eJournals Internationales Verkehrswesen 62/3

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0027
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2010
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Verfügbarkeits- und leistungsabhängige Vergütungsparameter

31
2010
Ivan Čadež
Jochen Harding
Heribert Bodarwé
Im Folgenden wird die Bandbreite der Vergütungsparameter in Konzessionsverträgen bei internationalen PPP-Straßen-Verfügbarkeitsprojekten systematisch dargestellt. Diese werden in verfügbarkeitsabhängige und leistungsabhängige Vergütungsparameter unterteilt2 und anschließend anhand eines Vergleichs von sechs internationalen PPP-Straßenprojekten analysiert. Weiterhin werden Empfehlungen zur wirtschaftlichen und betrieblich sinnvollen Ausgestaltung der Vergütungsparameter unterbreitet.
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Infrastruktur + Verkehrspolitik 30 INTERNATIO NALES VERKEHRSWESEN (62) 3/ 2010 Ivan Cˇadež / Jochen Harding / Heribert Bodarwé Verfügbarkeits- und leistungsabhängige Vergütungsparameter Kategorisierung der Vergütungsparameter und Empfehlungen zu deren Ausgestaltung Im Folgenden wird die Bandbreite der Vergütungsparameter in Konzessionsverträgen bei internationalen PPP-Straßen-Verfügbarkeitsprojekten systematisch dargestellt. 1 Diese werden in verfügbarkeitsabhängige und leistungsabhängige Vergütungsparameter unterteilt 2 und anschließend anhand eines Vergleichs von sechs internationalen PPP-Straßenprojekten analysiert. Weiterhin werden Empfehlungen zur wirtschaftlichen und betrieblich sinnvollen Ausgestaltung der Vergütungsparameter unterbreitet. D ie Autoren Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Ivan Cˇadež, Lehrstuhl Immobilienwirtschaft und Bauorganisation, TU Dortmund, August-Schmidt-Str. 8, 44227 Dortmund, ivan.cadez@tu-dortmund.de; Dr.-Ing. Jochen Harding, TÜV Rheinland Inter- Traffic GmbH, Am Grauen Stein, 51105 Köln, jochen.harding@de.tuv.com; Dr.-Ing. Heribert Bodarwé, HO CHTIEF PPP Solutions GmbH, Alfredstr. 236, 45133 Essen, heribert.bodarwe@hochtief.de F ür den deutschen PPP-Markt ist dieses Thema von besonderer Bedeutung, da die öffentliche Hand als Konzessionsgeber beispielsweise das A-Modell A9 in Thüringen zuletzt als Verfügbarkeitsmodell ausgeschrieben hat und dieser Ansatz aktuell auch bei Bundesfernsowie bei Kommunal- und Landstraßen diskutiert wird. 3 Der Konzessionsgeber legt die Ausschreibungsbedingungen und das Vergabeverfahren fest und ist unter anderem für die wirtschaftliche Projektdurchführung, Risikoverteilung und die Erfüllung der politischen und ökologischen Ziele bei der Durchführung der PPP-Straßenprojekte verantwortlich. Der Konzessionsnehmer muss die Vorgaben umsetzen, in dem er diese analysiert, in Prozesse umwandelt, modelliert, kalkuliert und die Chancen und Risiken bewertet. Die Besonderheit bei den in Deutschland und auch auf dem internationalen PPP-Infrastrukturmarkt angewandten Verfügbarkeitsmodellen ist, dass der Konzessionsgeber das Verkehrserlösrisiko im Wesentlichen übernimmt und stattdessen den Konzessionsnehmer in Abhängigkeit vom erreichten Betriebsstandard (Service Level) bezüglich der Verfügbarkeit der Fahrbahn nach bestimmten im Konzessionsvertrag festgelegten Kriterien abzüglich Strafzahlungen (Malus) 4 vergütet. Die Höhe der Gesamtvergütung des Konzessionsnehmers hängt entweder vollständig oder teilweise von der Erfüllung der verfügbarkeitsabhängigen und leistungsabhängigen Vergütungsparameter ab. Weiterhin können beispielsweise auch das Sicherheitsniveau der Konzessionsstrecke, Erreichung von vertraglich definierten Verkehrskapazitäten 5 oderHöhe und Art desVerkehrsaufkommens bezüglich Erhaltungsarbeiten eine Rolle spielen. Die Höhe der Gesamtvergütung wird vom Konzessionsgeber häufig in komplexen Gleichungen festgelegt. Im Folgenden werden die verfügbarkeitsabhängigen und leistungsabhängigen Vergütungsparameter systematisch aufgezeigt und analysiert. M erkmale verfügbarkeitsabhängiger Vergütungsparameter Bei den verfügbarkeitsabhängigen Vergütungsparametern spielen insbesondere die Abzüge für nicht vorhandene, beziehungsweise die nicht vertragsgerechte Bereitstellung der Verfügbarkeit der Konzessionsstrecke die entscheidende Rolle. Zu unterscheiden ist dabei in folgende drei Vergütungsgrößen, die in der Praxis sowohl als Variation und/ oder als Kombination auftreten: Länge und Lage der Verfügbarkeitseinschränkung; Bei der Bewertung lassen sich die zwei Grundkonzepte „ Reallängenkonzept“ und „ Abschnittskonzept“ unterscheiden. Beim Reallängenkonzept werden die Abzüge für Nichtverfügbarkeit proportional zu der aufgetretenen Länge der Verfügbarkeitseinschränkung bestimmt. Dies ist meistens unabhängig von der spezifischen Lage der Verfügbarkeitseinschränkung. Beim Abschnittskonzept wird die Existenz einer Verfügbarkeitseinschränkung auf einem vertraglich bestimmten Abschnitt der Konzessionsstrecke bewertet. Die tatsächliche Länge der Verfügbarkeitseinschränkung ist dabei nicht von Bedeutung. Die Unterteilung der Konzessionsstrecke in Abschnitte orientiert sich zumeist an Anschlussstellen oder Ingenieurbauwerken (beispielsweise Tunnel oder Brücken). Jedem dieser Abschnitte wird ein Gewichtungsfaktor zugewiesen, der sich an der Länge des Abschnittes bezogen auf die Gesamtlänge der Konzessionsstrecke oder der besonderen Bedeutung des Abschnittes für das Verkehrsnetz beziehungsweise die Konzessionsstrecke richtet. So können beispielsweise besonders wichtigen und verkehrsreichen Abschnitten höhere Gewichtungsfaktoren zugeordnet werden als Streckenabschnitten mit geringerem Verkehrsaufkommen (Lage). Ein we sentliche s Merkmal beim Abschnittskonzept ist, da ss für die Beurteilung der Verfügbarkeit eine s Abschnitte s nur die Engpa ssstelle mit der höchsten Verfügbarkeitseinschränkung herangezogen wird. Die se Bewertung ist somit unabhängig von der Länge der jeweiligen Verfügbarkeitseinschränkung und auch von der Anzahl der Verfügbarkeitseinschränkungen in einem Abschnitt der Konze ssionsstrecke. Dauer und Zeitpunkt der Verfügbarkeitseinschränkung; Die Dauer von Verfügbarkeitseinschränkungen während der Konzessionszeit wird über Zeitintervalle bestimmt. Diese Zeitintervalle haben je nach Projekt eine konstante Dauer von beispielsweise 15 Minuten, einer Stunde oder auch einem Tag. Die Dauer der Verfügbarkeitseinschränkung wird über die Anzahl der betroffenen Zeitintervalle bestimmt. Der Zeitpunkt einer Verfügbarkeitseinschränkung wird mit Hilfe eines Zeitwertfaktors bewertet. Die Bewertung des Zeitwertfaktors folgt dabei meist der Ganglinie des Verkehrsaufkommens. Dies bedeutet, dass Zeitintervalle mit hohem Verkehrsaufkommen hohe Zeitwertfaktoren und Zeitintervalle mit niedrigem Verkehrsaufkommen niedrige Zeitwertfaktoren erhalten. Dadurch wird ein Anreiz beim Konzessionsnehmer geschaffen, die Verfügbarkeitseinschränkungen zu bestimmten Zeiten am Tag, an festgelegten Wochentagen, in bestimmten Wochen oder Monaten im Jahr niedrig zu halten. Die Verteilung der Zeitwertfaktoren kann auch für die Abschnitte der Konzessionsstrecke unterschiedlich festgelegt werden. Infrastruktur + Verkehrspolitik 31 INTERNATIO NALES VERKEHRSWESEN (62) 3/ 2010 Betroffener Q uerschnitt bei der Verfügbarkeitseinschränkung; Als dritte Vergütungsgröße ist das Maß der Verfügbarkeitseinschränkung bezogen auf den Q uerschnitt zu berücksichtigen. Der Konzessionsgeber definiert bereits in der Angebotsphase eines PPP-Straßenprojektes einen Katalog von Verfügbarkeitseinschränkungen, die eine Reduzierung des Straßenquerschnittes und eine damit einhergehende Bewertung bzw. Reduzierung der Vergütung bewirken. Dabei haben die Verfügbarkeitseinschränkungen für jeden Fahrstreifen und die Richtungsfahrbahn entweder dieselbe oder eine unterschiedliche Bewertung (beispielsweise wird der linke Fahrstreifen höher bewertet als der rechte). Die drei vorgestellten Vergütungsgrößen Länge und Lage der Verfügbarkeitseinschränkung, Dauer und Zeitpunkt der Verfügbarkeitseinschränkung sowie betroffener Q uerschnitt bei der Verfügbarkeitseinschränkung fließen in eine Gleichung zur Ermittlung der vertraglichen Vergütung des Konzessionsnehmers ein; dabei sind zwei Methoden zu unterscheiden. Bei der „ Absolutwertmethode“ wird den Verfügbarkeitseinschränkungen ein definierter Punktewert oder Betrag in einer Währungseinheit zugeordnet. Dieser Betrag ist als eine in Erlösen bewertete Minderleistung oder als eine Strafzahlung zu betrachten und wird üblicherweise von der anstehenden Verfügbarkeitsvergütung an den Konzessionsnehmer abgezogen. Die Sperrung eines Fahrstreifens einer zweistreifigen Richtungsfahrbahn kann beispielsweise mit 1500 Strafpunkten oder 5000 EUR bewertet werden. Dem gegenüber steht die „ Relativwertmethode“ , bei der die Verfügbarkeitseinschränkung im Verhältnis zur Gesamtverfügbarkeit des betroffenen Abschnitts (in Prozent) angegeben wird. Die Sperrung eines Fahrstreifens einer zweistreifigen Richtungsfahrbahn wird in diesem Fall beispielsweise mit dem Faktor 0,5 bewertet, was einer Verfügbarkeit von 50 % des Q uerschnittes entspricht. Die daraus resultierende verringerte Vergütung wird im Verhältnis zu der jeweils projektspezifisch festgelegten Gesamt-Verfügbarkeitszahlung für den betroffenen Abschnitt in der betroffenen Zeit ermittelt. M erkmale leistungsabhängiger Vergütungsparameter Neben den verfügbarkeitsabhängigen sind auch die leistungsabhängigen Vergütungsparameter zu berücksichtigen. Bei PPP-Straßenprojekten wird ein vertraglicher Mindeststandard („ Service Level“ ) für die vereinbarten Leistungsbereiche definiert. Wird dieser Mindeststandard vom Konzessionsnehmer nicht erreicht, wird die Vergütung um den jeweils definierten Betrag (Strafzahlung oder Malus) reduziert. Ein Bonus im Fall einer Übererfüllung der Anforderungen ist in den betrachteten Beispielprojekten nicht vorgesehen. Mindeststandards sind für folgende Bereiche definiert: Reguläre Betriebsdienstleistungen (z. B. Winterdienst oder Sofortmaßnahmen am Straßenkörper); Technische Verfügbarkeit (z. B. Fahrbahnbeschaffenheit, Funktionalität technischer Systeme wie Maut- und Verkehrsleitsysteme oder Tunnellüftung und -beleuchtung); Q M-Anforderungen (z. B. Kontrolle/ Überwachung der Konzessionsstrecke („ Monitoring“ ) und Berichtswesen). Die Strafzahlung aufgrund des Unterschreitens des Mindeststandards ist entweder einmalig für das Auftreten oder pro Zeiteinheit für die Dauer einer Minderleistung zu berücksichtigen. Hervorzuheben ist, dass die Leistungsanforderungen, an die diese Straf- oder Maluszahlungen gekoppelt sind, an Fristen zur Arbeitsaufnahme, zur Fertigstellung beziehungsweise Behebung eines Vorgangs (Störung) oder sowohl an den Beginn als auch an die Beendigung des Vorgangs gebunden sein können. Ist die Frist lediglich an den Beginn eines Vorgangs gebunden, so wird dem Konzessionsnehmer zumeist eine Reaktionszeit („ reaction time“ ) eingeräumt. In dem Fall kommt es nur zu einer Strafzahlung, wenn diese Reaktionszeit nicht eingehalten wird. Meist wird die Leistungsanforderung jedoch ergebnisorientiert (output-orientiert) angegeben. Dann entspricht die vertraglich vorgesehene Behebungszeit der Frist („ rectification time“ ), die dem Konzessionär eingeräumt wird, die entsprechende Leistung zu erbringen, bevor die Strafzahlung anfällt. Je nach Leistungsanforderung kann die eingeräumte Behebungszeit auch Null sein. Dies gilt insbesondere für Q M-Anforderungen (beispielsweise für die Einreichung des Monatsberichts). Eine Nichteinhaltung der Behebungszeit führt dann zu den im Vertrag vorgesehenen Strafzahlungen. Da die Leistungsanforderungen und Fristen bereits innerhalb eines Projektes sehr unterschiedlich sind, wird der leistungsabhängige Teil der Vergütung im Allgemeinen nicht in Form einer Gleichung, sondern als Leistungskatalog mit zugehörigen Strafzahlungen dargestellt. Nach der Beschreibung der verfügbarkeitsabhängigen und leistungsabhängigen Vergütungsparameter wird im Folgenden anhand von aktuellen Beispielen die Bandbreite der Vergütungsparameter erläutert. Beschreibung der untersuchten Projekte und Bandbreiten der Vergütungsparameter Die im Rahmen dieses Beitrages untersuchten Projekte sind zusammenfassend in Tabelle 1 dargestellt. Dabei werden sechs internationale PPP-Straßenprojekte aus unterschiedlichen Ländern analysiert, die in den letzten vier Jahren ausgeschrieben oder vergeben wurden. Die Länge der Konzessionsstrecke variiert zwischen 2,4 und 78,2 km. Die vier auf dem Abschnittskonzept basierenden Projekte sind in fünf bis 30 Teilabschnitte mit Abschnittslängen zwischen 0,9 und 11,3 km unterteilt. 6 Darstellung wesentlicher Ergebnisse Aus den sechs Ausschreibungen sind im Folgenden die wesentlichen vertraglichen Anforderungen an die Vergütungsparameter zusammengetragen. In Tabelle 2 ist die Bandbreite der Ergebnisse für die verfügbarkeitsabhängigen Vergütungsparameter dargestellt. 7 Bei vier von sechs Projekten wird das Abschnittskonzept und bei den beiden anderen Projekten das Reallängenkonzept gewählt. Die Dauer der Verfügbarkeitseinschränkung in den sechs Projekten beträgt 1 x 0,25 Std., 3 x 1,0 Std., 1 x 2,0 Std. und 1 x 24,0 Std. Die Zeitwertfaktoren sind in fünf der sechs Projekte jeweils für die drei Klassen Spitzen-, Normal- und Nachtstunden definiert. Dabei werden die Zeitwertfaktoren der Spitzenstunden 5bis 15-mal höher als die der Nachtstunden, die der Normalstunden 2,5bis 5-mal höher als die der Nachtstunden und die der Spitzenstunden 1,67bis 3-mal höher als die der Normalstunden bewertet. Bei einem Projekt ist keine Unterteilung der Tageszeit vorgesehen. Die Absolutwert- und Relativwertmethode wird bei jeweils drei Projekten angewendet. Unabhängig von der Wahl der Absolutwert- und Relativwertmethode existiert bei drei Projekten eine kurze Auflistung mit zwei bis sieben Verfügbarkeitseinschränkungen. Dagegen wird bei den anderen drei Projekten eine ausführliche Auflistung mit 18 bis 32 Tab. 1: Darstellung der wesentlichen Parameter PPP- Projekt Vertraglicher Status Länge Anzahl Teilabschnitte Länge der Teilabschnitte P1 D1, Slowakei BAFO 2009 30,1 km 8 5,4 - 11,3 km P2 Ypsilon (Wien), Ö sterreich FC 2006 51,0 km 30 0,9 - 6,9 km P3 Senite, Litauen ITT 2009 24,6 km - - P4 M6 Phase II, Ungarn FC 2007 78,2 km - - P5 Golden Ears Bridge, Kanada FC 2006* 13,3 km 5 Nicht bekannt P6 O rlowski Tunnel, Russland ITT 2008 2,4 km 8 Nicht bekannt BAFO = Best And Final O ffer FC = Financial Close (Abschluss der Finanzierungsverträge) ITT = Invitation To Tender (Ausschreibungsunterlagen) * Basis für die Analyse in diesem Beitrag ist der Entwurf des Konzessionsvertrages. Infrastruktur + Verkehrspolitik 32 INTERNATIO NALES VERKEHRSWESEN (62) 3/ 2010 Verfügbarkeitseinschränkungen mit zusätzlichen Parametern für eine detaillierte Fallunterscheidung vorgegeben. Das verfügbare Zeitfenster außerhalb der Nacht- und Spitzenstunden für die Durchführung geplanter Betriebs- und Erhaltungsmaßnahmen ist bei vier der sechs Projekte kürzer als acht Stunden (ein Arbeitstag). Bei vier der sechs Projekte sind die Zeitwertfaktoren für jeden Wochentag, unabhängig von der Fahrrichtung und der Lage des Streckenabschnitts fest vereinbart; Änderungen sind im Konzessionsvertrag nicht vorgesehen. Bei zwei Projekten sind Änderungen und Anpassungen über die Konzessionslaufzeit vorgesehen. Zur Bandbreite der wesentlichen leistungsabhängigen Vergütungsparameter ist Folgendes anzumerken: In fünf der sechs Projekte sind die Leistungsanforderungen ausschließlich ergebnisorientiert (output-orientiert) mit projektspezifisch festgelegten Behebungszeiten definiert. Demgegenüber steht ein Projekt, bei dem beispielsweise die Leistungsanforderung für technische Tunnelsysteme an die Arbeitsaufnahme des Vorgangs gebunden ist. Bei vier der sechs Projekte werden die Strafzahlungen (Malus) direkt über die Dauer einer Minderleistung ermittelt. Bei den beiden anderen Projekten wurde eine Kombination von Strafzahlungen in Abhängigkeit der Dauer und von Abzügen für das Auftreten einer Minderleistung gewählt. Bei drei der sechs Projekte sind Toleranzbereiche als „ Puffer“ eingeführt, bevor die Minderleistungen zu Abzügen bei der Vergütung des Konzessionsnehmers führen. Empfehlungen zur Ausgestaltung der Vergütungsparameter Die Festlegung der verfügbarkeits- und leistungsabhängigen Vergütungsparameter obliegt dem Konzessionsgeber und ist ein mächtiges Instrument des Konzessionsgebers insbesondere in der Betriebsphase. Dabei ist vom Konzessionsgeber zu berücksichtigen, dass die Definition von umfangreichen Mindeststandards und komplexen Vergütungsparametern auch bezüglich des Betriebscontrollings der Vertragserfüllung hohe Anforderungen und Kosten mit sich bringt. Der Konzessionsgeber setzt in der Ausschreibung die Mindeststandards, Vergütungsparameter und sonstigen Vertragsbedingungen bezüglich der Strafzahlungen fest. Der Konzessionsnehmer muss diese erkennen und die damit einhergehenden Chancen und Risiken über die Konzessionslaufzeit einschätzen und bewerten. Beim aktuellen Wettbewerb auf den Märkten werden diese komplexen Risiken in der Praxis aufgrund der knappen Zeit während der Angebotsbearbeitung häufig entweder nicht oder unzureichend erkannt und können zu erheblichen wirtschaftlichen Folgen für den Konzessionsnehmer in der Betriebsphase führen. Beispielhaft sind drei Fragestellungen aus der Praxis aufgeführt, die sich aus der Analyse der Ausschreibungsbedingungen bei den sechs PPP-Straßenprojekten ergeben haben: Soll die Sperrung des Seitenstreifens für beispielsweise vertraglich geforderte Mäharbeiten zu etwa 360 bis 750 EUR/ h Strafzahlungen führen, wenn die Kosten für diese Teilleistung bei etwa 50 bis 150 EUR/ h liegen? Sollen die Strafzahlungen für nicht vorhanden Verfügbarkeit der Fahrbahn bei der Erneuerung der Deck- und Binderschicht etwa 25 bis 50 % der Baukosten für die erbrachte Bauleistung ausmachen? Sollen die Abschleppzeiten von stehengebliebenen Fahrzeugen bei 20 Minuten liegen und mit beachtlichen Strafzahlungen bei Nichterfüllung des Betriebsstandards belegt werden, wenn dadurch unter Umständen eine aus Gesamtsicht betrachtete unwirtschaftliche Anzahl von Abschleppfahrzeugen erforderlich wird? 8 Schon diese drei Beispiele zeigen, dass dieses Thema äußerst komplex ist und weitere Analysen und Betrachtungen auf diesem Gebiet erforderlich sind, damit sowohl die poltischen und ökologischen Ziele der öffentlichen Hand als auch eine optimale Wirtschaftlichkeit bezüglich der Betriebsprozesse mit einer ausgewogenen Chancen- und Risikoverteilung erreicht wird. Nur so wird beim PPP-Straßenprojekt ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis erreicht, das letztlich den Nutzern, Steuerzahlern und beiden Vertragsparteien zu Gute kommt. Daraus sowie aus praxisrelevanten Erwägungen ergeben sich folgende Empfehlungen zur Ausgestaltung der verfügbarkeits- und leistungsabhängigen Vergütungsparameter: Unterteilung in Teilabschnitte mit projektspezifisch betrieblich sinnvollen Längen Festlegung von Zeitintervallen mit Verfügbarkeitseinschränkungen von mindestens einer Stunde Wahl von maximal drei Klassen (Spitzen-, Normal- und Nachtstunden) bei der Bestimmung der Zeitwertfaktoren Berücksichtigung eines Zeitfensters von mindestens acht Stunden für die Durchführung des Betriebsdienstes Wahl der Relativwertmethode, da diese für beide Vertragsparteien einfacher und leichter verständlich ist Anpassung der Zeitwertfaktoren und der Anzahl der Normalstunden an die jeweils aktuellen Rahmenbedingungen während der Konzessionslaufzeit - insbesondere bei Greenfield-PPP-Straßenprojekten 9 ist das Verkehrsaufkommen besonders hohen Schwankungen unterworfen Vermeidung von doppelten Strafzahlungen, da in einigen Fällen der Konzessionsnehmer sowohl für die Verfügbarkeitseinschränkung als auch die Minderleistung (beispielsweise wenn die technische Verfügbarkeit bei der Tunnelbeleuchtung nicht gegeben ist) verantwortlich gemacht wird Einführung eines projektspezifisch definierten Puffers, bevor Strafzahlungen anfallen (wirtschaftlichere Risikoverteilung) Grundsätzlich ist aus betrieblicher Sicht anzumerken, dass beispielsweise die Anzahl der Teilabschnitte, Zeitfenster, Verfügbarkeitseinschränkungen, Fristen zur Arbeitsaufnahme, Fertigstellung oder Behebung von Vorgängen (Mängeln), Betriebsprozesse sowie das Risiko mit den damit einhergehenden Kosten für den Betrieb des Konzessionsnehmers erhöhen. 10 Für den Konzessionsnehmer ergeben sich durch die vom Konzessionsgeber in den Ausschreibungsbedingungen vorgegebenen Vergütungsparameter zusätzliche Anforderungen in der Angebots-, Inbetriebnahme- und Betriebsphase. Neben einem ausgeprägten Verständnis bezüglich der Prozesse im Betrieb sowie bei der Instandsetzung und Erneuerung von Verkehrsflächen ist vor allem ausreichend Zeit für die Erstellung eines Kalkulationsmodells zur Einschätzung der Kosten, Chancen und Risiken über die Konzessionslaufzeit erforderlich. 11 Darüber hinaus sind neben der Kalkulation der Betriebs- und Erneuerungskosten sowie der Kenntnis der Betriebsprozesse und Kapazitäten auch zusätzliche Kenntnisse über den lokalen Nachunternehmermarkt und die geplanten Erneuerungszeitpunkte zu berücksichtigen. Aus betrieblicher Sicht sind in Abhängigkeit vom geforderten Service Level und den vertraglichen Rahmenbedingungen beispielsweise verkürzte Arbeitszeiten, häufigere Fahrten, zusätzliche Einarbeitungs-, Arbeitsbeginn- und Arbeitsbeendigungsarbeiten erforderlich. Eventuell Tab. 2: Verfügbarkeitsabhängige Vergütungsparameter Länge VE D auer VE Zeitwertfaktoren* Querschnitt/ Anzahl VE D auer NStd. ZW F Änderung P1 AK 1 Std. 1 : 15 RWM/ 18 6 - 7 Ja P2 AK 1 Std. 1 : 10 RWM/ 6 0 - 13 Ja P3 RLK 2 Std. 1 : 5 AWM/ 7 8 - 10 Nein P4 RLK 24 Std. - RWM/ 32 - Nein P5 AK 1 Std. 1 : 10 AWM/ 28 5 Nein P6 AK 0,25 Std. 1 : 5 AWM/ 2 6 Nein AK = Abschnittskonzept RLK = Reallängenkonzept VE = Verfügbarkeitseinschränkung AWM = Absolutwertmethode RWM = Relativwertmethode NStd. = Normalstunden (nicht Spitzen- und Nachtstunden) ZWF = Zeitwertfaktoren * Spreizung zwischen Nacht- und Spitzenstunden. Infrastruktur + Verkehrspolitik 7 Für weitere Details zur empirischen Auswertung der Vergütungsparameter der Projekte wird auf Harding, J.; Bodarwé, H.; Cadez, I., Evaluation of availability and service performance based payment mechanisms for PPP road traffic infrastructure projects, in: TRB, 89 th Annual Meeting Compendium of Papers, CD-RO M, Transportation Research Board of the National Academies, Washington D.C., 2010, Paper #10-2114 verwiesen. 8 Etwa 80 bis 140 TEuro sind je nach Ausstattung und Land für die Anschaffung von Pkw-Abschleppfahrzeugen erforderlich. Wesentlich höhere Beträge fallen für spezielle Lkw-Abschleppfahrzeuge an. Zusätzlich sind die Personal- und Bereitschaftskosten zu berücksichtigen. 9 Greenfield-Projekte sind in diesem Zusammenhang als neue Projekte mit neuer Linienführung ohne Kenntnis bezüglich eines bestehenden Verkehrsaufkommens zu definieren. Kennzeichnend ist, dass das Verkehrsaufkommen von den Fachleuten besonders schwierig abzuschätzen und über die Konzessionslaufzeit zu prognostizieren ist. Das Verkehrsaufkommen kann insbesondere in der Anfangsphase sehr großen Verkehrsschwankungen unterliegen. Das Gegenteil von Greenfield-Projekten sind Brownfield-Projekte, die bereits bestehende Projekte sind, die beispielweise wie bei den A-Modellen in Deutschland ausgebaut werden oder im Rahmen von PPP-Straßenprojekten zur Bemautung von neu definierten Infrastrukturpaketen herangezogen werden. Brownfield-Projekte haben ein wesentlich niedrigeres Risiko bei der Bestimmung des Verkehrsaufkommens, da bereits gesicherte Daten aus der Vergangenheit vorliegen. 10 Diese Risiken und Kosten in der Betriebsphase müssen vom Konzessionsgeber bei der Betrachtung der Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit von PPP-Straßenprojekten berücksichtigt werden. 11 Komplexe Zusammenhänge im Betrieb und bei der Erneuerung, die über beispielsweise 30 Jahre Konzessionslaufzeit laufen und großen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit haben, sollten vor Angebotsabgabe mit einer Monte-Carlo-Simulation als Hilfsmittel zur Entscheidungsfindung des Konzessionsnehmers bezüglich der Chancen und Risiken untersucht werden. Vgl. Cadez, I.; Streuer, U., Stochastische Risikoanalyse bei Public Private Partnership-Infrastrukturprojekten, in: Kapellmann/ Vygen: Jahrbuch Baurecht 2006, 9. Jg., Werner Verlag. Weitere detaillierte Analysen und Bewertungen der Vergütungsparameter aus betrieblicher und volkswirtschaftlicher Sicht sind in Vorbereitung. Im Vordergrund muss dabei eine ausgewogene wirtschaftliche Risikoverteilung bei gleichzeitiger Erfüllung der politischen und ökologischen Ziele des Konzessionsgebers stehen. 1 Verfügbarkeitsmodelle bei PPP-Straßenprojekten wurden erstmals in Großbritannien im Zusammenhang mit der Privatisierungsinitiative der Regierung im Jahr 1997 eingeführt, vgl. Abdel, A./ Ahmed, B., Analysis of Usage-Based Payments for Contractors‘ Compensation in PPP Projects, in: TRB, 86 th Annual Meeting Compendium of Papers, CD-RO M, Transportation Research Board of the National Academies, Washington D.C., 2007, Paper #07-2572. 2 Bei der Ermittlung der Vergütung des Konzessionsnehmers werden in der Praxis die verfügbarkeits- und leistungsabhängigen Vergütungsparameter meist miteinander kombiniert. 3 Vgl. Böger, T.: PPP-Ansätze im Bereich der Bundesfernstraßen und bei Kommunal- und Landesstraßen, in: Workshop „ Verfügbarkeitsmodelle im Straßenbau/ Privatwirtschaftliche Lösungen jenseits der Pkw- Maut“ am 22. Mai 2007 in Berlin, Hrsg.: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V., S. 88 - 93. 4 Je nach Intention des Konzessionsgebers sind auch Bonus-Zahlungen in Abhängigkeit der Definition der Betriebsstandards bei deren Übererfüllung möglich. 5 Die Erreichung von vertraglich definierten Verkehrskapazitäten als Vergütungsparameter (beispielsweise Verkehrsmengen pro Fahrzeugklasse oder Geschwindigkeiten) wird in Großbritannien als „ Active Management Payment Mechanism“ bezeichnet. 6 Weitere Informationen zu den Projekten 2, 5 und 6 sind auf den jeweiligen Internetseiten (www.bonaventura.co.at, www.orlovtunnel.ru, www.goldenearsbridge.ca) zu finden. müssen zusätzliche Geräte gekauft oder gemietet werden, Geräte- und Personalkapazitäten können weniger wirtschaftlich genutzt werden, Eigen- und Fremdleistungen werden in einem anderen Umfang benötigt, vertraglich geforderte Reaktionszeiten der Nachunternehmer oder des eigenen Personals können zu höheren Kosten führen. Weiterhin müssen zusätzliche Werkzeuge (Software) beispielsweise für die Planung, Kontrolle und Dokumentation beim Konzessionsgeber und -nehmer zur Verfügung stehen. Die Managementanforderungen für beide Vertragsparteien steigen. Fazit und Schlussfolgerungen Mit dieser empirischen Analyse wird ein Überblick über die Bandbreite der verfügbarkeits- und leistungsabhängigen Vergütungsparameter von Verfügbarkeitsprojekten bei internationalen PPP-Straßenprojekten gegeben. Mit den Ergebnissen der Analyse wurde aufgezeigt, dass es keine einheitlichen Vergütungsparameter gibt und dass Verbesserungspotenziale vorhanden sind. Die ersten Empfehlungen zur Ausgestaltung der Vergütungsparameter sollen dazu beitragen, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis in der Ausschreibungs- und in der späteren Betriebsphase verbessert wird und die Wirtschaftlichkeit der PPP-Straßenprojekte aus Sicht des Konzessionsgebers und Konzessionsnehmers erhöht wird.