eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 53/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.24053/FLuL-2024-0033
121
2024
532 Gnutzmann Küster Schramm

Anka BERGMANN, Christoph MAYER, Jochen PLIKAT (Hrsg.): Perspektiven der Schulfremdsprachen in Zeiten von Global English und Digitalisierung. Welche Zielsetzungen sind für Französisch, Spanisch, Russisch & Co. (noch) zeitgemäß? Frankfurt/M. [u.a.]: Lang 2022, 281 Seiten [59,95 €]

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2024
Mark Bechtel
flul5320153
Besprechungen 153 53 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2024-0033 Anka B ERGMANN , Christoph M AYER , Jochen P LIKAT (Hrsg.): Perspektiven der Schulfremdsprachen in Zeiten von Global English und Digitalisierung. Welche Zielsetzungen sind für Französisch, Spanisch, Russisch & Co. (noch) zeitgemäß? Frankfurt/ M. [u.a.]: Lang 2022, 281 Seiten [59,95 €] Während Englisch unangefochten an erster Stelle bei den Schulfremdsprachen in Deutschland steht und es für Schüler und Eltern unstrittig ist, dass alle diese internationale Verkehrssprache lernen sollten, herrscht wenig Einigkeit über die Notwendigkeit und den Nutzen weiterer Fremdsprachen. Die Fächer Französisch, Spanisch und Russisch, die vor allem als zweite oder dritte Fremdsprache angeboten werden, sind in die Defensive geraten und sehen sich mit sinkenden Lernerzahlen konfrontiert. Vor diesem Hintergrund widmet sich der vorliegende Sammelband der Stellung und Bedeutung der zweiten und dritten Fremdsprachen im deutschen Schulsystem und stellt die Frage, welche Zielsetzungen für Fremdsprachen außer Englisch (noch) zeitgemäß sind. In der Einleitung skizzieren Oliver M AYER und Jochen P LIKAT die Dominanz des Fachs Englisch in den sprachpolitischen Dokumenten in Deutschland und kontrastieren diese mit sprachenpolitischen Empfehlungen auf europäischer Ebene. Am Beispiel der Entwicklung des Eurovision Song Contest beschreiben sie die zunehmende Dominanz des Global English in den letzten 50 Jahren und verweisen darauf, dass die Digitalisierungsschübe (z.B. durch KI) diesen Trend zu verschärfen drohen. Im ersten Abschnitt des Sammelbandes wird zunächst der Trend zu Global English in den Blick genommen. Konrad S CHRÖDER kritisiert die Begrenzung auf eine Fremdsprache für den mittleren Bildungsabschluss und warnt vor Bestrebungen, vom Prinzip der zwei Fremdsprachen bis zum Abitur abzuweichen. Dies widerspreche dem Modell der EU, die auf eine gestufte Mehrsprachigkeit setze, die sich durch die Muttersprache und das Beherrschen zweier Unionssprachen auszeichnet und „ein starkes Zeichen für sprachlichen und kulturellen Pluralismus und damit gegen jede Form sprachlicher und kultureller Dominanz“ (S. 34) sei. Dementsprechend plädiert er für einen Englischunterricht, der in ein Gesamtkonzept der Mehrsprachigkeit eingebunden ist, in dem durch eine konsequent sprachvergleichende Konzeption Fenster für andere Sprachen und deren Kulturen geöffnet und zugleich die europäischen Varianten des Englischen als Nachbarsprachen zum Ausgangspunkt des Unterrichts gemacht werden. Einen anderen Fokus setzen Stefanie H OFMANN und Adelheid H U , die sich mit der zunehmenden Bedeutung des Global English in Wissenschaft und Studium befassen. Im Mittelpunkt steht die Befragung zweier Doktorandinnen der dreisprachigen Universität Luxemburg zu ihrer Sprachenwahl für die Dissertation. Während bei der einen Studentin (Psychologie) aus pragmatisch-instrumentellen Gründen die Wahl auf das Englische fiel, um international sichtbarer zu sein, entschied sich die andere Studentin (Erziehungswissenschaft) gegen das Englische und für das Deutsche, was zum einen einer „Wertschätzung bestimmter kulturell und sprachlich gebundener Forschungstraditionen“ (S. 64) entspreche und zum anderen die Bedeutung einer ausgeprägten Sprachkompetenz zeige, „um ‘tiefgründige‘ Ideen überhaupt entwickeln und formulieren zu können“ (S. 64). Im Anschluss widmen sich zwei Beiträge der Digitalisierung. Zunächst zeichnet Jean N ITZKE in seinem Beitrag den Weg von einer regelbasierten zu einer datenbasierten Übersetzung nach und verdeutlicht, in welchen Bereichen diese trotz aller Fortschritte bislang ungenau bleibt. Für den Fremdsprachenunterricht empfiehlt der Autor, die maschinelle Übersetzung gezielt bei unverständlichen Passagen von ebooks in Originalsprache oder in zielsprachlichen Alltagsituationen bei Kommunikationsproblemen einzusetzen. Christoph Oliver M AYER und Markus R AUSCHER plädieren in ihrem Beitrag für ein stärkeres Miteinander des Fachs Informatik mit den fremdsprachlichen Fächern, um die Funktionsweise von Hard- und 154 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2024-0033 53 • Heft 2 Software-Programmen besser zu durchschauen, bei ihrer Bewertung auch ethisch-moralische Grundsätze einzubeziehen und ihren Mehrwert für das Fremdsprachenlernen kritisch zu prüfen. Die Beiträge des zweiten und dritten Abschnitts befassen sich mit der im Untertitel aufgeworfenen Frage nach der Angemessenheit der aktuell gültigen Zielsetzungen für die zweiten und dritten Fremdsprachen unter Einbezug der Herkunftssprachen. Almut K ÜPPERS schlägt vor, neben Deutsch als gesetzter Bildungssprache Englisch als kulturübergreifende Kulturtechnik zu unterrichten sowie „eine weitere Sprache nach individueller Wahl, die zu einer Art zweiter Muttersprache werden“ (S. 119) könne. K ÜPPERS hat hierbei insbesondere die Herkunftssprachen von Schülern mit Migrationshintergrund im Blick und plädiert vor dem Hintergrund einer „postmigrantischen Gesellschaft“ (S. 105) für eine Öffnung des schulischen Sprachenangebots, die ermöglichen soll, eine klassische zweite Fremdsprache durch Unterricht in der Herkunftssprache zu ersetzen. Daniela C ASPARI hat in ihrem Beitrag vor allem die klassischen zweiten und dritten Fremdsprachen im Blick. Damit weniger Schüler diese Fremdsprachen abwählen, fordert sie eine radikale Neuorientierung für diese Fächer und macht dazu Vorschläge auf den Ebenen des Unterrichts, der Curricula und der bildungspolitischen Rahmenbedingungen. Bei der Unterrichtsgestaltung plädiert sie für den integrativen Erwerb von Wortschatz und Grammatik, die Betonung des Mündlichen vor dem Schriftlichen, das Anknüpfen an zuvor gelernte Sprachen und die Simulation lebensweltlicher Kommunikationssituationen. Für die Fachcurricula schlägt die Autorin vor, sich an einer kommunikativen Progression zu orientieren, eine steilere Progression bei den rezeptiven als bei den produktiven Kompetenzen festzuschreiben und eine hohe Fehlertoleranz zuzulassen. Auf bildungspolitischer Ebene regt sie an, einen standardisierten Sprachtest am Ende der Sekundarstufe I einzufordern und die Prüfungsvorbereitung in den Unterricht zu integrieren, die Lernzeit für Englisch zugunsten der Erhöhung der Lernzeit für die zweite Fremdsprache durch einen früheren Beginn in der 4. oder 5. Klasse zu reduzieren sowie die Lehrpläne der einzelnen Fremdsprachen besser im Sinne eines Gesamtsprachencurriculums aufeinander abzustimmen. Hierbei sollten auch die Herkunftssprachen berücksichtigt werden, jedoch nicht als Ersatz für eine der klassischen zweiten Fremdsprachen, so wie es K ÜPPERS vorschlägt. Während C ASPARI Veränderungen auf unterschiedlichen Ebenen für notwendig hält, verbindet Michael D OBSTADT seine Vorstellung einer anderen Zielsetzung für den Fremdsprachenunterricht mit einer „Didaktik der Literarizität“, die auf das sprach- und kulturreflexive sowie das sprachkreative Potential der Beschäftigung mit Literatur abhebt. Der dritte Abschnitt umfasst Beiträge, in denen die Attraktivität von Lerngelegenheiten bzw. Lehrwerken untersucht wird. Sybille H EINZMANN , Robert H ILLE , Seraina P AUL und Nicole S CHALLHART stellen eine Studie zum Schüleraustausch zwischen Grundschülern der West- und Ostschweiz zum wechselseitigen Erlernen der Landessprachen Deutsch und Französisch vor (n=271), bei der in einem Prä-Post-Design mit Kontrollgruppe die Entwicklung der Sprachlernmotivation untersucht wurde, wobei als kontraintuitives Ergebnis kein nennenswerter Unterschied zwischen den beiden Gruppen festgestellt wurde. Stefanie M ORKÖTTER , Christiane N EVELING und Anna S CHRÖDER -S URA sprechen sich in ihrem Beitrag für eine bessere Abstimmung der Lehrwerke der fremdsprachlichen Fächer und den Einbezug sprachenübergreifender Materialien aus, um beim Erlernen einer weiteren Fremdsprache besser an die Vorkenntnisse und Vorerfahrungen der Lernenden anzuknüpfen sowie Synergien bei den kommunikativen, interkulturellen und methodischen Kompetenzen zu nutzen. Christiane F ÄCKE legt eine Analyse aktueller Lehrwerke für den Französisch-, Spanisch- und Italienischunterricht als dritte Fremdsprache vor, die die Angemessenheit der Auswahl der Inhalte, ihrer Darstellung und der implizit hierbei vermittelten Werte untersucht. Grit M EHLHORN geht der Frage nach, wie Schüler mit der Herkunftssprache Russisch so in den schulischen Fremdsprachenunterricht Russisch integriert werden können, dass sowohl sie selbst als auch die Lernenden der Fremdsprache Russisch Besprechungen 155 53 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2024-0034 gleichermaßen im Unterricht davon profitieren können. Der Beitrag von Uliana Y AZHINOVA , der ebenfalls im Bereich des Russischen als Fremdsprache angesiedelt ist, schließt den Sammelband ab. Sie plädiert dafür, die Fähigkeit, Korpora von authentischem erstsprachlichem Sprachgebrauch im Unterricht einzusetzen, in die Lehreraus- und -fortbildung zu integrieren mit dem Ziel, Lernern sprachliche Regularitäten und Zusammenhänge besser bewusst zu machen. Wer sich kritisch mit der Auffassung auseinandersetzen möchte, dass allein Global English für den Fächerkanon der Schule bzw. die Wissenschaftskommunikation ausreichend sei, wird die Beiträge von S CHRÖDER und H OFMANN / H U im ersten Abschnitt des Sammelbands mit Gewinn lesen. Die beiden Beiträge zur Digitalisierung greifen angesichts der Frage, ob die aktuellen Digitalisierungsschübe nicht auch dazu führen könnten, das Erlernen fremder Sprachen insgesamt überflüssig zu machen, zu kurz. Leider stellen die Beiträge des dritten Abschnitts keinen expliziten Bezug zu den beiden Hauptthemen her. Gleichwohl geben sie bedenkenswerte Antworten auf die im Untertitel aufgeworfene Frage, auch wenn die angeführten Anregungen nicht wirklich neu sind. Am überzeugendsten erscheinen der einleitende Beitrag von M AYER / P LIKAT sowie die Beiträge von C ASPARI und K ÜPPERS , da sie ausgehend von Einschätzungen zur Bedeutung des Global English Anstöße für die Diskussion um eine Neuausrichtung des Fremdsprachenunterrichts ingesamt und der Ziele für die zweiten und dritten Fremdsprachen im Besonderen liefern. Osnabrück M ARK B ECHTEL Rui Y UAN , Icy L EE (Hrsg.): Becoming and Being a TESOL Teacher Educator. Research and Practice. London/ New York: Routledge, 2022, 288 Seiten [48,70 €] Was wissen wir über die professionellen Selbstverständnisse, berufliche Motivation, Zielstellungen, Herausforderungen und Erfolgserlebnisse von Lehrkräftebildner*innen in fremdsprachlichen Fächern an Universitäten und pädagogischen Hochschulen? Nichts Genaues, denn in der Professionsforschung im Bereich der fremdsprachlichen Bildung gehören Lehrkräftebildner*innen, besonders jene im universitären Kontext, zu den Akteur*innengruppen, zu denen noch wenig geforscht wurde. Der vorliegende Sammelband rückt sie nun in unser Blickfeld: Er beleuchtet Forschungs- und Lehrpraxis, Interaktionen mit Studierenden und Mentor*innen in Praktikumsschulen, Wissensbestände und Identitätskonstruktionen von Lehrkräftebildner*innen im Bereich Englisch als Fremd- und Zweitsprache (TESOL teacher educators, im Folgenden: TESOL TEs) aus Hong Kong, der Volksrepublik China, Vietnam, Australien, Argentinien, Chile, den USA und Kanada. Im Sammelband präsentieren TESOL TEs ihre qualitativen Studien, vorwiegend aus dem Bereich der reflexiven Selbstforschung (S-STEP: Self- Study in Teacher Education Practice), die mit unterschiedlichen Methoden ihr professionelles Handeln in universitären Kontexten der Lehrer*innenbildung analysieren. Mit der Auswahl der Beitragenden bieten die Herausgeber*innen Y UAN und L EE einen Querschnitt der in der universitären Lehrkräftebildung beschäftigten Personen: Die Autor*innen arbeiten in Studiengängen für Lehramtsstudierende und postgraduierte Lehrer*innen, die sich für eine Karriere als TESOL TEs entschieden haben, sich aber in unterschiedlichen Etappen ihrer Laufbahnen befinden und verschiedenen TESOL Teildisziplinen an vielfältigen Hochschulen angehören. Auch ihre Bildungsbiografien sind sehr unterschiedlich: Da sind Forscher*innen, die nach einer Karriere als Englischlehrpersonen an Hochschulen wechselten und sich über einige Jahre hinweg für Hochschullehre und Forschung qualifiziert