eJournals Internationales Verkehrswesen 62/6

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0083
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Garanten für Zukunftstauglichkeit

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Karlheinz Pröpping
Thorsten Pulver
Das öffentliche Hafenmanagement in Deutschlands größtem Seehafen betreibt die Hamburg Port Authority (HPA) aus einer Hand. Um das 2005 ausgegründete Unternehmen für künftige Herausforderungen zu wappnen, wurde das Projekt „HPA 2010“ gestartet. Basierend auf fünf Eckpfeilern stellen die nun eingeführten Strukturen den effizienten Betrieb und planmäßigen Ausbau des Hafens sicher.
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Infrastruktur + Verkehrspolitik 51 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 6/ 2010 Organigramm der Hamburg Port Authority (Stand: Mai 2010) Karlheinz Pröpping / Thorsten Pulver Garanten für Zukunftstauglichkeit Die neuen unternehmerischen Strukturen der Hamburg Port Authority Das öffentliche Hafenmanagement in Deutschlands größtem Seehafen betreibt die Hamburg Port Authority (HPA) aus einer Hand. Um das 2005 ausgegründete Unternehmen für künftige Herausforderungen zu wappnen, wurde das Projekt „HPA 2010“ gestartet. Basierend auf fünf Eckpfeilern stellen die nun eingeführten Strukturen den effizienten Betrieb und planmäßigen Ausbau des Hafens sicher. Die Autoren Karlheinz Pröpping, Mitglied der Geschäftsleitung der Hamburg Port Authority AöR (HPA), Bereich Entwicklungsvorhaben, und Thorsten Pulver, Mitglied der Geschäftsleitung der Kienbaum Management Consultants GmbH, Practice Group Transport und Verkehr/ Logistik; Thorsten.Pulver@Kienbaum.de D er Hamburger Hafen ist einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in Norddeutschland. Mit etwa 163 000 direkt und indirekt abhängigen Beschäftigten und einem Containerumschlag von knapp 10 Mio. TEU 1 in 2008 gehört er zweifelsfrei zu den Schwergewichten in der Nordrange. Die hierfür notwendige öffentliche Infrastruktur umfasst unter anderem 35 km Kaimauer, 13 Radarstationen, 320 Liegeplätze für Seeschiffe, 147 Brücken, 137 km Straße und mehr als 300 km Eisenbahntrassen. Damit die Infrastruktur für dieses wichtige Wirtschaftssegment effizient, zeitnah und kundenorientiert gestaltet werden kann, wurden im Jahr 2005 verschiedene Ämter der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) zur HPA verschmolzen. Kernaufgaben der HPA sind der Ausbau, Betrieb und die Instandhaltung der öffentlichen Infrastruktur im Hamburger Hafen, mit dem Ziel, den Nutzen der Hafenwirtschaft als aktiver Partner zu erhöhen. Erfolgsorientiertes Investieren und wettbewerbliches Handeln im Hafenumfeld werden unterstützt und aktiv vorangetrieben. Das Projekt HPA 2010 Um die Leistungsfähigkeit der HPA zu steigern, wurde das unternehmensweite Weiterentwicklungsprojekt „HPA 2010“ gestartet. Im Rahmen der organisatorischen Neuausrichtung standen neben der Effektivitäts- und Effizienz-steigerung zwei weitere Ziele im Fokus: die Realisierung des geplanten, erheblichen Hafenausbauprogramms sowie die Gewährleistung des reibungslosen Betriebs der bestehenden Hafeninfrastruktur. Das Projekt startete mit fachlicher und methodischer Unterstützung durch eine externe Unternehmensberatung. Mit der Etablierung der neuen Strukturen steht die HPA auf einer geeigneten Basis, um für künftige Herausforderungen gewappnet zu sein. In der neuen Organisation (siehe Abbildung ) verantwortet die Geschäftsleitung - be-stehend aus der Geschäftsführung und den Leitern der sechs neuen Unternehmensbereiche - die Steuerung des Unternehmens. Die Leistungsfähigkeit der neuen HPA- Organisation wird an den folgenden Eckpfeilern deutlich: ̇ Klare Verantwortlichkeiten für die weitere Hafenentwicklung Zur Sicherstellung des geplanten Ausbauprogramms im Hamburger Hafen sind die ursprünglich dezentral organisierten Ingenieur-Fachkapazitäten in einem Unternehmensbereich gebündelt, der sich ausschließlich um die Realisierung der Entwicklungsvorhaben kümmert. Mit dem zentralen Projektbüro wurde eine zentrale Dienstleistungseinheit geschaffen, die alle kleinen bis großen Neu- und Ausbauprojekte der HPA in einer flexiblen Struktur umsetzt. Mit Hilfe eines projektübergreifenden Programmmanagements werden das vorhandene Know-how optimal auf die Projekte verteilt und die benötigten Kapazitäten bereitgestellt. Gleichzeitig werden die großen Entwicklungsvorhaben wie die Westerweiterung, Altenwerder, Rethehubbrücke etc. mit einem festen Mitarbeiterstamm ausgestattet. Auf diese Weise können sich die Projektteams voll auf eine termin-, qualitäts- und kostengerechte Realisierung der Großprojekte konzentrieren. Wichtiges Merkmal aller Projektorganisationen ist die Konstanz der Verantwortlichkeit in der Projektleitung, die nun das Projekt durch alle Entwicklungs- und Bauphasen hindurch betreut. ̇ Gebündelte Verantwortlichkeiten für den reibungslosen Betrieb des Hafens Für die Hafenwirtschaft ist neben dem Ausbau vor allem der reibungslose Betrieb der bestehenden Infrastruktur von herausragender Bedeutung. Schließlich muss sie sich auf ein funktionstüchtiges Gesamtsystem verlassen können. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, hat die HPA alle Kompetenzen für ein effizientes Management der verschiedenen Anlagen zusammengefasst und nach den jeweiligen Anlagentypen organisiert. Das Anlagenmanagement für die land- und wasserseitige Infrastruktur verantwortet leistungsfähige und hochwertige Anlagen mit dem Ziel, die Funktionsfähigkeit und Verkehrssicherheit des Hafens mit maximaler Verfügbarkeit zu gewährleisten. Dazu greift das Anlagenmanagement auf die Kompetenzen und Ressourcen der Hafentechnik zurück, dem zentralen Instandhaltungsdienstleister der HPA. Die vormals dezentral organisierten technischen Betriebe wurden zur Ausschöpfung von Synergien und zur Sicherung der Infrastruktur + Verkehrspolitik 52 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 6/ 2010 Wettbewerbsfähigkeit zu einer Instandhaltungseinheit „Hafentechnik“ zusammengefasst. Ausgelegt auf kurze Reaktionszeiten in Notfällen und ausgestattet mit einer zentralen Steuerungseinheit für alle Standorte im Hafen erfüllt der Bereich nun die zentralen Anforderungen an einen modernen Instandhaltungsdienstleister. Dokumentierte Leistungsbeziehungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer fördern die enge Zusammenarbeit. Die Organisation der Hafenbahn folgt dieser Logik und ist mit einem Anlagenmanagement und einem Instandhaltungsdienstleister ausgestattet. Ergänzt wird das Anlagenmanagement um Einheiten, die strategische und vertriebliche Aufgabenstellungen verantworten sowie den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur steuern und optimieren. Die Hafenbahn wurde als separater Unternehmensbereich organisiert, um den Besonderheiten des Eisenbahninfrastrukturbetriebs Rechnung tragen zu können. Durch den Abbau von Schnittstellen und die Schaffung transparenter Leistungsbeziehungen gerade in den operativen Einheiten, wird mit der neuen HPA-Struktur ein effizienter und reibungsloser Hafenbetrieb gewährleistet. ̇ Ergebnisorientiertes Management des Immobilienportfolios In den gewachsenen alten Strukturen der HPA waren die Verantwortlichkeiten für Immobilien über verschiedene Einheiten inneffizient verteilt. Vor diesem Hintergrund wurden geeignete Strukturen zur wertorientierten Vermarktung und Bewirtschaftung des HPA-Immobilienportfolios geschaffen. Hierzu sind die kaufmännischen und technischen Verantwortlichkeiten sowie Kompetenzen für alle Immobilien - etwa Flächen, Gebäude, Kaimauern und Pontons - nun in der neu gebildeten Einheit „Immobilienmanagement“ gebündelt. So können die im Immobilienportfolio schlummernden Erlöspotenziale realisiert werden. ̇ Moderne Informationstechnologien für einen leistungsfähigen Hafen Zu der erforderlichen Infrastruktur eines leistungsfähigen Hafens gehören moderne Informationstechnologien. Entsprechend wurde die Struktur der HPA um die Funktion eines „Chief Information Officers“ erweitert. Die bereits in den vergangenen Jahren angestoßenen Anstrengungen zur Modernisierung der Informationstechnologien im Hafen und ihrer Integration in die Kernprozesse der HPA werden so weiter verstärkt. Ausgeübt wird die neue Funktion in Personalunion mit der Leitung des Unternehmensbereichs „Services“. Grund: Die eingeleiteten Entwicklungen sollen auch in den Service- und Corporate-Einheiten der HPA mit Nachdruck vorangetrieben werden. Die neue Organisation stellt somit die Weichen für den beschleunigten Ausbau und die Weiterentwicklung einer modernen IT-Landschaft im Hamburger Hafen und fördert die Positionierung der HPA als leistungsfähiger Dienstleister für die Hafenwirtschaft. ̇ Erweitertes Steuerungssystem zur Unterstützung der Unternehmensführung Die dargestellten betrieblichen Strukturen und Prozesse werden durch das Steuerungssystem zur zielgerichteten Unternehmensführung und zur Ableitung von Handlungsempfehlungen zur kontinuierlichen Optimierung abgebildet. Jeder Unternehmensbereichsleiter verantwortet die Optimierung der Ergebnissituation in seinem Bereich. Das Steuerungssystem dient insgesamt der Schärfung des Kostenbewusstseins und ermöglicht eine Wirtschaftlichkeitskontrolle für jedes Segment der HPA. Gleichzeitig erleichtert es eine valide Kostenkalkulation und Angebotserstellung für externe Kunden. Herangehensweise als Garant für Erfolg Im Rahmen dieser komplexen ganzheitlichen Organisationsveränderung war die Methodik entscheidend für den Projekterfolg. Im Wesentlichen zeichneten fünf Punkte die Herangehensweise aus und sind Grundlagen für den Projekterfolg: ̇ strukturiertes Vorgehen in drei Phasen: Analyse, Konzeption, Umsetzung ̇ fokussierte Herangehensweise im Sinne der „80 : 20-Regel“ 2 ̇ enge Einbindung der Belegschaft ̇ von der Peer-Group lernen ̇ Etablierung des Erreichten als Kernherausforderung. Neben den genannten Punkten sind an dieser Stelle auch das Engagement und die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der HPA sowie die Unterstützung des Personalrats als zentrale Erfolgsfaktoren von „HPA 2010“ zu nennen. Das Ergebnis bestätigt das Vorgehen Signale aus der Organisation und dem Umfeld des Unternehmens zeigen bereits heute, dass die HPA den richtigen Weg eingeschlagen hat. Schon während der Etablierung der neuen Strukturen ließen sich zahlreiche positive Effekte feststellen: ̇ Geschäftsleitung und Geschäftsführung haben sich etabliert und mit einem klaren Rollenverständnis, definierten Führungsstrukturen und Verantwortlichkeiten zu einem echten Managementteam entwickelt. ̇ Erste Ansätze eines grundlegenden Imagewandels sind sichtbar. Beispiele wie der Auftritt auf der Messe „Transport Logistic“ 2009 oder im Fall der Betriebsstörung der Rethehubbrücke, zeigen dies deutlich. Insbesondere aus dem beherzten Notfallmanagement bei der Havarie der Rethehubbrücke, welches ohne die Reorganisation nicht möglich gewesen wäre, resultiert eine positive Wahrnehmung der HPA in der Öffentlichkeit. Vor dem Hintergrund der meist negativen Wahrnehmung der HPA in der Vergangenheit ist dies als großer Erfolg zu verbuchen und bestätigt die Anstrengungen der HPA und ihrer Mitarbeiter. ̇ Darüber hinaus hat es die HPA geschafft, eine leistungsfähige Projektorganisation für alle Projekttypen zu verankern. So kann sie ihren Fokus nun auf die anstehenden Neu- und Ausbaumaßnahmen richten. Derzeit werden im neu geschaffenen „Ingenieurbüro Entwicklungsvorhaben“ parallel rund 40 Planungsund- Bauprojekte gesteuert. ̇ Vom neuen Selbstverständnis zeugen auch erste positive Verhandlungsergebnisse im Immobilienmanagement. Die verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verhandeln „auf Augenhöhe“ mit bestehenden und potenziellen Kunden. Erfolgsabhängige, variable Klauseln in jüngst abgeschlossenen Mietverträgen oder die Entwicklung und der Bau eines Bürogebäudes für einen externen Mieter zeigen eindeutig in die Richtung eines ergebnisorientierten Managements des HPA-Immobilienportfolios. ̇ In den operativen Bereichen der Hafeninfrastruktur und der Hafenbahn zeigen klare Verhältnisse zwischen Auftraggeber und Instandhaltungsdienstleister sichtbare Effizienzgewinne. Die Überarbeitung der Rollen im Anlagenmanagement und die Einführung von SAP-PM unterstützen die professionelle Zusammenarbeit in der Anlageninstandhaltung. Die effektive Leistungserbringung wird damit auch effizienter. ̇ Die positiven Effekte der organisatorischen Bündelung der Instandhaltungsdienstleister in der neuen Einheit Hafentechnik werden auch am Beispiel der Instandsetzung der Rethehubbrücke deutlich. Hier konnte dank der zentralen Einsatzkoordination und des gebündelten Einsatzes aller Standorte eine erhebliche Bauzeitverkürzung und somit eine deutlich geringere Beeinträchtigung des Verkehrs im Hafen erreicht werden. Blick in die Zukunft Die Schnelllebigkeit unserer Zeit wird besonders dadurch deutlich, dass zu Beginn des Organisationsprojekts immer neue Umschlagrekorde in den Häfen verzeichnet wurden. Auch wenn sich die Vorzeichen vor dem Hintergrund der weltweiten Wirtschaftskrise jüngst gewandelt haben, wird langfristig weiter mit wachsenden Handlingmengen gerechnet. In diesen Zeiten steht die „neue“ HPA auf einem stabilem Fundament, um für künftige Herausforderungen gewappnet zu sein. Dennoch wird die HPA ihre Organisation auch weiterhin kritisch hinterfragen, um die Zeichen der Zeit zu erkennen und rechtzeitig auf kommende Herausforderungen vorbereitet zu sein. 1 TEU = Twenty Foot Equivalent Unit (Standardcontainer) 2 Adaptiert auf die Projektarbeit besagt das Pareto- Prinzip, dass mit nur 20 % des Aufwands bereits 80 % des Nutzens geschaffen wird.