Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0129
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Umwelteffizienz beim Frachteinkauf
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Nikolaus Fries
Ulrich Weidmann
Die Bedeutung von Umweltaspekten im Kontext von Transportausschreibungen nimmt stetig zu. Es fehlt jedoch bislang eine transparente und praxisorientierte Methodik zur Bewertung und Kommunikation von Umwelteinflüssen in der Transportlogistik. Wie könnte eine solche Methodik aussehen, und wie hoch ist die Zahlungsbereitschaft der Verlader für „grüne“ Transporte wirklich?
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Umwelt + Ressourcen 25 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 10/ 2010 Nikolaus Fries / Ulrich Weidmann Umwelteffizienz beim Frachteinkauf Es mangelt weniger an Nachfrage als an Transparenz Die Bedeutung von Umweltaspekten im Kontext von Transportausschreibungen nimmt stetig zu. Es fehlt jedoch bislang eine transparente und praxisorientierte Methodik zur Bewertung und Kommunikation von Umwelteinflüssen in der Transportlogistik. Wie könnte eine solche Methodik aussehen, und wie hoch ist die Zahlungsbereitschaft der Verlader für „grüne“ Transporte wirklich? Die Autoren Dr. Nikolaus Fries, TIM CONSULT GmbH L15, 12-13, D-68161 Mannheim, n.fries@timconsult.de Prof. Dr. Ulrich Weidmann, ETH Zürich, Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT) Wolfgang-Pauli- Str. 15, CH-8093 Zürich, weidmann@ivt.baug.ethz.ch 1 Hintergrund „Green Logistics“ wird insbesondere bei Logistikdienstleistern und in der Politik prominent diskutiert und ist mit hohen Erwartungen befrachtet. Der Katalog relevanter Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen in der Transportlogistik ist weitgehend bekannt: So sind im Landverkehr zahlreiche Strategien von saubererer Antriebstechnik über die energiesparende Fahrweise der Lkw-Fahrer bis zur Verlagerung der Transporte auf Bahn und Schiff bereits in vielen Beiträgen und Podiumsdiskussionen kontrovers behandelt worden. Woran es jedoch nach wie vor fehlt, ist eine allseits akzeptierte und praxisorientierte Methodik, mittels welcher den Verladern Kosten und Nutzen transparent und vergleichbar kommuniziert werden können. Naheliegenderweise kann von ihnen nicht verlangt werden, dass sie im Zuge jeder Transportausschreibung eine detaillierte Betrachtung der Umweltverträglichkeit der eingereichten Angebote vornehmen. Eher praktikabel wäre die Bereitstellung standardisierter Kennzahlen zur Umweltbelastung von Warentransporten, möglicherweise auch im Rahmen eines Labels für ökologisch vorteilhafte Transporte. Dabei darf bei der Auswahl geeigneter Kennzahlen einerseits die Aussagekraft der Ergebnisse nicht zu stark beschränkt werden (z. B. durch eine ausschließliche Quantifizierung der direkten CO 2 -Emissionen eines Transports). Andererseits darf sich die Komplexität nicht so weit erhöhen, dass die Zahlen ohne speziellen fachlichen Hintergrund nicht mehr interpretiert werden können. Da die Transportlogistik derzeit jedoch von einem solchen Standard noch weit entfernt und zudem der Aufwand für eine umfassende Implementierung nicht unerheblich ist, ist zunächst die verladerseitige Nachfrage für umweltfreundliche Transportdienstleistungen abzuschätzen. Die Logistikdienstleister haben heute häufig noch keine belastbaren quantitativen Angaben bezüglich der in diesem Marktsegment realisierbaren Erträge, so dass sich zunächst die Frage nach dem „Return on Investment“ bezüglich der zur Erhöhung der Umwelteffizienz erforderlichen Investitionen stellt. Falls, wie häufig der aktuellen Berichterstattung zu entnehmen ist, die Akzeptanz gegenüber Preiserhöhungen unzureichend wäre, hätten Logistikdienstleister nur ein geringes Interesse, per se gezielt in umweltfreundliche Transportlösungen zu investieren. In der im Folgenden zusammengefassten Studie des Instituts für Verkehrsplanung und Transportsysteme der ETH Zürich (1) wurde daher zunächst das Entscheidungsverhalten von Verladern quantitativ analysiert, um den diesbezüglichen Einfluss von Kennzahlen zur Umwelteffizienz von Warentransporten zu verstehen. Dies betrifft insbesondere die relative Gewichtung von Umweltkriterien gegenüber anderen Nachfragefaktoren bei Transportausschreibungen. Die Studie befasst sich weiter mit der Umweltbelastung von Gütertransportketten und deren Bewertung. Schließlich schätzt sie das Marktpotenzial für umwelteffiziente Transportlösungen ab und geht der Frage nach, ob aus Sicht von Logistikdienstleistern darin ein zukunftsträchtiges Marktsegment zu sehen ist. 2 Nachfrage nach umwelteffizienten Transportlösungen Zur Abschätzung der Zahlungsbereitschaft für umwelteffiziente Warentransporte wurde im Jahr 2008 eine telefonische Befragung bei der verladenden Wirtschaft in der Schweiz durchgeführt. Hierfür wurden typische Transportrelationen der befragten Firmen herangezogen. Um ein konsistentes Bild der schweizerischen verladenden Wirtschaft zu erhalten, wurden ausschließlich Relationen mit Quelle und/ oder Ziel in der Schweiz berücksichtigt. Die Interviews wurden anhand eines elektronischen Fragebogens durchgeführt, auf welchen die Interviewer und die Befragten simultanen Zugriff hatten. Der Fra- Attribut Gesamtmodell Nahrungs-/ Futtermittel Chemische Produkte & landwirtsch. Grundstoffe Eisen- & Metallprodukte Baustoffe Halb-/ Fertigwaren Pünktlichkeit (pro zusätzlichem %-Punkt) CHF/ Sendung 19.8 12.5 61.2 14.1 5.43 31.00 CHF/ t 2.03 0.88 2.89 1.18 0.18 6.46 CHF/ tkm 0.00570 0.00504 0.00432 0.00267 0.00164 0.01450 Laufzeit (pro eingesparter Stunde) CHF/ Sendung 3.02 3.70 6.90 n/ a n/ a 3.96 CHF/ t 0.31 0.26 0.33 n/ a n/ a 0.83 CHF/ tkm 0.000868 0.001490 0.000487 n/ a n/ a 0.001860 Treibhausgas- Emissionen (pro %-Punkt Reduktion) CHF/ Sendung 1.27 1.55 3.17 0.68 n/ a 1.47 CHF/ t 0.13 0.11 0.15 0.06 n/ a 0.31 CHF/ tkm 0.000365 0.000624 0.000223 0.000128 n/ a 0.000689 Tab. 1: Zahlungsbereitschaften pro Warengruppe Umwelt + Ressourcen 26 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 10/ 2010 Abb. 1: Anteil relevanter Emissionsfaktoren an den Bewertungskategorien „Human Health“ und „Ecosystem“ (Beispielrelation Stabio - Neuendorf) gebogen bestand im ersten Teil aus allgemeinen Fragen zu den Logistikstrukturen des Unternehmens, gefolgt von Detailfragen zu den vom Befragten anzugebenden Beispielrelationen. Der zweite Teil enthielt ein Stated Choice-Experiment pro Relation, welches auf den eingangs erhobenen Angaben aufbaute. Jedes Experiment umfasste 14 Entscheidungssituationen, welche jeweils aus drei hypothetischen Transportangeboten bestanden und durch folgende Attribute beschrieben wurden: 1. Transportmittel (Lkw/ reiner Bahntransport/ kombinierter Verkehr Bahn-Straße) 2. Transportpreis 3. Zuverlässigkeit (Pünktlichkeit) 4. Laufzeit 5. Treibhausgas-Emissionen Insgesamt wurden 128 Interviews durchgeführt und dabei 198 Transportrelationen behandelt und bewertet. Anhand der Daten aus den Stated Choice-Experimenten wurden mittels „Mixed Logit“-Modellen für die Gesamtstichprobe sowie für die unterschiedlichen Warengruppen die Zahlungsbereitschaft für Treibhausgas-Emissionen, Pünktlichkeit sowie Laufzeit ermittelt. Die einzelnen Werte sind in Tab. 1 aufgeführt. Bezüglich Modellherleitung sowie weiterer Details sei auf (1) verwiesen. Diese Ergebnisse lassen bei der schweizerischen verladenden Wirtschaft tatsächlich eine grundsätzliche Zahlungsbereitschaft für eine Verbesserung der Umweltbilanz von Warentransporten erwarten. Der Wert liegt im Bereich von 1,27 CHF pro Sendung pro Prozentpunkt reduzierter Umweltbelastung. Für Fertigprodukte und Nahrungsmittel, mit welchen der End-Konsument am häufigsten in Berührung kommt, ist die Zahlungsbereitschaft mit ca. 1,50 CHF pro Prozentpunkt pro Sendung höher als im Fall von Rohstoffen und anderen geringerwertigen Produkten (0,0 - 0,7 CHF pro Prozentpunkt pro Sendung). Die Zahlungsbereitschaft ist mithin umso größer, je höherwertiger das Transportgut und je höher dessen Position in der Wertschöpfungskette ist. Ferner lassen sich die Nachfragekriterien anhand der Modellergebnisse in eine Reihenfolge gemäss ihrer Relevanz für die Transportnachfrage eines Verladers bringen: Am wichtigsten ist in der Regel die Pünktlichkeit, gefolgt von Transportpreis sowie zuletzt Treibhausgas-Emissionen und Transportdauer auf vergleichbarem Niveau. 3 Umwelt-Benchmark von Transportketten 3.1 Benchmark-Methodik Um das ökologische Optimierungspotenzial bestehender Transportketten zu prüfen, wurde eine Auswahl aus den Beispielrelationen der Befragung einem Umwelt-Benchmark unterzogen, welcher auf der sogenannten „ReCiPe“-Methode (3) basiert, einer auf dem Prinzip der Lebenszyklus-Betrachtung (LCA) aufsetzenden Methodik. Damit können Basis-Transportprozesse, wie sie in der Datenbank „Ecoinvent“ (4) enthalten sind, analysiert werden. Diese umfasst ca. 4000 Datensätze von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen, welche für Umweltbilanzen relevant sind. Transportprozesse sind hier in der Einheit Tonnen-Kilometer (tkm) mit den entsprechenden Emissionsdaten hinterlegt, welche somit leicht auf eine konkrete Transportrelation mit gegebener Distanz und Sendungsgröße hochgerechnet werden können. Für den Umwelt-Benchmark der ausgewählten Transportrelationen wurden die Emissionen aus dem eigentlichen Transportprozess sowie aus den relevanten vorgelagerten Prozessen eingerechnet. Da sich die Basis-Emissionsdaten nach Straßenkategorien bzw. Traktionsarten im Bahntransport (elektrisch/ Diesel) unterscheiden, wurde jede Transportrelation gemäß der Klassifikation in (7) in geeignete Abschnitte unterteilt und diese wurden jeweils getrennt analysiert. Die Summe der Emissionen aus den Teilabschnitten wurde anschließend den entsprechenden Bewertungskategorien der „ReCiPe“-Methode mittels vordefinierter Konvertierungsfaktoren zugeschieden (3). Diese Methode unterscheidet zwischen: a) Schädigung der menschlichen Gesundheit (durch z. B. Treibhausgas-Emissionen) - „Human Health“, b) Schäden an Ökosystemen (Boden- und Wasserverunreinigung) - „Ecosystems“ sowie c) Ressourcenverbrauch (in dieser Anwendung repräsentiert durch den Energieverbrauch). Sie wurde in der vorliegenden Untersuchung erstmals um die durch Verkehrsunfälle verursachten Schäden erweitert, da diese im Verkehrssektor (insbesondere im Straßentransport) einen nicht zu vernachlässigenden Einflussfaktor darstellen (5). Die Resultate zeigen, dass der Lkw- Transport im Allgemeinen (unabhängig von der Transportdistanz) in allen Bewertungskategorien die schlechteste Umweltbilanz aufweist, gefolgt vom kombinierten Verkehr (KV) und schließlich dem reinen Bahntransport. In mehreren Beispielen beträgt das Emissionsreduktionspotenzial durch einen Wechsel von Straße auf Bahn bis zu 50 %. Die Emissionsunterschiede zwischen Straße und KV hängen hauptsächlich von den tatsächlichen Transportdistanzen ab, denn im KV werden im Straßenvor- und -nachlauf systembedingt oft große Umwege gegenüber der Direktroute per Lkw gefahren. Der reine Bahntransport (sofern ein Gleisanschlussverkehr möglich ist) hat in der Regel die beste Emissionsbilanz (oder liegt zumindest gleichauf mit dem KV), da lange Vor- und Nachläufe per Lkw sowie Umwegfahrten vermieden werden. 3.2 Relevante Emissionsfaktoren In Bezug auf die eingangs erwähnte Problematik einer fehlenden praxistauglichen Bewertungsmethodik stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, welche Angaben zur Umweltbilanz aus Anwendersicht von größter Relevanz sind. Eine Möglichkeit wäre, die drei aggregierten Werte aus den entsprechenden Bewertungskategorien der „ReCiPe“-Methode zu verwenden. Da diese jedoch sehr weit abstrahiert und somit für die praktische Anwendung eher ungeeignet sind, ist deren Ersatz durch die wichtigsten einzelnen Emissionsfaktoren ins Auge zu fassen. Dies veranschaulicht ferner deren jeweiligen Einfluss auf die Gesamtdistanz und ermöglicht darauf bezogene gezielte Reduktionsmaßnahmen. Um die relevanten Emissionsfaktoren zu identifizieren, sind in Abb. 1 sämtliche Umwelt + Ressourcen 27 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 10/ 2010 Faktoren mit einem Anteil von >1 % in zumindest einer der Bewertungskategorien „Human Health“ und „Ecosystems“ für die Beispielrelation Stabio - Neuendorf dargestellt 1 , welche diesbezüglich repräsentativ für die Gesamtheit der analysierten Relationen ist. Offensichtlich besteht der wesentliche Unterschied zwischen Straße und Schiene in der Bewertungskategorie “Human Health“: Während der Einfluss der Unfallschäden (gemessen in der Einheit „Disability-adjusted life years“ - DALY (6)) im Bahntransport mit <1 % vernachlässigbar ist, beträgt dieser im Straßentransport bei den analysierten Relationen zwischen 20 % und 36 % der Gesamtschadenssumme. Demgegenüber erreichen die Partikelemissionen für die Relation Stabio - Neuendorf im Bahntransport einen Anteil von 26 % gegenüber nur 4 % bei der Straße (was nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass diese in absoluten Zahlen gemessen bei Bahn und Straße in etwa gleich hoch sind). Bezüglich der übrigen Emissionsfaktoren sind die Unterschiede mit maximal 4 % zwischen Straße und Schiene geringer. Somit sind 90 % und mehr der gesamten Umweltschäden im Warentransport auf insgesamt nur vier Emissionsfaktoren zurückzuführen - namentlich CO 2 , NOx, Partikel sowie Unfallschäden (wobei Letztere ausschließlich für den Straßentransport in der Bewertungskategorie „Human Health“ relevant sind). Diese vier Faktoren, zuzüglich Energieverbrauch, könnten somit als geeignete und repräsentative Indikatoren für einen möglichen Bewertungsstandard verwendet werden. Gegenüber aggregierten Indikatoren haben sie den klaren Vorteil einer größeren Transparenz, der Abstrahierungsgrad ist geringer, und sie vermeiden ferner die Anwendung eines pauschalen und anfechtbaren Gewichtungssystems, wie es durch die „ReCiPe“- Methode vorgegeben ist. 4 Marktpotenzial für umwelteffiziente Transporte Für die dem Benchmark unterzogenen Transportrelationen wurde anschließend eine Preisabschätzung vorgenommen, um die zu erwartenden Preissteigerungen für umwelteffizientere Transportlösungen im Vergleich zum Status Quo abzuschätzen (1). Anhand einer abschließenden Kosten- Nutzen-Analyse wurden die Preisdifferenzen der errechneten Veränderung der Umweltbilanz gegenübergestellt. Zudem wurde die Frage beantwortet, ob die zu erwartenden Preissteigerungen von Verladern realistischerweise in Kauf genommen würden. Für jede der 13 analysierten Relationen sind in Abb. 2 die absoluten Preisdifferenzen für die Bewertungskategorie „Human Health“ (für jedes verfügbare Transportmittel außer dem aktuell eingesetzten) über die prozentuale Veränderung der Umweltbilanz aufgetragen, welche sich durch einen Transportmittelwechsel ergeben würde. Beispielsweise wäre für die Variante des kombinierten Verkehrs auf der Relation Altstätten - Basel (in graublau) ein um 120 CHF tieferer Transportpreis zu erwarten gegenüber dem derzeitigen Straßentransport, während gleichzeitig der Umwelteinfluss dieser Relation in der Kategorie „Human Health“ um 65 % reduziert werden könnte. Die Alternative des Bahntransports via Gleisanschluss hat in diesem Fall keine Relevanz, da der Verlader nicht über einen Gleisanschluss verfügt. Insgesamt zeigen die Ergebnisse ein uneinheitliches Bild: Für die Relationen im ersten Quadranten (oben rechts) geht eine Preissteigerung mit einer erhöhten Umweltbelastung einher, was weder im Interesse des Verladers noch des Dienstleisters sein kann. Die Relationen im zweiten Quadranten (unten rechts) kombinieren eine erhöhte Umweltbelastung mit einer Transportpreisreduktion. Dies könnte für Verlader interessant sein, welche der Umwelteffizienz ihrer Transporte keine Bedeutung zumessen. Die Fälle mit tieferen Preisen bei gleichzeitig verbesserter Umweltbilanz (dritter Quadrant) müssten prinzipiell klare Kandidaten für einen Transportmittelwechsel sein. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die sonstigen Qualitätsmerkmale wie Pünktlichkeit und Laufzeit marktfähig sind. Bei der Relation Rotterdam - Basel beispielsweise handelt es sich um frische Lebensmittel, welche höchsten Laufzeit- und Pünktlichkeitsanforderungen unterliegen. Relevant für die Akzeptanz von Preisaufschlägen seitens der Verlader sind die Fälle im vierten Quadranten, bei welchen eine Verbesserung der Umweltbilanz mit einem Preisaufschlag einhergeht. In der Annahme, dass die aus den Befragungsergebnissen geschätzte relative Zahlungsbereitschaft von 1,27 CHF pro Sendung pro Prozentpunkt reduzierter Umweltbelastung (vgl. Tab. 1) trotz zunehmender absoluter Reduktion konstant bleibt, lässt sie sich in Abb. 2 als Gerade mit Ursprung im Nullpunkt darstellen. Aus dieser Darstellung wird deutlich, dass die tatsächlich zu erwartende Preisdifferenz bei einem Großteil der Fälle die realistische Zahlungsbereitschaft für das ermittelte Reduktionspotenzial der Umweltbelastung deutlich übersteigt. Lediglich zwei Relationen fallen in den Bereich, in welchem die Preisdifferenzen vom Verlader ggf. akzeptiert würden: Zum ersten die intermodale Variante der Relation Brüttisellen - Luzern (braun) und zum zweiten Abb. 2: Ergebnis der Kosten-Nutzen- Analyse Umwelt + Ressourcen terentwicklung dieser Beitrag als Diskussionsgrundlage dienen kann. 1 Die Kategorie Energieverbrauch kann in diesem Zusammenhang ebenfalls quasi als einzelner Emissionsfaktor aufgefasst werden. Literatur Fries, N. (2009): Market Potential and Value of Sustainable Freight Transport Chains; Ph.D. Dissertation, IVT-Schriftenreihe No. 148, ETH Zurich. Fries, N.; de Jong, G.; Patterson, Z.; Weidmann, U. (2010): Shippers’ Willingness-to-Pay for Increasing Environmental Performance in Freight Transportation. Proceedings of the 89th Annual Meeting of the Transportation Research Board, Washington, D.C. Goedkoop, M.; Heijungs, R.; Huijbregts, M.; De Schryver, A.; Struijs, J.; van Zelm, R. (2009): ReCiPe 2008 - A life cycle impact assessment method which comprises harmonised category indicators at the midpoint and the endpoint level. Report I: Characterisation, 1 st edition. Frischknecht, R.; Jungbluth, N. (Eds.) (2007): Overview and Methodology - Data v2.0. ecoinvent report no. 1, Dübendorf. Fries, N.; Hellweg, S.: unpublizierte Resultate. LCA of Land- Based Freight Transportation: Enhancing Methodology and Facilitating Practical Application. ETH Zurich. Murray, C. J. L.; Lopez, A. D. (Eds.) (1996): The global burden of disease; Harvard University Press. INFRAS, IFEU, TU Graz, RWTÜV (Eds.) (2004): Handbuch Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs 2.1 - Dokumentation; Bern/ Heidelberg/ Graz/ Essen. mer unter Berücksichtigung der jeweiligen Randbedingungen und Anforderungen der Verlader bewertet werden. Damit lassen sich die einleitend skizzierten Fragestellungen wie folgt beantworten: Eine umfassende und möglichst vollständige Bewertung der Umwelteinflüsse von Warentransportketten ist für fundierte Analysen unerlässlich, für eine breitere Anwendung in der Praxis jedoch nicht zweckmäßig. Hierfür ist eine einfachere und transparentere Bewertung anzustreben. Die aus der Benchmark-Methodik abgeleiteten Emissionsfaktoren (CO 2 , NOx, Partikel, Unfallschäden sowie Energieverbrauch) stellen eine repräsentative und leicht verständliche Liste von Indikatoren dar, welche als Grundlage für einen möglichen Bewertungsstandard im Rahmen von Transportausschreibungen dienen kann. Allein durch den Anreiz einer verbesserten Umweltbilanz seiner Transportlogistik wird kein Verlader einen Verkehrsträgerwechsel von der Straße auf Bahn oder auch Schiff akzeptieren. Kosten und Qualitätskriterien, wie insbesondere Zuverlässigkeit und Laufzeit, haben heute - und auch zukünftig - einen dominanten Stellenwert. Umwelteffiziente Transportkonzepte werden allerdings in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen und sollten somit von Logistikdienstleistern in keiner Weise vernachlässigt werden. Schlüssel zum Markterfolg können jedoch in jedem Fall ausschließlich konsistente Angebotskonzepte im Hinblick auf Umwelt, Qualität und Kosten sein, welche dem Kunden transparent und überzeugend kommuniziert werden. Darüber hinaus muss es ein allgemeines Ziel sein, das Umweltbewusstsein der Verlader, aber auch die Akzeptanz von Umweltkriterien, als relevanten Bewertungsaspekt bei der Evaluation von Transportangeboten weiter zu fördern. Dies kann nur über einen transparenten und breit akzeptierten Standard erfolgen, zu dessen Weidie Relation Givisiez - Regensdorf, ebenfalls im kombinierten Verkehr. Erstere bietet jedoch kein wesentliches Reduktionspotenzial der Umweltbelastung, so dass der Verlader schwerlich bereit wäre, einen Preisaufschlag von 64 CHF pro Sendung zu akzeptieren. Auch wenn im Fall der Relation Givisiez - Regensdorf eine stärkere Reduktion der Umweltbelastung möglich wäre, ist die Wahrscheinlichkeit einer Akzeptanz des Preisaufschlags von 65 CHF pro Sendung gering. Da es sich im Fallbeispiel um Metallwaren handelt, welche der Warengruppe 4 („Eisen- & Metallprodukte“) zuzuordnen ist, kann gemäß Tab. 1 nur von einer Zahlungsbereitschaft von 0,68 CHF/ Sendung und Prozentpunkt reduzierter Umweltbelastung ausgegangen werden. Ferner ist in der Realität nicht zu erwarten, dass diese auch über einen größeren Wertebereich linear verläuft. Eher ist mit einer abnehmenden Zahlungsbereitschaft bei zunehmender Reduktion der Umweltbelastung zu rechnen. 5 Schlussfolgerungen Somit ist festzustellen, dass eine Reduktion der Umweltbelastung durch einen Transportmittelwechsel in vielen Fällen mit signifikanten Preissteigerungen verbunden ist. Auch aus Sicht der Logistikdienstleister können keine deutlichen Ertragssteigerungen durch den Wechsel auf umweltfreundlichere Transportmittel erwartet werden, da der zu kalkulierende Anstieg der Betriebskosten durch die verladerseitige Zahlungsbereitschaft in der Regel nicht kompensiert werden kann. Jedoch hat die Kosten-Nutzen-Analyse auch Fälle aufgezeigt, bei denen sich durch einen Transportmittelwechsel sowohl Kosteneinsparungen als auch eine verbesserte Umweltbilanz realisieren ließen (vorbehaltlich eventueller Qualitätsunterschiede). Somit können umweltfreundlichere Transportmittel nicht a priori als unwirtschaftlich bezeichnet werden, sondern sollten im- Summary Environmental efficiency and freight transport Environmental aspects in connection with tenders for freight transport, are increasingly gaining in importance. So far, however, there is no transparent and practice-oriented methodology for the assessment and communication of any environment-related impact on transport logistics. This article deals with a wouldbe future methodology and with forwarders’ readiness to pay for environment-friendly freight transport. Anfang September ist das ETR Austria Spezial „Großprojekte der ÖBB - Ein aktueller Überblick“ erschienen. Dieses Spezial enthält eine Übersicht über die aktuellen Großprojekte der ÖBB-Infrastruktur AG in Österreich. Die Autoren der Beiträge sind die jeweiligen Projektverantwortlichen der ÖBB AG. Ihr Anliegen ist es dabei, ein besonderes Augenmerk auf den Baufortschritt der Projekte zu legen und darüber hinaus wesentliche Aspekte der Sicherheitstechnik sowie des Projektmanagements im Bahnbau darzustellen. Abgerundet wird das Buch mit einem Blick in die nähere Zukunft. Mitherausgeber des Spezials ist Herr Univ. Prof. DI Dr. Techn. Norbert Ostermann, Vorstand des Instituts für Verkehrswissenschaften der TU-Wien. Er war selbst 13 Jahre lang an vielen der Großprojekte beteiligt und betreute u.a. zusammen mit seinem Team die neue Verbindungsstrecke zwischen West-, Süd- und Donauländebahn in Wien, den „Lainzer Tunnel“, vom ersten Federstrich auf der Stadtkarte bis weit hinein in die Bauabwicklung. Bestellen Sie Ihr persönliches Exemplar dieser einzigartigen Zusammenstellung von Bahninfrastrukturprojekten in Österreich. Mehr Informationen inden Sie unter: www.eurailpress.de/ etraustriaspezial ETR Austria Spezial Großprojekte der ÖBB - ein aktueller Überblick Kontakt: DVV Media Group GmbH l Eurailpress · Telefon: +49 40/ 2 37 14-440 · E-Mail: buch@dvvmedia.com Technische Daten: ISSN: 0013-2845 124 Seiten, Format: A4 Preis: € 34,00 (inkl. MwSt, zzgl. Versand) NEU
