eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 51/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.24053/FLuL-2022-0028
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/91
2022
512 Gnutzmann Küster Schramm

Michael THOMAS, Christel SCHNEIDER: Language Teaching with Video-Based Technologies. London: Routledge 2020, 250 Seiten [96 £; 98,11 € – e-Book: 29,59 £; 27,20 € ]

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Manuela Wipperfürth
flul5120130
130 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2022-0028 51 • Heft 2 Michael T HOMAS , Christel S CHNEIDER : Language Teaching with Video-Based Technologies. London: Routledge 2020, 250 Seiten [96 £; 98,11 € - e-Book: 29,59 £; 27,20 € ] Das vorliegende Buch präsentiert und diskutiert die Erfahrungen aus einem zweijährigen EUgeförderten Projekt zur Verwendung von Lernvideos im projektbasierten Fremdsprachenlernen. Im Fokus stehen zum einen Fallstudien aus fünf nationalen Kontexten, in denen fremd- oder selbstproduzierte Lernvideos zum Einsatz kamen, und zum anderen die Beschreibung und Evaluation von zwei Fortbildungen für Praktiker(inne)n zur Erstellung und Verwendung dieser speziellen Lernvideos, woraus sich viele praktische und konzeptuelle Anregungen ergeben. Die Autor(inn)en ordnen ihr Projekt und ihre Forschung dem CALL-Ansatz zu, sowohl in Bezug auf das Fremdsprachenlernen als auch die untersuchte Form der (fremdsprachendidaktischen) Lehrer(innen)bildung. Die Autor(inn)en sind der Bildungswissenschaftler Michael T HOMAS , der sich als Forscher an der Universität von Liverpool seit seiner Promotion auf digitale Bildung und Fragen der Bildungsgerechtigkeit spezialisiert hat, und Christel S CHNEIDER , Fremdsprachenlehrerin für DaF, Lehrer(innen)bildnerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der University of Central Lancashire, die bereits mehrere EU-geförderte Projekte zu digitalen Medien und Spielen im Fremdsprachenunterricht koordinierte und als Unternehmerin Machinima-Produktionen und Lehrer(innen)fortbildungen anbietet. Hier ergibt sich eine nicht problematisierte Doppelrolle einer Autorin, die als Unternehmerin kommerzielle Interessen in das Projekt einbringt. Erprobt wurde eine spezielle Form der Lernvideos, die sich Machinima nennen. Das Kofferwort setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern machine und cinema und bezeichnet Videos, die auf der Basis von Videospielen erstellt werden. Im Vergleich zu herkömmlichen Lernvideos, in denen fremdsprachliche Interaktionen inszeniert werden, wird die Produktion durch die Verwendung von Avataren und virtuellen Welten deutlich weniger aufwändig und schafft weitere Möglichkeiten der Gestaltung. Im vorliegenden Kontext basieren die Videos auf Szenarien in Second Life, welches seit seiner Einführung 2003 eine virtuelle Welt bietet, die von den Benutzer(inne)n selbst gestaltet werden kann und in der sie als selbst kreierte Avatare interagieren können. Lernende, die in der Folge mit Machinima arbeiten, interagieren selbst nicht aktiv in immersiven Kontexten (Videospielen). Vielmehr schauen sie sich Videomitschnitte von Interaktionen an, die innerhalb von Videospielen inszeniert wurden und in der Regel vorab als Drehbuch geschriebenen wurden. Spürbar begeistert von diesem Medium erkundeten die Projektteilnehmer(innen) dessen Potenzial für den Einsatz bestehender Machinima in unterschiedlichen Lernkontexten, sowie für die Eigenproduktion durch Lehrer(innen) und Lernende. Möglich wurde dies durch das von der EU-Kommission geförderte Forschungsprojekt (CAMELOT, ca. 500.000€), an dem Forscher(innen) und Praktiker(innen) aus Großbritannien, der Türkei, Polen, und Tschechien mit Start-up-Unternehmen aus Deutschland, Holland, Belgien und Polen zusammenarbeiteten. Die Darstellung im Buch folgt dabei der Chronologie des Projektes. Die drei einleitenden Kapitel (S. 1-63) verorten die Arbeit mit Machinima und begleitenden Lernaufgaben in Ansätzen des immersiven Lernens, des technologieunterstützten und des projektbasierten Fremdsprachenlernens, wobei sich das Projekt eng am Ansatz von G ONZÁLEZ - L LORET (2017) * des technology-mediated project-based language teaching (TMPBLT) orientiert. * Marta G ONZÁLEZ -L LORET : „Technology for task-based language teaching“. In: Carol A. C HAPELLE , Shannon S AURO (Hrsg.). The Handbook of Technology in Second Language Teaching and Learning. Malden, MA: Wiley-Blackwell 2017, 234-247. Besprechungen 131 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0028 Das 49-seitige Kapitel 4 (Creating and Field Testing Machinima in the Language Classroom) behandelt die fünf durchgeführten Fallstudien, die an drei Universitäten, im Sekundarstufenunterricht an einer auf bilingualen Sachfachunterricht spezialisierten Schule und einem privaten Sprachlehrinstitut durchgeführt wurden. In den meisten dieser Lernkontexte wurden die Lernvideos und die begleitenden Aufgaben für das Selbststudium der (in der Regel erwachsenen) Lernenden konzipiert, wobei als Begleitaufgaben „gap-filling“ oder „mix and match“- Aufgaben genannt werden. Aus den Lernkontexten ergibt sich, dass in vier von fünf Fällen sowohl fachliche als auch fremdsprachliche Lernziele durch die Lernvideos abgedeckt werden. Manches Mal führt dies sehr weit weg von Zielen und Methoden des Fremdsprachenunterrichts, wenn etwa ein Lernvideo lediglich die Animation von geometrischen dreidimensionalen Körpern enthält und die Lernenden vor dem Hintergrund schriller Elektrogitarrenmusik Anweisungen zur Berechnung dieser Körper auf Englisch lesen. Die Erprobungskontexte werden anhand von Interviews, Berichten, Fokusgruppeninterviews und Fragebögen mit den Lehrer(innen) und Lernenden evaluiert. Die Vertrautheit der Lernenden mit virtuellen Welten würde das Einlassen auf Machinima sehr erleichtern. Die Lernenden waren nicht dadurch gestört, dass die Avatare sehr eingeschränkt in ihren Bewegungen sowie Gestik und Mimik waren. Insbesondere die erwachsenen Lernenden beklagten die geringe Audioqualität mancher Videos, die beim Ansehen der als Links zur Verfügung gestellten Machinima tatsächlich verwundert ob der Kooperation mit kommerziellen Anbietern. Die Lehrer(innen) schätzen den Arbeitsaufwand, bestehende Machinima zu sichten und durch Aufgaben zu adaptieren ähnlich groß ein wie eigene zu produzieren, wobei sich dies nur manche der teilnehmenden Lehrer(innen) zutrauen würden. Sehr positiv bewertet wird, dass insbesondere introvertierte und autistische Lernende die Arbeit mit virtuellen Welten als besonders einladend für mehr eigene Sprachproduktionen und Interaktionen empfanden (S. 81). Kapitel 5 (Evaluating a Machinima CALL Teacher Education Course, 59 Seiten) stellt das umfassendste Kapitel und auch das Kerninteresse der Autor(inne)n dar: Um Möglichkeiten digitaler Medien für den Fremdsprachenunterricht stärker in der schulischen Praxis zu verankern, sehen die Autor(inn)en eine angepasste Lehrer(innen)bildung als Schlüssel, wobei sie dabei im kompakten Format der Fortbildungen denken. Sie stellen sich deshalb der Frage, wie eine effiziente video-basierte und hybride Fortbildung gestaltet werden kann und welche Unterstützung und Begleitung die teilnehmenden Lehrer(innen) für die Erstellung und den Einsatz von Machinima brauchen. Es wurden zwei Fortbildungen durchgeführt, wobei eine Zwischenevaluation zu Adaptionen im zweiten Durchgang geführt hat. Die Projektteilnehmer(innen) grenzen sich dezidiert von sog. MOOCs (massive open learning courses) ab, da diese anders als intendiert oft behavioristischen Lernansätzen folgen und sprechen deshalb von MOOT (massive open online training), um den pädagogischen Fokus zu betonen, in dem Dialog und kreative Zusammenarbeit in Lerngemeinschaften zentral sein sollen. Technologischen und pädagogischen Grundsätzen soll Rechnung getragen werden, indem Lehrer(innen) zunächst selbst diejenigen Medien und Arbeitsweisen verwenden, die später ihre Lernenden nutzen werden. In der Fortbildung lernen die Teilnehmer(innen) die behandelten Lehrmöglichkeiten (projektbasiertes fremdsprachliches Lernen mit digitalen Videos) zu verstehen und in ihre Praxis zu integrieren. Der MOOT wurde als 5-wöchiger blended-learning Kurs konzipiert und auf der Plattform Moodle erstellt. Die Lehrer(innen) wurden zunächst an die virtuelle Welt Second Life herangeführt und erprobten diese, bevor sie in die Möglichkeiten des Filmens und des Drehbuchschreibens für die anvisierten Machinima eingeführt wurden. Am Ende haben alle mindestens ein eigenes Machinima erstellt und in ihrer Praxis erprobt. Evaluiert wurde die Fortbildung in einem Mixed-Methods-Verfahren anhand von Beobachtungen während der synchronen Kurs- 132 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2022-0029 51 • Heft 2 einheiten, Einzel- und Fokusgruppeninterviews, sowie Beobachtungen und inhaltlichen Analysen der Interaktionen und Aufgaben auf der Lernplattform, Selbsteinschätzungen und Fragebögen. Kapitel 6 bietet eine sehr knappe Zusammenfassung der Ergebnisse, während der Anhang viele Ergänzungen liefert wie eine attraktive Liste mit Links zu einerseits bereits bekannten Programmen wie Audacity oder Screencast O Matic, aber andererseits auch alle innerhalb des Projektes entwickelten Materialien wie einen Fragebogen zur Selbsteinschätzung für Lehrer(innen) sowie zahlreiche Links zu den YouTube-Videos der verwendeten Machinima und der durchgeführten Interviews. Leider funktionieren zwar nicht alle Links auf Grund fehlender Freigaben, man erhält aber auch so sehr gute detaillierte Einblicke. Insgesamt steht eindeutig das Medium (Machinima) im Zentrum, wobei schnell deutlich wird, dass dessen Einbettung und begleitende Lernaufgaben für den Lernerfolg wichtig sind. Dieser Aspekt wird offenbar in den Vorbereitungen auf das Projekt mitbedacht, was man an Details in den Falldarstellungen ablesen kann. In der theoretischen Konzeption und insbesondere der Evaluation hingegen spielen diese eine untergeordnete Rolle. Die Evaluationen beschränken sich allzu oft auf generelle Aussagen über gesteigerte Motivation und Engagement der Lernenden. Hier wäre eine breitere Auseinandersetzung mit früheren Forschungsarbeiten, die sich auf Einzelaspekte fremdsprachlichen Lernens fokussieren (wie etwa in den Beiträgen des in der Fußnote zitierten Sammelbandes), sicherlich lohnenswert gewesen. Weitere theoretische Bezüge zu durchaus angesprochenen Bereichen des interkulturellen Lernens oder Lernendenidentitäten fehlen gänzlich. Gerade bei der Arbeit mit virtuellen Welten wäre ein kritischer, zumindest bewusster Umgang mit kulturellen Stereotypen angebracht, genauso wie mit den häufig sehr überzeichneten geschlechtsspezifischen Rollenbildern, wie sie auch in den verwendeten Machinima dominieren. Es wird vielmehr gelobt, dass kulturelle Spezifika leicht durch Kleidung und Attribute markiert werden könnten (S. 97). Insgesamt wird das Projekt anschaulich und in seinen konzeptionellen Überlegungen auch ausführlich beschrieben. Sehr überzeugend argumentieren und illustrieren die Autor(inn)en, wie gewinnbringend eine Doppelperspektive auf die Lernerfahrungen sowohl der Lehrenden und als auch der Lernenden mit neuen digitalen Lernmöglichkeiten (hier Machinima) sein kann, so wie sie auch in den beliebter werdenden Design-Based-Formaten gelebt wird. Problematisch bleibt die Verstrickung kommerzieller und wissenschaftlicher Interessen im Projekt. Das Buch trägt insgesamt überzeugend und anschaulich an einem Beispiel zu einem differenzierten Blick auf digitale Bildung und Medien im Fremdsprachenunterricht bei. Wien M ANUELA W IPPERFÜRTH Elisabeth L EHRNER - TE L INDERT : Fremdsprachliches Lesen mit literarischen Texten: Zur Entwicklung von Leseverstehen und literarischer Kompetenz im DaF-Unterricht der niederländischen Sekundarstufe I. Berlin: Erich Schmidt 2020, 342 Seiten [79.95 €] In ihrer im Rahmen eines Promotionsprojekts entstandenen Studie geht Elisabeth L EHRNER - TE L INDERT der Frage nach, inwiefern sich ein über ein Schuljahr durchgeführtes, intensives und integratives Literaturprogramm mit kreativen Aufgaben im Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht in der Sekundarstufe I an Schulen in den Niederlanden auf die Lesefähigkeit und die literarische Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler auswirkt. Damit trägt sie der seit Jahren deutlich zu vernehmenden Forderung Rechnung, dass die Forschung zur Literaturdidaktik empirischer werden müsse, um literarisches Lernen umfassender und nachhaltiger im