficio dalla teoria della ritraduzione. Inoltre, la traduzione di libretti come caso paradigmatico può dare nuovi impulsi alla stessa, poiché ci permette di identificare l’influenza di un’ampia varietà di fattori sulla traduzione in un lungo periodo di tempo. Parole chiave: Ritraduzione, storia della traduzione, traduzione di libretti, Mozart, Da Ponte Abstract: Opera libretti turn out to be among the most translated texts in the world. Once set to music, they can be considered famous works and are likely to be translated multiple times. Two different approaches to theorizing retranslations are discussed: It will be noted that most statements on libretto translation belong to a normative paradigm. However, in recent years, studies have emerged that address the translation discourse in a descriptive way and elaborate the relevance of translations as cornerstones of a historical discourse. The chapter will show that research on the translation of libretti can benefit from retranslation theory. Moreover, libretto translation as a paradigmatic case can give new impetus to the same, since, compared to other polysemiotic artifacts, it allows us to identify the influence of a wide variety of factors on translation over a long period of time. Keywords: Retranslation, translation history, libretto translation, Mozart, Da Ponte 1 Introduzione: La storia della traduzione come discorso A giudicare dallo spazio occupato dalle osservazioni sulla ritraduzione nella letteratura secondaria, si potrebbe pensare che si tratti di un fenomeno tutto sommato marginale, un caso particolare che, pur suscitando l’interesse di alcuni studiosi della traduzione, non viene però considerato una delle questioni centrali della disciplina. Tuttavia, per riuscire a descrivere ciò di cui la traduzione è o non è (ancora) capace, è fondamentale concepire <?page no="248"?> 1 Il termine non viene qui utilizzato solamente per riferirsi alla storia del fenomeno traduttivo, ma, seguendo il concetto della storia effettiva (Wirkungsgeschichte) coniato da Hans Georg Gadamer, anche alla ricezione continua di un’opera (anche tramite le sue diverse traduzioni). Entrambe le prospettive sono, ovviamente, strettamente collegate. la traduzione come un discorso continuo che abbraccia più testi, individui e generazioni. In questo contesto è di grande importanza la storia della traduzione 1 con i suoi diversi approcci metodologici, ad esempio il confronto delle versioni in lingua d’arrivo, lo studio delle fonti della traduzione e la ricostruzione delle concezioni individuali e collettive dell’attività traduttiva iscritte nella traduzione stessa e nelle testimonianze riflessive e teoriche di ogni tipo, come prefazioni, postille, epistolari, commenti e così via. Il contributo di questo approccio all’indagine del fenomeno della traduzione è basilare. Considerare la storia della traduzione come un discorso che comprende diverse opere offre spunti che una prospettiva legata a una singola opera non consente. Permette ad esempio individuare le diverse fasi nella storia delle idee sulla traduzione che promuovono, di volta in volta, diversi avvicinamenti traduttivi, come anche i momenti di (ri)valutazione dell’originale, delle sue traduzioni e delle relazioni tra testo (o testi) di partenza e di arrivo. La storia di un’opera e del suo impatto è determinata inevitabilmente anche dalla storia dei testi che ne derivano e che si riferiscono ad essa. Lo studio dell’impatto di un’opera è dunque il risultato di una ricezione sinottica, ossia di una visione che metta in primo piano la coerenza di artefatti che in precedenza erano considerati isolati. Come sottolinea George Steiner (1975/ 1992: 436-495), l’adattamento e l’elaborazione trasformativa sono le forze del permanente lavoro culturale che dà origine a una serie di artefatti a volte apertamente, a volte solo implicitamente correlati. Da questo punto di vista, è di particolare importanza transnazionale l’esistenza (o l’assenza) di traduzioni che abbiano avuto un impatto significativo sulla promulgazione di un testo originale nella cultura di arrivo. Il numero delle ritraduzioni di un testo è infatti indice dell’attività continua di collettivi che cercano di (ri)appropriarsi di un originale autorevole. Tutto ciò vale anche e soprattutto per la teoria e pratica della traduzione cantabile di libretti d’opera. Per secoli, e sicuramente fino al trionfo della soprattitolazione interlinguale, la ritraduzione e revisione di libretti d’opera appartenenti al patrimonio musicale-teatrale mondiale sono state estremamente comuni. Stupisce quindi che il fenomeno non sia menzionato affatto o che lo sia solo di sfuggita nelle panoramiche sulla ritraduzione. Bereza (2009: 265) e Koskinen/ Paloposki (2010: 295), ad esempio, accennano esclusivamente alle ritraduzioni realizzate per nuove messe in scena di opere teatrali. Con il presente articolo, ho quindi deciso di mettere in relazione le osservazioni sul campo della traduzione di libretti d’opera, a cui il festeggiato ha contribuito in modo significativo sin dagli anni Novanta (cfr. Kaindl 1994, 1995) con la teoria relativamente recente della ritraduzione. D’altro canto, verrà affrontata anche la questione di quale possa essere l’apporto della traduzione di libretti d’opera alla teoria della ritraduzione. A tale scopo, nella sezione 2 verrà innanzitutto delineata la teoria della ritraduzione. Nella sezione 3, seguendo una raccomandazione metodologica di Yves Gambier (1994: 414) che vuole vedere analizzate sia le traduzioni che i testi di accompagnamento, si mostrerà come gli autori che riflettono sull’attività di traduzione dei libretti d’opera si esprimono anche sul fenomeno della ritraduzione. Questi autori sono a volte gli stessi traduttori, a volte 248 Marco Agnetta <?page no="249"?> 2 Nel caso di una traduzione collaborativa, il termine ‘traduttore’ sta qui a indicare metonimicamente l’intero collettivo. Un esempio di traduzione collettiva si ha in Bachleitner (2008: 77), dove l’autore descrive l'approccio di una équipe composta da diversi esperti nella creazione di una ritraduzione francese dell’Ulysses di Joyce nel 2004. accademici che lavorano in questo campo. Alcuni autori combinano queste due funzioni in una sola persona. 2 Tipologia del ritradurre Il fenomeno della ritraduzione può manifestarsi in diverse forme che possono essere tipizzate come segue (vedi Fig. 1). Fig. 1: Tipologia del ritradurre Un primo livello di distinzione riguarda l’agente: l’autore della traduzione è anche l’autore della traduzione precedente o si tratta di un’altra persona? 2 Nel primo caso, si potrebbe anche parlare di revisione (vedi sotto), che l’autore di entrambe le traduzioni potrebbe ritenere necessaria a causa di nuove competenze linguistiche acquisite nel frattempo o sulla base di una nuova interpretazione dell’opera. Anche nel contesto delle traduzioni di libretti d’opera esistono casi di trasposizioni multiple portate a compimento da una stessa persona. Ad esempio, Heinrich von Wolzogen e Max Kalbeck intrapresero ciascuno due versioni del Don Giovanni di Mozart (cfr. Kaindl 2006: 740). Come mostra Juri Giannini nella sua innovativa tesi di dottorato usando l’esempio del traduttore Hans Swarowsky, le traduzioni definitive, cioè stampate, non sono che uno dei possibili documenti consultabili al fine di analizzare il lavoro di revisione. Il lascito di Swarowsky, costituito dalla sua corrispondenza, da commenti e da annotazioni di edizioni di libretti e spartiti, fornisce preziosi punti di partenza per nuovi approcci traduttologici a cui attualmente ci si riferisce con i termini inglesi ‘translator studies’ e ‘translation process research’. È inoltre importante ricostruire la base di comprensione su cui si fonda il processo di ritraduzione. A meno che si tratti di una traduzione ‘di seconda mano’ (vedi sotto), il traduttore utilizzerà l’originale come modello. Tuttavia, si pone la questione se egli abbia o meno una conoscenza (parziale o completa) di una traduzione precedente della stessa La ritraduzione dei libretti d’opera come negoziazione del loro potenziale ermeneutico 249 <?page no="250"?> 3 Per motivi di chiarezza, le seguenti spiegazioni si riferiscono a ‘un pretesto’ al singolare. È lasciato al lettore il compito di collegare i risultati presentati di seguito a una situazione in cui il nuovo traduttore tiene conto di diverse traduzioni precedenti. Con il progredire della storia del testo di partenza e della traduzione, questo caso diventa sempre più probabile. opera. 3 A prima vista, questa distinzione potrebbe sembrare contradittoria, dal momento che parlare di ritraduzione significa inevitabilmente implicare l’esistenza di una traduzione precedente. Occorre tuttavia prendere in considerazione anche la possibilità che chi traduce ignori l’esistenza di traduzioni precedenti alla sua e produca quindi una traduzione per lui convenzionale, senza sapere di aver invece intrapreso una traduzione posteriore - a differenza di un altro destinatario che sa dell’esistenza di entrambe le traduzioni. Comunque sia, nella maggior parte dei casi l’autore della ritraduzione conosce le precedenti traduzioni dell’originale che vuole rendere nella lingua d’arrivo. Da un punto di vista ermeneutico, ciò significa che la traduzione precedente ha in qualche modo influenzato la comprensione dell’originale e l’atteggiamento del traduttore nei confronti dell’opera. Si potrebbe applicare qui il termine “contaminazione” coniato da Stackelberg e adottato da Plack (2015: 120seg.). Sempre con Plack si potrebbe introdurre una distinzione a seconda che questa ricezione mediata sia ammessa da chi traduce (“contaminazione trasparente”) o se essa venga taciuta (“contaminazione opaca”) (cfr. ivi: 121). Nel presente studio, il fenomeno della ritraduzione come forma di traduzione diretta si distingue da altre forme di riferimento intertestuale, in particolare dalla pratica della traduzione di seconda mano (o indiretta, intermedia). Usando una metafora simpatica, potremmo addirittura parlare di una ‘traduzione a staffetta’. Questi termini si riferiscono alla traduzione effettuata sulla base di una traduzione in una lingua terza. È Stackelberg a trattare le ritraduzioni insieme alle “Übersetzungen aus zweiter Hand” [‘traduzioni di seconda mano’] (1972: 125 e segg., 1984, 1988: 7 et passim) - un termine che è stato usato sotto la sua egida in un progetto di ricerca su La traduzione letteraria a Gottinga (SFB 309). La ritraduzione e la traduzione intermedia sono state esplicitamente tipizzate congiuntamente da Iris Plack, che le definisce come “la traduzione di un’opera originale attraverso la mediazione di una o più versioni esistenti nella lingua in cui viene effettuata la traduzione oppure in una terza lingua” (Plack 2015: 13; traduzione e corsivo: M. A.). Naturalmente, una traduzione di seconda mano può essere al contempo anche una ritraduzione. Ciononostante i due fenomeni si basano su prerequisiti testuali propri, motivo per cui altri approcci tendono a tenerli separati (cfr. Koskinen/ Paloposki 2010: 294 e Pöckl 2019: 235 e segg.). Ciò si riflette anche nella terminologia, dove si distingue, ad esempio, tra “ritraduzioni dirette” e “ri/ traduzioni indirette” (Xu 2003: 193). Probabilmente la differenza più importante tra la ritraduzione e la traduzione di seconda mano risiede nella frequenza della loro “forma pura” (“Reinform”, Plack 2015: 120), ossia del caso in cui non è stato consultato l’originale ma ci si è limitati a prendere come punto di riferimento la traduzione mediatrice. Questo caso si verifica soprattutto nella traduzione indiretta ma è estremamente rara nel contesto della ritraduzione. Se una ritraduzione ignorasse l’originale, si tratterebbe semplicemente di un adattamento intralinguale di una traduzione precedente. Inoltre, il “plagio traduttivo” (“Übersetzerplagiat”, Stackelberg 1988: 10) in senso stretto esiste solo in caso di ritraduzione 250 Marco Agnetta <?page no="251"?> 4 Tuttavia, traduzioni a staffetta si trovano anche nel contesto delle traduzioni dei libretti d’opera. Come esempio si può menzionare la traduzione delle Nozze di Figaro intrapresa nel 1899 da Hermann Levi, che servì da testo intermedio per la versione ungherese di Vidor Dzsö (cfr. Gschwend 2006: 103). nella stessa lingua (cfr. anche Plack 2015: 122). Le osservazioni che seguono lasciano da parte la traduzione indiretta 4 e si concentrano solamente sulla ritraduzione. Risulta invece più difficile distinguere tra la ritraduzione e la revisione di una versione esistente. Per farlo, si potrebbe partire dalla constatazione che l’autore di una ritraduzione non deve necessariamente conoscere la traduzione precedente (vedi sopra), mentre chi si occupa della revisione deve per forza farvi riferimento. Inoltre, nel caso di una revisione, il trattamento del testo precedente sarà diverso. Da un lato, affinché il risultato possa essere definito una revisione, ci sarà una più accentuata volontà di preservare alcuni passaggi del testo di partenza; se l’autore avesse voluto manipolare più estensivamente il testo, avrebbe forse direttamente tentato una ritraduzione. D’altra parte, specialmente nei casi in cui il traduttore è anche il revisore di una propria traduzione precedente, quello stesso testo precedente sarà un modello flessibile e modificabile, dato che verrà sostituito dalla versione rivista. La ritraduzione, invece, può costituire in linea di principio una nuova proposta che si affianca alla traduzione precedente. Va notato, tuttavia, che la distinzione tra ritraduzione e revisione di una traduzione non è netta ma graduale. Inoltre, una stessa opera può essere etichettata come ritraduzione o come revisione di una traduzione, a seconda della linea teorica adottata. 2.1 L’approccio normativo-prescrittivo La pratica della ritraduzione viene riflettuta spesso nei paratesti degli autori, ma anche di altri lettori nonché ricercatori. L’argomento ha trovato spazio anche nelle più recenti ricerche di traduttologia. Le osservazioni sulla ritraduzione possono essere grosso modo ricondotte a due paradigmi, uno normativo-prescrittivo e uno puramente descrittivo. Tra questi due poli vi sono zone di transizione, o meglio, è possibile individuare affermazioni che contengono elementi di entrambi gli approcci. Di seguito, questi vengono descritti nella loro forma pura per poter valutare sulla loro base le dichiarazioni dei traduttori di libretti d’opera (cfr. sezione 3). Se osservate dal punto di vista del paradigma normativo, le ritraduzioni hanno un carat‐ tere strettamente teleologico. La loro produzione segue l’obiettivo costante e immutabile di trovare la migliore di tutte le traduzioni dell’originale. Le discussioni circa la traduzione multipla sono determinate da criteri quali l’economia dei mezzi e il vantaggio dell’attività traduttiva per la cultura di arrivo. Poiché la traduzione posteriore è destinata a sostituire quella precedente, viene preso di mira il monopolio di una traduzione capace di farsi strada. Secondo questo modello, la pluralità di traduzioni è soprattutto un prodotto naturale della diacronia che è dunque necessario accettare. Nella letteratura recente, un approccio chiaramente normativo-prescrittivo è sostenuto da Xu (2003), che collega direttamente la questione della ritraduzione con quella del suo beneficio per la società in cui verrà lanciata. In primo luogo, l’autore distingue tra ritradu‐ zioni in ambito letterario-artistico e in campo empirico-scientifico. La traduzione letteraria punterebbe, secondo l’autore, al graduale raggiungimento della perfezione artistica (Xu La ritraduzione dei libretti d’opera come negoziazione del loro potenziale ermeneutico 251 <?page no="252"?> 5 I termini “transcreation” e “recreation” hanno acquisito importanza negli ultimi anni, soprattutto negli studi descrittivi sulla traduzione letteraria e sulla localizzazione pubblicitaria. 6 Con Michail Bachtin (1934/ 1979: 165) e Harald Fricke (1981, 2000) si potrebbe sostenere che l’unica legge dell’arte (verbale) nel suo complesso consiste nell’eludere finalità e strumentalizzazioni esterne. 7 Xu elogia le seguenti caratteristiche delle nuove traduzioni che analizza: queste sono “more fluent, more vivid, closer to the original, and deeper understanding of the original and better recreation” o “deeper in the understanding and interpretation of the original; closer to the style and spirit of the original; and more appealing to the contemporary readers” (2003: 194). Le caratteristiche citate sono o molto vaghe o talmente numerose da dover essere considerate quasi una coincidenza se si applicano tutte a un’unica ritraduzione. 2003: 193 e seg.). È vero che la ritraduzione delle opere letterarie è descritta qui, come del resto anche negli approcci traduttologici-ermeneutici, come “artistic recreation” 5 (Xu 2003: 193), ma per Xu essa sembra essere legittima solo nel caso in cui superi le traduzioni precedenti (“should surpass”, ibid.). Xu commenta questo aspetto come segue: The successive retranslations represent the translator’s perseveringly striving for artistic perfec‐ tion. It is because of this persevering strife that makes the translated version of literary works, especially famous works, better and better. (Xu 2003: 193) The significance of retranslation lies in surpassing. If the retranslation is not better than the former one(s), the retranslation will not be worth a penny, and it will not be encouraged but criticized. (Xu 2003: 194) In affermazioni simili, non è solo la nozione di ‘miglioramento’ a segnalare una visione prescrittiva della ritraduzione. Dopotutto, chiunque osi intraprendere un progetto del genere è probabilmente convinto che la sua opera supererà la versione precedente (se questa è nota), almeno in relazione a un certo aspetto. Affermazioni simili diventano invece normative quando a decidere quali caratteristiche del testo debbano essere oggetto di un miglioramento non è chi traduce ma un’autorità che specifica un unico valore di riferimento valido (appunto prescritto) a cui un miglioramento deve obbligatoriamente riferirsi. Una visione normativa della traduzione risulta quindi direttamente da una visione normativa di ciò che l’arte mira a raggiungere - come se si potesse trovare uno scopo omogeneo per tutta l’arte. 6 Inoltre Xu, nelle sue discussioni di ritraduzioni in cinese, non fornisce ai suoi lettori dettagli precisi su quali dovrebbero essere esattamente i miglioramenti del pretesto in questione. 7 Qual è il punto di riferimento per giudizi come ‘perfetto’ e ‘migliore’? Si intende la fedeltà all’originale? Oppure una perfezione estetica indipendente dall’originale secondo standard comuni nella cultura d’arrivo? Esistono standard stabili e omogenei per caratterizzare una traduzione come ‘esteticamente perfetta’ o anche solo ‘migliore’ di una traduzione precedente? Tali giudizi sulla qualità di una traduzione non sono sempre soggettivi in una certa misura? Xu diventa leggermente più specifico quando descrive i casi in cui una ritraduzione dovrebbe essere promossa esplicitamente. Nel contesto letterario, l’obiettivo è quello di correggere i malintesi e gli errori, di sostituire le formulazioni arcaiche con quelle che sembrano oggi più naturali, e in prospettiva diacronica di soddisfare le mutate esigenze (estetiche) dei destinatari contemporanei (cfr. Xu 2003: 193 e seg.). La ritraduzione dei testi scientifici, invece, può essere intrapresa solo se serve ad aggiornare 252 Marco Agnetta <?page no="253"?> lo stile linguistico e la terminologia, a correggere errori o a uniformare quanto scritto (cfr. ivi: 195). In ogni caso, in molte critiche di indole prescrittiva, la fedeltà all’originale è il parametro più importante. A conseguenza di ciò, confermata (indirettamente) anche da Xu (2003: 199), una ritraduzione avrebbe diritto di esistere solamente se è in grado di ridurre la distanza dall’originale, ovvero la sua estraneità. Le considerazioni normative non sembrano essere un male se espresse da individui e incorporate nella loro valutazione soggettiva di traduzioni esistenti. Ognuno di noi ha le sue preferenze, anche per quanto riguarda le traduzioni. Tuttavia, delle linee guida prescrittive diventano problematiche laddove vengano valutate in modo univoco e presumibilmente oggettivo, facendo riferimento all’aumento di valore apportato dalle ritraduzioni “buone” o al danno arrecato da ritraduzioni che si rivelano negative per un’intera collettività - in questo caso, per i destinatari della cultura di arrivo. Secondo Xu (2003: 195), le ritraduzioni sono dannose e quindi “non necessarie” perché sprecano risorse umane, materiali e finanziarie. Questa circostanza può portare non solo alla critica e al discredito (persino alla censura) di ritraduzioni a posteriori, ma anche a concrete misure preventive e divieti. Pertanto, a proposito della ritraduzione di testi scientifici, Xu afferma: “Therefore, I hold that the retranslation of science books should be strictly limited and not be encouraged, and that the appropriate department of a country should make a systematic plan to do the retranslations” (2003: 195). Ciò equivale a richiedere l’introduzione di un’autorità statale o istituzionale che monitori e regoli sistematicamente i nuovi progetti di traduzione - una rivendicazione che difficilmente può essere conciliata con la comprensione della traduzione come attività libera di agenti autonomi. Un certo grado di controllo sul testo non è insolito quando a commissionare la traduzione è un’azienda o un cliente privato. Tuttavia, tale regolamentazione riguarda solo la singola unità organizzativa o i singoli incarichi di traduzione. Il pericolo di un tale controllo diventa evidente laddove la regolamentazione della traduzione (top-down), vista dalla prospettiva della società nel suo complesso, neghi qualsiasi valore alle singole iniziative di traduzione e di revisione (bottom-up). In sintesi, si può affermare che, secondo la prospettiva normativa qui descritta, il concatenamento discorsivo delle nuove traduzioni è lineare e rivela tratti darwiniani: le nuove traduzioni sostituiscono la precedente versione in lingua d’arrivo dopo una sorta di guerra di specie. Xu (2003: 194) parla, con connotazioni spiccatamente duellistiche o belliche, di una sfida alla traduzione precedente (“The new translation is a challenge to the former translation(s)”) e di una lotta per la perfezione (“competing for the perfect”). Il discorso metaforico sulla battaglia delle versioni, qui solo accennato, si ritrova, amplificato e ripetuto, nelle testimonianze traduttivo-riflessive di molti traduttori di libretti d’opera che mettono in scena le traduzioni precedenti come crimini violenti e arbitrari, e la propria traduzione invece come versione alla quale si auspica la vittoria finale (cfr. Agnetta 2015). In ultima istanza, la promozione di una concezione normativo-prescrittiva della ritraduzione va equiparata alla restrizione o alla lotta alla pluralità traduttiva, intesa come coesistenza pacifica di più traduzioni che si equivalgono pur nella loro diversità. La ritraduzione dei libretti d’opera come negoziazione del loro potenziale ermeneutico 253 <?page no="254"?> 2.2 L’approccio descrittivo Il fenomeno della ritraduzione può essere oggetto di un approccio puramente descrittivo che non persegue uno specifico programma di politica traduttiva. Se si adotta questa prospettiva, si può certamente mettere in dubbio che il dettame secondo cui una nuova traduzione ha senso solo se apporta un miglioramento rappresenti l’unica linea guida valida e stabile per l’azione traduttiva. Piuttosto, questa massima prescrittiva è da condannare per la sua vaghezza. Chi analizza il valore di una (ri)traduzione segue l’esigenza interna o esterna di rivelare esattamente a quale tertium comparationis si riferisca la caratterizzazione come ‘migliore di altre’. Ogni traduzione, anche se imperfetta, ha la sua legittimità quando ha un valore euristico. Siegmund Spaeth conferma questo punto anche per quanto riguarda la traduzione dei libretti d’opera: In the midst of the still raging controversy concerning “opera in English,” the question has been asked again and again, “Why translate at all? ” There can be only one answer. The translation of words set to music is permissible in so far as it has an educational value. If a song or an opera can broaden its sphere of influence through an English version, then by all means let it be translated. Better the half-knowledge that comes from even a weak imitation than complete ignorance. (Spaeth 1915: 291) Partendo dal presupposto, piuttosto radicale, che è inconcepibile riconoscere la traduzione di un libretto d’opera come un’opera d’arte, Spaeth sottolinea però l’importanza di questa attività a fini didattici. In sostanza, Spaeth nega l’esistenza di quelle “grandes traductions”, che, secondo Berman (1990: 5 e segg.), sfuggono alla retorica della perdita e della soppres‐ sione delle dimensioni date nell’originale e si inscrivono invece in una logica di ricchezza (“richesse”) ed eccesso (“abondance”). In generale, il paradigma descrittivo nega l’esistenza di un unico scopo a cui una (nuova) traduzione dovrebbe piegarsi. La molteplicità e la diversità delle possibili finalità (o skopoi), dei contesti e degli agenti esecutori portano a una pluralità di traduzioni che è considerata benefica sia in senso diacronico che sincronico. Le potenzialità della loro alterità determinano il discorso intorno alle traduzioni, che in linea di principio sono percepite come ugualmente valide. Le traduzioni non si sostituiscono necessariamente l’una all’altra, ma si accompagnano e si completano a vicenda. Ognuna di esse è in grado di mettere in risalto alcune dimensioni dell’originale e di portarne altre in secondo piano. Solo confrontando le diverse versioni di un testo emerge il carattere ‘anamorfico’ del fenomeno traduttivo (cfr. Agnetta 2021). Nel contesto della traduzione intermedia, che Xu chiama “indirect re/ translation” (2003: 193, 196 e segg.), l’autore menziona il potenziale che scaturisce dal confronto delle traduzioni in lingue diverse dello stesso testo di partenza: “Also comparing two or more translated versions of different languages is very interesting. The readers can obtain an overall view that different language translators understand and express the ideas of the original differently” (Xu 2003: 200). L’autore non sembra però concepire che questo possa valere anche per il confronto di diverse traduzioni nella stessa lingua. 254 Marco Agnetta <?page no="255"?> 8 Spesso, il riferimento a traduzioni precedenti consiste esclusivamente in un vago cenno a un numero di frequente imprecisato di traduzioni in cui abbonderebbero gli errori traduttivi: “Hundreds of examples could be pointed out, merely by running through a few collections of songs and half a dozen operatic scores” (Spaeth 1915: 294). 3 Ritraduzioni di libretti d’opera Gran parte della riflessione sulle traduzioni di libretti d’opera rientra nel paradigma normativo, in cui vengono affrontati criticamente i risultati traduttivi precedenti (cfr. Agnetta 2019: 48-60). Poiché il trasferimento di un libretto d’opera è un’impresa molto dispendiosa sia in termini di tempo che di denaro, ogni ritraduzione ha bisogno di essere legittimata (anche più di quella propriamente letteraria). Per questo motivo, i contributi degli studiosi della traduzione qui discussi assumono a questo riguardo un tono ironico, polemico e talvolta con tratti anche altamente dispregiativi. I commenti sfociano spesso nell’ambito morale, soprattutto quando la critica è legata al mancato rispetto di un bene comune costruito e, su questa base, si impongono verdetti negativi e sanzioni radicali alle traduzioni esistenti. Il fatto che chi traduce libretti d’opera abbia un’alta responsabilità politico-culturale è un leitmotiv nella critica normativo-prescrittiva; si parla, ad esempio, della traduzione di libretti come di “un compito altamente importante” (Anheißer 1938: 124) e definendo chi li traduce come “servo del suo popolo” (ivi: 190). Gli studi più recenti sulla traduzione dei libretti, invece, rivendicano un punto di vista descrittivo che tende a sostituire la critica del testo con una prospettiva sistematica. Oltre a una comparazione su base linguistica o semiotica delle diverse versioni come quelle condotte ad esempio da Wodnansky (1949), Thur (1990), Agnetta (2019) e altri, risulta adatto per un’analisi diacronica anche l’approccio dei musicologi Rainer Schmusch e Herbert Schneider, che affrontano la pratica della traduzione di libretti con i metodi della ricerca sul trasferimento culturale (Schneider/ Béhar/ Schmusch 2006; Schmusch 2009a, 2009b). Che ciò venga ammesso apertamente o meno nei paratesti, è comune nella traduzione di libretti d’opera che il traduttore prenda in esame le versioni precedenti del testo (cfr. Kaindl 2006: 738 e segg.), motivo per cui l’applicazione di modelli relativi al discorso diacronico sembra inevitabile per l’analisi di questo campo di pratica. 8 Adottando il duplice approccio metodologico di Gambier, si perseguirebbe da un lato una genealogia delle traduzioni. D’altro lato, la consultazione delle traduzioni e delle testimonianze che le accompagnano consentirebbe un’analisi della performance traduttiva che tenga conto delle condizioni, dei mezzi e delle conseguenze dell’atto traduttivo nel suo contesto storico e sociale. Un metodo convincente in questo senso, che combina le teorie della memoria culturale (di Jan e Aleida Assmann) e dell’intertestualità (di Gérard Genette) e le applica alla traduzione di libretti d’opera, è stato proposto dal musicologo Juri Giannini (2015). Giannini si basa sulla tesi di fondo secondo la quale “[l]e pratiche intertestuali […] sono spesso conseguenza e quindi in stretta relazione con l’idea della memoria e del tradurre ‘ricordando’” (Giannini 2015: 258). Giannini (ivi: 268) propone inoltre di sostituire alla massima di fedeltà al testo originale osservazioni performative che riconducano la legittimità di una traduzione al contesto della sua rappresentazione, applicando alla storia dell’opera lirica un’idea formulata dalla skopostheorie. Tuttavia, ciò non deve condurre a una sorta di relativismo storico, ma permette, secondo Giannini (ivi: 269), “di interpretare La ritraduzione dei libretti d’opera come negoziazione del loro potenziale ermeneutico 255 <?page no="256"?> le stratificazioni apportate dalla tradizione come tracce della storia dell’interpretazione e della ricezione e, conseguentemente, permette una lettura e comprensione più profonda dell’opera analizzata, che in questo modo viene situata in un contesto storico e ricettivo”. Anche le fonti in lingua di partenza che fungono da originale per le diverse traduzioni rimangono un punto di riferimento per gli studi descrittivi. L’esistenza, se non la necessità, di traduzioni multiple di un libretto originale deriva direttamente dalla difficoltà di questa impresa. Come confermano le testimonianze dei traduttori nel corso dei secoli, realizzare una traduzione cantabile di un libretto (a differenza delle traduzioni non cantabili per i supplementi discografici e le edizioni a fini di lettura) è un compito estremamente impegnativo. Seguendo l’ironica constatazione di Jacques Finné, il traduttore di testi messi in musica non potrebbe essere altro che un “masochista” (1982: 83, citato da Kaindl 2004: 43) che addirittura si compiace dell’impossibilità di conciliare tutte le possibili esigenze traduttive. Molte osservazioni, metaforiche e non, dei traduttori di libretti ruotano attorno a questo aspetto. A titolo esemplificativo si veda Kurt Honolka, che nei suoi studi sottolinea ripetutamente come una traduzione che possa dirsi riuscita si può ottenere solo a caro prezzo, ossia facendo una serie di concessioni: “Nella pratica della traduzione si devono fare molti compromessi; c'è sempre da destreggiarsi tra la Scilla della falsificazione dell’originale e la Cariddi di un tedesco coriaceo, convulso e poco musicale” (Honolka 1976: VIII; trad.: M. A.). In altri contesti, la traduzione di libretti è vista non tanto come un compromesso, quanto come un processo decisionale, in cui alcuni elementi dell’originale sono ripresi e altri si ritrovano a dover essere sacrificati. Una traduzione che renda giustizia a tutte le possibili categorie pertinenti è utopica. È proprio per questo motivo che la ricerca di una traduzione unica e definitiva tipica degli approcci normativi risulta essere un’aspirazione tendenzialmente irragionevole. Come dimostrano le testimonianze autoriflessive dei traduttori, la risposta alla diversità delle esigenze traduttive e alla loro mancanza di compatibilità nel testo in lingua d’arrivo consiste solitamente nella scelta di una strategia di traduzione globale che determina poi le singole decisioni traduttive (ma dalla quale ci si può occasionalmente discostare). Poiché tradurre porta inevitabilmente a “conflitti di priorità” (Bachleitner 2008: 86), è opportuno seguire un metodo di traduzione coerente e utilizzarlo per interi testi o parti di testi. Ciò vale a maggior ragione per i contesti di traduzione in cui non sono ammessi commenti esplicativi e legittimanti (ad esempio tramite note a piè di pagina o altri tipi di glosse). Secondo Schünemann, diverse priorità e diversi obiettivi portano necessariamente a soluzioni traduttive diverse: Se ci si prende la briga di lavorare su tutte queste traduzioni, […] si rimane sempre stupiti dall’abbondanza di idee, novità e riarrangiamenti. Si oppongono le opinioni più diverse: uno vuole tradurre il più letteralmente possibile, un altro privilegia il significato rispetto alla singola espressione, uno terzo cerca di cogliere la musica di Mozart o di rendere le vocali italiane nel testo di arrivo e compie ogni sacrificio a favore del flusso drammatico. Alcuni apportano anche modifiche più o meno drastiche, a seconda del tempo e del luogo, del senso e dell’obiettivo della rappresentazione. (Schünemann 1939; trad.: M.-A.) Tuttavia, le affermazioni di Schünemann contengono anche elementi normativi, ad esempio quando l’autore osserva che la sua traduzione, paradossalmente simile a un collage (vedi 256 Marco Agnetta <?page no="257"?> sotto), può “condurci fuori dalla confusa diversità di tutti questi tentativi” (ibid.; trad.: M. A.). Non solo gli stessi traduttori, ma anche gli studiosi della traduzione di libretti fanno osservazioni sui diversi approcci traduttivi e sulle diverse versioni che ne risultano. Reinhold Thur, studioso di letteratura e musica, commenta ad esempio le traduzioni tedesche del Boris Godunov di Mussorgsky come segue: I traduttori si sono quindi o concentrati maggiormente sul contenuto verbale originale, producendo accurate traduzioni analoghe (soprattutto A. v. Schlippe), oppure hanno messo in primo piano l’inviolabilità del testo musicale (soprattutto M. Hube) - ma sempre a scapito dell’altra categoria. (Thur 1990: 389; trad.: M.-A.) La scelta della strategia di traduzione dipende da molti fattori, tra i quali rientra la disposizione personale di chi esegue la traduzione. Se, secondo una metafora consueta, la traduzione è un processo di negoziazione, allora ogni soluzione traduttiva (di successo) giova a una persona, un obiettivo o una situazione. Ne consegue che solo una sinossi delle traduzioni risultanti dall’applicazione di diversi tipi di gerarchie di invarianza è in grado di rivelare la peculiarità dell’originale e delle traduzioni stesse. L’esistenza di diverse traduzioni non è solo il risultato delle decisioni individuali del traduttore (o del gruppo di traduttori) ma è anche, in relazione alla storia della ricezione dell’opera nella cultura di arrivo, l’unica possibilità per compensare le necessarie eliminazioni effettuate dai singoli testi derivati. La pluralità delle traduzioni è il mezzo discorsivo contro il peso dell’invarianza a cui soggiace chi traduce i libretti, cioè dell’impossibilità di conservare nel testo di arrivo tutte le caratteristiche dell’originale. La virtù della traduzione multipla, tuttavia, non risiede solo nella compensazione dell’omissione di dimensioni testuali ritenute importanti. Non solo ogni (nuova) traduzione è una (nuova) interpretazione dell’originale (cfr. Fusco 215: 116); essa ne permette inoltre una riscoperta o nuova visione. Il potenziale di moltiplicazione del significato, dei sensi di un testo di partenza, è un importante risultato della pluralità traduttiva (cfr. Agnetta 2021). Nel campo dei translation studies, l’esistenza di più traduzioni è spesso associata, a partire da Friedrich Schleiermacher, alla contrapposizione di due metodi di traduzione prototipici e incompatibili: da un lato la traduzione addomesticante orientata alla cultura di destinazione, e dall’altro la traduzione estraniante legata al testo di origine. La storia della traduzione dei libretti d’opera sembra confermare l’ipotesi della ritraduzione, rilevante dal punto di vista sociologico, culturale e politico e attribuita allo studioso Andrew Chesterman (2000), secondo la quale gli adattamenti addomesticanti di un originale aprirebbero la strada a delle traduzioni più letterali. Kurt Honolka, per molti aspetti rappresentante di un approccio normativo, esprime il concetto in questo modo: “Prima che si considerassero tali intuizioni dal punto di vista della fedeltà all’opera, tuttavia, sono state proprio le opere più brillanti della letteratura operistica mondiale a essere presentate in mutilazioni in tedesco” (Honolka 1978: 52; trad.: M. A.). Partendo dalle osservazioni di Berman (1990), Gambier (1994) ha introdotto la suddetta ipotesi nella teoria della ritraduzione. Quest’ultimo condanna alcune delle possibili conseguenze di questa supposizione: Il prestigio spesso associato ad una traduzione (posteriore) più fedele non è giustificato, poiché questa sarebbe impensabile senza la traduzione precedente: “La retraduction est un retour dévoyé, indirect : on ne peut tenter une traduction autre qu’après une période d’assimilation qui permet de juger comme La ritraduzione dei libretti d’opera come negoziazione del loro potenziale ermeneutico 257 <?page no="258"?> inacceptable le premier travail de transfert” (Gambier 1994: 414 e seg.). Lo conferma anche lo studioso di libretti Albert Gier (2004: 357) quando afferma: „[l]e traducteur qui se propose de donner une version nouvelle, et plus fidèle à l’original, d’une œuvre bien connue ne peut donc pas, par la force des choses, ignorer le travail de ses prédécesseurs“. Questa prospettiva è coerente con il postulato di Berman secondo cui una “grande traduction” è necessariamente una ritraduzione (Berman 1990: 3 et passim). Per Gambier, la pretesa di creare una traduzione fedele all’originale testimonia inoltre una concezione erronea del linguaggio stesso (“vision logocentrique”, 1994: 414) che presuppone l’immanenza di significato nel testo di partenza e ignora l’impossibilità di presentare una traduzione priva di coloriture ideologiche, culturali o di qualsiasi interpretazione individuale (cfr. Gambier 1994: 414 e segg.). Queste osservazioni anticipano un’ermeneutica della traduzione multipla in cui ogni traduzione viene apprezzata sulla base della sua individualità storica anziché essere considerata solamente in quanto transitivamente correlata a una traduzione succes‐ siva, più fedele e quindi ‘migliore’. In questo ambito, dobbiamo prendere atto dei risultati degli studi diacronici esistenti sulla traduzione di libretti. Questi ci dicono che le tendenze addomesticanti hanno rappresentato il primo stadio storico nell’operazione di transfer dei testi, e che queste hanno poi lasciato il posto alla nuova massima determinante della traduzione, ossia la conservazione di più caratteristiche possibili dell’opera di partenza. Nella sua breve storia delle opere di Mozart e Da Ponte, Kaindl spiega come i drammi italiani (giocosi) per musica, subito dopo le loro anteprime in italiano, siano diventati nel contesto tedesco prima dei singspiel (con dialoghi parlati e l’addomesticazione dei nomi propri dei personaggi), poi opere romantiche, e infine persino teatro musicale asservito all’ideologia durante l’epoca nazista (cfr. Kaindl 2006 e 2020). Anche Agnetta, ricorrendo all’esempio delle recensioni delle traduzioni francesi delle opere di Wagner sulla Revue Wagnérienne, dimostra che il loro autore, Édouard Dujardin, alla fine del XIX secolo riteneva fosse giunto il momento di creare delle “traductions littérales”, visto che i drammi musicali del maestro circolavano già da tempo sotto forma di “traductions vulgarisatrices”. Per questo motivo, il pubblicista francese considerava ulteriori traduzioni addomesticanti uno spreco di sforzi traduttivi (cfr. Agnetta 2016, 2019: 291-296). Sono comunque necessari ulteriori studi di caso per confermare l’ipotesi della ritraduzione come è stata espressa da Chesterman. Dovrebbe essere ormai chiaro che la dimensione temporale (chronos) è un fattore essenziale nella teoria della ritraduzione. Se il momento della comparsa di una traduzione si rivela fortunato (kairos, cfr. Berman 1990: 6 e segg. e Pöckl 2019: 241 e segg.), si può assumere che emergano quelle “grandes traductions” singolari e generatrici che Berman (1990: 1-4) aveva in mente. Un’altra osservazione degna di nota è che le ritraduzioni vengono realizzate soprattutto in occasioni straordinarie, per ottenere un riscontro più ampio. Un esempio nella storia delle traduzioni di libretti d’opera sono le versioni tedesche del Don Giovanni (1872) e del Figaro (1874) di Carl Niese per la cosiddetta Alte Mozart-Ausgabe (AMA). La disponibilità di una nuova edizione, magari con materiale inedito scovato di recente, è un argomento di vendita da non sottovalutare. Georg Schünemann, nella sua compilazione del Don Giovanni, fa riferimento all’inclusione di due numeri precedentemente documentati solo nei manoscritti Mozartiani (cfr. Schünemann s.-d.). In effetti, con le sue versioni delle opere di Mozart / Da Ponte, Schünemann fornisce un caso notevole nella storia della traduzione legata all’opera lirica. Egli mostra una profonda 258 Marco Agnetta <?page no="259"?> 9 Nei suoi commenti alla nuova traduzione francese (2004) dell’Ulysses di Joyce, Bachleitner (2008: 77) descrive il caso in cui ampie parti di una traduzione precedente sono state riprese per esprimere la deferenza nei suoi confronti. conoscenza di molte traduzioni precedenti de Le nozze di Figaro (1939), Don Giovanni (1940) e Così fan tutte (1940), che documenta cronologicamente nelle prefazioni alle riduzioni per pianoforte arrangiate da Kurt Soldan. Anche lui è colpito dalla correlazione tra la varietà e la diversità delle caratteristiche testuali da mantenere invariate e la pluralità delle traduzioni esistenti, quando nota nella prefazione alla sua versione del Figaro sopracitata (vedasi la precedente citazione tratta da Schünemann 1939). L’approccio di Schünemann consiste principalmente nel mettere insieme proposte di traduzione già esistenti. Gli unici passaggi di sua mano sono quelli “dove i vecchi adatta‐ menti falliscono e le parti che richiedono una traduzione del senso come lo aveva concepito Mozart” (Schünemann s. d., trad.: M. A.). Sebbene dei prestiti testuali siano presenti in quasi tutte le traduzioni di libretti che non sono qualificate come prime traduzioni (cfr. Giannini 2015: 258), questa “maniera di lavorare a mo’ di collage” (Kaindl 2006: 741, trad.: M. A.) viene portata all’estremo da Schünemann. Tale procedimento traduttivo, in cui “le traduzioni precedenti […] vengono saccheggiate senza esitazione” (1978: 44; trad.: M. A.), è severamente criticato da Honolka. Egli condanna questa strategia “a mosaico” (ivi: 71) perché essendo “troppo pragmatica, trascina con sé l’elemento vecchio-popolare a prezzo di un vero e proprio tradimento” (ivi: 115; trad.: M. A.; riferendosi esplicitamente a Schünemann, cfr. ivi: 49, 126, 130, 138). La raccolta e la disposizione di elementi testuali già esistenti nella lingua d’arrivo come procedura traduttiva sono ben note alla teoria della ritraduzione. Tali prestiti possono assumere molte forme e corrispondere a diversi obiettivi. Se effettuati su larga scala e non dichiarati come tali, portano a quello che Stackelberg (1988: 10) chiama “plagio traduttivo”. Xu (2003: 193, 195) vorrebbe che questa forma di riferimento intertestuale fosse vietata sia nelle ritraduzioni letterarie che in quelle accademiche. A prescindere dal fatto che il termine plagio “contiene un giudizio di valore” (Plack 2015: 120), esso non sembra sempre appropriato nel contesto della traduzione di libretti operistici, perché l’adozione di formulazioni che sono entrate nel repertorio di citazioni della cultura d’arrivo difficilmente può essere considerata un tradimento intenzionale. Come dimostrato dalla discussione della gestione delle parole alate (vedi sotto), i prestiti (dichiarati) possono trovare spazio in una traduzione posteriore, sia per necessità che per piena convinzione. 9 Questo accade ad esempio nelle traduzioni di Schünemann, dove compaiono proprio quelle locuzioni che hanno ormai trovato posto nella memoria collettiva dei destinatari dell’opera nei paesi di lingua tedesca (cfr. Giannini 2015: 267, 270). Per Schünemann, l’imperativo è il seguente: “le locuzioni belle e popolari, così come sono state cantate nelle terre tedesche per un secolo, devono essere conservate. Esse sono molto più vicine alla musica di Mozart di quanto non lo sia persino la traduzione filologicamente più fedele, non appena quest’ultima, al di sopra del testo, trascura la scena drammatica e la musica di Mozart” (Schünemann s. d.; trad.: M. A.). Tuttavia, non tutti i traduttori o i critici di libretti d’opera la pensano a questo modo: Rudolf Hoffmann (1926: 356) e Siegfried Anheißer (1938: 99, 222-225) deplorano il fatto che molte formule di Christian August Vulpius e Friedrich Knigge, “contro la cui rimozione molti filistei resistono con tutte le loro forze” (Hoffmann 1926: 361; trad.: M. A.), La ritraduzione dei libretti d’opera come negoziazione del loro potenziale ermeneutico 259 <?page no="260"?> persistano nelle traduzioni successive. È piuttosto un “dovere d’onore del nostro popolo” (ibid.) liberare i capolavori da tale ingombro. Di parere simile è Honolka, per il quale gli inizi difettosi delle arie o di altri numeri di un’opera tramandati di generazione in generazione rappresentano “il più resistente e proprio per questo il più fatale nel registro leporellesco dei peccati di traduzione” (1978: 61, trad.: M. A.; analogamente ivi: 127 e seg.). Per Honolka, i vantaggi di una facile comprensibilità e di una migliore vendibilità di formulazioni ben collaudate sono inferiori ai danni che esse arrecano in termini di fedeltà all’originale: Tenendo conto del bonus della consuetudine, e non sottovalutando i vantaggi della facile vendibilità di citazioni comuni come “Will der Herr Graf ein Tänzchen wagen”, ci si può tuttavia chiedere se i testi in traduzione, molti dei quali risalgono al XVIII secolo, siano ancora accettabili oggi - soprattutto se falsificano sia Mozart che Da Ponte. (Honolka 1978: 139, trad.: M.-A.) In modo meno rigoroso, Wodnansky (1949: 152) invoca il mantenimento delle locuzioni corrette e la sostituzione esclusiva di quelle parole alate che violano la struttura dell’accen‐ tuazione e del fraseggio dell’originale, struttura che appunto dà spunto alla messa in musica. Nella sua trattazione delle versioni tedesche del Boris Godunov, Thur (1990: 188-190) mostra come alcuni errori grammaticali e di riferimento semantico tra musica e testo presenti in una traduzione precedente vengono a volte tramandati per decenni, ed esprime quindi l’ipotesi non irrilevante che anche le ritraduzioni, in questo senso simili alle traduzioni indirette, talvolta vengono create, almeno in alcuni passaggi, senza consultare l’originale. Un capitolo centrale della storia della traduzione verso il tedesco di libretti d’opera consiste inevitabilmente nell’uso della traduzione come cassa di risonanza dell’ideologia nazionalsocialista e come mezzo per ostracizzare i traduttori ebrei (cfr. Gschwend 2006: 108 e segg.; Kaindl 2006: 740 e segg., 2020; Giannini 2015: 262 e segg.). In questo contesto sono degni di nota la parziale riabilitazione del librettista ebreo Da Ponte e la nobilitazione dei suoi testi grazie alla musica di Mozart. Notevole è inoltre il fatto che, nonostante l’aperto rifiuto delle traduzioni di autori ebrei durante l’epoca del nazionalsocialismo, in molte traduzioni posteriori si possano trovare dei prestiti (non dichiarati) da esse, come si può ben dimostrare nei testi di Schünemann (cfr. Giannini 2015: 266). Le nuove traduzioni sono quindi anche degli indicatori di diverse fasi sociopolitiche e culturali caratterizzate da una temporanea esclusione di determinati agenti dal discorso traduttivo, ovvero, dalla loro possibilità di parteciparvi. Il fenomeno della ritraduzione può dunque essere considerato un importante indicatore della (in)visibilità dei traduttori nel corso della storia. 4 Conclusione Molti libretti messi in musica sono da considerarsi opere di fama mondiale e, in quanto testi autorevoli, sono tradizionalmente suscettibili di essere tradotti più volte. Questo fenomeno, che è stato delineato a grandi linee in questo articolo, dovrebbe costituire un sottosettore affermato e centrale negli studi della storia della traduzione, dal momento che è in grado di dimostrare le potenzialità e i limiti del fenomeno traduttivo. Nel presente contributo sono stati discussi due differenti approcci di teorizzazione delle ritraduzioni: uno normativo e l’altro descrittivo. Si è notato che la maggior parte delle affermazioni sulla pratica della traduzione di libretti d’opera appartiene al primo dei due paradigmi. Tuttavia, a partire dagli 260 Marco Agnetta <?page no="261"?> anni Novanta, sono emersi studi, non da ultimo dalla penna del festeggiato, che affrontano il discorso traduttivo degli ultimi secoli in modo esclusivamente descrittivo e che elaborano la rilevanza storico-traduttiva delle traduzioni come pietre miliari di questo discorso. I libretti (ad esempio quelli musicati da Mozart) sono tra i testi più tradotti al mondo dopo la Bibbia. Questo articolo ha dimostrato che la ricerca sulla traduzione dei libretti d’opera può trarre beneficio dalla teoria della ritraduzione così come è stata presentata finora. Inoltre, di converso, la traduzione dei libretti come caso paradigmatico può dare nuovi impulsi alla teoria della ritraduzione, poiché, rispetto ad altri artefatti polisemiotici, ci permette di individuare l’influenza di un’ampia varietà di fattori (gusto, politica, polisemioticità, messe in scena concrete) sulla traduzione in un lungo periodo di tempo (dal 1600 a oggi). I primi passi in questa direzione sono già stati intrapresi. Resta tuttavia da realizzare una ricerca scientifica sistematica basata sulla doppia analisi sia delle traduzioni che delle testimonianze che le accompagnano (cfr. Gambier 1994: 414). Elenco delle fonti Agnetta, Marco (2015). Kriegs- und Gewaltszenarien als Metapher in der theoretischen Auseinander‐ setzung mit dem Librettoübersetzen. In: Gil, Alberto/ Kirstein, Robert (Hrsg.). 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La ritraduzione dei libretti d’opera come negoziazione del loro potenziale ermeneutico 263 <?page no="265"?> Intersemiotische Übersetzung und Interpunktionszeichen Einige Überlegungen dazu, wie man bei Verfilmungen Klammern auflöst und Gedankenstriche einsetzt Vitaly A. Nuriev & Vladimir I. Karpov Zusammenfassung: Der Beitrag beschäftigt sich mit Mechanismen der Sinnstiftung in der intersemiotischen Übersetzung. Die häufigsten Beispiele für intersemiotische Übersetzungen sind Verfilmungen von (literarischen) Texten, bei deren Produktion mehrere Codesysteme im Spiel sind. Die Filmkunst hat offensichtlich ihre eigene Grammatik mit einem Repertoire verschiedener künstlerischer Mittel. So können zum Beispiel Mittel verwendet werden, die das Publikum ähnlich wie Interpunktionszei‐ chen in literarischen Texten beeinflussen. Daher stellt sich die Frage, wie in einer Filmadaption die Klammern und Gedankenstriche der filmischen Sprache erkannt werden können, wenn diese ein satzzeichenähnliches System besitzt. Diese Frage wird in unserem Beitrag am Beispiel der HBO-TV-Serie Lovecraft Country (2020) und Christophe Honorés La belle personne (2008) diskutiert. Schlagwörter: Intersemiotisches Übersetzen, Verfilmung, Interpunktionszeichen, Klammern, Gedankenstrich Abstract: This contribution focuses on meaning-making devices in intersemiotic translation. The most common examples of intersemiotic translations are film adap‐ tations of (literary) texts, where several code systems are at play. Movie-making is known to have its own grammar with a repertoire of different artistic devices. Some of these devices can affect the audience in the way writers do by using punctuation marks. Hence, if the language of the cinema has a punctuation-like system, how can its brackets and dashes be recognized in a film adaptation? This question is discussed through the example of HBO’s Lovecraft Country (2020) and Christophe Honoré’s La belle personne (2008). Keywords: Intersemiotic translation, film adaptation, punctuation marks, brackets, dash 1 Einleitung Bei intersemiotischem Übersetzen handelt es sich um einen Übertragungsprozess zwischen unterschiedlichen Zeichensystemen. Laut Jakobson wird darunter generell das Übertragen <?page no="266"?> eines sprachlichen Textes in ein nichtsprachliches Kommunikationssystem verstanden (1959: 233). Als Beispiele für intersemiotische Übersetzungen gelten in erster Linie Thea‐ teraufführungen bzw. Verfilmungen von (literarischen) Texten, wobei „die Vielschichtigkeit und enge semiotische Verknüpfung aller in einer audiovisuellen Mitteilung vorkommenden bedeutungstragenden Elemente“ betont wird (Korycińska-Wegner 2015: 56f.). Die intersemiotische Übersetzung stößt in verschiedenen Forschungsbereichen auf zunehmendes Interesse, wovon zum Beispiel die thematischen Ausgaben der renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift Adaptation zeugen. In der Translationswissenschaft wird der Begriff intersemiotisches Übersetzen für die Beschreibung von Transmutationsphäno‐ menen im Raum zwischen den beiden Kodesystemen Sprache und Bild verwendet. Hier erfolgt die Umformung des Elementenrepertoires eines Systems in das entsprechende Repertoire eines anderen (Elliott 2020). So vergleicht Theodor Adorno die Satzzeichen mit Musik und meint, in keinem ihrer Elemente sei die Sprache so musikähnlich wie in den Satzzeichen, und gleichzeitig sei „Musik gezwungen, in Satzzeichen das Bild ihrer Sprachähnlichkeit zu bewahren“ (1997: 107). Mit den kulturbedingten Vorstellungen von semiotischen Dimensionen der Interpunktion, mit deren ständigem Hin und Her zwischen zwei Ebenen - Grammatikalisierung und Degrammatikalisierung - befasst sich auch Jeff Scheible (2015). Adorno interessiert die Frage, was anstelle von Satzzeichen in einem musikalischen Werk auftritt. Auf die Filmkunst übertragen würde die Frage etwa so lauten: Was für künstlerische Mittel müssen bei Verfilmungen eingesetzt werden, um dieselbe Wirkung auf das Publikum zu erzielen, wie Schriftsteller: innen mithilfe von Interpunktionszeichen in ihren literarischen Texten erzeugen? Falls die Filmsprache ein interpunktionsähnliches Zeichensystem besitzt, wie lassen sich solche Quasi-Satzzeichen, wie z. B. Klammern und wiederkehrende Gedankenstriche (tirets ponctuels), in einer Verfilmung erkennen? Diese Frage wird in unserem Beitrag am Beispiel der HBO-TV-Serie Lovecraft Country (2020) und Christophe Honorés La belle personne (2008) diskutiert. 2 Verfilmung als intersemiotische Übersetzung Wie oben erwähnt, lassen sich - der grundlegenden Definition von Roman Jakobson zufolge - drei Haupttypen des Übersetzens unterscheiden: die intralinguistische, die interlinguistische und die intersemiotische Übersetzung (1959: 233). Die interlinguistische Übersetzung gilt als das eigentliche Übersetzen, als ein Kommunikationsprozess, der „darauf beruht, dass ein Ausgangstext aus einer Sprache neu in einem Zieltext einer anderen Sprache entsteht“ ( Jung et al. 2018: 170). Während Jakobson unter dem intersemiotischen Übersetzen das Übertragen eines sprachlichen Textes in ein nichtsprachliches semiotisches System versteht, wird dieser Begriff heutzutage in einem breiten Sinne verwendet; man bezeichnet damit „Übertragungsprozesse, die sich zwischen unterschiedlichen Zeichensys‐ temen vollziehen und eben nicht auf Sprachsysteme beschränkt sind“ (ibid.). Bei Verfilmungen, die wir als klassische Beispiele des intersemiotischen Übersetzens betrachten, handelt es sich nicht um das schlichte Transponieren eines literarischen Aus‐ gangstextes auf die Leinwand. Eher ist die Rede von einer mehrdimensionalen Übertragung der Bedeutungen innerhalb eines multimodalen Kommunikationsraumes mithilfe von 266 Vitaly A. Nuriev & Vladimir I. Karpov <?page no="267"?> Ton (Musik), Bild, Mimik bzw. Gestik usw. Die Auseinandersetzung mit dem Bildschirm‐ geschehen ist daher für das Publikum ein ständiges Rätselspiel mit unterschiedlichen Anforderungen, wobei zu beachten wäre, dass bei Verfilmungen auch Lösungsandeutungen miteinbezogen werden müssten, um eine erfolgreiche Verständigung, das Erraten des richtigen Schlüssels, zu gewährleisten: Ständig überführt man Bedeutungen von einem Zeichensystem in ein anderes und transponiert Texte von einem Medium in das andere. Erst wenn in einer Zeichenmodalität kodierte Inhalte in einer anderen kommentiert, expliziert und paraphrasiert werden, erst durch intra- und interme‐ diale Transkriptionen, wird die Welt lesbar und der Sinn erschlossen. (Korycińska-Wegner 2015: 57) Solche Lösungsandeutungen treten in filmischen Adaptionen als Metakommentare auf, mit deren Hilfe Filmemacher: innen den Fokus auf den Beitrag legen, den wiederkehrende semiotische Äußerungen zur laufenden Handlung leisten (Fröhlich 2015: 54). Welchen Beitrag genau leisten nun diese Metakommentare, warum sind sie gerade in der Filmkunst so wichtig? Geht es um historisch bedeutsame Ereignisse, die sich auf der Leinwand abspielen, so werden sie vom Standpunkt der aktuellen Gegenwart erfasst. Die Aufmerk‐ samkeit des Publikums wird auf Tatsachen gelenkt, die in der Vergangenheit bedeutsam waren und in der Gegenwart mitschwingen. Verfilmungen machen aus der Geschichte, aus der Vergangenheit, ja schon aus dem Geist der Geschichte einen Fetisch. Ulrich Meurer analysiert dieses Phänomen am Beispiel der Sherlock-Holmes-Verfilmungen, indem er Dreharbeiten mit einem Übersetzungsprozess vergleicht: Sind der indexikalische Bezug des Films auf die vorfilmische Realität oder aber die Transforma‐ tion der Modalitäten der Welt in die Medialität des Bildes irgend als Übersetzungsprozesse zu interpretieren? Im Hinblick zumindest auf das dem Film vorgängige literarische Original legen das die editorischen Anmerkungen in der Ausgabe gesammelter Sherlock-Holmes-Erzählungen nahe, indem sie das Zeichensystem des Textes unablässig mit der historischen Realität abgleichen. (Meurer 2012: 11) Thomas Leitch, einer der angesehensten Theoretiker der Filmadaption, spricht von Me‐ takommentaren als genrespezifischem Merkmal von Verfilmungen und hebt die zwei wichtigsten hervor (2008: 111f.): 1. Die künstlerische Gestaltung einer Verfilmung als Kostümfilm. 2. Die musikalische Begleitung, die sich auf einen bestimmten Zeitabschnitt in der Vergangenheit bezieht, der mit der Erzählzeit der Filmhandlung nicht übereinstimmt. So wird in Verfilmungen die Geschichte auf eine bestimmte Weise dargestellt, damit das Publikum aktuelle Ereignisse besser begreifen und akzeptieren kann. Die speziellen Hilfsmittel, um diese zu vermitteln, sind daher als transfiktionale Metakommentare zu verstehen, „weil zur Erklärung des fiktionalen Gehalts auf einen fiktionsexternen Sachver‐ halt verwiesen wird“, so Klauk et al. (2021: 797). Gemäß ihrem funktionalen Wert werden die Metakommentare den Interpunktionszeichen der Schriftsprache gleichgesetzt: „In den Satzzeichen hat Geschichte sich sedimentiert, und sie ist es weit eher als Bedeutung oder grammatische Funktion, die aus jedem, erstarrt und mit leisem Schauder, herausblickt“ Intersemiotische Übersetzung und Interpunktionszeichen 267 <?page no="268"?> (Adorno 1997: 107). Adorno setzt sich, wie erwähnt, mit Musiknoten und Satzzeichen aus‐ einander, sucht darüber hinaus nach Schnittpunkten zwischen Musik- und Schriftsprache und artikuliert somit den künstlerisch-intellektuellen Anspruch, menschliches Schaffen intersemiotisch zu erfassen. Mit besonderer Vorliebe behandelt Adorno Gedankenstriche und Klammern und erschließt die Bedeutung beider Zeichen, indem er deren Verteilung im Text analysiert: Die Klammer nimmt die Parenthese aus dem Satz ganz heraus, schafft gleichsam Enklaven […]. Dagegen halten die Gedankenstriche, welche die Parenthese aus dem Fluß herausstauen, ohne sie ins Gefängnis zu sperren, Beziehung und Distanz gleichermaßen fest. (Adorno 1997: 111) Für die französische Autorin Camille Laurens sind Klammern gewissermaßen das Wesen der Literatur, die Seele des Textes. Manche Bücher scheinen, so Laurens, vollständig in Klammern geschrieben zu sein, als ob auf diese Weise die vergessene bzw. versteckte Bedeutung, ein abgelenkter Sinn, das vernachlässigte Leben einzufangen wären, denn die Klammern schließen alles ein, was nicht gleich gesagt wird, was weit hinter dem Schein gesucht werden muss, was mehr als alles andere zählt: Vorstellungskraft, Verlangen, Humor, das Unbewusste, das Unerhörte. Die Klammern graben sich tiefer in die Geschichte ein, sie durchdringen die Rede mit einer klareren, wahreren, gerechteren Bedeutung; die scheinbare Leichtigkeit der Sprache brechend, bringen sie zum Vorschein, was wir nicht erwartet haben: Creusant le discours pontifiant ou le récit sans accroc, la parenthèse troue la parole d’un sens plus profond, plus vrai, plus juste ; rompant l’apparente aise du langage, elle fait surgir ce qu’on n’attendait pas mais à quoi l’on rend grâce : un souffle d’air, une respiration neuve. « On étouffe ici, disait Alphonse Allais, permettez que j’ouvre une parenthèse ». Elles s’ouvrent et se ferment en effet tels des poumons en activité, alimentant la pensée qui menaçait de s’étioler ; elles injectent au texte l’oxygène nécessaire à sa densité - le doute, l’hésitation, le détail : la parenthèse est l’apothéose de la nuance, voilà sa force et son génie. (Lauren 2014) Wie kleine Fenster öffnen sich die Klammern nach innen, kleine Fenster mit großen Ambitionen: Sie zielen auf Freiheit, nicht mehr und nicht weniger - auf die absolute Freiheit des Schreibens. Sie befreien die Schreibenden von vielerlei Zwängen und befreien die Geschichte von vielen Knechtschaften. So erledigen die Klammern dreist die Frage der Geschichte: Sie erlauben den Pfaden unserer mentalen Gärten, sich ständig zu gabeln. Éric Bordas behandelt wiederkehrende Gedankenstriche (tirets ponctuels), die sich auf die grafische Wahrnehmung des Textes auswirken, als Pausenzeichen. Mit Berufung auf Balzac, der die Verwendung des typografischen Bindestrichs 1829 ausdrücklich theoretisiert hat, schreibt er über eine neue Poetik der narrativen Aussprache. Der Gedankenstrich markiert eine Atempause, einen Halt, einen Umweg, eine diskursive Verzweigung, zugleich aber enthüllt er eine Semiotik der doppelten literarischen Poetik. Seine Verwendung erlaubt Freiheiten, die die Linearität der strengen syntagmatischen Abfolge verletzen können. Durch seine visuelle Evidenz erinnert der Gedankenstrich an die Notwendigkeit, den leitenden Rhythmus zu hören, das Pulsieren einer unendlich neu erfundenen Diktion zu erfassen, die Wahrheit einer Bedeutung, die nicht auf die Bedeutung von Aussagen reduziert werden kann, zu erschließen. Ein literarisches Werk beginnt mit einer nicht mehr linearen, 268 Vitaly A. Nuriev & Vladimir I. Karpov <?page no="269"?> sondern quasi tabellarischen Entwicklung, die lineare Verknüpfung von Syntagmen wird durch die Kombinatorik der Paradigmen ersetzt: La triple topicalisation du thème […] à prosodie suspensive et brisée, est visualisée par ces marques typographiques qui renforcent ainsi la cohésion de l’isotopie périodique, au détriment de la cohérence phrastique de convention, du fait du déséquilibre protase vs apodose. L’effet de relance dynamique, de séquence en séquence dont seul le rapprochement cotextuel fait sens, est immanquable : la prose s’ouvre sur un déroulement non plus linéaire, mais quasi tabulaire, qui substitue à la combinaison transitive des syntagmes une combinatoire exponentielle des paradigmes. (Bordas 2000) In der Schriftsprache sind die Satzzeichen, insbesondere Klammern und Gedankenstriche, eine Herausforderung für Schriftsteller: innen. Besitzt die Filmsprache ihr eigenes inter‐ punktionsähnliches Zeichensystem? Die Frage, wie sich Klammern und wiederkehrende Gedankenstriche (tirets ponctuels) in einer Verfilmung erkennen lassen, wird nun am Beispiel der TV-Serie Lovecraft Country (2020) und Christophe Honorés La belle personne (2008) behandelt. La belle personne ist ein Vertreter der unabhängigen europäischen Filmproduktion, die TV-Serie Lovecraft Country tritt dagegen mainstreamhaft als Produkt der Pop-Kultur auf und richtet sich an ein Massenpublikum. Beide Verfilmungen sind aber von entscheidender sozialer Bedeutung für ihre Zielgruppen. La belle personne zeichnet sich durch einen höchst politischen Entstehungskontext aus und ist eine Reaktion auf die sogenannte Sarkozy-Affäre: Nicolas Sarkozy machte sich als Präsidentschaftskandidat und wiederholt als amtierender Präsident darüber lustig, dass bei Aufnahmeprüfungen für den Beamten‐ dienst in Frankreich die Bewerber: innen nach dem ersten französischen psychologischen Roman, nämlich Prinzessin von Clèves, gefragt werden. Damit löste er große Empörung aus, französische Intellektuelle protestierten überall im Land mit Lesungen des Romans gegen den Präsidenten. Der Regisseur Christophe Honoré beweist mit seiner Verfilmung am Beispiel eines Pariser Lycées von heute die Aktualität des Romans. Die TV-Serie Lovecraft Country ist eine Art Wiederaneignung von Themen bzw. künst‐ lerischen Bereichen, zu denen dem afroamerikanischen Publikum lange Zeit der Zugang versperrt war. „Sie erobert das weiße Horror-Universum für die schwarze Community“, so charakterisiert der Stern-Kolumnist Gernot Kramper die neue TV-Serie von HBO (2020). Die Produzenten Jordan Peele und J. J. Abrams machen aus dem klassischen Horror-Film ein schwarzes Epos und eine Superheldensaga zugleich: Lovecraft Country „erzählt die Geschichten Schwarzer Menschen, die in den vielen zitierten Genres oft unerwähnt blieben“, so Hering (2020). 3 La belle personne (2008) La belle personne geht auf den historischen Roman von Marie-Madeleine de La Fayette, La Princesse de Clèves (1678), zurück. Der Regisseur Christophe Honoré hat rund um eine Gruppe von Jugendlichen eines Pariser Lycées und deren Schulalltag eine Liebesgeschichte inszeniert. Als Vorlage nutzt er einen Roman aus dem 17. Jahrhundert, der am Königshof Intersemiotische Übersetzung und Interpunktionszeichen 269 <?page no="270"?> von Ludwig XIV. spielt. Die höfischen Figuren platziert Honoré zeitgemäß auf einem Schulhof im vornehmen XVI. Arrondissement von Paris. Nach dem Tod ihrer Mutter wechselt die 16-jährige Junie auf die Schule ihres Cousins Mathias. Sie zieht sofort die Aufmerksamkeit ihrer neuen Klassenkamerad: innen auf sich, insbesondere die des sensiblen Otto. Im Italienischunterricht wird eine Schallplatte von Maria Callas gespielt, die die Lucia singt. Junie stürzt weinend hinaus und lässt ihre Sachen zurück. Einer der Lehrer, Nemours, sieht ein Foto von ihr, das von einem anderen Schüler aufgenommen wurde, und klaut es. Nemours scheint in sie verliebt zu sein. Eines Tages findet man einen Brief, der angeblich von Nemours zurückgelassen worden ist, der Brief verbreitet sich unter den Schüler: innen. Es ist ein Liebesbrief, von dem alle glauben, dass er von Nemours geschrieben wurde. Als Junie den Brief liest, glaubt sie, Nemours wäre in jemand anderen verliebt. Mathias gesteht, dass der Brief ihm gehöre, aber von einem anderen Jungen namens Martin an ihn geschrieben worden sei. Er bittet Nemours, sein Geheimnis nicht zu verraten. Einer von Ottos Freunden aus dem Russischunterricht wird gebeten, Junie auszuspionieren, nachdem sie sich gegenüber Otto kalt verhalten hat. Er sieht, wie Nemours sich Junie gegenüber zärtlich verhält. Er glaubt, die beiden bei einem Kuss erwischt zu haben. Junie bestreitet dies und geht nach Hause. Otto springt von einem sehr hohen Stockwerk in den Tod. Nach Ottos Selbstmord schwänzt Junie die Schule. Nemours folgt Junie, und sie beschließt, sich ihm zu nähern. Er bittet um etwas Zeit, um mit ihr zu sprechen, und sie laufen wie Kinder durch die Stadt. Er nimmt sie in sein Zimmer mit, wo sie über Liebe sprechen und sich für den nächsten Tag verabreden. Am nächsten Tage aber erfährt Nemours, dass Junie abgereist sei und ihn nie wieder sehen wolle. Auffallend sind bei Christophe Honoré die Metakommentare in Form von musikalischen Einschüben. Der Musik kommt im Film eine zentrale Rolle zu, sie externalisiert die Innenwelt der Protagonisten, verweist auf versteckte Zitate, verkündet den bevorstehenden Untergang der romantischen Beziehung. Als temporärer Zufluchtsort dient ein kleines Café namens Sully, wo eine alte Jukebox steht. Während Christophe Honorés Protagonistin Léa Seydoux im Café sitzt, spielt die Jukebox Alain Barrières Elle était si jolie ab - die ganze Szene erinnert an Jean-Luc Godards Vivre sa vie (1962), wo Anna Karina auch einem Lied lauscht, das ihre Liebeserfahrung resümiert, und die Liebespärchen um sie herum beobachtet. Die Intertextualität entsteht dank der Ähnlichkeit zwischen Léa Seydoux und Anna Karina, der Geschicktheit der Kameraleute und der identischen Mittel der Mise en Scène. Obwohl beide Szenen im Café äußerlich ähnlich wirken, unterscheiden sich grundsätz‐ lich die begleitenden Lieder, die als klammernde Metakommentare auftauchen. In Godards Vivre sa vie hört man Jean Ferrats Chanson Ma môme über das glückliche Zusammensein von zwei Verliebten, während Alain Barrières Elle était si jolie als Vorhersage des unver‐ meidlichen traurigen Endes einer Liebesbeziehung dient, und gerade darüber denkt die im Café sitzende Léa Seydoux nach. Die Wirkung wird weiter verstärkt, wenn wir in demselben Moment noch eine anonyme Besucherin erblicken, die am Nachbartischchen sitzt und lächelnd Léa Seydoux ansieht: Chiara Mastroianni, die Hauptdarstellerin in Manoel de Oliveiras La lettre (1999), noch einer Adaption des Romans La Princesse de Clèves. So treffen zufälligerweise in einem Raum zwei Prinzessinnen von Clèves aufeinander. Manoel de Oliveiras Protagonistin Chiara Mastroianni weiß schon, wie diese Geschichte endet, darum verabschiedet sie sich warm und verständnisvoll von Léa Seydoux und verlässt das Café. 270 Vitaly A. Nuriev & Vladimir I. Karpov <?page no="271"?> Der Soundtrack in Honorés La belle personne schließt außerdem noch Songs von Nick Drake (Way to Blue, Fly, Day is Done, Northern Sky) ein, es sind wiederkehrende Gedanken‐ striche, die beim Publikum die Vorahnung eines nahen Todes, eines Selbstmordes, wecken und emotionale Spannung aufbauen (Nick Drake starb an einer Überdosis Antidepressiva im Alter von 26 Jahren, viele sprachen von Selbstmord). 4 Lovecraft Country (2020) Misha Greens Serie Lovecraft Country, die auf Matt Ruffs gleichnamigem Roman basiert, spielt in den Fünfzigerjahren in den USA, in der Jim-Crow-Ära, in der bis in die Sechziger‐ jahre rassistische Gesetze galten. Atticus Freeman kehrt aus dem Koreakrieg zurück und macht sich von Chicago aus auf die Suche nach seinem verschwundenen Vater, von dem er einen seltsamen Brief erhalten hat: Er solle nach dem geheimen Vermächtnis seiner Familie suchen. Sein Onkel George und seine Kindheitsfreundin Letitia begeben sich mit ihm auf die Reise nach Ardham in Massachusetts. Die drei reisen durch Bundesstaaten, in denen sie aufgrund ihrer Hautfarbe nicht erwünscht sind. Onkel George arbeitet an einem „safe travel guide“, angelehnt an das reale Green Book für schwarze Autofahrer: innen von Victor Hugo Green. Onkel George sammelte über drei Jahrzehnte Orte, an denen schwarze Menschen unterwegs sicher unterkommen und essen konnten, und warnte vor Gefahren. Gemeinsam erforschen sie die Vergangenheit von Atticus, stoßen auf einen geheimen Orden weißer Extremisten, dem sie entkommen müssen, und kehren nach Chicago zurück, wo Hexen und Untote sie jedoch weiter verfolgen. In der TV-Serie Lovecraft Country wird das Potenzial der klammerhaften Metakommen‐ tare durch die Zusammenstellung des Soundtracks noch deutlicher. Auf den ersten Blick gibt der Soundtrack Rätsel auf. Nehmen wir als Beispiel die musikalische Begleitung der ersten Folge Sundown, wo 13 funktional unterschiedliche Tracks benutzt werden: 1. Musik und Voice-over (Herschel Burke Gilberts Auftritt) von The Jackie Robinson Story (1950) 2. The Crew Cuts: Sh Boom Sh Boom (1954) 3. Etta James: I Just Want to Make Love to You (1954) 4. Tierra Whack: CLONES (2019) 5. Earl Hooker: Alley Corn (1952) 6. Sister Rosetta Tharpe: I Want a Tall Skinny Papa (1942) 7. Jerry Lee Lewis: Whole Lotta Shakin’ Goin On (1957) 8. (Big) John Greer: Ride Pretty Baby (1953) 9. Sarah Vaughan: September Song (1954) 10. James Baldwins Debatte mit William F. Buckley (1965) 11. B.-B. King: You Upset Me Baby (1956) 12. Arnett Cobb: Cobb’s Corner (1947) 13. Nina Simone: Sinnerman (1962) Bei näherer Betrachtung lassen sich in der Struktur des Soundtracks drei Hauptdimen‐ sionen feststellen. Die erste Dimension ist für die Wiederherstellung des tatsächlichen Zeitraumes der Filmhandlung (und des literarischen Ausgangstextes) verantwortlich. Da Intersemiotische Übersetzung und Interpunktionszeichen 271 <?page no="272"?> 1 Laut der Vertreter der Filmindustrie wäre dies eine sehr produktive Art, das Einfügen von Klammern in Filmen zu implementieren (aus einem privaten Gespräch mit dem französischen Darsteller und Filmemacher Niels Schneider). sich die Handlung 1954 abspielt, beinhaltet der Soundtrack Songs aus den Jahren 1953 und 1954. Die nächste Dimension rühmt „the glorious past of the black manhood“ und legt den Akzent auf den Beitrag der afroamerikanischen Bevölkerung zur Entwicklung der Pop-Kultur in den USA, wie z. B. des Rock ‘n’ Roll. Darum findet sich in dieser Szene das Lied aus dem Jahr 1942 I Want a Tall Skinny Papa von Sister Rosetta Tharpe, die als Wegbereiterin des Rock ‘n’ Roll gilt. Die dritte Dimension bildet sich als Metakommentar eines auktorialen Erzählers heraus, der aus der Zukunft weitere Errungenschaften der „black manhood“ und deren zunehmende Bedeutung für die USA ankündigt. So symbolisiert Tierra Whacks Hip-Hop-Song CLONES den entscheidenden Einfluss afroamerikanischer Künstler: innen auf aktuelle Musiktrends weltweit. Die Metakommentare werden durch Klammerparenthesen geschaffen, sie bezeichnen Meilensteine auf dem Wege zur Befreiung von Rassismus und Ungleichheit. Als ein Beispiel für Klammern solcher Art sei hier die Debatte zwischen dem berühmten Dramatiker, Schriftsteller und Bürgerrechtler James Baldwin und dem rechtsextremen Konservativen William F. Buckley erwähnt, die am 18. Februar 1965 in der Union Hall der Universität Cambridge stattfand. Baldwin äußerte die These, dass der amerikanische Traum auf Kosten der schwarzen Bevölkerung verwirklicht worden sei: „the American Dream *is* [sic] at the expense of the American Negro“ (1965). Die semantische Wirkung der Klammern wird durch einen speziellen intersemiotischen Griff erreicht - durch eine radikale Verschich‐ tung des Sichtbereichs und der musikalischen Begleitung. Diese Verschichtung verstößt gegen ein Grundprinzip der Kompilation eines Soundtracks, das noch im klassischen Hollywood-Kino galt, und zwar gegen das Prinzip der unbewussten Wahrnehmung: der Soundtrack „is not meant to be heard consciously. As such it should subordinate itself to dialogue, to visuals - i.e., to the primary vehicles of the narrative“ (Gorbman 1987: 73). Der Audioausschnitt aus der oben erwähnten Debatte erscheint im ersten Teil der TV-Serie vor einem visuellen Hintergrund, der stilistisch Edward Hoppers Bildern ähnelt, während alles, was sich vor diesem Hintergrund abspielt, mit dem Inhalt der Audiobegleitung nicht zusammenpasst 1 . 5 Schlussbemerkungen Eine eigene Abhandlung könnten wir der wachsenden Rolle der Eröffnungssequenz als Prolog widmen. Seit Ende der 1970er Jahre fungiert die Titelsequenz als kleine, eigenstän‐ dige narrative Einheit, die den Übergang des Publikums von der Außenwelt des Kinos in die Innenwelt der filmischen Fiktion erleichtert und als prospektive Mise-en-abyme und Matrix für alle nachfolgenden narrativen Darstellungen und Sequenzen des Films auftritt (Post 1981). Dieses Thema bedarf einer eingehenderen Betrachtung und könnte ein Anstoß für zukünftige Studien sein. Was die Fragen anbetrifft, die wir eingangs gestellt haben, so lässt sich aus dem Gesagten folgendes Resümee ziehen: In beiden Verfilmungen werden 272 Vitaly A. Nuriev & Vladimir I. Karpov <?page no="273"?> trotz ihrer rasanten Unterschiede gleiche Techniken verwendet, um dieselbe Wirkung zu erzielen, die in der geschriebenen Sprache die Satzzeichen erzeugen. Sylvia Reinart erklärt diese Universalität des Zeichengebrauchs dadurch, dass jeder Film zugleich multimodal und multisemiotisch sei: Anders als ein Werk der Literatur, das die in ihm beschriebene Welt mit den Mitteln der Sprache aufbaut, nutzt der Film zahlreiche para- und nonverbale Ressourcen, um sich als stimmiges Gesamtwerk zu präsentieren. Seine Kohärenz erhält er nicht allein aus den (Dialog-)Texten, sondern aus dem Zusammenspiel zwischen Sprache, Bild und Ton. (Reinart 2018: 131) Literatur Adorno, Theodor (1997). Satzzeichen. In: T. A.: Gesammelte Schriften. Bd.-11. Frankfurt a.-M.: Suhrkamp Verlag, 106−113. 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It also looks at the motifs of foreign languages, translation, and translation theory in Maggie Gyllenhaal’s film The Lost Daughter (2021), based on a novel by the pseudonymous Italian author Elena Ferrante. Finally, we consider Pour qui je me prends, a 2020 autobiographical account by Canadian writer-translator Lori Saint-Martin. The essay investigates the way in which the theme of translation is intertwined with themes of loss (of loved ones, of a sense of place) and betrayal. The fictional use of translators as protagonists provides a useful framework for illuminating the personal struggles associated with dislocation, uneven power relations, and a quest for identity and authority in today’s world. Keywords: Fictional translators/ interpreters, Katie Kitamura, Elena Ferrante, Maggie Gyllenhaal, Lori Saint-Martin 1 Introduction: Translator studies as a burgeoning field Over the past three decades, there has been a growing emphasis on the person of the translator in translation studies, previously missing from a field largely dominated by linguistic perspectives and text-based approaches such as descriptive translation studies. With the various “turns” of translation, such as the cultural turn and the power turn, for example, translators progressively became the focus of numerous studies, so much so that Andrew Chesterman (2009) saw fit to baptize the new subdiscipline “translator studies.” 1 More recently, Klaus Kaindl co-published a collective volume specifically titled Literary Translator Studies, in the introduction of which he traces the development of translator studies. This, he says, is a “trend […] placing the individual at the centre of scholarly investigation,” prevalent not only in translation studies but also in other disciplines (Kaindl et al. 2021: 9). As Carol Maier (2007) notes, research on translators is informed by different categories of experiential data: studies by translation scholars as well as information provided by translators themselves, including their memoirs and autobiographies. In addition, translation studies has been marked by a “fictional turn.” In what has come to be known <?page no="278"?> 2 Given the increasing usage of the prefix “trans” in relation to questions of gender, is it time, perhaps, to move away from the designation “transfiction”? 3 Maier (2007) refers to “dramatization,” which in her view would include poetry as well as fiction. Transfiction can also include cinema (Cronin 2008). 4 See Rosemary Arrojo’s recent book (2018), along with a new collection edited by Marko Miletich, Transfiction: Characters in Search of Translation Studies (2023). 5 I owe this term to Noel King, who interviewed Kitamura on NPR. In his introduction, King remarks that “Katie Kitamura writes novels about slippery people, people who slide across borders and through cities. They speak three or four languages. They hold more than one passport. And they don’t really call any place home” (King 2021). as “transfiction,” 2 attention has increasingly been placed on the staging of translators as characters and on the use of the trope or metaphor of translation in works of fiction. 3 Having organized a ground-breaking conference on transfiction (Vienna, 2011) and co-edited the resulting papers (Kaindl/ Spitzl 2014), Klaus Kaindl was among the earliest theorists to identify and theorize what could be considered a subfield of translator studies. Scholars have continued to reflect on the topic, 4 showcasing the agency of the translator and the ways in which translation is conceptualized, valued or, on the contrary, underappreciated or misrepresented. Adopting a similar approach, this essay will examine two works by American novelist Katie Kitamura: A Separation (2017), in which the protagonist is a translator, and Intimacies (2021), which features an interpreter. We will also look at the motifs of foreign languages, translation and—even more intriguing—translation theory in the popular film The Lost Daughter (Gyllenhaal 2021), based on a novel by Italian author Elena Ferrante. Finally, we consider Pour qui je me prends, a 2020 autobiographical account by Canadian translator and author Lori Saint-Martin, which weaves together writing, translation, and the translation of self. In the proposed case studies, works by and about women who share situations and characteristics, an analysis of the texts themselves is supplemented with insights gleaned from various paratexts such as reviews and interviews with the creators of these works. 2 Slippery characters: Katie Kitamura on translators and interpreters Katie Kitamura is a Japanese American novelist, journalist, and art critic. Her own hybrid background is intensified by the fact that she is married to British journalist and novelist Hari Kunzru, whose father is of Indian descent, and splits her time between the UK and the US. This essay considers two of her novels, the narrators of which are “slippery people,” 5 reflecting the author’s background, interest in languages, and preoccupation with dislocation. In 2017, Kitamura published her third novel, A Separation, to critical acclaim. Four years later, Intimacies was one of the New York Times’ Top 10 Books of 2021 as well as a Barack Obama Summer Reading selection. Kitamura has been awarded numerous other honours, distinctions, and fellowships; her work has been translated into several languages and is being adapted for film and television. She has also written for prestigious publications such as The New York Times Book Review, The New York Times, The Guardian, and Granta. She teaches in the creative writing program at New York University. 278 Judith Woodsworth <?page no="279"?> 6 Kitamura was an avid, “obsessive” reader of Agatha Christie mysteries. As she explains in an interview, “the tension of the thriller is really hardwired into my understanding of narrative. I’m drawn to the trappings of the genre, which I used both in A Separation and Intimacies” (Bollen 2021). Many works of transfiction take the form of mysteries or thrillers, and are populated by translators who are detectives (see Strümper-Krobb 2013). 7 The page numbers that appear in parentheses, with no author/ date indicated, all refer to the book being examined in that specific section. 2.1 A Separation The protagonist of A Separation is an unnamed woman, a translator, who as the title suggests is separated from her husband (although she has agreed with her husband not to talk about it yet). Her mother-in-law believes they have gone to Greece together, she to finish a translation and he to do research (Kitamura 2017: 4f.). He has actually gone alone to Gerolimenas, a remote fishing village on the Mani Peninsula. There has been no news from him, so the protagonist goes to Greece to find him, at the request of her mother-in-law, but also to ask for a divorce. The novel takes a number of twists and turns; the search for the missing husband and the ultimate result, his unexplained, possibly random, death, all unfold like an eerie thriller, described by one critic as a “kind of postmodern mystery” (Eberstadt 2017). 6 The theme of infidelity and betrayal permeates the novel. The husband has been unfaithful to the narrator—she calls him a “serial womanizer” (36) 7 and surmises that he has had an affair with Maria, who works at the hotel her husband has been staying at. In taking up with her husband, Maria has been cheating on her partner, the driver Stefano. The protagonist herself has taken a lover, Yvan, so is also unfaithful to her husband, although she wouldn’t be if she had had a chance to get a divorce. In this novel, as well as in Intimacies, the narrator has no name. All the other characters are named. Her husband Christopher even has a last name, Wallace. We know the names of Christopher’s mother and father, and of the hotel employees. But the narrator—like many a translator—remains anonymous. Faceless, and affectless, as well, as Schwartz (2017) points out in a review aptly entitled “Katie Kitamura’s War on Affect.” Moreover, not only is the narrator-translator nameless, her in-laws view her as “foreign,” “very nice but different to us” (2). Namelessness is accompanied with instability of place. The protagonist leaves her marital home even before she is publicly separated from her husband and moves in with her lover Yvan; Christopher, too, has left their apartment to live elsewhere. As the story unfolds, she is far from home, in an inhospitable region of Greece. She is in transition, between homes, between countries, between jobs (deciding on whether she will translate a particular novel). This is one of the themes in the literary world of Kitamura, who in real life has frequently moved across geographic and cultural borders. As she says in an interview about Intimacies, I always think of my characters as existing at the margins in some way—as figures who aren’t fully occupying their place in whatever social structure—the family, their social world, their marriage. For me, the absence of a name reinforces that sense of characters who can’t be placed, or fixed in some way. (Mania 2021) Imagining translation, thinking in metaphors 279 <?page no="280"?> 8 “Channelling” is a term Kitamura uses in a number of interviews given in connection with Intimacies, as we shall see, in which writing, too, is conceptualized as a form of channelling: “you write and you do not write the words.” Lori Saint-Martin, whose autobiographical essay will be discussed below, said about her translation (with spouse Paul Gagné) of Canadian novelist Mordecai Richler, “In our version, there is not one word written by Richler. […] At the same time, it’s his book. Barney’s Version is not our book; Le Monde selon Barney is his book and our book.” (Woodsworth 2022: 156). The fact that the narrator is a translator has little direct or overt bearing on the storyline, except for scattered references to language and translation and two more substantive passages specifically addressing translation, which bookend the narrative. On the other hand, the portrait of the translator, painted as it is with features of in-betweenness and a preoccupation with language, touched up with brushstrokes of grief, mourning, and powerlessness, acts as a structural and thematic device that holds the book together. Translation is mentioned explicitly several times because the main character does not read or speak Greek and must rely on others to translate for her. Early on, she makes a reference to her professional work: she needs to translate a sample chapter of a novel she is considering translating. The task of the translator, in her view, is a “strange” one: “People are prone to saying that a successful translation doesn’t feel like a translation at all, as if the translator’s ultimate task is to be invisible” (26f.). She describes translation as an “act of channelling” (27), 8 consistent with the traditional view of the translator’s passivity, or their subordinate position with respect to the author, parallel to her perception that she merely rewrites the words of others while her husband acts as a real author of original material. As Kitamura has done advanced studies in literature (she holds a PhD in American literature), and moves in academic circles, one wonders whether she might be familiar with Venuti’s work on the (in)visibility of translators (1995) though, in any case, she doesn’t argue strongly for a more visible posture for translators. The notion of invisibility surfaces in a more literal sense later in the narrative, when the narrator is at the police station after her husband has been found dead. There, she feels “extraneous to the workings of the world, which is to say the world of men, I had grown invisible, standing at the threshold of that door” (176), an observation that links the translator’s invisibility to her gender. Kitamura weaves the themes of loss and grieving into her narrative. For his book project, Christopher has come to Greece specifically to study professional mourners. While touring with the driver Stefano, the protagonist assumes her husband’s role and pretends to also be working on a book about professional mourners, who perform the act of weeping and grieving for other people. Stefano takes her to meet his great-aunt, a professional mourner. The word “channel” is used again: “they taught me first to sing, and then to channel the sadness that is necessary to weeping” (72). The professional mourner, like the translator or interpreter, expresses sentiments on behalf of someone else even to the extent of crying real tears (75). The end of the story is linked to translation, which is once again connected with faithlessness in the romantic sense. After she learns of the death of her husband, the protagonist telephones her lover Yvan. She thinks about Balzac’s Colonel Chabert, which she once translated, although not particularly successfully, she remarks, since she had “not been able to find the correct register for capturing the peculiar density of Balzac’s prose” (185). The Balzac novella is about a husband who has been presumed dead, but who returns 280 Judith Woodsworth <?page no="281"?> 9 Kitamura mentions only Forster, but the libretto was actually written in collaboration with Eric Crozier. 10 The “Court” referred to in the novel is modelled after the International Criminal Court, where the author did research, but it is not intended to represent that institution (227). from the Napoleonic Wars, finding that his wife has remarried. The translator becomes sympathetic to her, although she is the villain of the story; she wonders whether this feeling “showed in the translation” and expresses the view that “translators are always worried about being faithful to the original, an impossible task because there are multiple and often contradictory ways of being faithful” (186; italics in the original). In a further instance of intertextuality, Kitamura makes a reference to the opera Billy Budd, which is playing in the background while the narrator is speaking to her mother-in-law on the phone, and which she remembers having seen with her husband and his parents (20f.). The opera also comes up later (187), when she points out how its ending differs from that of the book on which it is based. In Billy Budd, Sailor (An Inside Narrative), an unfinished novella by Herman Melville, Captain Vere dies, whereas in E. M. Forster’s libretto to Benjamin Britten’s opera, he lives. 9 The conclusion of the story is … well, inconclusive: “my grief was not housed, and it would remain without address” (199). This ambiguity empowers her to rewrite her story, just as the story of Billy Budd has been modified, although it is unclear whether she will do so. How many times are we offered the opportunity to rewrite the past and therefore the future, to reconfigure our present personas—a widow rather than a divorcée, faithful rather than faithless? The past is subject to all kinds of revision, it is hardly a stable field, and every alteration in the past dictates an alteration in the future. (200) This is where the metaphor of translation is most effectively entwined with the plot of the novel. A translator can be disloyal, faithless, with the leeway to have sympathy for one character instead of another, with the authority to rewrite the story. This interest in the ability of the translator, adaptor, writer, to change the course of the narrative will carry through to Kitamura’s next novel, Intimacies. 2.2 Intimacies The protagonist of Katie Kitamura’s 2021 novel Intimacies is a woman, who is unnamed like the narrator of A Separation. After the death of her father, she moves from New York City to The Hague, where she takes a job as an interpreter with an international court. 10 She has a one-year contract and has rented an apartment on a short-term basis. She had previously moved around to different European cities, and she speaks a variety of languages, including Japanese (like the author) (Mania 2021). Her personal and professional relationships are at once complicated and unstable. She is involved with a man called Adriaan, who is still married, although his wife has left him for another man and gone to live in Lisbon. Rather than living in her own sparsely decorated place, she moves into Adriaan’s more comfortable apartment. He doesn’t live there because he has gone to Lisbon to see his wife and children and make arrangements for a divorce and child custody. There is no word from him for a while—“I love writing romances where the partner isn’t present,” Kitamura has said Imagining translation, thinking in metaphors 281 <?page no="282"?> (Galchen 2021)—and the protagonist is uncertain about how things will work out. Amid these unsettling circumstances, she becomes fixated on a defendant in a case to which she is assigned, a former president of an unnamed country. After working as an interpreter at the Court for some months, she is offered a permanent position, but she declines. For one, the work has proved to be too draining, but she is also uncertain about staying in The Hague if Adriaan is not there. He eventually does come back, and says he wants her to remain in The Hague even if she is not working for the Court. The protagonist’s future is up in the air, and the ending remains ambiguous, although there is a “glimmer of hope” in Adriaan’s eyes (225). The work of the interpreter is more firmly embedded in the plotline than translation is in A Separation. Kitamura did background research, which included reading transcripts of proceedings at the International Criminal Court (ICC). She also spoke with interpreters there, two of whom she specifically thanks in her acknowledgements (227). Meeting with them taught her a lot, as she says in an interview: They were so different to what I expected. It showed me how I was misunderstanding the nature of the work, which is not simply about self-effacement, but about performance, interpretation in that sense of the word. They were quite charismatic. I don’t want to say theatrical, but they were comfortable occupying space. And they were also very open about how vulnerable some of the work could leave them. (Bollen 2021) Since the release of Intimacies, Kitamura has given numerous interviews, in print and online, and has been particularly articulate about her interest in language, translation, and their connections to writing. I’ve always been interested in characters who speak the words of other people—whether it’s translators, interpreters, or actors. The notion of language passing through these people is formally interesting to me. But it’s more than a formal interest. There are a lot of repercussions for characters and people in this position (and I think the position of the writer, or at least a fiction writer, is not entirely dissimilar). (Mania 2021) She has also suggested that her interest in the idea of channelling stems from her discomfort with authorship: As a writer, it’s always interesting to think about channeling voices and how voices pass through you and what it means to have a voice. […] I suppose on a more personal level, I’m actually not terribly comfortable with the position of authorship in some way. I’m not terribly comfortable even calling myself a writer […] authority is something that I really feel I don’t have. […] And so to write characters who aren’t occupying a position of authorship feels very natural to me. (Kisner 2021). While Kitamura continues in this novel to depict interpreters as a channel for the words of other people, conduits for information that flows from one language to another, she also provides nuance. She delves into the multiple layers in all communication, and into the ethical and psychological dimensions of the process. Inspired by the interpreters she spoke with at the ICC, Kitamura draws the conclusion that interpreting is not neutral. Rather, as one interviewer puts it: 282 Judith Woodsworth <?page no="283"?> 11 This particular passage is one which Kitamura has used on more than one occasion when asked to read aloud from her book. The question lingers, can you speak for someone without siding with them or modifying their story for the comforts and clarity of a different language? Interpretation is often considered a passive act, but as Kitamura’s novel makes plain, it is a deceptively aggressive performance, where the interpreter is both marked by and leaves a mark on the text as it passes through them. (Bollen 2021). Intimacies also offers detailed accounts of interpretation being performed. The first instance is an anecdote 11 told by one of her colleagues, Amina, about interpreting for a young, handsome, and magnetic defendant, who is accused of hideous crimes. During this case —“her first true encounter with evil”—she feels a range of emotions from horror at the accused’s actions to a certain complicity with him (21-26). We also witness the narrator herself as she is called upon to interpret for the former president, newly extradited and charged with war crimes and crimes against humanity. Like Amina, she feels a certain intimacy while interpreting for this man, a kind of imposed, unwelcome intimacy that is akin to sexual harassment. We are made aware of the various pitfalls of interpreting: the gaps between languages, the “chasms,” and the need to “throw down planks across these gaps” (13). The absence of neutrality and the difficulty of filling these linguistic gaps are major preoccupations for Kitamura. Of the numerous interviews Kitamura has given, one that stands out is a dialogue with noted translation theorist Emily Apter (Center for Fiction 2022). Apter proclaims Kitamura to be her “literary alter ego” while Kitamura is indebted to Apter for her “generative” work. Apter’s concept of “untranslatability,” in particular, has helped Kitamura “trouble the concept of seamless translation” and problematize the notion of translation as a conduit. The conversation reveals the extent to which Katie Kitamura grasps the nuances and intricacies of translation and interpretation, which she has chosen to use as an “armature” for her fiction. 3 Translated to the movies: The Lost Daughter as fiction and film 3.1 The Lost Daughter by Elena Ferrante The pseudonymous Italian author Elena Ferrante remains a mystery. Her elusive identity has triggered rumours, debates, and investigations by journalists. Already appreciated in her native Italy for her earlier work, her Neapolitan quartet (2011-2014), once translated into English and other languages, brought her widespread fame and turned her into a “literary rock star” (Falkoff 2016). Hiding behind an assumed name, declining to give interviews, or provide photos of herself, she has actually admitted to lying about her biographical details: “I don’t at all hate lies, in life I find them useful […]” (quoted in Gatti 2016). The conclusion of one investigation, based on financial records such as royalties and real-estate transactions, was that the real author of Ferrante’s books is Anita Raja, translator of Christa Wolf, among other authors, who works for the publishing firm that publishes the alleged books of Ferrante (Gatti 2016). The “outing” of Ferrante has been decried, and Imagining translation, thinking in metaphors 283 <?page no="284"?> 12 Quotations are from the 2021 edition of Ann Goldstein’s translation of the Italian La figlia oscura, published in 2006 by Ferrante. Goldstein’s translation was originally issued in 2008 by Europa Editions. Goldstein has translated all of Ferrante’s books into English, and is generally credited with contributing to the Italian author’s success in the English-speaking world. 13 Forster again, coincidentally! 14 This quotation, used also in the movie, is not completely accurate. In the poem “Crisis,” Auden writes: “As on our dearest location falls the chill / Of their crooked wing […].” The choice of W. H. Auden is interesting. In addition to his work as a poet, he translated the libretti of The Magic Flute and-Don Giovanni, a genre he considered to be part of the poetic tradition. Furthermore, Auden uses translation, in the broadest sense, as a metaphor for the arts, all except music, as he indicates in his poem “The Composer,” which begins with the line “All the others translate.” even called sexist, but it casts an interesting light on the translational leitmotif in The Lost Daughter. The Lost Daughter (Ferrante 2021), 12 often referred to as a novella, is about Leda, a middle-aged woman, born in Naples but now working in Florence as a professor of English literature. She is divorced; her two grown-up daughters are staying with her ex-husband in Toronto. She takes a vacation in a seaside Italian town, looking for relaxation, but she is soon beset with dark thoughts and recollections of earlier inner turmoil. On the beach, she encounters a rough Neapolitan family, who speak the dialect she grew up with. Her interest in language is reflected in her comment about the way they speak. She makes a reference to the “pleasing cadence of the Neapolitan dialect that I love, the tender language of playfulness and sweet nothings” (20) although the family, the mother and child, begin to make her feel uneasy. She also acts as an interpreter, relaying a message from the family to a group of Dutch tourists (who they assume are Germans). She regrets afterward that “I had been the messenger of that overbearing disorder, that I had translated into another language what was in substance a discourtesy” (27). She is both attracted and repulsed by the family she meets, and soon their lives are intertwined. Their daughter goes missing, and Leda helps to find her, but at the same time, she takes the young girl’s doll. Taking the doll is not an innocent or absent-minded gesture. Rather, like “an emotional Rosetta stone” (Tirella 2008), it triggers memories of her own childhood and also of her years as a young mother, when she had to balance her professional ambitions with her motherly duties. Leda recalls a vacation in Calabria with her husband Gianni and their children. Gianni, who likes to befriend foreigners, picks up English hitchhikers (81). Leda gets into a discussion with them, and they praise her for speaking English so well. Her husband says, ironically, that she is an extraordinary English literature scholar, but they take him at his word and ask her to give them something she has written. Leda also remembers a time when her professor urged her to attend an academic conference in London on E. M. Forster. 13 There she hears a paper given by a certain Professor Hardy, “an esteemed scholar at a prestigious university.” In his talk, Hardy mentions her name “once, twice, three times,” referring to the one article she has written up to that time (96). Her respect for the professor is infused with erotic sentiments, and they have an affair. Later, recalling time spent with her girls, she mentions a line from W. H. Auden’s poetry that she taught her daughters: “The chill of the crooked wing falls down along my body” (100). 14 284 Judith Woodsworth <?page no="285"?> 15 This is also the subject of “Leda and the Swan,” a poem by William Butler Yeats, who comes up in the film as well. While we know that Leda is a translator, this seems only peripheral to her work as a professor of literature. We do know that she has learned English, that she speaks English with Hardy, that she escapes to a world in which English will be her new language (a transformation not unlike that of Lori Saint-Martin’s, discussed below). She leaves her children to pursue her scholarship and romantic adventures, “new colors, new bodies, new intelligence, a language to possess finally as if it were my true language” (102). There are not a lot of specifics about her work as a translator or about the process of translation. There is, however, an eloquent passage in which she describes her pregnancy with her first child, Bianca, to whom she talked and read while the child was still in utero. Here, translation is associated with birth and the production of new life: I talked to the creature in my belly, I had her listen to music, I read to her in the original the texts I was working on, I translated them for her with an inventive effort that filled me with pride. (122) 3.2 The Lost Daughter by Maggie Gyllenhaal After a distinguished career on stage, on television, and in the movies, American actress Maggie Gyllenhaal made her writing and directing debut in 2021 with the film The Lost Daughter. Not unlike Katie Kitamura, she is of mixed origin: her mother grew up in Brooklyn, New York, in a Jewish family of Polish and Russian descent, while her father had an English mother and Swedish father, who was a member of the Swedish nobility. In addition to studying acting at the Royal Academy of Dramatic Arts in London, Gyllenhaal attended Columbia University where she studied literature and Eastern religions. The Lost Daughter was well received and garnered numerous nominations and awards including Academy Award nominations for Olivia Colman as best actress and Jessie Buckley as best supporting actress, as well as one for Gyllenhaal for Best Adapted Screenplay. Gyllenhaal has adapted Ferrante’s novel rather faithfully, but she has of course translated a certain number of elements, some more successfully than others. The film features the middle-aged Leda (Olivia Colman), whose memories are conveyed in flashback scenes with a younger version of Leda (played by Jessie Buckley). In the movie, Leda is a British university professor, not in Florence, but Cambridge (near Boston, she specifies, and we are to assume that she means Harvard). While the novel stages an Italian professor who has mastered the English language, the protagonist of the American-made film is a British professor, who is fluent in Italian. Leda is also a translator of poetry, and in the film, we see more evidence than in the book of her language skills, translation ability, and familiarity with translation theory. Her seaside holiday is not in Italy, but in a coastal town in Greece. The choice of a Greek setting seems odd for a specialist of Italian literature, but it is more in keeping with the protagonist’s name, Leda, which is a reference to the Ancient Greek tale of Zeus, who turns into a swan and rapes Leda. 15 Her holiday is upended by an unsettling encounter with a rough-around-the-edges Greek American family from Queens, New York, rather than from Naples. As in the novel, she is captivated by Nina and her daughter, and ends up stealing her doll. Imagining translation, thinking in metaphors 285 <?page no="286"?> 16 In On Translation, Ricœur refers to “linguistic hospitality” several times, defining it as “the act of inhabiting the word of the Other paralleled by the act of receiving the word” (Ricœur 2006: 10). The theme of languages and translation runs through the movie. Leda knows a lot of languages, and even says that she watches movies in languages she doesn’t know, without subtitles. One flashback scene shows her with her two young daughters. She is in a kind of trance reciting phrases in Italian, while the girls babble away in English around her, distracting her. They get into an argument, and one of the girls starts hitting her mother. The hitchhiker incident is also in the movie, although they are backpackers who speak Italian rather than English. They party with Leda, drinking and singing in Italian, and the woman hiker tells Leda that her Italian is beautiful. Leda says she studied translation and comparative literature. When asked what she’s working on, she says that she’s barely working, but her husband says she’s working on a Yeats translation. Yeats in translation, according to the male hiker, is like “chocolate on chocolate.” Then her daughter says something in Italian, which turns out to be the same W. H. Auden line translated into Italian. “Chill of their crooked wing falls down along my body,” says Leda, “it’s something I taught them, an inside joke.” Of particular interest is the academic conference scene, which in the movie is much more specifically linked to translation and even translation theory, which is somewhat unusual because the references would be somewhat obscure for the average moviegoer. A distinguished and alluring professor named Hardy delivers a lecture, in which he mentions Leda Caruso’s “astounding piece” on Auden’s “The Crisis.” In her article, he says, she has anticipated Paul Ricœur’s thinking on “linguistic hospitality.” 16 This is quite a coup for Leda, high praise for a graduate student who has written only one article up to that point. She is anxious to tell her husband about the incident, but in their telephone conversation he interrupts her to tell her about something more mundane, though no less urgent in his eyes, the fact that their daughter has chicken pox. Children thus infringe on her intellectual life, diminishing the very public compliment she has been paid. At the conference dinner held that evening, Professor Hardy tells her that her work is “thrilling.” He recites Yeats’s poem “Leda and the Swan” in Italian. Then there is a shift away from the academic conversation and he seduces her. Betrayal, again, keeps company with translation. In a New York Times interview with director Gyllenhaal, the issue of translation is raised, but with a somewhat disappointing, though interesting, response from the director, who talks about her role as adaptor but does not address the presence of translation and translation theory in the film. There’s this little section in Rachel Cusk’s book “Kudos,” which I’ve pulled up a few times because I’ve been thinking about adaptation in general. Here is the quote: “I translated it carefully and with great caution as if it were something fragile that I might mistakenly break or kill.” I loved that. She’s saying when I read your book something was communicated to me that was so valuable that I had never heard spoken out loud before that electrified me, that made me understand something about myself, and I had to hold this idea in my hands and carefully bring it over to the other side. (Bloom 2021) 286 Judith Woodsworth <?page no="287"?> 17 There is no mention of the translator in the IMDb (International Movie Data Base) entry for the film either, which lists “writers: Maggie Gyllenhaal and Elena Ferrante (based on the novel by)”. A review in The Wall Street Journal touches on translation, as indicated by its title, which includes the cliché “found in translation.” Two gifted translators are at work in “The Lost Daughter,” which Maggie Gyllenhaal directed, in her feature debut, and adapted from the Elena Ferrante novel of the same name. One of them, Leda (Olivia Colman), is an academic with a distinguished career in translation, even though she’s unable to turn her deepest conflicts into coherent feelings about herself as a woman and a mother. The other is Ms. Gyllenhaal, who does what all directors must do—translate feelings into images as well as words. (Morgenstern 2021) Morgenstern wonders how a translator like Leda, who is proficient at capturing the essence of a literary work of art, and at finding the right word or phrase to convey that essence, could be so incapable of explaining her strange behaviour. She is unable, for example, to tell other people what her young daughters were like (“I can’t remember,” she says) or, even more inexplicably, why she has taken the girl’s doll. This is a “lost mother’s search for herself,” reflected in her search for words (Morgenstern 2021). This perception that there are but two gifted translators at work is countered in an article written, naturally, for a translators’ publication by translator (and translation advocate) Michael F. Moore. In Words Without Borders, Moore correctly points out that Elena Ferrante’s English translator, Ann Goldstein, is strangely, and unjustly, invisible and absent from discussions of the film. While she is largely responsible for Ferrante’s popularity in America, in his view, she is nowhere mentioned in the film credits, which tend to list the names of everyone else associated with the film production, including those who drive, provide food, and manage legal affairs. 17 Apparently, Gyllenhaal did make amends by referring to Goldstein in a speech she gave when accepting an award for her screenplay, which of course, derived from the English translation rather than the Italian original (Moore 2021). While the film works beautifully in capturing the nuances of the book, a few of the changes are a bit jarring from a translational standpoint. In the film the protagonist is British, teaching English in the US. We are told that her Italian is excellent, and her name, Leda Caruso, is Italian. However, we are not told how she came to master the languages enough to translate poetry from English into Italian (in the book, Leda’s translations into Italian are totally logical, but here it’s a bit of a stretch without background information). The shift from coastal Italy to coastal Greece raises questions. However, in both the book and the film, Leda is on the move, away from home, meeting people of a different ilk, sufficiently jarred by her circumstances to be overwhelmed by memories of a disturbed and conflicted past. These themes—a woman in search of her self, caught up in the chasms between languages and cultures—are similar to those in the two Kitamura novels. Translation, and particularly Professor Hardy’s encomium on Leda’s anticipation of Ricœur’s theory, seems to be less of a structuring device and more like a flourish added to the narrative like embroidery or decorative appliqué on a garment. Imagining translation, thinking in metaphors 287 <?page no="288"?> 18 Comment made during an interview I conducted with Lori Saint-Martin and Paul Gagné for an article about their translations of Mordecai Richler (Woodsworth 2022). Gagné was making a reference to Kate Briggs’s 2017 book This Little Art. 19 The title is also a nod to Canadian author and Nobel prize winner Alice Munro, who in 1978 published a short story collection entitled Who Do You Think You Are? Munro is also a product of small-town Ontario, but instead of rejecting her place of origin, she draws her stories from it. 4 A translator rewrites her life Lori Saint-Martin was a prodigious, prize-winning Canadian translator, whose sudden death in October 2022 deeply shook the Canadian literary community. In the obituarial pieces written at the time, she was described as a kind of superhero (surdouée or gifted). In collaboration with her spouse, Paul Gagné, she had translated over 130 books from English to French over a thirty-year period, making prominent figures of English Canadian letters such as Margaret Atwood and Michael Ondaatje accessible to Francophone audiences. In addition, the couple had translated such international authors as Maya Angelou and best-sellers like the 2021 thriller State of Terror by Louise Penny and Hillary Rodham Clinton. Saint-Martin also translated seven books from Spanish to French on her own. She was a full-time professor of literature at Université du Québec à Montréal (UQAM), the author of scholarly publications, a novel, and three short story collections. At the time of her death, she had just released Un bien nécessaire. Éloge de la traduction littéraire, a collection of reflections on translation, described by Gagné as “Quebec’s little art.” 18 As a prolific academic, writer, and translator, Saint-Martin was so celebrated in French-language circles in Quebec (and abroad) that the disclosure of her Anglophone ori‐ gins relatively late in life came as a surprise to readers. This revelation is the subject of Pour qui je me prends (2020), the title of which is a play on the English expression, “who do you think you are? ” 19 The book recounts her unique transformation, transition, or translation, from an English-speaking person to a French-speaking person with a new surname. Born Lori Farnham to a working-class family in Kitchener (Ontario), an unappealing mid-sized city in English Canada, she was the first in her family to receive a higher education. As a young person, she felt ashamed of her name, her hometown, her family. She didn’t feel at home in her milieu, in her language. When she began to learn French in school at the age of ten, she immediately recognized that this would be her opportunity to break out of the person she was at the time and forge a new life for herself. Books, the French language, studies, writing and reading, were all means of repudiating her family, her hometown, and her mother tongue. She left home to go to school, first in Toronto, then in Quebec City, where she attended the French-language Université Laval. There she changed her name legally, plucking “Saint-Martin” out of the phone book at random, thus putting the finishing touches on her transformation. Pour qui je me prends is the story of that “conversion” and her relationship to language. She also describes her acquaintance with Spanish and her relation to German, a fourth language she doesn’t know but with which she has historical ties. Although this is a tale of rupture from everyone she knew and everything she was at birth, it has a positive ending. Once her children are born, she decides to speak English with them (while their father uses French so they can become bilingual). This allows the children to communicate with their 288 Judith Woodsworth <?page no="289"?> 20 All translations from the French are my own. 21 Mirrors are mentioned around twenty times in the book. 22 See Grutman’s essay on self-fashioning among self-translators (2018). English-speaking grandmother and leads to a reconciliation between the author and her mother, whom she loves but has had to distance herself from. She has called this somewhat undefinable piece of work a récit (story, tale, account). Interestingly, in the memorial service organized by the Académie des lettres du Québec in her honour in November 2022, this book was something of a centrepiece. It was the work, among a long list of titles, that drew the most attention, with readings from it, in the original French and in an English translation offered up by Neil Smith, a writer whose work the Saint-Martin/ Gagné duo had translated. As Sherry Simon points out in her review of the book (2021), this text is very much in the long tradition of St. Augustine’s Confessions, for it too is the story of a conversion, which Saint-Martin had for a long time kept secret. There are religious or spiritual overtones to her tale. For example, she writes about “speaking in tongues”: “Je parle en langues” (173). And rather like an oracle, she is a conduit, through which languages speak: “Les langues parlent à travers moi. Je suis porte, conduit, passage” (Languages speak through me. I am a door, a conduit, a passageway; 173), 20 a concept not unlike Kitamura’s view of the interpreter. The book also draws on The Diary of Anaïs Nin, which she read at the age of fifteen (Louis 2022), and there are numerous references throughout the book to her own “journaux intimes” which she kept as a young person, and later abandoned. Saint-Martin’s text is a work of self-reflection, in both the literal and figurative senses of the word: she writes in the Café Barbieri in Madrid, where she is seated across from a huge mirror with another one directly behind her (21). The theme of mirrors is pervasive 21 : “Deux miroirs, et le monde est démultiplié. Je ne me lasse pas de regarder” (Two mirrors and the world multiplies. I never tire of looking; 22). Reflet, réalité, reflet, réalité. […] Je pensais me placer devant le miroir intérieur et écrire. Mais je faisais erreur. Je suis le reflet. Mais je suis aussi le mirroir. (23) (Reflection, reality, reflection, reality […] I thought I was looking into my inner mirror and writing. But I was wrong. I am the reflection. But I am also the mirror.) The underlying storyline is her long and arduous act of self-fashioning, 22 akin to the act of creating a work of art. Ma première œuvre a été de me créer moi-même comme francophone. […] C’est toute cette histoire que j’essaierai de raconter ici. Il y aura du sang, de la douleur, des trahisons et de la honte. Il y aura de la friction, donc de la fiction, là où les langues s’entrecroisent et font des étincelles. Il y aura surtout une célébration, des renaissances longuement méditées, un ballon rouge qui monte, vertigineux, dans un ciel radicalement neuf, la grande, l’immense fête de la langue. (11f.) (My first work of art was to create myself, as a Francophone. […] I will try to tell all of that story here. There will be blood, pain, betrayal, and shame. There will be friction, and therefore fiction, Imagining translation, thinking in metaphors 289 <?page no="290"?> 23 As she said in our 2021 conversation, there is never a definitive translation; the process of translation, which she sees as remaniement (recasting), is never-ending (Woodsworth 2022: 156). for when languages intersect there are sparks. Mainly, there will be festivities, rebirth pondered for a long time, a dizzying red balloon floating up into a radically new sky, in a huge, immense celebration of language.) This is not an easy task, but she tackles it diligently. Toward the end of the book—she is no longer in Madrid, but in Paris in another café—she writes, “Jour après jour, je cherche la forme de ce livre” (Day after day, I have been looking for a form to give the book; 166). She writes both in the first person “I” (je, moi) and third person “she, her” (elle, sa) while seeking to explain the transformation of her identity, to spell it out, nail it down. When she is relating the frustrations and incomprehension of her childhood, she speaks about herself in the third person, but when she talks about mastering her two “mother tongues,” English and French, and learning Spanish, she reappropriates the narrative with the use of “I” (Hébert-Dolbec 2020). But the process is elusive and the character as “slippery” as Kitamura’s protagonists. There are lies, there is some fiction involved, as she intimates in the words cited above, “There will be friction, and therefore fiction.” Le mensonge est le début de la fiction. Inventer des histoires, c’est déjà s’imaginer ailleurs. Inventer du coup un nouveau soi qui évolue à sa guise. (54) (Lies are the beginning of fiction. Inventing stories means imagining yourself somewhere else. Inventing a new self which can change as it sees fit.) The word “fiction” appears several times throughout this book. Although this is not strictly speaking fiction, but rather the story of Lori Saint-Martin’s life and her relationship to language and languages, her récit is worth looking at from the perspective of “transfiction”. It provides a fitting conclusion for our study of the Kitamura novels and the novel and film The Lost Daughter, in that it brings us closer to an accurate portrait of the translator/ interpreter/ writer and her perception of her life as a “transfuge” (defector; 178) in the modern era. She uses words like “réécrire,” “réinventer,” and “me créer moi” (rewrite, reinvent, and create myself) repeatedly. Her objective is to give herself a new shape: “se faire chirurgienne plastique, sculptrice, créatrice d’elle-même” (become the plastic surgeon, sculptor, creator of myself; 74). That is, she looks upon herself as a work of art, which she creates, moulds and rewrites. And which she translates: “me traduire pleinement vers le français” (translate myself fully to French; 178). And like the actual translations which she does with her husband Paul Gagné, there is never a definitive endpoint to this transmutation of self: “elle est son propre work in progress [in English in the original], une vie qui cherche ses mots” (She is her own work in progress, a life that is searching for words; 78). 23 Her mother asks, “who do you think you are? ” (in English) and answers it herself with “you’re nobody special” (79). The young Lori Farnham took this question as an “invi‐ tation” to be, or become, someone else: “presque un tapis rouge, un mode d’emploi” (almost a red carpet, a set of instructions; 79). The conclusion of the book provides Lori’s own answer: 290 Judith Woodsworth <?page no="291"?> 24 Unless Ferrante turns out to be a man, which is another of the hypotheses circulating. There are of course male transfictional authors: Paul Auster, Brice Matthieussent, Javier Marías, Dezső Kosztolányi, to name a few; however, I have chosen to focus on women for the purpose of this essay. Je vois à présent que me traduire pleinement vers le français, ou plutôt me réinventer en français, puis, plus tard, en espagnol, a été l’œuvre de ma vie. Je suis une transfuge, une translingue. (178) (I now see that translating myself completely into French, or rather reinventing myself in French, and later in Spanish, has been my life’s work. I am a defector, translingual.) In a formulation that occurs twice toward the end of the book, she says, “je suis à la fois original et traduction” (I am both original and translation; 161 and 183). The response to her mother’s questions is an affirmation of her vocation as a translator: Une passeuse de langues, une ignoreuse de frontières, une tisseuse de mots. Voilà pour qui je me prends. Voilà qui je suis. (184) (A smuggler of languages, someone oblivious to borders, a weaver of words. That’s who I think I am. That’s who I am.) Saint-Martin is a person who thinks in metaphors. In one of the chapters of Un bien nécessaire (2022), entitled “Une poignée de metaphors” (a handful of metaphors), she cites traditional images like painting and travelling, along with more perilous ones like the abyss and the tightrope—all metaphors for translation. Then, in what is perhaps the most authentic and compelling integration of translation into the narrative, she narcissistically turns the metaphorization of translation on its head, to propose translation as a metaphor for herself. 5 Conclusions: Loss, grief, and instability The translators and interpreters who inhabit the works examined here are all “slippery” characters, in many respects. They are unstable, in “positions of precarity” to use Kitamu‐ ra’s expression (Mania 2021). They move from place to place, they travel, they are polyglots, they navigate between cultures. They have shifting loyalties, and are both the victims and perpetrators of betrayal, in their social or romantic relationships as well as in their day-jobs as translators or interpreters. These characters both practice and reflect on translation, which becomes a metaphor, a vehicle for making sense of the world. It is perhaps no coincidence that these are works by women artists, 24 with female main characters who grapple with issues of identity, agency, and power. In these imagined versions of translators, women deal with their loss on different levels; they struggle to assert their authority amid unequal power relations; they seek to balance career achievements with family responsibilities and to translate themselves into beings that they imagine and idealize. The perspectives afforded by such transfictional figures can be illuminating. “In contrast to the usually sober discourse of scholarly studies,” Arrojo points out, “fictional texts […] can provide a more nuanced frame of reference as they introduce us to translator characters that oftentimes reveal their inner struggles […]” (2018: 1). Imagining translation, thinking in metaphors 291 <?page no="292"?> In these examples, the topos of translation is intertwined with themes of betrayal and loss (of loved ones, of a sense of place)—including forms of loss that are self-imposed like leaving one’s family, one’s place of birth. Their stories are infused with a quest for authority, a desire to take control of the narrative, to leave the ending unresolved, or to rewrite the ending entirely. In A Separation, for example, Kitamura evokes Billy Budd, which ends differently in the opera than in Melville’s book on which it was based. In Intimacies, the ending is up in the air, and we don’t know what the narrator will do next. The movie The Lost Daughter has a different ending from the book by the same name. Only Saint-Martin appears to be in control: she rewrites, revises, reinvents herself. Pour qui je me prends has a happy ending, according to Simon (2021: 65), a reconciliation with her place of birth, with her family, and with the English language. And yet … her untimely death at the age of sixty-two leaves us wondering about how the end of her story will actually be written. In keeping with the themes of loss and infidelity is the notion of translations that are neither perfect nor complete. Writers and translators alike are haunted by the spectre of the inadequate, unfinished text, cast like a bottle upon the sea. References Primary sources Ferrante, Elena (2021 [2008]). The Lost Daughter. Translated by Ann Goldstein. New York: Europa Editions. 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In diesem Beitrag geht es um die Frage, welches Bild von Translation und von den Personen, die diese Tätigkeiten ausüben, im Text oder zwischen den Zeilen gezeichnet wird und welchen Beitrag fiktionale Darstellungen zum theoretischen Verständnis translatorischer Phänomene leisten können (siehe Kaindl 2014: 79). Die Frage ist, ob Das Gewicht der Worte zu diesem Ziel tatsächlich etwas Wesentliches beisteuern kann Schlagwörter: Transfiction, Cicero, philosophierendes Erzählen, translationese Abstract: The protagonist of the novel by Pascal Mercier (alias Peter Bieri, professor emeritus of philosophy) is a translator, interpreter and publisher obsessed with learning languages, mainly from grammar books and dictionaries. He is surrounded by polyglot people who translate, write or read. The places of action are London and Oxford, Trieste, Venice and Milan. This multilingual setting provides the background for a philosophical study of language in general and languages in particular. This article is concerned with the question of the image of translation and people who carry out this activity represented in the text or between the lines and what contribution fictional representations can make to the theoretical understanding of translational phenomena (see Kaindl 2014: 79). The question is whether Das Gewicht der Worte can really contribute anything significant to this goal. Keywords: Transfiction, Cicero, philosophical narrative, translationese 1 Einleitung Wenn es nach den Titeln der von Klaus Kaindl und Ingrid Kurz 2005, 2008 und 2010 her‐ ausgegebenen Bände zur „Transfiction“ geht, ist nach Meinung mancher Autorinnen oder <?page no="296"?> 1 Für Nicht-Latein-Kundige hier meine eigene Übersetzung, die ich ‚funktionaler‘ finde als die in Cicero 1827: 777-780 abgedruckte: „Bei der Übersetzung des berühmten Wortgefechts zwischen den beiden höchst redegewandten attischen Rhetorikern Aeschines und Demosthenes bin ich nicht wie ein Übersetzer vorgegangen, sondern wie ein Redner: Ich habe nämlich die Gedanken und die Gestaltung oder, wie man so sagt, die Argumentationsstrukturen beibehalten, die sprachliche Form dagegen an die römischen Konventionen angepasst. Ich hielt es nicht für notwendig, jedes einzelne Wort zu übersetzen, sondern ich wollte die Gattung und die Wirkung des Textes bewahren. Ich fand es wichtig, dem Leser nicht die Wörter einzeln abzuzählen, sondern ihn gewissermaßen das Gewicht der Worte spüren zu lassen. Auf diese Weise sollte meine Übersetzung dazu dienen, unseren römischen Lesern verständlich zu machen, was sie von denen, die sich Attiker nennen, erwarten können und welcher Art von Rhetorik diese sich bedienen. (Übers. und Hervorhebung C.-N.) Autoren fiktionaler Texte offenbar beim Übersetzen zwischen „Wortklaubern, Sinnverdre‐ hern, Brückenbauern, Helfern, Verrätern und Gauklern“ zu unterscheiden, die „machtlos, selbstlos oder meinungslos“ sind. Von diesen Epitheta würde auf den Protagonisten des hier zu besprechenden Romans am ehesten die Charakterisierung als Wortklauber zutreffen, aber „wortsüchtig“ trifft es wohl eher, auch wenn dieses Wort nicht im Duden steht. Denn Simon Leyland, die Hauptperson des Romans Das Gewicht der Worte, ist beständig auf der Jagd nach Wörtern, er ist förmlich süchtig nach Wörtern in allen möglichen Sprachen, und Wörterbücher sind offenbar seine Lieblingslektüre, mit deren Hilfe er sich ständig neue Wörter aneignet. Das Gewicht der Worte - ein schöner Titel, sehr appellativ der Rhythmus, die Alliteration, auch die von Autor und Verlag vermutlich nicht intendierte Anspielung auf Cicero, der mir dabei gleich in den Sinn kommt - aber Anspielungen liegen ja, wie die Schönheit, im Auge der Betrachterin: Converti enim ex Atticis duorum eloquentissimorum nobilissimas orationes inter seque contrarias, Aeschinis et Demosthenis; nec converti ut interpres, sed ut orator, sententiis isdem et earum formis tamquam figuris, verbis ad nostram consuetudinem aptis. In quibus non verbum pro verbo necesse habui reddere, sed genus omne verborum vimque servavi. Non enim ea me adnumerare lectori putavi oportere, sed tamquam appendere. [15] Hic labor meus hoc assequetur, ut nostri homines quid ab illis exigant, qui se Atticos volunt, et ad quam eos quasi formulam dicendi revocent intellegant. 1 Hier kommt die intendierte Funktion oder Wirkung als zu bewahrendes Merkmal in dem Ausdruck convertere ut orator (‚wie ein Redner übersetzen‘) zum Ausdruck, die vermutlich auch hinter der Forderung nach der Bewahrung der „Kraft der Worte“ (vis verborum) steht. Während Verben wie (con)servare oder reddere mit den genannten Termini meist konventionell kollokieren, verweist die Metapher (verba) adpendere (‚die Worte abwiegen‘) besonders im Kontrast zu annumerare (‚abzählen‘) auf eine übersummative Qualität, das „Gewicht“ eines Textes (vgl. den deutschen Ausdruck seine Worte abwägen). Hat also der schweizerische Autor Pascal Mercier, mit bürgerlichem Namen Peter Bieri, Philosophieprofessor, eine funktionale Vorstellung vom Übersetzen? Diese Überlegung hat mich bewogen, den „philosophischen Roman“ Das Gewicht der Worte, in dem neben dem Protagonisten Simon Leyland noch weitere Personen als Übersetzer oder mehrsprachige, übersetzungsinteressierte Laien charakterisiert werden, im Hinblick auf das Übersetzungs‐ 296 Christiane Nord <?page no="297"?> konzept abzuklopfen, das auf oder zwischen den Zeilen zum Ausdruck kommt. Ich möchte gleich hier zu Anfang gestehen, dass mir die Lektüre des Romans einiges an Ärgernis bereitet hat, und das hat nicht nur mit dem zwar appellativ funktionierenden, referentiell jedoch ziemlich irreführenden Titel zu tun. Aber davon später mehr. Zunächst möchte ich kurz den biografischen Hintergrund des Autors skizzieren, um herauszufinden, was ihn möglicherweise zu einem „Übersetzer-Roman“ inspiriert hat, und dann auf den Inhalt des Romans unter besonderer Berücksichtigung der Übersetzer-Figuren eingehen. Zum Schluss komme ich auf die Frage zurück, warum die Lektüre dieses Romans für eine Übersetzerin mit ausgeprägter „déformation professionnelle“ so ärgerlich ist. 2 Wer ist Pascal Mercier und was hat er mit dem Übersetzen zu tun? Pascal Mercier heißt eigentlich Peter Bieri, ist 1944 in Bern geboren und hat Philosophie, Anglistik und Indologie in London und in Heidelberg studiert, wo er 1971 mit einer Arbeit über die Konzeption der Zeit bei dem englischen Philosophen John McTaggart Ellis McTaggart promoviert wurde (Bieri 1972). Im Jahre 1981 habilitierte er sich; die Habilitationsschrift wurde nicht publiziert. In dem einen Jahr in London lernte er Spanisch und Englisch und merkte so, „wieviel Freude das Können moderner Sprachen macht“ (Kauffmann 2008). Forschungsaufenthalte führten ihn nach Berkeley, Harvard, zum Ber‐ liner Wissenschaftskolleg und nach Jerusalem; er lehrte an den Universitäten Heidelberg, Bielefeld, Marburg und schließlich bis zu seiner vorzeitigen Emeritierung 2007 an der Freien Universität Berlin, wo er eine Professur für Sprachphilosophie innehatte (vgl. Schildknecht 2010). In jüngerer Zeit beschäftigt sich Bieri mit Russisch und Arabisch. Die wichtigsten wissenschaftlichen Publikationen sind neben der Dissertation und verschie‐ denen Aufsätzen in Fachzeitschriften und Sammelbänden die Bücher Das Handwerk der Freiheit. Über die Entdeckung des eigenen Willens (2001), Wie wollen wir leben? (2011) und Eine Art zu leben: Über die Vielfalt menschlicher Würde (2013). Das sind die dürren Fakten seines wissenschaftlichen Lebenslaufs, sozusagen seines „ersten Lebens“ in der Wissenschaft, das er allerdings 1993 gegen ein „zweites Leben“ als Romancier eintauschte, nicht unähnlich dem Protagonisten aus dem Gewicht der Worte, der am Schluss des Romans das Übersetzen an den Nagel hängt und Schriftsteller wird. Schon die beiden zuletzt genannten Bücher bilden eine Brücke zwischen Bieris wis‐ senschaftlichem und seinem literarischen Schaffen. Das Handwerk der Freiheit beginnt mit folgendem Zitat auf Portugiesisch und Deutsch, das angeblich aus der Feder eines portugiesischen Philosophen namens Pedro Vasco de Almeida Prado (1899) stammt, der allerdings - genau wie das Zitat - der Fantasie des Autors entsprungen ist, ebenso wie der in seinem Erfolgsroman Nachtzug nach Lissabon immer wieder zitierte Amadeu de Prado: Es gibt zwei Arten von Philosophen, denen ich mißtraue. Die einen sind die Techniker, die sich die Genauigkeit der Mathematik zum Vorbild nehmen und glauben, die Klarheit liege in der Formel. Die andere sind die Hagiographen, in deren Händen Philosophie zur endlosen Auslegung heiliger Texte wird. Sollte es tatsächlich philosophische Einsicht geben, so müßte sie auf andere Weise zustande kommen: durch ein Nachdenken, dessen Klarheit, Genauigkeit und Tiefe in der Nähe zu der Erfahrung bestünde, die ein jeder mit sich selbst macht, ohne sie recht zu bemerken oder zu verstehen. (Bieri 2001, o.-S.) Wortsucht und sprachlicher Eigensinn 297 <?page no="298"?> Hier kultiviert Bieri, was ihm 2010 die Ehrendoktorwürde der Universität Luzern eintrug und was Dörfel (2016: 69) „narratives Philosophieren“ nennt: einen unakademischen Stil, der sich in einer Fülle von Erzählsequenzen und einem fiktiven Dialog zeigt. Er richtet sich damit bewusst an ein breiteres Laienpublikum, das sich für eine zugängliche Darstellung komplexer philosophischer Themen, wie etwa das der Freiheit des Willens, interessiert. Im Handwerk der Freiheit (Bieri 2001: 160) begründet Bieri dies selbst folgendermaßen: [M]ein Vorhaben war genau dieses: die richtigen Worte zu finden. In gewissem Sinn bin ich dabei auf dieselbe Weise vorgegangen wie bei der begrifflichen Analyse: Ich habe Ihre Einbildungskraft in Anspruch genommen. Aber es kam ein Medium hinzu: das Erzählen. Ich habe mich erzählerisch in Figuren und ihr Erleben vertieft und habe damit versucht, den Erfahrungen auf den Grund zu gehen, die dafür verantwortlich sind, daß uns die Freiheit unseres Willens so wichtig ist. Es ist quälend, in seinem Willen nicht frei zu sein, und ich wollte wissen, worin diese Qual besteht. Wenn ich von einer Figur in einer Situation erzähle, so habe ich Sie eingeladen, sich selbst hypothetisch in diese Situation zu begeben und zu prüfen, was Ihnen die innere Wahrnehmung darin offenbaren würde. Anschließend habe ich jeweils einen Vorschlag gemacht, wie man die erlebten Differenzierungen begrifflich darstellen könnte. »Das kenne ich! Genau so würde es mir auch gehen! « - das ist die Art von Reaktion, auf die ich gehofft habe. Sie wäre die Bestätigung, dass der Vorschlag richtig ist. (Hervorh. vom Verfasser) Wenn wir Bieris wissenschaftliche Publikationen als „erzählendes Philosophieren“ cha‐ rakterisieren, könnten wir sein literarisches Werk als „philosophierendes Erzählen“ beschreiben, in dem er klassische philosophische Themen wie Sprache, Bewusstsein, Erkenntnis, Selbst, Identität oder Willensfreiheit novellistisch verarbeitet. 1995 veröffent‐ lichte Bieri unter dem Pseudonym „Pascal Mercier“, angeblich einer Zusammensetzung aus den Nachnamen zweier berühmter Franzosen, des Mathematikers, Physikers, Literaten und christlichen Philosophen Blaise Pascal (1623-1662) und des Schriftstellers und Gesell‐ schaftskritikers Louis Sébastien Mercier (1740-1814), seinen ersten Roman, Perlmanns Schweigen, es folgten Der Klavierstimmer (1998), Nachtzug nach Lissabon (2004), der ihn zum hochgelobten Bestsellerautor machte und sogar verfilmt wurde, die Novelle Lea (2007) und schließlich Das Gewicht der Worte (2020). Bis zum Erscheinen des Klavierstimmers ließ er seine wahre Identität im Dunkeln, aber dann lüftete er das Geheimnis. In dem Interview mit Markus Kauffmann erklärt er übrigens, Pascal Mercier sei einfach ein Name aus dem Berner Telefonbuch und habe nichts mit dem Philosophen Pascal zu tun - er klinge einfach nur schön und elegant (Kauffmann 2008: 2). Das passt auch gut zu der Tatsache, dass er in dem hier besprochenen Roman immer wieder vom Klang der Worte bzw. Wörter und von der Melodie der Sprachen spricht. Fazit: Als „Sprachphilosoph“ hat der Autor offensichtlich schon aus Berufsgründen ein besonderes Verhältnis zur Sprache im Allgemeinen, durch sein Studium in London und seine Forschungsaufenthalte in Berkeley und Harvard und durch die Herausgabe der Editionen angelsächsischer Aufsätze zur analytischen Philosophie des Geistes (1981) und zur analytischen Philosophie der Erkenntnis (1987) vielleicht auch zur englischen Sprache im Besonderen. Bei der Gelegenheit hat er ja vermutlich auch „übersetzt“, möglicherweise wie sein Protagonist, der schweigende Perlmann. Weil diesem nämlich zu dem Beitrag für eine sprachwissenschaftliche Tagung, den er unbedingt abliefern muss, nichts einfällt, 298 Christiane Nord <?page no="299"?> flüchtet er sich in die Übersetzung des Manuskripts eines Russen namens Leskov über die Rolle der Sprache in der Bildung von Erinnerungen (siehe Kadrić 2010). Und auch Gregorius, der Held von Nachtzug nach Lissabon, übersetzt die Aufzeichnungen des fiktiven Autors Prado aus dem Portugiesischen mit dem Ziel, dessen Gedanken besser zu verstehen, und schreibt dann seine Übersetzung teilweise noch einmal ab, um diese Gedanken besser auf sein eigenes Leben übertragen zu können. Übersetzen also als Mittel zum Verstehen und als Aneignung und Identifikation (vgl. Dörfel 2016: 117) oder als Weg, selbst Autor oder Autorin der eigenen Geschichte zu werden? 3 Immer wieder Wörter In dem Roman Das Gewicht der Worte wimmelt es geradezu von Übersetzern (nur männlich! ) und anderen Sprachsüchtigen, allen voran der Protagonist Simon Leyland, 61 Jahre, aufge‐ wachsen in Oxford, in dessen Elternhaus neben Englisch auch Deutsch und Französisch (die Sprachen, mit denen seine Mutter aufwuchs) gesprochen wurde. Wie seinen Erfinder Bieri zeichnet auch ihn die Freude an der Sprache und den Sprachen aus, ja eine „verzehrende Leidenschaft, was Wörter betraf “ (S. 42), wie es sein Onkel Warren Shawn, seinerseits Professor für orientalische Sprachen, der ebenfalls übersetzt, ausdrückt. So lernt er „von früh an zu verstehen, dass Worte den Gefühlen nicht äußerlich waren, auch nicht einfach Ausdruck von ihnen in einem plumpen Sinne, sondern dass die Gefühle in ihnen waren, direkt in ihnen, und sich in ihrem Klang offenbarten“ (S. 26). Im zarten Alter von fünf oder sechs Jahren lernt er innerhalb einer Woche Arabisch, und zwar mit Hilfe einer Tabelle mit den arabischen Schriftzeichen und ein paar Kommentaren zur Aussprache. Bei einem anderen Onkel, der mit einer polnischen Frau mit russischer Mutter verheiratet ist, eignet er sich anhand von russischen Sprachlehrbüchern Russisch an, das er bald besser spricht als die Kinder des Paares, und beim Anblick einer Landkarte des Mittelmeerraumes beschließt er spontan, die Sprachen aller darauf abgebildeten Länder zu lernen, einschließlich Maltesisch, Sardisch und „die Sprache der Berber“ (S.-42). Während seiner Arbeit als Nachtportier in einem kleinen Londoner Hotel befasst er sich mit dem Erlernen von Griechisch, Türkisch und Hebräisch aus Büchern, die ihm Warren Shawn leiht. Ein albanischer Gast, der als Dolmetscher für Russisch und Englisch arbeitet, schenkt ihm eine albanische Grammatik auf Englisch, ein englisch-albanisches Wörterbuch und eine auf Albanisch geschriebene russische Grammatik, sodass er schnell auch noch Albanisch lernt. Diese Sprache beherrscht er schließlich so gut, dass er zwischen den Dialekten Gegisch und Toskisch (Wikipedia lässt grüßen! ) unterscheiden kann. Später kauft er sich einen Sprachkurs für Mandarin und versucht die Sprache mittels Schallplatten zu lernen. Angesichts dieser Voraussetzungen findet es Dieter Wunderlich „nicht verwunder‐ lich, dass Simon Leyland Übersetzer wurde und zwischendurch als Dolmetscher arbeitete“ (Wunderlich 2020). Wer so viele Sprachen kann, muss ja einfach Übersetzen und/ oder Dolmetschen zum Beruf machen! Genauso, wie nach Bieris Ansicht zur erfolgreichen Leitung eines Verlags (und zu dessen Verkauf! ) nichts weiter erforderlich ist als guter Wille und Begeisterung. Mit seiner Frau, der Italienerin Livia, deren in Wien aufgewachsene Mutter dafür gesorgt hatte, dass sie „Deutsch so gut lernte wie Italienisch“ (S. 26), lebte Simon Leyland in Wortsucht und sprachlicher Eigensinn 299 <?page no="300"?> Triest, der „Vielsprachenstadt“, wo Livia einen Verlag geerbt hatte, den Leyland nach ihrem plötzlichen Tod zunächst weiterführt. Auch Livia ist sprachbegabt und -begeistert. Nach ihrer Heirat mit Leyland lernt sie blitzschnell Englisch, „und zwar das britische und das amerikanische“, sodass sie nach einem Jahr bereits einen Kurs für Simultandolmetschen besuchen kann. Beneidenswert. Neben Simon Leyland und seinem Onkel Warren Shawn werden der Leserschaft noch weitere sprachbesessene Figuren vorgestellt, darunter die russischen Übersetzer Andrej Kuzmín und Roman Nemirov, und schließlich spielt in diesem Zusammenhang auch Leylands Sohn Sidney eine Rolle, der sich im Laufe des Romans zum Übersetzer entwickelt. Dazu kommt ein fiktiver, von Kuzmín ersonnener Mann namens Karl Abt, der Übersetzer für Russisch und Arabisch ist. Kuzmín, der wegen des Mordes am Liebhaber seiner Frau im Gefängnis gesessen hat, wird von Leyland in seinem Verlag als Übersetzer beschäftigt und übernimmt die Übersetzung vom Russischen ins Italienische für eine eigens geschaffene Reihe mit Erzählungen exilrussischer Autoren. Seine Arbeitsweise beschreibt Leyland fol‐ gendermaßen: „Er lenkt seinen Fanatismus, seine Besessenheit um in die Unnachgiebigkeit beim Suchen nach dem richtigen Wort, und er vergibt sich keinen Fehler.“ (S. 175) Dabei kümmert er sich offenbar auch besonders um die Zeichensetzung, wenn man bedenkt, dass er eines Tages seine Tätigkeit so in Frage stellt: „Kann man im Ernst darüber nachdenken, ob man ein Komma oder ein Semikolon setzen soll, wenn andere nicht wissen, wo sie schlafen können, ohne zu erfrieren? “ (S.-219) All diese Figuren bleiben jedoch seltsam blutleer und schattenhaft, und die Leserin fragt sich unwillkürlich, welche Rolle sie eigentlich für die Geschichte spielen - abgesehen davon, dass sie sich alle vor allem für Sprache oder Sprachen, für Bücher, für deren grafische Ausstattung oder für das Verlagswesen interessieren. Meiner eigenen Erfahrung nach könnte sich die Fragen zu Wörtern und ihren Entsprechungen in anderen Sprachen, die Simon Leyland umtreiben, auch ein Philologe oder eine Linguistin stellen, dazu müsste man nicht Übersetzer oder Übersetzerin sein. Bei all diesen Übersetzern (männlich! ) erwartet man nun doch Erhellendes über die übersetzerische Arbeit. Im Gegensatz zur Verfasserin findet der Rezensent Wolfgang Höbel allerdings gerade besonders lobenswert, dass dies nicht so ist: Mercier langweilt uns in diesem ziemlich dicken Buch nicht mit faktenhuberischen Einzelheiten des Verlagsgeschäfts und der Übersetzerarbeit. Lieber lässt er den toten Erbonkel in einem Brief allgemein von Leylands poetischer Begabung schwärmen: ‘Es war wunderbar, dir zuzuhören, dem Fluss deiner sprachlichen Lava.‘ (Höbel 2020) „Sprachliche Lava“ (S. 43) ist ein gutes Stichwort, allerdings eher in Bezug auf den Autor als auf den Protagonisten. Bereits sehr früh macht Leyland die ersten Übersetzungserfah‐ rungen. Als Schüler des John-Donne-Gymnasiums in Oxford beginnt er, sich für Gedichte John Donnes und weiterer englischer, französischer und deutscher Dichter zu interessieren. Mit seiner Mutter spricht er dann darüber und probiert Übersetzungen aus. Als Nachtportier in dem Londoner Hotel übersetzt er das erste Kapitel eines Kinderbuches vom Deutschen ins Englische mit Hilfe des „größten deutsch-englischen Wörterbuchs“ quasi über Nacht. Warren Shawn beschreibt seinen Neffen mit den Worten: „Ich sehe in dir bis heute den 300 Christiane Nord <?page no="301"?> wortsüchtigen Nachtportier, der in den stillen Stunden, wo alle schlafen, die entlegensten Wörter der entlegensten Sprachen in sich aufnimmt und ihre Poesie auskostet.“ (S.-42) Übersetzer arbeiten also vor allem nachts und mit Wörterbüchern. Das konnte man auch schon im Nachtzug nach Lissabon lesen, wo der Protagonist das erste Kapitel des Buches des schon erwähnten (fiktiven) Autors Amadeu Inácio de Almeida Prado, das er in einem Antiquariat entdeckt hat, nachts, zu Hause, „mit Hilfe eines Lexikons“ übersetzt, bevor er um vier Uhr morgens reisefertig in seinem Sessel sitzt und nach Lissabon aufbricht. Außerdem erfährt man über das Übersetzen zum Beispiel, dass Leyland die Sätze seiner Übersetzungen leise vor sich hin spricht, während er seine Kinder durch die Räume der Wohnung trägt, oder dass er beim Essen laut über ein Wort nachdenkt, was seine Tochter Sophia zur Verzweiflung treibt. Zu Leylands in diesem Zusammenhang zitierter Übersetzung von Its just somethting that makes a moment stay and you don’t forget that time that’s all mit „Es ist einfach etwas, was einen Augenblick festhält, und dann vergisst man diese Zeit nicht, das ist alles.“ (S. 61) bemerkt Franziska Augstein in ihrer Besprechung in der Süddeutschen Zeitung vom 29.01.2020: „Gute Übersetzer würden so hölzern nicht schreiben.“ (Augstein 2020) Da hat sie wohl recht. Leyland hat sich als Übersetzer offenbar nicht spezialisiert. Von dem Kinderbuch war schon die Rede, gelegentlich findet sich ein Hinweis auf Romane, bei denen es darum geht, „tief in den Charakter und die Aussprache der Romanautoren einzudringen, um in der übersetzten Sprache den genauen Ton wiederzufinden und die Bedeutung des Satzes einer fremden Sprache genau zu treffen“ (Tefelz 2020), aber auch vor Gedichten schreckt er anscheinend nicht zurück: Weil bestimmte Übersetzungen von slowenischen Gedichten ihm nicht gefallen, besorgt er sich eine Grammatik und „das größte Wörterbuch“ und geht die entsprechenden Stellen Wort für Wort durch. Bevor er mit dem Übersetzen beginnt, schreibt er stets ein paar Seiten von Hand, um zu spüren, „wie der Satz von innen ist“ (S. 115). Zwischendurch aber kommen wohl auch wissenschaftliche Werke dran, so hilft er seinem Sohn bei einer juristischen Übersetzung. Immerhin, eine Bemerkung kann die Verfasserin unterschreiben, wenigstens den ersten Teil: „Niemand liest so genau wie der Übersetzer, er entdeckt jede unnötige Wiederholung, jede Unstimmigkeit, jedes Stolpern im Rhythmus, jedes verrutschte Bild. […] Er muss ja alles, wirklich alles, in sich aufnehmen, um es in der anderen Sprache nachbilden zu können.“ (S. 276) Also auch die verrutschten Bilder und die Unstimmigkeiten, die Wiederholungen? Vielleicht hätte der Roman mal von einer Übersetzerin lektoriert werden sollen. Es geht eben doch vor allem um Wörter (zwischen den Pluralformen Worte vs. Wörter kann sich der Autor nicht wirklich entscheiden), um den Zusammenhang zwischen den Dingen und ihren Bezeichnungen, hier zeigt sich der Philosoph im Romancier: Zeichen und Wörter und immer mehr Zeichen und Wörter - darum ging es, und um Nichts sonst […]. Alles, was für ihn jemals gezählt hatte, waren Worte. Etwas existierte erst wirklich, wenn es benannt und besprochen wurde. Er hatte sich das nicht ausgesucht, es war ihm zugestoßen und war von Anfang an so gewesen. Oft hatte er sich gewünscht, ohne Worte bei den Sachen zu sein, bei den Sachen und den Menschen und den Gefühlen und den Träumen - und dann waren ihm doch wieder die Worte dazwischengekommen. Er erlebe die Dinge erst, wenn er sie in Worte gefasst habe, sagte er manchmal, und dann sahen ihn die Leute ungläubig an. (S.-20) Wortsucht und sprachlicher Eigensinn 301 <?page no="302"?> Nur wenn er an einer Übersetzung arbeitete und Stunde um Stunde nach den richtigen Worten suchte, war er sicher vor diesem Gefühl der zurückweichenden, schwindenden Wirklichkeit. Nur dann war alles in Ordnung und voller Gegenwart. (S.-10) Dazu passt, dass Leyland das Übersetzen als „Mosaik“ beschreibt, ein Mosaik aus Wörtern also. Dass Übersetzen etwas mit Texten zu tun hat, die der Kommunikation zwischen Menschen dienen sollen, kommt ihm nicht in den Sinn. Es ist ihm nicht wichtig, dass dieses Mosaik jemand zu Gesicht bekommt, es muss einfach nur „stimmen“. Dem ist nichts hinzuzufügen. 4 Die eigene Stimme Es ist ja eine häufig kolportierte Meinung, dass manche Menschen das Übersetzungs‐ handwerk ergreifen, weil es zur Schriftstellerei nicht reicht, dass also Übersetzer: innen verhinderte Schriftsteller: innen seien, die den „ungeliebten Brotberuf “ (Kupsch-Losereit 2013: 132) lieber heute als morgen an den Nagel hängen würden, um ihrer eigentlichen Berufung zu folgen und selbst Literatur zu erzeugen. Dieser Meinung hängt offenbar auch Pascal Mercier alias Peter Bieri an. Alles Schwadronieren über das Übersetzen und die Suche nach den richtigen Wörtern oder Worten mündet nach mehreren hundert Seiten nämlich darin, dass der Protagonist sich vom Übersetzer zum Schriftsteller mausert und „seine eigene Stimme“ findet. Für Leyland besteht der Übersetzungsvorgang aus einem „äußeren Hinsehen“ auf den Ausgangstext, der üblicherweise links liegt (Leyland übersetzt ja noch mit Papier und Stift) und an den er sich halten kann, und einem „inneren Hinsehen“, der Suche nach Sätzen in seinem Gedächtnis, die andere Sätze nachbilden (was immer das heißen soll). Damit kommt eine Differenzierung zwischen Übersetzer und Autor zum Ausdruck: Ein Autor hat, so Bieri, eine eigene Stimme, während das Übersetzen der Prozess der Verwandlung der fremden Stimme in die eigene ist, die notwendige Aneignung einer fremden Stimme, die aber nur die Illusion einer eigenen Stimme schafft. In dem Interview mit Kauffmann unter dem Titel „Ich schreibe, um mir selbst etwas klar zu machen“ (Kauffmann 2008: 1) spricht Bieri über seine Bewunderung für Dolmet‐ scher: innen. Seiner Meinung nach haben diese offenbar eine gespaltene Persönlichkeit, weil sie „gleichzeitig in zwei Idiomen zu Hause“ sind, und er stellt sich vor, wie es wäre, ein Leben mit „einer anderen Melodie“ zu leben. Diese Melodie ist anscheinend die eigene Stimme. Hier sind wir wirklich bei dem philosophischen Problem angelangt, um das es in dem Roman Das Gewicht der Worte geht: dem Verhältnis zwischen der Persönlichkeit und ihrer Sprache. Uwe Justus Wenzel bezeichnet in der Neuen Zürcher Zeitung vom 05.10.2013 den Philosophen als „Double des gesunden Menschenverstands“ und schließt Peter Bieri in diese Klassifikation ein. Sein Markenzeichen seien „Klarheit und Genauigkeit“. Damit kann er jedoch Das Gewicht der Worte nicht gemeint haben, da dieses Buch erst 2020 erschien und zumindest an Klarheit oft zu wünschen übrig lässt. Immerhin verriet Bieri dem Spiegel, das Romanschreiben sei eine „riesengroße Befreiung“ für ihn gewesen (vgl. Wenzel 2013). 302 Christiane Nord <?page no="303"?> In seinem nachgelassenen Brief an Leyland schreibt Warren Shawn über seine Erfahrung beim Übersetzen einer Erzählung und zweier Gedichte der Palästinenserin Sarah aus dem Arabischen und Aramäischen ins Englische: Allmählich verstand ich, was Dir sicher längst zur zweiten Natur geworden ist. Es kam darauf an, eine fremde Stimme in die eigene zu verwandeln, die von der fremden geführt wird, aber den eigenen Gesetzen gehorcht. Ohne diesen Prozess der vorübergehenden Verwandlung hätte ich keine englische Stimme für Sarahs Texte finden können - es wäre ein mechanisches Übersetzen geblieben, ein bloßes Hinklatschen der mechanisch übersetzten Wörter, Wort für Wort. Am Ende meiner Arbeit dachte ich: Diese notwendige Aneignung der fremden Stimme schafft die Illusion der eigenen Stimme. Es gibt eine Selbständigkeit des Übersetzers, die darin besteht, zwischen mehreren Möglichkeiten zu wählen, und es gibt solches Wählen auch als Muster, darin besteht die Handschrift des Übersetzers, wie man es nennen könnte. Das kann den Übersetzer glauben machen, mit einer ganz eigenen Stimme zu sprechen; dabei ist es nur die eigene Art zu übersetzen. (S.-45) Übersetzer: innen geben sich also nur der Illusion hin, mit einer eigenen Stimme zu sprechen, denn das können nur Schriftsteller: innen. Meint Bieri/ Mercier. Ach wirklich? 5 Pseudo-Übersetzung oder sprachlicher Eigensinn? Unter dem Alias „Wuestentraum“ schreibt ein Leser oder eine Leserin über Das Gewicht der Worte: Pascal Mercier hat mit diesem Roman ein so wundervolles, wunderschön geschriebenes Buch geschaffen, das mich sehr begeistert hat. Der Schreib- und Erzählstil sind so tiefgehend, poetisch und philosophisch, wie es selten alles in einem Roman vereint ist. Ich bin hinabgetaucht in die Geschichte von Simon Leyland und wollte gar nicht mehr aufhören zu lesen. Dieser Roman hat mich gefangengenommen und gefesselt, durch die außergewöhnliche Sprache und den Tiefgang. Einfach wundervoll. Dieser Roman ist für mich gehobene, anspruchsvolle Literatur, gepaart mit Poesie, Philosophie und Tiefgang. (Wuestentraum 2020) Auch andere Rezensent: innen, die ihr Leseerlebnis im Internet und in der Presse kundtun, schwärmen von diesem Buch, auch wenn sie die sprachliche Form dabei meistens aus‐ sparen: „Ein Roman zum Runterkommen, der aber durchaus intellektuelle Substanz bietet.“ (Denis Scheck, Tagesspiegel, 05.07.2020); „Ein Buch, das mit sanfter Beharrlichkeit gegen den Strom schwimmt.“ (Torsten Unger, MDR Kultur, 22.03.2020); „Der Roman ist philosphisch, nachdenklich und poetisch.“ (Uta Kenter, 3sat Kulturzeit, 11.02.2020); „Mercier liefert mit diesem großen lebenshungrigen Roman endlich Nachschub für alle ‚Nachtzug nach Lissabon‘-Fans.“ (Brigitte, 29.01.2020); „Ein tiefgründiges und zugleich unterhaltsames Buch - das auch etwas über den Schriftsteller dahinter erzählt.“ (Luzia Stettler, SRF Literatur, 27.01.2020); Wortsucht und sprachlicher Eigensinn 303 <?page no="304"?> „Als Schriftsteller, nah an Proust, entfaltet Mercier anhand einer Figur, was die Zeit anrichten kann. Als Philosoph Bieri entwickelt er Fragen, die einen lange beschäftigen können. Wie ist es, sich selbst zu fühlen? Was habe ich aus der Zeit meines Lebens gemacht? “ (Christine Richard, Tages-Anzeiger, 26.01.2020); „Vorsichtig, behutsam lässt Pascal Mercier seinen Protagonisten sein literarisches Potential entde‐ cken. Dabei beweist er sein eindrucksvolles Gespür für sprachliche Nuancen. […] Ein hochgradig reflektierter Roman, der nicht nur die Geschichte eines erwachenden Autors, sondern eines sich völlig neue erfindenden Menschen erzählt.“ (Anja Dalotta, Norddeutscher Rundfunk, 22.01.2020) Das ist sicher (auch) als Reklame zu lesen, vielleicht sind manche der Rezensionen sogar ‚Fake‘, aber nach der eher mühevollen eigenen Lektüre, die sich über viele Monate hinzog, fragt sich die Verfasserin, ob sie vielleicht ein anderes Buch gelesen hat. Glücklicherweise findet sie, weiter im Internet stöbernd, die Rezension von Franziska Augstein aus der Süddeutschen Zeitung und freut sich über eine Gesinnungsgenossin, die ihr aus der Seele spricht: „Merciers Roman liest sich leider oftmals wie holprig übersetzt. Wäre das ein Stilmittel für die Redeweise einer Figur, es wäre kunstvoll. Dagegen spricht, dass Mercier neben seine Erzählerstimme lauter Briefe von Simon Leyland und anderen in Kursivschrift stellt, die alle in demselben Duktus verfasst sind […].“ (Augstein 2020) Warum liest sich der Roman eines Schweizer Philosophen über einen polyglotten eng‐ lischen Übersetzer und seine britischen, russischen, italienischen und anderswo verorteten polyglotten Freundinnen und Freunde so, als sei er eine Übersetzung aus dem Englischen, also ein Text, der deutliche Spuren von translationese aufweist? Das fängt schon mit dem Buchtitel an: Im Gegensatz zum Englischen machen wir ja im Deutschen, wie oben schon angedeutet, einen feinen Unterschied zwischen Worten und Wörtern, der dem Autor offensichtlich nicht geläufig ist. Was den fiktiven Übersetzer so fasziniert, sind eindeutig Wörter und nicht Worte (ganz selten einmal Sätze, aber niemals Texte, von Kommunikation und Kultur ganz zu schweigen): Im Haus in Triest pflegten sie [der Übersetzer und seine italienische Frau Livia] auf der obersten Treppenstufe zu sitzen und über Wörter zu sprechen, über ihre Bedeutung und darüber, wie sie zu übersetzen wären, ins Deutsche, Englische, Italienische, Französische, manchmal auch in den Triestiner Dialekt. (S.-22f.) Schlamperei oder Raffinesse? Wenn Letztere, warum? Was will uns der Autor damit sagen? Um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen, nehme ich meine vor etwa einem Jahr entnervt auf Seite 34 abgebrochene Lektüre wieder auf und mache mich auf Spurensuche, wohl wissend, dass jemand wie ich, die sich seit nunmehr bald siebzig Jahren in unterschiedlichen Formen und Funktionen mit dem Übersetzen beschäftigt, vermutlich von der bekannten translatorischen déformation professionelle befallen ist, die uns die Lektüre von Übersetzungen, welcher Provenienz auch immer, stets verleidet. Aber dies ist keine Übersetzung, zumindest findet sich kein Hinweis darauf im Paratext. Kann der Philosoph einfach nicht gut schreiben? Verwirrend ist dabei die Tatsache, dass der vielgelobte und sogar verfilmte Roman des Autors, Nachtzug nach Lissabon, der von einem Altphilologen handelt, keinerlei Merkmale von translationese aufweist. Also doch ‚kunstvoll‘? 304 Christiane Nord <?page no="305"?> Die translationese-Spuren im Text des Romans finden sich vor allem in der Syntax, zum Beispiel in den zahllosen cleft sentences wie „Er war es gewesen, der Warren Shawn gefunden hatte“ (S. 15) oder „ […] ob es Trauer oder Erleichterung war, was aus seiner Stimme sprach“ (S.-18) oder den ebenso zahlreichen Infinitivkonstruktionen wie „es gefiel ihm, das zu denken“ (S. 19) oder „es hatte nie aufgehört, ihn zu faszinieren“ (S. 8), aber auch in der Lexik stolpert man über das „mobile Telefon“ (S. 9, vielleicht ein Helvetismus? ) oder „die Frau, mit der er das Leben geteilt hatte, indem er seine Worte mit ihr geteilt hatte“ (S. 23, auf jeden Fall ein Anglizismus und eine hässliche Wiederholung) - zumal bei einem Autor/ Erzähler, dem es erklärtermaßen um die „richtigen Worte“ ging. Vielleicht ist es aber auch schlicht „sprachlicher Eigensinn“? Bieri unterscheidet zwei Spielarten des Eigensinns, die in besonderer Weise mit der Willensfreiheit zu tun haben: den Eigensinn der Fantasie und den sprachlichen Eigensinn. Diese Unterscheidung ist nicht nur theoretisch, sondern er selbst sieht sich als jemand, der diesen Eigensinn in der Praxis seiner Philosophie verwirklicht (vgl. Dörfel 2016: 95f.). Dieses Prinzip erläutert er im Handwerk der Freiheit folgendermaßen: Eine besondere Form der Aneignung ist die Entwicklung von sprachlichem Eigensinn, oder wie man auch sagen kann, stilistischer Individualität. Es könnte jemanden geben, der nichts lieber tut, als immer von neuem im umfassendsten Wörterbuch seiner Sprache zu lesen und sich zu fragen, welche Wörter und Wendungen zu ihm passen und welche nicht. Er wäre damit beschäftigt, die Grenzen seines Selbst zu erkunden, indem er über die Grenzen seines Wortschatzes nachdenkt. Dieser Mensch wäre ein erbitterter Gegner aller sprachlichen Mitläufer, die auf den Wellen der Sprachmode reiten. Er würde sie als Feinde der Freiheit bekämpfen, deren schleichende Gefährlichkeit darin besteht, daß sie an einer Unfreiheit strikken [sic], über die niemand spricht. Er könnte nach außen hin einen verschrobenen Eindruck machen, dieser Mensch, und die anderen würden ihn belächeln. Doch wenn wir mit ihm sprächen, würden wir bemerken, daß er viel von der Freiheit verstünde und im besonderen von der Freiheit des Willens. (Bieri 2001: 430). Also verwirklicht er seinen Eigensinn nicht nur in der Praxis seiner Philosophie, sondern auch in der Praxis seines Schreibens? Vielleicht ist das jedoch zu viel hineingeheimnisst, und der Autor ist dermaßen „tief in den Charakter und die Aussprache des Übersetzers Leyland eingedrungen“, dass ihm zwar nicht Englisch, aber doch eine Art Denglisch aus der Feder floss. 6 Schlussbemerkung Kaindl beschreibt Translation als Symbol für kulturelle, soziale oder religiöse Wertzu‐ schreibungen oder als Mittel, um Grenzen zwischen Fiktion und Realität auszuloten oder philosophisch-literarische Fragen aufzuwerfen (siehe Kaindl 2014: 78). Zudem lassen sich in der translatorischen Person bzw. Handlung „eine Reihe von kommunikativen Spannungs‐ feldern - Verstehen und Missverstehen, Entstehung und Aushandeln von Bedeutung, Fremdes und Eigenes, Zusammentreffen von Sprachen und Kulturen - zu grundsätzlichen Fragen unserer Existenz verdichten“ (Kaindl 2013: 145). Gleichzeitig liefern, so Kaindl, die fiktionalen Darstellungen auch „Einblicke in gesellschaftliche Vorstellungen, Klischees und Stereotypen über das Übersetzen und Dolmetschen und können so als Quelle für die Wortsucht und sprachlicher Eigensinn 305 <?page no="306"?> Untersuchung von Laientheorien im Bereich der Translation genutzt werden“ (Kaindl 2014: 85). Wie sieht das in diesem Roman aus? In einem Brief an seine verstorbene Frau Livia schreibt Leyland, er wolle „Erfahrungen mit Worten einkreisen im Bewusstsein, dass die Worte nie wirklich treffen und an den stummen Erfahrungen abgleiten“ (S. 555). Genau dies, so formuliert es der Spiegel-Rezen‐ sent Höbel, sei das Drama des Buches: Pascal Mercier erzählt von Begegnungen seines Helden mit einem literarisch hochgebildeten Kellner, von einem wundersam fürs Cellospiel talentierten Apotheker, von einer verwegenen, Tee trinkenden Frau mit dem hinreißenden Namen Mary Ann Ashford. Aber recht eigentlich kreist der Held immer nur stumm um sich selbst und um seine Wortohnmacht. (Höbel 2020) Anders als in Perlmanns Schweigen, das aussagekräftige Passagen zum Übersetzen und zum Arbeiten mit Sprache enthält (Kadrić 2010: 48), ist die Laientheorie vom Übersetzen und Dolmetschen, die Bieri/ Mercier in Das Gewicht der Worte durchblicken lässt, also den von Kaindl formulierten anspruchsvollen Zielen gegenüber, denkbar schlicht und geprägt vom gymnasialen Fremdsprachenunterricht und einer Art Kontrastiver Philologie, bei der das Wort die wichtigste Übersetzungseinheit ist. Übersetzer und Übersetzerinnen sind vor allem auf der Jagd nach vielen und noch mehr Sprachen, sie sind geradezu sprachsüchtig und sammeln Sprachen wie andere Leute Briefmarken, und daraus ergibt sich die translatorische Kompetenz wie von selbst. Ob Kinderbücher, juristische Wissenschaftstexte, Romane oder Gedichte - wer die Sprache mit Hilfe von Wörterbüchern und Grammatiken oder Sprach‐ lehrbüchern erworben hat, schreckt vor keinem Übersetzungs- oder Dolmetschauftrag zurück, der den Lebensunterhalt sichert, aber nicht wirklich befriedigend ist, sondern eher einen (mühevollen) Weg zur „eigenen Stimme“ eröffnet. Wenn man so auf die Wörter fixiert ist, kommen pragmatische und kulturelle Aspekte gar nicht erst in den Blick, von der Wirkung eines Textes und dem „Gewicht der Worte“ im Sinne Ciceros ganz zu schweigen. Literatur Augstein, Franziska (2020). Der Schmetterling kann nichts dafür. Süddeutsche Zeitung vom 29.01.2020. https: / / www.sueddeutsche.de/ kultur/ erfolgsliteratur-aus-der-schweiz-der-schmetterl ing-kann-nichts-dafuer-1.4774692 (zuletzt aufgerufen 05.12.2022) Bieri, Peter (1972). Zeit und Zeiterfahrung. Exposition eines Problembereichs.-Frankfurt a.-M.: Suhrkamp. Bieri, Peter (2001). Das Handwerk der Freiheit. 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Der Spiegel vom 03.02.2020. https: / / www.spiegel.de/ kultur/ literatur/ pascal-merciers-das-gewicht-der-worte-von-wortohnma cht-eingekreist-a-51df7c8a-2cef-47b6-b36b-f297e8ddcdb2 (zuletzt aufgerufen 05.12.2022) Kadrić, Mira (2010). In den Fängen der Wissenschaft: Pascal Merciers ‚Perlmanns Schweigen’. In: Kaindl/ Kurz (Hrsg.), 47-54. Kaindl, Klaus (2013). Das Potential des Fictional Turn für die Translationsdidaktik. In: Mayer, Felix/ Nord, Britta (Hrsg.). Aus Tradition in die Zukunft. Perspektiven der Translationswissenschaft. Festschrift für Christiane Nord. Berlin: Frank & Timme, 143-155. Kaindl, Klaus (2014). Translation als Fiktion: Zum translationswissenschaftlichen Erkenntnisgewinn literarischer und filmischer Texte. In: Müller, Ina (Hrsg.). Translationswissenschaft als Interdis‐ ziplin. Beiträge des Ehrenkolloquiums zum 70. Geburtstag von Heidemarie Salevsky. Frankfurt a.-M.: Lang, 77-93. Kaindl, Klaus/ Kurz, Ingrid (Hrsg.) (2008): Helfer, Verräter, Gaukler? 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Liefern sie eine realistische, praxisnahe Beschreibung des Berufsalltags und des beruflichen Umfelds? Ist die Charakterisierung ihrer Heldinnen glaubwürdig und lebensnah? Gibt es Hinweise auf deren beruflichen Werdegang und die Art des Spracherwerbs? Das sind einige der Fragen, auf die im nachstehenden Beitrag anhand der Analyse von zwei Kriminalromanen eine Antwort gegeben werden soll. Schlagwörter: Fiktion und Berufsrealität, fiktionale Translator: innen, Konferenzdol‐ metscherinnen in Kriminalromanen Abstract: What can readers expect when translators/ interpreters write crime novels in which conference interpreters play the leading role? How do they portray their fictional colleagues? Do they succeed in correcting false, amateurish notions? Do they provide a realistic, practical description of conference interpreters’ daily work and their environment? Do they depict their heroines in a way that is credible and true to life? Do they offer any insight into how their characters pursue their professional careers and how they acquired their languages? The following article provides an analysis of two crime novels in an attempt to answer these questions. Keywords: Fiction and professional reality, fictional translators, fictional interpreters, conference interpreters in crime novels 1 Einleitung Dem Thema Übersetzer: innen und Dolmetscher: innen in literarischen Werken wurde von der Translationswissenschaft lange keine Beachtung geschenkt. Vor 2005 gab es nur spär‐ liche Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet. Der von Kurz/ Kaindl (2005) herausgegebene Sammelband Wortklauber, Sinnverdreher, Brückenbauer? konnte diesen Mangel beseitigen und aufzeigen, dass diese Thematik ein zwar vernachlässigtes, aber überaus interessantes <?page no="310"?> Forschungsfeld für die Translationswissenschaft ist. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Beschreibung der Arbeitsweisen und -bedingungen von Translator: innen und ihrem Ver‐ hältnis zur tatsächlichen Berufsrealität. Im Folgeband Helfer, Verräter, Gaukler? (Kaindl/ Kurz 2008) wurde das Forschungsspektrum um eine soziologische Perspektive erweitert und der Frage nach dem Rollenbild von Translator: innen in der Literatur nachgegangen. Mit Machtlos, selbstlos, meinungslos? (Kaindl/ Kurz 2010) erschien ein dritter Sammelband mit interdisziplinären Analysen von Translator: innen in belletristischen Werken. Der nächste Schritt - die Organisation der First International Conference on Fictional Translators in Literature 2011 am Zentrum für Translationswissenschaft (ZTW) in Wien - war eine Pionierleistung von Klaus Kaindl. Damit sowie mit der Herausgabe des Kongressbandes Transfiction. Research into the realities of translation fiction (Kaindl/ Spitzl 2014) verschaffte er diesem Forschungsthema endgültig den internationalen Durchbruch. Mittlerweile sind fiktionale Übersetzer: innen und Dolmetscher: innen in nahezu allen Genres zu finden, u. a. auch in Kriminalromanen, in denen sie in den verschiedensten Rollen auftreten: als Held: innen, Bösewichte, Geheimnisträger: innen, Ermittler: innen, Verdächtige, Täter: innen oder Opfer. Ihre fiktionale Darstellung in dieser Literaturgattung hat bereits in einer Reihe von translationswissenschaftlichen Abhandlungen ihren Nieder‐ schlag gefunden (z.-B. Beuren 2005; Kurz 2005; Gross-Dinter 2008a; Ribarich 2008; Fischer 2010; Kurz 2014). Was können die Leser: innen nun erwarten, wenn Praktikerinnen unter die Autor: innen gehen und Kriminalromane schreiben, in denen Konferenzdolmetscherinnen die Haupt‐ rolle spielen? Welches Rollenbild ihrer fiktionalen Berufskolleginnen vermitteln sie uns? Gelingt es ihnen, falsche, laienhafte Vorstellungen zurechtzurücken? Liefern sie eine realistische, praxisnahe Beschreibung des Berufsalltags und des beruflichen Umfelds? Lassen sie in die Beschreibung des ‚Kabinenlebens‘ ihre Sachkenntnis einfließen? Ist die Charakterisierung ihrer Heldinnen glaubwürdig und lebensnah? Gibt es Hinweise auf deren beruflichen Werdegang und die Art des Spracherwerbs? Das sind einige der Fragen, auf die im vorliegenden Beitrag anhand der Analyse von zwei Kriminalromanen - Hauch der Hydra von Helga Murauer und Kabinengemauschel. Dolmetscherin Lorena Woldt ermittelt von Daniela Maizner - eine Antwort gegeben werden soll. In beiden Büchern werden Dolmetscherinnen durch ihre berufliche Tätigkeit ungewollt in Mordfälle verwickelt und tragen zu deren Aufklärung bei. 2 Hauch der Hydra 2.1 Zur Autorin Helga Murauer wurde in Innsbruck geboren, studierte in Mailand moderne Sprachen und Literaturwissenschaften und absolvierte eine Dolmetschausbildung. Sie lebte mehrere Jahre in Italien, Libyen, England, Genf und im Tessin. Als freiberufliche Dolmetscherin und Übersetzerin mit den Sprachen Italienisch, Englisch, Französisch und Spanisch arbeitete sie vorwiegend für EU-Institutionen. Neben ihrer Dolmetschertätigkeit unterrichtete sie viele Jahre Konsekutiv- und Simultandolmetschen am Istituto Superiore per Interpreti e Traduttori in Mailand. Bis zur Beendigung ihrer Tätigkeit als Konferenzdolmetscherin war 310 Ingrid Kurz <?page no="311"?> 1 Die Situation ist ähnlich wie die in Sydney Pollacks Film The Interpreter (2005), in dem Silvia Broome (gespielt von Nicole Kidman), eine Dolmetscherin bei den Vereinten Nationen in New York, zufällig ein Gespräch, in dem es um ein Mordkomplott gegen den Diktator eines fiktiven südafrikanischen Staates geht, mitanhört und es nur knapp schafft, ungesehen zu entkommen. sie Mitglied des Internationalen Verbandes der Konferenzdolmetscher: innen (Association Internationale des Interprètes de Conférence, AIIC). Ihre schriftstellerische Tätigkeit umfasst Kurzkrimis, Essays und Reiseberichte. Hauch der Hydra ist ihr erster Thriller und kam 2010 heraus (die hier verwendete Kindle-Ausgabe ist von 2019). Seit einigen Jahren lebt sie wieder in der Nähe von Innsbruck und widmet sich ausschließlich dem Schreiben. Sie ist seit vielen Jahren Mitglied der Mörderischen Schwestern (https: / / www.moerderische-schwestern.eu). 2.2 Inhalt Sara Fazzan arbeitet als Dolmetscherin bei einem internationalen Kongress in Senigallia. In der Zeitung liest sie, dass Parteisekretär Guido Rossi, ein Lokalpolitiker aus Florenz, für den sie mehrmals gedolmetscht hat, wegen Korruptionsverdachts verhaftet wurde. Sie sitzt in einem kleinen Ruheraum hinter dem Konferenzsaal, der für die Dolmetscher eingerichtet wurde, als plötzlich aus dem Nebenzimmer zwei Männerstimmen erklingen. Obwohl leise gesprochen wird, kann sie jedes Wort deutlich hören. 1 Sie erkennt eine nasale, kultivierte Stimme. Vorsichtig holt sie ihr Diktiergerät aus der Handtasche. Dem Gespräch entnimmt sie, dass die beiden Männer einen Mord an Guido Rossi planen, da sie Angst haben, er könne die dunklen Geheimnisse der Partei auspacken. Ein Kollege kommt in den Ruheraum und ruft ihren Namen. Nebenan wird es still. Sara macht sich Notizen, um dieses Gespräch später ins Reine zu schreiben, falls der Mitschnitt nichts taugt. Wieder in der Dolmetschkabine, sieht sie den Mann mit der nasalen, kultivierten Stimme im Saal: einer der mächtigsten Männer der italienischen Politik, der etliche Ministerämter bekleidet hat und einige Male Ministerpräsident gewesen ist. Sie erkennt ihn an seinem leichten Sprachfehler. Kurz danach wird Sara auf dem Weg zum Bahnhof beinahe von einem Auto überfahren. Zufall? Oder weiß jemand, dass Sara etwas gehört hat? Sie hat Angst, dass sie erkannt wurde. Steht auch sie auf der Abschussliste? Wenige Tage später wird die Leiche des Lokalpolitikers in seinem Landhaus gefunden. Die Zeitungen mutmaßen, dass es sich um Selbstmord handelt. In der italienischen Politik gärt es. Die neue Garde von Populisten will an die Macht und scheut vor keinem Verbrechen zurück. Sara kann das belauschte Gespräch nicht vergessen und ist entschlossen, den Auftraggeber des Mordes zu entlarven. Dadurch gerät sie in ein tödliches Räderwerk undurchsichtiger Intrigen. Als sie nach einem Dolmetscheinsatz auf der fast menschenleeren Superstrada von Siena nach Florenz unterwegs ist, rammt ein Range Rover mit einem unleserlichen Nummernschild wiederholt ihren Wagen. Nun ist ihr klar - die Mörder haben sie entdeckt und die Mafia interessiert sich für sie. Sie flüchtet quer durch Europa, überall scheinen ihre Häscher zu lauern. Sie kann niemandem mehr trauen. Kurzfristig misstraut sie sogar dem Mann, in den sie sich Hals über Kopf grenzenlos verliebt hat. Sara und Lorena 311 <?page no="312"?> 2 Im Interesse der Lesbarkeit werden die Quellen in vereinfachter Form genannt. Das Buch ist ein spannungsgeladener Thriller, der sich mit der Machtgier und den Intrigen in der Politik auf höchster Ebene befasst. Im Laufe der Lektüre macht der Titel zunehmend Sinn: Schlägt man der Hydra, dem vielköpfigen Ungeheuer der griechischen Mythologie, einen Kopf ab, wachsen ihr sofort zwei neue. Das scheint auch für korrupte Politiker und Mafiosi zu gelten. 2.3 Fiktion und Realität Vorweg: Die Autorin weiß, wovon sie schreibt. Ihre Sach- und Detailkenntnisse von den Geschehnissen auf Kongressen und der Arbeit von Dolmetscher: innen weisen sie eindeutig als Insiderin aus. Das Porträt ihrer Romanheldin ist dementsprechend durchaus lebensnah. Sara ist eine international tätige Dolmetscherin, die ihren beruflichen Wohnsitz in Florenz hat. Ihre translatorische Kompetenz und ihren beruflichen Erfolg verdankt sie ihrer Ausbildung und ihren Auslandsaufenthalten. Sie hat zunächst in Wien und anschließend zwei Semester in Genf studiert. Nach ihrem Studium zog sie nach Brüssel, wo sie sich mit einer Studienkollegin und Freundin eine kleine Wohnung teilte (S. 19). 2 Darüber hinaus bemüht sie sich, Portugiesisch als weitere passive Sprache (C-Sprache) zu erlernen (S. 16). Das entspricht durchaus der Realität. Translatorische Kompetenz ist nicht etwas, das einem in den Schoß fällt, sondern auch von sprachlich Begabten auf dem Weg der langjährigen Übung erworben werden muss. Der Großteil der Dolmetscher: innen heute hat eine akademische Ausbildung, und viele Konferenzdolmetscher: innen erwerben sich im Laufe ihres aktiven Berufslebens weitere Arbeitssprachen, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Sara liebt ihren Job und geht darin auf. Sie reist von Ort zu Ort, von Konferenz zu Konferenz, nach Lissabon, Thessaloniki, Prag, Brüssel, London oder Florenz, wo sie für ganz unterschiedliche Konferenzen engagiert wird. Die vielen Auslandsaufenthalte machen den Beruf für sie interessant. Sie genießt das Reisen. Allerdings hat dieses Jetset-Leben eine langjährige Beziehung zerstört. Ihr Freund Vanni war „eifersüchtig auf […] ihren Job, die Kollegen und auf alles, was sie von ihm ablenkte. Wenn sie verreisen musste, gab es praktisch jedes Mal Zoff. Er wollte sie abends zuhause haben“ (S. 29). Sie war in ihn verliebt und hatte oft, um ihm entgegenzukommen, Angebote im Ausland abgelehnt. „Aber eine feste Stelle anzunehmen, wie Vanni es wollte, in einer Übersetzungsagentur oder einem großen Konzern, konnte er wirklich nicht von ihr verlangen.“ (S.-29) Dann kam der Vertrag für Hongkong - 10 Tage. Sara hatte einen Freudentanz durch das Wohnzimmer gedreht. Sie war noch nie in Hongkong gewesen. Da rastete Vanni völlig aus. […] „Wozu sie soviel arbeitete? Sie hatte es doch nicht nötig! Er verdiente inzwischen ja recht gut. Was war das für ein Leben mit einer Frau, die nie zuhause war! Er wollte ihr glatt verbieten, den Vertrag anzunehmen. […] Sie hatte zurückgeschrieen, dass sie sich doch auch nicht in seine Arbeit einmischte oder von ihm verlangte, zuhause zu bleiben, wenn sie gerade nicht arbeitete. Er war einfach eifersüchtig auf ihre Unabhängigkeit! Und wenn er eine Kaffeekränzchentante suchte, dann war er bei ihr eben an der falschen Adresse.“ (S.-29ff.) 312 Ingrid Kurz <?page no="313"?> Es kam zum großen Streit. Danach sahen sie sich nie wieder. Ihre Mutter versuchte, Sara zu überreden, mit Vanni Frieden zu schließen. „Sie wollte ihr weismachen, dass Ehe und Kinder das wahre Glück im Leben einer Frau waren. Je mehr sie auf sie einredete, desto sicherer wurde sich Sara, dass sie diesen Preis nicht zahlen konnte.“ (S.-30) Sie trauert Vanni zwar nach, ist aber keineswegs bereit, ihre Unabhängigkeit aufzugeben, und stürzt sich in die Arbeit, die sie liebt: „Dieses Jonglieren mit Worten, das Sich-Einnisten in die Gedanken anderer, das babylonische Sprachengemisch hinter den Kabinen.“ (S.-14) Im Laufe des Romans bekommen die Leser: innen ein detailgetreues Bild vom interna‐ tionalen Konferenzgeschehen, das immer den gleichen Ritualen folgt, sowie den Arbeits‐ weisen und--bedingungen für die Dolmetscher: innen. Bei der mehrsprachigen Tagung zu Beginn des Romans arbeitet Sara mit einer Kol‐ legin in der deutschen Kabine. Das entspricht der Berufsrealität: Gemäß der üblichen Aufgabenteilung bei internationalen Konferenzen mit mehr als zwei Arbeitssprachen arbeitet jede Kabine jeweils in eine Zielsprache. Die gemeinsam in einer Kabine tätigen Dolmetscher: innen übertragen aus allen anderen Sprachen in diese Zielsprache, in der Regel die Muttersprache (A-Sprache) - jeweils in der Kombination, für die sie qualifiziert sind. Für Praktiker: innen eine Selbstverständlichkeit, aber Laien nicht unbedingt bekannt ist die Tatsache, dass sich die Tätigkeit der Dolmetscher: innen keineswegs auf die Arbeit in der Kabine beschränkt. „Die […] Vorbereitung auf Themen und unterschiedliche Präsentationstypen einer Konferenz ist integraler Bestandteil einer Dolmetschleistung.“ (Kalina 1998: 202) Eine wichtige Komponente dabei ist die Erarbeitung der entsprechenden Fachterminologie, die auch für routinierte Dolmetscher: innen unerlässlich ist: „For every conference, he is forced to supplement his knowledge by acquiring additional vocabulary. This is an ongoing, never-ending process.“ (Seleskovitch 1994: 79) Dazu benötigen die Dolmetscher: innen natürlich auch die entsprechenden Unterlagen (z. B. Manuskripte und PowerPoint-Präsentationen). Im besten Fall liegt das Manuskript dem Dolmetscher vor der Konferenz vor, und er kann sich auf dessen Basis gründlich vorbereiten. […] Es kommt nur allzu oft vor, daß ein Manuskript den Dolmetschern erst mit Beginn der Veranstaltung oder gar zu Beginn der betreffenden Einlassung zur Verfügung gestellt wird. (Kalina: 1998: 26) Genau so ergeht es Sara bei ihren Dolmetscheinsätzen immer wieder. Wie in der Praxis liegen auch ihr manche Vorträge erst bei oder nach Beginn der Konferenz vor. Für eine Gewerkschaftstagung in Lissabon hat sie zwar einige Unterlagen per E-Mail bekommen, aber erst bei ihrer Ankunft überreicht ihr der Concierge im Hotel zusammen mit dem Zimmerschlüssel in letzter Minute ein paar Sitzungsdokumente, sodass sie sich noch „während sie ihr Frühstücksjoghurt löffelte und den schwarzen Kaffee trank“ (S. 28) einen Vortrag durchlesen muss. Hilfreich ist es, dass im Verlauf einer Tagung der Wissensgrad der Dolmetscher: innen zunimmt. Der Konferenzalltag weist wiederkehrende Muster auf. Die Vertrautheit mit diesen ist für die Verarbeitung der Texte und auch für die Orientierung im Konferenzge‐ schehen wichtig. In diesem Prozeß der laufenden Wahrnehmung und Einschätzung der Kommunikationspartner und des Interaktionsverlaufs baut der Dolmetscher ein situationsspezifisches Hintergrundwissen Sara und Lorena 313 <?page no="314"?> 3 Zur Konferenztypologie siehe Pöchhacker (1994: 49ff). auf, das für die Rezeptionsmöglichkeit und Produktionsleistungen beim Dolmetschen eine ent‐ scheidende Rolle spielt. (Pöchhacker 1998: 328) Dementsprechend fällt die Arbeit Sara und ihren Kolleg: innen am letzten Konferenztag wesentlich leichter, und kurzfristig zur Verfügung gestellte Unterlagen bedeuten keinen großen Stress mehr für sie. „Die Hostessen hatten Fotokopien der Vorträge der Morgensit‐ zung gebracht, in die sie heute nur noch flüchtig hineinsahen […] während sie gestern noch alle mit großer Konzentration lasen, Vokabeln austauschten und in den Computern suchten.“ (S.-14) Dass ein Konferenztag oft länger dauert als geplant und die Zeit überzogen wird, ist ebenfalls ein vertrautes Muster. Genau das erlebt Sara bei der Konferenz in Lissabon. Es war ein anstrengender Tag geworden. Ein Bericht hatte sich an den anderen gereiht. Der Vorsitzende mahnte ständig zur Kürze und erreichte damit, dass alle schneller und immer schneller laberten. Die Mittagspause wurde gekürzt, die Kaffeepause gestrichen, und am Abend schien die Diskussion nicht mehr enden zu wollen. (S.-28) Alle Dolmetscher: innen kennen die Situation, die eine durch Zeitdruck bedingte Einschrän‐ kung der Redezeit mit sich bringt. Die Redner: innen versuchen häufig, die zu knapp bemessenen Redezeiten durch erhöhtes Sprechtempo zu kompensieren. Das führt zu erheblichen Belastungen für die Simultandolmetscher: innen und Schwierigkeiten bei der Zieltextproduktion, denen sie mit Notfallstrategien zu begegnen versuchen. Dabei sind vor allem Strategien von Bedeutung, die „eine semantische Komprimierung des Ausgangstexts“ (Kalina 1998: 119) zum Ziel haben - also Zusammenfassung und Kürzen. So geht auch Sara bei einem schnellen Redner vor: „Sie bemühte sich zu kürzen, Füllworte wegzulassen. Wie ein Seiltänzer, wie ein Jongleur balancierte sie zwischen Zuhören und Formulieren […] Sie starrte konzentriert auf den Redner, seine Mimik, seine Gesten, um seine Gedanken mitdenken, ja vorausdenken zu können.“ (S.-19) Hier spricht die Autorin einen Aspekt an, der für das Gelingen einer Simultandolmet‐ schung wesentlich ist. Eine sinnvolle Wiedergabe in der Geschwindigkeit der gesprochenen Rede ist nur möglich, wenn die Dolmetscher: in in der Lage ist, zu antizipieren. Antizipieren heißt, noch nicht ausgesprochene, aber im Kontext zu erwartende Aussagen im Gedächtnis vorzuaktivieren und sie somit ohne weiteres Nachdenken zum Abruf bereit zu haben (siehe Strolz 2002: 133). Zwischen ihren Dolmetscheinsätzen in der Kabine bei internationalen Kongressen kommt es immer wieder vor, dass Sara bei kleinen zweisprachigen Treffen tätig wird, bei denen eine Mischung aus Konsekutiv- und Flüsterdolmetschen erforderlich ist. 3 Ein Beispiel dafür ist ein EU-Seminar in der Villa einer Stiftung am Comer See, bei dem sie für einen deutschen Kommissar die Verdolmetschung flüstern und seine Reden für die Italiener: innen konsekutiv dolmetschen soll. Das Treffen beginnt mit einem Abendessen und einer allen Praktiker: innen bekannten Szene: Vor dem Dessert finden die Tischreden statt. Der Hausherr bittet um Ruhe und schlägt mit seinem silbernen Dessertlöffel gegen das Weinglas. Er spricht über die Ge‐ 314 Ingrid Kurz <?page no="315"?> schichte des Hauses. Sara beugt sich zu dem neben ihr sitzenden Kommissar, um ihm die Verdolmetschung zu flüstern, aber er lehnt ab. „Die Geschichte des Hauses kenne ich schon. Wenn ich Sie brauche, sage ich Ihnen Bescheid. Sara lehnte sich zurück. Umso besser! Sie hatte schon den Notizblock und ein paar Kugelschreiber vor sich auf den Tisch gelegt.“ (S. 54) Dann hält der Kommissar seine Ansprache. Sara macht wie immer nur ein paar Notizen: „Sie zog es vor, sich stärker auf die Rede zu konzentrieren und nur ein Gerüst von wenigen Strichen, Zeilen und Pfeilen zu benutzen, weil ihr Gedächtnis unter Stress hervorragend funktioniert.“ (S.-55) Diese Beschreibung entspricht exakt der Realität. Beim Konsekutivdolmetschen formu‐ lieren die Dolmetscher: innen ihren Zieltext erst nach Abschluss einer Rede oder von Teilen davon. Voraussetzung ist, dass sie das Gesagte verstanden haben und behalten. Da die Erinnerung an den Sinn des Gesagten nicht unbedingt für eine vollständige und korrekte Wiedergabe der Rede ausreicht, machen sie sich als Gedächtnisstütze Notizen, die dazu dienen, das im Gedächtnis gespeicherte Wissen im Moment der Wiedergabe zu reaktivieren. In consecutive interpretation you do not jot down all the details of the unprocessed information (shorthand is never used), but instead you note the results of your meaning analysis. […] Note-taking acts as a mnemonic device, a memory aid which triggers the memory of what was understood when heard. (Seleskovitch 1994: 35) Lehrveranstaltungen zur Notizentechnik sind fixer Bestandteil der universitären Dolmet‐ scherausbildung. Den Grundstein zu einer systematischen Notationslehre legte Rozan mit La prise de notes en interprétation consecutive bereits 1956 (siehe Gross-Dinter 2008b: 130). Mitunter erhält Sara auch ein Angebot zum bilateralen Verhandlungsdolmetschen, beispielsweise für einen halben Tag in Prag, italienisch-deutsch und retour. Dabei geht es um den Verkauf von Anteilen an einem tschechischen Unternehmen an eine italienische Gesellschaft. Dafür wird jemand gesucht, der Erfahrung im Gesellschaftsrecht hat und absolut zweisprachig ist. Derartige Konsekutivsitzungen sind laut Déjean Le Féal (1998: 305) äußerst arbeitsin‐ tensiv und erfordern hohe Belastbarkeit, da sie in der Regel von einer Dolmetscherin oder einem Dolmetscher allein bestritten werden. Diese Erfahrung macht auch Sara. Sie trifft sich am Vormittag mit ihrem Klienten, der ihr einen Geschäftsbericht seiner Firma zum Einlesen überreicht und ein gemeinsames Mittagessen vorschlägt, bei dem er ihr näher erklären könne, worüber am Nachmittag mit dem Rechtsanwalt des italienischen Unternehmens verhandelt werden soll. Bei den Gesprächen macht sie sich wie gewohnt Notizen. „Am Anfang waren es nur wenige Sätze, aber allmählich kamen die beiden in Schwung. Sie redeten und redeten, bis der Klient unterbrach und sagte, „lassen Sie […] erst einmal übersetzen“. Und Sara übersetzte. Alle anderen Gedanken waren ausgeschaltet. Nach zwei Stunden machten sie eine Pause. (S.-341ff.) Der Tisch fürs Abendessen war bereits reserviert. Der Kunde erwartete, dass auch Sara mitkam, obwohl sie völlig erschöpft war. Auch beim Abendessen muss Sara hin- und herdolmetschen. Ab und zu gelang es ihr, einen Löffel Suppe zu schlucken, bis ihr Klient das Gespräch unterbrach und zu Sara sagte, „Sie müssen uns verzeihen, wir haben Sie ja gar nicht essen lassen.“ Aber die Sara und Lorena 315 <?page no="316"?> Suppe war inzwischen kalt. Und als die Zander serviert wurden, lief das Gespräch wieder auf Hochtouren. Zum Glück hatte sie zum Dessert Palatschinken bestellt. (S.-343) Indem die Leser: innen die Flucht Saras vor der Mafia mitverfolgen, bekommen sie auf unterhaltsame Weise ganz nebenbei nicht nur einen Einblick in die Arbeitswelt von internationalen Konferenzdolmetscher: innen, sondern auch Informationen über die ver‐ schiedenen Arten des Dolmetschens - Konsekutiv-, Flüster- und Simultandolmetschen - unterschiedliche Arbeitsweisen, die oft nicht einmal Kongressveranstaltern klar sind. 3 Kabinengemauschel. Dolmetscherin Lorena Woldt ermittelt 3.1 Zur Autorin Daniela Maizner, geboren 1987 in Tirol, hat am Institut für Translationswissenschaft in Innsbruck (INTRAWI) studiert, wo sie neben Fachübersetzen auch Lehrveranstaltungen zum literarischen Übersetzen und Dolmetschen besuchte. Bis 2018 war sie als Jungmit‐ glieder-Vertreterin im österreichischen Berufsverband für Dolmetschen und Übersetzen (UNIVERSITAS Austria) im Vorstand tätig. Zu ihren Leidenschaften zählen Fremdsprachen und klassische Detektivromane. Ihre Lieblingsautorin ist Agatha Christie, deren Bücher sie in verschiedenen Sprachen sammelt. Derzeit lebt sie in München und ist als freiberufliche Romanübersetzerin für einen fixen Autorinnenstamm sowie als Autorin tätig. Kabinengemauschel. Dolmetscherin Lorena Woldt ermittelt ist ihr erster Kriminalroman (2021). 3.2 Zum Inhalt In einem abgelegenen, idyllischen Seminarhotel in den österreichischen Weinbergen findet eine Fachtagung des Österreichisch-Spanischen Dendrochronologenverbandes statt. Lorena Woldt ist mit einer spanischen Kollegin als Dolmetscherin dabei. In der Eröff‐ nungssitzung vermeint sie, Unstimmigkeiten zwischen der österreichischen und der spanischen Sektion des Verbandes festzustellen. Nach Ende des ersten Konferenztags wird der Präsident der spanischen Sektion in seinem Zimmer mit einem Küchenmesser in der Brust tot aufgefunden. Da der Schauplatz des Verbrechens von der Außenwelt praktisch abgeschlossen ist, gibt es - wie in den klassischen „Whodunits“ im Stil von Agatha Christie - nur eine begrenzte Anzahl von Verdächtigen. Die Polizei ermittelt und interessiert sich natürlich in erster Linie für die Personen, die in engem Kontakt mit dem Opfer standen. Dazu zählen u. a. der Präsident der österreichischen Sektion, seine Assistentin, ein Professorenkollege und eine junge, ambitionierte Professorin sowie die Assistentin der spanischen Sektion, ein spanischer Professorenkollege und der Chef eines Hightech-Unternehmens. Könnte einer oder eine von ihnen schuldig sein? Welches Motiv könnte der Täter, könnte die Täterin haben? Könnte es sich um einen Streit unter Wissenschaftler: innen, um unterschiedliche Auffassungen im Beruf oder um Pläne für die Umorganisation des Verbandes gehandelt haben? Oder steckt hinter dem Mord vielleicht ein völlig anderes Motiv? Für die Beantwortung all dieser Fragen und die Aufklärung des Falles ist die professionelle sprachliche Unterstützung Lorenas für die ermittelnden Kommissare unerlässlich. Und so findet sich Lorena in einer für sie ungewohnten Position 316 Ingrid Kurz <?page no="317"?> wieder. Die Entlarvung des Täters gelingt letztlich nur durch die enge Zusammenarbeit zwischen Kommissaren und Translationsexpertin. 3.3 Fiktion und Realität Lorena, Anfang dreißig, ist eine freiberufliche Übersetzerin und Dolmetscherin. Der Sprachunterricht in der Schule hat ihr schon immer Spaß gemacht. Somit war es danach nur ein kleiner Schritt zum Sprachstudium. Da sie sich mehr für die Anwendung der Sprachen interessierte und auf keinen Fall unterrichten wollte, war sie schließlich beim Übersetzen und Dolmetschen gelandet und die Entscheidung hatte sie nie bereut. […] Die Kommunikation, das Sprechen der Fremdsprachen, das war für sie immer das Wichtigste gewesen. (S.-151) Mit Englisch, Spanisch und Französisch hat sie drei statt der vorgeschriebenen zwei Studiensprachen gewählt. Sie hat ein Auslandssemester in Granada absolviert, später für ein paar Monate in San Sebastián, im Norden Spaniens, gelebt und jede Gelegenheit zu einem Auslandsaufenthalt ergriffen, um dort ihre Sprachkenntnisse zu perfektionieren. Während einige ihrer Studienkolleg: innen Anstellungen in Übersetzungsbüros gefunden haben, hat sie sich für eine freiberufliche Tätigkeit entschieden und ist damit eigentlich zufrieden, obwohl es nicht immer einfach ist. Sie schätzt die damit verbundene Freiheit und Flexibilität. „Im Prinzip kann ich arbeiten, von wo aus ich will. Ich brauche nur meinen Laptop und eine Internetverbindung.“ (S. 150) Nach dem Studienabschluss begann sie, erste Aufträge zu suchen. Ihre Kund: innen sind hauptsächlich Übersetzungsagenturen, die Arbeiten an selbstständige Übersetzer: innen vergeben, aber sie arbeitet mit einigen Unternehmen auch direkt zusammen. Daneben wird sie fallweise auch als Dolmetscherin für Konferenzen oder sonstige Veranstaltungen gebucht. Im Gegensatz zu Sara hat sie jedoch nicht genug Dolmetschaufträge, um ausschließlich davon leben zu können, und verdient sich daher ihr Geld hauptsächlich mit Fachüberset‐ zungen. Auch das deckt sich mit der Realität. „[…] the trend shows that future generations of conference interpreters will generally not be able to make a living from interpreting activities but will have to supplement their income with other activities.“ (Neff 2015: 228) Lorena beschreibt ihre Einkommenssituation als „nicht gerade stabil“: „Ich weiß nie, wie viel ich im nächsten Monat verdiene“ (S. 246), und freut sich daher über ihren Einsatz bei der Tagung des Österreichisch-Spanischen Dendrochronologenverbandes, bei der sie aus dem Spanischen dolmetschen soll. Sie findet es einigermaßen ungewöhnlich, dass es noch Konferenzen gab, auf denen ausschließlich Spanisch und Deutsch und nicht auch Englisch gesprochen wurde. „Ihrer Erfahrung nach war Englisch so weit als internationale Wissenschaftssprache etabliert, dass kein Wissenschaftler ohne entsprechende Kenntnisse auskam, und auch als Dolmetscherin war Englisch als Arbeitssprache eigentlich unumgänglich.“ (S.-11) Damit gibt sie die Meinung internationaler Expert: innen wieder: „The English language has obtained a dominant role not only in everyday life but even more so in international conferences and organisations.“ (Kalina 2015: 30) Ähnlich formuliert dies auch Strolz: Sara und Lorena 317 <?page no="318"?> Eine Berufsausübung als freiberuflicher Dolmetscher ist ohne ausgezeichnete Englischkenntnisse heute kaum mehr möglich. Englisch ist nicht nur die lingua franca der internationalen Kommu‐ nikation ohne Verdolmetschung, sondern auch die am häufigsten verwendete Konferenzsprache, die bei großen Weltkongressen bis zu 90 % der Redner, ob Muttersprachler oder nicht, gebrauchen. (Strolz 2002: 135) Lorenas spanische Kollegin erklärt ihr, dass es sich bei dem Österreichisch-Spanischen Dendrochronologenverband um einen äußerst konservativen wissenschaftlichen Zusam‐ menschluss handelt, der seit vielen Jahrzehnten existiert und sich bislang geweigert hat, Englisch als Konferenzsprache zu übernehmen. Für die Tagung hat sich Lorena gründlich vorbereitet. Da Dendrochronologie nicht wirklich ihr Spezialgebiet ist, muss sie sich zunächst einmal in das Thema einlesen. Dabei erinnert sie sich an eine Empfehlung, die sie von einer Professorin an der Uni bekommen hat: „Haben Sie stets eine gute Enzyklopädie bei sich zu Hause im Bücherregal stehen und scheuen Sie sich nicht davor, sie auch zu benutzen.“ (S.-9) Die Professorin sprach dabei dieselbe Empfehlung wie Seleskovitch (1994: 79) aus: „Prior to a conference, the interpreter consults encyclopedias which, together with the glossaries published by the organizations, are his sources of terminology.“ Lorena benutzt für ihre Recherchen natürlich den Computer und öffnet erst einmal Wikipedia. Sie ist es gewohnt, sich in die unterschiedlichsten Themen einzuarbeiten. Berufsbedingt hat sie sich schon mit vielfachen, mitunter kuriosen Bereichen wie Milchschafzucht oder dem Herstellungsprozess von Luftpolsterfolie beschäftigt. „Dass die Themen einer Konfe‐ renz oder eines Vortrages ihr inhaltlich noch fremd waren, machte schließlich den Reiz ihrer Arbeit aus.“ (S. 10) Es gibt natürlich Themen, in denen sie bereits über mehr Fachwissen verfügt, aber „[…] es machte ihr auch Spaß, ständig etwas Neues lernen zu können“ (S. 10). Dabei erinnert sie sich wieder an ein Lieblingszitat einer ihrer Professorinnen: „Es gibt kein unnützes Wissen! “ Auch das ist eine Aussage, die von Expert: innen unterstützt wird. Dolmetschen bedeutet zunächst einmal, die Aussage eines Redners oder einer Rednerin zu verstehen, was nicht nur profunde Sprachkenntnis erfordert, sondern auch Fachwissen in der behandelten Thematik sowie ein hohes Maß an Allgemeinbildung. „Free-lance interpreters are confronted with a virtually unlimited range of topics.“ (Kurz 1988: 424) Da das in den Weinbergen gelegene Seminarhotel 15 Kilometer vom nächsten Ort entfernt und weder per Bus noch Bahn erreichbar ist, reist Lorena am Vortag der Konferenz mit dem Auto an. Sie stellt fest, dass das Hotel alles bietet, was Top-Manager: innen für ihre Strategieklausuren oder professionelle Fachverbände für ihre Tagungen benötigen: Ruhe, aber auch Kulinarik auf höchstem Niveau und vortrefflichen Service. Bei ihrer Ankunft erhält sie ihr Namensschild für die Tagung mit der Aufschrift „Leonora Woldt, Übersetzerin - traductor.“ „Übersetzerin? Ernsthaft? Und dann noch im Spanischen in der männlichen Form.“ (S. 27) Entrüstet muss sie wieder einmal mit Bedauern feststellen, dass „[…] nur die wenigsten wussten, dass sich Übersetzer mit der schriftlichen Übertragung von Texten in eine andere Sprache beschäftigten und Dolmetscher mit der mündlichen. Wer nichts mit der Thematik zu tun hatte, setzte die Begriffe meist synonym“ (S.-28). Mit dieser Beobachtung liegt sie absolut richtig. 318 Ingrid Kurz <?page no="319"?> Sofía, ihre spanische Kollegin, die sie vor einigen Monaten kennengelernt hat und die ihr den Auftrag vermittelt hat, ist ebenfalls bereits eingetroffen. Beide haben sich schon im Voraus abgesprochen und vereinbart, wer von ihnen welche Rede dolmetschen würde, damit sie sich gezielter vorbereiten konnten. Sie haben sich darauf geeinigt, dass jede in ihre Muttersprache dolmetschen würde. Genau so läuft es auch in der Praxis. Die Schilderung des ersten Arbeitstages von Lorena und Sofía vermittelt den Leser: innen einen umfassenden Einblick in den Alltag von Konferenzdolmetscherinnen und seinen Anforderungen. Als Praktiker: in hat man den Eindruck, tatsächlich bei den beiden in der Dolmetschkabine zu sitzen. Da stimmt, wie die nachstehenden Beispiele belegen, einfach jedes Detail: die genaue Beschreibung von Kabine und Technik, die Arbeitsaufteilung, der rituelle Ablauf der Tagung, Störfaktoren und Schwierigkeiten. Die Qualität der Dolmetschleistung wird bekanntlich durch eine Reihe von externen Faktoren, die sich dem Einfluss der Dolmetscher: innen entziehen, mitbestimmt. Dazu zählt einerseits eine funktionierende Technik und andererseits das Verhalten der Redner: innen. Das Simultandolmetschen ist ein äußerst intensiver Informationsverarbeitungsprozess. Im Laufe eines sechsstündigen Arbeitstages verarbeiten Dolmetscher: innen eine Informa‐ tionsmenge von rund 65 maschingeschriebenen Seiten. Sie sind einer Mehrfachbelastung unter massivem Zeitdruck ausgesetzt, verfügen allerdings nur über eine begrenzte Verarbei‐ tungskapazität. Nach dem von Gile entwickelten Effort Model müssen sie ihre kognitiven Ressourcen auf drei verschiedene Phasen aufteilen: Hören/ Analysieren - Speichern - Produzieren (siehe Gile 1995). Alle praktizierenden Dolmetscher: innen können aus eigener Erfahrung bestätigen, dass jede dieser drei Phasen mitunter eine besondere Aufmerksam‐ keitszuwendung erfordert, was eine erfolgreiche Dolmetschung naturgemäß erschwert. Unter schlechten akustischen Bedingungen aufgrund mangelhafter Tonqualität oder bei einem Redner, der undeutlich oder mit einem schwer verständlichen Akzent spricht, muß der Dolmet‐ scher ein hohes Maß an bewußter Aufmerksamkeit für das Hören aufwenden. (Kurz 1996: 96) Redetempo, Sprechweise sowie schwer verständlicher Akzent sind nachweislich Faktoren, die sich nachteilig auf die Dolmetschleistung auswirken, da sie einen größeren Anspruch an die Verarbeitungskapazität der Dolmetscher: innen stellen. In der vom Internationalen Verband der Konferenzdolmetscher: innen (AIIC) in Auftrag gegebenen Workload Study waren schnelle Redner mit 78 % der von den befragten Dolmetscher: innen am häufigsten genannte Stressfaktor. When asked to rate various factors for their perceived level of stressfulness, fast speaker was rated highest, followed by reading from text, poor equipment, difficult accents, booth discomfort, poor visibility of speaker and visual aids, lack of background material, textual complexity, too little time to prepare, undisciplined speakers (poor mike discipline, interrupting one another) and uncomfortable seating, in that order. (Mackintosh 2003: 196) Mit undisziplinierten Vortragenden und Schnellredner: innen hat auch Lorena zu kämpfen. Sie stellt fest, dass nur am Redepult ein Mikrofon angebracht ist, es aber kein weiteres Handmikrofon gibt. Es blieb also nur zu hoffen, dass sich die Redner während des Sprechens nicht zu weit davon entfernten, denn sonst konnten sie nichts hören und dementsprechend auch nichts dolmetschen. Sara und Lorena 319 <?page no="320"?> Eine höchst unangenehme Situation für die Dolmetscherinnen. Der einzige Weg, darauf ange‐ messen zu reagieren, war die direkte Ansprache des Publikums. „Leider kann der Vortrag nicht weitergedolmetscht werden, da sich der Redner zu weit vom Mikrofon entfernt hat und daher von den Dolmetschern nicht mehr gehört wird.“ Ihr war dies bereits zwei Mal passiert. (S.-42) Lorena und Sofía tauschen sich zwischendurch auch über ihre Befindlichkeit und Eindrücke von den Redner: innen aus. Sie freuen sich über Begrüßungsansprachen, die keine Überra‐ schungen bieten. „Solche Begrüßungen waren meist angenehm zu dolmetschen. Die Redner verwendeten häufig dieselben Floskeln und Formulierungen, die Lorena bereits auswendig konnte.“ (S.-43) Sie beurteilen die Redner nach ihrer Verständlichkeit. Ein Vortragender wird als sehr angenehm zu dolmetschen empfunden, „weil er in einem schönen Tempo spricht und sehr gut präsentieren kann. Seine Reden sind gut verständlich und logisch aufgebaut“ (S. 33). Ein vernichtendes Urteil sprechen sie hingegen über eine andere Vortragende aus: „Sie nuschelt. Sie spricht ganz leise und schnell und starrt nur auf ihre Notizen, sie hält keinen Blickkontakt mit dem Publikum. Wie soll man da etwas verstehen? “ (S.-34) Simultandolmetschen erfordert von den Akteur: innen höchste Konzentration über einen langen Zeitraum hinweg. Die stundenlange Arbeit in einer engen Kabine stellt eine zusätzliche physische Belastung dar. Das verspürt auch Lorena: 16: 30 Uhr. Der letzte Redner beendete seinen Vortrag auf die Minute pünktlich und beschloss damit Lorenas Arbeitstag. Sie streifte die Kopfhörer ab und legte sie auf das Pult in ihrer Kabine, dann fiel - wie immer in diesem Moment - die ganze Anspannung von ihr ab und eine unglaubliche Müdigkeit übermannte sie. Sie war zwar durch ihre zahlreichen Einsätze gewohnt, die Konzentration über mehrere Stunden zu halten, aber sobald ihre Arbeit getan war, fühlte sich ihr Gehirn an, als würde sich darin nur noch ein schwerer Zementblock befinden. […] Erst als Lorena [aus der Kabine, I. K.] heraustrat, bemerkte sie, wie stickig es drinnen wieder einmal geworden war. (S.-49f.) Der weitere Verlauf der Tagung ist dann allerdings alles andere als Routine, da Professor Navarro, der Präsident des spanischen Verbandes, in seinem Hotelzimmer aufgefunden wird. Die beiden ermittelnden Kommissare brauchen bei ihren Befragungen der spanischen Personen eine professionelle Dolmetschung. Es würde eine Weile dauern, bis ihnen ihre Dienststelle einen Dolmetscher schicken würde. Da Lorena einen Master-Titel in Translationswissenschaft hat und somit die erforderlichen Qualifikationen aufweist, wird ihr die Aufgabe übertragen, bei den Befragungen konsekutiv zu dolmetschen. Für die Zeugeneinvernahme wird ein Hotelzimmer als Besprechungszimmer eingerichtet. Als eifrige Krimileserin übernimmt Lorena diese neue Aufgabe sehr gern und stellt dabei ihre eigenen Überlegungen und Vermutungen an. Sie findet sich unerwartet in einer für sie neuen Rolle wieder. Bislang hatte sie im Kopf, was man ihr am ersten Tag an der Uni gesagt hatte. Sie dürfen nie vergessen: Ohne Sie verstehen sich die Anwesenden nicht. Das ist eine wichtige Aufgabe und zugleich eine große Verantwortung. […] Ihre Arbeit ist dann gut gemacht, wenn 320 Ingrid Kurz <?page no="321"?> möglichst niemand sie bemerkt. Ab heute sollten Sie sich jeden Tag Ihrer Ausbildung und Ihres zukünftigen Berufslebens stets ins Gedächtnis rufen: Sie sind unsichtbar. (S.-7) Das Konzept der Unsichtbarkeit wurde von Venuti 1995 in die Translationswissenschaft eingeführt. Im Lob eines Teilnehmers, der zu Lorena sagt, „Sie müssen die Stimme aus meinem Ohr sein. Gute Arbeit haben Sie heute geleistet“ (S. 53), sieht sie die Richtigkeit dieser Aussage. Konferenzdolmetscher: innen sind - speziell in großen Konferenzsälen - zwar akustisch präsent, aber von ihrem Publikum räumlich und optisch getrennt. Sie können von ihm oft überhaupt nicht mehr - oder allenfalls als kleine Figur hinter spiegelndem Glas - gesehen werden. Architektur und Technik unterbinden jeden persönlichen Kontakt. Optisch im Vordergrund steht die Apparatur mit Mikrofonen, Kopfhörern, Lautstärkereglern usw. Für die Delegierten sind die Dolmetscher: innen - trotz ihrer Abhängigkeit von ihnen - oft im wahrsten Sinn des Wortes unsichtbar. Sie sind Stimmen aus den Kopfhörern (siehe auch Kurz 2008: 142). Ab nun kommt Lorena allerdings eine Rolle zu, die sie durchaus sichtbar macht. Sie steht im Mittelpunkt und darf schließlich den Mörder präsentieren, denn es ist ihrer Aufmerksamkeit und sprachlichen Kompetenz zu verdanken, dass der Fall aufgeklärt werden kann. 4 Zusammenfassung In beiden Kriminalromanen sind die Hauptfiguren Dolmetscherinnen, die zufällig, auf Grund einer unmittelbaren Verstrickung, kriminalistisch aktiv werden. In Hauch der Hydra folgen wir Sara, einer arrivierten Konferenzdolmetscherin, bei ihren diversen internatio‐ nalen Einsätzen über einen längeren Zeitraum. Im Gegensatz dazu erleben wir in Kabinen‐ gemauschel Lorena bei einem einzigen Dolmetscheinsatz. Es ist unübersehbar, dass sowohl Murnauer als auch Maizner genaue Kenntnis vom Berufsalltag der Dolmetscher: innen besitzen. Das unterscheidet sie wohltuend von anderen Autor: innen. Die Porträts von Sara und Lorena sind durchaus lebensnah. Beide werden als hoch qualifizierte, selbstbewusste Vertreter: innen ihres Berufsstandes beschrieben. Ihre Dolmetschaufträge stammen aus den unterschiedlichsten, teils hoch spezialisierten Bereichen. Sie werden für ihre Kompetenz geschätzt und sind als literarische Figuren überzeugend. Das translatorische Handeln wird immer realistisch als anspruchsvolle, wichtige und verantwortungsvolle Tätigkeit dargestellt. Bei der Beschreibung der Dolmetschtätigkeit lassen die Autorinnen ihre Protagonistinnen auch über ihre Arbeit reflektieren. Der Beruf von Sara und Lorena ist von zentraler Bedeutung für die jeweilige Erzählung. Für die Leser: innen ist natürlich in erster Linie die Lösung der jeweiligen Fälle von Interesse. Beide Bücher liefern darüber hinaus jedoch auch spannende, unterhaltsame Einblicke in die Welt der Translation und die Identität von Dolmetscherinnen und bieten Lesestoff für vergnügliche Abende. Vertreterinnen des Berufsstandes werden sich und ihre Arbeitswelt in den Schilderungen wiedererkennen, und translatorische Laien bekommen klar vor Augen geführt, dass Dolmetscher: innen - entgegen einer leider (auch unter Konferenzteilnehmer: innen) immer noch weit verbreiteten Ansicht - alles andere sind als eine anonyme Stimme aus dem ‚Glaskasten‘ oder die ‚Stimme im Hintergrund‘. Sara und Lorena 321 <?page no="322"?> Literatur Andres, Dörte/ Behr, Martina (eds.) (2015). To Know How to Suggest-… Approaches to Teaching Conference Interpreting. Berlin: Frank & Timme. Beuren, Daniela (2005). TranslatorIn ermittelt: Vom Übersetzen und Überführen. Bernhard Schlinks Die gordische Schleife / Barbara Wilsons Gaudi Afternoon und Trouble in Transylvania. In: Kurz, Ingrid/ Kaindl, Klaus (Hrsg.), 165-172. Déjean Le Féal, Karla (1998). Konsekutivdolmetschen. In: Snell-Hornby, Mary/ Hönig, Hans G./ Kuß‐ maul, Paul/ Schmitt, Peter A. (Hrsg.), 304-307. Fischer, Beatrice (2010). „…sie stöckelte ihnen voraus“. Die fiktionale Dolmetscherin als Bewahrerin des Stereotyps Frau? Marlene Faros Die Vogelkundlerin und Liza Marklunds Kalter Süden. In: Kaindl, Klaus/ Kurz, Ingrid (Hrsg.), 137-148. Gile, Daniel (1995). Basic Concepts and Models for Interpreter and Translator Training. Amsterdam: John Benjamins. Gross-Dinter, Ursula (2008a). Der Dolmetscher als Krimiheld wider Willen. Eine Parodie auf ein lite‐ rarisches Genre und den internationalen Konferenzbetrieb. Max Davidsons The Greek Interpreter. In: Kaindl, Klaus/ Kurz, Ingrid (Hrsg.), 23-32. Gross-Dinter, Ursula (2008b). Enigmatische Kürzel. Vom Nutzen und Frommen der Notationstechnik beim Konsekutivdolmetschen. In: Hertl, Dietmar/ Mayer, Felix (Hrsg.), 127-136. Hertl, Dietmar/ Mayer, Felix (Hrsg.) (2008). Diesseits von Babel. Vom Metier des Übersetzens. Köln: SH-Verlag. Kaindl, Klaus/ Kurz, Ingrid (Hrsg.) (2008). Helfer, Verräter, Gaukler? Das Rollenbild von Translato‐ rInnen im Spiegel der Literatur. Wien: LIT. Kaindl, Klaus/ Kurz, Ingrid (Hrsg.) (2010). Machtlos, selbstlos, meinungslos? Interdisziplinäre Ana‐ lysen von ÜbersetzerInnen und DolmetscherInnen in belletristischen Werken. Wien: LIT. Kaindl, Klaus/ Spitzl, Karlheinz (eds.) (2014). Transfiction. Research into the realities of translation fiction. Amsterdam: John Benjamins. Kalina, Sylvia (1998). Strategische Prozesse beim Dolmetschen. Theoretische Grundlagen, empirische Fallstudien, didaktische Konsequenzen. Tübingen: Narr. Kalina, Sylvia (2015). Interpreter Training and Interpreting Studies - Which is the Chicken and which is the Egg? In: Andres, Dörte/ Behr, Martina (eds.), 17-41. Kurz, Ingrid (1988). Conference Interpreters - Can They Afford not to be Generalists? 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Kabinengemauschel. Dolmetscherin Lorena Woldt ermittelt. München: Selbstverlag. Murauer, Helga (2019). Hauch der Hydra. Aarbergen: Viaterra Verlag (Kindle-Ausgabe). Neff, Jacquy (2015). Professionalisation: A Systematic Didactic Approach. In: Andres, Dörte/ Behr, Martina (eds.), 219-241. Pöchhacker, Franz (1994). Simultandolmetschen als komplexes Handeln. Tübingen: Narr. Pöchhacker, Franz (1998). Situative Zusammenhänge. In: Snell-Hornby, Mary/ Hönig, Hans G./ Kuß‐ maul, Paul/ Schmitt, Peter A. (Hrsg.), 327-330. Ribarich, Vera (2008). Mitwisser oder Nichtwisser? Patricia Moyes’ Death on the Agenda. In: Kaindl, Klaus/ Kurz, Ingrid (Hrsg.), 33-40. Rozan, Jean-François (1956). La prise de notes en interprétation consécutive. Genève: Librairie de l’Université Georg. Seleskovitch, Danica (1994). Interpreting for International Conferences. Problems of Language and Communication. Washington, D.C.: Pen and Booth. Snell-Hornby, Mary/ Hönig, Hans G./ Kußmaul, Paul/ Schmitt, Peter A. (Hrsg.) (1998). Handbuch Translation. Tübingen: Stauffenburg. Strolz, Birgit ( 2 2002). Konferenzdolmetschen. Fertigkeit oder Kunst? In: Kurz, Ingrid/ Moisl, Angelika (Hrsg.) Berufsbilder für Übersetzer und Dolmetscher. Perspektiven nach dem Studium. Wien: Facultas, 131-138. Venuti, Lawrence (1995). The Translator’s Invisibility. A History of Translation. London: Routledge. Sara und Lorena 323 <?page no="325"?> Nachklang <?page no="327"?> „…-e poi le parole“ Der Operntext als Übersetzungsphänomen Mary Snell-Hornby Zusammenfassung: Die Oper wird von Klaus Kaindl (1995) als „Textgestalt“ be‐ zeichnet, wobei sprachliche, musikalische und szenische Zeichen gleichzeitig wahr‐ genommen werden. Nach dieser holistischen Auffassung wird hier als ‚Übersetzungs‐ phänomen‘ das Originallibretto einer Oper verstanden, dem ein anderssprachiger literarischer Text zugrunde liegt. Besprochen wird Verdis Macbeth nach dem Drama von Shakespeare, insbesondere die Figur der Lady Macbeth, wobei drei Schlüssel‐ szenen im Vergleich zu den Parallelszenen bei Shakespeare analysiert werden. Neben unterschiedlichen Charakterzeichnungen zeigt das italienische Libretto das facetten‐ reiche künstlerische Potenzial für die Interpretation der Sängerin, was anhand von Tondokumenten mit Maria Callas und Mara Zampieri illustriert wird. Der Beitrag soll zeigen, dass ein Libretto als ‚Adaption‘, aber auch als Text(gestalt) mit eigenem Wert in der Translationswissenschaft mehr Beachtung verdient als bisher. Schlagwörter: Opernübersetzung, Textgestalt, Originallibretto, Sangbarkeit, Büh‐ nenpräsenz, Tondokument, Studioaufnahme Abstract: Klaus Kaindl views the operatic text holistically as a gestalt (1995), whereby the linguistic, musical and scenic signs are perceived together as a unified whole. Similarly, the original libretto of an opera is viewed here as a ‘translatorial phenomenon’ based on a literary text written in another language. The discussion focuses on Verdi’s opera Macbeth, based on Shakespeare’s drama, and esp. on Lady Macbeth, whose key scenes are analyzed in comparison with the parallel passages in Shakespeare’s play. Apart from differences in the two characters, the Italian libretto shows up the multi-facetted artistic potential for the singer’s interpretation, which will be illustrated with historic recordings featuring Maria Callas and Mara Zampieri. This essay sets out to show that a libretto as an ‘adaptation’, but also as a text in its own right, deserves more attention in Translation Studies than it has hitherto received. Keywords: Opera translation, gestalt, original libretto, singability, stage presence, sound document, studio recording <?page no="328"?> 1 Von der Opern-Übersetzung zum Opern-Übertitel Wer vor vierzig Jahren über das Übersetzen diskutierte, sprach meistens über Wörter. Das galt nicht nur für Laien, sondern auch für Wissenschaftler - es waren damals meist Linguisten oder Literaturwissenschaftler und Terminologen (zu der Zeit fast durchwegs männlich, bis auf einzelne renommierte Pionierinnen, s. Pöchhacker, in diesem Band). Es war deshalb eine Überraschung, als mich ein junger Mann im Herbst 1989 in der Sprechstunde aufsuchte und fragte, ob ich bereit wäre, eine Dissertation über ein Thema der Musiksemiologie zu betreuen. Ich konnte nur antworten, ich sei zwar eine leidenschaftliche Musikliebhaberin, hätte aber dazu nicht die wissenschaftliche Fachkompetenz. Allerdings wäre mein Zugang zum Übersetzen und damit meine Position in der damals noch neuen Disziplin der Übersetzungswissenschaft holistisch und interdisziplinär; vielleicht könnten wir uns auf ein Thema einigen, bei dem Musik mit Sprache und Übersetzung verbunden war. Wir fanden schnell einen Bereich, der uns beide faszinierte: die Oper. Und daraus entstand eine Dissertation, die heute noch fesselnde Lektüre bietet: Die Oper als Textgestalt. Perspektiven einer interdisziplinären Übersetzungswissenschaft (Kaindl 1995). Die Problematik, mit der sich Klaus Kaindl in seinen ersten Arbeiten befasste, bestand darin, dass damals Opern vielfach in der jeweiligen Landessprache aufgeführt wurden, und des‐ halb musste das Originallibretto nötigenfalls übersetzt werden. Wie unbefriedigend diese Übersetzungen meist waren, geht aus zahlreichen Theaterrezensionen hervor: So brisant war das Problem, dass es im Dezember 1965 im Leitartikel („Deutsch oder italienisch? “) der Münchner Fachzeitschrift Oper und Konzert (Vorläuferin des heutigen Musikmagazins Crescendo) durch einen Brief des Herausgebers an den Ricordi-Verlag (als Inhaber der Aufführungsrechte) thematisiert wurde: Wir sind der Meinung, dass nur Aufführungen in der Originalsprache den Werken gerecht werden können, dass nur so das Wesentliche der Verbindung von Wort und Ton zum Ausdruck kommt. Die neue Spielzeit hat in München mit einer deutschen Version der „Traviata“ begonnen. Wir wollen hier dahingestellt sein lassen, ob die neue Übersetzung glücklicher als die alte ist. […] Doch hört man in der Bayerischen Staatsoper allgemein, dass der Ricordi-Verlag bei Überlassung der Aufführungsrechte zur Bedingung mache, dass die Werke Verdis auch in deutscher Sprache gegeben werden. (Huber 1965: 3) In einem sehr wortreichen Antwortschreiben versuchte der Ricordi-Verlag sein Vorgehen zu rechtfertigen: Opernhäuser von internationalem Rang könnten, so hieß es, deshalb „authentische“ Aufführungen anbieten, weil sie „erstklassige italienische Gesangskräfte“ verpflichten würden und sich die Bevölkerung dort aus verschiedenen Sprachgruppen zusammensetze. Im „opernfreudigen“ Deutschland mit seinen vielen Opernhäusern würde der Theaterbesucher jedoch an einer „für ihn verständlichen Darbietung des Werkes“ hängen (zit. Huber 1965: 3). Mit einer so fragwürdigen Argumentation beschäftigt sich Klaus Kaindl nicht. Ihm geht es auch um mehr als die „Verbindung von Wort und Ton“; vielmehr sieht er die Oper holistisch als „Textgestalt“, wie er schon 1994 darlegte: 328 Mary Snell-Hornby <?page no="329"?> Durch das Aufeinandertreffen von musikalischen, sprachlichen und szenischen Zeichengestalten entsteht etwas qualitativ Neues, das nicht mit der Summe seiner Teile ident ist. Wenn sich die eigentliche Textgestalt erst aus der Wechselwirkung der in unterschiedlicher Gewichtung am Gesamttext beteiligten Medien ergibt, so kann das Schwergewicht der Analyse nicht auf den einzelnen Teilen liegen, sondern muss das Relationsgefüge, die Beziehungen der einzelnen Elemente zum Gegenstand haben. (1994: 60) Eine Sonderstellung nimmt die Opernpartitur ein, die sowohl dramatische als auch musi‐ kalische Elemente besitzt und durch die Orchestration und vor allem die Stimmbesetzung eine Art Regiebuch darstellt, eine „Szene hinter dem Text“ (1994: 61). Mit der Rolle der Stimme wird daher für die Übersetzung das Kriterium der Sangbarkeit besonders wichtig, und darum geht es in Kaindls Analysen - neben der Ablehnung des herkömmlichen, veralteten „Operndeutsch“, wie im oben zitierten Leitartikel von Oper und Konzert bemängelt wurde. In der Zwischenzeit hat sich die Opernübersetzung aber radikal verändert. Heute sind Aufführungen mit übersetzten Libretti nicht mehr allgemein üblich. Dafür hat sich seit den 1990er Jahren - analog zu Untertiteln im Film - die Gattung der Opernübertitel durch‐ gesetzt. Somit werden Opern generell in der Originalsprache aufgeführt, der Inhalt der gesungenen Texte wird dem Publikum simultan durch kurze, geschickt platzierte Übertitel in der gewünschten Sprache vermittelt. Dadurch entstehen natürlich ganz andere Probleme als bei der Übersetzung der von Kaindl untersuchten expressiven Texte, und sie bilden nicht den Gegenstand dieses Beitrags. Was hier als „Übersetzungsphänomen“ verstanden wird, ist vielmehr das Originallibretto einer Oper, dem ein anderssprachiger literarischer Text zugrunde liegt und das somit durchaus als Ergebnis eines translatorischen Prozesses gelten kann. Im Mittelpunkt stehen Verschiebungen, Ergänzungen und Steigerungen, die durch die musikalische Dimension der Opernpartitur entstehen. Als Beispiel dient Giuseppe Verdis Macbeth, dessen Libretto von Francesco Maria Piave nach dem gleichnamigen Drama von William Shakespeare verfasst wurde. 2 „Prima la musica…“ Seit den Anfängen der Oper in Europa war das Verhältnis zwischen Musik und Text ein Thema, wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung. So heißt es zum Beispiel am 30. September 1791 auf dem Plakat zur Uraufführung der Zauberflöte im Wiener Wiedner Theater: „Die Zauberflöte. Eine große Oper in 2. Akten, von Emanuel Schikaneder“. Nach Angabe der Besetzung steht kleingedruckt und unauffällig: „Die Musik ist von Herrn Wolfgang Amadé Mozart, Kapellmeister, und wirklicher K. K. Kammerkompositeur. Herr Mozart wird aus Hochachtung für ein gnädiges und verehrungswürdiges Publikum, und aus Freundschaft gegen den Verfasser des Stücks, das Orchester heute selbst diregiren [sic].“ (Abgedruckt im Programmheft „Die Zauberflöte“ der Wiener Volksoper 2021: 6.) Damit galt offenbar der Librettist als der eigentliche Schöpfer des Werks, der Komponist hingegen als entgegenkommender Mitwirkender. Dass der Text ein solches Gewicht erhielt, war im Lauf der Zeit eher selten der Fall. Im Gleichklang mit Antonio Salieris Oper Prima la musica e poi le parole (1786) entwickelte sich die Oper in erster Linie als vorrangig musikalisches Werk, selbst wenn das Libretto stets Der Operntext als Übersetzungsphänomen 329 <?page no="330"?> auch eine maßgebende Rolle spielte. Mancher Opernkomponist - wie etwa Richard Wagner - schrieb seine Texte selbst; andere arbeiteten mit Librettisten nach Vorlage von Werken der Weltliteratur zusammen. Herausragend ist hier das Schaffen von Giuseppe Verdi, der in Zusammenarbeit mit Francesco Mario Piave zwar nicht friktionsfrei, aber für die Nachwelt überaus fruchtbar, verschiedene Opern entwickelte und zum Teil bei der Inszenierung selbst mitwirkte. Besonders reizvoll für ihn waren die Dramen von William Shakespeare. Ein ausgezeichnetes Beispiel ist Macbeth, das hier, vertreten durch die Figur der Lady Macbeth, zur Analyse herangezogen wird, wobei wir die Komplexität der Entstehung der ersten Inszenierungen nicht berücksichtigen können: Im Fokus steht hier der gedruckte Text neben den gesanglichen Darbietungen in drei unten diskutierten Musikaufnahmen. 3 Macbeth: Tragödie und Melodrama Shakespeares Macbeth gehört - neben King Lear, Hamlet und Othello - zu seinen vier herausragenden Tragödien. The Tragedie of Macbeth (Drucklegung 1623, Urauführung 1606) zeigt die Entwicklung eines anfangs tapferen Feldherrn, getrieben von Ehrgeiz und Macht‐ gier und angestachelt von seiner Frau, zu einem skrupellosen Mörder und schließlich zum Inbegriff des Bösen. Zum Ausdruck kommt die innere Entwicklung dieses abergläubischen, halluzinierenden und paranoiden Mannes durch eine gewaltige dramatische Sprache: mo‐ numentale Monologe, einen geradezu erdrückenden Reichtum an Metaphern und sonstige starke Rhetorik, so dass aus diesem düsteren Stoff ein Drama außerordentlicher Dichtkunst wird. Für eine Oper stellt diese Kombination aus Tiefenpsychologie und sprachlicher Dichte aber eine große Herausforderung dar. Die Musik arbeitet schließlich mit anderen Mitteln. Bei Verdi ist daher aus der Tragödie ein Melodrama geworden. Musikalisch ist das Werk von düsteren Moll-Tönen beherrscht, untermalt von häufig wiederholten symbolischen Melodiefragmenten oder ominösen Donner- und Sturmgeräuschen. Zudem ist neben der für eine Oper notwendigen Straffung und Streichung von Szenen und Figuren eine bemerkenswerte Verschiebung entstanden: Im Mittelpunkt dieses Musikdramas steht nicht Macbeth, sondern seine Frau. Mit Lady Macbeth betrat Verdi 1847 bzw. 1865 in der Operngeschichte Neuland, und diese Figur ist bis heute einzigartig. Zur Veranschaulichung werden hier drei Szenen ausgewählt, in denen im Libretto zum Teil so nahe an Shakespeares Text gearbeitet wurde, dass man von einer translatorischen Handlung sprechen kann. Als ‚Anschauungsmaterial‘ dienen zunächst zwei Musikaufnahmen: ein historischer Konzert‐ mitschnitt mit Maria Callas und eine Studioaufnahme mit Mara Zampieri. - „Vieni! T’affretta! “ Der erste Auftritt von Lady Macbeth ist am Anfang in beiden Texten scheinbar sehr ähnlich (I, 5 in beiden Fassungen). Sie liest Macbeths Brief mit der Prophezeiung der weird sisters laut vor und sinniert dann, wie sie ihren Gemahl durch die Ermordung des Königs Duncan auf den Thron Schottlands bringen kann. In der Ausführung und Charakterisierung werden aber wesentliche Unterschiede zwischen den zwei Figuren deutlich. Shakespeares Lady Macbeth ist von Anfang an vor allem eiskalt und bewusst grausam, dazu eloquent und wortgewaltig: Nachdem sie in einem Monolog über die Psyche ihres Mannes reflektiert („too full o’the milk of human kindness“) und dann von der bevorstehenden Ankunft des 330 Mary Snell-Hornby <?page no="331"?> Königs erfährt, fasst sie einen brutalen Entschluss, den sie konsequent und skrupellos durch die weitere Handlung aufrechterhält: Come; you spirits That tend on mortal thoughts, unsex me here, And fill me, from the crown to the toe, top-full Of direst cruelty! Demgegenüber wirkt der erste Auftritt von Verdis Lady Macbeth aufwühlend: Während eines bedrohlich sturmartigen Orchesterauftakts betritt sie allein die Bühne und liest den Brief sprechend vor. Ihr Appell an Macbeth ist knapp und dramatisch: Che tardi? Accetta il dono, Ascendivi a regnar. Auch ihre Beschwörung der ministri infernali ist verbal knapp, musikalisch aber - wie die gesamte Szene - gewaltig, ermöglicht nicht nur durch die mitreißenden Melodien, sondern auch durch die Steigerung anhand der Wiederholung der oben zitierten Zeilen mit begleitenden Crescendi in der Musik. „Unsexed“ ist Verdis Lady keineswegs: Sie wirkt wie beseelt, getrieben von ihren Ambitionen, bleibt jedoch eine zwar ungewöhnliche, aber absolut überzeugende Frauengestalt. - „La luce langue“ Die Arie „La luce langue“ (II, 2), die an sich keine genaue textuelle Entsprechung bei Shakespeare hat, folgt auf die knappe Mitteilung ihres Mannes, dass auch der Feldherr Banquo in der kommenden Nacht ermordet werden soll. Nun betrachtet Lady Macbeth - wieder allein auf der Bühne - die Abenddämmerung. Die 14-zeilige Arie ist sprachlich und musikalisch durch frappierend starke Gegensätze klar strukturiert. Nach einigen Takten ominöser Akkorde durch das Orchester beginnt die Arie nachdenklich, Lady Macbeth sehnt die „schützende“ Dunkelheit (Z. 1-4) herbei. Dann überkommt sie Zweifel angesichts des geplanten Verbrechens: „Nuovo delitto! “, haucht sie pianissimo, um dann mit Entschlossenheit laut „È necessario“ zu rufen, im Versuch, den „Lauf des Schicksals“ zu rechtfertigen (Z. 5-6). Das führt sie zum Gedenken an Verstorbene (wieder pianissimo und voller Ehrfurcht), denen aber ohnehin nicht das Herrschen, sondern die ewige Ruhe gebühre (Z. 7-8). Darauf erfasst sie unbändige Begeisterung über die bevorstehende Machtfülle („O Voluttà del soglio! “, Z. 9-12), bevor sie abschließend ekstatisch feststellt, dass der Konkurrent um den Thron bald tot sein werde (Z. 13-14). Bei Shakespeare ist dieser Abschnitt des Dramas auch inhaltlich anders. Seine Lady Macbeth weiß noch nichts über die bevorstehende Ermordung Banquos. Erst nach seinem Auftrag an die Mörder spricht Macbeth mit ihr und deutet sein Vorhaben an, wobei er selbst einige Worte verwendet, die der Arie von Verdis Lady ähneln: „Light thickens“, „Good things of day begin to droop and drowse“, „Come, seeling night […]“ (III, 2). Die Dramatik des Geschehens ist dann bei Verdi noch dadurch gesteigert, dass Lady Macbeth - in voller Kenntnis der Ermordung Banquos - beim anschließenden Bankett huldvoll die königliche Gastgeberin spielt und imstande ist, ein heiter-frivoles Brindisi zu singen - und bei dessen Wiederholung (nachdem der Geist Banquos dem erschrockenen Der Operntext als Übersetzungsphänomen 331 <?page no="332"?> Macbeth erschienen ist) sogar auf sein Wohl das Glas zu erheben. Bei Shakespeare ist Lady Macbeth während des Banketts noch immer unwissend, ein Brindisi gibt es naturgemäß nicht, und ihre Rolle besteht vornehmlich darin, ihren Gatten für sein peinliches Verhalten vor den Festgästen beim Anblick von Banquos Geist zurechtzuweisen. Bei Verdi steht Lady Macbeth in dieser Szene eindeutig im Mittelpunkt, bei Shakespeare hingegen der gequälte Macbeth. - „Una macchia-…“ Eines der wiederkehrenden Motive in beiden Werken, die zum großen Teil nachts statt‐ finden, sind der Schlaf bzw. die Schlaflosigkeit oder auch Schlafstörungen: „Sleep no more! Macbeth does murder sleep“, meint Shakespeares Protagonist nach seinem Mord an Duncan von einer geheimnisvollen Stimme zu hören (II, 2). Nicht zuletzt deshalb ist die Schlafwandelszene im Drama und in der Oper von zentraler Bedeutung. Bei Shakespeare ist sie nicht im gehobenen Blankvers, sondern in Prosa gehalten, wie es sonst etwa den niederen Gesellschaftsschichten vorbehalten war (V, 1). Dass seine sonst so forsche und wortgewaltige Lady Macbeth nur unkoordinierte Sprachfetzen von sich gibt, ist für sich allein schon ein Statement. Gleich mit ihren ersten Worten zeigt sie sich selbst im Wahn gänzlich „unsexed“: Out, damned spot! out, I say! Verdis Lady ist hier um einiges poetischer (IV, 4): Una macchia è qui tuttora… Via, ti dico, o maledetta! … Abgesehen vom poetischen Ausdruck von Verdis Lady Macbeth stellt man aber in dieser Szene eine auffallende sprachlich-textuelle Ähnlichkeit mit Shakespeare fest, wie die folgenden zwei Beispiele zeigen. Shakespeares Lady Macbeth: The Thane of Fife had a wife. Where is she now? Und bei Verdi: Di Fiffe il Sire Sposo e padre or non era? Che n’avvenne? Und gleich danach beklagt Shakespeares Lady Macbeth: Here’s the smell of the blood still; all the perfumes of Arabia will not sweeten this little hand. Oh! oh! oh! 332 Mary Snell-Hornby <?page no="333"?> Dazu Verdis Lady Macbeth: Di sangue umano Sa qui sempre-… Arabia intera Rimondar sì piccol mano Co’ suoi balsami non può. Oimè! … Wesentlich für einen Vergleich zwischen Musik- und Sprechtheater sind aber nicht nur sprachliche Entsprechungen, sondern auch die Mittel, die verwendet werden, um verbale Sprache in Musik zu fassen. Dies zeigt sich besonders in der Reaktion Macbeths auf den Tod seiner Frau. Bei Verdi sagt eine Kammerfrau (IV, 6): È morta La Regina. Darauf Macbeth (con indifferenza e sprezzo): La vita-… che importa? -… È il racconto d’un povero idiota; Vento e suono che nulla dinota! Die Erklärung für diese etwas seltsame Reaktion findet sich in der vergleichbaren Stelle bei Shakespeare. Dort verkündet ein Offizier (V, 5): The queen, my lord, is dead. Darauf Macbeth: She should have died hereafter; There would have been a time for such a word. Auch diese Reaktion ist seltsam - sie dient aber lediglich dazu, den Auftakt zu einem Monolog zu bilden, der zu den berühmtesten Reden Shakespeares überhaupt zählt: To-morrow, and to-morrow, and to-morrow, Creeps in this petty pace from day to day To the last syllable of recorded time; And all our yesterdays have lighted fools The way to dusty death. Out, out, brief candle! Life’s but a walking shadow; a poor player, That struts and frets his hour upon the stage And then is heard no more; it is a tale Told by an idiot, full of sound and fury, Signifying nothing. Abgesehen von den zwei letzten Zeilen hat dieser rhetorisch gewaltige Monolog bei Verdi keine verbale Entsprechung: Die Botschaft findet sich jedoch musikalisch in der Opern‐ partitur bereits durch die Orchesterbegleitung der Schlafwandelszene, die den fehlenden Der Operntext als Übersetzungsphänomen 333 <?page no="334"?> Monolog sozusagen zum Teil antizipiert. Im folgenden Abschnitt kann das - ansatzweise - gezeigt werden. 4 Oper, Gesang und Bühnenpräsenz In einem primär übersetzungswissenschaftlichen Beitrag ist es außerordentlich schwierig, der Gesamtheit der Textgestalt ‚Oper‘ im Sinne von Klaus Kaindl gerecht zu werden. In den obigen Abschnitten haben wir uns hauptsächlich auf die sprachlichen Elemente der besprochenen drei Arien konzentriert, wobei musikalische und szenische Aspekte nur gestreift werden konnten. Im Folgenden soll noch auf gesangliche Aspekte eingegangen werden. Als Grundlage für die Diskussion wurden zunächst zwei Tondokumente mit Aufnahmen von Verdis Macbeth (ein historischer Mitschnitt der Bühnenaufführung der Mailänder Scala vom 7.12.1952 mit Victor de Sabata als Dirigent und Maria Callas als Lady Macbeth und eine Studioaufnahme der Deutschen Oper Berlin vom 11.12.1983 unter Giuseppe Sinopoli, mit Mara Zampieri) herangezogen. Es wird im Folgenden der Versuch unternommen, einen Eindruck der drei besprochenen Arien als Werke des Musiktheaters durch die beiden Sängerinnen zu vermitteln. Die überwältigende Bühnenpräsenz und die einzigartige Stimme von Maria Callas sind legendär, wie allein der frenetische, langanhaltende Applaus bei der Aufführung von Macbeth am 7.12.1952 ahnen lässt. Die damalige Stimmung in La Scala können wir nicht mehr erleben, aber die Ausführungen in Jürgen Kestings Biografie Maria Callas (1990) geben gut recherchierte Einblicke in ihre physische Wirkung auf der Bühne. Besonders eindrucksvoll sind die hymnischen Zeilen von Ingeborg Bachmann, die Callas 1956 in der Scala als Violetta (La Traviata) erlebte („Ecco un artista, sie ist die einzige Person, die rechtmäßig die Bühne in diesen Jahrzehnten betreten hat […]“, zit. Kesting 1990: 17) sowie die ebenso begeisterten Ausführungen von Carlo Maria Giulini als Dirigent, der mit Callas „eine vollständige Einheit von Wort, Musik und Aktion“ in ihrer Darstellung erarbeitete (zit. Kesting 1990: 80). Von Mara Zampieri (geb. 1951), die sich ebenfalls durch eine starke Bühnenpräsenz ausgezeichnet hat, kann die Verfasserin hingegen nur Erinnerungen aus den 1990er Jahren in der Wiener Staatsoper bieten. Bühnenpräsenz gehört zwar unbedingt zum Phänomen Oper, ist aber vergänglich und daher nachträglich nicht belegbar: Wir werden aber versuchen, in die Besprechung der zwei ausgewählten akustischen Tondokumente einige fragmentarische Eindrücke von damals einzubeziehen. 1952 war Macbeth eine selten gespielte Oper: Die Produktion sowie die Darstellung von Lady Macbeth durch Callas waren also durchaus innovativ (Kesting 1990: 141, 317). Zur Zeit der Studioaufnahme mit Zampieri 1983 gehörte das Werk bereits zum gängigen Repertoire. Ein großer Unterschied bestand auch in der Technologie: Der etwas blecherne Ton des Livemitschnitts von 1952 neben dem sauberen Ton der Studioaufnahme macht einen Vergleich der beiden Sängerinnen schwierig. Bereits in der Cavatina „Vieni! T’affretta! “ fällt jedoch die (von Verdi gewünschte, vgl. Kesting 1990: 61) „scharfe“ Stimme von Callas mit einer deutlich variierten Nuancierung auf. Zampieris Darstellung wirkt hingegen weniger pointiert, aber dramatischer: Die oben erwähnte abschließende Steigerung mit orchestralen Crescendi kommt besser zur Geltung, weniger aber die „böse“, „harsche“, „teuflische“ 334 Mary Snell-Hornby <?page no="335"?> Stimmqualität, welche nach dem Wunsch des Komponisten diese Figur charakterisieren soll. Als „psychologisches Kammerspiel mit infinitesimalen Schattierungen des Textes und Färbungen des Tons“ beschreibt Kesting die Darstellung von Maria Callas am Ende des ersten Aktes in diesem Mitschnitt und als „nicht weniger überzeugend die Gestaltung von ‚La luce langue‘ mit dem Wechsel innermonologisch-skeptischer und hysterisch-ag‐ gressiver Ausdruckselemente“ (1990: 318). Diese Beschreibung entspricht durchaus unserer obigen Analyse dieser Arie. Bei Zampieri hingegen überwiegt das meditative Element, und zwar nicht nur am Anfang der Arie. Auch der Selbstzweifel kommt weniger zur Geltung, und selbst am Schluss fehlt die Steigerung der Ekstase über die Vorstellung der künftigen Machtfülle. Weniger gelungen bei Callas findet Kesting in dieser Aufführung die Schlafwandelszene: „Sie hat zu wenig Gewicht, zu wenig dramatische Kontraste“ (1990: 318), und hier stimme ich ihm, dem begeisterten Applaus des Publikums zum Trotz, zu. In der Studioaufnahme mit Mara Zampieri wird die gesamte Szene mit intensiverer Expressivität gespielt, die Arie wird nuanciert, fast unheimlich, dargeboten, und die Sängerin macht tatsächlich den Eindruck einer verwirrten Schlafwandlerin. Besonders wichtig ist aber, wie oben erwähnt, auch die Rolle der Musik insgesamt, sowohl in der unheilvoll wirkenden Einleitung des Orchesters als auch in den ständig wiederholten Melodiefetzen, welche den Gesang der schlafwandelnden Lady Macbeth untermalen, besonders aber in den sehr leisen, dahinschwindenden Schlusstönen. Bei Shakespeare kommen solche Klänge nachträglich sprachlich zum Ausdruck, und zwar in Macbeths oben zitiertem Monolog nach dem Tod seiner Frau: „Life’s but a walking shadow“ (s. die abschließenden Zeilen im Abschnitt 3). Maria Callas hat nach der Scala-prima von 1952 ihre Interpretation der Rolle verfeinert, allerdings nicht auf der Bühne, sondern im Studio. Die erstaunliche Ausdruckskraft ihrer Stimme sowie das musikalische und vokale Potenzial der drei hier besprochenen Arien wird in der Aufnahme ihres Verdi-Recitals aus dem Jahr 1958 deutlich. Die Darbietung ist hier um ein Vielfaches dramatischer, etwa in der ersten Arie: „Die „andantino-Passage ab ‘Che tardi? Accete [sic]‘, die sich in einem furioso hinaufschraubt und über die Grenzen der Singbarkeit fast hinausführt…“ (Kesting 1990: 345). Vor allem die Schlafwandelszene wird wesentlich verändert, wobei dem Philharmonia Orchestra unter Nicola Rescigno eine Schlüsselrolle in der Schaffung der schaurigen Atmosphäre zukommt. Zu diesem Thema schreibt Kesting: „Die ‚Gran Scena del Sonnambulismo‘ bedeutet, nach Julian Budden, einen einzigartigen Höhepunkt der italienischen Oper. Das selektiv orchestrierte Orchester - sordinierte Streicher, Klarinette und Englischhorn als Begleitung der obbligati, keine hellen Holzbläser - spricht [sic] exakt der Klangsprache der vokalen Gesten“ (1990: 345, vgl. Budden 1992: 308). Für die Interpretation von Callas ist der Kritiker John Ardoin in einer ausführlichen Analyse (Ardoin 1995: 136ff.) voll des Lobes: „It is more than one of the most descriptive moments of singing ever captured on record; it is a summary of Callas’ unparalleled power to give words shape and dimension through vocal colorations. Throughout she brings myriad inflections and unearthly tints into play to create the other-world atmosphere heard here.“ (1995: 137) Somit können wir nicht nur die künstlerische Brillanz von Maria Callas in der Darbietung dieser Rolle bewundern, sondern auch das bereits betonte Zusammenspiel Der Operntext als Übersetzungsphänomen 335 <?page no="336"?> von Orchester und Gesang in der Oper bestätigen, die mit musikalischen Mitteln die Sprachgewalt von William Shakespeare wiederzugeben imstande ist. 5 Der Operntext als Übersetzungsphänomen Als Übersetzungsphänomen haben wir das Originallibretto genannt, das in der Fachlite‐ ratur (insbesondere in der Übersetzungswissenschaft) wenig Beachtung findet. Im Rahmen dieses Beitrags mussten wir uns zwangsläufig auf die gedruckten Texte und auf Eindrücke aus drei Musikaufnahmen sowie die Beurteilung anerkannter Kritiker beschränken. Szeni‐ sche Elemente, die naturgemäß zu Kaindls holistischem Opernkonzept gehören, mussten unberücksichtigt bleiben. Das gilt auch, wie oben deutlich wurde, für die so wichtige Stimmbesetzung der Figur der Lady Macbeth mit deren individueller Interpretation und der sich daraus ergebenden physischen Gestaltung. Sehr deutlich wurde das weitreichende Potenzial des Originallibrettos, und es wäre wünschenswert, dieses als „Szene hinter der Textgestalt“ einer Operninszenierung in der Fachliteratur zu würdigen, auch wenn der Text selbst als Adaption auf anderssprachige Quellen zurückgeht. Obwohl das Libretto als gedruckter Text die Jahrhunderte überleben kann, ist die musikalische Bühnenaufführung (also das holistische Opernerlebnis) - wie auch jede Aufführung im Sprechtheater - vergänglich. Somit geraten historische Sternstunden, wie sie oben beschrieben wurden, und gleichzeitig auch die betreffenden Sängerinnen und Sänger leicht in Vergessenheit. Der Technologie der vergangenen Jahrzehnte - zunächst Stereoaufnahmen auf „Langspiel“-Schallplatten (LPs), dann Compact Discs (CDs) und wei‐ teren elektronischen Innovationen, vor allem der klanglichen Verfeinerung durch digitales Remastering - ist es zu verdanken, dass wir heute musikalische Ereignisse aus längst vergangenen Zeiten, wie die hier besprochenen Aufnahmen, zumindest akustisch aktiv miterleben können. Den CDs sind heutzutage auch meistens Hintergrundinformationen mit mehrsprachigen Übersetzungen des Originallibrettos beigefügt, wodurch dieses für ein breites Publikum zugänglich gemacht wird und somit sogar ein neues Gewicht erhält. Maria Callas hat sich neben ihren Live-Auftritten auch ihren Studioaufnahmen intensiv gewidmet (vgl. Kesting 1990, v. a. die Discographie 1990: 396-405), und mit diesen bleibt sie - 100 Jahre nach ihrer Geburt 1923 und 70 Jahre nach ihren umjubelten Auftritten in den 1950er Jahren - unvergessen. Sie hat in mehrfacher Hinsicht Neuland betreten, unter anderem mit der Belebung der Oper Macbeth, und es ist bezeichnend, dass auch Verdi mit diesem Werk - der „opera senza amore“ - und insbesondere mit der Figur der Lady Macbeth und ihrer Darstellung, selbst Neuland betreten hat. Neuland war schließlich auch für die Übersetzungswissenschaft der frühen 1990er Jahre die holistische Auffassung der Oper als Textgestalt von Klaus Kaindl. Dieser innovative Zugang hat seinen ganzen wissenschaftlichen Werdegang geprägt, und man kann für die künftige Entwicklung unserer Disziplin nur wünschen, dass ein solcher Geist weiterhin Schule macht. 336 Mary Snell-Hornby <?page no="337"?> Literatur Tondokumente Verdi, Giuseppe (1952). Macbeth. Oper in 4 Akten. Libretto von Francesco Maria Piave. Konzertmit‐ schnitt vom 7.12.1952. Hamburg: Line Music. Verdi, Giuseppe (1958). Verdi Arias I. In: Maria Callas. The Studio Recitals, Compact Disc 5. London: Warner Classics. Verdi, Giuseppe (1983). Macbeth. Opera in quattri atti. Studioaufnahme vom 11.12.1983 mit Sender Freies Berlin: Philips. Faksimile Wiener Volksoper (2021). Programmheft: Die Zauberflöte. Eine große Oper in 2 Akten, von Emanuel Schikaneder. Wien: Wiener Volksoper. Primärliteratur Shakespeare, William (1995) Macbeth. In: Schücking, L. L. (Hrsg). Gesamtwerk Englisch und Deutsch. 5. Band. Augsburg: Weltbild Verlag, 98-167. Verdi, Giuseppe (1986). Macbeth. Melodramma in quattro Atti. Melodrama in vier Akten. Textbuch Italienisch/ Deutsch. Libretto von Francesco M. Piave. Übersetzt von Carlo Milan und Rudolf Sünkel. Stuttgart: Reclam. Fachliteratur Ardoin, John (1977/ 1995). The Callas Legacy. The Complete Guide to her Recordings on Compact Discs. Portland: Amadeus Press. Bachmann, Ingeborg (1981). Hommage à Maria Callas. In: Bachmann, Ingeborg. Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar. Essays, Reden, Kleinere Schriften (=-Serie Piper, Bd.-218). München: Piper, 142-143. Budden, Julian (1973/ 1992). The Operas of Verdi. Vol. 1. From Oberto to Rigoletto. Oxford: Clarendon Press. Huber, Hans (1965). Deutsch oder italienisch? Oper und Konzert 3 (12): 3-4. Kaindl, Klaus (1994). „…weil ich innig liebe“. Stimme und Gestalt in der Oper „Carmen“ von G. Bizet. In: Snell-Hornby, Mary (Hrsg.). Translation in Mitteleuropa. Beiträge zum Mitteleuropäischen Symposium am Institut für Übersetzer- und Dolmetscherausbildung der Universität Wien, 11.-13. November 1991 (=-Folia Translatologica 1). Prag: Karls-Universität, 59-70. Kaindl, Klaus (1995). Die Oper als Textgestalt. Perspektiven einer interdisziplinären Übersetzungs‐ wissenschaft (=-Studien zur Translation 2). Tübingen: Stauffenburg. Kesting, Jürgen (1990/ 2018). Maria Callas. Düsseldorf: Eco. Der Operntext als Übersetzungsphänomen 337 <?page no="338"?> ISBN 978-3-8233-8607-0 Inspiriert von der beeindruckenden Themenvielfalt der wissenschaftlichen Arbeiten von Klaus Kaindl präsentiert dieser Sammelband Beiträge von namhaften Autor: innen zur translatorischen Theorie und Praxis. Die im Buch abgebildete Themenpalette reicht von Beiträgen zur Ausgestaltung der Disziplin, in denen der Blick auf zentrale Grundfragen des Übersetzens, Aspekte von Multimodalität, soziokognitive Translationsprozesse, die Technologisierung der Arbeitswelt von Translator: innen sowie die Social-Media-Sichtbarkeit von Translator: innen gerichtet wird, bis hin zu Studien aus dem Feld der (Literary) Translator Studies, in denen Übersetzer: innen als Gestalter: innen im Zentrum stehen. Weitere Abschnitte widmen sich dem weiten Feld der literarischen Übersetzung, mit Fallstudien zu Übersetzungen aus verschiedenen Genres (Belletristik, Lyrik, Theatertexte, Operntexte, Jugendliteratur, Comics), sowie dem Wirken von fiktionalen Translator: innen in Film und Literatur. Ein persönlicher Nachklang mit Fokus auf dem Operntext als Übersetzungsphänomen rundet den Sammelband ab. Der Band richtet sich an Forscher: innen aus der Translationswissenschaft und verwandten Disziplinen. Er liefert einen Einblick in rezente zentrale Entwicklungen des Fachs und spiegelt die facettenreiche Themenvielfalt aktuellen translationswissenschaftlichen Schaffens. Kadrić / Kolb / Pöllabauer (Hrsg.) Translation als Gestaltung Translation als Gestaltung Mira Kadrić / Waltraud Kolb / Sonja Pöllabauer (Hrsg.) Beiträge für Klaus Kaindl zur translatorischen Theorie und Praxis