Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0087
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Für einen starken ÖPNV auch im Jahr 2030
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Claudia Langowsky
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Standpunkt 62 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 6/ 2010 Dr.-Ing. Claudia Langowsky ist Hauptgeschäftsführerin des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen. Für einen starken ÖPNV auch im Jahr 2030 Zu den aktuellen Anforderungen an den ÖPNV gehören unter anderem die Sicherung der Finanzmittel, die Reaktion auf den demografischen Wandel sowie die Mobilitätssicherung in Ballungsräumen und auf dem Land. Die Verkehrsunternehmen sind hierbei genauso gefordert wie die Verkehrsverbünde und Aufgabenträger. Die Anforderungen können jedoch nur erfolgreich umgesetzt werden, wenn die Qualität des ÖPNV- Systems langfristig erhalten bleibt. Um Erfolg zu haben, müssen Unternehmen und öffentliche Hände an einem Strang ziehen. Die Branche ist deshalb sehr erfreut, dass sich Bundesverkehrsminister Ramsauer für eine aktive Rolle des Staates bekannt hat. „Der Bund wird auch weiterhin die finanzielle Unterstützung von Bussen und Bahnen sicherstellen, denn Investitionen in den Nahverkehr sind Investitionen, die sich lohnen“, bekannte der Minister kürzlich am Rande der Verkehrsministerkonferenz in Bremen. Ramsauer hob hervor, dass sowohl die Bürger als auch Umwelt und Wirtschaft am Standort Deutschland von einer finanziellen Unterstützung des öffentlichen Verkehrs profitieren. Hierbei ist sowohl an einen nachfrageorientierten Ausbau des öffentlichen Verkehrssystems zu denken als insbesondere auch an Investitionen in den Substanzerhalt. Allein für den ÖPNV hat sich, der aktuellen Studie „Finanzierungsbedarf des ÖPNV bis 2025“ zufolge, bereits jetzt ein Nachholbedarf für Erneuerungsinvestitionen in Höhe von 2,35 Mrd. EUR aufgestaut. Der VDV hatte diese Studie zusammen mit dem Deutschen Städtetag und 13 Bundesländern beauftragt. Die Ergebnisse der Studie „Mobilität in Deutschland“ (MID 2008), die das Institut infas kürzlich veröffentlicht hat, beschreiben, für welche Funktionen die Menschen „unterwegs sind“. 2008 wurden täglich - einschließlich des Wirtschaftsverkehrs - 281 Mio. Wege zurückgelegt. 2002 waren es noch 272 Mio. 92 Mio. Wege dienen der Freizeitgestaltung, ebenso viele dem Einkauf und privaten Erledigungen. 45 Mio. Wege werden zur Arbeit und Ausbildung zurückgelegt. In den Altergruppen ab 40 Jahren nahm in den vergangenen Jahren die Anzahl der Wege sowohl absolut als auch je Person deutlich zu, mit Abstand am deutlichsten in der Altergruppe zwischen 65 und 74 Jahren. Allein seit 2002 hat die Bevölkerungsgruppe der über 65-Jährigen um über 16 % zugenommen. Der ÖPNV wird sich auf diese Zielgruppe perspektivisch noch weiter einstellen müssen. Welche Bedeutung Busse und Bahnen für die Gesellschaft haben, lässt sich bereits aus der absoluten regelmäßigen Nutzergröße ablesen. Täglich nutzen etwa 28 Mio. Fahrgäste Busse und Bahnen im ÖPNV und vermeiden damit über 18 Mio. Autofahrten. Interessant an den Ergebnissen der MID 2008 ist auch, dass in der Altersgruppe der 18bis 24-Jährigen die tägliche Nutzung des Pkw nennenswert abgenommen hat (minus 12 % seit 2002) und die tägliche Nutzung des ÖPNV um 5 % zunahm. Gerade in dieser Gruppe wächst eine neue Mobilitätsform heran, die dem ÖPNV im Markt hilft und deshalb aktiv durch die Verkehrsunternehmen kultiviert werden sollte. Infas hat als Chancen des ÖPNV den Ausbau des Umweltverbundes zwischen ÖPNV, Fahrrad und Car-Sharing identifiziert, gleichfalls qualitativ verbesserte ÖPNV-Leistungen. Busse und Bahnen haben ihre Aufgaben in der Gesellschaft behalten. Zukünftig werden die Unternehmen anders gefordert sein als in den klassischen Leistungen, die vor allem die Mobilität zur Arbeit und Ausbildung in den Vordergrund stellten. Die Veränderung der Angebotsprofile, welche die Unternehmen bereits seit längerer Zeit durchführen, beweisen, dass sie ihren Herausforderungen gewachsen sind. Die hohe Nachfrage der Kunden und die Verankerung des ÖPNV in den einzelnen Teilmärkten bilden also eine solide Rechtfertigungsgrundlage, für Bund, Länder und Kommunen, die finanzielle Unterstützung des ÖPNV sicherzustellen. Sie erhalten durch ihre aktive Rolle auch langfristig die Stärke des ÖPNV. Ein weiterer Aspekt ist hierfür auch von Bedeutung: Die Verkehrsunternehmen im ÖPNV stellen zusammen mit der Verkehrsindustrie direkt und indirekt etwa 400 000 Arbeitsplätze in Deutschland zur Verfügung und jeder für den ÖPNV bereitgestellte Euro rentiert sich 2,9bis 4,4-fach. Dies wurde in der genannten Finanzierungsstudie des VDV, des Deutschen Städtetages und der 13 Länder ermittelt. Alle Beteiligten wollen, dass der ÖPNV seine Rolle auch im Jahr 2030 genauso gut erfüllen kann wie heute. Deshalb müssen heute die Weichen durch die Sicherung der Finanzierung gestellt werden.
