eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 54/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.24053/FLuL-2025-0006
0428
2025
541 Gnutzmann Küster Schramm

Feedbackpraktiken im Fremdsprachenunterricht:

0428
2025
Carmen Konzett-Firth
This article investigates spontaneous feedback given by a teacher in a French as a foreign language classroom. It presents a qualitative study of the forms and functions of classroom teacher feedback on oral peer interaction, focusing on the interactional constitution of the feedback object. The study is based on a longitudinal video corpus of French as a foreign language classrooms in Austria. A selection of video extracts in which a teacher gives learners spontaneous feedback following peer L2 interaction were analyzed using Multimodal Conversation Analysis. The research project focuses on how teachers conceptualize L2 interactional competence by way of discursively constituting the feedback object and the criteria the feedback is based on. Through their feedback, the teachers’ conceptualizations of interactional competence is made available to feedback recipients and analysts. The article concludes with a discussion of the learning potentials emerging from this interactive dimension of teachers’ classroom feedback.
flul5410073
54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 C ARMEN K ONZETT -F IRTH * Feedbackpraktiken im Fremdsprachenunterricht: Eine Bestandsaufnahme mit Überlegungen zur Förderlichkeit von Feedback für die Entwicklung von Interaktionskompetenz Abstract. This article investigates spontaneous feedback given by a teacher in a French as a foreign language classroom. It presents a qualitative study of the forms and functions of classroom teacher feedback on oral peer interaction, focusing on the interactional constitution of the feedback object. The study is based on a longitudinal video corpus of French as a foreign language classrooms in Austria. A selection of video extracts in which a teacher gives learners spontaneous feedback following peer L2 interaction were analyzed using Multimodal Conversation Analysis. The research project focuses on how teachers conceptualize L2 interactional competence by way of discursively constituting the feedback object and the criteria the feedback is based on. Through their feedback, the teachers’ conceptualizations of interactional competence is made available to feedback recipients and analysts. The article concludes with a discussion of the learning potentials emerging from this interactive dimension of teachers’ classroom feedback. 1. Einleitung Feedbackkompetenz ist ein wesentlicher Bestandteil des Professionswissens bzw. der Professionskompetenz von Lehrkräften (vgl. H ATTIE / T IMPERLEY 2007), wie u.a. auch verschiedene Kompetenzraster für Sprachlehrkräfte betonen. Im EAQUALS-Rahmen ist etwa davon die Rede, dass Lehrkräfte mit noch geringer Feedbackkompetenz in der Lage sein sollten, „klare Rückmeldungen“ zu formulieren, „die sowohl positive als auch verbesserungsbedürftige Bereiche ansprechen“ (E AQUALS 2020: 22), während sie auf einer höheren Stufe dazu fähig sein sollten, „konstruktive Rückmeldungen“ zu geben sowie „Möglichkeiten weiterer praktischer Unterstützung“ (ebd.: 22) anzubieten. Trotz feiner Kompetenzabstufungen bleiben die Deskriptoren des EAQUALS-Rahmen und ähnlichen Rastern stets sehr allgemein, beziehen sie sich doch auf Feedback jeglicher Art im Fremdsprachenunterricht, d.h. sie decken in mehrerlei Hinsicht ein sehr breites Spektrum ab: in Bezug auf das Feedbackobjekt (z.B. eine Fertigkeit, ein Produkt, ein bestimmter linguistischer Aspekt oder eine bestimmte * Korrespondenzadresse: Assoz. Prof. Mag. Dr. Carmen K ONZETT -F IRTH , Institut für Romanistik / Institut für Fachdidaktik, Universität Innsbruck, Innrain 52, A-6020 I NNSBRUCK E-Mail: carmen.konzett@uibk.ac.at Arbeitsbereiche: L2-Interaktionskompetenz, Multimodalität in der Interaktion, Aufgabenorientierung & Digitalität 74 Carmen Konzett-Firth DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 54 • Heft 1 transversale Kompetenz), die Feedbackform (z.B. spontan direkt oder verzögert, schriftlich oder mündlich, individuell oder gruppenbezogen, kurz gefasst oder ausführlich, mehr oder weniger interaktiv) und die primäre Feedbackfunktion (z.B. prozess- oder ergebnisorientiert, stärker beurteilend oder stärker entwicklungsfördernd). Für einen einzelnen Teilbereich wie die hier untersuchte Praxis des mündlichen, spontanen Feedbacks an eine Schüler: innengruppe im Anschluss an eine mündliche Gesprächsperformanz sind solche globalen Kompetenzbeschreibungen zu überblicksartig und nur bedingt brauchbar. Es bleibt außerdem in den Kompetenzrastern undefiniert, was unter ,lernförderlichem‘ Feedback zu verstehen ist. Kompetente Praktiken, die im Rahmen von sozialer Interaktion stattfinden, müssen stets kontextabhängig definiert werden, d.h. kompetentes Verhalten ist immer als rezipient: innenspezifisch adäquat (vgl. H ANNKEN -I LLJES 2004) und zielbezogen kongruent (vgl. B RÜNNER / P ICK 2020) zu verstehen. Kompetenz ist in diesem Sinne handlungsbezogen und handlungsimmanent: Sie manifestiert sich in sprachlichem Handeln und als sprachliches Handeln (vgl. M ONDADA / P EKAREK D OEHLER 2004). Die Frage danach, worin die Kompetenz von Lehrkräften im spezifischen Gesprächstyp des spontanen Feedbacks zu mündlichen Schüler: innenperformanzen besteht bzw. bestehen sollte, erfordert folglich zunächst die empirische Untersuchung dieser Praktik als einer Form sprachlichen Handelns. Für den schulischen Unterricht gibt es diesbezüglich bisher aber erst wenig Forschung (vgl. G ARCÍA G ARCÍA 2022; K OIZUMI 2022; M IEDE 2019). Hier setzt der vorliegende Beitrag an und versucht, anhand eines Datenkorpus von Videoaufnahmen aus dem schulischen Französischunterricht auszuloten, wie Lehrkräfte und Schüler: innen Feedbackprozesse im Anschluss an mündliche dialogische Performanzen gemeinsam gestalten, um dann in einem zweiten Schritt Hypothesen über lernförderliche Feedbackpraktiken abzuleiten. 2. Feedbackpraktiken, Feedbackkompetenz und die Förderung von L2-Interaktionskompetenz Im vorliegenden Beitrag wird Feedback als eine sprachliche Praxis analysiert, die S CHWARZE (2023: 3) folgendermaßen definiert: „eine explizite, verbale Rückmeldung zu konkretem kommunikativem Verhalten als eine differenzierte, subjektiv verankerte und personenbezogen adressierte Wirkungseinschätzung, die auf der eigenen Wahrnehmung, Beschreibung und Reaktion basiert“. Diese Praxis kann aus zwei Perspektiven untersucht werden: entweder als Ausgestaltung der Bezugnahme auf einen bestimmten Reflexionsgegenstand oder als kommunikative Handlung, deren Struktur, Ablauf und Umsetzung analysiert werden können (vgl. S CHWARZE 2023). Für jeden dieser Untersuchungsfokusse kann die Praxisgüte bestimmt werden, wobei interaktionsanalytische Arbeiten meist letztere fokussieren (vgl. P AUL 2010; S CHWARZE 2021). In der vorliegenden Studie werden hingegen die beiden Teilaspekte ,Konzeptualisierung des Feedbackgegenstands‘ und ,Handlungspraxis‘ gemeinsam beleuchtet, wobei der Schwerpunkt auf ersterem liegt. Feedbackpraktiken im Fremdsprachenunterricht 75 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 Bei der Sichtung der Forschungsliteratur zu interaktiv gestaltetem Feedback durch Lehrkräfte in Unterrichtskontexten sind eine Reihe von Differenzierungen nötig. Erstens muss unterschieden werden, um welche Gesprächssituation es sich beim Feedback-Geben handelt, ob etwa von einzelnen Feedback-Turns im Rahmen von plenaren Frage-Antwort-Phasen die Rede ist oder ob zum Beispiel komplette Feedback- Sequenzen im Anschluss an Peer-Interaktionen gemeint sind. Zweitens sind unterschiedliche Feedbackobjekte auseinanderzuhalten: Feedback auf Schreibprodukte unterliegt naturgemäß anderen Kontextbedingungen als jenes auf mündliche Performanzen, etwa in Bezug auf die Flüchtigkeit des Feedbackgegenstands. Drittens muss nach dem didaktischen Zweck des Feedbacks differenziert werden, also nach dem Lehr-/ Lernziel, welches das Feedback als didaktische Handlung verfolgt. In spracherwerbsorientierten Studien werden zum Beispiel häufig Feedback-Turns in plenaren Lehrer: innen-Schüler: innen-Gesprächen fokussiert und auf ihre Lernförderlichkeit in Bezug auf lexikalisches Lernen oder die Entwicklung morphosyntaktischer Korrektheit untersucht (vgl. N ASSAJI / K ARTCHAVA 2020). Oft ist in diesen Studien hauptsächlich die Rede von Fehlerkorrekturen. Was diese formbezogene Lehr-/ Lernperspektive betrifft, so ist die empirische Beweislage in Bezug auf mehr oder weniger förderliches Feedback (z.B. hinsichtlich seiner Direktheit) trotz vieler Studien relativ dünn, u.a. aufgrund der hohen Komplexität in natürlichen Unterrichtssituationen, aufgrund der Schwierigkeit, Lernerfolg und Feedback kausal zu verknüpfen und weil Längsschnittstudien zur Effektivität bestimmter Feedbackformen fehlen (vgl. R IEMER 2022). Im Gegensatz dazu ist in Bezug auf den Erwerb pragmatischer Kompetenzen der positive Einfluss von Feedback auf den Lernfortschritt empirisch klarer belegt worden (vgl. P LONSKY / Z HUANG 2019). Hier ist allerdings nicht Feedback im Sinne einzelner Redebeiträge gemeint, sondern metalinguistisches Kommentieren einer Interaktionsperformanz, z.B. eines Rollenspiels. Die Wirksamkeit eines solchen Feedbacks als Teil des Lehr-Lernprozesses für die Entwicklung pragmatischer Kompetenzen hängt wesentlich von seiner gelungenen Rezeption ab, wie Forschende aus unterschiedlichen Feldern betonen (vgl. G AMLEM / S MITH 2013; G ONZÁLEZ -L LORET 2021; S CHWARZE 2023). Aus diesen Erkenntnissen kann geschlossen werden, dass eine insgesamt stärker interaktive Gestaltung seitens aller Beteiligten zu qualitativ gutem Feedback beiträgt (vgl. B RÜNNER / P ICK 2020; L AM 2021). Auch die Testforschung belegt, dass die Lernendenorientierung und -involvierung in Bewertungs- und Feedbackprozessen eine zentrale Rolle für die Lernförderlichkeit von Rückmeldungen spielt (vgl. C ARLESS 2007; T URNER / P URPURA 2016). Dabei ist mit Lernförderlichkeit gemeint, dass Lernprozesse angeregt werden, Lernende sich ihre Schwächen und Stärken vergegenwärtigen und sie in die Lage versetzt werden, die eigenen Kompetenzen weiterzuentwickeln. Daraus folgt, dass auch der Umgang mit Feedback seitens der Feedback-Rezipient: innen gelernt werden muss (vgl. L AM 2021) - ein Umstand, der seit einiger Zeit unter dem Begriff student feedback literacy untersucht wird (vgl. C ARLESS / B OUD 2018). Was nun genau unter gutem Feedback für spezifische Unterrichtssituationen zu verstehen ist, ist allerdings bisher noch wenig untersucht worden, insbesondere nicht 76 Carmen Konzett-Firth DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 54 • Heft 1 für den schulischen Fremdsprachenunterricht. Die sowohl in den eingangs erwähnten Kompetenzrastern für Lehrkräfte als auch in didaktischen, normativen Anleitungen klaren Anweisungen bleiben deswegen oft empirisch unter- oder gar unbestimmt (vgl. R IEMER 2022; S CHWARZE 2023; S KOVHOLT 2018). Es gibt allerdings in jüngerer Zeit vielversprechende Studien aus dem Bereich der Sprachtestforschung, die sich mit Feedback als Bewertungsform auseinandersetzen, dieses aber im Sinne des learningoriented assessment (vgl. T URNER / P URPURA 2016) nicht als retrospektive, sondern als vorwärts gerichtete und damit lernbeeinflussende Handlung interpretieren. Ein Großteil dieser Forschung beschäftigt sich mit Feedback auf Schreibperformanzen oder andere schriftliche Testformate. Zunehmend stehen aber auch mündliche Kompetenzen im Fokus. L AM (2021) hat diesbezüglich einen praxisorientierten Vorschlag vorgelegt, der empirisch belegte Prinzipien von gutem, also lerner: innenorientiertem und lernförderlichem, Feedback zusammenfasst. Dazu gehört, das Feedback auf spezifische (anstatt allgemeine) Aspekte einer Performanz zu beziehen, mit dem Feedback selbstgesteuerte Lernprozesse anzuregen, im Feedback Lernerfolgskriterien im Sinne einer gelungenen Performanz zu nennen, Lernende aktiv einzubeziehen und Feedback adäquat für den Lernstand zu formulieren sowie zukunftsorientiert zu konzipieren, d.h. dass Lernenden Gelegenheit gegeben werden sollte, sich aufbauend auf das Feedback weiterzuentwickeln (vgl. L AM 2021: 89). Im vorliegenden Beitrag steht als Feedbackobjekt die fremdsprachliche Interaktionskompetenz von Schüler: innen im Zentrum. Damit ist die komplexe Fähigkeit gemeint, sich an sozialen Interaktionen in der Fremdsprache situationsadäquat und rezipient: innensensibel beteiligen zu können. Fremdsprachliche bzw. L2-Interaktionskompetenz meint die Mobilisierung eines dynamischen Methodenrepertoires unter Einbezug multimodaler Ressourcen (vgl. P EKAREK D OEHLER 2021a) und kann als das ultimative Ziel des Fremdsprachenerwerbs gelten (vgl. E SKILDSEN et al. 2019). Die mittlerweile gut etablierte Forschung zur L2-Interaktionskompetenz hat vielfach empirisch belegt, dass deren Entwicklung wesentlich von der Häufigkeit und Salienz der Beteiligung an L2-Interaktionen abhängt, wobei auch ,natürliche‘, d.h. in Interaktionen eingebettete, Feedbackprozesse einen wichtigen Einfluss darauf haben, ob und wie Interaktionsteilnehmende ihre Praktiken adaptieren (vgl. P EKAREK D OEHLER / E SKILDSEN 2022). Die meisten dieser Untersuchungen stammen aus dem immersiven Zweitsprachkontext. Hingegen ist die Beziehung zwischen Feedback in institutionellen Lehr-/ Lernkontexten und der Entwicklung von L2-Interaktionskompetenz aus der Perspektive der Spracherwerbsforschung bisher noch wenig untersucht worden. Doch aus der Sprachtestforschung gibt es Belege dafür, dass die Kriterien, die in einem formativen Bewertungsprozess an mündliche Performanzen angelegt und die den Bewerteten kommuniziert werden, eine bedeutende Rolle für die Entwicklung der bewerteten Aspekte spielen (vgl. M AY et al. 2020; N AKATSUHARA et al. 2018). Anders ausgedrückt werden von Lernenden vor allem jene (Teil)kompetenzen weiterentwickelt, für welche sie in Feedbackphasen explizite Rückmeldungen erhalten haben. Der Rückkopplungseffekt von Feedback im Sinne eines learning-oriented assessment ist demnach höchst bedeutsam (vgl. M UÑOZ / Á LVAREZ 2010), wird aber Feedbackpraktiken im Fremdsprachenunterricht 77 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 für den schulischen Fremdsprachenunterricht gerade in Bezug auf mündliche Kompetenzen zu wenig beachtet (vgl. G ARCÍA G ARCÍA 2022; K OIZUMI 2022; M IEDE 2019). Besonders die fremdsprachliche Interaktionskompetenz (im Gegensatz zur Sprechkompetenz) wird im schulischen Fremdsprachenunterricht nach wie vor stark vernachlässigt. Dies hängt wesentlich mit der mangelnden Präsenz dieser Kompetenz in Lehrbüchern zusammen (vgl. G ARCÍA G ARCÍA 2016), sowie mit der Tatsache, dass Interaktionskompetenz bisher noch kaum Eingang in standardisierte Testformate mündlicher Kompetenz gefunden hat (vgl. R OEVER 2023). Für den österreichischen Kontext ist allerdings positiv hervorzuheben, dass die Testformate der mündlichen standardisierten Reifeprüfung auch eine dyadische Interaktion beinhalten und dass ,Flüssigkeit und Interaktion‘ als zumindest eines von vier Kriterien in den analytischen Beobachtungsbögen aufscheinen. 3. Daten und Methodologie Die Datengrundlage dieser Untersuchung bildet das Korpus FRAISE (vgl. K ONZETT - F IRTH 2017), ein longitudinales Videokorpus des österreichischen gymnasialen Französischunterrichts, das Daten aus sechs aufeinanderfolgenden Lernjahren von zwei Schulklassen enthält. Für die hier präsentierte Studie wurden aus dem Korpus jene Interaktionen ausgewählt, in denen Lehrkräfte ihren Schüler: innen Feedback zu einer durchgeführten mündlichen Peer-Interaktion geben, die entweder in einer Zweierkonstellation oder in einer größeren Gruppe stattgefunden hatte. Diese Daten wurden transkribiert und aus konversationsanalytischem Blickwinkel einer Sequenzanalyse unterzogen. In dem untersuchten Videokorpus ist in den ersten drei Lernjahren in beiden Klassen überhaupt kein Feedback an spezifische Personen im Anschluss an mündliche Peer-Interaktionen aufzufinden. Allerdings weist dieser Teil des Korpus insgesamt nur sehr wenige Peer-Gespräche in der Fremdsprache auf. Die beiden im Korpus präsenten Lehrkräfte geben dazu in den ersten Lernjahren entweder keine oder nur eine sehr allgemeine Rückmeldung an die ganze Klasse, indem sie die Schüler: innen für ihr „gutes“ oder „ausführliches“ Sprechen loben und eine Nachbearbeitung spezifischer lexikalischer Lücken oder Fehler in Form von metasprachlichen Erklärungen durchführen. Erst in höheren Lernjahren werden Peer-Gespräche, die vor der Klasse in einer prüfungsähnlichen Situation vorgeführt wurden, von der Lehrkraft spezifisch kommentiert. Eine ausführlichere Bearbeitung von fremdsprachlichen Schülerinteraktionen im Sinne einer fokussierten Kompetenzförderung (vgl. C ASPARI 2017) findet erst in den letzten beiden Lernjahren statt, wobei hier der Fokus deutlich auf einer Erarbeitung mündlicher Prüfungsformate liegt. Fokus der Analyse war neben der kommunikativen Praktik des Feedback-Gebens an sich insbesondere die Art und Weise, wie das Feedbackobjekt von der Lehrkraft konstituiert und ausgestaltet wird. Es wurde also danach gefragt, welche Lehr-Lernziele die Interaktionsteilnehmenden, aber besonders die Lehrkraft, in ihrem Feedback 78 Carmen Konzett-Firth DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 54 • Heft 1 verfolgen. Im Analyseprozess wurden sowohl Lehrkraft als auch Lernende als grundsätzlich kompetente Interaktionsteilnehmende betrachtet, deren Verhalten aus emischer Perspektive dann als angemessen gilt, wenn es für andere erkennbare soziale Handlungen setzt und keinen Grund für Reparaturen bietet (vgl. W AGNER / P EKAREK D OEHLER / G ONZÁLEZ -M ARTÍNEZ 2018). Darüber hinaus war von einer hohen didaktischen Kompetenz der Lehrkräfte auszugehen, denn beide wiesen eine langjährige Unterrichtserfahrung auf. Folglich wurde angenommen, dass sich die Zielorientierung(en) der Teilnehmenden an ihrem sprachlichen Handeln ablesen lassen. In einem zweiten Schritt wurden die auf diese Weise eruierten Zielvorstellungen mit dem Stand der Forschung zum Unterricht und zur Förderung von L2-Interaktionskompetenz abgeglichen. Daraus ergeben sich Überlegungen zu good practice und möglicherweise better practice (vgl. B ENDEL L ARCHER / P ICK 2023) im Hinblick auf lernförderliches Feedback speziell in Bezug auf den Lernbereich der Interaktionskompetenz. 4. Fallanalysen Im Folgenden soll anhand von zwei Fallbeispielen aufgezeigt werden, wie mündliches, spontanes Feedback von einer Lehrkraft im Französischunterricht gestaltet wird. Dabei liegt der analytische Fokus auf der interaktiven Konstituierung und Gestaltung des Feedbackgegenstandes. Feedbackpraktiken im Fremdsprachenunterricht 79 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 Abb. 1: Beispiel 1 Transkript 6B_120514 ‘pas toujours dire oui, mais’ Beispiel 1 setzt ein, als die Lehrkraft (LK im Transkript) den Übergang von der vorgeführten Peer-Interaktion hin zur Feedback-Sequenz einleitet. Ein beendigungsiniti- 80 Carmen Konzett-Firth DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 54 • Heft 1 ierender Turn (Z. 1) wird von Helena (HEL) ratifiziert (Z. 2), woraufhin die Lehrkraft die Sequenz schließt (Z. 3) und relativ unvermittelt zu einer Handlungsaufforderung an die Schüler: innen übergeht (Z. 7), die sie multimodal mit einer redebegleitenden Geste verdeutlicht: Die Lernenden sollen einen Satz notieren. Auf die Ankündigung folgt eine Konditionalsatzkonstruktion auf Deutsch. Die Lehrerin präsentiert diese den Lernenden als zu übersetzende Phrase, die auf ein vorheriges Fehlerereignis verweist. Daraufhin entspinnt sich eine Sequenz (Z. 11-24), in der Darius (DAR) und seine Interaktionspartnerin Helena eine Korrektur der zuvor in der Peer-Interaktion fehlerhaft produzierten Struktur durchführen. Dieser Fokus auf einen morphosyntaktischen Aspekt als erstem oder gar einzigem inhaltlichen Element des Feedbacks ist typisch für die niedrigeren Lernjahre im FRAISE-Korpus. Neben Grammatikfehlern werden von der Lehrperson auch lexikalische Lücken angesprochen, die sie übersetzt oder übersetzen lässt, für die sie Alternativen vorschlägt oder deren Aussprache sie korrigiert. Oft schreibt sie Wörter oder Wortkombinationen an die Tafel und ermutigt die Lernenden, sich Notizen im Heft zu machen. Wenn es um Morphosyntax geht, bietet die Lehrkraft auch meist einen metalinguistischen Kommentar an, wie im Beispiel 1 in den Zeilen 25 bis 30. Interaktionsbezogen sind die genannten grammatischen oder lexikalischen Fokusse fast nie. Hier offenbart sich bereits ein erstes wichtiges Kennzeichen des lehrerseitigen Feedbacks auf mündliche, interaktive Schülerprodukte: Sie stellen die Interaktivität bzw. interaktive Aspekte sehr selten ins Zentrum. Das heißt allerdings nicht, dass sie gar nicht vorkommen. Auch in Beispiel 1 findet noch ein interaktionsbezogener Hinweis der Lehrkraft Platz, allerdings erst nachdem schon die Transition zur nächsten vorgeführten Peer-Interaktion angedeutet wurde (Z. 32). Das Feedback, das hier indirekt der ersten Gruppe gegeben wird, ist als Aussage über eine zukünftige Handlung in Form eines Deklarativsatzes formuliert und somit als mit hoher deontischer Autorität (vgl. S TEVANOVIC / P ERÄKYLÄ 2014) produzierte Aufforderung an das zweite Interaktionspaar, es besser zu machen als ihre Kamerad: innen. Dieser Feedback-Turn der Lehrkraft ist nicht nur aufgrund seiner indirekten Adressierung, sondern auch wegen der komplexen polyphonen Struktur der Äußerung nicht leicht dekodierbar. Während die erste Turnkonstruktionseinheit bis zum Lachpartikel nach „oui, mais.“ (Z. 33) noch relativ wenig Inferenzaufwand erfordert, ist nicht sofort klar, dass das folgende „je suis d'accord“ ein Zitat aus dem vorangehenden Peer-Gespräch darstellt. Erst das Gestik- und Blickverhalten der Lehrkraft sowie die anschließende positive Bewertung desambiguieren hier: „c'était bien aussi“ (Z. 33). Die überkreuzt anstatt parallel aufgebauten Turnkonstruktionseinheiten (Bewertung + Bewertungsobjekt - Bewertungsobjekt + Bewertung) erschweren außerdem die Zuordnung der Ausdrücke zur jeweils positiven oder negativen Evaluierung. Der Turn wird dann inkrementell fortgesetzt: Auf eine sehr knappe Einleitung mit „peut-être“ (Z. 34) folgt eine asyndetisch verknüpfte Reihe weiterer Ausdrücke, die mit „etcetera“ beschlossen wird (Z. 36). Auch das darauffolgende Nachlaufelement „oui, tu as raison“ (Z. 37), ist aufgrund seiner Position nach dem Ende der vorangehenden Liste nicht leicht als weiterer Vorschlag zu identifizieren. Zwar unterstützt die prosodische und gestisch-körperliche Feedbackpraktiken im Fremdsprachenunterricht 81 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 Gestaltung des Redebeitrags das Verständnis, aber es ist trotzdem plausibel, dass dieses Feedback in Form eines Feed-Forward (C ARLESS 2007), also eines vorwärts orientierten Kommentars, nicht zur Gänze bei allen Rezipient: innen, weder retrospektiv bei Gruppe 1 noch prospektiv bei Gruppe 2, ankommt. Außerdem ist an der sequenziellen Positionierung und der Art, wie das Feedback formuliert wird, ablesbar, dass interaktionsrelevante Aspekte keine wesentliche Rolle in den pädagogischen Zielvorstellungen der Lehrkraft spielen. Abb. 2: Beispiel 2 Transkript 7B_161014Kh ‘respecter les points’ 82 Carmen Konzett-Firth DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 54 • Heft 1 Im zweiten Beispiel sehen wir einen Ausschnitt aus einer Feedback-Sequenz aus dem 5. Lernjahr im Anschluss an ein von zwei Schülerinnen vor der Klasse vorgeführtes Rollenspiel. Der abgedruckte Ausschnitt setzt ungefähr in der Mitte der Feedback- Aktivität ein. Zuvor hatte die Lehrkraft einige Schüler: innen der Reihe nach dazu aufgefordert, selbst Rückmeldungen an die beiden Klassenkameradinnen zu geben. Es handelt sich hier also im Unterschied zu Beispiel 1 um einen viel interaktiver gestalteten Feedback-Prozess. Trotzdem fokussiert die Analyse hier um der Kürze willen nur auf die Perspektive der Lehrkraft. In Zeile 1 von Beispiel 2 (s. Abb. 2) formuliert die Lehrkraft in knapper Form einen allgemein-bewertenden, zusammenfassenden Kommentar: Sie beginnt mit einer expliziten positiven Evaluierung (vgl. W ARING 2008) der Vorführung, die sie einmal wiederholt und dann in einer syntaktisch parallelen Struktur um einen weiteren spezifischen Aspekt, nämlich die gelungene Vorbereitung des Rollenspiels, ergänzt. An den dritten Bewertungsausdruck, „très bien préparé“, werden in auflistender Weise weitere Elemente angeschlossen, welche konkrete Aspekte dieser guten Vorbereitung benennen, nämlich das diskussionsrelevante Vokabular und die „mots de transition à l’oral“. Mit letzteren sind diskursstrukturierende und insbesondere turneinleitende Phrasen und Wörter gemeint, welche die Lehrkraft den Lernenden in einer vorangegangenen Unterrichtsstunde in Form einer schriftlichen Liste zur Verfügung gestellt hatte. Nach ihrem bewertenden Kommentar ermuntert die Lehrkraft die Klasse mit einer offenen Einladung (vgl. W ILLEMSEN et al. 2018) dazu, weiteres Feedback zu geben (Z. 6). Als sich daraufhin zunächst niemand zu Wort meldet, hakt die Lehrkraft nach, indem sie eine Entscheidungsfrage stellt (Z. 8), mit der sie ein spezifisches Thema inklusive potenzieller Antwortmöglichkeiten vorgibt. Dies ist eine übliche Strategie um die Lernenden zu aktivieren (vgl. D URAN / J ACKNICK 2020), indem die unbestimmte Fülle an Möglichkeiten eingeschränkt und konkretisiert wird. Tatsächlich antworten daraufhin mehrere Lernende mit kurzen Zustimmungspartikeln. An der Ausführung der Sequenz zeigt sich außerdem, dass es sich hier nicht um eine typische Lehrerfrage handelt, deren Antwort bereits bekannt ist, sondern dass die Lehrkraft hier mit ihrer Frage lediglich einen relevanten Feedbackaspekt nennt, der bearbeitet werden soll. Hinweise darauf liefern vor allem das Blickverhalten und die prosodische Gestaltung des sequenzschließenden Turns (Z. 14), der eher als Zustimmung denn als Bestätigung interpretiert werden kann. Als Beweis dafür, dass dies auch von den Schüler: innen so wahrgenommen wird, kann die Tatsache gelten, dass noch während des sequenzschließenden Turns der Lehrkraft die Schülerin Elif ihre Hand hebt (Z. 14) und, als ihr das Wort erteilt wird, eine nuancierte Meinung zu dem besprochenen Punkt äußert. In einem kollaborativ gestalteten Turn mit der Lehrkraft formuliert sie die Einschätzung, dass die beiden Kameradinnen zu lange über einen bestimmten Inhaltspunkt der gestellten Sprechaufgabe gesprochen hätten (Z. 15-18). Die Lehrerin greift diesen neu eingebrachten Aspekt umgehend auf und solidarisiert sich mit Elifs Position. Im Anschluss daran gibt sie der Klasse erneut die Möglichkeit, weiteres Feedback einzubringen. Das abgedruckte Beispiel 2 exemplifiziert einige Aspekte, die für die Konstitution Feedbackpraktiken im Fremdsprachenunterricht 83 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 des Feedbackobjekts in Feedbackphasen nach Peer-Interaktionen im untersuchten Französischunterricht typisch sind. Dazu gehört die explizite, meist positive Evaluierung durch die Lehrkraft, welche in jeder Feedback-Aktivität eine epistemische Autorität für sich beansprucht. Bewertet wird aber nicht nur die Durchführung bzw. das Verhalten während der Interaktion, sondern auch die Vorbereitung des vorgeführten Gesprächs. Zentraler Fokus des Feedbacks sind das verwendete Vokabular und, als einziger interaktionsrelevanter Aspekt, die sprachliche Gestaltung der „Übergänge“ zwischen den Turns, wobei insbesondere die Bandbreite der sprachlichen Ressourcen für diese Aufgabe betont wird. 5. Diskussion und Konklusion Aufgrund der knappen zeitlichen Ressourcen, die für den schulischen Fremdsprachenunterricht zur Verfügung stehen, ist davon auszugehen, dass die reine ,unreflektierte‘ Teilnahme an unterrichtlichen zielsprachlichen Interaktionen nicht ausreicht, um umfassende L2-Interaktionskompetenz nachhaltig herauszubilden. Longitudinaluntersuchungen von schülerseitiger L2-Interaktionskompetenz im FRAISE-Korpus belegen zwar, dass diese am Ende des sechsten Lernjahres über eine hohe produktive Französischkompetenz verfügen (vgl. K ONZETT -F IRTH 2023). Gleichzeitig legen dieselben Daten aber auch nahe, dass die L2-Interaktionskompetenz der Lernenden möglicherweise nicht so gut ausgebaut ist, wie es sechs Jahre Unterricht erwarten ließen. Andere Studien zu Lernenden mit vergleichbarer Französischlernerfahrung und ähnlichem Kompetenzniveau (B1-B2 nach dem GERS (E UROPARAT 2001)) zeigen ebenfalls, dass Schüler: innen am Ende ihrer Schullaufbahn viele interaktionsrelevante Kompetenzen nur ansatzweise aufweisen und erst in einem immersiven Setting wie z.B. einem längeren Aufenthalt im Zielsprachkontext maßgeblich entwickeln (vgl. P EKAREK D OEHLER 2019, 2021b). Die Gründe dafür sind sicherlich komplex und reichen wohl von mangelnden Routinisierungs- und Diversifizierungsgelegenheiten im Unterricht bis hin zu mangelnder Authentizität der Handlungsanlässe bzw. Interaktionsbeteiligung. Lehrkräfte sind daher besonders gefordert, die schülerseitige L2-Interaktionskompetenz mit Hilfe einer didaktisch durchdachten Planung und Umsetzung im Unterricht zu fördern. Ein zentraler Faktor ist dabei ein entsprechend lernförderlich gestaltetes und gesteuertes Feedback zu den mündlichen fremdsprachlichen Interaktionen der Lernenden untereinander. Im vorliegenden Beitrag wurden verschiedene lehrerseitige Feedbackpraktiken im Französischunterricht identifiziert und anhand von zwei Fallbeispielen mit einem Fokus auf die Gestaltung und Konstituierung des Feedbackobjekts näher beschrieben. Dabei stellte sich heraus, dass insgesamt nur ein kleiner Teil des lehrerseitigen Feedbacks auf genuin interaktionsbezogene Aspekte entfällt. Hingegen wird anderen Kriterien wie der Bandbreite und Spezifik des Vokabulars, dem Umfang und der Flüssigkeit des Sprechens oder der Ausgewogenheit der Behandlung inhaltlicher Punkte, mehr Aufmerksamkeit geschenkt, u.a. hinsichtlich 84 Carmen Konzett-Firth DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 54 • Heft 1 der Ausführlichkeit des Kommentars und der Sorgfalt der Formulierung. Die von der Lehrkraft ins Spiel gebrachten interaktionsrelevanten Kriterien fokussieren ausschließlich auf Turn-Taking und insbesondere auf turneinleitende Diskursmarker. Man könnte daher von einer Unterrepräsentation des Konstrukts sprechen, wenn Interaktionskompetenz ein Teil des Feedback-Konstrukts wäre. Die Vermutung liegt allerdings nahe, dass dies gar nicht der Fall ist, sondern dass Interaktionskompetenz im Sinne eines rezipient: innensensiblen, funktional adäquaten Handelns unter Mobilisierung der vorhandenen L2 Ressourcen überhaupt kein bewusstes pädagogisches Ziel der Lernaufgabe Peer-Interaktion darstellt. Die Datenanalyse hat außerdem gezeigt, dass Lehrkräfte sich in ihrem Feedback explizit an den national vorgegebenen Testformaten orientieren, für die sie ihre Lernenden vorbereiten. Deren Charakteristika fungieren als wichtige Referenzgröße, aus denen Kriterien abgeleitet werden. Es wäre daher im Sinne eines positiven Rückkopplungseffekts wünschenswert, wenn die nationalen Testkonzepte und die Begleitliteratur in den Testformaten und den Analysekriterien einen stärkeren Fokus auf Interaktionskompetenz legen würden. Sie müssten sich diesbezüglich wohl vom Vorbild internationaler Sprachzertifikatstests entfernen, die aus Gründen der Praktikabilität meist keinen derartigen Schwerpunkt enthalten (vgl. R OEVER 2023). Zusätzlich wäre es zu begrüßen, wenn in der Lehrer: innenaus- und -fortbildung die Unterschiede zwischen den Zielen und Funktionen von standardisierten Tests und von classroom-based assessment deutlicher hervorgehoben würden. Ein weiterer Aspekt, der sich in der datengeleiteten, qualitativen Analyse als relevant herausgestellt hat, hier aber aus Platzgründen nicht in den Beispielen gezeigt werden konnte, entstammt der longitudinalen Betrachtung der FRAISE-Korpusdaten. Die Daten zeigen, dass sich die Beteiligungsweise der Lernenden an den Feedback- Gesprächen mit der Zeit verändert, was unter anderem daran liegen mag, dass es sich um junge Lernende handelt, deren student feedback literacy (C ARLESS / B OUD 2018) sich erst in Entfaltung befindet. Doch auch die Partizipationsangebote und der Raum, den die Lehrkraft in den unterschiedlichen Lernjahren für die Lernenden in den Feedbackphasen jeweils schafft, spielen eine zentrale Rolle. Schließlich ist ebenfalls relevant, über welche fremdsprachlichen Kompetenzen die Lernenden verfügen, angesichts der Tatsache, dass die Feedbacksequenzen in der Zielfremdsprache ablaufen. Für die sehr frei gestalteten, eher wenig gesteuerten und kaum vorbereiteten Feedbackphasen im FRAISE-Korpus ist jedenfalls eine hohe rezeptive und produktive L2- Kompetenz (bzw. L2-Interaktionskompetenz! ) nötig, welche die Lernenden erst im sechsten Lernjahr ausreichend aufzuweisen scheinen, um sich daran einigermaßen autonom beteiligen zu können. In einer sich gegenseitig bedingenden Dynamik geht diese höhere Sprachkompetenz u.a. mit einer größeren agency auf Seiten der Feedback-Nehmenden einher, die sich zunächst vereinzelt in der Schulsprache Deutsch, aber im letzten Lernjahr regelmäßiger und in der Zielsprache Französisch in den Feedbackprozess einbringen, indem sie sich rechtfertigen, etwas präzisieren oder nachfragen - eine Praxis übrigens, die aufgrund ihrer Interaktivität als didaktisch wertvoll und daher als good practice gelten kann (vgl. S CHWARZE 2023). Feedbackpraktiken im Fremdsprachenunterricht 85 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 Es ist mit Sicherheit eine gute pädagogische Strategie, Feedback-Rezipient: innen im spontanen Gespräch miteinzubinden. Um die Nachhaltigkeit von Feedback zu verstärken, müssten der Effekt und Nutzen von Feedback aber für Lernende noch deutlicher, am besten in zyklischen Arbeitsphasen, spürbar werden. Feedback müsste deutlicher als Teil eines prozessorientierten Lernens gesehen und weniger als abschließender evaluativer Vorgang betrachtet werden (vgl. K OIZUMI 2022; M AY et al. 2020). Mündliche Formen der Sprachverwendung müssten außerdem als ebenso bearbeitungswürdig und verbesserbar dargestellt und unterrichtet werden wie die Produktion schriftlicher Texte (vgl. G ARCÍA G ARCÍA 2022). Hierfür wären Audio- oder Videoaufnahmen von schüler: innenseitigen mündlichen Interaktionen hilfreich, etwa in Form eines mündlichen Portfolios. Auch ein aufgabenorientiertes Konzept mit regelmäßigen Feedback-Phasen während der Bearbeitung bietet sich an (vgl. G OH / B URNS 2012). Eine weitere Option für ältere bzw. kognitiv weiter entwickelte Lernende stellen sogenannte „worked examples“ (vgl. L AM 2025) dar, d.h. authentische Interaktionsbeispiele, die anhand von Videoaufnahmen und einfachen Transkripten besprochen werden und so metapragmatisches Bewusstsein schaffen, aber auch zur Vertrautmachung mit entsprechenden Ressourcen und Praktiken in der Zielsprache dienen. Für eine erfolgreiche Durchführung solcher formativer Feedbackformen im Klassenzimmer brauchen Lehrkräfte jedenfalls Unterstützung, sowohl durch relevante Fortbildungsangebote als auch durch einen förderlichen Kontext in der Schule (vgl. Y AN et al. 2021). Nicht zuletzt kann auch die Verankerung von Bewusstseinsbildung und gegenstandsspezifischem Feedback-Training in der Grundausbildung von Lehrkräften dazu wesentlich beitragen. Literatur B ENDEL L ARCHER , Silvia / P ICK , Ina (Hrsg.) (2023): Good practice in der institutionellen Kommunikation: Von der Deskription zur Bewertung in der Angewandten Gesprächsforschung. Berlin: De Gruyter. 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