Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0052
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Nachhaltige Mobilität braucht Technologie statt Ideologie
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Ben Möbius
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Standpunkt 54 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Dr. Ben Möbius, Abteilungsleiter Infrastruktur, Verkehr und Telekommunikation des Bundesverbands der Deutschen Industrie e. V. (BDI), Berlin Nachhaltige Mobilität braucht Technologie statt Ideologie Eine Leitidee für unsere Mobilität im 21. Jahrhundert stammt aus dem 18. Jahrhundert. Damals schrieb Hans Carl von Carlowitz über die Forstwirtschaft: Wer Bäume fällt, muss auch Bäume pflanzen. Er gilt als Erfinder des Prinzips der Nachhaltigkeit. Das hat heute mehr Geltung denn je. Für Mobilität bedeutet es: Wir müssen Verkehrswachstum und Ressourcenschutz zusammenbringen − weltweit. Nachhaltigkeit bedeutet nicht Verzicht, sondern verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen. Doch mancher Politiker ist mit Patentrezepten schnell zur Hand: Verbote und verordnete Verlagerung von Verkehr. Da heißt es, Mobilität müsse gesteuert und verteuert werden. Doch soll eine politische Avantgarde vorschreiben, wie groß ein Familienauto sein darf, wie Güter transportiert werden oder ob (und für wen) eine Flugreise erwünscht ist? Solche Konzepte sollten bleiben, wo sie hingehören: in der Mottenkiste. Intelligente Lösungen für effiziente Mobilität sind möglich, wenn Industrie und Politik gemeinsam Verantwortung tragen. Mit klaren Aufgaben: Die Kreativschmieden der Industrie liefern Technologien, die Verkehrspolitik in Berlin und Brüssel schafft stimmige Rahmenbedingungen für Intermodalität, Infrastruktur und Innovation. Nicht ideologische Grabenkämpfe zwischen Verkehrsträgern, sondern deren jeweilige Stärkung und bessere Vernetzung erhöhen die Effizienz. Die Politik sollte für freien, fairen Wettbewerb sorgen, etwa durch die europaweite Öffnung der Eisenbahnmärkte. Zugleich sollte sie die intra- und intermodale Vernetzung fördern. Dafür spielen intelligente Verkehrssysteme eine wichtige Rolle. Daten von Fahrzeugen und Infrastrukturen sammeln, über IKT weiterleiten und in Verkehrsmanagementzentralen zu maßgeschneiderten Informationen verarbeiten - das optimiert Logistik, Sicherheit und Zeitbudgets. Erfolge sind auch im Alltag spürbar: So reduzierte ein dynamisches Leitsystem in Stuttgart den Parkplatzsuchverkehr um ein Drittel. Deshalb kommt es darauf an, rasch die Rahmenbedingungen für die Verfügbarkeit von Echtzeit-Verkehrsdaten und für europaweit kompatible Systeme zu schaffen. Verkehrsinfrastruktur bildet das Rückgrat der Exportnation Deutschland. Doch unser Land lebt von der Substanz. Mit Folgen: In einem Jahr herrschen auf unseren Autobahnen 230000 h Stau. Das kostet etwa 100 Mrd. EUR Wohlstandsverlust − und reichlich Kraftstoff. So schadet man Wachstum und Klima. Wir müssen Engpässe beseitigen, unsere Straßen, Schienen und Wasserstraßen bedarfsgerecht erhalten und ausbauen. Das darf nicht nach Kassenlage geschehen, sondern hier trägt die Politik Verantwortung. Erforderlich sind auch ab 2011 mindestens 12 Mrd. EUR pro Jahr, denn Verkehrsinvestitionen sind Zukunftsinvestitionen. In der EU müssen die transeuropäischen Netze vorangetrieben werden. Die Wirtschaft steht für privates Engagement etwa bei ÖPP bereit. Innovationen schaffen klima- und umweltschonendere Mobilität. So haben die deutschen Fluggesellschaften den spezifischen Verbrauch ihrer Flotten seit 1990 um mehr als 30% gesenkt. Bis 2020 werden sie die spezifischen CO 2 -Emissionen dank moderner Flugzeuge um weitere 25% reduzieren. Mit einem einheitlichen europäischen Luftraum, dem Single European Sky, ließen sich die CO 2 -Emissionen zudem um bis zu 12% senken, pro Jahr könnten so mindestens 11 Mio. t CO 2 vermieden werden. Dagegen schadet plakative Politik wie ein europäischer Alleingang bei der Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel doppelt: Die EU würde CO 2 -Ausstoß exportieren und Jobs gleich mit. Innovationen steigern auch zu Lande die Effizienz. Beispiel Bahnindustrie: Die Leichtbauweise von Triebzügen und Verbundwerkstoffe können den Energieverbrauch um bis zu 30% senken. Zu den wichtigsten Aufgaben gehören hocheffiziente Antriebstechnologien. Gerade Elektrofahrzeuge mit lokal emissionsfreiem Fahren bieten eine vielversprechende Perspektive, vor allem in Megastädten. Weil die Branchen unserer Industrie für das Gesamtsystem Elektromobilität gut gerüstet sind, kann Deutschland Leitanbieter werden. Voraussetzung sind eine technologieoffene Förderung von Forschung und Entwicklung und eine zügige Implementierung. Mit Recht möchte die Bundesregierung mit der Nationalen Plattform Elektromobilität die Kooperation voranbringen. Nachhaltige Mobilität ist eine zentrale Herausforderung für die Menschheit im 21. Jahrhundert. Ziel sollte effizientere Mobilität für mehr Lebensqualität sein. Um dafür beste Lösungen zu finden, sollten alte Bastionen geräumt werden. Mobilität stärken, Umwelt schonen, Wohlstand sichern: Es lohnt sehr, dass Politik und Wirtschaft dafür gemeinsam arbeiten.
