eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 53/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.24053/FLuL-2024-0032
121
2024
532 Gnutzmann Küster Schramm

Leo WILL, Jürgen KURTZ, Tamara ZEYER, Hélène MARTINEZ (Hrsg.): Dimensionen digitaler Lehre in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung. Tübingen: Narr 2022, 185 Seiten [54€].

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2024
Henriette Dausend
flul5320150
150 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2024-0032 53 • Heft 2 schritt Erkennen - Bewerten - Handeln und kann anregend für die eigene Praxis sein, sofern auch der Methodenreflexion angemessen Raum gegeben wird. Für die Arbeit im Sinne einer BNE, und das nicht nur im fremdsprachlichen Unterricht, weist dieser Sammelband einen hohen Wert auf. Das hat durchaus damit zu tun, dass Ideengeschichte und Didaktik der BNE von der derzeit geübten Praxis der Leistungsmessung im schulischen Unterricht, nämlich der Vergleichbarkeit von Lernenden, grundlegend abweicht und damit Anlass für die Neugestaltung eines zeitgemäßeren Schulsystems bietet. Hierfür bieten insbesondere die in Teil II festgehaltenen Unterrichtsvorschläge, exemplarisch für SDG 11, mitsamt für den Download bereitgestellten Materialien interessante und adaptive Unterrichtsmodelle, die auch für die Arbeit mit anderen SDGs als Inspiration dienen können. Einer umfassenden theoretischen Grundlegung wird durch das weite Themenspektrum in beiden Teilen Rechnung getragen, sodass die Texte sich, wie vom Verfasser dieser Rezension selbst erprobt wurde, nicht nur für eine kontroverse und handlungsorientierte Hochschullehre exzellent eignen, sondern auch bei der Struktur eigener (z.B. designbasierter) Forschungsvorhaben immens hilfreich sind. Frankfurt/ M. S UBIN N IJHAWAN Leo W ILL , Jürgen K URTZ , Tamara Z EYER , Hélène M ARTINEZ (Hrsg.): Dimensionen digitaler Lehre in der universitären Fremdsprachenlehrkräftebildung. Tübingen: Narr 2022, 185 Seiten [54€]. In ihrem Sammelband thematisieren die Autor*innen ein breites Spektrum an Fragen in Bezug auf die digitale Lehre in der fremdsprachlichen Lehrkräftebildung. Hauptschauplätze der sechs dargestellten Forschungsbeiträge sind synchrone und asynchrone digitale Lehrveranstaltungen in den fremdsprachlichen Fächern Englisch, Französisch, Spanisch und DAF/ DAZ. Das Ziel der Autor*innen ist es, „die Potenziale, Herausforderungen und Chancen diverser digitaler Lehrveranstaltungsformate sowie sinnvoller ertragreicher Aufgaben-, Aktivierungs- und Partizipationsformen empirisch unter die Lupe zu nehmen“ (S. 10). Der Fokus liegt dabei vor allem auf der Perspektive der Studierenden und ihrer Einschätzung zur Entwicklung ihrer professionellen Kompetenzen im Rahmen digitaler Lehr-Lern-Formate. Mit diesem Schwerpunkt auf den Einstellungen und Haltungen der Studierenden wird bereits auf den ersten Seiten des Sammelbandes das Novum und die Besonderheit der hier dargestellten Forschungsbemühungen deutlich: Zum einen werden explizit die Sichtweisen und Einschätzungen der Studierenden fokussiert und zum anderen geschieht dies in einem vor der Pandemie so noch nicht existenten Setting von notwendig gewordener Online-Lehre. Die Rolle digitaler Technologien, Medien und Werkzeuge standen dabei ebenso im Fokus wie die Relevanz verschiedener Lehrveranstaltungsformate (synchron, asynchron und kombiniert) sowie spezifischer Aufgaben-, Aktivierungs- und Partizipationsformen. Eingeleitet wird der Sammelband durch eine sehr fundierte Einführung in die Thematik des digitalen Lehren und Lernens im universitären Kontext allgemein. Es werden Ausgangsüberlegungen geschildert, die an bestehende Forschung im Feld anknüpfen und den potenziellen Mehrwert digitaler Medien in der Fremdsprachenlehrkräftebildung allgemein aufgreifen. Diese werden ergänzt um die pandemiebedingten Voraussetzungen, die einen Wandel in der Lehre ab Frühjahr 2020 notwendig machten. Diese Verknüpfung allgemeiner Annahmen zum Mehrwert von Digitalität bereits im Vorfeld der Coronapandemie und die Adaption dieser Annahmen auf die situationsbedingte Umstellung der Hochschullehre auf digitale Veranstaltungsformate ist in Besprechungen 151 53 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2024-0032 diesem Band sehr gelungen. Alle Annahmen werden detailliert aufgegliedert und durch die Analyse von Seminarkonzepten sowie die Erhebung der Einstellungen der Studierenden zur Online-Lehre beschrieben. Es gelingt den Autor*innen im besonderen Maße, den Zusammenhang unterschiedlicher Formate und deren Wirkung auf die Handlungen der Studierenden herauszustellen. Somit werden alle hier vorgestellten Forschungsansätze nicht nur über die Möglichkeiten digitaler Technologien begründet, sondern vor allem aus den Potenzialen, die diese Art der Hochschullehre für die Studierenden haben können - auch über pandemiebedingte Umstellungen hinaus. Diese Weitsicht der Autor*innen zeigt sich ebenso in der Verzahnung von Hochschul- und Unterrichtsdidaktik, die sowohl explizit diskutiert wird als auch allen vorgestellten Seminarkonzepten unterliegt. Das Potenzial digitaler Medien wird somit als Lernsetting für die Studierenden in ihrer universitären Ausbildung ebenso abgebildet wie in seiner Bedeutung für den schulischen Kontext. Auf diese Weise soll es auch in digitalen Formaten gelingen, den Studierenden ein Erleben und Erlernen gleichermaßen zu ermöglichen und ihre professionellen Kompetenzen im Sinne „dieses sog. Doppeldeckerprinzips“ (S. 12) zu schulen. Weitergehend definieren und beschreiben die Autor*innen ihr Verständnis von synchronen, asynchronen und kombinierten digitalen Lehrveranstaltungsformaten und verweisen darauf, wie sich diese von einer Lehre in physischer Präsenz abgrenzen lassen. Es wird aufgezeigt, dass ein präsenter Zustand im Seminar nicht zwangsläufig durch eine physische Anwesenheit gegeben ist, sondern vielmehr durch eine geistige Gegenwärtigkeit realisiert wird. Diese sei nicht von physischer Nähe abhängig und könne daher auch in digitalen Formaten erzeugt werden. Voraussetzung für eine mentale Involviertheit der Studierenden wird vor allem im Aktivierungscharakter von Lernformaten und der intrinsischen Motivation gesehen, die durch die erlebte Relevanz der jeweiligen Lernaufgaben oder Diskussionsstrukturen in den Seminarkonzepten von den Studierenden erlebt werden könnten. Anknüpfend an die theoretischen Vorannahmen stellt der Sammelband die Forschungsvorhaben der Autor*innen im Detail vor. Im ersten Beitrag von Leo W ILL und Jürgen K URTZ wird eine Online-Befragung unter 288 Studierenden an sieben Universitäten vorgestellt. Das Ziel der Untersuchung war es, die subjektiven Bewertungen der Studierenden hinsichtlich digitaler Lehrveranstaltungsaufgaben und Aktivierungsformate festzuhalten und abzubilden. Ihre Ergebnisse zeichnen ein interessantes Bild, welches die Autoren selbst als ambivalent (S. 40) bezeichnen. So bevorzugen z.B. die befragten Studierenden synchrone Seminarformate, schätzen asynchrone aber als ebenso wichtig für die Förderung ihrer professionellen Kompetenzen ein. Diese Aussagen stellen einen interessanten Einblick in das Erleben der Studierenden dar, auch wenn, wie die Autoren selbst reflektieren, der Gegenstand der ‚Professionellen Kompetenz‘ möglicherweise zu wenig eindeutig im Rahmen der Befragung herausgestellt worden war. In einer weiteren Studie von Jürgen K URTZ werden ebenfalls die Wahrnehmungen und Bewertungen der teilnehmenden Studierenden einer digitalen Lehrveranstaltung fokussiert, die asynchron schriftlich durchgeführt wurde. Der Autor ließ im Rahmen wöchentlicher Aufgaben studentische Stellungnahmen in einem Forum sowie Lerntagebücher verfassen. Diese Daten bildeten gemeinsam mit einer fragebogenbasierten Evaluation der Lehrveranstaltung den Datenpool seiner „explorativen, qualitativ-empirisch angelegten Fallforschung“ (S. 163). K URTZ konnte aufzeigen, dass eine asynchron-schriftliche Seminarvariante sowohl für Lehrende wie Lernende sehr anspruchsvoll ist. Insgesamt falle die unmittelbare Interaktion weg, sodass Aufgabenstellungen sehr präzise formuliert werden müssen und die Studierenden unter dem Druck stünden, ihre sonst mündlichen und zu verhandelnden Aussagen schriftlich zu fixieren und zur Kritik zu stellen. Auch wenn die Studierenden diese Form des Seminars als herausfordernd bezeichneten, bewerteten sie es ebenso als lernergiebig und professionsrelevant. 152 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2024-0032 53 • Heft 2 In der vorgestellten Arbeit von Darja B ROTZMANN wird ein synchron angelegtes Seminar für die anglistische Literaturdidaktik thematisiert. Bereits der Titel des Beitrags unterstreicht die besondere Konzeption des Seminares als einen „Begegnungsraum“ (S. 71). In diesem Verständnis bot B ROTZMANN einen ‚Lernraum‘ an, um einen dialogischen Austausch zwischen Studierenden sowie zwischen Studierenden und Objekten etc. zu ermöglichen. Die Autorin sammelte schriftliche Rückmeldungen, Aussagen per Feedbacktool sowie Reflexionsportfolios der Studierenden. Anhand dieser Daten berichtet B ROTZMANN , dass die Studierenden sich vielfach positiv zur Seminarstruktur äußern. Nichtsdestotrotz konnte die Autorin Schwierigkeiten herausstellen, wie eine mangelnde Verbindlichkeit beim Lesen der Texte, einer ungleichen Beteiligung der Studierenden in digitalen Diskussionen sowie einer geringen Qualität von gegenseitigem Feedback. Julia W OLLBERG und Almut K ETZER -N ÖLTGE beschreiben, inwieweit ein 360° Video Stream einer Seminarsituation motivierend von den Studierenden eingeschätzt wird. Hierzu wurden Studierende einem der drei Settings (Präsenz, Videokonferenztool mit zoom oder 360° Video Stream über Youtube) zugeordnet und nach Durchführung dieser Zoom Lehrform befragt. Ihre Auswertungen lassen anklingen, dass vor allem die Präsenz im physischen Raum als vermehrt motivierend empfunden wurde und sowohl der 360° Video Stream als auch die Videokonferenz aufgrund verschiedener Faktoren als weniger positiv erlebt wurden. Ein weiteres innovatives Moment findet sich in der Studie von Leo W ILL und Carolyn B LUME zu einer Theorie-Praxis-Verzahnung, in der die Möglichkeiten digitaler Lehre explizit genutzt wurden, um die Grenzen von Universität und Schule aufzubrechen. Das Ziel war es, in einem interaktiven Format Lehrkräfte, Dozierende sowie Studierende zusammenzubringen und in kleinen Gruppen mit Schüler*innen in digitalen Umgebungen arbeiten zu lassen. Die Aufgabe der Studierenden war es, mündliche Aufgabenformate zu erarbeiten, diese mit Schüler*innen auszuprobieren und gemeinsam mit Dozent*innen und Lehrkräften zu reflektieren. Die Autor*innen stellen das Potenzial heraus, welches einem digitalen Kontext obliegt, wenn er als Arbeits-, Lehr- und Reflexionsraum gleichermaßen genutzt wird. Die Studie von Sophie E NGELEN und Johanna Lea K ORELL fokussiert ein synchrones Seminar für Lehramtsstudierende im Fach Spanisch. Ihr Ziel war es, die Aktivierung der Studierenden in einem Seminarkonzept zu untersuchen, welches interaktive Präsentationen und schriftliche Reflexionen umfasste. Die Autorinnen untersuchten Daten aus Fragebögen, analysierten die interaktiven Präsentationen und schriftlichen Reflexionen der Studierenden. Entsprechend des Schwerpunktes des Sammelbandes stand die Perspektive der Studierenden im Zentrum und die Autorinnen konnten herausstellen, dass gerade die Anregung zur Reflexion die Studierenden positiv aktivieren konnte (S. 67). Dieser Sammelband besticht vor allem durch die Breite der Forschung und die daraus gewonnenen Einblicke in spezifische Settings und Seminarkonzepte. Es gelingt den Autor*innen auf hervorragende Weise, ihre theoretischen Grundannahmen in sechs Seminaren empirisch zu überprüfen und interessante Einblicke in eine vorher nie dagewesene Form der Lehre zu bieten. Sie zeigen Chancen und Herausforderungen verschiedener Formate von digitaler Lehre im Kontext der Fremdsprachenlehrkräftebildung auf. Mit ihrem Werk bieten sie einen ersten, sehr prägnanten und gut durchdachten Überblick, welche Rahmenbedingungen gute digitale Lehre stützen sollten, und bieten ein erstes Grundlagenwerk für diesen Kontext. Chemnitz H ENRIETTE D AUSEND