Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0079
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Fahrgastinformationssysteme: komfortabel und kundenangepasst
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Kerstin Zapp
Kaum eine U- oder S-Bahn, in der man nicht mit Nachrichten versorgt wird. Fast jeder Bahnhof verkürzt Wartezeiten mit Spots auf großen Bildschirmen. Gelegentlich ist es allerdings einfacher, die Bundesligaspielstände zu erfahren als den richtigen Zug zu finden. Wie weit ist die Fahrgastinformationstechnik heute?
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Mobilität + Personenverkehr 43 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 6/ 2010 Kerstin Zapp Fahrgastinformationssysteme: komfortabel und kundenangepasst Kaum eine U- oder S-Bahn , in der man nicht mit Nachrichten versorgt wird. Fast jeder Bahnhof verkürzt Wartezeiten mit Spots auf großen Bildschirmen. Gelegentlich ist es allerdings einfacher, die Bundesligaspielstände zu erfahren als den richtigen Zug zu finden. Wie weit ist die Fahrgastinformationstechnik heute? Z wei Probleme im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bewegen Kunden und potenzielle Nutzer nach wie vor: Wie komme ich an das richtige Ticket, ohne dass mir diverse passende Bahnen vor der Nase wegfahren? Und: Wieso informiert mich keiner, wenn mein Zug oder Bus Verspätung hat, und sagt mir, was ich jetzt alternativ tun kann? Ein Teil davon müsste aufgrund der ausgereiften Technik heute Geschichte sein, doch diese Sorgen sind offenbar so tief verankert, dass sie noch immer die negative Seite der ÖPNV-Nutzung prägen. Allerdings ist zuzugeben, dass die Tarif- und Fahrscheinsysteme in Deutschland bisher nicht einheitlich sind, sondern meist Insellösungen darstellen. Zumindest mit Blick auf das zukunftsfähige E-Ticketing ist jedoch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV), Köln, sehr um eine Vereinheitlichung bemüht, beispielsweise bei den Schnittstellen. Bleiben wir beim Positiven. Hier einige Beispiele: E- Ticketing und andere Fahrscheinsysteme Die Höft & Wessel AG, Hannover, realisiert derzeit die E-Ticketing-Lösung für den Hamburger Verkehrsverbund (HVV). Das eingesetzte interoperable Almex-System basiert auf dem deutschen Standard VDV- KA. Mit dieser Kernapplikation können Kunden elektronische Karten in Zukunft auch interoperabel in ganz Deutschland verwenden. Das E-Ticket in Form einer elektronischen Kundenkarte ermöglicht den bargeldlosen Fahrkartenkauf. Das neue Ticket können Kunden bei Zahlung eines monatlichen Grundpreises zum Kauf deutlich günstigerer Einzel- und Tageskarten nutzen. Damit schließt das E-Ticket die Lücke zwischen Einzelkarten und Zeitkarten. Diese Fahrkarten werden bargeldlos gekauft und auf dem Ticket gespeichert. Die Abrechnung zum reduzierten Preis erfolgt entweder aus einem vorausbezahlten Guthaben oder durch Abbuchung vom Konto. Höft & Wessel will in der zweiten Jahreshälfte 2010 ein Pilotprojekt im Bezirk Hamburg-Harburg und dem angrenzenden Landkreis Harburg realisieren. Umgesetzt wird die Lösung auf Basis des in den Bussen der Hamburger Hochbahn neu montierten Bordrechners mit integriertem Fahrscheindrucker vom Typ almex.optima cl. Später sollen die Fahrkartenautomaten folgen. Die Hansecom GmbH, Hamburg, ist ebenfalls Partner im E-Ticket-Projekt des HVV und stellt das E-Ticketing-Hintergrundsystem PT®nova. Sie hat auf Basis der VDV-Kernapplikation zusammen mit ihren Partnern Systemtechnik GmbH und Eos Uptrade GmbH eine E-Ticketing- Lösung entwickelt, die alle drei Kernkomponenten integriert: Frontend, Geräteinfrastruktur und Hintergrundsystem. Die IT-Lösung bildet alle Prozesse von der Anmeldung über die Prüfung bis zur Verbuchung ab. Ebenso hat das Unternehmen IT-Systeme für Handytickets im Programm, hier in Zusammenarbeit mit Siemens IT Solutions and Services. Handytickets - Fahrscheine, die per Mobiltelefon erworben und dort abgespeichert werden können - richten sich noch vorrangig an Gelegenheitskunden des ÖPNV. Gerade für Geschäftsreisende ist die deutschlandweite Nutzungsmöglichkeit attraktiv. Hinsichtlich dieser Interoperabilität liegen Zahlen für Februar 2009 bis Januar 2010 im Regio-Verkehrsverbund Freiburg (RVF) vor: Etwa 2,3 % der vertriebenen Handytickets an Kunden, die im RVF angemeldet sind, wurden in anderen Regionen der Bundesrepublik bezogen. Handyticket-Kunden anderer Teilnehmerregionen bezogen im RVF-Gebiet im Gegenzug knapp 1,2 % der verkauften RVF- Handytickets. Die insgesamt interoperabel vertriebenen Fahrscheine machen damit im RVF fast 4 % aller über das Handy verkauften Fahrausweise aus. Damit liegt der Wert über dem Bundesdurchschnitt von gut 2 %. Der RVF bietet seinen Kunden nun eine Erweiterung: Ein kleines Java- Programm für das Handy ist an die mobile Fahrplanauskunft der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbH (NVBW) Die Autorin Kerstin Zapp, freie Fachjournalistin Logistik - Mobilität - Energie, Hamburg; kerstin.zapp@zapp4media.de Dynamische, kundennahe Fahrgastinformationen erwarten die Menschen von einem attraktiven ÖPNV-Angebot. Foto: S. Anemüller Mobilität + Personenverkehr 44 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 6/ 2010 angebunden und versorgt die Kunden so mit weiteren Informationen. Die Suche nach ÖPNV-Verbindungen im Internet oder per Handy wird ebenfalls immer komfortabler: Musste bisher der Haltestellenname genannt werden, lassen diverse Systeme mittlerweile auch die Suche nach Straßen statt Stationen zu. Die Krauth Technology GmbH, Eberbach, mit ihren Systemen zur Fahrgelderhebung wie stationären und mobilen Ticketautomaten, Fahrscheindruckern und Bordrechnern, E-Ticketing- und Chipkartensystemen sowie rechnergesteuerten Betriebsleitsystemen und der Einbindung der Telematik, hat ebenfalls ein umfassendes Programm. Auf der IT-Trans im Februar in Karlsruhe stellte das Unternehmen unter anderem sein Einstiegskontrollsystem AK 0112 vor. Mit im Gepäck waren auch Fahrscheinautomaten, die über Touch Screen mit Benutzerführung bedient werden können und diverse Zahlungsmittel inklusive Chip- und Kreditkarten akzeptieren. Elektronischer Fahrplan Die Eprovi Systems GmbH, Neukirchen, hat kürzlich einen elektronischen Fahrplanaushang namens „Flexpaper“ vorgestellt. Dieser kann mit Sondertextzeilen ausgestattet werden, die mit Informationen zum jeweiligen Ist-Zustand gespeist werden können. Auf Anforderung kann eine Lupenfunktion aktiviert werden oder es werden die nächsten Abfahrten angesagt. Damit ist das System auch für Menschen mit Sehbehinderung geeignet. Standardisierte Schnittstellen nach VDV- Applikationen erlauben eine Einbindung des elektronischen Fahrplans in übergeordnete Systeme. Die Daten werden zum Beispiel über GPRS/ UMTS übertragen. Die Energieversorgung erfolgt über Netzstrom, Batterie oder Solartechnologie, so dass ein autarker Betrieb möglich ist. In diesem und im nächsten Jahr wird das Fahrgastinformationssystem in Magdeburg von der Lumino Licht Elektronik GmbH, Krefeld, ausgebaut. Neben visuellen Anzeigen gehört auch der Einsatz einer akustischen Vorleseeinrichtung zum Auftragsvolumen. Unter anderem in Münster werden bereits Haltestellen erprobt, bei denen die Inhalte der dynamischen Informationstafel in akustische Informationen umgewandelt werden können. Ein Druck auf einen großen roten Knopf aktiviert die Vorleseeinrichtung, der Inhalt der elektronischen Abfahrtsanzeige wird angesagt. Ganz neu ist eine Technik, die an der Hamburger Helmut-Schmidt-Universität im Rahmen des Projekts „Bus-ID - Barrierefreier Zugang Blinder und sehbehinderter Menschen zum öffentlichen Nahverkehr“ entwickelt wird: Sehgeschädigte Menschen tragen einen kleinen Sender bei sich, der leicht und handlich wie ein Schlüssel ist und nach dem RFID-Verfahren arbeitet. Kommen sie damit in die Nähe einer Haltestelle, wird ein Computerprogramm aktiviert. Es sagt laut und verständlich, wo sie sich gerade befinden, welche Bus- und Bahnlinien hier verkehren und welche Linie als nächstes fährt. Anzeigesysteme Ein Rundum-sorglos-Paket in Sachen Fahrgastinformation bietet Lawo Mark IV Industries GmbH, Rastatt: Mobile oder stationäre Anzeigen mit guter Lesbarkeit, LED-Beleuchtung, mehreren möglichen Zeilen, eventuell farbig, mit Grafik oder Piktogrammen, als Rollband, falls gewünscht, oder als Infotainment-System. Sprachansagen sind ebenfalls kein Problem, und natürlich ist auch die entsprechende Steuerung zur Kontrolle der Fahrgastinformationsanzeigen im Angebot, ebenso wie die Planungs-, Installations- und Betreuungsleistung. Die Zelisko GmbH in Mödling, Österreich - ein Unternehmen der Knorr-Bremse Gruppe - verkauft zum Beispiel Rufautomaten für abgelegene Bushaltestellen, die nur bei Bedarf bedient werden. Auch sie zeigen an, wann tatsächlich der nächste Bus kommen wird. Fahrscheindrucker, Ticketautomaten, weitere Anzeigesysteme und Bordrechner sind ebenfalls Teil des Portfolios. Um künftig auch VDV-KA- Chipkarten am Fahrscheindrucker verarbeiten zu können, gibt es nun eine Ausstattungsvariante mit einem grafikfähigen Kundendisplay, einem KA-Leser sowie einem 2D-Barcodescanner. Mit dem Scanner können Onlinetickets schnell und sicher geprüft werden. Ein System zur dynamischen Fahrgastinformation an den Haltestellen sowie zur automatischen Anschlusssicherung auch zu Verbindungen der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) hat die Atron Electronic GmbH, Markt Schwaben, im April im Raum St. Gallen in der Schweiz in Betrieb gehen lassen. Sowohl integrierte als auch externe Fahrgastinformationssysteme werden mit Daten versorgt. Die Fahrgäste haben dadurch nicht nur Echtzeitinformationen an den Haltestellen, sondern auch in den Fahrzeugen. Zudem ist geplant, eine dynamische Fahrplanauskunft über Handy zu realisieren. Um eine Auskunft per SMS zu erhalten, sendet der Fahrgast eine SMS mit Haltestellennummer oder -namen an den Auskunftsserver des Verkehrsunternehmens. Als Antwort erhält er die nächsten Abfahrtszeiten an dieser Haltestelle. Für detaillierte Informationen gibt es die Möglichkeit, die Suche auf bestimmte Uhrzeiten, Linien und Richtungen einzuschränken. Zusätzlichen Service bietet das Verspätungs-Abo: Hierfür trägt sich der Fahrgast vorab im Internet für ausgewählte Fahrten ein und wird - im Fall einer Verspätung - automatisch und rechtzeitig per SMS informiert. Basis sind Echtzeitinformationen, die im System bereits vorhanden sind. Die Benachrichtigung per SMS ist besonders in Gebieten mit geringem Fahrgastaufkommen eine kostengünstige Alternative zu stationären dynamischen Anzeigen.
