Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.24053/FLuL-2022-0010
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Gnutzmann Küster SchrammJosefine FELGNER: Effekte bilingualen Lernens. Eine Untersuchung an sächsischen Schulen. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2020, 178 Seiten [19,90 €]; Anhang erreichbar unter: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:15-qucosa2-390494
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Lars Schmelter
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51 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0010 Josefine F ELGNER : Effekte bilingualen Lernens. Eine Untersuchung an sächsischen Schulen. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2020, 178 Seiten [19,90 €]; Anhang erreichbar unter: https: / / nbn-resolving.org/ urn: nbn: de: bsz: 15-qucosa2-390494 In aktuellen Publikationen werden die vorliegenden Forschungsergebnisse zu potenziellen Wirkungen des bilingualen Unterrichts auf die fremdsprachlichen und fachlichen Kompetenzen der Schüler * sehr vorsichtig interpretiert. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass die scheinbaren Ergebnisse des bilingualen Unterrichts ggf. anderenorts ihren Ursprung haben. Vor diesem Hintergrund hätte man so klare Aussagen zu Effekten bilingualen Unterrichts und die Ableitung umfangreicher Forderungen oder zumindest Empfehlungen, wie sie von F ELGNER im Fazit ihrer Publikation vorgenommen werden, nicht mehr erwartet. Dort schreibt sie sehr selbstbewusst u.a., dass ihre Arbeit „einen wesentlichen Beitrag zu den bisherigen Forschungsergebnissen bezüglich der Effekte bilingualen Sachfachunterrichts“ (S. 148) beisteuern könne. Auch „inhaltliche Implikationen für die Schul- und Unterrichtspraxis“ (ebd.) ließen sich daraus ableiten. Denn ihre Studie habe gezeigt, dass „Schüler/ -innen am Gymnasium bezüglich ihrer allgemeinen Sprachkompetenzen im Englischen deutlich von einem bilingualen Unterrichtsangebot in französischer Sprache profitieren“ (ebd.). Ziel der Studie war es, die „Auswirkungen des bilingualen Sachfachunterrichts in französischer Sprache (bzw. der L2 der Lernenden) auf das Erlernen der schulischen Fremdsprache Englisch (die L3 der Lernenden) zu untersuchen“ (S. 9). Die Auswirkungen werden dann de facto heruntergebrochen auf die „globale Sprachkompetenz in Englisch“, die anhand der Punktwerte, die Schüler zum Zeitpunkt der Untersuchung in einem C-Test erreichen, abgelesen wird. Um wesentliche Einflussgrößen auf diese Ergebnisse erfassen zu können, greift F ELGNER auf ein Modell zur Qualitätskontrolle und -sicherung in der Schule und im Unterricht zurück. Damit versucht sie den Forschungsstand zu verschiedenen Formen immersiven, mehrsprachigen bzw. bilingualen Lehrens und Lernens sowie der Bilingualismusforschung einzuordnen (s. zu dieser Vermengung der Forschungsfelder auch unten). Die Auswertung der Daten erfolgt in zwei Schritten: Die deskriptiven und bivariaten Kennwerte werden zunächst mit SPSS (Version 23) ausgewertet. Daran schließen sich umfangreiche Regressionsanalysen und Mehrebenenanalysen an, die mit Stata (Version 15) durchgeführt werden. Hier soll nur das zentrale Ergebnis festgehalten werden: Die Gruppe der Schüler im deutsch-französischen bilingualen Lehrgang schneidet mit ihren Ergebnissen im C-Test deutlich besser ab als die anderen in die Studie eingebundenen Schülergruppen. Auf der zweiten Analyseebene zeigt sich dann, dass dasjenige Regressionsmodell, das die Unterschiede der englischen Sprachkompetenz (gemessen mit einem C-Test) nicht nur unter Rückgriff auf die Variable „Teilnahme am bilingualen Unterricht“ betrachtet, sondern auch die Variablengruppen 1 (Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund und Zweisprachigkeit) und 2 (Fähigkeitsselbstkonzept, Lernmotivation und Selbstwirksamkeit) mit einbezieht, 39% der Gesamtvarianz vorhersagen kann (S. 123). „Die Teilnahme am bilingualen Unterricht [...] und die beiden affektiven * Nach reiflicher Überlegung und diversen Versuchen mit sog. gendersensiblen Formen des Schreibens kehre ich bewusst zur generischen Schreibweise zurück; die Gründe dafür diskutiere ich gerne im persönlichen Gespräch. B e s p r e c h u n g e n 138 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2022-0010 51 • Heft 1 Faktoren [Fähigkeitsselbstkonzept und Lernmotivation] bilden somit die bedeutsamsten Prädikatoren in Bezug auf die allgemeine Sprachkompetenz im Englischen“ (S. 128). Ausgehend von diesem Befund kommt F ELGNER dann zu den eingangs zitierten weitreichenden Folgerungen. Dies verwundert insofern, als F ELGNER selbst in den vorangegangenen Ausführungen immer wieder auch auf Limitationen ihrer Studie aufmerksam macht. So weist sie an verschiedenen Stellen auf das Problem der für eine Regressionsanalyse mit 17 Faktoren sehr kleinen Stichprobe - noch dazu mit geschachtelten Gruppen - hin (u.a. S. 130f.). In den einschlägigen forschungsmethodischen Handbüchern geht man von einem Mindestverhältnis von 1: 10 aus, von vielen Autoren wird jedoch für deutlich höhere Teilnehmerzahlen plädiert. Daher sollte man gerade diese Limitation im Auge behalten. Sowohl die Bedeutung der Klassenzusammensetzung - in bilingual unterrichteten Klassen hauptsächlich Mädchen, ambitionierte Lerner, ein entsprechend störungsfreierer Unterricht und „dementsprechend mit erhöhter echter Lernzeit“ (S. 140) - als auch die potenziell unterschiedliche Unterrichtsgestaltung durch die Lehrpersonen in den verschiedenen Klassen (S. 144) werden von F ELGNER als mögliche Erklärungen für die guten C-Test-Ergebnisse in Englisch herangezogen. Aber „die Schulkultur, die Leistungsbereitschaft in der Klasse sowie die Unterrichtsebene, v.a. die individuelle Gestaltung des Unterrichts durch die Lehrkraft [sind] im Studiendesign nicht berücksichtigt worden. Dies schränkt die Interpretation der Befunde durchaus ein“ (S. 147). Dem kann man vor dem Hintergrund des herangezogenen Modells, bei dem die hier genannten Faktoren ganz oben in der Rangliste zur Erklärung von Lernerfolg stehen, nur zustimmen. Allerdings, so fährt F ELGNER (S. 147f.) ihre Argumentation fort, „muss auch klar formuliert werden, dass eine solch umfangreiche Erhebung im Rahmen einer Einzelfalluntersuchung kaum möglich ist und im Sinne einer Forschungsethik, verstanden als Verantwortung gegenüber den Probanden, auch kaum vertretbar ist“ (S. 147f.). Auch hier ist man geneigt, der Autorin zuzustimmen, man hätte sich allerdings gewünscht, dass sie schon zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich spätestens bei der Anlage der Studie die aufgrund der konzeptuellen Grundlage notwendigen forschungsmethodologischen Schritte getan hätte; möglicherweise hätte dies sogar zu einer Reformulierung der anfänglichen Zielsetzung und Fragestellung geführt. Denn keinesfalls würde man im Anschluss an all die einschränkenden Sätze erwarten, dass von der Studie behauptet wird, dass mit ihr „die Effekte [deutsch-französisch] bilingualen Sachfachunterrichts auf das Erlernen des Englischen [...] belegt werden konnten“ (S. 148). Noch weniger würde man erwarten, dass auch „didaktische Empfehlungen für die Unterrichtspraxis“ (S. 149) gegeben werden sollen, war die Unterrichtspraxis doch gar nicht Gegenstand der Untersuchung. So bleibt am Ende nicht viel übrig. Der Eindruck, der sich beim Lesen der einleitenden Kapitel zur Zielstellung der Arbeit, ihrer Problemstellung und zu den theoretischen Bezügen und vorliegenden empirischen Evidenzen schon einstellte, wird am Ende leider bestätigt. Zentrale Begriffe wie „(Teil-)Immersion“, „lebensweltliche Bilingualität/ Zweisprachigkeit“, „bilingualer Unterricht“ usw. werden nicht nur unzureichend klar definiert und abgegrenzt. Sie werden vor allem nicht stringent verwendet. Dies gilt auch für die aus anderen Untersuchungen vorliegenden Forschungsergebnisse in den genannten Bereichen. Auf einige symptomatische Stellen aus dem Schlusskapitel, die sich in ähnlicher Form auch in den konzeptuellen Kapiteln 2 und 3 finden, möchte ich hinweisen: Nachdem die Bedeutung der Ergebnisse der französischdeutsch bilingual unterrichteten Schüler im C-Test Englisch hervorgehoben wurde, schreibt F ELGNER (S. 138f.), dass diese Ergebnisse mit den Ergebnissen einer Studie zu den Staatlichen Europa-Schulen in Berlin „in Einklang gebracht werden“ können. Auch dort habe sich für den dual-immersiven Unterricht gezeigt, dass er positiven Einfluss habe - nur um dann darauf hinzuweisen, dass sich die Organisationsformen doch deutlich unterschieden, dass es sich hier um eine „natürliche Zweisprachigkeit“ handle und dass Erkenntnisse aus diesem Bereich nicht auf Besprechungen 139 51 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0011 das unterrichtliche Fremdsprachenlernen übertragen werden sollten. Warum dann noch auf den „additiven Effekt von Bilingualität“ (S. 142) und die Nutzung bilingualer Lernangebote von lebensweltlich Zweisprachigen (S. 147) verwiesen wird, erklärt F ELGNER nicht. Fazit: Eine saubere Statistik macht noch keine gute Studie aus. Gute Studien sind charakterisiert durch konzeptuell klare und transparente Fragestellungen, die mit validen Instrumenten operationalisiert werden. Dies setzt zunächst einmal eine intensive, reflektierte und kohärente Auseinandersetzung mit den vorliegenden Erkenntnissen zum Themenfeld voraus. Wenn die daraus entwickelten Fragen dann ein Untersuchungsdesign einfordern, das zu umfangreich für die Forschenden oder die Forschungsteilnehmer und ihre Ressourcen wird oder das ethische Grenzen überschreitet, dann sollten lieber die Fragen verworfen werden, als sie mit ungeeigneten Mitteln zu erforschen. Wichtiger aber noch scheint mir, dass Ergebnisse statistischer Berechnungen nicht unberechtigter Weise als Beleg für eigene Annahmen genutzt werden. Hier sei an den in Handbüchern zu quantitativen Forschungsmethoden und entsprechenden statistischen Auswertungen immer wiederkehrenden Lehrsatz erinnert, dass Korrelationen allein noch keine Kausalitäten sind. Korrelationen weisen auf mögliche Zusammenhänge hin; diese müssen aber durch weitere Untersuchungen geprüft werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die untersuchten Stichproben nur sehr klein sind bzw. sein können. Es wäre gut, wenn das Buch mit einem entsprechenden Warnhinweis versehen werden könnte, damit es nicht allzu schnell oder aus Unachtsamkeit für die falschen bildungs- und schulpolitischen, didaktischen oder forschungsplanerischen Schritte genutzt werden kann. Wuppertal L ARS S CHMELTER Lutz K ÜSTER (Hrsg.): Prendre la parole: Reflexive und übende Zugänge zum Sprechen im Französischunterricht. Hannover: Klett/ Kallmeyer 2020, 135 Seiten [19,95 €] Das vorliegende Werk stellt ein Arbeitsergebnis der Sektion Französisch der Klett Akademie für Fremdsprachendidaktik dar. Es richtet sich laut Klappentext an Französischlehrende der Sekundarstufen, Referendare/ innen sowie Lehrer/ innenfortbildner/ innen und soll praxisorientiert bei der Förderung der Sprechkompetenz im Französischunterricht unterstützen. Der titelgebende Ausdruck „prendre la parole“ ist dabei als ein Sprechen „mit eigener Stimme“ (S. 8) zu verstehen, bei dem eigene Gedanken und Empfindungen artikuliert werden. Dafür müssen Lernende Sprechhemmungen abbauen, mit Mitlernenden sinnhaft ins Gespräch kommen und die fremde Sprache als Kommunikationsmittel erleben. Besonderer Wert wird neben einem subjektorientierten Ansatz reflexiven Kompetenzen zugesprochen sowie einem Übungsbegriff, „der auf den individuellen Erfahrungshorizont der Schülerinnen und Schüler bezogen und in ein umfassenderes Bildungsverständnis integriert wird“ (Klappentext). Nach einer Einführung des Herausgebers folgen drei thematische Blöcke: „Lerntheoretische Fundierungen“, „Kompetenzentwicklung im Bereich des Sprechens“ und „Wege der Sprechförderung im Französischunterricht“. Die „Lerntheoretische[n] Fundierungen“ beginnt Daniela C ASPARI mit „Ansätze[n] reflexiven Lernens“. Letztere verschreiben sich dem bewussten und intensiven „Nachdenken über Prozesse, Verfahren, Ergebnisse und Ziele des eigenen Lernens“ (S. 11) und betrachten Lernende in konstruktivistischem Sinne als Individuum. Die Autorin plädiert angesichts der zunehmenden Heterogenität der Lerngruppen für eine Implementierung reflexiven Lernens als durchgängiges Prinzip modernen Fremdsprachenunterrichts und hebt die Verquickung mit allen in den Bildungsstandards aufgeführten Kompetenzen hervor. Im Teilkapitel „Bildung,