eJournals Internationales Verkehrswesen 62/5

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0054
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2010
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Dramatische Haushaltsrisiken für den Verkehrsbereich | Europäische Einzelwagen-Allianz mit Chancen?

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Gerd Aberle
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Kurz + Kritisch 6 Kurz + Kritisch: Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche unsicher. Zusätzliche Sorge wird es bereiten, die Bestandsnetze quantitativ und qualitativ abzusichern. Dies ist angesichts des stark steigenden Ersatzbedarfs bereits eine Herausforderung. Auch die vielfach geforderte Erhöhung der Regionalisierungsmittel für den ÖPNV dürfte illusorisch sein. Der Stellenwert der Nutzerfinanzierung wird bei allen Verkehrsmodi wesentlich ansteigen, was letztlich auch Mauterhöhungen und -ausweitungen ebenso einschließt wie fühlbare Steigerungen der Fahrpreise auch im ÖPNV. Hieraus folgt auch: Finanzmittelintensive Groß- und Prestigeprojekte müssen erneut auf den Prüfstand, selbst wenn sie politisch, vertraglich oder gesetzlich abgesichert sind, da sie möglicherweise viele wichtigere Investitionsvorhaben verdrängen. Dies wird politische Konflikte auslösen, hängen an ihnen doch vielschichtige Interessen, die oft jedoch mehr regionalpolitisch begründet oder sogar nur von einzelnen Protagonisten als Lebensaufgabe gesehen werden. Aber auch hier gilt: Ein Ende mit Schrecken ist besser als ein Schrecken ohne Ende. Europäische Einzelwagen- Allianz mit Chancen? D er Eisenbahn-Einzelwagenverkehr ist seit Jahrzehnten eine ökonomisch-organisatorische Baustelle und Problem praktisch aller Bahnunternehmen. An Versuchen einer wirtschaftlichen Stabilisierung hat es nicht gefehlt; die Ergebnisse waren letztlich immer enttäuschend. Der Einzelwagenverkehr, der mit rund 50 % der Umsätze des Schienengüterverkehrs zwar nicht kostendeckend betrie- Dramatische Haushaltsrisiken für den Verkehrsbereich M it 82 Mrd. EUR Nettokreditaufnahme allein des Bundes für das laufende Jahr 2010 und einer gefährlich hohen Staatsverschuldung aller öffentlichen Haushalte sowie existenzieller Finanzsorgen vieler Kommunen wird die Konsolidierungsaufgabe überdringlich. Mit anderen Worten: Es muss, insbesondere auch beim Bund, gespart werden, zumal 2016 allein beim Bund ein Konsolidierungsbedarf von fast 40 Mrd. EUR aufgrund der grundgesetzlichen Schuldenbremse besteht. Vier Jahre später müssen auch die Länder ausgeglichene Haushalte vorlegen. Der Verkehrsbereich hat durch die beiden Konjunkturprogramme in den Jahren 2009/ 2010 durch zusätzliche Investitionsmittel für die Verkehrsinfrastruktur erheblich profitiert. Begünstigt wurden hierdurch sowohl der Schienenals auch der Straßen- und Wasserstraßenbereich, so dass insgesamt erstmalig ein jährlicher Investitionsbetrag von 12 Mrd. EUR für die Infrastrukturausgaben des Bundes zur Verfügung stand. Dies wird sich in den kommenden Jahren jedoch nicht wiederholen lassen. Aufgrund der unabdingbaren und zwangsläufig auch rigorosen Sparmaßnahmen bei allen öffentlichen Haushalten ist bereits für das Jahr 2011 mit erheblichen Finanzmittelreduktionen auch für den Verkehrsbereich insgesamt und die Infrastrukturinvestitionen im Besonderen zu rechnen. Es erscheint illusorisch, auch nur in Teilaufgabengebieten mit Steigerungen der Haushaltsmittel zu rechnen. Angesichts der Tatsache, dass der überwiegende Teil des Bundeshaushalts bereits durch gesetzlich festgelegte und damit weitestgehend unabdingbare Verpflichtungen für Sozial-, Personal- und Zinsaufwendungen gebunden ist, die Bildungsausgaben für Kürzungen nicht zur Verfügung stehen (sie sollen sogar notwendigerweise ansteigen), verbleiben vor allem die investiven Ausgaben als Zugriffsobjekt der Haushälter. Die These, Bildung statt Beton, so unsinnig sie auch ist, wirkt in ihrer plakativen Formulierung zusätzlich in der zu erwartenden harten politischen Auseinandersetzung um die Einsparpotenziale. Wer trotzdem auf weitgehende Verschonung des Verkehrsbereichs hofft und dies auch mit rational überzeugenden Argumenten dergestalt belegen kann, dass gerade Verkehrsinfrastrukturinvestitionen die Grundlage für eine positive wirtschaftliche Entwicklung darstellen, wird sich letztlich in einer schwachen Position befinden. Bereits sehr deutlich geworden ist dies im Schienenbereich. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat am 5. März 2010 alle Forderungen nach höherer Finanzmittelzuweisung für Neu- und Ausbauvorhaben vom Tisch gefegt. 47 Neu- und Ausbauprojekte, bereits als Maßnahmen des sogenannten Vordringlichen Bedarfs bewertet, sind nicht durch Finanzierungsvereinbarungen zwischen dem Bund und der DB AG abgesichert. Für den Straßenbereich lassen die zukünftigen Finanzierungsregelungen ab 2011 ebenfalls Einschränkungen erwarten, obwohl hier seit vielen Jahren eine gravierende Finanzierungslücke besteht. Was von den staatlichen Finanzierungsausfällen durch PPP-Modelle aufgefangen werden kann, ist noch sehr Rigorose Sparmaßnahmen INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 5/ 2010 Termine + Veranstaltungen Weitere Veranstaltungstermine finden Sie im Internet unter www.dvz.de, www.eurailpress.de und www.dvwg.de 6.-7.5.10 3. Grazer Symposium virtuelles Fahrzeug Graz (A) Info: TU Graz, Tel. +43-316-873-9094, Julia.Dorazio@v2c2.at, www.gsvf.at 6.-7.5.10 DVWG Jahreskongress + Stuttgart (D) 8. Europäischer Verkehrskongress Info: DVWG, Tel. 030-2936969, hgs@dvwg.de, www.dvwg.de 7.5.10 4. Grazer Nutzfahrzeug Workshop Graz (A) Info: Institut für Fahrzeugtechnik, Tel. +43-3168735251, office.ftg@tugraz.at, www.ftg.tugraz.at 10.5.10 (Mega)Trends und ihre Auswirkungen auf die Berlin (D) Bahntechnik Info: TU Berlin, Tel. 030-31423314, mgrochowski@railways.tu-berlin.de, www.railways.tu-berlin.de 17.5.10 24h-Fahrplan auf Basis eines Trassenkatalogs für den Berlin (D) TGV-Verkehr Info: TU Berlin, Tel. 030-31423314, mgrochowski@railways.tu-berlin.de, www.railways.tu-berlin.de 31.5.10 Betriebskonzept für einen 15-Minuten-Grundtakt im Berlin (D) ÖPNV der Stadt Potsdam Info: TU Berlin, Tel. 030-31423314, mgrochowski@railways.tu-berlin.de, www.railways.tu-berlin.de 7.6.10 Polygonbildung von Straßenbahnrädern Berlin (D) Info: TU Berlin, Tel. 030-31423314, mgrochowski@railways.tu-berlin.de, www.railways.tu-berlin.de 7.-9.6.10 VDV-Jahrestagung München (D) Info: VDV, Tel. 0221-57979-0, www.vdv.de 8.-10.6.10 mtex 2010 - Internationale Fachmesse & Symposium Chemnitz (D) für Textilien und Verbundstoffe im Fahrzeugbau Info: Messe Chemnitz, Tel. 0371-38038-0, info@mtex-chemnitz.de, www.mtex-chemnitz.de 15.6.10 Autofahren anders bezahlen? (Symposium) Berlin (D) Info: InnoZ, Tel. 030-238884-0, info@innoz.de, www.innoz.de 21.6.10 Hochgeschwindigkeits- und Stadtschienenverkehr in Berlin (D) China Info: TU Berlin, Tel. 030-31423314, mgrochowski@railways.tu-berlin.de, www.railways.tu-berlin.de 21.-22.6.10 VDV-Umweltkonferenz: Berlin (D) Zukunftsbewusste und nachhaltige Mobilität Info: VDV-Akademie, Tel. 0221-57979-170, eckert@vdv.de, www.vdv-akademie.de 22.-23.6.10 7. Netzwerk-Forum Logistik: Köln (D) Flexible Prozesse kostenoptimal steuern Info: BME, Tel. 069-30838-200, jacqueline.berger@bme.de, www.bme.de/ logistikforum 28.6.10 ERTMS - Chancen oder Kostengrab für Deutschland Berlin (D) und Europa? Info: TU Berlin, Tel. 030-31423314, mgrochowski@railways.tu-berlin.de, www.railways.tu-berlin.de 1.7.10 17. DVWG-Luftverkehrsforum Frankfurt/ M. (D) Info: DVWG, Tel. 030-2936060, hgs@dvwg.de, www.dvwg.de 5.7.10 Eigenschaften und Optimierungspotenziale des Berlin (D) Fahrgastwechsels Info: TU Berlin, Tel. 030-31423314, mgrochowski@railways.tu-berlin.de, www.railways.tu-berlin.de 15.-17.7.10 Mobility & Logistic Circle Frankfurt/ M. (D) Info: DVWG, Tel. 030-2936060, hgs@dvwg.de, www.dvwg.de 19.-20.8.10 7. Baltisches Verkehrsforum Frankfurt/ M. (D) Info: DVWG, Tel. 030-2936060, hgs@dvwg.de, www.dvwg.de 7.-8.9.10 global maritime environmental congress - gmec 2010 Hamburg (D) Info: Hamburg Messe und Congress Gmbh, Tel. 040-35692444, gmec@hamburg-messe.de, www.gmec-hamburg.com 20.9.10 8. DVWG-Bahnforum Berlin (D) Info: DVWG, Tel. 030-2936060, hgs@dvwg.de, www.dvwg.de 21.-24.9.10 InnoTrans Berlin (D) Info: Messe Berlin, Tel. 030-30382376, innotrans@messe-berlin.de, www.innotrans.de ben wird, stellt im Güterbahnsystem eine nicht verzichtbare Produktionsform dar - nicht nur wegen der immer noch erzielbaren, aber unzureichenden Deckungsbeiträge. Eine völlige Aufgabe ist mit nicht abschätzbaren Risiken für Güterbahnen behaftet. Die Bestellmengen in der Wirtschaft sinken, die mittelständische Wirtschaft kann Ganzzüge im Regelfall nicht auslasten, häufig sogar nicht einmal Wagengruppen. Andererseits müssen die Bahnen die immer stärkere Internationalisierung auch des Einzelwagenverkehrs in ihren Produktions- und Vertriebskonzepten berücksichtigen. Durch die bestehende Vielfalt der Interessenlagen der europäischen Bahnen hinsichtlich des Einzelwagenverkehrs und die unterschiedlichen Produktionssysteme befinden sich grenzüberschreitende Einzelwagenverkehre in einer schwierigen Marktsituation. Aus dieser Erkenntnis heraus haben sich am 19. Februar dieses Jahres sieben europäische (staatliche) Güterbahnen zur Xrail-Allianz zusammengeschlossen: SNCB Logistics (Belgien), Green Cargo (Schweden), CD-Cargo (Tschechien), CFL Cargo (Luxemburg), DB Schenker Rail, Rail Cargo Austria und SSB Cargo (Schweiz). Die Topmanager dieser Bahnen wollen die neue gemeinsame Produktionsgesellschaft so organisieren, dass im grenzüberschreitenden Einzelwagenverkehr auf zunächst 200 Relationen mindestens 90 % der Sendungen zur geplanten Ankunftszeit ihr Ziel erreichen, Kundenanfragen für Angebote innerhalb von drei Tagen erledigt und internationale Fahrpläne von Gleisanschluss zu Gleisanschluss aufgestellt werden. Über eine neue Datenbank sollen die Informationen sowohl für die Kunden als auch die beteiligten Bahnen verbessert und Verspätungsmeldungen zugänglich werden. Damit wird eine bessere Wettbewerbssituation gegenüber dem Straßengüterverkehr angestrebt. Vertriebs- und Preispolitik verbleiben bei den beteiligten Bahnen. Grundsätzlich ist der neue und jetzt europäisch ausgerichtete Anlauf zur verbesserten Marktpositionierung des Einzelwagenverkehrs durch die Produktionsgesellschaft Xrail positiv zu werten, da theoretisch ein beachtliches Potenzial vorliegt. Es ist abzuwarten, wie sich die Umsetzung darstellt. Und da verbleiben aufgrund der Erfahrungen mit internationalen Abstimmungsbemühungen doch einige deutliche Fragezeichen. Es fällt sofort auf, dass drei große europäische Bahnen nicht Mitglied sind: SNCF (Frankreich), PKP (Polen) und Trenitalia (Italien). Vielleicht hat das Ausscheiden der SNCF aus dem Vorbereitungsgremium auch zu einer größeren Harmonie der sieben Allianz-Mitglieder beigetragen. So beabsichtigen sowohl die SNCF als auch Trenitalia eine erhebliche Umstrukturierung des Einzelwagenverkehrs, verbunden mit kräftigen Ausdünnungen. Das ist mehr als ein Schönheitsfehler. Auch der in der Fachpresse gewählte Vergleich dieser neuen Allianz mit den strategischen Allianzen im Straßengüterverkehr in Form der Stückgutkooperationen dürfte wegen der systembedingten Unterschiede nicht zutreffen. Also gilt auch für die Xrail-Allianz: interessante Aktivität, mit Vorschusslorbeeren bedacht und Hoffnungen begleitet. Aber Hoffnungen wurden schon oft in der internationalen Eisenbahnpolitik enttäuscht. Veranstaltungen vom 6.5.2010 bis 24.9.2010 Stand zum Redaktionsschluss am 22.4.2010 Hoffnungsträger Xrail