Forum Modernes Theater
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0930-5874
Narr Verlag Tübingen
10.24053/FMTh-2023-0020
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2023
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BalmeIst die deutsche Theaterwissenschaft (post)kolonial? Ein Plädoyer für eine Anerkennung von bestehenden, aber marginalisierten Wissensbeständen!
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2023
Azadeh Sharifi
Lisa Skwirblies
Was bedeutet Dekolonisierung für die deutschsprachige Theaterwissenschaft? Und wie lässt sich postkoloniale Kritik nachhaltig implementieren? Anhand von Erfahrungen dreier Theaterschaffender werden in diesem Beitrag Ausbildung, Theaterkritik und Publikum in Bezug auf ‚race‘ und Rassifizierung kritisch untersucht. Es wird der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen ein nicht aufgearbeitetes koloniales Erbe der Epistemologien und Methodologien für die Theaterpraxis haben können. Im Fokus der Auseinandersetzung stehen Seh- und Wahrnehmungsgewohnheiten und unausgesprochene Annahmen über das Publikum sowie Prozesse des Otherings und der Rassifizierung. Der Beitrag plädiert schließlich für eine Anerkennung der bereits bestehenden, aber marginalisierten Wissensbestände und Wissensproduktionen hinsichtlich postkolonialer und dekolonialer Ansätze in der deutschsprachigen Wissenschaftslandschaft, mit Hilfe derer die deutschsprachige Theaterwissenschaft dezentriert werden könnte.
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Ist die deutsche Theaterwissenschaft (post)kolonial? Ein Plädoyer für eine Anerkennung von bestehenden, aber marginalisierten Wissensbeständen! Azadeh Sharifi (Berlin), Lisa Skwirblies (Amsterdam) Was bedeutet Dekolonisierung für die deutschsprachige Theaterwissenschaft? Und wie lässt sich postkoloniale Kritik nachhaltig implementieren? Anhand von Erfahrungen dreier Theaterschaffender werden in diesem Beitrag Ausbildung, Theaterkritik und Publikum in Bezug auf ‚ race ‘ und Rassifizierung kritisch untersucht. Es wird der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen ein nicht aufgearbeitetes koloniales Erbe der Epistemologien und Methodologien für die Theaterpraxis haben können. Im Fokus der Auseinandersetzung stehen Seh- und Wahrnehmungsgewohnheiten und unausgesprochene Annahmen über das Publikum sowie Prozesse des Otherings und der Rassifizierung. Der Beitrag plädiert schließlich für eine Anerkennung der bereits bestehenden, aber marginalisierten Wissensbestände und Wissensproduktionen hinsichtlich postkolonialer und dekolonialer Ansätze in der deutschsprachigen Wissenschaftslandschaft, mit Hilfe derer die deutschsprachige Theaterwissenschaft dezentriert 1 werden könnte. 1. Ist die deutsche Theaterwissenschaft kolonial? Können wir das Postulat nach der „ Dekolonisierung der Universität “ auch für die deutschsprachige Theaterwissenschaft einfordern? Mit dieser Frage haben wir uns in unserem 2022 erschienenen Sammelband Theaterwissenschaft postkolonial/ dekolonial auseinandergesetzt. Uns haben vor allem internationale Bewegungen und Proteste von Studierenden und Dozierenden in Südafrika, Indien, England, USA und Kanada inspiriert, die in den vergangenen Jahren verstärkt die Dekolonisierung ihrer Universitäten unter Hashtags wie #RhodesMustFall und #LiberateMyDegree forderten. Auch in der deutschsprachigen Theater- und Kulturszene wurde in den vergangenen Jahren (insbesondere von aktivistischen BIPoC Künstler*innen) eine forciertere Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte auf den Bühnen verhandelt und sich mit der Kolonialität der Theater selbst auseinandergesetzt. Im Vergleich hierzu blieb die deutschsprachige Theaterwissenschaft lange auffallend still, wenn es um Fragen nach dem kolonialen Erbe der eigenen Epistemologien und Methodologien ging. 2 Die Anzahl theaterwissenschaftlicher Publikationen, die sich mit diesen Themen und Theorien auseinandersetzen, ist noch immer verschwindend gering und postkoloniale Theorien und dekoloniale Ansätze werden innerhalb der Disziplin oft marginalisiert bzw. als Nischen-Themen in Proseminare ausgelagert. Eine strukturelle Verankerung dieser Ansätze innerhalb der Disziplin durch Lehrstühle oder nachhaltige Forschungsschwerpunkte, wie es in den USA und Großbritannien der Fall ist, fehlt in Deutschland bis heute. Dies steht diametral zu einem wachsenden Interesse der Studierenden, die in den letzten Jahren verstärkt Lehrinhalte rund um Critical Race Theory, Kolonialgeschichte, kritische Weißseinsforschung und intersektionale Ansätze eingefordert haben. Forum Modernes Theater, 34/ 2, 203 - 213. Gunter Narr Verlag Tübingen DOI 10.24053/ FMTh-2023-0020 Im Sammelband Theaterwissenschaft postkolonial/ dekolonial, in dem Beiträge von Theaterwissenschaftler*innen, Aktivist*innen und Künstler*innen gleichermaßen vertreten sind und im Dialog mit- und zueinander stehen, versuchen wir, marginalisierte Wissensbestände und Wissensproduktionen zu zentrieren und ihnen Raum zu geben. Die Bandbreite, mit der sich die Beiträge auf das ‚ Postkoloniale ‘ bzw. das ‚ Dekoloniale ‘ beziehen, zeigt, dass es in der aktuellen Debatte kein uniformes Verständnis von postkolonialem Theater und dekolonialem Theater bzw. von postkolonialer Theaterwissenschaft und Dekolonisierung der Theaterwissenschaft gibt. Vielmehr gestaltet es sich als ein fortlaufender und prozesshafter Diskurs. Der Schrägstrich in unserem Titel zwischen postkolonial und dekolonial könnte wie eine Trennung zweier Schulen wirken. Wie den Politikwissenschaftlerinnen Nikita Dhawan und Maria Castro Varela erscheint uns jedoch ein „ uniformes Verständnis von Postkolonialität [und Dekolonialität, Anm. der Verf.] mithin wenig sinnvoll. “ 3 Wir erachten einen kontextsensiblen Gebrauch der Begriffe für angemessener. Auch in unserem Band gibt es demnach keinen einheitlichen Gebrauch des Sammelbegriffes ‚ postkoloniales und dekoloniales Theater ‘ . Auf der einen Seite gebrauchen einige Autor*innen ihn, um Theaterformen historisch zu ordnen, in solche, die unter dem Einfluss der Kolonialherrschaft bzw. im Zuge der Unabhängigkeit ehemals kolonisierter Staaten entstanden sind. Auf der anderen Seite umfasst der Begriff für viele Autor*innen auch zeitgenössische Aufführungen in Deutschland, die sich thematisch mit Kolonialgeschichte und Kolonialität der heutigen Migrationsgesellschaft auseinandersetzen. Dekolonisierung verweist in unserem Buch sowohl auf die historischen Prozesse der Befreiung von kolonialer Herrschaft, die beispielsweise zur staatlichen Unabhängigkeit und der darauffolgenden sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung geführt haben, als auch auf zeitgenössische theatrale (und widerständige) Auseinandersetzungen mit hegemonialen und kolonial-rassistischen Darstellungsweisen sowie theatralen Möglichkeiten von Selbstrepräsentation. Dhawan und Castro Varela geben zudem kritisch zu bedenken, dass das nachhaltige Verankern der postkolonialen Theorie im deutschsprachigen Raum eine „ mission impossible “ 4 sei. Allzu häufig werden postkoloniale Perspektiven zum Mittel der Karriereförderung - wie der derzeitige Trend, alles dekolonisieren zu wollen zeigt 5 - , aber nur selten bringen sie tatsächliche Transformationen in den Institutionen mit sich. Hier droht postkoloniale Kritik zu einem „ nicht-performativen Akt “ 6 zu werden, also zu einem Sprechen, das nicht tut, was es verspricht. Ausgehend von dieser Kritik erkennen wir an, dass die „ dekoloniale Option “ 7 aus den Erfahrungen, Widerstandsbewegungen und Wissensproduktionen von Schwarzen, indigenen und weiteren marginalisierten Gruppen hervorgegangen ist und durch viele Kämpfe dieser Menschen ihren Weg in die westlichen Akademien und Universitäten gefunden hat. Im Folgenden wollen wir anhand von erlebten Erfahrungen (lived experiences) dreier Autorinnen aus dem Sammelband schlaglichtartig auf die Bereiche Ausbildung, Theaterkritik und Publikum in Bezug auf die eingangs gestellte Frage nach der Möglichkeit und Notwendigkeit einer postkolonialen/ dekolonialen Theaterwissenschaft eingehen. Die Beiträge hierzu stammen von Olivia Hyunsin Kim, Simone Dede Ayivi und Joy Kristin Kalu und zeigen auf, welche Auswirkungen ein nicht aufgearbeitetes koloniales Erbe unserer Epistemologien und Methodologien für die Theaterpraxis haben kann. Hier wird vor allem hinsichtlich der Differenzkategorie ‚ race ‘ auf Seh- und 204 Azadeh Sharifi/ Lisa Skwirblies Wahrnehmungsgewohnheiten und auf unausgesprochene Annahmen über die Zusammensetzung des durchschnittlichen Stadttheaterpublikums verwiesen; ebenso werden Prozesse des Othering und der Rassifizierung benannt. Abschließend argumentieren wir für eine Anerkennung von marginalisierten Wissensbeständen, die für die Aufarbeitung von postkolonialen und dekolonialen Diskursen in der Theaterwissenschaft unseres Erachtens fruchtbar wäre. 2. Ausbildung und Studium Wir wissen aus eigener Tätigkeit an Instituten der Theaterwissenschaft sowie Kunsthochschulen, dass die Zahl der BIPoC Studierenden und Auszubildenden im Theater und in Theaterberufen immer noch gering ist, obwohl sie in den vergangenen Jahren sichtlich gestiegen ist. Die immer noch vorherrschende soziale Ungleichheit hinsichtlich des Zugangs zu künstlerischen Ausbildungsplätzen und akademischer Bildung betrifft neben sogenannten Arbeiter*innenkindern überproportional viele rassifizierte und marginalisierte Menschen. Während andere soziale Dimensionen (Behinderung, Geschlecht etc.) ebenfalls eine große Rolle spielen, ist in den vergangenen Jahren ? vor allem die Differenzkategorie ‚ race ‘ bei der Zugänglichkeit zu Theaterberufen in Deutschland näher ins Licht gerückt worden. Julia Wissert - erste Schwarze Intendantin an einem deutschen Stadttheater - hat beispielsweise in ihrer eindrucksvollen Diplomarbeit ca. 20 Schwarze Theatermacher*innen im deutschsprachigen Raum zu ihren Erfahrungen im Theater befragt. 8 Viele von ihnen erzählen von rassifizierenden und diskriminierenden Erlebnissen beim Vorsprechen an Schauspielschulen. Dieser institutionelle Rassismus kommt besonders in den Begründungen, warum die Bewerber*innen abgelehnt wurden, zum Ausdruck: Ich hab dann an der. . . vorgesprochen. Bin in die letzte Runde gekommen. Da hat der Schulleiter mir aber direkt gesagt, dass ich mir dessen bewusst sein muss, dass ich immer die Putzfrau oder die Prostituierte spielen werde. Das war der Leiter. 9 Oder: Ja, schönes Vorsprechen, hat mir gut gefallen, was sie da gemacht haben, blablabla. Ähm, aber fürs Ensemble, das wird nichts mit ihnen, also das können wir nicht machen. 10 Die Erfahrungen, die geschildert werden, sind symptomatisch für rassifizierte Studierende und Auszubildende: ihre Körper werden auf der Bühne ver-andert. Ähnlich verläuft es bei der Künstler*innen-Vermittlung, wie die Theaterwissenschaftlerin Hanna Voss in ihrer Forschung zu Rassifizierungen und entsprechenden Zuschreibungs- und Ver-Anderungsprozessen an Schauspielagenturen herausgearbeitet hat. 11 Auch Olivia Hyunsin Kim schildert im Band in einem Gespräch mit Aidan Riebensahm ihre Erlebnisse als asiatisch-deutsche Choreografin, Tänzerin, Dozentin und Kuratorin während ihrer Ausbildung bzw. ihres Studiums. Sie beschreibt, wie die Entscheidung gegen das Schauspiel- und für ein Tanzstudium - ähnlich den Erfahrungen Schwarzer Theatermachender - von rassistischen Erfahrungen bestimmt war: „ [B]ei den Vorsprechen wurde mir gesagt, ich sei schon zu alt und passe nicht ins ‚ Profil ‘ , weil ich asiatisch-deutsch bin und sie nur sehr wenige People of Color aufnehmen oder auch nur bestimmte Typen. Das wurde mir während der Vorstellungsgespräche mehrmals klargemacht. “ 12 Ihr künstlerischer Weg ist von Anfang an durch rassifizierende und exkludierende Praktiken bestimmt. Auch im Masterstudium der Choreographie und Performance an der Universität Gießen sind die Erfahrungen von Ver-Anderungsprozessen geprägt: 205 Ist die deutsche Theaterwissenschaft (post)kolonial? Eine Masterstudentin aus dem zweiten Jahr erwiderte, sie hoffe, dass ich nicht in ein „ Opferschema “ hineinfallen würde. Diese Aussage hat mich noch eine ganze Weile begleitet, wie weiße Personen den Umgang von PoC mit Fragen von Identität beurteilen. Für diese wird das schnell auf die Rolle des Opfers reduziert. 13 Anhand dieses Zitats werden die Macht- und Herrschaftsdynamiken von ‚ race ‘ an Institutionen wie der Universität erkennbar. 14 Der akademische Raum ist eben nicht nur durch soziale Klassenunterschiede und bestehende universitäre Hierarchien zwischen Lehrenden/ Professor*innen und Lernenden/ Studierenden gekennzeichnet, sondern auch durch die im deutschsprachigen Raum häufig ignorierte Differenzkategorie ‚ race ‘ . Die zitierte Masterstudentin ist nicht nur eine Kommilitonin, sondern kann in einem von ‚ race ‘ strukturiertem Raum in ihrer Position als weiße Person Macht ausüben und das rassifizierte Subjekt als Subordinierte klassifizieren. 15 Olivia Hyunsin Kim macht deutlich, dass es sich nicht einfach um eine Aussage handelte, die schnell abgetan werden konnte, sondern verweist auf die traumatisierende Erfahrung, die diese Aussage begleitete; auch, weil dies für sie keine einmalige Erfahrung war, sondern ein wiederkehrender Teil ihres Lebens-/ Arbeits-/ Künstlerinnen-Alltags und damit ein strukturelles Problem. Gleichzeitig ist es bemerkenswert, dass die Masterstudentin die Terminologie „ Opferschema “ verwendet, um die Kommilitonin zu „ warnen “ . Opfer ist ein aus dem strafrechtlichen Diskurs stammender Begriff, welcher auf Personen angewendet wird, die durch eine Straftat oder ein Ereignis unmittelbar oder mittelbar physisch, psychisch und/ oder materiell geschädigt wurden. Im Fall von Rassismus und struktureller Diskriminierung wäre das tatsächlich eine Schädigung in physischer und psychischer Form. Hier ist es allerdings mehr im alltäglichen Sinne gemeint, in der „ Opfer “ und vor allem das „ Opferschema “ eine Abwertung von Erfahrungen und eine Kette von Umständen sind, die eine Person öffentlich macht, die aber von Anderen als „ überzogen “ empfunden werden. Immer wieder wird das deutlich, wenn von Rassismus betroffene Personen gewaltvolle Erfahrungen als rassistisch motiviert und/ oder durch strukturellen Rassismus hervorgerufen benennen und diese heruntergespielt, u. a. als „ Empfindlichkeit “ bagatellisiert werden. 16 Im Fall von Olivia Hyunsin Kim kann erahnt werden, wovor die weiße Masterstudentin sie „ warnte “ : zu thematisieren, was ihr als rassifizierte Person widerfahren ist und dieses zur Grundlage ihrer künstlerischen Praxis zu machen. Damit würde Olivia Hyunsin Kim in die Falle tappen, ihre Rassifizierung (für ein weißes Publikum) „ sichtbar “ machen und durch die Sichtbarmachung als „ Opfer “ von Rassismus „ profitieren “ . 17 Wie wir im Folgenden noch deutlich machen werden, hat dieser Vorgang vor allem mit dem Unvermögen zu tun, ästhetische und damit auch diskursive Kontexte rassifizierter Künstler*innen und Theatermachender zu verstehen, das heißt, entsprechend kontextualisieren und historisieren zu können. Auch Olivia Hyunsin Kim macht darauf aufmerksam: Was ich oft in Projekten gespürt habe, ist, dass ich trotz meiner „ deutschen “ Sozialisierung häufig „ das Internationale “ darstellen sollte, aufgrund meines Aussehens, meines Namens oder weil ich teilweise in Korea studiert habe. 18 Eine immer noch sehr ‚ völkisch ‘ anmutende Wahrnehmung von Deutschland und der deutschen Gesellschaft macht migrantisierte Deutsche oder zumindest in Deutschland 206 Azadeh Sharifi/ Lisa Skwirblies lebende Künstler*innen zu Anderen bzw. Ver-Anderten. Wie Simone Dede Ayivi an anderer Stelle deutlich macht, werden diasporische, migrantische und migrantisierte Theatermacher*innen häufig in Opposition zu beispielsweise Künstler*innen vom afrikanischen Kontinent gestellt. Sie beschreibt anhand verschiedener Festivals und Förderinstrumentarien, wie weiße Theater- und Produktionshäuser trotz „ Rassismuskritik “ auf „ das Internationale “ 19 setzen, anstatt Zugänge für Künstler*innen zu schaffen, die im deutschen Kulturbetrieb bisher ausgeschlossen wurden. Olivia Hyunsin Kim kritisiert die Auseinandersetzung mit ihrer künstlerischen Arbeit in einer ähnlichen Weise. Auch sie erlebt, wie es an spezifischem Vorwissen fehle, um ihre Performance ästhetisch einzuordnen. So werde sie lieber einem internationalen Kontext zugeschrieben als einem deutschen: Als ich mein Abschlussstück bei den Tanztagen in den Sophiensælen Berlin präsentiert habe, wurde von „ der Koreanerin “ geschrieben. Mir ging es aber um eine Bindestrich- Identität, also das Dazwischen-Sein. Einige Journalist*innen haben absurde stereotypisierende Fragen gestellt. Also Fragen, die mit der Zuschreibung als eine ostasiatisch gelesene Frau einhergehen und nichts mit meiner künstlerischen Arbeit zu tun haben. Ich bin mir sicher, dass meine weißen Kolleg*innen solche Fragen nicht gestellt bekommen. 20 Nicht die künstlerische Arbeit stehe im Vordergrund, sondern die Zuschreibung. Es werde dabei eine ethnische Brille aufgesetzt, durch die der Körper der Performerin und ihre künstlerische Arbeit eine Ver- Anderung erfahren. Dabei gehe der ästhetische Kontext verloren, wenn das Wissen den Bezügen in der Performance nicht zugeordnet werden könne. Olivia Hyunsin Kim schlägt im Sammelband vor, dass es an Universitäten und Kunsthochschulen eine größere Anerkennung für das Wissen und die gelebten Erfahrungen der immer diverser werdenden Studierendenschaft geben müsse. Dies könne dabei helfen, über den eigenen institutionellen, eurozentrischen Tellerrand hinaus, Wissen über Tanz und Theater zu vermitteln, das auf Verwebungen und wechselseitigen Einflüssen beruht und somit vorschnellen Kategorisierungen und Stereotypisierungen wie „ Folklore “ oder „ asiatisch “ Einhalt gebieten könne. 3. Kritiker*innen und Theaterwissenschaftler*innen Die Struktur der Rassifizierung und Ver- Anderung setzt sich auch in der Rezeption der künstlerischen Arbeit fort. So haben wir in unserem Band einige Beiträge versammelt, in denen sich rassifizierte Theatermachende zu Rezeptionsweisen ihrer Arbeiten verhalten. Oft scheinen inhaltliche Kontexte und theatrale Zeichen, auf die die Theaterarbeit verweist, gar nicht oder nicht ausreichend bekannt. So beschreibt Simone Dede Ayivi im Gespräch mit Aidan Riebensahm im Band unter dem Titel „ Schwarzes Wissen, weiße Sehgewohnheit “ : Es gab eine sehr positive Kritik zu „ Queens “ , die ich aber mit niemandem teilen wollte. Da war eine Kritikerin offensichtlich angetan von meinem Theaterabend. Sie schrieb unter anderem, dass ich in verschiedene traditionelle afrikanische Trachten schlüpfen würde. Es waren aber afrofuturistische Kostüme mit starken popkulturellen Anlehnungen, also im Grunde das Gegenteil von Trachten. Die Trachten wurden in die Performance hineingelesen. 21 Ayivi beschreibt, wie eine Re-interpretation ihrer Arbeiten durch weiße Zuschauer*innen und Theaterkritiker*innen erfolgt. Ihre Erfahrung ist, dass es einem Schwarzen 207 Ist die deutsche Theaterwissenschaft (post)kolonial? Publikum anders ergehe, da diese in den meisten Fällen mit den kulturellen, sozialen und politischen Kontexten, auf die sie in ihren Arbeiten anspielt, vertraut sind. Im Fall der Produktion Queens (Premiere 2017 in den Sophiensälen) seien sich Schwarze Menschen im Zuschauer*innenraum durchaus bewusst gewesen, dass die Kostüme der Performance keine afrikanischen Trachten waren und nichts mit Ayivis „ Westafrika- Bezug “ 22 zu tun hatten, sondern sich auf Afrofuturismus bezogen. So glaubt Ayivi, dass die Anleihen und Anregungen aus dem Schwarzen US-amerikanischen feministischen Hip Hop für ihre Produktion auch als solche verstanden werden würden, wenn es eine größere Auseinandersetzung mit Schwarzem Wissen und Schwarzer Kunst bzw. Pop-Kultur in der deutschen Theaterlandschaft und -wissenschaft geben würde: „ Bisher hat noch kein*e Theaterkritiker*in über meine Arbeit geschrieben und sich die Mühe gemacht, Schwarzes Wissen aufzuholen und mit mir auf Augenhöhe über meine Arbeit zu sprechen. “ 23 Es sei eine feine Linie zwischen dem, was sie auf der Bühne erklären müsse und dem, was für sich stehen könne. Simone Dede Ayivi entscheide sich meistens für das Stehenlassen, aber ihre Erfahrung sei, dass der Großteil des Publikums dieses Vorwissen zur Dechiffrierung ihrer Theaterarbeit nicht habe. 24 Ein Blick in die Staatlichen Museen Berlins, die sich nicht unweit der Sophiensäle befinden, macht die bigotte Haltung gegenüber Schwarzem Wissen deutlich, auf die Ayivi hindeutet: Schwarzes Wissen wird in Deutschland geschätzt, wenn es repräsentativ ist und dem kulturellen Kapital Deutschlands dient, beispielsweise in Form ausgestellter kolonialer Beutekunst wie die Büste der Nofretete und die Benin-Statuen, wobei eine tiefere Auseinandersetzung mit Geschichte und kulturellem Kontext aus den Museumsräumen herausgehalten werden. Ähnliches lässt sich auch hinsichtlich des Konsums Schwarzer Musik (z. B. Hip Hop, Jazz, Blues etc.) in Deutschland feststellen, die zwar als Unterhaltung konsumiert, deren sozialer, politischer und kultureller Kontext aber immer noch weitestgehend unsichtbar gemacht werde. 25 Es gehe aber auch ganz anders, wie Simone Dede Ayivi ebenfalls im von uns herausgegebenen Sammelband darlegt. So gäbe es schließlich auch wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit ihrer Theaterarbeit von Schwarzen US-amerikanischen Germanist*innen, die sich mit Schwarzen Perspektiven in Deutschland beschäftigen. Priscilla Layne sei hier als eine wichtige Germanistin zu nennen, die nicht nur Texte Schwarzer deutschsprachiger Kulturschaffende ins Englische übersetzt, sondern kritisch diskutiert, kontextualisiert, historisiert und theoretisiert. 26 Auch wird in der nordamerikanischen Germanistik seit geraumer Zeit durch Gruppen wie Diversity, Decolonialization, and the German Curriculum 27 versucht, eine bewusste Dekolonisierung der deutschensprachigen Kultur-, Literatur- und Sprachwissenschaft voranzutreiben. Dabei werden Quellen, Literatur und gemeinsame Seminarpläne geteilt und damit an einer Überprüfung und Veränderung des eigenen und vermittelten Wissens gearbeitet. 4. Das Publikum „ Es ist unabdingbar zu untersuchen, wer das implizite Publikum ist und wer tatsächlich im Zuschauerraum sitzt. Ist es ein mehrheitlich weißes Publikum? Wer ist auf der Bühne in Aktion? Wer verantwortet die Inszenierung? “ 28 Diese wichtigen Fragen wirft die Theaterwissenschaftlerin und Kuratorin Joy Kristin Kalu in unserem Sammelband auf. Ihre Ausführungen weisen darauf hin, dass kolonial geprägte Blickverhältnisse von weißen Zuschauenden auf Schwarze Körper stärker in den Theatern 208 Azadeh Sharifi/ Lisa Skwirblies und der theaterwissenschaftlichen Aufführungsanalyse thematisiert und dekonstruiert werden müssen. Denn, so Kalu, [d]er Prozess der Bedeutungszuschreibung ist auch ein politischer Prozess, insbesondere wenn es um vermeintlich andere Körper geht und sich die Ver-Anderungsverfahren im Blick der Analysierenden ergeben. Das Spannungsfeld zwischen phänomenaler Leiblichkeit und der Verkörperung einer Rollenfigur ist einfach sehr viel komplexer, wenn die Körper nicht der Norm entsprechen. 29 Als Beispiel nennt Kalu den Trend der vergangenen Jahre, „ Körper of Color in der Regie weißer Künstler*innen als ultimativ andere, am liebsten als Chöre von Geflüchteten zu inszenieren. “ 30 Vor allem in Stadt- und Staatstheatern halte diese Praxis an, „ ver-anderte Körper als Expert*innen ihrer Marginalisierungserfahrung “ 31 auf die Bühne zu holen. Wer zu einer vermeintlichen Norm gehört und wer nicht, habe demnach auch viel damit zu tun, wer im Zuschauerraum erwartet werde und wer nicht. Denn die Seh- und Wahrnehmungsgewohnheiten einer vermeintlichen Mehrheitsgesellschaft schreiben an Prozessen der Ver-Anderung auf der Bühne mit. Für die Theaterwissenschaft fordert Kalu deshalb eine stärkere Auseinandersetzung mit der eigenen Positionalität und den eigenen Privilegien beim Zuschauen bzw. Analysieren. Indem sie sich auf Erika Fischer-Lichtes Begriff der Ästhetik des Performativen bezieht, der betont, dass die Bedeutung theatraler Zeichen im Vollzug der Wahrnehmung konstituiert werde, unterstreicht Kalu, wie wichtig eine kritische Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen und Vorannahmen der eigenen Wahrnehmung in der Aufführungsanalyse ist. Vor allem mit Blick auf die Differenzkategorie ‚ race ‘ komme die Erkenntnis, „ [d] ass diese (Be-)Deutungen wie jene Wahrnehmungen, auf denen sie beruhen, von Machtdynamiken durchzogen sind “ 32 in den Methoden und Ausführungen zur Aufführungsanalyse bisher zu kurz. Die Kulturkritikerin Rey Chow schreibt generell zum Umgang mit der Differenzkategorie ‚ race ‘ und dem Begriff der Ethnizität: „ The ethnic is both universal, the condition in which everyone can supposedly situate herself, and the local, the foreign, the outside, the condition that, in reality, only some people, those branded ‘ others ’ (are made to) inhabit “ . 33 Mit anderen Worten scheinen im deutschsprachigen Raum ‚ race ‘ und Ethnizität als Differenzkategorien immer nur Nicht-Weißen zugesprochen zu werden. Während Schwarze Körper auf der Bühne im Prozess der Bedeutungszuschreibung in der Aufführungsanalyse als Schwarz markiert werden, bleibt dahingegen die Weißheit der Markierenden/ Analysierenden im Zuschauerraum in den meisten Fällen unmarkiert bzw. unreflektiert. Genau dies probiert der Theaterwissenschaftler Ulf Otto in seiner Analyse der Aufführung Mittelreich von Anta Helena Recke im Sammelband Ästhetiken der Intervention (2022) zu verändern, indem er nicht nur beschreibt, ‚ was ‘ er auf der Bühne sieht, sondern auch ‚ wie ‘ er sieht und was er glaubt zu sehen. Seine Aufführungsanalyse reflektiert seine eigene weiße Positionalität im Wahrnehmungsprozess mit. 34 Dass sich die Inszenierung Mittelreich dafür besonders gut eignet, macht Otto ebenfalls deutlich: Weil mit dem Auftritt des Schwarzen Ensembles in Mittelreich auch die gesamte ästhetische Ordnung des Theaters, „ genauer gesagt, der Rassismus, der dieser Ordnung innewohnt “ 35 , mit auf der Bühne steht, können auch weiße Zuschauer*innen (und damit auch weiße Theaterwissenschaftler*innen) den Raum als weißen Raum erleben. Und damit auch sich selbst als das, was Kalu „ implizites Publikum “ nennt. Schließlich wird in den meisten Stadttheatern von einem mehrheitlich weißen Publi- 209 Ist die deutsche Theaterwissenschaft (post)kolonial? kum ausgegangen, für deren Sehgewohnheiten Theaterproduktionen geplant und konzipiert werden. Worauf Kalu sowie Otto in ihren Überlegungen zu einer neuen Aufführungsanalyse, in der Critical Race Theory sowie Selbstpositionierung eine größere Rolle spielen, hinweisen, sind also die Machtdynamiken im Sehen und Wahrnehmen, für die nicht nur Kategorien wie Gender eine Rolle spielen - wie im Male Gaze zum Beispiel - , sondern eben auch die Differenzkategorie ‚ race ‘ . 5. Schlussbemerkungen: Für eine epistemologisch gerechte Theaterwissenschaft! Sruti Bala stellt in ihrem Beitrag „ Dekolonisierung der Theaterwissenschaft und Performance Studies “ die Frage „ How can you see an absence when you don ’ t know there is a presence? “ 36 , wobei sie sich auf Faedra Chatard Carpenter und Cherrie Moraga bezieht. Sruti Bala stellt diese Frage in Bezug auf den akademischen Kanon und den darin zum Ausdruck kommenden Kanon der europäischen Theaterwissenschaft. Anhand ihrer eigenen Lehre macht sie deutlich, wie wichtig es ist, sich selbst hartnäckig darin zu trainieren, die Arten und Weisen, in denen epistemische Privilegien in unserer Fachgeschichte verankert sind, zu erkennen und herauszufordern. Es geht um das Erlernen von anderen Bedingungen der Wissensbildung und -produktion. 37 Im konkreten Fall des deutschen Diskurses müssen wir immer wieder auf marginalisierte Denker*innen und Theoretiker*innen verweisen, die als Randfiguren des akademischen Diskurses auftauchen oder zu Aktivist*innen reduziert werden. Wie wichtig die Arbeit von Bühnenwatch oder der Initiative für Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) für den theaterwissenschaftlichen Diskurs zu Rassismus oder rassistischen Theaterpraktiken ist, macht erneut Simone Dede Ayivi im Band deutlich: Es ist wichtig festzuhalten, dass die Auseinandersetzungen um Rassismus im Theater nicht von außen, von irgendwelchen Aktivist*innen ausgetragen werden, die den Betrieb nicht kennen, sondern von Menschen innerhalb des Betriebs oder der Kulturszene. Von Kolleg*innen und Publikum. 38 Für eine postkoloniale/ dekoloniale Theaterwissenschaft muss unserer Meinung nach auch die Überwindung eines kolonialen Vorsprungs bzw. weißer Privilegien auf der Ebene der Personalpolitik, der Zusammenstellung der Studierendenschaft, des Zugangs zu Bildung, Publikationsmöglichkeiten und Fördertöpfen vorangetrieben werden. Dies würde zum Beispiel bedeuten, institutionelle und strukturelle Veränderungen hinsichtlich des Forschungs- und Lehrpersonals vorzunehmen; eine Kanonkritik bzw. Kanonerweiterung durchzuführen, die die marginalisierten Stimmen und Geschichten bzw. die Formen der Wissensproduktion, die von den hegemonialen Wissensformen bisher ausgegrenzt wurden, in die Curricula miteinbezieht; sowie eine kritische Revision und Transformation unserer etablierten Begrifflichkeiten, Kategorien und Methoden anzugehen. In der simplen Hinzufügung von postkolonialen und dekolonialen Themen, Texten und Theaterstücken zu den existierenden Lehrplänen und Forschungsanträgen, liegt die Gefahr des derzeitigen Trends, alles dekolonisieren zu wollen, oder überhaupt anzunehmen, alles dekolonisieren zu ‚ können ‘ . Dies muss vielmehr von einem tieferen Verständnis davon begleitet werden, inwiefern unsere Konzepte und Kategorien von Kritik, mit denen wir diesen Themen, Texten und Theaterstücken begegnen, von Kolonialexpansion und der sie begleitenden Erzählungen von Aufklärung, linearer Geschichtsentwicklung, binären 210 Azadeh Sharifi/ Lisa Skwirblies Oppositionen und Zivilisierungsdiskursen beeinflusst sind. Solange wir, die Theaterwissenschaftler*innen im sogenannten Globalen Norden, nicht das koloniale Erbe unserer Epistemologien kritisch befragen, reproduzieren wir die gewaltvollen Strukturen, die wir dekonstruieren wollen, unabhängig davon, wie viele postkoloniale/ dekoloniale Stücke wir in unsere Curricula aufnehmen. Die Soziologin Gurminder K. Bhambra nennt diese Anerkennung des Einflusses von Kolonial- und Sklavereigeschichte auf die Wissensproduktionen des Globalen Nordens „ epistemological justice “ , denn epistemologisches Un-recht, wie sie mit Blick auf die Tradition der kritischen Theorie der Frankfurter Schule schreibt, is more extensive than simply the substantive neglect of colonialism within the tradition; rather, I suggest that its categories of critique and their associate normative claims are also necessarily implicated by this neglect and need to be addressed. 39 Inspiriert von ihrem Konzept der epistemologischen Gerechtigkeit hieße dies, nach den Wurzeln epistemischer Gewalt in den Methoden der Theaterwissenschaft zu suchen, und zu fragen, inwiefern selbige die Lücken und Ausschlüsse innerhalb der Theaterwissenschaft hinsichtlich kolonialer Themen und marginalisierter/ rassifizierter Stimmen mitproduziert hat bzw. instand halten. Denn, wie bell hooks es so treffend formuliert, [it] requires vigilant awareness of the work we must continually do to undermine all the socialization that leads us to behave in ways that perpetuate domination. 40 Die größte Aufgabe einer postkolonialen/ dekolonialen Theaterwissenschaft liegt demnach in einem Aufräumen im eigenen Haus. Anmerkungen 1 Mit Dezentrierung verstehen wir den theoretisch-aktivistischen Versuch, die Ränder und Peripherien des Theaters und seiner Wissensgenerierung, also jene Theaterformen und Formate, ästhetische Erfahrungen und Wissensbestände, die durch Rassifizierung und Marginalisierung ausgelassen und übergangen wurden, mitzudenken. Dabei geht es uns darum, Denkräume für die Lücken in der Theatergeschichte aufzumachen, die durch kolonial-rassistische aber auch asyl- und migrationspolitische Regime verunmöglicht wurden. 2 Vgl. Joy Kristin Kalu, „ Das implizite Publikum. Ein Plädoyer für eine postkoloniale, rassismuskritische Aufführungsanalyse “ , in: Azadeh Sharifi / Lisa Skwirblies (Hg.), Theaterwissenschaft postkolonial/ deklonial. Eine kritische Bestandsaufnahme, Bielefeld 2022, S. 77 - 85. 3 Maria Do Mar Castro Varela, Nikita Dhawan, Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung, Bielefeld 2015, S. 24. 4 Ebd. 5 Wir verweisen generell auf die Diskussionen, die es rund um Blackface und rassistischer Sprache auf den deutschen Bühnen gab (siehe u. a. https: / / www.nachtkritik.de/ index.php? option=com_content&view=artic le&id=10271: in-sachen-blackfacing-zwische nruf-zu-einer-andauernden-debatte&catid= 101: debatte&Itemid=84) und die aktuellen Stadttheater-Projekte, die es rund um Dekolonisierung aktuell gibt (Thalia Theater Hamburg, Nationaltheater Mannheim etc.). Die notwendige Aufarbeitung, d. h. die Auseinandersetzung von Künstler*innen, Kulturpolitiker*innen und Künstlerischer Leitung mit eigenen diskursiven Positionierungen und der eigenen Verwobenheit hat bis heute nicht stattgefunden. 6 Sara Ahmed, „ The Nonperformativity of Antiracism “ , in: Meridians 7/ 1 (2006), S. 104 - 126. 7 Walter D. Mignolo / Arturo Escobar (Hg.), Globalization and the Decolonial Option, London 2010. 211 Ist die deutsche Theaterwissenschaft (post)kolonial? 8 Julia Wissert, Schwarz.Macht.Weiß, Diplomarbeit, Mozarteum 2014. 9 Ebd., S. 20. 10 Ebd., S. 27. 11 Vgl. Hanna Voss, „ Schauspieler/ innen zwischen Institution und Profession “ , in: Friedemann Kreuder / Ellen Koban / Hanna Voss (Hg.), Re/ produktionsmaschine Kunst. Kategorisierungen des Körpers in den Darstellenden Künsten, Bielefeld 2017, S. 117 - 132, hier S. 127 f. 12 Oliva Hyunsin Kim, Aidan Riebensahm, „ Von Bindestrichen, Intersektionen und Empowerment. Ein Plädoyer für ein stärkeres Bewusstsein von Zusammenhängen “ , in: Sharifi / Skwirblies (Hg.), Theaterwissenschaft postkolonial/ deklonial, S. 101 - 105. 13 Ebd., S. 102. 14 Karim Fereidooni, Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen im Schulwesen. Eine Studie zu Ungleichheitspraktiken im Berufskontext, Wiesbaden 2021; Iman Attia / Swantje Köbsell / Nivedita Prasad (Hg.), Dominanzkultur reloaded. Neue Texte zu gesellschaftlichen Machtverhältnissen und ihren Wechselwirkungen, Bielefeld 2015; Birte Klingler, Paul Mecheril, „ Rassismuskritik der Hochschule “ , in: Maritza Le Breton / Susanne Burren / Susanne Bachmann (Hg.), Differenzkritische Perspektiven auf Fachhochschulen und Universitäten: Analysen und Interventionen, Bielefeld 2023. 15 Maureen Maisha Eggers et al. (Hg.), Mythen, Masken und Subjekte: Kritische Weissseinsforschung in Deutschland, Münster 2009. 16 Ein bezeichnender Fall ist Ron Iyamu und seine Kritik am Schauspielhaus Düsseldorf. Hierfür siehe auch Ron Iyamu, „ We are watching you! Eine kurze Genealogie von Bühnenwatch “ , in: Sharifi / Skwirblies, Theaterwissenschaft postkolonial/ dekolonial, S. 281 - 287, hier S. 283 ff. 17 Hier möchte ich (Azadeh Sharifi) auf eine Anekdote in einem informellen Gespräch am Mousonturm im Jahr 2017 zurückgreifen, in dem mir der umgekehrte Fall geschildert wurde, der aber durch dieselben Gründe motiviert war. Eine bekannte Performerin, ebenfalls rassifiziert und ebenfalls ehemalige Studentin aus Gießen, verweigerte ausdrücklich, sich als Person of Color/ rassifizierte Person zu bezeichnen oder in ihrer künstlerischen Arbeit sichtbar zu machen, da sie weder in der Förderung noch Rezeption „ diesen “ Stempel erhalten möchte. 18 Kim, Riebensahm, „ Von Bindestrichen, Intersektionen und Empowerment “ , S. 102. 19 Simone Dede Ayivi, „ Internationalität vs. Interkultur. Eine Schwarze deutsche Kritik “ , in: Elisa Liepsch / Julian Warner (Hg.), Allianzen. Kritische Praxis an weißen Institutionen, Bielefeld 2018, S. 84 - 97, hier S. 87. 20 Kim, Riebensahm, „ Von Bindestrichen, Intersektionen und Empowerment “ , S. 102. 21 Simone Dede Ayivi, Aidan Riebensahm, „ Schwarzes Wissen, weiße Sehgewohnheit. Oder ‚ Ich würde mich auch mal über einen fundierten Verriss freuen ‘“ , in: Sharifi / Skwirblies, Theaterwissenschaft postkolonial/ dekolonial, S. 89 - 93. 22 Ebd., S. 92. 23 Ebd., S. 91. 24 Ebd. 25 Hier sei auf das Projekt Deutsches Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music (2020) von Joana Tischkau, Anta Helena Recke, Elisabeth Hampe und Frieder Blume verwiesen, das die Geschichte Schwarzer Menschen in Popkultur und Unterhaltung aufarbeitet, http: / / www.dmsubm.de [Zugriff am 17. 8. 23]. 26 Priscilla Layne, White Rebels in Black: German Appropriation of Black Popular Culture. Ann Arbor 2018; Priscilla Layne, „ Space is the Place: Afrofuturism in Olivia Wenzel ’ s Mais in Deutschland und anderen Galaxien (2015) “ , in: German Life and Letters 71/ 4 (2018), S. 511 - 528. 27 Siehe auch https: / / diversityingermancurricu lum.weebly.com/ [Zugriff am 17. 8. 23]. 28 Kalu, „ Das implizite Publikum “ , S. 80. 29 Ebd., S. 81. 30 Ebd., S. 82. 31 Ebd. 32 Ebd. 33 Rey Chow, The Protestant Ethnic and the Spirit of Capitalism. Columbia University Press 2002, S. 17. 34 Vgl. Ulf Otto, „ Die Kunst der Umbesetzung. Intervention als Artikulation in Mittelreich 212 Azadeh Sharifi/ Lisa Skwirblies (2017) “ , in: Ulf Otto / Johanna Zorn (Hg.): Ästhetiken der Intervention. Ein- und Übergriffe im Regime des Theaters, Berlin 2022, S. 202 - 223. 35 Ebd., S. 208. 36 Sruti Bala, „ Dekolonisierung der Theaterwissenschaft und Performance Studies “ , in: Sharifi / Skwirblies, Theaterwissenschaft postkolonial/ dekolonial, S. 61 - 76, hier S. 68. 37 Ebd., S. 69 f. 38 Simone Dede Ayivi, Tahir Della, Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD), „ Die Rolle Schwarzer Organisationen für postkoloniale/ dekoloniale Diskurse im Theater “ , in: Sharifi / Skwirblies, Theaterwissenschaft postkolonial/ dekolonial, S. 197 - 202, hier S. 197. 39 Gurminder K. Bhambra, „ Decolonizing Critical Theory? Epistemological Justice, Progress, Reparations “ , in: Critical Times 4/ 1 (2021), S. 73 - 89, hier S. 74. 40 bell hooks, Teaching Community. A Pedagogy of Hope, London 2003, S. 36. 213 Ist die deutsche Theaterwissenschaft (post)kolonial?
