eJournals Forum Modernes Theater 35/1-2

Forum Modernes Theater
fmth
0930-5874
Narr Verlag Tübingen
10.24053/FMTh-2024-0011
0120
2025
351-2 Balme

Die Frauenbewegung in Kulturbild und Sozialdrama. Inszenierungen der Teilhabe kurz vor 1900

0120
2025
Friederike Oberkrome
Lotte Schüßler
Der nachfolgende Aufsatz stellt zwei theatrale Ereignisse der Frauenbewegung des Deutschen Kaiserreichs gegenüber: Marie Haushofers Culturbilder aus dem Frauenleben, uraufgeführt 1899 als Abschluss des ersten Allgemeinen Bayerischen Frauentags in München, und Hans Hochfeldts Drama Der Kampf der Frau, das 1896 aus Anlass des Internationalen Kongresses für Frauenwerke und Frauenbestrebungen in Berlin gezeigt wurde. Beide Inszenierungen thematisierten die Chancen und Schwierigkeiten arbeitender Frauen in Deutschland, wobei deren Teilhabe am öffentlichen Leben und insbesondere an der Arbeitswelt in verschiedenen Genres und im Spiel mit Genres verhandelt wurde. Während die Culturbilder eine ermächtigende, beinah utopische Botschaft übermittelten, zeichneten die präzisen Gesellschaftsanalysen des „sozialen Schauspiels“ Der Kampf der Frau ein tendenziell auswegloses Bild der Situation arbeitender Frauen kurz vor der Jahrhundertwende. Auf je spezifische Weise leisteten beide jedoch einen wichtigen Beitrag zur Bewegung, indem sie Identifikationspotentiale boten, aktivistische Ideen artikulierten und in Ergänzung der Kongressprogramme als gemeinschaftsstiftende Ereignisse fungierten.
fmth351-20145
Die Frauenbewegung in Kulturbild und Sozialdrama. Inszenierungen der Teilhabe kurz vor 1900 Friederike Oberkrome, Lotte Schüßler (Berlin) Der nachfolgende Aufsatz stellt zwei theatrale Ereignisse der Frauenbewegung des Deutschen Kaiserreichs gegenüber: Marie Haushofers Culturbilder aus dem Frauenleben, uraufgeführt 1899 als Abschluss des ersten Allgemeinen Bayerischen Frauentags in München, und Hans Hochfeldts Drama Der Kampf der Frau, das 1896 aus Anlass des Internationalen Kongresses für Frauenwerke und Frauenbestrebungen in Berlin gezeigt wurde. Beide Inszenierungen thematisierten die Chancen und Schwierigkeiten arbeitender Frauen in Deutschland, wobei deren Teilhabe am öffentlichen Leben und insbesondere an der Arbeitswelt in verschiedenen Genres und im Spiel mit Genres verhandelt wurde. Während die Culturbilder eine ermächtigende, beinah utopische Botschaft übermittelten, zeichneten die präzisen Gesellschaftsanalysen des „ sozialen Schauspiels “ Der Kampf der Frau ein tendenziell auswegloses Bild der Situation arbeitender Frauen kurz vor der Jahrhundertwende. Auf je spezifische Weise leisteten beide jedoch einen wichtigen Beitrag zur Bewegung, indem sie Identifikationspotentiale boten, aktivistische Ideen artikulierten und in Ergänzung der Kongressprogramme als gemeinschaftsstiftende Ereignisse fungierten. Kurz vor der Jahrhundertwende war die Frauenbewegung in Deutschland flächendeckend aktiv und gut vernetzt. Diese Errungenschaft ließ sich Mitte des 19. Jahrhunderts noch nicht absehen. Auf die Revolution von 1848, mit der sich Hoffnungen auf eine soziale und rechtliche Gleichstellung der Frauen verbanden, folgte zunächst eine Phase der Regression, die sich bis in die 1880er Jahre erstreckte und diese Hoffnungen enttäuschte. Dennoch gab es auch zu dieser Zeit vielfältige Bemühungen der Vernetzung und des Engagements in der sogenannten Frauenfrage, beispielsweise in Form lokal verankerter Frauenvereine, die gegründet, oder politischer Petitionen, die veröffentlicht wurden - Bemühungen, die im letzten Jahrzehnt vor der Jahrhundertwende zunehmend Unterstützung und Zuspruch fanden. 1 Gemeinsamer Ausgangspunkt dieser zahlreichen Aktivitäten war der 1865 im Rahmen einer Frauenkonferenz in Leipzig gegründete Allgemeine Deutsche Frauenverein, in dem sich unter der Leitung von Louise Otto-Peters und Auguste Schmidt Akteur*innen der Revolution organisierten. Auf die Fahnen schrieben sie sich Selbstbestimmung und Teilhabe: „ die erhöhte Bildung des weiblichen Geschlechts und die Befreiung der weiblichen Arbeit von allen ihrer Entfaltung entgegenstehenden Hindernissen “ . 2 Was heute noch als Geburtsstunde der deutschen Frauenbewegung gilt, trug Früchte bis in die 1890er Jahre hinein. 1894 schlossen sich die bis dahin eher lokal und regional agierenden Vereine zum Bund Deutscher Frauenvereine (BDF) zusammen, um einander und die gemeinsame Sache zu stärken - ein von Erfolg gekröntes Vorhaben, wie sich zeigen sollte. Zählte der als Dachverband über 130 Vereine verbindende BDF zu Beginn des neuen Jahrhunderts noch etwa 70.000 Mitglieder, hatte sich die Anzahl 1912 bereits mehr als vervierfacht: Mit rund 330.000 Mitgliedern Forum Modernes Theater, 35/ 1-2, 145 - 159. Gunter Narr Verlag Tübingen DOI 10.24053/ FMTh-2024-0011 war er nun zu einem öffentlichkeits- und gesellschaftspolitisch wirksamen Faktor geworden. 3 Während dieser Etablierungsphase der Frauenbewegung beförderten gerade Kongresse die Vernetzung und inhaltliche Verständigung von Vereinen und Aktivist*innen. Seit dem World ’ s Congress of Representative Women 1893 in Chicago auch international ausgerichtet, dienten sie dazu, der Bewegung in der Öffentlichkeit Anerkennung und Aufmerksamkeit für ihre Themen zu verschaffen. 4 Im Kontext solcher Kongresse, so zeigen wir in diesem Aufsatz, waren auch Theateraufführungen zentral für die politische Artikulation der Frauenbewegung. Als Teil des offiziellen Kongressprogramms oder in eher loser Verbindung dazu griffen Aufführungen wichtige Anliegen der Bewegung auf. Gegenstand unserer Analysen sind zwei Inszenierungen, die die Arbeitschancen und -schwierigkeiten von Frauen im Deutschland der Jahrhundertwende auf unterschiedliche Weise thematisierten: das Drama Der Kampf der Frau. Sociales Schauspiel in vier Akten und einem Vorspiel von Hans Hochfeldt, das 1896 am Stadttheater in Zürich uraufgeführt und aus Anlass des Internationalen Kongresses für Frauenwerke und Frauenbestrebungen im September des Jahres am Berliner Neuen Theater erneut gespielt wurde; sowie kontrastierend hierzu Marie Haushofers Culturbilder aus dem Frauenleben. Zwölf Gruppendarstellungen, die in der Regie von Sophia Goudstikker im Oktober 1899 als krönender Abschluss des ersten Allgemeinen Bayerischen Frauentags in München gezeigt wurden. In der vergleichenden Analyse wird deutlich, dass beide Inszenierungen Themen verhandelten, die im Zentrum der Bewegung standen: etwa die rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern, der gleichberechtigte Zugang zu Bildung für Jungen und Mädchen und das Abschaffen von Barrieren, die Frauen außerhalb der Erwerbstätigkeit hielten. 5 Im Rückgriff auf und im Spiel mit unterschiedlichen Genres setzten die Inszenierungen Formen der Teilhabe von Frauen am öffentlichen Leben und insbesondere an der Arbeitswelt in Szene, die historische und zeitgenössische gesellschaftliche Zustände kritisierten und zugleich Zukunftsperspektiven entwarfen. Insofern lassen sich beide Beispiele als ebenso selbstbeobachtende wie aktivistische Beiträge im Rahmen von Frauenkongressen betrachten, die neben dem Vortrags- und Diskussionsprogramm eine eigene, künstlerische Stellungnahme zur Thematik der Teilhabe einbrachten. Als gemeinschaftsstiftende Ereignisse boten Theateraufführungen Identifikationspotentiale für Einzelschicksale ebenso wie für bestimmte Gruppen. Zugleich erzeugten sie einen Raum, in dem politische Ideen auf künstlerische Weise artikuliert werden konnten. An die Teilnehmer*innen der Kongresse gerichtet und zugleich offen für ein breiteres Publikum, unterstützten theaterkünstlerische Formen also die Anliegen der Frauenbewegung und leisteten so einen entscheidenden Beitrag hierzu. 6 Frauenkongresse, so ließe sich sagen, konnten eine politische Wirksamkeit entfalten - und dabei durchaus tanzen. 7 Der Kampf der Frau in Berlin 1896 Die Berliner Aufführung von Der Kampf der Frau war prominent angekündigt worden. Keine andere als die Schauspielerin und Frauenrechtlerin Marie Stritt bewarb sie in der Zeitschrift Die Frauenbewegung verheißend: Der Schriftsteller vermöge es, die dringenden politischen Anliegen „ in durchaus würdiger Weise, mit vollem Verständnis, sittlichem Ernst und erschütternder Lebenswahrheit “ 8 zu behandeln. Über diesen verständnisvollen Mann namens Hans Dreger (1856 - 1911), der unter dem Pseudonym 146 Friederike Oberkrome / Lotte Schüßler Hans Hochfeldt seit 1895 Schauspiele verfasste, ist wenig bekannt, außer, dass er dies neben seiner Offizierstätigkeit tat. 9 Unter der Regie von Siegmund Lautenburg war dann auch die Berliner Inszenierung in männlicher Hand. Der Internationale Kongress für Frauenwerke und Frauenbestrebungen, der vom 19. bis 26. September 1896 in der Hauptstadt tagte, stand freilich unter weiblicher Organisation und Leitung, wobei unter den Teilnehmenden auch Männer waren. Eine Woche lang tauschten sich die rund 1.700 Teilnehmenden, darunter viele Gäste aus dem europäischen Ausland und den USA, 10 über den Stand der internationalen Bewegung und ihre Arbeitsfelder aus. Die schulische und die Berufsausbildung, das Studium an Universitäten und Kunstakademien sowie die Arbeitsmöglichkeiten und -bedingungen von Frauen nahmen dementsprechend einen Großteil des Programms ein. Tagungsort war der Festsaal des Berliner Rathauses, 11 sodass die Teilnehmer*innen in etwa einer halben Fußstunde Entfernung im Neuen Theater (dem heutigen Theater am Schiffbauerdamm) eine szenische Auseinandersetzung mit den Kongressthemen erleben konnten. Beim titelgebenden Kampf, dem die Kongressteilnehmer*innen beiwohnen konnten, handelte es sich um das Schicksal der drei Schwestern Breitenfeld (Abb. 1). Nach dem frühzeitigen Tod ihres Vaters finden sich die reflektierte, selbstbewusste Paula, die zarte Toni und die künstlerisch begabte Doris auf sich allein gestellt in einer ärmlichen Wohnung in Berlin wieder. Aufgewachsen in einem vornehmen bürgerlichen Haushalt, wo Frauen allein für repräsentative Tätigkeiten wie Hofieren, Musizieren oder Konversation ausgebildet werden, sind die drei darauf angewiesen, auf dem überfüllten Arbeitsmarkt ohne berufliche Ausbildung eine Anstellung zu finden, die ihnen das Überleben sichert. Paula bekommt eine Stelle als Schreibkraft in einer Anwaltskanzlei, Toni arbeitet in einem Blumengeschäft, wo sie von der kalten Zugluft jedoch bald krank wird und kündigen muss. Doris ist länger auf Arbeitssuche und nimmt schließlich ein Engagement als Sängerin an einer Unterhaltungsbühne an. All diese Tätigkeiten und öffentlichen Räume sind auf der Bühne allerdings nicht zu sehen. Die Handlung spielt sich hauptsächlich in der Einzimmerwohnung der drei Schwestern ab, vermittelt durch deren intensive Dialoge miteinander. Während die Kongressteilnehmer*innen sich mit ihren Themen gezielt an die Öffentlichkeit wandten, wurde der Kampf der Frau um gesellschaftliche Anerkennung und Teil- Abb. 1: Titelblatt des Dramas Der Kampf der Frau von Hans Hochfeldt. Nachweis: Hans Hochfeldt, Der Kampf der Frau. Sociales Schauspiel in vier Akten und einem Vorspiel Zürich, 1896. 147 Die Frauenbewegung in Kulturbild und Sozialdrama. Inszenierungen der Teilhabe kurz vor 1900 habe hier im Privaten geschildert, stattfindend in einem Innenraum als demjenigen Ort, der Frauen üblicherweise zugewiesen war. 12 Hin und Her gerissen sind die drei außerdem zwischen der Notwendigkeit, eine Anstellung finden zu müssen und einem verbleibenden standesgemäßen Stolz, der ihnen bestimmte Tätigkeiten versagt. Dies wird von ihrem alten Umfeld und gesellschaftlichen Konventionen noch torpediert: Ihr Bruder Albrecht bricht aus Scham für seine Schwestern den Kontakt ab. Der andere Bruder Günther, der mit seinen Schwestern stets solidarisch bleibt, muss seine Karriere beim Militär aufgeben, weil Doris einer verrufenen Tätigkeit nachgeht. Besonders Paula kennt die Diskurse der Frauenbewegung und weiß, deren Forderungen nach gleichen Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten informiert und selbstbewusst zu verteidigen. Doch für die anderen beiden bleibt als einziger Ausweg aus ihrer Situation die Hoffnung auf eine Ehe mit einem finanziell gut gestellten Mann. Toni kann darauf hoffen, ihren Verlobten, einen Amtsrichter, zu heiraten. Nachdem Doris entlassen wird, weil sie sich die sexuellen Belästigungen des Kapellmeisters nicht gefallen lassen will, stimmt sie überstürzt der Verlobung mit einem aufdringlichen Baron zu. Als die kranke Toni von Doris ’ Weggehen erfährt, stirbt sie. Im titelgebenden „ Kampf der Frau “ sind somit zwei der drei Schwestern unterlegen: Toni körperlich und Doris, weil sie sich in das Modell der Versorgerehe und damit der patriarchalen Fremdbestimmung einfügt. Zugleich wird der heteronormativ geprägten romantischen Zweierbeziehung ein weit geringerer Stellenwert eingeräumt als der Schwesternliebe. Von dieser bestärkt, kämpft Paula trotz der erbärmlichen Situation am Ende weiter und schwört am Totenbett der Schwester entschlossen-optimistisch: „ Mit aller Kraft meines Seins und Könnens will ich eintreten in den heiligen Kampf um die Rechte unseres Geschlechtes! [. . .] Der Kampf wird schwer sein, aber der endliche Sieg ist gewiß! “ 13 Der Kampf der Frau entfaltet ein schonungsloses Bild der Situation von Frauen, die auf Erwerbsarbeit angewiesen sind. Die Teilhabe an öffentlichen Diskursen, Aspekte der Selbstverwirklichung, Aufstiegs- oder Ausdrucksmöglichkeiten stehen bei diesem Kampf nur an zweiter Stelle; zuvorderst steht das blanke Überleben. Erzählt vornehmlich aus der Perspektive der drei wohlhabend aufgewachsenen Schwestern Breitenfeld, die für die Miete zumindest ihren eleganten Nähtisch und das Pianino verkaufen können, zeigt das Drama zugleich Gespür für die Arbeiter*innenklasse, deren Situation ungleich auswegloser ist. So wird die Geschichte der Schwestern flankiert durch das Schicksal ihrer berlinernden Wirtin, die mit mehreren prekären Anstellungen vier Kinder und den alkoholabhängigen, gewalttätigen Ehemann durchbringen muss, und durch die Lebensumstände ihrer Tochter Rike, die als Jugendliche bereits in einer Fabrik arbeitet. Außerdem informiert das Drama über konkrete Gesetzeslagen im Deutschen Kaiserreich, die arbeitenden Frauen Hindernisse in den Weg stellten. So erfährt man im Gespräch zwischen der Wirtin und Paula, dass Ehefrauen all ihre Verdienste an den Mann abgeben mussten: „ Ich darf mit das Jeld, was ich mir mühsam erwerbe, nich ’ mal meine eigenen Kinder satt machen, und wenn sie vor meine leiblichen Augen verhungern. “ 14 Toni erinnert daran, dass Frauen in Deutschland nicht studieren dürfen. 15 Und über Geschlechterverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt lernt man, dass im gesamten Kaiserreich eine Million mehr Frauen als Männer auf eine Arbeitsstelle angewiesen waren, während ihnen aufgrund der diskriminierenden Gesetzeslagen ungleich weniger Berufe überhaupt offenstanden. 16 148 Friederike Oberkrome / Lotte Schüßler Wie die Geschichte der drei Schwestern in Zürich und Berlin im Jahr 1896 in Szene gesetzt wurde, darauf liefern die Rezensionen kaum Hinweise. 17 Dass die Aufführungen sich weitestgehend an die detailliert ausfallenden Regieanweisungen gehalten haben mögen, legt allerdings das Genre des sozialen Schauspiels bzw. sozialen Dramas selbst nahe. Dieses Genre, dem sich Der Kampf der Frau im Untertitel selbst explizit zuordnet, unternimmt den Versuch, allgemeine politisch-ökonomische Zustände anhand exemplarischer zwischenmenschlicher Konfliktsituationen zu spiegeln. 18 Den Lebensbedingungen von marginalisierten gesellschaftlichen Gruppen widmet es sich dazu aus dezidiert subjektiven Perspektiven. Von einer möglichst präzisen Analyse der sozialen Wirklichkeiten ausgehend, stellen die naturalistischen Stücke Menschen häufig als von biologischen und sozialen Bedingungen determiniert dar und schrecken auch vor Darstellungen brutaler, tendenziell auswegloser Lebensrealitäten nicht zurück. In formalästhetischer Hinsicht löst sich dies häufig in detaillierten Figurenbeschreibungen, Regieanweisungen und sprachlichen Ausgestaltungen wie dem dialektalen Sprechen ein. 19 In Der Kampf der Frau sind solche Merkmale bereits im Personenverzeichnis auffindbar, das die äußerlichen Erscheinungen und Charaktereigenschaften der Hauptfiguren genau beschreibt. 20 Man erfährt das Alter aller Personen, dass Paula „ edle[r], charaktervolle[r], ernste[r] Natur “ ist, Toni eine „ zarte, vornehme Erscheinung “ , Doris „ sehr gewandt, lebhaft, von übermütigem, lebenslustigem Charakter, heißblütig, temperamentvoll “ . 21 Auch das Berliner Zimmer als Haupthandlungsort ist in seiner Schlichtheit so ausführlich beschrieben, dass es einem buchstäblich vor Augen erscheint. 22 Insofern mag der Dramentext, der uns als hauptsächliche Quelle zur Verfügung steht, den auf den Züricher und Berliner Bühnen erzählten Kampf auf Ebene der Handlung und der hierauf in naturalistischer Manier bezogenen gestalterischen Mittel vergleichsweise zuverlässig widerzuspiegeln. Wovon die uns vorliegenden Rezensionen wiederum deutlich zeugen, das ist die Wirkung, die die Aufführungen auf das Publikum hatten. Die Besprechungen der Züricher Premiere dokumentieren eine „ wahrhaft begeisterte Aufnahme “ , 23 tosenden „ Beifallssturm “ . 24 Auch wurde, wie die Schweizer Haus-Zeitung berichtet, zur Reflexion über eigene Haltungen und nationale Unterschiede angeregt. So belauschte der*die Rezensent*in das Gespräch zwischen Besucher*innen, die betroffen feststellten, dass die Gesetzeslagen in der Schweiz für Frauen nicht besser ausfallen. 25 Für die Berliner Premiere dokumentiert das Berliner Tageblatt ebenfalls „ feurigste[] Kampfesstimmung “ im vom Frauenkongress abgewanderten Publikum. Allerdings moniert Fritz Engel das weitestgehend negative Männerbild und beurteilt die Geschichte als erfundene, übertriebene Darstellung von Einzelschicksalen. 26 Der Kritiker fühlte sich wohl persönlich angegriffen. Anderer Meinung war hier die Frauenrechtlerin Marie Stritt. Für sie waren es vielmehr „ typische Gestalten, typische Schicksale, denen wir unzähligemale begegnet sind “ . 27 Ihre wärmste Empfehlung des Aufführungsbesuchs - den Kongressteilnehmer*innen legte sie „ vollzähliges Erscheinen “ nahe - 28 scheint angekommen zu sein: Der beleidigte Kritiker Engel zählte bei der von ihm besuchten Aufführung 400 Zuschauer*innen, darunter deutlich überwiegend die kämpferisch gestimmten „ Damen “ . 29 Culturbilder aus dem Leben der Frau in München 1899 Ebensolche Damen dürften auch zum Publikum von Marie Haushofers Festspiel Cultur- 149 Die Frauenbewegung in Kulturbild und Sozialdrama. Inszenierungen der Teilhabe kurz vor 1900 bilder aus dem Frauenleben gezählt haben, das als krönender Abschluss des ersten Bayrischen Frauentags uraufgeführt wurde, der vom 18. bis 21. Oktober 1899 in München stattfand. Geleitet wurde dieser Kongress von Ika Freudenberg, die nicht nur Vorstandsmitglied des BDF, sondern auch Gründungsmitglied des Münchner Vereins für Fraueninteressen war, der den Kongress ausrichtete. 30 Bevor die Culturbilder am letzten Abend zur Aufführung kamen, hörten die mehr als 50 Frauen, die aus 14 bayerischen Städten angereist waren, vier Tage lang Beiträge zu ganz unterschiedlichen Themen, die die damalige Frauenbewegung beschäftigten. Auf dem Programm standen Vorträge zu Bildungschancen, Arbeitsbedingungen und konkreten Tätigkeiten von Frauen, wobei Hauptaugenmerke auf dem Gastwirtschaftsgewerbe, Pflegeberufen sowie auf dem pädagogischen Bereich lagen. 31 Die gesellschaftliche Rolle der Frau und die Bedeutung von Arbeit und Bildung für ihre Emanzipation standen auch im Zentrum des Festspiels, das eigens aus Anlass des Kongresses geschrieben wurde. Genretypisch für das Festspiel zeigen die Culturbilder aus dem Frauenleben in Form eines allegorischen Bilderbogens Szenen aus unterschiedlichen Epochen der Menschheitsgeschichte, die die ungesehenen oder marginalisierten Leistungen von Frauen sichtbar machen und würdigen. 32 Dass die szenische Umsetzung des Stücks von bekannten Akteur: innen der Münchner Frauenbewegung getragen wurde, erscheint insofern nur konsequent: Die Regie übernahm die Schauspielerin und Fotografin Sophia Goudstik- Abb. 2: Klio und Mutter Erde aus Culturbilder aus dem Leben der Frau (R: Sophia Goudstikker). Nachweis: Stadtarchiv München, DE-1992-FS-ALB- 139 - 01. Abb. 3: Das Volk der Amazonen aus Culturbilder aus dem Leben der Frau (R: Sophia Goudstikker). Nachweis: Stadtarchiv München, DE-1992-FS-ALB- 139 - 03. 150 Friederike Oberkrome / Lotte Schüßler ker, die selbst auch auf der Bühne stand. 33 Auf nachträglich entstandenen Studiofotografien sind, neben der Autorin Marie Haushofer selbst, ihre Stiefmutter, die Schriftstellerin Emma Haushofer-Merk, und ihre Schwägerin Martha Haushofer zu sehen, außerdem Therese Schmidt sowie Hedwig und Katia Pringsheim. Alle von ihnen waren entweder aktiver Teil oder standen zumindest den Zielen des Münchner Vereins für Fraueninteressen nahe, dessen Mitglieder größtenteils aus künstlerisch-literarischen Kreisen des Münchner Bildungsbürgertums stammten. 34 Ob sie alle auch in der Aufführung mitgewirkt haben, muss allerdings fraglich bleiben. Für die erst acht Tage später entstandenen Fotografien, produziert im Fotoatelier Elvira, 35 engagierte Goudstikker nämlich auch Verbündete aus ihrem Freund*innen- und Bekanntenkreis, die vermutlich nicht auf der Bühne zu sehen waren. 36 Die Fotografien veranschaulichen also nicht nur die Gestaltung der Inszenierung, sondern setzen auch namhafte Akteur*innen der Münchner Frauenbewegung in Szene und dokumentieren deren politisches Engagement. Auch das Schauspiel selbst lässt vielfältige Bezüge auf Themen und Anliegen der Bewegung erkennen - allein schon dadurch, dass es seinen Ausgang in der jahrtausendelangen Unterdrückungsgeschichte von Frauen nimmt, wie bereits die Eröffnungsszene verdeutlicht. Das ausgehende 19. Jahrhundert vor Augen, wirft die von Sophia Goudstikker gespielte Klio darin einen Blick zurück in die Vergangenheit, der vor allem die geistigen Errungenschaften der Menschheitsgeschichte beleuchten soll. 37 Hierbei stößt die Muse der Geschichtsschreibung allerdings auf eine klaffende Lücke in den Geschichtsbüchern: Doch was auch Großes hier mein Griffel zeigt/ eins ist, von dem mir die Geschichte schweigt; / sie spricht von einer Menschheitshälfte nur - / und von der andern fehlt mir oft die Spur! / Es ist der Mann, der kämpft, erfindet/ der Mann ist ’ s, der den Staat gegründet / und fügte der Kulturwelt Bau; / Was that in all ’ der Zeit die Frau? 38 Eine Antwort geben die nun folgenden, durchgehend in Reimform abgefassten zwölf Bilder, die vor einem Abendhimmel in grüner, hügeliger Landschaft aufziehen und durch die Auswahl der Kostüme und Requisiten auf unterschiedliche historische Epochen rekurrieren. Kommentiert und historisch eingeordnet werden sie durch Dialoge zwischen Klio und Mutter Erde, die als Mittlerfiguren zwischen Bühne und Publikum erscheinen (Abb. 2). Das erste Gruppenbild rekurriert auf das biblische Gleichnis der törichten und der klugen Jungfrauen und verrät damit bereits die Programmatik des Festspiels: Frauen sollten wachsam und vorbereitet sein für nahende Veränderungen und tatkräftig ins Leben schreiten. Nach den Jungfrauen stürmen die Amazonen auf die Bühne, deren Anführerin das Publikum mit einer Art Schlachtruf adressiert und zum Freiheitskampf der Frauen aufruft (Abb. 3). Kontrastiert wird dies mit dem Aufritt der sogenannten „ Orientalinnen “ , die als versklavte Haremsfrauen nur „ Tand und Zier “ der Männer und dabei „ so gut wie stumm, verschüchtert, ungebildet, kindisch, dumm “ 39 seien - eine letztlich rassistische Projektion, die zugleich auch als zeitgenössische Kritik der westlich-bürgerlichen Ehefrau gehört werden konnte. 40 Hierauf folgen die heroischen „ Germaninnen “ , sodann die Benediktinerinnen, die als Symbol für die Christianisierung und den Austritt aus dem , dunklen Mittelalter ‘ erscheinen, das mit dem sich anschließenden Trauerzug für den Dichter Frauenlob noch einmal buchstäblich zu Grabe getragen wird. Die gebildeten Damen der Renaissance, die anschließend auftreten, befinden sich im feingeistigen Gespräch mit dem ebenso frauenverehren- 151 Die Frauenbewegung in Kulturbild und Sozialdrama. Inszenierungen der Teilhabe kurz vor 1900 den Dichter Ariost, angelegt als Feier der schönen Künste. Dass dies mit dem oftmals brutalen und elenden Leben damals wenig gemein hat, zeigt ein Blick in den Alltag einer Familie im Dreißigjährigen Krieg, wo Frauen ihre kriegsversehrten Männer pflegen und die Familie versorgen. Die folgende Szene bei Hofe kritisiert das Intrigantentum unter Rokoko-Frauen, auf die als Gegenentwurf die idealisierte Darstellung der preußischen Königin Luise folgt, die ihr Leben und das ihrer Kinder opferbereit dem Erhalt des Staats widmet. Als vorletztes Bild erscheinen zwei Krankenschwestern, die sich während der Befreiungskriege in ganz anderer Hinsicht aufopferungsvoll um Verwundete kümmern. Zum Schluss füllt sich die Bühne mit „ Frauen von heute “ , die nicht mehr nur duldsam sind, sondern in unterschiedlichen Berufen „ Geist und Hände regen “ : 41 Arbeiterinnen, Telefonistinnen, Buchhalterinnen, Lehrerinnen, Malerinnen, Doktorinnen und viele andere. Sie erscheinen zusammen mit dem Geist der Arbeit, der sich als verbindendes Element zwischen den einzelnen Epochen der Frauengeschichte vorstellt: Ich bin die Arbeit/ und ich führ ’ sie an/ die Fraun ’ von heut sowie den heut ’ gen Mann/ O glaubt nicht, dass ich in vergang ’ ner Zeit/ den Frauen fern gewesen sei! / Nur aus der häuslichen Verborgenheit/ trat selten ich in ’ s Leben, offen, frei. 42 Das historische Panorama endet mit einem Versprechen: All jenen, die sich geistig betätigen, die einen Blick für das Schöne kultivieren, die mit eigenen Händen erschaffen und dadurch „ etwas für das Ganze “ tun, zeige der Geist der Arbeit ein freundliches Gesicht, stehe ihnen bei und führe sie „ hinan zum Licht “ . 43 Wie zur gemeinsamen Einschwörung stimmen die auf der Bühne Versammelten schließlich das Chorlied „ Wach auf, es nahet gen den Tag! “ aus Richard Wagners Oper Die Meistersinger von Nürnberg an, dessen zitierte Anfangsworte wie ein Motto der Münchner Frauenbewegung rezipiert wurden. 44 Der überfüllte Saal im Katholischen Kasino quittierte die Aufführung mit tosendem Beifall, das Ensemble musste wiederholt zur Verbeugung erscheinen. 45 Diese heitere Stimmung trug sich in den weiteren Abend fort. Man hörte noch Gedichte und einige Chorstücke, anschließend wurde der Saal geräumt und der gesamte Kongress tanzte. 46 Ein Jahr später kamen die Culturbilder in Nürnberg zu einer weiteren Aufführung und 1902 wurden sie im Opernhaus Bayreuth gespielt, beides wieder äußerst erfolgreich. Man solle das Stück nach Möglichkeit überall spielen, hieß es damals. 47 Offenbar erkannte man darin ein besonderes Potential, die Anliegen und Ziele der Frauenbewegung einem breiten Publikum bekannt zu machen und neue Verbündete zu finden. Dieser zeitgenössische Erfolg hat möglicherweise auch mit der formalen Anlage des Stücks zu tun, in der sich unterschiedliche, damals populäre Genres miteinander verbinden. Dazu zählt zunächst das bereits im Titel referierte Kulturbild, das sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als eigenständiges literarisches Genre der Darstellung sozialer Wirklichkeit entwickelte. Noch in der Tradition historischer Romane stehend, aber auch freiere Textformen wie Reportage oder Erzählung nutzend, werden Kulturbilder meist zu Zeiten verfasst, in denen sich gesellschaftliche Umbrüche andeuten. Sie vermitteln einen Eindruck „ vom kulturellen Zustand einer Gesellschaft unter bestimmten historischen und geographischen Bedingungen “ 48 , bevor sich etwas Neues Bahn bricht. Kennzeichnend ist zudem eine Involviertheit der schreibenden Person, die sich meist in verknüpfenden, analysierenden oder kommentierenden Textpassagen zeigt. Diese subjektive Perspektive auf das Geschehen findet sich 152 Friederike Oberkrome / Lotte Schüßler auch in Marie Haushofers Culturbildern, nämlich in den Dialogen zwischen Klio und Mutter Erde, die die heraufziehenden Bilder einordnen und bisweilen kritisch kommentieren. Als solche Kommentarfiguren, die sich direkt an das Publikum richten, lassen sie zugleich an das Genre der Revue denken, bei der Conférenciers bzw. Conférencières durch das Programm aus unterschiedlichen aufeinanderfolgenden Nummern führten. 49 Darüber hinaus rekurriert das Stück auf die Form des Festspiels, das im krisengeprägten 19. Jahrhundert als gemeinschafts- und identitätsstiftendes theatrales Medium erneute Relevanz gewann. 50 Das Festspiel ist durch ein ganz ähnliches Spannungsverhältnis gekennzeichnet: Einerseits und vornehmlich dient es der Rückbesinnung auf Traditionen, der kulturellen Erinnerung und der historischen (Re-)Konstruktion von nationaler wie sozialer Gemeinschaft; andererseits wohnt ihm auch eine zukunftsweisende, Veränderung implizierende Dimension inne. 51 Beides lässt sich bei Haushofer wiederfinden. Denn zum einen rufen die Culturbilder die historischen Leistungen von Frauen und ihren Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung ins Gedächtnis, zum anderen legitimieren sie durch diese Darstellung den Emanzipationsanspruch, den die damalige Frauenbewegung sukzessive auszuformulieren begann. Dieser auf Zukunft und Veränderung hin ausgerichtete Impuls des Festspiels ist bemerkenswert. Anstatt die an der Aufführung Teilnehmenden in ihren vorhandenen Vorstellungen zu bestärken und dabei die geltenden Normen und Werte zu zelebrieren, wie üblich für das Genre, 52 werden etablierte Erzählungen über die gesellschaftliche Rolle der Frau herausgefordert und in Frage gestellt: Wenn Frauen einen ebenso großen Dienst an der Gesellschaft leisten wie Männer und eigenständig beruflichen Tätigkeiten nachgehen, müssen ihnen auch dieselben Rechte zugestanden werden. 53 Diesbezüglich erscheinen die Erzählfiguren Klio und Mutter Erde als hybride Vermittlungsinstanz zwischen den Zeiten und Genres. In ihren an das Publikum gerichteten Äußerungen deutet sich immer wieder eine frauenbewegte, zum Tätigwerden auffordernde Haltung an, mit der sich das im Saal des Katholischen Kasinos versammelte Kongresspublikum bestenfalls identifizieren, zumindest aber solidarisieren sollte. Inszenierungen der Teilhabe kurz vor 1900 Die verschiedenen Genres von Hans Hochfeldts Der Kampf der Frau und Marie Haushofers Culturbilder aus dem Leben der Frau brachten wiederum unterschiedliche Inszenierungsweisen mit sich, die auf je eigene Weise Anliegen der Frauenbewegung adressierten. Das soziale Schauspiel zeigt durch seine detaillierte Bühnengestaltung, besonders aber durch die Dialoge und mittels der Sprache selbst am zwar erfundenen, doch konkreten Beispiel der drei Schwestern ausführlich und „ realitätsnah “ im Sinne der Sozialdramatik, was der Kampf ums Überleben für Frauen im Kaiserreich bedeuten konnte. 54 Dieser detaillierte Zugriff auf die Lebenswirklichkeit ermöglichte es dem Autor nicht nur, milieubedingte Unterschiede, sondern auch intersektionale Verschränkungen von Geschlecht und Klasse zu thematisieren. Die Bildhaftigkeit und die eher abstrakte Form des Tableaus in den Culturbildern erlaubt es hingegen, überlieferte und imaginierte Szenen aus dreitausend Jahren Geschichte nebeneinander zu stellen und aus einer frauenemanzipatorischen, auf die Zukunft hin ausgerichteten Perspektive heraus zu betrachten. Während Der Kampf der Frau als soziales Schauspiel spezifische Milieubezüge auf- 153 Die Frauenbewegung in Kulturbild und Sozialdrama. Inszenierungen der Teilhabe kurz vor 1900 weist und analytisch-einfühlend vorgeht, entwerfen die Culturbilder als Festspiel mit Anleihen an die Revue eine vergemeinschaftende Perspektive auf Frauengeschichte, die gerade im Vergleich mit Hochfeldts Drama aber partikular bleibt. Denn sie handeln kaum von proletarischen Milieus, was sicher auch durch die gewisse Distanz zwischen bürgerlicher und proletarischer Gruppierung der damaligen Frauenbewegung zu erklären ist. 55 Darüber hinaus wird die Geschichte der Frau hier aus westlich-europäischer Sicht erzählt, was am Bild der orientalisierten Haremsfrauen besonders deutlich wird. Als reines Dekor und beherrschtes Eigentum ihres Mannes porträtiert, erscheinen sie als negative Projektionsfläche für die deutschen Ehefrauen. 56 Und auch die Wünsche nach einem anderen, befreiten Leben, die eine der Haremsfrauen artikuliert, werden in dieser Darstellung letztlich Freiheits- und Autonomievorstellungen nach westlichen Maßstäben zugerechnet. In diesem Bild scheint so ein Rassismus durch, der für die Frauenbewegung insgesamt durchaus charakteristisch war. 57 Das Kollektiv der Frauen, für das beide Inszenierungen Partei ergreifen, wird also nicht als eine homogene Einheit vorgestellt. Vielmehr stehen jeweils einzelne Individuen und subjektive Perspektiven im Fokus, die stets im Verhältnis zu gesellschaftlichen Konventionen betrachtet werden. Wenn die Inszenierungen auf klassenspezifische, kulturelle und ethnische Differenzen aufmerksam machen, die nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb der Gruppe der Frauen wirksame Ein- und Ausschlüsse produzieren, wird die Forderung nach gesellschaftlicher Teilhabe verkompliziert. Durch den Auftritt von Frauen aus unterschiedlichen Zeiten, Regionen und sozialen Milieus erscheint fraglich, für wen das zu erstreitende Recht auf Bildung eigentlich gilt, wen der emanzipatorische Anspruch der Stücke ein- und wen er ausschließt. Insofern lassen sich die besprochenen Inszenierungen nicht zuletzt als Aushandlungen von Zugehörigkeit begreifen - als Performances von ‚ belonging ‘ , die auf die vielfältigen Zugehörigkeiten verweisen, die die Frauenbewegung der Jahrhundertwende versammelte, und zugleich auf die Ausgrenzungen, die sie ebenso hervorbrachte. Der historische Kontext der Frauenkongresse mag suggerieren, es sei von vornherein klar, um welches politische Kollektivsubjekt es ginge, wer angesprochen und mitgemeint ist, wer sich zugehörig fühlen kann. Die in diesem Rahmen gezeigten Aufführungen lassen demgegenüber eine Heterogenität der Gruppe aufscheinen, die zumindest erahnen lässt, dass der Kampf um Teilhabe und Gleichberechtigung nicht losgelöst von der Frage geführt werden kann, wessen Anliegen gehört und vertreten werden sollen. Im Zentrum der Kongresse wie der Inszenierungen steht dennoch die Thematik der Teilhabe, welche die unterschiedlichen, im Falle von Haushofers Stück sogar hybriden Genres und die dazugehörigen Inszenierungsweisen verschiedentlich verhandeln. Die diesbezügliche Botschaft der Culturbilder ist eine ermächtigende, beinahe utopische: Frauen hatten im Verlauf der Geschichte erheblichen Anteil an gesellschaftlichen Entwicklungen. Auch wenn sie oftmals in eher dienenden, unterstützenden oder duldsamen Rollen agierten bzw. agieren mussten, bedeutet dies nicht, dass sie nichts geleistet hätten. Im Sinne des Festspiels ließe sich sagen: Frauen folgten immer schon dem „ Geist der Arbeit “ , indem sie kulturellen, intellektuellen und häuslichen Arbeiten nachgingen sowie Sorgearbeit verrichteten. Bildung erscheint als der sichere Weg zu Selbstständigkeit und Selbstbestimmung und somit zu einer auch sichtbaren gesellschaftlichen Teilhabe. Für die Schwestern in Der Kampf der Frau scheint Teilhabe durch Erwerbsarbeit, die damit verbundene ökonomische Selbstständigkeit oder gar eine 154 Friederike Oberkrome / Lotte Schüßler persönliche Selbstverwirklichung hingegen kaum erreichbar. Zu sehr sind sie allein für die Tätigkeiten als repräsentierende Ehefrau ausgebildet, zu diskriminierend ist die Gesetzeslage, die Frauen das Studium und bestimmte Arbeitsbereiche versagt. Doch gerade durch die derart drastische Thematisierung der gesellschaftlichen Konventionen und rechtlichen Grenzen versteht sich das Drama als deutlicher Appell für eine kritische Diskussion und schließlich Überwindung dieser Zustände. So ist es vor allem Zukunftsgewandtheit, die beide Inszenierungen teilen. Die bevorstehende Jahrhundertwende veranlasst in den Culturbildern zum Rückblick auf dreitausend Jahre Vergangenheit, doch gegen Ende blickt die Muse der Geschichtsschreibung auch in die Zukunft: Daß, bis zum nächsten kommenden Jahrtausend/ Der rasche Schritt der Zeit nicht sausend/ An Euch vorbei geht! Daß in hundert Jahren/ Die Welt das Beste von der Frau erfahren,/ Das fördert nun mit mir, ihr Frau ’ n von heut ’ ! 58 Und sogar das insgesamt realistisch-pessimistische Drama Der Kampf der Frau erlaubt es sich, bei aller scheinbaren Ausweglosigkeit einen kämpferischen Schwur zu leisten, der sich auf eine Zukunft bezieht, in der Frauen in einer gerechteren Gesellschaft leben. Aufführungen in das Programm von Frauenkongressen einzubinden, war also mehr und anderes, als „ das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden “ 59 , wie ein Zeitungsbericht zum bayerischen Frauentag über das Festspiel schrieb. Auch wenn die gesellschaftspolitische Wirkung dieser Kongresse sich nicht unmittelbar entfaltet haben mag, auch wenn ihre politische Sprengkraft entweder nicht gesehen werden wollte oder von vornherein verurteilt wurde, 60 konnten Der Kampf der Frau und die Culturbilder aus dem Leben der Frau, die im unmittelbaren Umfeld solcher Kongresse zur Aufführung kamen, die zahlreichen Anwesenden auf andersartige Weise über die Anliegen und Ziele der Frauenbewegung informieren, einer abstrakten politischen Idee in Dialogen und Szenen Ausdruck verleihen und ihr so zur Sichtbarkeit verhelfen. Sie boten den Frauen im Publikum eine Identifikationsfläche und gaben Zuspruch und Ermutigung zu weiterführendem Engagement. Anmerkungen 1 Vgl. Ute Gerhard, Frauenbewegung und Feminismus. Eine Geschichte seit 1789, München 2009, S. 53. 2 Louise Otto, Das Recht der Frauen auf Erwerb. Blicke auf das Frauenleben der Gegenwart, Hamburg 1866, S. 87. 3 Vgl. Gerhard, Frauenbewegung und Feminismus, S. 65. 4 Vgl. etwa: Kerstin Wolff / Anja Schüler (Hg.), Der Kongress tanzt - Nicht! Frauenkongresse als Orte der Kommunikation, Politik und Vernetzung. Ariadne 76 (2020); Sylvia Schraut, „ Internationale Konferenzen, Publikationen und die Stiftung von Erinnerung: Mediale Strategien in den Richtungskämpfen der bürgerlichen Frauenbewegung im Kaiserreich “ , in: Feministische Studien 35/ 1 (2017), S. 61 - 75. 5 Vgl. Barbara Greven-Aschoff, Die bürgerliche Frauenbewegung in Deutschland 1894 - 1933, Göttingen 1981, S. 44 f. 6 Die für unseren Beitrag relevanten Verbindungen zwischen Theater und der Frauenbewegung der Jahrhundertwende sind insbesondere für Großbritannien gut erforscht. Siehe etwa: Leslie Hill, Sex, Suffrage and the Stage. First Wave Feminism in British Theatre, London 2018; Anna Farkas, Women ’ s Playwriting and the Women ’ s Movement, 1890 - 1918, London / New York 2019; sowie zu den USA: Susan A. Glenn, Female Spectacle. The Theatrical Roots of Modern Fe- 155 Die Frauenbewegung in Kulturbild und Sozialdrama. Inszenierungen der Teilhabe kurz vor 1900 minism, Cambridge, MA / London 2000. Für eine Studie zum deutschsprachigen Raum siehe: Michaela Giesing, „ Ibsens Nora und die wahre Emanzipation der Frau “ . Zum Frauenbild im wilhelminischen Theater, Frankfurt a. M. 1984; sowie für eine Untersuchung der Zusammenhänge von deutscher Kunstszene und Frauenbewegung am Beispiel Münchens: Ingvild Richardsen, „ Leidenschaftliche Herzen, feurige Seelen “ . Wie Frauen die Welt veränderten, Frankfurt a. M. 2019. Auch mit Blick auf die Frauenbewegung seit den 1968er Jahren lassen sich solche Verbindungen zwischen (Theater-) Kunst und Politik ausmachen. Für den deutschsprachigen Raum siehe: Jenny Schrödl / Eike Wittrock (Hg.), Theater* in queerem Alltag und Aktivismus der 1970er und 1980er Jahre, Berlin 2022; bezüglich des Formats der Ausstellung: Monika Kaiser, Neubesetzungen des Kunst-Raumes. Feministische Kunstausstellungen und ihre Räume 1972 - 1987, Bielefeld 2013. Für diese Zeit hat sich sogar der Ausdruck „ feminist performance art “ bzw. „ feministische Performancekunst “ etabliert, der die engen Verflechtungen zwischen neuer weiblich-körperlicher Selbstbehauptung und der aufkommenden Performancekunst beschreibt. Siehe Rebecca Schneider, The Explicit Body in Performance, London / New York 1997. 7 Dass es sich gegenteilig verhalten sollte, legt der Titel Der Kongress tanzt - Nicht! der Ausgabe von Ariadne aus dem Jahr 2020 nahe. Offenkundig wird hiermit auf das Sprichwort „ Der Kongress tanzt “ referiert, das mit Bezug auf den Wiener Kongress von 1814 - 1815 dessen inhaltlichen Stillstand vor lauter Bällen und anderen geselligen Veranstaltungen verspottet. Im Editorial betonen die Herausgeberinnen dagegen die politische Wirkung von Frauenkongressen sowohl für die Verständigung innerhalb der Bewegung selbst als auch nach außen; auf den Titel wird allerdings nicht direkt eingegangen. Vgl. Kerstin Wolff / Anja Schüler, „ Editorial “ , in: Der Kongress tanzt - Nicht! Frauenkongresse als Orte der Kommunikation, Politik und Vernetzung. Ariadne 76 (2020), S. 1 - 3. 8 Marie Stritt, „ ,Der Kampf der Frau ‘“ , in: Die Frauenbewegung 2/ 17 (1896), S. 160 - 161, hier S. 160. 9 Vgl. „ Hochfeldt, Hans (Ps. f. Hans Dreger) “ , in: Gerhard Lüdtke (Hg.), Kürschners Deutscher Literatur-Kalender. Nekrolog 1901 - 1935, Berlin / Leipzig 1936, Nachdruck Berlin / New York 1973, Sp. 301. 10 Vgl. Rosalie Schoenflies, „ Vorwort “ , in: Rosalie Schoenflies / Lina Morgenstern / Minna Cauer / Jeannette Schwerin / Marie Raschke (Hg.), Der Internationale Kongress für Frauenwerke und Frauenbestrebungen in Berlin, 19. bis 26. September 1896. Eine Sammlung der auf dem Kongress gehaltenen Vorträge und Ansprachen, Berlin 1897, o. P. 11 Vgl. „ Die Vorarbeiten zum Kongress “ , in: Rosalie Schoenflies / Lina Morgenstern / Minna Cauer / Jeannette Schwerin / Marie Raschke (Hg.), Der Internationale Kongress für Frauenwerke und Frauenbestrebungen in Berlin, 19. bis 26. September 1896. Eine Sammlung der auf dem Kongress gehaltenen Vorträge und Ansprachen, Berlin 1897, S. 1 - 4, hier S. 3. 12 Vgl. etwa: Rebekka Habermas, Frauen und Männer des Bürgertums. Eine Familiengeschichte (1750 - 1850), Göttingen 2000, S. 19. 13 Hans Hochfeldt, Der Kampf der Frau. Sociales Schauspiel in vier Akten und einem Vorspiel, Zürich 1896, S. 135. In der Premiere lautete der Text: „ ,Ich will ihn kämpfen, den Kampf der Frau für ihr Recht; und bleibt er lang auch aus, endlich muss er uns doch zufallen, der Sieg! ‘“ , in: Züricher Post, 06.03.1896, zitiert nach: Hochfeldt, Der Kampf der Frau, o. P. 14 Hochfeldt, Der Kampf der Frau, S. 23. 15 Vgl. ebd., S. 28. 16 Vgl. ebd., S. 59. 17 Vgl. etwa die in der Druckausgabe des Dramas enthaltenen Rezensionen zu den Aufführungen am Züricher Stadttheater. Ebd., o. P. 18 Vgl. Peter Szondi, Theorie des modernen Dramas (1880 - 1950), Frankfurt a. M. 2017 [1963], S. 63. 19 Vgl. Christine Bähr, Der flexible Mensch auf der Bühne. Sozialdramatik und Zeitdiagnose 156 Friederike Oberkrome / Lotte Schüßler im Theater der Jahrtausendwende, Bielefeld 2012, S. 73 - 75, 98 - 110. 20 Vgl. Hochfeldt, Der Kampf der Frau, S. 3 f. 21 Ebd., S. 3. 22 Vgl. ebd., S. 18. 23 Schweizer Haus-Zeitung, 14.03.1896, zitiert nach: Hochfeldt, Der Kampf der Frau, o. P. 24 Züricher Post, 06.03.1896, zitiert nach: Hochfeldt, Der Kampf der Frau, o. P. 25 Vgl. Schweizer Haus-Zeitung, 14.03.1896, zitiert nach: Hochfeldt, Der Kampf der Frau, o. P. 26 Vgl. F[ritz] E[ngel], „ ,Der Kampf der Frau. ‘ Matinee im Neuen Theater “ , in: Berliner Tageblatt, Montags-Ausgabe, 28.09.1896, S. 1. 27 Stritt, „ ,Der Kampf der Frau ‘“ , S. 160. 28 Vgl. ebd., S. 161. 29 Vgl. E[ngel], „ ,Der Kampf der Frau. ‘“ 30 Dieser 1894 zunächst unter dem Namen „ Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau “ gegründete Verein ging aus dem Engagement von Anita Augspurg und Sophia Goudstikker im Deutschen Frauenverein Reform hervor. Augspurg wurde mit der Aufgabe betraut, eine Dependance des Vereins in München aufzubauen. Nach dem geltenden bayerischen Vereinsgesetz durften Frauen hierin aber kein Mitglied werden, da dessen Ziele als politisch eingestuft wurden. Die Ausgründung ist als strategische Reaktion hierauf zu verstehen, denn weder ließen dieser erste Name noch die Satzung politische Ziele erwarten. Vgl. Christa Elferich, „ Die Gründungsgeschichte (1894 - 1899) des Vereins für Fraueninteressen “ , in: Ingvild Richardsen (Hg.), Evas Töchter. Münchner Schriftstellerinnen und die moderne Frauenbewegung 1894 - 1933, München 2018, S. 47 - 62, hier S. 49 f. 31 Vgl. ausführlicher hierzu das Kongressprogramm in: Christa Elferich, „ Marie Haushofers Festspiel ,Culturbilder aus dem Frauenleben ‘ und der erste Bayerische Frauentag im Oktober 1899 “ , in: Richardsen (Hg.), Evas Töchter, S. 188 - 192, hier S. 190 f.; sowie die Ankündigung: „ Der Allgemeine Bayerische Frauentag “ , in: Allgemeine Zeitung, Abendausgabe, 25.09.1899, S. 5 - 6. 32 Zu formalen Prinzipien des Festspiels vgl. Jennifer Elfert, Theaterfestivals. Geschichte und Kritik eines kulturellen Organisationsmodells, Bielefeld 2009, S. 50. 33 In den Münchner Neuesten Nachrichten wird außerdem ein Fräulein Buttgereit erwähnt, die ebenfalls an der Regie beteiligt gewesen sein soll. Vgl. „ Allgemeiner Bayerischer Frauentag “ , in: Münchner Neueste Nachrichten, Morgenblatt, 24.10.1899, S. 2. 34 Dazu zählten auch Männer wie Rainer Maria Rilke, die die Anliegen der Frauenbewegung offensiv unterstützten. Vgl. Elferich, „ Marie Haushofers Festspiel ,Culturbilder aus dem Frauenleben ‘ und der erste Bayerische Frauentag im Oktober 1899 “ , S. 192. Anita Augspurg beschrieb den Beitritt solcher namhafter Herren als politische Strategie, mit der man zeige, wie berechtigt und zeitgemäß die Ziele des Vereins seien. Vgl. Susanne Kinnebrock, Anita Augspurg (1857 - 1943). Feministin und Pazifistin zwischen Journalismus und Politik. Eine kommunikationshistorische Biografie, Herbolzheim 2005, S. 125. 35 Dieses wurde gemeinsam von Goudstikker und ihrer Lebensgefährtin Anita Augspurg geführt und gilt als zentraler Vernetzungsort der Münchner Frauenbewegung um die Jahrhundertwende. Vgl. ausführlicher hierzu: Ingvild Richardsen (Hg.), Die modernen Frauen des Atelier Elvira in München und Augsburg 1887 - 1908, München 2022; Rudolf Herz, „ Das Fotoatelier Elvira (1887 - 1928). Seine Fotografinnen, seine Kundschaft, seine Bilder “ , in: Ders. / Brigitte Bruns (Hg.), Hof-Atelier Elvira (1887 - 1928). Ästheten, Emanzen, Aristokraten, Ausstellungskatalog Münchner Stadtmuseum, München 1985, S. 63 - 128. 36 Hierfür spricht vor allem die Tatsache, dass Hedwig und Katia Pringsheim zwischen dem 6. und 27. Oktober, also zur Zeit, als der Kongress samt Aufführung stattgefunden hat, gar nicht in München waren. Vgl. Elferich, „ Marie Haushofers Festspiel ,Culturbilder aus dem Frauenleben ‘ und der erste Bayerische Frauentag im Oktober 1899 “ , S. 189 - 191. 157 Die Frauenbewegung in Kulturbild und Sozialdrama. Inszenierungen der Teilhabe kurz vor 1900 37 Vgl. Marie Haushofer, „ Culturbilder aus dem Leben der Frau “ , in: Richardsen (Hg.), Evas Töchter, S. 158 - 173, hier S. 159. 38 Ebd. 39 Ebd., S. 161. 40 So argumentiert Helen Watanabe-O ’ Kelly, „ Transgressivität oder Konformität? Die Figur der Kriegerin in Festspielen der deutschen und englischen Frauenbewegung um 1900 “ , in: Clemens Risi / Matthias Warstat / Robert Sollich / Heiner Remmert (Hg.), Theater als Fest, Fest als Theater. Bayreuth und die moderne Festspielidee, Leipzig 2010, S. 60 - 77, hier S. 65. 41 Haushofer: „ Culturbilder aus dem Leben der Frau “ , S. 172. 42 Ebd., S. 173. 43 Ebd. 44 Vgl. „ Allgemeiner Bayerischer Frauentag “ , in: Münchner Neueste Nachrichten, Morgenblatt, 24.10.1899, S. 2. 45 Vgl. „ Allgemeiner bayerischer Frauentag “ , in: Allgemeine Zeitung, 23.10.1899, S. 5. 46 Vgl. ebd. 47 Vgl. Ingvild Richardsen, „ Marie Haushofer (1871 - 1940) “ , in: Dies. (Hg.), Evas Töchter, S. 98 - 109, hier S. 103. Nicht alle Medien berichteten derart positiv über die Kongresse. Im Wendelstein, dem katholischen Volksblatt des bayerischen Oberlandes, wird der Inhalt und das Anliegen des Kongresses verunglimpft, ohne dass allerdings das Festspiel von Marie Haushofer Erwähnung findet. Vgl. „ Der Bayerische Frauentag “ , in: Der Wendelstein, 26.10.1899, S. 1. 48 Roman Lach, „ Hastenbeck “ , in: Dirk Göttsche / Florian Ulrich Kropp / Rolf Parr (Hg.), Raabe-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung. Stuttgart 2016, S. 252 - 255, hier S. 254. 49 Die für die Revue charakteristischen Tanz- und Musikeinlagen fehlen allerdings in den Culturbildern. Darüber hinaus gelangte die Revue als populäre Musiktheaterform im deutschsprachigen Raum erst in den 1920er Jahren zur vollen Blüte. Vgl. hierzu Ethel Matala de Mazza, Der populäre Pakt. Verhandlungen der Moderne zwischen Operette und Feuilleton, Frankfurt a. M. 2018, S. 74 - 88. 50 Auf dem Titelblatt des Manuskripts werden die Culturbilder explizit als Festspiel bezeichnet, das aus Anlass des Bayerischen Frauentags abgefasst wurde. Vgl. den Abdruck des Titelblatts in: Richardsen, „ Marie Haushofer (1871 - 1940) “ , S. 101. Als eine der wirkmächtigsten, aber nicht unproblematischen Festspiel-Ideen des 19. Jahrhunderts gilt bis heute diejenige Richard Wagners. Vgl. hierzu ausführlich Lore Lucas, Die Festspiel-Idee Richard Wagners, Regensburg 1973. Daneben sind aristokratische Feiern wie die Kaiserfestspiele in Wiesbaden charakteristisch für diese Zeit, mit deren inszenatorischen und gemeinschaftsstiftenden Dimensionen sich Anna Littmann näher befasst hat. Vgl. Anna Littmann, „ Inszenierte Gemeinschaft. Die Kaiserfestspiele in Wiesbaden “ , in: Dies. / Erika Fischer-Lichte / Matthias Warstat (Hg.), Theater und Fest in Europa. Perspektiven von Identität und Gemeinschaft. Tübingen / Basel 2012, S. 336 - 355. 51 Vgl. Elfert, Theaterfestivals, S. 51. 52 Vgl. Balz Engler, „ Text, Theater, Spiel, Fest - Was ist ein Festspiel? “ , in: Ders. / Georg Kreis (Hg.), Das Festspiel. Formen, Funktionen, Perspektiven, Willisau 1988, S. 29 - 35, hier S. 32. 53 Vgl. Greven-Aschoff, Die bürgerliche Frauenbewegung in Deutschland 1894 - 1933, S. 43 f. 54 Hochfeldts Drama war hierfür gleichwohl nicht das einzige Beispiel. Wie Michaela Giesing gezeigt hat, waren die harten, einengenden Lebensrealitäten von Frauen, individuelle Emanzipationsakte und die Kämpfe der Frauenbewegung in den im Kaiserreich aufgeführten naturalistischen Dramen ein durchaus virulentes Thema. Vgl. Giesing, „ Ibsens Nora und die wahre Emanzipation der Frau “ . 55 Zum Verhältnis zwischen bürgerlicher und proletarischer Frauenbewegung siehe Ute Frevert, Frauen-Geschichte. Zwischen Bürgerlicher Verbesserung und Neuer Weiblichkeit, Frankfurt a. M. 1986, S. 92 - 103. 56 Vgl. auch Watanabe-O ’ Kelly, „ Transgressivität oder Konformität? “ , S. 75 f. 57 Dass die Frauenbewegung beispielsweise vom kolonialen Rassismus geprägt war, zeigt 158 Friederike Oberkrome / Lotte Schüßler sich daran, dass der BDF die Beteiligung von Frauen am deutschen Kolonialismus in der Form der Ansiedlung weißer Frauen forderte, den 1907 gegründeten Deutsch-Kolonialen Frauenbund begrüßte und 1911 den Frauenbund der deutschen Kolonialgesellschaft aufnahm. Maßnahmen wie diesen lag die rassistisch grundierte Annahme eines westlichen Zivilisierungsauftrages und eines besonderen moralischen Einflusses von Frauen dabei zugrunde. Vgl. Anette Dietrich, Weiße Weiblichkeiten. Konstruktionen von „ Rasse “ und Geschlecht im deutschen Kolonialismus, Bielefeld 2007, S. 270 - 283. 58 Haushofer, „ Culturbilder aus dem Leben der Frau “ , S. 173. 59 „ Allgemeiner bayerischer Frauentag “ , in: Allgemeine Zeitung, 23.10.1899, S. 5. 60 Die Allgemeine Zeitung hebt in ihrem Bericht über den Frauentag beispielsweise positiv hervor, dass man von „ allen extremen Bestrebungen “ (gemeint ist hier die Forderung des Wahlrechts für Frauen) abgesehen habe und nur die „ berechtigten Wünsche[n] der Frauenwelt “ umsetzen wollte. „ Allgemeiner bayerischer Frauentag “ , in: Allgemeine Zeitung, 23.10.1899, S. 5. Das katholisch-konservativ geprägte Volksblatt Der Wendelstein erachtet weiterhin die Ehe als einzig valide Lösung zur Versorgung unverheirateter Frauen und schreibt dementsprechend verurteilend über die politischen Bestrebungen des Frauentags, bessere Arbeitsbedingungen für Frauen zu schaffen. Vgl. „ Der bayerische Frauentag “ , in: Der Wendelstein, 26.10.1899, S. 1. Im internationalen Vergleich, nämlich am Beispiel von Cicely Hamiltons Stück A Pageant of Great Women, merkt Helen Watanabe-O ’ Kelly an, dass Festspiele im Kontext der britischen Frauenbewegung in ihren Grundannahmen, Darstellungsweisen und Forderungen zum Teil deutlich radikaler waren. Vgl. Watanabe- O ’ Kelly, „ Transgressivität oder Konformität? “ , S. 75 f. 159 Die Frauenbewegung in Kulturbild und Sozialdrama. Inszenierungen der Teilhabe kurz vor 1900