Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0092
71
2010
627-8
Personen- und Güterbahnhöfe
71
2010
Michael Häßler
Wolf-Christian Hildebrand
Der Personen- und der Güterverkehr auf der Schiene haben gemeinsame Wurzeln. In den nunmehr 175 Jahren deutscher Eisenbahngeschichte haben sich die beiden Formen des Verkehrs jedoch ganz unterschiedlich entwickelt. Beobachten lassen sich diese unterschiedlichen Entwicklungspfade insbesondere an den Bahnhöfen des Personen- und Güterverkehrs seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Neuzeit.
iv627-80016
Güterverkehr + Logistik 16 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 7+8/ 2010 Idealtypische Phasen der städtebaulichen Einordnung Städtebauliche Einordnung Städtebauliche Einordnung Phasen Phase I (ab etwa 1835) Phase II (ab etwa Mitte des 19.Jahrhunderts) Phasen Phase III (ab etwa 1880) Phase IV (1990er Jahre; Einführung ICE) Stadt Kopfbahnhof Kopfbahnhof Kopfbahnhof Kopfbahnhof (Hauptbahnhof) Kopfbahnhof Postbahnhof Stadtzentrum Städtische Expansion mit der Bahn Durchgangsbahnhof (Hauptbahnhof) Durchgangsbahnhof / Haltepunkt Zugbildungsanlage KV-Terminal ICE-Halt Postbahnhof Durchgangsbahnhof (Hauptbahnhof) Rangierbahnhof (ab 20.Jahrhundert mit Ablaufbetrieb) Durchgangsbahnhof / Haltepunkt Hauptgüterbahnhof Güterbahnhof HGV-Neubaustrecke Verbindungsbahn Städtebauliche Einordnung Städtebauliche Einordnung Städtebauliche Einordnung Städtebauliche Einordnung Phasen Phase I (ab etwa 1835) Phase II (ab etwa Mitte des 19.Jahrhunderts) Phasen Phase I (ab etwa 1835) Phase II (ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts) Phasen Phase III (ab etwa 1880) Phase IV (1990er Jahre; Einführung ICE) Phasen Phase III (ab etwa 1880) Phase IV (1990er Jahre; Einführung ICE) Stadt Kopfbahnhof Kopfbahnhof Kopfbahnhof Kopfbahnhof (Hauptbahnhof) Kopfbahnhof Postbahnhof Stadtzentrum Stadtzentrum Städtische Expansion mit der Bahn Durchgangsbahnhof (Hauptbahnhof) Durchgangsbahnhof / Haltepunkt Zugbildungsanlage KV-Terminal ICE-Halt Postbahnhof Durchgangsbahnhof (Hauptbahnhof) Rangierbahnhof (ab 20.Jahrhundert mit Ablaufbetrieb) Durchgangsbahnhof / Haltepunkt Hauptgüterbahnhof Güterbahnhof HGV-Neubaustrecke Verbindungsbahn Michael Häßler / Wolf-Christian Hildebrand Personen- und Güterbahnhöfe Kurzer Abriss aus betrieblicher Sicht Der Personen- und der Güterverkehr auf der Schiene haben gemeinsame Wurzeln. In den nunmehr 175 Jahren deutscher Eisenbahngeschichte haben sich die beiden Formen des Verkehrs jedoch ganz unterschiedlich entwickelt. Beobachten lassen sich diese unterschiedlichen Entwicklungspfade insbesondere an den Bahnhöfen des Personen- und Güterverkehrs seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Neuzeit. Die Autoren Dr.-Ing. Michael Häßler, Architekt, European Railway Engineer (UEEIV), Hagen (Westf.) und Berlin; Dr. Ing. Wolf-Christian Hildebrand, hwup Consulting Berlin, hildebrand@hwup.de Abgrenzung von Personen- und Güterbahnhöfen Nach der Definition der Eisenbahnbetriebsordnung sind Bahnhöfe Bahnanlagen, in denen Züge beginnen oder enden, ausweichen oder wenden dürfen und die über mindestens eine Weiche verfügen. Personenbahnhöfe sind Orte des Zu-, Ab- und Übergangs von Bahnreisenden. Unter dem Begriff der Güterbahnhöfe sind alle Bahnanlagen zu verstehen, die dem Umschlag von Gütern dienen und öffentlich zugänglich sind. Betrachtet werden Ladegleise als Teil eines Personenbahnhofes, Güterbahnhöfe und Umschlagterminals zwischen Straße und Schiene sowie Rangiergleise und -bahnhöfe. Nicht berücksichtigt werden hingegen unternehmenseigene Gleisanschlüsse. Phase I: Gemeinsame Abfertigung von Personen- und Güterverkehr Die Eisenbahn diente zunächst dem Transport von Personen zwischen zwei Orten, meist solchen von wirtschaftlicher Bedeutung, zwischen denen eine Eisenbahn eine gute Verzinsung des eingesetzten (meist privaten) Kapitals versprach. Die Gleisanlagen endeten in einem Kopfbahnhof vor den Toren der Stadt. Größere Städte wiesen bald schon mehrere Bahnhöfe für die jeweiligen Zielorte auf. Sie hatten eine Abfahrts- und eine Ankunftsseite. Umsteigen innerhalb eines Bahnhofs war nicht notwendig, da nur ein Ziel angefahren wurde. Verbindungen zwischen den Bahnhöfen bestanden zunächst nicht. Für den Gütertransport, der kurze Zeit nach Einführung der Personenbeförderung aufgenommen wurde, wurden am Rand der Personenbahnhöfe Umschlaggebäude und Ladegleise errichtet. Die Züge fuhren dabei häufig als gemischte Personen- und Güterzüge. Phase II: Entwicklung der Hauptbahnhöfe Mit zunehmendem Schienenverkehr entstanden zuerst Verbindungsstrecken zwischen den Richtungsbahnhöfen und später dann zentrale Hauptbahnhöfe, von denen Züge in alle Himmelsrichtungen abgingen bzw. ankamen. Die vorherrschende Bauform war der Kopfbahnhof. Durch die Einführung eines Querbahnsteigs vor Kopf konnte das Umsteigen vereinfacht werden; die Trennung zwischen Abfahrts- und Ankunftsseite wurde aufgehoben. Der Güterverkehr wurde aus den Hauptbahnhöfen ausgelagert und in eigenen Hauptgüterbahnhöfen abgefertigt. Im Güterverkehr blieb die Trennung nach Ankunfts- und Abfahrtsseite bestehen. Durch das Rangieren der Güterwagen konnte der Prozess des „Umsteigens“ abgebildet werden. In Personenzügen wurde in der Regel nur noch Post mitbefördert. Phase III: Durchgangs- und Rangierbahnhöfe Im Personenverkehr wurden ab etwa 1880 neue Hauptbahnhöfe seltener als Kopfbahnhöfe, sondern immer häufiger als Durchgangsbahnhöfe errichtet. Diese hatten insbesondere eisenbahnbetriebliche Vorteile, da keine zweite Lokomotive mehr notwendig war beziehungsweise das Umfahren des Zuges durch die Lokomotive entfiel und die Haltezeiten sich dementsprechend verkürzten. Städtebaulich hingegen zerschnitten die von beiden Seiten an den neuen (Durchgangs-) Hauptbahnhof herangeführten Gleise das Stadtgebiet, das maßgeblich unter dem Einfluss der Eisenbahn (und der von ihr ermöglichten höheren Reisedistanzen auch innerhalb der Stadt) gewachsen war und die vormals in Stadtrandlage angeordneten, nunmehr zum Hauptbahnhof zusammengefassten ehemaligen Kopfbahnhöfe „überwuchert“ hatte. Der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung der „industriellen Revolution“ entsprechend nahm auch der Umfang des Güterverkehrs und damit der Rangiertätigkeiten zu. Es entstanden daher oft zusätzlich ausgedehnte Rangierbahnhöfe. Zur Effizienzsteigerung bei der Zugbildung im Einzelwagenverkehr wurden ab den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts vermehrt Rangierbahnhöfe mit Ablaufbergen zur Schwerkraftzerlegung gebaut. Güterverkehr + Logistik 17 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 7+8/ 2010 Phase IV: Hochgeschwindigkeitsnetz und Container-/ Kombinierter Verkehr Im Personenverkehr sollte erst in den 1990er Jahren ein weiterer Effizienzsprung mit der Einführung des ICE-Hochgeschwindigkeitsverkehrs gelingen. Es wurden bundesweit neue Bahnhöfe weit abseits der Stadtzentren errichtet, um die neuen ICE- Trassen nicht ungünstig durch das Nadelöhr vorhandener, innerstädtisch gelegener Bahnanlagen trassieren zu müssen und das Anfahren noch vorhandener Kopfbahnhöfe zu vermeiden. Im Güterverkehr kam es zu großen strukturellen Veränderungen durch die Einführung des Containers und der Wechselbrücken für den Kombinierten Verkehr (KV). Mit der weitgehenden Mechanisierung des Ablaufbetriebes, u. a. durch Ersatz von Hemmschuhlegern durch Gleisbremsen und rechnergesteuerte Abläufe, wurden in den großen Zugbildungsanlagen des Einzelwagenverkehrs weitere Leistungssteigerungen möglich. Die systemimmanente höhere Flexibilität des Lastkraftwagens beim Transport kleiner Mengen führte dazu, dass der Stückgutverkehr in den 1990er Jahren völlig aufgegeben wurde; damit wurden auch die Hauptgüterbahnhöfe stillgelegt. Während die Massengüter im Ganzzugverkehr zwischen unternehmenseigenen Gleisanschlüssen verkehren, fahren Shuttlezüge im Kombinierten Verkehr und im Seehafenhinterlandverkehr zwischen den Häfen und den KV-Terminals. Diese Terminals sind oft auch als trimodale Terminals in einem Binnenhafen angelegt und ermöglichen so die optimale Kombination der Verkehrsträger Straße, Schiene und Binnenschiff. Schlussbemerkung Nach einer anfänglich engen Verflechtung von Personen- und Güterverkehr haben sich mit stärkerer Ausdifferenzierung der unterschiedlichen Beförderungsweisen auch unterschiedliche Bahnhofstypen herausgebildet: Der Durchgangsbahnhof (und der Haltepunkt) im Personenverkehr, die Zugbildungsanlage im Einzelwagenverkehr und das KV-Terminal im Kombinierten Verkehr als vorherrschende Typen. Gemeinsam ist den Bahnhöfen heute, dass auf eisenbahnbetrieblich aufwändige Prozesse (Rangieren, Umkoppeln, Lokwechsel) entweder weitgehend verzichtet wird (Personenverkehr: Tendenz zum Triebwagen, Ersatz von Kurswagen durch Flügelung von Triebwagen; Gütertransport: Tendenz zum Ganzzugverkehr) oder solche Prozesse auf wenige, oft große Bahnhöfe (Einzelwagenverkehr: Zugbildungsanlagen; Kombinierter Verkehr: KV- Terminals) konzentriert werden. So sehr aus betrieblicher Sicht der Effizienzgedanke die wesentliche Grundlage der Gestaltung von Bahnhöfen geworden ist, darf dennoch die städtebauliche Komponente nicht unerwähnt bleiben. Beim Personenbahnhof, zumal dem Hauptbahnhof, ist dies seine zentrale, oft auch architektonisch ausgestaltete Bedeutung als (Personen-)Verkehrsknotenpunkt im Stadtgefüge. Bei den Bahnhofstypen des Güterverkehrs ist dies ihre zentrale Rolle für den Umschlag von Wirtschaftsgütern im Nah- und Fernbereich, einschließlich der Funktion im Seehafenhinterlandverkehr. Summary Designing passenger and freight railway stations Carrying on from the initially close integration of passenger and freight transport, the more profound differentiation among means of transport has given rise to different types of railway stations. The predominant ones are the transit station (and stop) for passenger traffic, the shunting yard for freight trains composed of single wagons, and the KV-terminal for combined transport, At present, stations are commonly affected by the termination, to a large degree, of costly railway-specific types of manoeuvres (i. e. shunting and deor re-coupling of freight wagons, engine changes) or their concentration on a few - but often large - railway stations. By taking railways‘ operational aspects into account, efficiency-related assessments have emerged as the essential starting point for station design. Urban development schemes should, nonetheless, also be given due consideration. 7. Baltisches Verkehrsforum Maritimer Ostseeverkehr nach der Krise Seetransport und Hafenentwicklung zwischen Kontinuität und Neustrukturierung Ostseeinstitut an der Universität Rostock 19./ 20. August 2010 Rostock Hotel Neptun weitere Informationen unter www.dvwg.de Foto: Rainer Leske Treffen Sie internationale Politiker, Manager und Experten aus Transport & Logistik der Ostseeanrainer und diskutieren Sie gemeinsam Entwicklungstrends und Herausforderungen der kommenden Jahre im baltischen Seeverkehr.
