Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0043
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Schienengüterverkehr an der Schnittstelle zum Seeschiff
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René Schönemann
An den Grenzen zwischen zwei logistischen Teilsystemen müssen sowohl Güter- als auch Informationsflüsse Barrieren überwinden. Eine Integration der Teilsysteme zu Transportketten soll helfen, diese abzubauen. Am Beispiel der Schnittstelle zwischen Seeschiff und Schienengüterverkehr ist zu erkennen, welche Schwierigkeiten bei der Integration zweier Systeme auftreten können.
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Güterverkehr + Logistik 30 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Abb. 1: Transportkette Hafen - Hinterland mit Hilfe des Schienengüterverkehrs René Schönemann Schienengüterverkehr an der Schnittstelle zum Seeschiff Integration in der Transportkette An den Grenzen zwischen zwei logistischen Teilsystemen müssen sowohl Güterals auch Informationsflüsse Barrieren überwinden. Eine Integration der Teilsysteme zu Transportketten soll helfen, diese abzubauen. Am Beispiel der Schnittstelle zwischen Seeschiff und Schienengüterverkehr ist zu erkennen, welche Schwierigkeiten bei der Integration zweier Systeme auftreten können. Der Autor Dipl.-Verk.wirtsch. René Schönemann, Technische Universität Berlin, Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, Salzufer 17-19, 10587 Berlin, RSchoenemann@railways.tu-berlin.de U nter einer multimodalen Transportkette ist allgemein der Transport von Gütern mit Hilfe von mindestens zwei verschiedenen Verkehrsträgern zu verstehen. In intermodalen Transportketten werden dazu einheitliche Ladeeinheiten, in der Regel ISO-Container, verwendet. Das transportierte Gut selbst wird dabei nicht umgeschlagen. Für den Güterumschlag stehen an den Systemgrenzen entsprechende Einrichtungen zur Verfügung. Umschlageinrichtungen von besonderer Bedeutung sind die internationalen Seehäfen. Sie sind Bindeglieder für Warenströme zwischen den Kontinenten im Hauptlauf und den vor- und nachgelagerten Hinterlandverkehren. Beim Transport von Warenströmen im Vor- und Nachlauf spielt wiederum die Eisenbahn, insbesondere bei langlaufenden Containerverkehren, eine wesentliche Rolle und erreicht einen nennenswerten Modal Split u. a. bei Verkehren von und zu den Häfen von Hamburg (32 %), Bremen (35 %) und Zeebrügge (31 %) 1 . Das in den vergangenen Jahrzehnten stetig gestiegene Transportaufkommen, insbesondere im Containerverkehr führte zu einer unvermeidbaren Entwicklung: Containerschiffe werden immer größer und unterliegen in ihrem Größenwachstum scheinbar nur wenigen unlösbaren technischen oder technologischen Grenzen 2 . Seeschiffe mit einer Kapazität von 10 000 TEU und mehr sind keine Seltenheit in den großen Häfen der Welt. Diese Entwicklung hat weitreichende Auswirkungen auf die Auslastung der Hafenhinterlandanbindungen, denn die mit den großen Schiffen anlandende große Zahl an Containern muss mit Hilfe sehr vieler Einzelverkehre landseitig weiter transportiert und verteilt werden. Bei den landseitigen Verkehrsträgern (Bahn, Binnenschiff, Lkw) konnte ein an die Seeschiffe angepasstes Wachstum der Transportgefäße nicht erfolgen. Für die Eisenbahn sind hier vor allem die Längenbeschränkung auf 700 m pro Zug, eingeschränkte Lichtraumprofile (Oberleitungen) und Gewichtsbeschränkungen auf 4000 t durch die Schraubenkupplung (in Europa) zu nennen. Es gibt bereits Bemühungen, diese Beschränkungen aufzuweichen. Der Einsatz einer automatischen Mittelpufferkupplung konnte sich in Europa bisher aber nur bei Spezialanwendungen etablieren und der lange Güterzug (1500 m) befindet sich erst in der Erforschungsphase. Eine Leistungssteigerung ist bahnseitig daher momentan nur mit einer steigenden Anzahl von Zügen realisierbar, um die wachsenden Containerschiffe bedienen zu können. Steigt die Zugzahl in einem Netz, führt dies wiederum zu Kapazitätsengpässen, die oftmals einen Ausbau der Infrastruktur zur Folge haben. Der offensichtliche Nachteil dieser Handlungsstrategie ist die Tatsache, dass Geld, Zeit und Raum nicht in unendlicher Höhe zur Verfügung stehen. Das gilt für viele Hafenstädte, besonders für jene, die bereits jetzt keine freien Flächen mehr zur Verfügung haben und an schützenswerte, empfindliche Naturräume angrenzen. Neben dem Ausbau der Infrastruktur gibt es weitere Möglichkeiten, die Leistungsfähigkeit des Eisenbahn- Hinterlandnetzes zu steigern. Eine besteht darin, die eisenbahnbahnbetrieblichen Prozesse besser zu koordinieren und an die hafenbetrieblichen Prozesse anzuknüpfen. Durch eine bessere Integration des Schienengüterverkehrs soll also die gesamte Transportkette im Hinterland optimiert und überflüssige Warte- und Pufferzeiten verringert werden. 1 Prozesskette Seehafen - Schiene - Hinterland Bevor die schienenseitige Integration von Seehäfen in die Transportkette weiter diskutiert wird, sei erwähnt, dass darunter zwei Teilprobleme zu betrachten sind. Zum einen sind Streckenkorridore zwischen Seehafen und den Quellen bzw. Senken im Inland notwendig, deren Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit Auswirkungen auf die Qualität der Transportkette haben. Des Weiteren besitzen die Eisenbahnanlagen in den Häfen und Terminals eine begrenzte Kapazität für notwendige TUL-Prozesse 3 , was ebenso einen Einfluss auf die Qualität der Transportkette hat. Die Herausforderung besteht darin, diese beiden Teilprobleme sowie alle daran beteiligten Agenten zeitlich und räumlich zu verknüpfen, um somit eine möglichst hohe Integration in der Transportkette zu erreichen. Zu den beteiligten Agenten zählen der Spediteur als Organisator bzw. Auftraggeber eines Transports sowie eine Reihe ausführender Unternehmen: Reede- Güterverkehr + Logistik 31 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Zeitfenster für den Start bzw. die Landung eines Flugzeugs darstellt, kann man diese Idee für ein- und ausfahrende Güterzüge in Rangierbahnhöfen übertragen. Da die Vorgänge in Rangierbahnhöfen jedoch komplexer sind, ist die Einführung von Zeitfenstern ohne eine gewisse Standardisierung eisenbahnbetrieblicher Vorgänge schwierig. Für landeinwärts fahrende Güterzüge stellt sich ein Problem in ähnlicher Form dar: Da sich die Unsicherheiten der Prozessfolge durch den gesamten in Abbildung 2 dargestellten Ablauf ziehen, können die Güterzüge oftmals nicht sofort ins Hinterland ausfahren. Die EVU müssen ihre Trassen vorab beim Infrastrukturbetreiber, in Deutschland also im Wesentlichen bei der DB Netz AG, verbindlich reservierei, Hafengesellschaft, mindestens ein Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU), ein oder mehrere Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) und weitere Umschlag- oder Empfangsorte. Eine idealisierte Abfolge der Informations- und Güterflüsse ist für den landeinwärtigen Transport in Abbildung 1 dargestellt. Diese Transportkette beginnt in der Regel gewiss vor dem Eintreffen eines Schiffes im Seehafen und kann auch nach dem Inland-Terminal weiterführen. Da hier die Schnittstelle zwischen Seeschiff und Schienengüterverkehr betrachtet wird, seien die übrigen Teilprozesse der Kette ausgeblendet. Für den umgekehrten Fall, den landauswärtigen Transport, stellt sich die Abbildung in umgekehrter Richtung dar. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass in der Praxis ablaufende Transportketten im Hafen-Hinterlandverkehr oftmals sehr stark von den theoretischen Modellen abweichen 4 . Eine fehlende Koordinierung zwischen den Beteiligten einer Transportkette führt im heutigen Eisenbahnbetrieb zu Unpünktlichkeit und längeren Transportzeiten. Neben lang andauernden Umschlagprozessen in Terminals und Rangierbahnhöfen führt dies zu geplanten und ungeplanten Wartezeiten (Zeitpuffern) sowie ungeplanten Betriebshalten im Hauptlauf der Güterzüge. Solche unproduktiven Perioden, verursacht durch geringe Koordination, kosten nicht nur Zeit sondern auch Infrastrukturkapazität. Sie entstehen, wenn die Kosten für die Koordination einer effizienten Transportkette in Folge von Opportunismus und begrenzter Rationalität als zu hoch beurteilt werden 5 . Könnten die Unsicherheiten, mit denen jeder der beteiligten Agenten aufgrund der ihm nicht oder nur unzureichend bekannten Handlungen der vor- und nachgelagerten Agenten konfrontiert ist, abgebaut werden, würden sich Zeitpuffer und ungeplante Unterbrechungen in der Prozessfolge verringern. Nachfolgend seien die Koordinationsschwierigkeiten der beiden Teilprobleme detailliert betrachtet. 1.1 Streckenkorridore Im sogenannten Hauptlauf eines Güterzugs, also der Relation zwischen Seehafen und Inland-Übergabestation, befindet sich das Transportgut in der Obhut eines EVU. Dieses fährt seinen Zug nach einem Fahrplan, der zuvor mit dem EIU abgestimmt wurde. Im operativen Schienengüterverkehr hat dieser Fahrplan eine geringe Relevanz. Der Grund hierfür ist in der Priorisierung des Schienenpersonenverkehrs zu finden 5 . Dies führt zu Fahrplanabweichungen mit teilweise schwerwiegenden Folgen für die Zuverlässigkeit des Schienengüterverkehrs. Es treten sowohl Verfrühungen als auch Verspätungen von jeweils bis zu mehreren Stunden auf. Da die reale Ankunft eines Güterzugs am Zielort nicht gut vorhersehbar ist, legen die EVU für ihre Züge Zeitreserven (geplante Fahrtunterbrechungen) fest, mit denen extreme Verspätungen ausgeglichen werden sollen. In vielen Fällen werden diese jedoch nicht benötigt. Solche Verfrühungen sind jedoch auch nicht immer als positiv zu bewerten, denn der zu früh ankommende Zug benötigt am Zielort ein Abstellgleis, auf dem er bis zu seiner Ent- oder Beladung bzw. Rückfahrt warten kann. Zu den geplanten Fahrtunterbrechungen kommen weitere ungeplante hinzu, die sich aus Trassenkonflikten während des Hauptlaufs ergeben. Sind die geplanten Fahrzeitreserven aufgebraucht, kommt es zu Verspätungen. Dabei hat die Herkunft eines Güterzugs, und damit die Entfernung zum Zielort, keinen signifikanten Einfluss auf seine Verspätungswahrscheinlichkeit. Dass die Fahrzeiten auf der Strecke für Güterzüge schwer planbar sind, ist lange bekannt. Weitaus gravierender ist die Tatsache, dass über Fahrplanabweichungen nur unzureichend informiert wird. Für eine bessere Integration des Schienengüterverkehrs an der Schnittstelle zum Seehafen ist es für den Terminalbetreiber unerlässlich zu wissen, wann mit der Ankunft eines Zugs zu rechnen ist. Obwohl solche Informationen existieren, sind sie nur schwer verwertbar. Oftmals erhalten die Terminalbetreiber Information über Ankunft eines Zugs zu spät oder die Informationen können nicht verarbeitet werden, weil eine Neudisposition der Anlagen nicht erfolgt bzw. nicht möglich ist. 1.2 Häfen und Terminals Die Häfen bzw. deren Umschlagterminals bilden einen Endpunkt im schienengebundenen Teil der Transportkette und damit auch einen Endpunkt für den Umlauf der Güterwagen. Innerhalb eines solchen Endpunkts durchlaufen die Wagen mehrere Stationen, an denen verschiedene Prozesse (Wagensortierung, Zollkontrolle, Be- und Entladung usw.) durchgeführt werden. Der Kreislauf innerhalb des Hafengebiets ist in Abbildung 2 dargestellt. Aus den Unsicherheiten, die aus dem Hauptlauf der Güterzüge folgen, lässt sich erkennen, welche Schwierigkeiten sich für die Prozessfolgenplanung in den Seehafen-Terminals ergeben. Arbeitsschritte, wie beispielsweise die Einsatzplanung von Rangierlokomotiven und Rangierpersonal, unterliegen nur einer sehr rudimentären Planung und werden in größeren Rangierbahnhöfen oft ad hoc oder mit sehr kurzer Vorlaufzeit ausgeführt. In den Seehäfen orientieren sich die logistischen Abläufe an einer möglichst schnellen Be- und Entladung der großen Containerschiffe, da deren Liegezeit so kurz wie möglich gehalten werden soll. Um dies zu optimieren, geben die Seehafen-Terminals den landseitigen Verkehrsträgern Zeitfenster vor, innerhalb derer bestimmte Güter zur Ent- und Beladung bereitstehen müssen. Die EVU sind bestrebt, den Zielort rechtzeitig zu erreichen, da sonst unter Umständen das Zeitfenster verloren geht. Das führt dazu, dass landauswärts fahrende Güterzüge teilweise um Stunden zu früh vor ihrem Zeitfenster im Seehafen eintreffen und in den Rangierbahnhöfen vor den Terminals abgestellt werden müssen. Dort beanspruchen sie einen nicht unerheblichen Teil der Kapazitäten, welcher für andere Rangierprozesse dann nicht mehr zur Verfügung steht. Abhilfe schaffen kann in komplexen Systemen nur ein adaptives Dispositionssystem, das zum einen die Seehafen-Terminals über aktuelle Verzögerungen ankommender Güterzüge informiert und zum anderen ein flexibles Verschieben von Zeitfenstern zulässt. Damit würden sich sowohl die übermäßigen Abstellprozesse als auch die übermäßig eingeplanten Pufferzeiten im Hauptlauf vermindern lassen. Folglich führt dies zu einer verkürzten Transportzeit und einer Komprimierung der Transportkette. Um solch ein Dispositionssystem zu verwirklichen, ist zu definieren, was unter einem Zeitfenster in Terminals und Rangierbahnhöfen zu verstehen ist, wie lang es sein soll und welche Vorgänge darin ablaufen sollen. Zieht man die Parallele zum Luftverkehr, wo ein Flughafenslot ein Abb. 2: Fluss von Eisenbahnwaggons an Endpunkten Güterverkehr + Logistik 32 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 W ximalleistung, doch bereits jetzt befinden sich die nachgelagerten Schieneninfrastrukturen an ihrer Kapazitätsgrenze. 2 Beschleunigung des schienenseitigen Güterumschlags in den Seehäfen Für eine bessere Vernetzung der Prozesse in einer Transportkette ist der Aufbau eines Informationsflussmodells, das alle Beteiligten berücksichtigt, einer der grundlegenden Schritte. Ein derartiges Modell wird beide, landeinwie landauswärtige, Schienenverkehre umfassend abdecken und die Randbedingungen eines jeden Seehafens individuell berücksichtigen. Ein grobes und allgemeingültiges Modell ist in den Abbildungen 3 und 4 dargestellt. In beiden Abbildungen stellen die Parallelogramme Informationsflüsse und die Rechtecke Prozesse bzw. Arbeitsschritte dar. 2.1 Landeinwärtige Verkehre In dem in Abbildung 3 dargestellten Informationsflussmodell für landeinwärtige Verkehre geht die Planung vom Seehafen und dessen Terminals aus. Informationen über ankommende Schiffe, deren Beladung und selbst die Informationen, welcher Container sich an welcher Stelle im Schiff befindet, sind seit Abfahrt des Schiffs bekannt. Mit der Annäherung des Schiffs an den Hafen wird seine Ankunftszeit immer genauer planbar, so dass dann alle Informationen für Terminal, EIU, EVU und Spediteure zur Verfügung stehen können. Auf deren Basis kann das EVU zusammen mit dem Hafenbahn-EIU die zeitnahe Bereitstellung von Wagen oder Ganz- Dies wurde bislang aber noch nicht durchgeführt. Gründe dafür sind: 1. Der Direktumschlag kann nur auf einzelne Container angewandt werden. Würden ganze Züge so beladen, würde die Umschlagleistung an der Kaikante kollabieren. 2. Der Güterwaggon, der für den Weitertransport eines spezifischen Containers bestimmt ist, steht bei dessen Anlandung nicht im Terminal bereit. Ein Direktumschlag Seeschiff - Schienengüterverkehr zur Verkürzung der Transportkette ist demnach kaum möglich, Zwischenlager sind immer notwendig. Die Lagertätigkeiten können nur auf ein Minimum beschränkt werden, indem die Informationen über abzuholende Container rechtzeitig aufgegriffen und die einzusetzenden Waggons frühzeitig bereitgestellt werden. Interessant wird diese Fragestellung wieder bei Hinterland-Hubs und dem Einsatz von schnellen Shuttle-Zügen (siehe Kapitel 3). Disparitäten treten nicht nur beim Umschlag von Containern zwischen Seeschiff und Güterzug auf, sondern auch beim Einspeisen der Züge in das Schienennetz. Moderne Containerterminals haben ihre Leistungsfähigkeit mittlerweile dermaßen gesteigert, dass das Streckennetz die zur Abfahrt bereitstehenden Züge nicht mehr aufnehmen kann. Der Hamburger Containerterminal Tollerort plant zum Beispiel den Bau einer neuen Vorstellgruppe, mit deren Hilfe ein Output von einem Ganzzug alle 45 min möglich ist. Das entspricht einer Verdoppelung der derzeitigen Maren. Damit sie diese auch wahrnehmen können, wird häufig eine Trasse gewählt, die einen ausreichenden zeitlichen Spielraum bietet. Auch hier wird wieder Pufferzeit eingeplant, was wiederum Kapazitäten in den Rangierbahnhöfen kostet. Zur Lösung des Problems ausfahrender Züge können zwei Herangehensweisen diskutiert werden. Eine flexiblere Allokation von Trassen ist sicherlich wünschenswert. Im Güterverkehr, der den größten Teil der Gelegenheitsverkehre auf dem Netz der DB AG ausmacht, nehmen Just-in-time- Anmeldungen einen immer größeren Stellenwert ein 6 . Sie sind aber auch schwer realisierbar. Gerade auf den hoch belasteten Strecken von und zu Seehäfen oder auf Mischverkehrsstrecken ist es schwierig, adäquate Trassen zu finden. Würden Trassen kurzfristiger angefordert werden, hätte dies einen erheblichen Mehraufwand für das EIU zur Folge. Es kann bezweifelt werden, dass die knappe Infrastruktur dann noch optimal ausgenutzt wird. Die dafür notwendigen Werkzeuge zur Echtzeit- Trassenplanung (Real-time-Rescheduling) stehen noch nicht in ausreichend leistungsfähiger Form zur Verfügung. Ein Ansatz hierfür kann vielmehr in der Optimierung der vorgelagerten TUL-Prozesse zu finden sein. Würde das EVU davon ausgehen können, dass seine Wagen das Seehafen-Terminal pünktlich verlassen und auch die Folgeaktivitäten (Wagen rangieren und sortieren, Zugzusammenstellung, Bremsprobe, Zollabfertigung usw.) im zeitlichen Rahmen erfolgen, könnte es beim EIU eine frühere Trasse buchen. Damit ließen sich Pufferzeiten zwar nicht beseitigen, aber auf ein Mindestmaß verringern und die Transportkette wieder ein Stück verkürzen. 1.3 Disparitäten in der Container-Umschlagleistung Wie bereits angedeutet orientieren sich die logistischen Abläufe an einer möglichst schnellen Be- und Entladung der großen Containerschiffe. Mit ansteigender Schiffsgröße stieg somit die seeseitige Umschlagleistung. Für moderne Containerbrücken wird ein Maximalwert von 30 Umschlagoperationen pro Stunde angenommen 7 , wobei immer mehrere Brücken an einem Schiff arbeiten. Unter Verwendung von Triple-Spreadern können bis zu 66,4 - 95,7 TEU/ h umgeschlagen werden 8 . Die landseitige Umschlagleistung ist bei üblicher Verwendung von Portalkränen mit circa 20 Operationen pro Stunde im Umschlag zur Eisenbahn deutlich niedriger 9 . Unter anderem bedingt durch solche ungleichen Leistungen müssen zwangsläufig Lager zur Pufferung eingerichtet werden. Ein Direktumschlag von Containern zwischen Seeschiff und Güterzug würde zwar für einzelne Container eine äußerst kurze Umschlagzeit ermöglichen. Moderne Containerterminals wie Hamburg-Altenwerder könnten theoretisch innerhalb von 15 - 20 min einen Container vom Seeschiff auf einen Eisenbahnwaggon umschlagen. Abb. 3: Allgemeines Informationsflussmodell für landeinwärtige Verkehre Güterverkehr + Logistik Weitere Informationen inden Sie in Kürze unter www.eurailpress.de! Anfang April ist die komplett überarbeitete und um einige Kapitel erweiterte Neuaulage des Handbuch Gleis erschienen. Das Buch vermittelt in anschaulicher und komprimierter Weise Zusammenhänge zwischen den einzelnen Gleiskomponenten und ihren Beanspruchungen. Die Neuau age enthält grundsätzliche Erweiterungen und Ergänzungen: · ein komplett neues Kapitel über die Grundlagen der Oberleitung und des Oberleitungsbaues und deren Instandhaltung · neue Erkenntnisse hinsichtlich der Entstehung von "Head Checks" · sowie neue Erkenntnisse im Hinblick auf die Verschleißfestigkeit von kopfgehärteten Schienen · und eine neue ausführliche Theorie des dynamischen Gleisstabilisierens Das Erfolgskonzept des Buches wird durch die zusätzliche Ergänzung der Kapitel „Rad-Schiene- Wechselwirkung“ und „Wirtschaftlichkeit der Oberbauinstandhaltung“ abgerundet. Das Gleis als komplexes Gesamtsystem Technische Daten: ISBN 978-3-7771-0400-3, Format 170 x 240 mm, Hardcover, Preis: € 68,-, 656 Seiten Kontakt: DVV Media Group GmbH | Eurailpress · Telefon: +49/ 40/ 2 37 14 - 440 · Fax: +49/ 40/ 2 37 14 - 450 · E-Mail: buch@dvvmedia.com Buchneuerscheinung Weitere Informationen unter www.eurailpress.de / hbgneu Komplett überarbeitete und erweiterte Neuau age zügen, je nach Auftrag, planen. Da das Seehafen-Terminal für die Abfertigung der TUL-Prozesse Zeitfenster vorgibt, ist deren Beendigung zu einem definierten Zeitpunkt festgelegt. Daran können nahtlos die bahnbetrieblichen Prozesse der Zugfertigstellung (Wagen sortieren und rangieren, Strecken-Triebfahrzeug bereitstellen, Bremsprobe etc.) anknüpfen. Für die Zugfertigstellung eines Ganzzugs kann weniger als eine Stunde eingeplant werden. Bei Einzelwagenverkehren hängt die Zugfertigstellung davon ab, wann alle notwendigen Wagen eines Zugs zur Verfügung stehen. Hier sollte ein definierter Maximal-Wartezeit-Wert nicht überschritten werden. Die zur Bildung von Zügen aus Einzelwagen erforderlichen Informationen stehen zur Verfügung bzw. können mit Hilfe von Planungstools erstellt werden. Mit Hilfe eines umfassenden Informationsflusses vom Seeschiff über die Seehafen-Terminals bis hin zu den EVU kann es also möglich sein, die Umschlag- und eisenbahnbetrieblichen Prozesse bis zur Ausfahrt des Zugs aus dem Hafenbereich zu planen und eine Trasse ins Hinterland ohne übermäßige Sicherheitspuffer beim Netzbetreiber anzumelden. 2.2 Landauswärtige Verkehre Für Verkehre Richtung Seehafen ist in Abbildung 4 ein Informationsflussmodell Abb. 4: Allgemeines Informationsflussmodell für landauswärtige Verkehre Güterverkehr + Logistik 34 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Logistikzentrum mit Straßen- und Schienenanbindung errichtet. Gegenwärtig wird geprüft, den Hafen Neapels mit dem Interporto als Logistikdrehscheibe zu verbinden. Im Hafen Neapel mit seiner stadtnahen Lage können keine weiteren Flächen bereitgestellt werden. Eine schnelle Bahnverbindung zum Logistikzentrum brächte eine Entlastung, da ein Großteil der Lkw- Verkehre aus der Innenstadt wegfallen würde und Lagerflächen an andere Stelle verlagert werden. 4 Zusammenfassung Die Eisenbahn-Industrie gilt als eine eher konservative Branche, in der technologische Weiterentwicklungen nur schwer umzusetzen sind. Das liegt unter anderem daran, dass hier mehrere sehr große Unternehmen mit einer gewissen Marktmacht auf der einen Seite, aber mit großer Trägheit, was Veränderungen angeht, auf der anderen Seite agieren. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Reihe von Akteuren bestrebt ist, wesentliche Informationen des operativen Betriebs nicht weiterzugeben. Ein solches Verhalten ist in vergleichbaren Branchen, etwa der interkontinentalen Seeschifffahrt kaum zu beobachten. Die Kosten für eine bessere Koordination der Transportkette erscheinen den Akteuren im Schienengüterverkehr höher als der Vorteil, der ihnen daraus entstehen kann. Es handelt sich also eher um ein gemeinschaftliches Problem, was zu der heutigen Situation geführt hat, mit dem die Akteure entlang der Transportkette Seeschiff - Güterzug zu kämpfen haben: ̇ geringe Zuverlässigkeit, kein reibungsloser Prozessfluss ̇ Unsicherheiten in Bezug auf die Ankunftspünktlichkeit von Güterzügen, große Fahrplanabweichungen ̇ keine Kopplung zwischen Terminal-Zeitfenstern und Streckennetz-Trassen ̇ Management der Rangierlokomotiven ist wenig optimiert und eher spontan kommen im Idealfall nur Shuttle-Ganzzüge zum Einsatz. Auf Rangierprozesse wird fast vollständig verzichtet, vgl. Abbildung 5. Erst in den Inland-Terminals folgen die eigentlichen TUL-Arbeiten (Umschlag Schiene u Schiene und Schiene u Straße). Diese Variante bietet viel Raum für den Einsatz innovativer Umschlagtechnologien, zum Beispiel automatischer Systeme für den horizontalen Parallelumschlag Schiene - Schiene. Bei Verwendung dieses Verfahrens fällt eine Reihe von Koordinationsaufgaben weg, da sich die eisenbahnbetrieblichen Prozesse stark vereinfachen und standardisieren lassen. Beim Transport zwischen Seehafen und Hinterland-Hub kommt es nicht mehr darauf an, auf welchem Waggon der Container steht, da er mit dem nächsten freien Waggon in jedem Fall seinem Bestimmungsort näher kommt. Wartezeiten in den Seehafen-Terminals werden so minimiert. Für den Erfolg eines solchen Systems sind einige Bedingungen aufzustellen, die seinen Erfolg gewährleisten, da ein zusätzlicher Umschlagprozess eingeführt wird, der wieder einen zeitkritischen Bruch der Transportkette darstellt, beispielsweise: ̇ Shuttle-Ganzzug maximaler Länge (700 m oder zukünftig vielleicht 1500 m) ̇ Taktverkehr, z. B. zweimal pro Stunde ̇ gesicherte Trasse zwischen Seehafen und Hinterland-Hub (Priorität) ̇ gewährleistete Pünktlichkeit (z. B. > 85 %) ̇ Verwendung schneller aber kompatibler Umschlagtechnologien ̇ ökonomische Forderungen: - Der zusätzliche Umschlag darf den Transportprozess nicht verteuern. - Der zusätzliche Umschlag darf den Transportprozess nicht verlängern. ̇ Betreiberfrage: Können mehrere EVU auf der Shuttle-Relation konkurrieren oder muss die Leistung an ein einzelnes Unternehmen vergeben werden? Seehafen-Hinterland-Verbindungen können auf verschiedene Weise realisiert werden. Standardisierte Lösungen gibt es hierfür nicht. Bemühungen, Seehafen-Hinterland-Verbindungen einzuführen, gibt es für quasi jeden Seehafen in Europa, aber auch in Asien und Amerika. Ein Beispiel hierfür ist der Interporto Campano in der Nähe von Neapel. Hier wurde auf einer Fläche von circa 5 Mio. m 2 ein modernes in umgekehrter Richtung zu betrachten. Die bereits angesprochenen Unsicherheiten bzgl. der Einhaltung des Güterfahrplans sollen in diesem Modell nicht abgebaut werden, wichtig ist aber eine vorausschauende Informationsweitergabe über Verspätungen und die voraussichtliche Ankunft im Hafengebiet. Vom Seehafen-Terminal geht auch hier die Planung eines Zeitfensters für die TUL- Prozesse aus, an das sich vorgelagert ein Zeitfenster für die eisenbahnbetrieblichen Prozesse (Zugzerlegung, Wagensortierung, Zollabfertigung etc.) anschließen muss. Für Ganzzüge genügen hier wieder Zeiträume von weniger als einer Stunde. Für Einzelwagenverkehre sollten nicht mehr als vier bis fünf Stunden benötigt werden, bis ein Waggon ins Terminal verschoben wird, damit die gesamte Transportkette nicht zu lang wird. Es ist klar, dass sich die Problematik der Pufferzeiten und damit der Kapazitätsverluste durch die Unsicherheiten im Zulauf zu den Seehäfen nicht aufheben lässt. Durch ganzheitliches Informationsmanagement und eine Echtzeitplanung der Prozesse in Rangierbahnhof und Terminal sind sie aber minimal zu halten. Sinnvoll ist zum Beispiel die Entwicklung einer Basisplanung für Rangierlokomotiven und Abstellkapazitäten mit einem Vorlauf von 24 oder 48 Stunden verbunden mit der Möglichkeit dynamischer Disposition. 3 Potenziale durch Hinterland-Hubs Eine weitere Möglichkeit zur besseren Integration des Schienengüterverkehrs in die Transportkette kann durch Hinterland- Hubs erreicht werden. Hierbei sollen zeitintensive Rangier- und Sortierprozesse minimiert werden und der Systemvorteil der Eisenbahn - die hohe Massenleistungsfähigkeit über lange Strecken - besser genutzt werden. Grundlegende Idee einer effizienten Nutzung von Hinterland-Hubs ist es, nur noch wenige ausgewählte Schienengüterverbindungen zwischen dem Seehafen und den Destinationen im Inland aufrecht zu erhalten. Nach Abzug der Loco-Quote, die in der Region um den Seehafen zumeist per Lkw verteilt wird, werden sämtliche verbleibende Transporteinheiten auf der Schiene zu Terminals des kombinierten Verkehrs im Inland transportiert. Dabei Abb. 6: Interporto Neapel - Logistikdrehscheibe am Rande des Vesuvs Abb. 5: Shuttle-Zug-Konzept für Hafen-Hinterland-Verkehre Güterverkehr + Logistik 4 vgl. z. B. Ducruet, César und van der Horst, Martijn: Transport Integration at European Ports: Measuring the Role and Position of Intermediaries, European Journal of Transport and Infrastructure Research, 2009 (9/ 2), S. 121-142 5 vgl. Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung (EIBV) 2005, § 9 6 vgl. Heister, G. et al.: Eisenbahnbetriebstechnologie (2005), S. 244, Eisenbahn-Fachverlag Heidelberg Mainz 7 Payer, H. G.: Die Containerschiffe werden größer - die Häfen müssen reagieren, Schiff & Hafen, 1999 (5), S. 10 -12 8 Goussiatiner, A.: In pursuit of productivity, Container Management, 2007 (9), S. 48 - 51 9 vgl. Bruckmann, D.: Entwicklung einer Methode zur Abschätzung des containerisierbaren Aufkommens im Einzelwagenverkehr und Optimierung der Produktionsstruktur (2006), S. 78, Verkehrswesen und Verkehrsbau, Universität Duisburg-Essen, Bd. 5 Druck scheint aktuell noch nicht vorhanden zu sein. Im Gegensatz zu einem Lkw- Besitzer, der bemüht ist, Stillstandszeiten seiner Maschine zu vermeiden, kommt es im Eisenbahnverkehr noch nicht darauf an, ob ein Waggon ein paar Stunden oder ein paar Tage steht. 1 Containerverkehrsmodell „Hafen Hamburg“ - Strukturanalyse, Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik Bremen (2008) 2 Schönknecht, A.: Maritime Containerlogistik (2009), Springer-Verlag Berlin Heidelberg 3 TUL - Transportieren, Umschlagen, Lagern; vgl. z. B. Arnold, Dieter et al.: Handbuch Logistik (2008), S. 884, Springer-Verlag Berlin Heidelberg ̇ große Mengen an geplanten Zeitpuffern verbrauchen Infrastrukturkapazitäten und verlängern die Transportzeiten. Es besteht zum einen der Wunsch, mehr Flexibilität zuzulassen (spontanes Umplanen ermöglichen). Demgegenüber steht die Forderung, mehr Verlässlichkeit (Planung sicherer machen) zu bieten. Zwischen beiden Extrema gilt es, einen Mittelweg zu finden. Derzeit ist nicht klar, wer die treibende Kraft solcher Veränderungen sein kann. In Form eines Push-Pull-Ansatzes sind folgende Varianten denkbar: Pull: Die Terminals fordern durch die Vergabe von Zeitfenstern und durch zeitabhängige Lagerkosten eine gewisse Anpassung (Erziehung der EVU und Spediteure). Daran anknüpfend können nachgelagerte Akteure (Hafenbahn, EIU) ihre eisenbahnbetrieblichen Prozessabläufe harmonisieren und standardisieren, so dass sie mit dem Terminal-Zeitfenster verschmelzen. Ist dies gelungen, können die Trassenbestellungen beim Hinterland-EIU ohne extreme Pufferzeiten bestellt werden. Push: Ausgehend von der Forderung der Logistikdienstleister, den Schienengüterverkehr schneller und zuverlässiger zu machen, sollten sich die EVU bemühen, ihre eigenen Verkehre schneller durch das Netz zu bekommen. Allerdings sind sie hier wieder auf das Verhalten der übrigen Akteure der Transportkette angewiesen, gegenüber denen sie sich durchsetzen müssen. Dieser Summary Ship-to-rail transhipment At the interface between two logistic subsystems, goods as well as information have to pass through barriers. By linking the subsystems, a transport chain is created. It has been found out that processes between the intermediaries of the transport chain seaport - rail are not well adjusted. A low level of communication between the intermediaries (ports, freight forwarders, railway transport companies, etc.), leads to conflicts in rail freight transport. Additional time buffers which are planned by railway companies and freight forwarders due to insecurities in transport flow make it slow and untimely. That makes it difficult for the intermediaries to plan own activities in an optimal way. The untimely trains let transhipment processes in ports consume more time than needed since transhipment works are not adjusted to freight train flows. With a better integration of railway processes the transport chain shall be better adjusted and the ship-to-rail transhipment flow becomes smoother. Railway Transformation Setting the course for a new direction! Railway companies around the world are being transformed from public-sector monopolies into service-oriented companies with a strong customer focus, operating in liberalised markets. Outlining the current position and major challenges for the rail sector, this handbook is an essential read. Using examples of the best practice, it provides a unique look ’behind the scenes‘, to show how operators can beneit from the experience of the leading players in the market. Technical Data: ISBN 978-3-7771-0406-5, 264 pages, size 170x240 mm, Price: € 54,- + postage Contact: DVV Media Group GmbH | Eurailpress Telephone: +49 (40) 237 14 - 440 · Fax: +49 (40) 237 14 - 450 · email: book@dvvmedia.com Save your copy today! Visit www.eurailpress.de/ rt Out now!
