eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 52/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.24053/FLuL-2023-0029
121
2023
522 Gnutzmann Küster Schramm

Katrin THOMSON (Hrsg.): Classroom Discourse Competence. Current Issues in Language Teaching and Teacher Education. Tübingen: Narr Francke Attempto 2022 (Studies in English Language Teaching. Augsburger Studien zur Englischdidaktik), 476 Seiten [49 €]

121
2023
Marlene Aufgebauer
flul5220136
136 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2023-0029 52 • Heft 2 T HI Than Hien Bui unbedingt zu empfehlen, und zwar nicht nur für die, die sich für die Digitalisierung des Fremdsprachenlernens interessieren, sondern auch für all die, die auch überzeugt sind, dass es der Mühe lohnt, Lernprozesse im Detail nachzuvollziehen. Leipzig N ICOLA W ÜRFFEL Katrin T HOMSON (Hrsg.): Classroom Discourse Competence. Current Issues in Language Teaching and Teacher Education. Tübingen: Narr Francke Attempto 2022 (Studies in English Language Teaching. Augsburger Studien zur Englischdidaktik), 476 Seiten [49 €] Der von Katrin T HOMSON herausgegebene Sammelband Classroom Discourse Competence verspricht im Untertitel aktuelle Belange des Unterrichtens von (Fremd-)Sprachen und der Lehrer*innenbildung zu beleuchten. Es sei dieser Rezension vorweggenommen, dass der Band diesem Versprechen in höchstem Maße gerecht wird. Es werden in einem ausgewogenen Verhältnis sowohl methodisch-didaktische Aspekte des Fremdsprachenunterrichts als auch empirische Studien sowie praktische Erfahrungen zur (Fremdsprachen-)Lehrer*innenbildung präsentiert. Das Buch ist in drei Kapitel gegliedert. Im ersten Teil, der als Einleitung zu verstehen ist, bietet T HOMSON zwei Beiträge, wobei sich der erste zum einen mit der begrifflichen Definition von classroom discourse (CD) und seiner Abgrenzung zu classroom interaction oder classroom communication befasst und zum anderen einen Überblick zu den weiteren Beiträgen des Bandes liefert. Der zweite Beitrag unternimmt den Versuch einer Konzeptualisierung von Teacher’s L2 Classroom Discourse Competence, im Folgenden als fremdsprachenunterrichtliche Diskurskompetenz (vgl. S. 21; 33) bezeichnet, welcher durch die Verdeutlichung der zentralen Rolle dieser Kompetenz und die Einordnung in einem überarbeiteten und erweiterten Modell zu professionellen Lehrkompetenzen auch gelingt. Die fremdsprachenunterrichtliche Diskurskompetenz wird in all ihren Facetten und vor allem in ihren Subkategorien wie ‚oberflächliches und tiefgehendes Diskurswissen’ oder den benötigten ‚fremdsprachenunterrichtlichen Diskursfähigkeiten und -fertigkeiten’ beleuchtet (vgl. S. 45). Die Relevanz, angehenden Fremdsprachenlehrpersonen Wissen in Bezug auf den fremdsprachenunterrichtlichen Diskurs zu vermitteln, betont T HOMSON , indem sie schreibt, dass die Aneignung eines tiefgehenden Diskuswissens zu einem fundierten Verständnis angehender Fremdsprachenlehrpersonen darüber führt, dass sie durch ihre Diskursfertigkeit das Sprachenlernen von Lerner*innen entweder fördern und unterstützen oder erschweren und sogar hemmen können (vgl. S. 48). Im zweiten Teil des Buches werden Subkategorien der fremdsprachenunterrichtlichen Diskurskompetenz in sechs Beiträgen dargestellt. Die Beiträge fokussieren vor allem den unterrichtlichen Aspekt der Diskurskompetenz und zeigen, wie diese gezielt eingesetzt werden kann oder sollte, um Lerner*innen in diversen Teilbereichen des Sprachenlernens zu unterstützen. So beschreibt beispielsweise der Beitrag von R OSEN , der auf einer Korpusanalyse von 105 Unterrichtsstunden basiert, welche Charakteristika lehrerseitiger fremdsprachenunterrichtlicher Diskurs haben muss, um einen Effekt auf den lerner*innenseitigen Gebrauch bestimmter Gesprächsmerkmale wie Diskursmarker oder question tags (Frageanhängsel in Bestätigungsfragen) zu haben. G IEßLER verdeutlicht den Nutzen fremdsprachenunterrichtlicher Diskursfertigkeiten (wie Erklärkompetenz zu Bedeutung, Form und Gebrauch von Wörtern), um Fremdsprachenlerner*innen beim Auf- und Ausbau neuen Wortschatzes zu unterstützen. Dieser Beitrag scheint besonders wertvoll, da es gelingt, die Wichtigkeit der Anwendung bestimmter Diskursfertigkeiten für das erfolgreiche Lernen aufzuzeigen, und ebenso veranschaulicht wird, wie diese Fertigkeiten von angehenden Fremdsprachenlehrpersonen im universitären Kontext durch Besprechungen 137 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0029 den Einsatz von Unterrichtsvideoanalysen erlernt werden können. Die Vorschläge zur Bewusstmachung und Herausbildung bestimmter Aspekte der Diskurskompetenz stammen aus einer Mehrfach-Fallstudie in Form des Design-Based Research und einer qualitativen Inhaltsanalyse schriftlicher Videoanalysen von Studierenden mit der Erkenntnis, dass die Studierenden befähigt werden, Situationen zu identifizieren, in welchen angemessene Konzepte des lexikalischen Lernens eingesetzt werden und einige Studierende auch in der Lage sind, Alternativvorschläge für den unterrichtlichen Diskurs zu formulieren (vgl. S. 78). B AIER / B REHM zeigen Möglichkeiten, wie literarischer Diskurs im Fremdsprachenunterricht durch die Anwendung unterschiedlicher Prompts im Sinne des Scaffolding gelingen kann. Der Beitrag bietet einen Einblick in theoretische Grundlagenkonzepte (New Criticism und Response Theory) zur Entstehung und Einordnung von Prompts, die schließlich in Anlehnung an das Modell von Nissen (1992) kategorisiert und in Form von hypothetischen praktischen Beispielen für den Einsatz im Unterricht erläutert werden. F ALKENHAGEN / S PATH thematisieren die fremdsprachenunterrichtliche Diskurskompetenz im Zusammenhang mit CLIL und S CHOBER fokussiert soziale, propositionale und expressive Diskursstrategien zur Inklusion hörbeeinträchtigter Schüler*innen im EFL- Kontext mit der relevanten Aufforderung, angehende Lehrpersonen auf die besonderen Herausforderungen im inklusiven Klassenzimmer gezielt vorzubereiten. Bewusst wird der Beitrag von T HOMSON , der den beiden zuletzt beschriebenen Artikeln vorgelagert ist, erst an dieser Stelle erwähnt, da er meiner Ansicht nach besser an den Anfang des nächsten Abschnitts gepasst hätte oder eine gute Überleitung zu den im dritten Teil besprochenen praktischen Ansätzen zur Entwicklung fremdsprachenunterrichtlicher Diskurskompetenz in der Lehrer*innenbildung darstellen würde. Auch wenn der Beitrag das Konzept der Classroom Management Competence (CMC) und dessen Entwicklung aus theoretischer Sicht beschreibt, bietet die detaillierte Herausarbeitung aller Aspekte, die in Zusammenhang mit der CMC stehen, wie z.B. die Fähigkeit eine produktive Lernatmosphäre zu schaffen, das Einleiten von und Überleiten zu bestimmten Unterrichtsphasen u.v.a.m. eine hohe Anschlussfähigkeit an praktische Belange der Lehrer*innenbildung. In dem Artikel wird die Relevanz der CMC für einen produktiven und effizienten Unterricht sowie deren Zusammenhang mit der unterrichtlichen Diskurskompetenz deutlich. Ebenso wird überzeugend erläutert, warum die CMC nicht nur als „an interdisciplinary, subject-independent pedagogic concept“ (S. 105) gesehen werden sollte, sondern vor allem für den Fremdsprachenunterricht einen besonderen Stellenwert hat, weil sie zu einem gewissen Grad auch fachspezifisch ist, indem im Rahmen des CM auch methodologische und didaktische Prinzipien des Communicative Language Teaching (CLT) herangezogen und eingesetzt werden (vgl. S. 118). In Bezug auf praktische Ansätze in der Lehrer*innenbildung stellen im dritten Teil des Buches K OGLBAUER / H AINES / S EEDHOUSE die App Video Enhanced Observation vor, die es ermöglicht, Unterrichtsvideographien zu erstellen, diese in Kollaboration mit Peers und Lehrenden zu annotieren, zu analysieren und im Sinne einer reflektierten Praxis (reflection on action) diverser Aspekte der Diskurskompetenz zu nutzen. Auch G LASER thematisiert die Arbeit mit Videographien, die von Studierenden selbst von ihrem ersten Unterricht erstellt werden. Die Analyseschwerpunkte liegen auf den Teilbereichen Aufgabeninstruktion, Fehlerkorrektur und korrektives Feedback, die von den angehenden Lehrpersonen im Sinne des inquirybased learning untersucht werden, wobei die Studierenden auch Erfahrungen mit Methoden der Datenaufbereitung und -analyse sammeln. Sowohl der Beitrag von L IMBERG , mit einem Überblick relevanter (EFL) Korpora, wie auch jener von J ÄKEL zeigen die Vorteile von (transkribierten) Korpora fremdsprachenunterrichtlichen Diskurses. Den Nutzen dieser für angehende Lehrer*innen beschreibt J ÄKEL und stellt fest, dass in einem Ansatz zur verstärkten Sensibilisierung der Studierenden die Intuition der Studierenden über ‚guten’ oder ‚schlechten’ Fremd- 138 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2023-0030 52 • Heft 2 sprachenunterricht die kognitive Basis bildet, auf welcher eine erhöhte und fundierte Bewusstheit zu linguistischen Mustern und unterrichtlichem Diskurs aufgebaut werden kann (vgl. S. 206). Die beiden Beiträge von B LELL / B REMEN und T HOMSON stellen jeweils Unterrichtskonzepte für die Herausbildung fremdsprachenunterrichtlicher Diskurskompetenz in der Lehrer*innenbildung vor. B LELL / B REMEN präsentieren die Webseite VirtU, auf welcher Studierende zahlreiche Materialien wie auch Videos von authentischen Unterrichtssituationen finden, die mittels strukturierter Analyseaufgaben (basierend auf den Stufen des reflective practice model von Wallace) die Reflexionskompetenz sowie didaktisches Wissen der Studierenden erweitern sollen. T HOMSON beschreibt die theoretischen Hintergründe eines Kurskonzepts („The Way Teachers Talk: Developing Classroom Discourse Competence“) und demonstriert anhand praktischer Beispiele, wie sukzessive im Sinne des knowledge based reasoning durch Beschreiben, Analysieren, Bewerten und Reflektieren von Unterrichtsvideos oder eigenen videographierten Microteachingsequenzen Wissen zu fremdsprachenunterrichtlicher Diskurskompetenz, aber auch relevantes metalinguistisches Wissen aufgebaut wird. Auch der letzte Beitrag des Sammelbandes von S TADLER -H EER konzentriert sich auf den Aspekt der reflective practice, die von Studierenden durch das tiefgehende Analysieren von zwei selbstständig geplanten und durchgeführten Microteachingeinheiten trainiert wird, indem u.a. das SETTframework (Self Evaluation of Teacher Talk) nach Walsh zur Anwendung kommt, um die studentische professionelle Wahrnehmung zu verschiedenen Aspekten der Unterrichtsinteraktion auszubauen. Zusammenfassend kann der Sammelband als überaus gelungen bewertet werden. Er bietet einen detaillierten Einblick in aktuelle Forschungsprojekte und theoretische Überlegungen zur gezielten Unterstützung angehender Fremdsprachenlehrer*innen in der Herausbildung von Diskurskompetenzen. In den Beiträgen werden Desiderata der Lehrer*innenbildung mit Fokus auf die vielfältigen Facetten von Diskurskompetenz aufgezeigt und zugleich auch essentielle Hinweise zu möglichen Forschungsdesigns in zukünftigen Studien gegeben. Sowohl die theoretischen Überlegungen als auch die empirischen Erkenntnisse werden in den Beiträgen durch überzeugende praktische Beispiele untermauert. Wien M ARLENE A UFGEBAUER Frank H EISEL : Politische Bildung im Fremdsprachenunterricht. Eine Analyse aktueller Lehrbücher für den Spanischunterricht. Stuttgart: ibidem 2022 (Romanische Sprachen und ihre Didaktik, Band 74), 631 Seiten [109,90 Euro] In der Zielstellung des Fremdsprachenunterrichts, bei den Lernenden Sprachbewusstheit sowie fremdsprachliche Diskursbewusstheit zu entwickeln, ist eine politische Dimension impliziert. Doch ob die Lehrkräfte sich dieser bewusst sind und sie aktiv mitgestalten, hängt unter anderem auch von der Verfügbarkeit politisch bildenden Materials und entsprechender Aufgabenstellungen für den Fremdsprachenunterricht ab. Vor diesem Hintergrund nimmt sich Frank H EISEL in seiner Dissertation zunächst der Frage des konkreten Beitrags des Fremdsprachenunterrichts zur Förderung einer politischen Bildung an, um anschließend ausgewählte Lehrbücher für den schulischen Spanischunterricht auf ihr politisch bildendes Potenzial hin zu untersuchen. Der Autor geht für seine Arbeit von einem weiten Politikverständnis aus. Für ihn ist Politik „ein kollektiver, konflikthafter und demokratischer Prozess zur Herstellung verbindlicher Entscheidungen“ (S. 36). Für die Schule ist bedeutsam, dass sowohl das u.a. als ‚Politik‘ verankerte