eJournals Internationales Verkehrswesen 62/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0046
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Investitionen in IT sichern Wettbewerbsfähigkeit von Airlines

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Werner Bruckner
Etwa 11 Mrd. EUR Verlust haben die Fluggesellschaften 2009 weltweit eingeflogen, 2010 sollen es laut der internationalen Luftfahrtorganisation IATA immerhin noch mehr als minus 4,1 Mrd. EUR sein. Das gesamte Geschäftsmodell der Airlines ist ins Schlingern geraten – unter anderem, weil Geschäftsreisende, die den Airlines bisher einen Großteil Ihres Gewinns brachten, weniger und billiger fliegen. Gleichzeitig wächst durch steigende Kerosinpreise und Gehälter sowie größere Umweltauflagen der Kostendruck. „Internationales Verkehrswesen“ hat Vijay Madan, Head of DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz) der NIIT Technologies GmbH in Stuttgart, gefragt, welche Möglichkeiten IT-Technologie und Outsourcing Fluglinien bieten, um diese gefährliche Negativdynamik zu durchbrechen.
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Güterverkehr + Logistik 40 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Werner Bruckner Investitionen in IT sichern Wettbewerbsfähigkeit von Airlines Etwa 11 Mrd. EUR Verlust haben die Fluggesellschaften 2009 weltweit eingeflogen, 2010 sollen es laut der internationalen Luftfahrtorganisation IATA immerhin noch mehr als minus 4,1 Mrd. EUR sein. Das gesamte Geschäftsmodell der Airlines ist ins Schlingern geraten - unter anderem, weil Geschäftsreisende, die den Airlines bisher einen Großteil Ihres Gewinns brachten, weniger und billiger fliegen. Gleichzeitig wächst durch steigende Kerosinpreise und Gehälter sowie größere Umweltauflagen der Kostendruck. „Internationales Verkehrswesen“ hat Vijay Madan, Head of DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz) der NIIT Technologies GmbH in Stuttgart, gefragt, welche Möglichkeiten IT-Technologie und Outsourcing Fluglinien bieten, um diese gefährliche Negativdynamik zu durchbrechen. Der Autor Werner Bruckner, freier Journalist Energie, Finanzen, ITK, Medizin, 72076 Tübingen; w.bruckner@werner-bruckner.de D ie Fluggesellschaften haben 2009 weltweit hohe Verluste gemacht. Haben die Airlines überhaupt noch das notwendige Geld, um in IT-Technologien zu investieren? Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hat nicht nur außergewöhnlich hohe Unsicherheiten in der gesamten Travel-, Transport- und Logistikbranche (TTL) verursacht, sondern auch konkrete Einbußen bewirkt. So ging die gesamte Transportnachfrage beispielsweise 2009 in Deutschland gegenüber 2008 um 11,2 % auf 3975,3 Mio. t zurück. Die Luftfracht, die auf deutschen Verkehrsflughäfen abgewickelt wurde, sank um 7,1 % auf 3,6 Mio. t inklusive Luftpost. Im Passagierbereich sind an den 23 internationalen deutschen Flughäfen mit 182,2 Mio. Fluggästen 4,6 % weniger abgefertigt worden als noch 2008. Weltweit vermeldet die IATA einen Rückgang der Fracht um 10,1 % für 2009 gegenüber dem Vorjahr und der Passagiere um 3,5 %. Solche globalen Entwicklungen verschonen kaum einen Anbieter. Für Airlines stellt sich aber nicht die Frage, ob sie noch die notwendigen Finanzmittel für Investitionen in Informationstechnologien haben. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als in diese Technologien zu investieren, um zumindest ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Immerhin könnten die Unternehmen geplante, vielleicht sogar notwendige Investitionen nach hinten verschieben. So ein Reflex wäre in anderen Branchen eher vorstellbar. Aber gerade Fluggesellschaften, die sehr langfristig planen müssen, kämen mit diesem Kamikaze-Verhalten kaum durch die schwierigen Jahre. Die Anforderungen in dieser Branche verändern sich laufend. Dazu kommt, dass IT im Flugalltag die meisten Prozesse stützt oder steuert. Airlines müssen diese Abläufe sicherstellen und optimieren. Auf die gesamte TTL-Branche kommen zudem laufend neue gesetzliche Anforderungen zu . . . Natürlich. So stehen allen Unternehmen etwa immer strengere Sicherheitsanforderungen bevor, die ebenfalls Veränderungen erzwingen. Beispielsweise plant der US-Zoll neue Regelungen bezüglich zusätzlicher Informationen zur Ladung. Laut diesen Planungen müssen sich Logistiker verpflichten, eine Reihe von Informationen und Statusmeldungen elektronisch an den Zoll zu übermitteln. Diesen Datenaustausch sollten TTL-Unternehmen oder ihre IT-Dienstleister mit entsprechenden Standards sicherstellen und auch die funktionsfähige Vernetzung der am Transport beteiligten Partner koordinieren. Logistiker müssen viele Materialinformationen ihrer Kunden übernehmen und anderen Partnern oder Behörden zu Verfügung stellen. Wegen fehlender Flexibilität eignen sich Altsysteme nicht so richtig dafür. Homogene Systemlandschaften führen hier zu deutlichen Vorteilen. Neue IT-Modelle können also auch zu Einsparungen führen, so dass sich die Kapitalrendite, der return on invest (ROI), schneller einstellt? Ja. Einerseits steigen die Möglichkeiten, mit Unterstützung von IT im Flugverkehr effizienter zu arbeiten. Andererseits liegen allein im IT-Betrieb, bei der Hardware und auch bei der IT-Infrastruktur wie Netzwerken noch hohe Einsparpotenziale von bis zu 50 %. Mit alternativen Bereitstellungsmodellen sparen hier schon diverse Unternehmen viel Geld. Eine besondere Ausprägung ist dabei „Cloud Computing“. Bei diesem Modell werden IT-Infrastrukturen und -Anwendungen system- und ortsunabhängig über Netzwerke aus einer Art „black box“ heraus zur Verfügung gestellt. Die Abrechnung erfolgt verbrauchsorientiert. Das eingesparte Geld können Logistiker dann beispielsweise in Prozessverbesserungen investieren. Mit welchen Investitionen in IT können Fluggesellschaften die größte Wirkung erzielen? Generell verursachen personalintensive Prozesse hohe Kosten. Darum investieren heute viele Airlines in die Automatisierung, also in Online- und Check-in-Kiosksysteme, in Sitzplatzreservierungen oder in Kundenbindungs- und Vielfliegerprogramme. Doch vor allem unrentable Bodenzeiten müssen dringend vermieden werden. Deshalb sind effiziente Gepäck-, Flug- und Vijay Madan ist Head of DACH bei der NIIT Technologies GmbH, die auf Services rund um Anwendungsentwicklung, IT-Sicherheit, IT-Infrastruktur und Managed Services spezialisiert ist. Der deutsche IT- Dienstleister hat rund 60 Mitarbeiter an vier Standorten in Deutschland, Österreich sowie der Schweiz und greift auf umfassende Ressourcen der indischen Muttergesellschaft mit mehr als 4000 Mitarbeitern zurück. Güterverkehr + Logistik 41 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 rund 143 Mio. EUR und beschäftigen mehr als 1000 Mitarbeiter. Das Black Book of Outsourcing hat uns 2009 zum zweiten Mal hintereinander zum besten Outsourcing-Anbieter im Reise-, Transport- und Logistik-Ranking gekürt. Könnten Sie hier auf einige Unternehmen detaillierter eingehen? Im Bereich Eisenbahn-/ Personenverkehr haben wir seit unserer strategischen Partnerschaft vor vier Jahren mit DB Systel, dem IKT-Dienstleister der Deutsche Bahn AG, mehr als 25 Projekte realisiert. Dabei arbeitet unser Entwicklungszentrum in Delhi sehr eng mit unserem Team bei DB Systel vor Ort zusammen. Für CityCab in Singapur, mit 5000 Fahrzeugen eines der weltweit größten Taxiunternehmen, betreiben wir das Flottenmanagementsystem. Dazu gehören Flotten- und Fahrerverwaltung, Einnahme- und Sicherheitsmanagement, Satellitennavigation und viele andere Funktionen rund um Taxiunternehmen. Für die Umzugs- und Lagerfirma Crown, ein Unternehmen mit 85 Niederlassungen in 32 Ländern, haben wir im NIIT-Offshore- Entwicklungszentrum in Bangalore das Umzugs- und Berichtsmanagement, die Fakturierungs-, Lager- und Depotabrechnungsmodule und andere entwickelt. Inwieweit spielt die internationale Aufstellung von IT-Dienstleistern für TTL- Kunden - auch bezogen auf die Kosten - eine Rolle? Die meisten TTL-Unternehmen agieren international und pflegen enge Beziehungen zu ihren Kunden. Eine internationale Aufstellung des Dienstleisters erachte ich daher als sehr wichtig. Allerdings sollten die IT-Dienstleister die lokalen Gepflogenheiten kennen und möglichst in der Nähe sein. Vor Ort lassen sich Implementierungen, IT-Dienste und sonstige Leistungen besser erbringen. Die Kostenseite können IT-Dienstleister sehr positiv gestalten, wenn sie aus einem globalen Ressourcen- Pool schöpfen. tragsmanagementsystem und haben die IT-Prozesse an diversen Flughäfen übernommen. NIIT Technologies verantwortet außerdem die Preisgestaltungs-, Kundenbindungs- und Reservierungssysteme der Fluggesellschaft. Für United Airlines betreiben wir das Entwicklungszentrum, machen die Qualitätssicherung und bieten Test-Services sowie die Flugplanungs- und Flugmanagementsysteme. Für Emirates Airline verantworten wir unter anderem das Internetbuchungssystem. Erwähnen möchte ich auch Sabre. Für diesen Dienstleister im Reisegeschäft, dessen Produkte weltweit mehr als 50 000 Reisebüros einsetzen, warten wir die Kernsysteme, machen die Qualitätssicherung sowie Test- Services und das Data Warehouse. NIIT arbeitet nicht nur für die Luftfahrtbranche, sondern für den gesamten Bereich TTL. Wo setzten Sie hierbei die Schwerpunkte? Wir unterstützen die Unternehmen in sehr unterschiedlichen Sparten. Betrachten wir beispielsweise Logistikdienstleister aus dem dritten Bereich, die so genannten Third Party Logistics (3PL). Sie organisieren den gesamten Waren- und Informationsfluss ihrer Kunden und bieten teilweise noch Zusatzleistungen wie Finanzdienste an. Zudem übernehmen die 3PL verschiedene Mehrwertleistungen. Diese Logistikdienstleister brauchen die besten IT-Lösungen, die sie bekommen können, für ihre vielfältigen Aufgaben wie Warehouse-, Distributions- und Transportmanagement, Tracking und Tracing oder webbasierte Kommunikation. Hier entwickelt sich der Markt hin zu standardisierten Enterprise Resource Planning- Lösungen (ERP) und standardisierten Supply Chain Management-Lösungen(SCM). Eine serviceorientierte Architektur (SOA) wird immer wichtiger. Insgesamt haben wir in der TTL-Branche weltweit über 60 Kunden und ein starkes Partnernetzwerk. Hier erzielen wir rund 30 % unseres Umsatzes von insgesamt Passagierabwicklungslösungen unerlässlich. Auf den Flughäfen arbeiten viele Unternehmen Hand in Hand. Wo gibt es hier die größten Potenziale? Ebenfalls am Boden. Für die Flughäfen der Zukunft zeichnet sich ab, dass die optimale Auslastung und die Optimierung der Prozesse der Unternehmen am Boden eine große Rolle spielen. Gerade die präzise Zuordnung von Passagieren, Gepäckstücken, Frachtgut, aber ebenso von Flugzeugschleppern bis hin zu den Rolltreppen erfordert extrem zuverlässige und flexible IT-Lösungen, die miteinander kompatibel und ineinander integrierbar sein sollten. Bei diesen Bodendiensten generiert eine leistungsfähige, IT-basierte Flughafenlogistik also entscheidende Wettbewerbsvorteile. Solche umfassenden Anforderungen, die wir in IT-Lösungen überführen, haben bei uns den Status von Leuchtturmprojekten. Was kann NIIT für Airlines tun? Wir verstehen die Wünsche der Airlines, Kosten zu senken sowie flexibler und wettbewerbsfähiger zu werden, und können die Unternehmen aufgrund unserer langjährigen Erfahrung in der Branche bei der Lösung ihrer Probleme unterstützen. Das reicht von fertigen Produkten bis hin zu individuellen Lösungen. Nehmen wir etwa unseren Solution Accelerator: Er unterstützt Unternehmen zum Beispiel im Fuhrpark- Management, bei Reiseportalen oder bei Bonusprogrammen dabei, individuelle und skalierbare Anwendungen zum Preis einer Standardsoftware zu entwickeln. Um ein paar Beispiele zu nennen: Wir bieten E- Commerce-Portale an, Reservierungs- und Ticketingsysteme, Flughafen-Cargo-Lösungen, Anwendungen für Vielfliegerprogramme und Flugpreise, Buchhaltungssoftware und viele weitere spezifische Lösungen. Können Sie ein paar Projekte kurz beschreiben? Wir haben für British Airways das Internetportal entwickelt, betreiben das Er- Menschen bewegen Verbindungen zu schaffen - das ist unsere Profession. Als eine der führenden europäischen Luftverkehrsdrehscheiben führen wir am Flughafen München Menschen über Ländergrenzen und Kontinente hinweg zueinander. Mit freundlichen und kompetenten Mitarbeitern, einem umfangreichen Serviceangebot und einem ebenso schönen wie funktionalen Flughafen machen wir Jahr für Jahr mehr Mobilität möglich. 2009 nutzten weit über 32 Millionen Reisende unser breites Flugangebot. Im gleichen Jahr wurden wir bei der weltweit größten Passagierbefragung in den Kreis der fünf besten Airports Europas gewählt - und das zum fünften Mal in Folge. Schön, dass die Menschen bei uns genauso gut ankommen wie wir bei ihnen. Wir werden auch künftig für bewegende Momente am Flughafen München sorgen. www.munich-airport.de