Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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Gnutzmann Küster SchrammAlmut KETZER-NÖLTGE, Nicola WÜRFFEL (Hrsg.): Textbook 4.0 – From Paper-Based Textbooks with Digital Components to Interactive Teaching and Learning. Berlin [u. a.]: Peter Lang 2024, 325 Seiten [64,95 €]
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Corinna Koch
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Besprechungen 139 54 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0037 diese über einen ersten Gliederungspunkt hinausgeht, auf eine defizitäre logische Kohärenz und letztlich argumentative Schwäche der gesamten Arbeit hin. Spätestens für die Publikation hätte diese Dissertation mit Überarbeitungsauflagen belegt werden müssen. Es ist positiv hervorzuheben, dass Béatrice VON G AYL sich einem in der Fremdsprachendidaktik weitgehend unerforschten Bereich widmet. Ebenso ist es begrüßenswert, dass mit einer praktizierenden Lehrerin als Forscherin der Unterricht bzw. die Sicht der Lernenden auf einen Teilaspekt desselben in den Fokus genommen wird. Die Wahl der Aktionsforschung als Forschungsmethode ist auch naheliegend. Dennoch ist zu fragen, ob die Arbeit tatsächlich Antworten zum Aktivierungspotential des Settings oder eher zur Einschätzung des Settings durch die Lernenden erbracht hat. Diese Ergebnisse, die sich zusammengefasst auf S. 314 finden, dürften nicht nur für den Projektunterricht, sondern für Unterricht allgemein gelten. „Begünstigende Faktoren“ wie Interesse am Thema, individuelle Motivation oder Zielklarheit sind Faktoren, die gewiss in einem Zusammenhang mit „Konkreten Operationen“ (z.B. Bezug zu Vorwissen, intensive Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand) stehen. Woran sich allerdings ableiten lässt, dass tatsächlich kognitive Aktivierung erfolgt, vermag die Arbeit nicht zu klären. Für weitere Forschung bleibt also genügend Raum. Ludwigsburg J ÜRGEN M ERTENS Almut K ETZER -N ÖLTGE , Nicola W ÜRFFEL (Hrsg.): Textbook 4.0 - From Paper-Based Textbooks with Digital Components to Interactive Teaching and Learning. Berlin [u. a.]: Peter Lang 2024, 325 Seiten [64,95 €] Der vorliegende Sammelband, herausgegeben von den zwei Didaktikerinnen für Deutsch als Fremdsprache (DaF) Almut K ETZER -N ÖLTGE und Nicola W ÜRFFEL , ist in englischer Sprache als 77. Band der Reihe Kolloquium Fremdsprachenunterricht erschienen. Er dokumentiert die Ergebnisse von zwei Runden Tischen (2020 und 2022), die als „Think Tanks“ (9) dem Austausch über Innovations- und Transformationsprozesse in der Fremdsprachendidaktik gewidmet waren. Im einleitenden Beitrag legen die Herausgeberinnen diesbezüglich offen, warum dabei statt „textbook“ der Begriff „interactive personal learning and teaching environment“ (14-15) passender ist, um dem stets personenbezogenen Aspekt des Lehrens und Lernens sowie der großen Breite und Komplexität des heutzutage am ‚Lehrwerk‘ beteiligten Medienverbundes gerecht zu werden. Grundlegende Qualitätsmerkmale des fremdsprachlichen Lernens, die in dem Band diskutiert werden, gehen somit bewusst über Unterscheidungen zwischen analoger, hybrider und digitaler Darbietungs- und Interaktionsform hinaus. Der erste von drei Teilen (23-122) widmet sich in drei Beiträgen der Darstellung und Analyse der historischen Entwicklung und des aktuellen Standes von dementsprechenden Lehr- und Lernumgebungen und zieht Schlussfolgerungen für deren weitere Entwicklung. Im ersten Beitrag zeichnet Nicola W ÜRFFEL die Digitalisierung von DaF-Lehr- und Lernmaterialien von 1980 bis 2024 nach. Anhand der Zusammenführung der Ergebnisse mit Befragungen von Expert*innen aus Schulbuchverlagen zeigt sie, dass Fortschritte gemacht wurden: Lehrwerke sind heutzutage komplexe Medienverbünde mit einer Vielfalt analoger und zunehmend digitaler Bestandteile. Zudem zeichnen sie sich durch einen steigenden Grad an Interaktivität aus. Andere Visionen, wie ein modularer Lehrmittelansatz und stärkere Lernendenzentrierung, stellen hingegen weiterhin ein Desiderat dar. Im zweiten Beitrag analysieren Almut K ETZER - N ÖLTGE und Nicola W ÜRFFEL , wie sich Lehrwerke für DaF seit 1990 mit dem Aufkommen der digitalen Medien bis heute verändert haben. Dafür präsentieren sie Modelle des computer- 140 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0037 54 • Heft 2 gestützten Sprachenlernens, bevor sie die Ergebnisse einer Längsschnittlehrwerkanalyse vorstellen, die den vielfältigen Einfluss der Digitalisierung auf Lehr- und Lernmaterialien aufzeigen: So ist Digitalisierung inzwischen auch ein Thema der Lehrwerke, es findet sich ein Panorama digitaler Textsorten und die Aufgabenformate enthalten Internetrecherchen und digitale Zieltextformate. Dennoch braucht es mehr Kollaboration zwischen den beteiligten Parteien in Theorie und Praxis und eine kritische Inspektion der Prädominanz von kommerziellen Lehr- Lern-Materialien. Im dritten und letzten Beitrag dieses Teils beleuchtet Dietmar R ÖSLER den interkulturellen Ansatz in Lehrwerken seit den 1980er Jahren sowie die Unterstützungsmöglichkeiten für die Kooperation von Lernenden unterschiedlicher Sprachräume durch Sprachassistenzsysteme. Rösler untersucht die Potenziale digitaler Medien zur Erweiterung traditionellen Sprachunterrichts und skizziert sowohl eine Dystopie des Fremdsprachenlernens als auch eine Utopie, wobei in letzterer eine lernerzentrierte, flexible und modulare Lernumgebung die individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Lernenden berücksichtigt. Der zweite Teil des Sammelbandes (123-274) vereint in sieben Beiträgen sowohl konzeptionelle Überlegungen und Visionen zur Weiterentwicklung von interaktiven persönlichen Lehr- und Lernumgebungen und Lehrwerken als auch empirische Studien, die die Integration aktueller Technologien, Tools und/ oder Medien untersuchen, sowie diesbezügliche explorative Ansätze. Die Studie von Carolyn B LUME , Lisa M IDDELANIS und Torben S CHMIDT untersucht den potenziellen Nutzen von intelligenten Tutoring-Systemen für das Sprachenlernen, vor allem im Englischunterricht der siebten Klasse. Basierend auf der Initiative Interact4school wird die lehrkraftseitige Wahrnehmung der Möglichkeiten eines solchen Systems mittels Interviews erforscht. Die Untersuchung zeigt, inwiefern das lehrkraftseitige Verständnis von Differenzierung, fachspezifischen Lernprozessen und ihrer eigenen Rolle die Wahrnehmung und Nutzung einer interaktiven Alternative zum traditionellen Lehrwerk beeinflusst. Im nachfolgenden Beitrag untersucht Manuela F RANKE mittels halbstrukturierter Unterrichtsbeobachtungen, wie Lehrkräfte Hausaufgaben mit Unterstützung von digitalen Materialien zu Französisch- und Spanisch-Lehrwerken erteilen. Die Ergebnisse legen nahe, dass digital unterstützte Hausaufgaben eine gezielte und individualisierte Förderung des selbstständigen, eigenverantwortlichen und autonomen Lernens in Kombination mit einer Steigerung der Medienkompetenz ermöglichen können. Der Beitrag von Selmin H EDEMANN und Yibo M IN widmet sich dem Einsatz von Augmented Reality (AR) in Form eines Merge Cube und dessen Auswirkungen auf das Fremdsprachenlernen in zwei Online-Deutschkursen. Dafür werden die Perspektiven von Lehrkräften und Lernenden erhoben und die Auswirkungen von AR auf Motivation, Interaktion und Akzeptanz anhand von Leitfadeninterviews untersucht. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass AR ein nützliches Werkzeug für das Sprachenlernen sein kann, die Erwartungen der Lernenden jedoch stärker berücksichtigt werden sollten. Kathleen P LÖTNER beschäftigt sich ihrerseits mit der Verwendung von Virtual Reality (VR) in Fremdsprachenlehrwerken und betont Vorteile wie immersive Erfahrungen und interaktives Lernen. Sie fordert angehende Lehrkräfte dazu auf, VR zu erkunden, um Potenziale und Grenzen zu verstehen. VR wird als Möglichkeit beschrieben, Fremdsprachenlernen durch Motivation und Engagement zu verbessern, aber auch Herausforderungen wie Kosten und Schulungsbedarf für Lehrkräfte werden angesprochen. Almut K ETZER -N ÖLTGE , Caroline N AST und Lisa H ÖFLER schlagen in ihrem Beitrag zwei Szenarien für den Einsatz von 360°-Medien im DaF- oder DaZ-Unterricht vor, mit dem Ziel, Diskurskompetenz zu fördern. Sie argumentieren, dass 360°-Panoramabilder, Videos und virtuelle Touren genutzt werden können, um zu zeigen, wie Bedeutung in (audio-)visuellen Medien konstruiert wird. Sie weisen ferner darauf hin, dass die Integration deutlich einfacher wäre, wenn Lehrwerke modular statt linear aufgebaut wären. Im letzten Beitrag von Teil II erörtert Natallia B ALIUK den potenziellen Nutzen von social networking sites beim Sprachenlernen und deren Besprechungen 141 54 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0037 Integration in zukünftige Lehrwerke. Sie verdeutlicht, dass die Teilnahme an echtem, situiertem Sprachgebrauch, die Zusammenarbeit und die gemeinsame Schaffung von Wissen nicht automatisch erfolgen, sondern von einer sorgfältig gestalteten Implementierung abhängen. Die Autorin hebt zudem hervor, wie wichtig die Berücksichtigung zahlreicher Faktoren wie die Entwicklung notwendiger digitaler Kompetenzen ist. Der dritte Teil (275-325) bietet drei Berichte über praktische Projekte zur Umsetzung und Evaluation neuer Ansätze der Materialentwicklung. Julia W OLBERGS , Michaela M ARKOVIC und Lisa H ÖFLER stellen ein Open Educational Resources-Lernmaterial zur Unterstützung deutscher und chinesischer Lernender bei der Vorbereitung auf einen Schüleraustausch vor und diskutieren Herausforderungen und Lösungen bei dessen Entwicklung und Evaluation. Ergebnisse der Evaluierungsumfrage zeigen, dass die Nutzer*innen die gemeinsame Diskussion der behandelten Themen wertgeschätzt haben. Die Autorinnen kommen zu dem Schluss, dass eine klare Kommunikation erforderlich ist, um den Interessen aller an der Vorbereitung und der Durchführung des Lernprozesses Beteiligten gerecht zu werden, ermutigen jedoch zur Verwendung digitaler Open Source-Materialien in Forschung und Praxis. David F UJISAWA präsentiert in seinem Bericht Grammatikbausteine als Visualisierungsmöglichkeit im Online-Deutschunterricht. Eine Vorstudie zur Erprobung des Konzepts zeigt große Zufriedenheit seitens der Anwender*innen und deutet somit darauf hin, dass dieses eine wertvolle Ergänzung zum herkömmlichen Lehrmaterial darstellen kann. Antje R ÜGER berichtet von einem entdeckungs- und aufgabenbasierten flexiblen und lernerzentrierten Online-Spanischkurs für erwachsene Spanischlernende. Der Kurs beinhaltet authentische Materialien für einen realitätsnahen Zugang (Vorstellung der eigenen Person, der Wohnsituation, Einkauf- und Essgewohnheiten, Tagesablauf etc.) und unterstützende Aktivitäten zur Förderung verschiedener Sprachniveaus. Der Beitrag präsentiert Beispiele für Lernaktivitäten, Überlegungen zur Kursentwicklung und -durchführung sowie Evaluierungsergebnisse. Der selbstgesteuerte Charakter des Kurses und der Mangel an persönlicher Interaktion könnte jedoch einige Lernende vor Herausforderungen stellen. Der Band bietet - wie im Klappentext versprochen - einen „multiperspektivischen“ Blick auf Lehr-Lern-Materialien mit einem Schwerpunkt auf ‚Lehrwerken‘ und gleichzeitig dem wichtigen Anstoß, das Verständnis von Letzteren zu überbzw. weiter zu denken. Bemerkenswert ist ferner, dass bei der großen inhaltlichen und methodischen Vielfalt in den drei Teilen und den unterschiedlichen Beiträgen einige Schlüsselelemente wie die Förderung von digitaler Kompetenz aufseiten der Lernenden und der Lehrkräfte, die Vorteile stärker lernerzentrierten und modularen Lernens und die diesbezüglichen Möglichkeiten durch Digitalisierung wiederholt zum Ausdruck kommen. Diesen Aspekten wird daher in Zukunft besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden müssen. Der Band stellt den aktuellen Stand der Forschung zu diesem Themenkomplex übersichtlich, kohärent und anhand vielfältiger, anschaulich visualisierter Beispiele dar, ist sprachübergreifend für die Fremdsprachendidaktik von großem Interesse und betont gleichzeitig den verbleibenden dringlichen Bedarf an weiterführender und kontinuierlicher Forschung in diesem so schnelllebigen Bereich des Lehrens und Lernens von Sprachen. Münster C ORINNA K OCH
