Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0089
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2010
627-8
Freigabe Buslinienfernverkehr in Deutschland? | Regionalpolitik und Infrastrukturentscheidungen: Negativfolgen
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Gerd Aberle
iv627-80006
Kurz + Kritisch 6 Kurz + Kritisch: Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche Passagiere ab“). Neben einer Qualitätssicherung stellt sich die Frage, ob eine Lizensierung der Genehmigungen möglich ist mit zeitlicher Begrenzung. Dabei können auch durchaus mehrere Lizenzen vergeben werden. Ob dies dann, wenn ausländische Busanbieter nach Deutschland einfahren und dann hier Kabotagefahrten durchführen, nach EU-Recht zulässig ist, sollte geprüft werden. In diesem Zusammenhang stellt sich aber auch die Frage, ob bei diesen neuen Wettbewerbsangeboten zum Schienenfernverkehr die Befreiung der Fernbusse von der Autobahnmaut noch vertretbar ist. Die mit Wegekostenargumenten eingeführte fahrleistungsabhängige Maut im Straßengüterverkehr wurde hinsichtlich der Busfahrten auf Autobahnen nie diskutiert. Die Ursachen hierfür sind nur spekulativ nachvollziehbar: Entweder war die Buslobby sehr erfolgreich oder man hat sich in Deutschland nur an die expliziten EU-Mautvorgaben zur Wegekostenanlastung gehalten. Danach ist es den EU-Staaten jedoch freigestellt, für den Personenverkehr nationale Regelungen einzuführen. In Italien, Österreich, Frankreich, Spanien und der Schweiz sind Busmauten selbstverständlich. Eine Freigabe des Buslinienfernverkehrs in Deutschland ohne ordnungspolitische Begleitmaßnahmen und ohne Berücksichtigung der veränderten Wettbewerbssituation im öffentlichen Personenfernverkehr sollte es nicht geben. Es stimmt nachdenklich und gelegentlich auch fast belustigend, wie deutsche Politiker beim Thema Busmaut im Falle der Freigabe des Buslinienfernverkehrs erschrocken und ablenkend reagieren. Freigabe Buslinienfernverkehr in Deutschland? I n Deutschland ist, im Unterschied zu vielen anderen europäischen Staaten, Linienfernverkehr mit Bussen eine Ausnahme. Die rechtliche Verankerung stammt aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg und findet in § 13 Abs. 2 des (noch) geltenden Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) ihre gesetzliche Grundlage. Danach sind Genehmigungen zu versagen, sofern Verkehrsaufgaben übernommen werden sollen, die bereits von Unternehmen oder Eisenbahnen wahrgenommen werden. Damit erweist sich dieser Ablehnungsgrund sowohl für den Schienenpersonenfernverkehr als auch für genehmigte Busverkehre als Schutzvorschrift. Ausnahmen existierender Busfernlinien beruhen entweder auf der Zeit vor der Wiedervereinigung Deutschlands (etwa Berlin-Verkehre) oder es handelt sich um grenzüberschreitende Buslinien, insbesondere nach Osteuropa. Im Berlin-Verkehr sind vorrangig Tochterunternehmen der DB AG tätig; im Osteuropaverkehr sind es vor allem Linien der Touring-Busgesellschaft, die sich bis vor wenigen Jahren noch im Besitz der DB AG befand. Das praktische Verbot neuer Busfernlinien ist seit Jahren umstritten. Während für den Straßengüterverkehr und auch die Eisenbahnen in den vergangenen 15 Jahren erhebliche Deregulierungsmaßnahmen eingeführt wurden, blieb in Deutschland die restriktive Rechtslage beim Buslinienfernverkehr unverändert. Nunmehr ist durch Vereinbarungen im Koalitionsvertrag vom Herbst 2009 Bewegung eingetreten. Der Buslinienverkehr, auch als Parallelverkehr zu Bahnverbindungen, soll zulässig und durch entsprechende Änderungen im PBefG ermöglicht werden. Bereits im Vorstadium haben Busanbieter, zunächst vor allem aus Deutschland, ihr Interesse an der Freigabe bekundet. Die DB AG warnt vor einer neuen Konkurrenzierung ihrer Schienenfernverkehrsangebote mit der Gefahr der dann möglicherweise notwendigen Ausdünnung ihrer Bahnangebote. Realistischerweise ist von einer Freigabe des Buslinienverkehrs in Deutschland in absehbarer Zeit auszugehen. Ordnungspolitisch ist die restriktive Vorgabe des geltenden PBefG nicht vertretbar. Wenn die Freigabe erfolgt, sind allerdings im Vorfeld einige Überlegungen und Entscheidungen erforderlich. Nach allen vorliegenden Informationen wird sich das Interesse potenzieller Buswettbewerber vorrangig, allerdings nicht nur, auf von der Bahn nicht direkt bediente Relationen konzentrieren, die für Busverkehre hinreichende, für Schienenangebote hingegen nicht kommerziell interessante Nachfrage aufweisen. Dabei sollte nicht übersehen werden, dass die DB AG der größte deutsche Busanbieter ist und die neuen Möglichkeiten entsprechend nutzen kann, dass aber auch große ausländische Busgesellschaften einen Markteintritt in Deutschland planen. Eine Freigabe des Buslinienfernverkehrs sollte keinesfalls zu einer Laisser-faire-Entwicklung führen, wie etwa in Großbritannien mit einem ungezügelten Wettbewerb um Passagiere („wer zuerst am Busterminal eintrifft, greift die INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 7+8/ 2010 Termine + Veranstaltungen Weitere Veranstaltungstermine finden Sie im Internet unter www.dvz.de, www.eurailpress.de und www.dvwg.de Regionalpolitik und Infrastrukturentscheidungen: Negativfolgen D ie Knappheit der zukünftig verfügbaren Investitionsmittel wird dramatisch ansteigen. Eine der Folgen wird sein, dass alle Infrastrukturprojekte erneut auf den Prüfstand kommen. Hier allerdings zeigen sich deutliche Grenzen. Sie resultieren aus stark oder ausschließlich regionalpolitisch motivierten Vergangenheitsentscheidungen. Mittlerweile sind meist die rechtlichen Grundlagen geschaffen, Verträge geschlossen und teilweise die Bauarbeiten angelaufen. Wegen Investitionskostensteigerungen und Finanzmittelengpässen sowie sonstiger Bauverzögerungen schleppen sich die Projekte teilweise über Jahrzehnte hin. Viele dieser primär regionalpolitisch als wichtig eingestuften Investitionen werden jedoch hinsichtlich ihrer regionalwirtschaftlichen Positiveffekte kritisch diskutiert. Hinzu kommt, dass durch diese noch hohe Finanzmittel beanspruchenden Maßnahmen dringlichere Projekte mit hohen Positivwirkungen nicht realisiert werden können. Zu Zeiten geringerer Finanzierungsprobleme konnten auch primär regionalpolitisch gepushte Investitionen mit vergleichsweise unsicheren positiven Projektwirkungen verkraftet werden. Doch diese Zeiten sind Vergangenheit. In Deutschland gibt es zahlreiche und in der Regel sehr kostenintensive Projekte, die letztlich nur vor dem Hintergrund regionalpolitischer Zielvorstellungen nachvollziehbar sind. Beispielhaft: das Schienenprojekt Nr. 8 der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit Nürnberg - Erfurt - Leipzig - Berlin mit 500 km Länge, 35 Brücken- und 27 Tunnelbauwerken und vorläufigen Gesamtkosten von rd. 10 Mrd. EUR. Die Fertigstellung verschiebt sich ständig, die Topographie führt zu sehr hohen Baukosten, das Interesse der Bahn an dieser Strecke ist kommerziell nicht gegeben. Weiteres Beispiel: das Projekt Stuttgart 21, Verträge geschlossen, außerordentlich hohe geschätzte Baukosten mit großen Unsicherheiten auch aufgrund der speziellen Projektkomplexitäten und der zunehmenden Widerstände der Bevölkerung. Auch hier verdrängen die Milliardeninvestitionen eine Vielzahl sonstiger Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen. Bei volumenmäßig kleineren regionalpolitisch begründeten Projekten zeigen sich die gleichen Verdrängungseffekte. Der umstrittene Ausbau des Flugplatzes Kassel-Calden, nur mit regionalpolitischen Hoffnungen begründet und ohne jedes Interesse der Airlines, zeichnet sich durch steigende Investitionserfordernisse aus, obwohl noch kein Stein bewegt worden ist. Im Umfeld liegen bereits drei Flughäfen, die alle um Auslastung kämpfen: Paderborn/ Lippstadt, Erfurt und Dortmund. Und bis zum ebenfalls um Nachfrage werbenden Flughafen Hannover sind es lediglich knapp 60 ICE-Minuten. Die bisherigen Ausbaukosten von 151 Mio. EUR sind Ende April auf 225 Mio. gestiegen. Das Land will den dominierenden Anteil der 74 Mio. EUR Kostensteigerung übernehmen und auch den Großteil der bisherigen Ausbaukosten. Übrigens: Ebenfalls Ende April gab die hessische Landesregierung Finanzmittelkürzungen für die Hochschulen um 30 Mio. und für die Schulen um 45 Mio. EUR bekannt. 19.-20.8.10 7. Baltisches Verkehrsforum: Frankfurt/ M. (D) Der maritime Ostseeverkehr nach der Krise Info: DVWG, Tel. 030-2936060, hgs@dvwg.de, www.dvwg.de 2.9.10 Die leise Bahn: „Was ist möglich? - Hannover (D) Handlungsoptionen für die Politik“ Info: DVWG BV Niedersachsen, Tel. 0511-628959, seminar@dvwg-nds.de, www.niedersachsen.dvwg.dei 7.-8.9.10 global maritime environmental congress - gmec 2010 Hamburg (D) Info: Hamburg Messe und Congress Gmbh, Tel. 040-35692444, gmec@hamburg-messe.de, www.gmec-hamburg.com 7.-10.9.10 SMM Hamburg (D) Info: Hamburg Messe und Congress GmbH, Tel. 040-3569-0, info@hamburg-messe.de, www.hamburg-messe.de/ smm 14.09.2010 Zukunftsprogramm Verkehrsinfrastruktur Berlin (D) Info: Deutsches Verkehrsforum, Berlin Tel. 030/ 26 39 54-50 kirstgen@verkehrsforum.de www.verkehrsforum.de 15.09.2010 ICS International Shipping Conference London (UK) Info: International Shipping Federation, London Tel. 0044/ 20/ 74 17 28 55 shantel.ryan@marisec.org, www.marisec.org 15.-17.9.10 Deutscher Straßen- und Verkehrskongress 2010 Karlsruhe (D) Info: FGSV, Tel. 0221-93583-11, koeln@fgsv.de, www.fgsv.de 20.9.10 8. DVWG-Bahnforum: Infrastrukturen für den Berlin (D) Schienenpersonenfernverkehr der Zukunft Info: DVWG, Tel. 030-2936060, hgs@dvwg.de, www.dvwg.de 20.-21.9.10 Hauptverkehrsstraßen im Fokus Berlin (D) der Verkehrs- und Stadtentwicklung Info: DIFU, Tel. 030-390010, fortbildung@difu.de, www.difu.de 21.-24.9.10 InnoTrans Berlin (D) Info: Messe Berlin, Tel. 030-30382376, innotrans@messe-berlin.de, www.innotrans.de 22.09.2010 Dialog Forum: Gutes Geld für gute Leistung − Berlin (D) Finanzierungsperspektiven des ÖPNV Info: Deutsches Verkehrsforum, Berlin Tel. 030/ 26 39 54-50 kirstgen@verkehrsforum.de www.verkehrsforum.de 23.9.10 ÖPNV Forum: ÖPNV im Brennpunkt (InnoTrans) Berlin (D) Info: DVWG, Tel. 030-2936060, hgs@dvwg.de, www.dvwg.de 23.-30.09.2010 63. IAA-Nutzfahrzeuge Hannover (D) Info: Verband der Automobilindustrie VDA, Frankfurt/ Main Tel. 069/ 975 07-0, info@vda.de, www.vda.de 30.9.-1.10.10 Networks for Mobility Stuttgart (D) Info: Universität Stuttgart, Tel. 0711-685-66367, fovus@fovus.uni-stuttgart.de, www.uni-stuttgart.de/ fovus 13.-14.10.10 4. VDI-Tagung „Baden-Baden Spezial“ Baden-Baden (D) Info: VDI Wissensforum, Tel. 0211-6214-201, wissensforum@vdi.de, www.elektronik-auto.de 28.10.2010 8 th Intermodal Africa 2010 Cape Town (RSA) Info: Transport Events Management Limited, Labuan/ Malaysia Tel. 0060/ 87/ 426 022 enquiries@transportevents.com www.transportevents.com 2.-4.11.2010 ACF 25 th International Air Cargo Forum and Exposition Amsterdam (NL) Info: TIACA General Secretariat, Miami/ Florida Tel. 001/ 786/ 265 7011 secqen@tiaca.org www.tiaca.org 11.11.10 Kontaktmesse Verkehr 2010 Dresden (D) Info: TU Dresden, Tel. 0351-46336614, giebel@kontaktmesse-verkehr.de, www. kontaktmesse-verkehr.de 11.-12.11.10 9. List-Symposium: „Verkehr der Zukunft - Dresden (D) 60 Jahre Verkehrswissenschaften in Dresden“ Info: TU Dresden, jeannette.klotzsch@mailbox.tu-dresden.de, www.tu-dresden.de Veranstaltungen vom 19.8.2010 bis 12.11.2010 Stand zum Redaktionsschluss am 21.7.2010
