eJournals Colloquia Germanica 57/1

Colloquia Germanica
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0010-1338
Francke Verlag Tübingen
10.24053/CG-2024-0001
31
2024
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„Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“

31
2024
Christoph Weber
Mit der Veröffentlichung ihres Bestsellers Die Wolke (1987) wurde Gudrun Pausewang eine international anerkannte deutschsprachige Autorin. Den Jugendroman, der die Schreckensvision einer Reaktorexplosion auf bundesdeutschem Boden schildert, verfasste Pausewang kurz nach dem Tschernobyl-Reaktorunfall vom April 1986. Während sich die Forschungsliteratur umfassend mit dem Einfluss des Jugendromans auf die Antiatomkraftbewegung in Deutschland befasst hat, sind die vielfältigen intertextuellen Bezüge zwischen dem nuklearen Fallout und den Verheerungen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs noch keiner kritischen Analyse unterzogen worden. Pausewang zieht eine Analogie zwischen der Not der Strahlenopfer und den während der NS-Zeit begangenen Verbrechen, um ihre Forderung nach einem Atomausstieg zu untermauern. Darüber hinaus weist eine Vielzahl von Handlungselementen große Ähnlichkeit mit Pausewangs autobiografischen Erinnerungen an ihre Flucht aus Ostböhmen nach Westdeutschland im Jahr 1945 auf. Insoweit wiederspiegelt Die Wolke weniger die von der Tschernobyl-Katastrophe hervorgerufenen Ängste, sondern vielmehr die persönliche Auseinandersetzung der Autorin mit ihrer traumatischen Vergangenheit: ihre durch die Eltern sanktionierte Indoktrination in die NS-Ideologie und anschließende Vertreibung aus dem geliebten Elternhaus kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
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„Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ Der Fallout der nationalsozialistischen Vergangenheit in Gudrun Pausewangs Atomkatastrophenbuch Die Wolke (1987) Christoph Weber University of North Texas Abstract: Mit der Veröffentlichung ihres Bestsellers Die Wolke (1987) wurde Gudrun Pausewang eine international anerkannte deutschsprachige Autorin. Den Jugendroman, der die Schreckensvision einer Reaktorexplosion auf bundesdeutschem Boden schildert, verfasste Pausewang kurz nach dem Tschernobyl-Reaktorunfall vom April 1986. Während sich die Forschungsliteratur umfassend mit dem Einfluss des Jugendromans auf die Antiatomkraftbewegung in Deutschland befasst hat, sind die vielfältigen intertextuellen Bezüge zwischen dem nuklearen Fallout und den Verheerungen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs noch keiner kritischen Analyse unterzogen worden. Pausewang zieht eine Analogie zwischen der Not der Strahlenopfer und den während der NS-Zeit begangenen Verbrechen, um ihre Forderung nach einem Atomausstieg zu untermauern. Darüber hinaus weist eine Vielzahl von Handlungselementen große Ähnlichkeit mit Pausewangs autobiografischen Erinnerungen an ihre Flucht aus Ostböhmen nach Westdeutschland im Jahr 1945 auf. Insoweit wiederspiegelt Die Wolke weniger die von der Tschernobyl-Katastrophe hervorgerufenen Ängste, sondern vielmehr die persönliche Auseinandersetzung der Autorin mit ihrer traumatischen Vergangenheit: ihre durch die Eltern sanktionierte Indoktrination in die NS-Ideologie und anschließende Vertreibung aus dem geliebten Elternhaus kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Keywords: Tschernobyl, Nationalsozialismus, Trauma, Antiatomkraftbewegung 2 Christoph Weber Mit dem Tod von Gudrun Pausewang am 23. Januar 2020 ist die Stimme einer der bedeutendsten deutschsprachigen Kinder- und JugendbuchautorInnen verstummt. In den Nachrufen auf die mehrfach ausgezeichnete Autorin - im Jahr 2017 erhielt sie für ihr millionenfach verkauftes Lebenswerk den Deutschen Jugendliteraturpreis - wurde insbesondere ihr langjähriges Engagement für soziale Gerechtigkeit, Weltfrieden und Umweltschutz gewürdigt. Den größten Bekanntheitsgrad erreichte Pausewang für ihre in den achtziger Jahren erschienenen Atomkatastrophenbücher. In Die letzten Kinder von Schewenborn (1983) schildert der dreizehnjährige Erzähler Roland die grausame „Realität unserer Welt nach einem Atomschlag - strahlenverseucht, von Typhus, Hunger, Rattenplagen heimgesucht, ohne Gesetz, ohne Hoffnung, ohne Sinn“ (Hentig 63). Das Schreckensszenario eines nuklearen Super-GAUs auf deutschem Boden veranschaulichte Pausewang im Jugendbuch Die Wolke (1987), worin sie „die Eindrücke und die Bewegungen“ (Tebbutt, „Introduction“ 1), die der Tschernobyl-Reaktorunfall vom April 1986 in ihr verursacht hatte, verarbeitete. Die Leidensgeschichte der vierzehnjährigen Protagonistin Janna-Berta, die infolge einer Reaktorexplosion im bayrischen Atomraftwerk Grafenrheinfeld ihre Familie verliert und an Strahlenkrankheit erkrankt, entwickelte sich zu einem in dreizehn Sprachen übersetzen Beststeller. Beide Atomkatastrophenbücher sind seit ihrem Erscheinen beliebte Schullektüren geblieben und haben maßgeblich dazu beigetragen, die „Anti-Atomstimmung“ in Deutschland „zu verstärken“ ( Zeit Online ). Wie Bernd-A. Rusinek in seinem kulturgeschichtlichen Beitrag über die Angst der Deutschen vor der Atomkraft argumentiert hat, ist Die Wolke der „paradigmatische Atomangst-Roman“ (339). Insoweit ist es nicht verwunderlich, dass dem Jugendbuch nach dem Unfall im japanischen Kernkraftwerk Fukushima Daiichi am 11. März 2011 erneut Aufmerksamkeit geschenkt wurde: „A children’s book by author Gudrun Pausewang called ‚The Cloud‘ about a girl surviving in Germany after a massive nuclear accident, is back on the bestseller list“ (Crossland). Aufgrund der Frustration, „dass der Mensch offensichtlich aus seinen Fehlern nichts lernt“, sah sich Pausewang dazu veranlasst, ein zweites Warnbuch über „die industrielle Energiegewinnung aus Atomkraftwerken“ zu schreiben. ( Noch lange danach 125). Während der Schwerpunkt in Die Wolke auf der Katastrophe selbst liegt, behandelt das 2011 erschienene Buch Noch lange danach (2011) die über Jahrzehnte andauernden Folgeschäden eines Super-GAUs. Im Nachwort bringt Pausewang ihren unermüdlichen Aktivismus gegen die zivile Atomkraftnutzung konkret mit ihren Erinnerungen an die Zeit des Nationalsozialismus in Verbindung. Als Jugendliche, die 1929 geboren worden war, hatte sie nach dem Zweiten Weltkrieg allen Grund dazu, ihre Elterngeneration mit Vorwürfen zu bestürmen: „Warum habt ihr es dazu kommen lassen? Warum habt ihr denn nicht rechtzeitig etwas dagegen getan? “ „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 3 (123). Was darauf folgte, war keine Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld, sondern „verlogene Ausreden“ und „Schuldzuweisungen in alle Richtungen“ (123). Diese schmerzvolle Lebenserfahrung hat ihre Laufbahn als politisch engagierte Schriftstellerin dauerhaft bestimmt: „Ich möchte auf die drängenden Fragen meiner Nachkommen, auch jener, die mich persönlich gar nicht mehr werden kennenlernen können, einmal nicht mit einem stummen Achselzucken reagieren müssen“ (123). Susan Tebbutt hat sich mit Gudrun Pausewangs Werk im Kontext der problemorientierten Jugendliteratur seit den siebziger Jahren eingehend befasst (vgl. Pausewang ). In der Einführung der von ihr herausgegebenen Ausgabe von Die Wolke informiert sie über die Rezeption des Romans in Deutschland und dessen sozialkritischen Aspekte im Zusammenhang mit der Außerparlamentarischen Opposition (APO) in der Bundesrepublik: „Pausewang, writing at the end of the 1980s, reflects the general disquiet of all those opposed to nuclear power“ („Introduction“ 17). Die Teilnahme von Janna-Bertas Eltern an Protestmärschen gegen die zivile Nutzung von Atomkraft widerspiegelt den gewichtigen Einfluss, den die Bürgerinitiativen (wie z. B. der 1972 gegründete Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz [BBU]) in der politischen Sensibilisierung der Bundesbürger in Umweltfragen und demokratischen Bürgerrechten ausgeübt haben. Als Die Wolke 1988 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurde, führte dies zu einer Kontroverse, da der damalige Innenminister Friedrich Zimmermann und die Atomkraftlobby sich gegen die Prämierung des Preises wehrten (12). Im Brennpunkt der Debatte stand die Sorge, dass der Roman junge Leser dazu anstacheln könnte, die bestehende Gesellschaftsstruktur zu hinterfragen und anzugreifen: „Fears were voiced by the government that these young readers might not be able to differentiate between what the government felt to be left-wing, anti-establishment clichés and what in their view was a defensible pro-nuclear policy“ (13). Neben den Ausführungen über die soziopolitischen Zusammenhänge in Die Wolke betont Tebbutt auch den hohen Stellenwert von Pausewangs Erinnerungen an ihre Kindheitsjahre in Ostböhmen und die im Mai 1945 nach Westdeutschland begonnene Flucht in ihrem schriftstellerischen Schaffen. Zurecht weist sie darauf hin, dass die Autorin „many of the turmoils she has written about“ selbst erlebt habe (5) und es eine Überlappung zwischen „Pausewang’s own sudden flight and that of Janna-Berta in Die Wolke from her home in Schlitz“ gebe (8). Allerdings werden die in das Jugendbuch eingearbeiteten autobiografischen Textpassagen keiner weiteren kritischen Betrachtung unterzogen. Wie Hermann Vinke in seinem Porträt renommierter Zeitzeugen des Dritten Reiches konstatiert hat, habe neben Pausewang kaum eine andere SchriftstellerIn „sich so radikal und unsentimental mit den großen Themen der Nachkriegszeit“ auseinandergesetzt: „Flucht und Vertreibung gehören dazu, 4 Christoph Weber überhaupt die NS-Vergangenheit, die Risiken der Kernenergie […]“ (158). In der Forschungsliteratur ist die enge Verstrickung dieser Nachkriegsthemen mit Pausewangs autobiografischen Querverweisen in Die Wolke bislang nur ansatzweise untersucht worden (vgl. Murdoch 141-144). Wie ich in diesem Beitrag besprechen werde, fungiert die unmittelbar nach Kriegsende erfolgte Peripetie in Pausewangs Leben als der ausschlaggebende historische Bezugspunkt, wonach sich der gesamte Handlungsverlauf des Atomkatastrophenbuchs orientiert. Mithilfe der Buchserie, die Pausewang in rascher Abfolge über die Rosinkawiese, ihren ehemaligen Wohnsitz in Ostböhmen veröffentlicht hat, - Rosinkawiese (1980), Fern von der Rosinkawiese (1989), Geliebte Rosinkawiese (1990), Wie es den Leuten von der Rosinkawiese nach dem Krieg erging (1996) - lässt sich der autobiografisch-historische Subtext in Die Wolke umfassend rekonstruieren. Grundlegend ist, dass Pausewang die Erinnerungen an die Verheerungen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs reaktiviert, um der Schreckensvision eines Reaktorunfalls in der Bundesrepublik Deutschland zusätzliche affektive Durchschlagskraft zu verleihen. Mithin bringt sie das Elend der Strahlenopfer in Analogie zu den während der Nazizeit begangenen Verbrechen: soziale Ausgrenzung, Ghettoisierung, Sterilisierung, Vertreibung und Massenerschießungen. Entsprechend signifiziert das Atomkatastrophenbuch mehr als eine bloße Auseinandersetzung der Autorin mit dem Tschernobyl Super-GAU. Vielmehr figuriert das Reaktorunglück als Auslöser, der bei ihr den traumatischen Verlust ihrer böhmischen Heimat erneut wachgerufen hat. Wiederholt hat Pausewang darauf hingewiesen, sie habe vor der ersten Tschernobyl-Katastrophenmeldung nicht daran gedacht, ein Buch über die Gefahren der Atomkraft zu schreiben. Als aber die Medien über „die atomare Verstrahlung weiter Gebiete Europas“ berichteten, habe sie sich Gedanken darüber gemacht, was passieren würde, wenn dieselbe Reaktorkatastrophe in „unserer dicht besiedelten Bundesrepublik geschähe“ („Vorwort“ 4). Auf privater Ebene hätte dies zur Folge gehabt, dass sie wiederum von ihrem Wohnort entwurzelt und vertrieben worden wäre. Die Autorin hatte zu diesem Zeitpunkt genau wie Janna-Berta, die vor der radioaktiven Wolke fliehen muss, ihr Zuhause im hessischen Städtchen Schlitz. Gudrun Pausewang situiert den Beginn ihrer Karriere als politisch engagierte Schriftstellerin in ihre Lehrtätigkeit in den Jahren 1956-1963 an deutschen Schulen in Chile und Venezuela (vgl. Jahnke 26-33). Die grandiosen Landschaften Südamerikas, die andersartige Mentalität der Lateinamerikaner und der Kontakt mit den ärmeren Bevölkerungsschichten hätten bei ihr „eine Art Schock“ ausgelöst („Vogel“ 11). Bis zu diesem Zeitpunkt, so gibt sie zu bekennen, habe sie „gelähmt von der Erkenntnis,“ in ihrer Jugendzeit „vom Naziregime skrupellos benutzt worden zu sein, politische Abstinenz geübt“ (12). Pausewangs Südame- „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 5 rikaaufenthalt geht jedoch einem Lebensabschnitt voraus, der ihr Denken und Schreiben gleichermaßen, wenn nicht gar stärker geprägt hat. Die Erinnerungen an ihre Kinder- und Jugendjahre auf der Rosinkawiese in Ostböhmen konstituieren einen übergreifenden Dreh- und Angelpunkt in ihrer Schriftstellerkarriere. Dieser sprichwörtliche locus amoenus, der ihr ermöglicht hatte, „in einem heute fast paradiesisch anmutenden Einklang mit der Natur“ aufzuwachsen, ging durch das 1945 erfolgte Kriegsende abrupt verloren (10). Für die damals siebzehnjährige Gudrun stellte der Zusammenbruch der NS-Diktatur und die darauffolgende Flucht aus Ostböhmen eine traumatisierende Lebenszäsur dar. Die „von Menschen gemachten Katastrophen“ - Pausewang meint diesbezüglich vornehmlich den „Nationalsozialismus, die Vertreibungen, de[n] Verlust der Heimat, de[n] Krieg“ - hätten bei ihr „schmerzhafte Wunden“ gerissen, die sie erst Jahrzehnte später versprachlichen konnte: „Eine Vernarbung kostet Zeit, dauert Jahre. Das spürte ich in meinem Leben auch: Ich hätte nicht schon 1950 über den Nationalsozialismus oder die Vertreibung schreiben können! “ (Vinke 163). Erst nach der 1972 erfolgten Rückkehr aus Südamerika in die Bundesrepublik begann Pausewang mit der Aufarbeitung ihrer verlorenen Kindheit. 1978 erschien das Jugendbuch Auf einem langen Weg , in dem sie ihre auf der Flucht widerfahrenen Erlebnisse fiktionalisiert als Abenteuergeschichte zweier Brüder wiedergab. Parallel dazu arbeitete sie im Winter 1978/ 79 an ihrem Bericht Rosinkawiese . In einer fiktiven Briefreihe an einen jungen Adressaten schildert Pausewangs Mutter Elfriede Müller-Pausewang, wie sie und ihr Ehemann Siegfried Pausewang in den zwanziger Jahren auf der Rosinkawiese, einem zwei Hektar großen Grundstück außerhalb des ostböhmischen Dorfes Wichstadtl, einen autarken bzw. alternativen Lebensstil verwirklichen wollten, der sich in seinen Grundzügen an die Weltanschauung der Wandervogelbewegung orientiert hatte. Das frisch vermählte Ehepaar beabsichtigte in Auflehnung gegen die „Verlogenheit“ und „falsche Fassade des Bürgertums“ ( Rosinkawiese 11) auf der Rosinkawiese eine naturnahe Existenz aufzubauen, „unfruchtbares Land in fruchtbares umzuwandeln - zu siedeln “ (18). Die Urbarmachung des versumpften Grundstückes erwies sich jedoch als kostspielig und verlangte der Familie harte Arbeit ab. Trotz der finanziellen Engpässe ihrer Eltern erlebte Gudrun Pausewang auf der Rosinkawiese eine glückliche Kindheit. Das spartanische Landleben sei für sie und ihre fünf Geschwister eine geradezu ideale Lebensschule gewesen: Meine Geschwister und ich haben auf der Rosinkawiese gelernt, ohne Komfort auskommen zu können, wir haben gelernt, in Notsituationen nicht den Kopf zu verlieren, sondern nach einem Ausweg zu suchen und durchzuhalten, zu improvisieren, unsere Ansprüche auf ein Mindestmaß herunterzuschrauben. Wir haben gelernt, denen, die mehr als wir besaßen ohne Neid zu begegnen. Wir sind ausgerichtet worden auf 6 Christoph Weber gegenseitige Hilfe, auf Selbstbeherrschung, auf Zielstrebigkeit und Zähigkeit. Uns wurden vor allem zwei Fähigkeiten vermittelt, die in der heutigen Pädagogik ziemlich außer Mode sind: sich zu etwas, das einem schwer fällt oder unangenehm ist, zu überwinden - und seine Pflicht zu tun. (133—34) Angesichts der Aussteigerwelle in den siebziger Jahren — „‚Zurück zur Natur‘ war das Motto: Junge Leute aus den Großstädten siedelten sich auf dem Land an“ — schien die auf der Rosinkawiese geführte Lebensweise wieder im Trend zu liegen ( Geliebte Rosinkawiese 28). Gudrun Pausewang erklärt die erneute Aktualität des elterlichen Alternativlebens mit der Schlussfolgerung, dass „wir“ manche Fähigkeiten, die zum Rosinkawiesen-Stil gehört haben, „wieder pflegen ! — im Hinblick auf eine Zukunft, die voraussichtlich uns und unseren Nachkommen Genügsamkeit, Durchhaltevermögen und Improvisationstalent abverlangen wird“ ( Rosinkawiese 142). Die postulierte Notwendigkeit, sich auf Tugenden zurückzubesinnen, die dem Menschen Selbstüberwindung, Enthaltsamkeit und Widerstandsfähigkeit abverlangen, zeugt von der negativen Haltung der Autorin gegenüber der bundesdeutschen Wohlstandsgesellschaft. Im Gleichschritt mit der antibürgerlichen Gesinnung ihrer Eltern war Pausewang der Überzeugung verhaftet, dass sich ihre Generation durch die Vermehrung von Konsumgütern statt des Bewahrens immaterieller Werte eine große Schuld aufgebürdet hat. In dem ihrem Sohn gewidmeten Buch Was ich dir noch sagen wollte (1993) verdeutlicht Pausewang ihren Pessimismus über die Zukunftsaussichten der Jugend in Deutschland und in der Welt allgemein. Am Ende des 20. Jahrhunderts sei der Zenit des mitteleuropäischen Lebensstandards überschritten worden und von nun an könne es nur noch bergab gehen: Eure Generation wird materiell ärmer sein als unsrige es - noch - ist. […] Es ist bekannt, was alles auf euch und eure Kinder und Enkel zukommt. Davon ist vieles schon verdammt gewiß —wie etwa das Waldsterben, die Klimaaufheizung, die Ozonlöcher, das Absinken des Grundwassers, die Völkerwanderungen in Richtung der reichen Nationen, zu der auch die unsrige — noch — gehört. (10—11) Die Mitschuld an den drohenden Kollaps trägt vorwiegend die Zeitzeugengeneration des Nationalsozialismus, die sich nach Kriegsende 1945 emporgearbeitet und die gegenwärtige Überflussgesellschaft mitbegründet hat: Wie sah denn das Leben von uns Alten aus? In den Dreißigern ging’s uns Kindern gut. Der Staat hätschelte uns. In den Vierzigern kam der Absturz. Von da ab ging’s langsam, aber stetig wieder bergauf. […] Die Fünfziger gaben uns wieder festen Boden unter die Füße. In den Sechzigern fanden wir das Leben berauschend […]. Das Wirtschaftswunder blühte. Wir räkelten uns in einer Schönwetterdemokratie. Stolz entledigten wir uns unserer Minderwertigkeitskomplexe: Wir Deutschen waren wieder „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 7 wer! Aber in den Siebzigern ernüchterte uns der Zustand unserer Umwelt. […] Das Heben unseres Lebensstandards, das Mehren unseres materiellen Besitzes kann nur auf Kosten anderer Bewohner unseres Planeten stattfinden, die eines Tages — vermutlich bald —Gerechtigkeit fordern werden. In den Achtzigern gedieh der sogenannte Kalte Krieg. Man pflegte die Strategie der Abschreckung. […] Unsere Gesellschaft — von Ausnahmen abgesehen — wurde zunehmend rücksichtloser und egoistischer. Auch die Euphorie der deutschen Vereinigung erstickte in unserer Ichsucht. Was unsere zwischenmenschlichen Beziehungen betrifft, kann’s kaum mehr schlimmer werden. Man braucht nur an Mölln, Rostock oder Hoyerswerda zu denken. (11—13) Die am Zitatende erwähnte Serie rechtsextremer Gewaltausschreitungen gegen Flüchtlinge und Migranten zwischen 1990 und 1992 deutet Pausewang als ein Warnzeichen, dass Deutschland erneut in eine faschistische Diktatur hineinschlittern wird. 1 Pausewangs Rundumschlag, der sich vorwiegend gegen den egoistischen Materialismus der Eltern- und Großelterngeneration richtet, verfehlt jedoch den eigentlichen Kern des Schuldbekenntnisses. Hinter dem kollektiven „wir“ der Deutschen verbergen sich vielmehr Schuldkomplexe, die von ihrer eigenen Familiengeschichte herrühren. Ein gewichtiger Anhaltspunkt ist der Vermerk, dass es „uns Kindern“ dank der erhaltenen Staatshilfe in den Dreißigern gut gegangen und in den Vierzigern es dann zum Absturz gekommen sei. Pausewangs einseitige Darstellung der Auswirkungen der nationalsozialistischen Familienpolitik — die Diskriminierung und Verfolgung der als rassisch minderwertig klassifizierten Menschen, die nicht zum „uns“ der NS-Volksgemeinschaft gehörten, blendet sie gänzlich aus — rührt von ihren Kindheitserfahrungen in Ostböhmen her. Aufgrund seines politischen Engagements für die Sudetendeutsche Partei (SDP) musste ihr Vater 1937 die Rosinkawiese fluchtartig verlassen, um einer Verhaftung von Seiten der tschechischen Behörden zu entgehen (Wilke 20). Die Familie folgte ihm nach Breslau und daraufhin nach Festenberg in Niederschlesien, bis sie im Dezember 1938 wieder in das inzwischen dem Reichsdeutschland angegliederte Sudetenland zurückkehren konnte. Für die Eltern, die überzeugte Parteimitglieder der NSDAP gewesen waren, brach eine glorreiche Zeit an: „Von nun an konnten wir gelöst und unbesorgt unsere immer schöner werdende Rosinkawiese genießen“ ( Rosinkawiese 114). Nicht nur fand ihr Vater als „Wirtschaftsberater bei der Kreisbauernschaft“ eine feste und gut bezahlte Anstellung (114), sondern die kinderreiche Familie erhielt auch „hohe Kindergelder und Stipendien,“ die „höhere Schule für die Älteste [Gudrun Pausewang]“ ließ sich finanzieren und für die Mutter war es „dank dem Führer“ möglich, sich eine Haushaltshilfe zu leisten ( Rotwengel-Saga 313). Durch den Zusammenbruch des Dritten Reiches — „in den Vierzigern kam der Absturz“ — wurde die breit- 8 Christoph Weber willig akzeptierte NS-Doktrin, einer Volksgemeinschaft anzugehören, die dazu auserwählt war, über andere Menschen und Nationen zu herrschen, als verbrecherisches Wahngebilde entlarvt. Für die Pausewangs brachte das Kriegsende statt der Befreiung vom tyrannischen Joch der NS-Diktatur die Vertreibung aus dem Paradies, der heilen Welt der Rosinkawiese, mit sich. Der Verlust des privilegierten Herrenmenschenstatus und der angestammten Heimat hinterließ in Gudrun Pausewangs Lebens- und Denkart unauslöschliche Spuren. In dem ebenfalls an den Sohn gerichteten Nachwort von ihrer Autobiografie Fern von der Rosinkawiese entschuldigt sie sich dafür, dass ihre Verhaltensnormen nicht der gegenwärtigen Gesellschaft entsprechen und „auf viele Zeitgenossen vielleicht sogar lächerlich, altmodisch“ wirken müssen: „‚Vertriebenenmentalität‘ nennt man das spöttisch“ (197). Bezeichnend ist, dass diese allseits mokierte Vertriebenenmentalität sich markant mit dem alternativen Lebensstil der Rosinkawiese überlappt. Auch damals fühlte sich Pausewang von der Außenwelt missverstanden, was sie zur unreflektierten Bemerkung verleitet hat, dass ihre Familie in Ostböhmen ein „Getto-Dasein“ geführt habe: „Den Dörflern war unsere Art zu leben unbegreiflich, und zu den Idealen meiner Eltern hatten sie nicht den geringsten Zugang“ („Vogel“ 10). Der freiwillige Verzicht auf bürgerlichen Besitz und Komfort habe sie und ihre Geschwister darauf vorbereitet, die auf dem „Quer-durch-Deutschland-Gewaltmarsch“ widerfahrenen Strapazen zu meistern ( Fern von der Rosinkawiese 196): „Das, was wir in unserer Kindheit gelernt hatten, kam uns während des langen Fußmarsches nach dem Westen und der weiteren Nachkriegsjahre sehr zustatten: […] Wir litten nicht so sehr wie die meisten Kriegsopfer unter den Entbehrungen jeglicher Art, nahmen die Armut gelassen hin und nutzten jede Gelegenheit, wieder Boden unter die Füße zu bekommen“ ( Rosinkawiese 142). Daraus begründet sich Pausewangs Verklärung des auf der Rosinkawiese praktizierten Lebensstils, wobei sich die Frage stellt, ob sie die überlebensnotwendigen Fähigkeiten — „Genügsamkeit, Durchhaltevermögen und Improvisationstalent“ — wirklich in der idealen Lebensschule der Rosinkawiese erlernt hat oder diese sich nicht erst während der Fluchterfahrung in ihr verfestigt haben. Trotz der „Abhärtung, die wir daheim genossen haben“ (142), hätte die monatelange Bewährungsprobe ebenso in einer Katastrophe enden können. Die in mancher Hinsicht drakonischen Erziehungsmethoden haben erst nachträglich durch den überstandenen Exodus ihren affirmativen Sinn erhalten. Aus diesem Grund beharrt Pausewang auf die Kontinuität der idiosynkratischen Gesinnung ihrer Eltern und bleibt ihr lebenslang verhaftet. Flucht und Vertreibung konnten den von der Lebensreform- und Wandervogelbewegung ausgegangen Ruf nach einem einfachen, naturverbundenen Leben nicht zum Verstummen bringen. Etwaige Verbindungen zum Gedankengut des Nationalsozialismus kontert Pausewang „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 9 mit dem Einwand ihrer Mutter, der Wandervogel sei in seinen Zielsetzungen apolitisch gewesen (vgl. Rosinkawiese 11). 2 Die implizierte Grundposition, einer ethisch verantwortungsbewussteren Minderheit anzugehören, die sich vom unzeitgemäßen „Rosinkawiesen-Stil“ bzw. von der „Vertriebenenmentalität“ leiten lässt, verdeutlicht sich in Pausewangs Aussage, dass in den Nachkriegsjahren weder sie noch ihre Geschwister, „die hemmungs- und skrupellose Konsumgier unserer Überfluß- und Wegwerfgesellschaft“ übernommen haben ( Fern von der Rosinkawiese 197). Das „wir“ beschränkt sich diesmal ausschließlich auf ihre Familienmitglieder, die durch die harte Schule der Rosinkawiese gegangen sind. Demgegenüber scheint der Großteil der Deutschen, die in ihrer Kinder- und Jugendzeit ebenfalls den Schrecknissen des Zweiten Weltkriegs ausgesetzt waren, nichts gelernt zu haben. Obwohl Pausewang sich nicht zum „wir“ der Überflussgesellschaft zählt, gibt sie sich und ihrer Generation die Schuld daran, dass sich heutzutage Katastrophen ereignen können, die „die Existenz der gesamten Menschheit bedrohen“ (198). Die Ursache dazu sei in der irregeleiteten Gleichsetzung von Besitz und Sicherheit zu verorten: „Besitz — als Voraussetzung für Ansehen und Bequemlichkeit — bedeutet uns alles“ (198). Ähnlich wie mit dem Tief der Kriegs- und Nachkriegszeit beurteilt sie das Hoch des gegenwärtigen mitteleuropäischen Lebensstandards als einen abnormalen Zustand. Die Wohlstandskurve bewege sich „bei uns“ nur deshalb in schwindelnder Höhe, „weil sie anderswo auf unserem Planeten — in der Dritten Welt und in Kriegsgebieten — in erschreckenden Tiefen verläuft. Denn uns es geht gut auf Kosten anderer. Das ‚Normale‘ liegt wohl dazwischen“ (197—98). Hinsichtlich Pausewangs Postulat einer bevorstehenden, quasi-apokalyptischen Abrechnung der begangenen Sünden — wie sie für ihre Familie anno 1945 eingetroffen ist — muss der nach Kriegsende erfolgte materielle (ergo schuldbehaftete) Aufschwung unweigerlich in einem erneuten Untergang münden, den die Autorin in Die Wolke markant veranschaulicht hat. Bernd-A. Rusinek hat darauf hingewiesen, dass „das Angst-Arrangement“ von Die Wolke durch „zwei historisch-intertextuelle Überblendungsverfahren“ intensiviert werde (340). Einerseits folge Janna-Bertas Intention am Romanende, in die Sperrzone 3 zurückzukehren, um ihren auf der Flucht tödlich verunfallten Bruder Uli zu begraben, „der Blaupause der antiken Tragödie der Antigone “ (340). Andererseits bringe die Autorin den Super-GAU des Reaktorunfalls mit Bezügen zur Geschichte Deutschlands während des Zweiten Weltkriegs in Verbindung, insofern das Lager und die Deportationspraxis des NS-Staates […] als Bildreservoir zur atmosphärischen Beschreibung der atomaren Verwüstung und ihren sozialen Folgen herangezogen werden. Pausewang evoziert die traumatische Erfahrung, die für viele Deutsche mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verbunden 10 Christoph Weber war, um im Medium emotionaler Mobilisierung gegen die apokalyptische Gefahr der friedlichen Kernnutzung anzuschreiben. (339—340) Da die von Rusinek herausgestrichenen historischen Bezüge einen gewichtigen Subtext im Handlungsverlauf des Atomkatastrophenbuchs ausmachen, bedürfen sie einer eingehenderen Analyse. Vorab ist festzuhalten, dass die Behauptung, Pausewang habe ein auf den Holocaust verweisendes Bildreservoir — „das Lager und die Deportationspraxis des NS-Staates“ — verwendet, bei genauerem Hinsehen nur bedingt zutreffend ist. Rusinek mag die Textpassage gemeint haben, in der Janna-Berta bei ihrem Aufenthalt in Hamburg mit der Unterbringung von Flüchtlingen in abgeschotteten Unterkünften konfrontiert wird: Sie kam an einer ehemaligen Lagerhalle und an einem Kino vorbei. Beide Gebäude waren mit Flüchtlingen und Evakuierten belegt. Auch die Turnhalle der Schule diente als Flüchtlingsunterkunft. Zwischen dem Schulhof und der Turnhalle war ein Bretterzaun errichtet worden. Janna-Berta spähte manchmal durch seine Ritzen. Sie sah Kinder spielen. Erwachsene lehnten an der Turnhallenwand oder saßen auf improvisierten Bänken in der Sonne. Ihre Kleidung wirkte ungepflegt. […] Viele von ihnen sahen krank oder erschöpft aus. Nur wenige Kahlköpfe waren zu sehen, fast alles Männer. Aber manche Frauen trugen Kopftücher, und viele Kinder hatten Mützen auf - mitten im Sommer. Flüchtlingskinder, die am Zaun hochkletterten und neugierig das Treiben auf dem Schulhof beobachteten, scheuchte der Hausmeister hinunter. ( Wolke 133) Die Isolation der kahlköpfigen Strahlengeschädigten in improvisierten Lagern weckt Assoziationen mit der Ghettoisierung und Deportation der Juden in die Konzentrationslager. Allerdings soll sich das wiederholt verwendete Nomen „Flüchtling“ nicht auf die systematische Verfolgung jüdischer Mitbürger im Dritten Reich beziehen. Vielmehr verknüpft Pausewang das Schicksal der „Hibakusha“, der Überlebenden der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, mit demjenigen der Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein aus Bamberg geflohener Mitschüler erzählt Janna-Berta davon, dass die Flüchtlinge aus den Ostgebieten „genauso ungern gesehen waren“, obschon sie nicht gestrahlt hatten: „Meine schlesische Großmutter hat immer davon erzählt. Wer noch mal davongekommen ist, mag sich nicht dauernd daran erinnern lassen, dass andere weniger Glück hatten. Dass sie auf Hilfe angewiesen sind. Und ein Recht auf Hilfe haben! “ (132). Janna-Berta vernimmt weiterhin, dass im Bundestag über eine „‚Geschädigtenrente‘“ für diejenigen beraten werde, „‚die jetzt ganz auf dem Trockenen sitzen‘“ (134). Die in Die Wolke erwähnte Debatte der Bundesregierung über mögliche Hilfeleistungen für die Flüchtlinge erinnert an das im Jahr 1952 verabschiedete Las- „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 11 tenausgleichsgesetz: „Diejenigen Deutschen, die das Glück gehabt hatten, ihren Hausrat, ihren Schmuck und vor allem ihren Haus- und Grundbesitz durch Kriegseinflüsse nicht zu verlieren, sollten zugunsten der Bombengeschädigten, Flüchtlinge und Heimatvertriebenen zur Kasse gebeten werden“ (Wie es den Leuten 114). Trotz parteiübergreifender Solidaritätsbekenntnisse und der von der Bundesregierung freigestellten Gelder hat sich Gudrun Pausewang mehrmals kritisch über den gesellschaftlichen Status der Heimatvertriebenen in der Bundesrepublik geäußert. 3 Auch wenn der Verlust der Heimat für sie und andere Flüchtlinge durchaus positive Folgen gehabt hatte, gehörte man „nun in Deutschland zu der unteren Gesellschaftsschicht, der Schicht der ‚ Habenichtse ‘, der ‚ Hergelaufenen ‘, der ‚ Bittschöner ‘ “ (Vinke 160). Überdies hat die Autorin die Meinung vertreten, dass die Heimatvertriebenen nach Kriegsende einen schwereren Stand als die Bombengeschädigten gehabt hätten. Dementsprechend sei das in Die Wolke dargestellte Szenario einer sich nach dem Super-GAU herausbildenden Zwei-Klassen-Gesellschaft als realistisch zu betrachten: Ich schreibe ja nicht aus purer Fantasie, sondern habe ähnliche Zeiten noch ganz bewusst miterlebt. Unmittelbar nach dem Krieg, als die Flüchtlinge und die Vertriebenen in die Regionen kamen, wo sie nun untergebracht werden sollten, gab es auch ein Zwei-Klassen-System. Da waren die Alteingesessenen, die zwar auch Verwandte verloren hatten durch den Krieg. Vielleicht waren sie auch ausgebombt, aber insgesamt haben sie doch das bessere Los gezogen gegenüber den Ausgewiesenen zum Beispiel aus dem Sudetenland oder aus Schlesien, die gar nichts mehr hatten. („Ich möchte warnen“) Obgleich die Vertreibung der Deutschen aus Ostmitteleuropa den Großteil der historischen Bezüge in Die Wolke ausmacht, werden die vom NS-Regime begangenen Verbrechen an einer Stelle ausdrücklich erwähnt. Während Janna-Berta bei ihrer gutbürgerlichen Tante Helga in Hamburg ein unglückliches Dasein fristet, erhält sie Besuch von ihrer strahlengeschädigten Tante Almut Sommerfeld, die in Wiesbaden-Bierstadt einen zeitweiligen Zufluchtsort gefunden hat. Beim Abendessen kommt es zwischen Almut und Onkel Friemel, einem ebenfalls in Hamburg gestrandeten Verwandten, der sich im Gegensatz zu ihr um „sein Hab und Gut“ besorgt ist und nichts von den Gefahren der Atomkraft gewusst haben will, zu einem heftigen Streit, in dem sie sich und die „Hibakusha“ ex post facto auf gleiche Höhe mit den Opfern des Nationalsozialismus setzt ( Die Wolke 149). Hätte sich ein vergleichbarer Super-GAU im Dritten Reich ereignet, wären sie alle in die Gaskammern getrieben worden: „‚Hitler hätte uns vergast. Mit unseren verpfuschten Genen‘“ (150). Insofern gemahnt das Schicksal der Verstrahlten nicht nur an die durchlebten Ängste und Nöte der Heimatvertriebenen. Mit dem unverkennbaren Rückgriff auf das Euthanasieprogramm 12 Christoph Weber der Nationalsozialisten wird die Leidenserfahrung der Hibakusha zusätzlich mit der systematischen Verfolgung (und Ermordung) der im Dritten Reich als „erbkrank“ und „rassisch minderwertig“ klassifizierten Menschen gegenübergestellt, denen im Unterschied zu den deutschen Heimatvertriebenen jedoch nicht der Makel anhaftet, von einer verbrecherischen Rassen- und Lebensraumideologie profitiert zu haben. Der nukleare Fallout hat Janna-Berta und Almut nicht nur aus deren Wohnsitz vertrieben, sondern hindert sich auch daran (was für sie weit verheerendere Auswirkungen haben wird), gesunde Kinder zu gebären. Weil letztere auf ihrer Flucht zu viel Strahlung abbekommen hatte, trieb sie auf Drängen der Behörden ihr ungeborenes Kind ab. Janna-Berta hingegen muss sich als verstrahltes, sprich „erbgeschädigtes“ Mädchen von ihrem Wunsch, Mutter zu werden, — „‚Und ich wollte Kinder haben‘“ (159) — verabschieden. Mithin gehören die beiden wie auch die beim Reaktorunglück umgekommenen Eltern von Janna-Berta, die aktiven Widerstand gegen die zivile Nutzung der Kernenergie geleistet haben, zu den schuldlosen Katastrophenopfern. Auf die traumatischen Erfahrungen der Bundesbürger reagiert die postkatastrophische Gesellschaft in Die Wolke mit Vergessen und Verdrängen; ein Tatbestand, der in einem analogen Verhältnis zu der fortwährenden Debatte um die deutsche Schuld und die deutschen Opfer des Zweiten Weltkriegs steht. 4 Almuts Anklage gegen die zunehmende Ausgrenzung der Verstrahlten bringt dies auf den Punkt: „‚Wir Überlebenden aus dem Katastrophengebiet […] werden über kurz oder lang eine eigene Klasse in der Gesellschaft werden: die Klasse der kränklichen Habenichtse. Uneffektiv für die Wirtschaft und vor allem nichts zum Vorzeigen. Außerdem unbequem: Wir erzeugen Schuldgefühle und hindern am Vergessen und Verdrängen‘“ (150). So wie bei den Holocaustüberlebenden, deren Zeugenschaft die im geteilten Nachkriegsdeutschland geäußerte Schutzbehauptung, man habe über die Verfolgung und Ermordung der Juden nichts gewusst, konterkariert hat, werden die Hibakusha — „die Aussätzigen des zwanzigsten Jahrhunderts“ (150) — über Generationen unbequeme Fragen über die Mitschuld an die Reaktorkatastrophe provozieren. Darüber hinaus impliziert Almuts Vereinnahmung der in den Gaskammern ermordeten Menschen, dass die Strahlengeschädigten genau wie die Holocaustopfer eine universelle Anerkennung und Wiedergutmachung der an ihnen begangenen Verbrechen verdient hätten. Bezeichnenderweise ließ sich Gudrun Pausewang auf ihrer Flucht durch die von der Sowjetarmee besetze Ostzone zur Bemerkung hinreißen, die befreiten KZ-Häftlinge und Juden seien besser behandelt worden als die deutschen Heimatvertriebenen: „Wer in KZ-Kleidung oder mit dem Judenstern über die Landstraßen wanderte, wurde von den Russen und Polen mit großer Hochachtung behandelt und konnte überall mit Unterstützung rechnen“ ( Fern von der Rosinkawiese 107). 5 Derselbe Gesichtspunkt wird in ihrem Jugendbuch Auf „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 13 einem langen Weg geäußert, nachdem die Rotarmisten im Mai 1945 in eine nicht namentlich genannte Ortschaft in Schlesien oder Nordböhmen einmarschiert waren: „‚Die [KZler] sind immer noch am besten dran […]. Niemand wagt ihnen was abzuschlagen, nach all dem, was sie durchgemacht haben. […] Jetzt sind sie frei: Juden und solche, die nicht alles mitmachen wollten, was Hitler befohlen hat‘“ (104). Hinsichtlich des hohen Stellenwerts der historischen Bezüge in Die Wolke stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß Gudrun Pausewang die Schreckensvision eines Super-GAUs in der Bundesrepublik mit den Erinnerungen an ihre Vertreibung aus Ostböhmen angereichert hat. Soll durch die wiederholten Fingerzeige auf das Schicksal der Heimatvertriebenen den Lesern ein gesellschaftsübergreifender Referenzpunkt verschafft werden, anhand dessen der drohende Verlust des eigenen Zuhauses sich realiter nachvollziehen lässt? Die Zeitzeugengeneration der Großeltern musste am eigenen Leib erfahren, was für ein Elend die millionenfache Flucht der deutschen Heimatvertriebenen vor und nach dem Kriegsende mit sich geführt hatte. Demnach besteht die Dringlichkeit für einen sofortigen Atomausstieg, um einen vergleichbaren Massenexodus in der Zukunft zu verhindern. Oder liegt Pausewangs eigentlicher Grund für die „historisch-textuellen Überblendungsverfahren“ (Rusinek 340) in der schrittweisen Abarbeitung traumatischer Lebenserfahrungen? In diesem Zusammenhang ist zu vermerken, dass sowohl in der Filmfassung aus dem Jahr 2006 wie auch in der 2010 erschienene Manga-Adaption von Die Wolke der historische Subtext des Zweiten Weltkriegs ausgeklammert wird. So lässt sich die Schreckensvision eines Reaktorunfalls ausschließlich mit Janna-Bertas Leidensgeschichte publikumswirksam kommunizieren. Mit dem Wegfallen der historischen Bezüge geht jedoch die wesentliche Pointe verloren, dass es sich hier um einen Roman handelt, in der die Autorin explizit ihre persönlichen Ängste und Hoffnungen zur Schau stellt. Wie ich unten besprechen werde, erweisen sich die autobiografischen Einschlüsse im Text als weitläufiger als die bereits erwähnte Überschneidung von Janna-Bertas und Gudrun Pausewangs Wohnsitz. Die aus dem heiteren Himmel hereinbrechende Reaktorkatastrophe in Die Wolke weist augenfällige Parallelen mit Pausewangs Berichterstattung über die folgenschwere Lebenszäsur auf, die sich 1945 bei den Pfingstfeierlichkeiten nach Kriegsende ereignet hatte. In der Autobiografie Fern von der Rosinkawiese beschreibt sie die Pfingsttage vom 19. bis zum 21. Mai auf euphorische Weise. Kaum habe sie je so einen wunderschönen Frühling erlebt wie damals: „Wie immer zu Pfingsten, stellten wir Sträuße mit jungem Birkenlaub in die Wohnung. Wir hatten überlebt. Wir waren noch alle beisammen und hatten ein Zuhause: Grund genug zum Feiern“ (59). Das idyllische Pfingstwochenende auf der Rosinkawiese — „drei Tage zum Atemholen, drei friedliche Tage“ — 14 Christoph Weber wurde jedoch durch drei Frauen, die zusammen mit ihren Kindern von ihrem schlesischen Gut vertrieben worden waren, empfindlich gestört (59). Nur zwei Kilometer entfernt hatten russische Soldaten sie und das älteste der Kinder, ein sechzehnjähriges Mädchen, vergewaltigt. Trotz des Verbots der tschechischen Behörden bot Elfriede Pausewang den Flüchtlingen sofortige Hilfe an. Für Gudrun wurde die Konfrontation mit den Vergewaltigungsopfern zu einem verstörenden Erlebnis: „Vor der Ankunft dieser Frauen war ich noch ein Kind gewesen […]. Nicht die Begegnung mit den Russen hatte mich aus meiner Kindheit geweckt. Der Anblick dieser Frauen war es, der mich in das Erwachsensein hinausschleuderte“ (60). Tags darauf am 22. Mai erfolgte mit der Hinrichtung zehn deutscher Männer in Wichstadtl durch ehemalige tschechische Partisanen der nächste Schicksalsschlag. Auf der von den Tschechen erstellten Todesliste stand auch irrtümlicherweise der Name von Pausewangs Vater, der sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hatte und am 22. Februar 1943 in der Ukraine gefallen war. Für die Mutter war nach dem Massaker klar, dass sie und ihre Kinder unter tschechischer Herrschaft keine Zukunftsaussichten hatten: „So sehr sie die Rosinkawiese liebte, die ja ihr Lebenswerk war, […] so klar war ihr geworden, daß in einer neu entstehenden Tschechoslowakei die Kinder eines den Tschechen verhaßten Deutschen keine Chance haben würden“ ( Wie es den Leuten 17). Am 28. Mai machte sich die siebenköpfige Familie mit einem Handwagen auf den Weg nach Winsen, eine achthundert Kilometer entfernte, nahe bei Hamburg-Harburg gelegene Ortschaft, wo sich Elfriede bei ihrer Schwester eine Notunterkunft im Westen zu finden erhoffte. Als die Pausewangs Anfang November 1945 den Zielort der Flucht erreichten, stellte sich jedoch heraus, dass Tante Hildes Wohnung viel zu klein war und aufgrund der akuten Wohnungsnot in Winsen mussten sie in einer winzigen Dachkammer einen qualvollen Winter durchleben. Neben Nahrungsmangel und Krankheiten litten die Kinder an den „noch unbewältigten Eindrücken“ der Flucht: „Gefühle der Angst, der Ohnmacht, des Ungeborgenseins quälten sie“ (24). Ein erster Lichtblick erfolgte, als Gudrun Pausewang im Mai 1946 zu ihrer in Wiesbaden lebenden Großmutter ziehen durfte, um dort ihren Abiturabschluss zu machen. Die übrigen Familienmitglieder folgten ihr im April 1947. Für die Pausewangs bedeutete der Umzug nach Wiesbaden eine „deutliche Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse“ (34). Ein Pachtgrundstück auf dem Bierstädter Berg erlaubte es der Mutter, wieder Gemüse anzubauen, und die Kinder konnten sich wie früher auf der Rosinkawiese im Freien bewegen: „Die Großen halfen ihr, die Kleinen tollten auf dem herrlichen Spielgelände herum. Denn gleich neben dem Garten ragte der alte, dicke Wartturm mitten aus einem Wäldchen riesiger Kastanien“ (46). In Die Wolke findet der Super-GAU in demselben Monat - „in zwei Wochen war Pfingsten“ - an einem sonnigen Frühlingstag statt: „Wenn Janna-Berta aus „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 15 dem Fenster schaute, sah sie die jungen Birkenblätter in der Sonne glitzern. […] Der Himmel war tiefblau. Nur vereinzelte Wolken, weiß und leicht wie Watte trieben über ihn hin. Für einen Maimorgen war es außergewöhnlich warm. Die Sicht war klar. Plötzlich heulte die Sirene“ (13). Wie die für die Pfingstfeier zusammengesteckten „Sträuße mit jungem Birkenlaub“ versinnbildlichen die „jungen Birkenblätter in der Sonne“ das Aufkeimen neuen Lebens. Die in beiden Texten vorangestellte pastorale Idylle, die durch eine unerhörte Begebenheit zunichte gemacht wird, konstituiert ein verankertes Stereotyp in Katastrophennarrativen (vgl. Weber 22). Beim letzten Telefonat mit ihrer Mutter erhält Janna-Berta die Anweisung, sich mit ihrem Bruder Uli sofort zu ihrer in Hamburg lebenden Tante Helga zu begeben. Sowohl der Name wie auch der Wohnort der Tante ist beinahe deckungsgleich mit der Zieldestination von Pausewangs Flucht aus Ostböhmen. Auf dem Weg von Schlitz nach Bad Hersfeld, wo Janna-Berta den Zug nach Hamburg zu nehmen beabsichtigt, kommt es zum tragischen Unfalltod ihres Bruders. Die immer näherkommende, radioaktiv verseuchte Gewitterfront zwingt sie, den Toten zurückzulassen. Auf dem Bad Hersfelder Bahnhofsgelände wird Janna-Berta Zeugin davon, wie die staatlichen Sicherheits- und Ordnungsorgane endgültig die Kontrolle über die Ausnahmesituation verlieren. Pausewang kreiert anhand der parataktischen Abfolge blitzlichtartiger Sinneseindrücke und alliterierender Partizipien ein für Katastrophennarrative typisches Tableau einer in Panik geratenen Menschenmasse (vgl. Weber 22-23): Am Haupteingang wurde geschrien, geschimpft, geknufft. Rotkreuzleute schoben sich durch das Gedränge. Kinder brüllten. Ein paar Polizisten und Bahnbeamte versuchten, Ordnung zu schaffen. Aber niemand befolgte ihre Befehle, niemand kümmerte sich um sie. […] Auf den Waggondächern saßen Leute, dicht an dicht. (63 - 64) Wenn sich ein Zug dem Bahnhof nähert, handelt es sich dabei nicht um einen üblichen Personenzug: Plötzlich reckten sich alle Köpfe, alle Gesichter wandten sich nach Norden. Ein Güterzug rollte rückwärts in den Bahnhof ein: teils offene Pritschenwagen, teils Viehwaggons. Die Wartenden schrien und drängten vorwärts. Janna-Berta wurde mit den Kindern von der Wand weggeschoben […]. Die Kinder schrien vor Angst. Sie wurden gestoßen und geschubst. (67) Die Evakuierung der verängstigten Menschen in Viehwaggons ruft beim Leser einerseits Assoziationen mit der „Deportationspraxis des NS-Staates“ (Rusinek 340) hervor. Infolge der Reaktorkatastrophe erfahren die Flüchtenden am eigenen Leib, was es heißt, Jahrzehnte nach Kriegsende an einen für sie unbekannten Ort evakuiert zu werden. Andererseits weisen die Textstellen wiederum inter- 16 Christoph Weber textuelle Überschneidungen mit Pausewangs Aufzeichnungen über ihre Flucht auf. Die Bahnfahrten mit dem schwerbepackten Handwagen waren für die siebenköpfige Familie stets mit großem Stress verbunden. Im Mai 1945 brachte ein „Güterzug“ sie zur schlesischen Kreisstadt Landeshut (heute Kamienna Góra): „[W]ir mußten auf eine Art Pritschenwagen klettern, der seitlich keine Wände hatte“ ( Fern von der Rosinkawiese 77). Monate später gerieten die Pausewangs auf dem überfüllten Hamburger Hauptbahnhof in den Sog einer losstürmenden Menschenmenge, als sie den Zug nach Winsen, das Endziel ihrer Flucht, besteigen wollten. Wie in der Beschreibung der chaotischen Zustände auf dem Bad Hersfelder Bahnhof betont die Autorin das Totalversagen der zuständigen Behörden, den gefährlichen Massenansturm unter Kontrolle zu bringen: Wir schleppten unser Gepäck auf den Bahnsteig. Er war dicht besetzt von Wartenden mit Bergen von Koffern, Säcken, Kartons und Taschen. Damals herrschte auf den Bahnsteigen wenig Höflichkeit, wenn es darum ging, in einen Zug hineinzukommen. Wer stärker war, erzwang sich einen Weg. Rücksichtslos wurden die Ellbogen gebraucht. Das Zugspersonal war machtlos. […] Obwohl wir uns aneinanderklammerten, riß uns die hastende Menschenmenge auseinander, rannte die Kleinen, die in panischer Angst zu schreien begannen, fast über den Haufen und eroberten den Zug, während wir einander suchten und die Kleinen beruhigten. (190) Den nach Kriegsende erfolgte Kollaps der autoritär-hierarchischen Gesellschaftsordnung unter den Nationalsozialisten war für die damals siebzehnjährige Gudrun Pausewang ein erschütterndes Erlebnis. Wie ihr fiktionales Alter Ego Janna-Berta hatte sie auf einem Schlag den privilegierten Sonderstatus, vom Staat bevorteilt und beschützt zu werden, verloren. Als Heimatvertriebene war es besonders demütigend für sie gewesen, bei wildfremden Menschen, um Verpflegung und Unterkunft betteln zu müssen: „Diese Rechtlosigkeit! Dieses Ausgeliefertsein! Noch vor einem Vierteljahr waren wir stolze Staatsbürger, waren wir ‚Herrenmenschen‘ gewesen“ (140). Die schmerzvolle Erfahrung, trotz akuter Not abgewiesen zu werden, wird in Die Wolke an einer Schlüsselstelle explizit veranschaulicht. Verstrahlt vom radioaktiven Fallout fragt Janna-Berta vor einer verschlossenen Haustür nach Wasser. Ihre Bitte wird aus Angst vor einer möglichen Kontaminierung jedoch brüsk abgeschlagen. Das bei dieser Textstelle nachhallende Geschichtstrauma bringt Pausewang auf den Punkt, wenn Janna-Berta die Frau hinter der Tür sagen hört: „‚Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig“‘ (78). Entscheidend für den weiteren Handlungsverlauf in Die Wolke ist der Tatbestand, dass nach all den auf der Flucht erlittenen Schicksalsschlägen der anvisierte Zufluchtsort sich als bittere Enttäuschung herausstellt. Von Helga erhält Janna-Berta Sicherheit und Komfort, aber aufgrund der biederen Denk- und „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 17 Lebensart ihrer Tante fühlt sie sich in Hamburg zunehmend ungeborgen und missverstanden. Statt Helgas Anweisung Folge zu leisten, das Rad der Zeit zurückzudrehen und sich wie vor der Reaktorkatastrophe Gedanken über Beruf und Karriere zu machen, entschließt sie sich erneut zur Flucht. In Wiesbaden trifft Janna-Berta bei Tante Almut auf eine Gruppe von Menschen, die ihren Außenseiterstatus als Hibakusha ernst nehmen und akzeptieren. Augenfällig ist wiederum, dass die Kellerwohnung, in der Almut zusammen mit ihrem Mann Reinhard und dessen Vater eine provisorische Bleibe gefunden haben, sich genau wie das von den Pausewangs bewirtschaftete Pachtgrundstück neben dem Kastanienwäldchen und Wartturm auf dem Bierstadter Berg befindet. Janna- Berta findet dort endlich die lang ersehnte Geborgenheit, die ihr in Tante Helgas geregeltem Haushalt gefehlt hat. Wenn sich Almut später entschließt, zwei kleine Mädchen und deren Großmutter aufzunehmen, wird Janna-Berta Teil einer siebenköpfigen Familie, die in ihrer Struktur den verloren gegangenen Mehrgenerationenhaushalt in Schlitz — sie hatte dort mit ihren Großeltern, Eltern und den beiden Brüdern unter einem Dach gelebt — widerspiegelt. Pausewangs Gesellschaftsutopie, in der die Ehrfurcht vor dem Leben über individuelle Besitzansprüche triumphiert, beruft sich auf die Konsolidierung tradierter Familienstrukturen. Es ist weder der Staat noch der materielle Besitz, sondern der Rückhalt in der Großfamilie, der das Überleben nach dem Super-GAU gewährleistet. Am Beispiel von Almut Sommerfeld veranschaulicht Pausewang die Möglichkeit einer alternativen Lebensweise, die sich in ihren Grundzügen mit derjenigen ihrer Eltern auf der Rosinkawiese überlappt. Das von Almut angeführte Kollektiv fällt unter den kulturellen Typus „sektiererische[r]“ Nischenbewegungen, die für ihr Weiterbestehen „äußere Feinde“ benötigen und sich auf „globale Risiken“ konzentrieren, „die das Überleben des Menschengeschlechts gefährden“ (Walter 240—41). Im öffentlichen Bereich wird der identitätsstiftende Gemeinschaftssinn durch die ehrenamtliche Solidaritätsarbeit für die Hibakusha im Rhein-Main-Gebiet und den fortwährenden Widerstand gegen die noch in Betrieb stehenden Atomkraftwerke gefestigt. Wie ich im nächsten Abschnitt erörtern werde, spielt die Pädagogik der Katastrophe für den Zusammenhalt der Antiatomkraftbewegung eine bedeutende Rolle. Angesichts des verbreiteten Erfolgs von Gudrun Pausewangs Jugendbüchern Die Wolke und Die letzten Kinder von Schewenborn stellt sich die Frage, inwiefern es zumutbar ist, wie es die Autorin wiederholt tut, Kindern die grausame Realität einer strahlenverseuchten Lebenswelt hautnah vor Augen zu führen. Wieviel davon ist auf Pausewangs Intention zurückzuführen, mit diesen Gräueldarstellungen die heranwachsende Generation vor dem bevorstehenden Weltuntergang zu warnen und bewahren; wieviel auf die Rückwärtsgewandtheit einer 18 Christoph Weber wiederholten Darstellung der eigenen erlittenen Traumata? Bereits an anderer Stelle wurde der Verdacht geäußert, dass es bei Pausewangs Katastrophenbüchern weniger darum gegangen sei, „Kinder und Jugendliche zu engagierten Bürgern zu erziehen“ (Liere). Stattdessen haben sie der Elterngeneration dazu verholfen, „ihre eigenen Alpträume und den Schrecken über ihre bisher gemachten Fehler zu verarbeiten.“ Hinsichtlich des verbreiteten Glaubens an „eine Pädagogik der Katastrophe“ in der „deutschen Gesellschaft der Jahre 1970—80“ (Walter 261) hat Pausewang mit ihren Atomkatastrophenbüchern den Nerv der Zeit getroffen. Ihre Begründung für die „Schilderungen des Grauens“ ist hierzu erhellend: „Wenn wir verhindern wollen, daß es zu dieser Katastrophe kommt, müssen wir sie uns vorstellen. Was wir uns vorstellen, muß fürchterlich sein, was fürchterlich ist, müssen wir aussprechen; die nicht ausgesprochene Angst der Erwachsenen macht die Kinder kaputt“ (Hentig 63). Entgegen der Tendenz in der gegenwärtigen Gesellschaft, die „Ursprünge der Ängste“ zu tabuisieren, plädiert die Autorin für deren Offendarlegung, da die Angst als „eine Art Warnsystem“ agiert: „Ängste sind […] ein Mittel, den Menschen wie auch das Tier vor Gefahren zu warnen. Wären wir nicht fähig, Angst zu erleben, gäbe es die Gattung Mensch schon gar nicht mehr“ („Zivilcourage“ 11). Daraus erübrigt sich die Notwendigkeit, die Ängste der Kinder und Jugendlichen ernst zu nehmen, indem ihnen die verheimlichten Gefahren verdeutlicht werden. Die Zeiten, so vermeint Pausewang, in denen man beabsichtigt habe, „alles Unheile“ von den „noch nicht Erwachsenen“ fernzuhalten, seien „endgültig vorbei“ (12). Ihre Strategie der Angstbekämpfung gründet sich insoweit auf das zweckgerichtete Evozieren von Zukunftsängsten. Durch die Schreckensszenario einer atomaren Verseuchung im vertrauten Lebensumfeld der Bundesrepublik werden die unausgesprochenen Ängste auf eine höchst affektgeladene Ursache gelenkt. Ausschlaggebend bei dieser Affektsteuerung ist einerseits, dass der jugendliche Leser einem Schock ausgesetzt wird, denn „nur so lernt der junge Mensch, mit den Ängsten umzugehen“ (11). Andererseits agiert das Schockerlebnis auch als Auslöser, der ein gesellschaftsübergreifendes Umdenken provozieren soll, was die Existenz von Atomwaffen und Kernkraftwerken betrifft. Aus dem pragmatischen Handeln gegen die atomare Bedrohung erschließt sich der Abwehrmechanismus gegen die Angst. Wiederholt hat Pausewang die Hoffnung ausgesprochen, dass der Leser sich durch den Schock des Inhalts zur Frage hinfinde: „Was kann ich tun, um mitzuhelfen, daß das, was da als Fiktion geschildert wurde, nie Wirklichkeit wird“ (11; vgl. auch Noch lange danach 126; Runge 20). In diesem Sinne kommt die Schockerfahrung einem Erweckungserlebnis gleich, das den jungen Menschen zu einem Getreuen für die gerechte Sache macht. Die Autorin sieht in ihren jugendlichen Lesern nicht „halbfertige Erwachsene“, sondern „gleichwertige Mitglieder eines Teams, das Zukunftsängste ummünzt „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 19 in Handeln und das um eine glimpfliche Zukunft, um Hoffnung, ums Überleben kämpft“ („Zivilcourage“ 12). Es ist durchaus berechtigt anzunehmen, dass Pausewangs publikumswirksame Atomkatastrophenbücher zum Atomausstieg Deutschlands im Jahr 2023 beigetragen haben. Allerdings hatten ihre apokalyptischen Schreckensvisionen auch zur Folge, dass in der Bundesrepublik und anderen deutschsprachigen Ländern der achtziger Jahre „eine ganze Generation“ von Schülern „traumatisiert“ wurde: „Pausewangs Werke sind Horrorklopper ohne Trost und Happy End, dafür mit reichlich expliziten Schreckensszenen. Dennoch — oder gerade deshalb — wurden sie in vielen Schulen zur Pflichtlektüre” (Liere). In dieser Hinsicht ist Malte Dahrendorfs bejahendem Kritikpunkt, Gudrun Pausewang sei einer Literatur verpflichtet, „die in der Tradition der Aufklärung steht, die aufklären, gesellschaftlich Verdrängtes aufdecken will“ (57), nur beschränkt beizupflichten, denn eines der Hauptanliegen der Aufklärung bestand darin, Furcht und Angst zu unterbinden, da sie das selbständige Denken im Menschen zu blockieren vermögen (Begemann 15-20). Pausewangs Prämisse der Angstreduzierung beruht auf den Zirkelschluss, dass anhand der Applizierung traumatischer Angsterfahrungen der junge (und demnach emotional labile) Mensch dazu motiviert wird, seinen Beitrag für das Eindämmen der vorgestellten Angstursache zu leisten. Die von Pausewang geforderte Umwandlung der Zukunftsängste in tätiges Handeln bedeutet jedoch keine Befreiung der Angst; der Impetus für die Angstbekämpfung entspringt nicht einer selbst erarbeiteten Einsicht, sondern wird durch den Angstdruck forciert, zu wenig für das Überleben der gesamten Menschheit geleistet zu haben. Pausewangs wirkungsästhetische Instrumentalisierung des Schocks als Triebfeder für soziales Engagement verschränkt sich mit dem verfänglichen Postulat, dass der Übergang vom Kindheitsin das Erwachsenenalter zwangsläufig an ein Schockerlebnis gekoppelt sei. Tomi Ungerer ließ in seinem Rückblick auf seine langjährige Schaffenszeit als Kinderbuchautor gleichermaßen verlauten, man müsse Kinder traumatisieren, „um ihnen eine Identität zu geben“ (Draeger). In diesem Zusammenhang ist, wie oben dargestellt, in Betracht zu ziehen, dass Pausewangs Schilderung einer strahlenverseuchten Bundesrepublik nicht bloß eine vorgestellte, sondern auch Bruchstücke einer selbst erlebten Realität beinhaltet. Die pädagogische Absicht, Kinder mit den Ängsten der Erwachsenen zu traktieren, um sie vor den Gefahren auf dieser Welt zu wappnen, beinhaltet, so könnte man argumentieren, eine Affinität mit den „völkisch-national[en]“ Erziehungsmethoden, denen Pausewang ausgeliefert gewesen war. Ihre Eltern hatten die erzieherischen Zielsetzungen der „körperliche[n] Abhärtung, Selbstbeherrschung, Selbstüberwindung“, rigoros umgesetzt: „Kindertrotz wurde gebrochen, gestraft wurde mit […] Liebesentzug“ ( Vetter Quijote 7). Des Weiteren hat Pausewang 20 Christoph Weber in ihren autobiografischen Aufzeichnungen den verstörenden Anblick der von den Rotarmisten vergewaltigten Frauen zu einem förderlichen Schockerlebnis umgemünzt, das sie in das „Erwachsensein“ hinausgeschleudert hat: „Und es zeigte sich, dass wir von nun an im Angesicht menschlichen Elends vieles konnten, im verzweifelten Bemühen, nicht in Tränen auszubrechen oder vor Entsetzen zu schreien“ ( Fern von der Rosinkawiese 60). Als Jugendbuchautorin setzt Pausewang auf eine analoge Schocktherapie, um der jungen Generation aufzuzeigen, dass das Entsetzliche sich nicht außerhalb, sondern jederzeit im vertrauten, vermeintlich geschützten Lebensumfeld ereignen kann. Während sie mit siebzehn Jahren unmittelbar mit den nach Kriegsende erfolgten Gräueltaten konfrontiert wurde - das von der NS-Propaganda verbreitete Angstbild der Russen als barbarischer „Frauenschänder“ hatte sich bei der Begegnung mit den Vergewaltigungsopfern punktuell bewahrheitet („Maimorgen“ 61) - wird das Schreckensszenario der atomaren Verseuchung innerhalb des gesicherten Rahmens einer fiktiven Erzählung vermittelt. Pausewang hat ausdrücklich den Wunsch geäußert, dass dem jugendlichen Leser bei der Lektüre ein erwachsener Begleiter beistehen sollte, „wenn er das Bedürfnis dazu hätte“ („Zivilcourage“ 11). Trotz der Sorge um das psychologische Wohlbefinden ihrer Leserschaft rückt sie nicht von dem Grundgedanken ab, dass die Traumaerfahrung eine ausschlaggebende Komponente des Erwachsenwerdens ausmacht. Die Verwundungen, die die Autorin selbst durchleben musste, wiederholen sich wie ein roter Faden in ihren Jugendbüchern und werden auf die jugendlichen Leser übertragen. 6 Ihnen wird die Bürde auferlegt, sich im Zeitfenster, das durch die nationalsozialistische Vergangenheit und die Angst vor dem anthropogenen Weltuntergang bestimmt wird, zu bewähren und die für die Menschheit überlebensnotwenige Kurskorrektur einzuläuten. Pausewangs Denkanstoß, die Rettung des Planeten sei sowohl mit der konsequenten Absage an der hemmungslosen Konsumgier der Erwachsenen als auch mit der implizit angedeuteten politisch-ideologischen Indoktrinierung der Kinder zu bewerkstelligen, besitzt seine Prämisse in der vorbelasteten Vergangenheit der Autorin. Dabei muss in Betracht gezogen werden, dass in Pausewangs formativen Kindheits- und Jugendjahren der Entscheid, mit begrenzten Ressourcen auszukommen, fremdbestimmt gewesen war: ihre Eltern hatten aus ideologischem Eifer den Kindern das ärmliche Landleben aufoktroyiert und nach Kriegsende herrschte in Deutschland ein akuter Nahrungs- und Wohnungsmangel. Im krassen Gegensatz dazu steht die Lebenserfahrung der Generation, in die Pausewang die Hoffnung auf das gesellschaftliche Umdenken setzt. Ihr jugendliches Zielpublikum, das in eine Zeit des Friedens und Wohlstands geboren worden ist, bekommt die traumatischen Erlebnisse der Zeitzeugengeneration des Zweiten Weltkriegs genau wie das fiktive Warnszenario „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 21 eines Super-GAUs auf bundesdeutschem Boden aus zweiter Hand erzählt. An diesem Punkt eröffnet sich die Problematik, ob die vermittelten Schreckenserfahrungen durchschlagend genug sind, damit sich eine breite „Basis willensstarker und konsequenter Menschen“ herausbildet, die einsieht, „daß sie ihre konsum- und komfortorientierte Art zu leben aufgeben müssen“ („Appell“ 38). Um die Mitbürger über die existenzielle Gefahr der Kernreaktoren aufzuklären, berufen sich sowohl Pausewang wie auch die Antiatomkraftaktivisten in Die Wolke auf die Pädagogik der Katastrophe. Es ist jedoch bezeichnend, dass die Autorin in ihrem Jugendbuch einen Einblick in den begrenzten Effekt der Katastrophenwarnung bzw. des heilsamen Schreckens verschafft. Die Sorge, dass der aus der Katastrophenerfahrung erhoffte Lerneffekt sich allzu schnell verflüchtigt, wird von Janna-Bertas Vater, der zusammen mit seiner Frau eine Bürgerinitiative gegen die Nutzung von Atomkraft mitbegründet hat, explizit ausgesprochen: „‚Tschernobyl war noch nicht genug‘ […]. Es muss erst hier bei uns passieren, damit es dem Bundesbürger den Hintern aus dem Sessel reißt‘“ (18). Als sich mit dem Reaktorunglück von Grafenrheinfeld die ärgsten Befürchtungen der Atomkraftgegner bewahrheitet haben und trotz der allgegenwärtigen Strahlenverseuchung die Meinungen über die Risiken der Atommeiler in der Bundesrepublik gespalten bleiben, verbreitet sich die Unsicherheit darüber, ob die postkatastrophische Aufklärungsarbeit ebenfalls scheitern wird: „‚Tschernobyl war noch zu wenig‘ […]. ‚Und wer weiß? Vielleicht ist sogar Grafenrheinfeld zu wenig. Man kann sich immer noch größere Unfälle vorstellen‘“ (152-53). Die diesmal von Almut geäußerte Skepsis erhellt den paradoxen Kern des heilsamen Schreckens, den Peter Sloterdijk lapidar umrissen hat: „Die Warnkatastrophe soll selber die Katastrophenwarnung sein. […] Wer in dieser Logik zu Ende denkt, kommt zu einem fatalen Schluß: nur der real geschehende Weltuntergang wäre eine überzeugende Warnung vor dem Weltuntergang. […] Somit wäre die einzige Katastrophe, die allen einleuchtet, die Katastrophe, die keiner überlebt“ (122). Gudrun Pausewangs lebensaffirmierender Standpunkt, der Mensch sei „in einer Situation äußerster Existenzgefährdung“ imstande, „ungeahnte Kräfte zu entwickeln“ („Lernziel“ 29), konfligiert mit der negativen Kehrseite, dass Schreckenserfahrungen gerade auf Kinder und Jugendliche traumatisierend wirken können. Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung ihrer vom Nationalsozialismus geprägten Kindheit hat Pausewang konzediert, dass die Nazidiktatur „uns,“ den Kindern, permanente Verwundungen hinterlassen habe: „Die Erinnerung an sie überschatten unser späteres Leben“ („Nachwort“ Ich war dabei 154). Bei ihr erfolgte die Katastrophe allerdings nicht mit dem Aufstieg, sondern mit dem Niedergang des Dritten Reiches: „Nach dem Kriegsende erkennen zu müssen, 22 Christoph Weber wie schmählich das NS-Regime unseren jugendlichen Idealismus benutzt und missbraucht hatte, tat weh“ (154). Dieselbe bittere Enttäuschung, aufgrund des sträflichen Fehlverhaltens der Erwachsenen ins Unglück gestoßen worden zu sein, schlägt sich in Pausewangs Atomkatastrophenbüchern nieder. Nach dem desaströsen Wendepunkt verblasst die Hoffnung, jemals wieder ein erfülltes Leben in einem geschützten Umfeld führen zu können. Das erlittene Trauma hält Janna-Berta in Die Wolke gefangen. Wenn sie sich am Romanende entschließt, zu ihrer Heimatstadt Schlitz zurückzukehren, wird ihr schmerzhaft bewusst, dass infolge der atomaren Verseuchung nichts mehr so sein wird, wie es einst vor dem Super-GAU gewesen war. Obschon die Zukunftsaussichten für sie im „Schlitzerland“ schlecht stehen — das „Ländchen“ würde genau wie sie „arm […] und krank“ sein (211) — besitzt das Heimweh eine größere Sogwirkung als das vernunftgesteuerte Pflichtbewusstsein, sich weiter an Tante Almuts politischem Aktionismus zu beteiligen. Im übertragenen Sinn widerspiegelt Janna-Bertas zwanghaftes Verlangen, ihr Elternhaus in Schlitz, dem „schönste[n] Ort der Welt“ wiederzusehen (189), Pausewangs lebenslange Sehnsucht nach der geliebten Rosinkawiese, die der Fallout des Nationalsozialismus dauerhaft kontaminiert hat. Die durch die Katastrophe bewirkte Bruchstelle in ihrem Lebenslauf lässt die Erinnerungen an die verloren gegangene Kindheit in einem verklärten Licht erscheinen. 7 Sie erschwert aber auch den Umgang mit der Vergangenheit, da die Vertreibung aus der scheinbar heilen Kinderwelt unweigerlich die Frage nach den Schuldigen aufwirft, die den traumatischen Übertritt ins Erwachsenenalter forciert haben. In Die Wolke tragen dieselben Personen, die ihre Mitschuld an den NS-Verbrechen verleugnen, die Mitverantwortung für den Reaktorunfall. Wenn Janna- Berta zu Hause ankommt, wird sie mit dem langen Schatten der nationalsozialistischen Vergangenheit konfrontiert. Überraschenderweise findet sie dort die aus dem Mallorca-Urlaub heimgekehrten Großeltern vor. Während Oma Berta unbeirrt Kuchen und Kaffee auftischt, „[e]in Stück gute alte Zeit, garantiert verseucht“ (220), beginnt Opa Hans-Georg sich über die „deutsche Hysterie“ zu beklagen (221), die von den Pressemenschen angestachelt worden sei: Heutzutage wird viel zu viel aufgeklärt. […] Wozu muss alle Welt die Anzahl unserer Toten erfahren? Durch dieses Großkatastrophenmärchen wird unser Ansehen im Ausland unnötig geschädigt. Ich sage nur so viel: Es hat in diesem Land Politiker gegeben, die hätten die ganze Sache so diskret gehandhabt, dass schon hier in Schlitz der Zwischenfall gar nicht bemerkt worden wäre. Und kein Pressemensch hätte es gewagt, in der Sache herumzuschnüffeln. (223) Die unterschwelligen Anspielungen auf das vorsätzliche Vertuschen des nationalsozialistischen Völkermords und die gleichgeschaltete Presse im NS-Staat „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 23 wird durch die belastete Biografie beider Großeltern untermauert. Während Opa Hans-Georg als Hauptmann der schweren Artillerie an der Ostfront kämpfte, war Oma Berta ein hochrangiges Mitglied bei der NS-Frauenschaft (138). Zudem gehörten sie vor der Reaktorexplosion zum Kreis der komfortorientierten Kernkraftbefürworter: „Oma Berta und Opa Hans-Georg meinten, ohne Atomkraft gehe es einfach nicht mehr, sie gehören zum modernen Leben wie das Auto oder der Fernseher […]“ (17). Sowohl das Reaktorunglück von Grafenrheinfeld, das schnellstmöglich vergessen werden soll, als auch die Epoche des Nationalsozialismus haben sich zu einem Tabuthema entwickelt. Beim Umgang mit der NS-Vergangenheit und der „deutsche[n] Atomkatastrophe“ rekurrieren Opa Hans-Georg und Oma Berta auf die Verdrängungsstrategie, von „all diesen hässlichen Dingen“ nichts mehr hören zu wollen (139). Pausewang schafft mit dem Verweis auf die unbewältigte NS-Vergangenheit der Großeltern ein holzschnittartiges Täterprofil der Atomkraftbefürworter. 8 Wenn Janna-Berta am Schluss mit dem Abziehen ihrer Wollmütze sich vor ihnen als kahlköpfiges Strahlenopfer outet und zu sprechen beginnt, klagt sie das sträfliche Unvermögen der Großelterngeneration an, sich der Schuld am Reaktorunfall (und analog dazu an den NS-Verbrechen) zu stellen. Demgegenüber wird den Kernkraftgegnern, Janna-Bertas Eltern und ( Jo)hanna, die geschiedene Großmutter mütterlicherseits, die mit „ihrem Vegetarierspleen und Tick vom einfachen Leben“ regelmäßig an Wochenenden demonstrieren ging ( Die Wolke 19), eine Märtyrerrolle zugesprochen. Bei der Reaktorkatastrophe kommen sie alle ums Leben, wobei die genauen Todesumstände von Jo und dem Vater unerklärt bleiben. Parallel zu den Holocaustopfern sind ihre Lebenspuren ausgelöscht worden, was auf Janna-Berta höchst verstörend wirkt. Wenn sie die Gerüchte über die Massenerschießungen der radioaktiv Verseuchten in dem um den havarierten Reaktor errichteten Absperrungsgürtel vernimmt, sieht sie ihren Vater „vor dem Mündungsfeuer der Maschinengewehre“ schreien und fallen (76). Die Konfliktfelder zwischen Täter- und Opferschaft, an denen sich die Autorin angesichts ihrer traumatischen Kindheitserinnerungen wundgeschrieben hat — die für einen alternativ-einfachen Lebensstil einstehenden Eltern waren bekennende Nationalsozialisten, was den katastrophalen Verstoß aus dem Paradies bewirkt hatte — werden in Die Wolke klar aufgetrennt. Die mehrfachen Analogien zu den Negativfolgen eines Reaktorunfalls und des Zweiten Weltkriegs (Massenevakuierungen, Diskriminierung, das Verdrängen von Schuld und Verantwortung), die Pausewang in das Jugendbuch eingestreut hat, um das von den Kernkraftwerken ausgehende Unheil affektgeladen zu konkretisieren, sind von vornherein problematisch. Fakt ist, dass beide Katastrophen gänzlich antithetische Ursachen besitzen: Der Super-GAU von Grafenrheinfeld (und Tschernobyl) zeugt vom fahrlässigen Umgang mit 24 Christoph Weber technologischen Risiken und hat nichts mit dem Rassenwahn und den geplanten Massenmorden des Nationalsozialismus zu tun. Statt in der Hauptabsicht Menschenleben gezielt auszulöschen, wurden die Atommeiler zum Zwecke konstruiert, den exorbitanten Energiebedarf der Industrieländer abzudecken. Hingegen war der millionenfache Mord an Zivilisten in den NS-Konzentrations- und Vernichtungslagern weder ein Unfall noch Unglück, sondern erfolgte nach Beschlüssen und Befehlen. Eine derartige Differenzierung der historischen Umstände kommt jedoch für Pausewang nicht in Betracht, da bei ihr der Aktivismus gegen die Atomkraft eng mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit verzahnt ist. Die traumatische Flucht aus der Heimat konstituiert für sie (wie auch für Janna-Berta) einen wesentlichen Bestandteil ihrer Identität. Als ehemalige Heimatvertriebene sieht sie sich dazu auserkoren, gegen solche Bedrohungen Widerstand zu leisten, die einen erneuten Massenexodus herbeiführen könnten. Pausewangs Kindheitstrauma verschafft ihr den Antrieb, in ihren Jugendbüchern eindringlich vor künftigen Großkatastrophen zu warnen. Das miteinhergehende Schüren apokalyptischer Zukunftsängste vermag jedoch auch dazu zu führen, dass sich die Gräben zwischen den entgegengesetzten Positionen bezüglich der Atomkraft weiter vertiefen. Statt zu einer Kompromissbereitschaft trägt dies im Gegenteil zur bestehenden politisch-ideologischen Polarisierung bei, mit der Folge, dass es die Wahrscheinlichkeit einer effektiven und rechtzeitigen Abwendung menschenverursachter Katastrophen - wie der sich verschärfende Klimawandel - nicht steigert, sondern schmälert. Notes 1 Die Gefahr einer aufkommenden faschistischen Diktatur in der Bundesrepublik Deutschland behandelte Pausewang in ihrem Jugendbuch Der Schlund (1995). 2 Erst nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1992 hat sich Pausewang kritischer über die ideologischen Querverbindungen des „Wandervogels“ mit dem Nationalsozialismus geäußert. Ihr Vater Siegfried sei „wie so viele Angehörige deutscher Minderheiten“ von Hitler begeistert gewesen: „Schließlich hatten ‚Wandervogel‘ und Nationalsozialismus manches Gemeinsame, zum Beispiel die Idealisierung des Landlebens gegenüber der ,Verdorbenheit‘ der Großstadt, die Forderung ‚sexueller Reinheit‘, den Kult der ‚Scholle‘, die Pflege des Volkstums, des alten Liedguts und dergleichen mehr“ ( Wie es den Leuten 14). 3 Zum “Mythos des Integrationswunders” der deutschen Ostvertriebenen in der BRD siehe Beer 124-134. 4 Vgl. dazu Assmann 183-204; Naumann 33-90; Moeller 1-20. „Es geht schon los mit den Flüchtlingen. Wie fünfundvierzig.“ 25 5 Pausewang hat die unreflektierte Bemerkung über den bevorzugten Status der Holocaustüberlebenden, die ihr Denken während der Flucht widerspiegelt, in ihrer Autobiografie Fern von der Rosinkawiese nicht problematisiert. Winfred Kaminski hat dies scharf kritisiert: “Hätte es selbst in einem autobiografischen Buch nicht doch die Möglichkeiten gegeben, damalige Anschauung, heutiges Wissen und zusätzliche Erfahrungen auf eine Weise zu vermitteln, die der persönlichen Wahrheit verpflichtet blieben (das heißt, sie also nicht klüger macht, als die Erzählerin 1945 war), jedoch ohne die Gefahr, mißverstanden zu werden und zudem womöglich Beifall von der falschen Seite zu erhalten” (82-83). 6 Vgl. Dori Laubs Ausführung über die zwanghafte Wiederholung des Traumas bei Überlebenden: „Trauma survivors live not with memories of the past, but with an event that could not and did not proceed through to its completion, has no ending, attained no closure, and therefore […] continues into the present and is current in every respect. The survivor, indeed, is not truly in touch with either with the core of his traumatic reality or with the fatedness of its reenactments, and thereby remains entrapped in both“ (69). Jenny Willner hat in ihrer kritischen Analyse zu den überdeterminierten Schreckensdarstellungen in Die letzten Kinder von Schewenborn ebenfalls auf Pausewangs „transgenerationale […] Übertragung von Schuld, Scham und Trauma“ (177) hingewiesen: „In Die letzten Kinder von Schewenborn wird das Leid der Atomkriegsopfer mit dem Leid der Vertriebenen parallelisiert, als ginge mit dem Schrecken auf der Flucht vor der Roten Armee eine moralischen und politische Läuterung einher, als sei dieses Leiden katharisch. Somit wird die Aussicht auf atomare Vernichtung zum Anlass einer unterschwellig geführten Auseinandersetzung mit Kriegstraumata auf deutscher Seite“ (193). 7 Bezeichnend ist, dass Pausewang in ihrer letzten Buchveröffentlichung beim Ravensburger Verlag über ihre „schöne Kindheit“ auf der Rosinkawiese erzählt, die sie mit ihren fünf Geschwistern trotz der Armut der Eltern „bis zu unserer Flucht nach dem Zweiten Weltkrieg“ erlebt hat ( So war es 7). Die NS-Vergangenheit findet in den versammelten Kindheitserinnerungen keine Erwähnung. 8 Die „Verbindung von Kernkraftwerk und Nationalsozialismus“ liegt auch bei Christa Wolfs Tschernobyl-Roman Störfall (1987) vor (Rusinek 339), wenn auch nicht so ausgeprägt, wie es in Die Wolke der Fall ist. 26 Christoph Weber Works Cited „‚Ich möchte warnen! ‘ Ein Gespräch mit der Autorin Gudrun Pausewang.“ epilog.de, 12 April 2006. Web. https: / / epilog.de/ ich-moechte-warnen.ein-gespraech-mit-der-autorin-gudrun-pausewang.20060412/ 13 Oktober 2021. „Schriftstellerin Gudrun Pausewang ist tot.“ Zeit Online, 24 Jan. 2020. Web. https: / / www.zeit.de/ kultur/ literatur/ 2020-01/ die-wolke-autorin-gudrun-pausewang-ist-tot/ 13 Oktober 2021. Assmann, Aleida. Der lange Schatten der Vergangenheit . München: C.H. Beck, 2018. Begemann, Christian. Furcht und Angst im Prozess der Aufklärung . Zur Literatur und Bewußtseinsgeschichte des 18. Jahrhunderts. Frankfurt am Main: Athenäum, 1987. Beer, Mathias. 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