eJournals Internationales Verkehrswesen 62/1-2

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0018
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2010
621-2

Aktuelle Herausforderungen im globalen Containertransport

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2010
Ottmar Gast
iv621-20050
Standpunkt 54 INTERNATIO NALES VERKEHRSWESEN (62) 1+2/ 2010 Dr. Ottmar Gast ist Sprecher der Geschäftsführung der Reederei Hamburg-Süd KG. Aktuelle Herausforderungen im globalen Containertransport Die Containerlinienschifffahrt leidet derzeit, wie die meisten anderen Branchen auch, unter den Folgen der Weltwirtschaftskrise. So ist das globale Ladungsvolumen im Jahr 2009 erstmals seit der Einführung des Containers vor mehr als 40 Jahren zurückgegangen, und zwar um etwa 15 % . Gleichzeitig sind die Preise für Containertransporte um 20 bis 30 % eingebrochen. Dazu hat nicht nur die reduzierte Nachfrage nach Transportleistungen, sondern auch die weltweit steigende Schiffskapazität beigetragen. Die bei prosperierender Weltwirtschaft bestellten Schiffe werden jetzt und in den nächsten 2 bis 3 Jahren abgeliefert und lassen die Überkapazität weiter ansteigen. Derzeit liegen ca. 11 % der Containerschiffskapazität still. Experten rechnen damit, dass es erst im Jahr 2014 wieder zu einem Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage kommen wird. Im Jahr 2009 haben alle namhaften Linienreeder tiefrote Zahlen geschrieben und wohl auch negative operative Cash flows. Selbst wenn die aktuelle Erholung der Weltwirtschaft von Dauer ist, wird es Jahre dauern, bis in der Containerschifffahrt wieder auskömmliche Renditen zu erzielen sind. Soweit die schlechten Nachrichten. Haben sich die langfristigen Perspektiven und Herausforderungen der Containerschifffahrt geändert? Mitnichten. Weltwirtschaft und Welthandel werden sich wieder erholen. Die Arbeitsteilung nimmt noch immer zu. Gleiches gilt für den Anteil der Containertransporte an den Stückgutverladungen insgesamt. Der Wachstumstrend ist ungebrochen. Es mag zu Verschiebungen der Ladungsströme kommen, und wir werden im Jahr 2010 voraussichtlich noch nicht wieder das Transportvolumen der Jahre 2007/ 08 erreichen. Gleichwohl werden China, die Schwellenländer in Südamerika und im mittleren O sten, Indien und Russland Motoren der globalen Containertransporte bleiben bzw. wieder werden. Die in letzter Zeit in den Hintergrund getretenen Themen der Infrastruktur in Häfen und Hinterlandanbindungen müssen jetzt dringend angegangen werden. Hafenbetriebe, Inlandslogistiker und die öffentliche Hand sind gefordert, um die Voraussetzungen für künftiges Wachstum zu schaffen. So bleibt z. B. die seit langem überfällige Elbvertiefung für die weitere Entwicklung des Hafens Hamburg ebenso unabdingbar, wie der Bau der Hafenquerspange zur Entlastung der in die Jahre kommenden Köhlbrandbrücke oder der Ausbau der sogenannten Y-Trasse, der Eisenbahnverbindung zwischen Bremen, Hannover und Hamburg. Ähnliche Beispiele lassen sich für viele Häfen und Länder in aller Welt finden. Auch die Reeder müssen ihre Hausaufgaben erledigen. Treibstoffpreise werden langfristig weiter steigen, Umweltanforderungen werden sich erhöhen. Das Seeschiff ist heute schon bezogen auf den Tonnen-Kilometer das umweltverträglichste Transportmittel. Gleichwohl müssen Schiffe langsamer fahren, um Verbrauch und Emissionen zu senken. Um die Servicequalität zu halten, müssen die Reedereien Routen-Netzwerke optimieren, um so den Kunden noch bessere Abfahrtfrequenzen und vielfältigere Transportwege anbieten zu können. Technische Modifikationen und Weiterentwicklungen an Schiffen und Antriebsaggregaten sind ebenso erforderlich, wie intelligentere Lösungen zu Steuerung der Containerflüsse. Derzeit sind nur etwa zwei Drittel aller Container einer Linienreederei mit Ladung gefüllt, der Rest wird leer zum O rt der nächsten Beladung transportiert, befindet sich in Reparatur oder wird im Hinterland für potenzielles Geschäft vorgehalten. Die Erhöhung der Containerproduktivität und die Verringerung von Leertransporten um wenige Prozentpunkte sind einzelwirtschaftlich für den Reeder ebenso von Vorteil wie gesamtwirtschaftlich und unter Umweltschutzgesichtspunkten. Ein anderes Thema ist der nach wie vor viel zu hohe manuelle Aufwand im intermodalen Transport. Buchungen, Transportpapiere, Rechnungen werden häufig noch mit hohem manuellen Aufwand generiert und auf Papier durch die Welt geschickt. Das Potenzial für elektronische Vernetzung und Datenaustausch zwischen Reedereien, ihren Kunden und Dienstleistern ist enorm. Fazit: Die Containerlinienschifffahrt durchlebt außerordentlich schwere Zeiten. Der Preis- und damit Ergebnisdruck ist extrem hoch. Wichtig ist daher jetzt mehr denn je, dass sowohl die Reeder aber auch die Kunden erkennen, dass Leistung ihren Preis hat. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Q ualität der Dienstleistung mehr und mehr leidet und die Kunden am Ende zwischen immer weniger Anbietern auswählen müssen.