Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0031
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Sönke Reise
Neben den ECT-Terminals Delta und Euromax in Rotterdam und dem Containerterminal Altenwerder (CTA) in Hamburg befindet sich am Hamburger Burchardkai derzeit das vierte Lager in Europa mit schienengebundenen Stapelkranen (Rail Mounted Gantry Cranes, RMG) im Bau. Welche O ptimierungsmöglichkeiten bietet ein solches Terminal?
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Güterverkehr + Logistik 40 INTERNATIO NALES VERKEHRSWESEN (62) 3/ 2010 Abb. 1: Lkw-Abfertigung am CTA in Hamburg in den dafür vorgesehenen Spuren Foto: HHLA Sönke Reise Schnell und sicher durch zwei Ebenen Landseitige Abfertigung an RMG-Containerterminals Neben den ECT- Terminals Delta und Euromax in Rotterdam und dem Containerterminal Altenwerder (CTA) in Hamburg befindet sich am Hamburger Burchardkai derzeit das vierte Lager in Europa mit schienengebundenen Stapelkranen (Rail Mounted Gantry Cranes, RMG) im Bau. Welche O ptimierungsmöglichkeiten bietet ein solches Terminal? D er Autor Prof. Dr. Sönke Reise, Hochschule Wismar, University of Applied Sciences, Technology, Business and Design, Faculty of Engineering, Department of Maritime Studies, Richard-Wagner-Straße 31, 18119 Rostock-Warnemünde; soenke.reise@hs-wismar.de Grundlagen Gemeinsames Kennzeichen von automatischen Lagerblöcken ist, dass im Standardfall an der dem Wasser zugewandten Seite jedes Lagerblocks die Einstapelungen von Importcontainern und Ausstapelungen von Exportcontainern und an der gegenüberliegenden Seite die landseitigen Hinterlandverkehre abgewickelt werden. An der Landseite des Lagerblocks finden einerseits Lkw-Be- und Entladungen statt sowie andererseits die horizontalen Containertransporte von und zur Bahn. Je nach System werden hier Bahncontainer für Van Carrier (VC) bereitgestellt oder auf Chassis gesetzt respektive aufgenommen. Auf der Verkehrsfläche zwischen Bahngleisen und RMG-Lager finden Verkehre mit terminalinternen Geräten (Van Carrier, Zugmaschine/ Chassis) und terminalexternen Geräten (Lkw) statt (vgl. Abb. 1). Herausforderungen an der Landseite Aus der gemeinsamen Nutzung der Verkehrsfläche durch den Terminalbetreiber selbst und externe Lkw-Fahrer ergeben sich Interessenkonflikte und Risiken für die Verkehrssicherheit. Die Bedeutung einzelner Herausforderungen ist praktisch abhängig vom jeweiligen Verkehrsaufkommen. Ist das Verkehrsaufkommen wie derzeit niedrig, so erscheinen im Folgenden manch genannte Herausforderungen keine Bedeutung zu haben. Wenn jedoch die Umschlagzahlen wieder steigen, wird auch dieses Thema (erneut) an Bedeutung gewinnen. I. Steuerung der Verkehre Terminalinterne Verkehre, also Fahrten zwischen Bahngleisen und Lagerblöcken, werden durch eine optimierende Steuerungssoftware gesteuert. Mit ihr werden optimale, gegebenenfalls kürzeste Wege bei geringem Geräteeinsatz bestimmt mit dem Ziel, den Aufwand des Terminalbetreibers zu minimieren. Durch die gemeinsame Nutzung der Fläche mit Lkw kann es zu Störungen und Verzögerungen kommen. - Insbesondere dann, wenn für wartende Lkw oder Chassis keine oder nicht ausreichende Parkpositionen vorhanden sind und diese auf die Straße ausweichen müssen. Die Terminalsteuerungssoftware kann dann ihre Ziele nicht erreichen. II. Verkehrssicherheit Bedingt durch eine hohe Verkehrsdichte, kreuzende Verkehre, die Vielzahl an Fahrern aus verschiedenen Ländern und die Erfordernis, den Trailer rückwärts am Block in einer Übergabespur bereitzustellen, besteht auf der Verkehrsfläche zudem eine erhöhte Unfallgefahr. Diese steigt noch, wenn für die terminalinternen Verkehre Van Carrier zum Einsatz kommen, da Lkw- Fahrer zwar Abmessungen und Geschwindigkeiten von Zugmaschinen beurteilen können, nur schwer jedoch die der Van Carrier. III. Übergabekapazitäten An der Landseite eines Automatiklagerblocks steht jeweils ein begrenzter Raum für Übergabespuren zur Verfügung. Die Anzahl der realisierbaren Übergabespuren hängt von der Breite des Kranportals und der Art der Fahrzeuge/ Geräte ab, welche die Automatiklagerblöcke an der Landseite bedienen. Bei hoher landseitiger La st, die aus einer großen Anzahl gleichzeitig zu bedienender Züge und einem hohen Lkw-Verkehrsaufkommen re sultiert, können die se begrenzten Übergabekapazitäten - auch bei Berücksichtigung der Möglichkeit der individuellen Priorisierung einzelner Blöcke - ein Engpa ss sein. Falls ein RMG einen Auslagerer nicht auslagern kann oder ein Einlagerer nicht im Übergabebereich abge stellt werden kann, entstehen Verzögerungen, welche sich im günstigsten Fall negativ auf die Terminalperformance auswirken und im schlechte sten Fall zu einer Nichtverladung auf die Bahn führen können. IV. Terminalsicherheit Im Zusammenhang mit den Sicherheitsmaßnahmen des ISPS-Codes muss sich jede Person, die das Terminalgelände betritt, identifizieren. Hieraus folgt, dass auch eine Identifikation jedes Lkw-Fahrers erforderlich ist mit entsprechendem Aufwand für den Terminalbetreiber. In Hamburg wurde hierzu von Eurogate und der HHLA gemeinsam 2005 die mit einem Transponder ausgestattete „ TruckerCard“ eingeführt. Diese vereinfacht die Kontrolle an den Gates und beschleunigt die Abfertigung - allerdings ausschließlich für Containertransporte. Bei allen anderen greift das individuelle Sicherheitskonzept des jeweiligen Terminals. Abfertigung über zwei Ebenen Eine O ption, die helfen kann, den vorgenannten Herausforderungen erfolgreich zu begegnen, liegt in der räumlichen Trennung von terminalinternen und terminalexternen Verkehren an der Landseite eines RMG-Lagers. Dabei ist eine Lösung anzustreben, welche eine Abwicklung über zwei Ebenen, ähnlich einem Parkdeck, beinhaltet. Es erscheint zweckmäßig, auf der unteren Ebene die terminalinternen Verkehre und auf der oberen Ebene die terminalexternen Verkehre abzuwickeln. Das obere Deck ist dabei nach hinten versetzt, so dass über die volle Blockbreite sowohl Güterverkehr + Logistik 41 INTERNATIO NALES VERKEHRSWESEN (62) 3/ 2010 unten als auch oben Übergabespuren bereitstehen. Erkennbare Vorteile einer derartigen Konstruktion und Verkehrsführung liegen in folgenden Punkten: Erhöhung der Anzahl der Übergabe spuren für terminalinterne und terminalexterne Verkehre. Damit geht ein geringerer Flächenbedarf für Warte- und Staupositionen vor den Blöcken einher. Bei entsprechender Abzäunung befinden sich die Lkw und ihre Fahrer stets außerhalb des Terminalgeländes. Ein Passieren des ISPS-Zauns und die damit verbundenen Identifikationen und Formalitäten entfallen. Unfallgefahr sinkt durch Trennung der terminalinternen und terminalexternen Verkehre. Das Layout ermöglicht auch an der Landseite eine Automatisierung der Horizontaltransporte, etwa den Einsatz von Automated Guided Vehicles (AGV) für den Containertransport zwischen Lager und Bahnvorstau. Mehr Puffer für Bahnverkehre bei entsprechender Anzahl an Chassis entsteht, da die gesamte untere Ebene ausschließlich für die Bahnverkehre genutzt werden kann. Bei Einsatz unterschiedlich großer RMG ist eine zeitgleiche Bedienung von Lkw (großer Kran) und Chassis (kleiner Kran) möglich, sofern das Chassis mit Last durch den großen Kran überfahren werden darf. Eventuell nachteilig können sich diese Punkte auswirken: Betriebskosten: Bei der Bedienung der Lkw hat der Kran etwas längere Wege zurückzulegen (verglichen mit bisherigen Konstruktionen). Baukosten: Die Kranschienen müssen länger sein, um beide Ebenen bedienen zu können. Längere Rangierwege für Chassis, da diese in die für die oben befindliche Lkw-Übergabe verlängerten Kranschienen rückwärts einparken müssen. Die zusätzliche Länge entspricht etwa einer Lkw-Länge. Es ist aber zu bedenken, dass Terminaltraktorfahrer gegenüber Lkw-Fahrern als geübter gelten und das rückwärts Einparken keine besondere Hürde darstellt. Beim Einsatz von Traktoren mit drehbarer Kabine erübrigt sich zudem das Rückwärtsfahren und damit die Nachteilhaftigkeit dieses Punkts. In Abbildung 2 ist der Lösungsvorschlag in einer nicht maßstabgetreuen Draufsicht skizziert. Um das Prinzip zu verdeutlichen, sind nur drei Lagerblöcke dargestellt. Die dunkelgraue Fläche visualisiert die obere Ebene, die für die Lkw-Verkehrsfläche vorgesehen ist. Hinsichtlich der konkreten Anzahl an Übergabeplätzen je Block sind die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Die Abbildung 3 zeigt den prinzipiellen Aufbau der Lösung in der Seitenansicht. Die Höhenabmessungen der Konstruktion können überschlagsweise wie folgt angenommen werden: Höhe Chassis 1,3 m + Höhe Highcube-Container 2,90 m = 4,20 m (alternativ AGV: Höhe 1,5 m). Eine lichte Höhe unter der Plattform von 4,7 m erscheint ausreichend. Bei einer Konstruktionsstärke der Plattform von 2 m errechnet sich die Höhe der oberen Fahrbahn von etwa 7 m. Aufgrund entsprechender Beladevorgaben muss der RMG in der Lage sein, einen beladenen Trailer mit Container am Spreader überfahren zu können. Bei einer Trailerhöhe von 1 m, Höhe Highcube-Container 2,90 m und 3 m Raum zum Überfahren ergibt sich eine erforderliche Mindesthubhöhe des RMG von 14 m. Zum Vergleich: Der kleine RMG am Hamburger CTA besitzt bereits eine Hubhöhe von 15,5 m. Für einen landseitigen VC-Betrieb ist dieser Lösungsvorschlag aufgrund der Höhe der VC nicht geeignet. Lediglich „ 1-hoch“ -VC („ Sprinter“ , Stapelfaktor 1) wären aufgrund ihrer geringen Höhe vorstellbar. Fazit Der skizzierte Lösungsansatz kann bei künftigen Containerterminalprojekten eine bauliche O ption zur Bewältigung der Herausforderungen an der Landseite eines Automatiklagers sein, bei der die räumliche Trennung der terminalexternen Lkw-Verkehre von den terminalinternen Verkehren zwischen Bahnabfertigung und Lager im Vordergrund steht. Hinsichtlich einer möglichen Realisierung sind detailliertere Studien zu den Kapazitäten und der technischen Machbarkeit durchzuführen. Der Inhalt dieses Artikels erhebt keinen Anspruch auf eine vollständige Studie, sondern verfolgt das Ziel, einen Input für künftige Diskussionen zu geben. Abb. 2: Schematische Draufsicht einer Zwei-Ebenen- Lösung Q uelle: eigene Darstellung Abb. 3: Schematische Seitenansicht einer Zwei-Ebenen-Lösung Q uelle: eigene Darstellung
