eJournals Internationales Verkehrswesen 62/7-8

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0096
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2010
627-8

Aktueller Stand der Hafenquerspange Hamburg

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2010
Sandra Bietz
Sönke  Reise
Trotz kurzzeitiger Stagnation infolge der Weltwirtschaftskrise steigt das Verkehrsaufkommen in und um Hamburg weiterhin. Um den Verkehrsfluss und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts gewährleisten zu können, werden bestmögliche Infrastrukturen benötigt. Ein bedeutendes, aber augenscheinlich noch fehlendes Element im Verkehrsnetz stellt die Hafenquerspange (HQS) dar. Der folgende Beitrag skizziert die in der letzten Zeit diskutierten verschiedenen Routenvarianten.
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Infrastruktur + Verkehrspolitik 33 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 7+8/ 2010 Sandra Bietz / Sönke Reise Aktueller Stand der Hafenquerspange Hamburg Trotz kurzzeitiger Stagnation infolge der Weltwirtschaftskrise steigt das Verkehrsaufkommen in und um Hamburg weiterhin. Um den Verkehrsfluss und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts gewährleisten zu können, werden bestmögliche Infrastrukturen benötigt. Ein bedeutendes, aber augenscheinlich noch fehlendes Element im Verkehrsnetz stellt die Hafenquerspange (HQS) dar. Der folgende Beitrag skizziert die in der letzten Zeit diskutierten verschiedenen Routenvarianten. Die Autoren Prof. Dr. rer. pol. Sönke Reise, Hochschule Wismar, Fachbereich Seetransp o r tt e c h n o l o g i e / Ve r k e h r s l o g i s t i k , soenke.reise@hs-wismar.de; Sandra Bietz, Studentin der Hochschule Wismar im Studiengang Verkehrsbetrieb/ Logistik, sandra_bietz@yahoo.de Veranlassung und Zielsetzung Die Hafenquerspange (HQS) soll im Hamburger Süden als neuentstehende Autobahn A 252 die Lücke zwischen den Autobahnen A 7/ A 26 im Westen und der A 1 im Osten schließen. Die Überlegungen zur HQS und ihre Begründung beruhen im Wesentlichen auf nachstehenden Punkten: 1 ̇ Lückenschluss im überregionalen Bundesfernstraßennetz ̇ Bündelung des innerstädtischen Ost- West-Verkehrs der Stadt Hamburg und der weiträumigen Hafenverkehre mit einer leistungsfähigen Straßenverbindung ̇ schnellere und verbesserte Anbindung der Terminals im Hamburger Hafen ̇ Reduzierung der Lärm- und Schadstoffbelastungen in und um Hamburg-Harburg sowie aufgrund von Verlagerungseffekten in der Hamburger Innenstadt und dessen Wohnquartieren ̇ gesamtwirtschaftliche Kostenvorteile. Beteiligungsprozess „Verkehrsplanung im Hamburger Süden“ Bereits im Jahr 1939 sahen die nationalsozialistischen Pläne einen Autobahnring um Hamburg vor, dessen südlicher Teil eine Autobahn zwischen der im Bau befindlichen Bremer Autobahn und der geplanten Nord-Süd-Autobahn (heute A 7) sein soll. Bis heute wird über dieses Thema intensiv diskutiert. Um die Verkehrsprojekte südlich der Elbe voranzutreiben bzw. zu realisieren und dabei alle Interessengemeinschaften zu berücksichtigen, wurde der „Beteiligungsprozess Verkehrsplanung im Hamburger Süden“ ins Leben gerufen. Hier diskutierten von Juni bis November 2009 eine Vielzahl von Akteuren intensiv über ein Gesamtverkehrskonzept für den Hamburger Süden sowie über die geplante Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße und die künftige Hafenquerspange. Zahlreiche Bürgerinitiativen waren daran beteiligt. Ziel dieses Verfahrens war in erster Linie ein Interessenausgleich zwischen allen Parteien. Außerdem sollte Transparenz über sämtliche Planungen hergestellt und Vertrauen zwischen den Beteiligten aufgebaut werden. Das Ergebnis des Beteiligungsprozesses ist ein ganzheitliches Meinungsbild, das in die Erarbeitung eines integrierten Gesamtkonzeptes einfließen wird. Das Gesamtkonzept soll bis Ende des Jahres 2010 durch die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt erstellt werden. 2 Varianten der HQS Im Jahr 2005 wurde das förmliche Linienbestimmungsverfahren auf der Basis von umfänglichen Vorplanungen und Verkehrsprognosen abgeschlossen. Auf der Grundlage der damaligen Rechtslage und planerischen Randbedingungen wurde vom BMVBS eine Nordtrasse bestimmt. Heute entspricht diese Trasse nicht mehr den aktuellen Anforderungen an das Verkehrsnetz und den neuen städtebaulichen Rahmenbedingungen in der Stadt Hamburg. Aus diesem Grund wurde im Jahr 2008 die DEGES 3 von der zuständigen Senatorin Anja Hajduk mit der Planung einer Südtrasse beauftragt. Im März 2009 wurde das Ergebnis der von der DE- GES erarbeiteten Projektstudie zur Hafenquerspange vorgelegt. Darin wurden fünf Trassenvarianten vorgestellt und bewertet, die entweder durch einen Nord- oder Südkorridor verlaufen. Sie werden - basierend auf dieser Studie - nachstehend vorgestellt. 4 Der Nordkorridor beginnt im Westen an der A 7 im Bereich der AS HH-Waltershof und endet im Osten an der verlegten Wilhelmsburger Reichsstraße. Über die vorhandene und auszubauende A 252 sowie über die A 255 erfolgt der Anschluss an die A 1. Der Köhlbrand ist beim Nordkorridor zu queren (Abbildung 2). Der Südkorridor beginnt im Westen an der A 7 im Bereich des mit der A 26 (Stader Autobahn) geplanten AK Süderelbe und endet im Osten an der A 1 im Bereich der AS HH-Stillhorn. Im Südkorridor ist die Süderelbe zu queren. Westlich vor der Süderelbe im Raum Moorburg liegt die Hafenerweiterungsfläche. Die Realisierung einer Variante im Südkorridor ist in zwei Stufen möglich in den Abschnitten A 7 bis Hohe Schaar und Hohe Schaar bis A 1. Köhlbrandbrücke Foto: Hapag Lloyd Infrastruktur + Verkehrspolitik 34 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 7+8/ 2010 Abb. 2: Varianten der Hafenquerspange Quelle: Projektstudie Hafenquerspange Hamburg Varianten im Nordkorridor Die Variante Nord entspricht weitgehend der linienbestimmten Trasse aus dem Jahr 2005. Allerdings erfolgte im Anschlussstellenbereich Steinwerder eine Umgestaltung. Der Köhlbrand wird mit einer lichten Höhe von 53 m gequert. Hochstraßen werden nur im Bereich Spreehafen gebaut. Die Variante Nord 1 berücksichtigt die absehbaren Entwicklungen bei den Schiffsgrößen und sieht eine Köhlbrandquerung in einer Höhe von 72 m vor. Außerdem wird auf alle weiteren städtebaulichen Leitplanungen geachtet („Sprung über die Elbe“), so dass im Bereich des Spreehafens ein Tunnel entstehen soll. Um diese Variante nach heutigen Kriterien überhaupt durchsetzen zu können, musste sie seit der Linienbestimmung im Jahr 2005 kostenintensiv vervollständigt werden. Varianten im Südkorridor Bei der Variante Süd 1 wird der Ort Moorburg bzw. das Hafenerweiterungsgebiet südlich umgangen. Die AS HH- Moorburg muss in Verbindung mit dem AK Süderelbe an die Hafenquerspange verlegt werden. In 53 m Höhe wird die Süderelbe gequert. Neben dem Hafenanschluss Hohe Schaar wird ein BAB- Teilanschluss an die A 253 Süd (Harburg) geschaffen. Die Kornweide und sämtliche Gleisanlagen werden untertunnelt. Es gibt Abb. 1: Der Untersuchungsraum im Hamburger Süden Quelle: http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Datei.Hamburg-motorways.svg Infrastruktur + Verkehrspolitik 35 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 7+8/ 2010 keine Verknüpfung mit der Wilhelmsburger Reichsstraße. Die Variante Süd 2 verläuft nördlich von Moorburg und schließt dadurch das Containerterminal Altenwerder (CTA) direkt an die Autobahn an. Nördlich der Kattwykbrücke wird die Süderelbe in 53 m Höhe gequert. Ab der Hohen Schaar verläuft diese Variante auf gleicher Linie wie die Variante Süd 1. Die Variante Süd 3 verläuft quer durch Moorburg und das Hafenerweiterungsgebiet und wird deswegen nicht weiter verfolgt. Westlich der Süderelbe führt die Variante Süd 4 als durchgehende Hochbrücke ohne Hafenanschluss am nördlichen Rand des Hafenerweiterungsgebietes entlang (kein Anschluss des CTA). Die Süderelbe wird nördlich der Kattwykbrücke in 53 m und das Hafenbecken eines möglichen Containerterminals im Hafenerweiterungsgebiet in 72 m Höhe gequert. Die Variante Süd 4 verläuft ebenfalls ab der Hohen Schaar wie die Variante Süd 1. Variante Diagonal West Die Variante Diagonal West verknüpft den westlichen Teil des Südkorridors mit dem östlichen Teil des Nordkorridors. Vor der Süderelbe wird die Hafenquerspange zwischen möglicher Hafenerweiterung, Kattwykbrücke und dem im Bau befindlichen Kraftwerk Moorburg eingeordnet. Auf einer Hochbrücke mit 53 m Höhe wird die Süderelbe dann geradlinig gequert. Östlich der Süderelbe im Bereich der AS HH-Hohe Schaar schwenkt die Trasse nach Norden und quert die Rethe ebenfalls in 53 m Höhe. Im Weiteren erreicht sie eine Parallellage zum Rosshafen und verläuft von hier wie die Variante Nord 1 durch den Spreehafen bis zum Anschluss Wilhelmsburg Nord. Vergleich der Varianten Unter Maßgabe sieben verschiedener Zielfelder wurden die Varianten bewertet mit dem Ziel, eine Vorzugsvariante begründen zu können. Diese Zielfelder umfassen die verkehrlichen Wirkungen (Anschlüsse, Verbindungen), die Komplexität der technischen Gestaltung, die Umweltverträglichkeit, die Belange des Artenschutzes, die Vorgaben aus den Stadtentwicklungsplänen, die Belange der Hafenwirtschaft sowie der Kosten (inkl. Folgemaßnahmen). Unter Berücksichtigung dieser sieben Zielfelder ist die Variante Süd 1 als Vorzugsvariante anzusehen (siehe Tabelle 1). Um diesen Linienverlauf der Hafenquerspange Hamburg zu realisieren, muss die Hansestadt Hamburg nun einen Antrag auf Änderung der Linienbestimmung der A 252 durch das BMVBS stellen. Der nächste Planungsschritt soll die Änderung der Linienbestimmung nach § 16 FStrG sein, der noch im Jahr 2010 abgeschlossen sein soll. 5 Damit wäre die ursprüngliche im Bundesverkehrswegeplan vorgesehene Hafenquerspange, die den Hafen im nördlichen Bereich quert, Geschichte. Eine Realisierung der nun bevorzugten Südvariante ist angesichts der derzeitigen Haushaltslage dennoch ungewiss. 1 Vgl. Projektstudie Hafenquerspange Hamburg, S. 4 2 Vgl. http: / / www.verkehrsplanung-sued.hamburg.de/ 3 Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH; Als Projektmanagementgesellschaft nimmt die DEGES die Funktion als Bauherr und Hausherr (ohne hoheitliche Aufgaben) wahr. 4 Vgl. Projektstudie Hafenquerspange Hamburg, S. 25 ff. 5 Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft (Drucksache 19/ 5475 vom 23.02.2010) Quellen Projektstudie Hafenquerspange Hamburg Juni 2009 der DEGES, Kurzfassung http: / / www.verkehrsplanung-im-sueden.hamburg.de/ http: / / www.hk24.de/ produktmarken/ standortpolitik/ verkehrsnetze/ ueberregionale_verkehrsinfrastruktur/ strasse/ hqs.jsp http: / / www.hamburg-port-authority.de/ presse-und-aktuelles/ news/ 226-freie-fahrt-fuer-den-hafenverkehr.html http: / / www.alternative-hafenquerspange.de/ http: / / www.hafen-quer-spange.de/ http: / / www.deges.de/ Tab. 1: Ergebnis des Variantenvergleichs: Wert 1 (entspricht sehr hoher Zielerreichung) bis Wert 6 (entspricht keiner Zielerreichung) Quelle: Projektstudie Hafenquerspange Hamburg, S. 121 Zielfeld Nord Nord 1 Diagonal West Süd 1 Süd 2 Süd 4 Verkehrliche Wirkungen 1 1 6 1 4 5 Technische Gestaltung 4 6 5 1 1 1 Umweltverträglichkeit 5 3 6 3 1 1 Artenschutz/ Natura 2000 1 1 6 5 3 3 Stadtentwicklung/ Stadtbild 5 4 5 1 2 2 Hafenbelange/ Hafenwirtschaft 5 4 2 1 5 3 Kosten (inkl. Folgemaßnahmen) 4 6 5 2 1 3 Gesamtrang 4 4 6 1 2 3