eJournals Internationales Verkehrswesen 62/10

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0141
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Schon wieder eine neue Steuer?

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Christoph Klingenberg
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Standpunkt 50 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 10/ 2010 Dr. Christoph Klingenberg leitet den Bereich „Information Management“ bei der Deutsche Lufthansa AG, Frankfurt/ Main. Schon wieder eine neue Steuer? Als Teil eines großen Sparprogramms angekündigt verabschiedete die Bundesregierung im September eine neue Steuer, die zunächst als „Ökologische Luftverkehrsabgabe“ tituliert den wahren Charakter als Steuer verschleiern sollte. Ökologisch sei diese Abgabe, weil wegen der Mehrkosten weniger Menschen fliegen (und damit die Umwelt entlastet wird) und ökonomisch sei sie, weil die verbleibenden Passagiere in Deutschland eine Milliarde Euro zusätzlich bezahlen würden. Vorausgegangen war ein gescheiterter Versuch der EU-Kommission, eine europaweite Flugsteuer zur Finanzierung des Entwicklungshilfe-Budgets einzuführen. Die häufigsten Argumente der Befürworter einer solchen Steuer sind: ̇ Der Luftverkehr schade der Umwelt und sei daher zusätzlich mit Abgaben zu belasten. ̇ Da keine Steuer auf Kerosin erhoben wird, sei der Luftverkehr gegenüber anderen Verkehrsträgern im Vorteil. ̇ Deutschland sei so groß, dass keine signifikanten Abwanderungseffekte zu beobachten sein würden. Über die ökologischen Folgen des Luftverkehrs wird meist ideologisch diskutiert. Als Fakten möchte ich in die Diskussion einbringen, dass Lufthansa im Jahr 2009 lediglich 4,3 l Treibstoff pro 100 Passagierkilometer verbraucht hat. Moderne Langstreckenjets liegen bei 3 l. Ein Passagier im ÖPNV verbraucht dagegen 7,6 l pro 100 km. Diese Fortschritte im Luftverkehr sind zum einen durch technologische Innovationen erzielt worden, zum anderen aber auch über eine hohe Auslastung der Flugzeuge von fast 80 %. Zum Vergleich: Die Deutsche Bahn ist im Fernverkehr zu weniger als 40 % ausgelastet. Die deutschen Luftverkehrsgesellschaften bezahlen pro Liter Kerosin ungefähr 1 EUR an Abgaben, während die Mineralölsteuer auf 1 l Diesel z. Z. 0,47 EUR beträgt. Diese Abgaben für den Luftverkehr werden zwar nicht als Steuer auf Kerosin, sondern pro Flug oder pro Passagier erhoben. Ziel dieser Abgaben ist die komplette Deckung der Infrastrukturkosten, was der Luftverkehr im Gegensatz zum Schienenverkehr auch erreicht. Über die Abwanderungseffekte braucht man nicht zu mutmaßen. Sie lassen sich am Beispiel der Niederlande studieren, die 2008 eine Flugsteuer eingeführt haben und feststellen mussten, dass die Passagiere in Amsterdam um 18 % zurückgingen. Für die grenznahen Flughäfen wie z. B. Düsseldorf hat dies entsprechende Zuwächse gebracht. Fazit nach einem Jahr: Verluste von 1,2 Mrd. EUR gegenüber gerade einmal 300 Mio. EUR Einnahmen. Deshalb wurde die Ticketsteuer nach einem Jahr in den Niederlanden wieder abgeschafft. Für Deutschland gehen konservative Prognosen von einem wirtschaftlichen Schaden in Höhe von 1,5 Mrd. EUR aus, was den Verlust von 16 200 Arbeitsplätzen bedeutet. Diese Rechnung bezieht sich lediglich auf die Verkehrs- und Tourismuswirtschaft - die negativen Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft sind noch gar nicht berücksichtigt. Da der Luftverkehr einen Motor für die Volkswirtschaft darstellt, wird der gesamtwirtschaftliche Schaden noch deutlich höher sein. Auch auf die Umwelt, denn selbst ideologisch orientierte Umweltschützer geben zu, dass eine prosperierende Wirtschaft Voraussetzung für effizienten Umweltschutz ist. Da ist die Ankündigung der Regierung, die Effekte der Ticketsteuer 18 Monate nach Einführung zu überprüfen, schon mehr als zynisch: man verabreicht einem Patienten ein nachgewiesenermaßen gesundheitsschädliches Medikament, sichert ihm aber eine spätere ärztliche Untersuchung zu. Das Ergebnis der Überprüfung kann man jetzt schon vorwegnehmen: ̇ Die Einnahmen der Ticketsteuer werden gerade ausreichen, um das Arbeitslosengeld für die durch die Abwanderung arbeitslos gewordenen Menschen zu bezahlen. ̇ Für die Nachbarstaaten wirkt sich die Abwanderung wie ein kleines Sonder-Konjunkturprogramm aus. ̇ Der deutsche Alleingang hat keinerlei Auswirkungen auf die Umwelt, da die in Deutschland weggefallenen Flüge lediglich ins benachbarte Ausland verlagert wurden. Vielleicht bietet sich dann ja eine Gelegenheit für eine verkehrsfreundlichere Wirtschaftspolitik, von der dann auch die Umwelt profitiert.