eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 54/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.24053/FLuL-2025-0021
0428
2025
541 Gnutzmann Küster Schramm

Johanna MARKS: Standards und Kompetenzen in der Lehrer*innenbildung. Eine fremdsprachendidaktische Perspektive. Berlin: LIT Verlag 2023, 390 Seiten [29,90 €]

0428
2025
Manuela Schlick
flul5410139
Besprechungen 139 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0021 qualitativ-explorative Designs hinausgehen. Dadurch liesse sich unter anderem ergründen, ob sich die komplexen und individuellen Profile von TMLs in eine Typologie überführen liessen, die wiederum Grundlage für weitere, allenfalls gar quantitative Studien in diesem Bereich sein könnte. Fribourg O LIVIA R ÜTTI -J OY Johanna M ARKS : Standards und Kompetenzen in der Lehrer*innenbildung. Eine fremdsprachendidaktische Perspektive. Berlin: LIT Verlag 2023, 390 Seiten [29,90 €] Wann leisten Fremdsprachenlehrer: innen gute Arbeit? Diese vermeintlich einfache Frage wird am unmittelbarsten und tagtäglich von den Lernenden, von Eltern und Schulleiter: innen beantwortet. Aus der Verantwortung einer staatlichen Bildungsaufsicht heraus wird diese Frage seit den 2000er Jahren aus bildungspolitischer Sicht methoden- und prinzipiengeleitet verhandelt, insbesondere bei der Gestaltung von Referenzrahmen für die Lehrer: innenbildung, in denen Kompetenzstandards für Fremdsprachenlehrer: innen formuliert sind. Johanna M ARKS geht in ihrer Monografie diesem wichtigen Diskurs, der die fremdsprachendidaktische Forschung auch nachhaltig geprägt hat, auf beeindruckend breite und fundierte Weise nach. Auf der Basis einer Inhaltsanalyse von insgesamt 7 Referenzrahmen und mehreren ergänzenden Kapiteln arbeitet die Autorin die Diskussion um Kompetenzen und Standards in der fremdsprachlichen Lehrer: innenbildung und ihrer speziellen Ausprägung in Deutschland und Europa auf. Ihre 388 Seiten umfassende Monographie strukturiert die Autorin in acht Kapitel. Nach dem einleitenden Kapitel, welche das Thema gelungen innerhalb der verstärkten forschenden Hinwendung zur Lehrperson verortet, bietet Kapitel 2 eine notwendige und hilfreiche Begriffsklärung. In welch großer Zahl Publikationen zu Kompetenzen und Standards in den 2000er und 2010er Jahren erschienen sind, macht allein die Fülle an versuchten Definitionen und sich überlagernden, teils sich widersprechenden Verwendungen sichtbar. Die Autorin entschließt sich gut nachvollziehbar für die Verwendung des Begriffs ‚Referenzrahmen‘ für ihre Studie und darüber hinaus für ein eigenes Kapitel 3, um die jeweils hinter den verwendeten Kompetenzbegriffen liegende Sicht auf Lehrer: innenprofessionalität übersichtlich darzustellen. Insbesondere das abschließende Teilkapitel 3.1.5 veranschaulicht, dass die Debatte um Kompetenzstandards insbesondere auch eine Positionierung der Fremdsprachendidaktik gegenüber den Bildungswissenschaften und deren entweder empirisch-psychologischer oder humanistischer Tradition angestoßen hat. Eine etwas erweiterte Einordnung in die internationale bzw. historische Diskussion wäre hier wünschenswert gewesen, hatte sich etwa Ewald T ERHART , der an der Formulierung der KMK-Referenzrahmen maßgeblich beteiligt war, bereits in den 1980er Jahren bemüht, das positive Potenzial von Standards aus der US-amerikanischen Debatte in den deutschen Diskurs einzubringen (i.S. der gesellschaftlichen Bewusstseinsbildung über den Wert von Bildung und Lehrer: innenarbeit). Den Kern der Arbeit bildet die quantitative und insbesondere qualitative Inhaltsanalyse von sieben Referenzrahmen, welche in den Kapiteln 4-6 behandelt wird. Gelungen werden diese Referenzrahmen aus regionalen (NRW), nationalen (Deutschland) und internationalen (mit Fokus auf Europa) Kontexten ausgewählt. Dadurch erlauben sich besonders aufschlussreiche Vergleiche und eine Einordnung des nationalen Diskurses in den europäischen (EPOSTL und EPLTE) bzw. auch internationalen Kontext, da über das Cambridge English Teaching Framework auch der außerschulische Bereich der (internationalen) Erwachsenenbildung eingeschlossen wird. Kapitel 5.4 bietet erhellende Analysen zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden in 140 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0021 54 • Heft 1 Bezug auf deren intendierte Funktion, die Herausgeber: innen, Adressat: innen, Zieldomänen, Form und Aufbau, Genese und Intertextualität. Hier entwickelt die vergleichende Analyse der Referenzrahmen das stärkste Erkenntnispotenzial. Besonders interessant sind die Ergebnisse zu den unterschiedlichen Funktionen der Referenzrahmen (Kapitel 5.4.1), die für den deutschen Diskurs eher an einer Normierung orientiert sind, während die europäischen Referenzrahmen viel mehr auf die Unterstützung von individuellen Professionalisierungsprozessen abzielen. Insbesondere das EPOSTL motiviert zur Selbstevaluierung durch (angehende) Lehrpersonen und spricht sich sogar dezidiert gegen die Verwendung des Instruments für summatives Feedback aus. Ebenso interessant wenngleich ernüchternd ist, dass die Herausgeber: innen der Referenzrahmen nur in wenigen Fällen Fachdidaktiker: innen bzw. fachdidaktische Verbände sind, obwohl dies der Akzeptanz von Referenzrahmen nachweislich zuträglich ist und sich die wenigsten Referenzrahmen dezidiert auf einschlägige Literatur beziehen bzw. diese ausweisen (S. 197). Zahlreiche Übersichtstabellen bieten den Leser: innen hilfreiche Orientierung und dienen der Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse und Schlussfolgerungen etwa zu Basisinformationen zu allen 7 Referenzrahmen (S. 200- 202) oder die übersichtlichen - auch quantitativ interessanten - Ergebnistabellen der Kategorienanalyse jedes einzelnen Referenzrahmens in Kapitel 6. Das umfassendste Kapitel 6 widmet sich der kategorienbasierten Analyse der einzelnen Deskriptoren der Referenzrahmen und der darauf basierenden Erstellung von Einzelprofilen der jeweiligen Referenzrahmen. In einer qualitativen Inhaltsanalyse werden die insgesamt 506 Deskriptoren aller betrachteten Referenzrahmen kodiert, wofür die Intercoderreliabität je nach Referenzrahmen zwischen 0.76 und 0.85 erreicht. Die Autorin entscheidet sich für ein induktives Verfahren, das später noch kurz kritisch diskutiert wird. Es ergeben sich auf dieser Grundlage sehr klar hergeleitete und sorgfältig erstellte Profile der einzelnen Referenzrahmen (Kapitel 6.4). Für jeden Referenzrahmen werden zunächst Übersichtstabellen zur qualitativen (welche Kompetenzbereiche werden behandelt? ) und zur quantitativen (welchen Anteil nehmen diese Kompetenzbereiche ein? ) präsentiert und anschließend in Zusammenschau der bisherigen Analyse der Referenzrahmen beschrieben und diskutiert. Ihre Ankündigung einer fremdsprachendidaktischen Perspektive löst Johanna M ARKS insbesondere in vier Teilkapiteln ein (Kapitel 3.1.5, 3.2, 6.2.1.3 und 7). Anhand der Zusammenfassung und kritischen Würdigung bisheriger Messversuche von fremdsprachendidaktischen Kompetenzen - im Sinne von Professionswissen als kognitiver Dimension von Kompetenz - veranschaulicht sie eine Auswirkung der Referenzrahmen auf den fachdidaktischen Diskurs (Kapitel 3.1.5). Die rein induktive Kategorienbildung erweist sich für Einblicke in die fremdsprachendidaktische Dimension der Referenzrahmen als nur bedingt geeignet bzw. stellenweise verwirrend. Um ein Beispiel zu geben: Wenn im EPOSTL alleine 6 Unterkategorien für den Bereich assessment of learning angeführt und etwa diagnostische Kompetenzen (error analysis) angeführt sind, verwundert die deutlich weniger umfassende Kategorie „Fehler korrigieren“ (S. 244), welche induktiv von der Autorin gewählt wird. Hier wäre eine eingehendere Diskussion und transparentere Herleitung der induktiven Kategorisierung der dezidiert fremdsprachendidaktischen Deskriptoren bzw. Kategorien wünschenswert gewesen. Ebenfalls zu kurz bleibt die Diskussion der fremdsprachendidaktischen Deskriptoren in Kapitel 6.2.1.3. Eine kritischere Stellungnahme in Bezug auf fehlende fachspezifische Inhalte zumindest im Fazitkapitel wäre wünschenswert und auf dem Hintergrund des bis dahin sehr fundiert erarbeiteten Überblicks durch die Autorin sicherlich leistbar gewesen und könnte Inhalt einer Folgestudie sein. Für alle, die sich forschend, entwickelnd oder in der Praxis umsetzend mit den Referenzrahmen auseinandergesetzt haben, sei dieses Buch schon allein zum persönlichen-professionellen Rückblick empfohlen, bietet es doch eine ruhige, klare und auch aufschlussreiche Analyse Besprechungen 141 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0022 einer intensiven Phase der Verhandlung von Deutungshoheiten und Perspektiven auf guten Fremdsprachenunterricht und gute fachliche Lehrer: innenbildung. Da dieser Diskurs in Anbetracht von Lehrer: innenmangel, Quereinstieg und stets neuen Herausforderungen an einen zeitgemäßen Fremdsprachenunterricht nicht abgeschlossen ist, leistet dieses Buch noch deutlich mehr insbesondere für die aktuellen Herausforderungen der Fremdsprachendidaktik. Erstens veranschaulicht die Studie die Wirkungsbreite und auch -tiefe von Referenzrahmen sowohl für die Praxis der Lehrer: innenbildung als auch die Forschung innerhalb einer Disziplin, hier am Beispiel der Arbeiten zum Professionswissen veranschaulicht (Kapitel 3.2). Dieses Bewusstsein sollte auch als kontinuierlicher Auftrag an fremdsprachendidaktische Forschung und Verbandsarbeit sein, sich weiterhin und gar verstärkt in den bildungspolitischen Diskurs einzubringen - auch im Sinne einer zunehmend geforderten und auch praktizierten Third Mission. Johanna M ARKS ’ Studie bietet dafür eine gute Argumentations- und Motivationsgrundlage. Zweitens bietet die Studie über die rückblickende Analyse und Aufarbeitung hinaus wichtige konkrete Denk- und Forschungsanstöße innerhalb von Kapitel 7 („Entwicklungstendenzen und Desiderate“), in dem die Autorin insgesamt zehn Desiderate formuliert. Diese behandeln das Entwicklungspotenzial der bestehenden Referenzrahmen (Digitalisierung und Anwendungsfreundlichkeit, Übertragung auf weitere Phasen und Institutionen der Lehrer: innenbildung sowie berufliche Kontexte). Es ist zu hoffen, dass die zurecht geforderte stärkere Einbindung von Lehrkräften in deren Weiterentwicklung im Sinne partizipativen Denkens der aktuellen Zuwendung fremdsprachendidaktischer Forschungsprojekte etwa zu designbasierter Forschung und anderen kooperativen und praxisorientierten Formen entspricht. W IEN M ANUELA S CHLICK Mareike T ÖDTER : Fremdheit im Englischunterricht. Eine interdisziplinäre Grundlagenarbeit zur Gestaltung von Fremdheitserfahrungen. WVT: Trier 2023 (Reihe Diversitätsorientierte Literatur-, Kultur- und Sprachdidaktik. Band 5), 415 Seiten [43,50 €] Mareike T ÖDTER widmet sich in der auf ihrer Dissertationsschrift basierenden Monographie einem Thema, das den Kern der Fremdsprachendidaktik betrifft: dem Konzept der Fremdheit selbst. Die Autorin verfolgt dabei drei Forschungsfragen, die den Aufbau der Arbeit strukturieren: Im ersten Teil fragt sie nach dem Verständnis von Fremdheit in der Fremdsprachendidaktik, welches sie analysiert und durch einen Abgleich mit interdisziplinären Perspektiven kontextualisiert und intradisziplinär historisch einordnet (Kap. 3-5). Auf dieser Grundlage werden im zweiten Teil umfassend begründete Aussagen zu den beiden anderen explizit normativen Forschungsfragen gemacht: nämlich, wie Fremdheit gefasst werden sollte und wie sie im schulischen Kontext so inszeniert werden kann, dass offene Aushandlungen von Fremdheit im Englischunterricht stattfinden können (Kap. 6-11). Die „Bausteine“ (S. vi-vii) für diesen zweiten Teil sind • eine Analyse und kritische Auswertung bestehender einschlägiger Veröffentlichungen aus den sogenannten Fremdsprachendidaktiken (darunter sowohl konzeptionelle als auch empirische Arbeiten) im Hinblick auf mögliche Inszenierungsprinzipien von Fremdheitserfahrungen (Baustein A), • ein Einbeziehen psychologischer und pädagogischer Forschung zum Umgang mit Dissonanzen und Stereotypen (Baustein B) sowie schließlich • die Erhebung von Expert*inneninterviews mit Lehrer*innen zum Umgang mit Fremdheit