Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0127
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Rad fahren mit politischem Rückenwind
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Anke Borcherding
Weert Canzler
Andreas Knie
Öffentliche Fahrradverleihsysteme haben Konjunktur in Europa: In den letzten zehn Jahren ist nicht nur die Anzahl der Angebote enorm gestiegen, sie sind auch wesentlich umfänglicher und professioneller geworden.1 Gemein ist diesen neuen Fahrradverleihsystemen, dass sie auf Straßen und Plätzen im öffentlichen Raum angeboten werden, sich an unterschiedliche Zielgruppen und nicht nur an Touristen richten und dass sie innerhalb ihres Einsatzgebietes fast flächendeckend verfügbar sind. Die Ausleihe erfolgt automatisiert, die Leihräder können über kurze Zeitspannen gemietet werden − auch für wenige Minuten − und müssen nicht an den Ausleihort zurückgebracht werden. Sie sind ein idealer Baustein für die Angebote des ÖV. Für ihre Integration sind allerdings Reformen des ÖV Voraussetzung.
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Mobilität + Personenverkehr 20 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 10/ 2010 Anke Borcherding / Weert Canzler / Andreas Knie Rad fahren mit politischem Rückenwind Modellversuch „Innovative öffentliche Fahrradverleihsysteme“ Öffentliche Fahrradverleihsysteme haben Konjunktur in Europa: In den letzten zehn Jahren ist nicht nur die Anzahl der Angebote enorm gestiegen, sie sind auch wesentlich umfänglicher und professioneller geworden. 1 Gemein ist diesen neuen Fahrradverleihsystemen, dass sie auf Straßen und Plätzen im öffentlichen Raum angeboten werden, sich an unterschiedliche Zielgruppen und nicht nur an Touristen richten und dass sie innerhalb ihres Einsatzgebietes fast flächendeckend verfügbar sind. Die Ausleihe erfolgt automatisiert, die Leihräder können über kurze Zeitspannen gemietet werden − auch für wenige Minuten − und müssen nicht an den Ausleihort zurückgebracht werden. Sie sind ein idealer Baustein für die Angebote des ÖV. Für ihre Integration sind allerdings Reformen des ÖV Voraussetzung. Die Autoren Dipl.-Pol. Anke Borcherding, choice GmbH, Berlin, borcherding@choice.de; Dr. Weert Canzler, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, canzler@ wzb.eu; Prof. Dr. Andreas Knie, InnoZ GmbH, andreas.knie@innoz.de N achdem in einigen nordeuropäischen Städten und in kleineren Kommunen in den 1970er und 1980er Jahren verschiedene Verleihinitiativen auf Non- Profit-Basis existierten, startete der Boom mit dem erstmals im Sommer 2001 angebotenen Call a Bike-Angebot in München. Zwar musste die eigens dafür gegründete Call a Bike AG schon im Herbst 2001 Konkurs anmelden, doch übernahm die Deutsche Bahn AG die Idee und startete Call a Bike auf der Basis erheblich verbesserter Hintergrundsysteme im Jahr 2002 erneut. 2 Es folgte die Ausweitung des Angebots in den nächsten Jahren nach Berlin, Frankfurt, Köln, Stuttgart und Karlsruhe auf insgesamt über 7 000 Räder und mehr als 300 000 registrierte Nutzer. Zurzeit ist das seit 2009 in Hamburg angebotene StadtRAD Hamburg mit 800 Rädern und 70 Stationen das in Deutschland erfolgreichste System. Mehr als 40 000 Kunden haben bereits über 500 000 Fahrten absolviert. Mit knapp vier Fahrten pro Rad und Tag nimmt StadtRAD Hamburg damit eine Spitzenstellung in der Nutzungshäufigkeit ein. 3 Die „Musik“ im Fahrradverleihgeschäft spielt aber spätestens seit 2007 im europäischen Ausland. Inspiriert vom Erfolg in Deutschland begannen französische Kommunen darüber nachzudenken, den im internationalen Vergleich sehr geringen Anteil des Fahrrads am Modal Split mittels innovativer Verleihsysteme zu erhöhen. Mittlerweile gilt das Pariser Vélib als das Maß der Dinge. Hier können mehr als 20 000 Räder ausgeliehen werden. Im Juli 2010 ist das Londoner Barclays Cycle Hire mit knapp 6 000 Rädern an den Start gegangen, während bicing in Barcelona rund 3 000 Räder anbietet und das in Montreal implementierte Bixi rund 4 000 Bikes umfasst. 4 Die Finanzierung dieser Angebote erfolgt auf ganz unterschiedliche Weise. Bei Vélib in Paris erhält der Betreiber als Kompensation für die Kosten exklusive Werberechte im öffentlichen Raum. Die hieraus erzielten Einnahmen verbleiben abzüglich einer Abgabe an die Stadt beim Betreiber des Fahrradvermietangebots, während die Erlöse aus dem Fahrradvermietgeschäft geteilt werden: 12 % der Einnahmen gehen an den Betreiber, 88 % erhält die Stadt. Barcelona finanziert das System durch Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung. Montreal hat die Entwicklung und den Betrieb des Fahrradverleihsystems an ein lokales Unternehmen vergeben und dieses finanziell entsprechend ausgestattet. 5 In London hat die verantwortliche Behörde „Transport for London“ intensiv einen Sponsor gesucht und mittlerweile auch gefunden. Die Barclays Bank zahlt 25 Mio. £ über einen Zeitraum von fünf Jahren für die Namensrechte am neuen System, eine Größenordnung, die selbst Fachkreise überraschte und andeutet, welche gesellschaftliche Stellung das Fahrrad mittlerweile selbst in London einnimmt. In Deutschland hat die Deutsche Bahn den Betrieb in München, Berlin, Frankfurt und Köln selbst finanziert, in Stuttgart und Karlsruhe zahlen die Städte einen Zuschuss. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat 2008 Neuland betreten und den Betrieb eines Fahrradverleihsystems komplett öffentlich ausgeschrieben. Seit 2009 betreibt die Deutsche Bahn das System als StadtRAD Hamburg und erhält hierfür einen jährlichen Zuschuss von rund 1 Mio. EUR. Diese wenigen Beispiele machen deutlich, dass erfolgreich implementierte Fahrradverleihsysteme in Großstädten nicht allein aus den Fahrterlösen finanziert werden können. Mittlerweile zeigt sich dies auch beim Pariser Vorzeigebeispiel Vélib, das sowohl für den Betreiber als auch für die Stadt sehr viel kostspieliger wird als geplant. So denkt man in Paris zusammen mit der Betreiberfirma JCDecaux über eine Erhöhung der Preise für das Abonnement nach; das Jahresabonnement liegt derzeit Abb.1: Fahrradverleihsystem in Paris (Foto: Karl-Heinz Erdt) Mobilität + Personenverkehr 21 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 10/ 2010 bei 29 EUR. Grund dafür sind die vor allem durch Vandalismus steigenden Betriebskosten. Allein in Paris verschwanden seit der Inbetriebnahme 8 000 Räder. Eine Studie der GART (groupement des autorités responsables de transport) schätzt die Durchschnittskosten pro Rad auf 2 000 bis 3 000 EUR im Jahr. 6 In aller Regel sorgen zudem die von den Kommunen gewünschten Freiminuten dafür, dass eine Eigenfinanzierungsquote je nach Größe und Betriebsart zwischen 30 und 70 % erreicht wird. Neben Einnahmen aus der Vergabe von Werberechten oder durch Sponsorengelder liefern öffentliche Mittel einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung. Angesichts der angespannten Haushaltslage der Gemeinden werden jedoch die Rechtfertigungen solcher Ausgaben immer wichtiger. Fahrradvermietsysteme müssen daher einen nachweisbaren verkehrs- und umweltpolitischen Beitrag leisten. Potenziale von Fahrradverleihsystemen Fahrradverleihsystemen wird das Potenzial zugesprochen, den Autoverkehr in den Städten zu verringern (TU Dresden 2010: 2). Sie können zudem das Image einer Stadt verbessern, eine anspruchsvolle Fahrradpolitik anregen und sogar neue Arbeitsplätze schaffen. Auch für den ÖPNV werden Vorteile gesehen: Das Angebot an jederzeit verfügbaren Leihrädern kann Busse und Bahnen von der für Betreiber und Fahrgäste gleichermaßen lästigen Fahrradmitnahme entlasten. Darüber hinaus lässt sich die „letzte Meile“ 7 zwischen ÖPNV-Station und Haustür oder Arbeitsplatz schließen. Die zeitlich und auch weitgehend räumlich unbeschränkte Verfügbarkeit erhöht die Erreichbarkeit von Zielen und verschafft dem ÖPNV damit einen deutlichen Attraktivitätsvorteil. Angesichts dieser Optionen verwundert es kaum, dass viele Städte die Einführung eines öffentlichen Fahrradleihsystems anstreben oder zumindest prüfen. Doch um die Potenziale der Fahrradverleihsysteme tatsächlich auszuschöpfen, sind eine Reihe von Hürden zu überwinden. Sollen die Leihräder als verkehrliche Alternative wahrgenommen werden, muss ein dichtes, dezentrales Stationsnetz mit einer ausreichend hohen Anzahl verfügbarer Räder 8 realisiert werden. Um die „Verfügbarkeit im Kopf“ nachhaltig zu stabilisieren, dürfen die Distanzen zwischen den Stationen nicht zu groß sein. Zudem müssen die Verleihterminals einfach in der Bedienung sein, um den Zugang zum System unkompliziert zu halten. Um also zu einer deutlichen und nachhaltigen Verbesserung der Fahrradkultur beizutragen, erfordern diese automatisierten und stationsbasierten Angebote eine ausgereifte Technik bei Rädern und Terminals sowie eine zuverlässige Dispositions- und Abrechnungssoftware; der Betrieb benötigt eine erfahrene Logistik. Das sind Voraussetzungen, die nicht so ohne weiteres aus dem Alltagsbetrieb einer Verwaltung oder eines Verkehrsunternehmens heraus zu bewältigen sind. Bundesweiter Modellversuch Um vor diesem Hintergrund die Verbreitung von Fahrradverleihangeboten zu unterstützen, hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) im April 2009 den bundesweiten Modellversuch „Innovative öffentliche Fahrradverleihsysteme − Neue Mobilität in Städten“ ausgeschrieben. 9 Das zentrale Ziel des Wettbewerbs besteht darin, Anreize für Städte und Kommunen zu schaffen, gemeinsam mit ÖV-Betreiberunternehmen und Verkehrsverbünden innovative Fahrradverleihsysteme als integrierte Verkehrslösungen für die örtlichen Mobilitätsbedürfnisse aufzubauen. Damit soll erreicht werden, dass das Fahrrad als Teil des öffentlichen Verkehrs anerkannt wird und öffentliche Fahrradverleihangebote tariflich, finanziell und organisatorisch in das ÖV-Angebot integriert werden. Die Ausschreibung richtete sich primär an Städte mit mehr als 100 000 Einwohnern, die Größe des Modellgebiets war flexibel. Für den Zeitraum Oktober 2009 bis Ende 2012 ist eine Fördersumme von 10 Mio. EUR vom Ministerium vorgesehen. Zusätzliche Mittel von 2,7 Mio. EUR wurden für Projekte bereitgestellt, die eine Integration von Pedelecs 10 zum Ziel haben. Bereits vor Bekanntgabe der Ausschreibung hatte sich eine Vielzahl von Städten und Kommunen für das Thema interessiert und nach der Veröffentlichung mit detaillierten Planungen für die Antragstellung begonnen. Trotz anfänglichem Interesse beteiligte sich jedoch eine Reihe von Städten nicht am Wettbewerb, von denen aufgrund der Vorarbeiten und angesichts ihrer aktiven Fahrradförderpolitik eine Beteiligung hätte erwartet werden können. Zur Klärung dieser Fragen wurden im Rahmen einer am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) durchgeführten Wettbewerbsevaluation 11 Interviews mit Vertreter/ innen verschiedener Städte 12 geführt und eine Reihe von Dokumenten ausgewertet. Die zentralen Gründe dafür, dass sich auch sehr interessierte Städte nicht an der Ausschreibung beteiligten, was symptomatisch für die generelle Situation ist, liegen in der hohen Komplexität der Aufgabe und der schwierigen Finanzierung solcher Angebote. Um solche Dienste erfolgreich auf die Straße zu bringen, reichen die eigenen Kompetenzen nicht aus und auch lokale Beschäftigungsinitiativen − auf die bei ähnlichen Aufgaben immer gerne als Betreiber zurückgegriffen wird − verfügen über keinen ausreichenden Erfahrungshintergrund. Es gibt bislang zu wenige Unternehmen, die in diesem BMVBS-Wettbewerb als professionelle Betreiber in Frage kommen. Ähnlich schwierig verhält es sich in Finanzierungsfragen. Die in Frankreich bewährte Strategie, die Vergabe exklusiver und damit auch sehr lukrativer Werberechte mit dem Betrieb eines Verleihsystems zu koppeln, funktioniert in Deutschland aufgrund kartellrechtlicher Bedenken nicht. Es genügte bereits eine vorsorgliche Ankündigung des Kartellamts, die Vergabepraxis der deutschen Städte bei den Werberechten zu untersuchen, um alle Aktivitäten in dieser Richtung zu stoppen. Sponsoren analog zur Barclays Bank in England sind noch kaum zu finden, ein entsprechend professionell betriebenes Fundraising gibt es in deutschen Kommunen nicht. Damit bleibt es vorerst bei der Finanzierung von Fahrradverleihsystemen durch die öffentlichen Haushalte. Elemente einer Reformstrategie des ÖPNV Mittel- und langfristig können solche Systeme wohl schwerlich aus den klammen öffentlichen Kassen finanziert werden. Die nationalen und internationalen Erfahrungen zeigen, dass vor allen Dingen der öffentliche Verkehr profitiert. Verleihsysteme ergänzen die klassischen Bahn- und Busangebote. Die Erfahrungen praktisch aller Verleiher zeigen, dass vor allem Menschen im Alter von 25 bis 35 Jahren als „early adopters“ gewonnen werden können − Menschen, die zudem formal hoch gebildet sind und überdurchschnittlich verdienen. Sie betrachten Fahrradverleihsysteme als einen wichtigen Teil eines neuen, modernen Verkehrsangebots. Diese Zielgruppe gehört aus Sicht der ÖV-Unternehmen zu den strategisch Abb. 2: Station StadtRAD Hamburg (Foto: DB Rent) Mobilität + Personenverkehr 22 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 10/ 2010 interessantesten, weil sie von den Angeboten an Bussen und Bahnen in aller Regel wenig zu begeistern sind. Die Verursacher der berühmten „Autodelle“, die alle städtischen ÖV-Unternehmen kennen, das sind genau die Jahrgänge, die man als jugendliche Zwangskunden lange Jahre bedient und dann ans Auto verloren hat, könnten daher teilweise wieder zurückgewonnnen werden. Ein erfolgreich etabliertes Fahrradverleihsystem kann auch dazu beitragen, einen ÖPNV zu entwickeln, der den Bedürfnissen moderner Verkehrsteilnehmer entspricht. Ein integrierter Fahrradbaustein verspricht − ebenso wie ein entsprechender Autobaustein − inklusive der Möglichkeit eines leichten Zugangs zum Gesamtangebot über ein elektronisches Check-in/ Check-out-System 13 einen substanziellen Beitrag für Mehrverkehre zu liefern. Nutzungsprofile, Befragungen und die Tatsache, dass beispielsweise mehr als 50 % aller Call a Bike-Kunden über ein Abo eines Verkehrsunternehmens oder über eine Bahn- Card verfügen, belegen die Annahme, dass mittels attraktiver neuer Angebote auch das Gesamtimage des ÖPNV steigt. Allerdings werden diese Perspektiven in der ÖV-Branche nicht durchweg geteilt. Nach wie vor konzentriert sich die Mehrzahl der Unternehmen und Verbünde auf das vermeintliche Kerngeschäft des Bus- und Bahnbetriebes und sieht in neuen Dienstleistungen wie Fahrrad- und Autobausteinen eine Gefährdung durch vermutete Kannibalisierungen. Entsprechend ambivalent argumentiert auch das aktuelle Positionspapier des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zu Fahrradverleihsystemen. 14 Hier werden sowohl große Chancen von Fahrradverleihsystemen für den ÖV als auch eine drohende Konkurrenz des ÖPNV beschrieben. Die Einführung eines öffentlichen Fahrradverleihangebots, das in die Tarife und in die Marketing- und Kommunikationsaktivitäten des lokalen ÖPNV-Betreibers integriert und entsprechend finanziert wird, steht vor den gleichen Problemen wie andere neue Mobilitätsdienstleistungen auch. Eine grundlegende Reform der gesetzlichen Rahmenbedingungen des ÖV und insbesondere eine Anpassung seiner Finanzierungsstruktur mit dem Ziel, den Kundennutzen und die Kundenakzeptanz zu erhöhen sowie die unternehmerischen Spielräume der Betreiber zu stärken, bleibt damit weiterhin ganz oben auf der politischen Agenda. Wirkungen des Wettbewerbs und weitere Aussichten Trotz der offensichtlichen Hindernisse, Widerstände und Unzulänglichkeiten hat der Wettbewerb des BMVBS interessante und teilweise hoffnungsvolle Impulse setzen können. In einigen Wettbewerbsgewinnerstädten, wie beispielsweise in Mainz, Nürnberg oder dem Ruhrgebiet, beginnen bereits die Aufbauarbeiten und teilweise sind schon Systeme in Betrieb. 15 Der Wettbewerb hat gezeigt, dass solche Systeme ohne eine breite politische und finanzielle Unterstützung nicht starten können. Das Ziel, neben den Gebietskörperschaften auch die ÖPNV-Unternehmen einzubinden, ist − bis auf wenige Beispiele wie die Mainzer Verkehrsbetriebe oder die Usedomer Bäderbahn − im ersten Schritt noch nicht gelungen. Analog den Versuchen zur Ausweitung des ÖV-Angebots im Bereich der Automobile zeigt daher das Beispiel der Fahrradverleihsysteme, dass ohne die angesprochene grundlegende Reform der komplizierten Rechts- und Finanzierungsstrukturen des ÖPNV das Reformtempo weiter sehr gering bleiben wird. Städte wie London oder Paris demonstrieren bereits jetzt, dass eine moderne Urbanität entsprechend neu definierte Formen öffentlicher Verkehre verlangt. In diesen Städten wird nicht darauf gewartet, dass sich die Wettbewerbsordnung des öffentlichen Verkehrs verändert. Hier werden auf politischen Druck hin bereits jetzt neue Allianzen von Fern- und Nahverkehrsbetreibern mit Stromkonzernen und Automobilunternehmen geschmiedet, um zu den klassischen Produkten weitere individuelle Angebotsbausteine hinzuzufügen. Dabei wird immer stärker auf Sharingmodelle gesetzt, um auf diese Weise einerseits einen hohen Kundennutzen zu generieren und andererseits die notwendigen Effizienzgewinne ausweisen zu können. 16 Fahrradvermietangebote bilden bei dieser Modernisierung die Speerspitze für die Gestaltung des urbanen Verkehrs von morgen. Der Wettbewerb des BMVBS hat dazu einen wichtigen Beitrag geliefert. Im nächsten Schritt wird es darum gehen, sukzessiv das Verständnis darüber zu erweitern, was zukünftig alles zu einem öffentlichen Verkehr gehört und wie dies zu organisieren ist. Fahrräder sind dabei nicht mehr wegzudenken. 1 Für einen Überblick siehe: Optimising Bike Sharing in European Cities Project (OBIS), www.obisproject.com 2 Siehe: Maertins, C.; Hoffmann, C.; Knie, A. (2004): Automobil mit der Bahn. Bilanz zur Markteinführung von Call a Bike und DB Carsharing. Internationales Verkehrswesen 1+2, S. 38 - 40 3 Siehe: Knie, A.; Borcherding, A.; Bottermann, A. (2010): StadtRAD Hamburg: Erfolgreicher Start des öffentlichen Fahrradsystems, in: Nahverkehrspraxis, Ausgabe 6, 2010, S. 31 - 33 4 Stand Ende Oktober 2009 (Radio Canada; www. radio-canada.ca/ regions/ Montreal/ 2009/ 10/ 24/ 001-Bixi_bilan_suggestions.shtml) 5 Informationen zu den Systemen in Paris und Barcelona, in: Analysis of Existing Bike sharing Systems in European Cities, www.obisproject.com, Module 4 und 8, zu Montreal: http: / / ville.montreal.qc.ca 6 http: / / www.slate.fr/ story/ 26287/ velib-couts-parisexplosent-ville 7 Karl, A.; Maertins, C. (2009): Intermodales Angebotsdesign: Die Schließung der Angebotslücken zwischen öffentlichem Verkehr und privater Mobilität, InnoZ- Baustein Nr. 5, Berlin 8 So nennt Klaus (2005: S. 265 - 266) ein Leihfahrrad pro 500 Einwohner und Ausleihstationen im Abstand von 200 m als Orientierungswert. 9 BMVBS (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung) (2009): Ausschreibung zur Durchführung eines bundesweiten Modellversuches „Innovative öffentliche Fahrradverleihsysteme“ - Neue Mobilität in Städten, Berlin 10 Dabei handelt es sich um Fahrräder mit einem Elektromotor als Antriebsverstärker. 11 Zu den Ergebnissen ausführlich: Borcherding, A.; Hartwig, K.; Karl, A. (2010): Fahrradfahren für Fortgeschrittene. Evaluation der Barrieren und Hindernisse der Beteiligung von Städten und Kommunen am Wettbewerb Modellversuch „Innovative öffentliche Fahrradverleihsysteme“ - Neue Mobilität in Städten des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), WZB Discussion Paper SP III 2010-601, Berlin: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (als PDF-download unter: http: / / bibliothek.wz-berlin.de/ pdf/ 2010/ iii10-601.pdf) 12 München, Mainz, Dortmund für Metropolregion Ruhr 2010, Hannover (Stadt und Region) und Bremen 13 Vgl. Karl/ Maertins 2009 14 VDV (2010): Position des VDV zu Fahrradverleihsystemen, VDV Mitteilungen 10012, Mai 2010, Köln 15 Neben diesen Städten bzw. der Metropolregion Ruhr erhalten Saarbrücken, Dresden, Kassel, der Landkreis Ostvorpommern und Stuttgart eine Förderung für die Umsetzung ihrer Projekte. In: www.nationaler-radverkehrsplan.de/ neuigkeiten/ news.php? id=2666 16 Canzler, W.; Knie, A. (2010): Schöne neue Elektrowelt. Der Umstieg auf das E-Auto reicht nicht aus. Was wir brauchen, ist eine neue Mobilitätskultur, in: Süddeutsche Zeitung vom 31.05.2010, S. 18 Literatur Borcherding, A.; Hartwig, K.; Karl, A. (2010): Fahrradfahren für Fortgeschrittene. Evaluation der Barrieren und Hindernisse der Beteiligung von Städten und Kommunen am Wettbewerb Modellversuch „Innovative öffentliche Fahrradverleihsysteme“ − Neue Mobilität in Städten des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), WZB Discussion Paper SP III 2010-601, Berlin: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung BMVBS (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung) (2009): Ausschreibung zur Durchführung eines bundesweiten Modellversuches „Innovative öffentliche Fahrradverleihsysteme“ − Neue Mobilität in Städten, Berlin Canzler, W. (2005): Auf’s Wesentliche konzentrieren! Eckpunkte einer Reformagenda für den Öffentlichen Verkehr, in: Schöller, Oliver (Hg.): Öffentliche Mobilität. Perspektive für eine nachhaltige Verkehrsentwicklung, Wiesbaden, S. 239 - 257 Canzler, W.; Knie, A. (2010): Schöne neue Elektrowelt. Der Umstieg auf das E-Auto reicht nicht aus. Was wir brauchen, ist eine neue Mobilitätskultur, in: Süddeutsche Zeitung vom 31.05.2010, S. 18 Karl, A.; Maertins, C. (2009): Intermodales Angebotsdesign: Die Schließung der Angebotslücken zwischen öffentlichem Verkehr und privater Mobilität, InnoZ-Baustein Nr. 5, Berlin Klaus, C. (2005): Mehr Bewegung für die Verkehrspolitik − Aufbruch zur Multimodalität, In: Heiner Monheim (Hg.): Fahrradförderung mit System. Elemente einer angebotsorientierten Radverkehrspolitik, Mannheim: Verlag MetaGIS, S. 245 - 270 Knie, A.; Borcherding, A.; Bottermann, A. (2010): StadtRAD Hamburg: Erfolgreicher Start des öffentlichen Fahrradsystem, in: Nahverkehrs-praxis, Ausgabe 6-2010, S. 31-33 Maertins, C.; Hoffmann, A.; Knie, A. (2004): „Automobil mit der Bahn. Bilanz zur Markteinführung von Call-a-Bike und DB Carsharing.“ Internationales Verkehrswesen 1+2/ 2004, S. 38 - 40 TU Dresden, Verkehrs- und Infrastrukturplanung (2010): Interdependenzen zwischen Fahrrad- und ÖPNV-Nutzung. Analysen, Strategien und Maßnahmen einer integrierten Förderung in Städten VDV (2010): Position des VDV zu Fahrradverleihsystemen, VDV Mitteilungen 10012, Mai 2010, Köln Summary Innovative public bicycle hire systems Public bicycle hire systems are enjoying a boom in Europe. The last ten years have witnessed not only an enormous increase in the services on offer, but also in their scope and professional approach. The common factor associated with the bicycle hire systems is that they are being offered along roads and on public squares. They target different user groups, and not only tourists, while their availability is extensive within designated areas. Hire arrangements are handled automatically. Bicycles may be taken out for short periods of time − even for a few minutes − and there is no need to return them to their original starting point.
