Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0020
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2010
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CO2-Emissionshandel | Dringende Bahn-Qualitätsoffensive
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Gerd Aberle
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Kurz + Kritisch 6 Kurz + Kritisch: Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche Sehr kritisch setzen sich die deutschen Luftverkehrsunternehmen mit der angekündigten EU-weiten Einführung des Emissionshandels in ihrem Sektor auseinander. Sie befürchten eine Benachteiligung gegenüber Fluggesellschaften, die außerhalb des EU-Raums, aber mit wettbewerbsstarken Drehkreuzen operieren, wie etwa Dubai, und verstärkt auf Strecken ziehen, die außerhalb des Emissionshandels verlaufen. Dies rechnet sich, müssen dann doch nur für die EU-Teilstrecken Emissionsrechte erworben werden. So kann der Fall eintreten, dass Routenführungen über EU-fremde Drehkreuze (Dubai, Hongkong, Singapur etc.) zu höheren Flugkilometern und damit entsprechend steigenden CO 2 -Emissionen, aber zu erheblichen Einsparungen an zu erwerbenden Emissionsrechten führen - eine umweltpolitisch absurde Situation. Aus Luftverkehrskreisen verlautet, dass der Emissionshandel Flüge nach Mallorca um 7 EUR und interkontinental um 40 bis 50 EUR verteuern wird. Dies dürfte für den Fluggast jedoch keine wesentliche Erschwerung seiner Reisemotivation bewirken; man denke nur an die zahlreichen und teilweise erheblich höheren Kerosinzuschläge der Jahre 2007/ 2008. Allerdings: diese Zuschläge wurden von allen Airlines erhoben, während nur EU-weite Emissionsbepreisungen im wettbewerbsintensiven Interkont-Verkehr zu kostenrelevanten Wettbewerbsverzerrungen führen können. Nicht übersehen werden sollten jedoch die weiteren qualitativen Entscheidungsparameter der Interkont-Kunden; bereits derzeit gibt es deutliche Preisunterschiede bei unterschiedlichen Airlines auf gleichen Interkont-Strecken. Und wenn Billig-Airlines lautstark über Emissionsrechte im Luftverkehr klagen, sollte dies bei Berücksichtigung ihrer Geschäftspraktiken mit Zuschlägen nur jeder erdenklichen Art nicht ernst genommen werden. CO 2 -Emissionshandel D er Handel mit sogenannten Verschmutzungsrechten ist im Grundsatz ein wirkungsvolles und nachhaltiges Instrument zur Förderung emissionsarmer Technologien oder sogar zum Verzicht solcher die Umwelt belastenden Aktivitäten. Die Emissionsrechte, die einem Äquivalent von CO 2 -Emissionen entsprechen, müssen verpflichtend von den Emittenten eingesetzt werden. Sind sie nicht verfügbar, müssen sie am Markt zugekauft werden, sofern die Emissionen definierte Grenzwerte überschreiten. Akteure, die aufgrund des Einsatzes emissionsarmer Technologien die Grenzwerte unterschreiten, können die nicht benötigten Emissionsrechte veräußern. Der Staat hat in diesem Angebots-Nachfrage-System die Aufgabe, bestimmte Mengen an Emissionsrechten zunächst kostenlos zur Verfügung zu stellen, etwa entsprechend der Emissionssituation eines in der Vergangenheit gewählten Bezugsjahres. Die jährliche Zuteilung der Emissionsrechte wird entsprechend den technologischen Fortschritten bei den emittierenden Antriebssystemen und unter Berücksichtigung der politischen Zielvorstellungen bezüglich der Emissionsmengen sukzessive reduziert. Daraus folgt, dass ohne Emissionsverminderung, etwa bei Verzicht auf Investitionen in emissionsärmere Anlagen, steigende Zukäufe von Rechten und damit höhere Kosten erforderlich werden. Im Verkehrsbereich wird der CO 2 -Emissionshandel verstärkt diskutiert, auch wenn derzeit nur die Bahn bei ihren mit elektrischer Energie betriebenen Zügen bereits zu Zahlungen für Emissionsrechte herangezogen wird. Konkret geht es ab 2012 um den Flugverkehr innerhalb und grenzüberschreitend des EU-Raums sowie - bislang nur sehr vage diskutiert - um den Straßenverkehr, bei dem eine Verrechnung der erforderlichen Emissionsrechte über den Fahrzeugpreis eine Möglichkeit sein könnte. In der Praxis ist dieses sinnvolle Anreizinstrument zur Emissionsreduzierung jedoch noch mit erheblichen Problemen belastet. So ist seit fast zehn Jahren der Versuch gescheitet, international eine einheitliche Messmethode für CO 2 -Emissionen zu vereinbaren mit der Folge, dass eine Tonne CO 2 in unterschiedlichen Teilen der Welt auch unterschiedlich dimensioniert ist. Umstritten ist auch, welche kostenlosen Mengen an Emissionsrechten zugeteilt und welche Reduktionen dieser jährlichen Zuteilungen erfolgen sollen. Hinzu kommt, dass der Marktpreis für eine Tonne CO 2 sehr stark schwankt. Betrug er 2008 noch knapp 30 EUR, so notierte er 2009 unter 15 EUR. In Studien zur Anlastung von CO 2 -Emissionen an die Verkehrsträger werden hingegen Werte von über 150 EUR aus „ Vorsorgegründen“ angesetzt. Weiterhin ist es unabdingbar, international verbindliche Regelungen für den Emissionshandel einzuführen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Nach dem Fehlschlag der Kopenhagen-Konferenz muss jedoch die Aussicht auf ein solches abgestimmtes und wirksames internationales Vorgehen äußerst skeptisch betrachtet werden. In der Praxis noch ein weiter Weg Theoretisch attraktiv Luftverkehr - globale Lösung zwingend INTERNATIO NALES VERKEHRSWESEN (62) 3/ 2010 Termine + Veranstaltungen Weit ere Veranst alt ungst erm ine f inden Sie im Int ernet unt er w w w .dvz.de, w w w .eurailpress.de und w w w .dvw g.de 1 0 .- 1 1 .3 .1 0 1 1 . Logistics Forum Duisburg (D) BVL, Tel. 0421-173840, bvl@bvl.de, www.bvl.de 1 7 .- 1 8 .3 .1 0 1 . VD I- Fachkonferenz Elektromobilität Nürtingen (D) Info: VDI Wissensforum GmbH, Tel. 0211-6214201, wissensforum@vdi.de, www.vdi-wissensforum.de 1 8 .- 1 9 .3 .1 0 Forum Bahntechnik: Nürnberg (D) 1 7 5 Jahre Eisenbahn - jung und innovativ Info: DVWG, Tel. 030-2936969, hgs@dvwg.de, www.dvwg.de 1 8 .- 1 9 .3 .1 0 1 3 . SRL ÖPNV- Tagung 2 0 1 0 Schwäbisch Hall (D) Info: SRL, Tel. 030-27874680, info@srl.de, www.srl.de 1 8 .- 1 9 .3 .1 0 Bahnhöfe - unsere Visitenkarte (Seminar) Berlin (D) Info: Haus der Technik, Tel. 030-39493411, h.cramer-jekosch@hdt-essen.de, www.hdt-essen.de 2 2 .3 .1 0 Finanzierungsbedarf und möglichkeiten Berlin (D) einer nachhaltigen M obilität in Städten Info: Stiftung Heureka, Tel. 030-20188333, manfred.garben@stiftung-heureka.de, www.stiftung-heureka.de 2 3 .- 2 6 .3 .1 0 Intertraffic W orld European Innovative Transport Amsterdam (NL) Technologies on Show RAI Info: Amsterdam RAI, Tel. +31-20-5492396, c.jansen@rai.nl, www.intertraffic.com 2 5 .- 2 6 .3 .1 0 Qualitätsanforderungen an Verkehrsnachfragemodelle (Symposium) Berlin (D) Info: DVWG, Tel. 030-2936969, hgs@dvwg.de, www.dvwg.de 3 0 .3 .1 0 Abschlusskonferenz LINK- Forum Brüssel (B) Info: ILS, Tel. 0231 9051121, patrick-hoenninger@ils-research.de, www.linkforum.eu 8 .- 1 1 .4 .1 0 AERO 2 0 1 0 Friedrichshafen (D) Info: Messe Friedrichshafen, Tel. 07541-7080, www.aero-expo.com 1 5 .- 1 6 .4 .1 0 Verkehrsdrehscheibe BeNeLux M otor Europas? ! Aachen (D) Perspektiven für grenzüberschreitenden Verkehr Info: tjm-consulting, Tel. 0221-3305030, info@tjm-consulting.de, www.tjm-consulting.de 1 5 .- 1 6 .4 .1 0 1 9 . D eutscher M aterialfluss- Kongress 2 0 1 0 München (D) Info: VDI-Wissensforum GmbH, Tel. 0211-6214201, wissensforum@vdi.de, www.vdi-wisensforum.de 1 5 .- 1 6 .4 .1 0 eCarTec Paris Paris (F) Info: MunichExpo GmbH, Tel. 089 32 29 91-0, robert.metzger@munichexpo.de, www.ecartec-paris.eu 1 9 .- 2 3 .4 .1 0 Hannover M esse Hannover (D) Info: Messe Hannover, hannovermesse@messe.de, www.hannovermesse.de 2 2 .- 2 3 .4 .1 0 2 . Internationaler Hafenkongress Karlsruhe Karlsruhe (D) Info: Karlsruher Messe- und Kongress-GmbH, Tel. 0721-37205000, info@kmkg.de, www.hafenkongress.de 2 2 .- 2 3 .4 .1 0 8 . D eutscher Nahverkehrstag Ludwigshafen (D) Info: Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz, Tel. 06131-16-0, info@der-takt.de, www.deutschernahverkehrstag.de 2 8 .4 .2 0 1 0 1 7 . D VW G- Luftverkehrsforum Frankfurt/ Main Info: DVWG, Tel. 030-2936969, hgs@dvwg.de, www.dvwg.de 2 8 .- 3 0 .4 .1 0 3 . See- Hafen- Kongress Hamburg (D) Info: Umco Umwelt Consult GmbH, Tel. 040-41921300, umco@umco.de, www.umco@umco.de 4 .5 .1 0 4 . Salzgitter- Forum M obilität: Salzgitter (D) Elektromobilität 2 0 2 0 - Vom Hype zum M egatrend Info: O stfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Tel. 05341-87551770, s.moedeker@ostfalia.de, www.salzgitter-forum-mobilitaet.de 6 .- 7 .5 .1 0 D VW G Jahreskongress + Stuttgart (D) 8 . Europäischer Verkehrskongress Info: DVWG, Tel. 030-2936969, hgs@dvwg.de, www.dvwg.de 7 .5 .1 0 4 . Grazer Nutzfahrzeug W orkshop Graz (A) Info: Institut für Fahrzeugtechnik, Tel. +43-3168735251, office.ftg@tugraz.at, www.ftg.tugraz.at Dringende Bahn-Q ualitätsoffensive D ie Kunden der Deutschen Bahn im Personenverkehr leiden unter erheblichen Q ualitätsproblemen. Das Unternehmen verzeichnet, konzentriert auf den ICE- und S-Bahn-Verkehr Berlin, einen gravierenden Imageschaden. Den Kunden sind die Ursachen der Q ualitätsdefizite letztlich gleich; für die DB gilt das nicht so. Sie muss das komplexe Spannungsfeld von unterlassenen Instandhaltungen mit der Folge restriktiver Auflagen des Eisenbahnbundesamtes (EBA) bei der S-Bahn, technischen Zuverlässigkeitsproblemen bei der ICE-Flotte und einem Mangel an Reservezuggarnituren bei Zugausfällen differenziert analysieren. Aber: Die kurzbis mittelfristig realisierbaren und für den Kunden erkennbaren Maßnahmen sind begrenzt. Möglich ist die Ausweitung der Instandhaltungskapazitäten durch investive und organisatorische Aktivitäten; sehr viel schwieriger gestaltet sich die erforderliche Ersatzbeschaffung von Radsatzteilen aufgrund von Lieferengpässen der hoch spezialisierten Zulieferindustrie. Äußerst prekär sind die fehlenden Kapazitätsreserven der störungsanfälligen ICE-Flotte, die nur minimal durch Anmietungen von für das deutsche Streckennetz kompatiblen Zuggarnituren ausländischer Bahnen entschärft werden können. Neubeschaffungen sind ein Vieljahresthema. Zusätzlich hat das EBA die Abstände der Kontrolluntersuchungen drastisch verkürzt, was die Fahrzeugverfügbarkeit weiter einschränkt. An dem Dilemma ursächlich beteiligt sein dürften neben Planungsfehlern (Reserven) auch technischkonstruktive Unzulänglichkeiten. O ffensichtlich hat der ICE- Verkehr auf deutschen Mischverkehrstrassen deutlich höhere Materialbeanspruchungen als etwa der auf ausschließlichen Hochgeschwindigkeitstrassen verkehrende französische TGV. Dass die häufig als Ersatzzüge eingesetzten und oft recht abgewirtschafteten IC-Einheiten bei den Kunden Verärgerung hervorrufen, ist nachvollziehbar. Die DB steckt in einer komplexen Q ualitätsfalle, die viele positive Imageeffekte der vergangenen Jahre zu verdrängen droht. Das Unternehmen ist gefordert so zu reagieren, dass die Kunden dies positiv wahrnehmen, auch wenn dies mit erheblichen Zusatzaufwendungen verbunden ist. Daran ändert auch nichts, dass die Bahnen und hier speziell die marktstarke DB AG immer im besonderen Interesse der Medien stehen, übrigens viel mehr als der Luftverkehr, der auch sehr häufig unter erheblichen Q ualitätsmängeln leidet. Der diesjährige recht starke Winter hat die Q ualitätsprobleme insbesondere auch im ICE-Verkehr nachdrücklich betont. Nicht funktionierende Türen, Verspätungen weit außerhalb eines im Winter angesetzten höheren Toleranzbereiches oder versagende Toiletten zeigen, dass auch die konstruktiven Merkmale neuer Eisenbahnzüge nicht den Marktanforderungen genügen. Es mutet wie eine Filmkomödie an, dass am 29. Januar ein ICE auf der Fahrt von Frankfurt/ Main nach Dresden zwei Nothalte in Erfurt und Leipzig von jeweils 20 Minuten einlegen musste, weil fast alle Zugtoiletten ausgefallen waren. Die Bahnkunden haben dies aber wohl kaum als Komödie, sondern als abschreckendes Erlebnis wahrgenommen. Veranstaltungen vom 1 0 .3 .2 0 1 0 bis 7 .5 .2 0 1 0 Stand zum Redaktionsschluss am 1 9 .2 .2 0 1 0 Schwierige Rahmenbedingungen
