eJournals Internationales Verkehrswesen 62/6

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0075
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Transeurasische Verkehrskorridore

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Armin Hansmann
Johannes  Weinand
Globalisierung, Urbanisierung und demografischer Wandel - die Megatrends im 21. Jahrhundert − prägen auch den Handel und Warenverkehr zwischen Europa und Asien. Insbesondere der asiatische Kontinent, mit seinen vier Mrd. Menschen, seiner steigenden Wirtschaftskraft und ungesättigten Märkten, übt eine starke Anziehungskraft auf die Europäische Gemeinschaft und umgekehrt aus. Europa und Asien rücken näher zusammen. Asien entwickelt sich zunehmend zum wirtschaftlichen Gravitationszentrum des 21. Jahrhunderts und zum wichtigen Handelspartner für Europa.
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Güterverkehr + Logistik 28 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 6/ 2010 Abb. 1: Verteilung der weltweiten Wirtschaftsleistungen Quelle: Allianz Global Investors Armin Hansmann / Johannes Weinand Transeurasische Verkehrskorridore Verkehrswege im 21. Jahrhundert Globalisierung, Urbanisierung und demografischer Wandel − die Megatrends im 21. Jahrhundert − prägen auch den Handel und Warenverkehr zwischen Europa und Asien. Insbesondere der asiatische Kontinent, mit seinen vier Mrd. Menschen, seiner steigenden Wirtschaftskraft und ungesättigten Märkten, übt eine starke Anziehungskraft auf die Europäische Gemeinschaft und umgekehrt aus. Europa und Asien rücken näher zusammen. Asien entwickelt sich zunehmend zum wirtschaftlichen Gravitationszentrum des 21. Jahrhunderts und zum wichtigen Handelspartner für Europa. Die Autoren Dipl. Ing. Armin Hansmann, Senior Consultant und freier Mitarbeiter bei Dornier Consultant GmbH, 88045 Friedrichshafen; Mitarbeiter im Projekt „International Logistics Centres for Western Newly Independent States and the Caucasus“ im Auftrag der Europäischen Kommission; Prof. h.c. Dr. Johannes Weinand, Leiter des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik der Stadt Trier; Honorarprofessor an der Beijing Normal University, Peking. 1 Asien im Aufbruch 1.1 Europa und Asien wachsen zusammen Wachsende Güterströme erfordern funktionierende Verkehrswege. Doch diese weisen noch erhebliche Mängel auf. Heute bestimmt der Seeverkehr das Tempo der Logistikströme, während die potenziell schnelleren landseitigen Verkehre weit hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. Güterverkehrsprognosen belegen jedoch zunehmende Güterpotenziale für den eurasischen Landverkehr. Die Bündelung der Verkehrsströme und Verknüpfung der Verkehrsträger wird zum Leitbild einer zukunftsweisenden internationalen Verkehrspolitik und fördert den intermodalen Verkehr. Die verladende Wirtschaft hat einen immensen Transportbedarf und ist darüber hinaus an einer klimaverträglichen, energieeffizienten und umweltfreundlichen Verkehrsentwicklung interessiert. Die eigentlichen Herausforderungen liegen jedoch im Bereich der Transportsicherheit, Zuverlässigkeit, der logistischen Integration und wettbewerbsfähigen Transportkosten. Die Europäische Gemeinschaft stellt sich diesen Herausforderungen. Seit Öffnung der Grenzen in Richtung Osteuropa im Jahre 1992 ist sie bemüht, ihre Handelsbeziehung zu den Staaten Osteuropas, des Kaukasus und Zentralasiens zu stärken und längerfristig zu sichern. Frühzeitig wurde erkannt, dass für die nach politischer Unabhängigkeit und wirtschaftlicher Selbstständigkeit strebenden ehemals sowjetischen Satellitenstaaten freie Zugangsmöglichkeiten zum europäischen Markt benötigen. 1.2 Handel und Verkehr zwischen Europa und Asien Der Handel zwischen Europa und der asiatisch-pazifischen Region überschreitet mittlerweile einen Warenwert von mehr als 270 Mrd. EUR pro Jahr (2008). Allein die Warenwerte deutscher Exportgüter tragen mit 90 Mrd. EUR (2008) spürbar zu dieser Entwicklung bei (34 Mrd. alleine mit China) 1 . Seeschiff, Bahn/ Lkw und Flugzeug konkurrieren um den ständig wachsenden Güterverkehrsmarkt. Mit 60 % der Weltbevölkerung erwirtschaftet Asien bereits heute mehr als 32 % der globalen Wertschöpfung und wird, Schätzungen der Asian Development Bank ADB zufolge, in 2050 voraussichtlich mehr als 50 % 2 erreichen. Das Exportvolumen Asiens ist im Zeitraum von 1990 − 2006 gegenüber Europa um das Sechsfache gestiegen (Abbildung 1) . Während sich nach der Finanz- und Wirtschaftskrise die Weltwirtschaft nur langsam erholt, setzt China sein immenses Wirtschaftswachstum unvermindert fort. Dank mächtiger Konjunkturprogramme und großer Devisenreserven wird sich nach Einschätzungen der Weltbank das zukünftige Wirtschaftswachstum im zweistelligen Bereich bewegen und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. 2 Die Eurasische Landbrücke 2.1 Ausgangslage und Zielsetzungen Seit Öffnung der Grenzen in Richtung Osteuropa hat sich die geopolitische Lage grundlegend verändert. Bereits nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden alte Wirtschaftsverbindungen aufgegeben und neue gesucht. China und Indien sind zwischenzeitlich zu führenden Wirtschaftsmächten in der Welt aufgestiegen. Russland, mit seinen riesigen Rohstoffressourcen, ist zu einem wichtigen Handelspartner für Europa geworden. Mit dem Aufstieg Chinas zum Exportweltmeister geraten die Häfen seiner Ostküste zunehmend an ihre Kapazitätsgrenzen. Durch die politische Weichenstellung der chinesischen Zentralregierung, die Küstenregion zu entlasten und das Hinterland zu stärken, werden mit mächtigen Wirtschaftsförderprogrammen strukturelle Anpassungen eingeleitet. Dies begünstigt den eurasischen Landtransport und bringt Chinas Wirtschaftsräume zukünftig näher an Europa. Durch die Anbindung des chinesischen Südwestens an einen leistungsfähigen Verkehrskorridor in Richtung Europa, erschließt sich den landseitigen Verkehrsträgern ein stark expandierender Wirtschaftsraum mit über 150 Mio. Menschen. 2.2 Seeverkehre und Wettbewerbssituation Gegenwärtig werden mehr als 95 % des Containeraufkommens zwischen Europa Güterverkehr + Logistik 29 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 6/ 2010 Abb. 2: Containerverkehrsaufkommen und -prognose Quelle: UN-ESCAP und dem asiatisch-pazifischen Raum auf dem Seeweg transportiert und, nach Prognosen der UNESCAP UN-Economic and Social Commission for Asia and the Pacific, jährlich um 7,6 % auf 26,1 Mio. TEU − Westbound − bzw. 17,7 Mio. TEU − Eastbound − bis 2015 anwachsen 3 (Abbildung 2) . Ein Blick auf die Weltkarte macht jedoch deutlich, dass ein Schiff große Umwege in Kauf nehmen muss. Eine Reise von Zentraleuropa mit dem Schiff an die Ostküste Chinas ist doppelt so weit (ca. 20 000 km) und nimmt die doppelte Zeit (30 bis 35 Tage) gegenüber der Eisenbahn (ca. 10 000 km und 15 − 20 Tage) in Anspruch. Beim Vergleich der Transportkosten zeigen sich jedoch erhebliche Vorteile zugunsten des Seeverkehrs (Transportkosten von 20“- und 40“-Containern im Landverkehr sind um ca. 50 % höher). Fallende Frachtraten, verursacht durch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise sowie Überkapazitäten und immer größere Containerschiffe (5. Generation 7000 −10 000 TEU; Malakkamax (geplant) 16 000 TEU) kennzeichnen diese Entwicklung. Hinzu kommt eine ausgefeilte Transportlogistik. Sie bietet der verladenden Wirtschaft nahezu ideale Transportbedingungen. Fazit: Die Seeverkehre zwischen Europa und Asien dominieren und setzten Maßstäbe. Diese Entwicklung könnte jedoch zukünftig an ihre Grenzen stoßen. Da die Importe und Exporte Chinas weiterhin überproportional steigen, reichen die Hafenkapazitäten an der Ostküste bereits heute häufig schon nicht mehr aus. Viele Häfen haben eine zu geringe Wassertiefe, so dass große Containerschiffe und Supertanker sie nicht anlaufen können. Auf einigen Wasserstraßen zeichnen sich Engpässe ab. Der Suez-kanal mit einer Länge von 163 km verkürzt zwar den Seeweg zwischen Europa und Asien um zehn Tage, ist jedoch für große Containerschiffe begrenzt, zeitweise überlastet und wegen der Piraterie am Golf von Aden nicht mehr sicher. Die Wasserstraßen könnten zukünftig zum Nadelöhr für den Welthandel werden. 3 Chancen und Risiken des eurasischen Landverkehrs 3.1 Verkehrskorridore und Verkehrsträger im Wettbewerb Heute setzt der eurasische Seeverkehr die Standards. Dies war nicht immer so. Bereits im 3. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung verband die „Seidenstraße“ die Völker Chinas und Zentralasiens mit Europa. Auf einem weitverzweigten Wegenetz wurden wertvolle Waren wie Gold und Seide befördert. Der eigentliche Zweck lag jedoch in der Erschließung der enormen Handels- und Wirtschaftsgüter zwischen dem Okzident und dem Orient. Erst mit der Entdeckung der Seeroute im 15. Jahrhundert verlor der Landweg an Bedeutung. Mit der Öffnung der Grenzen und Globalisierung der Märkte wurden Anfang der 90er Jahre auf europäischer Seite zwei zukunftsweisende Initiativen im Verkehrssektor gestartet. ̇ Die Entwicklung der paneuropäischen Verkehrsnetze mit Verkehrsverbindungen in Richtung Osteuropa und dem Kaukasus sowie ̇ das EU-Programm TRACECA (TRAnsport Corridor Europe − Caucasus − Asia). Auf Betreiben Russlands und Kasachstans zusammen mit weiteren zentralasiatischen Staaten folgte im Jahr 2000 die EurAsEC (EurAsian Economic Community)-Initiative. Russland verfolgt darüber hinaus das Ziel, die Transsibirische Eisenbahn TRANS- SIP stärker in den West-Ostbzw. Ost- West-Verkehr einzubringen. Von chinesischer Seite wurde 1997 das CAREC-Programm (Central Asia Regional Economic Programme) zusammen mit den zentralasiatischen Staaten und Aserbaidschan ins Leben gerufen, welches die verkehrliche Einbindung der Anrainerstaaten im Blickfeld hat. Alle Verkehrsinitiativen und Verkehrsprogramme verfolgen ein gemeinsames Ziel: Sie wollen den landseitigen Verkehr zwischen Europa und Asien attraktiver, wettbewerbsfähiger und damit wirtschaftlicher machen. Dies ist für die Weiterentwicklung Osteuropas, Russlands, Zentralasiens und Chinas von großer verkehrspolitischer Bedeutung. Gegenwärtig konkurrieren verschiedene eurasische Verkehrskorridore um den überwiegend vom Seeverkehr beherrschten Güterverkehrsmarkt. Jeder einzelne Verkehrskorridor weist jedoch zahlreiche Unzulänglichkeiten, wie schlechter Zustand der verkehrlichen Infrastruktur, uneinheitliche sowie zeit- und kostenintensive Abfertigungsprocedere an den Grenzen, fehlende Kommunikationstechnologien und Behördenwillkür, auf. Eine Bündelung aller Ressourcen und Investitionsprogramme oder die Fokussierung auf einen Transportkorridor finden nicht statt. Angesichts der zukünftigen globalen Herausforderungen und ökonomischen sowie ökologischen Vernunft liegt es im Interesse einer nachhaltigen europäischen und asiatischen Verkehrspolitik, die Verkehrsströme auf wenige, jedoch leistungsfähige Verkehrskorridore zu konzentrieren. Dazu müssen die unterschiedlichen Interessenlagen der Länder, Verkehrsträger und Akteure in Übereinstimmung gebracht und eine koordinierte und abgestimmte Umsetzungsstrategie realisiert werden. Oberstes Ziel dieser für alle Beteiligten verbindlichen Vorgehensweise muss es sein, regionale und nationale Hemmnisse zu überwinden und alle Anstrengungen auf einen gemeinsamen und leistungsfähigen intermodalen Transportkorridor auszurichten. 3.2 Eurasischer Schienenverkehr In der ehemaligen Sowjetunion spielte die Eisenbahn für den Personen- und Güterverkehr eine dominante Rolle. In diesen Zeiten wurden bis zu 80 % des Güterverkehrs mit der Eisenbahn befördert. In den CIS-Ländern wurde, historisch bedingt, ein eigenes Eisenbahnsystem mit einer einheitlichen Spurweite (Breitspur 1520 mm) geschaffen und mit der Transsibirischen Eisenbahn eine technische Meisterleistung vollbracht. Einem durchgehenden Eisenbahnverkehr zwischen Europa und Asien stehen heute diese unterschiedlichen Spurweiten (Normalspur 1435 mm in Zentraleuropa und China bzw. Breitspur 1520 mm in den ehemaligen sowjetischen Staaten) im Wege. Deshalb müssen an den Schnittstellen der Eisenbahnsysteme Güterwagen umgeladen bzw. umgespurt sowie Container umgeschlagen werden. Dies erschwert den bahnseitigen Gütertransport und führt zu beachtlichen Wartezeiten und zusätzliche Kosten. Die Herausforderungen für einen wettbewerbsfähigen Eisenbahnverkehr liegen Halle 18, Stand 131 ... nur noch 3 Monate bis zur InnoTrans! Internationale Fachmesse für Verkehrstechnik 21.-24.09.2010 Wir freuen uns auf Sie! www.eurailpress.de www.railwaygazette.com E urailpress und Railway Gazette - Die offiziellen Medienpartner der InnoTrans. Das Highlight im Norden Direkt am Eingang Nord Güterverkehr + Logistik 32 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 6/ 2010 im Bereich der Sicherheit, Zuverlässigkeit und der Transportkosten. An Güterpotenzialen mangelt es nicht, wie zahlreiche Marktstudien nachgewiesen haben. Insbesondere Industriegüter wie hochwertige Maschinen und Anlagen, chemische Produkte und Anlagen, landwirtschaftliche Produkte sowie Konsumgüter und Nahrungs-/ Genussmittel, bilden ein beachtliches Transportpotenzial. Die Machbarkeit leistungsfähiger Eisenbahnverkehre wurde bereits erfolgreich nachgewiesen. Bereits im Jahr 2007 hat ein mit Containern beladener Güterzug aus Peking die über 10 000 km lange Strecke über Moskau bis Hamburg in rund 15 Tagen bewältigt. Der Testzug hat gezeigt, dass Waren zwischen Europa und Asien in rund 15 Tagen transportiert werden können. Ein Schiff benötigt für diese Strecke bis zu 40 Tage. Der Wirtschaftlichkeitsnachweis steht allerdings noch aus. 3.3 Eurasischer Straßenverkehr Die Idee eines durchgehenden Straßengütertransportes zwischen Europa und Asien entstand bereits mit Öffnung der Grenzen in Osteuropa Ende der 90er Jahre. Das wirtschaftliche Wachstum Asiens forcierte diese Entwicklung. In Voruntersuchungen wurden ausreichende Güterpotenziale für den Straßenverkehr lokalisiert und Transportkorridore ausfindig gemacht. So startete Anfang 2000 die von der International Road Union IRU initiierte New Eurasian Land Transport Initiative NELTI . Dieses Projekt nahm im September 2008 konkrete Gestalt an. Im Zeitraum von mehreren Monaten wurden drei Transportkorridore in Form eines Pilotprojektes praktischen Prüfungen unterzogen. Dabei wurden wertvolle Erkenntnisse über die Transportabläufe, Verkehrsengpässe und Wettbewerbsfähigkeit des Straßengüterverkehrs gewonnen. 4 Beschreibung der Transportkorridore Je nach vorhandenen Infrastrukturen, Interessenlagen und Zielsetzungen der Staaten, Verkehrsträger und Akteure, stehen mehrere Verkehrskorridore zur Auswahl. 4.1 TRAnsport Corridor Europe - Caucasus - Asia (TRACECA) Mit Unterstützung der Europäischen Gemeinschaft wurde im Jahr 1993 das TRACECA-Programm (TRAnsport Corridor Europe-Caucasus-Asia) ins Leben gerufen. Die Europäische Gemeinschaft EU verfolgt mit dem TRACECA Programm das Ziel, einen neuen Verkehrskorridor als intermodale Alternative zu fördern sowie die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit der ehemals sowjetischen Staaten im Kaukasus und in Zentralasien von Russland zu unterstützen. Im Blickpunkt stand dabei die Wiederbelebung als „Neue Seidenstraße“. Mit ihr sollten die Zugangsmöglichkeiten zum Europäischen Markt und Weltmarkt geschaffen werden. Ein weiteres Ziel ist es, den intermodalen TRACECA-Korridor mit den Transeuropäischen Verkehrsnetzen TEN zu verbinden. An diesem Programm beteiligen sich 14 Staaten in Südosteuropa, dem Kaukasus und Zentralasien. Insgesamt sind die PAN-Korridore (IV, VII, VIII und IX) mit dem TRACECA-Korridor (Abbildung 4) verbunden. Die Schwarzmeerhäfen Odessa/ Ilyichevsk (Ukraine), Constanza (Rumänien), Burgas (Bulgarien) und Istanbul (Türkei) bilden Verbindungsknoten in Richtung Kaukasus. Von hier bestehen Fährverbindungen zu den georgischen Schwarzmeerhäfen Poti und Batumi. Der TRACECA-Korridor verläuft weiter durch den Kaukasus (Georgien − Armenien − Aserbaidschan) bis nach Baku am Kaspischen Meer. Von der aserbaidschanischen Metropole Baku bestehen Fährverbindungen nach Turkmenbaschi (Turkmenistan) bzw. Aktau (Kasachstan). Um alle zentralasiatischen Staaten in das TRACECA-Netzwerk einzubinden, werden alternative Transportkorridore gewählt. Im Nordosten Kasachstans befindet sich die Grenze nach China. Dieses EU-Programm wird seit den Anfängen von Dornier-Consulting, einem Unternehmen im EADS- Konzern, erfolgreich begleitet. Wie sich im Laufe der Jahre durch zahlreiche Testtransporte (Lkw, Bahn) herausgestellt hat, stellen die Fähren (Schwarzes Meer und Kaspisches Meer) für einen durchgehenden Güterverkehr ein großes Hindernis dar. Zusätzlich erschweren die zahlreichen Grenzübertritte den internationalen Güterverkehr. Unkalkulierbare Wartezeiten, Behördenwillkür und zusätzliche Transportkosten sind die Folgen. Aus diesen Gründen und aufgrund der veränderten geopolitischen Lage hat der TRACECA-Korridor für den eurasischen Güterverkehr gegenüber dem Programmstart (1993) spürbar an Attraktivität verloren. 4.2 Central Asia Regional Economic Programme (CAREC) Im Jahr 1997 gründeten acht Staaten in Zentralasien (Afghanistan, Aserbaidschan, Volksrepublik China, Kasachstan, Kirgisien, Republik Mongolei, Tadschikistan und Usbekistan) zusammen mit sechs multilateralen Institutionen das Central Asia Regional Economic Programme (CAREC). Im Mittelpunkt der asiatischen Transportinitiative stehen sechs Verkehrskorridore und vier strategische Ziele: ̇ die Verbesserung des CAREC Korridors bis 2017, ̇ eine Zunahme des Transitverkehrs zwischen Europa und Asien um jährlich 5 % bis 2017, ̇ eine Reduzierung der Abfertigungszeiten an den Grenzen bis 2012 um 50 % und weiter 30 % bis 2017, ̇ die Einrichtung eines Korridor-Managements in den CAREC-Staaten bis 2012. Um diese strategischen Ziele zu erreichen, sollen im Zeitraum 2008 − 2017 insgesamt 21 Mrd. USD investiert und insgesamt 38 Projekte realisiert werden. Wie bei allen eurasischen Verkehrsinitiativen werden auch im CAREC-Programm beachtliche Wachstumsraten prognostiziert (9 % p. a. 2008 - 2017) und eine Verbesserungen bei den Grenzübertritten sowie eine Vereinheitlichung des Abfertigungsprocedere angestrebt. 4.3 New Eurasian Land Transport Initiative (NELTI) Wie bereits ausgeführt, wurde die New Eurasian Land Transport Initiative NELTI Initiative 2003 von der International Road Union (IRU) ins Leben gerufen. Offiziell startete das Projekt im September 2008 in Taschkent. Insgesamt haben sich zwölf Straßengüterverkehrsverbände in acht Staaten Osteuropas und Zentralasiens zusammengeschlossen, um für einen ausgewählten Straßenverkehrskorridor (Beijing − Urumqi − Bakhty − Astana − Moscow − Riga − Vilnius − Warsaw − Berlin − Brussels) die Straßentransport Bedingungen zu verbessern. Im Jahre 2008/ 2009 wurden im Rahmen eines sechsmonatigen Großversuchs drei ausgewählte Straßenverkehrskorridore: (1) Northern route, (2) Central route und (3) Southern route einer gründlichen Analyse und Bewertung unterzogen. Ziel dieses Großversuchs ist es, die technische und wirtschaftliche Machbarkeit durchgehender Straßengüterverkehre nachzuweisen. Im Rahmen dieses praxisnahen Transportprogramms wurden über 600 Fahrten (Hin-/ Rückfahrten) mit dem Lkw Verkehrskorridor Initiative Start 1 TRACECA-Korridor New Silk Route (Intermodal) Europa − Kaukasus − Zentralasien − China Europäische Union (EU) 1993 2 CAREC-Korridor Intermodaler Transportkorridor Europa − Kasachstan − China Asian Development Bank (ADB) 1997 3 NELTI-Korridor Straßenverkehrskorridor Europa − Russland − Kasachstan − China International Road Transport (IRU) 2003 4 EurAsian EC-Initiative Intermodaler Transportkorridor China − Kasachstan − Russland − Europa Russland, Kasachstan, zentralasiatische Staaten, Weißrussland 2000 5 Northern Trans-Asian corridors Eisenbahnkorridor Europa − Russland − China Europäische Eisenbahn Russische Eisenbahn Chinesische Eisenbahn 2007 Güterverkehr + Logistik 33 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 6/ 2010 4.5 Der Northern Railway Corridor Der Northern Railway Corridor zwischen Europa und China verbindet das europäische Normalspurnetz mit dem russischen Breitspurnetz sowie dem chinesischen Normalspurnetz. An den Eisenbahnknoten in Malacewice/ Brest (Polen − Weißrussland) und Dostyk/ Alashhankou (Kasachstan − China) bzw. Sübaatar (Russland − China) müssen die Güter umgeladen bzw. die Container umgeschlagen werden. Die beteiligten Bahnen, darunter auch die Deutsche Bahn AG, entwickeln gegenwärtig für die Kunden ein dauerhaftes und attraktives Produkt. Ziel ist es, einen regelmäßigen Güterverkehr über die eurasische Landbrücke aufzubauen. Bevor jedoch regelmäßige Güterverkehre aufgenommen werden können, müsstruktur ist veraltet und bedarf einer dringenden Modernisierung. Erschwerend kommen die unterschiedlichen Spurweiten (Normalspur/ Breitspur) an den Grenzen zwischen China − Kasachstan in Dostyk bzw. Ukraine − Polen in Kowel bzw. Ukraine − Slowakei/ Ungarn in Chop (Breitspur/ Normalspur) hinzu, die ein Umspuren bzw. Umladen erforderlich machen. Insgesamt wurden fünf eurasische Straßenverkehrskorridore zwischen der EU- Außengrenze und Zentralasien/ Grenze China identifiziert. Prognosen gehen für 2020 von einem Transportaufkommen von 490 Mio. t auf diesem Verkehrskorridor aus, was eine Vervierfachung der Mengen seit dem Jahr 2000 entspricht. Das Transitpotenzial (Gütermengen außerhalb der CIS) wird auf 220 Mio. t geschätzt. durchgeführt und insgesamt 1,6 Mio. km und 4200 t Güter transportiert 4 . Fasst man die wesentlichen Erkenntnisse aus diesem Großversuch zusammen, so ergibt sich folgendes Fazit. Die drei Transportkorridore weisen bezüglich der Transportzeiten, Transportkosten und Transportabwicklung bedeutende Unterschiede auf. 25 % der Transportkosten und 45 % der Fährezeiten (Schwarzes Meer/ Kaspisches Meer) sind unproduktiv und verschlechtern die Wettbewerbsfähigkeit. Hinzu kommt eine Straßeninfrastruktur, die in vielen Streckenabschnitten nicht den europäischen Anforderungen entspricht. Während der Lkw in Europa täglich 750 bis 1000 km zurücklegt, liegen die täglichen Streckenabschnitte auf den drei Korridoren zwischen 350 und 450 km. Zusätzlich beeinträchtigen die Grenzaufenthaltszeiten und „unproduktiven“ Kosten die Wettbewerbsfähigkeit und wirken sich nachteilig auf die Transportzeiten und -kosten aus. 4.4 Die EurAsian Economic Community- Initiative (EurAsEC) Unter der Ägide von Russland und Kasachstan wurde im Jahr 2000 zusammen mit den CIS-Staaten, die EurAsian Economic Community-Initiative (EurAsEC) gegründet. Die EurAsEC-Verkehrskorridore stellen die kürzeste Verbindung zwischen Europa und Asien dar. Zu den wichtigen Zielsetzungen zählen: ̇ Entwicklung des Transportkorridors durch Modernisierung der verkehrlichen Infrastruktur, ̇ Beseitigung von Grenzhemmnissen und Harmonisierung der Abfertigungsprocedere, ̇ Anwendung einer einheitlichen Transport Policy für alle Teilnehmerländer. Der Schienenverkehrskorridor verläuft von China über Dostyk, Almaty (Kasachstan), auf drei verschiedenen Verkehrstrassen nach Europa und knüpft an das europäische PAN-Netz an. Die Eisenbahninfra- Abb. 3: Eurasische Verkehrsinitiativen Abb. 4: TRACECA-Verkehrskorridor (TRAnsport Corridor Europe − Caucasus − Asia) 34 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 6/ 2010 Güterverkehr + Logistik kehrskorridor“, in dessen Entwicklung die maßgebenden Staaten, Institutionen und Akteure eingebunden sind, könnte hierfür eine Plattform bilden und die formellen Voraussetzungen schaffen. Auf der Grundlage einer gemeinsamen Absichtserklärung ließen sich die Chancen und Risiken eines transeurasischen Verkehrskorridors, der verkehrliche Nutzen und finanzielle Aufwand bestimmen. (8) Europa wäre gut beraten, die kontinentübergreifenden Verkehrskorridore einer kritischen Prüfung zu unterziehen. In diese Prüfung sind alle bisherigen Verkehrskorridorinitiativen einzubeziehen und zu bewerten. Zusammen mit den interessierten Staaten gilt es alle Anstrengungen auf einen gemeinsamen, leistungsfähigen und wirtschaftlich tragfähigen, multimodalen Verkehrskorridor zu richten und alle Investitionen auf diesen zu fokussieren. 1 DER SPIEGEL 53/ 2009 2 Allianz -Global Investors 3 ESCAP-Transport Division 2009 4 Analysis of monitoring data collected on NELTI Project Routes in 2008 − 2009 (NEA − Final Report) wählten intermodalen Transportkorridor fehlt jedoch. (5) Im transeurasischen Eisenbahnverkehr dominiert die Transsibirische Eisenbahn im Güterverkehr. Eine zweite, um 2500 km kürzere Transportroute verbindet Zentraleuropa mit dem südwestlichen Wirtschaftsraum Chinas. Gesucht wird zukünftig ein leistungsfähiger Transportkorridor, der den Südwesten Chinas an das transeurasische Eisenbahnnetz anbindet, Kasachstan auf möglichst direktem Wege durchquert und im Süden Russlands (Wolgograd) über die Ukraine (Kiew) an das Eisenbahnnetz Zentraleuropas angebunden wird. (6) Die Vorteile dieser kürzesten eurasischen Landverbindung lassen sich wie folgt zusammenfassen: ̇ verkehrsgünstige Lage mit optimalen Verbindungsknoten zu den zentralasiatischen und osteuropäischen Anrainerstaaten, ̇ Streckenverlauf auf überwiegend bestehenden Verkehrstrassen und parallel zum überregionalen Fernstraßennetz, ̇ wenige Grenzübertritte (China − Kasachstan − Russland − Ukraine − Zentraleuropa), ̇ gute Anbindungsmöglichkeiten an das paneuropäische/ transeuropäische Eisenbahnnetz und Benutzung vorhandener Trassen, ̇ optimale Möglichkeiten zur Bündelung der Güterverkehre und damit hoher verkehrlicher Nutzen für alle beteiligten Länder. Eine Modernisierung des Transportkorridors, insbesondere in den Ländern Osteuropas (Ukraine, Russland) und Zentralasiens (Kasachstan), ist jedoch die Voraussetzung hierfür. (7) Vor diesem Hintergrund und aufgrund der knappen Finanzmittel ist es notwendiger den je, die Ressourcen zu bündeln und eine Fokussierung aller Kräfte auf einen ausgewählten Transportkorridor zu richten. Ein Masterplan „Eurasischer Versen die Verkehre effizient gebündelt, die Auslastung in beiden Richtungen deutlich gesteigert und die Transportkosten spürbar gesenkt werden. Darüber hinaus müssen die technisch-organisatorischen und ökonomischen Rahmenbedingungen verbessert werden. Hierzu zählen neben einer Vereinheitlichung der verschiedenen Stromsysteme sowie der Umlade-, Umschlag- oder Umspurprocedere, die Reduzierung der Grenzaufenthaltszeiten durch vereinfachte Zollverfahren, vereinheitlichte Frachtdokumente, gemeinsame Vorschriften und Produktionsabläufe. Neben diesen Jahrhundert-Aufgaben kommt erschwerend hinzu, dass die meisten Eisenbahnen im Staatsbesitz sind. 5 Fazit (1) Seit Öffnung der Grenzen in Richtung Osteuropa und der Globalisierung der Märkte sind mittlerweile zwei Jahrzehnte vergangen. In diesem Zeitraum haben sich die weltweiten Handelsbeziehungen und Warenströme grundlegend verändert. Asien hat sich mit China, Indien und den pazifischen Tigerstaaten zu einer wirtschaftlichen Großmacht entwickelt und ist zum wichtigsten Handelspartner Europas aufgestiegen. Europa hat mit dem TRACECA- Programm die historischen Handelswege aufleben lassen und die Märkte für die kaukasus- und zentralasiatischen Staaten geöffnet. (2) Als Folge dieses weltweiten Wirtschaftswandels und wirtschaftlichen Aufschwungs in Asien geraten die großräumigen Verkehrsachsen und Verkehrsknoten zunehmend ins Visier politischer Handlungen. Überlastete Hinterlandverbindungen und Engpässe in den Häfen können diesen wirtschaftlichen Aufschwung jedoch gefährden. Durch eine vorausschauende Planung und durch verkehrsstrukturelle Anpassungsmaßnahmen kann diese Entwicklung verhindert werden. In dieses Szenario sind alle Verkehrsträger einzubeziehen. (3) Europa setzt auf den Ausbau der trans- und paneuropäischen Netze (TEN, PAN) und deren Anbindungen an wichtige Verkehrsachsen und Wirtschaftsräume in Richtung Osteuropa (Russland, Ukraine) den Kaukasus und Zentralasien. Seit Anfang der 90er Jahre wird mit dem TRA- CECA-Programm der EU die Wiederbelebung der Seidenstraße gefördert. Mit dem aktuellem Projekt Logistics Centers for Western Newly Interpendent States and Caucasus and Central Asian sollen entlang des TRACECA-Korridors Logistics Center entwickelt und realisiert werden. (4) Während Europa seine Verkehrsinitiativen frühzeitig auf den TRACECA- Korridor konzentriert, verfolgen China zusammen mit den zentralasiatischen Ländern mit dem CAREC-Programm sowie die ehemaligen CIS-Staaten, unter Führung Russlands und Kasachstans, mit der EurAsEC-Initiative ihre eigenen verkehrspolitischen Interessen. Eine länder- und kontinentübergreifende Koordinierung und Fokussierung auf einen ausge- Summary TransEurasian Traffic Corridors Europe and Asia are steadily coming closer. Asia and especially China have successfully overcome the economic crisis and the economic growth continues. Trade and the exchange of goods between Europe and Asia benefit from this development. However, goods are carried predominantly by large vessels. It is important to realize that in future the shipping routes may become the bottle neck of world trade, thus limiting the exchange of goods between Europe and Asia considerably. Transport initiatives in Europe and Asia pursue a joint aim: they want to make land traffic more attractive, more competitive and more secure. Overburdened ports, strained land connections and political decision making contributes to this aim. Considering the facts mentioned above TransEurasian traffic corridors are getting more and more important. Today there is a competition between different transport initiatives of different countries such as TRACECA-Corridor, CAREC-Corridor, NELTI- Corridor and the EurAsian-Initiative. What the economy really needs is an efficient land transport corridor connecting Southwest China, traversing Kazakhstan and Southern Russia on the shortest route possible and finally connecting the Ukraine to the Trans- European transport network. A clear focus of resources and financial means on this common Eurasian transport corridor is needed to reach this goal.