eJournals Forum Modernes Theater 34/2

Forum Modernes Theater
fmth
0930-5874
Narr Verlag Tübingen
10.24053/FMTh-2023-0019
121
2023
342 Balme

Editorial

121
2023
Karina Rocktäschel
Theresa Schütz
Doris Kolesch
fmth3420197
Editorial: Auf- und Umräumen im eigenen Haus. Beiträge zur Dezentrierung der Theater/ Wissenschaft Karina Rocktäschel, Theresa Schütz, Doris Kolesch (Berlin) Universitäten wie Theater sind machtvolle Institutionen. Sie ermöglichen einigen (wenigen) Individuen bestimmte Handlungen und Positionierungen, schreiben gewisse Verhaltensweisen und Praktiken geradezu vor und schließen zugleich zahlreiche Individuen, Handlungen und Verhaltensweisen aus. Beide Institutionen schlagen sich nicht nur in Körpern, Denkhaltungen und Denkstilen sowie Praktiken und Emotionsrepertoires nieder, sondern materialisieren sich auch in konkreten Gebäuden und Häusern. Bezeichnenderweise hat es sich in der deutschsprachigen Theaterszene eingebürgert, von Theaterbetrieben als Häusern zu sprechen. Diese Häuser, die eigentlich fabrikähnliche Arbeitsstätten sind, werden damit zu Heimstätten verklärt, die als Konstituenten von Zugehörigkeit und Identitätsbildung fungieren - sei es durch den geteilten Kanon repräsentierter und verhandelter Inhalte, sei es durch die Erfahrung gemeinsam geteilten ästhetischen Geschmacks als Form sozialer Distinktion, sei es durch eine geteilte Sehnsucht nach einer imaginären Gemeinschaft. Häuser sind Gefüge von Materialien, Dingen und Objekten, zu denen wir Beziehungen ausbilden, die positiv und ermächtigend, aber auch negativ, lähmend und verunsichernd sein können, die regulieren und machtvolle Ordnungen (re-)produzieren. Häuser und die in und zu ihnen wirksamen Beziehungen sind weder neutral noch ahistorisch. Sie sind, genau wie unsere Körper, Materialisierungen von Zeit(en), Macht- und Geschlechterverhältnissen sowie sedimentierten individuellen wie vor allem kollektiven Geschichten. Gemäß der in Häusern etablierten Ordnung(en) orientieren wir uns in ihnen. Wir können in ihnen Geborgenheit, Schutz und Sicherheit erfahren, aber auch Verunsicherung, Unwohlsein und Ausgesetztheit. Denn Häuser können auch Zugänge versperren, Eintritt verhindern, Bewegung blockieren, Veränderungen verunmöglichen oder die Reorganisation bzw. Transformation etablierter Relationen erschweren. Ein - eingestürztes - Haus und eine räumliche Topografie stellten auch zentrale Hilfsmittel in den Anfängen westlicher Mnemotechniken und der Gedächtniskunst (bei Simonides von Keos) dar. Formen von Wissensproduktion wie Wissenserwerb sind aufs Engste mit räumlichen Strukturen, mit der Existenz entsprechender Räume verbunden - sei es der notwendige, oft aber nicht vorhandene ‚ Room of One ’ s Own ‘ , den Virginia Woolf so eindrucksvoll beschrieben und gefordert hat, sei es das Schulhaus, das Universitätsgebäude, sei es der Community Space oder der Safe Space. Auch die wissenschaftliche Disziplin, in der wir drei Herausgeberinnen ausgebildet bzw. tätig sind, die Theaterwissenschaft, kann als ein Haus beschrieben werden, für welches das oben Ausgeführte gilt. Ein Haus, das Techniken, Methoden, Begrifflichkeiten ebenso wie Sprach- und Gefühlsregeln versammelt und vor-schreibt, welche die Prozesse der Produktion und des Erwerbs von Wissen ebenso wie der Wissensvermittlung nicht nur begleiten, sondern wesentlich formieren. Insbesondere in der Wissenschaft gibt es scharfe Ordnungs- und Orientierungsregime, wer sich hier überhaupt aufhalten und beteiligen darf, worüber mit- Forum Modernes Theater, 34/ 2, 197 - 202. Gunter Narr Verlag Tübingen DOI 10.24053/ FMTh-2023-0019 einander gesprochen (oder auch nicht gesprochen) wird, was als wichtig und unverzichtbar, was als überflüssig oder uninteressant eingeordnet wird, und wer schließlich aufgrund vielfältiger Barrieren nicht eingeladen ist, teilzunehmen und teilzuhaben. Auch hierin gleichen sich Universitäten und Theater. Beide sind Orte der Kanon(re)produktion, die auch im 21. Jahrhundert in weiten Teilen noch strikte Hierarchien, Wert- und Geschlechtervorstellungen reproduzieren, neo-feudale Abhängigkeitswie Belohnungsstrukturen perpetuieren und bislang nur ungenügend gesellschaftliche Diversität ermöglichen. Es sind Orte, an denen Veränderungen angestoßen, Neues entdeckt und erkundet sowie ein anderes, besseres Leben imaginiert, aber eben auch verhindert werden kann. Was also tun mit dem ‚ eigenen ‘ Haus, sei es das Theater, sei es die institutionalisierte Theaterwissenschaft? In solidarischer Nachfolge der beiden Theaterwissenschaftlerinnen Azadeh Sharifi und Lisa Skwirblies sind wir als Herausgeberinnen dieses Themenheftes ihrem expliziten Aufruf im unlängst publizierten Sammelband Theaterwissenschaft postkolonial/ dekolonial 1 gefolgt und haben Kolleg*innen, Künstler*innen und Aktivist*innen eingeladen, angesichts aktueller globaler Verhältnisse, Erkenntnisse und Versäumnisse gemeinsam zu beginnen, in den eigenen Häusern nicht nur auf-, sondern auch umzuräumen. Es ist an der Zeit. Auch wenn es schwerfällt, die eigenen, als sicher empfundenen Fundamente auf den Prüfstand zu stellen. Häufig sind damit auch starke Gefühle verbunden: Empfindungen der Scham angesichts von Nicht-Wissen, Impulse der Überforderung und Abwehr oder auch vorschnelle Modi übereilter Emphase - mit stabilisierend-reproduzierendem und damit gegenteiligem Effekt. Mit diversen Wendungen des Tätig-Werdens wie „ radical re-imagination “ 2 , „ undoing normative time “ 3 , „ undoing of [ … ] colonial mastery and subjugation “ 4 , „ die Orientierung verlieren “ 5 oder „ das Unmögliche verlangen “ 6 - versammelt dieses Themenheft individuelle Ansätze, die an einer Dezentrierung und damit einhergehenden Hinterfragung der Praktiken sowie des Kanons von Theater, Theaterwissenschaft und Performance Studies mit Blick auf Kolonialität, Heteronormativität, Eurozentrismus sowie Ableismus arbeiten und sich gegen „ Epistemologien der Ignoranz “ 7 stellen. Ausgehend von den vielfältigen begonnenen Prozessen der Kritik im und am Theater sowie anderen Institutionen der Moderne als Orten der kolonialen, rassistischen und sexistischen Reproduktion der Mehrheitsgesellschaft durch Bühnenwatch, Berlin Postkolonial e. V., Pro Quote Bühne oder die Initiative für Solidarität am Theater sowie in Auseinandersetzung mit Publikationen aus dem deutschsprachigen Raum zur Kritischen Weißseinsforschung 8 , Debatten um Institutionskritik 9 sowie dekolonialen künstlerischen Perspektiven haben wir 2021 im Rahmen unseres im Sonderforschungsbereich „ Affective Societies. Dynamiken des Zusammenlebens in bewegten Welten “ angesiedelten Forschungsprojekts zu „ Lebensformen und Technologien der Immersion in den performativen Künsten “ mit unseren eigenen Auf- und Umräumarbeiten unter dem Titel Undoing Mastery begonnen. Dieser Titel entwickelte sich zunächst ausgehend von einer Auseinandersetzung mit der Studie Unthinking Mastery. Dehumanism und Decolonial Entanglements von Julietta Singh. 10 Das gewaltige und gewaltvolle Wort ‚ Mastery ‘ schien uns zunächst als Synonym geeignet - als Synonym für all die verfestigten Dominanz- und Herrschaftssysteme wie auch Hierarchien und Strukturen, die es aus queerer, feministischer oder 198 Karina Rocktäschel/ Theresa Schütz/ Doris Kolesch dekolonialer Perspektive zu durchbrechen, zu stören, zu verflüssigen, abzuschürfen und auszusetzen gilt. Die erste Aktion unserer Auf- und Umräum-Bemühungen war das Masterseminar Undoing Mastery, das Karina Rocktäschel und Theresa Schütz im Wintersemester 2021/ 22 am Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin angeboten haben. Texte aus der feministischen Standpunkttheorie, der Queer Theory, der Institutionskritik wie auch den Critical Race Studies wurden im Zusammenspiel mit künstlerischen Beispielen (von einem Musikvideo von The Carters, über Videokunst von Howardenea Pindell, einem Filmessay von Swoosh Lieu, einem von Flinn Works kuratierten Mini-Festival bis zu Aufführungen von Anta Helena Recke und Joana Tischkau), zum Teil auch gemeinsam mit eingeladenen Gästen, Woche für Woche hin- und her bewegt, diskutiert, aufeinander bezogen oder auch mal kreativ angeeignet und weitergesponnen. Die zweite Aktion realisierte sich dann im gleichnamigen Symposium Undoing Mastery. Mit ‚ klassischen ‘ Vorträgen und Gesprächen ebenso wie auf kuratierten Spaziergängen durch den Stadtraum wollten wir Positionen aus Kunst, Theorie und Aktivismus verschiedene Bühnen geben, um ihr Wissen von Theaterformen, über Theaterwissenschaft oder aus Theaterinstitutionen im Kontext einer kapitalistischen, weißen, abled Dominanzkultur heraus zu destabilisieren und zu dezentrieren. 11 Bei der Planung und Durchführung der Veranstaltung sind wir an zahlreiche Grenzen gestoßen. So mussten wir z. B. lernen, dass ein durch deutsche Gebärdensprache ermöglichter barriereärmerer Zugang zu wissenschaftlichen Veranstaltungen einen zusätzlichen Kostenfaktor darstellt, den es möglichst frühzeitig bei der Veranstaltungsorganisation und Budgeterstellung (vielleicht auch in Absprache mit dem Behindertenbeauftragten unserer Universität) zu planen gilt. Unser Versäumnis führte dazu, dass wir lediglich ein Panel in deutsche Gebärdensprache übersetzen lassen konnten. Für die Durchführung zukünftiger Veranstaltungen stellt sich hier die Aufgabe, Förderinstitutionen - ohne die größere wissenschaftliche Tagungen in Deutschland heute kaum noch finanzierbar sind - , auf die Notwendigkeit des Abbaus vielfältiger Barrieren sowie die damit verbundenen Voraussetzungen und Kosten hinzuweisen und darauf zu drängen, dass die Finanzierung von Mitteln z. B. für Gebärdensprachdolmetschen ebenso übernommen werden wie Reisekosten von Vortragenden. Zudem nahmen wir in der Planung des Symposiums an, ein gleiches Honorar für alle Teilnehmenden - egal ob Praedoc, Postdoc oder freiberufliche Wissenschaftler*innen - sei eine faire Lösung im Sinne von „ gleicher Arbeit, gleicher Lohn “ . Auch hier mussten wir feststellen, dass eine (fehlende) institutionelle Anbindung allerdings entschieden von Gewicht ist. Die Nichtberücksichtigung dieser Unterschiede in der Entlohnung kommt einer Verschleierung struktureller Differenzen gleich. Nicht zuletzt wurde uns während unseres Seminars bewusst, dass eine hierarchiearme Lehre in der Institution Universität samt ihrem komplexen Arrangement von Räumlichkeiten, Körpern, Praktiken, Diskursen, Bewertungen, impliziten wie expliziten Regeln und Emotionsrepertoires ebenfalls nur sehr eingeschränkt realisiert werden kann. Kurz: wir erfuhren in der Verwobenheit von Learningwie auch Unlearning-Prozessen, dass Undoing Mastery ein „ impossible project “ 12 ist. Mastery sitzt viel zu tief in den Strukturen, ist zu vielgestaltig, omnipräsent und vor allem: Wir sind selbst viel zu sehr in sie und mit ihr verstrickt, als dass sie einfach abgebaut, aufgelöst oder ungeschehen gemacht werden könnte. Durch diese Erkenntnis sahen wir von einer Weiterführung des Titels in der vorliegenden Publikation ab, 199 Auf- und Umräumen im eigenen Haus. Beiträge zur Dezentrierung der Theater/ Wissenschaft wollten unsere Bemühungen gleichwohl inhaltlich wie methodisch weiter fortsetzen. Das vorliegende Themenheft stellt entsprechend den dritten und (vorerst) letzten Teil unserer Bemühungen dar. Wir greifen die von so vielen wichtigen, insbesondere BIPoC, queeren und behinderten Intellektuellen, Künstler*innen und Aktivist*innen vorgezeichneten Wege der Desorientierung im eigenen Haus auf, um zum weiteren Auf- und Umräumen einzuladen - im gemeinsam geteilten Wissen darum, dass das ein Weg ist, der vor allem nachhaltig und langfristig eingeschlagen werden muss, um nicht als Trend missbraucht, vorschnell abgetan oder missverstanden zu werden. Die Beiträge machen deutlich, dass die Auseinandersetzung mit hegemonialen Normen und Machtverhältnissen eine spezifische Herangehensweise in Bezug auf die eigene Position wie auch Positionalität und Situiertheit erfordert. In unseren Kontexten stellt insbesondere Weißsein ein zentrales, (noch) unterreflektiertes Problem in der Wissensproduktion dar - und zwar gerade dann, wenn es unmarkierten Anspruch auf Allgemeingültigkeit, Objektivität und/ oder gar Universalität erhebt. Hier zielt das Umräumen der Diskurse, Begriffe, Zugänge und Methoden auf eine Sensibilisierung für die eigene Positionalität und das Training, sie in Analysen entsprechend konsequent einzubeziehen. Dabei ist nicht zuletzt eine Bereitschaft nötig, sich der eigenen Privilegien, sei es als akademische Gatekeeper*innen, sei es als Akteur*innen im Kampf um Deutungshoheit(en), bewusst zu werden. Und bei diesem Akt nicht stehenzubleiben. Der erste Auftritt gebührt in diesem Themenheft Azadeh Sharifi und Lisa Skwirblies. Im Sinne einer solidarischen Verstärkung unterschiedlicher Stimmen von BIPoC- Kompliz*innen weisen sie auf strukturelle Unzulänglichkeiten der weißen Theaterkritik und der künstlerischen Ausbildungsstätten in Deutschland ebenso hin wie auf die in unserer Disziplin historisch mitverankerten epistemologischen Ungerechtigkeiten. Der Beitrag von Pedzisai Maedza erläutert den kolonialen Widerstand des Red Flag Day, der im heutigen Namibia seit 1923 wiederkehrend durchgeführt und vollzogen wird. Ein Tag, der für die Nachkommen der Herero mit schmerzlicher Erinnerung und Trauma-Bewältigung angesichts des von Deutschen verursachten Genozids einher geht, dabei aber auch Widerstand gegen das deutsche koloniale Vergessen mobilisiert. Im Gespräch zwischen Angela Alves und Theresa Schütz geht es im Anschluss um den Umgang mit ableistischen Strukturen im Theaterbetrieb sowie um die Notwendigkeit, normative Verständnisse von Zeit und kapitalistischer Zeitlichkeit, wie sie vielfach in Körper qua Sozialisation eingelassen sind, zu unterbrechen. Layla Zami räumt in ihrem vielstimmigen Beitrag mit der Trennung von Kunst- und Wissensproduktion auf und unternimmt den Versuch, hegemoniales Wissen zu durchkreuzen, um das Un/ Mögliche einzufordern. Die Choreografin und Performancemacherin Joana Tischkau spricht mit Afrikawissenschaftler*in, Autor*in und rassismuskritische*r Bildungsarbeiter*in Josephine Apraku anlässlich ihrer Produktion Yo Bro über Rassismus in ‚ mixed-race ‘ Familien, insbesondere wie er in TV-Serien seit den neunziger Jahren beständig für ein weißes Publikum normalisiert und reproduziert wurde und wird. Der Beitrag von Julia Schade und Leon Gabriel fragt, was es für weiß positionierte Theaterwissenschaftler*innen bedeuten kann, die Orientierung zu verlieren; welche Notwendigkeiten, Herausforderungen, aber auch Fallstricke in einem solchen Prozess des (Ver-)Lernens liegen. Ihr Beitrag stellt die Dringlichkeit dieser Arbeit für die deutschsprachige Theaterwissenschaft heraus, die über ihre wichtigen Bezugnahmen auf Wissen der Black 200 Karina Rocktäschel/ Theresa Schütz/ Doris Kolesch Studies und Critical Race Theory immer wieder auf eigene Kontexte befragt werden muss. Karina Rocktäschel stellt aus der Perspektive der kritischen Phänomenologie Überlegungen zu immersiven Konstellationen an, um damit Theorien aus diesem jüngeren Wissensfeld in die deutschsprachigen Performance Studies sowie die Theaterwissenschaft einzubringen. Gleichzeitig nimmt sie dieses Themenfeld zum Anlass, um über Orientierungen und Desorientierungen in der Wissensproduktion nachzudenken. Im abschließenden Beitrag von Anuja Ghosalkar, Nidhi Mariam Jacob, Tushar Madhav, Oishorjyo, Rency Philip, Balakrishnan Raghavan und Bhavana Rajendranet geben die Künstler*innen einen Einblick in die digitale, queere Performance The Lonely Hearts Club, die sowohl binäre Logiken herausals auch eine Erotisierung interaktiver Beziehungen einfordert. Die Übertragung von Auszügen aus der Performance in das Format des schriftlichen Textes verdeutlicht, wie eine Aneignung von Technologie durch das Ausstellen von Scham, Sexualität, Gender und Begehren verqueert werden kann. Wir verfolgen in diesem Themenheft bewusst einen multidimensionalen Ansatz, um die von Sharifi/ Skwirblies vorgeschlagene Dezentrierung der Stimmen im Diskurs weiter zu fördern und einen Eindruck von der Vielfalt der zu bearbeitenden Themen und Herausforderungen zu geben. Manche Ansätze in diesem Themenheft mögen als nur kleine Akte des Auf- und Umräumens erscheinen, andere eventuell stärker ins Gewicht fallen. Aber genau darum geht es: jeder Akt zählt und nur gemeinsam kann das Projekt des Auf- und Umräumens der Institutionen, in denen wir zusammen arbeiten und so viel unserer Lebenszeit verbringen, realisiert werden. Auch ein vielstimmig angelegtes Themenheft beruht auf Praktiken des Auswählens und Eingrenzens, des Sichtbarmachens und Verdeckens, des Hörbarmachens und zugleich Verschweigens. So bietet dieses Themenheft vornehmlich die Gelegenheit, den Austausch und die Diskussion mit Positionen, die wir im Rahmen unseres Symposiums und unseres Seminars Undoing Mastery eingeladen hatten, zu vertiefen und in schriftlicher Form einem weiteren Kreis von Interessierten zugänglich zu machen. Den Studierendenblog von Julia Schade und Leon Gabriel haben wir leider erst danach entdeckt, freuen uns aber umso mehr, ihre Arbeit hier nun mitversammelt zu sehen. Queere, ableismuskritische, dekoloniale und postkoloniale Positionen sind - so zeigen die Beiträge - für die deutschsprachige Theater/ Wissenschaft sowie Performance Studies von Gewicht und müssen dringend in die Fundamente, Strukturen und Räume unserer Häuser (hin-)eingetragen werden, um weitere Auf- und Umräumarbeiten anzuregen und nachhaltige institutionelle Veränderungen in Gang zu setzen. Wir brauchen eine Zukunft vielfältiger, umgestalteter, gastfreundlicher und solidarischer Häuser, die für alle zugänglicher und unterstützender sind - in Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft! Anmerkungen 1 Vgl. Azadeh Sharifi / Lisa Skwirblies (Hg.), Theaterwissenschaft postkolonial/ dekolonial. Eine kritische Bestandsaufnahme, Bielefeld 2022. 2 Vgl. den Beitrag von Anuja Ghosalkar et al. in diesem Band, S. 291 - 305, hier S. 292. 3 Vgl. das Gespräch zwischen Theresa Schütz und Angela Alves in diesem Band, S. 229 - 238. 4 Vgl. den Beitrag von Pedzisai Maedza in diesem Band, S. 214 - 228, hier S. 220. 5 Vgl. den Beitrag von Julia Schade und Leon Gabriel in diesem Band, S. 262 - 277, hier S. 274. 6 Vgl. den Beitrag von Layla Zami in diesem Band, S. 239 - 252, hier S. 249. 201 Auf- und Umräumen im eigenen Haus. Beiträge zur Dezentrierung der Theater/ Wissenschaft 7 Sabine Hark, Die Gemeinschaft der Ungewählten, Berlin 2021, S. 89. 8 Vgl. Maisha-Maureen Auma / Grada Kilomba / Peggy Piesche / Susan Arndt (Hg.), Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland, Münster 2020. 9 Vgl. Elisa Liepsch / Julian Warner / Matthias Pees (Hg.), Allianzen. Kritische Praxis an weißen Institutionen, Bielefeld 2018; Sara Ahmed, On being included. Racism and Diversity in Institutional Life, Durham und London 2012. 10 Vgl. Julietta Singh, Unthinking Mastery. Dehumanism und Decolonial Entanglements, Durham und London 2018. 11 Das Programm findet sich auf der Website unseres Forschungsprojekts, https: / / www.sfb -affective-societies.de/ veranstaltungen/ termi ne/ 2022-02-02_symposium_mastery.html; einige Panels sind online einzusehen auf dem Vimeo-Kanal das SFB „ Affective Societies “ , https: / / vimeo.com/ sfb1171 [Zugriff am 09. 02. 23]. 12 Julietta Singh, Unthinking Mastery, S. 21. 202 Karina Rocktäschel/ Theresa Schütz/ Doris Kolesch