Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.24053/FLuL-2025-0009
0428
2025
541
Gnutzmann Küster SchrammLeo WILL, Wolfgang STADLER, Irma ELOFF (Hrsg.): Authenticity across Languages and Cultures. Themes of Identity in Foreign Language Teaching and Learning. Bristol, Jackson: Multilingual Matters 2022, 296 Seiten [54,95 €]
0428
2025
Laura-Joanna Schröter
flul5410108
108 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0009 54 • Heft 1 Dialogs zwischen romanischer Sprachwissenschaft und Didaktik der romanischen Sprachen vonnöten. Es sind diese drei sich aus dem Sammelband ergebenden Desiderata, die der Didaktik der romanischen Sprachen neue Impulse für die Einlösung des bildungspolitischen Leitziels der interkulturellen kommunikativen Handlungsfähigkeit geben können. Deshalb ist der Band nicht nur für germanistische Sprachwissenschaftler aus dem In- und Ausland, DaF-Lehrkräfte und - Studenten, sondern auch für Didaktiker der romanischen Sprachen eine Bereicherung. Paderborn C HRISTOPH B ÜRGEL Leo W ILL , Wolfgang S TADLER , Irma E LOFF (Hrsg.): Authenticity across Languages and Cultures. Themes of Identity in Foreign Language Teaching and Learning. Bristol, Jackson: Multilingual Matters 2022, 296 Seiten [54,95 €] Schulisches oder hochschulunterrichtliches Sprachenlernen soll den Lernenden möglichst authentische Zugänge zu den Zielsprachenkulturen eröffnen und Möglichkeiten zum authentischen Agieren in der Zielsprache bieten. Jedoch: Was sind überhaupt die Bezugspunkte von Authentizität? Und welche Probleme des Fremdsprachenlernens sind von ihr berührt? Vor diesem Hintergrund ist Authentizität seit den 1970er Jahren immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Abhandlungen, so auch des neueren Sammelbandes „Authenticity across Languages and Cultures. Themes of Identity in Foreign Language Teaching and Learning“, der Lehrenden sowie Forschenden neue Einblicke in den Authentizitäts-Diskurs verspricht (S. xix). Zu den genannten und weiterführenden Fragen werden im vorliegenden Werk empirische Studien vorgestellt, die language teaching, identitiy und aestehtics als zentrale Eckpunkte setzen und insbesondere die Konzeptualisierung der ,Muttersprachler*in‘ als einen wichtigen Strang des Authentizitätsproblems anerkennen. Das Werk gliedert sich im Hauptteil in die drei Teile „Part 1: Authenticity and Language teaching“ (S.17-118), „Part 2: Authenticity and Identitiy” (S. 119-200) und „Part 3: Authenticity and Aesthetics” (S. 201-260). Für die vorliegende Besprechung beschränke ich mich auf eine fokussierte, aber breit angelegte Auswahl, die Authentizität als Problem im Zusammenhang mit dem native speaker aus verschiedenen Richtungen (etwa: Definitionsversuche, unterschiedliche Lehr-Lern-Kontexte, Unterrichtskonzepte, Texte und Materialien sowie empirische Ansätze) exemplarisch beleuchtet. Einleitend stellt Claire K RAMSCH im Beitrag „Authenticity in Our Times“ Authentizität als „every language learners dream“ (S. xiii) dar und formuliert die Forderung nach einem grundsätzlichen Paradigmawechsel, denn „[a]uthenticity is no longer a stable given“ (S. xiii). Vor diesem Hintergrund differenzieren die beiden Beiträge von Leo W ILL und Richard S. P INNER („The Concept of Authenticity in Foreign Language Teaching and Learning“) sowie Matthew D AME und Natalia D AME („Multilingualism and Authenticity in Russian Heritage Language Teaching Practices“) die Rolle von Authentizität im Spannungsfeld von kultureller Verankerung und Selbstentwicklung für den Erwerb des Russischen aus. Sie stellen heraus, dass Authentizität nach wie vor eng mit einem „idealised and infallible Russian native speaker“ (S. xx) verwoben ist, aber im Diskurs auch Bemühungen durchscheinen, die die individuellen Lernenden-Identitäten akzentuieren. Für russischsprachige Herkunftssprachler*innen im USamerikanischen Hochschulwesen zeigen D AME und D AME in ihrer Analyse, dass und wie Herkunftssprechende gegen die Schablone des Muttersprachlers gehalten werden. Die Autor*innen verdeutlichen, dass Sprecher*innen selbst unter „language shyness“ (S. 45), wie von Krashen Besprechungen 109 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0009 definiert, leiden, wenn sie ihre Herkunftssprache sprechen. Anhand dieses Erkenntnisses stellen sie (einmal mehr) heraus, weshalb der Begriff der ,Muttersprachler*in‘ aufgegeben bzw. neu konzeptualisiert werden sollte. Einen anderen Blick erarbeitet Irene H EIDT . Sie konzentriert sich auf den Zusammenhang von Moral und Authentizität. Diesen und weiteren Zusammenhängen mittels eines ethnographisch-sprachökologischen Ansatzes der Datenanalyse nachzugehen, war das Ziel ihrer Dissertationsstudie. Im vorliegenden Beitrag fokussiert H EIDT exemplarisch eine Deutsch-L2-Lernende und ihr „genuine religious sense of self“ (S. 166) im deutschen Bildungssystem. Vor der Folie einer wachsenden mehrsprachigen Gesellschaft sowie aktueller politischer, kultureller und religiöser Spannungen legt H EIDT philosophische Grundlagen und Rückgriffe auf poststrukturalistische Theorieangebote (Michel Foucault, Judith Butler, die sich ihrerseits auf Friedrich Nietzsche und Jean-Paul Sartre beziehen) vor. Davon abgeleitet wird ein interessanter Definitionsversuch - und zwar Authentizität als „a construction of a self between creativity and (discursive) normativity“ (S. 169) -, in die „courageous risk-taking“, „self-stylisation“, ein „enduring process of ethical self-work“ sowie „performative agency“ (ebd.) hineineinspielen. Die im Aufsatz fokussierte Neuntklässlerin richtet sich nicht im Fremdsprachen-, sondern im Ethikunterricht ausgehend von der Frage „Is an Imam allowed to be homosexual? “ (S. 171) an religiösen Moraldiskursen aus, die ihr durch ihre primäre Sozialisation vermittelt wurden. Hier sieht Heidt zu Recht Besprechungsbedarf, da Authentizität auch mit einem vermeintlich ,richtig‘ oder ‚falsch‘ in Verbindung gebracht werden kann: Ein besonders interessantes Ergebnis der Forschung ist, dass die Autorin in ihrer Untersuchung auf eine Bildungssprache der Lernenden stößt, die geprägt ist von „her embodied memories, truths and values afforded by her religious experiences […] and the voices of others […]“ (S. 176). Dieses Ergebnis wird auch für den Fremdsprachenunterricht - der für Heidt ausgerichtet werden sollte auf ein „teaching for symbolic competence“ (S. 178) - nachvollziehbar in Frage gestellt, denn „language learners seem to require the ability to deal with incompatible worldviews“ (S. 177). Im dritten Teil des Bandes stützen sich Candice L IVINGSTON und Hanlie D IPPENAAR in ihrem Aufsatz „Autobiographical Fairy Tales for Authenticity in the English Classroom: A South African Higher Education Case Study“ auf die „3 As“ (S. 203) - das Paradigma der Africology, Authenticity und Autobiographical Storytelling. Unter Einbezug der Strategie des Translanguaging untersuchten sie 23 Märchen von Studierenden im Bachelor of Education (S. 205) im Kontext des südafrikanischen Hochschulwesens mittels einer narrativen Analysetheorie der 1990er Jahre. Ziel dieser Texte war es, ein Märchen ihrer Wahl (z.B. Rapunzel oder Snow White) in eigene lokal-kulturelle Zusammenhänge einzubetten und aus dieser Perspektive zu erzählen „in a manner that allows them to engage with real language usage“ (S. 205). Was die Studie besonders überzeugend hervorhebt, ist die Verwendung von Kappa, einem Dialekt aus Englisch und Afrikaans sowie die Anspielungen auf unterschiedliche Bezugsrahmen (z.B. Flora und Fauna) durch die Linse des Translanguaging. So wurden Fälle gefunden, die sich auf die Verwendung südafrikanischer Ausdrücke beziehen und den Texten neue Bedeutungen zuweisen: In einem Studierendenbeispiel gibt das Märchen Cinderella Aufschluss über die Praxis der Apartheid, indem die Geschichte in den Kontext dieser Zeit gestellt wird (S. 207). L IVINGSTON und D IPPENAAR erwähnen zudem Namensveränderungen (Sleeping Beauty wird zu Sindiswa) sowie Anspielungen auf südafrikanische Motive (der Stich des spinning wheel wird zum Biss durch eine Cape Cobra und Snow Whites rote Lippen werden mit der Farbe von diser lillies verglichen). Aufgeworfen werden auch Themen wie Landverlust anhand von Rumpelstilskin sowie Referenzen auf Instagram oder WhatsApp (S. 210), die den „real language use“ treffen (Skype wird genutzt, um Hinweise auf Rumpelstilskins Namen zu erhalten). Die Schlussfolgerung der Autor*innen ist nachvollziehbar: Die Aufgabe ermöglicht 110 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0010 54 • Heft 1 es den Studierenden, Zugang zu ihren gelebten Erfahrungen zu erhalten und aus ihrer eigenen Realität heraus Märchen mit autobiographischen Zügen zu produzieren, und sie schließt an die Leitlinie des Bandes, die Infragestellung und Neukonzeptualisierung des native speaker über Texte und Materialien, an. Ein ähnliches Bild zeichnet sich im Beitrag von Håvard H AUGLAND B AMLE ab, welcher die Potentiale von Indie-Folk-Musik für das Fremdsprachenlernen und damit den Begriff der Authentizität sowohl über Texte als auch über Unterrichtskonzepte in den Blick nimmt. Das Ziel des Autors ist es, aus seinen Analysen übertragbare ,Linien‘ abzuleiten, wie Lehrkräfte das Potenzial von Indie-Folk-Liedern im Fremdsprachenunterricht nutzen können. So schlägt der Autor vor, sich von Indie-Folk-Musik für die Kreierung neuer Lernumgebungen inspirieren zu lassen, in denen die Schüler*innen Möglichkeiten erhalten, sich in einem fremdsprachigen Umfeld auszuprobieren. Dafür beginnt H AUGLAND B AMLE mit einer Konzeptualisierung von Authentizität unter Rückgriff auf die Überlegungen der popular music studies. Er präsentiert unterschiedliche Begriffsdefinitionen, die weniger zu einer eigenen Definition als zu einem ,offenen Gerüst‘ für die Analyse führen, worauf sich punktuell bezogen wird. Hieran anknüpfend wird anhand der Musikgruppen Bon Iver und Fleet Foxes exemplarisch untersucht, wie Indie-Folk-Musiker*innen Indie- und Folk-Elemente verbinden. Dem Autor gelingt es aufzuzeigen, wie z.B. durch „emphasis on creative writing“ (S. 225) und „role playing“ (S. 225) sowie personas (etwa: Bon Iver als Künstlername des Lead-Sängers Justin Vernon) den Lernenden Gelegenheiten für „playful exploration of their own selves“ (S. 226) geboten werden können. Insgesamt handelt es sich bei Authentizität im Lichte von Popmusik um ein „identity project“ (S. 226). Zusammenfassend spannt der Sammelband ein breites Panorama aus Schulkontexten, Sprachen und Spracherwerbsstufen auf. Mit ihm wird die wichtige Umwälzung von Erkenntnissen der Fremdsprachenforschung für die Unterrichtspraxis bereits sichtbar. Anknüpfend an die drei Eckpunkte language teaching, identity und aesthetics zeichnen die Beiträge durch die Brille der Authentizität ein facettenreiches Bild davon, was Sprachunterricht als schulische oder universitäre Veranstaltung zu leisten vermag und was (etwa: Texte, Unterrichtsmethoden) überhaupt als Ausformungsansätze von Authentizität gelten können. Für einen umfassenden Einblick in das Authentizitätskonstrukt als zugleich reizvollen sowie auch problematischen Forschungsschwerpunkt ist dieser Band besonders zu empfehlen. Göttingen L AURA -J OANNA S CHRÖTER Viktoria S CHEEREN : Lesen mit Bilderbuch-Apps im aufgabenorientierten Englischunterricht in der Grundschule. Eine Studie zur Ermittlung modellhafter Aufgaben. Wiesbaden: Springer Nature 2022, 439 Seiten [79,99 €, ebook 62,99 €] Digitale Medien sind im Alltag von Kindern und Jugendlichen allgegenwärtig und finden vermehrt Anwendung im Englischunterricht der Grundschule. Empirische Untersuchungen zum Einsatz digitaler Technologien liegen bisher allerdings kaum vor. Diesem Desiderat widmet sich das vorliegende Buch, indem es den Einsatz von Bilderbuch-Apps im Englischunterricht der Grundschule sowohl theoretisch fundiert aufarbeitet als auch empirisch im Rahmen eines Aktionsforschungsprojekts untersucht. Der kommunikative Fokus liegt dabei auf der Lesekompetenz der Lernenden, die sich die Bilderbuch-Apps eigenständig in Lesetandems erschließen. Dass junge und beginnende Englischlernende englische Texte lesen können, wurde bereits in vorherigen Studien gezeigt, findet bisher allerdings wenig Berücksichtigung in den Bildungs-
