eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 52/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.24053/FLuL-2023-0025
121
2023
522 Gnutzmann Küster Schramm

Christiane LÜTGE (Hrsg.): Foreign Language Learning in the Digital Age. Theory and Pedagogy for Developing Literacies. London: Routledge 2022, 284 S

121
2023
Jules Bündgens-Kosten
flul5220126
DOI 10.24053/ FLuL-2023-0025 52 • Heft 2 Christiane L ÜTGE (Hrsg.): Foreign Language Learning in the Digital Age. Theory and Pedagogy for Developing Literacies. London: Routledge 2022, 284 Seiten [Hardcover £ 96,00]. Wie sieht Fremdsprachenunterricht - mit besonderem Fokus auf (Multi)Literacies - im Digitalen Zeitalter aus? Hierauf möchte der Sammelband von Christiane L ÜTGE eine Antwort geben - mit Blick sowohl auf Praxis als auch auf theoretische Hintergründe. Die Beitragenden arbeiten - so die Herausgeberin - in zwölf verschiedenen Ländern. Entsprechend vielfältig sind die Bildungskontexte, die in den einzelnen Beiträgen vorgestellt und diskutiert werden. Ebenfalls weitgespannt sind die Bildungsinstitutionen, von Grundschule über Sekundarstufen bis hin zu Universität und Lehrkräftebildung. Der Band beginnt mit einer Einleitung durch die Herausgeberin, der die Ziele des Bandes beschreibt und die verschiedenen Beiträge kurz zusammenfasst. Das restliche Buch besteht aus fünf Abschnitten, die jeweils zwei bis vier Beiträge umfassen, und Grundlagenfragen (Abschnitt I), Transmedialität und Remixing (Abschnitt II), digitale Medien (Abschnitt III), Entwicklung von sprachliche Fertigkeiten und Spracherwerb mit Medien (Abschnitt IV) sowie Lehrkräftebildung (Abschnitt V) betrachten. Abschnitt I „Foundational concerns on literacies and media in language education“ enthält zwei Beiträge. C OPE & K ALANTZIS (Beitrag 1) stellen dabei fünf Thesen für die Zukunft des Online-Lernens vor, wobei für sie unter Online-Lernen auch Präsenzunterricht mit digitaler Unterstützung fällt. Sie kritisieren die 1: 1-Übertragungen von traditionellen Lehrformen auf Online-Lehre und stellen ihr eigenes Konzept und seine Umsetzung auf der Plattform CG Scholar vor. Die pointierte Darstellung verschiedener Lehrtraditionen nimmt dabei nicht immer die tatsächliche Vielfalt von Lehrpraktiken in den Blick - etwa ignoriert die Kritik an MOOCs die Existenz von cMOOCs. Explizite Bezüge zum Fremdsprachenunterricht werden nicht hergestellt. Beitrag 2, K ALANTZIS & C OPE , stellt eine Zusammenfassung ihrer Bücher Making sense (2020) und Adding sense (2020) dar, und argumentiert gegen die Verwendung der Kategorie „Sprache“ in Sozialwissenschaft und Pädagogik und für ihr Konzept einer „‚transpositional grammar‘ of multiform meaning“ (S. 34), die geeignet sei, alle „forms of meaning“ (Text, Bild, Raum, Objekte, gesprochene Sprache, etc.) zu beschreiben. Abschnitt II, „Everything old is new again: Digitalization, transmediality, and remix“ umfasst drei Beiträge. Jonathon R EINHARDT (Beitrag 3) schlägt vor, Computer-assisted language learning (CALL) unter dem neuen Paradigma „technology as everyday“ zu betrachten und diskutiert, was dieses Paradigma für CALL-Praxis und -Forschung bedeuten würde. Michael C. P RUSSE (Beitrag 4) diskutiert, wie Schüler*innen in der transnarrativen Analyse (Arbeit mit illustrierten Romanen sowie mit Romanadaptionen in Film- und Graphic Novel Format) ein tieferes Verständnis für die Heldenreise als narrativem Muster entwickeln sowie ihre Medienkompetenz und Multiliteracies erweitern. Er bezieht sich dabei auf Erfahrungen aus Projekten mit Schweizer Sekundarschulen im Rahmen der Lehrkräftebildung. Auch Amos P ARAN (Beitrag 5) betrachtet Romane und ihre Filmadaptionen, hier am Beispiel von E.M. Forsters Maurice. Neben Buch und Film beziehen seine Unterrichtsvorschläge auch Kritiken ein.Abschnitt III umfasst drei Beiträge zum Thema „Explorations into the digital medium“. Catherine B EAVIS (Beitrag 6) präsentiert einen Literaturüberblick zum Thema digitale Spiele als multimodale Texte mit Fokus auf (Multi-)Literacy Förderung in der L1, der auch ältere B e s p r e c h u n g e n Besprechungen 127 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0025 Studien prominent in den Blick nimmt und Übertragungsmöglichkeiten auf die Fremdsprache impliziert (bzw. gegen Ende auch explizit fokussiert). Isabel R IVERO -V ILÁ (Beitrag 7) beschreibt die Produktion einer i-doc, d.h. einer interaktiven multimedialen Dokumentation. Ganz praxisnah sind die Beispiele für Begleitaufgaben zur i-doc für universitäre Fremdsprachenkurse sowie die Materialien und Aufgabenstellungen, um Studierende kurze (filmbasierte) Dokumentationen in der Zielsprache produzieren zu lassen. Autorinnen des darauffolgenden Beitrags 8 sind Regina C. B RAUTLACHT , Maria Lurdes M ARTINS , und Franca P OPPI . Sie stellen das Virtual Exchange Projekt ProGlobe vor und präsentieren Evaluationsergebnisse. Dass sich ein Projekt ohne Bezug auf Lehrkräftebildung auf Mishras TPACK Modell bezieht, welches die Wissensbestände beschreibt, die Lehrkräfte brauchen, um effektiv mit Medien zu unterrichten, überraschte. Abschnitt IV widmet sich dem Thema „Media and technology in the language classroom: focus on skills and acquisition“. Der erste Beitrag — von Ferran G ESA und Imma M IRALPEIX (Beitrag 9) — ist eine empirische Studie zu wortschatzerwerbsförderlichen Effekten von Serienuntertiteln. Die nächste empirische Studie (Beitrag 10) tragen Vu Van D UONG und Erhan A SLAN bei, die sich mit kollaborativem Schreiben via Wikis beschäftigt haben und hier anhand einer Gruppe von 20 Studierenden eines „English Pedagogy“ Kurses den Einfluss von Aufgabentypen auf inhaltliche und sprachliche Überarbeitungen untersuchen. Beitrag 11 ist der Beitrag von Maria-Lourdes L IRA -G ONZALES und Pascal G RÉGOIRE , ein Literaturüberblick („narrative knowledge synthesis“) zum digitalen Schreiben auf Englisch und Französisch als L2 in Grund- und Sekundarschule. Hierbei handelt es sich um einen Auszug aus einem größeren Projekt, das auch Schreiben in der L1 mitbetrachtet. Der letzte Abschnitt, Abschnitt V, betitelt „Multiliteracies and media pedagogy in teacher education“, wendet sich der Lehrkräftebildung zu, wobei Lehramtsstudierende auch in anderen Beiträgen (etwa in Beitrag 4 oder in Beitrag 10) schon eine Rolle gespielt haben. Maria E ISENMANN (Beitrag 12) nimmt sich des Themas „Edu apps“ an. Auch wenn zu Beginn des Artikels das DigiCompEdu Modell vorgestellt wird, geht der Kern des Beitrags über Fragen der Lehrkräftebildung hinaus und listet eine große Anzahl von Apps und Webseiten auf, die im Fremdsprachenunterricht genutzt werden können. Einige Überlegungen zum Thema Filmproduktion im Englischunterricht runden den Beitrag ab. Beitrag 13 (Nettie B OIVIN und Assem A MANTAY ) berichtet über ein Projekt, bei dem Lehramtsstudierende in Kooperation mit Englischlehrkräften Unterricht mit einer transmodalities Perspektive planten, an Grundschulen durchführten und anschließend - auch mit Videoeinsatz - gemeinsam mit Lehrkräften reflektierten. Auch wenn es nicht immer einfach ist, den Details des Forschungsprojekts zu folgen, gibt der Beitrag doch interessante Einblicke in die kasachische Lehrkräftebildung. Die drei Autorinnen von Beitrag 14 (Ivana M ARENZI , Maria B ORTOLUZZI und Francesca B IANCHI ) beschreiben das Konzept und die Funktionalitäten des LearnWebs, einer Platform zum Teilen, Annotieren und kollaborativen Erstellen von (Bildungs-)Ressourcen, die auch als Lernmanagementsystem genutzt werden kann. Durch eine Zusammenfassung verschiedener, bereits publizierter, Studien geben sie Einblicke darin, wie die Plattform tatsächlich von Nutzer*innen (u.a. Sprachlehrkräften und Studierenden eines Dolmetscher*innen-Studiengangs) verwendet wird. Ein kurzer zusammenfassender Beitrag von Christiane L ÜTGE und Michelle S TANNARD , der auch auf die Besonderheiten des Lehrens zu Pandemiezeiten eingeht, schließt den Abschnitt sowie das Buch ab. Einen Sammelband bewertet man am einfachsten gemessen an den Zielen, die sich die Herausgebenden selber gesetzt haben. Christiane L ÜTGE definierte in der Einleitung zwei Themenkomplexe als Kern des Sammelbandes: „the scope of media and literacies for foreign language education in the digital age“ sowie „examples of best practice for working with media 128 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2023-0026 52 • Heft 2 in formal language-learning contexts“ (S. 1-2 ). Diesen Anspruch erfüllt der Band. Medien und ihre Nutzung im Unterricht/ der Lehre sind Gegenstand aller Beiträge, wobei dies nicht notwendigerweise digitale Medien bedeutet, wie der Titel des Bandes (Foreign Language Learning in the Digital Age) impliziert. Es ließe sich hier aber argumentieren, dass durch die Beschäftigung mit z.B. Romanverfilmung (Beitrag 5) Kompetenzen erworben werden, die für ein Leben im Zeitalter der Digitalisierung unverzichtbar sind. Das am stärksten verbindende Konzept ist aber sicherlich (Multi-)literacies - mit Ausnahme von Abschnitt IV, der eher durch ‚klassisches‘ SLA geprägt wird. Die inhaltliche Breite der Beiträge kann sowohl als Stärke wie als Schwäche dieses Sammelbandes gelesen werden: als farbenfrohes Bouquet mit einer Vielzahl an Anregungen oder als Wildblumenwiese, die Kohärenz vermissen lässt. Als Zielgruppe benennt die Herausgeberin „postgraduate academic audiences“ (S. 1), was für viele der Beiträge zutreffend ist. Einige der Artikel können aber in ihrer Praxisnähe und sehr zugänglichen Sprache auch schon früh im Studium eingesetzt werden (z.B. Beitrag 12). Auch wenn der Sammelband die ihm gesteckten Ziele sicherlich erreicht hat, ließe sich als Kritik vorbringen, dass manchmal eine stärkere Konsistenz nicht nur der thematischen Ausrichtung, sondern auch der Tiefe der Auseinandersetzung wünschenswert gewesen wäre. Tiefgehende Theoriebeiträge stehen in einer Reihe mit äußerst praxisorientierten Überlegungen oder (nicht in allen Fällen besonders fundierten) empirischen Studien. Auch die Qualität der Beiträge ist variabel. Während einige Highlights dabei sind (ganz subjektiv ist z.B. Beitrag 1 auf seine pointierte Art sehr charmant und Beitrag 3 knüpft wunderbar an existierende CALL- Diskurse an), sind andere Beiträge weniger stark. Angesichts der Tatsache, dass es z.B. zu Virtual Exchange viele hochwertige, tief in Theorie und Diskurs eingebettete Publikationen gibt, tritt Beitrag 8 ein wenig in den Hintergrund. Abschließend ließe sich sagen, dass der Band interessante Ideen rund um Multiliteracies - und, zu einem geringeren Grad, Digitalisierung - bereithält, aber vermutlich ein kritisches Lesen einzelner Beiträge für die meisten Lesenden gewinnbringender ist als die vollständige Lektüre. Frankfurt/ M. J ULES B ÜNDGENS -K OSTEN Ruth T RÜB : An Empirical Study of EFL Writing at Primary School. Tübingen: Narr 2022, 293 Seiten [58 € Paperback - open access: E-Book] Das 2022 erschienene Buch von Ruth T RÜB - An Empirical Study of EFL Writing at Primary School - stellt die Ergebnisse eines Forschungsprojektes vor, das von der Autorin im Rahmen ihrer Dissertation zwischen 2016 und 2020 im Kanton Aargau (Schweiz) durchgeführt wurde. Die Fertigkeit Schreiben ist eine komplexe Aufgabe, welche die Koordination von Feinmotorik und verschiedenen kognitiven Fähigkeiten erfordert. Generell gibt es im deutschsprachigen Raum kaum Studien, welche die Fertigkeit Schreiben im Englischunterricht der Primarstufe zum Inhalt haben. T RÜB s umfassender Überblick zu verschiedenen Aspekten von EFL Writing für sogenannte young learners erscheint daher erfrischend aktuell - mehr theoretisch basierte und empirisch informierte Studien zum Thema sind dringend notwendig. Über Jahre bekräftigte die Schreibdidaktik die Wichtigkeit des freien, kreativen Schreibens für die Schreibentwicklung von Lernenden, doch die gängige Unterrichtspraxis zeigt, dass das Schreiben häufig als Mittler- und nicht als Zielfertigkeit gesehen wird. Doch Schreiben sollte nicht nur Mittel für andere