Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2010-0172
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Algen als Hoffnungsträger?
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Kerstin Zapp
Ein Kraftstoff ist ein Brennstoff, dessen chemische Energie durch Verbrennung in Verbrennungskraftmaschinen (Verbrennungsmotor, Gasturbine, …) und Raketentriebwerken in Antriebskraft umgewandelt wird. Welche gibt es heute und welche Rolle spielt Biodiesel?
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Umwelt + Ressourcen 43 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 12/ 2010 Dr. Claus Wahl, DLR-Wissenschaftler in der Abteilung Chemische Analytik, arbeitet an einer mobilen Messeinrichtung zur Abgasanalyse und Partikelmessung des Treibstoffs GtL. Foto: DLR Kerstin Zapp Algen als Hoffungsträger? Ein Kraftstoff ist ein Brennstoff, dessen chemische Energie durch Verbrennung in Verbrennungskraftmaschinen (Verbrennungsmotor, Gasturbine, …) und Raketentriebwerken in Antriebskraft umgewandelt wird. Welche gibt es heute und welche Rolle spielt Biodiesel? K raftstoffe werden überwiegend zum Antrieb von Fortbewegungsmitteln verwendet. Da sie jeweils mittransportiert werden müssen, werden Stoffe mit einer hohen Energiedichte bevorzugt. Bei der Verbrennung wird als Oxidator meist der Sauerstoff aus der Luft verwendet. Nicht als Kraftstoff bezeichnet werden Stoffe, die zwar als Energieträger für einen Antrieb dienen, bei denen aber keine chemische Energie freigesetzt wird, etwa Wasser für eine Wasserturbine. Es gibt eine Vielzahl flüssiger Kraftstoffe, wie: Kerosin bzw. Petroleum, Benzin (Ottokraftstoff), Leichtbenzin, synthetisches Benzin (Ottokraftstoff), Zweitaktgemisch (Ottokraftstoff mit Ölzusatz), Dieselkraftstoff, Alkylatbenzin, Biodiesel, Ethanol-Kraftstoff (darunter Bioethanol und Cellulose-Ethanol), Butanol (darunter Biobutanol), Flüssigerdgas (auch: LNG - Liquified Natural Gas), Flüssiggas (Propan/ Butan-Gemisch; auch: Autogas oder LPG - Liquified Petroleum Gas), Methanol, Pflanzenöl, Emulsionskraftstoff (meist Wasser in Diesel, zur Schadstoffminderung durch Temperaturabsenkung, wie es etwa Pirelli Technologies unter dem Namen Gecam für Lkw- und Busflotten anbietet), Schweröl, Benzol, Benzin-Benzol-Gemisch (Bibo; Ottokraftstoff), Gasöl, Motorpetroleum, XtL-Kraftstoffe, darunter GtL- Kraftstoff (Gas-to-Liquid), BtL-Kraftstoff (Biomass-to-Liquid) und CtL-Kraftstoff (Coal-to-Liquid), die Wikipedia aufzählt. Die Reihe der gasförmigen Kraftstoffe ist ebenfalls lang: Erdgas - auch: Methan, CNG (Compressed Natural Gas) oder LNG (Liquid Natural Gas), Kompogas, Biogas, Methan - ebenfalls: Erdgas (darunter Biomethan), Ethan, Dimethylether, Wasserstoff (darunter Biowasserstoff), Holzgas und Deponiegas. Festbrennstoffe findet man etwa im Antrieb von Feststoffraketen. Für die Reichweite eines Fahrzeugs sind unter anderem das Volumen des Tanks und die Energiedichte des Kraftstoffs ausschlaggebend. Bei Gasen hängt der Energieinhalt stark vom Druck ab, unter dem das Gas steht, oder von seiner Temperatur. Und nicht jeder Treibstoff kann in jedem Motor eingesetzt werden. Die Unterschiede fangen bei Brenneigenschaften und Zündungsprinzip (Selbst- oder Fremdzündung) an und hören bei der stoffspezifischen Viskosität noch lange nicht auf. Ebenfalls entscheidend ist das Versorgungsnetz für den gewählten Kraftstoff. Alternativen Als alternative Kraftstoffe werden solche bezeichnet, die herkömmliche, aus Mineralöl hergestellte Treibstoffe ersetzen können. Hierbei wird unterschieden zwischen Kraftstoffen aus fossilen Energieträgern und denen, die aus biogenen Energieträgern hergestellt sind. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erforscht seit mehreren Jahren neue synthetische Treibstoffe für den Luftverkehr. Ein erster kommerzieller Linienflug mit einer 50 %igen Beimischung des synthetischen Gas-to-Liquid (GtL)- Kraftstoffs zum Kerosin fand bereits 2009 in Zusammenarbeit mit Shell, Rolls Royce und Qatar Airways statt. Bis zum Jahr 2030 erwartet das DLR einen weitgehenden Ersatz des Kerosins durch synthetische Treibstoffe aus biogenen und anderen Quellen. Zukunft von Biodiesel Biodieselbeimengungen für Straßenfahrzeuge und auch im Schienenverkehr (etwa bei der Prignitzer Eisenbahn) sind mittlerweile üblich. Dagegen sind Lkw, die rein mit Biodiesel fahren, aufgrund der Besteuerung des Kraftstoffs kaum noch anzutreffen. Zudem ist ein flächendeckender Einsatz nicht möglich, da zu wenig dieses Kraftstoffs zur Verfügung steht und die Diskussion um die Nahrungsmittelkonkurrenz bleibt. Gleichzeitig wird in Bussen etwa altes Speiseöl eingesetzt (Grazer Verkehrsbetriebe) - zumindest so lange die Außentemperatur im Plusbereich liegt und die alten Busse noch im Einsatz sind. Da Biodiesel mittlerweile fast ausschließlich dem fossilen Diesel beigemischt wird, gibt es kaum noch Fahrzeugentwicklungen für einen reinen Biodieselbetrieb und damit keine Möglichkeit, die ab dem Jahr 2013 geltende Abgasnorm Euro 6 zu erfüllen. Der Einsatz von Biodiesel im Luftverkehr befindet sich noch in der Entwicklung. Green Flight International flog 2007 mit dem Kurzstreckenjet Aero L-29 Delfin in Nevada und verwandte für den Großteil der Strecke reinen Biodiesel. Im Februar 2008 flog ein A380 mit reinem GtL und im Oktober 2009 mit einer 50: 50-Mischung aus Kerosin und GtL. Bisherige Versuche mit Verkehrsmaschinen vom Typ Boeing 747 verwendeten Biodiesel in Mischung mit fossilem Kerosin, etwa im Februar 2008 mit einer Biokraftstoffbeimischung von 20 % bei einem Testflug von Virgin Atlantic von London Heathrow Airport nach Amsterdam. Im Dezember 2008 flog Air New Zealand eine Strecke, bei der ein Triebwerk von einer Mischung aus Flugzeugbenzin und 50 % Biokraftstoff aus Jatrophaöl angetrieben wurde. Biodiesel Umwelt + Ressourcen 44 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 12/ 2010 einer LNG-Betankungsinfrastruktur in den Häfen unabhängig machen. Unabhängigkeit von einer neuen Infrastruktur an Land bieten auch schwimmende Tankstellen, bestehend aus Gastankern. MAN will ein eigenes Forschungsprojekt „Clean Ship“ auflegen, um reine Gasmotoren weiter zu entwickeln. Sie sollen die NOx-Emisionen um 85 % senken, SOx fast vollständig aus den Abgasen eliminieren und den CO 2 - Ausstoß um 20 % verringern. Dazu wird das Konzept mit optimierten Propellern und Schiffsformen sowie modernster Motorregelungstechnik gekoppelt. Der Einsatz von Brennstoffzellen wird von Fachleuten in der Schifffahrt bisher eher in der Bordenergieversorgung gesehen. Ebenso wird für die anderen Verkehrsträger bei dieser Möglichkeit entweder nur von einer eingeschränkten Nutzung oder von einer allenfalls langfristig zu sehenden Alternative ausgegangen. - Auch wenn erste Prototypen sowohl auf der Straße als auch in der Luft unterwegs sind. erfordert keine Änderungen der Flugzeugsysteme oder der Versorgungsinfrastruktur. Lufthansa will bis zum Jahr 2020 dem herkömmlichen Kerosin einen synthetisch erzeugten Kraftstoff aus nachwachsenden Rohstoffen zu 5 bis 10 % beimischen. - Wenn bis dahin ein geeignetes Produkt zu eine akzeptablen Preis verfügbar ist, das nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion steht. Der Konzern hofft auf Energiegewächse wie Jatropha, die auf kargen Flächen angebaut werden können, und setzt langfristig auf Algen. Der Luftfahrtkonzern EADS beschäftigt sich mit Biotreibstoff aus Algen als vielversprechende Möglichkeit zur nachhaltigen Gewinnung von Treibstoffen für die Luftfahrt, welche langfristig Kraftstoffe aus Erdöl ersetzen sollen. Algen können künftig in ausreichend großen Mengen produziert werden ohne in Konkurrenz zu landwirtschaftlich genutzten Flächen und Frischwasserressourcen zu stehen. Biokraftstoff wie Öl oder Gas aus Mikroalgen bindet zudem Kohlendioxid. Biomasse lässt sich mit Algen 30 Mal schneller gewinnen als mit Pflanzen, die an Land wachsen. Aus einem Kilo getrockneter Algen lassen sich 850 k Methan gewinnen, drei Mal so viel wie aus Schweinegülle. Allerdings wird bei der Verbrennung von Biodiesel genau so viel CO 2 frei wie die Pflanzen vorher aufgenommen haben. In der Schifffahrt wird bei Biodiesel bisher eher auf Sportboote gesetzt. Sonst wird Flüssigerdgas (LNG - Liquified Natural Gas) präferiert, das seit dem 1. Juni 2010 nicht nur für LNG-Tanker als Treibstoff erlaubt ist, sondern für alle Handelsschiffe in internationaler Fahrt. LNG wird bei Normaldruck (max. 25 kPa Transportdruck) auf 162 gekühlt und verfügt über eine Energiedichte von 60 % gegenüber Dieselkraftstoff. Darum ist etwa vom doppelten erforderlichen Tankvolumen auszugehen. Dual-Fuel-Motoren, etwa von MAN Diesel & Turbo oder Wärtsilä, werden auf Gastankern schon seit einigen Jahren eingesetzt, bei denen LNG und Schiffsdiesel zum Einsatz kommen und von Deutsches Verkehrsforum Unter dem Slogan „Potenziale nutzen - Marktfähigkeit ausbauen - Nachhaltigkeit sichern“ hat das Deutsche Verkehrsforum, Berlin, Mitte Oktober ein Positionspapier zum Thema „Biokraftstoffe“ veröffentlicht. Das Verkehrsforum geht davon aus, dass Verbrennungsmotoren und erdölbasierte Kraftstoffe in den kommenden Jahren weiterhin das Fundament unserer Mobilität bilden werden. Um die Emissionsbilanz des Verkehrssektors günstig zu beeinflussen und die klimapolitischen Zielsetzungen der Politik zu erfüllen, komme der Optimierung bestehender Antriebstechnologien und Kraftstoffe kurz- und mittelfristig eine erhebliche Bedeutung zu. Ergänzend dazu spielten Alternativen zu konventionellen Antrieben und Kraftstoffen eine wichtige Rolle. Teilweise seien alternative Antriebe und alternative Kraftstoffe untrennbar miteinander verbunden. Das gelte zum Beispiel für die Brennstoffzelle und den dafür benötigten Wasserstoff als Energieträger. Mindestens ebenso wichtig seien aber diejenigen Kraftstoffalternativen, die zum Einsatz in bereits etablierten Antrieben geeignet seien und keine neue Infrastruktur erforderten, wie Biokraftstoffe. Das Verkehrsforum empfiehlt, das Hauptaugenmerk bei Forschung und Entwicklung auf Biokraftstoffe der zweiten und dritten Generation zu richten. Für die einzelnen Verkehrsträger sieht die Organisation unterschiedliche Ansatzpunkte und Herausforderungen. Wörtlich: „Der Straßenverkehr befindet sich beim Einsatz von Biokraftstoffen auf einem guten, etablierten Pfad. Seit 2000 weist der Absatz von Biokraftstoffen einen stetigen Aufwärtstrend auf. Es geht nun darum, die erzielten Erfolge beim Einsatz von Biokraftstoff in die Zukunft fortzuschreiben und auszubauen und den Anteil von Biokraftstoff im Straßenverkehr weiter zu steigern. Die Produktion der erforderlichen Mengen muss nachhaltig erfolgen. Dem Einsatz von Biokraftstoffen im Luftverkehr wird inzwischen hohe Aufmerksamkeit geschenkt, denn hier bestehen auf lange Sicht keine Antriebsalternativen zum Kerosin. Um die Emissionen vom anhaltenden Luftverkehrswachstum zu entkoppeln, ist es daher von entscheidender Bedeutung, das Nachhaltigkeitspotenzial von Bio-Kerosin zu erschließen. Die Luftverkehrswirtschaft machte diesbezüglich in jüngster Vergangenheit erste Fortschritte. Im deutschen Schienenverkehr dominiert die Elektrotraktion. Dennoch ist es denkbar, dass Biokraftstoffe hier in gewissem Umfang eingesetzt werden, um die Nachhaltigkeit dieses Verkehrsträgers weiter zu verbessern. Noch ungeklärte Herausforderungen liegen in der motorischen Tauglichkeit, den Verbrauchswerten, der Lagerung und dem Preis von Biokraftstoffen. In der Schifffahrt spielt die Beimischung biogener Kraftstoffe eine bislang untergeordnete Rolle, obwohl deren Einsatz auch hier künftig in gewissem Umfang möglich sein könnte. Das Potenzial kann gegenwärtig jedoch noch nicht sicher beurteilt werden.“ Das Deutsche Verkehrsforum empfiehlt koordinierte Anstrengungen der Kraftstoffhersteller, der öffentlichen Hand und der Verkehrswirtschaft, um Biokraftstoffe langfristig marktfähig und in ausreichendem Maß verfügbar zu machen. Sie sollten sich unter anderem an folgenden Leitlinien orientieren: Positionspapier „Biokraftstoffe“ veröffentlicht Biokraftstoffe müssen eine tatsächliche CO 2 -Reduktion unter Berücksichtigung ihres gesamten Lebenszyklus erbringen. Entsprechende Standards und Zertifizierungsverfahren sind international festzulegen. An die Produktion von Biokraftstoffen müssen klar definierte und international verbindliche Nachhaltigkeitsanforderungen gestellt und deren Einhaltung sichergestellt werden. Biokraftstoffe dürfen nicht mit der menschlichen Nahrungskette konkurrieren, negative Umwelteinflüsse müssen vermieden werden. Für den Erfolg bei Verbrauchern und Transportwirtschaft müssen Biokraftstoffe einen wettbewerbsfähigen Preis erreichen. Dazu sind auch künftig erhebliche Investitionen nötig. Neben der Förderung von Forschung und Entwicklung in der Markteinführungsphase bedarf es auch sinnvoller öffentlicher und technologieneutraler Anreize. Sehr wichtig sind verlässliche politische Rahmenbedingungen für die Produzenten von Biokraftstoffen, für die Automobilindustrie und Mineralölwirtschaft, aber auch für die Nutzer und die Verkehrswirtschaft. Im Straßenverkehr sollte angestrebt werden, so bald wie möglich in die Nutzung von Biokraftstoffen der zweiten Generation einzusteigen. Der Luftverkehr benötigt eine konzertierte Initiative von Politik und Wirtschaft zum kommerziellen Einstieg in die Biokraftstoff-Nutzung. In der Schifffahrt und im Schienenverkehr sollten technische und wirtschaftliche Vorfragen zeitnah geklärt werden.
