Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.24053/FLuL-2025-0019
0428
2025
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Gnutzmann Küster SchrammMichael BYRAM, Mike FLEMING, Joseph SHEILS: Quality and Equity in Education. Bristol: Multilingual Matters 2023, 256 Seiten [109,95 €]
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2025
Eleni Louloudi
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134 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0019 54 • Heft 1 Durchdringung aller zugehörigen Aspekte erfordert aufgrund der Komplexität und des Umfangs der Studie allerdings ein sehr hohes Maß an langfristiger und fokussierter Aufmerksamkeit. Leipzig H EIKE N IESEN Michael B YRAM , Mike F LEMING , Joseph S HEILS : Quality and Equity in Education. Bristol: Multilingual Matters 2023, 256 Seiten [109,95 €] Seit den 1980er Jahren hat die Arbeit des Europarats (Council of Europe) einen großen Einfluss auf die Auffassung, dass kulturelles Lernen ein unverzichtbarer Bestandteil der (sprachlichen) Bildung in Europa und darüber hinaus ist. Mit diesem Sammelband versuchen B YRAM , F LEMING und S HEILS die grundlegenden pädagogischen Konzepte von Quality und Equity - die mit „Qualität“ und „Gerechtigkeit“ nur unzureichend übersetzt sind, weshalb die englischsprachige Bezeichnung beibehalten wird - in der Bildung wieder einzuführen, indem sie sich auf die bestehende Arbeit des Europarats stützen, die Fortschritte im Laufe der Jahre reflektieren und sich parallel auf wichtige Implikationen für eine praktische Anwendung in der Schule fokussieren. Quality und Equity werden anhand von drei grundlegenden Konzepten verstanden: Mehrsprachigkeit (Plurilingualism), Interkulturalität und Demokratie(bildung), welche als Leitfaden für alle Beiträge des Bandes dienen. In der Einleitung werden diese Konzepte zunächst definiert und als wichtige Kompetenzen für die Bildung im Allgemeinen betrachtet. Plurilingualism wird als eine Fähigkeit gesehen, die „describes how people possess language and languages“ (S. 3), allerdings nicht nur mit dem Fokus auf eine bestimmte Sprache, sondern auch in Bezug auf Sprachvarietäten und -varianten. Dies steht in direktem Zusammenhang mit der interkulturellen (kommunikativen) Kompetenz, „which defines the knowledge, skills and attitudes that help people to engage with a new group and their culture, to discover and understand the way of living and thinking of the group and individuals within it“ (S. 6). Diese Definition untermauert die Perspektive der Beiträge auf Kultur als dynamisch und diskursiv. Schließlich sind diese beiden auch mit den demokratischen Kompetenzen verknüpft, die als „the ability to use values, attitudes, skills, knowledge and understanding in an effective and appropriate way in democratic situations“ (S. 8) verstanden werden. In den folgenden Kapiteln werden diese drei grundlegenden Konzepte im Zusammenhang mit ihrer Bedeutung für die Bildung (Kapitel 2), dem Aufbau von Kompetenzen und Fähigkeiten (Kapitel 3, 5, 6 und 7), der besonderen Rolle der Sprachbildung (Kapitel 4 und 5), anderen Disziplinen (Kapitel 6), Assessment (Kapitel 5 und 7), der Rolle der Lehrkraft (Kapitel 8), Migration (Kapitel 9 und 10) und der Rolle der Schulleitung (Kapitel 11) untersucht. Eine kurze Zusammenfassung rundet das Buch ab, in der anerkannt wird, dass „education needs to be founded on quality and equity, on equal access for all, whatever their characteristics, and on recognizing and meeting the particular needs of diverse learners in the best possible ways“ (S. 227). In Kapitel 2 untersuchen María-del-Carmen M ÉNDEZ -G ARCÍA und Mike F LEMING die Quality und Equity der Bildung durch die Brille des sozialen Umfelds der Schüler*innen. Sie argumentieren insbesondere, dass das soziale Umfeld den Schüler*innen helfen kann, ihre eigenen Einstellungen zu Erfahrungen mit anderen Kulturen in visuellen Medien kritisch zu reflektieren. Dabei sehen sie Sprachkenntnisse als grundlegend für eine gute Kommunikation an, erkennen aber auch an, dass es spezifische Parameter (z. B. Migration) gibt, die Schüler*innen Besprechungen 135 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0019 gegenüber anderen benachteiligen könnten, sodass eine holistische Perspektive auf den Sprachunterricht (z. B. durch andere Disziplinen, vgl. auch Kapitel 6) gefordert wird. Kapitel 3 von Louise T RANEKJÆR geht ebenfalls, anhand eines Beispiels aus einem Austauschprogramm zwischen Dänemark und Südkorea, auf die Bedeutung der drei grundlegenden Kompetenzen - Plurilingualism, Interculturalism, Democracy - ein. Durch die Linse eines interaktionalen Ansatzes veranschaulicht die Autorin, dass die Interaktion von Lernenden mit ihren Mitschüler*innen oder ausländischen Schüler*innen dazu beitragen kann, von einer theoretischen Perspektive zu einer konkreteren und praxisorientierten Sichtweise der Konzepte überzugehen. In Kapitel 4 konzentrieren sich Helmut V OLLMER und Eike T HÜRMANN auf die Rolle der Sprache bei der Entwicklung einer gerechten Bildung für alle Lernenden. Sie legen zugrunde, dass Sprache lehrplanübergreifend unterrichtet werden muss (vgl. auch Kapitel 2 und 6), damit die Lernenden ihre sprachlichen Fähigkeiten erfolgreich zwischen den Fächern übertragen können. Sie verbinden diese Fähigkeit mit einem Modell über die Rolle der Sprache in verschiedenen schulischen Interaktionen - von formell über informell bis hin zu epistemisch - und plädieren für mehr Transparenz und Kommunikation auf allen Ebenen der Sprachpädagogik: von der Lehrer*innenausbildung über die Bildungspolitik bis hin zu verschiedenen Schulnetzwerken. Dieser Aspekt wird in Kapitel 5 vertieft, in dem Florentina S ÂMIHĂIAN und Diana-Maria B ELDIMAN den Schwerpunkt auf das Assessment legen. Sie ordnen ihren Beitrag zunächst in ein Sprachmodell ein, das Kommunikation als sozial, kognitiv und individuell betrachtet. Sie schlagen mehrere Beispiele für kommunikative Aktivitäten (z. B. aktives Zuhören oder Erkundungsgespräche) und Rollen (Beobachter*in, Sprecher*in, Bewerter*in) vor, die dazu beitragen können, das Sprachbewusstsein der Schüler*innen zu entwickeln. Der wichtige Punkt der disciplinary literacy wird in Kapitel 6 dargestellt (vgl. auch Kapitel 2 und 4). Helmut L INNEWEBER -L AMMERSKITTEN , Silvia M INARDI und Irene P IEPER argumentieren am Beispiel der Mathematik, dass das Verständnis und die Verwendung der language of science nicht nur für einfache Kommunikationsfragen von Bedeutung sind, sondern auch, um wichtige gesellschaftliche Themen wie Klimawandel und Bevölkerungswachstum zu verstehen und zu dekonstruieren. Dies wird dann mit der Physik, der Literatur und den Möglichkeiten, die sie für die multimodal literacy schaffen können, in Verbindung gebracht. In Kapitel 7 untersuchen Claudia B ORGHETTI und Martyn B ARRETT die Idee von Portfolios im Zusammenhang mit einer (gerechteren) Bewertung von Schüler*innen (vgl. auch Kapitel 5). Ausgehend von der Tatsache, dass schlechte Bewertungsergebnisse einer der Hauptgründe sind, warum viele Lernende ihre Ausbildung abbrechen (S. 114), argumentieren sie, dass eine gerechtere Bewertung sechs Prinzipien erfüllen muss: Gültigkeit, Zuverlässigkeit, Transparenz, Gerechtigkeit, Respekt und Praktikabilität. Die Bewertung durch Portfolios - so die These - ermöglicht kontextspezifischere, situierte Bewertungspraktiken. Kapitel 8 befasst sich mit der Rolle von language teachers als fächerübergreifende Verhandlungspartner*innen. Mirjam E GLI C UENAT und Marisa C AVALLI sehen Mehrsprachigkeit als Ressource und bringen an, dass die Rolle von Fremdsprachenlehrkräften darin besteht, die Bedürfnisse der Schüler*innen in den Mittelpunkt zu stellen, eine sinnvolle fächerübergreifende Zusammenarbeit aufzubauen, Mehrsprachigkeit zu würdigen und demokratische Werte als Kern von Sprachpädagogik zu verstehen. In den Kapiteln 9 und 10 wird das wichtige Thema der Migration aufgegriffen, insbesondere im Hinblick auf die Bedürfnisse benachteiligter Lernender. Mit Fokus auf die Primarschule argumentieren Nathalie A UGER und David L ITTLE , dass Bildung den Erwerb der Schulsprache für alle Lernenden sicherstellen muss, gleichzeitig aber auch dafür sorgen muss, dass es genügend Möglichkeiten gibt, in denen die Familiensprachen vertreten sind. Sie geben Beispiele für 136 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0020 54 • Heft 1 zwei Projekte, die sich mit Mehrsprachigkeitspädagogik für Migrant*innen in Irland und Frankreich befassen. Sie kommen zu dem Schluss, dass Lehrer*innen eine gute theoretische Grundlage darüber benötigen, wie Sprachen gelernt werden, um junge Migrant*innen besser unterstützen zu können. Um ein inklusives Umfeld zu schaffen, sollten Lehrkräfte die Maßnahmen, die sie zur Unterstützung von Migrant*innen ergreifen, nicht als etwas Eigenständiges betrachten, sondern als Maßnahmen, die auch Lernenden zugute kommen, die keine anderen Sprachen sprechen als die, welche in der Schule erlernt werden. Darüber hinaus konzentrieren sich Cecilie H AMNES C ARLSEN , Lorenzo R OCCA und Joseph S HEILS auf erwachsene Migrant*innen und ihre Erfahrungen. Sie plädieren dafür, dass der beste Weg zur Unterstützung erwachsener Migrant*innen darin besteht, die sprachliche und kulturelle Vielfalt, die persönlichen Umstände und die Bildungsbiografien der Lernenden zu respektieren (S. 181), und geben das Beispiel eines Toolkits und eines praktischen Referenzleitfadens, um Lehrer*innen zu helfen, erwachsene Lernende besser und individuell zu unterstützen. Schließlich richten Jonas E RIN und Waldemar M ARTYNIUK in Kapitel 11den Blick weniger auf die Lehrer*innen als vielmehr auf die entscheidende Rolle der Schulleitung. Sie stellen fest, dass eine mehrsprachige, interkulturelle und demokratische Bildung nur dann funktionieren kann, wenn die Schulleitung ein ganzheitliches Umfeld schafft, in dem sich diese Kompetenzen entfalten können. Dabei sehen sie die Rolle der Schulleiter*innen als Vermittler*innen der Zusammenarbeit zwischen Lehrer*innen, als Entwickler*innen langfristiger Strategien, als Gestalter*innen einer Schulkultur der Inklusion und als Schnittstelle zwischen formaler und informeller Sprachkommunikation für alle Schüler*innen. Auch wenn der Sammelband aus einer (sehr) europäischen Perspektive heraus konzipiert ist und sich nur wenig in die internationalen Perspektiven der mehrsprachigen, gesellschaftskritischen und demokratischen Pädagogik einfügt (z.B. im Zusammenhang mit Konzepten wie critical pedagogies, social justice education und translanguaging), bietet es dennoch einen lesenswerten Beitrag zum Verständnis einer Standortbestimmung in Europa. Darüber hinaus kann er auch zur Identifizierung notwendiger zukünftiger Richtungen für das Feld beitragen: von managing diversity zu centering diversity, von cosmopolitan zu sociocritical und vom einfachen Erkennen von Vorurteilen zu deren Dekonstruktion sowie schließlich zum Aufbau eines besseren, inklusiveren Bildungssystems für alle Lernenden, einschließlich Lehrer*innen und Schulleiter*innen. Bielefeld E LENI L OULOUDI Eric K. K U : Teachers of Multiple Languages: Identities, Beliefs and Emotions. Bristol: Multilingual Matters 2023, 232 Seiten [34.95€] https: / / doi.org/ 10.21832/ KU4525 Die angewandte Linguistik, die Sprachlehr- und -lernforschung und die Forschung im Bereich der Sprachenpolitik haben in den letzten 20 Jahren eine Fülle von Begriffen hervorgebracht, die Sprachlehrpersonen mit unterschiedlichen Hintergründen, beruflichen Laufbahnen und Identitäten beschreiben. Insbesondere wurden im Zusammenhang mit der Forschung zu mehrsprachigen Sprachlehrpersonen Begriffe eingeführt, um im angelsächsischen Raum Alternativen für den Begriff non-native English speakers zu etablieren. Diese Begriffe beleuchten jeweils bestimmte Aspekte von mehrsprachigen Sprachlehrpersonen, beziehen sich bisher aber nicht spezifisch auf die Erfahrungen von Lehrpersonen, die mehrere Sprachen als separate Fächer unterrichten. Hier setzt Eric K U s Werk an: Im Bestreben, die Bedeutung und Rolle von Lehrpersonen, die mehrere Sprachen unterrichten, als distinkte Gruppe aufzudecken. So for-
