Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0100
71
2010
627-8
Einfache Transportkettenplanung
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2010
Achim Klukas
Alex Vastag
Sich abzeichnende Kapazitätsengpässe im Straßen- und Schienengüterverkehr hinsichtlich Infrastruktur und Personal führen bei Unternehmen vermehrt dazu, die hohe Bedeutung der Transportkettenplanung zu erkennen. Trimodale Transportketten für den Seehafenhinterlandverkehr werden als Möglichkeit gesehen, Verkehre zu verlagern und die Kapazitäten der Schienen- und Wasserstraßeninfrastruktur effektiver zu nutzen. Gleichzeitig wird die Wettbewerbsfähigkeit dieser Transportketten häufig in Frage gestellt.
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Güterverkehr + Logistik 41 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 7+8/ 2010 Achim Klukas / Alex Vastag Einfache Transportkettenplanung Modellierung trimodaler Seehafenhinterlandverkehre mit geografischen Informationssystemen Sich abzeichnende Kapazitätsengpässe im Straßen- und Schienengüterverkehr hinsichtlich Infrastruktur und Personal führen bei Unternehmen vermehrt dazu, die hohe Bedeutung der Transportkettenplanung zu erkennen. Trimodale Transportketten für den Seehafenhinterlandverkehr werden als Möglichkeit gesehen, Verkehre zu verlagern und die Kapazitäten der Schienen- und Wasserstraßeninfrastruktur effektiver zu nutzen. Gleichzeitig wird die Wettbewerbsfähigkeit dieser Transportketten häufig in Frage gestellt. Die Autoren Prof. Dr. Alex Vastag, Leiter Verkehrslogistik, und Dipl.-Logist. Achim Klukas, wiss. Mitarbeiter in der Abteilung Verkehrslogistik, FhG IML, Dortmund; alex.vastag@iml.fraunhofer.de D er Kunde sieht sich bei der Gestaltung trimodaler Transportketten mit einer Vielzahl von Kombinationsmöglichkeiten konfrontiert, die zu hohen Planungskomplexitäten führen. Die Einbeziehung trimodaler Transporte in die strategische Transportnetzplanung gestaltet sich aus diesem Grund oft schwierig. Motiviert durch diese Problemstellung war es das Ziel der Forschungsarbeiten im Fraunhofer IML, eine Methodik zur Gestaltung von trimodalen Transportketten und darauf aufbauend ein Tool zu entwickeln, das auf geografischen Informationssystemen (GIS) basiert sowie eine einfache und schnelle Gestaltung von Transportketten und -netzen ermöglicht. Eine rechnergestützte Modellierung soll auch Nutzern ohne Spezialkenntnisse die Planung von Verkehren unter Beachtung bestehender Infrastrukturrestriktionen erlauben und somit den Zeitaufwand reduzieren. Im Schienengüterverkehr sind dies unter anderem unterschiedliche Spurweiten und Ladegleislängen, in der Binnenschifffahrt Brückenhöhen und Abladetiefen. Diese und viele weitere Faktoren mussten bei der Entwicklung eines GIS-basierten Planungstools für trimodale Verkehre beachtet werden. GIS kamen bei der Modellierung intermodaler Transporte bereits mehrfach zum Einsatz. Eines der ersten Software-Tools, das eine grafische Analyse solcher Transportnetze realisierte, war Stan 1 . Es ermöglicht etwa die Beschreibung des zu Grunde liegenden multimodalen Netzes, das aus Knoten und Kanten besteht. Eine Weiterentwicklung war Nodus, welches eine automatische Generierung der virtuellen Verbindung beinhaltet 2 . Weitere Untersuchungen, die GIS für die Modellierung intermodaler Transporte einsetzen, stammen von Southworth und Peterson 3 sowie Standifer und Walton 4 . Zudem wurden komplexe Transportnetze im Terminet-Projekt 5 analysiert. In neuester Zeit gab es Ansätze zur Bildung von Transporten mittels GIS neben den Forschungen des Fraunhofer IML im SFB 559 6 auch im Projekt Spin-Alp 7 . Die Modellierung intermodaler Transporte kann sich entweder auf einzelne Transportrelationen beschränken oder auf komplexe Transportnetze beziehen. In beiden Fällen ist ein Vorgehen entsprechend des folgenden Transportplanungsmodells üblich 8, 9 : 1. Generierung/ Nachfrage: Abschätzung der Transportvolumen für jede Zone 2. Distribution: Quelle/ Senke-Matrix der Transportströme 3. Verkehrsträgerwahl: Entscheidung, mit welchem Verkehrsträger und Transportmittel der Transport stattfindet 4. Umlegung des Verkehrs: Umrechnung der Transportvolumina von Tonnen in Fahrten (besonders für Güterverkehrsmodelle von Bedeutung) 5. Zuordnung: Belastung der Netzwerke mit den Fahrt-Matrizen 6. Kalibirierung/ Validierung: Vergleich mit beobachteten Verkehren zur Validierung der Modellergebnisse. In Abhängigkeit von der gewählten Zielstellung bestimmen weitere Faktoren den Modellierungsansatz. Hierbei handelt es sich um den Planungshorizont, den Anwender des Modellierungsergebnisses sowie die Komplexität des Transportnetzes. 10 Neuer Ansatz Basierend auf dem skizzierten allgemeinen Ansatz zur generellen Transportplanungsstruktur wurde ein Verfahren zur Modellierung von trimodalen Transportketten und -netzen abgeleitet mit stärkerer Be- Abb. 1: Modellierungsansatz trimodaler Transportketten und -netze Quelle: FhG IML Güterverkehr + Logistik 42 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 7+8/ 2010 rücksichtigung von Prozessen und Integration der verfügbaren Verkehrsinfrastruktur. Zu Beginn der Transportkettenmodellierung wird eine Aufkommensmatrix erstellt und mit Hilfe dieser Informationen verschiedene Transportkettenalternativen definiert. Informationen aus dem GIS über verfügbare Standorte und Terminals sind notwendig, um Quelle, Senke und Übergabepunkte zu definieren. Als Nächstes werden die einzelnen Prozessschritte abgeleitet. Speziell Infrastrukturrestriktionen erfordern zum Teil eine weitere Aufsplittung der Prozessschritte, wenn etwa ein Ladegleis eine Zugteilung und somit Rangiermaßnahmen erfordert. Eine Umlegung der Transportmengen auf die einzelnen Prozesselemente erfolgt danach. In Schritt fünf, der Planung der Umlaufkonzepte, werden die Transportmittel festgelegt. Hierfür werden Angaben aus dem GIS zum Beispiel über Kapazitäten, durchschnittliche Geschwindigkeiten oder Ladekapazitäten benötigt, um entsprechende Transportmittel festzulegen und einen Umlauf zu konzipieren. In diesem Konzept sind die Frequenzen und Umlaufzeiten definiert. Eine Ermittlung der Transportkosten und -zeiten je Prozessschritt folgt als Nächstes. Die Kosten werden nach den Prinzipien der ressourcenorientierten Prozesskostenrechnung berechnet. Abläufe im Unternehmen werden unabhängig in einem Prozessmodell abgebildet. Um auf die Anforderungen trimodaler Transportangebote einzugehen, erfolgt nur eine Differenzierung der Einzel- und Gemeinkosten sowie fixen und variablen Kosten. Zur Erfassung der Transportkosten werden aus dem GIS hierfür die Wegekosten je Infrastrukturabschnitt benötigt. Zuletzt folgt die Bewertung der Transportalternativen anhand von entsprechenden Kennzahlen. Ergebnis der Arbeiten ist ein Kalkulationsschema, das alle notwendigen Informationen zur Prozesskalkulation neuer Transportketten für Seehafenhinterlandverkehre und deren Bewertung über entsprechende Kennzahlen enthält. Hinterlegt sind Informationen zur Verkehrsinfrastruktur sowie zu den potenziellen Ressourcen für den Transport wie etwa Transportkapazitäten mit Investitions- und Betriebskosten. Dies ermöglicht eine schnelle rechnergestützte Kalkulation. Alle wesentlichen Kosten und Zeiten, die bei der Beförderung je nach Relation anfallen, werden berechnet. So wird die Abschätzung der Wettbewerbsfähigkeit neuer Transportangebote beschleunigt. Aufbauend auf diesem Ansatz wurden Modellrechnungen für trimodale Transportketten durchgeführt. Ziel der Untersuchung war es zu ermitteln, ab wann welche Kombination der Verkehrsträger wirtschaftlich sinnvoll ist. Als Ergebnis ist zu nennen, dass dies stark vom Aufkommen und Volumen und den sich daraus ergebenden Häufigkeiten der Abfahrten abhängt. Die Bestandskosten müssen zusätzlich bei der Transportkostenberechnung berücksichtigt werden. Hierbei wird der mittlere Warenwert je Container bei der Abwägung zwischen geringen Transportkosten und längeren Beförderungszeiten einkalkuliert. Der mit steigendem Binnenschiffsanteil aufkommende Kostenvorteil bedingt steigende Transportzeiten, die bei der Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit zu berücksichtigen sind. Die möglichen maximalen Warenwerte steigen bei trimodalen Beförderungsketten mit zunehmendem Binnenschiffanteil. Daraus lässt sich folgern, dass der Vorteil der geringeren Transportkosten gegenüber dem langsamen Transport überwiegt. 6 Aus den Ergebnissen wurde das Tool „DismodMultimodal“ entwickelt. Ziel war, unter dem Gesichtspunkt des trimodalen Transports ein Tool zu gestalten, welches eine transportkostenoptimale Standortkonfiguration ermittelt. So können geeignete Relationen für Transporte gefunden werden. Neben analytischen Kostenfunktionen kann mit marktgängigen Preisen für jede Relation kalkuliert werden. Enthalten sind zudem alle erforderlichen Infrastrukturattribute über verfügbare Infrastrukturen und Terminals. Weitere Anwendungen Das Kalkulationsschema und Dismod- Multimodal wurden in weiteren Projekten eingesetzt, das Schema unter anderem bei der Erstellung eines Logistikkonzepts für ein Steinkohlekraftwerk für die Gestaltung der Transportketten vom Seehafen zum Kraftwerk. Für die Konzipierung eines europaweiten Transportnetzwerks mit verschiedenen Produktionsstandorten wurde Dismod- Multimodal genutzt. Unter Beachtung der Infrastrukturrestriktionen wurden mögliche trimodale Transportrelationen dargestellt und eine Kostenberechnung nach Erstellung der Umlaufkonzepte durchgeführt. Die vorangegangenen Ergebnisse wurden in diesen Projekten bestätigt und nachgewiesen, dass trimodale Transportketten und -netzwerke wirtschaftlich zu realisieren sind. Das Fraunhofer IML forscht im Bereich GIS im Rahmen des Effizienzclusters LogistikRuhr des Spitzenclusterwettbewerbs des BMBF weiter. Hierbei wird ein Web 2.0-Tool geschaffen, in dem die unternehmensübergreifende Bündelung von Transportmengen ermöglicht werden soll. Nach Eingabe der Transportmengen durch das Unternehmen werden verschiedene alternative Transportketten unter Nutzung des intermodalen Verkehrs aufgezeigt. Vergleichswerte der Beförderungsketten und des Straßengütertransports enthalten Kosten, Transportdauer und CO 2 -Verbrauch. Dieses Tool soll ebenfalls für diejenigen Anwender nutzbar sein, die nicht über ein fundiertes Expertenwissen bezüglich der einzelnen Verkehrsträger verfügen. Fazit Zusammenfassend kann gesagt werden, dass durch die Nutzung von GIS-Tools schnell und einfach trimodale Transportketten aufgebaut werden können. Fehlendes Vorwissen wird durch das Tool kompensiert und dem Nutzer werden verschiedene wirtschaftlich sinnvolle Transportmöglichkeiten inklusive der Transportkapazitäten aufgezeigt. Hierdurch können vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen Alternativen zum herkömmlichen Straßengüterverkehr und somit Verlagerungsmöglichkeiten angezeigt werden. 1 Crainic, T. G.; Florian, M.: Strategic planning of freight transportation: STAN, an interactive-graphic system; Transportation research record 1283, Washington DC, 1990 2 Jourquin, B.; Beuthe, M.: Multimodal Freight Network Analyses with NODUS, a survey of several applications; Transportation planning and technology, Amsterdam, 2001 3 Southworth, F.; Peterson, B. E.: Intermodal and international freight network modeling; Transportation Research Part C 8, 2000 4 Standifer, G.; Walton, C. M.: Development of a GIS Model for Intermodal Freight; Research Report SWUTC/ 00/ 167509-1, 2000 5 Trip, J. J.; Kreutzberger, E.: Complex Bundling Networks and New Generation Terminals: a synthesis; The Netherlands TRAIL Research School, Delft University Press, 2002 6 Sonderforschungsbereich 559, Teilprojekt A13: Modellierung trimodaler Seehafenhinterlandverkehre 7 Spin-Alp: Scanning the Potential of Intermodal Transport on Alpine Corridors; ASTRA2007/ 006, 2010 8 European Commission, Directorate-General Transport: Transport Research - APAS - Transport strategic modeling; Luxembourg, Office for the Official Publications of the European communities, 1996 9 Buchholz, P.; Clausen, U.: Große Netze der Logistik - Die Ergebnisse des Sonderforschungsbereichs 559; 2009 10 Schwarz, F.: Modellierung und Analyse trimodaler Transportketten für Seehafenhinterlandverkehre; 2005 Abb. 2: Trimodale Transportalternativen für den Seehafenhinterlandverkehr 6 Quelle: FhG IML
