eJournals Internationales Verkehrswesen 62/5

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0068
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2010
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Moderne Infrastruktur als Grundlage für zukunftsfähigen Schienenverkehr

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2010
Knut Ringat
iv6250054
Standpunkt 54 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 5/ 2010 Prof. Knut Ringat, Präsident der DVWG und Geschäftsführer der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Moderne Infrastruktur als Grundlage für zukunftsfähigen Schienenverkehr „Mehr Verkehr auf die Schiene“ oder „umweltfreundliche Verkehrsträger stärken“ − damit diese Aussagen nicht nur Lippenbekenntnisse bleiben, ist eine leistungsfähige und bedarfsgerechte Infrastruktur, die auf einer langfristig gesicherten Finanzierung beruht, unabdingbar. Heute stehen wir vor dem Problem, dass die Bahninfrastruktur aus Strecken, Stationen und Anlagen unterfinanziert, fehlpriorisiert, intransparent, unzureichend reguliert und suboptimal organisiert ist. Regeln, wie Nutzer ihre berechtigten Wünsche gegenüber den Infrastrukturbetreibern durchsetzen können, fehlen. Wir haben die Situation, dass Infrastruktur-Engpässe die Angebotsplanung im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) behindern. Es fehlt eine langfristige, das ganze Netz berücksichtigende Strategie, die die Kapazität verbessert und sich weniger auf prestigeträchtige Einzelmaßnahmen konzentriert. Dem Ausbau der Knoten muss hier eine besondere Bedeutung zukommen. Gravierende Mängel herrschen bei der Regulierung des Netzzuganges und insbesondere bei der Entgeltregulierung. Gerade für den SPNV ist dies relevant, da Infrastrukturentgelte 50 % und mehr der Kosten ausmachen, und die Trassenpreisstruktur den SPNV einseitig belastet. Die sogenannten Regionalfaktoren verteuern die regionale Infrastruktur. Zumindest auf diesem Gebiet ist in jüngster Zeit Bewegung gekommen und die Regionalfaktoren sind in einzelnen Teilnetzen außer Kraft gesetzt worden. Das Stationspreissystem mit seiner Kategorienbildung ist nicht plausibel, nicht leistungsgerecht und in seiner Pauschalität inakzeptabel. Mehrbestellungen werden durch das Trassenpreissystem verhindert, weil für jeden zusätzlichen Zug die Preise linear steigen, obwohl für den Netzbetreiber keine zusätzlichen Kosten entstehen. Die Verlagerung der Verantwortung und Finanzierung für regionale Infrastruktur durch neue Organisationsmodelle in die Region wird verhindert, statt die positiven Erfahrungen der Regionalisierung des Verkehrs auf der Schiene für neue Organisationsmodelle zu nutzen. Den spezifischen Anforderungen aller drei Nutzergruppen, des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV), des Schienenpersonenfernverkehrs (SPFV) und des Schienengüterverkehrs (SGV), gilt es gerecht zu werden und miteinander zu verzahnen, um die knappen Ressourcen mit höchster Effizienz einzusetzen. Wir benötigen eine dauerhaft leistungsfähige Infrastruktur, die vorausschauend und zielorientiert entwickelt und ausreichend und stetig finanziert wird. Unabdingbar ist eine effiziente Regulierung des Infrastrukturzugangs und der Nutzerentgelte. Ein mit allen Nutzern abgestimmtes Angebotskonzept bildet die Grundlage für eine konsistente Entwicklungs- und Investitionsplanung. Grundlage für diese Entwicklungen ist, dass das Eigentum an Netz und Stationen dauerhaft bei der öffentlichen Hand liegt. Die Eisenbahninfrastruktur ist der „Kern der Eisenbahn“ und damit maßgeblicher Produktions- und Kostenfaktor; von ihrer Qualität, Verfügbarkeit, Zugänglichkeit und Kapazität, aber vor allem auch von den Kosten für ihre Nutzung ist alles abhängig. Sie ist aufgrund der Rad- Schiene-Systematik der Dreh- und Angelpunkt des Schienenverkehrs. Die bestehenden Initiativen und Vorstöße der Eisenbahnbranche müssen aufgegriffen und ihre Akteure in der gesamten Branchenvielfalt auf allen politischen Ebenen eingebunden werden, um die dringend notwendigen Zukunftsperspektiven für den Schienenverkehr erarbeiten und umsetzen zu können.