eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 52/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.24053/FLuL-2023-0002
31
2023
521 Gnutzmann Küster Schramm

Ein Rahmenmodell für den kunstbasierten Fremdsprachenunterricht – unter Einbezug von Theater, Bildender Kunst, Musik und Literatur

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2023
Andreas Wirag
flul5210011
52 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0002 A NDREAS W IRAG * Ein Rahmenmodell für den kunstbasierten Fremdsprachenunterricht - unter Einbezug von Theater, Bildender Kunst, Musik und Literatur Abstract. This article presents a framework model for a foreign-language classroom that makes use of the Arts (i.e., drama, visual arts, music, literature, etc.). This model contains the central elements of an Arts-based foreign-language instruction, which are arranged to form a plausible causal structure of the classroom teaching and student learning. As intermediate teaching outcomes, the model assumes changes in students’ personality states, i.e., changes in their current motivation, creativity, or empathy, which result from the students’ engagement with the Arts. As final teaching outcomes, the model assumes a development of students’ L2 competences, i.e., of their L2 speaking, listening, writing, reading, mediation, vocabulary, and grammar skills. The framework model is based on earlier accounts which assume that all teaching outcomes derive from an Arts-based foreign-language instruction as final teaching results. In contrast, the present framework assumes that Arts-based teaching outcomes are partially nested. 1. Der Fremdsprachenunterricht unter Einbezug der Künste: Ein Rahmenmodell Auch wenn, wie die Einführung in den Themenschwerpunkt skizziert, ab den 2000/ 2010er Jahren eine wachsende Forschungsdiskussion aller Künste im Fremdsprachenunterricht (d.h. Literatur, Theater, Bildende Kunst, Musik, Film usw.) beginnt (z.B. B ERNSTEIN / L ERCHNER 2014; G EHRING 2017; A NDREWS / A LMOHAM - MAD 2022), stellt diese Diskussion eine noch junge Entwicklung in der Fremdsprachendidaktik dar. Dabei hat eine Gesamtdiskussion aller Künste für den Fremdsprachenunterricht, die einen bündelnden Blick auf die Künste und ihre Möglichkeiten für fremdsprachliche Lehr-/ Lernprozesse wirft, große Potenziale. Eine solche Forschungsdiskussion konzentriert sich nicht auf eine Einzelkunst, für die sie weniger informativ ist (vgl. dazu die kunstspezifische Literatur in der Einleitung und die Beiträge im Themenheft), sondern nimmt einen verallgemeinernden Blick auf die Künste * Korrespondenzadresse: Dr. Andreas W IRAG , Georg-August-Universität Göttingen, Fachdidaktik des Englischen, Käte-Hamburger-Weg 3, 37073 G ÖTTINGEN E-Mail: andreas.wirag@uni-goettingen.de Arbeitsbereiche: Die Künste im Fremdsprachenunterricht, Neurokognitiver Fremdsprachenerwerb, Empirische Forschungsmethoden. 12 Andreas Wirag DOI 10.24053/ FLuL-2023-0002 52 • Heft 1 ein. Dank dieser Abstraktion bzw. Verallgemeinerung kann sie Annahmen treffen, die gewissermaßen über ‚alle Künste hinweg‘ gültig sind. So können Aussagen zur Arbeit mit den Künsten im Fremdsprachenunterricht getroffen werden, die geteilte Merkmale, Einsätze und Wirkungen der Einzelkünste im Fremdsprachenunterricht beschreiben. Diese Aussagen auf einer mittleren Abstraktionsebene sind für Fremdsprachenforscher*innen und -lehrkräfte in mehrerer Hinsicht informativ. So sind die Befunde einer Gesamtdiskussion von Interesse für Forschende und Lehrkräfte unabhängig von ihren eigenen Kunstvorlieben oder -kenntnissen. Wenn eine Forscher*in oder Lehrer*in eine Einzelkunst in ihrer Tätigkeit nicht nutzt (z.B. Musik), dafür jedoch eine andere Kunst (z.B. Malerei), sind die Erkenntnisse einer Gesamtdiskussion für sie dennoch relevant. Darüber hinaus diskutiert die Gesamtbetrachtung aller Künste im Fremdsprachenunterricht über ihre Verallgemeinerung zwangsläufig auch ‚kleinere‘ Künste mit, die dort eine Nebenrolle einnehmen und nicht beforscht werden (z.B. Schmuck, Mode), aber auch ‚neue‘ Künste, die aufgrund der technischen Entwicklung eben erst im Begriff sind, zu entstehen (z.B. digitale Kunst, Virtual-Reality- Kunst). Sie alle werden in einer Gesamtdiskussion aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu den Künsten bereits ‚mitbesprochen‘. Aufgrund dieser noch jungen Diskussion der Künste im Fremdsprachenunterricht sind bislang noch keine Versuche unternommen worden, das komplexe Wirkungsgefüge eines kunstbasierten Fremdsprachenunterrichts in einem gemeinsamen Rahmenmodell darzustellen. Unter einem kunstbasierten Fremdsprachenunterricht wird das Lehren und Erlernen einer Fremdsprache in einem angeleiteten Bildungsgang verstanden, der die Künste, d.h. Literatur, Theater, Bildende Kunst, Musik, Film u.a., mit einbezieht. Ein Rahmenmodell für den Unterricht wiederum stellt eine schematische Darstellung des Unterrichtsgefüges dar, welche die zentralen Elemente dieses Unterrichts benennt und so anordnet, dass sie in einem plausiblen Wirkungsgefüge verbunden sind. H ELMKE und K LIEME (2008: 301) bemerken dazu, mit Blick auf ihr Angebots-Nutzungs-Modell, dass „ein allgemeines Rahmenmodell […] dem Ziel dient, die Komplexität der Bedingungen und der Wirksamkeit des Unterrichts zu veranschaulichen“. 1 Somit enthält ein Rahmenmodell die wichtigsten Bestandteile eines Lehr- / Lernarrangements, hier also eines Fremdsprachenunterrichts unter Einsatz der Künste, sowie die Beziehungen dieser Bestandteile zueinander. Dabei stellen der ‚Unterricht‘, d.h. die genutzten Lehr-/ Lernmethoden, und die ‚Lernerträge‘, d.h. die Auswirkungen dieser Lehr-/ Lernmethoden auf die Kompetenzen der Schüler*innen, die unverzichtbaren Kernelemente eines Rahmenmodells dar. Umfassendere Rahmenmodelle, wie z.B. das Angebots-Nutzungs-Modell, enthalten darüber hinaus weitere Kontextfaktoren für das Lernen der Schüler*innen, wie Lehrkraft, Klasse, Schule, Familie usw. (vgl. H ELMKE 2017: 69-101). Letztlich hängt der Zuschnitt eines Rahmenmodells somit davon ab, über welche Elemente des Unterrichtsgefüges und ihrer 1 Das Angebots-Nutzungs-Modell, das auch der DESI-Studie (2008) zugrunde liegt, stellt das wohl bekannteste Rahmenmodell für die Bildungsforschung dar (vgl. für eine Darstellung H ELMKE 2017: 69- 101). Ein Rahmenmodell für den kunstbasierten Fremdsprachenunterricht 13 52 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0002 Verbindungen eine Aussage getroffen werden soll. Jedes Rahmenmodell, auch das hier vorgestellte, kann damit grundsätzlich um weitere, das Lernen kontextualisierende Bestandteile ergänzt werden. Das folgende Rahmenmodell für einen kunstbasierten Fremdsprachenunterricht nimmt zunächst die wesentlichen Elemente ‚Unterricht‘ und ‚Lernerträge‘ in den Blick. 2. Ein Rahmenmodell für den kunstbasierten Fremdsprachenunterricht: Der aktuelle Forschungsstand Aus der Vorgängerliteratur liegt kein vollständiges Rahmenmodell für den kunstbasierten Fremdsprachenunterricht vor, das als aktueller Forschungsstand genutzt werden könnte. 2 Somit bieten sich frühere Darstellungen zum Fremdsprachenunterricht mit Kunsteinsatz an, die bereits Elemente eines späteren Rahmenmodells enthalten. Mit B ADSTÜBNER -K IZIK (2006) und G EHRING (2017) liegen zwei größere Arbeiten aus der (deutschsprachigen) Fremdsprachendidaktik vor, die über eine Einzelkunst hinausgehen und bereits ‚die Künste‘ gesammelt diskutieren. Diese beiden Arbeiten bieten sich somit als Quellen bzw. aktueller Forschungsstand für das vorliegende Rahmenmodell an. Darüber hinaus könnten (technisch) alle weiteren Arbeiten zu den Einzelkünsten (vgl. die Einleitung und die Beiträge im Themenheft) als Forschungsstand mit einbezogen werden; diese umfangreiche Literatur und ihre Würdigung ginge jedoch über den Rahmen eines Einzelbeitrags hinaus. Aus forschungspragmatischer Sicht wurden daher die beiden größeren Arbeiten ausgewählt, die bereits mehrere Künste gesammelt diskutieren. Dieser Beitrag baut damit auf B ADSTÜBNER -K IZIK (2006) und G EHRING (2017) auf und übernimmt ihre Bestandteile teilweise oder ganz in das neue Rahmenmodell. Aus diesem Grund werden diese beiden ‚Forschungsstand‘-Arbeiten im Folgenden ausführlicher vorgestellt und diskutiert. Wolfang G EHRING (2017) zählt in Mit den Künsten Englisch unterrichten zunächst sechs unterschiedliche Kompetenzen auf, die in einem kunstbasierten Fremdsprachenunterricht gefördert werden können. 3 Er nennt im Einzelnen (ebd.: 14-16) die a) kommunikative b) analytische c) ästhetische d) kulturelle 2 Eine Literatursuche im Fachportal Pädagogik nach „Rahmenmodell“ und „Kunst“/ „Künste“ ergibt keine Treffer. 3 Die Begriffe ‚Kompetenz‘, ‚Fähigkeit‘ und ‚Fertigkeit‘ treffen in diesem Beitrag keine inhaltliche Unterscheidung und sind alle im Sinne von Weinerts Kompetenzbegriff zu verstehen. Damit bezeichnen sie bei Personen verfügbare Merkmale, die zur Problemlösung eingesetzt werden können, verbunden mit der Bereitschaft, diese Merkmale im Bedarfsfall auch wirklich einzusetzen. Die ‚künstlerische Kompetenz‘ einer Schülerin kann damit z.B. zur ‚Problemlösung‘ genutzt werden, ein Kunstwerk zu verstehen oder zu produzieren. 14 Andreas Wirag DOI 10.24053/ FLuL-2023-0002 52 • Heft 1 e) strategische und f) soziale Kompetenz der Schüler*innen. Konkret gesprochen bezieht sich die a) ‚kommunikative Kompetenz‘ auf die Fähigkeit der Schüler*innen, in der Fremdsprache an Diskussionen über die Künste teilzunehmen, sich über künstlerische Eindrücke auszutauschen und die Fremdsprache in künstlerischen Aufführungen und Sprachprodukten zu verwenden. Die b) ‚analytische Kompetenz‘ beschreibt die Fertigkeit der Schüler*innen, künstlerische Ausdrucksformen zu beschreiben, die Bedeutungen von Kunstwerken einzuordnen und diese Kunstwerke zu bewerten. Die c) ‚ästhetische Kompetenz‘ der Lernenden bezieht sich auf ihre Fähigkeit, die Künste emotional zu erfassen und zu würdigen sowie sich künstlerischen Ausdrucksformen gegenüber offen zu zeigen. Die d) ‚kulturelle Kompetenz‘ beschreibt ihre Fähigkeit, der Vielfalt künstlerischer Ausdrucksformen in verschiedenen Kulturen Interesse entgegenzubringen sowie künstlerische Äußerungen der eigenen und anderer Kulturen zu würdigen. Die e) ‚strategische Kompetenz‘ bezieht sich auf die Fertigkeit der Schüler*innen, Lern- und Arbeitstechniken unter Einbezug der Künste anzuwenden, um auf diese Weise ihre sprachlichen Fähigkeiten zu verbessern. Schließlich beschreibt die f) ‚soziale Kompetenz‘ der Schüler*innen ihre Fähigkeit, in der Gemeinschaft künstlerische Formen in der Fremdsprache zu rezipieren und zu produzieren sowie kooperativ an zielsprachlichen Aufführungen mitzuarbeiten. Wie deutlich wird, benennt G EHRING (2017) in seiner Systematisierung bereits eine Fülle von Lernerträgen, die plausibel durch einen kunstbasierten Fremdsprachenunterricht gefördert werden können. Die große Mehrzahl dieser Fähigkeiten bezieht sich dabei auf zentrale Bildungsplanziele für den Fremdsprachenunterricht, wie z.B. in den KMK-Standards festgehalten, d.h. die kommunikative, kulturelle, strategische, analytische und ästhetische Kompetenz der Schüler*innen (vgl. die „interkulturelle kommunikative Kompetenz“, die „Sprachlernkompetenz“ und die „Text- und Medienkompetenz“ in den KMK-B ILDUNGSSTANDARDS 2014: 19-21). Lediglich die in G EHRING (2017) beschriebene soziale Kompetenz im Umgang mit anderen Schüler*innen ist, als ein allgemein-pädagogisches Bildungsziel, nicht in den fremdsprachlichen KMK-Standards aufgeführt. An G EHRING s (2017) Systematisierung fällt auf, dass einige Lernerträge der Schüler*innen unerwähnt bleiben, die in zahlreichen Publikationen zu den Künsten im Fremdsprachenunterricht eine größere Rolle spielen. Als ein weiterer Lernertrag wäre daher die ‚künstlerische Kompetenz‘ der Schüler*innen zu nennen (z.B. G EIER 2006), d.h. ihre Fähigkeit, Kunstwerke und künstlerische Darbietungen zu gestalten, die eine nicht-alltägliche ästhetische Qualität aufweisen. In der Forschungsliteratur wird der Ästhetikbegriff sehr breit diskutiert und ist dort in der Regel wenig trennscharf. Als eine Arbeitsdefinition kann „ästhetisch“ daher als „gleichbedeutend mit »Schönheit« oder »sinnliche Qualität« von Gegenständen“ (S TADLER / W IENCH 2006: 291) beschrieben werden. In einem Fremdsprachenunterricht unter Einbezug der Künste, in dem Lernende sich wiederholt rezeptiv und produktiv mit Kunstwerken beschäfti- Ein Rahmenmodell für den kunstbasierten Fremdsprachenunterricht 15 52 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0002 gen, ist anzunehmen, dass ihre künstlerische Kompetenz in diesem Sinne gefördert wird. Als ein weiterer Lernertrag sind die ‚personalen Kompetenzen‘ der Schüler*innen zu nennen. Diese Kompetenzen beschreiben die Persönlichkeitsmerkmale eines/ r Lerner*in, welche nicht, wie die sozialen Kompetenzen, auf das Zusammensein und die Zusammenarbeit mit anderen bezogen sind. Hierunter fallen z.B. Kreativität, Offenheit, Empathie, Ausdauer, Selbstbewusstsein oder Zuverlässigkeit der Schüler*innen. Die Forschung im Bereich der Persönlichkeitspsychologie (z.B. L ANGER / S TERN / S CHROEDER 2020; G ROSZ et al. 2022) und der Kulturellen Bildung (z.B. D OM - KOWSKY 2011; R ITTELMEYER 2016) untersucht seit den Nullerjahren die Effekte künstlerischer Tätigkeiten auf die personalen Kompetenzen von Schüler*innen. Auch wenn bisher keine klaren empirischen Belege zu einer dauerhaften Veränderung von Persönlichkeitsmerkmalen durch künstlerische Tätigkeiten vorliegen 4 , gibt die laufende Forschung Hinweise darauf, dass die Kreativität, Offenheit, Empathie usw. der Schüler*innen zumindest für den Zeitraum des kunstbasierten Unterrichts selbst angehoben wird (vgl. für passende Befunde zu Fremdsprachangst und Theater W IRAG / S URKAMP 2022). Die beiden Lernerträge der künstlerischen und personalen Kompetenz, die G EHRING s (2017) Darstellung nicht enthält, sollten daher in das neue Rahmenmodell aufgenommen werden. Camilla B ADSTÜBNER -K IZIK (2006) diskutiert in ihrer Habilitationsschrift Fremde Sprachen - Fremde Künste? den Einbezug von Musik und Bildender Kunst in den DaF/ DaZ-Unterricht. In ihrer Arbeit fasst sie die Lernerträge eines Fremdsprachenunterrichts unter Einbezug von Musik und Bildkunst mit Hilfe zweier Diagramme zusammen. Im Sinne der Übersichtlichkeit wird an dieser Stelle nur das Diagramm für die Bildkunst wiedergegeben (Abb. 1, S. 16). Unter der Abbildung werden, unter Bezug auf B ADSTÜBNER -K IZIK (2006: 78-82), die Kompetenzerträge für beide Künste, Musik und Bildkunst, im Fremdsprachenunterricht zusammenfassend beschrieben. Diese Zusammenfassung soll als Aussage über die Lernerträge für alle Künste, auf die sich das vorliegende Rahmenmodell bezieht, verstanden werden. 4 In ihrer Übersichtstudie zu „Transfereffekte Kultureller Bildung auf die Persönlichkeit“ ziehen L ANGER / S TERN / S CHROEDER (2020: 48) für eine dauerhafte Persönlichkeitsveränderung das folgende Fazit: „[Es] wird deutlich, dass die Forschung zu Transfereffekten [künstlerischer Tätigkeiten] in den letzten Jahren zugenommen hat. Jedoch ermöglicht der Umfang der aufgeführten Studien noch keine umfangreichen belastbaren Aussagen zum Bestehen von Transfereffekten auf die Persönlichkeit. Da wir uns auf veröffentlichte Zeitschriftenartikel aus einer sehr umfangreichen psychologischen Datenbank stützen, sollten wir mit unserer Recherche jedoch einen Großteil der methodisch aussagekräftigen Nachweise abgedeckt haben“. 16 Andreas Wirag DOI 10.24053/ FLuL-2023-0002 52 • Heft 1 Abb. 1: Lernerträge für die Bildende Kunst im Fremdsprachenunterricht in B ADSTÜBNER -K IZIK (2006: 79) Die Autorin führt in ihrem Überblick aus, dass die Künste im Fremdsprachenunterricht einen a) sprachrezipierenden, b) sprachproduzierenden, c) kunstrezipierenden, d) kunstproduzierenden, e) informativen sowie f) orientierenden Lernertrag für die Schüler*innen haben können. Im Einzelnen bezieht sich der a) ‚sprachrezipierende‘ Lernertrag auf die Fähigkeit der Schüler*innen, die Fremdsprache bei ihrem Umgang mit den Künsten erfolgreich zu verstehen, z.B. über Hören (z.B. Songs), Hör-/ Sehverstehen (z.B. Theaterstücke) oder Lesen (z.B. Literatur). Der b) ‚sprachproduzierende‘ Lernertrag beschreibt die Fertigkeit der Schüler*innen, ihre Gefühle, Sichtweisen oder ‚eigenen Geschichten‘ zu einem Kunstwerk in der Fremdsprache erfolgreich auszudrücken. Ein Kunstwerk oder eine künstlerische Darbietung wird damit zum Auslöser für fremdsprachliche Äußerungen der Lernenden. Die beiden Lernerträge a) und b) in B ADSTÜBNER -K IZIK (2006) decken sich damit im Wesentlichen mit der kommunikativen Kompetenz in G EHRING (2017), wobei sie weiter in rezeptive und produktive Sprachverwendung unterteilt sind. Der c) ‚kunstrezipierende‘ Lernertrag der Schüler*innen bezieht sich auf ihre Fähigkeit, individuelle Gefühle, Gedanken oder Betrachtungen zu einem Kunstwerk zu entwickeln - womit dieser Ertrag der ästhetischen Kompetenz in G EHRING (2017) entspricht. Der d) ‚kunstproduzierende‘ Lernertrag wiederum beschreibt die Fertigkeit der Schüler*innen, Kunstwerke oder künstlerische Darbietungen eigenständig zu gestalten, z.B. die Anfertigung einer Collage, das Schreiben eines Songs oder die Aufführung einer Improvisation. Laut der Autorin bezieht sich diese kunstproduzierende orientierend informativ produktiv rezeptiv kunstrezipierend sprachrezipierend lernpsychologisch sprachproduzierend kunstproduzierend Bildkunst und ihre Nutzung im FSU Ein Rahmenmodell für den kunstbasierten Fremdsprachenunterricht 17 52 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0002 Kompetenz jedoch auf „den kreativen Vorgang [an sich], keinesfalls den künstlerischen Wert der dabei entstehenden Produkte“ (B ADSTÜBNER -K IZIK 2006: 79). Damit hebt sie sich von der für das Rahmenmodell vorgeschlagenen künstlerischen Kompetenz ab, wonach Schüler*innen Kunstwerke von nicht-alltäglicher ästhetischer Qualität entwerfen können. Der e) ‚informative‘ Lernertrag bezieht sich auf das landeskundliche Wissen der Schüler*innen über die Künste und Künstler*innen der Zielkulturen, d.h. über herausragende Kunstwerke, Sehenswürdigkeiten oder Persönlichkeiten der Zielländer. Dieser Lernertrag kann als Teilbereich der kulturellen Kompetenz in G EHRING (2017) betrachtet werden, wonach die Lernenden in der Lage sind, künstlerische Äußerungen anderer Kulturen zu würdigen. Abschließend liegt der f) ‚orientierende‘ Lernertrag eines kunstbasierten Fremdsprachenunterrichts darin, dass die Künste Schüler*innen „auf bestimmte Themen und Phänomene aufmerksam machen und sie als Gegenstände spontaner oder länger anhaltender innerer Reflexion […] etablieren“ (B ADSTÜBNER -K IZIK 2006: 79). Auf diese Weise, so die Autorin, gelinge „ein Stück des Persönlichkeitsbildungsprozesses, der durch den Umgang mit Kunst ausgelöst werden kann“ (ebd.). Dieser letzte Lernertrag verweist (allem Anschein nach) auf die wesentliche Funktion von Kunst, komplexe Verhaltens-, Lebens- und Sinnfragen aufzuwerfen, auf die keine einfachen Antworten existieren, zu denen Heranwachsende aber dennoch, oder gerade aus diesem Grund, eine eigene Haltung entwickeln sollen. Der Versuch, diese Fragen vertieft und systematisch zu besprechen, ist für gewöhnlich Inhalt der interpretativen Anschlussbeschäftigung mit einem Kunstwerk (z.B. für Shakespeares Hamlet: „Should a murder be answered by another murder? “). Es scheint also der Fall zu sein, dass der orientierende Lernertrag aus dem kunstrezipierenden Ertrag, d.h. der Fähigkeit, individuelle Gefühle, Gedanken oder Betrachtungen zu einem Kunstwerk zu entwickeln, als eine Folge während des Rezeptionsgesprächs entsteht. Aus diesem Grund können beide Lernerträge - im Sinne einer sparsamen Theorieschreibung - im neuen Rahmenmodell mit Gewinn zusammengelegt werden. Wie auch G EHRING (2017) benennt B ADSTÜBNER -K IZIK (2006) in ihrer Darstellung mehrere Lernerträge, die sichtbar auf die KMK-Bildungsplanziele bezogen sind, d.h. die sprachrezipierende und sprachproduzierende Fähigkeit der Schüler*innen. Die Mehrzahl der diskutierten Kompetenzerträge jedoch verweist auf Fähigkeiten im Umgang mit den Künsten, d.h. der kunstrezipierende, kunstproduzierende, informative und orientierende Lernertrag. Eine Förderung der Persönlichkeits- oder Sozialkompetenzen der Lerner*innen, wie in G EHRING (2017) und weiter oben beschrieben, wird in B ADSTÜBNER -K IZIK (2006) nicht erwähnt. Betrachtet man die beiden Darstellungen der Lernerträge, die als Forschungsstand für das folgende Rahmenmodell verstanden werden können, fällt auf, dass die bisherigen Systematisierungen zahlreiche Überschneidungen aufweisen. Diejenigen Kompetenzen, über die in der bisherigen Forschung Einigkeit bzw. Deckung besteht, können unproblematisch in das neue Rahmenmodell übernommen werden. Weitere Kompetenzen, die bisher nur in der Forschungsliteratur zum kunstbasierten Fremdspra- 18 Andreas Wirag DOI 10.24053/ FLuL-2023-0002 52 • Heft 1 chenunterricht, zur Persönlichkeitspsychologie oder zur Kulturellen Bildung diskutiert wurden, wie die künstlerischen und personalen Kompetenzen, können das neue Rahmenmodell ergänzen. Auf diese Weise können Befunde über Lernerträge, die aus kunstbezogener Unterrichtsarbeit entstehen, die in anderen Forschungsfeldern als der Fremdsprachendidaktik untersucht wurden, die Theorieschreibung in der Fremdsprachenforschung erweitern. Schließlich bietet es sich an, die verschiedenen Lernerträge, die sich für den Fremdsprachenunterricht unter Einbezug der Künste ergeben, im aktuellen Rahmenmodell im Sinne der Übersichtlichkeit inhaltlich zu gruppieren (s. Abb. 2, S. 20). Ein weiterer Aspekt, in dem die früheren Darstellungen sinnvoll erweitert werden können, betrifft die kausale Anordnung der verschiedenen Lernerträge eines kunstbasierten Fremdsprachenunterrichts. In den bisherigen Modellen wird angenommen, dass alle Kompetenzzuwächse, die ein kunstbasierter Fremdsprachenunterricht hervorbringt, dessen finale und dauerhafte Enderträge darstellen. In diesem Verständnis führen die genutzten Lehr-/ Lernmethoden zu einer anhaltenden Veränderung der Fähigkeiten der Schüler*innen, sodass diese nach dem Unterricht z.B. die Fremdsprache flüssiger sprechen (sprachproduzierender Lernertrag), ästhetischere Kunstwerke gestalten (künstlerischer Lernertrag), eine größere Anzahl von Kunstwerken der Zielkulturen kennen (interkultureller Lernertrag), ihre Motivation im Fremdsprachenunterricht gesteigert haben (personaler Lernertrag) usw. Diese Art der Veränderung, die für tatsächliche Wissens- oder Fähigkeitskomponenten der Schüler*innen plausibel ist, ist jedoch nicht zwangsläufig für alle diskutierten Lernerträge naheliegend. So ist wenig glaubhaft, dass die erhöhte Motivation, die ein/ e Lerner*in z.B. beim Theaterspielen empfindet (D OMKOWSKY 2011: 522), von nun an zu ihrer dauerhaften Grundmotivation im Fremdsprachenunterricht wird. Auch eine gelungene Einfühlung in eine Romanfigur während einer Schreibübung überträgt sich nicht zwangsläufig auf die dauerhafte Fähigkeit der Schüler*innen zur Empathie im Alltag. Es scheint sich vielmehr um situative und vorübergehende Veränderungen dieser Lernermerkmale zu handeln, die durch einen kunstbasierten Fremdsprachenunterricht ausgelöst werden können. Diese vorübergehenden Änderungen dürften besonders die personalen (z.B. Motivation, Kreativität) und sozialen (z.B. Zusammenarbeit, Empathie) Kompetenzen der Schüler*innen betreffen, die in einer konkreten Unterrichtssituation erfordert und damit von den Lernenden in diese Situation eingebracht werden. So verlangt z.B. die Aufgabe, die Beziehung zweier Romanfiguren als Standbild mit den Mitschüler*innen darzustellen, situativ sowohl Kreativität als auch Zusammenarbeit und Absprachefähigkeit. Nach Abschluss der Aufgabe werden diese Lernermerkmale jedoch nicht mehr aufgerufen, womit nicht von einer dauerhaften Veränderung der Personeneigenschaften gesprochen werden kann. Gleichzeitig ist es möglich, dass die wiederholte situative Anwendung der personalen und sozialen Kompetenzen der Schüler*innen, vor allem wenn diese über das Maß ihrer Alltagsnutzung hinaus gefordert werden, zu einer Veränderung der entsprechenden dauerhaften Lernermerkmale führt (vgl. G ROSZ et al. 2022). Die dazugehörige Annahme aus der Persönlichkeitspsychologie wäre hier, dass sich die Kompeten- Ein Rahmenmodell für den kunstbasierten Fremdsprachenunterricht 19 52 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0002 zen der Schüler*innen, im Sinne von states, durch eine Unterrichtssituation, welche diese Kompetenzen gewissermaßen einfordert, erhöhen. So ruft z.B. eine Abschreibaufgabe keine Kreativität der Schüler*innen auf, eine (Theater-)Improvisationsaufgabe oder Song-Schreib-Aufgabe hingegen schon. Die Kreativität als state variiert dabei um den festen Grundwert der Kreativität eines Schülers, im Sinne eines trait. 5 Dabei verhält sich der state wie ein Gummiband, das von seinem trait-Ankerpunkt aus nach oben weggezogen wird und später wieder zu diesem Ankerpunkt zurückkehrt. Eine wissenschaftlich bislang ungeklärte Frage ist, ob eine wiederholte ‚Überdehnung‘ eines states zu einer dauerhaften Verschiebung seines trait-Ankerpunktes führt. G ROSZ und Kollegen*innen (2022: 362) beschreiben diesen Vorgang in einem Beitrag zu „Personality change through Arts education“ wie folgt: „Several models of personality development propose that long-term change in personality traits occurs because of repeated short-term state processes“. Das neue Rahmenmodell trägt dieser Überlegung Rechnung, indem es vorübergehende und dauerhafte Lernerträge unterscheidet und diese in ein geschachteltes Wirkungsgefüge bringt. Auf diese Weise können vorübergehende Lernerträge, wie eine situativ erhöhte Motivation oder Empathie (state), zur Erreichung dauerhafter Kompetenzveränderungen (trait) der Schüler*innen wirksam werden. 3. Ein neues Rahmenmodell für den kunstbasierten Fremdsprachenunterricht Das folgende Rahmenmodell veranschaulicht die zentralen Elemente eines Fremdsprachenunterrichts unter Einbezug der Künste. Wie skizziert enthält das Rahmenmodell die wesentlichen Bestandteile eines kunstbasierten Fremdsprachenunterrichts sowie die Beziehungen dieser Elemente zueinander. Der ‚Unterricht‘, d.h. die genutzten Lehr-/ Lernmethoden, und die ‚Lernerträge‘, d.h. die Auswirkungen dieser Lehrmethoden auf die Kompetenzen der Schüler*innen, sind dabei die zentralen Bausteine. Das gesamte Rahmenmodell wird in Abbildung 2 ( S. 20) gezeigt. Die inhaltliche Beschreibung der Elemente des Rahmenmodells erfolgt, gemäß der Abfolge dieser Elemente im tatsächlichen Unterricht, von ‚Unterricht‘ (links) nach ‚Lernerträge‘ (rechts). 5 Das APA Dictionary of Psychology (2015) definiert trait und state aus der Persönlichkeitspsychologie wie folgt: „trait“ als „enduring personality characteristic that describes or determines an individual’s behavior across a range of situations“ (APA 2015: 1098), sowie „state“ als „status of an entity […] at a particular time that is characterized by relative stability of its basic components or elements [i.e., its trait]“ (APA 2015: 1026). 20 Andreas Wirag DOI 10.24053/ FLuL-2023-0002 52 • Heft 1 Abb. 2: Rahmenmodell für einen kunstbasierten Fremdsprachenunterricht Ein Rahmenmodell für den kunstbasierten Fremdsprachenunterricht 21 52 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0002 Das Element ‚Unterricht‘ stellt sich somit im Detail dar wie folgt: Der Unterricht, d.h. die genutzten Lehr-/ Lernmethoden, beziehen in einem kunstbasierten Fremdsprachenunterricht notwendigerweise die verschiedenen Künste mit ein. So lesen die Schüler*innen z.B. Romane oder Kurzgeschichten (Literatur), stellen Standbilder dar (Drama/ Theater), entwerfen Bildergeschichten (Comic/ Graphic Novel), hören Musik oder schreiben Songstrophen (Musik), tragen Poetry-Slam-Texte vor (Poetry Slam) usw. Die Künste können dabei in sprachliche Künste (z.B. Literatur, Drama/ Theater) und nicht-sprachliche Künste (z.B. Bildende Kunst, Tanz) unterschieden werden, in Abhängigkeit davon, ob die Künste einen (fremd-)sprachlichen Anteil haben (oder nicht). Die Musik als Kunst kann sowohl sprachlich (d.h. Lieder/ Songs mit Texten) als auch nicht-sprachlich (d.h. instrumental) auftreten. In der Bildenden Kunst können Plakate, Fotos, Gemälde usw. ebenfalls Schriftzüge und damit Sprachanteile enthalten. Da dies aber selten der Fall ist, wird die Bildkunst hier als nicht-sprachliche Kunst geführt. Im kunstbasierten Fremdsprachenunterricht findet nun ein rezeptiver oder produktiver Umgang mit den Künsten statt. Diese beiden Begriffe werden jedoch in der Fremdsprachendidaktik im Normalfall mit Bezug auf die Fremdsprache genutzt. Um Verwechslungen zu vermeiden, wird in diesem Beitrag der Zusatz k für „künstlerisch“ zu rezeptiv k und produktiv k hinzugefügt - lies: „Kunst rezipierend“ und „Kunst produzierend“. Ein rezeptiver k Umgang beinhaltet demnach die Wahrnehmung, Betrachtung oder Beobachtung der Künste oder der zu ihnen gehörigen Kunstwerke durch die Schüler*innen (z.B. das Betrachten eines Bildes). Ein produktiver k Umgang betrifft die Herstellung eigener Kunstwerke oder künstlerischer Darbietungen durch die Lerner*innen (z.B. das Erstellen eines Standbilds). Es versteht sich, dass die Künste im selben Unterricht sowohl rezeptiv k als auch produktiv k eingesetzt werden können. So können Schüler*innen z.B. verschiedene Kurzgeschichten zunächst lesen (rezeptiv k ) und im Anschluss eigene Kurzgeschichten schreiben (produktiv k ). Hier wäre, nebenbei bemerkt, ein klarer Anwendungsfall von „generischem Lernen“ bzw. „Lernen am Modell“ gegeben, wonach die Schüler*innen über die Begegnung mit Modelltexten die für die Kurzgeschichte konstitutiven Merkmale erfahren, um mit Hilfe dieses Musters später eigene Geschichten zu schreiben (vgl. H ALLET 2017 für das generische Lernen). Verbunden mit der Unterscheidung zwischen sprachlicher und nicht-sprachlicher Kunst und zwischen rezeptiver k und produktiver k Arbeitsweise mit den Künsten ist auch die Förderung der Fremdsprache der Schüler*innen im Unterricht. Hier kann die folgende Unterteilung getroffen werden: Die rein rezeptive k Arbeit mit sprachlicher Kunst erlaubt es, die rezeptiven kommunikativen Kompetenzen der Schüler*innen zu fördern (d.h. Lesen, Hör-/ Sehverstehen). Ein klassisches Beispiel wäre hier das Lesen von Literatur oder das Schauen eines Films. Die produktive k Arbeit mit sprachlicher Kunst ermöglicht es, die produktiven kommunikativen Kompetenzen der Schüler*innen zu fördern (d.h. Sprechen, Schreiben). Hier wären Beispiele das Schreiben neuer Songstrophen oder das Weiterführen einer Theaterszene. Die rezeptive k Arbeit mit nicht-sprachlicher Kunst wiederum kann ohne weitere 22 Andreas Wirag DOI 10.24053/ FLuL-2023-0002 52 • Heft 1 Aufträge an die Schüler*innen noch nicht zur Förderung der Fremdsprache genutzt werden. So erfordert das Betrachten eines Bildes oder das Hören von Instrumentalmusik naheliegenderweise keine Sprache. Hier müssen Lernende über geeignete Sprachaufträge aufgefordert werden, auf die rezipierten Kunstwerke Bezug zu nehmen. Passende Beispiele wären hier das Betrachten eines Gemäldes, das beschrieben wird (z.B. „What do you see here? “), das mit einer Geschichte gefüllt wird (z.B. „What is the person in the painting doing? “), das an eigene (Vor-)Erfahrungen anschließt (z.B. „Has anybody ever been to such a place? “) oder das inhaltlich interpretiert wird (z.B. „Which feelings do these dark colors convey? “) (vgl. O FFICE OF B ILINGUAL E DUCATION AND F OREIGN L ANGUAGE S TUDIES 2010: 14). Auch die produktive k Arbeit mit nicht-sprachlicher Kunst kann nur mit weiteren Aufträgen an die Schüler*innen zur Förderung der Fremdsprache eingesetzt werden. Denn auch hier erfordert das Malen eines Bildes oder die Aufführung einer Tanzfigur die Fremdsprache zunächst nicht. Passende Sprachaufträge an die Schüler*innen beziehen sich hier auf die (sprachliche) Dokumentation und (sprachliche) Präsentation ihrer künstlerischen Arbeit und der daraus entstandenen Kunstwerke. So können die Schüler*innen gebeten werden, ihre Vorüberlegungen (z.B. „What should your painting show? “) oder ihre Arbeitsschritte zu dokumentieren (z.B. „What did you do when? “), das eigene Kunstwerk vorzustellen (z.B. „Tell us about your work“) oder das eigene Werk inhaltlich zu interpretieren (z.B. „What did you want to express? “). Über diese Arbeitsaufträge an die Schüler*innen kann die Rezeption k und Produktion k der nicht-sprachlichen Künste ebenfalls zum Anlass zum Fremdsprachgebrauch, und damit Fremdsprachenerwerb, werden. Dabei gilt, dass diese Sprachaufträge zur Rezeption k und Produktion k ebenso genutzt werden können, um mit den sprachlichen Künsten zu arbeiten. Auch hier können, quasi zusätzlich zur Spracharbeit, die schon ‚in der Sprachkunst‘ selbst steckt, die Lerner*innen auf die Kunstwerke Bezug nehmen oder über ihre Arbeitsweise und Arbeitsergebnisse berichten. So kann im Unterrichtsverlauf z.B. für die sprachliche Kunst Literatur i) eine bestehende Kurzgeschichte gelesen (Lesen), ii) diese besprochen (Sprechen), iii) eine eigene Geschichte geschrieben (Schreiben), iv) diese dokumentiert (Schreiben) und schließlich v) vor der Lerngruppe vorgestellt werden (Sprechen). Im Rahmenmodell stellt sich das Element ‚Lernerträge‘, die über diesen Unterricht umgesetzt werden können, darüber hinaus wie folgt dar (s. Abb. 2, S. 20): Wie oben diskutiert, können die Lernerträge aus G EHRING (2017) und B ADSTÜBNER -K IZIK (2006) mit Gewinn um weitere Kompetenzen erweitert und neu angeordnet werden. So kann zwischen vorübergehenden Zwischenerträgen und dauerhaften Enderträgen unterschieden werden, wobei vorübergehende Lernerträge zur Erreichung dauerhafter Kompetenzveränderungen der Schüler*innen wirksam werden. Damit die Kompetenzerträge im neuen Rahmenmodell eine ausreichende Trennschärfe besitzen, werden sie erneut über Arbeitsdefinitionen beschrieben. Als Zwischenerträge eines kunstbasierten Fremdsprachenunterrichts ergeben sich damit vorübergehende, durch die Kunstaufgaben aufgerufene Veränderungen der personalen und sozialen Kompetenzen der Schüler*innen: Ein Rahmenmodell für den kunstbasierten Fremdsprachenunterricht 23 52 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0002 Personale Kompetenzen: Die SuS nutzen Persönlichkeitseigenschaften oder -merkmale, die in ihrer Person begründet liegen und die zu einer erfolgreichen Aufgaben- oder Problembewältigung beitragen (z.B. Motivation, Aufmerksamkeit, Kreativität, Selbstbewusstsein, Offenheit für Erfahrungen). Soziale Kompetenzen: Die SuS nutzen Verhaltensweisen im Umgang mit anderen, die zu einer erfolgreichen Aufgaben- oder Problembewältigung in der Gemeinschaft beitragen (z.B. Zuverlässigkeit, Kompromissfähigkeit, Empathie, Toleranz). Diese Zwischenerträge der personalen und sozialen Kompetenzen werden nun zu Endlernerträgen, wenn sie, wie oben beschrieben, durch ihre wiederholte situative Anwendung (state), vor allem über das Alltagsmaß hinaus, zu einer Veränderung der dazugehörigen dauerhaften Persönlichkeitsmerkmale (trait) führen. Gleichzeitig beeinflussen die dargestellten Zwischenerträge die Endlernerträge der übrigen, d.h. der a) fremdsprachlichen und b) künstlerischen Kompetenzen der Schüler*innen (s. Abb. 2). So ist anzunehmen, dass eine situativ erhöhte Motivation, Aufmerksamkeit, Zuverlässigkeit usw., die durch künstlerische Aufgaben ausgelöst wird, auch die Lernerträge für diese übrigen Kompetenzen erhöht. Auf diese Weise dürften Schüler*innen, die motiviert, aufmerksam, zuverlässig usw. ‚bei der Sache‘ sind, einen höheren Lernertrag erreichen als Schüler*innen, die unbeteiligt, passiv und unfokussiert im Unterricht arbeiten (s. Michaela S AMBANIS ‘ Beitrag in diesem Heft). Als Enderträge eines Fremdsprachenunterrichts unter Einsatz der Künste ergeben sich für die a) ‚fremdsprachlichen Kompetenzen‘ im Rahmenmodell die folgenden Erträge: Kommunikative Kompetenzen: Die SuS verbessern ihre Fremdsprachenfähigkeit in den Bereichen Sprechen, Schreiben, Lesen, Hör-/ Sehverstehen und Sprachmittlung sowie im Wortschatz und der Grammatik. Strategische Sprachlernkompetenz: Die SuS können die Arbeit mit den Künsten bewusst nutzen, um das eigene Fremdsprachenlernen zu gestalten und voranzutreiben. Einige Beispiele für kunstbezogene Lernstrategien wären das extensive Lesen von Romanen oder Graphic Novels (mit Vokabel-Scaffolding), das Schauen von Filmen und Serien in der Zielsprache (mit Untertitel-Scaffolding), das Herausschreiben von Wortschatz aus Liedern, Büchern oder Serien, das Lesen und Anlegen von zielsprachlichen Wikipedia-Einträgen zu Kunstwerken und Künstler*innen, u.w.m. Für die b) ‚künstlerischen Kompetenzen‘ der Schüler*innen ergeben sich diese Endlernerträge: Künstlerisch-rezeptive Kompetenz: Die SuS verbessern ihre Fähigkeit, Kunstwerke/ -darbietungen inhaltlich und emotional zu erfassen, wobei sie Diskussionen über die Bedeutung von Kunstwerken führen, die Raum für unterschiedliche, individuelle Lesearten lassen. Künstlerisch-analytische Kompetenz: Die SuS verbessern ihre Fähigkeit, 24 Andreas Wirag DOI 10.24053/ FLuL-2023-0002 52 • Heft 1 Kunstwerke/ -darbietungen in Hinblick auf ihre strukturelle Beschaffenheit zu beschreiben. Künstlerisch-produktive Kompetenz: Die SuS verbessern ihre Fähigkeit, Kunstwerke oder künstlerische Darbietungen von nicht-alltäglicher ästhetischer Qualität zu gestalten. Künstlerisch-interkulturelle Kompetenz: Die SuS verbessern ihre Kenntnisse von und ihr Wissen über Kunstwerke/ -darbietungen und Künstler*innen der fremdsprachlichen Zielkulturen, wobei sie diesen Kunstwerken und Kunstschaffenden offen gegenüberstehen. Für die Enderträge der c) ‚persönlichen Kompetenzen‘ der Schüler*innen werden die gleichen Definitionen wie für die Zwischenerträge beschrieben angenommen. Jedoch verbessern sich die personalen und sozialen Kompetenzen der Lernenden in diesem Fall dauerhaft. 4. Fazit und Ausblick Das vorgestellte Rahmenmodell soll als schematische Darstellung eines kunstbasierten Fremdsprachenunterrichts verstanden werden, das die zentralen Elemente dieses Unterrichts benennt und in ein plausibles Wirkungsgefüge einordnet. Auf diese Weise werden ‚Unterricht‘ und ‚Lernerträge‘ des fremdsprachlichen Klassenzimmers mit Kunsteinsatz (d.h. Theater, Bildende Kunst, Musik, Literatur usw.) sichtbar und nachvollziehbar gemacht. Bisherige Darstellungen der Lernerträge wurden in das aktuelle Modell aufgenommen, womit an den aktuellen Forschungsstand angeschlossen wird (B ADSTÜBNER -K IZIK 2006; G EHRING 2017). Abschließend muss eine zentrale Beschränkung der Aussage des neuen Rahmenmodells hervorgehoben werden. Auch wenn die diskutierten Verbindungen (oder: Effekte, Auswirkungen) zwischen ‚Unterricht‘ bzw. Lehr-/ Lernmethoden und ‚Lernerträgen‘ der Schüler*innen eine grundlegende Plausibilität aufweisen, stellt auch das neue Rahmenmodell (wie auch die bisherigen Darstellungen) eine theoretische Modellierung der Wirkzusammenhänge dar. Zwar gilt für die Theoriebildung in der Fremdsprachendidaktik, wie L EGUTKE (2016: 41) schreibt, dass „[d]ie Entwicklung und kritische Erörterung von Modellen […] zu den zentralen Aufgaben theoretischer Forschung [gehört], denn Modelle haben die Funktion, komplexe Zusammenhänge und Abläufe verständlich zu machen“. Gleichzeitig ist das Rahmenmodell, als ein theoretisches Annahmengefüge, jedoch (vorläufig) nicht durch empirische Evidenz belegt bzw. nicht vollständig empirisch fundiert. Eine belastbare Aussage dazu, ob die vorgestellten Lernerträge in fremdsprachlichen Klassenzimmern auch tatsächlich eintreten, kann aus dem Modell heraus nicht getroffen werden. Eine empirische Überprüfung des Rahmenmodells ‚als Ganzes‘ dürfte aufgrund der Vielfalt seiner Annahmen auch in Zukunft nicht zu leisten sein. Denkbar wäre jedoch, die empirische Gültigkeit einzelner Verbindungen des Modells durch geeignete Studien zu überprüfen Ein Rahmenmodell für den kunstbasierten Fremdsprachenunterricht 25 52 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0002 (z.B. das Malen/ Theaterspielen steigert die situative Motivation der Schüler*innen; eine wiederholte Steigerung der situativen Motivation steigert die dauerhafte Motivation im Fremdsprachenunterricht). Auf diese Weise kann das vorgestellte Rahmenmodell sukzessive empirisch überprüft und damit validiert (oder ggf. falsifiziert) werden. Dies bedeutet jedoch, dass das Rahmenmodell als ‚forschungsleitend‘ für nachfolgende empirische Studien verstanden werden sollte - und nicht als ‚handlungsleitend‘ für die konkrete Unterrichtspraxis. Literatur A NDREWS , Jane / A LMOHAMMAD , Maryam (Hrsg.) 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