eJournals Internationales Verkehrswesen 62/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0040
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Entwicklung des Verkehrshandels seit 1930

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Christian Holz-Rau
Joachim Scheiner
Anna Weber
Vera  Klöpper
Die längerfristige Entwicklung des Verkehrshandelns ist in den meisten Ländern mangels historischer Daten nur wenig erforscht. Für Deutschland liegen erst seit 1976 (West) bzw. 1972 (Ost) belastbare Daten vor. Die gravierenden Veränderungen der Motorisierung, der Stadtstrukturen, der Verkehrsinfrastrukturen und -angebote im letzten halben Jahrhundert lassen sich an den individuellen Mobilitätsbiografien der Menschen ablesen. In einer Diplomarbeit wurden Mobilitätsbiografien dreier Generationen anhand eines Samples von Studierenden der TU Dortmund untersucht. Im Mittelpunkt stand der Vergleich der Studierenden mit ihrer Eltern- und Großelterngeneration in Bezug auf zentrale Aspekte des Verkehrshandelns.
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Mobilität + Personenverkehr 10 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Christian Holz-Rau / Joachim Scheiner / Anna Weber / Vera Klöpper Entwicklung des Verkehrshandelns seit 1930 Vergleich dreier Generationen Die längerfristige Entwicklung des Verkehrshandelns ist in den meisten Ländern mangels historischer Daten nur wenig erforscht. Für Deutschland liegen erst seit 1976 (West) bzw. 1972 (Ost) belastbare Daten vor. Die gravierenden Veränderungen der Motorisierung, der Stadtstrukturen, der Verkehrsinfrastrukturen und -angebote im letzten halben Jahrhundert lassen sich an den individuellen Mobilitätsbiografien der Menschen ablesen. In einer Diplomarbeit wurden Mobilitätsbiografien dreier Generationen anhand eines Samples von Studierenden der TU Dortmund untersucht. Im Mittelpunkt stand der Vergleich der Studierenden mit ihrer Eltern- und Großelterngeneration in Bezug auf zentrale Aspekte des Verkehrshandelns. Die Autoren Prof. Dr.-Ing. Christian Holz-Rau, PD Dr. Joachim Scheiner, Dipl.-Ing. Anna Weber, TU Dortmund, Fakultät Raumplanung, Fachgebiet Verkehrswesen und Verkehrsplanung, August- Schmidt-Str. 10, 44221 Dortmund, joachim.scheiner@tu-dortmund.de; Dipl.- Ing. Vera Klöpper, econex verkehrsconsult gmbh, Bahnstr. 23, 42327 Wuppertal, kloepper@econex.de 1 Hintergrund: Mobilitätsbiografien Mobilitätsbiografien bezeichnen die Entwicklung der individuellen Verkehrsnachfrage - im Sinne der Verkehrsmittelverfügbarkeit und des Verkehrshandelns - im Lebenslauf einer Person (Lanzendorf 2003, Scheiner 2007). Der sich gegenwärtig entwickelnde mobilitätsbiografische Forschungsansatz nimmt an, dass das Verkehrshandeln einer Person aufgrund von Routinen längerfristig relativ stabil ist. Vor allem im Kontext bestimmter Erfahrungen und Schlüsselereignisse im Lebenslauf verändert es sich deutlich. Als solche Schlüsselereignisse werden vor allem Umzüge, Ausbildungs- oder Arbeitsplatzwechsel, der Eintritt in den Arbeitsmarkt oder in die Rente, familiäre Ereignisse wie die Haushaltsgründung oder die Geburt eines Kindes angesehen, die ihrerseits auch miteinander verbunden sein können (z. B. Eintritt ins Erwerbsleben und Umzug). Allgemein gesprochen lassen sich diese Ereignisse im Wesentlichen drei individuellen „Teilbiografien“ zuordnen: der Erwerbsbiografie, der Familien- und Haushaltsbiografie sowie der Wanderungsbiografie. Vor allem im Kontext dieser drei biografischen Linien ist die Entwicklung von Mobilitätsbiografien zu sehen. Dabei bestehen keine einfachen Ursache-Wirkungs-Beziehungen, sondern vielfältige Wechselbeziehungen, wie beispielsweise für Wohnstandortverlagerungen und Verkehr nachgewiesen wurde (Scheiner 2006). Neben solchen Schlüsselereignissen könnten auch biografische Prägungen über Generationen hinweg eine Rolle spielen, da Verkehrshandeln und Mobilität auch Ausdruck von Lernprozessen sind. Diese beruhen zum einen auf eigenen Erfahrungen, zum anderen werden sie durch Sozialisationsinstanzen wie Schule und Elternhaus vermittelt. In diesem Sinne können Mobilitätsbiografien durch die im Kindesalter erlernte Verkehrsmittelnutzung oder Distanzempfindlichkeit geprägt werden (Haustein, Klöckner und Blöbaum 2009). Der mobilitätsbiografische Ansatz ist jedoch nicht nur auf der Ebene individueller Lebensverläufe anwendbar, sondern auch für Bevölkerungsaggregate. So sind für unterschiedliche Generationen (Kohorten) typische Biografien mit spezifischen Prägungen und Verhaltensweisen zu erwarten. Führerscheinbesitz und Motorisierung etwa sind kohortenspezifische Phänomene, die aufgrund der Motorisierungsprozesse im jungen Erwachsenenalter in die ältere Bevölkerung „hineinwachsen“ (Beckmann, Holz-Rau, Rindsfüser und Scheiner 2006). In einer Diplomarbeit am Fachgebiet Verkehrswesen und Verkehrsplanung der Technischen Universität Dortmund wurden Mobilitätsbiografien dreier Generationen anhand eines Samples von Studierenden der Raumplanung untersucht (Klöpper und Weber 2007). Im Mittelpunkt standen drei Fragen: 1. Ist eine generationsübergreifende Prägung von verkehrsmittelbezogenen Einstellungen und Verkehrshandeln der jüngeren Generationen nachweisbar? 1 2. Wie ändert sich das Verkehrshandeln nach Schlüsselereignissen im Lebensverlauf im Kontext von Wanderungs-, Erwerbs- und Haushaltsbiografie? 3. Wie unterscheiden sich verkehrsbezogene Einstellungen und Handlungsmuster zwischen den Generationen? Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht vor allem die dritte Frage mit Bezug zu den verkehrsbezogenen Handlungsmustern und damit der Vergleich von drei Generationen: Studierende, ihre Eltern und ihre Großeltern. Wir konzentrieren uns dabei auf ausgewählte Aspekte des Verkehrshandelns. Dabei wird vorwiegend das Verhalten in jeweils vergleichbaren Lebenssituationen verglichen (z. B. im ersten Schuljahr). Es handelt sich also nicht um einen Vergleich zwischen Altersgruppen, sondern um einen Vergleich von Generationen bei gegebenen Ereignissen in verschiedenen historischen Situationen. Ergänzend werden an ausgewählten Beispielen Übergänge im Verlauf des Ausbildungs- und Erwerbsprozesses thematisiert und damit auf die zweite Frage Bezug genommen. Der Beitrag schließt damit an eine methodisch und inhaltlich ähnliche Studie in Großbritannien an (Pooley, Turnbull und Adams 2006). Auf der Grundlage retrospektiver Interviews zeigte diese die massive Zunahme der Pkw-Nutzung für den Arbeitsweg über das letzte Jahrhundert hinweg, aber wenig Veränderung der Wegelängen und des Zeitaufwandes von Kindern beim Schulweg. Für die Bundesrepublik liegen unserer Kenntnis nach keine vergleichbaren Studien vor. 2 Methodik Die hier verwendeten Daten wurden im Rahmen einer Befragung an der Technischen Universität Dortmund im Sommer 2006 erhoben. Befragt wurden Studierende des Studiengangs Raumplanung im zweiten und sechsten Semester (Grundgesamtheit: circa 320 Studierende). Diese befragten ihrerseits ihre Eltern und maximal zwei ihrer Großeltern, fungierten also gleichzeitig als Befragte und Befragende. Die Großelternteile wurden nach der Last- Birthday-Methode ausgewählt. Die drei befragten Generationen entsprechen grob Mobilität + Personenverkehr 11 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 den Geburtskohorten 1981- 85 (84 % der Studierenden), 1950 - 59 (70 % der Eltern) und 1920 - 29 (62 % der Großeltern; die meisten anderen Großeltern sind in den 1930er Jahren geboren). Angaben zum Schulweg der Großeltern in der ersten Schulklasse entsprechen also in etwa dem historischen Zeitraum von Mitte der 1920er bis Ende der 1930er Jahre. Die Befragung enthielt dem Thema entsprechend eine große Anzahl retrospektiver Fragen, was Probleme der Reliabilität aufwirft. Um diese bestmöglich sicherzustellen, beschränkten sich die retrospektiven Fragen auf Kernelemente des realisierten Verkehrshandelns und der Motorisierung unter Ausklammerung von Einstellungen, Meinungen und Details. Der Fragebogen umfasste für jede Person Fragen zur Wanderungsbiografie, zum Verkehrshandeln (Schul-, Ausbildungs- und Arbeitswege) und zur Urlaubsmobilität, zu Verkehrsmitteleinstellungen (Präferenzen), zur Verfügbarkeit von Führerschein und Fahrzeugen einschließlich Angaben zu Zeitpunkten von Veränderungen sowie soziodemografische Angaben einschließlich biografischer Verläufe (Geburtsjahr von Kindern, Heirats- und gegebenenfalls Scheidungsjahr(e)). Verkehrshandeln und Urlaubsmobilität wurden jeweils anhand ausgewählter Indikatoren für den gegenwärtigen Zeitpunkt sowie retrospektiv für ausgewählte Zeitabschnitte im Leben erfasst. Dabei standen Verkehrsmittelnutzung und Wegelängen im Mittelpunkt. Insgesamt lagen 352 auswertbare Fragebögen vor, darunter 115 von Studierenden, 184 von Eltern und 53 von Großeltern. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 32 %. Die ausgegebenen Fragebögen entsprechen unter den Studierenden mit n = 315 (brutto) nahezu einer Vollerhebung. Die rechnerische Bruttostichprobe von 2 x 315 = 630 Elternfragebögen und 2 x 315 = 630 Großelternfragebögen wurde aufgrund von verstorbenen und mangels Kontakt nicht erreichbaren Eltern- oder Großelternteilen nicht erreicht. Weder Grundgesamtheit noch Stichprobe entsprechen der Dortmunder oder gar der deutschen Bevölkerung. Bei den Studierenden handelt es sich um eine bezüglich des Bildungsniveaus und der Berufswahl ausgewählte, eng definierte Bevölkerungsgruppe. Frauen sind mit 45 % unter den Studierenden leicht unterrepräsentiert, mit 53 % unter den Eltern leicht überrepräsentiert. Unter den Großeltern dominieren mit 77 % die Großmütter gegenüber den Großvätern deutlich, zum einen aufgrund der höheren Lebenserwartung, zum anderen aufgrund einer höheren Antwortbereitschaft. So liegen in der Altersgruppe 67 (jüngste Großeltern) bis 80 Jahre 26 Fragebögen von Großmüttern vor, aber nur sieben Fragebögen von Großvätern. Dies geht weit über den Frauenüberschuss in dieser Altersgruppe hinaus. Auch die Eltern der Studierenden zeichnen sich - gemessen an der Gesamtheit der entsprechenden Jahrgänge - durch ein hohes mittleres Bildungsniveau aus. 32 % der befragten Eltern verfügen über das Abitur und weitere 15 % über die Fachhochschulreife 2 . Unter den Großeltern haben 82 % die Schule mit dem Volksschulabschluss verlassen. Das Abitur spielt hier quantitativ keine Rolle. In der großen Differenz im Bildungsniveau zwischen Eltern und Großeltern spiegelt sich die Bildungsexpansion der 1960er und 1970er Jahre. Aufgrund der Selektivität der Grundgesamtheit sollten die Ergebnisse keinesfalls als Abbild der Gesamtverkehrsentwicklung interpretiert werden. Dennoch geben sie interessante Einblicke in historische Veränderungen des Verkehrshandelns über einen Zeitraum, für den keine exakten Daten vorliegen. Gleichzeitig kann diese Studie zur Weiterentwicklung des methodischen Instrumentariums zur retrospektiven Erhebung von Verkehrshandeln und Mobilitätsbiografien über längere Zeiträume beitragen. 3 Ergebnisse Die im Folgenden dargestellten Ergebnisse konzentrieren sich auf folgende Fragen: ̇ Wie haben sich Führerscheinbesitz und Pkw-Verfügbarkeit im Vergleich der Generationen und im Verlauf der individuellen Biografien entwickelt? (Kapitel 3.1) ̇ Welche Veränderungen zeigen sich in den Wegelängen zur Schule und zur Arbeit im Vergleich der Generationen und im Verlauf der individuellen Biografien? (Kapitel 3.2) ̇ Wie hat sich im Vergleich der Generationen sowie im Kontext ausgewählter biografischer Ereignisse die Verkehrsmittelnutzung verändert? (Kapitel 3.3 und 3.4). 3.1 Führerscheinbesitz und Pkw-Verfügbarkeit 88 % der Befragten verfügen über einen Pkw-Führerschein. Die Großeltern unterscheiden sich dabei signifikant von den beiden jüngeren Generationen. Unter den Studierenden haben 98 % einen Pkw-Führerschein (Tabelle 1) . Mit 96 % verfügen fast ebenso viele Eltern wie Studierende über eine Pkw-Fahrerlaubnis. Unter den Großeltern beträgt der Anteil nur 34 %. Dieser niedrige Anteil ist zum großen Teil durch die hohe Anzahl von Großmüttern bedingt. In den beiden jüngeren Generationen sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen wesentlich geringer und nicht signifikant. Betrachtet man zusätzlich das Alter, in dem der Führerschein erworben wurde, zeigen sich weitere geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen den Generationen (Tabelle 2) . Während fast alle Studentinnen und Studenten bereits mit 18 Jahren den Führerschein erwerben, kam der Führerscheinerwerb in der Elterngeneration erkennbar später „in Fahrt“. Dabei hatten die Väter gegenüber den Müttern noch einen deutlichen „Vorsprung“, der erst im Alter von über 30 Jahren allmählich ausgeglichen wurde. In der Großelterngeneration setzte der Führerscheinerwerb nochmals deutlich später ein und beschränkte sich weitgehend auf die Großväter (das Mindestalter zum Führerscheinerwerb be- Tab. 2: Führerscheinbesitz nach Generationen, Alter und Geschlecht Quelle: eigene Analysen Studierende Eltern Großeltern im Alter weiblich männlich weiblich männlich weiblich männlich von mit FS mit FS mit FS mit FS mit FS mit FS 18 83 % 71 % 40 % 47 % 0 % 8 % 21 100 % 98 % 67 % 87 % 0 % 8 % 25 78 % 92 % 2 % 33 % 30 90 % 94 % 5 58 % 35 91 % 98 % 12 % 75 % 40 92 % 99 % 17 % 83 % 45 94 % 99 % 17 % 83 % 50 99 % 20 % 83 % von 52 63 97 85 41 12 Anmerkung: Das Alter der jeweils leeren Felder ist noch nicht von allen Befragten der jeweiligen Generation erreicht. Daher ist eine Anteilsangabe nicht sinnvoll. Tab. 1: Pkw-Führerscheinbesitz nach Generationen und Geschlecht Quelle: eigene Analysen Studierende Eltern Großeltern FS von FS von FS von weiblich 100 % 52 94 % 97 20 % 41 männlich 97 % 63 99 % 85 83 % 12 gesamt 98 % 115 96 % 182 34 % 53 Mobilität + Personenverkehr 12 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Tab. 5: Einfache Wegelängen zur Arbeit nach Generationen und Jahrgang (Median in km und in Klammern Anzahl der Befragten mit Arbeitswegen) Quelle: eigene Analysen trug damals 18 Jahre). Der Befund des immer früheren Führerscheinerwerbs bestätigt sich bei einer Kontrolle des Bildungsniveaus. Im Alter von 19 Jahren besaßen 97 % der Studierenden einen Pkw-Führerschein. Unter den Müttern oder Vätern mit Hochschulabschluss waren es im gleichen Alter dagegen nur 61 % (und damit im Übrigen weniger als im Durchschnitt aller Eltern (76 %)). Die Ergebnisse bestätigen damit zumindest für Studierende andere Aussagen, nach denen der Erwerb eines Pkw-Führerscheins in der jungen Generation ein selbstverständliches, mit der Volljährigkeit verbundenes Ereignis ist, ein „Initiationsritus in die Welt der Erwachsenen“ (Mienert 2003: 28). Dies gilt sowohl für männliche als auch für weibliche Jugendliche (Tully und Baier 2006: 146). Dabei ist in der Generation der Studierenden ein größerer Abstand zwischen Führerschein- und Pkw-Erwerb festzustellen als in den vorangegangenen Generationen. Während nur ein Viertel der Studierenden im Jahr des Führerscheinerwerbs auch über einen eigenen Pkw verfügte, waren dies in der Elterngeneration fast 40 %, in der Großelterngeneration fast 60 %. Dabei vollzog sich die Motorisierung nicht etwa schneller bzw. früher, sondern der Führerschein wurde von den Eltern und vor allem Großeltern häufig erst erworben, wenn eine Pkw-Anschaffung bevorstand. Umgekehrt konnten in der Generation der Eltern und Großeltern viele Führerscheinneulinge zunächst überhaupt nicht auf einen Pkw zugreifen. Dagegen ist unter der jüngeren Generation die zeitweise Pkw-Verfügbarkeit sehr viel häufiger geworden. Dies ist bedingt durch die fortschreitende Motorisierung, die dazu führt, dass den meisten jungen Erwachsenen heute zumindest gelegentlich im (Eltern-) Haushalt oder anderweitig ein Pkw zur Verfügung steht, solange (noch) kein eigener Pkw vorhanden ist. Eingegrenzt auf den Vergleich von studierten Eltern und Studierenden zeigt sich, anders als beim Führerscheinerwerb, eine weitgehende Konstanz des Zeitpunkts der Anschaffung des ersten eigenen Autos. Von den 103 Studierenden besaßen im Alter von 19 Jahren 25 % einen Pkw. Unter den 43 Müttern oder Vätern mit Hochschulabschluss waren es mehr als zwanzig Jahre zuvor mit 21 % kaum weniger. 3.2 Wegelängen zur Schule und zur Arbeit Wegelängen wurden exemplarisch für ausgewählte Aktivitäten und Zeitpunkte im Leben erhoben. Die Befragung beschränkte sich auf Aktivitäten, die für möglichst viele Befragte beantwortbar sind, einerseits im Sinne einer relativ guten Erinnerung, andererseits im Sinne des Zutreffens. Erhoben wurden die Wege zur Schule, Ausbildung und Erwerbstätigkeit in ausgewählten Altersstufen. Für den Generationenvergleich werden die gegenüber Ausreißern robusten Mediane der einfachen Wegelängen verwendet. Die Ergebnisse (Tabelle 4) bestätigen die Vermutung kürzerer Wege in früheren Generationen. Dies gilt für Schulwege, Ausbildungswege und Arbeitswege gleichermaßen. Da von den Großeltern keine Person mehr erwerbstätig ist, wird hier auch die Länge des jeweils letzten Arbeitsweges dargestellt. Dabei zeigt sich, dass die Großeltern kürzere Wege zurücklegten als die jüngeren Generationen. Besonders auffällig ist im Vergleich der Berufswege der Studierenden und ihrer Eltern, dass die Studierenden bereits bei ihren aktuellen studentischen Jobs (aktuelle Distanzen zur Arbeit) deutlich weiter unterwegs sind als ihre Eltern derzeit. Dies deutet auf eine von Generation zu Generation zunehmende Gewöhnung an längere Distanzen im Berufsverkehr hin, auf einen Kohorteneffekt nicht nur in der Motorisierung, sondern auch im alltäglichen Verkehrshandeln. Dabei ist der Unterschied zwischen den Distanzen der Studierenden und ihrer Eltern kein Effekt der Motorisierung, denn die Erwerbstätigen der Elterngeneration verfügen alle über einen Pkw (87 % „immer“, 13 % „häufig“). Im Generationenvergleich über einzelne Zeitschnitte bestätigt sich dies. Die Mediane der Berufsverkehrsdistanzen liegen in den jeweils folgenden Generationen zu einem gegebenen Zeitpunkt jeweils deutlich über den Distanzen der vorherigen Generation (Tabelle 5) , mit einer Ausnahme (n = 6! ) im Jahr 2000. Eine Kontrolle dieser Ergebnisse hinsichtlich der Bildungsabschlüsse ist mit dem verfügbaren Stichprobenumfang noch nicht möglich. Die Ergebnisse lassen jedoch vermuten, dass die jeweils höheren Bildungsabschlüsse der Folgegenerationen hier eine wesentliche Rolle spielen (Tabelle 6) . Eine Kontrolle der Effekte des Bildungsniveaus erfolgt zum einen durch den Vergleich von Personen, die wie die Studierenden ein Gymnasium besucht haben, zum anderen im Hinblick auf die Distanzen zur Hochschule und zur Arbeit. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Bildungsexpansion für das Verkehrshandeln. Die Unterschiede der Wegelängen zwischen Eltern und Studierenden werden zwar nicht vollständig nivelliert, gleichen sich aber tendenziell ein- Studierende Eltern Großeltern immer 27 % 39 % 59 % häufig 48 % 16 % 0 % selten 19 % 8 % 0 % nie 6 % 37 % 41 % n 109 174 17 Tab. 3: Pkw-Verfügbarkeit im Jahr des Führerscheinerwerbs Quelle: eigene Analysen Tab. 4: Einfache Wegelängen zur Schule, Ausbildung und Arbeit (Median in km) Quelle: eigene Analysen Studierende Eltern Großeltern Schule 1. Klasse 8. Klasse Abschlussklasse 1,3 (113) 3,5 (115) 4,0 (113) 1,0 (183) 2,5 (179) 3,5 (168) 1,0 (51) 1,8 (52) 1,5 (49) Ausbildung 1. Jahr letztes, bei Studierenden aktuelles Jahr 8,0 (106) 6,5 (103) 5,0 (168) 5,0 (165) 3,0 (35) 3,0 (32) Arbeit aktuelles, bei Großeltern* letztes Jahr 8,0 (25) 6,0 (169) 2,7 (34) * In wenigen Fällen gegenwärtiger Nicht-Erwerbstätigkeit, aber früherer Erwerbstätigkeit auch bei Eltern und Studierenden das letzte Jahr der Erwerbstätigkeit Stichprobenumfang in Klammern Studierende Eltern Großeltern gesamt 1950 - - 2,2 (14) 2,2 (14) 1960 - 8,7 (6) 1,2 (14) 2,1 (20) 1970 - 4,5 (57) 3,0 (16) 4,0 (73) 1980 - 7,0 (119) 3,0 (21) 6,0 (140) 1990 - 7,0 (103) 2,0 (6) 7,0 (109) 2000 6,5 (6) 7,0 (121) - 7,0 (127) 2006 12,0 (11) 6,0 (116) - 6,0 (127) Stichprobenumfang in Klammern Mobilität + Personenverkehr 13 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 dem ÖV. In der Elterngeneration ist der Anteil des NMIV mit knapp 40 % wesentlich niedriger und unter den Studierenden liegt er nur noch bei knapp 12 %. Dafür nimmt der ÖV beim Ausbildungsweg von Generation zu Generation stark zu 3 . Der hohe ÖV-Anteil der Studierenden zur Hochschule hängt vermutlich mit dem Semesterticket an der TU Dortmund zusammen, das an die Studienbeiträge gedie nicht-motorisierten Verkehrsmittel (NMIV). Die Ergebnisse bleiben bei einer Kontrolle der Schulbildung weitgehend stabil. Wie zur Schule gelangten die meisten Großeltern auch zur Ausbildungsstätte zu Fuß (Abbildung 2) . Mehr als zwei Drittel der Großeltern haben für den Ausbildungsweg nicht-motorisierte Verkehrsmittel genutzt, die übrigen fuhren fast alle mit ander an. Dennoch sind die Studierenden auch bei Kontrolle des Bildungsniveaus stets weiter unterwegs als ihre Eltern, mit Ausnahme der gegenwärtigen bzw. jeweils letzten Arbeitswege. 3.3 Verkehrsmittelnutzung zur Schule und zur Arbeit Wie bei den Wegelängen lassen sich auch bei der Verkehrsmittelnutzung deutliche Unterschiede zwischen den Generationen feststellen. Die Erstklässler in allen Generationen legen den Schulweg meist zu Fuß zurück (Abbildung 1) . Die Großeltern begannen ihre Schullaufbahn praktisch ausschließlich zu Fuß. Seitdem nimmt der Anteil des Fußverkehrs ab. Der gegenüber den Großeltern deutlich höhere Anteil des Fahrrades bei Eltern und Studierenden deutet bereits an, dass längere Wege durch das Fahrrad kompensiert werden. Dies gilt auch für den hohen Anteil öffentlicher Verkehrsmittel unter der Studierendengeneration bereits in der ersten Schulklasse. Dies erscheint weniger als Effekt einer Konzentration von Schulstandorten, sondern vor allem als Effekt einer Dispersion der Wohnstandorte. Der MIV spielt in der ersten Klasse kaum eine Rolle. Auch in der achten Klasse kam mit knapp 90 % der größte Teil der Großeltern zu Fuß zur Schule, bei den Eltern dagegen nur noch die Hälfte. Die Studierenden nutzten in der achten Schulklasse hingegen bereits zur Hälfte öffentliche Verkehrsmittel (ÖV). Der Anteil des Fahrrades liegt hier bei 30 %, jeder Fünfte geht zu Fuß. Der MIV spielt keine Rolle. Die Abschlussklasse ist für die Großeltern häufig mit der achten Klasse identisch. Die Fußgänger stellen entsprechend die größte Gruppe (88 %). Je 6 % entfallen auf Fahrrad und ÖV. Sowohl bei den Studierenden als auch bei den Eltern stellt der ÖV in der Abschlussklasse das häufigste Verkehrsmittel dar. In der Generation der Eltern folgen an zweiter Stelle mit 29 % noch immer die Fußgänger. Dagegen stellen diese bei den Studierenden die kleinste Gruppe. Der Anteil der MIV-Nutzer ist hingegen auf 30 % stark angestiegen und stellt nach dem ÖV das zweithäufigste Verkehrsmittel dar. Der große Unterschied zur Generation der Eltern hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen. Zum einen waren wesentlich mehr Studierende als Eltern in ihrer Abschlussklasse volljährig (Abitur). Unter diesen wiederum besaßen aufgrund des früheren Führerscheinerwerbs mehr Studierende als Eltern einen Führerschein. Drittens hatten in diesem Alter mehr Eltern als Studierende trotz Führerschein keinen Zugriff auf einen Pkw. Somit war Studierenden in ihrer Abschlussklasse die Nutzung eines Pkw für den Weg zur Schule eher möglich als ihren Eltern. Damit wurden in der Studierendengeneration in der Abschlussklasse der Schule erstmals häufiger motorisierte Verkehrsmittel genutzt als nicht motorisierte. Dagegen überwiegen in den beiden älteren Generationen am Ende der Schulzeit noch Studierende Eltern Gymnasium 8. Klasse Abschlussklasse 3,5 (115) 4,0 (113) 3,0 (87) 3,5 (81) Hochschule 1. Jahr letztes/ aktuelles Jahr 7,9 (95) 6,5 (102) 6,5 (42) 5,0 (55) Arbeit 1. Jahr letztes bzw. aktuelles Jahr 7,0 (25) 8,0 (25) 5,0 (63) 10,0 (63) Stichprobenumfang in Klammern Tab. 6: Wegelängen zum Gymnasium, zur Hochschule und zur Arbeit (Mediane in km und in Klammern Anzahl der Befragten mit den entsprechenden Wegen) Quelle: eigene Analysen Abb. 1: Verkehrsmittelnutzung auf dem Schulweg (Angaben in %) Quelle: eigene Analysen Stichprobenumfang in Klammern Abb. 2: Verkehrsmittelnutzung auf dem Ausbildungsweg (Angaben in %, erstes Ausbildungsjahr) Quelle: eigene Analysen Stichprobenumfang in Klammern Mobilität + Personenverkehr 14 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Tab. 7: Anteil der Befragten mit veränderter Verkehrsmittelnutzung im Vergleich zum vorherigen Zeitpunkt (Angaben in %) Quelle: eigene Analysen Studierende Eltern Großeltern Schule: 1. Klasse - 8. Klasse 63,5 (64) 39,7 (73) 9,8 (5) Schule: 8. Klasse - letzte Klasse 41,8 (49) 28,2 (42) 14,3 (1) Ausbildung: 1. Jahr - letztes (bei Studierenden aktuelles) Jahr 25,5 (33) 31,5 (56) 8,1 (3) Erwerbstätigkeit: 1. Jahr - Befragungszeitpunkt 40,0 (101) 38 (16) Übergänge Schule - Ausbildung 33,3 (87) 41,9 (101) 59,5 (19) Ausbildung - Erwerbstätigkeit 60,4 (79) 40,9 (14) Stichprobenumfang in Klammern gleich zwischen dem Modal Split der ersten und der aktuellen Arbeitswege (mittlerer Block) zeigt sich eine zunehmende Nutzung des Pkw, die sich als Effekt der zunehmenden Motorisierung im Zeitverlauf interpretieren lässt. Dies erfolgte zu Lasten des ÖV und der Wege zu Fuß. Auch bei den Studierenden unterscheiden sich die Verkehrsmittelanteile zwischen ihrer ersten und der aktuellen Arbeit. Wiederum ist der Anteil des Pkw mit 55 % aktuell höher als unter den ersten Arbeitswegen (33 %). Dies ist jedoch nicht auf die allgemein steigende Motorisierung wie in der Eltern- und Großelterngeneration zurückzuführen, sondern altersbedingt auf das Erreichen der Volljährigkeit. Während die Kategorie „aktuelle Arbeit“ nur Beschäftigungsverhältnisse während des Studiums umfasst, sind in den ersten Arbeitswegen auch Wege aus der Zeit vor dem Studium (und damit teilweise vor der Volljährigkeit) enthalten. Dennoch ist der ÖV- Anteil unter den aktuellen Arbeitswegen mit 36 % noch sehr hoch (Semesterticket). 3.4 Verkehrsmittelnutzung im Lebensverlauf Die bisherigen Analysen stellten den Generationsvergleich in den Zusammenhang von bestimmten Zeitpunkten oder Tätigkeiten. Entsprechend des biografischen Ansatzes der Erhebung sind jedoch auch Analysen möglich, die sich auf individuelle Veränderungen im Lebenslauf beziehen. Eine entsprechende Annahme des mobilitätsbiografischen Ansatzes lautet: Bestimmte Schlüsselereignisse im Lebenslauf gehen mit Veränderungen des Verkehrshandelns einher, während innerhalb abgrenzbarer Lebensphasen wie Schulzeit oder Ausbildungszeit eine gewisse Konstanz vorherrscht. Dies wird im Folgenden exemplarisch anhand der Verkehrsmittelnutzung auch im Generationenvergleich untersucht (Tabelle 7) . Sowohl innerhalb biografischer Phasen als auch zwischen diesen zeigen sich Veränderungen der Verkehrsmittelnutzung. Diese können mit Ortswechseln (z. B. Umzüge, Schulwechsel) verbunden sein, müssen dies aber nicht. Dabei haben viele Studierende bereits während der Schulzeit die Art der Fortbewegung gewechselt. Meist erfolgte der Wechsel beim Übergang auf eine weiterführende Schule vom Fußweg zum ÖV. Im Generationsvergleich zeigen sich eine höhere Verkehrsmittelstabilität der Eltern und Großeltern innerhalb der Phasen und eine höhere Wechselintensität zwischen den Phasen. Da viele Eltern und vor allem Großeltern bis zum Ende der Schulzeit zu Fuß gingen, führen bei ihnen die Übergänge zur Ausbildung oder Erwerbstätigkeit häufiger zu einem Wechsel des Verkehrsmittels als bei den Studierenden, die überwiegend bereits in der Schulzeit auf den ÖV angewiesen waren. Interessant ist auch eine Betrachtung der Konstanz bzw. Veränderung in Abhängigkeit vom Verkehrsmittel, das zu einem Ausgangszeitpunkt genutzt wird (ohne Tabelle). Anhand der Schullaufbahn der ren die äußerst geringen Unterschiede zum zweiten Block aus dem Berufsausstieg weniger Elternteile. Für die Studierendengeneration kommen bei Studierenden ohne aktuelle Erwerbstätigkeit im dritten Block vor allem Berufswege aus der Zeit vor Beginn des Studiums hinzu. Abbildung 3 zeigt, dass die Großeltern nicht nur Schul- und Ausbildungswege, sondern auch ihre Arbeitswege in erheblichem Maße zu Fuß zurücklegten. Auch zum Ende ihrer Erwerbsphase (entsprechend etwa dem Zeitraum 1985 - 1995) kamen noch 40 % der Großeltern zu Fuß zur Arbeit, und nur gut 20 % mit dem Pkw. Zu Beginn der Berufsbiografie der Großeltern - im oder kurz nach dem Zweiten Weltkrieg - spielte der Pkw überhaupt keine Rolle. Mehr als die Hälfte der Großeltern kamen zu dieser Zeit zu Fuß zur Arbeit, ein weiteres Viertel mit dem Fahrrad. Damit haben im Lebensverlauf der Großeltern der Pkw und geringfügig auch der ÖV an Bedeutung gewonnen und zwar zu Lasten der Wege zu Fuß und mit dem Fahrrad. Die Eltern leg(t)en dagegen bereits bei ihren ersten Beschäftigungsverhältnissen mehr als ein Drittel (36 %) ihrer Arbeitswege mit dem Pkw zurück. Der Anteil der Arbeitswege zu Fuß und mit dem Rad ist deutlich geringer als bei den Großeltern, der Anteil des ÖV dagegen höher. Im Verkoppelt ist 4 . Betrachtet man dagegen die Studierenden, die vor Besuch der Universität eine nicht hochschulische Ausbildung gemacht haben, so ist der Anteil der ÖV- Nutzer mit 36 % wesentlich niedriger und liegt auf dem Niveau der Elterngeneration (40 %) 5 . Dagegen war bei den Eltern, die eine Hochschule besucht haben, der ÖV- Anteil deutlich niedriger und der MIV-Anteil deutlich höher als bei den aktuell Studierenden (Abbildung 2) . Möglicherweise spielt für den relativ hohen MIV-Anteil der Eltern bei deren Studium auch eine kulturell begründete MIV- Affinität der 1970er Jahre eine Rolle - das Auto als Freiheitsversprechen -, während sich die Beziehung zum Auto für heutige Studierende (gegebenenfalls speziell für Studierende der Raumplanung) kritischer bzw. rationaler darstellen mag. Die Arbeitswege wurden nicht nur für bestimmte Jahre, sondern in Form von Erwerbsbiografien über die gesamte bisherige Erwerbstätigkeit der Befragten erhoben. Abbildung 3 teilt sich daher in drei Teile. Links sind die Wege zum jeweils ersten Arbeitsplatz enthalten. Der zweite Block bezieht sich auf die aktuelle Arbeit. Da die Großelterngeneration nicht mehr erwerbstätig ist, entfallen deren Angaben hier. Im letzten Block werden die jeweils letzten Arbeitswege der Großeltern einbezogen. Hinsichtlich der Elterngeneration resultie- Abb. 3: Verkehrsmittelnutzung auf dem Arbeitsweg (Angaben in %) Quelle: eigene Analysen Mobilität + Personenverkehr 15 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 knapp 60 % (vgl. BMVBW 1991: 166 und BMVBW 2005: 112[0]). 4 Unter den Studierenden scheint sich damit das Semesterticket sogar gegen eine nur mäßige ÖPNV-Anbindung und gute Parkmöglichkeiten an der Universität durchzusetzen. 5 Dabei ist zu beachten, dass die betreffenden Eltern zu Beginn ihrer nicht hochschulischen Ausbildung im Schnitt jünger waren als die Studierenden, die vor ihrem Studium eine andere Ausbildung absolvierten. Knapp 50 % der Eltern haben kein (Fach-)Abitur. Diese waren häufig noch nicht 18 Jahre alt, als sie ihre Ausbildung aufnahmen. Die Studierenden, die vor ihrem Studium eine nicht hochschulische Ausbildung absolvierten, waren hingegen beim Beginn dieser Ausbildung zu mehr als 80 % bereits volljährig. Literatur Baslington, H. (2007): Travel Socialisation: A Social Theory of Travel Mode Behaviour. Paper presented at the European Transport Conference, Leiden, Netherlands, 17-19 October, 2007. Beckmann, K.J.; Holz-Rau, C.; Rindsfüser, G.; Scheiner, J. (2005): Mobilität älterer Menschen - Analysen und verkehrsplanerische Konsequenzen. In: Echterhoff, Wilfried (Hg.): Strategien zur Sicherung der Mobilität älterer Menschen. Köln. S. 43 -71. BMV (Bundesministerium für Verkehr, Hrsg., 1985): Verkehr in Zahlen. Hamburg. BMVBW (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hrsg., 2005): Verkehr in Zahlen 2005/ 2006. Hamburg. Haustein, S.; Klöckner, C. A.; Blöbaum, A. (2009): Car use of young adults: The role of travel socialization. In: Transportation Research Part F 12(2), S. 168 -178. Klöpper, V.; Weber, A. (2007): Generationsübergreifende Mobilitätsbiographien. Unveröffentlichte Diplomarbeit an der Fakultät Raumplanung der Universität Dortmund. Lanzendorf, M. (2003): Mobility Biographies. 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Die Erhebung der Daten an der TU Dortmund wird daher in jedem Studienjahr fortgeführt, so dass zukünftig komplexere Analysen - wenn auch nur an einem speziellen Sample - möglich sein werden. Dies soll dazu beitragen, den Forschungsansatz der Mobilitätsbiografien empirisch weiter zu untermauern und einen komplexeren Erklärungshintergrund für Veränderungen des Verkehrshandelns und der Verkehrsstrukturen zu schaffen. Umgekehrt wird sich eine derartig komplexe Erhebung sicherlich nicht in für andere Verkehrsuntersuchungen üblichen Stichprobenumfängen realisieren lassen. Sie bieten aber auch anhand kleinerer Stichproben die Möglichkeit eines besseren Verständnisses von Veränderungsprozessen, die dann als Interpretationshintergrund in anderen Untersuchungen genutzt werden können. 1 Dies gäbe Hinweise auf Sozialisationseffekte, die zwar in der Verkehrspsychologie und -soziologie immer wieder behauptet werden (Baslington 2007), aber bisher nur wenig empirisch untersucht wurden (etwa von Haustein, Klöckner und Blöbaum 2009). Mit diesen Fragen sind im Detail teilweise sehr komplexe Analysen verbunden, die größere Stichproben erfordern, als sie für die hier präsentierten Befunde zur Verfügung standen. So zeigt die Wanderungsforschung, dass es Prägungen des Wanderungsverhaltens durch Wanderungserfahrungen während der Kindheit gibt. Die entsprechenden Analysen müssen jedoch auf mit dem Elternhaus verbundene soziale Struktureffekte hin kontrolliert werden, etwa das Bildungs- oder Einkommensniveau (Myers 1999). Ähnlich gilt dies für Effekte von Wohnstandortverlagerungen auf das Verkehrshandeln, die auf damit verbundene soziale Strukturen und deren Veränderungen hin zu kontrollieren sind, um den Effekt der Wanderung zu isolieren (Scheiner 2005). 2 In der etwa vergleichbaren Altersgruppe der 45bis 50-Jährigen des Jahres 2003 besaßen 24 % das Abitur oder die Fachhochschulreife, also halb so viele wie in unserer Stichprobe. In der Großelterngeneration ist dies weniger gut vergleichbar, weil das Statistische Jahrbuch die Altersgruppe 65+ lediglich als Summe ausweist. In dieser Gruppe liegt der Volksschulabschluss bei 75 % (Statistisches Bundesamt 2004: 121). Dagegen sind die Großeltern in unserer Stichprobe etwas weniger gut gebildet. Sie repräsentieren allerdings eine höhere Altersgruppe und Frauen sind deutlich überrepräsentiert. 3 Die Entwicklung hin zur Nutzung motorisierter Verkehrsmittel wird auch anhand der für die Reihe „Verkehr in Zahlen“ des BMVBW erhobenen Daten deutlich: Während 1970 nur 32 % der Schüler/ innen und Studierenden mit motorisierten Verkehrsmitteln zu ihrer Ausbildungsstätte gelangten, waren es 2004 Studierendengeneration zeigt sich, dass die Nutzung des Fahrrades langfristig besonders stabil erscheint. 44 % der Studierenden, die in der ersten Klasse mit dem Fahrrad zur Schule gelangt sind, haben dieses auch in der achten und in der letzten Schulklasse genutzt. Die korrespondierenden Anteile der „dauerhaften“ Fußgänger und ÖV-Nutzer auf dem Schulweg vom Beginn bis zum Ende der Schullaufbahn betragen 11 % bzw. 32 %. Kein Studierender, der in der ersten Klasse das Fahrrad nutzte, fuhr in der achten Klasse mit dem Pkw zur Schule. Auch von der achten zur letzten Klasse ist der Anteil der Umsteiger vom Fahrrad auf das Auto sehr gering. Ähnlich sieht es bei der Elterngeneration aus. Die Nutzung eines Fahrrads auf dem Schulweg ist seltener mit einer späteren Pkw-Nutzung auf dem Schulweg verbunden als bei anderen Vorher-Verkehrsmitteln. Ob dies auf eine besondere Bindungswirkung des Fahrrades hinweist, wäre vor allem unter Berücksichtigung der räumlichen Rahmenbedingungen an größeren Stichproben zu prüfen. 4 Ausblick Die Ergebnisse zeigen gravierende Veränderungen der zurückgelegten Distanzen und der Verkehrsmittelnutzung in bestimmten Lebenssituationen von einer Generation zur nächsten. Sie bestätigen und vertiefen damit das bekannte Bild der Verkehrsentwicklung des letzten halben Jahrhunderts. Dieses ist gekennzeichnet durch die fortschreitende Motorisierung sowie die verstärkte Nutzung des MIV und allgemein motorisierter Verkehrsmittel, vor allem auf Kosten des Fußverkehrs. Darüber hinaus stehen die zunehmenden Wegelängen sowohl im Zusammenhang mit der Spezialisierung von Aktivitäten und Einrichtungen, die auch Schulen, Ausbildungsstätten und Arbeitsplätze sowie Berufsbilder umfasst, als auch mit der Dispersion des Wohnens. Gleichzeitig zeichnen die Daten einige Veränderungen des Verkehrshandelns auf der Individualebene im Lebensverlauf nach. Diese sind teilweise an Schlüsselereignisse wie etwa den Übergang von der Schule zur Ausbildung, von der Ausbildung zur Erwerbstätigkeit oder den Eintritt in das Führerscheinalter gekoppelt. Teilweise handelt es sich aber auch um bloße Alterseffekte, wie die Veränderungen der Verkehrsmittelnutzung im Verlauf des Schulbesuchs zeigen. Teilweise deuten sich weitergehende Kohorteneffekte an, wie bei den Distanzen im Berufsverkehr. Der hier vorgestellte Untersuchungsansatz einer retrospektiven generationsübergreifenden Erhebung ermöglicht vielfältige Analysen, die mit anderen Verkehrserhebungen in der Regel nicht möglich sind. Dazu gehören: ̇ Auswirkungen biografischer Ereignisse auf das Verkehrsverhalten ̇ Generations- und Kohorteneffekte ̇ Veränderungen im individuellen Lebensverlauf ̇ generationsübergreifende Effekte. Summary Trends in travel behaviour since 1930 Due to a lack of historical data, only limited research has been undertaken in most countries into the long term development of travel behaviour. In the case of Germany, reliable data has been available only since 1976 (in the West) and since 1972 (in the East). By using individual mobility biographies, it is possible to pinpoint the fundamental changes - during the last half century - caused by motorization, urban structure, transport infrastructure, and transport capacity being offered. In a diploma thesis a sample of students attending the Dortmund University of Technology has been used to study three generations’ mobility biographies. The findings are presented in this report. The focal point was the comparison of students’ parents’ and grandparents’ travel behaviour. Going by specially selected moments in time and lifecourse, there is evidence for fundamental changes in travel from one generation to the next.