Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0114
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Ästhetik und Verkehr
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2010
Christos Evangelinos
Andreas Matthes
Mario Stirl
Bernhard Wieland
In der Ausgabe IV 12/2008 wurde in einem Beitrag mit dem Titel „Ästhetik und Verkehr“ für eine monetäre Erfassung der ästhetischen Gewinne und Verluste von Verkehrsbauwerken plädiert. Der nachfolgende Artikel macht die Probe aufs Exempel und beschreibt eine entsprechende empirische Studie zur Dresdner Waldschlösschenbrücke.
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Infrastruktur + Verkehrspolitik 22 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 9/ 2010 Christos Evangelinos / Andreas Matthes / Mario Stirl / Bernhard Wieland Ästhetik und Verkehr Erste empirische Ergebnisse In der Ausgabe IV 12/ 2008 wurde in einem Beitrag mit dem Titel „Ästhetik und Verkehr“ für eine monetäre Erfassung der ästhetischen Gewinne und Verluste von Verkehrsbauwerken plädiert. Der nachfolgende Artikel macht die Probe aufs Exempel und beschreibt eine entsprechende empirische Studie zur Dresdner Waldschlösschenbrücke. Die Autoren Prof. Dr. Bernhard Wieland, Dipl.- Verkehrswirtschaftler Christos Evangelinos, Dipl.-Verkehrswirtschaftler Andreas Matthes, Dipl.-Verkehrswirtschaftler Mario Stirl, TU Dresden, Lehrstuhl für Verkehrswirtschaft und internationale Verkehrspolitik, 01062 Dresden 1 Einleitung Um Missverständnissen von vornherein vorzubeugen: Der politische Streit um die Dresdner Waldschlösschenbrücke ist abgeschlossen und soll hier nicht mehr aufgewärmt werden. Die Brücke ist im Bau und es steht zu hoffen, dass die Macht des Faktischen nun hilft, die alten Schützengräben zu schließen. Das Beispiel der Waldschlösschenbrücke wurde für die zu schildernde Studie allein deshalb gewählt, weil die Debatte um diese Brücke in besonders exemplarischer Weise die Bedeutung der ästhetischen Komponente von Verkehrsbauwerken belegt. Mit den hier vorgestellten Ergebnissen soll also keineswegs erneut einem Pro oder Contra Waldschlösschenbrücke das Wort geredet werden. Im Vordergrund stehen vielmehr methodische Fragen. Auch der dem vorliegenden Beitrag vorausgehende Artikel in IV 12/ 2008 griff das Beispiel der Waldschlösschenbrücke nur auf, um daran allgemeinere Betrachtungen anzuknüpfen, die sich insbesondere auf die Monetarisierbarkeit ästhetischer Effekte von Verkehrsbauwerken bezogen. 1 Wie dort schon gesagt wurde, könnte sich eine solche Monetarisierung (z. B. als Bestandteil von Nutzen-Kosten-Analysen) in Zukunft als immer dringlicher erweisen. Mit der zunehmenden Dichte an Verkehrsinfrastruktur werden die ästhetischen Konsequenzen auch für den Durchschnittsbürger immer deutlicher spürbar. Es mag eines Tages der Punkt erreicht werden, an dem die Bürger einer Stadt, einer Region oder eines Landes beginnen, die Vorteile erweiterter Mobilität gegen die ästhetische Beeinträchtigung ihrer Lebensumwelt abzuwägen. Erste Vorboten dieser Entwicklung sind schon zu erkennen. Die Deutsche Bahn beispielsweise hat im Jahr 2007 einen „Brückenbeirat“ ins Leben gerufen, der mit bekannten Fachleuten für Architektur und Baukultur besetzt ist. Dieser Brückenbeirat hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass bei der Ersetzung der vielen, mittlerweile in die Jahre gekommenen Eisenbahnbrücken in Deutschland ästhetische Maßstäbe gewahrt werden. 2 Die Bahn will mit der Einsetzung eines solchen Beirats einen Beitrag zur Baukultur öffentlicher Zweckbauten leisten. Davon abgesehen steht jedoch zu vermuten, dass die DB gleichzeitig erkannt hat, in welchem Maße die Ästhetik ihrer Brücken zu ihrem Image als Verkehrsträger beitragen kann (ebenso wie schon die Gestaltung ihrer Bahnhöfe). Mit dieser Erkenntnis ist jedoch bereits die Anerkennung eines monetären Wertes der ästhetischen Dimension von Verkehrsbauwerken verbunden. Ästhetik kann „sich rechnen“. Warum sollte also nicht versucht werden, die ästhetische Dimension von Verkehrsbauwerken ganz allgemein zu monetarisieren? Die häufigste Reaktion auf diese Frage ist, dass eben im Leben nicht alles in Geld (in „Moneten“) auszudrücken sei. Außerdem basiere eine monetäre Bewertung immer auf der Ermittlung der Zahlungsbereitschaft des Durchschnittsbürgers und dessen Geschmack sei bekanntermaßen notorisch schlecht (siehe das kommerzielle Fernsehen). Allein schon deshalb sei das Expertenurteil immer einer Monetarisierung vorzuziehen. Es soll und muss glücklicherweise hier nicht entschieden werden, ob der Ratschluss von Experten gegenüber dem Urteil von „Otto Normalverbraucher“ die letzte Instanz sein soll oder nicht. Auch auf philosophischer Ebene ist dieser Disput ja offenbar nicht entschieden. Dem Laien erscheint es, als stünden sich noch immer wie im 18. Jahrhundert zwei Denkrichtungen gegenüber: Die eine Richtung behauptet, wie David Hume in seinem berühmten Essay „Of the Standard of Taste“, dass Geschmack etwas sei, das durch Erfahrung, Übung und Vergleich erlernt werde. Die andere Richtung glaubt mit Immanuel Kant an die Möglichkeit ästhetischer Urteile a priori („Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.“). Stützt die Humesche Richtung das Expertenurteil, kann der Kantianische Standpunkt eine Begründung für eine stärkere Beteiligung des Durchschnittsgeschmacks liefern. Der Ökonom muss hier erfreulicherweise nicht Stellung beziehen. Aus seiner Sicht hat die Ermittlung der Zahlungsbereitschaft auch dann Sinn, wenn man die letztendliche Entscheidung einem Expertengremium überlässt. Zum einen kann es für das Expertengremium nützlich sein zu wissen, welchen Geldäquivalenten seine Entscheidungen entsprechen. Beträgt die aggregierte Zahlungsbereitschaft der Bürger für die Variante A eines Bauwerks den Geldbetrag x, die aggregierte Zahlungsbereitschaft für Variante B aber x-n, dann ist klar, dass eine Entscheidung des Expertengremiums für B der Gesamtheit der Bürger einen Nutzenbetrag in Höhe von n entzieht. Es ist zu erwarten (oder zumindest zu hoffen), dass dies zu bewussteren Entscheidungen des Expertengremiums führt. 3 Zum anderen erlaubt die Monetarisierung eine Abwägung zwischen verkehrlichem Nutzen und ästhetischen Verlusten. Es würde beispielsweise klar, wie viel eine eingesparte Stauminute (gerechnet in EUR) dem Bürger in Form von ästhetischer Beeinträchtigung (gerechnet gegebenenfalls in EUR) wert wäre. Das mag noch nicht zur Lösung von Kontroversen, wie der um die Waldschlösschenbrücke führen, es wäre jedoch ein Beitrag zur Güterabwägung zwischen verkehrlichen Vorteilen und ästhetischen Kosten. Im Folgenden wird eine im letzten Jahr durchgeführte Studie geschildert, die einen ersten Versuch unternimmt, anhand des Baus der Waldschlösschenbrücke eine Monetarisierung der ästhetischen Effekte dieser Brücke vorzunehmen. Die Studie hatte rein akademischen, experimentellen Charakter. Es gab keinen Auftraggeber. 2 Vorgehensweise Für die Präferenzerfassung öffentlicher Güter gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die prinzipiell in die Ermittlung indirekter (offenbarter) und direkter (geäußerter) Präferenzen unterschieden werden können (vgl. Pommerehne 1987). Bei der vorliegenden Untersuchung lag der Schwerpunkt insbesondere auf der Ermittlung von Zahlungsbereitschaften („willingness to pay“) und Kompensationsforderungen („willingness to accept“), welche zu den direkten Ansätzen zählen. In der Literatur ist die Vorgehensweise häufig unter dem Begriff der „Kontingenten Bewertungsmethode“ („Contingent Valuation Method“) zu finden. Mit dieser Methode wird versucht, ein Maß für die Wertschätzung eines öf- Infrastruktur + Verkehrspolitik 23 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 9/ 2010 3 Beschreibung des Datensatzes Insgesamt nahmen 1099 Teilnehmer an der Umfrage teil. 867 Datensätze waren verwertbar. Hiervon wiederum bezogen sich rund ein Drittel auf Touristen (260 Befragte). Immerhin 71 % der Befragten bevorzugen ein Elbtal ohne Brückenlösung. Fast jeder Dritte würde durch eine Flussquerung einen Zeitvorteil erlangen (29,2 %), der sich auf durchschnittlich gut 13 min beläuft. Ein Großteil der Nichttouristen nimmt die Gegebenheiten des Elbufers zur Nutzung seiner Freizeitaktivitäten in Anspruch (89,5 %). Knapp zwei Drittel stehen der Natur „positiv“ (höchste Ausprägung) gegenüber. Im Bereich Technik und Kunst sind es immerhin 45,9 bzw. 40,8 %. Jene Subpopulation, die eine Elblandschaft ohne Brücke präferiert, stellt einen Anteil von 37,3 % an technikaffinen Teilnehmern, während Befürworter einen Affinitätsan- Bei einer weiteren Darstellung mussten sich die Probanden entscheiden, ob ihnen die Landschaft mit oder ohne Brücke besser gefällt (Abbildungen 2 und 3) . Soziodemografische Merkmale, Mobilitäts- und Freizeitverhalten (Nichttouristen) sowie Einstellungsangaben komplettierten die Befragung. In der erstgenannten Kategorie wurde nach Alter, Bildung, Beruf und Wohnort (Postleitzahl) gefragt. Die nächste Kategorie betraf Angaben zur Häufigkeit der Elbquerung, zur Zeitersparnis nach einem Brückenbau, zur Freizeitnutzung oder zum Arbeitsweg. Schließlich sollten die Befragten noch ihre Affinität zu den Bereichen Technik, Natur und Kunst angeben. Die Auswahl der Kriterien erfolgte aufgrund der vermuteten Einflussnahme auf die Zahlungsbereitschaft bzw. Alternativwahl, wobei hier natürlich weitere Einflussgrößen (z. B. Einkommen) denkbar sind. Abb. 2: Elblandschaft mit Waldschlösschenbrücke fentlichen Gutes zu finden. Ein Nachteil der Vorgehensweise besteht darin, dass die Befragten mit rein hypothetischen Szenarien konfrontiert werden müssen und folglich die Gefahr von strategischen Antworten besteht. Vorteilhaft ist, dass der Nutzen sofort in monetären Einheiten erfassbar und die Datengewinnung relativ einfach zu bewerkstelligen ist. Die notwendigen Daten wurden mit Hilfe von Umfragen in der Stadt Dresden erhoben. 4 Im Vorfeld erfolgte eine Bestimmung der Grundgesamtheit. Es wurde beschlossen, dass diese Grundgesamtheit Dresdner Bürger, Pendler und Touristen umfassen sollte. Unvollständige sowie unplausible Angaben fanden keine weitere Berücksichtigung. Alle Teilnehmer sollten sich zunächst anhand von Visualisierungen für eine Brückenvariante entscheiden (vgl. Abbildung 1 ). Sie hatten in diesem Befragungsteil demnach nicht die Wahl, ob eine Brücke errichtet werden soll oder nicht, sondern lediglich welche. Die Integration in eine fremde Landschaft geschah dabei bewusst, um von den heftigen Kontroversen rund um die Thematik abzulenken. 5 In dem Zusammenhang wurde erfragt, welchen Betrag die Versuchspersonen für die jeweilige Variante zu zahlen bereit wären. Die Befragten wurden gebeten, sich vorzustellen, ihre Wohnung läge unmittelbar an der Elbe mit direktem Blick auf die Brücke in einer der drei vorgebenden Varianten. Die gestellte Frage war, welche zusätzliche Mietzahlung sie jeweils bereit wären zu leisten, wenn eine der jeweiligen Varianten realisiert bzw. nicht realisiert würde. Möglich waren Antworten zwischen jährlich 0 und 120 EUR. Die Befragten gaben des Weiteren ihre Zahlungsbereitschaft für die prinzipielle Realisierung einer Brücke, die Verhinderung eines Baus oder eine Tunnelvariante an. Für die ersten beiden Szenarien wurde zudem die Kompensationsforderung erfragt. Es wurde also gefragt, welcher Betrag minimal nötig gewesen wäre, um den Befragten für den Bau bzw. die Nichtrealisierung zu entschädigen. Dieses Vorgehen entspricht den aus der Mikroökonomie bzw. Nutzen-Kosten-Analyse bekannten Begriffen der äquivalenten bzw. kompensatorischen Variation (Hickssche Variationsmaße). Es waren Antwortkategorien von 0 bis 150 EUR jährlich (Dresdner Bürger) bzw. 0 bis 8 EUR pro Aufenthalt (Touristen) möglich. Abb. 1: Varianten der Waldschlösschenbrücke Abb. 3: Elblandschaft ohne Waldschlösschenbrücke Infrastruktur + Verkehrspolitik 24 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 9/ 2010 Abb. 5: Anteile der Alternativen für Touristen Quelle: Eigene Berechnungen teil von knapp 50 % ausmachen. Demnach scheinen sich Technikbegeisterte eher für eine Elbquerung in Form einer Brücke auszusprechen als Teilnehmer ohne Technikbezug. In den Bereichen Kunst und Natur hingegen sind solche Unterschiede nicht festzustellen. 4 Ergebnisse Mittels des Softwarekomplexes BIOGE- ME/ BIOSIM6 simulierten wir die jeweiligen Anteile der fünf zur Verfügung stehenden Alternativen. Abbildungen 4 und 5 zeigen die Simulationsergebnisse für beide Gruppen der Befragten (Bewohner Dresdens versus Touristen). Insbesondere im Falle der Bewohner Dresdens spiegelt sich die politische Pattsituation wider, die in den letzten Jahren so vehement in den Medien ausgetragen wurde (siehe Kasten). Während fast die Hälfte der Befragten die Landschaft ohne Brücke als ästhetischer empfindet und dementsprechend den Bau der Brücke ablehnt, halten fast genauso viele Bürger die Existenz infrastruktureller Bauobjekte für wichtig und favorisieren dementsprechend den Bau einer Brücke oder eines Tunnels. Die Wertschätzung, welche die Befragten einer ästhetischen Landschaft beimessen, wird erst dann voll ersichtlich, wenn die kumulierte Wahl für eine Maßnahme in Betracht gezogen wird, die keinen direkten Eingriff in das landschaftliche Bild beinhaltet (Tunnel oder Nullvariante). In diesem Falle sprechen sich mehr als drei Viertel der Befragten dafür aus. Abbildung 4 zeigt zudem, dass die tatsächlich realisierte Bauvariante der Waldschlösschenbrücke in den Präferenzen der Befragten als ästhetischer empfunden wird als die anderen zwei in Frage gekommenen Varianten. Man könnte versuchen, dies mit Gewöhnungseffekten bzw. adaptiven Präferenzen zu erklären, da die tatsächlich realisierte Bauvariante oft in den Medien dargestellt wurde. Diese Erklärung kommt jedoch hier wahrscheinlich weniger in Frage, da diese Alternative auch von den Touristen präferiert wird. Durchschnittlich liegt die Zahlungsbereitschaft der Bürger für die Vorzugsvariante 2 bei 21,44 EUR jährlich. Für Brücke 1 und 3 würden lediglich 9,25 EUR bzw. 9,52 EUR aufgewendet (vgl. Abbildung 7 ). Allerdings sind 41 % der Befragten überhaupt nicht bereit, monetäre Beiträge für ihre favorisierte Brücke zu tätigen. Wie sich die Häufigkeiten auf die einzelnen Antwortkategorien aufteilen, ist der Abbildung 6 zu entnehmen. Eine Hochrechnung der in Abbildung 8 gezeigten Zahlungsbereitschaften auf die Gesamtbevölkerung Dresdens würde einen ästhetischen Nettoeffekt von ca. -6,1 Mio. EUR bedeuten (Nettoverlust). Mit geschätzten Baukosten von 15 - 20 Mio. EUR für das Bauwerk selbst (ohne komplementäre Baumaßnahmen, die den Löwenanteil der insgesamt veranschlagten Baukosten von 156 Mio. EUR ausmachen) wären leichte ästhetische Verbesserungen der tatsächlich realisierten Variante 2 ohne weiteres zu finanzieren. Interessant ist auch ein Vergleich der durchschnittlichen Zahlungsbereitschaft mit den geschätzten Reisekostenersparnissen in Höhe von ca. 2,9 Mio. EUR (vgl. Schnabel, et al. 2004). Insgesamt würde dies bedeuten, dass für jeden Euro Zeiteinsparung gefühlte ästhetische Verluste der Befragten in Höhe von ca. 2 EUR entstehen. Ein weiteres Ziel war es, mögliche gruppenspezifische Unterschiede ausfindig zu machen. Es wurden demzufolge die einzelnen Zahlungsbereitschaften in Subpopulationen miteinander verglichen. Dazu fand ein Mittelwertvergleich Anwendung (t-Test). Anhand der berechneten t-Werte war über eine signifikante Abweichung 7 zu entscheiden. Was den Gruppenvergleich hinsichtlich der soziodemografischen Merkmale anlangt, zeigt der t-Test jedoch keine signifikanten Unterschiede außer im Bereich der Bildung. Teilnehmer mit einem hohen Bildungsabschluss würden für die Realisierung einer aus ihrer Sicht ästhetischeren Variante 26,96 EUR aufbringen, während die restlichen Befragten, die keinen solchen Abschluss vorweisen bzw. anstreben, im Mittel hypothetisch 32,01 EUR zu zahlen bereit sind. Der t-Test klassifiziert die Differenz als signifikant. Weiterhin stellt sich heraus, dass Bürgerinnen und Bürger mit einer Affinität zur Natur durchschnittlich mehr für die Brückenästhetik ausgeben (29,47 EUR) als jene ohne eine solche Neigung (29,26 EUR), was intuitiv nicht zu erwarten war, wenngleich der Unterschied als unbedeutend anzusehen ist. Die Vermutung einer signifikant geringeren Zahlungsbereitschaft im Falle der Angabe, das Elbtal sei ohne Brücke schöner, erfährt keine Bestätigung, obwohl sie mit 28,26 EUR knapp 4 EUR geringer ausfällt. Hebt man die binäre Kodierung im Berufsbereich auf, dann sind Selbstständige Abb. 4: Anteile der Alternativen für Dresdner Quelle: Eigene Berechnungen Abb. 6: Verteilung der Zahlungsbereitschaften Quelle: Eigene Berechnungen Infrastruktur + Verkehrspolitik 25 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 9/ 2010 Abb. 7: Durchschnittliche jährliche Zahlungsbereitschaften für die einzelnen Alternativen Quelle: Eigene Berechnungen Abb. 8: Jährliche Zahlungsbereitschaften nach Beruf/ Tätigkeit Quelle: Stirl 2010 5 Zusammenfassung Aus den vorhergehenden Ausführungen wird deutlich, dass ästhetische Aspekte von Verkehrsbauwerken durchaus monetarisierbar sind und dass die entsprechenden Beträge nennenswerte und entscheidungsrelevante Größenordnungen annehmen. Zwar wollten rund 40 % der Befragten überhaupt keine Zahlung für eine Verbesserung der Ästhetik (oder eine Verhinderung ihrer Verschlechterung) leisten, doch ist dies nicht überraschend. Bemerkenswert ist vielmehr, dass die komplementäre Gruppe derjenigen, denen die ästhetische Dimension nicht gleichgültig ist, den ästhetischen Verlust mit ca. 6,1 Mio. EUR beziffern. Ein Betrag dieser Größenordnung hätte im Fall der Waldschlösschenbrücke vermutlich nicht über den Ausgang einer Nutzen-Kosten-Analyse des gesamten Projekts entscheiden können, mit hoher Wahrscheinlichkeit aber den einer Nutzen-Kosten-Analyse, die sich auf einbei einer Realisierung einen Geldausgleich verlangen, der fast dreieinhalb Mal so hoch ist (54,43 EUR). Die von den Touristen getätigten Angaben (pro Aufenthalt) zeigen der Tendenz nach das gleiche Bild. Die Diskrepanz zwischen maximaler Zahlungsbereitschaft und minimaler Kompensationsforderung ist in der Literatur ein häufig beschriebenes Problem, was unter anderem an der nicht vorhanden Budgetrestriktion im Falle einer Forderung begründet liegt (vgl. Venkatachalam, 2004). Bei der Option des Tunnelbaus würden 30,46 EUR bzw. 2,66 EUR (Touristen) ausgegeben und damit deutlich mehr als für den Brückenbau (Touristen: 0,87 EUR). Zieht man die Einwohner der beiden Postleitzahlengebiete heran, welche in unmittelbarer Nähe der Brücke leben, dann erhöht sich der Anteil der Befürworter einer Nullvariante um knapp fünf Prozentpunkte auf 52,4 %. Die Tunnellösung legt um einen Prozentpunkt zu. mit 39,37 EUR die zahlungswilligsten Probanden. Erwartungsgemäß wenden Schüler den geringsten Betrag auf. Bemerkenswert ist, dass Arbeitslose und Studenten hypothetisch mehr zu zahlen bereit wären als leitende Angestellte (vgl. Abbildung 8 ). Fragt man nicht mehr nach Zahlungsbereitschaften für die unterschiedlichen Varianten, sondern stellt man ganz grundsätzlich die Frage nach der prinzipiellen Zahlungsbereitschaft für die Realisierung bzw. der Kompensationsforderung bei einer Bauunterlassung, zeigt sich ein differenziertes Bild. Die tendenziellen Brückenbefürworter würden bei einem Bau lediglich durchschnittlich 16,06 EUR pro Jahr aufbringen, während bei einer Nichtverwirklichung mit 32,47 EUR eine Kompensation von über dem Doppelten gefordert würde. Ähnlich verhält es sich bei den Brückengegnern. Sie würden für eine Bauverhinderung 16,28 EUR zahlen und Dresdner Waldschlösschenbrücke Schon um 1859 gab es in der Dresdner Bürgerschaft Diskussionen um eine Elbquerung an dieser Stelle und die Idee einer Brücke am Waldschlösschen flammte in den folgenden über hundert Jahren immer wieder auf, wurde aber aus ästhetischen oder finanziellen Gründen nie umgesetzt. Erst nach der Wende im Jahre 1996 beschloss der Stadtrat den Bau der Brücke, doch die öffentlichen und juristischen Debatten setzten sich fort. Daher kam es am 27. Februar 2005 zu einem Bürgerentscheid, bei dem die Mehrheit der Dresdner für den Bau der Brücke stimmte. (Ja: 67,9 %, Nein: 32,0 % bei 50,8 % Abstimmungsbeteiligung der stimmberechtigten Dresdner Bürger). Kritiker des Bürgerentscheids führen an, dass den Teilnehmern am Tage der Abstimmung noch keine Visualisierung der Brücke zugänglich war und auch die mögliche Gefährdung des Weltkulturerbetitels nicht thematisiert wurde. In den folgenden Jahren spitzte sich die Debatte stark zu und führte zu zahlreichen politischen und juristischen Debatten und einer starken Polarisierung unter den Dresdner Bürgern. Schließlich wurde im November 2007 mit dem Bau der Brücke begonnen; die Freigabe für den Verkehr ist Mitte 2011 geplant. In einem bereits 1997 durchgeführten Architekturwettbewerb setzte sich aus den 27 eingereichten Brücken der Entwurf des Berliner Büros „Eisenloffel + Sattler, Ingenieure - Kolb + Ripke Architekten (ESKR)“ durch. Angefragte Stararchitekten wie Santiago Calatrava oder Sir Norman Foster verweigerten einen Entwurf für eine Brücke an dieser Stelle. Die von ESKR entworfene Brücke besteht aus einer Stahlkonstruktion von 635 m Länge und einem Bogen mit einer Spannweite von 145 m. Die Ästhetik der geplanten Brücke ist stark umstritten und führte zu teilweise heftiger öffentlicher Kritik und Diskussionen (u. a. provoziert durch die Sächsische Akademie der Künste, die Bundesarchitektenkammer und verschiedenste Bürgerinitiativen). Im Jahre 2008 wurden von einer Kommission unter Leitung von Eberhard Burger, dem ehemaligen Baudirektor der Frauenkirche, verschiedene kosmetische Veränderungen an der Brücke vorgeschlagen, welche die Brücke optisch verschlanken und weniger wuchtig wirken lassen sollen. Aber auch die vorgeschlagenen Veränderungen konnten die Aberkennung des Weltkulturerbetitels des Dresdner Elbtals durch die UNESCO im Juni 2009 nicht verhindern. Dennoch sollen zumindest einige der Burger-Vorschläge umgesetzt werden. Die UNESCO begründete Ihre Entscheidung mit der irreversiblen Zerschneidung der Kulturlandschaft Dresdner Elbtal durch die Brücke. Mit einem veranschlagte Kostenvolumen von 156 Mio. EUR (inklusive Verkehrsführung zum Tunnel) ist die Waldschlösschenbrücke eine der teuersten Stadtbrücken Deutschlands. Dabei kostet das eigentliche Bauwerk selbst nur ca. 15 - 20 Mio. EUR. Der Rest entfällt auf komplementäre Baumaßnahmen. Weitere ausführliche Informationen zur Debatte auf Pro- und Contra-Seiten im Internet, z. B.: www.welterbe-erhalten.de oder www.pro-waldschloesschenbruecke.de Die Kontroversen im Überblick Infrastruktur + Verkehrspolitik 26 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 9/ 2010 Literatur B ierlaire, M. (2003): BIOGEME: a free package for the estimation of discrete choice models. Conference Paper. STRC. 2003. Pommerehne, W. (1987): Präferenzen für öffentliche Güter. Tübingen: Mohr Siebeck. Schnabel, W.; Scholz, T. (2004): Wirtschaftlichkeit und Qualität des Verkehrsablaufes auf städtischen Elbebrücken in Dresden mit und ohne Bau der Waldschlösschenbrücke. Technische Universität Dresden, Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“, Lehrstuhl Straßenverkehrstechnik, Untersuchungsbericht März 2004. Stirl, M. (2010): Ökonomische Quantifizierung ästhetischer Präferenzen am Beispiel der Waldschlösschenbrücke. Diplomarbeit. TU Dresden. Venkatachalam, L. (2004). The Contingent Valuation Method: A Review. Environmental Impact Assessment Review. 24(1): 89 - 124. Wieland, B. (2008): Ästhetik und Verkehr. Internationales Verkehrswesen. (60) 12/ 2008. S. 487 - 488. Wittig, K. (2008): Ansätze zur Quantifizierung ästhetischer Aspekte von Verkehrsprojekten. Diplomarbeit. TU Dresden. 1 Ganz allgemein zum Thema, vgl. Wittig 2008. 2 Der Beirat hat seine ästhetischen Vorstellungen in einem „Leitfaden Gestalten von Eisenbahnbrücken“ (Dezember 2008, DB Netz) niedergelegt. 3 Es wäre auch möglich, ähnlich wie in der Bundesverkehrswegeplanung, bei der endgültigen Entscheidung noch eine Meta-Ebene einzuziehen, die das Ergebnis der Monetarisierung gegen das Urteil der Expertenkommission abwägen muss. In der Bundesverkehrswegeplanung geschieht dies im Fall der Abwägung zwischen dem Ergebnis der rein ökonomischen Nutzen-Kosten-Analyse eines Bauwerks und der Umweltrisikoeinschätzung bzw. der Raumwirksamkeitsanalyse. 4 Die Autoren bedanken sich an dieser Stelle bei den Studenten, die diese Befragung durchgeführt haben. 5 Der Bau der Waldschlösschenbrücke führte im Juni 2009 zur Aberkennung des Dresdner Elbtals als Weltkulturerbe. 6 Der Softwarekomplex BIOGEME/ BIOSIM ist eine auf die spezielle Situation der Modellierung diskreter Wahlentscheidungen entwickelte Software. 7 Das Signifikanzniveau beträgt α = 5 %. zelne Teilvarianten des geplanten Projektes erstreckt hätte. Dieses Ergebnis scheint für weitere ähnlich gelagerte Projekte von hoher praktischer Relevanz. Fällt eine solche Teil-Nutzen-Kosten-Analyse positiv aus, sollten die ästhetischen Verbesserungen vorgenommen werden, da sich dadurch die volkswirtschaftliche Wohlfahrt verbessert. Die vorgestellte Untersuchung kann nur ein erster Schritt in ein weitgehend noch unerforschtes Terrain sein. Erste Diskussionen haben vielfältige Kritikpunkte ergeben. So ist etwa zu fragen, ob das gewählte Verfahren der Visualisierung der Brückenvarianten korrekt und zielführend ist. Ferner ist anzumerken, dass die in der Umfrage präferierte Variante 2 auch die tatsächlich realisierte Variante darstellt und im Vorfeld bereits feststand. Damit ist eine suggestive Wirkung auf die Teilnehmer nicht gänzlich auszuschließen. Die Thematik der Erfassung von ästhetischen Präferenzen und deren ökonomische Quantifizierung, speziell im Verkehrsinfrastrukturbereich, ist ein junges Forschungsfeld und steckt noch in den Kinderschuhen. Es ist jedoch zu erwarten, dass es sich bald zu einem an Bedeutung gewinnenden Gebiet bei der Projektuntersuchung und -bewertung entwickeln wird. Zu welchen Kontroversen die Ästhetik führen kann, war und ist am Beispiel der Waldschlösschenbrücke eindrucksvoll nachzuvollziehen. Summary Aesthetics and transport − first empirical results This paper attempts to monetize aesthetical preferences for the Waldschlösschenbrücke in Dresden. We use the Waldschlösschenbrücke as one of the most prominent examples of the significance of aesthetical aspects in transport infrastructure, which can have far-reaching consequences, since Dresden lost (due to the bridge) its UNESCO World Heritage status. Using data from a stated preference survey, we calculate the willingness to pay and willingness to accept for a total of five alternatives: three types of bridge, a tunnel solution, and the status quo (no bridge). It comes, perhaps, as no surprise that the finally implemented type of bridge shows the highest willingness to pay among the three types of bridge. More interestingly, we find that in total the bridge construction entails aesthetical net losses of yearly EUR 6.1 million. A comparison of this amount with the value of travel time savings results in two Euros aesthetical losses for one Euro travel time savings. „Wir führen unsere Marke schon seit Jahrzehnten, es kommt zunehmend zu Verwechslungen, sowohl im ÖPNV wie im Mietbusgeschäft“, sagt AO-Geschäftsführer Nico Schoenecker auf Rückfrage von „ÖPNV aktuell“. Er bedauere es sehr, dass man trotz vieler Bemühungen mit dem Partner Regionalverkehr Oberbayern (RVO) keine einvernehmliche Lösung erzielen konnte. „Jetzt ziehen wir die Grundsatzfrage vor das Landgericht München.“ Auch RVO und DB Stadtverkehr wollen die Grundsatzklärung, halten den Ball jedoch ebenfalls flach. „Gute Beziehungen zu Autobus Oberbayern, generell zum Mittelstand sind uns unverändert wichtig“, betont Alexander Möller, in der Frankfurter Zentrale für Markt und Verkehr verantwortlich. Er sieht ebenso wenig wie RVO-Marketingchef Nicolaj Eberlein eine wirkliche Konkurrenz der beiden Bezeichnungen. „Wir sehen keine Verwechslungsgefahr, weder in der Touristik, wo wir nur sehr wenig aktiv sind, noch im Linienverkehr“, so Eberlein. Im ÖPNV gebe es eine klare Markenarchitektur: In München fahre AO im blauen Kleid der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), im Umland dominiere der Markenauftritt des Münchner Verkehrsverbundes, und weiter draußen „sind wir klar Marktführer“. AO hat seine alte Wort- und Bildmarke 1999 auslaufen lassen. Seinen neuen Auftritt, der farblich an den ICE erinnert, hat der Mittelständler im April 2008 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) angemeldet. Bis heute ist er jedoch nicht als Marke eingetragen. Im Juni 2008 stellte der DB-Konzern seine Markenarchitektur für die Busgesellschaften vor, darunter „Oberbayernbus“. Für Markenrecht sind Kammern für Handelssachen zuständig, in denen auch ehrenamtliche Richter aus der Wirtschaft mitentscheiden. AO und RVO arbeiten eng zusammen: Nach der wettbewerbsbedingten Auflösung ihrer Münchner Niederlassung stellt die DB-Tochter Fahrzeuge bei AO ab, die AO-Filiale Bad Wiessee (ex Sareiter) ist am Tegernsee RVO-Subunternehmer. Die beiden AO-Eigentümerfamilien stellen mit Nico Schoenecker und Alexander Holzmair je einen Geschäftsführer. Die 180 Omnibusse von AO sind im ÖPNV unterwegs (wo man mit 50 Fahrzeugen größter Partner der MVG ist), auf dem Airportbus München Hbf. - München Flughafen, auf der Fernlinie München - Pilsen - Prag, im Mietbus-, Stadtrundfahrten-, Ausflugs- und Incominggeschäft. Limousinenservice, Incentive- und Gruppenreisen und Werkstattleistung Leistungspalette ab. Beteiligungen von MVG) und DVV Media Group Gern unterbreite ich Ihnen ein Angebot für Ihre Stellenanzeige: Sophie Elfendahl · Tel. 040 / 237 14 - 220 E-Mail: sophie.elfendahl@dvvmedia.com ÖPNV aktuell erscheint dienstags und freitags per E-Mail als geschütztes PDF. 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